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Title: Slavische Volkforschungen - Abhandlungen über Glauben, Gewohnheitrechte, Sitten, Bräuche und die Guslarenlieder der Südslaven Author: Krauss, Friedrich S. Language: German As this book started as an ASCII text book there are no pictures available. *** Start of this LibraryBlog Digital Book "Slavische Volkforschungen - Abhandlungen über Glauben, Gewohnheitrechte, Sitten, Bräuche und die Guslarenlieder der Südslaven" *** SLAVISCHE VOLKFORSCHUNGEN Abhandlungen über Glauben, Gewohnheitrechte, Sitten, Bräuche und die Guslarenlieder der Südslaven Vorwiegend auf Grund eigener Erhebungen von Dr. Friedrich S. Krauss. Verlag von Wilhelm Heims Leipzig 1908. Alle Rechte vorbehalten. Herrn Prof. Dr. KARL von den STEINEN zugeeignet von KRAUSS. STEGLITZ-Berlin, 1 Friedrichstraße, 31. August 07. Sehr verehrter Herr Krauss! Sie wollen einem Ethnologen, und zwar einem »Amerika- und Südseereisenden«, der sich bei den nackten und wilden Kindern der Tropen am wohlsten gefühlt hat, Ihre »Slavischen Volkforschungen« widmen? seinen Namen in ehrender Form mit dem Werk über ein Gebiet verknüpfen, auf welchem Sie der anerkannte Meister sind und er in völliger Unwissenheit befangen ist? Ich könnte mich dabei beruhigen, daß symbolische Handlungen unter Kulturmenschen sinnlos sein dürfen. Aber glücklicherweise ist das Trennende zwischen unseren Berufen nur Schein — zumal in Anbetracht der Entstehungsgeschichte dieses Buches. Die prächtigen Guslarenlieder und ein großer Teil der Aufzeichnungen, die jetzt endlich in einem gewichtigen Bande herausgegeben werden sollen, stellen Sammlungen dar, die Sie als junger, gänzlich mittelloser Mann mit unglaublich zäher Arbeit und unter den schwierigsten äußeren Bedingungen geborgen haben: Sie haben bei dem Wandern unter Ihren Südslaven nach Lage der Dinge damals keine geringeren materiellen Entbehrungen erlitten und sind zweifellos von keinem geringeren wissenschaftlichen Idealismus getragen worden als der vortrefflichste Forschungsreisende in irgend einem fremden Erdteil! Auch in dem einen kennzeichnenden Punkt halten Sie den Vergleich mit den echten Pfadsuchern unbekannter Länderstriche aus, daß Sie sich Ihre Aufgabe selber geschaffen haben: Sie erkannten den hohen Wert eindringlichster volkskundlicher Erhebungen im Dunstkreis der europäischen Kultur zu einer Zeit, als die berufenen Würdenträger der südslavischen Gelehrsamkeit noch keine Ahnung hatten von den Schätzen, die sie umgaben. Aber die wichtigere Übereinstimmung, die ich gegenüber Ihrem Anerbieten empfinde, liegt in dem Objekt der Forschung. Wie Vieles ist in dem letzten Vierteljahrhundert, seit Sie den Klängen der Guslen nachgingen, zur Klarheit gediehen! Was von führenden Geistern theoretisch bereits formuliert war, was aber durch induktive Beweise erhärtet werden mußte und durch Beweise in endloser Fülle mit immer neuen Überraschungen von allen Ecken und Enden der Welt erst in dieser Periode erhärtet worden ist, die Wesensgleichheit der Volkskunde und der Völkerkunde — sie ist heute ein selbstverständlicher Satz geworden. Das psychologische Verständnis von Sitte und Brauch und aller sozialen Tradition fließt aus denselben überreichen Quellen auf den Höhen und in den Niederungen der Menschheit. Die künstliche Scheidewand zwischen geschichtlichen und geschichtlosen Völkern ist nicht mehr zu halten. Ja, ich gestehe, nicht ohne Neid und Furcht betrachte ich den wachsenden Aufschwung folkloristischer und verwandter Untersuchungen. Es scheint nicht ausgeschlossen, daß die mit so vielen feineren und zuverlässigeren Mitteln der sprachlichen und historischen Analyse ausgestattete Wissenschaft, die von unseren komplizierten Formen aus rückschließend die Anfänge zu erkennen strebt, in der Erklärung selbst des primitiven Denkens einst noch einmal die Ethnologie überflügelt, die heute leider immer und immer noch vor dem Problem versagt, ob ein einfaches Erzeugnis mit Sicherheit — und an der Sicherheit hängt alles! — den Ursprung oder die Verarmung bedeutet. Vorläufig aber wollen wir uns freuen, daß wir uns als enge Fachgenossen fühlen, mögen wir nun hier bei unseren Kulturnationen in die tieferen Schichten graben oder fern bei einem Wildstamm den gegenwärtigen Horizont festlegen. Dieselben Gesetze, dieselben Phänomene, und, trotz Bastian, vielleicht auch die Kontinuität, gegen die wir uns noch sträuben! In diesem Sinne kann ich die Patenschaft annehmen und danke ich Ihnen herzlichst. Ihr ergebener Karl von den Steinen. INHALT. Seite I. Zur Einführung. Ansätze zu einem moslimisch-slavischen Schrifttum. — Einflüsse des türkischen auf das slavische Volktum. — Probestücke aus der handschriftlichen Literatur bosnischer Moslimen 1 I. Abteilung. II. Hexen 31 III. Die unheimlichsten Waldfrauen 87 IV. Rückkehrende Seelen 110 V. Der Vampir 124 VI. Der Werwolf 137 VII. Die Mar 145 VIII. Menschenfleischessen 155 IX. Liebezauber 164 II. Abteilung. X. Guslarenlieder. Zur Einführung 177 XI. Vom wunderbaren Guslarengedächtnis 183 XII. Džanüms Heerzug 190 XIII. Rákóczy’s Fall 225 XIV. Wie Mohammed Köprülü Vezier geworden 252 XV. Die Russen vor Wien 277 XVI. Die Mutter der Jugović 287 XVII. Novak der Heldengreis 292 XVIII. Die Milchbrüder 306 XIX. Wolf Feuerdrache 332 XX. Der Yoga-Schlaf 335 XXI. Die Menschwerdung des hl. Panteleimon 349 XXII. Echte und unechte Vilenkinder 352 XXIII. Ein Heldengemetzel 361 XXIV. Von einer Vila Zöllnerin 365 XXV. Vilenpfeile (Drei Guslarenlieder) 371 XXVI. Das Heldenfräulein und die Blockhausvilen 384 XXVII. Wie Vilen Ibrâhim Nukić heilten 394 Schlagwörterverzeichnis 405 ZUR EINFÜHRUNG. Ansätze zu einem moslimisch-slavischen Schrifttum. — Einflüsse des türkischen auf das slavische Volktum. — Probestücke aus der handschriftlichen Literatur bosnischer Moslimen. Wir wollen einige merkwürdige Proben des orientalisch-slavischen Schrifttums vorlegen, das sich in Bosnien und dem Herzoglande bei den moslimischen Slaven entwickelt hat. Es sind dies Erzeugnisse einer gar bescheiden auftretenden Kunstdichtung, wo die Kunst keine besondere Dichtung und die Dichtung keine erhebliche Kunst zeigt. Die Kunstdichtung gehört eigentlich nicht zur Ethnographie, sondern, wie es sich von selbst versteht, hauptsächlich zur schöngeistigen Literatur und will vornehmlich vom Standpunkte des Ästhetikers aus betrachtet werden. Das gilt aber im allgemeinen von jeder literarischen Schöpfung, im einzelnen können doch noch immer andere Gesichtpunkte zur Geltung kommen. So muss z. B. gegebenenfalls der Ethnograph die allerersten Ansätze zu einer Kunstliteratur, wo noch immer die Individualität des schaffenden Dichters soferne unter der Menge verschwindet, als sein geistiges Eigentum als blosser Ausdruck des Fühlens und Denkens der breiten Menge angesehen werden kann, ganz gewiss in den Kreis seiner Betrachtungen ziehen. Ein literarisch gebildeter Dichter kann ins Volk hinabsteigen oder das Volk zu sich emporheben, je nachdem er die Gabe besitzt, auf die Menge nachhaltig einzuwirken. Erst die für einen beschränkteren Kreis des Volkes berechnete literarische Produktion, die, um verstanden zu werden, beim Zuhörer oder Leser eine nicht ganz alltägliche Auffassung und Bildung zur Voraussetzung hat, soll man füglich der Kunstdichtung beizählen. So legt die Kunstdichtung mittelbar dafür Zeugnis ab, dass in gewissen gesellschaftlich bevorzugten Kreisen die lebendige Volküberlieferung nicht mehr ausreiche, um das erwachte Bedürfnis nach geistiger Nahrung zu befriedigen. Die Kunstdichtung mag, z. B. wie bei den Hebräern des Altertums und den Hellenen, auf heimatlichem Boden unter günstigen Umständen in Anlehnung an die Volküberlieferungen der illiteraten Menge entstanden oder als ein Reisschössling aus der Fremde importiert worden sein. Im ersteren Falle muss auch der Kunstliteratur ein ungleich höherer, ethnographisch relativer Wert innewohnen, als im letzteren, denn sie wird ihm mitunter wohl recht schätzbare Aufschlüsse über das Volktum bieten. Die aus der Fremde verpflanzte Literatur verleugnet dagegen höchst selten ganz ihren ursprünglichen fremden Charakter; sie zu durchforschen wird für den Ethnographen nur soweit von Belang sein, als er aus solchem Schrifttum beiläufig entnehmen kann, in welcher Form und in welcher Art ein Volkgeist dem anderen sich anbequemt, wie ein Volk die Gedanken eines anderen Volkes geistig zu verarbeiten vermocht hat. Die Kunstliteratur der moslimischen Slaven Bosniens und des Herzoglandes besteht vorwiegend aus importierten und in slavischer Sprache nachgebildeten türkischen und arabischen Geisterzeugnissen. Es ist gewiss nicht wenig anregend, den Grundursachen nachzuspüren, die die Entwicklung einer orientalisch-slavischen Literatur bei den Südslaven begünstigt haben. Die Erscheinung ist ethnographisch um so auffälliger und bemerkenswerter, als die Südslaven sich nicht bloss einer alten klösterlichen Literatur, sondern auch einer überaus reichhaltigen, sagen wir gleich, einer wunderbar herrlichen epischen Volküberlieferung, der Guslarenlieder, berühmen können. Kurz mag man die Frage so stellen: Wiefern sind die Südslaven, die älteren Bewohner des Balkans, in ihrer geistigen Entwicklung von den späteren Nachkömmlingen, von ihren Herren, den Türken, bestimmt worden? Über vierhundert Jahre lang herrschte der Halbmond über das weit ausgedehnte, von Natur aus so eigentümlich gestaltete Gebiet der Balkan-Halbinsel. Hier suchten die Türken festen Fuss zu fassen, weil sie vom Balkan aus die vitalen Interessen ihres Reiches Westeuropa gegenüber am erfolgreichsten verteidigen konnten. Der innige Kontakt zwischen so verschieden gearteten Völkerschaften, wie die Türken und Slaven, musste einen Verschmelzungprozess hervorrufen. Es fällt nicht leicht, einen klaren Einblick darein zu gewinnen, weil es noch an einschlägigen Vorarbeiten sehr gebricht. Zur Zeit als die ersten türkischen Kriegerscharen die kleinasiatischen Besitzungen des oströmischen Kaiserreiches zu bedrängen anfingen, war der bulgarische Staat innerlich zerfallen, das serbische Reich stand erschöpft und geschwächt da, das bosnische lag, durch jahrhundertelange heftige Religionkriege aufgerieben, förmlich in den letzten Zügen, das halbmythische chrowotische endlich war schon längst zum Anhängsel Ungarns geworden. Unter dem Drucke einer unproduktiven, geistertötenden spätgriechischen Kultur, hart bedrängt von der griechisch-orientalischen und von der römischen Kirche, hatte sich der südslavische Grund- und Lehenadel zumeist zum Bogomilentum geflüchtet. Es scheint, als ob die Lehre Bogomils ihren Anhängern die meisten persönlichen Freiheiten gewährt habe. Die Ursprünge dieser Sekte dürften im Arianismus zu suchen sein. Sehr häufig standen in Religionstreitigkeiten und Angelegenheiten Adel und König in einander entgegengesetzten Lagern. Das Bogomilentum hatte die jungen südslavischen Staatenbildungen in ihren Grundvesten zerfugt, indem es die breite Menge des Volkes in wahnwitzvolle Religionhetzen hineingetrieben. Delirant reges, plectuntur Achivi. Kriege mit auswärtigen Feinden haben fast immer zur kräftigeren Ausbildung der Individualität des obsiegenden Volkes beigetragen; mitunter haben selbst erlittene Niederlagen ein Volk zur höchsten Ausnützung und Betätigung der in ihm schlummernden Kräfte genötigt; die Flamme von Bürgerkriegen aber, zumal derjenigen, die religiöser Fanatismus auflodern lässt, die zehrt Mark und Bein des Volkes auf. Der grösste Sieg bleibt stets ein Pyrrhussieg. Solcher düsterer Siege hatte das vortürkische Südslaventum an allen Ecken und Enden, am meisten in Bosnien, aufzuweisen. So mochte den Bošnjaken der Türke als ein ersehnter Befreier und Erlöser aus unleidlichen gesellschaftlichen Verhältnissen erscheinen. Auf eine andere Weise kann man sich füglich die eine Tatsache nicht erklären, wie die Türken mit verschwindend geringen Opfern an Blut, nahezu ohne Schwertstreich, über Bosnien Herren geworden. Fast der ganze Adel und ein grosser Teil des Volkes hatte sich vom König losgesagt und freiwillig zum Islam geschworen. Feigheit war gewiss nicht der Beweggrund, und die Habsucht, um die ererbten Güter weiter im Besitz zu behalten, wohl auch nicht, helle Verzweiflung war es, die den stolzen Adel zu diesem Schritt getrieben. Der Übertritt zum Islam dürfte den Bošnjaken nicht besonders schwer gefallen sein, denn Adel und Volk hatten im Religionwechseln schon förmlich eine Übung erlangt. Von den Türken aus wurde in dieser Hinsicht auf die Bošnjaken kaum ein besonderer Zwang ausgeübt. Das muss wohl auch der erbittertste Türkenhasser den Türken wahrheitgemäss zu ihrem Lobe nachsagen: sie waren in Europa weder in religiöser noch in nationaler Beziehung Proselytenmacher. Der Türke blickte mit viel zu viel Geringschätzung auf den Slaven herab, als dass er es für wünschenswert gehalten hätte, ihn zum Islam zu bekehren. Tatsächlich hatte sich der bosnische Adel durch seinen Übertritt nicht viel genützt. In den ersten zwei Jahrhunderten der Okkupation durch die Türken spielt der moslimische Slave eine durchwegs höchst untergeordnete Rolle im politischen Leben; und die moslimischen Slaven, die sich später als Helden hohen Ruhm erwarben, die Mujo Hrnjica, Siv sokol Alile, Ćejvan aga dedo, dedo Varićak, Pandžić Huso, Tale Orašjanin, Džanan sarajlija und so viele andere waren ausnahmlos homines novi, Männer aus der Schichte der Ackerbauer, die ihre Stellung und ihre Macht lediglich ihrer persönlichen Tapferkeit und ihrem Mute zu verdanken hatten. Immer wieder muss sich der südslavische Ethnograph, angesichts solcher mächtigen Wandlungen im Volkleben, die Frage zu beantworten suchen, wie war es denn mit dem südslavischen Volktum in den Zeiten vor der türkischen Invasion beschaffen? Über die ethnographischen und kulturellen Verhältnisse der Südslaven in den der türkischen Herrschaft vorausgegangenen Jahrhunderten sind wir leider äusserst mangelhaft unterrichtet. Was uns von der altsüdslavischen Literatur überkommen, sind trümmerhafte Petrefakte einer slavisierten spätbyzantinischen Literaturströmung. Einige magere, gedankenarme Chroniken über kriegerische Ereignisse, zweifelhafte Geschichten von Duodezkönigen, einige Bändchen königlich oder »kaiserlich« serbischer Gesetze und diplomatischer Korrespondenzen sind, abgesehen von zahlreichen sachlich und sprachlich minderwertigen Evangelien-Übersetzungen, Homilien und ungemein naiven Heiligenlegenden, fast die einzigen, freilich sehr dürftigen literarischen Quellen unseres Wissens vom Kulturleben der Südslaven in vortürkischen Zeiten. Man hat zwar ein Sammelwerk aller südslavischen Steininschriften in Angriff genommen. Den Hauptvorteil dürfte aus dieser Sammlung vorzugweise der Philolog als Grammatiker ziehen; wie denn im allgemeinen die altslavischen Texte, die dem Süden entstammen, immer die sorgfältigste Beachtung der Linguisten verdienen. In die verknöcherte byzantinische Schablone, die den Südslaven aufgenötigt wurde, liess sich unter den damals obwaltenden Verhältnissen unmöglich originelles, individuelles Wesen einfügen. Der byzantinische Geist musste, wie er schon einmal war, entweder vollinhaltlich aufgenommen oder zurückgewiesen werden. Den Südslaven ist der Byzantinismus hauptsächlich durch die griechisch-orientalische Kirche vermittelt worden, die keine Kompromisse zuliess. Die illiteraten Südslaven hatten wohl damals, in der Periode ihrer ersten Staatenbildungen, keine eigene, widerstandfähige Kultur der eindringenden byzantinischen als Wehr entgegenzustellen. Auch wetteiferten die Fürstenhöfe und der Adel in der Nachahmung byzantinischer Vorbilder. Byzanz war der erste und bedeutendste Lehrmeister der Balkan-Slaven. Andererseits drang zu den Südslaven vom Südwesten italienische, vom Nordwesten deutsche Kultur ein. Den weitaus überlegenen Kulturen ihrer sprachstammverwandten Brüder, den Griechen, Italienern und Deutschen gegenüber, konnten sich die Südslaven doch nur stets aufnehmend verhalten. Es ist nicht leicht annehmbar, das südslavische Volktum hätte unter diesem Einstürmen dem slavischen Vorstellungkreise durchaus nicht abartiger Elemente noch Raum zu einer freien und gedeihlichen Entwicklung gefunden. Das echtslavische, aus den nördlichen Heimatstätten mitgebrachte Volktum blieb jedoch fast ausserhalb der Berührung mit der Literatur und Kultur, die von Mönchen und Adeligen aus dem Auslande mitgebracht wurde. Man sah mit Gleichmut, wo nicht mit Verachtung auf das ungebildete Volk herab und bekümmerte sich um sein inneres Leben und Weben so gut wie gar nicht. Wie lässt es sich denn anders erklären, dass uns die gesamte altsüdslavische Literatur nicht einmal die blossen Namen der altsüdslavischen vorchristlichen Gottheiten oder ihrer Kultusstätten, geschweige erst Nachrichten über Sitten und Gebräuche oder zum mindesten ein einziges episches oder vielleicht lyrisches Lied aufbewahrt hat? Die alten slavischen religiösen und gesellschaftlichen Anschauungen bildeten eben keinen Faktor, mit dem die Missionare des östlichen und westlichen Christentums hätten rechnen müssen. Bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts bedrohte die Südslaven Gräzisierung im Osten, Romanisierung und Germanisierung im Westen. Als aber die Türken Glied für Glied dem byzantinischen Reiche in Asien ausrissen, behob sich auch rasch das politische Alpdrücken der Balkan-Slaven; da streckte und reckte sich das Serbenreich, von Byzanz frei geworden, gar mächtig aus, östlich fast über ganz Bulgarien und südlich bis tief nach Griechenland hinab. Es gewann für einen Augenblick den Anschein, als sollte sich unter dem Szepter der serbischen Eroberer ein grosses Reich bilden, das alle Südslaven vom Schwarzen Meer und der Donau-Mündung angefangen bis zu den blauen Fluten der Adria zu einem Staate vereinigen wird. Der Bošnjak verlegt das goldene Zeitalter seines bosnischen Stammes unter die Regierung des halbmythischen bosnischen Fürsten Kulinban, noch mehr feiert der Serbe seinen Car Dušan. Der eine wie der andere hatten es verstanden, die Präponderanz der Pleme-Oberhäupter zu Gunsten der Krone bedeutend zu schwächen und die kleinen Spaltungen unter den Phylen (plemena) und Phratrien (bractva) auszugleichen. Beider Politik rüttelte das Volkbewusstsein auf. Das eigentliche Erwachen zur Erkenntnis ihrer Volkkraft verdanken die Südslaven im allgemeinen, insbesondere aber die Serben, mittelbar dem Ansturm der Türken gegen das byzantinische Reich. Die serbischen, Byzanz tributären Herrscher wurden zu Bundgenossen Byzanz’ gegen die Türken. Damals mochte der poetisch veranlagte serbische Streiter, heimgekehrt aus siegreichem Kampfe in weiter Ferne, an langen Winterabenden seinen um das Herdfeuer lagernden Plemegenossen in rhythmischem Singsang, begeistert von den Erinnerungen, Kunde tun von Kampfmühen und herber Not, von kühnen, abenteuerlichen Zügen durchs schauerliche Dunkel der Urwaldbestände des Balkans, von reissenden Gebirgströmen und von endlos weiten weizenspendenden Gefilden, von gleissenden Gewaffen und stahlbepanzerten fremden Kriegerscharen, von der stolzen Pracht und Herrlichkeit der Tempel und Paläste in Kaiser Konstantins weissen Stadt am Meere. Und gerne flocht er mit das Lob der holdseligen, liebreichen Frauengestalten am Hofe der Komnênen ein. Begierig lauschte Jung und Alt solchen seltsamen Mären. Eine ungeahnte Welt voll verlockender Zauberdinge hielt ihren Einzug in das bäuerliche Gemüt des Serben. Unter dem bezwingenden Eindruck solcher Schilderungen regte sich im Bauer ritterlicher Sinn, Tatendrang und die Lust an waghalsigen Abenteuern. Das war wie nach langem Winterschlafe ein sonniges Frühlingauferstehen der südslavischen Volksdichtung. Noch gegenwärtig, volle fünf Jahrhunderte nach jenen Ereignissen, weiss der illiterate serbische Guslar in Bosnien und dem Herzogtum davon zu singen und zu sagen. Und selbst wenn er ein Geschehnis späterer Zeit, aus der Epoche der Türkenherrschaft besingt, so schmückt er seine Darstellung mit dem überkommenen Vorrat von stereotypen Wendungen und Gleichnissen aus jener ersten grossen Periode der epischen Volksdichtung aus. In der Schlacht am Leitenfelde (Kosovo polje), am 13. Juni 1389, unterlagen die vereinigten serbischen Kriegscharen der türkischen Übermacht. Einige Jahrzehnte nachher kam auch Bosnien und bald darauf das Herzogtum unter türkische Botmässigkeit. Die Türken hatten den Balkan nur politisch, nicht auch sozial erobert. Ein beträchtlicher Teil der Südslaven serbischen Stammes flüchtete nach Dalmatien, ins Küstenland, nach Chrowotien und Istrien und auf die Inselwelt der Adria. So wuchs allmählich ein Damm an gegen die Romanisierung Dalmatiens und gegen die Germanisierung Chrowotiens. Selbst die Slovenen in Krain und Kärnten wurden durch die neuen Zuzüge aus dem Süden, besonders aus Bosnien, gegen die Verdeutschung widerstandfähiger. Andererseits begann nach und nach die chrowotische Mundart in der lebenskräftigeren, volltönenderen serbischen aufzugehen und ist schliesslich in ihr so gut wie ganz aufgegangen. Wenn man heutigen Tages von einer chrowotisch-serbischen oder serbisch-chrowotischen Sprache und Literatur spricht, so ist darunter die slavische Mundart des Serbenstammes und das in dieser Mundart verfasste Schrifttum zu verstehen. Vom Gesichtpunkte des Ethnographen aus betrachtet, sind die Chrowoten und Serben trotz ihrer nahen Verwandtschaft doch zwei selbständige eigenartige Typen der slavischen Völkerfamilie. Genaue, rein sachliche Untersuchungen wären aufzustellen, um klarzulegen, wie viel die Serben und Chrowoten einander in ethnographischer Hinsicht zu verdanken haben. Die serbischen Flüchtlinge verpflanzten unter die Chrowoten die Epen, die von der Leitenfelder Schlacht, vom Car Lazar, von den Helden Obilić Miloš, Relja Krilatica, Starina Novak, dijete Grujica, von den beiden Kosančić und vielen anderen, am meisten verhältnismässig vom Prinzen Marko erzählen. Die Jahrhunderte hindurch gebräuchlichen kleinen Raub- und Plünderzüge der Magyaren, Chrowoten [1] und Serben ins türkische, und der Türken oder der moslimischen Slaven ins ungarische und venezische Gebiet wanden immer neue Episoden in das schier endlose Epengeranke der Südslaven ein. Einen neuen mächtigen Impuls, den zweitkräftigsten, seitdem der serbische Volkstamm in der Geschichte aufgetreten, erhielt die epische Volkdichtung in den letzten Dezennien vor der Verdrängung der Türken aus Ungarn. Die ritterlichen moslimisch-slavischen Grenzwächter (serhatlije od ćenara), die beiläufig dreissigtausend [2] Mann auserlesener Truppen ins Feld stellen konnten, hatten einen gar schweren Stand, die weithin ausgedehnten Marken des türkischen Reiches im Westen gegen die fortwährenden Anstürme venezischer, deutscher und magyarisch-chrowotischer Kriegscharen zu verteidigen. Die gewaltigen Kriegzüge gegen Österreich boten den Moslimen serbischer Zunge und serbischen Stammes weitaus reichere und für sie erfreulichere Motive für eine epische Volkdichtung dar, als solche in der älteren Überlieferung vorhanden waren. Meine grossen Sammlungen moslimisch-slavischer Epen [3] legen ein glänzendes Zeugnis dafür ab, dass das südslavische Volktum in diesen Schöpfungen seinen höchsten und künstlerisch vollendetsten Ausdruck gefunden. Nur die altgriechischen Epen Homers sind den moslimisch-slavischen ebenbürtig, sonst hat kein Volk unter den sog. Indogermanen so gediegenen Reichtum an Volkepen »aus tiefen Furchen seiner Brust« gezogen. In der Crnagora, in Bosnien, im eigentlichen Serbien und in Bulgarien entfaltete sich vom 15. Jahrhundert ab unter den slavischen Nichtmoslimen eine Hajduken-Epik, die stofflich und in der Ausführung auf ein Haar den neugriechischen und den albanesischen Klephten-Epen gleicht. Die dicht bewaldeten Höhenzüge der Balkan-Gebirge und die höhlenreichen Karstgebiete sind die wahren Heimstätten der Hajduken gewesen, von denen der Guslar singt: mač i puška i otac i majka dvije male bratac i sekuna oštra ćorda vijernica ljuba tvrda st’jena mekano uzglavje kabanica kuća do vijeka. Seine Flinte heisst er »Mutter!« und sein Schwert »lieb Väterchen!« Zwei Pistolen in dem Gürtel »Brüderchen und Schwesterchen:« An dem Gurt ein scharf Gewaffen ist sein »trautes Ehgemahl!« Und der harte Felsen dient ihm nachts als weiches Polsterpfühl; Und sein Heim, das ist sein Mantel bis zur letzten Lebensstund. Merkwürdig ist die Erscheinung, dass bei den Bulgaren sowohl die epischen Lieder aus der älteren Periode als die Hajduken-Epen vorwiegend auf Anlehnung an serbische Originale oder auf unmittelbare Entlehnung aus dem Serbischen hindeuten. Dafür haben die Bulgaren die Sagen, Märchen und Legenden mehr ausgebildet. Die Stoffe sind vielfach orientalischen Ursprungs. Bulgarien hatte es unter türkischer Herrschaft verhältnismässig weitaus besser als die Bewohner der übrigen Provinzen. Bei den Bulgaren entwickelte sich frühzeitig ein beträchtlicher Gewerbefleiss, dessen Erzeugnissen leicht alle Märkte des Orients zugänglich waren. Der regere Handelverkehr und der aufsteigende Volkwohlstand beanspruchten den Bulgaren derart, dass er den Sinn und das politische Verständnis für seine Volkindividualität verloren zu haben schien und bis zum Anfang dieses Jahrhunderts gar keine grösseren Anstrengungen machte, die Türkenherrschaft abzuschütteln. Fanden sich ja erst vor zweihundert Jahren die Rhodopebulgaren sogar bewogen, samt und sonders den Islam anzunehmen. [4] Im allgemeinen hat sich der Islam als nicht geeignet erwiesen, die Abendländer für seine Prinzipien zu gewinnen. Die Serben und die Bulgaren, sowie ein Teil der Balkan-Zigeuner, machten in dieser Hinsicht die alleinige Ausnahme unter den Völkern Europas. Dagegen bewährte sich der Islam unter den turanischen und semitischen Völkerschaften in Asien und unter den Negern in Afrika als höchst wirksames Förderung- und Bindemittel der Kultur. Die oft aufgetischten Redensarten von den barbarischen, wilden Türkenhorden haben nur bedingt eine Berechtigung. Länder und Völker werden nicht erobert und nicht bezwungen durch zierlich gedrechselte Komplimente von Salonhelden ebenso wenig, als durch gelahrte Doktordissertationen. Der Krieg rast dahin auf ehernem Wagen. Den Weg, den er gewandelt, bezeichnen geknickte Menschenblüten, bleichendes Gebein und zu Trümmerhaufen umgewandelte Behausungen der Menschen. Ein grosser Krieg kommt seinen Folgen nach einem schrecklichen Naturereignis gleich, etwa einem Erdbeben, wie das von Krakataua, oder einer verheerenden Sintflut. Nach der Katastrophe erblüht auf Ruinen wieder neues Leben. In weiteren Kreisen, besonders unter den Südslaven, hat sich wie ein verrotteter Aberglaube eine grosse Geringschätzung, wo nicht Verachtung, der orientalischen Kultur eingewurzelt, soweit letztere durch die Türken repräsentiert wird. Wenngleich die Türken auch keine grosse selbständige Kultur geschaffen, so war ihnen doch als den Erben arabischer und persischer und mittelbar selbst altägyptischer Kultur eine höchst wichtige Maklerrolle zwischen Orient und Okzident zugefallen. Das Türkentum hat also auf die Südslaven in zwei Beziehungen einen segenreichen Einfluss ausgeübt, indem es einmal die Südslaven zu einem besonderen Kampf ums Dasein nötigte, das andere Mal dadurch, dass es ihnen die Bekanntschaft mit arabischer und persischer Industrie und Kunstfertigkeit vermittelt hat. Sowohl durch diese Reibungen und Konkurrenzen, als infolge der mannigfaltigen Kreuzungen, steigerte sich die durchschnittliche Intelligenz der Südslaven um ein Beträchtliches, die Art wurde verbessert und veredelt. Soweit ich Angehörige der verschiedenen slavischen Völker im persönlichen Umgang kennen gelernt, sind mir die Südslaven, namentlich die Serben und Bulgaren, als die schönsten an Wuchs und Gestalt erschienen. Ich will noch hinzufügen, dass sie geistig ausgezeichnet veranlagt sind und in dieser Hinsicht weder den Polen noch den Čechen im geringsten nachstehen, nur fehlt ihnen im Durchschnitt jene rastlose Beharrlichkeit und Schaffensfreude, die man getrost als charakteristische Merkmale der Čechen im Verhältnis zu den übrigen Slaven betrachten darf. Die Südslaven lernten von ihren Herren, den Türken, die Fabrikation von Tüchern und Teppichen, von Sattelzeug und Waffen, von Hausgerätschaften und von noch unzähligen kleinen und grossen Dingen. [5] In der Baukunst ragten die türkischen Meister besonders durch kunstvolle Brücken und Festungbauten hervor. Die Zähmung der Falken zur Jagd und auch zur Briefpost gehörte zur Türkenzeit bei den bosnisch-herzögischen Edelleuten zu den gewöhnlichen Beschäftigungen. Den Gebrauch der Jagdfalken finden wir öfter in Guslarenliedern besprochen, aber meines Wissens nur dreimal den Falken als Briefboten. Brieftauben scheint man nicht benutzt zu haben, zum mindesten nicht bei Moslimen. In einem Guslarenliede wird erzählt, wie Muškić Stjepan (Stefan der Moskauer) seinen Brief nach Udbina bestellt: er rief darauf herbei den grauen Falken und band ihm um den Hals das Briefchen fest, und gab auf griechisch ihm sodann die Weisung: — »Verweil mir nirgends und an keinem Orte eh’ du zur Burg des Burgherrn hingekommen,— dann lass dich ihm aufs Fenstergitter nieder:« Der Falke flog zum Himmel unter Wolken und liess im türk’schen Udbina sich nieder auf Osmanagas weissgetünchter Warte und von der Warte schoss er hin ans Fenster. Als ihn ersah der Burgherr Osmanaga, da sprach er wohl auf griechisch an den Falken: — »Komm her zu mir graugrüner Vogel Falke!« Der Falke fiel ihm auf den weissen Schoss, da löst’ er ihm den Brief vom Halse los und legte sich den Brief auf seine Kniee und brach das Siegel von dem Schreiben auf. Bei den Türken stand die Falkenbeize seit jeher in grösstem Ansehen. (»Falknerklee«, drei ungedruckte türkische Werke über die Falknerei, eines der ältesten Denkmäler der türkischen Literatur, übersetzte Josef von Hammer. Pesth 1840.) Die türkischen Sultane waren fast ausnahmlos Freunde der Falkenjagd. Am meisten widmeten sich ihr Bajesid, der Wetterstrahl, und Mohammed IV. Nach der Schlacht bei Nikopolis (28. September 1396) gab S. Bajesid den ausgelösten deutschen, ungarischen und französischen Kriegern eine Falkenjagd zum besten und setzte sie durch die Pracht seines Jagdstaates, der aus 7000 Falkenjägern und 6000 Hundewärtern bestand, in Erstaunen. Die Falkeniere bildeten die Masse der sultanischen Jägerei, welche aus den vier Klassen der Falkenjäger, der Weihejäger, der Geierjäger und der Sperberjäger bestand, während die Hundewärter, in der Folge den Janitscharen einverleibt, 33 Regimenter bildeten. Ihre höheren Offiziere wurden durch Benennungen der Jagd nach den ältesten Begriffen des Morgenlandes geadelt, weil die Lebensmittel der Nerv des Krieges und die Jagd dessen edelstes Vorspiel ist. [6] In dieser Schule lernten auch die bosnisch-herzögischen Spahis und Zaimbege die Falknerei kennen und verpflanzten sie von dort in ihre Heimat, wo sie sich hie und da bis auf den heutigen Tag noch behauptet hat. Der verdienstvolle und sehr strebsame Herausgeber des »Glasnik« in Sarajevo, Herr K. Hörmann, liess durch den Maler Ewald Arndt aus Deutschland darüber in Bosnien Ermittelungen anstellen und veröffentlichte in seinem Organe die mit Hülfe des Bezirkvorstandes Jordan und des Oberförsters Elleder gewonnenen Nachrichten. [7] Noch vor 15 bis 20 Jahren jagten allgemein die Begen in Nordbosnien (Krajina) und im Savelande mit Falken, gegenwärtig aber ist die Falkenjagd nur noch üblich in den Edelsippen Uzeirbegović in Maglaj und den Širbegović und Smailbegović in Tešanj. Die Begen erklären bestimmt, die Falknerei sei nach der Unterwerfung des Landes durch die Osmanen eingeführt worden. Einen Jagdfalken zu überwintern, verstehen die Begen nicht mehr, wahrscheinlich, weil sie die zweckmässige Fütterung des Vogels verlernt haben, früher richtete man den Wanderfalken (falco peregrinus) ab, in unserer Zeit dagegen so gut wie ausnahmlos nur jene Art, die man »atmadža« nennt (atmadža oder akmadža bedeutet aber türkisch einen Sperber!). Zuweilen nimmt man auch einen gewöhnlichen Sperber, doch hat man von ihm nur geringen Vorteil. Den Falken fängt man mit Netzen. Zwei beiläufig zwei Meter hohe und ebenso breite Netze werden sehr schwach in einem spitzen Winkel an Stangen befestigt. Von der Aussenseite verdeckt man die Netze mit dünnem Gezweige und grünen Dornen. In der Mitte zwischen den Netzflügeln bindet man eine lebendige Dohle an, worauf sich der Jäger in einem Gebüsch in der Nähe verbirgt. Um sich zu befreien, fängt die Dohle zu flattern und zu krächzen an, worauf sich leicht ein einjähriger noch unerfahrener Falke auf die Beute stürzt. Es entspinnt sich ein heftiger Kampf, bei dem das Netz über den Kämpfern zusammenfällt. Zur Abrichtung wählt man lieber ein Weibchen als das schwächere und kleiner gebaute Männchen. Die Freunde der Falkenjagd wissen genau, aus welchen Nestern sie die tauglichsten Falken erhalten können; alle Falken sind nämlich nicht gleich gelehrig. Im Ozren-Walde zählt man 20 Falkenhorste, doch nur an drei Stellen findet man die verwendbaren Falken. Die Falkenbeize erheischt viele Mühen. Vorerst muss man den Falken daran gewöhnen, geduldig den Riemen am Bein zu tragen. Der Sitz des Falken muss stets in schaukelnder Bewegung erhalten bleiben und von Zeit zu Zeit hat man den Falken mit Wasser zu bespritzen, damit er nicht einschlafe. Auch muss er lernen, ruhig auf des Jägers Hand zu sitzen, die mit dicken aus Schaffell angefertigten Handschuhen bekleidet ist. Diese Abrichtung währt 15 bis 20 Tage. Mit dem gefügigen Falken auf der Hand begibt sich der Jäger in Begleitung seines Jagdhundes aufs Feld. Sobald der Hund eine Wachtel aufgestöbert, wirft der Jäger den Falken in der Flugrichtung der Wachtel auf, und der Falke schiesst auf seine Beute mit Blitzschnelle los. Ein gut geschulter Falke in Händen eines tüchtigen Jägers kann des Tags 10 bis 15 Wachteln fangen. Im Herbste, wenn die Wachteln nach dem Süden wandern, kann ein flinker Falke 60 bis 80, ja sogar 100 Wachteln einfangen oder erbeuten. Der Gebrauch eines Federspiels oder Luders bei der Falkenbeize scheint den bosnischen Waidmännern unbekannt zu sein. Fast alle Musikinstrumente, die vielgedachten Guslen, das Symbol des Südslaventums, die auf asiatischen Ursprung hindeuten, haben die Südslaven den Türken zu danken. Mit der Šargija, der Bugarija, den Čemane und der Tamburica, Instrumenten von der Art der Mandoline, die gleichfalls dem Oriente entstammt, brachte der asiatische Osten dem Südslaven eine phantasievolle, blumenreiche, herzinnig-zarte, sinnige Lyrik von auserlesenstem Reichtum an Motiven und geistvoll zugespitzten Pointen. Nicht leicht hat mehr eines slavischen Knaben Wunderhorn solche Diademe und kostbare Perlenschnüre, wie das südslavische Schatzkästlein der Volklyrik, aufzuweisen. Nur dem Spanier war es beschieden, in ähnlicher Weise aus dem unversieglichen Jungbrunnen orientalischer Dichtung liebetrunken zu nippen. Das lyrische Volklied der Südslaven verleugnet im allgemeinen auch äusserlich seinen orientalischen Charakter nicht. Die köstlichsten Stücke rühren aber in der Lyrik nicht minder als in der Epik von den moslimischen Slaven her. In dieser Lyrik kommt stürmische Glut gesunder Sinnlichkeit, gelangt der Liebe Lust und Leid voll und farbenprächtig zum Ausdruck, während die Liebelieder der südslavischen Nichtmoslimen besonders in jenen Gegenden, wo die Türken nie festen Fuss gefasst hatten, vielfach das Gepräge schrankenloser Sinnlichkeit und dabei oft eine nicht leicht näher zu bestimmende Nüchternheit, die zuweilen an Plattheit grenzt, aufweisen. Der rege Verkehr zwischen den Slaven und Türken übte auf den beiderseitigen Sprachschatz eine nachhaltige Wirkung aus. Die gegenwärtige türkische Sprache hat eine Menge slavischer Elemente in sich aufgenommen, die serbische und bulgarische aber noch weit mehr türkische oder turzisierte arabische und persische Ausdrücke. Es lag ja in der Natur des gesellschaftlichen Verhältnisses, dass die Slaven mehr nehmen mussten, als sie zu geben hatten. Die serbische und bulgarische Sprache hat zusammen wohl über zehntausend dem türkischen Wortvorrat entlehnter Wörter noch zur Zeit in allen den verschiedenen Gegenden im Gebrauche behalten. Vor allem tragen 70 Prozent der gewerblichen und landwirtschaftlichen Geräte und Werkzeuge und Verrichtungen, die Kleidungstücke und mannigfache Verhältnisse des Lebens lauter Fremdnamen. Eine recht fleissig ausgearbeitete, für die praktischen Bedürfnisse des Alltaglebens berechnete lexikalische Zusammenstellung türkischer und anderer orientalischer Worte in der serbischen Sprache hat im Jahre 1884 der Serbe Gjorgje Popović in Belgrad veröffentlicht. (»Turske i druge istočanske reči u našem jeziku. Gragja za veliki srpski rečnik.« gr. 8o. p. 275.) Auf Vollständigkeit erhebt Popovićs Arbeit noch lange keinen Anspruch. [8] Es ist klar, dass dort, wo die Berührung zwischen Türken und Slaven am intensivsten stattfand, die Volksprache davon ausreichendes Zeugnis ablegt. Das ist der Fall in denjenigen bosnischen und herzogländischen Bezirken, die vorwiegend von Moslimen bewohnt werden. In den sonnigen Lehnen der Treskavica planina liegen z. B. lauter moslimische Ortschaften, wo die serbische Mundart nahezu schon den Charakter einer türkisch-slavischen Mischsprache erlangt hat. Dort habe ich viele tausende Verse epischer Lieder aufgezeichnet, von denen mancher Vers lauter Fremdworte enthält, z. B.: Vlasi Muje bastisali kulu. Die Christen zerstörten Mustapha’s Burg, oder zum mindesten unter vier Worten drei fremde, z. B.: eto aga dženliva hajvana! Poljeće bakrena džemija pro deniza i kara limana. hier ist, o Herr, das rasende Geschöpf! Es flog dahin die kupferne Galeere übers Meer und über die schwarze Buchtung. Ein Epos von der Eroberung Ofens hebt also an: Razbolje se sultan Sulejmane u Stambolu gradu bijelome na svom tâchtu u svome devletu treći danak šechli ramazana. Es erkrankte Sultan Sulejman in Stambol, der weissen Stadt, auf seinem Throne in seinem Reiche, am dritten Tag des Monats Ramaddăn. Von den zwölf Substantiven und Adjektiven dieser vier Zeilen sind sieben Fremdwörter. Das ist eine Probe der allergewöhnlichsten Volksprache. Natürlich sind in den Erzeugnissen der moslimisch-slavischen Kunstdichtung die Fremdwörter noch stärker vertreten, denn die Verfasser setzten bei ihren Lesern eine höhere Kenntnis des Türkischen voraus. Eine Sprache ändert ihren Charakter durch Aufnahme von Fremdwörtern solange nicht, als sie die Eindringlinge durch Vor- und Nachsilben der neuen Umgebung vollkommen anzupassen vermag. So verfügt unsere liebe deutsche Sprache, wie dies aus Heyse’s grossem Fremdwörterbuch ersichtlich ist, über die hübsche Kleinigkeit von 70 000 Fremdwörtern; hat demnach siebenmal mehr als die Südslaven geborgt, ohne sich mit dem fremden Gemengsel den Magen zu verderben. Diese Fremdworte bergen in sich ein grosses Stück der Geschichte von der geistigen Entwicklung des deutschen Volkes. Ich meine, der Deutsche hat sich seiner Fremdwörter nicht nur nicht zu schämen, sondern mag sich ihrer getrost berühmen, sofern sie für ihn zeugen, dass er sich in der ganzen Welt umgetan hat, um überall das Beste zu lernen. Freilich gehören sieben Zehntel der Fremdwörter im Deutschen nur der konventionellen Ausdruckweise verschiedener Stände und Berufklassen an, während bei den Südslaven alle 10 000 Fremdworte im illiteraten Volke selbst gebräuchlich sind. Selbstverständlich kennen die Bewohner eines Dorfes nur einen winzigen Bruchteil der Fremdworte, wie sie ja auch nicht den gesamten Sprachschatz beherrschen. Den hat kein Einzelner, und mag es der gelehrteste seines Volkes sein, jemals ganz inne. Eine Mischsprache beginnt sich erst dann zu entwickeln, wenn die eine Sprache durch eine andere auch in der Flexion und der Satzfügung wesentliche Änderungen erleidet, nachdem sie sich schon einen schweren Bruchteil an Fremdworten einverleibt hat. Das Bulgarische hat die Kasusendungen bis auf schwache, vereinzelt erhaltene stereotype Ausnahmen und den Infinitiv verloren, hat sehr viel Wörter aus dem Türkischen herübergenommen, aber noch immer nicht genug, um als Mischsprache zu gelten. Die Satzfügung ist trotz aller Veränderungen, die die bulgarische Sprache im Laufe der letzten fünf Jahrhunderte erlitten, im Grunde genommen slavisch geblieben. Obwohl die serbische Mundart der moslimischen Slaven von Herzeg-Bosna die Kasusendungen und den Infinitiv noch besitzt, scheint es mir doch, dass sie wenigstens in den Erzeugnissen ihrer Kunstliteratur eher das Bild einer Mischsprache darbietet als das bulgarische, und zwar darum, weil sie in syntaktischer Beziehung eine bedeutende Beeinflussung durch das türkische Zeitwort etmek (itdim perf. sing.), d. h. tun, machen, erfahren hat. Das Zeitwort selbst ist nicht mit eingedrungen in die slavische Sprache, sondern nur die im Türkischen mit diesem Zeitwort übliche Konstruktionweise; für verabsäumen (zanemariti) wird z. B. terk (arabisches Wort) činiti (machen, slavisches Wort), d. h. »Verabsäumung machen«, gesagt, für erwähnen (spominjati) sikri činiti (Erwähnung machen; Erwähnung tun), für sich bedanken oder dankbar sein (zahvaliti se, zahvalan biti) Dankbarkeit machen: šućur činiti. Der Bulgare setzt für das etmek am häufigsten činim (ich mache), aber nicht selten pravim (ich fertige an) oder storim (ich schaffe) ein. In der Regel verrät sich die entlehnte Konstruktion schon dadurch, dass das Substantivum fremd ist, indessen hat das Serbische, dem natürlichen der Sprache innewohnenden Abstossungdrange folgend, sehr häufig die fremden Substantive durch gut slavische ersetzt, so z. B. (bei Bogoljub Petranović: Srpske narodne pjesme iz Bosne, Sarajevo 1867): Kakav li je grijeh učinio? (S. 27. Nr. 25.) grijeh učiniti für zgriješiti, Was hat er für Sünde begangen (getan); Korrekt slavisch müsste man fragen: kako li je oder u čem li je zgriješio. veliku radost učiniše (S. 37. Nr. 30), radost učiniti für obradovati se, sie machten eine grosse Freude, korrekt wäre: veoma se obradovaše. Bei L. Marjanović (Hrvatske, d. h. bosnische nar. pj. Agram 1867) liest man auf S. 57. V. 15: na Udbinu zatrke čineći. zatrke činiti ist für zatrkivati se; Ins Udbinaer Gebiet Einfälle machend, korrekt wäre: zatrkivajući se. Im Bulgarischen bei Miladinovci S. 116, Nr. 84 (Bolgarski narodni pesni, Agram 1861): svadba činit, für svatuet (er feiert Hochzeit); S. 452, Nr. 488: mome se pišman storilo (das Mädchen hat Reue gemacht, d. h. sie hat ihr Jawort zurückgenommen), wofür der Serbe sagen würde: moma se pišman učinila oder popišmanila se; pišman ist persisch pešiman. Gut slavisch wäre: moma riječ svoju pokajala (sie hat ihr Wort bereut) oder, wie die Bauern in Slavonien sagen, cura se predomislila (das Mädchen hat sich eines anderen besonnen). Bei Vladimir Kačanovskij (im Sbornik bolgarski pesen, St. Petersb. 1882), liest man auf S. 502, Nr. 200, V. 322: nemu se poklon napravil (er hat sich vor ihm verbeugt), der Serbe sagt dafür poklon činiti, so z. B. bei Petranović a. a. O. S. 38, Nr. 30: poklon čini prečistoj gospoži (er verbeugt sich vor der erlauchtesten Frau). Diese Hinweise mögen hier genügen. Ich habe solcher Beispiele bei sechshundert bisher vorgemerkt und gedenke einmal, bis meine Sammlungen südslavischer Volküberlieferungen gedruckt sein werden, diese und noch eine Reihe verwandter Erscheinungen der südslavischen Sprachentwicklung eingehend zu behandeln. Ich wiederhole es, dass nach meinem Dafürhalten die serbische Mundart der bosnisch-herzogländischen moslimischen Schriftdenkmäler bei weitem mehr den Charakter einer Mischsprache als das Bulgarische an sich trägt. Sie ist nicht zufällig entstanden, sondern durch die Bedürfnisse im Laufe der Zeiten geschaffen worden. So musste die Hülle sich umarten, in der die türkische Auffassung zu dem Südslaven sprechen konnte. Es ist gleichsam das Lallen und Stammeln des Kindes, das mit dem Ausdruck ringt, um seinen Wahrnehmungen und Beobachtungen Geltung zu verschaffen. Das Kind empfängt viel zu viel auf einmal und vermag sich nicht aus dem Gewirre herauszuhelfen. Der wirkliche Kunstdichter unter den slavischen Moslimen befand sich in einer ähnlichen Lage. Auf ihn drängte seine slavische Muttersprache und zugleich die türkische ein. Er bediente sich beider, um seine Gedanken am klarsten auszudrücken. Er borgte der fremden nur das ab, was ihm in der seinigen nicht genug bestimmt gefasst zu werden möglich schien. Unstreitig zeichnet sich eine derartige Mischsprache durch einen Reichtum von Wendungen aus und kann in hohem Grade ausgebildet werden. Ich gedenke beispielweise der deutsch-slavisch-hebräischen Mundart der polnischen Juden, die um ihrer Sprache willen nur zu oft ungerechtfertigten Angriffen ausgesetzt sind. Die polnischen Juden sind von alterher grösstenteils deutsche Einwanderer; darnach ist der Grundzug ihrer Mundart formell deutsch geblieben, die Syntax aber eine slavische geworden und der Sprachschatz hat sich durch unzählige hebräische Worte aus der Bibel und dem Talmud und durch eine stattliche Anzahl romanischer Elemente aus den von französischen, italienischen und spanischen Juden verfassten Kommentaren zum Talmud bereichert. In dieser Mischsprache, die in Südrussland, Polen, in Galizien, in Ungarn und Nordamerika von 8 000 000 Menschen verstanden und gesprochen wird, halten Talmudgelehrte geistreiche und verzwickte Vorträge und Streitereien ab über die spitzfindigsten Glaubenssätze des Judentums und über Thesen der alexandrinischen Philosophenschule, ja in New York besteht sogar ein grösseres Theater, in welchem klassische Dramen, wie z. B. Shakespeares »Hamlet« in dieser Mischsprache von der Bühne herab vorgetragen werden. Nicht minder ausbildungfähig scheint mir die Mundart der slavischen Moslimen zu sein. Selbstverständlich sprechen die gegenwärtigen politischen Verhältnisse gegen die Wahrscheinlichkeit, dass die Mischsprache der slavischen Moslimen je eine Stufe der Vollendung wie das sogenannte Jüdisch-Deutsch erlangen werde. Es wäre im Interesse der Südslaven auch gar nicht wünschenswert, wenn ihrer jungen serbischen Literatur daheim eine so überflüssige und die allgemeine Literaturentwicklung hemmende Konkurrenz grossgezogen würde. [9] Die Volkepik und Volklyrik mit den übrigen mündlichen Überlieferungen reichten bei der illiteraten Menge vollkommen aus, die Bedürfnisse nach anregender Unterhaltung und Belehrung über die Vergangenheit zu befriedigen. Die Kunstliteratur der moslimischen Slaven in Herceg-Bosna verfolgt aber, mit geringer Ausnahme, der Hauptsache nach paraenetisch-didaktische Zwecke. Ein grosser Teil dieser Literatur besteht aus Wörterbüchern und Sammlungen von Redensarten behufs Erlernung der arabischen und türkischen Sprache. Die Kunstschriftsteller der moslimischen Slaven scheinen gar keine Kenntnis weder von der älteren noch von der gleichzeitigen südslavischen Literatur gehabt zu haben, sonst hätte der erste bekannte Vertreter dieser Richtung Potur Uskufî (der ungenannte Renegat aus Dolnje Skoplje) in dem Einleitungpoem zu seiner Liedersammlung im Jahre 1630 die unrichtige Behauptung wohl nicht ausgesprochen: Zwar schrieb schon mancher manches schöne Wort Gleich Edelsteinen alle, schmuckster Sorte; Allein auf Bosnisch ward noch nichts geschrieben; Prosa wie Dichtung sind da Null geblieben. Derselbe hat einige scherzhafte poetische Episteln, mehrere Liebelieder und viele Sprüche in Vierzeilen verfasst. Unter den moslimischen Slaven in Bosnien ist sprichwörtlich sein Ausspruch: Uči piši, radi vrlo, da ne budeš ĭzločest. [10] Lerne, schreib’ und arbeit’ emsig, sonst wirst du ein Taugenichts. Dr. Otto Blau, in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts preussischer Konsul zu Sarajevo, hat die Lieder Uskufîs und noch einiger anderer Dichter dieser Art, mit Übersetzung und sprachlichen Erläuterungen einbegleitet, im V. Band der Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes (herausgegeben von der morgenländischen Gesellschaft) publiziert. In der Wertschätzung dieser Erzeugnisse scheint mir Blau viel zu hoch ausgeholt zu haben. Die eigentlich schönen Lieder sind direkt türkisch und nur durch slavische Zeilen versetzt; sie sind auch nicht in der Mischsprache verfasst. Ähnliche Gemengsel von Versen in verschiedenen Sprachen, z. B. der deutschen und der lateinischen, der polnischen und lateinischen oder der polnischen und deutschen, sind auch bei uns wohl bekannt. Oskar Kolberg bietet in seinem monumental-klassischen Sammelwerke polnischer Volküberlieferungen eine stattliche Reihe derartiger Dichtungen [11] dar. Recht hübsch ist wohl die Liebeklage El-Abd-Mustafas, des Bošnjaken, die in Blaus Nachdichtung also lautet: Wo bist du geblieben, mein trautestes Lieb? Lang schon ist’s her, und ich sah dich nicht! Bei Gott, du bist mehr als das Leben mir lieb! Lang schon ist’s her, und ich sah dich nicht! Lang schmacht’ ich, o Herz, dich einmal zu umfahn, Ich seufze, seit dich meine Augen nicht sahn; Mein Herz sehnt nach dir sich, o glaube daran! Lang schon ist’s her, und ich küsste dich nicht! Ich sag’s dir: o du meine Seele und Wonne, Du bist wie ein Sträusslein von Rosen so schön. O fleuch nicht vor mir, meine strahlende Sonne! Lang schon ist’s her, und ich sah dich nicht! Dem Blatte gleich, welk’ ich, mein Herzblatt, um dich. Mein Auge weint Ströme von Zähren um dich. O Herrin, vor Kummer verzehre ich mich! Lang schon ist’s her, und ich herzte dich nicht! Die Wange dein blüht wie ein Waldröslein rot. Schwarzdrossel zum Schmuck ihren Frohsinn dir bot. Wer dich liebt, dem tät eine Schlinge wohl not. Lang schon ist’s her, und ich umschlang dich nicht. Verbirg dich vor mir nicht, o komm doch heraus! Sonst hauch’ ich mein Leben noch ohne dich aus: Wo bist du, mein Schatz! sprich, wo hältst du jetzt Haus? Lang schon ist’s her, und ich küsste dich nicht. Du merkst nicht, o Freundin, die Tränen so schwer, Wenn trauernd ob Deiner ich irre umher Und klage Weh, wenn ich dich sehe nicht mehr. Lang schon ist’s her, und ich sah dich nicht. Bei Gott! ich bin dein, wie’s ein Waisenkind ist! Verdirb es, verwirb es, wie Dir es erspriesst! Schlag, Nachtigall, schlage, wo immer du bist! Lang schon ist’s her, und ich sah dich nicht. Solcher Liedchen enthält Blaus Sammlung mehrere; das sind aber auch die besten Stücke des moslimisch-slavischen Kunstschrifttums, soweit ich es kennen gelernt habe. Auf meiner ethnographischen Forschungreise in Bosnien und dem Herzogtum habe ich dieser Literatur nebenbei einige Aufmerksamkeit gewidmet und an 24 Handschriften gesammelt, die zu dieser Literatur gehören. Alle sind mit arabischen Buchstaben geschrieben. Mit solchen Schriftzeichen sind vor 45 Jahren zu Konstantinopel zwei Broschüren für die moslimischen Slaven Herceg-Bosnas gedruckt worden. [12] Uskufî ist der bekannteste von den Kunstdichtern unter seinen Glaubensgenossen. Man zeigte mir zu Skoplje an dem Vrbasflüsschen sein ehemaliges Heim und auf der Ruine von Prusac sein Lieblingplätzchen, von wo aus man einen herrlichen Ausblick auf das tiefe und breite Tal und auf die Höhen der Čardak Planina geniesst. Am meisten verbreitet sind im Volke die sogenannten Avdijen, das sind Ratschläge eines Vaters an seinen Sohn Avdija. Darnach nennt der slavische Moslim solche Gedichte kurzweg Avdije, ohne Rücksicht darauf, ob sie den Namen Avdija enthalten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Avdijen als blosse Übersetzungen, vielleicht Umarbeitungen türkischer oder vielmehr arabischer Vorlagen sind. [13] Jeder Moslim lernt in Bosnien und im Herzogtum vom Gemeindelehrer, vom Chodscha (hodža) türkisch lesen und schreiben und die unumgänglich notwendigen Suren des Koran; überdies muss er eine Avdija auswendig kennen. Auch Mädchen haben die Avdija inne. Ein kleines, fünfjähriges Töchterchen eines Beg (Edelmannes) in Maglaj an der Bosna sang mir in näselndem Tone eine Avdija vor. Sie hatte sich mit kreuzweis unterschlagenen Beinen auf dem Boden niedergekauert und wiegte rhythmisch den Oberkörper nach rechts und links. Erwachsene näseln gleichfalls recht monoton die Avdija herab, nur ist’s Gebeutel krampfhafter; dabei rollt der Rezitator mit den Augen hin und her und schneidet Grimassen, als handelte es sich um Sein oder Nichtsein. Der Orientale kennt überhaupt das ruhige Erzählen nicht wie wir, er singelt immer nach gewissen Rhythmen und hält viel auf Pathos. Jeder Blick und jedes absichtliche, wenn auch noch so leise Zucken mit den Brauen oder dem Munde, alles hat seinen besonderen tiefen Sinn und Wert. In die geringfügigste Kleinigkeit weiss der Orientale etwas hineinzugeheimnissen. Seine Mimik dient zur plastischen Hervorhebung seiner Rede. Er spricht nicht bloss, um zu sprechen, er will den Zuhörer auch gleich durchdringend überzeugen. Er spricht nicht bloss mit dem Munde, er spricht zugleich mit dem ganzen Körper. Die Mimik wird zum Kommentar der Worte. Aus diesem Grunde ist eine Avdija für den slavischen Moslim von weitaus höherer Bedeutung, als sie uns erscheinen mag, die wir leicht geneigt sind, eine Avdija als eine Reihe zusammenhangloser, zum Teil recht einfältiger Aussprüche zu betrachten. Lehrsätze dieser Art kennt übrigens auch der nichtmoslimische Slave in Herceg-Bosna. Er legt sie den Waldfräulein, den Vilen, in den Mund. Jede Sentenz hebt also an: Govorila vila sa zelene st’jene. Es sprach die Vila von der grünen Felswand herab. Ein Spruch lautet z. B.: ne prelazi na četir noge mosta. Auf vier Füssen überschreite keine Brücke. d. h. der Reiter soll vom Pferde absteigen und das Pferd am Zügel führend über die Brücke gehen. Die Brücke kann ja morsch sein. Darum ist Vorsicht notwendig. Unter anderen lehrt einmal die Vila gleich der Pseudosybille: μὴ προβάδην ἰὼν οὐρήσῃς. Auch vom Sattel herab soll man es nicht tun. Das zweite Stück, das wir hier mitteilen, hat einen gewissen Edhem ćatib (Schreiber) oder Imam (Vorbeter in der Moschee), wie er dies am Schluss des Gedichtes selber anführt, zum Verfasser. Wann und wo er gelebt, darüber habe ich nichts in Erfahrung bringen können. Sein Aufenthaltsort dürfte wenigstens zeitweilig zu Zenica in Bosnien gewesen sein, da er sein Gedicht an die Edelfrauen von Zenica richtet. Wohl hat er das Lied in einer Zeit geschrieben, als sich die moslimischen Edelleute von Zenica durch bedeutenderen Reichtum auszeichneten, so dass sich ihre Frauen der Putzsucht ergeben konnten. Sowohl die Avdijen als Edhems Gedicht haben durch die Randbemerkungen, die von Abschreibern in den Text aufgenommen wurden, stark gelitten. Öfters sind auch die Verse kunterbunt durcheinandergemengt. Konjekturalkritik an diesen Texten zu üben, ist kaum statthaft; man muss sie eben hinnehmen wie sie sind. Mit der Verskunst der moslimisch-slavischen Kunstdichter ist es nicht weit her. Die Maasse sind der arabischen und türkischen Verstechnik entlehnt. In unseren Proben herrscht der achtsilbige trochäische Vers vor. Je drei Verse enden auf gleichen Reim. Übrigens sind ein gleichmässig durchgeführtes Metrum, reiner Reim, Korrespondenz der Strophen und dergleichen Forderungen der Metrik unseren Dichtern ziemlich Nebensache. Vielleicht fällt ein Teil der Schuld auch auf die Abschreiber. Potur Uskufî hat wohl am meisten gute Verse aufzuweisen. In der Prosa befleissigten sich unsere Moslimen der Nachbildung arabischer Makamen, ohne aber die Vorbilder auch nur annähernd zu erreichen. Es sind eben schüchterne Versuche. Dr. Blau hat seinen Uskufî und die anderen Dichter in versifizierter deutscher Übersetzung wiedergegeben, freilich auf Unkosten der Genauigkeit. Wir übersetzten Edhem des Imams Ermahnungen an die Frauen von Zenica gleichfalls in Versen und teilen hier die ersten drei Strophen als Probe mit: Horcht, ich werd’ euch etwas sagen, Werde keine Lügen sagen. Lasst euch jetzt von mir beraten, Ich erzähl’ von euren Taten. Achtet auf des Gatten Rede, (Seid ihr wahrhaft Edelfraun) Stellt euch Frauen niemals blöde, Tut zur Unzeit niemals spröde, (Gott und eurem Mann ergeben) So gewinnt ihr ’s Himmelreich. Jede Frau hat’s Ohr verpicht Folgt sie ihrem Manne nicht, Satan spuckt ihr ins Gesicht. Merkt euch’s wohl, o Edelfraun! Wir wollen unsere Vorlagen doch lieber in guter Prosa darbieten, schon um der getreueren Verdeutschung willen. Es widerstrebt auch unserem Formgefühl, so schlechte deutsche Verse, wie es die slavischen der Originale sind, zu machen. Bessere darf ja füglich der Übersetzer nicht substituieren, denn das wäre in gewissem Sinne auch eine Entstellung des ursprünglichen Bildes. Sollten die Diktion und die Wendungen der Originale in der Übertragung ganz getreu sich abspiegeln, so müssten für die slavischen Fremdworte auch im Deutschen fremde, beispielsweise französische, Ausdrücke eingesetzt werden. Das wäre aber zu viel des Guten. Wir beschränken uns hier auf die Wiedergabe zweier sowohl sprachlich, als inhaltlich für die ganze moslimisch-slavische paraenetische Literatur besonders charakteristischer Texte, die sich auch durch Kürze auszeichnen: auf das Gedicht Edhems und die Avdija: oh drvišu otvor oči. Die Avdija ist für den südslavischen Ethnographen eigentlich belanglos. Es ist ein moslimisches Lehrgedicht in überwiegend slavischen Worten, weiter nichts. Die darin enthaltenen religiösen Vorschriften sind freilich zum grossen Teil allgemeiner Natur, sofern als sie Grundzüge der Moral enthalten, die den Ariern und den Semiten, den Arabern nämlich, gemeinsam sind. Weitaus bedeutsamer ist Edhems Gedicht, das einen Zuchtspiegel der Frauen vorstellen soll. Ich habe die soziale Stellung des Weibes bei den Südslaven schon öfters beleuchtet, z. B. in meinem Buche »Sitte und Brauch der Südslaven«, Wien 1885, S. 482—529, dieses hochwichtige Kapitel ist aber noch lange nicht zu Ende geschrieben. Sowohl bei den Südslaven als bei den Orientalen (den Türken und Arabern) hat das Weib seit den ältesten Zeiten einen sehr untergeordneten Rang eingenommen. Die orientalischen Anschauungen klangen in dieser Beziehung dem Serben gar nicht besonders fremdartig. Sie sagten ihm beinahe noch mehr zu wegen ihrer grösseren Strenge und Rücksichtslosigkeit. Wenn bei den Serben, dem Bauernvolke in Serbien, Bosnien, im Herzogtum, in Slavonien und teilweise selbst in Chrowotien die Frauen mit den Männern gemeinschaftlich an einem Tische nicht essen, wenn sich die Frauen vor Fremden nicht zeigen dürfen, wenn sie des Mannes geringe Dienerinnen und Lastträgerinnen sind, so mögen die Südslaven in dieser sozialen Einrichtung von den Türken nur noch bestärkt worden sein. Manche Härte im Brauche der Südslaven mag das Türkentum und Arabertum verschuldet haben. Den stattgefundenen Einfluss können wir derzeit noch nicht genauer bestimmen. Uns liegt es vorderhand ob, die Erscheinungen und Tatsachen aufs gewissenhafteste zu fixieren. Soviel aber darf man getrost sagen, dass die nüchternen Strafreden und Zurechtweisungen, die Edhem an Frauen, und noch dazu an Edelfrauen (Kadune) richtet, in dieser rohen, witzlosen Art kein Seitenstück weder in der christlich- noch moslim-slavischen Volksliteratur des Serbenstammes finden. Edhem verrät sich als das pedantische Schulmeisterlein mit der Schmitzrute als dem unfehlbaren Attribut; nur lässt er diesmal seine gestrenge Gesinnung zur Abwechslung einmal die hochgestellten Frauen fühlen. Er hat das Bedürfnis, als Sittenverbesserer sich recht bemerkbar zu machen. Um auf jeden Fall sicher zu gehen, borgt er seine Weisheit türkisch-arabischen Autoritäten ab. In der Meinung, dass er etwas besonders Gediegenes zu stande gebracht, fordert er zum Schluss seiner Ermahnungen die Frauen noch auf, sie möchten seiner, des »liebwerten« Edhem, gedenken. Vergleicht man die Erzeugnisse der Kunstliteratur der moslimischen Slaven mit ihrer Volkliteratur, so muss man wohl eingestehen, dass die erstere mit der letzteren gar keinen Vergleich verträgt. Die Avdija lautet im Texte (die Fremdworte sind hier kursiv gedruckt): Oh drvišu otvor oči, batiluka ti ne uči tefhit srcom pravo uči; sevap hoćeš, nefsa muči. O Derwisch, öffne die Augen, lehre keine Schlechtigkeiten, lehre vom Herzen recht die Einheit Gottes. Wenn du Belohnung willst, quäle die Seele. Krivo nikom ti ne čini, haka na hak ti ne čini, hair što je ono čini, dunjaluka mejl ne čini, zićir boga puno čini. Tue niemandem Unrecht an, tue kein Unrecht (unter dem Scheine von Recht). Was Segen bringt, das sollst du tun. Hege keine Neigung für weltliche Dinge. Ruf oft Gott an. Allah, allah aškila jahu. Rizaluka puno čini i za zićir misô podaj, selameta duši gledaj, allah (etc.). Übe viele gottgefällige Werke aus und richte deine Gedanken auf die Anrufung Gottes, sei besorgt für dein Seelenheil. šučur čini kad je kolaj, sabur čini kad je belaj zalaleta ti ne gledaj, tahret nefsu dobro podaj, zulum nefsa dizgin ne daj, amel čini, sunet gledaj, gaflet digni ter pogledaj. Fars štogod je ono čini, kazajeta sve naklanjaj. Erweis dich dankbar, so oft es nur möglich ist; drückt dich die Not, sei geduldig. Geh nicht auf Irrwege, verleihe wohl der Seele Reinheit, lass der herrschsüchtigen (ungerechten) Seele die Zügel nicht schiessen (amet čini?), beobachte die Überlieferung. Behebe die Sorglosigkeit und öffne die Augen; halt das Zeremoniell ein; neig dich immer der Gerechtigkeit zu; halt dich an die gute Sinnart und hüte dich stets vor gemeiner Gesinnung. Ti se drži l’jepe huje, sve se čuvaj murdar huje. Nehi što je ono bježi, već se prava puta drži. Laf ne čini i ne laži jer sirrija laži ne će. U elifu sirra traži, allah (etc.). Fliehe vor dem Verbotenen, vielmehr halt dich stets an den geraden Weg. Schwätz kein leer Gewäsch und lüge nicht, denn Sirrija verabscheut (mag nicht) die Lügen. Im Genossen suche Sirrija usw. U pamet se ti obuj, terk učini alčak huju, dragom bogu ti robuj. Ti nikoga ne muči, svoje srce poturči hevhit srcem sve uči. Sve nek ti je ašk’ ullah a na srcu fićr’ ullah na jeziku zićr’ ullah, allah (etc.). Hüll dich in Verstand ein, und gib auf die tölpelhafte Sinnart. Diene dem lieben Gott. Du sollst niemand quälen. Dein Herz bekehre zum Türkentum. Lehre fortwährend mit dem Herzen die Einheit Gottes. Immer sei dir Allah lieb; auf dem Herzen soll dir der Gedanken an Gott, auf der Zunge der Name Gottes liegen. U gafletu ne budi brez avdesta ne hodi srcu jezik ugodi. Nemoj biti bi nemaz, vaktom hajde na nemaz, bogu ćini sve niaz. Gib dich der Sorglosigkeit nicht hin; geh nicht ohne Waschung einher, passe die Zunge dem Herzen an; sei nicht ohne Gebet (ohne gebetet zu haben), geh pünktlich zum Gebet und bezeuge Gott immerfort Verehrung. Ovi svijet kilu kal, ašk ne čini ti na mal već nauči ilmi hal, allah (etc.). Diese Welt ist ein leeres Gewäsch. Hege keine Liebe zu weltlichen Gütern, sondern lerne den Katechismus (die Glaubenssatzungen) auswendig usw. Gr’jehovâ se pokajati, šerijata sve gledati od insana u kraj bježati. Die Sünden sollst du bereuen und immerdar das göttliche Gesetz beachten, (und) den Menschen aus dem Wege gehen. šućur ćini daima i za muke lastima srce nek ti je daima, allah (etc.). Sei immer dankbar und besonders hege dein Herz für die Mühen Dankbarkeit. Allah usw. Ako hoćeš mumin biti valja srce očistiti boga zićir učiniti, grihovâ se pohajati šerijata sve gledati na grijeh se ne varati dragom bogu robovati. Willst du ein Gläubiger sein, so musst du dein Herz reinigen und Gottes gedenken; die Sünden bereuen, das göttliche Gesetz beobachten, auf die Sünde sich nicht betrügen (sich durch die Sünde nicht verführen lassen) und dem lieben Gott dienstergeben sein. Vi slušajte amr’ ullah a na srcu sve činite zićir allah. Ovi svijet sve će proć po dušu će meleć doć već je nama do pomoć, allah (etc.). Ihr sollt dem Befehl Gottes gehorchen und im Herzen allezeit den Gedanken an Allah hegen. Diese Welt wird samt und sonders vergehen, der Engel wird kommen um die Seele (abzuholen); wir stehen auf Hilfe an, Allah usw. Nut pogledaj sirrije sve turčine miluje, i dan i noć kazuje allah (etc.). [14] Nun schau dir an den Sirrija, der tut fortwährend den Türken schön und spricht so bei Tag als bei Nacht: Allah, Allah aškila jahu. »Edhems Ermahnungen.« Sie sind in einem von Fremdwörtern reineren Slavisch als die Avdija gehalten und für die Frauen leichter verständlich, während die Avdija manchen Ausdruck darbietet, den der Lehrer in der Schule erst erklären muss. Vom V. 27–29 ist der Text verderbt. V. 28 muss wohl lauten: slušajte vi svoje majke. V. 29: o kadune na vijeke (Befolgt o Edelfrauen die Ratschläge eurer Mütter bis in Ewigkeit). Slušajte što ću vam ja kazat, ne ću vam laži ja kazat; nasihet vi uzmite od mene pa ćete mlogo čut od sebe. Hört, was ich Euch sagen werde. Ich werde Euch keine Lügen sagen. Nehmt Rat an von mir, und Ihr werdet viel von Euch zu hören bekommen. Muža dobro slušajte; ako ste vi kadune ikolko a vi lude ne bu(d’)te mužu ugodne bu(d’)te, bogu robinje i svom mužu ter u dženet uho(d’)te. Hört wohl auf des Mannes (Gatten) Wort. Seid Ihr auch nur ein wenig Edelfrauen (= habt Ihr etwas vom Adel in Euch) so seid nicht närrisch; seid dem Gatten angenehm, Dienerinnen Gott und Eurem Manne: und fürwahr, Ihr kommt ins Paradies. Svaka žena zagluša koja čojka ne sluša, šejtan njome brukuša neka znate kadune. Jedes Weib ist törisch (= schwerhörig), welche ihrem Mann nicht Folge leistet. Der Satan treibt sein (frevelhaft) Spiel mit ihr; wissen sollt Ihr’s Edelfrauen! što muž reče ne radite već se š njime inadite mužu hator sve kvarite, ružno po vas kadune. Was der Mann sagt, das mögt Ihr nicht tun, vielmehr zankt (hadert) Ihr mit ihm; Ihr verderbt dem Manne jede Lust. Das ist schimpflich für Euch, o Edelfrauen! Mužu hizmet činite, l’jepo š njime živite; dobroga se bojite ružnom smrti ne mrite. Seid dem Manne dienstbar (bedient ihn), lebt gut mit ihm. Fürchtet Euch vor dem Guten, (damit) Ihr nicht eines garstigen Todes sterbet. Koja muža imade hak muževlji ne znade u džehennem ona ide, odveće je udavana. Die einen Mann besitzt und von Mannesrechten nichts wissen will, die geht zur Hölle, die ist zum Überfluss verheiratet (= besser wäre es, sie wäre nicht verheiratet). Ako će biti i mati kad vas na zlo navrati ne valja poslušati neka znate kadune. Und wäre es selbst die Mutter, wenn sie Euch zum Bösen lenkt, sollt Ihr nicht folgen. Ihr sollt es wissen, o Edelfrauen! Kogod ima pameti (p) a ako će bit za vratim valja njega slušati, neka znate kadune! Wer immer Verstand hat (den Verständigen), und mag er selbst hinter der Türe (wie ein Bettler) stehen, so muss man seinem (Rate) Folge leisten. Ihr sollt es wissen, o Edelfrauen! Pamet berte u glavu ter vi ho(d)te u pravu ter ne ho(d)te tamo amo â moje l’jepe kadune! Verstand sammelt in den Kopf und geht den geraden Weg: und lungert nicht hin und her herum, o meine schönen (braven) Edelfrauen! U džennet igjite za rana poslušajte korana čuvajte vi imana moje drage kadune! In den Himmel geht Ihr frühzeitig ein, (wenn Ihr) den Koran befolgt; den Glauben bewahrt, meine lieben Edelfrauen! čuvajte dobro mene vi, u dobro se zabavi, ne ljutite muža vi oj Zeničke kadune! Achtet wohl (gut) auf mich; beschäftigt Euch mit Gutem, ärgert den Mann nicht, o Ihr Edelfrauen von Zenica! Brez izuna kad hodi lanet na nju dohodi u džehennem odhodi. Wenn sie ohne Erlaubnis ausgeht, kommt der Fluch auf sie, und sie fährt in die Hölle hinab. Ona žena nesretna koja čojka namuči vrag je na zlo nauči, doće joj šejtan na oči kadno stane mrijeti. Jenes Weib ist unglücklich, welches den Mann satt quält, der Teufel lehrt sie Böses (tun) an. Es wird ihr in der Todstunde der Teufel vor die Augen treten. Koja čojka rasipa nije ona žena lipa ona gora nego slipa ružna puno do vika. Die ihres Mannes (Habe) verschwendet, das Weib kann nimmer schön sein, sie ist ärger (unglückseliger), als wäre sie blind; sie ist viel garstig bis an ihr Ende. Koja čojka ne će obuć u srcu joj pukla žuć tako dila kano lugj. [15] Die ihren Mann nicht ankleiden [16] will, der soll im Herzen die Galle zerplatzen, sie handelt wie ein Verrückter. Lajk je žena kaduna! kad se gizdaš dukatim zakat valja davati od onijeh dukati sve od groša po paru. Es ziemt sich (ist ihrer würdig) für eine Edelfrau, wann Du Dich mit Dukaten schmückst, musst Du auch Almosen spenden, von jedem Dukaten, auf jeden Piaster eine Para. Sve zine uiše i vlah krstu uiše i azap doiše bojte se boga kadune! Alles liebt Kostbarkeiten, und auch der Christ liebt das Kreuz (als Schmuck zu tragen), fürchtet Gott o Edelfrauen! Ne spavajte po svu noć bu(d)te mužu od pomoć uč’te buni u ponoć Umisli se ti u dragog Edhem ćatib’ jal imama. Schlaft nicht die ganze Nacht. Seid dem Manne eine Hilfe. Lernet dieses um Mitternacht. Vertief dich in Gedanken an den liebwerten »Edhem den Schreiber oder Imam«. Es erübrigt noch, einige sachliche Bemerkungen über das Sprachmaterial dieser eigenartigen Literatur zu bieten, was um so eher gerechtfertigt erscheint, als der bosnisch-türkische Dialekt bisher nur in zwei oder drei Abhandlungen wissenschaftlich erörtert wurde. Dem grossen Kreise der Gebildeten blieb er aber sozusagen unbekannt. Und doch könnte niemand in Abrede stellen, dass eine eingehende Bearbeitung dieses Sprachmaterials in zweifacher Hinsicht nutzbringend ausfallen müsste. Denn wir haben es hier mit der seltenen Erscheinung zu tun, dass zwei ganz fremde Elemente — Zweige des indogermanischen und des turanischen Sprachstammes nämlich — zusammentreffen, teilweise ineinander verschmelzen und übergehen. Man hat daher Gelegenheit, die Gesetze der Lautwandlungen an einem ursprünglichen Beispiele beobachten zu können. Weiters aber wird sich ein unmittelbarer praktischer Nutzen für die türkische Lexikographie herausstellen, wie auch manche in anderen slavischen Sprachen anzutreffenden Ausdrücke, über deren Provenienz bisher gewagte Hypothesen aufgestellt wurden, nunmehr in anderem Lichte erscheinen müssen. Besonders der mit Rücksicht auf die noch unfertige türkische Lexikographie zu erwartende Fortschritt kann bedeutend werden, indem nicht nur eine mässige Bereicherung des türkischen Wortschatzes zu erhoffen ist, sondern auch eine Richtigstellung der vorhandenen Wörterbücher. Es ist in der Tat auffallend, dass Bianchi, Jenker u. a. Verfasser türkischer Wörterbücher für Ausdrücke unzweifelhafter slavischer Abstammung das Polnische als Quelle annehmen, während es doch notorisch ist, dass die Osmanen niemals in dauernder intimer Berührung mit dem Polenreiche standen. Schon Blau hat auf diesen Umstand hingewiesen, der sicherlich Beachtung verdient; und eine aufmerksame Vergleichung der gangbaren Lexika mit dem bisher gesammelten bosnisch-türkischen Wortschatze wird zu dankenswerten Korrekturen Anlass geben. Die Anführung der aus der Beobachtung des Übergangs türkischer Ausdrücke oder Stämme auf slavischen Sprachboden gewonnenen Regeln und Gesetze gehört schon aus dem Grunde nicht hieher, weil sie bei dem Leser die Kenntnis beider Sprachen voraussetzt. Ebensowenig können wir hier eine Bereicherung des Wortschatzes anstreben, da eine solche Arbeit nur dann wissenschaftliche Berechtigung beanspruchen könnte, wenn sie in möglichster Vollständigkeit geboten würde. Die bosnischen Moslimen, die sich nur durch den verschiedenen Glauben von ihren christlichen Landsleuten unterscheiden, bedienen sich — wie schon früher bemerkt — bei ihren Aufzeichnungen der arabischen Schriftzeichen. Einerseits mag die aus dem Koranstudium sich ergebende Notwendigkeit, das arabische Alphabet zu kennen, und anderseits der Wunsch, sich vor ihren geringgeschätzten andersgläubigen Mitbürgern in jeder Hinsicht auszuzeichnen, diesen Brauch gezeitigt haben, der als eine der Hauptursachen für die Entstehung der bosnisch-türkischen Mischsprache angesehen werden kann. Denn es ist unzweifelhaft, dass hier mehr oder weniger bewusste Absichtlichkeit vorliegt. Es galt vor allem, die Sittenlehren des Islam unter den neuen Gläubigen zu verbreiten, und hiezu musste eine Form zweckmässig erscheinen, die — indem sie die schwer übersetzbaren, wichtigen Ausdrücke in ihrer ursprünglichen türkischen oder arabischen Form übernahm, — sie doch kommentierend dem Alltagverstand zugänglich machte. Wir sehen auch, dass nahezu alle auf Religion, Moral, Seelenleben bezüglichen Ausdrücke dieses Dialektes türkisch sind. Um aber zu verhüten, dass die ursprüngliche Bedeutung der wichtigen Ausdrücke in der Übersetzung verloren gehe, hat man das ihnen eigene arabische Gewand beibehalten, und so war die Grundlage gegeben, auf der sich diese Literatur in orientalischem Gewande entwickeln konnte. Nun ist aber zu bedenken, dass die arabische Schrift der türkischen Sprache selbst durchaus fremd ist und dass sie sich nur widerwillig dem ihr auferlegten Zwange fügt. Bekanntlich reicht das arabische Schriftsystem zur Vokalbezeichnung nicht aus, und gerade die türkische Sprache mit ihrer hoch entwickelten Euphonie und ihren vielen Vokallauten bedarf einer genauen Unterscheidung. Eine Folge dieses Umstandes ist die sehr mangelhafte türkische Orthographie, für die gangbare feste Regeln aufzustellen viele Männer — aber leider! bisher vergeblich — sich abmühten. Auch die Araber fühlen das Unzulängliche ihrer Schriftmethode, und in neuerer Zeit sind Bestrebungen zu verzeichnen, die unter Beibehaltung des arabischen Alphabets doch eine genauere Orthographie und vor allem bessere Bezeichnung der Selbstlaute zum Zwecke haben. In diesen mangelhaften, von vornherein unzulänglichen Apparat wurde nun eine slavische Sprache hineingezwängt, die bei ihrem grossen Vokalreichtume hiezu ganz und gar ungeeignet ist. Unmittelbare Folge war eine unbeschreibliche Verwirrung der Orthographie, die das Lesen und das Verständnis der Texte erschwert, ja letzteres stellenweise unmöglich macht. In den vorhandenen sechs Manuskripten des mit »Hajd Avdija ti na vaz« beginnenden Lehrgedichtes kommen in jedem Vers, in jeder Zeile so viel orthographische Varianten vor, dass man — um eine Vergleichung zu ermöglichen — alle sechs Texte vollinhaltlich hersetzen müsste. Der hier benützte Text ist der deutlichste von allen und beweist durch eine gewisse Stetigkeit der Orthographie, dass der Schreiber ein gebildeterer Mann gewesen. Zu erwähnen ist noch, dass die von mir gesammelten bosnisch-türkischen Handschriften vielleicht alle aus der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts stammen und daher in ihrer argen Unbeholfenheit ein Bild eines halbverflossenen bosnischen Schrifttums gewähren. Dass diese bilingue Literatur nie tiefere Wurzeln im Volke zu fassen vermochte und stets nur ein bestimmten Zwecken dienendes Kunstprodukt blieb, ist klar. Die nur wenigen verständlichen Texte erschwerten die Verbreitung der einzelnen Gedichte und waren auch Ursache, dass sie — mit zunehmender Verbreitung — immer mehr von der ursprünglichen Form abweichen. So kommt es, dass die vorhandenen Gestaltungen eines und desselben Gedichtes starke Abweichungen zeigen, indem in einzelnen ganz neue Verse und Strophen auftauchen, in anderen wieder der Wortlaut nicht übereinstimmt. Diese Abweichungen sind indes nicht ausschliesslich auf Rechnung der Kopisten zu setzen, denn auch die nach unmittelbarer mündlicher Überlieferung niedergeschriebenen Texte ergeben, dass so viele Rezitatoren, so viele individuelle Varianten vorkommen. Unter solchen Umständen, wo der stoffliche Inhalt allein massgebend ist, muss freilich die poetische Form allen Wert verlieren; jedenfalls kann man nicht erwarten, dass sich eine gesunde Kunstpoesie auf solchem Boden entwickle. Fassen wir kurz zusammen. Die bosnisch-türkische Mischsprache weist zwar schon die Merkmale eines Dialekts auf, ist aber doch nicht so tief in das Geistesleben des Volkes eingedrungen, dass man sie als die hervorragend charakteristische Eigenschaft der ganzen bosnischen Volkindividualität betrachten müsste. Ihre Berechtigung datiert von dem Augenblicke an, als sich die Bošnjaken aus Nützlichkeitrücksichten dem türkischen Wesen anzupassen begannen, und hört mit dem Augenblicke auf, seitdem die türkische Herrschaft nur noch der Geschichte angehört. Vollends der Gebrauch der arabischen Schriftzeichen ist schädlich, da er als Hindernis gegen die Verbreitung der Literatur wirkt. Vom praktisch-zivilisatorischen Standpunkte aus verdienen daher alle auf Erhaltung und Pflege dieser eigenartigen Literatur gerichteten Bestrebungen keine Förderung. In neuerer Zeit nennen sich die bosnischen und herzogländischen Moslimen unter dem Einfluss der Schulbildung bald Serben, bald Chrowoten und bedienen sich sowohl der cyrillischen als der lateinischen Schrift. Es gibt auch unter ihnen schon Kunstdichter, die es mit ihren Brüdern auf den Agramer und Belgrader Parnassen in der Anstrudelung unerweichlich grausamer Huldinnen erfolgreich aufnehmen. Nur am übermässigen Gebrauch türkischer Lehnwörter halten sie noch fest. Das unterscheidet sie von den anderen, die man auch nicht liest und vom Guslaren, der in der Volksprache singt und überall dankbare Zuhörerschaften findet. I. ABTEILUNG. HEXEN. I. Der Name. Der eigentliche slavische Name für Hexe ist vještica, bulg. vješčirica, für den Hexenmeister viještac. Die Etymologie des Wortes ist klar. Es bedeutete ursprünglich die Wissende, der Wissende, die Kundige und hat in Nebenformen noch in der gegenwärtigen Sprache diese Bedeutung beibehalten; veda slovenisch: das Wissen; neveda ein Unwissender; vedavica Kartenaufschlägerin (Russ. vēdma die Hexe); vedovin fatidicus, vijest Wissen, Nachricht, Bewusstsein; vijestnik der eine Nachricht bringt, Bote; vještina peritia, Findigkeit; vještak peritus, ein Kundiger, ein Wissender = viještac, diese Nebenform für Hexenmeister, sowie viještka und vještica zur Bezeichnung einer Hexe dient; nago-viještati zu erraten suchen; izvjedjavati in Erfahrung zu bringen suchen, auskundschaften; vještati zaubern, hexen. Vještica bezeichnete ursprüngliche eine weise Frau. (Vgl. über diese Benennung Grimm, D. M. 987.) In vielen Gegenden, namentlich ist dies für Dalmatien bezeugt, scheut man in Gegenwart von Kindern vještica zu sagen und gebraucht dafür die Euphemismen krstača oder rogulja (auch roguša) [17]. Krst bedeutet Kreuz [18] und Krstača (von χριστός) ist wohl die mit einem Kreuz Gezeichnete, die Hexe [19]. Rogulja nennt man eine Hexe zweifelohne deshalb, weil man sie sich zuweilen, wohl anknüpfend an die Vorstellung vom gehörnten Teufel der christlichen Kirche, gehörnt denkt. In Slavonien hörte ich öfters Kühe, die recht grosse Hörner hatten, mit dem Namen »Rogulje« rufen. Im chrowotischen Küstenlande scheint das Wort vještica vollständig von dem italienischen Lehnworte štriga verdrängt worden zu sein [20]. Unter den Slovenen und den Kaj-Chrowoten hat das deutsche Wort Zauberin in der verhunzten Form copernica (masc. coprnjak, inf. coprat, zacoprat, partic. zacopren) volles Bürgerrecht erlangt. Man gebraucht das Wort auch in Slavonien, doch ganz in dem Sinne wie in Deutschland. In Bosnien, dem Herzogtum, in Serbien und Bulgarien ist es unbekannt. Die Ausdrücke coprati, coprija, copernik und coprnica finden sich schon in den ältesten slovenischen und provinzialchrowotischen Wörterbüchern und Texten (Bjelostijenec, Jambrešić, bei Glavinić, vrgl. die Worte bei Daničić srps. ili hrv. riečnik Agr. 1882). Daraus ergibt sich, dass sie frühzeitig, wohl schon im Mittelalter, dem Deutschen entlehnt wurden. Im allgemeinen scheuen sich die Chrowoten und Slovenen coprnica für Hexe zu sagen, sondern gebrauchen dafür in mildem Tone die Bezeichnung ‘hmana žena’ (gemeines Weib); hmana ist das deutsche gemein; »Man nimmt Anstand, sich des Wortes ‘coprnica’ zu bedienen, weil sonst die Hexen darüber so sehr in Zorn geraten, dass sie den Betreffenden nächtlicherweile heimsuchen, ihn in vier Stücke reissen, jedes Stück nach einer anderen Weltgegend schleudern und hierauf alle Zuchtschweine, Kühe und Pferde aus dem Hause forttragen.« In Dalmatien bis tief noch in Serbien hinein wendet man häufig an zur Bezeichnung einer Zaubererin den Ausdruck maćionica, eines Zauberers: maćionik, einer Zauberei: maćija. Man erkennt auf den ersten Blick das italienische magia, die Magie. Zlokobnica (etwa: böse Begegnerin) heisst jedes alte Weib, dem man in aller Frühe, wenn man das Haus verlässt, begegnet, ehe man einen anderen Menschen noch gesehen. Eine klassische Stelle [21], die hier im Wortlaute angeführt zu werden verdient, gibt eine nähere Beschreibung der Hauptmerkmale, an denen man eine vještica, maćionica und zlokobnica ohne weiteres voneinander unterscheiden kann: »Slušao sam od starih adžija i kadija, da svaka vlahinja kad pregje 40 godina preda se nečastivome te postane vještica ili dajbudi zlokobnica ili maćionica. Prava vještica ima krst pod nos [22], svaka zlokobnica po nekolko brčnih dlaka [23], a maćionica namrskana čela i krvave pečate po obrazu.« (Ich habe von alten Hodžen und Kadis öfters gehört, dass sich jede Walachin, sobald sie das 40. Lebensjahr überschritten, dem Gottseibeiuns (nečastivomu) überliefert und eine Hexe (vještica), oder zum mindesten eine zlokobnica oder maćionica wird. Eine echte Hexe trägt ein Kreuzzeichen unter der Nase, jede zlokobnica hat einige Barthaare und eine maćionica hat die Stirne voll finsterer Falten und Blutflecken im Gesichte.) Die vještica hat auch den Namen »mora« (die Mar oder Trut), je nachdem sie als solche auftritt. [24] Für Zaubern ist der Ausdruck čarati am gebräuchlichsten. [25] Snkrt. kar machen, tun; lit. kėrėti, kirti (zaubern); ahd. karawan, ags. gearvjan. čarati für hexen und zaubern (incantare, ueneficium facere) kommt schon in den ältesten südslav. Wörterbüchern vor. Im Volksprichwort: čarala baba da ne bude mraza a s jutra snijeg do koljena. (Das alte Mütterchen hexte, damit kein Frost eintrete, in der Früh aber lag der Schnee knietief.) Načarati verzaubern; začarati jemand durch Zauberei verblenden. čâr, incantatio; čara strigamento, Zauberei; pl. čari, Zaubermittel; čarnik Zauberer, čarnica Zaubererin; čarovnik magus; čarobija magia; čaralija, čarolija Zauberei als Begriff, čarka Zauberei in einem besonderen Falle, der vorliegt, etwa Verzauberung (čaratan und čarataonik Zauberer, čaratanija Hexerei, sind Lehnworte aus dem Italienischen ciarlatano, frz. charlatan). Nicht minder häufig gebraucht man für zaubern činiti. Der Grundbegriff ist derselbe wie in čarati, der des Tuns, Machens, Snskst. či, sammeln. Opčiniti, počiniti, učiniti bezaubern; učiniti se sich in etwas verzaubern, verwandeln; začiniti incantare; čîn, počin, Zauberei, Verzauberung, pl. čini. Tun, machen bedeutete ursprünglich auch vračati (vrgl. griech. Γεργ) hexen, wahrsagen, heilen, vračiti, medicari, izvračiti herstellen, gesund machen; vrač Wahrsager, Hexenmeister; noch vor hundert und fünfzig Jahren allgemein in der Bedeutung medicus; die Neuslovenen gebrauchen noch gegenwärtig für Arzt den Ausdruck vračar; vračlja, mulier, quae sanat, im Wtb. bei Stulić; vračilja sanatrix i. W. bei Habdelič; vračitelj medicus bei Belost. vračnik medicus. Stul. vračara, vračarica, Wahrsagerin; eine Frau, die Krankheiten zu heilen versteht. Vračba, vračtvo medicina, Heilmittel; adj. vračan; vračljiv medicabilis; nevračljiv immedicabilis. Von derselben Wurzel auch vrag der Teufel, eigentlich der Arbeitende (vrgl. d. Werk). Die Vorstellung von einem Höllenteufel kam den Südslaven, sowie den Slaven überhaupt erst durch die christliche Lehre; vražati so viel als čarati, ueneficia adhibere, magicam artem exercere, vražalac, vražalica, vraževnik Zauberer, fascinator; vragoduh malo genio agitatus; vragometan a daemone obsessus. Für Zaubern gibt es eine ganze Reihe von Ausdrücken; am gebräuchlichsten ist bajati (Sskst. bha sprechen, griech. φα, vrgl. φάναι lat. fama); izbajati durch Zauberei bewirken; obajati behexen; zabajati incantare; bajiti einen Kranken pflegen; bajac, bajač Zauberer, incantator; basma, Zauberspruch. Daneben basna Zauberspruch, Fabel, bajka fabella; bahati colere artem magicam; bahalica maga; bahoriti fascinum depellere; bahoriti se sich heilen, curieren; bahor, bahorac, bahorica, bahornik, bahornica Beschwörer und Beschwörerin; bahorija, bahorstvo Beschwörung. Für Amulet ist der echtslavische Ausdruck zapis, das Verschriebene. Skst. pis ritzen, kratzen; hamalija, das gleichfalls Amulet bedeutet und weit gewöhnlicher als das W. zapis gebraucht wird, ist ein Lehnwort aus dem Italienischen ammaliamento, lat. amuletum, frz. amulette. Alle in der Sprache vorkommenden Ausdrücke für Zaubern ergeben, dass ursprünglich diesen Bezeichnungen an und für sich durchaus keine schlimme, sondern vielmehr eine gute Bedeutung zukam. Die Wandlung erfolgte erst durch den Einfluss des Abendlandes. II. Hexen (Vještice) und Waldfrauen (Vile.) [26] Je tiefere Wurzeln ein geläutertes Christentum und abendländische Kultur unter den Südslaven schlagen, desto mehr wird der alte Volksglaube verdrängt, er gerät allmählich in Vergessenheit; die alten Glaubenvorstellungen verblassen oder es tritt eine Verwirrung ein, die es dem Forscher zuweilen recht erschwert, die ursprüngliche Fassung herauszufinden. In unserem Falle ist dies indessen noch nicht eingetreten. Wir können noch ganz deutlich den Weg verfolgen, auf dem der alte Glaube an die »Vile«, die südslavischen Waldfrauen, zu bösen Dämonen umgewandelt wurde. Die Vilen stellt man sich vor, wie es aus den älteren Volksliedern ersichtlich ist, als den Inbegriff aller Frauenschönheit und Vollendung. Sie sind die segenspendenden Huldinnen der Fluren und Berge, sie sind die Genien der Helden, denen sie mit Rat und Tat jederzeit beistehen, sie lehren die Kleinen Gottesfurcht und fromme Sitte und sind frei von jeder Arglist und Tücke. [27] Sie sind aber unversöhnlich, wenn man ein Gelübde, das man ihnen gelobt hat, nicht erfüllt [28] und wissen diejenigen hart zu bestrafen, die frech ihren Reigen, den sie in hellen Sommernächten im Mondenschein aufführen, zu stören wagen, oder die sie belauschen. So entstand die Redensart: »Naišo je na vilinsko kolo« Er traf auf einen Vilenreigen, wodurch man sich die plötzliche Erkrankung eines gesunden Menschen zu erklären sucht. Gewöhnlich wird solch sträflicher Vorwitz durch dauernde Brachlegung der Verstandkräfte bestraft, mitunter begnügen sich aber die Vilen, den Betroffenen gehörig durchzubläuen. Von dieser Auffassung ist nur ein kleiner Schritt zu der Umwandlung der Vilen in Plagegeister. Ein Hirte war so unglücklich, eine Vila zur Unzeit zu überraschen und musste für das unglückselige Ungefähr jahrelang büssen. Es war einmal ein Hirte, der verstand so ausgezeichnet auf der einfachen und doppelten Hirtenflöte zu spielen, wie kein Zweiter nah und fern. Eines Abends, als es zu dämmern anfing, ging er seiner Herde voran nach Haus. Er flötete so süss und mild, so hoch und so tief auf seiner kleinen Flöte, wie ein Schwälblein in der Lenzsonne nur singen kann. Eben tönte aus dem Dorfe der Glocke Ava Maria-Geläute zu ihm herüber, doch Stanko betete nicht mit, sondern blies auf seiner Flöte das Ave Maria-Gebet her. Gerade als er damit fertig geworden, erreichte er auch den Zaunsteg vor dem Dorfe, und siehe da! Auf dem Zaune sitzt da ein Frauenzimmer, ganz in Weiss gehüllt, eine Vila. Stanko nähert sich dem Zaunstege, die Vila stösst einen feinen, markdurchdringenden Schrei aus, ganz nach Vilenart, und fährt auf in die Höhe. Ein heisser Windhauch umweht Stanko, er sinkt auf die Erde nieder, das Trittbrett auf dem Stege springt entzwei. Er rafft sich auf, eilt nach Hause, die Vila immer hinterdrein, er setzt sich zum Tische, um zu nachtmahlen, die Vila setzt sich an seine Seite neben seinem Knie nieder, er ins Bett, die Vila zu ihm ins Bett, er aus dem Bett, sie gleichfalls, er zur Arbeit, sie folgt ihm auf Schritt und Tritt. Als nun Stanko merkte, dass die Vila durchaus von ihm nicht weichen will, beklagte er sich bei seinen Hausleuten und der ganzen Sippe. Man berief Zauberer und Zaubererinnen, Beschwörerinnen und Wahrsagerinnen — alle Mühe verloren, die Vila liess von Stanko nicht ab; der war überdies kein Recke, sondern ein schwächliches Männchen. So währte dies volle drei Jahre und während dieser Zeit trübte sich allmählich Stankos Geist, Stanko wurde verrückt. Oft brach er in ein Geschrei und Gejammer, in ein wüstes Lärmen und Toben aus, als ob ihm jemand die Haut zu einem Weinschlauche abzöge; er warf sich auf die Erde, als schleuderte ihn jemand zu Boden, und gleich darauf zeigten sich auf seinem Körper blaue Striemen, als hätte ihn einer mit einem Stock durchgebläut. Fragte man ihn: »Was fehlt dir, Stanko?«, so antwortete er, dass ihn Vilen deshalb prügeln, weil er sich weigere, mit ihnen durch die Welt zu ziehen. Oft fand man ihn in der Früh gefesselt, kreuzweis mit Bastwinden gebunden, und wieder erzählte er, dass es die Vilen getan, weil er sich ihnen nicht füge und ihre Worte nicht beachten mag. Eines Morgens erblickte man Stanko auf dem Wipfel einer Weisspappel in der Nähe seines Meierhofes. Keine lebende Seele vermochte ohne ausserordentliche Zu- und Ausrüstungen auf den hohen Stamm der Pappel hinaufgelangen. »Wer hat dich, Stanko, auf die Pappel hinaufgeschafft?« fragte man ihn, und er rief hinab: »Die Vilen«. Die Leute sahen sich genötigt, lange Nägel in den Stamm einzuschlagen, und so klommen sie zu Stanko hinauf, der oben an der Spitze im Geäste mit Lindenbast angebunden war. Mit Müh und Not hat man ihn losgelöst, denn so fest war er angebunden; dann liess man ihn mittels eines Seiles hinab. Mehr als fünfzehn Jahre lang ertrug Stanko derartige Qualen durch die Vilen, bis man ihn schlieslich eines Morgens in der Nähe der Hütte in einer Grube fand, in der er im Kote erstickt war. [29] Nun begreift man leicht den Übergang der Vilen zu vještice oder copernice. Die übliche, ziemlich junge Dreiteilung der Vilenarten wird fast ganz auf die Hexen übertragen. Es gibt drei Arten von Hexen. Zur ersten Art gehören die Lufthexen (sonst »zračne vile«). [30] Diese sind von sehr böser Gemütart; sie sind den Menschen feindlich gesinnt, jagen ihnen Schreck und Entsetzen ein und stellen ihnen auf Weg und Steg überall nach. Nächtlicher Weile pflegen sie dem Menschen aufzupassen, und ihn so zu verwirren, dass er das klare Bewusstsein vollständig verlieren muss. Zur zweiten Art gehören die Erdhexen (sonst »pozemne vile«). Diese sind von einschmeichelndem, edlem und zugänglichem Wesen und pflegen dem Menschen weise Ratschläge zu erteilen, damit er dieses tun und jenes lassen möge. Am liebsten weiden sie Herden. Die dritte Art bilden die Wasserhexen (sonst »povodne vile«), die höchst bösartig sind, doch, wenn sie frei auf dem Lande herumgehen, mit den ihnen begegnenden Menschen sogar gut verfahren, Wehe und Ach aber demjenigen, den sie im Wasser oder in der Nähe erreichen; denn sie ziehen und wirbeln ihn so lange im Wasser herum, oder reiten ihn der Reihe nach so lange, bis er jämmerlich ertrinken muss. (Aus Vidovec, Chrowotien.) Nun ist uns auch die Entstehung folgender Redensarten verständlich geworden, durch die man böse Weiber kurz und treffend zu bezeichnen sucht: »To je vila« (das ist eine Vila), oder: »To je vila ljutica« (das ist eine ingrimmige, eine bissige Vila, d. h. ein böses, heimtückisches und rachsüchtiges Weibsstück), oder man sagt zu einem Frauenzimmer, das man nicht gerne um sich sieht: »Idi vilo!« (Troll’ dich, Vila) ganz in der Bedeutung von: arge Hexe. III. Die Hexe im Sprichwort. Ako i je baba, nije vještica. Wenn sie auch ein altes Weib ist, so ist sie doch keine Hexe, sagt wohl ein Mann in launiger Stimmung von seiner Alten, gewissermassen, um sie wegen ihres Alters, das leicht den Verdacht der Hexenkunst erwecken könnte, zu entschuldigen, worauf in der Regel das Weib in demselben Tone entgegnet: Svaka baba vještica a djed viještac. Jedes alte Mütterchen ist eine Hexe und (jeder) Alte ein Hexenmeister. Biži ko vištica od biloga luka. Sie eilt davon wie eine Hexe vor weissem Lauch. Mit Knoblauch vertreibt man Hexen. Uskostrešila se ko vištica. Ihre Haare sind wirr und zerzaust wie bei einer Hexe. Izgleda kao da su ga coprnice donijele sa Ivanjščice. [31] Er sieht aus, als hätten ihn die Hexen von der Ivanjščica hergebracht. Svaka vračara s vražje strane. Jede Hexe ist von des Teufels Partie, d. h. sie hat ihre Seele dem Teufel verschrieben und steht mit ihm im Bunde. Kud će vještica do u svoj rod? Wohin wendet sich eine Hexe, als zu ihrer Sippschaft? Jaše ga vještice. Es reiten ihn Hexen. Das ist die Hexe als Alp. (Er leidet an nächtlichen Samenergüssen.) Vračarice, coprnjice, kuko ljeskova! Zauberin, Hexe, Haselstockhacken! [32] Eine Beschimpfung für ein Frauenzimmer, das auf Zauberei und Hexerei viel hält und sich damit abgibt. Nebenbei mag noch der Verwünschung »izjele te vještice!« (Hexen sollen dich ausfressen) Erwähnung geschehen. IV. Versammlungorte der Hexen. Regelmässig versammeln sich die Hexen in der St. Johannis- und der St. Georgnacht [33], Weihnachten und zu Pfingsten auf Pusten (weiten Ebenen), an Kreuzwegen und brauen dort ihre Zaubertränklein. In der vorchristlichen Zeit fielen auf die genannten Tage die Hauptfeste des Volkes. Jung und alt zog zu Georgi, zu Pfingsten und am Johannistage hinaus in Wald und Flur, brachte bei Tanz und Spiel Opfer dar und feierte das Fest der erwachenden und blühenden Natur. Wie vor tausend Jahren, so feiert noch jetzt der südslavische Landbewohner diese Feste, die nun ein christliches Gepräge erhalten haben, nebenher geht aber noch eine Unzahl altheidnischer Gebräuche mit. Warum gerade an diesen Tagen den Hexen eine grosse Rolle zufällt, erklärt sich einfach daraus, dass man vor Zeiten an diesen Tagen Opferzüge leitete und mancherlei »Zaubereien«, zum Wohle aller und einzelner veranstaltete. Bei einem einfachen Volke, wie die Südslaven, das sich vorzugweise mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigte und noch beschäftigt, brachte man selbstverständlich die meisten Opfer dar, um für das liebe Vieh und die Felder den Segen der Geisterwelt zu erwerben. Zu ihren Ehren schmückte man die Wohnungen der Menschen und die Nutztiere mit Blumen und Kränzen. Die weisen Frauen, die die Aufsicht über die Festzüge führten, trugen besondere Zweige in der Hand, beräucherten Menschen und Tiere und sprachen dazu ihre Segen. Die neue christliche Lehre musste, um sich behaupten zu können, teilweise die alten Bräuche zu den ihrigen machen, diejenigen aber, die sich mit ihrem Geiste nicht vertrugen, als das Gaukelspiel böser Geister hinstellen. So wurden die alten Priesterinnen, die wohl mancherlei Kenntnis von heilkräftigen Kräutern besassen, böse Hexen, die dem lieben Vieh nachstellen und den Menschen nur Schaden bereiten. Infolge dieser Wandlung in der Volkanschauung fing man an, den nicht mehr verstandenen Brauch des Bekränzens und Schmückens der Nutztiere als Abwehrmittel gegen den Einfluss der Hexen auszulegen. Die Vorstellung von dieser Art von Hexen hat mit jener von den Vilen nichts gemein als den Namen, so ferne man in manchen Gegenden die Bezeichnungen vještica (coprnica) und vila nicht mehr auseinanderhält. Am Georgtage schmücken im ganzen slavischen Süden die Hirten mit Blumenkränzen die Hörner der Kühe, um jeden Hexenzauber fernzuhalten. In den Blumen und Zweigen heimen gütige Baumseelen. Die unbekränzten Kühe sind den Hexen preisgegeben. Die Kränze befestigt man abends an der Stalltüre, wo sie das ganze Jahr über hängen bleiben. Wenn es ein Hirte unterlässt, eine Kuh zu bekränzen, so erhält er vom Eigentümer der Kuh nicht nur nicht das übliche Trinkgeld, sondern setzt sich noch der Gefahr aus, durchgebläut zu werden. Die Zeugnisse für den angeführten Brauch sind sehr zahlreich. (Vrgl. über diesen Brauch bei a. Völkern. Mannh., Bk. S. 295.) Am Georgtage früh, wenn der Hirte die Kühe aus dem Stalle lässt, nimmt die Schaffnerin in die eine Hand Salz, in die andere einen Scherben mit Feuerbrand. Das Salz reicht sie der Kuh, die nun über die Glut hinwegschreitet. In dem Feuer brennen allerlei Rosenarten. Dadurch bricht man die Macht der Hexen über die Kuh. (Aus Warasdin). In der Umgegend von Karlstadt begnügen sich die Hausfrauen, morgens beim Austreiben der Kühe bloss ein Kreuz über sie zu schlagen, um die Hexen fernzuhalten. (V. Lorković, Arkiv, 1863, VII, S. 239.) (Über die Bedeutung dieser Bräuche vrgl. Mannh. Bk. Kap. VI, Vegetationgeister, Sonnenzauber S. 497–566.) Am Vorabend von Georgi, an manchen Orten am Georgtage frühmorgens, schneiden alte Weiber Distelzweige ab und bringen sie an den Türen des Gehöftes an; ferner machen sie Kreuze aus Kuhdreck sowohl an den Hof- als an den Stalltüren, damit die Hexen den Kühen keinen Schaden antun können. (Aus Warasdin.) Manche schlagen aus demselben Grunde grosse Nägel in die Stalltüre ein, doch glaubt man, dass diese kein so zuverlässiges Abwehrmittel gegen Hexenzauber wie Distelzweige bilden. In Vinica und dessen Umgebung schneidet man vor Sonnenaufgang die Distelzweige ab. Man legt sie einander auf den Kopf, ferner legt man solche Zweige auf die Umzäunung des Gehöftes, die Fenster und Türen des Hauses und ebenso in Kranzform den Kühen um den Nacken, damit die Hexen dieses Jahr über Mensch, Tier und Haus keine Macht erlangen können. Gelingt es einer Hexe trotz alledem durchs Hinterhaus über den Gartenzaun in den Stall zu dringen, so verendet das ganze Vieh in dem Hause. Es war einmal ein Mann, der wollte keine Disteln an der Stalltüre anbringen, ja er verspottete sogar die Leute, die es taten. Dafür kamen aber das ganze Jahr allabendlich Hexen zu ihm und molken seine Kühe aus. Er dachte sich: »Ich muss doch aufpassen, wer denn das ist, der regelmässig meine Kühe ausmilkt.« Er verbarg sich im Heu, lauschte und hielt scharfe Wache. Auf einmal, es war um die elfte Stunde, erschien ein Melkkübel und die Kuh fing an ganz von selbst die Milch in diesen Kübel hineinrinnen zu lassen. Er fährt rasch aus seinem Versteck hervor, ergreift den Kübel und schlägt ihn mit aller Kraft zur Erde. Der Kübel aber verwandelt sich in eine grosse Kröte, und eben diese Kröte macht Miene, auf ihn zu springen. Er hurtig fort und ins Haus hinein. Das war sein Glück. Eine Woche darauf war Georgi. Am Vorabende befestigte er an der Stalltüre Distelzweige und die Kuh gab fortan reichlich Milch. (Aus dem Dörfchen Vidovec bei Warasdin.) Am Georgtage kann man die Hexen leicht erkennen und ihr Treiben beobachten, nur muss man folgendes tun: Zeitlich morgens vor Sonnenaufgang begibt man sich auf die Weideplätze der Kühe, zieht sich vollständig aus, wendet seine Kleider ganz um und legt sie so an. Dann muss man ein Stück grünen Rasens herausschneiden und sich auf den Kopf legen. (Aus Warasdin.) Als Beleg für die Wahrheit erzählt man sich die Geschichte von den zwei Schmiedelehrjungen und ihrer Meisterfrau, die nächtlich auf einem der Burschen, nachdem sie ihn in ein Pferd verwandelt, zur Hexenversammlung reitet. Es wird dies als eine Strafe für seinen Vorwitz hingestellt. Die Hexe wird schliesslich auf dem Kapuzinerplatz in Warasdin verbrannt. Die Hexen kann man ferner am Georgtage beobachten. Man stellt sich in der Frühe, wann die Kühe ausgetrieben werden, mit einem Rasenstück auf dem Kopfe hinter die Stalltüre, oder duckt sich daselbst nieder. Dadurch wird man für die Hexen unsichtbar, denn sie glauben, man befinde sich unter der Erde. (Aus Warasdin.) Am Georgtage in aller Früh vor Sonnenaufgang steigen die Hexen in den Kirchturm hinauf, um Schmierfette [34] von den Glockenarmen und ein Stück vom Glockenstrick sich zu holen; denn dieser Gegenstände bedürfen sie zum Hexen. In der Johannisnacht schleicht die Hexe auf den geflochtenen Zaun hinauf, der das Gehöft umschliesst und spricht: »Zu mir der Käse, zu mir das Schmalz, zu mir die Butter, zu mir die Milch, euch aber (geb’ ich) die Kuhhaut.« (K meni sir, k meni maslo, k meni puter, k meni mleko a vam pak kravsku kožu.) Da wird nämlich die Kuh verenden, das Fleisch wird man vergraben, die Haut verkaufen müssen. Um solchen Zauber zu nichte zu machen, geht man zeitlich früh am Johannistage auf die Wiese, sammelt in einen Mantel Morgentau und trägt ihn heim. Zu Hause angelangt, bindet man die Melkkuh an den Stützbalken (tram) an und wäscht die Kuh mit dem eingesammelten Morgentau; sodann stellt man den Melkkübel unter ihre Euter und melkt die Kuh. Tut man so, so kann man mindestens vier volle Kübel Milch melken. (Aus St. Elisabeth [Jalžabeta].) Zur Abwehr gegen die Entziehung der Milch durch Hexen bedient man sich auch des Wacholders. Folgende zwei Angaben sind aus Toplice. »Will man es verhindern, dass Hexen zu den Kühen kommen, so nimmt man in der Weihnacht einen Wacholderzweig und warte im Stalle, bis die Hexen kommen, um die Kühe zu melken. Sobald sie zu melken anfangen, tritt hin zur Kuh und versetz der Hexe drei Streiche. Das musst du schweigend tun und ebenso schweigend dich sogleich entfernen.« Das zweite Mittel lautet: »Will man die Hexen von den Kühen vertreiben, so geh’ zu Weihnachten um die Mitternachtstunde hin, gib Wacholder in einen Topf (in welchem Glutkohlen liegen) und räuchere damit dreimal deine Kühe, dann wird das ganze Jahr keine Hexe zu ihnen kommen. Dies musst du aber an jedem Weihnachtabend tun, wenn du willst, dass niemals Hexen zu dir kommen sollen und deine Kühe ausmelken. [35]« Nicht geringe Schwierigkeit bietet die Erklärung des Glaubens an die Kerstniki (bei den Slovenen), die in der Johannisnacht mit den Hexen kämpfen. Die Etymologie des Wortes Krstnik ist unzweifelhaft. Es ist ein altes Lehnwort aus dem Griechischen. Im Bulgarischen und Slovenischen bedeutet Krstnik so viel als Täufling, der Getaufte (Kumče, wie man serbisch sagt). Wie lässt sich das Wort in dieser Bedeutung in unserem Falle rechtfertigen? Sehen wir uns vor allem die wenigen gedruckten Angaben an, aus welchen man etwas Näheres über die Kerstniki erfährt. Die älteste Nachricht datiert aus dem Jahre 1854. »In der Johannisnacht, so glauben die Slovenen um Görz, führen die Hexen mit den Kerstniki einen heftigen Kampf. Die Kerstniki sind zwölf Brüder. Wenn sich in einer Familie zwölf Söhne von einem Vater befinden, so ist der zwölfte unter ihnen ein Kerstnik. In der Johannisnacht schweben diese Kerstniki in grosser Gefahr, denn sie werden da von den Hexen mit Überresten von Steckpfählen und Stumpfen überfallen. Gerade deshalb gräbt man im Herbste die Steckpfähle und die Stumpfen, die in der Erde zurückbleiben, sorgfältig aus und schafft sie heim, damit die Hexen keine Waffen haben sollen, um mit den Kerstniki zu kämpfen. Diejenigen Stücke, die sich nicht leicht herausziehen lassen, rammt man noch fester in die Erde ein.« Den Widerspruch, der darin liegt, dass zuerst alle zwölf Brüder Krstniki genannt werden und dann trotzdem der zwölfte erst Krstnik sein soll, fand der Erzähler nicht heraus. Man merkt es diesem Bericht gleich an, dass die mythische Zwölfzahl nur herangezogen wird, um etwas notdürftig zu erklären, was man nicht mehr versteht. Nicht viel mehr als den blossen Namen bietet eine andere Erzählung. »Die Krstnici beschützen zumeist die Welt vor Hexen.« Einen sicheren Anhaltpunkt zur Deutung der Gestalt des Krstnik gewinnt man erst durch eine Notiz: »Krstnik, človek kterega vile obljubiju.« »Krstnik ist ein Mann, den die Vile liebgewonnen.« Diese dritte Nachricht rührt aus dem Jahre 1860 her (Veglia glasn. II. 8). Die Klasse von Geistern, zu der man die Vilen zählen muss, liebt es, wie es die Mythen aller Völker erzählen, mit dem Menschen in die vertrauteste Verbindung zu treten. Wenngleich die Vila ein geisterhaftes Wesen ist, sucht sie doch den Umgang des Menschen. In der Heidenzeit betrachtete man es als eine aussergewöhnliche glückliche Auszeichnung für einen Sterblichen, wenn er von einer Waldfrau geliebt wurde, in christlicher Zeit verschoben sich die Anschauungen. Die Waldfrau erscheint mitunter als ein armes, verlassenes Wesen, das des ewigen Heils unmittelbar nicht teilhaftig werden kann und wenigstens mittelbar durch die Berührung mit Getauften Erleichterung erhofft und findet. Eine Sage (Sdsl. S. u. M. Stück 90, S. 413) erzählt, dass Vilen an einem Jüngling solches Wohlgefallen fanden, »dass sie ihn zu sich in die Baumhöhle mitnahmen und drum waren sie in ihn verliebt, weil sie durch ihn nach der Taufe dufteten« (»da su po krstu dišale«). Vilen entführen auch Kinder, die schon getauft sind und ziehen sie gross. [36] Solche Auserwählten darf man im Gegensatze zu den nichtgetauften Vile, als die Getauften, d. h. Krstniki κατ’ ἐξοχήν benennen. Die Günstlinge der Vilen konnten wohl auch als Fürsprecher für ihre Mitmenschen gelten; diese Auffassung wird durch eine ganze Reihe Vilensagen bekräftigt. Die Krstniki erscheinen demnach im Volksglauben als die Beschützer der Menschen. Man war aber gewohnt, die Krstniki immer in einem nahen Verhältnisse zu den Vilen zu denken. Sobald sich nun die Vilen zu coprnice wandelten, musste notwendigerweise das alte freundliche Verhältnis in ein feindliches verändern. Die Krstniki beschützen nicht mehr die Welt durch ihre Fürsprache, sondern durch offenen Kampf, den sie mit den Vilen (= copernice) auszufechten haben. — Nach dieser Deutung ist die erste Sage, sehr jungen Ursprungs, und es fragt sich, ob das Ausreissen der Stoppeln und Stümpfe, die nach der Ernte im Boden zurückgeblieben, in irgend einen Zusammenhang mit den Krstniki überhaupt gebracht werden darf, oder ob wir nicht vielmehr einen traditionellen Zug vor uns haben, der auf einen alten Bodenzauber hinweist. Dies dürfte man aber nur dann annehmen, wenn die Stoppeln verbrannt würden. Es ist sonderbar, dass nur die Slovenen um Görz, nicht aber auch die übrigen Südslaven diesen Brauch üben, auch scheut sich der Südslave zufolge eines allgemeinen Glaubens, selbst eine abgestorbene Pflanze mit der Wurzel auszureissen, denn man reisst dadurch, glaubt man, seiner verstorbenen Mutter oder Grossmutter im Grabe die Haare aus. In Maisfeldern werden z. B. im Savelande nach der Ernte die Stöcke, sobald sie vollständig getrocknet sind, unten an der Wurzel abgeschnitten; (man benützt die trockenen Stangen zur Feuerung.) Wer den Charakter des südslavischen Bauernvolkes kennt, der weiss auch, dass der Bauer nur so viel arbeitet, als er muss, um nicht mit den Seinigen zu verhungern. Zu solchen überflüssigen Arbeiten, wie das Ausziehen der Stoppeln und Stumpfen, kann ihn nicht einmal die Furcht vor Hölle und Teufel bewegen. Ausser bei den erwähnten Gelegenheiten versammeln sich die Hexen noch regelmässig in hellen Mondnächten auf Kreuzwegen, um dort zu spinnen. [37] Nie aber ist es ratsam, zur Nachtzeit dort vorüber zu gehen, denn die Hexen behexen einen und senken über ihn einen tiefen Schlaf. Ihre Zusammenkünfte finden auf Bäumen, besonders auf Ahorn-, Eschen-, [38] Nuss- und Lindenbäumen statt, deren Äste folgender Art verwachsen sind: [Illustration] Aufenthaltorte der Hexen sind nebst dichten Wäldern und Schluchten noch Düngerhaufen, Lauge- und Ascheablagerungen, Gestrüpp und dichtes Gehölz. Sobald die Sonne untergegangen ist, versammeln sich die Hexen in Zwetschkengärten und alten Ruinen; in Sommernächten treiben sie ihr Unwesen in Scheunen, alten hohlen Bäumen, dunklen Hainen und unterirdischen Höhlen. (Lonja in Chrowotien.) Die Hexen werden ferner als wohnhaft gedacht in der Grotte Kleinhäusel (u velki jami pod malim gradom) bei Postojna in Krain, ferner tanzen sie auf zwei grossen Felsen in der Nähe der Grotte. Die Hexen haben Affenköpfe mit roten Mützen darauf. Der Bauer hütet sich sorgfältig, in der Dämmerung an einem Düngerhaufen vorüberzugehen, oder gar darüber zu schreiten, namentlich tät er dies nicht barhaupt; denn man ist vollkommen überzeugt, dass einen die Hexen, die auf dem Düngerhaufen hausen, auf der Stelle durchbohren würden. Mein Gewährmann erzählte eine Geschichte, um diesen Glauben zu belegen, und gesteht freimütig ein, dass er früher wohl an der Existenz von Hexen gezweifelt habe, doch angesichts der sich so oft wiederholenden Tatsache nicht umhin könne, seinen Unglauben zu bereuen. »Ich sah«, berichtet er, »einen Handwerker (der Mann lebte noch 1863), der verliess um Mitternacht das Wirtshaus, wurde von den Hexen überfallen und dreimal furchtbar im Dorngestrüpp zu Boden geschleudert. Zuletzt, nachdem sie ihn derart zugerichtet, versetzten sie ihm einen so wuchtigen Hieb in den Brustkorb, dass man noch jetzt, also mehrere Jahre nach diesem Ereignisse, ein faustgrosses Loch an der betreffenden Stelle sehen kann. Der Ärmste erzählte mir selber, dass er wohl sterben, aber niemals der alten Bara, seines Nachbars Weibe, verzeihen werde; denn sie habe er ganz deutlich von Angesicht im Mondlicht erkannt.« Wenn ein heftiger Wind weht, da lieben es die Hexen, zu tanzen. Vor Vergnügen drehen sie sich im Wirbel, und lagern an Orten, wo Menschen gerne verweilen und ruhen, ihren Schweiss vom Tanze ab. Wer an einen solchen Ort gerät, mit dem ist’s schlimm bestellt; er verliert die Sprache, oder wird an Hand oder Fuss gelähmt. Man glaubt auch, dass wenn einer eine Lungenentzündung bekommt, oder es rührt ihn der Schlag, dass er auf Hexenschweiss getreten sei. Man muss sich hüten, den Ort zu betreten, wo sich eine Hexe aufgehalten, denn man verfiele sogleich in Wahnsinn und bliebe daselbst so lange liegen, bis man vom Hunger heimgetrieben würde. Man erkennt eine solche Stelle ohne weiters an den Fussabdrücken im Staub oder Sand. Eine Hexe hat nämlich bloss vier Zehen am Fusse, die wohl nicht anders aussehen als bei jedem Menschen, nur fehlt die grosse Zehe (der Daumen). (Aus Warasdin.) Die rätselhaften vier Zehen, deren Eindrücke im Boden den Gläubigen in Schrecken versetzen, rühren wohl von Wildgänsen, Schwänen oder Wildenten her. Der Bauer kennt freilich die Spuren dieser Tiere, doch er glaubt auch, dass Hexen ihre Gestalt annehmen. Auch die ruhelosen Seelen von Kindern, die vor der Taufe gestorben, treiben nächtlicher Weile ihren Spuk in Gestalt von Gänsen auf Weideplätzen. Das sind die Móvje klr. moviči (vor der Wz. mar). Stösst der Mensch durch Zufall auf eine Hexenversammlung, so muss er rasch den Kopf bedecken, ein Kreuz schlagen, drei Schritte nach rückwärts treten, dann einen vierten Schritt nach vorwärts machen, denn sonst tritt er den Hexen in die Schüssel hinein. Beobachtet er dies, so können ihm die Hexen gar nichts antun. (Aus Vinica.) Wenn einer an seinem Gartenzaun irgend etwas wahrnimmt, was ihm eine Hexe hingelegt hat, so darf er das Ding um keinen Preis in die Hand nehmen, denn er würde im selben Jahre schwer erkranken, und wenn er gar mit dem Dinge spielte, so müsste er gewiss sterben. (Aus Warasdin.) Hexen halten sich auch in Gewässern auf. In einem solchen Wasser muss man sich hüten zu baden, denn man ertränke unfehlbar darin. Auch fänden die Leute niemals den Leichnam des Ertrunkenen. Einen solchen verdächtigen Ort erkennt man leicht daran, dass auf der Oberfläche des Wassers ein toter Kater schwimmt. Zuweilen ist an solchen Stellen das Wasser von einer sehr bedeutenden Tiefe, trotzdem aber von einer solchen Klarheit und Durchsichtigkeit, dass man bis auf den Grund hinab sieht. Häufig ist ein Wasser, das zum Aufenthalt der Hexen dient, ein sehr trübes stehendes Gewässer, dem man nicht näher als bis auf sieben Schritte kommen darf, weil der Mensch schon am blossen Dunst ersticken müsste. Drei Sagen zur weiteren Erläuterung. Die erste ist aus Bednje, die zweite aus Biškupec, die dritte aus Warasdin in Chrowotien. I. Es war einmal ein junger Mann, der sich in ein Mädchen verliebte, das eine Hexe war. Es fiel ihm öfters auf, dass sich das Mädchen immer zu gewisser Zeit zu entfernen pflegte, ohne jemand mitzuteilen, wohin; darum befragte er sie, wohin sie gehe, und sie gab ihm zur Antwort: »Mein Liebster, ich gehe auf einen gar schönen Ort; komm Du auch mit, Du wirst die Freude in vollen Zügen geniessen.« — Er willigte ein und sie führte ihn auf einem ihm bis dahin unbekanntem Wege, bis sie an einen Kreuzweg gelangten, wo sie zu mehreren solcher Mädchen und Frauen stiessen. Mit diesen zusammen traten sie sodann in eine wunderherrliche Burg, die sie urplötzlich herhexten, darin glänzte aber alles in lauterem Golde und eine grosse Tafel war mit köstlichen Speisen vollbedeckt. Man fing an, die mannigfaltigsten Speisen zu essen, wie ihrer der Jüngling nicht einmal im Traume je welche gesehen. Wie es überall zu sein pflegt, so geschah es auch hier; der Wein erhitzte die Gemüter der Gäste und der Jüngling ergriff lusterfüllt seinen Pokal und brachte einen Trunk zu Ehren des heiligen Geistes aus. Da schien es ihm auf einmal dunkel um die Augen zu werden, und er ergriff, als wenn er untersänke, schnell etwas über sich. Wie er die Augen öffnete, sah er sich auf einem Lindenbaume und mit der Hand hielt er sich an einem Aste fest. II. Es war einmal eine Hexe, die ging zum Dorfpfarrer zur Beichte; der Pfarrer aber wusste, dass er eine Hexe vor sich habe und bat sie, sie möge ihm den Ort ihrer Zusammenkünfte zeigen. Die Hexe erwiderte: »Ich will Ihren Wunsch, Herr Pfarrer, erfüllen und Ihnen den Ort zeigen. Kommen Sie mit mir auf den Düngerhaufen.« — Als sie auf den Düngerhaufen kamen, hiess die Hexe den Pfarrer ihr auf den Fuss treten. Kaum trat er ihr auf den Fuss, flogen beide hoch in die Luft und gelangten in einen wundervoll schönen Palast, wo Hexenmeister mit Hexen im vollsten Sinnentaumel herumtanzten und sich mit Speise und Trank ergötzten. Auf einmal erschien in ihrer Mitte der Teufel selber in Gestalt eines Kalbes, das Feuer aus dem Maule spie. Nun gingen die Hexen der Reihe nach dem Kalbe den Hintern küssen, und so kam die Reihe auch an den Pfarrer, der ohne weiteres das Beispiel der Hexen nachahmen wollte, doch der Teufel herrschte ihn an: »Was hast Du Stinktier vor? — Willst Du in unsere Genossenschaft aufgenommen werden, so musst Du Deinen Namen mit eigenem Blute in dieses schwarze Buch einschreiben!« — Der Pfarrer forderte ihn auf, ihm das Buch vorzulegen, er sei bereit, sich zu unterzeichnen. Der Teufel reicht ihm das Buch und der Pfarrer schreibt ein den süssen Jesunamen. Im selben Augenblicke erdröhnte der Palast und zerfiel in Trümmer, Teufel und Hexen verschwanden und der Pfarrer sah sich auf dem Gipfel der uralten Linde vor der Kirche und zitterte vor Entsetzen am ganzen Leibe. Als in der Früh der Messner läuten kam, rief ihm der Pfarrer von der Linde herab zu: »Heda, nimm mich herab!« und der Messner entgegnete kopfschüttelnd: »Der Teufel selbst muss Sie da hinauf gesetzt haben«, stieg auf den Baum, holte den Pfarrer herab und trug ihn in den Pfarrhof zurück. III. Ein Bauer ging mit einem Sacke Frucht in die Mühle und der Weg führte ihn an einem grossen Baume vorüber, wo er schon früher zu hundert Malen vorübergegangen war. In der Mühle sah er sich genötigt bis zur Dämmerung zu warten, ehe an ihn die Reihe kam, und als die Frucht gemahlen war, trat er den Heimweg an. Wie erstaunte er aber, als er an der Stelle, wo der Baum stand, einen grossartig schönen, drei Stockwerke hohen Palast erblickte, aus dem ihm ein Jubel entgegenscholl, als wenn hundert Paare daselbst Hochzeit feierten. Verwundert legte er den Sack ab, setzte sich darauf und sann nach, wo er sich befände und wieso er hieher gelangt sei. Auf einmal traten aus diesem Palaste über goldene Stufen zwei schöne Frauen heraus, fassten ihn jede an einer Hand und führten ihn in den Palast hinauf. Oben traf er Leute aller Art, unter denen eine unaussprechlich grosse Lustbarkeit herrschte. Man bot ihm sogleich Speise und Trank an und schliesslich tanzte er in bester Stimmung mit ihnen mit. Als er sich endlich verabschiedete, um zu den Seinen zurückzukehren, reichte ihm die eine ein grosses Stück Braten und die andere ein herrliches Kopftuch mit den Worten: »Dein Weib wird es mit grossem Vergnügen tragen.« — Er sprach ihnen seinen Dank dafür aus, worauf sie ihn wieder an der Hand hinabgeleiteten. Unten angelangt, lud er wiederum seinen Sack auf den Rücken auf und schlug den Heimweg ein. Zu Hause rief er vor Freude seinem Weibe zu: »Errat’ mal Weib, was ich Dir Neues und Schönes mitbringe?« — Noch etwas benebelt und in vergnügtester Laune griff er in seine Ledertasche nach dem Fleische und zog heraus — einen Pferdehuf. »Ich habe noch etwas, für Dich, Du«, sagte er, griff in die Tasche nach dem Kopftuch und brachte einen — schmierigen Abwaschfetzen zum Vorschein. Beide gerieten darüber in Verwunderung, und der Bauer suchte schnurstracks den Pfarrer auf und teilte ihm das sonderbare Abenteuer mit, aber der Pfarrer lachte ihn nur aus. Nun kam bald wiederum der Zeitpunkt, wo die Hexen ihre Versammlung abzuhalten und der Freude sich hinzugeben pflegten, und da schickten sie zum Pfarrer, der eben an diesem Tage zwei Paare traute, eine vergoldete Kutsche mit vier Rossen, einem Kutscher und zwei Herren mit der ergebenen Einladung, er möge sie beim Festmahl mit seiner Gegenwart beehren. Der Pfarrer nahm wirklich die Einladung an, stieg in die Kutsche und schnell wie der Donner ging es zu jenem Palaste hin. Die ganze lustige Gesellschaft kam ihm unter Musikbegleitung entgegen und führte ihn über die goldenen Stufen hinauf in den Saal. Sogleich räumte man ihm den Ehrenplatz oben an der Tafel ein. Doch die Freude war von kurzer Dauer, wenngleich sie sehr gross war; alles trank der Reihe nach und zuletzt kam der Pfarrer dran, der in Gottes Namen den Pokal ansetzte; kaum war aber dieses Wort über seine Lippen gekommen, verschwand alle Herrlichkeit um ihn herum und er sah sich auf einem schwachen Aste auf dem Gipfel jenes Baumes sitzen, von dem ich zuvor gesprochen. Die ganze Nacht bis zum hellichten Tag sass er da oben auf der schwachen Rute und getraute sich nicht, sich zu mucksen, vor Furcht, hinabzufallen und sich das Genick zu brechen, bis ihn endlich vorüberziehende Leute aus seiner peinlichen Lage befreiten. Diesen Streich spielten ihm die Hexen nur deshalb, weil er an sie nicht glaubte. Als Hauptversammlungort der Hexen von Syrmien wird ein alter Nussbaum [39] bei dem Dorfe Molovina bezeichnet. Auch in einem sicilianischen Zauberspruch (vrgl. Ausland 1875, St. 3) ist von den Geistern des Nussbaumes die Rede. Sie heissen diavuli di nuci. »Die neapolitanischen streghe versammeln sich unter einem Nussbaum bei Benevent: das Volk nennt es die Beneventsche Hochzeit; gerade an diesem Ort stand ein heiliger Baum der Longobarden.« (Grimm. D. M. S. 1005.) Die älteste Nachricht über diesen Glauben bei den Südslaven findet sich bei dem Ragusäer Dichter I. Gundulić (1588–1638). Im II. Gesange seines Epos »Osman« (zuerst erschienen 1621) sucht der Vezir Dilaver den jungen türkischen Kaiser Osman zu überreden, er soll die Mutter seines vom Throne gestürzten Vorgängers, eine gefährliche alte Hexe, die ihm, Osman, nach dem Leben trachtet, baldigst aus dem Wege räumen. Der Dichter schildert das Treiben der Hexe nicht getreu nach dem südslavischen Volkglauben, denn aus Strophe 36 und 37 geht hervor, dass er mit dem abendländischen, oder genauer italienischen Hexenglauben wohl vertraut ist. In der ersteren Strophe ist der Zug, dass die Hexe nachts auf einem Bock durch die Lüfte reitet, dem südslavischen Volkglauben ganz und gar fremd. Die Stelle lautet (Strophe 38 und 39, »Osman«, II. Aufl. Agr. 1854, S. 20 f.): »Glas je, da ona od djetinje Mlječne puti pomas kuha, I na ovnu prjeko sinje Noći leti vragoduha, »Man sagt sich, dass sie eine Salbe aus zartem (wörtlich: milchigem) Kinderfleisch koche und vom Teufel besessen auf einem Bocke durch die schwarze Nacht dahinfliege.« Na kom leti svegj bez straha K planinskomu vilozmaju, Gdje vještice podno oraha Na gozbe se strašne staju.« »Auf welchem (nämlich Bocke) sie ohne Scheu allezeit zum vilenartigen Drachen der Hochalpe reitet, wo sich Hexen unterhalb eines Nussbaumes zu grausigen Mahlzeiten ein Stelldichein geben.« Weitere Belege aus Dalmatien im Arkiv za pov. jugosl. V. S. 332. Der Zauberspruch der Hexen, die im Begriff fortzufliegen sind, lautet: »Nach Neapel unter die Nussbäume« (u Pulju pod oraje). In einer Sage (Arkiv, VII, S. 218) zerreissen Hexen ein Mädchen unter einem Nussbaume und sieden es in Öl ab. Dagegen finden sich die Hexen von Chrowotien auf dem Berge Klek bei Ogulin zusammen. (Vuk, a. a. O.) M. Kombola, Pfarrer in Selac im Küstenlande, berichtet über diesen Volkglauben im Arkiv des Kukuljević VII, 328. Zweifelohne war auf dem Klek eine vorchristliche Kultstätte. Kombola ergänzt seine Nachricht mit der Bemerkung: »Wüsste der hl. Elias, wann sein Tag sei, er würde sie (die Hexen) alle vernichten und umbringen.« Unser Gewährmann nimmt auf eine allgemein verbreitete Sage Bezug, die an den Heiligen anknüpft. Wie wir in der Anmerkung hervorheben, ist der hl. Elias an Stelle des Donnergottes der vorchristlichen Zeit getreten, der sich in einem gewissen Sinne mit der neuen Ordnung abfand, doch immer noch hofft, dass er wieder einmal die Herrschaft erlangen werde. Dieser Zeitpunkt ist herangenaht, sobald sein alter Kult wieder vollkommen hergestellt sein wird, oder, wie es in der Sage heisst, sobald er erfährt, wann man sein Fest feiert. Es wird aber alljährlich begangen, nur weiss er den Tag nie bestimmt. Fragt er Gott, so erhält er immer zur Antwort, der Tag sei schon vorüber, oder er werde erst kommen. Der hl. Elias verschläft nämlich immer sein Fest. Wenn er aber einmal wachbleiben wird, dann geht die ganze Welt zu Grunde. (Das erzählte mir ein Bauer aus Kamensko bei Požega in Slavonien. Die Vorfahren des Erzählers sind Einwanderer aus dem Herzogtum. Eine Variante dazu in einer der ersten Nummern des Ragusäer Slovinac.) Die Hexen reiten auf Menschen, die sie mittels einer Zauberhalfter in Pferde verwandeln. Auf ihrem Versammlungorte wird herumgetanzt. Die heiteren Festtänze beim alten Opferkult, die frohe Sitte, die sich noch bis in die Gegenwart erhalten hat, dass sich das Volk an Festtagen vor der Kirche versammelt und Tänze aufführt, wurden mit der Zeit durch den Einfluss der Geistlichkeit zu greulichen Hexentänzen gestempelt, die unter Aufsicht des Teufels ausgeführt werden. Der Teufel wird übrigens höchst selten in unmittelbarer Verbindung mit Hexen gedacht. Seine Gestalt ist dem südslavischen Volkglauben ursprünglich ganz fremd. Weist doch auch schon der Umstand darauf hin, dass die Sprache keine besondere Bezeichnung für Teufel aufweist (gjavol [diabolus], sotona [Satan] sind Fremdworte, vrag bedeutet den Verderber überhaupt). An ihren Versammlungorten vergnügen sich die Hexen nicht bloss mit Tanz, sondern auch mit Mahlzeiten. Ihre Gefässe sind Pferdehufe und Eierschalen. Pferde brachte man beim alten Kult gewöhnlich als Opfer dar. Noch heutigen Tags befestigt so mancher südslavische Bauer am First seines Hauses einen Pferdekopf zur Abwehr von Zauber. Eier als Sinnbilder des Werdens in der Natur opferte man gleichfalls den Geistern. Wie es bei Hexenmahlen zugeht, darüber geben uns die Sagen vielfachen Aufschluss. Hier mögen vor allem zwei angeführt werden. Die erstere ist aus Kreuz in Chrowotien, die letztere, eine Variante zur ersteren, aus Slovenisch-Feistritz. I. Am Abhange des Klek lebte ein reicher Wirt mit seiner Frau, der Wirtin. Der Wirt war hager und mager, die Wirtin aber gut genährt, wie ein Mastschwein. Kam eine Zigeunerin zum Wirt, um ihm wahrzusagen. »Hör’ mal, Du gutmütiger Tropf« (more), sprach die Zigeunerin, »weisst Du, weshalb Dein Weib so dick und Du so abgezehrt bist?« — »Weiss es nicht!« — »Mein guter Freund, Dein Weib ist eine Hexe. An jedem Freitag im Neumond (mladi petak) reitet sie auf Dir auf den Klek hinauf zum Teufelreigen« (Vražje kolo). — »Wie denn das?!« — »Ganz einfach. Sobald Du einschläfst, schleicht sie zu Dir hin, wirft Dir eine Zauberhalfter über den Kopf, Du verwandelst Dich augenblicklich in ein Pferd und sie reitet dann auf Dir fort. Geh, gib mal ein bisschen acht am nächsten Neumondfreitag.« Am nächsten Freitag abend tat der Wirt, als schliefe er. Näherte sich ihm die Wirtin mit den Halftern in der Hand. Sprang der Wirt vom Lager auf und warf ihr die Halfter über den Kopf. Sie stand im selben Augenblicke vor ihm als Stute, er bestieg sie und im Nu befanden sie sich oben auf dem Klek. Dort band er (der Wirt) die Stute an einen Baum und schaute dem Teufelreigen zu. Zuerst tanzten die Hexen alle zusammen im Reigen, dann jede allein um ihren Topf herum. Diese Töpfe aber waren nichts anderes als Eierschalen. Kam zum Wirt herangeflogen eine alte Hexe, diese war seine alte Godin. »Was suchst Du da?« — »Ich habe diese meine Stute bestiegen und sie trug mich hieher auf den Klek.« — »Weh, flieh von hier, so schnell Du kannst. Wenn Deiner die Hexen gewahr werden, dann ist’s um Dich geschehen. Wisse, dass wir noch auf eine warten (auf sein Weib nämlich), ohne die wir eigentlich gar nichts anfangen können.« Da hat sich freilich der Wirt aus dem Staub gemacht, kam nach Haus, stellte die Stute im Stalle ein und legte sich schlafen. Fragten ihn die Diener in der Frühe: »Was ist das für eine Stute?« »Mir gehört sie«, antwortete der Wirt, liess dann einen Schmied kommen und die Stute an allen vier Hufen beschlagen. Hierauf ging er fort, um eine gerichtliche Kommission zu holen. Diese kam, er erzählte den Herren ganz genau, was er gesehen, nahm dann von der Stute die Zügel ab und sie verwandelte sich wieder in das Weib von ehedem zurück; doch war sie an Händen und Füssen beschlagen. Fing sie an zu jammern. Die Richter verstanden aber keinen Spass. Sie liessen sie in eine Grube voll ungelöschten Kalks werfen und dort musste sie elendiglich verbrennen. (Aus Chrowotien.) Seit dieser Zeit zerbröckelt das Volk immer die Eierschalen, damit die Hexen daraus keine Töpfe verfertigen können. In Slavonien begnügt man sich mit dem Zerbröckeln der Eierschalen allein nicht, sondern man wirft sie, ebenso wie Nägelabschnitzel und ausgekämmtes Haar, sogleich ins Feuer, um jede Hexerei mit diesen Dingen unmöglich zu machen. Wenn die Hexen übers Meer fahren, benützen sie Eierschalen als Fahrzeuge. Derselbe Volkglaube findet sich noch gegenwärtig in Deutschland. A. Wuttke berichtet darüber: »Wenn man gekochte Eier gegessen hat, muss man die Schalen zerdrücken oder verbrennen, sonst legen die Hühner nicht mehr, oder sonst kommen die Hexen über sie«. [40] Genau stimmt mit dem Zuge in der mitgeteilten Sage die Nachricht überein, die sich bei J. W. Wolf in den »Niederländischen Sagen« (Leipz. 1843) St. 248, 515 und 572 findet: »Wenn man Eier gegessen, muss man die Schalen zerbrechen, damit sie von den Hexen nicht als Böte gebraucht werden.« Nach Choice (Notes from Notes and Queries. London 1859, S. 7) herrscht in Holland der Glaube, dass die Hexen in Eierschalen nach England zu fahren pflegen. Der berührte Volkglaube ist auch auf der Pyrenäischen Halbinsel heimisch. Darüber findet sich nebst den angeführten eine weitere Nachricht bei Felix Liebrecht (Zur Volkskunde. Heilbronn 1879, S. 375), der aus Leitão Garret’s Schrift »Donna Branca ou a Conquista do Algarve (Paris, 1826) folgendes entnimmt: »Auf dem Lande ist es ein gewöhnlicher Aberglaube, die Schalen der genossenen Eier zu zerdrücken, aus Furcht, dass die Hexen sich ihrer bedienen möchten, um darin durch die Luft nach Indien oder andern fernen Ländern zu schiffen, woselbst sie das Blut ungetaufter Kinder auszusaugen oder einen andern ihrer gewöhnlichen Streiche auszuführen pflegen. Jedoch ist es unerlässlich, dass sie rasch und vor dem Krähen des schwarzen Hahnes (d. h. vor Mitternacht) nach Hause zurückkehren; zu dieser Stunde nämlich geht ihre Zauberkraft zu Ende und daher sind schon viele in jenen Meeren ertrunken.« Sagen über Hexenfahrten übers Meer können sich selbstverständlich bei Völkern, die an Meerküsten wohnen und besonders Handel und Schiffahrt betreiben, reich entwickeln. »Wenn die Hexen übers Meer fahren wollen«, sagt P. Kadčić Peke (Arkiv B. V. S. 333), »so lösen sie das erstbeste Schiff vom Anker und schiffen sich ein. Mit jedem Stoss legen sie ihre hundert Meilen zurück.« Es ist die Windbraut, die in rasender Wut dahinstürmende Bora, wenn sie das Meer von unterst zu oberst aufwühlt, Schiffe vom Anker federleicht losreisst und sie mit Blitzschnelle in die weite See, weiter als das Auge reicht, hinausschleudert, die der verzagende Mensch als die Hexe auf der Meerfahrt betrachtet. [41] II. Es war einmal ein Schmied, dessen Weib eine Hexe war. Er hatte auch zwei Lehrjungen, von denen der eine sehr dick, der andere aber zaundürr war. Einmal fragte der Dicke den Mageren: »Wie kommt’s denn, dass Du so mager bist? — Beide verrichten wir dieselbe Arbeit und einer bekommt so viel zu essen, als der andere.« — Darauf entgegnete ihm der Magere: »Leg Du Dich ’mal auf mein Bett eine Nacht schlafen und Du wirst es schon selber erfahren, warum ich so mager bin.« — Wirklich schlief der Dicke eine Nacht in des Anderen Bett, und in der Früh fragte ihn der Magere: »Na, wie ist’s Dir ergangen?« — »’S ist gar nichts vorgefallen.« — »Ich bitt’ dich, schlaf’ noch eine Nacht auf meinem Bette.« — »Warum nicht?« — In dieser Nacht aber trat die Hexe ans Bett heran, gab mit dem Zaume dem Jungen einen Streich, und im selben Augenblicke verwandelte er sich in ein Pferd. Sie ritt es bis zum Morgengrauen die ganze Nacht hindurch, und als sie nach Haus geritten kam, nahm sie den Zaum ab und sofort stand er wieder in menschlicher Gestalt da. In der Früh fragte ihn der andere, wie es ihm ergangen und erhielt zur Antwort: »Schlimm genug. Ist die Hexe ans Bett getreten, hat mich in ein Pferd verwandelt und ist die ganze liebe Nacht auf mir herumgeritten.« — »Nun weisst Du, warum ich so ausgemergelt ausschau.« — »Weisst Du was«, versetzte der Dicke, »lass mich noch einmal in Deinem Bette schlafen, ich glaube, ich werde ihr das Handwerk legen, denn ich weiss, sie hat nichts anderes getan, als mir bloss mit dem Zaume einen Streich versetzt, worauf ich mich im selben Augenblicke in ein Pferd verwandelte. Ich will schauen, irgendwie den Zaum abzustreifen und ihr einen Schlag zu versetzen, damit sie sich in eine Stute verwandle.« Gesagt, getan. Er schlief also die dritte Nacht in des Kameraden Bett; die Hexe stellte sich wiederum ein, versetzte ihm mit dem Zaume einen Schlag und im selben Augenblicke verwandelte er sich in ein Pferd. Eine Weile ritt sie auf ihm herum, dann band sie ihn an einen Baum an und entfernte sich irgendwohin. Diesen Augenblick benützte er, um den Zaum von sich abzustreifen, dann liess er ihn lose an einem Ohr hängen und wartete auf ihre Rückkehr. Kaum war sie zur Stelle, so streifte er vollends den Zaum ab, verwandelte sich wieder in einen Menschen und gab ihr einen Streich mit dem Zaume, worauf sie sogleich die Gestalt einer weissen Stute annahm. Er bestieg sie und ritt nach Hause. Zu Hause angelangt, band er sie an einen Pflock und weckte seinen Kameraden auf, er solle hurtig aufstehen, eine Stute müsse beschlagen werden. Der Magere liess sich dies nicht zweimal sagen, sprang vom Lager auf und im Handumdrehen war die Stute beschlagen. Hierauf nahmen sie ihr den Zaum ab, sie verwandelte sich in ihre vorige Gestalt und wankte in ihr Zimmer hinein, wo sie sich aufs Bett legte. In der Früh kam der Schmied, ihr Mann, sie zu wecken, damit sie das Frühmahl zubereite. Sie entschuldigte sich, sie könne nicht aufstehen, weil sie sich durch und durch krank fühle. — »Was fehlt Dir denn?« fragte er, und sie antwortete: »Ich bin beschlagen worden.« — »Was? Wer hat Dich beschlagen?« — »Wer anderes als deine zwei Lehrjungen." — Sogleich ging er zu den zwei Burschen und fragte sie, wie sie sich unterstanden, die Frau zu beschlagen. Sie stellten sich darüber ganz erstaunt und meinten, sie hätten niemand anderen als nur einer weissen Stute Hufeisen angenagelt. Da erkannte der Meister sofort, sein Weib sei eine Hexe, drum liess er Dornen auf einen Haufen zusammentragen, legte sein Weib darauf und sie musste elendiglich verbrennen. [42] Hexen zu sehen, wann sie zu ihrem Reigen ausziehen, gilt als sehr schwer. Fährt eine Hexe zum Hexenreigen, so erhebt sich ein Sturm und ein arger Wirbelwind. [43] Besonders wirbeln dann Federn im Wirbel und man muss sich wohl in Obacht nehmen, dass man nicht in einen solchen Wirbel hineingerät. Will man sich wirklich überzeugen, dass Hexen im Wirbel dahinfahren, so braucht man nur ein langes und scharfes Messer in den Wirbel hineinzuwerfen. [44] Die Hexen können dies nicht leiden, sie geraten in Streit um den Besitz des Messers, und schneiden sich. So wird das Messer ganz und gar blutig. Überrascht man die Hexen bei ihrem Reigen, so schonen sie niemand, auch nicht ihren nächsten Anverwandten. Auf irgend eine Art muss es der Lauscher immer büssen. Davon erzählen drei chrowotische Sagen bei Valjavec in den »Narodne prip.« S. 246: I. Es war einmal eine Mutter, die eine Hexe war. Sie hatte einen erwachsenen Sohn, den sie zu einem Herrn in Dienst gab. Einmal ging der Bursche auf Fuhrlohn und geriet, als er nachts heimkehrte, in die Hexenversammlung, in der sich auch seine Mutter und Tante befanden. Kaum ward die Mutter seiner gewahr, rief sie aus: »Wir müssen ihm die Zunge herausschneiden, sonst erzählt er der ganzen Welt, wir seien Hexen.« — Schon traf die Mutter Anstalten, um ihm die Zunge herauszuschneiden, als sie von der Tante, d. h. ihrer Schwester, daran verhindert wurde. »Was fällt Dir nicht ein«, rief diese aus, »Du wirst doch Deinem eigenen Sohne nicht die Zunge herausreissen wollen!« — Da stand sie ab von ihrem Vorhaben, dafür schlugen die Hexen insgesamt auf den Burschen los, bis ihn die Kräfte verliessen. Er hielt sich an den Strängen fest, so dass ihn die Pferde nach Hause schleiften. Nach Haus gekommen, war er vom überstandenen Schreck so gelähmt, dass er kein Wörtchen sprechen konnte. Indessen kam sein Herr sogleich auf den Gedanken, der Bursche müsse unter die Hexen geraten sein, nahm einen Besen zur Hand und schlug um ihn herum. Endlich, mit grosser Müh’ und Not gewann der Arme wieder die Sprache und erzählte dem Herrn, wie er unter die Hexen gekommen und wie arg sie ihm mitgespielt. Am nächsten Tag in der Früh verfügten sich beide zu den Nachbarn und erzählten ihnen die ganze Geschichte. Hierauf versammelten sich alle Männer, gingen zu seiner Mutter und Tante ins Haus, banden sie fest und verbrannten sie auf einem Scheiterhaufen. II. Es waren einmal zwei Freunde, die reisten als Kaufleute durch die Welt. Sie reisten lange, lange Zeit mitsammen, bis sie sich einmal trennten und einer von dem andern nichts mehr erfuhr. Der eine ging und ging und kam in einen Wald. Dort stand ein verdorrter Baum, wo der Teufel jeden Samstag die Hexen in Beichte zu nehmen pflegte (de je vrag copernice svake subote spovedaval). Der Mann wusste nichts davon, sondern stieg auf den Baum hinauf, um auf ihm zu übernachten, denn die Nacht war herangebrochen. Als sich der Kaufmann oben bequem gemacht, kam der Teufel unter den Baum und wartete auf die Hexen. Die Hexen kamen und der Teufel forschte sie über ihr Tun und Lassen aus. Die eine erzählte, dass sie vornehmlich Kühen die Milch entzogen, eine zweite gestand, dass sie Menschen das Herz herausgerissen, die eine erzählte dies, die andere jenes, jede etwas, nur eine, das war die jüngste, hielt sich für die verschlagenste und schwieg. Fragte sie der Teufel: »Na, was hast denn Du inzwischen getrieben?« Antwortete sie: »Ich habe es der Prinzessin angetan, dass sie zehn Jahre keinen Schritt wird machen können.« Fragte der Teufel, was es für Gegenmittel für diese Verzauberung gebe. Sie sprach: »Es müsste ein braver Jüngling zu Pferde kommen, der Jüngling müsste so lange auf dem Pferde reiten, bis es ganz von Gischt bedeckt wäre, dann solle er das Pferd mit einem weissen Mantel bedecken, so dass der Mantel von dem Gischt ganz nass würde und zuletzt die Prinzessin in diesen Mantel einhüllen.« Der Mann auf dem Baume hatte dies alles belauscht, und als es tagte, stieg er vom Baume herab. [45] Er reiste mit seiner Ware weiter durch die Welt, und es traf sich, dass er gerade in jenen Ort gelangte, wo die Prinzessin krank lag. Er fragte die Diener, ob sie etwas kaufen wollen. Sie darauf: »Was und wozu sollten wir was kaufen? Unsere Prinzessin ist ja krank.« Er: »Könnte ich nicht da helfen?« Sie ihm: »Ei, was könnten Sie helfen? Das ganze Haus wimmelt von Ärzten und die vermögen nicht zu helfen, da sollten Sie helfen?« Antwortete er: »Ich kann helfen.« Sie erwiderten: »Na, also helft, wir geben Ihnen, was Sie immer verlangen mögen!« Er bat, dass man ihm einen braven Jüngling zu Rosse zur Verfügung stelle. Diesen Wunsch erfüllten ihm die Leute. Er kurierte die Prinzessin und bekam sie zur Frau, denn sie wollte niemand anderen haben, als nur ihn. Und so wurde er glücklich und Herr des ganzen Königreiches. Einmal stand er am Fenster und erblickte seinen ehemaligen Genossen mit einer Warenkrücke des Weges kommen. Er liess ihn rufen und warf ihm einige Dukaten aus dem Fenster zu. Auch erzählte er ihm, auf welche Weise er in diese Stellung gelangt sei. Das liess sich der nicht umsonst gesagt sein, sondern begab sich gleichfalls auf jenen Baum, wo der andere gelauscht hatte. Als dem Teufel alle gebeichtet hatten, kam auch an die jüngste die Reihe und er machte ihr den Vorwurf: »Aha, das bist Du, die Du Dich berühmt hast, dass niemand der Prinzessin wird Heilung bringen können.« Sie kam gleich auf den Gedanken, dass sie von jemand belauscht worden sein mochte, schaute auf den Baum hinauf, gewahrte den Mann oben und machte ihn im Verein mit ihren Genossinnen zu Staub und Asche. (Arkiv za povj. jugosl. VII, S. 253 f. von Valjavec.) III. Es war einmal eine Hausfrau, die eine Hexe war und einen Diener bei sich in Diensten hatte. Die Hexe bestrich sich einmal mit ihrem Zauberfette und murmelte dabei: »Weder an Bäume, noch an Sträuche«. Der Diener belauschte sie, vernahm die Worte: »Weder an Bäume, noch an Sträuche« und begab sich nach ihrem Fortgehen in ihre Stube. Während er sich mit dem Fette einrieb, sprach er irrigerweise die Formel unrichtig: »An Bäume und an Sträuche«. Als er sich eingerieben, flog er hinaus, rannte an jeden Baum und jeden Stein an, so dass er ganz zerschlagen und zerschunden in der Hexenversammlung anlangte. Dort durfte das Wort »Gott« beileibe nicht ausgesprochen werden, er aber vergass daran beim Anblick des herrlichen Saales und rief entzückt aus: »O Gott, wie schön ist’s hier!« — Im Nu stoben die Hexen auseinander und liessen ihn allein zurück. Drei Tage lang blieb er dort, bis ihn irgend jemand aus seiner unfreiwilligen Haft befreite, und drei Jahre lang dauerte es, bis er wieder in seine Heimat zurückkam. [46] V. Hexenzauber. Verwandlungen. Wie erfährt man, ob ein Weib eine Hexe sei. Wodurch macht man Hexenzauber zu nichte. Im allgemeinen hält man die Hexen für schwarze, kraus- und weisshaarige, alte, arg zerlumpte Weiber. Ein schmuckes und stattliches Frauenzimmer sieht man selten für eine Hexe an, doch kommt auch dergleichen vor. Man stellt sich die Hexen als bösartige alte Weiber vor, die aus dieser Welt nicht scheiden können, sie hätten denn eher ihren Nebenmenschen recht viel Leids zugefügt. (Arkiv VII. 1863. S. 241.) Gewöhnlich glaubt man, dass ein Frauenzimmer, ehe sie zur Hexe wird, jahrelang als »Mora« (Trut oder Mar) junge Leute beschläft und ihnen das Blut abzapft. In jeder Hexe haust ein teuflischer Geist, der sie zur Nachtzeit verlässt, sich in eine Fliege, einen Schmetterling, eine Henne, einen Truthahn oder eine Krähe, am liebsten aber in eine Kröte verwandelt. [47] Will die Hexe jemand einen besonders schweren Schaden antun, so verwandelt sie sich in ein reissendes Tier, gewöhnlich in einen Wolf. (Pogled u Bosnu. Zgr. 1842. S. 44.) Ist der böse Geist aus der Hexe draussen, so liegt ihr Körper völlig wie leblos da und wenn einer die Lage der Hexe derart veränderte, dass der Kopf dort zu liegen käme, wo die Füsse liegen, und umgekehrt, so gelangte die Hexe nimmer zum Bewusstsein, sondern bliebe für ewig tot. Wenn man abends im Hause einen Schmetterling umherfliegen sieht, so hält man ihn für eine Hexe, sucht ihn wo möglich zu fangen, brennt ihn dann ein wenig an der Kerzenflamme oder am Lichte an und lässt ihn wieder frei mit den Worten: »Komm morgen zu mir, damit ich Dir Salz gebe!« Fügt es nun der Zufall, dass am nächsten Tage ein Weib aus der Nachbarschaft in dies Haus kommt und Salz oder sonst irgend etwas ausborgen will, und wenn sie noch zum Überfluss zufälligerweise am Körper irgendwo ein Brandmal hat, so ist man vollends der Überzeugung, dass sie die Hexe von gestern sei. Hexen können nach Belieben einem Menschen die Besinnung rauben und ihn auf einen beliebigen Ort schaffen. [48] Hexen können sich in eine Kröte verwandeln: Eine Mutter geriet in Streit mit zwei alten Weibern, die als Hexen berüchtigt waren. Sie schwuren dem Weibe Rache. Es starben ihr in der Tat alle Kinder, die bei ihr daheim waren, nur ein Mädchen von acht Jahren blieb am Leben. Aber auch dieses wäre nicht am Leben geblieben, hätte es sich nicht bei seinem Grossvater in einem anderen Dorfe aufgehalten. Einmal führte eine Hausgenossin der Mutter das Mädchen heim. Als sie über eine grosse Wiese hinschritten, sprangen vor sie zwei grosse Kröten. Jede dieser Kröten hatte bloss zwei Füsse. Die Kröten überschlugen sich dreimal kopfüber und verwandelten sich in Weiber, die der Hausgenossin und dem Mädchen wohl bekannt waren. Sie nahmen ihre Kopftücher ab und steckten sie zwischen die Füsse, als wären es Pferde. Wirklich verwandeln sich die Tüchel in Pferde, die Hexen ergreifen das Mädchen, fliegen mit ihm spurlos über Wiese und Wald fort und machen erst an einem Kreuzwege Halt, wo sie das Mädchen in Öl kochen liessen. Hier stand ein Nussbaum; unter diesem fand man des Mädchens Tüchel und eine Schussweite davon entfernt ihr kahles Gerippe. Ursprünglich war die Vorstellung, dass in der Kröte ein den Menschen wohlwollender Geist stecke, die vorherrschende. In den Sagen der indogermanischen Völker erscheinen häufig Prinzen, Prinzessinnen und selbst Gottheiten in der Gestalt einer Kröte oder eines Frosches. In Tirol wird es vom Volke als ein grosses Vergehen betrachtet, eine Kröte zu töten. [49] In Norwegen schreibt man einer Kröte die Macht zu, sich an dem zu rächen, der ihr Böses tut, indem sie sich ihm z. B. nachts auf die Brust legt (vrgl. Fel. Liebrecht. Zur Volkkunde. S. 333). Dass ehedem auch die Südslaven die Kröte als ein höheres und zugleich gutes Wesen betrachteten, dafür zeugt folgender Brauch. Wenn ein Weib in den Wehen liegt, so streicht sie ein Bekannter mit einem Stocke sachte über den Rücken. Mit diesem Stocke muss er aber einmal eine Kröte vor den Angriffen einer Viper gerettet haben. Man glaubt nämlich, dass ein solcher Stock sowohl bei einer Frau als bei einem weiblichen Tiere die Geburtwehen bedeutend erleichtere. [50] Zu vergleichen ist damit der schwedische Volkglaube in Wärend, über den G. O. Hyltén-Cavallius (»Wärend och Wirdarne« Stockh. 1868. I, S. 332) berichtet: »Scheidet jemand eine Schlange und einen Frosch, so dass beide leben bleiben, dann gewinnt er die Kraft, dass, wenn er eine in Kindnöten befindliche Frau umspannt, die rasch entbinden wird.« Der Glaube, dass der Gegenstand, mit dem man eine Kröte von der Schlange befreit, eine höhere Zauberkraft erlangt, steht nicht vereinzelt da. In einer Handschrift aus dem Ende des 16. oder dem Anfang des 17. Jahrhunderts, die Bartsch in d. Ztschrft. f. d. Myth. III, S. 318 ff. mitteilt, heisst es auf S. 322: »Wan du dartzu kömbst das eyne krötte vnd eyne schlange oder natter mytteynander streitten, so zyhe dein schwerdt aus vnd thue der krötte eynen beystand, vnd erschlage die natter, vnd dis schwertt behaltt alsdan. so du dan siehst das ein vnfride ist vnd sich mit bloszen schwerdtten eynander schlagen wöllen, so gehe hinzu vnd zeuch dein schwerdt auch aus, vnd gebeutt ihnen den friede, so balden werden vnd müssen sie friede halten.« (Weitere Nachweise bei Liebrecht a. a. O.) In der Gegenwart glaubt hie und da das Volk im slavischen Süden in der Kröte nur noch eine Hexe zu erblicken, die man, wo es nur angeht, töten müsse. Folgende Sage, die aus Slavonien stammt, mag diesen Volkglauben erläutern. So war einmal ein Weib, das Weib fuhr täglich über die Drau, um ihre Kuh, die auf dem anderen Ufer weidete, zu melken. Als sie einmal hinüberkam, sah sie eine grosse Kröte an dem Euter der Kuh saugen. Das Weib hielt gerade eine Ruderstange in der Hand, durchstach damit den vorderen Fuss der Kröte und warf sie hinaus. Auf der Rückfahrt, wo sie noch mit anderen Weibern fuhr und ruderte, sah sie, dass die Hand der Lenkerin am Steuerruder durchstochen ist; es war dies nämlich eine Hexe. Eine verwandte Sage aus Schweden teilt Hyltén-Cavallius a. a. O. I. 272 mit. Eine andere Sage aus Vidovec in Chrowotien hat gleichfalls die Verwandlung einer Hexe in eine Kröte zum Vorwurf: Es waren einmal zwei Brüder, der eine war arm, der andere reich. Der Reiche hatte eine Hexe zur Frau, die Frau des Armen war aber keine Hexe und eben deshalb blieb er arm. Einmal kam der arme Bruder zum reichen und sprach zu ihm: »Hör ’mal, lieber Bruder, komm, hilf mir mein Feld beackern.« Der Reiche willigte von Herzen gern ein, doch seiner Frau war es nicht recht und sie sagte zu ihm: »Du wirst schon sehen, wenn Du ackern wirst, so komm ich hintendrein und esse die ganze Aussaat auf, so dass der Lump gar nichts haben wird.« — Am nächsten Tage, nachdem die Brüder aufgeackert und die Saat ausgesäet, kam eine grosse, abscheuliche Kröte und fing an die Körner aufzuessen. Der Mann wusste schon von früher, sein Weib sei eine Hexe und war darüber sehr böse, jetzt aber war er ihrer satt, zog einen Zaunpfahl heraus, spitzte ihn zu und rannte ihn der Kröte durch den Leib. Inzwischen machte der andere Bruder ein grosses Feuer an, in das sie nun die Kröte hineinsteckten und so lange schmoren liessen, bis sie ganz durchgebraten war. Als der reiche Bruder nach Haus kam, fand er sein Weib in der Mitte des Zimmers liegen und schrecklich wehklagen, denn sie war ganz gebraten. Da warf er sie ins Feuer, und so verbrannte die elende Hexe vollends. Will eine Hexe irgend jemand einen Schaden zufügen, so fliegt sie in Gestalt einer schwarzen Krähe auf das Dach jenes Hauses, wo der wohnt, den sie hasst, und krächzt unaufhörlich. Erschiessen kann man sie nicht, ausser man lädt das Gewehr mit geweihtem Pulver und solchen Nägeln, die wegfallen, wann der Schmied einem Füllen zum erstenmal Hufeisen aufnagelt. — Es traf sich einmal, dass ein Schmied im Hofe Pferde beschlug und sich eine Krähe aufs Dach niederliess und abscheulich zu krächzen anfing. Der Schmied suchte sie zu verscheuchen, doch sie wollte nicht fortfliegen, vielmehr machte sie Miene, ihn anzugreifen. Da nimmt er sein Gewehr, lädt es und schiesst auf sie, doch konnte er ihr nichts anhaben. Nun ward es ihm klar, das sei ein Vöglein ganz anderer Art. Rasch entschlossen, lud er das Gewehr mit geweihtem Pulver und mit den besagten Nägeln, legte los und die Krähe fiel auf der Stelle vom Dache herab. Er hatte sie nicht vollständig getötet, denn sie marterte sich noch zwei Tage lang, eh’ sie verreckte. Im selben Augenblicke, als sie hin wurde, starb im Dorfe eine alte Hexe, der sich der Schmied dadurch verfeindet, weil er ihr einmal auf ihr Bitten keine saure Milch geben wollte. Nun war ihm die ganze Geschichte klar und er wusste, dass er ihr in ihrer Krähengestalt den Garaus gemacht. Wenn ein junger Mann eines plötzlichen Todes stirbt, oder ein allgemeines Sterben der kleinen Kinder von 1–6 Jahren eintritt, so macht der Volkglaube die Hexen dafür verantwortlich. Die Montenegrer glauben, dass ein Weib, das zur kinderfressenden Hexe werden will, vor allem ihr eigenes Kind auffressen muss, ehe sie andern Kindern etwas anhaben kann. [51] Ferner glaubt man, dass eine Hexe das Kind völlig fremder Leute nicht fressen darf, sondern bloss solche Kinder, die der Sippe, aus der sie selbst ist, abstammen. [52] Wenn eine Hexe einen schlafenden Menschen wo überfällt, so versetzt sie ihm mit ihrem Zauberrütlein einen Streich über die linke Brustwarze, worauf sich dessen Brustkorb öffnet. Die Hexe reisst nun sein Herz heraus, frisst es auf und dann wächst die Brustwunde von selbst wieder zu. Manche so ausgeweidete Menschen sterben auf der Stelle, andere wieder schleppen ihr Dasein noch einige Zeit weiter, so viel Lebenfrist ihnen eben die Hexe nach der Tat noch zu bescheiden für gut befunden; ja, sie bestimmt ihnen noch die besondere Todart, wie sie sterben sollen. [53] Wenn es dem Ausgeweideten glückt, seines Herzens wieder habhaft zu werden, so braucht er es nur aufzuessen und das Herz kehrt ihm wieder an die alte Stelle zurück. Grimm (D. M. S. 1034 ff.) glaubt darin einen alten Überrest des Brauches, Menschenfleisch zu essen, erblicken zu sollen. Er stützt seine Ansicht durch eine ganze Reihe von Belegen aus alter und neuer Zeit über diesen Brauch und den Glauben, dass man durch den Genuss von Menschenfleisch eine höhere Macht erlange. Der Vergleich, den Grimm zwischen der deutschen Bertha (vor allem ist es noch zweifelhaft, ob dies eine deutsche Gottheit gewesen) und der Hexe, die Menschen ihr Herz ausreisst, aufstellt, scheint mir auf einer blossen Zufälligkeit zu beruhen. Abbate Fortis erzählt in seinem Reisewerke über das dalmatische Küstenland (Kap. 8) eine einschlägige Sage. Grimm teilt sie im Auszuge (D. M. S. 1034) gleichfalls mit. Die Sage bei Fortis berichtet dasselbe, was wir aus der weiter unten folgenden Istrischen erfahren. Bei Fortis ist es ein Priester, der dem Ausgeweideten sein Herz rettet, indem er ihn das halbgebratene Herz verschlucken lässt. Die Hexen entkommen der verdienten Strafe, während sie in der istrischen Fassung angeklagt und zum Strang verurteilt werden. Letztere Überlieferung lautet: Es war einmal ein Mann und ein Weib. Nach einiger Zeit starb der Mann. Sein Weib blieb nach ihm schwanger. Sie war aber eine Hexe (vešća). Und sie brachte ein allerliebstes Töchterlein zur Welt, doch auch die Tochter war eine Hexe. Als das Mädchen herangewachsen war, kamen aus aller Herren Länder Burschen zu ihr auf die Freite. Doch sie wandte ihre Gunst, oder tat wenigstens so, einem Burschen zu, der aus demselben Orte, wie sie, war. Eines abends kam der Bursche noch mit einem Freunde zu ihr auf Besuch. [54] Nachdem sie schon lange Zeit dagesessen, schlief der Freier ein. Sein Freund lehnte sich an die Wand und tat so, als ob auch er schliefe. Da fingen das Mädchen und ihre Mutter, denn diese sass auch da, untereinander zu besprechen an, was sie dem Freier antun sollen. Schliesslich sagte die Tochter: »Wir reissen ihm das Herz heraus, braten es und verspeisen es.« Gesagt, getan. Sie nehmen dem Freier das Herz heraus, schieben es in den Ofen hinein und sagen: »Holen wir uns inzwischen, bis das Herz gebraten wird, Brod und Wein, und dann haben wir ein schönes zweites Nachtmahl.« Bevor sie hinausgingen, sagte noch die Mutter zur Tochter: »Nun, wenn der sein Herz in drei Bissen wieder aufässe, das Herz wüchse ihm wieder nach.« Der Freund, der nur so tat, als schliefe er, hatte die ganze Unterredung mit angehört, und nahm, sobald die zwei Frauen hinausgegangen waren, das Herz aus dem Ofen und steckte es in die Tasche. Dann ging er hinaus, nahm einen — ich bitt um Entschuldigung — Dreck und legte ihn ins Feuer, damit er statt des Herzens brate. Die Zwei kommen zurück, nehmen das Ding vom Feuer und fangen zu essen an. »Mir will es aber stark scheinen«, sagte die Mutter zur Tochter, »als ässen wir Dreck.« »Scheint mir auch so; dieses Herz ist gar nichts nutz.« Jetzt erwachten die zwei Burschen und gingen heim. Als sie sich vor dem Hause befanden, sagte der Freier zu seinem Freunde: »Du hör mal, mir scheint es, als wär ich ohne Herz. Ich hör gar nichts, als ob etwas da drinnen pochen tät. Halt mich, ich fall um.« Da nahm der andere ein Stück vom Herzen des Freiers aus der Tasche, reichte ihm’s und sagte: »Geh, iss davon ein bisschen, vielleicht fühlst dich drauf etwas leichter.« Der nimmt’s, isst’s auf und antwortet: »Na, jetzt wird mir schon etwas leichter; ich hör schon ein wenig mein Herz pumpern.« »Da nimm noch ein Stück, vielleicht fühlst du dich drauf noch etwas leichter.« Der isst auch das zweite Stück hinunter und meint: »Jetzt ist’s mir noch besser.« Der Freund gibt ihm drauf das dritte und letzte Stück. Nachdem er es aufgegessen, sagte er: »Na, jetzt fühl ich, dass ich mein Herz ganz habe und dass es wieder wie früher regelmässig schlägt.« Nun erzählte ihm der Freund haarklein, was er belauscht, wie die zwei Weiber das Herz herausgerissen, in den Ofen gesteckt und darauf gesagt hätten, wenn er das Herz auf dreimal aufässe, es tät ihm wieder nachwachsen und werden, wie es früher gewesen. Am darauffolgenden Tag begaben sie sich zu Gericht und machten davon die Anzeige. Als das Gericht die zwei Weiber vorgeladen und ins Kreuzverhör genommen, da läugneten sie zuerst Stein und Bein alles ab, nachher aber bekannten sie doch ihre Untat. Und das Gericht liess Beide aufknüpfen. Denselben Glauben, dass Hexenspeise — wobei man wohl an Menschenherzen zu denken hat — einem Ausgeweideten, wenn er davon etwas zu sich nimmt, sein Herz wieder zurückgibt, erkennt man aus folgender chrowotischen Sage: Einem Pferdehirten hatten Hexen das Herz ausgetrunken (ispile), worauf er von Sinnen kam. Er riss sich das Gewand vom Leibe und die Haare aus dem Kopfe. Zu seinem Glücke war er der Eidam eines zauberkundigen Weibes (zet babe vračare). Sie schickte ihm Hexenspeichel (coprnjske zbljuvke), den man am Sonntag im Neumond im Morgengrauen irgendwo im Walde oder an Zäunen finden kann, wo eben in dieser Nacht ein Hexenmahl stattgefunden. Die Alte hatte nun zuvor dies Mittel mit Weihwasser besprengt und ihre Gebete darüber gesprochen. Er trank dies in Wasser und genas vollends. Seit dieser Zeit musste er stets Rautekraut mit sich tragen, damit ihm die Hexen nichts anhaben können. Die Raute tritt hier an Stelle des Knoblauchs ein. Auch sie, besonders die Bergraute, [55] hat einen scharfen, durchdringenden Geruch, der sie wohl als geeignetes Abwehrmittel gegen Hexenzauber erscheinen lässt. Merkwürdigerweise macht die Sage die nächsten Anverwandten eines Menschen zu seinen gefährlichsten Feinden, zu Hexen, die ihm das Herz aus dem Leib reissen. Die Untat wird dargestellt, als wäre sie unter dem unwiderstehlichen Zwang einer höheren Macht verübt worden. Bei Tag fühlt die Hexe, zufolge einer Überlieferung gewissermassen Reue über das Geschehene, ja sie kann sich ihres Verbrechens gar nicht entsinnen, sondern fragt, was vorgefallen, und ist bereit, dagegen Heilmittel in Anwendung zu bringen. Ich nehme Bezug auf das Volklied, das von einer Mutter erzählt, die ihren eigenen Sohn ausgeweidet. Die kürzeste und unvollständigste Fassung lautet: Auf dem Himmel lauter Sternlein, Lauter Schäflein in dem Tale. Bei den Schäflein wacht kein Hirte, Nur das traute Kind Miloje, Sanft und süss entschlief Miloje. Mara ruft ihn, seine Schwester: »Wache auf, o Milko, Bruder!« »Mara, Schwester, ich vermag’s nicht, Bin von Hexen ausgeweidet, Aus dem Leibe riss das Herz mir Uns’re Mutter mit den Zähnen, Uns’re Muhme leuchtete ihr.« Den Originaltext dieses Liedchens sang mir mein Freund J. K. aus Slavonien. Der Mann hatte das Gymnasium zurückgelegt, besuchte eine Hochschule und hielt aber trotzdem unerschütterlich daran fest, dass das Lied eine Tatsache berichte. Auffallend ist mir in dieser Fassung des Liedes, dass die Hexe »mit den Zähnen« das Herz ihrem Opfer herausreisst. Hier dürfte ein Zug aus dem Vampirglauben vorliegen. In der serbischen Fassung (bei Karadžić, nar. pjesme I. 237), die mit der vorangehenden übereinstimmt, spricht der erwachende Bruder (Radoje wird er hier genannt) einfach: »majka mi srce vadila, strina joj lučem svetila« »Die Mutter nahm mir das Herz heraus, die Muhme leuchtete ihr dazu mit der Fackel.« Dem Liede fehlt in beiden Fassungen der Schluss, er wird uns mehrfach erzählt, z. B. bei F. Kurelac (Jačke ili narodne pěsme prostoga i neprostoga puka hrvatskoga po župah šoprunskoj, mošonjskoj i želěznoj na Ugrih. Zagreb. 1871. S. 296, St. 657), der das Lied um das Jahr 1850 in Sentalek (Stegersbach) aufgezeichnet hat. — »Sinko Janko: kadî s konje pasal? — Mila majko, za lugom zelenim. — Sinko Janko, jesi l koga vidil? — Mila majko, jes tri bîle žene. — Sinko Janko, ča su ti činile? — Prva mi je srdačce vadila, Druga mi je tanjirac držala, Treta mi je na kraju plakala. — Jesi li mi, sinko, kû poznaval? — Prva si ti moja majka, bila, Druga mi je moja teta bila, Treta e bila premila sestrica. — Sinko Janko, ča im ti naručaš? — Mojoj majki tri prežarke ognje: Da bi va njih živa izgorila; Mojoj teti njoj tri konjske repe: Da bi me se na njih raztrzala; Sestri miloj njoj tri bele grade: Da bi mi se po njih sprehajala.« — Söhnchen Janko (Johannes), wo hast Du die Pferde geweidet? — Lieb Mütterchen, hinter dem grünen Hain. — Söhnchen Janko, hast Du jemand gesehen? — Lieb Mütterchen, ich habe drei weisse Frauen (scl. gesehen). — Söhnchen Janko, was haben sie Dir angetan? — Die erste hat mir das Herzchen herausgenommen, Die zweite mir das Tellerchen gehalten, Die dritte (stand) abseits und weinte. — Hast Du mir, Söhnchen, welche (von ihnen) erkannt? — Die erste bist Du, Mütterchen, gewesen, Die zweite ist meine Muhme gewesen, Die dritte ist meine über alles mir teuere Schwester gewesen. — Söhnchen Janko, was wünschst Du ihnen? — Meinem Mütterchen drei glühend heisse Feuer, Damit sie lebendig darin verbrenne; Meiner Muhme drei Pferdeschweife, Damit sie auf ihnen zerrissen werde; Der teueren Schwester, ihr drei weisse Burgen, Damit sie in ihnen lustwandeln kann.« Ich vermute, dass dieses Lied aus Anlass eines Hexenprozesses in Krain aufgekommen ist. Dort hat man, wie in Chrowotien, bis tief ins XVIII. Jahrhundert hinein Hexen zum Scheiterhaufen geführt. Von dort aus verbreiteten sich solche Prozesse weiter nach dem slavischen Süden. Nur die Bulgaren scheinen von dieser Plage verschont geblieben zu sein. Der ungenannte Verfasser des Schriftchens »Pogled u Bosnu ili kratak put u onu krajinu« (Agram 1842) erzählt, wie er sich im Jänner 1840 in dunkler Nacht in ein türkisches Dörfchen bei Zvornik verirrt habe, in ein türkisches Gehöfte eingetreten sei und von dem Eigentümer beinahe erschossen worden wäre, weil ihn dieser für eine Hexe hielt, die sein, des Türken, Kind auszufressen gekommen. Bruder und Schwägerin des Türken retteten noch rechtzeitig den gefährdeten Reisenden. Als sich der Irrtum herausgestellt, lud der Türke den Wanderer zum Nachtessen ein und erzählte ihm den Grund seiner Verbitterung: »Siehst du Brüderchen! Dies Haus gehört mir, das nächste meinem Bruder. Ich habe zwei Kinder — Gott soll mir sie leben lassen — Milica und Živan, mein Weib aber ist gestorben, gerade jetzt wird’s ein Monat. Da in der Nachbarschaft lebt ein Mensch, mit dem ich mich schon seit langem verfeindet habe. Er hat eine Mutter, die ist eine alte Hexe, die hat mir gedroht, dass sie mir mein ganzes Gesinde ausfressen wird (da će svu moju čeljad izjesti).« Diesen Abend sass er bei seinem Bruder und trank Raki, um seinen Kummer zu übertäuben. Als er heimkehrte, hörte er jemand Fremden im Hause herumpoltern und die Kinder ängstlich schreien. Da war er fest überzeugt, die alte Hexe wäre gekommen, um ihre Drohung auszuführen, und wollte sie dafür bestrafen. Ein Bannspruch gegen menschenfressende Hexen: Ein altes Weib, Namens Dona aus Selačka in Serbien, pflegt auf folgende Weise Leute vom Hexenzauber zu heilen. Sie nimmt einen Federwisch und einen roten Faden in die Hand, berührt damit Kopf, Hände, die Herzgegend und die Füsse des Leidenden und spricht dazu: »Heb’ dich von dannen, o weh (?), ihr Hexen, Vile und Winde; ihr seid gekommen, damit ihr N. Herz und Kopf ausfresset; doch bei ihm weilt Dona die Beschwörerin, die euch schickt ins Gebirge, damit ihr (alles) Laub abzählt, ins Meer, damit ihr den Sand ausmisst, in die Welt, dass ihr (alle) Wege abzählt. Auch wenn ihr zurückkommt (scil. nachdem diese Aufgaben gelöst wären), könnt ihr ihm gar nichts anhaben. Dona, die Beschwörerin, hat mit ihrem Hauch (Seele) weggehaucht, mit der Hand wegbewegt und mit Gras auseinandergeschoben. Auf N. Leben und Gesundheit.« Diese Worte spricht sie dreimal nacheinander. Der Text lautet »ustaj, avaj, veštice, vile i vetrovi, došli ste da N. — u pojedete srce i glavu; ali je kod njega Dona bajalica, koja vas šilje u goru, list da prebrojite, u more, pesak da izmerite, u svet, putove da prebrojite. I kad se vratite, ne možete mu ništa učiniti. Dona bajalica je dušom oduvala, rukom odmahala i travom rasturila. [56] Für die Echtheit der Bannformel spricht die verwandte aus Grbalj, die Vuk im Riečnik S. 367 b. gegen die Mora (die Mar) mitteilt. Die sachliche Erklärung besonders der letzteren Formel bietet mancherlei Schwierigkeiten dar. Ich will nur die Stelle daraus anführen, in der die Aufgaben aufgezählt sind, die von der Mar und den bösen Geistern überhaupt zuvor bewältigt werden sollen, ehe sie die Schwelle des Hauses betreten mögen: »Nicht eher, als bist du abgezählt am Himmel die Sterne, im Gebirge das Laub, am Meere den Sand, an der Hündin die Haare, an der Ziege die Haarzotteln, an dem Schafe die Wollzotteln und in den Zotteln die Haare.« Beachtenswert ist die Wendung am Schlusse der Donaischen Formel, wo der Hauch, die Handbewegung und das Gras (trava) als Abwehrmittel betont werden. Weint nachts ein kleines Kind, so glaubt man, dass es Hexen essen, und man sucht auf den Feldern ein Kraut, das man vještički izjed [57] (Hexenausfrass) nennt, streut dies Kraut in die Wiege, auch wird es abgekocht und der Absud dem Kinde zu trinken verabreicht. Oder man reibt mit Knoblauch die Wiege und die Fussohlen des Kindes ein, weil dies ein bewährtes Mittel gegen die Hexen sein soll. [58] In Serbien legt die Mutter in das Amulet, das sie ihrem Kinde um den Hals hängt, ein Häuptchen Knoblauch. Dieser Knoblauch wird aber auf folgende Weise gezogen. Die erste Schlange, die man im Jahre erblickt, muss man töten, ihren Kopf vom Leibe lostrennen und kleinstossen. In diese Stücke tut man das Zechel von einem Häuptchen Knoblauch und pflanzt das ganze im Garten ein. Das Häuptchen, das daraus entsteht, kommt ins Amulet. Viele Bauern pflegen sich zu Weihnachten und im Fasching die Brust, die Fussohlen und die Achselgegend mit Knoblauch einzureiben. In Slavonien trägt der Bauer, natürlich die Bäuerin auch, immer ein Stück Knoblauch als Amulet mit sich, um gegen alle Anfechtungen von Hexen gefeit zu sein. In einem slavonischen Reigenliedchen flucht die rechtmässige Frau der Beischläferin ihres Mannes; in ihren Augen ist sie eine menschenfressende Vila, der vor Knoblauch übel wird und die sich durch Genuss von altem Unschlitt den Tod zuziehen soll: Oj inočo vilo, Ne jedi mi tilo! Već ti jedi staro salo, Ne bi l tebe već ne stalo, Pa ti jedi bila luka, Nek je tebi veća muka. »O Du Nebenweib, Du Vila, iss mir meinen Leib nicht ab! Sondern iss altes Unschlitt, vielleicht verschwindest Du doch endlich einmal; ferner iss Knoblauch, damit Deine Qual grösser sei!« In einem anderen Liedchen sagt ein Mädchen: Gdi bi meni nahudile vile, Kad ja nosim u nedarah čine, Slipa miša i od guje repa, Bila beza i debela veza. »Wie könnten mir die Vilen Schlimmes antun, da ich im Busen Amulete trage, eine Fledermaus und den Schweif einer Natter, weisse Leinwand und dicke Stickerei.« Die Stickerei, die verschiedene Figuren und Zeichen darstellt, befremdet hier durchaus nicht. Ein Märchen aus Krasica im chrowotischen Küstenlande [59] schildert das Treiben einer menschenhinwürgenden Hexe wie folgt: »Es war einmal ein Graf, der hatte eine einzige Tochter. Diese Tochter war ein sehr übermütiges und verwöhntes Kind. Als sie herangewachsen, schickte man sie in die Schule. Die Lehrerin, zu der man sie in die Schule schickte, war eine Hexe, von der die Kinder blutwenig lernten. Sie pflegte kaum in die Schulstube zu kommen, um die Kinder zu ermahnen, dann ging sie wieder hinaus und kam erst zurück, wenn es Zeit war, die Kinder zu entlassen. Wenn die Hexe zufällig draussen eines ihrer Schulkinder erblickte, so schlug und prügelte sie es wie ein stummes Tier. Als nun des Grafen Töchterlein zum erstenmale die Schule besuchte, die Lehrerin aber sich gar nicht blicken liess, so ging das Mädchen hinaus, um doch zu sehen, wo die Lehrerin bleibe. Sie kommt hinaus, schaut in die Luft und da gewahrt sie ihre Lehrerin oben, wie sie eben Kinder abwürgt. Wie das Mägdlein aber von der Lehrerin erblickt wurde, so drohte ihr diese von oben herab. Als die Schule aus war, kehrte das Mädchen heim und fand den sämtlichen Viehstand zu Hause verendet. Als sie am nächsten Tage aus der Schule nach Hause kam, da fand sie die Diener und die Dienerinnen tot. Am dritten Tage waren Vater und Mutter tot und das ganze Haus nur mehr ein Trümmerhaufen. Dies alles hatte die Lehrerin-Hexe verbrochen.« — Im weiteren Verlauf des Märchens spielt die Hexe die bekannte Rolle der bösen Schwiegermutter, die die Kinder ihres Sohnes und der ihr missliebigen Schnur immer mit jungen Hunden und Katzen vertauscht und so bewirkt, dass der Sohn seine Frau einmauern lässt. Schliesslich stellt sich aber durch Gottes Wunder der wahre Sachverhalt heraus und die Anstifterin alles Unheils erleidet das Schlimmste. In unserem Märchen wird sie gleichfalls eingemauert. [60] Um die Hexen herauszufinden, damit man sie die verdiente Strafe wegen der angeblichen Kinderhinmordung erleiden lassen könne, befolgte man und befolgt noch heutigen Tags in Montenegro und im Herzogtum soweit es vor den Behörden verborgen bleiben kann, folgenden Brauch: Alle waffenfähigen Männer eines Dorfes versammeln sich und der Dorfälteste hebt beiläufig so an: »Ihr seht Brüder, dass unser Stamm ausgewurzelt wird von Hexen und Zauberinnen, Gott möge sie richten. Morgen in der Frühe soll jeder von euch sein Weib und seine Mutter, so wie ich es auch selbst tun werde, zur Zisterne (oder zum Fluss oder zum See) hinbringen, damit wir sie ins Wasser werfen und so in Erfahrung bringen, welche die Hexen sind, dann wollen wir die Schuldigen steinigen, oder sie müssen uns zum mindesten hoch und teuer schwören, dass sie in Zukunft kein Unheil mehr anstiften werden. Wollt ihr so, Brüder?« Einstimmig rufen alle: »Ja, so wollen wir, wie denn nicht?« Am nächsten Tage führt jeder Mann sein Weib daher, befestigt einen Strick unter den Armen um ihren Leib und wirft sie so angekleidet, wie sie vom Haus kam, ins Wasser hinein. Die Weiber, die augenblicklich untersinken, zieht man rasch mit dem Seil ans Trockene, denn ihre Unschuld ist durch das Untersinken erwiesen, hingegen ist der gegenteilige Beweis hergestellt, wenn eine auf der Oberfläche ein Weilchen herumzappelt und nicht untergehen mag. [61] V. Vrčević berichtet, er habe in seiner Kindheit erzählen gehört, dass die Krivošijaner (in der Gegend von Cattaro) auf diese Weise ihre Frauen einmal einem solche Ordale unterworfen haben. Demselben erzählte ein Mann namens Lukas Pištelja aus Trebinje im Herzogtume, dass die christlichen Einwohner dieses Ortes im Jahre 1857 von den Türken gezwungen wurden, auf freiem Felde in die an der Stadt vorbeifliessende Trebišnjica ihre eigenen Frauen hineinzuwerfen. Unter denen, die untergingen, befanden sich zufälligerweise auch die Mutter und die noch lebende (es war im Jahre 1874 als dies Vrčević schrieb) Frau Pišteljas. Sieben Weiber gingen aber nicht unter, und zwar, weil sie zuviel Kleider anhatten und das Wasser unter die Kleider gedrungen war, da die Armen perpendikular ins Wasser fielen. Die Türken wollten durchaus, dass alle sieben Weiber den Steinigungtod erleiden sollten. [62] Nur mit schwerer Mühe und Not liessen sie sich von den hart bedrängten Christen dazu bewegen, dass sie von der augenblicklichen Strafe Absicht nahmen, indem sie sich damit zufrieden gaben, dass die Beinzichtigten im Kloster Duži einen heiligen Eid ablegen mussten, in Zukunft nimmermehr Kinder aufzufressen. [63] Eines anderen Falles gedenkt Medaković. Ein Weib aus Bjelice in Montenegro wurde ins Wasser gestossen, weil sie im Verdachte stand, eine Hexe zu sein, doch sie ging nicht unter. Ob man sie deshalb gesteinigt und was überhaupt mit ihr darauf geschehen, verschweigt unser Gewährmann. Eine Witwe aus Rajčević wurde gleichfalls der Hexerei beschuldigt und man wollte sie durchaus dem Ordale unterziehen. Darüber entspann sich zwischen den Leuten ein Streit, der in einen bitteren Kampf ausartete, in dem vier Menschen auf der Stelle ihren Tod fanden. Viel harmloser ist eine andere, im ganzen Süden bekannte Art und Weise, nach der man die Hexen eines Ortes kennen zu lernen sucht. Man kann sie alle bei der Mitternachtmesse in der Christnacht sehen. Zu diesem Behufe arbeitet man vom Tage der hl. Lucia oder hl. Barbara an bis zur Fastenzeit vor Weihnachten [64] an einem Schemel, und zwar so, dass man jeden Tag einmal mit dem Beil in das Holz schlägt, aus welchem der Schemel verfertigt wird. Mit diesem Schemel begibt man sich in der Christnacht [65] in die Kirche und stellt sich darauf in dem Augenblicke, wann der Priester den letzten Segen spricht. Da kehren die in der Kirche anwesenden Hexen dem Altar den Hintern zu und schauen zur Türe hin. Der Mann auf dem Schemel muss nun sofort, wie der Priester das Kreuz schlägt, nach Hause eilen und sich ins Bett legen. Die Hexen verfolgen ihn bis ins Haus hinein und er vermag sich nur dadurch vor ihrer Rache zu schützen, dass er den Schemel unter das Bett stellt. Die Hexen sind wohl jetzt machtlos, doch schärfen sie dem Manne ein, reinen Mund zu halten über das, was er gesehen, sonst werden sie an ihm Rache nehmen. (Über den deutschen Glauben vrgl. Grimm D. M. 1033.) Ein Kürschnergeselle verfertigte auf die angegebene Weise einen Schemel und beobachtete in der Kirche das Treiben der Hexen. Zu des Burschen Unglück las der Priester hastig die Schlussgebete ab und der Bursche konnte nur mit schwerer Müh’ und Not den Hexen entrinnen. Sie holten ihn auf der Hausschwelle ein. Er flüchtete in die Küche und warf sich schnell in den Brotofen hinein. Von dort zogen ihn die Hausleute heraus und schafften ihn, der schon ganz leichenblass aussah, in die Stube hinein. Er aber eilte zur Türe, warf sich auf die Erde und rang die ganze Nacht hindurch mit einem unsichtbaren Jemand. Da kam ein altes Weib aus der Nachbarschaft, beräucherte den Burschen, und man sagt, es sei ihm darauf leichter geworden. Auf die Dauer half dies aber doch nichts, bis sich endlich ein Weib seiner erbarmte und ihm den Rat erteilte, er soll einer lebendigen Henne den Leib aufschneiden und das Herz, solange es noch warm ist, roh aufessen. Dies tat er und genas vollständig. Bis dahin hatte er das Reden fast verlernt gehabt und, es kam häufig vor, dass er nachts bei geschlossenen Türen und Fenstern plötzlich verschwand. Wahrscheinlich ritten da auf ihm Hexen herum. Das Herzessen, wie es sich hier im Volkglauben erhalten hat, verrät eine Auffassung der Dinge, wie sie nur einer alten Heidenzeit zugeschrieben werden kann. Mit der steigenden Gesittung, als man sich daran gewöhnt hatte, zubereitetes Fleisch zu essen, erhielt sich der alte Brauch, nun ungewöhnlich geworden, nur noch bei Opfern. Als man sie durch das Christentum auszumerzen begann, bezog der Volkglaube den alten Brauch auf andere Dinge und leitete aus dem Genuss roher Herzen eine besondere Kraft ab, die dem Betreffenden einmal zum Segen, wie z. B. in dieser Sage, oder zum Unheil, wie den Hexen, die Kinder ausweiden, ausschlagen kann. Will man Hexenbesuch haben, so muss man jeden Morgen mit dem linken Fusse beim Erwachen aus dem Bett steigen und den linken Fuss vor dem rechten ankleiden. Legt man einen Besen über die Schwelle, so kann keine Hexe darüberschreiten. Ebenso kann man ihr auf offener Strasse den Weg versperren, wenn man zwei Besen kreuzweis auf den Weg legt. Wer sonst einer Hexe aufpassen will, muss am Charsamstag abends seiner Kuh zwischen den Hörnern ein wenig Haare ausschneiden und am Palmsonntag mit den Haaren in der Tasche in die Kirche gehen. Während nun der Priester den letzten Segen spricht, nehme man ein wenig von den Haaren zwischen die Finger, bekreuzige sich so und vergrabe die Haare, sobald man wieder nach Hause kommt, unter die Schwelle der Stalltüre, durch welche die Kuh durchgehen muss. Die Hexe bleibt aber an einer solchen Schwelle wie festgewurzelt stehen. Man kann sie nun leicht erwischen und mit ihr tun, was man will. In der Folge wird sich sowohl die betretene als überhaupt jede Hexe wohlweislich hüten, diesen Grund und Boden je wieder heimzusuchen. Wann eine Hexe gestorben ist und zu Grabe getragen wird, pflegt es jedesmal zu donnern und zu hageln, wie man glaubt deshalb, weil sie bei Lebzeiten Donner und Hagel heraufzubeschwören vermocht hat. Eine Hexe darf man weder an einem geweihten Orte, noch in einem Garten, oder auf der Strasse, oder am Wegrain, oder in einem Graben am Wege vergraben, denn andere Hexen würden sie wieder herausscharren und beleben. Darum muss man eine Hexe im Walde unter irgend einem sehr alten, schattigen Baume vergraben, und Gott behüte, ja nicht unter einem jungen; denn ein junger Baum breitet nicht hinreichenden Schatten über die Hexe aus, der Schatten aber, den die Erde wirft, mit der das Grab zugedeckt wird, reicht allein nicht aus. Dieser Schatten ist der Hexe auch nicht im geringsten zuträglich. Die Seele der Hexe ist ein Baumgeist, der seinen alterschwachen Wohnort verliess, um als Hexe weiterzuleben. Stirbt die Hexe, so begräbt man sie unter einem alte Baume, damit der böse Geist an seinem Ursprungort verbleiben soll. Wenn ich den Volkglauben richtig erfasse, so ist der ursprüngliche Grund, weshalb man eine Hexe unter einen jungen Baum nicht vergraben will, nicht der unzulängliche Schatten, sondern weil man glauben mochte, dass der in dem jungen Stamme hausende Geist durch die Hexe vertrieben würde, weshalb der Baum dann absterben müsse, oder dass die Hexe als ein Krankheitgeist in den jungen Baum fahren und ihn so zum Verdorren bringen würde. Im übrigen spricht man den Hexen ein ungewöhnlich langes Leben zu. Irgendwo auf einem steilen Felsen im Hochgebirge quillt ein »lebendiges Wasser« hervor, erzählte mir jener Bauer aus Kamensko, an welchem sich die Hexen immer verjüngen. Das Wasser des Lebens spielt in den Sagen aller Völker eine grosse Rolle. Um die Hexen zu bannen, pflegen die Bäuerinnen am letzten Faschingsonntag die Kesselketten verkehrt aufzuhängen, andere legen ein Kuhhorn in die Kohlenglut, weil Hexen diesen Geruch nicht vertragen. Man kann eine Hexe auch dadurch vertreiben, dass man sie verflucht. Die Hexe verliert nämlich im selben Augenblicke all’ ihre Macht, denn der Mensch trägt das Kreuz der katholischen Kirche, die Hexen aber das Kreuz des Teufels. Es genügt, dass der Mensch ihr zuruft: »Gemeines Weib, warum trägst du das Kreuz des Teufels? Du bist ja doch von aller Welt gemieden (verlassen) und kein Mensch mag dich leiden!« (hmana žena, zakaj nosiš križ vraži, ipak si od sega sveta ostavlena ter te ne mre nijeden človek trpeti!) (Aus Warasdin.) Man ersieht aus diesem Glauben deutlich, wie die alten Anschauungen die von der neuen Lehre nicht ausgerottet werden konnten, als eine Nachäfferei des wahrhaft Göttlichen hingestellt sind. Den Hexen und dem Teufel schreibt man die Gebräuche und Abzeichen der Gotteskirche zu, doch in karikierter Gestalt; was sie tun, tun sie verkehrt, zum Spott und Hohn der lichten Gottheit. So wird z. B. in dem berüchtigten malleus maleficarum mehrmals des Eidschwurs Erwähnung getan, den die Hexen bei ihrer Aufnahme in den Bund dem Teufel zu leisten haben. [66] Wenn man die Unterhosen umwendet und sie so anzieht, ist man gegen jeden Hexenzauber gefeit. Das südslavische Bauernhaus hat keinen Anstandort und die Leute sind genötigt, auf dem Düngerhaufen oder sonst wo auf einem Platze, wohin man den Kehricht wirft, ihre Notdurft zu verrichten. Solche Orte sind aber nach dem Volkglauben Tummelplätze der Hexen; darum hält man ein Stück Brot in dem Mund, während man auf einem solchen Orte weilt; dadurch wird die Macht der Hexen gebrochen. [67] Der Mensch kann sich vor einer Hexe nur dann mit Erfolg verteidigen, wenn er sich mit einem geweihten Stock wehrt. Etwas anhaben kann er ihr aber auch nur in dem Falle, wenn er sie auf den Kopf oder den Hintern mit dem Stocke trifft; denn im Kopfe der Hexe sitzt ihr Hass gegen alles, was geweiht ist, mit dem Hintern dagegen verhöhnt sie alles, was heilig ist Wird eine Hexe so ertappt, dass sie nicht mehr entfliehen kann, so verwandelt sie sich flugs in ein Stück Holz oder einen Stein, je nachdem an dem Orte mehr Holz oder Steine liegen, so dass der Gegner irregeführt wird. Gelänge es aber einem, den Gegenstand ausfindig zu machen, in den sich die Hexe verwandelt hat, so kann er ihr leicht den Garaus machen, wenn er nur herausbekommt, auf welcher Seite ihr Kopf liegt. Trifft man die Hexe nicht gerade auf den Kopf, so mag man drei Tage lang auf den Gegenstand losschlagen und man wird der Hexe dennoch nicht das Geringste anhaben. Versetzt man ihr aber einen rechten Schlag auf den Kopf, so bleibt sie für immer tot liegen, und zwar in der Gestalt, die sie angenommen hat. [68] Bäuerinnen, die an Hexen glauben, pflegen Schweinedreck in einen Leinwandlappen einzuwickeln, den Lappen fest zuzubinden und als Amulet an einer Schnur um den Hals zu tragen. Diese Schnur muss aber eben so lang sein als das Weib gross ist, das die Schnur braucht, dann kann kein Teufel und keine Hexe dem Weibe etwas anhaben. (Aus Krapina Toplice in Chrowotien.) Um sich vor Hexen zu schützen, trägt man Schlehdornen im Kleid eingenäht. Mit Schlehdornen bannt man Hexen und Teufel. In Häusern, wo es kleine Kinder gibt, befestigt man an Türen und Fenstern Schlehdornen. [69] (Slavonien.) Wie erwähnt benötigen die Hexen eines Zauberfettes. Wer davon isst, versteht die Tiersprache. Wie dieses Fett gewonnen wird, erzählt folgende Sage aus Kreutz in Chrowotien. Es war einmal eine Hexe, bei der es niemand im Dienste aushalten konnte. Nun ging einmal ein Junge des Weges, erblickte die Hexe und bot ihr einen »guten Tag« zum Gruss. Sie winkte ihm freundlich zu, fragte ihn, wohin er wandere, und er antwortete, er gehe einen Dienst suchen. Sie sagte ihm gleich, bei ihr wär eben eine Stelle frei und er dürfe nur eintreten, und so trat der Junge bei ihr in Dienst ein. Sie schärfte ihm sogleich ein, er müsse sich brav aufführen, bei ihr habe schon eine Menge Leute gedient, weil sich die aber nicht brav aufgeführt, deshalb habe sie ihnen allen der Reihe nach den Garaus gemacht. Der Junge gab ihr das feste Versprechen, sich stets brav aufzuführen. Abends setzte sie ihm ein gutes Nachtmahl vor und befahl ihm, er müsse morgen in der Frühe zeitlich aufstehen, um aufs Feld ackern zu gehen. Der Junge erwachte zeitlich in der Früh und ging ackern. Um die Mittagstunde setzte er sich zum Essen und liess die Ochsen lange Rast halten. Als er abends heimkehrte, fragte ihn die Vettel, wieviel er aufgeackert; und er antwortete »so und soviel«. — Der Alten schien das wenig zu sein und sie schalt ihn einen trägen Arbeiter. Hierauf begab er sich zur Ruhe, um am folgenden Tage wieder seine Arbeit aufzunehmen. In der Früh trug ihm die Alte auf, er müsse das, was er zuerst aufackere, es mag was immer sein, auf der Stelle nach Hause bringen. Er begab sich aufs Feld, stemmte die Pflugschar ein und ackerte eine Kröte heraus. Die nahm er sogleich und trug sie der Alten heim. Die Alte sprach: »Gut mein Kind, gut«, und der Junge kehrte wieder aufs Feld zurück. Nun klagte ihm einer der Ochsen, er sei ganz müde, denn die Alte sei die ganze Nacht auf ihm herumgeritten; deshalb gönnte der Junge den Ochsen wiederum eine lange Rast. Er kommt nach Haus und seine Herrin fragt ihn: »Wie viel hast du aufgeackert?« — »So und so viel.« Hierauf begab sich die Alte in die Stube, der Junge aber huschte schnell in die Küche, um nachzusehen, was die Alte koche und sah die Kröte in einer Rein braten. Schnell ergriff er einen Löffel, schöpfte ihn voll Sahne, in der die Kröte briet, und schlürfte den Saft hinunter. Sodann schaffte er die Ochsen in den Stall und ging nachtmahlen, doch bekam er nicht die Kröte zu essen. Nachdem er sich sattgegessen, begab er sich zur Ruhe. Am dritten Tage gönnte er wiederum den Ochsen eine lange Rast. Als er abends heimkehrte, stand er eine Weile mit der Alten im Hofe. Die Alte besass eine Gluck, die ein hinkendes Küchlein hatte. Da machte die Gluck dem hinkenden Küchlein Vorwürfe, warum es sich nicht tummle, es sehe ja, ein Geier schwirre durch die Lüfte. Der Junge verstand das ganze Gespräch und erzählte es der Alten. Die Alte hiess ihn näher treten und sagte: »Geh’, komm’, zeig mir mal deine Zunge!« — Er streckte die Zunge aus, die Alte aber nahm einen Löffel und schabte das wenige von der Sahne ab, das noch auf seiner Zunge klebte. Seit diesem Augenblicke verstand er nicht mehr die Sprache der Tiere. Das Fett, mit dem sich die Hexen einreiben, um fliegen zu können, besteht nach einem andern Volkglauben aus Stutenbutter. [70] Ein Bauer aus Toplice (dem Kurort bei Warasdin) erzählte folgendes Erlebnis: »Ich habe an diesen Weihnachttagen ein Weib gesehen, das hat drei Tage hindurch nach Stutenbutter gesucht (iskala konjsku putru, wörtl. sie verlangte Pferdebutter.) Dann hab’ ich sie gesehn, dass sie welche gefunden hat, wo die Pferde weiden. Ich bin ihr nun entgegengetreten, sie hat aber die Butter unter die Schürze versteckt. Ich hab’ gesehen, wie ein bisschen davon hervorschaut und hab’ sie gefragt: »Was fangen Sie damit an, Gevatterin?« (Kaj bute kuma s tem?) Da verschwand sie augenblicklich spurlos, ich aber war in Furcht, weil ich mich ganz allein befand. Ja, wenn ich sie nicht gefragt hätte, sie hätten gesehen, sogleich hätt’ sie mich zu Staub und Asche zermalmt. Wenn sie mit dieser Butter zaubern will, da muss sie sie in der Mitternachtmette mit haben, und beim Segen muss sie auf ihr knieen. Sobald die Mette aus ist, da muss die Hexe hurtig heim eilen, damit sie von gar niemand wahrgenommen wird. Diese Zauberei (Hexerei, coprija) ist zu folgendem gut: Wenn die Hexe alles, wie es sein muss, mit dieser Butter vollbringt, so kann sie auf ihr (na njoj) wie ein Pfeil dahinreiten und wird von niemand erblickt. Man sagt auch, dass es zuweilen nur darum saust (fućka, vom Pfeifen des Wirbelwindes), weil eine Hexe durch die Luft reitet, andere sagen wohl auch, der Teufel führe Geld.« In Biškupec in Chrowotien glaubt das Volk, dass die Hexen zu Pfingsten (na duhovo) um halb zwölf nachts das Fett bereiten, das sie zum Fliegen befähigt. Dieses Fett wirkt so kräftig, dass alles und jedes in Bewegung gerät, was damit bestrichen wird. Es war einmal eine Hexe, die befahl ihrem Sohne, aus dem Kasten Fett zu nehmen und den Wagen zu schmieren. Der Junge ging in die Stube und nahm das Fett heraus, vergriff sich aber und nahm ein Fett, das seine Mutter brauchte. Er bestreicht das eine Rad und es fängt an sich zu drehen, er bestreicht das zweite, auch dieses dreht sich, so das dritte und das vierte, da flog der Wagen auf den grossen Nussbaum, der vor dem Hause stand. Der Junge lief nun schnell zu seiner Mutter und erhob ein Geschrei: »Mütterchen, Mütterchen, der Wagen ist mir auf den Nussbaum hinaufgefahren.« — Sie: »Ja, was hast du angerichtet? — Hab’ ich dir denn befohlen, mit diesem Fett den Wagen zu bestreichen?« Hierauf ging sie hinaus und beschwor den Wagen vom Baume herab, was niemand anderem als nur ihr gelingen konnte. Besonders gefürchtet sind die Hexen, die Kühe behexen. Wenn einer Kuh die Milch versiegt, oder wenn, wie man im Volke sagt, eine Kuh eintrocknet, so schnitzt man einen Keil aus Birkenholz und keilt ihn im Stalle unter dem Lager der Kuh, gerade unter ihrem Nabel in den Boden ein. Damit ist der Hexenzauber gebrochen. Wird eine Hexe auf frischer Tat ertappt, so soll man sie mit einem Birkenrutenbesen schlagen und sie wird nimmer zaubern können. [71] Will man sein liebes Vieh gesund erhalten, so schlage man es nur mit Birkenreisern. (Slavonien.) Ein anderes Rezept aus Čehovci im Murlande lautet: Um zu verhüten, dass Hexen den Kühen die Milch entziehen, nehme man die Mistel, [72] die auf Bäumen wuchert und Holz vom Kornellkirschbaum, füge Schiesspulver hinzu, lasse die Dinge einsegnen und wickle sie in einen kleinen Leinenlappen, den man der Kuh, bevor sie noch einmal abkalbt, in ein Horn hineingibt, nachdem man vorher das Horn oben abgeschnitten. Infolgedessen wird keine Hexe dieser Kuh etwas anhaben können. In der Weihnachtnacht muss man den Kühen Heu vorlegen, und zwar muss man damit rauschen, damit die Kühe nicht hören, wie sie der Reihe nach von den Hexen angerufen werden und sich ihnen nicht melden. Der Kuh, die sich auf den Ruf der Hexen meldet, entziehen die Hexen die Milch. Am Samstag vor Pfingsten (na soboto pred binkošti. Binkošti ist das deutsche Wort Pfingsten, das wieder ein Lehnwort aus dem Griechischen ist: πεντεκοστή, das slavische Wort ist duhovi) werden in Ormuž in Steiermark von alten Weibern die Kühe angeräuchert, damit ihnen die Hexen nichts anhaben können. Will man verhüten, dass eine Hexe das Vieh behext, so pflegen die chrowotischen Bauern einen Faden um das ganze Gehöfte herum zu ziehen, den Faden muss man aber eigenhändig am Quatemberfasten gesponnen haben. [73] Hexen vermögen eine fremde Kuh auszumelken, wenn sie auch nicht im Stalle bei der Kuh sind, wie es aus folgender Sage erhellt. Es waren einmal zwei Nachbarinnen, von denen die eine eine Hexe war. Diese Hexe pflegte das eine Ende eines langen Seiles über den Zaun in den Stall ihrer Nachbarin zu werfen, steckte dann das andere Ende des Seiles in ihren Milchkübel und melkte so die fremde Kuh aus. Sie wusste nur nicht, dass sie bei diesem bösen Treiben von ihrer beschädigten Nachbarin beobachtet wurde, und so selbst verriet, dass sie eine Hexe sei. [74] Von der Strafe, die eine Hexe wegen unbefugten Ausmelkens fremder Kühe erleiden musste, erzählt folgende Sage aus Chrowotien: Es war einmal ein reiches und ein armes Weib. Die reiche Frau hatte nur ein einziges Kind, die arme ihrer sieben. Die Reiche besass sieben Kühe, die Arme nur eine und die gab keine Milch; denn sie wurde von der Hexe ausgesaugt. Einmal ging die Arme in den Stall und erblickte eine Kröte, die an dem Euter der Kuh säugte. Rasch ergriff sie eine Axt und schlug auf die Kröte los. Diese Kröte war niemand anderer als die reiche Nachbarin, die gleich am nächsten Tage gegen das arme Weib beim Pfarrer Beschwerde führte. Der Pfarrer liess auf der Stelle das arme Weib vor sich laden und fragte sie, wie sie es gewagt, ihre Nachbarin so schmählich zuzurichten. Das Weib erklärte, sie habe bei Leibe niemand anderen als nur eine Kröte geschlagen, die an dem Euter ihrer Kuh gesaugt. Auf diese Weise erfuhr man, dass die reiche Frau eine Hexe ist und liess sie auf Pferdeschweifen in Stücke reissen. Die Hexe erlangt über die fremde Kuh durch ein sogenanntes sympathetisches Mittel Gewalt. Darin liegt aber auch zugleich die innere Kraft der Hexe. Gelingt es dem Beschädigten, die Stücke in die Hand zu bekommen, so ist er zugleich Herr der Hexe. Er kann sie dann nach Belieben vernichten. Darüber belehrt uns ein Märchen aus Chrowotien. In Cepirlak lebte ein Weib, das hatte drei Kühe. Die eine Kuh war weiss, die andere schwarz, die dritte rot. Diese Kühe gaben recht viel Milch. Das Mütterchen wurde reich und schenkte viel den Armen. Auf einmal trockneten die Kühe ein, doch nicht plötzlich, sondern so, dass sie immer weniger und weniger Milch gaben. Das Weib fütterte und hielt wohl immer besser ihre Kühe, doch alles umsonst, zusehends wurden die Kühe immer magerer, und darüber weinte das Mütterchen. Sie wusste sich schon nimmer zu helfen, sondern suchte ein altes Mütterchen auf und befragte sie um ihren Rat wegen der Kühe. »He«, sagte das alte Mütterchen zu ihr, »da weiss ich dir wirklich keinen Rat und keine Hilfe. Ein Weib hat dir die Kühe verhext (edna ti je žena scoprala krave). Geh nach Haus, vielleicht findest du irgend etwas.« — Geht das Weib heim, sucht in allen Winkeln herum, kann aber nirgends etwas finden. Schaut sie da nicht zufällig in den Rauchfang hinauf und erblickt im Rauchfang einen schwarzen Gegenstand. Nimmt sie ihn herab, um doch zu sehen, was das sein soll. War das ein Pack Lumpen. In den Lumpen aber waren drei Nägel und um jeden Nagel ein Haar gewunden: ein rotes, ein schwarzes und ein weisses, gerade solches Haar, wie es die Kühe eben hatten. Ging sie nun wieder zu dem alten Mütterchen mit den Sachen, die sie da gefunden. Schaut das Mütterchen die Sachen an und spricht zu ihr: »Nimm diese drei Nägel und schmiede sie zu einem einzigen zusammen, dann nimm um 12 Uhr nachts diese drei Kuhhaare und leg jedes mit einem Ende ans Feuer, und zwar so, dass sie nur ein klein winzig anbrennen. So musst du nach und nach jeden Tag tun, so lange, bis deine Kühe gesund werden.« Schmiedet sie wirklich die drei Nägel in einen zusammen und fängt an, die drei Haare zu versengen. Gott soll mich strafen, wenn nicht wirklich von dem Augenblicke ab die Kühe immer gesunder wurden. Schlimm aber erging es dem Weibe, das die Kühe verhext hatte. Noch den Tag vorher war das Weib frisch und gesund. Von dem Augenblick ab, wo das Weib die Haare zu versengen anfing, wurde die Hexe immer hinfälliger, und je mehr die Kühe an Gesundheit und Kraft zunahmen, desto mehr nahm die Hexe ab. Wenn das Weib schlief, kam die Hexe immer unter ihr Fenster und fing zu jammern und zu winseln an: »Gib mir die Nägel, gib mir die Haare zurück!« und so kreischte sie fort und fort, bis der Hahn in der Früh »Kukuriku« krähte. So ging es Nacht für Nacht, und die Hexe winselte immer mehr und mehr. Einmal winselte sie so stark, dass ihr das Weib beinahe die Nägel und Haare schon zurückgeben wollte. Wie sie sich aber erhob, um sie der Hexe zurückzugeben, fingen die Kühe so jämmerlich zu brüllen und muhuen an, dass sie sich darüber ganz entsetzte, und so gab sie der Hexe weder die Nägel noch die Haare zurück. Ging sie wieder zu jenem alten Mütterchen und erzählte ihr die Sache. »O Weh«, sagte das alte Mütterchen, »gib es nicht her, um Gotteswillen, nicht! Sie möchte gesund werden und das ganze Dorf verhexen. Verbrenn du nur noch den Überrest der Haare, sonst ist’s in Zukunft um dich und um uns schlimm bestellt.« Das Weib ging jetzt nach Haus, nahm die Nägel, die in eins geschmiedet waren, sowie den Rest der Haare und legte sie ins Feuer. Sobald die Haare verbrannt waren, da züngelte flugs ein mächtiges Feuer durch den Rauchfang im Hause der Hexe, eine schwarze Gestalt bemächtigte sich der Hexe und flog mit ihr fort bis zu jenen Bergen. Dies aber war der leibhaftige Teufel, der die Seele der Hexe mit sich forttrug in die Hölle, auf dass sie dort ewige Qualen erdulde. Mehr Märchen als Sagen sind folgende zwei Hexengeschichten, beide aus der Umgegend von Warasdin. I. Es waren einmal eine Mutter mit einem kleinen Kinde, das sie vor kurzem zur Welt gebracht. Da sie ein armes Weib war, konnte sie keine Gevatterin finden. Nun begegnete ihr einmal auf dem Wege, als sie auf Arbeit ging, eine Hexe und sie bat sie ihrem Kinde Gevatterin stehen zu wollen. Nach der Taufe sagte die Gevatterin zur Mutter, sie möge sie einmal besuchen, wenn das Kind etwas grösser geworden. Nach geraumer Zeit machte sich die Frau auf den Weg zur Gevatterin in ihr Schloss. Vor dem Schlosstore angelangt, fielen ihr zwei Hähne auf, die als Torwächter auf und abgingen. Sie schritt vorbei, kam in die Küche und erblickte Schürhaken und Schaufel gegeneinander schlagend und herumtanzend. Als sie auf den Söller kam, sah sie in dem ersten Zimmer nur Blutlachen, im zweiten Zimmer nur Fleischstücke, im dritten lauter Hände und Füsse, und als sie durchs Schlüsselloch ins vierte hineinlugte, gewahrte sie die Gevatterin, mit einem Pferdekopfe auf dem Haupte, damit beschäftigt den Pferdekopf zu lausen. Kaum trat sie in die Stube hinein, schleuderte die Gevatterin den Pferdekopf unter den Stuhl, und der Besuch fing ihr zu erzählen an, was für Merkwürdigenkeiten sie im Hinaufgehen gesehen: »Beim Eingang ins Schloss sah ich zwei Hähne als Torwächter.« — »Das sind«, erklärte die Alte, »meine Wächter.« — »Im Hinaufgehen sah ich in der Küche Schürhaken und Schaufel tanzen.« — »Das ist meine Dienerschaft, sie feiert Hochzeit und erfreut sich am Tanz.« — »Als ich schon oben am Söller war, sah ich ein Zimmer voll Blutlachen.« — »Das ist mein Wein.« — »Im zweiten und dritten Zimmer sah ich lauter Fleischstücke.« — »Das ist mein Braten.« — Hierauf ging die Hexe hinaus, brachte Blut und Fleisch und bot es der Frau zu essen und zu trinken an, doch die weigerte sich beharrlich auch nur das Geringste zu sich zu nehmen. Beim Abschiede gab ihr die Hexe das Vortuch voll Kohlen und schärfte ihr ein, sie nicht wegzuwerfen, wofern sie etwas Gutes zu haben wünsche. Auf dem Wege aber fiel der Frau ein Teil davon aus der Schürze und sie fand es nicht der Mühe wert, das zu Boden Gefallene mehr aufzulesen. Wie sie nach Haus kam, warf sie verächtlich die Kohlen auf den Tisch, und siehe da! — es war lauter blankes Gold. [75] Jetzt tat es ihr freilich leid um das, was sie weggeworfen, und sie tummelte sich an den Ort zurück, um es aufzulesen, doch es war keine Spur mehr von den Kohlen, ebensowenig auch von einem Schlosse zu entdecken. Da ward es der Frau klar, dass sie es mit einer Hexe zu tun gehabt. II. Es war einmal eine Gräfin, die hatte ein kleines Töchterchen. Die Kleine ging einmal in den Wald und verirrte sich darin. Als sie so hin- und herirrte und weinte, erblickte sie in weiter Ferne ein kleines Häuschen, zu dem lenkte sie ihre Schritte. Als sie dort ankam, pochte sie an der Türe an. Jemand rief von drinnen: »Herein«. — Das Mädchen öffnete die Türe und trat in die Stube ein und erkannte gleich beim ersten Blick, dass sie sich in der Behausung einer Hexe befinde. Die Hexe sprang sogleich auf sie los, stach ihr die Augen aus und jagte sie so lange um den Tisch herum, bis sich die Kleine ganz wund schlug; dann aber trieb sie sie ins Bett. Am nächsten Tage ging die Alte irgend wohin in den Wald und das Mägdlein blieb allein zu Hause. Das arme Kind war vollkommen blind und sass traurig in einem Winkel. Auf einmal hörte sie ein Vöglein singen und vernahm deutlich seine Worte: »Öffne den Kasten, der dort steht, nimm das Fett heraus, das sich darin befindet und bestreich dir damit die Augen.« — Das Mägdlein tappte nach dem Kasten, schloss ihn auf, nahm das Fett heraus, bestrich sich die Augen damit und ward auf der Stelle wieder sehend. Jetzt schaute sie sich nach dem Vöglein um und entdeckte es in einem Käfig. Sie trat zum Vöglein hin und sprach ihm ihren Dank aus, und das Vöglein entgegnete ihr: »Ich habe dir nicht ganz umsonst geraten, ich fordere einen Gegendienst. Du sollst mir den Kopf abschlagen; ich bin nämlich so wie du ein verzaubertes Mägdlein und kann wieder meine ehemalige Menschengestalt erlangen, wenn du mir den Kopf abschlägst. Ich verstehe mich nicht wenig auf Hexenkünste und werde leicht Mittel und Wege finden, um uns Beiden aus der Klemme zu helfen.« — Gut. Das Mägdlein schlug dem Vöglein das Köpfchen ab und das Vöglein verwandelte sich augenblicklich in eine schöne Maid. Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, ergriffen die zwei Mädchen die Flucht durch den Wald. Als inzwischen die Hexe nach Haus kam und die Mädchen nicht mehr vorfand, sattelte sie rasch eine Wildsau und setzte den Fliehenden nach. Wie sie ihnen schon, wie man sagt, auf den Fersen war, merkte das Mädchen, das sich auf Hexenkünste verstand, dass ihnen die Hexe nachsetzte und sagte zu ihrer Fluchtgenossin: »Hörst du, wie sie hinter uns einherjagt? — Doch, ich kann ja hexen: du sollst dich in ein Fischlein verwandeln, ich verwandle mich in eine Lache.« — Sie hatte noch nicht recht diese Worte ausgesprochen, so war die Verwandlung auch schon geschehen. Als die Hexe fort war, verwandelte das kundige Mädchen sich und ihre Genossin wieder in Menschengestalt und sie setzten ihre Flucht fort. [76] Auf einmal vernahmen sie hinter sich Pferdegetrappe; das eine Mädchen hörte die Stimme ihres Vaters und sagte zum anderen: »Hier wollen wir warten, man sucht mich.« — Kaum hatte sie dies gesprochen, war ihr Vater auch schon zur Stelle und hob Beide zu sich auf den Wagen, den Soldaten aber, die er mit sich führte, befahl er, der Hexe aufzulauern, sie festzunehmen und ins Schloss zu befördern. Die Hexe wurde wirklich bei ihrer Rückkehr festgenommen, gefesselt und ins Schloss gebracht. Zur Strafe musste sie eine ganze Woche lang auf der Sau herumreiten und wurde schliesslich am achten Tage der Sau zum Frasse vorgeworfen. Bisher lernten wir die Wandlungen der Vila als Dryade und Nymphe in die Gestalt der Hexe kennen. Den Namen Vila übertrug man schon frühzeitig auch auf die Kategorie jener weiblichen Luftgeister, die Regenwolken sammeln und zerstreuen, milden Tau und ergiebigen Regen den Fluren spenden, und wenn sie den Menschen grollen, verheerende Wirbelwinde erregen und die Gefilde mit Hagelwetter verwüsten. Die Vilen sind demnach auch Wettermacherinnen. Sagen erzählen, wie die Vilen auf Wolken dahinfahren. Schon durch ihren Blick allein vermag die Vila Wolken auf dem Himmel zu sammeln. Das Volk drückt treffend die Feuerglut, die aus den Augen eines schönen Mädchens sprüht, durch den Vergleich aus, des Mädchens Auge vermöge am Himmel die Wolken zu trüben. Das tertium comparationis wird als so selbstverständlich vorausgesetzt, dass man im Vergleiche die Vila gar nicht nennt. So z. B. in folgendem Liede: Mili bože, čuda velikoga! Gdje pogibe devet za jednoga! Da z bog koga, ne bi ni žalio, Neg z bog Soke, lijepe djevojke, Koja muti na nebu oblake, Kamo l ne bi na zemlji junake! »Lieber Gott, o grosses Wunder! Wie da neun für Einen umkamen! Wär’ es noch um jemands Rechten wegen, tät’s mir gar nicht leid, doch um Sokas, des schönen Mädchens wegen, die am Himmel die Wolken trübt (verwirrt), wie sollte sie nicht erst der Helden Sinn verwirren!« [77] Bei der Wandlung der Wolkenvilen zu Hexen behauptete sich ihre Beziehung auf die Fruchtbarkeit und den Segen, doch in schlimmer Bedeutung. Die Wolkenvilen wurden zu Wetterhexen. Über die Vorstellungen des Volkes in Bezug auf die Wetterhexen haben wir ziemlich genaue Kunde. Wenn sich der Himmel verfinstert und alle Anzeichen auf ein nahendes Hagelwetter schliessen lassen, so muss man mit geweihten Glocken läuten, um dadurch die Hexen zu verscheuchen, ferner muss man sein Gewehr mit Pulver laden und statt der Bleikugeln, wie üblich, soll man Köpfe von Nägeln, mit denen einem Füllen das Hufeisen angeheftet gewesen, auf das Pulver geben und damit in die Luft schiessen. Die Hexe fällt darauf unfehlbar aus den Wolken auf die Erde herab. Das Schiesspulver muss in der Kirche eingesegnet werden. Ebenso muss das Gewehr geweiht sein. Man braucht die Hexe gar nicht einmal von Angesicht zu sehen, es genügt, dass man sie dahinsausen hört. Schiesst man auch nur blind in die Luft hinein, so muss die Hexe schon allein vom Dampf des geweihten Pulvers ersticken. Wenn ein Hagelwetter droht, oder selbst wenn es schon hagelt, legen alte Weiber geweihtes Öl, Lorbeerblätter und Wermutkraut aufs Herdfeuer. An manchen Orten nimmt man einen halbzerschlagenen Topf, füllt ihn mit Glutkohle an, legt darauf eingesegnetes Öl, Lorbeerblätter und Wermutkraut, zieht damit ums ganze Haus herum und lässt den Rauch gegen die Wolken aufsteigen. Dieser Rauch stinkt dermassen schrecklich den Hexen zu, dass sie aus den Wolken herabfallen. Unser Gewährmann erzählt, dass er als Kind bei Hagelwetter rasch einen Sessel aus dem Hause unter den freien Himmel tragen und umstürzen musste, damit sich die Hexen an den aufragenden Stuhlbeinen das Genick brechen, wenn sie aus der Luft herunterpurzeln. Das Hinaustragen von Hausgeräten bei Ungewitter ist im ganzen Süden Brauch. Besonders trägt man, wie ich selbst als Knabe oft mit angesehen und auch mitgeholfen, alle grösseren Schneide- und Hackwerkzeuge in den Hof, damit sich der Hagel (oder die Hexen) daran schneiden. Wenn Blitze aus einer Wolke in eine andere fahren, so sagt man im Küstenlande: »Das ist ein Eichhörnchen, sie versammeln sich, sie versammeln sich« (Ono je viverica, kupe se, kupe). Wenn es zu donnern und zu hageln anfängt, schiessen die Bauern in die Wolken, um die Hexen zu verscheuchen und sprechen dazu folgende Bannsprüche: Biži, biži irudica, mater ti je poganica, od boga prokleta, krstitelja krvlju sapeta! »Fliehe, fliehe, Herodias — Deine Mutter ist eine Heidin, — von Gott verflucht — mit des Gekreuzigten Blute gefesselt.« Oder man ruft: Sveta Bare, Razmakni oblake! Sveta Luce, Ukaži nam sunce! »Heilige Barbara, schiebe die Wolken auseinander. Heilige Lucia, zeig’ uns die Sonne!« Die Schnelligkeit, mit welcher der Blitz aus einer Wolke in die andere schlägt, scheint der Südslave hier zu vergleichen mit dem blitzschnellen Forthuschen eines Eichhörnchens, das von Ast zu Ast schneller als ihm das Auge folgen kann, dahinspringt. Ich wage aber noch eine andere Vermutung. Das Eichhörnchen, das auf Bäumen haust, mochte einst dem gläubigen Volke als die in dem Baume hausende Vila erschienen sein. Es fände in unserem Falle demnach eine Vermengung der Baum- und Wolkenvilen statt. Mannhardt führt in seinem Werke Baumk. d. G. S. 508 an, dass man zu Bräunrode am Harz im Osterfeuer, das man zur Abwehr gegen schwere Gewitter anzündete, ein Eichhörnchen zu verbrennen pflegte. Auch in Köln herrschte dieselbe Sitte. Sehr merkwürdig ist die Anrufung der Herodias, des Herodes Tochter, deren Tanz Johannes des Täufers Enthauptung herbeigeführt. »Im Mittelalter wähnte man, Herodias sei verwünscht worden, in Gesellschaft der bösen und teuflischen Geister umzuwandern. Sie wird an die Spitze des wütenden Heeres oder der nächtlichen Hexenfahrten gestellt, neben die heidnische Diana, neben Holda und Perahta, oder an deren Platz.« Grimm, aus dem ich diese Worte anführe, teilt eine reiche Auswahl von Belegstellen aus mittelalterlichen Dichtern mit. (D. M. S. 260–265, vrgl. ferner S. 599, 885, 1008 und 1011 und W. L. Schwartz, Prähist. anthrop. Stud. S. 461–3.) Man ersieht aus der einfachen Tatsache, dass der Name Herodias bei den Südslaven Eingang gefunden, wie sich der Glaube an die Vile als Wetterhexen nicht ganz allein aus sich selbst, sondern auch durch fremden Einfluss, durch eine Literatur, allmählich entwickelt hat. Es würde zu weit führen, wollte ich hier den Glauben an die hl. Barbara unter den Südslaven eingehend erläutern. Ihr Festtag ist dem Südslaven, besonders den Altgläubigen, der Tag der Zaubereien κατ’ ἐξοχήν. S. M. Ljubiša (Pripovijesti S. 32) lässt eine alte Bäuerin an ihren Sohn, der sich über ihren Glauben erlustigt, folgende Zurechtweisung richten: »Morgen ist der Tag der hl. Märtyrerin Varvara, die ihr Blut für den Glauben vergossen hat, und es blieb von Alters her der Brauch bestehen, dass wir an diesem Tage varice kochen (d. h. Feldfrucht zu Brei kochen).« Sie zählt nun auf, was sie alles aus der gekochten Frucht (dem Brei), sobald sich die abgekühlt, herausprophezeien kann. Sie leitet das Wort varnice von Barbara (Varvara) ab. Der Name Varvara lautet in abgekürzter Form Vara. Der Stamm ist derselbe, welcher in vrelo Quelle, vreti quellen, kochen begegnet. Varica ist also das, was man mischt, umrührt und kocht, der Brei. Warum man die hl. Lucia gerade als diejenige anruft, die der Sonne zum Siege über die drohenden Wetterwolken verhelfen kann, ergibt sich schon aus dem Namen. Sie ist ja das Licht selbst. (Über die Personifikation der hl. Lucia als Wintersonnenwende. Vrgl. Mannhardt, Wald und Feldkulte, S. 186. Anm.) Die Hagelwetter verursachen die Hexen nur aus Bosheit und Rachsucht. Wenn eine Hexe gegen jemand einen Hass trägt und sich an ihm rächen will, so kommt sie nachts zu ihm ins Haus und setzt sich hinter den Ofen. Dort rührt sie mit einem Kochlöffel so lange ein Wasser um, das sie aus einer Quelle von irgend einem grossen Felsen her mitgebracht, bis es im Hause zu hageln, zu donnern und blitzen anfängt und sich ein so gewaltiger Nebel entwickelt, dass man es nimmer aushalten kann und die Fenster zu öffnen gezwungen ist. Dann aber schlägt der Hagel neun Pfarreien in der Runde alles nieder und verursacht einen unermesslichen Schaden. Man kann sich in einem solchen Falle nicht anders helfen, als indem man die Hexe demütigst um Verzeihung bittet. Eine Hexe ist nämlich allezeit sehr mächtig und stark. (Aus Zagorje.) Parallelen und ausreichende Erläuterungen vrgl. bei Grimm, D. M. S. 1040 ff. u. K. Simrock Hdb. d. d. M. III, S. 452. Schlussbemerkung. Wenn wir einen kurzen Rückblick auf die gegebene Darstellung des südslavischen Hexenglaubens werfen, so erkennen wir hier urälteste und allgemein verbreitete Anschauungen der Völker über Wald- und Feldgeister und Zauberweiber. Mit kleinen, fast unscheinbaren Variationen begegnet man ja demselben Glauben bei allen verwandten Völkern, bei dem einen Volke mehr, bei dem anderen weniger durch andere Vorstellungkreise durchkreuzt und verwischt. Mit dem Überhandnehmen des Christentums musste notwendigerweise der alte Glaube an die wohltätigen Schutzgeister der Wälder und Auen, an die Luftgeister eine wesentlich andere Gestalt annehmen, und sich in böse Dämonen, im Gegensatze zu der einen Gottheit des Christentums, umwandeln. Mit dem Hinschwinden des geistigen Glaubens übertrug das Volk die nun modifizierten Vorstellungen auf eine einzige Kategorie von Wesen höherer Art, auf die zauberkundigen Frauen, die vještice, denen man ehedem allgemein grosse Verehrung zollte. Vergleicht man nach den bisherigen Auseinandersetzungen den südslavischen Hexenglauben mit dem abendländischen, vorzüglich mit dem deutschen und italienischen, aus welchem die Südslaven so viele Elemente entlehnt haben, so fällt es zunächst auf, dass in allen den Sagen eines Hexenmeisters gar keine Erwähnung geschieht. Ferner ist dem Teufelglauben eine sehr untergeordnete Stellung eingeräumt. In den deutschen und italienischen Hexenprozessen spielt der Teufel eine sehr grosse Rolle. Die Hexen verschreiben sich ihm mit Leib und Seele unter Hersagung besonderer Schwurformeln. Davon ist keine Rede im südslavischen Hexenglauben. Merkwürdigerweise wird den Hexen bei den Südslaven die Gabe der Weissagung in keiner Sage zugeschrieben. Die Weissagung erschien und erscheint noch heutigen Tags den Südslaven als nichts Verächtliches, geschweige denn Hassenswertes. An gewissen Festtagen im Jahre, z. B. am Tage der hl. Barbara und zu Weihnachten, weissagen noch gegenwärtig Frauen und Männer, die Frauen z. B. aus Fruchtkörnern, die Männer aus dem Flug der Vögel oder aus den Eingeweiden und Schulterstücken der für den Festtag geschlachteten Tiere. [78] Bei den Südslaven gab es offenbar ursprünglich keineswegs wie bei den Italienern und Deutschen einen besonderen Stand der Priesterinnen, Weissagerinnen und Ärztinnen. Das streng demokratisch-separatistische System der Hausgemeinschaft (zadruga), der Phratrie (bratstvo) und der Phyle (pleme), das die Südslaven als uraltes Erbstück noch bis auf die Jetztzeit zum Teil festgehalten, bot der Entwicklung von Priesterinnen-Kollegien nicht geringe Hemmnisse. Zudem nahm und nimmt das Weib im Volksleben der Südslaven eine ganz untergeordnete Stellung ein. Dem Weibe, das man sich wie irgend einen Gegenstand von ihren Eltern und Verwandten kaufte, konnte man unmöglich eine höhere geistige Befähigung einräumen, die sie über den Mann gestellt hätte. Infolgedessen konnten die Hexenprozesse des Abendlandes auf dem Balkan keinen günstigen Boden haben. In Steiermark, Istrien und Chrowotien, wo das Deutschtum festere Wurzeln gefasst, fanden zahlreiche Hexenprozesse statt. Daselbst wurden auch Hexen verbrannt. [79] In den Gesetzbüchern der serbischen Könige kommen dagegen gar keine Bestimmungen gegen Hexen vor. Die mittelalterliche Dämonologie des Abendlandes fand hier keinen rechten Eingang. Auch die türkische Herrschaft war ihr nicht günstig. Was die Südslaven von den Türken an Hexen- und Zauberglauben angenommen, kommt in zweiter Reihe hier in Betracht. Anders im Küstenlande, wo italienische Kultur das Slaventum durchdrang. Im Gesetzbuche der freien Gemeinde Poljica (poljički štatut) aus dem Ende des 14. Jahrhunderts steht eine Verordnung gegen die Hexen, Zauber- und Teufelweiber. § LXXXVIII lautet: »Ako bi se istinom našla koja višćica ali čarovnica ali vražarica, od prvoga obnašašća ima se fruštati; ako li se veće nadje ima se sažgati« (edit. Mesić Arkiv V, S. 302 f.) (Wenn sich in Wahrheit irgend eine Hexe oder eine Zauberin oder ein Teufelweib fände, so hat man sie gleich nach der ersten Entdeckung zu foltern; hat man den Beweis erlangt, so muss man sie verbrennen.) Fruštati ist das italienische frustare peitschen, mit Ruten hauen. Französisch heisst die Folter poultre, poutre, ursprünglich poledrus, davon das deutsche Folter. »Es war der Marterbalken, auf welchem der Angeschuldigte reiten musste.« (Vrgl. Grimm, D. M. S. 1029.) Volktümlich wurde unter den Südslaven diese Massregel nie. Die Mittel, durch welche das Volk die Macht der bösen Frauen zu bannen sucht, sind zum grössten Teil Überbleibsel aus dem alten Heidentume. Die Gerte, die ehedem von einem segenspendenden Genius bewohnt zu sein schien, ward nun der Aufenthalt eines bösen Dämons, mit dessen Hilfe man die Kraft des Geistes in der Hexe zu bannen glaubte. Schliesslich verlosch im Volkbewusstsein auch die wahre Bedeutung der Gerte, und man gebraucht sie nur als ein überkommenes Erbstück aus der Väter Zeit, ohne sich mehr über die ursprüngliche Vorstellung Rechenschaft ablegen zu können. So offenbart sich im Hexenglauben ein Stück Entwicklunggeschichte der Menschheit, ein langwieriger Kampf zwischen altem und neuem Glauben, ein Kampf, der noch lange nicht ausgekämpft ist. [80] Joseph Hansen, [81] Havelock Ellis [82] und Dr. Iwan Bloch [83] wiesen nach, dass der Hexenglaube seinen Ursprung aus dem Geschlechtleben ableite und dass der Geschlechttrieb allezeit in irgend einer Form mit der Zauberei verknüpft ist. Dieser Teil des Glauben entzieht sich einer Besprechung in diesem Buche, das Leser in den weitesten Kreisen finden soll, aber er bleibt darum nicht ohne Behandlung. Ein breiter Raum in den Anthropophyteia [84] ist ihm ständig gewidmet. Die unheimlichsten Waldfrauen. Auf ihren wiederholten unheimlichen Wanderungen hat sich die Pest überall ein trauriges Andenken gesichert. Von der äussersten Spitze Griechenlands und Spaniens, bis weit oben in Island erzählen sich die Völker schauerliche Sagen von der Pest. Grimm und Panzer haben über diesen Sagenkreis der Völker ausführlich gehandelt und dessen viele verwandte Züge hervorgehoben. Es wird aber durchaus nicht notwendig sein, eine Entlehnung bei den einzelnen Völkerstämmen anzunehmen, denn unter gegebenen gleichen Bedingungen mussten notwendigerweise ähnliche Sagen überall entstehen, womit wir aber keineswegs bestreiten, dass überhaupt keine Wanderung der einen oder anderen Anschauung stattgefunden habe, nur hält es unendlich schwer, immer genau zu bestimmen, wieweit das eine oder andere Volk von seinem Nachbar beeinflusst worden sein mag. Wir müssen uns mit einer übersichtlichen Gruppierung des vorhandenen Stoffes und der Erläuterung des zweifellos Feststehenden begnügen. Nur auf diese Weise kann es uns mit der Zeit gelingen, eine Grundlage zu gewinnen, auf der sich dann bei weiterem Zufluss an neuen Belegen historischer Art leicht weiter bauen lassen wird. Dass die südslavischen Pestsagen ebensowenig als die nächst verwandten rumänischen und griechischen in ein hohes Altertum hinaufreichen, das lehrt uns der erste Blick auf ihren Charakter. Wohl hat sich mancher Zug aus uraltem Heidenglauben in diesen Sagen bis auf unsere Zeit vererbt, ihr eigentlicher Kern aber entwickelte sich erst in den letzten fünf oder sechs Jahrhunderten. Die Pest hatte nachweislich niemals in Europa ihre eigentliche Heimatstätte; man hat sie jedesmal aus Asien oder Afrika eingeschmuggelt. Im klassischen Altertum trat sie nur höchst selten und dies nur sporadisch auf und verschwand ebenso geräuschlos, wie sie gekommen. Als Epidemie grassierte sie zum erstenmal unter der Regierung Justinian’s. Im vierzehnten Jahrhundert ward ganz Europa von der schwarzen Pest heimgesucht. Damals mögen im Süden die ersten Pestsagen entstanden sein. Im Jahre 1453 fiel Konstantinopel unter dem Ansturm der Türken. Hundert Jahre später stand schon die ganze Balkanhalbinsel unter türkischer Botmässigkeit. Die türkische gesundheitliche Sorglosigkeit bürgerte die Pest unter den Südslaven ein. In wehmütigem Tone berichten alte Ragusäer Chroniken von den häufigen Heimsuchungen, denen das Land ausgesetzt gewesen. Der eigentliche Name für die Pest ist bei den Südslaven »Kuga«. [85] In Bulgarien nennt man sie gewöhnlich wie im kleinrussischen Gebiet čuma. Morija, die Mordung ist nur ein Beiwort. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Kuga ist dunkel. In der Kmetijske in rokodelske Novice in Laibach versuchte der bekannte slovenische Altertumforscher Davorin Trstenjak in einem kleinen Aufsatze »Besedi ‘Epidemie’ in ‘Kuga’ pred jezikoslovno sodijo« (Jahrg. 1856, p. 86 u. 91) mit unberechtigter Willkür eine Erklärung dieses Wortes. Sein Versuch hatte zwar zur Folge, dass ein ganzer Haufe von Zuschriften über Pestsagen an den Herausgeber J. Bleiweiss eingesandt wurde. Neues Licht über die Bedeutung des Wortes lieferten freilich auch diese Zuschriften nicht, selbst die Sagen sind auch anderweitig bekannt und man kann daher ruhig von diesen Äusserungen Umgang nehmen. Weitere Aufsätze über die südslavischen Sagen sind meines Wissens nie geschrieben, zum mindesten nicht veröffentlicht worden. Was ich im folgenden biete, schöpfe ich teils aus eignen Ermittelungen, teils aus verschiedenen Quellen, die ich jedesmal angebe. I. Die Pest im Sprichwort. Kupi kao kuga djecu. Ne izbiva kao kuga iz Sarajeva. Kud će kuga već u Sarajevo? Rafft wie die Pest die Kinder. Fehlt nicht (d. h. stellt sich pünktlich jedesmal ein) wie die Pest in Sarajevo. Wohin wendet sich die Pest als nach Sarajevo. Aus letzteren zwei Sprichwörtern ersieht man, dass sich das Volk vollkommen bewusst ist, wer der eigentliche Einschlepper der Pest sei. Wenn einer besonders entsetzt tut, so pflegt man in Slavonien zu fragen: »Šta ti je? jesi l tursku kugu vidio?« (Was fehlt Dir? Hast Du die türkische Pest gesehen?) Ne će kuga u buhe, Die Pest überfällt die Flöhe nicht, sagt zuweilen scherzweise der slavonische Bauer für die gewöhnlichere Redewendung: »ne će grom u koprive« (der Blitz schlägt nicht in Brennnesseln ein). Unwillkürlich denkt man hierbei an das Horazsche »Petunt fulmina summa montium«, was vielleicht gleichfalls auf eine volktümliche Ausdruckweise zurückzuführen sein dürfte. Ne bi jih ni kuga pomorila. Nicht einmal die Pest könnte sie (alle) hinraffen, sagt der slavonische Bauer, wenn er ein Übel verwünscht, das er gern missen möchte, z. B. Heuschrecken, Raupen, Fliegen, die ihm lästig fallen. Ne bi se čovjek ni okužio, (Daran) könnte ein Mensch nicht einmal pestkrank werden, pflegt man einem Gast beispielweise zu sagen, wenn er wenig Speise und Trank zu sich nimmt und so den gastfreundlichen Hausherrn kränkt. Er isst nämlich so wenig, dass es ihm nicht einmal in dem Falle schaden würde, wenn die Speisen verpestet wären. [86] Biži Rade, kuga mori! Fliehe Rade, die Pest würgt! Wie mir im Jahre 1869 mein damaliger Lehrer, später Gymnasialdirektor in Essek, Herr Mato Gršković, erzählte, ist dies im chrowotischen Küstenlande ein geflügeltes Wort, das man gebraucht, wenn man irgend eine schlechte und unrichtige Erklärung lächerlich machen will. Folgende Anekdote liegt ihm zu Grunde. Pera und Rade, zwei tapfere chrowotische Grenzsoldaten, die kein Wort Italienisch verstanden, ergingen sich einmal im Jahre 1848 durch die Strassen Mailands. Da kam ihnen ein Grünzeugverkäufer entgegengerannt, der auf seinem Karren Hülsenfrüchte, Rettiche und Gurken feilbot und fortwährend aus voller Kehle schrie: »Bizi, rade, cucomeri!« — »Möchte gerne wissen, was der Mensch so furchtbar schreit,« sagte Rade, und Pera entgegnete: »Er spricht ja doch ganz verständlich: »Biži Rade, kuga mori!«« Da aber rannte Rade. II. Die Pest in der Sage. In Serbien spricht man in Zeiten, wo die Pest wütet, nur selten und mit Scheu ihren Namen »Kuga« aus, sondern nennt sie, gewissermassen um sie zu besänftigen und ihren Sinn milder zu stimmen »Kuma«, d. h. Godin oder Gevatterin. Ein anderer Name für die Pest ist ‘morija’, [87] die Mordung, die Mörderin. In Pestzeiten verbietet der Volkglaube, dass man über Nacht das Geschirr ungewaschen stehen lasse; denn die Pest kommt nachts ins Haus und sieht nach, ob alles rein sei; findet sie’s aber nicht rein, so zerkratzt sie die Löffel und Schüsseln und vergiftet sie. Personifiziert und in einem Druckwerk tritt uns, meines Wissens, die Pest bei den Südslaven zum erstenmal in einem Sendschreiben des dalmatischen Dichters Krunoslav Ivičević an seinen Freund P. G. Vinko Cima entgegen. Ich gebe hier die Stelle im Urtext und füge eine ziemlich getreue Übersetzung in Versen hinzu. Gospodnjimi dojde mačonoša, A šnjim žena.... u njoj sreća loša; Crna kosa holo zarugjena; Mutno čelo, tisno i lakomo; Mačije oči, razbludna pogleda; Oštar nosić, pun zmijinja jeda. Široka joj proždorita usta; Žuto lice, nenavidno, suho; Od ljenosti podavite ruke, Zagalila suvokustne šljuke. Razgledav ju, velim sam u sebi: »Nu ti žene sedam smrtnih grjeha...!« Znatiželjan ja pitam joj druga: »Ko je ova?« Odgovara: »Kuga!«... Und es naht der Engel mit dem Schwerte, Und ein Unglückweib ist sein Gefährte. Schwarz das Haar, in wirr zerzausten Zoten Finster, schmal die Stirn, sie starrt von Habgier, Katzenäugig, Lüsternheit im Blicke, Spitz die Nase, voll von Schlangentücke. Aufgesperrt der nimmersatte Rachen, Gelb das Antlitz, voll von Neid und trocken, Träge hängen ihr die Hände nieder Ganz entblösst sind ihre dürren Glieder. Sie betrachtend, sprach zu mir ich leise: »Welch ein Weib! Wie sieben Todessünden!« Neubegierig fragt’ ich den Geleiter: »Wer ist dies?« — »Die Pest.« — Ich forscht’ nicht weiter. Das Gesicht der Pest ist vom Krebs ganz zerfressen, drum sucht sie es auch immer mit einem weissen oder schwarzen Schleier zu verhüllen. Ihre Gestalt wird stets als übermenschlich gross und mager geschildert. Ihre Brüste sind ganz schwarz und so lang, dass sie sich beide über die Schultern wirft, um nicht im Gehen durch sie behindert zu werden. [88] Grosse lange Brüste gelten dem Serben als Inbegriff aller Hässlichkeit bei einem Weibe. In Bezug auf das Aussehen ihrer Füsse gehen die Überlieferungen auseinander. Die einen melden, sie habe einen Kuhfuss, die andern einen Pferdefuss, in anderen dagegen heisst es, dass beide Füsse Pferdefüsse seien, wieder andere Zeugen aber wollen ganz deutlich Bockbeine bei ihr gesehen haben. Die Bockfüsse, welche die christliche Kirche dem Teufel beigibt, sind wie bekannt, der altgriechischen Vorstellung von den Satyren entlehnt. Am Graben in Wien steht eine Pestsäule, auf der der Engel Gabriel mit flammendem Schwerte auf einem Teufel steht. Ich betrachtete oft die Gestalt des unterliegenden Satans und es schien mir nicht anders, als ob die Südslaven so ein Bild vor Augen gehabt hätten, als sie sich die Pest ausmalten. Und wirklich sah ich in vielen Dorfkirchen im Süden Darstellungen, die der gedachten Gruppe an der Pestsäule in Wien vollkommmen entsprechen. Wenn die Pest ins Land kommt, so kann sie nicht ohne weiteres über die Menschen herfallen, sondern muss so lange umherirren, bis sie jemand trifft, der zwanzig Jahre lang eine Todsünde im Herzen verborgen mit sich herumträgt und es noch immer verschmäht hat, durch Beichte Absolution zu erlangen. Gelingt es ihr nun, auf einen solchen verstockten Sünder zu stossen, so reisst sie ihm das Herz heraus verwandelt es zu Staub, der sofort nach allen Richtungen in die Luft zerstiebt. Jedermann der von diesem Staube einatmet, wird auf der Stelle krank und stirbt elendiglich in kürzester Frist. Die Pest nährt sich von den Herzen ihrer Opfer. Hat sie einmal ihren Hunger gesättigt, so zieht sie den Rest des Staubes, der sich noch in der Luft befindet, in sich ein. Infolgedessen muss sie platzen. Aus ihrem Magen tritt ein Knabe heraus, ganz in Schwarz gehüllt. Dieser Knabe hält in der Rechten ein blutiges Schwert. Hierauf schliesst sich die Öffnung im Körper der Pest und sie wandert (aus Furcht vor dem Knaben mit dem Schwerte?) in eine ganz andere Gegend aus. [89] Nach einer chrowotischen Sage macht die Pest jedes siebente Jahr eine Rundreise durch die Welt. Hier ist, sowie in einer später folgenden Sage das Auftreten der Zahl Sieben bemerkenswert, die ja nicht nur bei den Südslaven, sondern bei vielen Völkern eine grosse Rolle spielt. Es gibt nicht bloss eine Pest, sondern mehrere, entweder sind es ihrer zwei oder drei, oder gar sieben Schwestern, wie mir ein Bauer vor Jahren erzählte. Dagegen nimmt man in Serbien an, ihre Zahl sei gar nicht zu bestimmen, denn sonst wären sie schon längst von den Hunden, ihren Erbfeinden, gänzlich vertilgt worden. Die Pest kommt nämlich alljährlich ins Land, nach Angabe eines meiner Freunde in Slavonien, doch, den Hunden sei es gedankt, muss sie sich schleunig wieder aus dem Staube machen oder sie wird von den Hunden zerrissen. Ja es gibt auch Menschen, die durch böse Beschwörungen die Pest herbeirufen können. Man kann sie aber auch gewissermassen sowohl für Menschen als für Tiere erzeugen. Das Rezept dazu lautet: »Wer die Pest erzeugen will, muss sich die Milch von zweien Schwestern zu verschaffen suchen und sich damit in der Johannisnacht um die zwölfte Stunde auf den Friedhof begeben, die Milch in ein Grab schütten und dann zuhorchen; da wird ein Jammergeschrei von vielen Menschenstimmen an sein Ohr dringen. So erzeugt man die Pest für Menschen; wer aber eine Pest über Kühe, Pferde und andere Haustiere heraufbeschwören will, nehme Milch von zweien Kühen, die von einer Mutter stammen, oder von zweien Stuten von einer Mutter, mache es ebenso wie zuvor gesagt, und er wird ein furchtbares Rindergebrülle vernehmen.« — (Die Sage stammt aus der Gegend von Warasdin.) Wie tief dieser Glaube im Volke wurzelt, beweist folgende Erzählung: Es geht die Sage, dass in der Kapelle des heiligen Rochus in Warasdin ein Pfarrer namens Vojskec begraben sei, der bei Nacht umgeht und die Leute in Schrecken versetzt, die an der Kapelle vorbeigehen. Vojskec war bei Lebzeiten ein hartherziger Mann, der mit ganzer Seele am Mammon hing. Die Pest war zur Zeit nur schwach. Er betete aber fortwährend um die Pest, ohne zu bedenken, sie könnte ihn gleichfalls dahinraffen. Während er einmal wieder darüber nachsann, kam zu ihm ein Weib, das erst aus dem Wochenbett aufgestanden, und bat ihn um seinen Segen, damit sie wiederum die Kirche besuchen dürfe. Der Pfarrer, der sich in seinen Gedanken nur mit der Pest beschäftigte, ersuchte sie, sie möge ihm von ihrer Milch geben. Das Weib wollte es nicht tun, denn sie schämte sich und befürchtete, der Pfarrer könnte Gott weiss was für Ungebührlichkeit damit anfangen, sagte ihm aber zu, sobald sie nach Hause käme, ihm die Milch zu schicken. Sobald sie nach Hause kam, schickte sie ihm statt Milch aus ihren Brüsten, Kuhmilch. Vojskec war höchst vergnügt, dass er im Besitze der Milch war, und befahl seinem Knechte, der sich von der Art seines Herrn, für ein Gläschen Wein oder auch um einige Gröschlein jedem Dienste unterzog, er solle sich um Mitternacht auf den Gottesacker begeben, ein Kreuz von einem Grabe herausnehmen, in die kleine Öffnung die Milch hineingiessen, das Kreuz wieder an seinen Ort stecken und eine kleine Weile zuhorchen. [90] Der Knecht befolgte pünktlichst die Weisung des Pfarrers und horchte zu, doch statt Gewimmers und Klagen drang ein furchtbares Rindergebrüll an sein Ohr. Darüber ergriff ihn Entsetzen, und ganz ausser sich geraten stürzte er nach Hause und erzählte dem Pfarrer, was er gehört. Der Pfarrer wusste sogleich, das Weib habe ihn hinters Licht geführt und es werde ein grosses Unheil daraus entstehen. So traf es auch wirklich ein. In kurzer Zeit brach in der ganzen Stadt eine so verheerende Seuche aus, dass nicht ein einziges Stück Hornvieh übrig blieb. — Hingegen gibt es Leute, die da behaupten, auf der Trift draussen seien dennoch einige Stücke übriggeblieben; sie wollen nämlich ein schneeweisses Tier, in der Grösse eines kleines Kalbes, zur Nachtzeit herumlaufen gesehen haben, das war die Pest. Wer nun so vorsichtig war, auf eine Schaufel Salz zu geben und sie unter die Stallschwelle zu legen, dem verendete nicht ein einziges Stück Rind. Doch man erfuhr viel zu spät von diesem Gegenmittel. — Nicht lange darauf starb der Pfarrer und man bestattete ihn in der Rochus-Kapelle. Wanderer, die zur Nachtzeit dort vorübergingen, sahen den Pfarrer um die Kirche herumlaufen und mit einer Peitsche knallen. — Es traf sich, dass ein Mann aus Warasdin zur Nachtzeit in das nahe Dorf Biškupec ging. Vor der Kapelle des heiligen Rochus sah er eine Kutsche, vor der vier Pferde vorgespannt waren. Der Kutscher rief dem Manne zu, er möge einsteigen, er wolle ihn ein Stück Weges fahren. Der Mann nahm diesen schönen Antrag von Herzen gern an und stieg ein. Auf dem Wege sprachen sie kein Wort miteinander; auf dem Kreuzweg aber, wo der Weg nach Biškupec führt, hielt der Kutscher an, hiess den Mann aussteigen und fragte ihn, ob er die Pferde kenne. Der Mann entgegnete ihm, er kenne sie nicht und der Kutscher gab ihm die Namen der Pferde an und nannte unter ihnen auch den Pfarrer Vojskec. Darüber entsetzte sich der Mann, blickte dem forteilenden Wagen nach und sah Kutsche und Pferde im Feuer. Jetzt erst erkannte er, er sei auf einem Teufelgespann gefahren. Als er nach Hause kam, war er vor Schreck ganz gelähmt und mehr tot als lebendig. So reich und gesegnet von Mutter Natur der slavische Süden auch ist, geschah es dennoch in früheren Zeiten, als der Anbau der Kartoffeln und des Maises noch nicht allgemein war, dass wütende Hungernot das Land von seinen Bewohnern lichtete. Die natürliche Folge davon war, dass sich die Pest einstellte. So einen Fall bezeugt folgende Sage: In Warasdin wütete einst eine so grosse Hungernot, dass sich arme Leute gezwungen sahen, Grummet zu kochen und es zu essen. In folgedessen entstand eine furchtbar verheerende Pest in der ganzen Gegend und in Agram selbst und schon waren mehr als tausend Menschen gestorben. Der Gottesacker erwies sich zu klein für die Menge Leichen und man begrub die Toten um die Kirchen herum und unter anderen auch bei der Kapelle des heiligen Fabianus, wo man hundert Menschen bestattete. Lange Zeit nach dieser Pest zeigte sich den Leuten, wenn sie an der Kapelle des heiligen Fabianus vorübergingen, an Charfreitagen und Charsamstagen, sowie an allen grösseren Feiertagen, auf dem Turmfenster ein Kind, das hin und wieder ein Wort ausstiess, das aber für niemand verständlich war. In später Nachtzeit sahen es auch die alten Leute, die in der Nähe der Kapelle ihre Rinder weideten. — Kurze Zeit darauf brach eine schreckliche Rinderpest in Warasdin aus. Zur Zeit der Seuche schwirrte nächtlicher Weile ein Vogel durch die Lüfte und liess einen wunderbaren Gesang vernehmen. Diesen Gesang verstand ein alter Mann und teilte den Leuten mit, der Vogel verkünde, auf welche Art und Weise man sich von der Heimsuchung befreien könne. Man müsse nämlich als Gegenmittel jungen Zwiebel (poriluk) und Pigmentkraut (travu pigmant) in Anwendung bringen. Gewöhnlich sucht man die Pest durch brennende Wacholderzweige zu bannen. [91] Die folgende Sage über die Abstammung der Pest trägt einen christlich legendenhaften Charakter an sich. Das Geburtland der Pestschwestern hat das Meer verschlungen und unstät irren die Schwestern gleich drei Furien von Erdteil zu Erdteil, bis sich ihr Schicksal erfüllt. [92] Es war einmal ein ausserordentlich reicher König, nur hatte er gar keine Kinder. Siebenmal verheiratete er sich und mit jeder Frau lebte er sieben Jahre, doch keine dieser Ehen war mit Nachkommenschaft gesegnet. Sobald sieben Jahre in der Ehe mit einer Frau verstrichen, ohne dass sie ein Kind gebar, liess er sie ohne weiteres hinrichten. Zuletzt gab er jeden Gedanken an eine neue Ehe auf, denn kein Frauenzimmer mehr mochte ihn zum Manne haben. Nun geschah es, dass er sich einmal auf der Jagd im Walde verirrte und bei dieser Gelegenheit ein Frauenzimmer fand. Mit ihr lebte er drei Jahre und zeugte mit ihr drei Töchter, doch alle drei Töchter kamen mit Bockfüssen zur Welt. Als die Mädchen erwachsen waren, gestand ihre Mutter dem König, sie sei der Teufel selbst, gestand’s und verschwand. Als dies der König nun erfuhr, sperrte er alle seine drei Töchter ins Gefängnis ein, wo sie die längste Zeit eingesperrt sassen. Da traf es sich, dass sich ein vorwitziger Mensch (ein Hofmann bei Ilić), im Glauben, die Mädchen seien wer weiss wie schön, auf irgend eine Art die Schlüssel zum Gefängnis verschaffte und die Mädchen freiliess. Sie ergriffen sogleich die Flucht und fingen an, überall die Menschen hinzuraffen. Es währte nicht lange und es gelangte die Kunde zu des Kaisers Ohren, die Pest wüte in seinem ganzen Reiche. Er liess sogleich alle Ärzte, die grössten Gelehrten kommen, damit sie sein Volk von der Plage befreiten, doch alle Mühe war vergebens, denn die Leute starben ununterbrochen Tag für Tag hin, so dass zuletzt der König allein am Leben blieb, und um das Strafgericht vollends über ihn hereinbrechen zu lassen, versank sein ganzes Reich in die Erde, und wo sich sein Reich befand, dehnt sich jetzt ein weites Meer aus. Seine drei Töchter aber begaben sich in drei verschiedene Weltteile, um dort zu morden. Weil es aber fünf Weltteile gibt, deshalb wechseln die Schwestern im Besuch der anderen zwei Weltteile ab. Doch sollte es sich durch einen Zufall fügen, dass diese drei Schwestern zusammenkommen, so wird sich unter ihnen ein Kampf entspinnen, in dem alle drei umkommen werden. Dieselbe Sage kehrt in einem Volkliede wieder, das zwar in einem slavonischen Dörfchen, in Migalovci bei Požega aufgezeichnet wurde, [93] wie aber aus seinem Inhalte erhellt, aus Bosnien stammt. »Sarajevo, o du Horst der Falken! Sarajevo, deine Spur verschwinde! In dir starben mir drei Herzensgüter. Erstes Gut: die alte, teure Mutter, Die mich Jungen zärtlich auferzogen, Auferzogen, an der Brust gesogen. Zweites Gut: der waffentücht’ge Bruder, Mit dem ich das Waffenhandwerk lernte, Und das dritte: Liebchen Angelika, Die mir schön zurecht die Kissen legte. Möge Gott und auch die heilge Sonntag, Und Sankt Petrus und Johann der Täufer, Über dich ein böses Unheil schicken, Dass in dir kein Liebchen je heirate, Je heirate und kein Bursche freie! In dir soll kein Kind geboren werden, Noch in Mutterarmen Tränen weinen. In dir haust ein Drachentier dreiköpfig, Mit drei Köpfen und mit Ziegenfüssen.« Doch erwidern ihm die Bulen Saraj’s [94] Sie erwidern ihm, dem fremden Kämpen: »Steh ein Gott dir bei, o fremder Kämpe! Was verfluchst du ’s eb’ne Sarajevo, Dass in ihm kein Liebchen je heirate, Je heirate und kein Bursche freie, Und darin kein Kind geboren werde, Noch in Mutterarmen Tränen weine, Weil da haust ein Drachentier dreiköpfig, Wohl dreiköpfig und mit Ziegenfüssen? Dies ist wohl kein Drachentier dreiköpfig, Mit drei Köpfen und mit Ziegenfüssen, Wohl kein Drache ist’s, o fremder Kämpe! Doch die Pest ist’s; ihre Spur verschwinde, Und auch Jenes, der sie freigelassen Aus des mächt’gen Kaisers Burgverliesse, Dass sie Dorf und Stadt uns arg verwüste, Und vom Liebchen trenne den Geliebten!« Wie aus einem anderen Volkliede erhellt, wird die Pest von Gott selbst ausgesandt. Sie wandert in Frauengestalt von Ort zu Ort und mordet die Menschen hin. Vor ihr nützt auch die Flucht nichts. Das Volklied stammt aus dem Herzogtum [95] und lautet: Als die Pest [96] ganz Mostar hingemordet, Ganz gemordet, kam sie auch nach Travnik. Aus den Städten flohen alle Menschen. Mit der Mutter flüchtete Mariechen, Flüchtete sich auf die Vlašić-Alpe. Oft ergeht sich Mara auf dem Vlašić, Schaut nach Travnik in das grause Elend, Wo man fort und fort die Toten austrägt, Wo an Fahnen Fahnen traurig wehen, Lauter Helden unter Heeresfahne, Junge Frauen mit dem Witwenschleier, Lauter Mädchen unter Perlenzweigen. Als die Pest nun zu der Alp’ gelangte, Traf sie Mara an der kühlen Quelle. »Steh dir Gott, Mariechen, bei, du Mädchen!« — »Gott gesegn’s meine liebe Muhme!« Gab die Pest, von Gott gesandt, zur Antwort: »Wohl bin ich dir keine liebe Muhme, Sondern bin die Pest, von Gott entsendet; Morde hin, so Jugend wie das Alter, Und vom Liebchen trenn ich den Geliebten.« Da nun hub Mariechen an zu flehen: — »Tu mich junges Blut doch nicht ermorden, Schon auch meinen Liebsten in der Ferne!« Gab die Pest, von Gott gesandt, zur Antwort: »Hab den Liebsten dir schon längst gemordet, Längst gemordet, d’ran schon fast vergessen.« Als Mariechen dies vernahm, das Mädchen, Sank sie leblos hin ins kühle Wasser. Dagegen erfahren wir aus einer anderen Sage, die Pestschwestern müssten auf das Geheiss ihres Königs die Menschen heimsuchen; es ist ein unabänderlicher Schicksalbeschluss, dem sie sich fügen. In diesem Falle erinnern sie lebhaft an die griechischen Erynnien, die unter Umständen als Eumeniden, sowohl für einzelne, als für einen ganzen Stamm auftreten. Erfüllt man ihren Wunsch, so schonen sie den, der sich ihnen fügt, und suchen ihn und die Seinigen vom Verderben zu bewahren. Nur selten bricht die Pest ihr gegebenes Wort, doch nicht ungestraft, denn die Strafe folgt ihr auf dem Fusse. Von ihrer grossen Dankbarkeit erzählt eine Sage. Einst verfolgten Hunde die Pest und sie verwandelte sich schnell in ein Wiedengebünde, sonst hätten sie die Hunde zerrissen. Es war aber ein harter Winter und die Wieden froren fest ein. Nun kam ein Bauer des Weges, der benötigte eben Wieden und trug den Bund nach Hause. In der warmen Stube am Ofen taute die Pest auf, nahm ihre ursprüngliche Gestalt an, dankte dem Menschen für seine Barmherzigkeit, und seit jener Zeit, heisst es, schone sie gewöhnlich die Menschen und überfalle nur die Haustiere und selbst diese nicht mehr so häufig, wie ehedem. [97] Nach einer anderen Sage sind die Pest und die Todgöttin leibliche Schwestern, die einander ablösen, wenn die eine müde wird. [98] Auf einer folkloristischen Wanderung im Sommer 1907 erzählte meinem Schüler Otto Goldstein der Bauer Lazo Tadić zu Gradski Vrhovci in Slavonien: ‘Bei der Besiedelung von Gradski Vrhovci zogen sich Bruder und Schwester nackt aus und sie spannten zu stockdunkler Nachtzeit zwei von einer und derselben Mutterkuh herstammende schwarze Ochsen vor den Pflug und umackerten das Dorf, damit darin die Pestfrau keine Gewalt erlangen könne.’ [99] Das war eine Vorbeugungmassnahme für die Zukunft. Warum besorgen splitternackte Leute die Umackerung? Es ist zu erinnern, dass noch in Bulgarien die Erzeugung des reinen Feuers durch Holzreibung nackten Leuten obliegt und dass alle die schweren Zaubereien zur Abwehr tückischer Waldgeister ganz nackt zu vollziehen sind. Was die Nacktheit zu bedeuten hat, lehren die erotischen Zauberbannsprüche in den Anthropophyteia IV. und Dr. Iwan Blochs treffliche Darlegungen im Sexualleben unserer Zeit (1908). Es ist nicht angebracht, hier auf Anschauungen einzugehen, deren nähere Besprechung nur unter strengstem Ausschluss der Öffentlichkeit kaum noch geduldet wird, aber ich muss bemerken, dass der Kleidermangel beim Umackern und der Feuererzeugung nicht allein auf die religiöse Vorstellung hinweist, sondern auch auf eine Zeit, wo das Volk, klar und klipp herausgesagt, nur bei festlichen Gelegenheiten Kleider als einen Schmuck und im Winter zum Schutz gegen Kälte anzulegen pflegte. Sonst wandelte man sonder Scheu und Scham ohne Gewandung einher und ward sich seiner Nacktheit nicht bewusst. Weil man in längst vergangenen Tagen nur im natürlichen Kleide der Unschuld den Brauch vollzog, meinen die späten Nachfahren, die was anzuziehen haben, die Nacktheit gehöre mit zur Weihe des Umzuges und der Feuererzeugung. Darin bestärkt sie die Anschauung, den Bösen dürfe man nicht einen Faden von seinem Leibe überlassen, damit sie keine Gewalt über einen gewinnen mögen. Beim Umzug aber tritt man in unmittelbare Berührung mit den Geistern, und da ist es am rätlichsten, man habe nichts am Leibe, wessen sich die Namenlosen bemächtigen könnten. Darum eben bewahrt man tiefstes Schweigen, denn auch ein unbedachtes Wort, das einem über die Lippen glitte, könnte zu einem Haken werden, an dem einen der tückische Waldgeist an sich zöge. Weitere Angaben über die Pest bieten folgende Sagen. Ein Mann ging spät abends vom Felde nach Hause. In der Nähe des Dorfes begegnete er zweien merkwürdigen Weibsbildern. Die Weiber waren von etwas kleiner Gestalt, ohne Nasen und Ohren und hatten kleine Schlangenaugen, die tief im Spitzkopf drin sassen, die Hände glichen Katzenpfoten und die ganze Gestalt trugen Bockfüsse. Der Mann entsetzte sich bei diesem Anblick, ermannte sich aber schnell und fragte sie, wer sie sind und wohin sie gehen. Die furchtbaren Weiber gaben ihm zur Antwort: »Wir sind die Pest, zwei leibliche Schwestern. Eine von uns wird die Leute in diesem Dorfe hinraffen, während die andere weiterzieht. Wir kommen geradenwegs aus Sarajevo und stammen aus dem Pestlande. In Sarajevo erhielten wir von unserem Pestkönig den Befehl, auf eine Zeitlang hieher zu ziehen.« Bei diesen Worten vermeinte der Mann, er müsse sich auf der Stelle vor Grauen in einen Baum oder Felsen verwandeln. Doch die Pestschwestern sprachen ihm Mut zu und suchten ihn zu beruhigen. »Sei ganz getrost,« munterten sie ihn auf, »Dir und Deinem Gesinde soll kein Haar gekrümmt werden, wenn Du uns Folge leistest und bereit bist, uns eine kleine Gefälligkeit zu erweisen.« Der Mann wäre bereit, mit blossen Händen glühende Kohlen zu scharren, damit ihn die Pest nur verschone, er fleht sie an und beschwört das Schwesterpaar bei allem, was ihnen hoch und heilig ist, Gnade zu üben. »Es soll Dir nicht das Geringste widerfahren,« beruhigten ihn die Pestschwestern, »nur musst Du uns auf deinen Rücken nehmen und in Euer Dorf hineintragen, damit uns die Hunde nicht zusetzen; dann wirst Du uns dein Haus bezeichnen, damit wir es umgehen können, sobald wir von Haus zu Haus zu wandern und die Menschen hinzuraffen beginnen.« »Warum mordet Ihr denn die Menschen hin, die sich ja nie auch das Geringste gegen Euch zu Schulden kommen liessen?« fragte der Mann. »Wir gehorchen nur dem Befehle,« entgegneten die Schwestern. Wiederum hub der Mann an: »Gibt es nicht irgend ein Mittel, durch das sich der Mensch vor Euch Pestschwestern irgendwie schützen könnte?« »Freilich,« erwiderten die Pestschwestern, »es gibt gar so manches, da hast gleich eines: Es müssten zwölf Burschen und zwölf makellose Jungfrauen von tadelloser Lebensweise am Vorabende des Sonntags nach dem Neumond in der Geisterstunde einen Pflug nehmen, sich damit hinaus vor das Dorf begeben, sich splitternackt ausziehen, so wie sie die Mutter geboren, sich dann ins Joch spannen und das Dorf ringsherum umackern.« [100] »Noch eins. Während des Umackerns müssten sie wie ein Marmorstein das tiefste Schweigen beobachten, keiner dürfte begierig und lüstern den Blick erheben, geschweige denn den anderen berühren. So müssten sie siebenmal immer in derselben Furche ackernd ums Dorf ziehen, bis die Furche zu einem kleinen Graben erweitert ist.« Während die Pestschwestern, bald die eine, bald die andere, erzählten, musste sie der Mann fortwährend tragen. Die Augen traten ihm aus den Höhlen vor der grossen Bürde — so schwer waren sie —, doch er durfte ja mit keinem Worte Einspruch erheben. Sobald sie in die nächste Nähe des Dorfes gelangten, erhoben alle Hunde ein Gebell, als wenn sie jemand loshetzte. Da fragte der Mann die Pestschwestern, wie sie sich denn, wenn sie allein gehen, der Hunde erwehren. Die Pestschwestern antworteten: »Trifft es sich, dass uns ein wilder Hund anfällt, so verwandeln wir uns schnell in eine Wetzkiste oder einen Korb oder eine Fledermaus.« — »Wie rafft Ihr aber die Menschen hin?« fragte der Mensch und sie gaben ihm zur Antwort: »Entweder vergiften wir die Luft und die Brunnen, oder wir gehen von Haus zu Haus, wenn die Leute beim Nachtmahl sitzen, und jeder, den wir ins Auge fassen, bekommt eine schwarze Beule, an der er sterben muss. Ein andermal fangen wir mit Gedärmereissen, Erbrechen, Durchfall und Krämpfen an.« Der Mann begab sich in sein Haus, indessen die Pestschwestern von Haus zu Haus im Dorfe ihren Besuch machten. O, welch ein Morgen! Im ganzen Dorfe gab es Wehklagen und Jammer ohne Ende, die Menschen sanken wie Halme hin und hätte man nicht Essig, Wacholder, Kampfer und Branntwein gebraucht, und hätten Burschen und Mädchen das Dorf in der Runde nicht umgeackert, alles wäre ausgestorben. [101] Diese Sage tritt in ihren Grundzügen in mannigfachen Versionen auf, z. B. in folgender: (Valjavec, Narodne pripoviedke, p. 243 f.) Ein Bauer kehrte aus der Stadt, wohin er einen Wagen Steine geführt, abends nach Haus, als er plötzlich ein ganz weiss gekleidetes Frauenzimmer herannahen sah, das sich ohne Umstände zu ihm auf den Wagen setzte. Er erschrak darüber gewaltig, denn er dachte, Gott weiss was dies zu bedeuten habe. Doch das Weib beruhigte ihn: »Du brauchst nicht die geringste Furcht zu haben, fahre Du mich nur getrost bis zu Deinem Hauswesen.« — Als sie im Dorf anlangten, war schon vollends Dunkelheit angebrochen. Da sprach das Weib zu dem Bauer: »Nun gut, Du hast mich hiehergebracht, doch ich habe kein Geld, um Dich dafür zu bezahlen, aber ich will Dich ein Bild sehen lassen, komm näher und tritt mir auf die grosse Zehe.« — Er näherte sich ihr, trat ihr auf die Zehe und er schaute ein grausiges Bild, ganze Ströme von Blut, abgeschlagene Köpfe und tote Menschen. Hierauf versetzte das Weib: »Siehst Du dieses Schauspiel? — So wie es Dir jetzt vorgeführt wird, so wird es in kürzester Zeit hier aussehen, drum trachte Du mit allen Deinen Angehörigen aus diesem Dorfe fort auf mindestens drei Tagereisen weit Dich zu entfernen.« — Und so geschah es. Er wanderte mit den Seinen aus und die Pest stellte sich nach seinem Abzug ein, raffte die Menschen hinweg, stachelte sie gegeneinander auf, so dass sie einander selber hinmordeten. So kam es, dass Blut in Strömen floss, und es überall abgeschlagener Köpfe und toter Menschen gab. Etwas vollständiger ist folgende Sage: Als uns letztesmal die Pest aufsuchte, wohnte sie bei einem alten Weibe, das weder einen Hund noch eine Katze hatte; vor diesen Tieren hat nämlich die Pest eine besondere Furcht, ausgenommen, sie wären von jemand mit einem Besen, einem brennenden Holzscheit oder einem Schürhaken geschlagen worden. Nach geraumer Zeit liess sich die Pest durch jemand in ein anderes Dorf tragen, und diese Geschichte trug sich folgendermassen zu: Es kam einmal an einem Abend ein Wanderer zu derselben alten Frau, um bei ihr über Nacht eine Herberge zu nehmen. Die Pest, die schon im ganzen Dorfe gehörig aufgeräumt hatte, beschloss ihre Reise fortzusetzen, doch da ihr kein Wagen zur Verfügung stand, um darauf zu fahren, befahl sie dem Manne, er müsse sie tragen. Er lud sie sich auf den Rücken und machte sich mit ihr auf den Weg. Nachdem er eine Weile gegangen, fragte ihn die Pest, ob sie ihm schwer scheine. Er verneinte es. Doch, sowie er das Wort aussprach, in demselben Augenblicke machte sie sich schwerer. So richtete sie mehrmals an ihn dieselbe Frage und machte sich jedesmal schwerer, so dass der Ärmste jeden Augenblick umsinken zu müssen glaubte. Die Pest merkte, der Mann könne unter ihrer schweren Last kaum mehr von der Stelle — sie spielte ihm nur deshalb so arg mit, weil er fortwährend sagte, sie falle ihm nicht schwer, er getraute sich eben aus Furcht nicht die Wahrheit zu gestehen — und so forderte sie ihn auf, ein Weilchen Rast zu halten. Kaum war er wiederum ein wenig zu Atem gekommen, so warf sie sich schon wieder auf ihn, damit er sie weiter schleppe. Und wieder fragte sie ihn fast jeden Augenblick, ob sie ihm schwer erscheine. Er verneinte es neuerdings, worauf sie sich allmählich so leicht machte, dass er schon vermeinte, er trage sie überhaupt nicht mehr. So kamen sie endlich in das Dorf, wo ihm die Pest zum Lohn dafür, dass er sie getragen, die Zusicherung gab, sie werde niemand aus seinem Hause hinraffen. Kurze Zeit darauf gelang es den Leuten, die Pest aus dem Dorfe zu vertreiben, sie flüchtete an die Save. Das Wasser war ausgetreten und hatte weit und breit alles überschwemmt, die Pest aber konnte nicht hinüber. Und sie bat einen Fährmann, der die Leute auf seinem Kahne über die Save setzte, er möge sie hinüberfahren, doch wusste sie zu ihrem Leide nicht, dass der Mann unter seinem Pelze einen Hund habe. Der Mann nahm sie ohne weiteres in seinen Kahn auf und fing zu rudern an. Als sie sich nun in der Mitte des Flusses befanden, erwachte der Hund, erblickte die Pest und griff sie unbarmherzig an. Die Pest flehte den Mann an, er möge sie schützen, doch alles umsonst; der Hund setzte ihr so lange zu und zerbiss sie so jämmerlich, bis sie ins Wasser fiel. Mit grosser Müh und Not gewann sie das jenseitige Ufer und drohte ihre Wunden zu rächen, bis alle Hunde verenden. Doch, Gott sei Lob und Dank, das wird nicht so bald geschehen, denn das Hundegeschlecht vermehrt sich von Tag zu Tag immer mehr. Verwandt mit dieser ist folgende Sage aus Dalmatien [102]: Einst verhandelte die Pest mit einem Fährmann, der die Überfuhr zwischen dem Küstenland und einer Insel vermittelte, er möge sie allein auf die nahe Insel hinüberfahren, sie werde ihm nicht das Geringste anhaben, falls er aber kein Vertrauen in ihr Wort setze, so könne er ja in die Mitte des Schiffleins Dornen und Wacholdergesträuch legen. Um das Unheil von seinem eigenen Heimwesen abzuwehren, musste der arme Fährmann notgedrungen auf ihren Vorschlag eingehen, legte aber zur Vorsorge in die Mitte des Schiffleins Dornen, Judenstrauch und eine Wacholderstaude. Am Vorderteil liess er die Pest sich setzen, am Hinterteil sass er selber und fing zu rudern an. Als sie sich nun auf hoher See befanden, wollte die treulose Pest den Vertrag brechen, indem sie den Versuch machte, über die Judendornen hinüberzusetzen und den Schiffer anzustecken. Doch sie stach sich gewaltig und schrie aus: »Tukadar bukadar, u Primorje nikadar« [103] und das sollte bedeuten: »Überall einmal, ins Küstenland niemals!« Von ihrer grossen Erkenntlichkeit meldet eine andere Sage: [104] Es war einmal ein Bauer, der fuhr einen Juden aus einem Orte in einen anderen und bedang sich von ihm als Fuhrlohn fünf Gulden aus. Der Jude gab ihm drei Rheinische Drangeld und der Bauer liess ihn auf den Wagen steigen. So kamen sie vor die Maut und mussten ein Weilchen dort anhalten. Der Jude erlegte das Mautgeld. Der Abend war schon angebrochen und dem Juden kam plötzlich ein Gedanke. Er forderte nämlich den Bauer auf, ins Mauthaus hineinzugehen und dort um einige Zündhölzchen zu bitten. Arglos stieg der Bauer vom Wagen herab und begab sich zu dem Mautner, um einige Zündhölzchen zu holen. In der Zwischenzeit trieb der Jude die Pferde an und machte sich so mit Pferden und Wagen aus dem Staube. Zwar rief ihm der Bauer nach, er soll nicht davongehen, doch der Jude kehrte sich nicht daran und warf des Bauern Sachen aus dem Wagen heraus. Dieser Bauer war aber mit einer Pest bekannt. Das traf sich nämlich so: Einst fuhr er die Pest von einer Brücke bis zu seinem Hause. Als sie dort anlangten, fragte sie ihn, was er dafür verlange. Nun wusste er nicht, dass dieses Frauenzimmer die Pest sei, und sagte, er verlange gar nichts. Hierauf entgegnete die Pest, er möge sich, wenn er irgendwie in eine Notlage geraten sollte, drei Haare aus dem Kopfe reissen und sie werde gleich zur Stelle sein und ihm Hilfe leisten. Da dachte der Bauer in seiner jetzigen Notlage an die Pest und befolgte ihre Weisung. Sogleich stellte sich die Pest ein, fing den Juden und stellte dem Bauern seine Pferde und seinen Wagen zurück. Den Juden aber, sowie alle übrigen Juden, die in dem Dorfe wohnten, wo des Bauers Häuschen stand, raffte sie schmählich hin. Man braucht der Pest nicht einmal einen Dienst zu erweisen, um sie gnädig zu stimmen, es genügt mitunter, wenn man ihrer Einladung Folge leistet. In der Nähe von Pavlovac im Walde hauste einst die Pest. Ein Bauer fuhr auf seinem Wagen allein durch den Wald, da brach die Pest hinter dem Gesträuch hervor, schlachtete den Mann und die Pferde ab, und warf den Wagen in den Graben hinab, so dass der Wagen in Stücke zerfiel. Dann nahm sie die Halfter und die Holzstücke, trug sie zu einem nahen Baume und machte dort ein grosses Feuer an. Als sie einen Mann des Weges kommen sah, rief sie ihm zu: »Gevatter, kommen Sie doch her Fleisch essen. Ich habe eben Mann und Pferde abgeschlachtet, den Wagen zerschlagen und mit den Holzstücken ein Feuer angemacht. Die Halfter habe ich mir aufgehoben.« Hierauf trat der Mann zu ihr hin und sie gab ihm die Halfter. Er wärmte sich nun an ihrer Seite am Feuer, ass mit ihr von dem Fleische des Menschen, den sie abgeschlachtet und kehrte dann heim. Nun würgte die Pest im ganzen Pavlovac alles hin, nur im Hause des letzteren gab es keinen Toten, nicht einmal einen toten Hund oder eine tote Katze. Am liebsten hält sich die Pest auf Friedhöfen auf, und Wehe dem, der sie plötzlich aufscheucht. Sie rafft ihn ohne Erbarmen hin, ja sie verscharrt ihn sogar sorgfältig, damit sie ihn nicht mehr vor Augen habe. Darauf bezieht sich eine zweite Sage: Es traf sich einst, dass zu gleicher Zeit, wo die Pest auf dem Friedhofe herumging, ein Mann dort etwas zu tun hatte. Die Pest überfiel den Mann, schlachtete ihn ab und legte ihn ins Grab zu seinen übrigen Anverwandten. Am anderen Tag ging man ihn suchen, doch alles Nachforschen war vergebens. Sein Weib war vor Schmerz ganz aufgelöst und begab sich zuletzt auch auf den Gottesacker ihn suchen. Grab für Grab öffnete sie unter Beihilfe des Oheims und endlich fanden sie den Gesuchten in einem Grabe. Ihr Erstaunen war sehr gross: »Was mag ihn denn hierher geschafft haben?« — Schliesslich sagten sie, es könne nicht anders sein, als die Pest habe ihn erwürgt und hier verscharrt. Es ist nicht unmöglich, dass ein Meuchelmord die Veranlassung zur Entstehung dieser Sage gebildet. Wie denn überhaupt ruchlose Subjekte zur Zeit einer Pest die Gelegenheit benützen, um zu stehlen und zu plündern. Niemand wagt es abends die Stube zu verlassen, aus Furcht, der Gevatterin zu begegnen. Das ist dann die Wonnezeit der Diebe und Verbrecher. So entstand das Sprichwort: »Er stiehlt wie die Pest.« [105] Zu Epidemiezeiten öffnen galizische Juden nachts die Türe nur, wenn der draussen stehende dreimal geklopft hat. Türen und Fenster hält man nachts geschlossen, öffnet sie aber auch tagsüber wenig. B. W. Schiffer, Am Urquell IV (1893) S. 272. Mitunter gefällt es der »Gevatterin«, ihren Besuch anzukündigen. Doch es hält schwer, oder es ist gar unmöglich, sie um ihre Beute zu betrügen; davon erzählen folgende zwei Sagen: [106] Es war einmal ein Messner, der läutete einst am späten Abend »Ave Maria« und gewahrte ein scheussliches Gespenst, das auf dem Berge auf einem Karren gegen ihn zufuhr. Das Gespenst hatte einen Totenkopf auf und ein Kreuz, und ging schnurstracks auf den Mann los. Da ergriff ihn panischer Schrecken und er rannte wie blind dem Dorfe zu, doch das Gespenst holte ihn ein, trat vor ihn und sprach: »Steh still! Sei ausser jeder Furcht, ich bin die Pest, und tu Dir gar nichts an, nur sollst Du Morgen kund machen, dass Du beim »Ave Maria-Läuten« die Pest gesehen, und dass ich erklärt habe, innerhalb fünf Wochen zurückzukehren und dreihundert Seelen dahinzuraffen.« — Mit diesen Worten liess sie ihn stehen. Am nächstfolgenden Tage erzählte der Messner alles haarklein, was er gesehen und gehört. Auf das hin wanderten die Leute aus dem Dorfe aus und kehrten nach Ablauf von fünf Wochen wieder zurück, die Pest aber stellte sich drei Tage später in der sechsten Woche im Dorfe ein. Da kamen die Leute der Reihe nach elendiglich um und im ganzen Dorfe blieben etwa fünf oder sechs Seelen am Leben. In einem Dorfe trat eine so verheerende Rinderpest auf, dass kaum einem oder keinem ein Rind am Leben blieb. Ein Weib aber hatte zwei Kühe und dachte bei sich: »Am Gescheidtesten ist’s, wenn ich meine Kühe da verkaufe und den Gelderlös aufhebe. Hört die Seuche auf, so kauf ich mir andere Kühe. Warum sollt ich durch meine Kühe solchen Schaden leiden?« Gedacht, getan. Da besuchte sie die Rinderpest in Gestalt einer Frau und sagte: »Gevatterin, wie ich gehört habe, hast Du Deine Kühe verkauft.« — »So ist es, ich hab mich vor der Pest gefürchtet.« Hierauf bemerkte hinterlistigerweise die Pest: »Freilich hast Du die Kühe verkauft, aber der Mann, dem Du sie verkauft, hat Dich betrogen.« — »Das ist doch nicht möglich, er kann mich nicht betrogen haben.« — Doch die Pest behauptete Stein und Bein: »Er hat Dich ganz gewiss betrogen, wenn Du es nicht glaubst, lass uns das Geld nachzählen.« — So liess sich das Weib bereden, das Geld aus dem Kasten herauszunehmen, die Pest überzählte es, verschlang den Erlös von der einen Kuh und sagte zu dem Weibe: »Die eine Kuh hätte ich Dir ohnehin fortgerafft, Du hast sie aber verkauft, dafür habe ich Dir den Erlös verschluckt. Hilf Dir wo du kannst, suche aber nie, Gottes Willen zu durchkreuzen!« Charakteristisch ist die Auffassung von der Rinderpest. Schon oben aus der Sage vom Pfarrer Vojskec und seinem getreuen Knechte geht hervor, auf welche Weise sie heraufbeschworen werden könne. Zumeist aber sind es alte Bettler (bogci), die aus Rache, dass man sie abgewiesen, die Pest herbeirufen. Die Rinderpest erscheint gewöhnlich in der Gestalt eines Tieres. Tritt die Pest aber z. B. als Schwein oder Ziege auf, so kommen die Schweine und Ziegen um. Das sicherste Merkmal, woran man sie erkennt, ist: 1. dass sie ganz buntgefleckt ist, 2. dass sie nur drei Füsse hat. [107] Ich fand nur zwei Sagen, die davon erzählen. Sie lauten: In einem Dorfe wütete einmal furchtbar eine Rinderpest. Der Viehstand ging zusehends zu Grunde, denn es gab kein Haus, wo nicht über Nacht ein Stück verendete. Einigen Leuten im Dorfe glückte es, die Pest zu sehen, und zwar gaben sie an, sie hätte die Gestalt eines Hundes. Vorzugweise suchte sie Misthaufen auf, ging daselbst herum und muhte wie eine Kuh. Kam sie in einen Stall, sie suchte eben nur das liebe Vieh heim, so küsste sie dieses oder jenes Stück Rind, und wenn eines von ihr geküsst worden, so war es in der Früh gewiss schon verendet. Die Leute sannen fortwährend nach, wie sie dieses entsetzlichen Ungemachs los und ledig werden könnten, und so stellten sie der Pest auf den Düngerhaufen Milch hin, in der Hoffnung, es könnte dies möglicherweise von Nutzen sein. Und wirklich war das sehr nützlich und vorteilhaft, denn wo sie Milch fand, in dem Hause richtete sie keinen Schaden an. [108] Diese Pest ging regelmässig zu einem Bauer auf die Herberge. Sie schlief immer auf der Bank am Ofen und sobald ihre Stunde schlug, entfernte sie sich, ohne den geringsten Schaden in diesem Hause angerichtet zu haben. Einst erblickte jemand die Pest, als sie sich in Gestalt eines Schweines am Ufer eines Flusses gelagert und dort Krebse fing. Sie starrte den Mann gross an, er entsetzte sich gewaltig, und ergriff schleunigst die Flucht, indem er alles, was er mit sich trug, gleich dort von sich wegwarf. Als er nach Haus kam, erzählte er was ihm begegnet, und alle erklärten einstimmig, das sei die Pest gewesen, und zwar die Schweinepest, denn sie hatte ganz das Aussehen eines Schweines. Und wirklich, kurze Zeit darauf gingen plötzlich scharenweise die Schweine in jener Gegend zu Grunde. [109] Mehr Mährchen als Sage und wieder mehr Fabel im Stile Äsops und Babrios ist das merkwürdige Geschichtchen, das der um die südslavische Volkliteratur unendlich verdiente Vuk Vrčević aus dem Herzogtum aufgezeichnet hat. [110] Es ist nicht sonderbar, dass in dieser Erzählung der gewöhnliche Name der Pest »Kuga« nur einmal vorkommt und dafür fünfmal der fremde »Kolera« eingesetzt ist, denn es ist eine in Asien und Europa allgemein bekannte und in Pestzeiten immer neu aufgefrischte Geschichte. Es scheint aber das Fremdwort doch nicht ganz einheimisch geworden zu sein; denn, wenn die Bauern in der folgenden Erzählung die Pest ansprechen, so bedienen sie sich doch des slavischen Wortes. In irgend einer Stadt erfuhr man, dass sich die Pest zu ihnen auf den Weg gemacht, um die Bevölkerung der Stadt hinzuwürgen. Da rüsteten sich alle waffenfähigen Männer in der Stadt und erwarteten die Pest in einem engen Passe, durch den sie, die Pest notwendigerweise durch musste. Da naht ein hühnengrosses Weib, ganz in Schwarz gekleidet; in der rechten Hand trägt sie einen Speer, in der linken eine Sense. Das Volk stellte an sie die Frage: »Was bist Du so zeitlich aufgebrochen, wohin lenkst Du deine Schritte und was gedenkst Du zu tun?« — »Ich will«, entgegnete die Pest, »in Euerer Stadt einige ihrer Bewohner hinwürgen!« — »Zurück!« donnerten sie alle wie aus einer Kehle, spannten die Gewehre und legten auf sie an. Kaltblütig versetzte die Pest: »Wenn ihr mich tötet, so ist’s um Euch und Euere Stadt getan. Ich mach Euch allen den Garaus. Lasst ihr mich aber in Frieden meinen Einzug halten, so schwöre ich Euch bei Gottes Treu, dass ich nicht mehr als fünf von hundert hinraffe.« Das Volk überlegte sich diesen Vorschlag und sagte nach erfolgter Verabredung zur Pest: »Wenn dem so ist, zieh denn ein, doch hüte Dich anders zu tun!« Innerhalb zehn Tagen starben aber schon von je hundert Einwohnern zehn, worauf das Volk die Pest einfing, um sie zu töten. Man sprach zu ihr: »Was hast Du aus uns gemacht? Du verfluchte Menschenpest! Wie mochtest du dein bei Gott gegebenes Treuwort mit Füssen treten! Gott und sein Treuwort mögen deinen Sinn verwirren!« Hierauf erwiderte ihnen die Pest: »Ich habe mein Wort gehalten und ich kann Euch jeden namentlich anführen, den ich bisher hingewürgt!« »Wie denn das? Du ehrloses Geschöpf!« rief das Volk aus, »nach unserer Abmachung hättest Du im schlimmsten Falle ihrer hundert hinmähen dürfen, es sind aber ihrer mehr als zweihundert gestorben!« Da lachte die Pest und entgegnete: »Ich habe wohl auch nicht mehr als ihrer hundert hingewürgt, das andere hundert Menschen, die vor Schrecken gestorben sind, habe ich doch nicht zu verantworten, denn wisst, es sterben mehr an der Furcht vor mir, als an mir.« Schlusswort: Überblicken wir zum Schlusse noch einmal die hier mitgeteilten Pestsagen, so fallen uns zwei Hauptmomente vorzüglich in die Augen. Einerseits begegnen wir, wie einem roten Faden, der sich durch alle Sagen hindurchzieht, der Vorstellung von der Krankheit als einer Person, als einem Krankheitdämon, der dem Baum oder Wald entstammt, andererseits finden wir in den verschiedenen Arten und Weisen, wie man diesen Dämon abzuwehren sucht, mannigfache Erinnerungen sowohl an uralte heidnische Agrarkulte, als auch an Geisterbeschwörungen, in genau erkennbarer Gestalt erhalten. Durch das Ganze wieder machen sich überall rein christliche Vorstellungen von bösen Geistern, dem Teufel und seiner Sippe bemerkbar. Ferner konnten wir die Erscheinung beobachten, wie fremde Namen für einheimische allmählich in Gebrauch kommen, ohne dass dadurch die ursprünglichen Volkvorstellungen eine auffällige Schwächung erlitten. Hieraus lernen wir zugleich, dass religiöse Vorstellungen auf viel festerer Grundlage als die Sprache im Volkgemüte fussen, die viel leichter als jene fremden Einflüssen weicht. Die eigentliche geistige Anschauung eines ganzen Volkes geht nur sehr langsam unter. Um einen vollständigen Umschwung hervorzubringen, dazu bedarf es eines jahrtausendelangen Zersetzungvorganges. Rückkehrende Seelen. Den Teufel (vrag, sotona, gjavo), seine Grossmutter (vražja baba) und seine höllische Sippschaft (vražji, paklenski duhovi) als Poltergeister oder als Quälgeister der Menschen muss ich in dieser Darstellung übergehen, weil sie ein fremdes, verhältnismässig sehr junges, den Südslaven von auswärts mit dem Christentum beigebrachtes Glaubengut sind. Meine Aufgabe ist es, über den Volkglauben an die Geister verstorbener Menschen zu sprechen, die in unsichtbarer oder sichtbarer Gestalt unter lebenden Menschen zuweilen erscheinen. Letztere Vorstellungen mag man auch bei den Südslaven als ursprünglich ansehen; denn sie reichen im allgemeinen in die urältesten Zeiten der geschichtlichen und unzweifelhaft auch der vorgeschichtlichen Menschheit zurück und sind als solche keineswegs ausschliessliches Eigentum eines Volkes. Die vielfach vorgetragene und sehr verbreitete Ansicht, dass die katholische Kirche mit ihren Dogmen den Geisterglauben erst geschaffen habe, hält vor einer unbefangenen wissenschaftlichen Forschung nicht im geringsten stand. [111] Das Volk unterscheidet zwischen sichtbaren, jedoch unschädlichen, harmlosen Geistererscheinungen, Schreckgespenstern, die es Einbildungwesen (utvora, sablast) nennt, und wirklichen Geistern, den wiederkehrenden Verstorbenen. Diese erscheinen z. B. als bösartige Poltergeister, um eine vermeintliche Sühne von den Lebenden zu heischen, oder um sich an Übeltätern zu rächen, oder um selber bei Lebzeiten begangene Schuld abzubüssen, oder aus Liebe zu den lebenden Angehörigen, oder als äusserst schlimme Plagegeister, um sich mit frischem Menschenblut zu nähren, oder um anderweitig noch ärgeres Unheil zu stiften. »Träume und Visionen mögen den Glauben an ein derartiges Wiederkehren der Toten zuerst veranlasst haben; Seuchen, durch welche die Angehörigen eines unlängst verstorbenen diesem rasch nachfolgen, mochten ihn steigern, und als er zuletzt herrschend geworden war, blendete er die Sinne der Menschen in solchem Grade, dass sie Dinge wahrzunehmen glaubten, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden waren«, bemerkt C. Meyer. Seine Erklärung trifft vollkommen auch auf den einschlägigen südslavischen Volkglauben zu. Im Traumleben wurzeln hauptsächlich alle Vorstellungen von der Rückkehr der Verstorbenen. Unter den Serben in der Gegend von Kikinda genügt es z. B., dass einer aussagt, er habe diesen oder jenen Toten als einen Vampir im Traume gesehen, und schon beeilt man sich, dem Verstorbenen einen Weissdornpfahl in den Bauch zu rammen. Eine der erschütterndsten serbischen Dorfgeschichten Milutin Trbićs behandelt das schreckliche Ende der »Baba Toda«, die aus Entsetzen vor der Traumerscheinung, einem Vampir, qualvoll stirbt. Die Furcht vor Traumerscheinungen dieser Art ist sehr gross im Volke. Bei den slavischen Moslimen pflegen die Leute, die den Leichnam gewaschen, sich und die Verwandten des Toten mit dem übriggebliebenen Leichenwasser zu waschen, damit ihnen der Tote im Traum nicht erscheinen soll (Bosnien). Allgemein ist der Glaube, dass die Seele eines Verstorbenen die erste Zeit nach erfolgtem Begräbnis aus Anhänglichkeit an die alte Wohnstätte heimkomme. Daher der Brauch, für die heimkehrenden Toten besondere Trank- und Speiseopfer gewöhnlich auf die Fenster nächtlich hinzustellen. Die Moslimen glauben, dass ein jeder Tote am Abend seines Begräbnistages in sein altes Haus auf Besuch heimkehre. Zu seiner Bewirtung giesst man in ein Glas frisches Wasser, deckt es mit einem reinen Handtüchlein zu und stellt es auf denselben Platz hin, auf dem der Verstorbene ausgeatmet hatte. Dazu gibt man noch ein Näpfchen mit Mehl und steckt mehrere Unschlittkerzen ins Zimmergebälke. Ist der Tote durstig, so trinkt er von dem Wasser. Oft soll es sich ereignet haben, dass in der Frühe in dem Glase viel weniger Wasser gewesen, als man hineingegossen. Das sei als ein Beweis für die erfolgte Rückkehr des Toten und seinen Durst anzusehen. Am nächsten Tage wird das Wasser aus dem Glase aufs freie Feld geschüttet, das Näpfchen mit Mehl schenkt man irgend einem Armen, die Kerzen aber zündet man an, damit das Haus die ganze Nacht beleuchtet sei. Überdies glauben die Moslimen, dass die Toten jeden siebenten Tag, einmal vor dem Ramazân und zweimal während des Ramazâns zur Nachtzeit, wenn auf den Minareten die Lichter angezündet werden, und an jeden Freitagabend in ihr Haus heimkommen, um zu sehen, ob ihre Verwandten in Frieden und im Wohlstande leben. Am selben Abend müssen die Häuser ganz ausnehmend rein sein. Man zündet entweder im Hause drei Kerzen an oder schickt welche in die Moschee. Zur Feier des Empfanges bewirtet man einander mit süssen Kuchen: baklava, gurabija, pita mit Sahne, muhalebija, sutlija, halva, in Fett geschmorter pita, mit Honig und Zwetschken-Leckware; sind die Leute aber sehr arm, so lösen sie in Genügsamkeit ein Stückchen weissen Zuckers in Wasser auf und erquicken sich an Zuckerwasser. Das Hausgesinde muss aussergewöhnlichen Frohsinn zur Schau tragen; das Haus ist die ganze Nacht hindurch hell beleuchtet und von Weile zu Weile wird es mit Weihrauch ausgeräuchert. Kommen nun die Toten heim, und finden Freude und Zufriedenheit im Hause vor, so kehren sie singend und jubelnd ins Grab zurück, sind aber die Hausleute niedergeschlagen und traurig, so verlassen auch die Toten traurig und weinend das Haus. Am selben Abend wird weder der Mann sein Weib, noch das Weib den Mann, noch der Hausvorstand irgend ein Mitglied des Hauses schief ansehen und anrempeln (nabreknuti), damit die heimgekehrten Toten nicht unwillig werden. An den betreffenden Tagen teilt man milde Gaben »auf das Seelenheil der Toten« (mrtvim na dušu) an Arme aus und schenkt Kerzen für die Moschee. In solchem Totenkultus zeigt sich am deutlichsten die enge Zusammengehörigkeit der slavischen Moslimen mit ihren offiziell andersgläubigen südslavischen Volkgenossen. Es ist nur ein scheinbarer Widerspruch, wenn im Kriege die moslimischen Helden die Bestattung ihrer Gefallenen völlig vernachlässigen. Doch abgesehn von den Ausnahmzuständen während eines Feldzuges, kommen auch sonst bei den Südslaven einzelne eigentümliche Abweichungen von der Regel vor. Darauf einzugehen, wäre verfrüht wegen des Mangels an vielseitigen, gründlichen Erhebungen in allen Gegenden des Südens. Gegen unerwünschte Rückkehr der Toten wendet man mancherlei Massnahmen an. Der Grundgedanke der meisten besteht darin, dass man dem Toten die Rückkehr verleide, indem man z. B. gewisse, dem Lebenden einst werte Gegenstände beseitigt oder umstellt, oder ihm durch sympathetische Mittel den Anlass zur Rückkehr benimmt. Wo ein Toter liegt, müssen die Spiegel verhüllt werden; denn wenn jemand den Toten im Spiegel erblickte, würde der Tote an allen Neumonden (na mlade dane) heimkommen, um zu poltern, und dies so lange treiben, bis man nicht sieben Messen für ihn abhielte (slovenisch, chrowotisch). Lässt man den Toten mit den Stiefeln oder Schuhen, die er als lebender Mensch, in den letzten Zügen liegend, anhatte, so wird er dreimal aus dem Grabe heimkehren (Chrowotien). Im chrowotischen Gebirglande stürzt man den Tisch, auf dem die Leiche aufgebahrt gewesen, gleich um, sobald der Tote hinausgeschafft ist; denn sonst kommt, glaubt man, die Seele des Verstorbenen alle Nacht wieder heim, um zu rumoren und den Leuten den Schlaf zu stören. Einer meiner Freunde erzählte mir: »Ich vertrat im Dorfe Boka unweit Sissek den Messner beim Leichenbegängnisse eines alten Weibes. Eben setzten wir uns in Bewegung, um das Gehöft zu verlassen, als die Leute plötzlich hurtig auf die Seite sprangen. Einer von den Hausleuten stand auf der Türschwelle und schleuderte uns einen grossen Stein nach, der im Krautfass als Beschwerer gelegen. Der Mann glaubte nämlich, die Verstorbene, die er für eine Zauberin hielt, werde nun nicht mehr zurückkehren und niemandem im Hause einen Schaden zufügen können.« Im chrowotischen Gebirglande, doch auch sonst im Süden glaubt man, dass ein Toter häufig zu Besuch heimkommen werde, wenn einer seiner Verwandten, der als Letzter im Leichenzuge mitgeht, heftig weint und so weinend öfters nach rückwärts schaut. Allgemein ist der Glaube, dass die Seele eines vielbeweinten Toten keinen Einlass ins Paradies findet, sondern die längste Zeit in nassem Totenkleide umherirren muss. In Chrowotien und Slavonien ist unter den Katholiken der Glaube allgemein, dass Tote allnächtlich zu ihren Verwandten heimkehren und sich durch Rumoren im Hause oder eigenartiges Tischklopfen bemerkbar machen, häufig aber könne man sich von solchen Heimsuchungen durch den Haushund befreien, wenn man ihn nachts im Zimmer behält. Hunde und Katzen sind nämlich gleich gewissen, besonders veranlagten Menschen geistersichtig (vidovit) und hören bald das Herannahen des Toten. Der Hund stürzt aufs oder zum Fenster und bellt so sehr, dass der Tote verschüchtert abziehen muss. Nachts dürfe man, glauben die Slovenen und die Chrowoten im Zagorje, auf niemand einen Hund hetzen, denn es erscheine ein Toter vor dem Hetzer in Gestalt eines guten Genossen, rufe ihn zu sich und sage ihm: »Trage mich ins Grab!« (nosi me u grob!), und der Aufgeforderte müsse den Toten tragen. Desgleichen ist es verpönt, nächtlicherweile zu pfeifen, als ob man einen Hund lockte, denn sonst kommt ein Toter und trägt einen fort. Gegen Grabschänder, die sich Totenfetische besorgen, um Böses zu stiften, sind die Toten unerbittlich rachsüchtig. Nimmt z. B. einer auf dem Friedhofe einen Sargnagel an sich, so sucht allnächtlich den Räuber jene Seele heim, von deren Sarg er den Nagel entwendet hat, und raubt ihm so lange den Schlaf, bis der Nagel zurückgestellt wird. Man darf es nicht übersehen, dass auch die christliche Kirche dem alteinheimischen Geisterglauben Vorschub geleistet, ohne es unmittelbar zu beabsichtigen. Belege dafür lassen sich schon aus der südslavischen Literatur der jüngsten drei Jahrhunderte beibringen. Sehr häufig sind uralte Vorstellungen mit neuen derart verwachsen, dass wir mit unsern geringen Mitteln ausser stande sind, Altes vom Neuen zu scheiden. Bezeichnend ist in solchen Geschichten gewöhnlich als Schuld der Rückkehr oder der ewigen Verdammnis auf Erden herumzuirren, die Schändung oder Entweihung einer zu kirchlichen Zwecken bestimmten Sache. Die Erlösung erfolgt meist durch Seelenmessen, während sonst Geister durch Verfluchungen und Verwünschungen in ihr Grab zurückgebannt werden können. Es gibt Leute im Volke, die sich berufmässig mit Geisterbannen beschäftigen. Dem hochbetagten Geisterbanner Imro Koprivčević in Pleternica genügte dieser Erwerb für seinen und seiner Familie Unterhalt. Sein Handwerk, die Opankenflickerei, hatte er schon vor vielen Jahren aufgegeben, weil sich ihm das Geisterbannen allein genug lohnte. Er erzählte mir gar oft von seinen Leistungen auf diesem Gebiete, und als mir seine Erzählungen nach Jahren von Wichtigkeit für die Volkkunde zu sein schienen, liess ich ihrer eine grosse Anzahl wörtlich nach seinem Vortrag niederschreiben, und zwar unter Aufsicht meiner seither verewigten Mutter, damit keine Irrtümer mit unterlaufen sollen. Die Seelen der Grenzmarksteinverrücker müssen allnächtlich mit einer Kerze in der Hand an den verschobenen Grenzen irrwandeln, bis jemand die Grenzsteine richtig auf den alten Platz zurückstellt. Solche Geister nennt man Steinträger. So büssen auch gewisse Bienenzüchter. Es gibt nämlich Bienenzüchter, die am Allerheiligentage das heilige Brot, das sie beim heiligen Abendmahle empfangen, im Munde behalten und es zu Hause ins Bienenhaus legen, damit die Bienen nicht absterben oder auswandern, sondern vielmehr besser schwärmen mögen. Zur Strafe für diesen Frevel müssen solche Leute nach ihrem Ableben ohne Kopf, mit einer brennenden Kerze in der Hand nächtlicherweile umgehen. Diese Geister heisst man Kerzenträger. [112] Die entweihte Hostie hat zu vielen Spukgeschichten Anlass gegeben, nur zu einer bei den Südslaven nicht, zur Judenverfolgung wie in Deutschland im Mittelalter schmachvollen Andenkens. Koprivčević erzählt: Im Dorfe Bilač (bei Ruševo) verstarb ein Mann, der einer Stute die heilige Hostie (svetu pričest) zu essen gegeben. Nach seinem Ableben kehrte er häufig nachts wieder und striegelte die Stute. Es war im Herbste. Die Hausleute rüppelten im Hofe Kukuruzkolben und liessen über Nacht den Kukuruz im Freien. Nachts trug der zurückgekehrte Tote alle abgerüppelten Kolben in die Stube hinein und gab der Hausvorsteherin einen solchen Hieb aufs Bein, dass ihr ganzer Fuss blau ward. Auch kletterte er auf den Boden hinauf und löste alle Rauchfangziegel los. Als wir uns in der Stube versammelt hatten, setzten wir uns alle obenan zum Tisch, vor uns aber standen vier Wiegen mit Kindern. Im Ofenwinkel lagen sechs Spindeln. Der Mond schien so schön hell in die Stube hinein. Als der Geist erschien, schleuderte er vorerst alle Sachen hinter die Türe, bewarf uns der Reihe nach mit Erde, gab einem einen Hieb auf den Kopf, dem andern auf die Füsse und warf die Spindeln auf die Wiegen. Wir dachten nicht anders, als er werde die Kinder töten. Als wir aber Licht machten, lagen die Spindeln zwischen den Wiegen, keine auf einer Wiege. Wer eine Mütze aufhatte, dem riss er sie vom Kopf herab und warf sie weg. Als ich ihn zu beschwören anfing (kad sam ga počeo zaklinjat), flog er hinaus und kehrte nimmer wieder. — Die ausschliesslich kirchlichen Sagen, die »Küsterlegenden« von der Rückkehr Verstorbener sind verhältnismässig selten und noch seltener an einen bestimmten Ort gebunden. Eine Erzählung aus dem Volkmunde mag hier als Beispiel folgen: An einer kleinen katholischen Pfarrkirche bei Samobor wirkte viele Jahre hindurch ein alter Exekutor (crkovnjak), der jedesmal beim Nachfüllen der ewigen Lampe auch für seinen eigenen Gebrauch vom heiligen Öl zu nehmen pflegte, um es daheim zu brennen. Als er verstarb, begrub man ihn im nahen Kirchenfriedhof. Sein Amtnachfolger machte die Wahrnehmung, dass jedesmal bis zum Morgen das Öl aus der lux aeterna bis auf den letzten Tropfen verschwand. Da auch der Pfarrer keine Lösung dieses Rätsels wusste, beschloss der Kirchendiener, einmal dem Diebe aufzulauern. Er setzte sich aufs Chor, nahm das Glockenseil in die Hand und schaute bald auf das Lämpchen, bald durchs Fenster auf den Friedhof hinaus. Um 11½ Uhr nachts öffnete sich das Grab des alten Sünders, des Kirchendieners, und husch, ist er aus dem Grabe draussen. Der Alte hüllte sich in sein Leichentuch ein, zog die Socken aus und klomm durchs Kirchenfenster in die Kirche hinein, sprang auf die Lampe zu und fing an, daraus das Öl wegzutrinken. Da schlich sich leise der Kirchendiener von der Wacht vom Chor weg aufs Grab und stahl eine Socke. Kaum, dass er zurück auf seinen Platz gelangt war und das Seil wieder erfasst hatte, war der Verstorbene wieder zum Grabe zurück. Just schlug es Mitternacht. Schnell zog er die eine Socke an, fand aber die zweite nicht, und so zog er rasch die eine aus und zog sie auf den andern Fuss an, dann zog er sie wieder aus und auf den andern an. Der Lauscher auf dem Chor fand dieses Tun gar possierlich und schlug darüber eine gellende Lache auf. Im Nu war der Geist zurück, der Mann erschrak und fiel vom Chor herab. Da er sich am Seil festhielt, fing die Glocke an zu läuten, der Geist aber rumpelte nieder und sprach schwer aufächzend: »Hab Dank, dass du mich von der Pein und Qual erlöst.« In der Früh fand man den Kirchendiener auf dem Chor, zwar am Leben, doch waren ihm alle Kopfhaare ausgefallen. Seit jener Nacht blieb das Öl in der Lampe unangetastet. (Chrowotien). Unschuldig ums Leben gebrachte Menschen rächen sich als Geister an ihren Mördern. Es ist nicht notwendig, dass ein wirklicher Totschlag erfolgt sei, auch ein Tod, den man durch Zaubermittel verursacht, schreit nach Rache. Koprivčević erzählte z. B. folgendes Erlebnis: Im Dorfe Orjevci (bei Pleternica) lebte ein Weib, das konnte ihren Mann nicht ausstehen und sie sann und sann, um ihn zu verderben. Während der heiligen Mitternachtmesse zu Weihnachten (o ponoćki) mass sie ihn mit einem Faden der Länge nach aus. Ein Ausgemessener lebt aber das Jahr nicht aus, gerade so wie einer, der sich abwägen lässt. Bis zu den nächsten Weihnachten war der Mann gestorben. Darauf kehrte er allnächtlich zu seinem Weibe zurück, setzte sich aufs Bett zu ihr und halste sie mit seinen kalten Händen ab. Sie jammerte (jaukala) und lief jedesmal aus dem Hause fort. Einmal kamen zwei fremde Wanderer zu ihr und baten sie um eine Nachtherberge. Im Hofe stand ein Wagen voll Heu. Sie sagte: »Dort habt ihr ein Geläger. Legt euch nieder!« Ihr verstorbener Mann kehrte aber wie sonst zurück und fuhr die Leute die ganze Nacht hindurch im Hofe auf und ab. Der Wagen raste mit solcher Schnelligkeit dahin, dass die beiden Männer garnicht herabspringen konnten. Der eine von ihnen ist vor Schrecken ganz ausser sich geraten, der andere verfiel aber in ein Fieber und starb drei Wochen nachher. Erst als ich späterhin den zurückkehrenden Toten beschworen (zaklinjo), ist er nimmer wieder heimgekommen. Ein tatsächlich Ermordeter benimmt sich noch ungleich boshafter. Er straft den Mörder und das ganze Dorf. Zu Bjeleševci bei Pleternica hat es sich vor einigen Jahren zugetragen, dass Savo und Andrija miteinander in Streit gerieten und Andrija den Savo totschlug (na mrtvo ubije). Als man Andrija in den Arrest abführte, bestattete man eben Savo. Nach Ablauf von acht Tagen sah man Savo nächtlicherweile umgehen (po noći di oda) und hörte ihn wehklagen (jauče a joj! a joj!). Als Andrija in der gerichtlichen Untersuchung war, pflegte ihn Savo allnächtlich zu würgen. Andrija hatte einen Schwager, einen Müller. Zu diesem kam Savo gerade am Charfreitag nachts in die Mühle und walkte den Schwager so arg durch (izgnjeo), dass ihn die Leute, die in der Frühe die Mühle betraten, kaum noch lebend antrafen. Nach und nach erholte sich der Müller wieder und erzählte, was sich nachts zugetragen. In der Nacht auf den Tag, wo man Andrija in den Kerker forttrieb, erschien der Geist wieder beim Müller und knetete ihn fürchterlich durch und marterte ihn halb tot. Sodann stellte er sich regelmässig jede Nacht unters Fenster und wehklagte, worauf in kurzer Zeit das ganze Dorf bis auf zwei Häuser ausstarb. Eines Nachts kehrte er in den Stall eines Nachbars ein, und begann sich mit dem Vieh herumzustechen (začeo se s njegovom marvom bosti). Als nach zweijähriger Kerkerhaft Andrija heimkam, musste er Haus und Grundstücke an einen Čechen (pemca) verkaufen, weil er vor dem Geist keine Ruhe fand. Und auch der Käufer hatte im Hause keinen Frieden. Aus Verzweiflung gingen die Leute auf den Boden hinauf schlafen, doch der Geist suchte sie auch auf dem Boden heim. Darauf ging der Čeche zwei, drei Nächte hindurch auf den Friedhof, um das Grab des Ermordeten zu beobachten. Siehe da, es kroch aus jenem Grabe ein Wesen gleich einem Tiger [113] heraus (ko tigar nešto izlazi). Am nächsten Morgen ging man nachsehen und fand ein grosses Loch, das jener als Ausgang benützte. Hierauf hat sich jener Kerkersträfling in Koprivnica Haus und Grund gekauft, und seitdem hat der Spuk im Dorfe aufgehört (onda se je smirilo u selu). »Das alles hat mir wörtlich so sein Weib erzählt«, bemerkte meine Mutter am Schlusse dieser Aufzeichnung (Slavonien). Geistern im Freien zu begegnen, ist nicht ratsam, denn man kann sich ihnen unversehens vermessen. Es genügt ihnen, dass einer zufällig ihre Wege kreuzt, und schon hat er ihren Zorn auf sich geladen. Mitunter ist ein Geist nicht fassbar, und der angegriffene Mensch ist schutzlos Misshandlungen preisgegeben; zuweilen ist aber der Geist so körperlich, dass man mit ihm ringen und ihn auch durchbläuen kann. Dann kehrt der Geist gewitzigt ins Grab zurück. Eine ausführliche Geschichte dieser Art, die sich vor 30 Jahren in Pleternica zugetragen haben soll, erzählt Koprivčević. Der angefallene Bauer rang den zurückgekehrten Toten im Graben nieder, strich ihm drei saftige Hiebe mit dem Pfeifenröhrl über den Kopf, worauf der Tote ein Wutgeheul ausstiess, sich vom Bauer losmachte und wieder ins Grab zurückkehrte. Der Bauer aber lag die längste Zeit krank darnieder und kam nie wieder recht zu sich. »Es ist keine Lüge, sondern lautere Wahrheit« (laž nije, već prava istina), bemerkte K. zum Schlusse seines Berichtes. In der Regel sterben von Geistern angefallene Leute sehr bald nach und kommen selber spuken. Im Dorfe Malin bei Pleternica lebte ein alter Mann, der ging einmal nachts ins Dorf Orjovac. Da trat vor ihn ein Knabe und fragte ihn, wohin er gehe? Der Bauer mochte keine Antwort geben, worauf ihn der Knabe zu zerren anfing (stane ga grabusat). Der Bauer schrie und schrie und fluchte, der Knabe trieb es aber um so schlimmer. Nun verlegte sich der Bauer aufs Bitten und der Knabe fragte wiederum: »Wohin des Weges?« Der Bauer wollte es nicht sagen, und der Knabe setzte ihm wieder arg zu. Endlich wurde es dem Bauer lästig und er sagte, wohin er gehe. Kaum hatte er es gesagt, so erwiderte der Knabe: »Das also hast du mir nicht gleich sagen können? Hättest du es, ich hätte dich in Frieden gelassen.« Darauf verschwand er. Als der Bauer heim kam, lag er zwei Tage krank darnieder, am dritten aber starb er. Fünf Nächte hindurch kehrte er wieder aus dem Grabe heim, fragte sein Weib: »Wie ist es dir auf dem Herzen?« und ass alles auf, was sein Weib zu Nacht übrig gelassen, und so wie er die fünfte Nacht fort ging, kehrte er nimmer wieder zurück. Im Dorfe Mačkovac bei Pleternica ging ein Hirte nachts nach Hause und pfiff (fićuko), worauf ihn Hunde anfielen; er begann aber zu fluchen. Als er jedoch auf den Kreuzweg (krstopuće) kam, fiel ihn ein kleiner Hund (mali ćuko) an, der Bursche aber fing wieder zu fluchen an und je mehr er fluchte, desto heftiger griff ihn der Hund an und geleitete ihn bis nach Haus. Dieser Hund bellte jedoch nicht, sondern murrte (mrko) bloss und zerrte den Burschen. Dieser stieg auf den Stallboden hinauf, um zu schlafen, der Hund aber klomm ihm nach. Der Bursche fluchte wiederum, zuletzt aber starb er vor grossem Grauen und Entsetzen. In der Früh kam der Hausherr auf den Stallboden hinauf und weckte den Burschen, doch dieser erhob sich nicht mehr. Darauf begrub ihn der Hausherr. In der vierten Nacht kehrte der Diener zurück, warf in der Stube Staub herum und fluchte dem Hausvorstand, dessen Gesinde und der Frist, wo er zu diesen Leuten in Dienst getreten. Der Hausvorstand aber verfluchte (prokune) ihn, und so kehrte der Tote nimmer wieder zurück. Häufig beschränken sich die Geister darauf, den Leuten die Köpfe einzuschlagen oder gar nur Schrecken einzujagen. Diese Kunststücke sind in neuerer Zeit durch die Spiritisten oder Medien auch bei uns salonfähig geworden. Es ist immer der alte Schwindel. Mato Nikolčić in Pleternica erzählte meiner Mutter am 27. Dezember 1886 folgende Geschichte, die er miterlebt haben will. »Im Herbste des Jahres 1873 starb in Suljkovac (bei Pleternica) ein altes Weib, das am zweiten Abend nach ihrer Bestattung heimkehrte und Unfug (neprilika) trieb. Sie warf Steine gegen die Tür, schleuderte Staub herum, tobte und schreckte heillos die Leute. Der arme Hausvorstand war mit seinem Weibe und seinen Kindern so entsetzt darüber, dass er sich mit ihnen allein nicht mehr in der Stube zu schlafen getraute und so musste der Ärmste jede Nacht acht bis zehn Männer zu sich bitten, dass sie bei ihm nächtigten. Was hat er nur für Beleuchtung während der Zeit ausgeben müssen! Genützt hat es aber gar nichts. Das Gespenst warf mit Steinen herum, schlug dem einen Manne den Schädel ein, dem andern verletzte es arg die Hand, und so dauerte der Spuk beiläufig zehn Nächte lang. Jetzt ist nichts mehr davon zu hören« (Slavonien). Koprivčević erzählte: »Im Dorfe Suljkovci (bei Pleternica) verstarb ein altes Weib. Schon am nächsten Tage kehrte sie zurück, obwohl die Sonne noch glänzend schien. Sofort warf die Tote mit Steinen. Darauf kletterte sie auf den Boden hinauf und bewarf durch die Dachbodenbretter die Hausleute mit Kukuruz und Bohnen. Sie hatte einen Eidam und eine Tochter. Die Leute überredeten ihre Tochter, sie möge ihre Mutter fragen, was sie suche. Als dann die Tochter die Frage stellte, zitterte sie am ganzen Leibe und wurde von der Mutter arg beworfen. Nur den Eidam liess die Tote vollständig in Ruhe. Einer von den Leuten schimpfte ihr unflätig Gott (jebem ti boga!). Da riss die Tote einen Stein aus der Mauer heraus und schlug dem Schmäher den Schädel ein und gleich begann ihm Blut aus dem Kopfe zu rinnen. Obwohl die Küchentür verriegelt war, warf die Tote lauter heisse Ziegel in die Stube hinein. Als ich anfing, sie zu beschwören (zaklinjat), schleuderte sie noch einen Stein gegen die Tür und kehrte nimmer wieder zurück.« Derselbe erzählt: »Im Dorfe Komorica starb ein alter Mann, der kehrte allnächtlich wieder heim, und so oft er kam, warf er mit Bohnen und Erdäpfeln im Zimmer herum und schreckte die Leute und haute besonders den, der darüber zu fluchen anfing. Der Hausvorstand liess Messen lesen, berief den Pfarrer und den Kaplan, damit sie den Geist beschwören, doch blieb alles vergeblich, erst als ich den Geist beschwor (zaklinjo), ist er verschwunden und nimmer wiedergekommen.« Im Dorfe Suljkovci starb der Binder, kehrte aber nach der dritten Nacht wieder zurück und warf von da ab allnächtlich in der Küche alles durcheinander. Das gab jedesmal ein grosses Gepolter. In der Früh war trotzdem alles auf seiner Stelle und unversehrt. Erst als ich dort war und zu Gott betete, ist der Spuk verschwunden. In Pleternica ging einmal nachts ein Mann über den Bach, da plötzlich platzte und würgte »Es« ihn, folgte ihm nach Haus, »Es« kletterte auf den Boden hinauf und verursachte ein furchtbares Gepolter. Dann fiel es in die Stube wie ein Fässchen hinab, klomm auf den Tisch hinauf und zerschlug alle Gläser und Teller. Als man ein Licht anzündete, waren alle Gefässe auf dem Tische unversehrt. So ging es Nacht für Nacht. Als ich den Geist beschwor (zaklinjo), sprang er durchs Fenster, klopfte dreimal mit dem Schnällchen und ein schwarzer Kater (crni mačak) wimmerte (drečo), und nie erschien der Geist wieder. Namenlose Sehnsucht Lebender nach geliebten Verstorbenen vermag auch die letzteren aus ihrer ewigen Ruhe für eine kurze Frist heraufzubeschwören, doch genügt die Sehnsucht ohne Zaubereien kaum oder gar nicht. Man formt das Bild oder die Gestalt des Toten aus Wachs oder einem andern Stoffe, bekleidet und benamt sie und setzt ihr unter Koseworten Speise und Trank vor. Solchem Rufe muss der Tote Folge leisten. Hierher gehört die auch unter den Südslaven allbekannte Leonorensage, von welcher ich hier eine noch nicht veröffentlichte Fassung, die wahrscheinlich aus einem ursprünglicheren Liede in ungebundene Rede aufgelöst wurde, mitteilen will. Im übrigen ist just diese Sage oft genug besprochen worden. [114] Ein Bursche führte mit einem Mädchen eine Liebschaft und sie gedachten einander zu heiraten. Da starb plötzlich der Jüngling und wurde zum Werwolf (povukodlači se). Eines Nachts kam er zum Mädchen und sprach: »Komm mit mir, ich werde dich heiraten.« Und sie folgte ihm, eingedenk ihrer Abmachung mit ihm. Er schwang sich aufs Pferd und pflanzte sie hinter sich auf. Als er im Gebirge war, hub er an zu singen: »Der Mondschein scheint, ein Toter reitet ein Ross, o Mädchen, hast du eine Furcht?« (mjesečina sja, mrtvac konja jaha, jà djevojko, je li tebe strah?). So gelangten sie zum Grabe. Der Tote stieg vom Pferde ab und sagte zum Mädchen: »Tritt ein ins Haus!« Darauf das Mädchen: »Geh du voraus, dann folge ich, bis ich das eine und das andre geordnet habe.« Er legte sich ins Grab, sie aber hatte mehrere Knäuel Zwirn bei sich und reichte ihm ein Ende zum Abwickeln hinab. Er zog und zog, und so hielt sie ihn bis zum Morgengrauen hin und blieb am Leben (Bosnien, Drinagebiet). Es lässt sich trotz der Monographie Šišmanovs nicht entscheiden, ob diese Sage nicht etwa eine Wandersage sei und vielleicht dem slavischen Boden gar nicht entstamme. War sie ursprünglich fremd, so fand sie doch unter den Südslaven einen gut vorbereiteten Boden vor, d. h. einen eng verwandten Glauben- und Sagenkreis, in den sie vollkommen hineinpasste. Man glaubt z. B., dass man im stande sei, nicht bloss einen Toten zurückzurufen, sondern auch einen Geist in eine Puppe hineinzubannen, und auf diese Weise aus der Puppe einen Menschen zu schaffen. So ist der Heilige Pantelija (Panteleimon) von zwei Schwestern, die keinen Bruder besassen, ins Dasein gezaubert worden. Der Heilige ist in die äusserst merkwürdige Lage zweifellos durch eine jüngere Umdichtung hineingeraten. Eines endgültigen Urteils muss ich mich hierin vorläufig enthalten. Nahe berührt sich mit dieser Sage jene von der einzigen Schwester, die, in weiter Fremde weilend, ihren Bruder zu sich auf Besuch herbeizaubert. Um Mariechens Hand warben Freier aus allen vier Weltgegenden. Die alte Mutter möchte ihr Kind an Elias aus dem Künstenlande vergeben, doch ihre neun Brüder und ihre neun Geschwisterkinder sind damit nicht einverstanden, sie reden dem Mädchen ab, um sie irgendwo hin in die weite Welt hinaus zu verschachern. Sie umschmeicheln sie und versprechen ihr ewige treue Freundschaft: Und wenn du gehst nach unserm Belieben, so werden wir gar häufig dich besuchen, so oft als ab im Jahr die Monde wechseln, in jedem Monat jede liebe Woche; doch wenn du gehst nach deiner Mutter Willen, wird nie von uns dich einer je besuchen. Mariechen überlegte es sich, wem sie folgen solle, und weil sie sich sagte, das Mütterchen sei schon hochbetagt und werde zu ihr nie auf Besuch kommen können, so gab sie dem Drängen ihrer neun Geschwisterkinder und der Brüder nach. Es verstrich ein Jahr in der Fremde, keine Seele kam zu Mariechen auf Besuch: Da sprach ein rügend Wort die alte Schwieger: Dich töte Gott, o Söhnerin, du Liebste! Wie, stehst du so in Lieb’ bei deiner Sippe, dass kein Verwandter zum Besuch sich einstellt? Mariechen perlen Tränen aus den Augen. Als auch im zweiten Jahre niemand zu Besuch erschien, erhob den gleichen Vorwurf der Schwiegervater, doch Mariechen schweigt, sie spricht kein Sterbenswörtchen, von ihren Wangen nur die Tränen perlen. Im dritten Jahre fangen die Schwäger, im vierten die Schwägerinnen (die Frauen der Schwäger) und im fünften Jahre gar die jungen Schwestern der Schwäger über Mariechen loszuziehen an: O Söhnerin, dich beisse eine Natter! Was kommt nicht einer von den neun Gebrüdern? Da wimmert sie wie eine wilde Natter: — O wehe bis zum lieben Gott im Himmel! ich mag mich gegen Gott versündigt haben, dass niemand lebend oder tot mich heimsucht! Drauf ging sie in die warme Kemenate hinab, verfertigte der Puppen neun und gab den Puppen ihrer Brüder Namen; und wieder fertigte sie neun Gebilde, benannte sie nach den Geschwisterkindern und stellte vor sie hin die Speisetafel und auf die Tafel Speisen und Getränke und reichte Wein der Reihe nach den Puppen. Doch Gott empfand darob ein gross’ Erbarmen, (die Brüder waren ja schon lang verstorben), zur Erde sandt’ hinab er seinen Engel hinab aufs Grab des ältern Bruders Jovo. Der Engel schlug aufs Grab mit seinem Stabe, von selber schloss sich auf das Hügelgrab, Der Engel baut ein Ross aus Sarg und Brettern und schneidet aus dem Leichentuche Kleidung, und weckt dann wieder auf den toten Jovo: — Auf, Jovo, geh dein Schwesterlein besuchen! Bis Samstag magst beim Schwesterlein verweilen, am Sonntag kehr zurück hier untern Rasen! Und Jovo ging, um Gottes Wort zu leisten. Von weiter Fern’ erschaute ihn die Schwester, frohlockend rief sie allen zu im Hause: — Juchhei! da naht mein allerältster Bruder! Sobald die Hausleut’ dieses Wort vernommen, so liefen sie ihm weit voraus entgegen und führten gastlich ihn in ihr Gehöfte und boten an ihm jeder Art Erlabung und neunerlei verschiedner Arten Weine. Der tote Leib verschmäht Getränk’ und Speisen; der Tote spricht, er fühle sich zu leidend. Als letzt der Samstagmorgen angebrochen, so rüstete sich Jovo wohl zur Heimkehr. Es wollten alle ihn zurückbehalten, doch Jovo lässt von niemand sich beirren, am Sonntag muss er wieder untern Rasen. Ihm gab das Schwesterlein das Weggeleite. Doch leise sprach zum Schwesterlein der Bruder: — O Schwester, das ist eine grosse Schande, dass du mich ohne Schwager hier geleitest! Doch ist darob die Schwester unbekümmert, sie geht in einem fort mit ihrem Bruder. Als sie durchs grüne Hochgebirge zogen, erhoben einen Sang die Amselvögel: »O, lieber Gott, gedankt sei jede Gabe, da wandelt auf der Erde hin ein Toter.« Bemerkte Schmuck-Mariechen zu dem Bruder: — O horch, mein Bruder, was die Vögel zwitschern! — Du bist ein Närrchen, meine liebe Schwester, sie zwitschern halt, wie’s ihnen Gott befohlen! Als sie in Sicht des Hausgehöftes kamen, da war mit Moos das weiss’ Gehöft bewachsen. Erschrocken spricht das Schwesterlein zum Bruder: — Was sind da unsre Höfe so verdüstert? Dem Schwesterlein das Brüderlein entgegnet: — Bist du ein Närrchen, meine liebste Schwester! Als wir, die ältsten Brüder uns beweibten, sind vom verfluchten Blei und Pulverrauche verschwärzt geworden unsre weissen Höfe. Als sie zum grünen Friedhof hingelangten, sprach Jovo: »Wart, ich habe Durst bekommen, ich geh’, o Schwesterlein, zum kühlen Bronnen.« Kaum sagte er’s, schon fing er an zu laufen und lief behende hin zu seinem Grabe, und flog hinein in seine tiefe Grube. Es schloss sich über ihm das Hügelgrab. Mariechen sah, o wehe ihrer Mutter; Mariechen sah die Gräber frisch geschaufelt, wohl achtzehn Gräber, eines an dem andern. Sie rannte jammerklagend hin zum Hofe und klopfte mit dem Pfortenring ans Tor an. Von innen ruft die Mutter aus dem Hofraum: — O troll dich fort von hinnen, Pest und Krankheit, du hast mir meinen Nachwuchs hingemordet, hast mich allein im Leid zurückgelassen! Am Tore ruft Mariechen ihr zur Antwort: — Ich bin ja nicht die Pestfrau, nicht die Krankheit, ich bin dein Kind Mariechen, grambeladen! Kaum hat die Mutter dieses Wort vernommen, so sprang sie auf und öffnete das Pförtlein. So wie sie sich in Leid und Weh umarmten, so sanken beide tot zur Erde nieder. Der Vampir. »An die Daseinwirklichkeit von Vampiren glauben Christen gleich Moslimen ebenso fest oder wenigstens nicht minder als an einen Gott im Himmel (vjeruju — ko da ima Bog na nebu)«, schreibt mir einer meiner Berichterstatter aus Bosnien. Diese Behauptung ist durchaus nicht übertrieben, sie entspricht vielmehr den tatsächlichen Glaubenverhältnissen und gilt im allgemeinen für alle Südslaven, insbesondere für die Serben und Bulgaren, aber auch die übrigen slavischen Völker hegen denselben Glauben, wenn auch vielleicht in einer klein wenig verschiedenen und abgeschwächten Äusserung im Volkleben. Andree gibt der Meinung Ausdruck, der Vampirglaube habe »sein Zentrum, seinen Focus bei slavischen Völkern, wenn er auch weiter sich nachweisen lasse und in verwandten Formen oder anklingend über die ganze Erde vorkomme«. Das bedarf einer geringen, doch wesentlichen Berichtigung, etwa in der Weise: Der Vampirglaube ist bei allen Völkern heimisch, doch die uns bekannteste Form, weil am häufigsten besprochene, ist die slavische, die einige Eigentümlichkeiten gegenüber dem analogen Glauben anderer Völker aufweist. Von einschneidender Bedeutung sind aber diese Eigenartigkeiten mit nichten. [115] Dass der Name Vukodlak (Werwolf) auf den Vampir übertragen wurde, ohne dass eine Begriffverwirrung im Volkglauben stattgefunden, bespreche ich im nächsten Aufsatz. Der Name Vukodlak ist seltener als Vampir, wie das Wort bei den Slovenen und Chrowoten lautet. Die Bulgaren sagen vampir, häufiger vapir, vepir, vupir, die Serben: vampir, lampir, lapir, upir, und upirina. Letztere zwei Ausdrücke vernahm ich meist aus dem Munde von Popen. In und um Spalato in Dalmatien ist der mir seiner Bedeutung nach dunkle Name Kozlak gewöhnlicher als Vukodlak und Vampir. Vampirhafte Wesen (Kozlaštvo iliti vukodlaštvo) gilt als erblich (nasljedno, ereditario). War der Vater ein Kozlak, so wird auch der Sohn einer werden. Ganz identisch mit einem Vampir ist der Kozlak denn doch nicht. Der Kozlak kann bei Lebzeiten als Mensch zukünftiges Wetter voraussagen und leichter und schneller als andere Leute gehen. Das Volk glaubt, die Kozlaki besässen gewisse besondere Bücher, aus denen sie nur allein zu lesen verständen und woraus sie die Kunst erführen, Wunder zu verrichten. Der Mann im Volke hütet sich, einem Menschen sich zu vermessen, den er für einen Kozlak hält. Zu streiten wagt er es schon lange nicht mit ihm. Auf einigen dalmatischen Inseln, auf denen eine slavisierte italienische Bevölkerung wohnt, heisst man den Vampir auch Orko (Orcus). In Montenegro und im südlichen Teil des Herzögischen sagt man für Vampir: tenac oder tenjac (wohl für tenarac; tenar = Gruft; vom griech. thénar) und für: sich in einen Vampir verwandeln: potenčiti se. Einem bösen Menschen flucht man z. B. so: »Gäbe es Gott, dass du zu einem Tenac werden sollst, wie du einer auch werden wirst, so Gott will!« (da Bog da, potenčio se, kao što i hoćeš ako Bog da!). Ein einziges Mal hörte ich eine beschönigendere Bezeichnung für Vampir: mrtva nesreća (das tote Unglück oder Unheil); den blossen Namen glattwegs auszusprechen, ist nicht geheuer. Ist die Rede von einem Vampir, so pflegt man jedesmal dazu den Fluch hinzuzusetzen: na putu mu broč i glogovo trnje! (Auf seinem Wege mögen Färberrötel und Weissdorndickicht gelegen sein!) Auf blutfarbigem (rötlichem) Gestein gedeiht nämlich Weissdorn am besten. Bemerkenswert ist die Definition eines serbischen Bauers von »vukodlak ili vampir«. Er sagte: »Wir nennen so verstorbene Menschen, in die 40 Tage nach ihrem Tode ein höllischer Geist fährt und sie belebt. Der Vampir verlässt nächtlich sein Grab, würgt die Menschen in den Häusern und trinkt ihr Blut.« Ein anderer Bauer verbesserte den Sprecher: »Nein, du hast es gefehlt. Die verfluchte Seele findet weder in den Himmel noch in die Hölle Eingang. Der Vampir ist den Tieren (dem lieben Vieh) noch weit gefährlicher als getauften Seelen« (Menschen). Vampire erscheinen zumeist zur Winterzeit in der Zeit zwischen Weihnachten und Christi Himmelfahrt. Man glaubt, wenn eine Hungernot ausbricht, streifen Vampire um Wassermühlen, Fruchtscheuern und Maisvorratkammern herum. Schon einer meiner Gewährmänner erwähnt, dass sich Fruchtdiebe in Hungerjahren den Glauben des Volkes zunutze zu machen wissen. Das Volk glaubt, zu einem Vampir werde nur ein ruchloser Bösewicht oder sonst ein Verfluchter, ein rechtschaffener Mensch könne sich aber in keinen Vampir verwandeln, ausser es fliegt über den aufgebahrten Leichnam ein unreiner Vogel hinweg, oder es springt ein unreiner Vierfüssler hinüber, oder es schreitet ein Mensch oder auch nur der Schatten eines Menschen über den Toten. Vor solchen Zufälligkeiten wird der Tote aufs ängstlichste beschützt und bewacht. Als unreine Vögel betrachtet man die Elster (svraka) und die Henne (kokoš), nicht aber einen Hahn, als unreine Vierfüssler eine Hündin (vaška) und die Katze (mačka). Dass die Katze einen bösen Angang bedeute und zu Wahrsagungen herangezogen wurde, lehrt uns L. Hopf; [116] der Südslave hält jedoch die Katze für ein Unglückgeschöpf bösester Art. In Bosnien lässt man z. B. keine Katze über den aufgelegten Webeaufzug schreiten, weil man glaubt, dass derjenige, der in einem aus solchem Leinen angefertigten Hemde stirbt, unfehlbar ein Vampir werden müsse. Schliesst sich eine Katze an einen Kranken an, oder legt sie sich gar zu ihm aufs Bett, so glaubt man, der Kranke werde in zwei, drei Tagen das Zeitliche segnen. Läuft eine Katze gern zu einem Toten, so glaubt man, der Tote sei noch vom neunten Gliede an verflucht oder verdammt. Die südungarischen Serben glauben wieder, dass, wenn ein Hund oder eine Katze, besonders letzteres Tier, unter dem Tisch durchläuft, auf welchem ein Leichnam aufgebahrt liegt, der Tote als Vampir wiedererstehen müsse. Besorgt der Bauer im Savelande, dass trotz aller Wachsamkeit doch irgend ein unreines Tier über den Toten schreiten könnte, so legt man ihm auf die Brust einen Kloss Erde (grumen zemlje) oder sticht ihm unter die Zunge ins Fleisch eine Weissdornnadel (glogov trn) und hofft dadurch eine sonst allenfalls mögliche Verwandlung des Toten in einen Vampir zu vereiteln. Im Drinagebiete sticht man nur ausnahmweise dem Toten besagten Dorn unter die Zunge, wenn es bekannt ist, dass einmal in der Verwandtschaft des Verstorbenen ein Vampir vorgekommen. Dagegen ist es bei den slavischen Moslimen durchgehends gebräuchlich, sobald einer verstirbt, dem Toten auf die Brust und unter das Haupt je ein Knöllchen Erde zu legen, und ihn, so lange er im Hause bleibt (nie länger als 24 Stunden), aufs allersorgfältigste vor den gedachten unreinen Tieren und vor dem Schatten eines Menschen zu bewachen. Besonders gefürchtet wird der menschliche Schatten, gleichsam als ob der Schatten als ein Sonderwesen in den toten Leib hineinfahren und ihn zu neuem Scheinleben befähigen würde. Ähnlich ist der Glaube, dass ein totes Frauenzimmer zum Vampir werden müsse, falls sich ein Mann mit ihrem Leichnam vergisst. Ich habe eine hierher gehörige Sage aufgezeichnet. [117] Die Lebenden ergreifen mannigfache Massnahmen zu ihrem eigenen Schutze, damit eine Vampirverwandlung von vornherein hintertrieben werde. In Serbien und Bulgarien steckt man dem Toten einen Weissdorn in den Nabel hinein. Man glaubt allgemein, dass sich, wer im Alter unter zwanzig Jahren verstirbt, überhaupt in keinen Vampir verwandeln könne, doch sind mir genug Ausnahmefälle bekannt geworden. Nur die Wahrscheinlichkeit für eine Verwandlung ist eine geringere zufolge der unschuldigen Jugendlichkeit. Danach richtet man sich. Stirbt einer im Alter über zwanzig Jahre, so pflegen die Serben alle behaarten Stellen am Leib des Toten, den Kopf ausgenommen, mit Werg zu bedecken und den Werg mit der Sterbekerze anzuzünden, damit die Haare niederbrennen, um so für jeden Fall die Verwandlung des Toten in einen Vampir unmöglich zu machen. Einem toten Mörder, oder einem Meineidigen, oder überhaupt einem verruchten Kerl (Frauen ungemein selten), von dem man glaubt, er könnte noch als Vampir den Überlebenden schaden, verstümmelt man den Leichnam, indem man ihm entweder die Fussohle durchschneidet, oder eine Zehe abhackt, oder ihm einen grossen Nagel in das Hinterhaupt eintreibt, »damit sich die Haut nicht aufblähen könne, sollte der Teufel sie aufzublasen versuchen, um den Toten in einen Vampir zu verwandeln.« Die Unschädlichmachung eines Toten erfolgt auch durch eine Art symbolischer Leichenverbrennung. Die Symbolik für ein Überlebsel eines uralten südslavischen Brauches der Leichenverbrennung anzusehen, verbietet uns der sonstige an die Toten sich anknüpfende Volkglaube, über den ich mir auf Grund meiner besonderen, ausnehmend reichhaltigen Sammlung ein sicheres Urteil bilden konnte. Um zu verhindern, dass sich ein Toter in einen Vampir verwandele, begeben sich an manchen Orten in Serbien die alten Weiber am Abend des Begräbnistages ans Grab des Verdächtigten, bedecken es im Kreise mit Lein- und Hanfwerg, streuen darauf Schwefel oder Pulver und zünden letzteres an. Nachdem das Werg niedergebrannt ist, stecken sie fünf alte Messer oder vier Weissdornspitzen ins Grab: das Messer in die Brust und je zwei Spitzen in die Füsse und in die Hände des Toten, damit er sich an den Messern und Dornen anspiesse, sollte er, zum Vampir geworden, dem Grabe entsteigen wollen. Gegen einen Vampirbesuch schützt man seinen Leib und die Behausung auf mancherlei Art. Im bosnischen Savelande pflegen die Bäuerinnen, wenn sie nach Brauch auf einen Totenbesuch gehen, alte abgenutzte Opanken an die Füsse anzulegen und sich ein wenig Weissdorn (glogovine) hinters Kopftuch (šamija) zu stecken. Auf dem Rückwege nach dem Besuch werfen sie auf der Strasse die Opanken und die Weissdornen weit weg von sich (zuweilen unter Verwünschungen) und kehren barfüssig heim. Man glaubt nämlich, sollte der Verstorbene zum Vampir werden, so werde er zum mindesten die Weiber, die ihm die Ehre eines letzten Besuches erwiesen, nicht heimsuchen können, sondern die weggeworfenen Opanken und Weissdornen aufzulesen haben. Damit ein Vampir den Lebenden und ihrer Habe nichts antun können soll, nehmen die Serben reinen Teer her, sprechen darüber Beschwörungen aus (obajaju ga) und bestreichen damit kreuzweise (krstošu) die Türen und Eingänge ihrer Häuser, Hütten und Scheuern. Türen und Fenster noch so eng zu verschliessen, nützt vor Vampiren ebensowenig als vor Hexen oder Moren, denn Vampire sind infolge ihrer Verwandlungfähigkeit in verschiedenste Gestalten im stande, selbst durch die kleinste Ritze ins Zimmer hineinzudringen. Darüber ist man einig, dass ein Vampir in der Regel menschliche Gestalt habe, doch mit Vorliebe in Tiergestalt auftrete, als Mensch mit einem Leichentuche bekleidet und blutig rot sei. Crven kao vampir (rot wie ein V.), sagt man z. B. sprichwörtlich von einem versoffenen, aufgedunsenen Kerl, weil man eben glaubt, ein Vampir wäre von dem Blute der Menschen, die er ausgesogen, ganz rot und aufgebläht. Die Moslimen glauben, der Vampir behalte zwar das Aussehen des Verstorbenen bei, doch habe er nur dessen Haut an, die aber mit dem Blute der angezapften, ausgesogenen und hingewürgten Leute vollgefüllt sei. Im übrigen könne der Vampir doch nur nächtlicher Weile die Gestalt der verschiedenartigsten Geschöpfe annehmen und auch nur sieben Jahre hindurch sein verheerendes Unwesen treiben. Wenn er kein anderes Opfer finde, so mache er sich sogar über seine eigenen hinterbliebenen Verwandten her. Eigentümlich ist der Glaube an die Verwandlung verstorbener Moslimen in Schweine, die vorzugweise unter den Haustieren Tod und Verderben verbreiten. Der Glaube ist sowohl unter den Serben als Bulgaren aller drei Bekenntnisse einheimisch und besonders unter den moslimischen Pomaken im Rhodopegebirge eingewurzelt. [118] Man nennt den als Schwein wiedergekehrten Toten talasum oder tilisum (vom arab. tilisin, tilsem, Mehrz. talisim = Zauberwerk) und den Vorgang der Verwandlung posvinjiti se (in ein Schwein sich verwandeln). Wuchert, lügt und betrügt ein Moslim, übrigens ein höchst seltener Fall, so sagen seine Glaubengenossen, er werde sich nach seinem Ableben in ein Schwein verwandeln müssen, um seine Schandtaten abzubüssen. Eine bosnische Sage erzählt von einem Beg, der sich in ein Schwein verwandelt hatte. Man habe ihn lange unter den Schweinen gesucht, bis man ihn zuletzt an dem Ringe, den er an der Vorderfussklaue trug, erkannte. Im Rhodopegebirge ereignet sich zuweilen, dass ganze Familien für längere Zeit in ein fremdes Dorf auswandern, um einem angeblich umgehenden Talasum zu entfliehen. Die Talasume besuchen alle Orte, wo sie einst als Menschen geweilt, und fügen den Leuten viel Ungemach zu. Den Glauben an solche zu Schwein gewordene Tote lassen sich die Bulgaren um nichts in der Welt ausreden. Der Vampir vermag sich ferner z. B. in einen Schmetterling, eine Schlange oder gar in einen Heuschober zu verwandeln. Die Bäuerin Margita Josipović erzählte am 17. Juli 1888 meiner verewigten Mutter folgendes »Erlebnis« (aus Pleternica): »Als vierzehnjähriges Mädchen besuchte ich einmal mit meiner Mutter eine Spinnstubenunterhaltung (prelo). Wir sassen bis Mitternacht in Gesellschaft und dann gingen wir, von einigen Weibern aus dem betreffenden Hause begleitet, heim. Als wir an das Hintertürchen kamen, bemerkte ich auf der Strasse ein Heuschöberchen, das sich von selber vorwärts bewegte. Ich sagte zu meinem Mütterlein: »Schau Mütterchen, da bewegt sich ein kleiner Heuschober. Weder sieht man einen Wagen noch Pferde, er zieht aber doch vor uns daher, als ob ihn etwas führte.« Wir bleiben stehen, der Heuschober bleibt stehen. Wir schauen hin, uns wird bänglich zu Mute und wir laufen ins Haus zurück und wecken den Hausvorstand auf. Der sagt uns, wir dürfen diese Nacht nicht heim gehen, denn der Heuschober könnte uns den Weg verrammeln. Das sei ein Werwolf (vukodlak) und wir könnten in grosses Unheil geraten. Das sei ein solcher Toter, über welchen, als er aufgebahrt in der Stube gelegen, ein Hund oder eine Katze gesprungen. Ein solcher muss sich ja in einen Werwolf verwandeln.« Die Frau meinte einen Vampir. Ein zuverlässiges Schutzmittel gegen Vampirbesuche gäbe es nicht, sagt das Volk, und man glaubt, es sei am tunlichsten, ihn durch gute Bewirtung milde und versöhnlich zu stimmen. Ist sein Hunger gestillt, so greift er keinen Menschen an. In Chrowotien glaubt man, dass, wenn ein Toter einmal zum Vampir geworden, er allnächtlich um Mitternacht nach Hause komme, und die ehemaligen Hausgenossen lassen ihm jeden Abend seinen Anteil vom Nachtessen stehen, um sich von ihm loszukaufen. Er isst aber auch alles bei Putz und Stengel auf. Weiter südlich herrscht eine andere Auffassung vor. Die Moslimen glauben, der Vampir kehre gleich in der ersten Nacht nach dem Begräbnis in sein Haus zurück, zeige sich, falls er beweibt gewesen, zuerst seiner Frau und frage sie, ob sie für ihn etwas zu essen bereit habe. Sagt sie ja, und gibt sie ihm zu essen, dann wird es, glaubt man, ihr und dem ganzen Dorfe sehr schlimm ergehen; denn der Vampir werde sie nun allnächtlich heimsuchen, das Volk im Dorfe würgen und ihm das Blut aussaugen. Ein kluges und verständiges Weib wird aber gleich in der ersten Nacht ihrem Manne, dem Vampir, antworten, sie habe gar nichts für ihn bereit, und da er nicht ablässt, in sie zu dringen, so wird sie ihn heissen, er soll ins Meer gehen, um Fische zu essen, oder er soll im Dorfe die Hunde oder im Gebirge wilde Tiere fressen. Er müsse ihr hierin wie in allen übrigen Stücken, die sie ihm gebietet, unbedingt Folge leisten. Darum sagt das Volk sprichwörtlich: »Ein gescheidtes Weib kann es verhindern, dass der Vampir sie besucht und die Leute hinmorde« (pametna žena more zaprečiti, da vampir k njoj ne dolazi i da svijeta ne tare). Es hat sich der Fall schon sehr oft ereignet, dass bei einem grösseren Sterben im Dorfe das Weib eines kürzlich verstorbenen Mannes von den Dorfbewohnern misshandelt wurde, bis sie eingestand, dass ihr Mann sie besuche und sie das Versprechen gab, sie werde ihn bestimmen, die Leute nicht zu morden. Christen und Moslimen glauben steif und fest daran, dass ein Vampir mit einer ihn überlebenden Ehegattin regelmässig nächtlichen Beischlaf ausüben könne und dass ein solches Weib auch öfters, von einem Vampir geschwängert, Kinder zur Welt gebracht habe, nur hätten solche Kinder gar keine Knochen im Leibe, sondern wären aus lauter Fleisch gebaut. Solchen Kindern ist nur ein kurzes Leben beschieden. Sobald sich in einem Dorfe die Todfälle jählings mehren, fängt man an, davon zu sprechen, im Friedhofe müsse ein Vampir hausen. Bald finden sich Gläubige, die behaupten, sie hätten einen nachts mit dem Leichentuche umgehen gesehen. Nun rät man hin und her, wer sich wohl von den Verstorbenen zum Vampir verwandelt haben dürfte. Die Herzogländer bestreuen die verdächtigten Gräber ringsum mit Asche und schauen in der Früh nach, ob in der Asche Fussspuren zu entdecken seien und ob auf dem Grabe irgend ein Gewandstück liege. In einer serbischen Schulfibel (bukvar) aus dem Anfange des XIX. Jahrhunderts (Druckort Ofen) steht die Belehrung: »Ist ein Grab eingesunken, hat das Kreuz eine schiefe Stellung eingenommen, und noch dergleichen Merkmale weisen darauf hin, dass sich der Tote in einen Vampir verwandelt habe.« An manchen Orten in Serbien und Bulgarien wählt man ein fleckenloses Füllen, führt es auf den Friedhof hinaus und geleitet es über die Gräber hin, in denen man einen Vampir vermutet. Man glaubt nämlich, dass sich das Füllen um keinen Preis über das Grab eines Vampirs zu schreiten getraue und es auch nicht dürfe. Man versteht dieses Vorgehen aus der uralten Anschauung aller europäischen Völker, nicht zum geringsten der slavischen, die auf Pferdeorakel als auf die wichtigste Kundgebung göttlichen Willens einen hohen Wert gelegt haben. »Bei den alten Germanen hielt man das Pferd als mitwissenden Vertrauten der Götter« (L. Hopf). Die Südslaven glauben aber noch gegenwärtig, dass Pferde nächtlich Geister erschauen und Gastmählern der Vilen ausweichen. Geben die Orakel keine befriedigende Auskunft, so öffnet man der Reihe nach die Gräber der jüngst Verstorbenen. Im Jahre 1732 entstand im Dorfe Medvegja in dem damals zu Österreich gehörenden Serbien eine Seuche. Das Volk schrie über Vampirplage, und die deutsche Regierung sah sich veranlasst, das Volk belehren zu lassen. Über den Fall erschienen in Deutschland in den nächsten Jahren nicht weniger als zwölf Schriften und vier Dissertationen, die die Art der Vampire erörterten. Es verlohnt sich, das »Visum et Repertum« des Feldscherers Johann Flückinger vom 29. Februar 1732 im Wortlaut zu wiederholen: »Bericht von der Dorffschaft Metwett an der Morava, welche sich beklagten, eines sterbes, darauf Ich alss Physicus Contumaciae Caesareae zu Parakin dahin gegangen, selbiges Dorff von hauss zu hauss wohl und genau durchsuchte und examinirete den 12. Decembris. 731. Allein darinnen keine einzige ansteckende Krankheiten oder Contagiose Zustände gefunden, alss tertian und quartan Fieber, seithenstechen und Brust-beschwährungen, welche alle von gehabten Depouchen vor ihrer Räzischen Fasten herrühren. Da Ich aber weithers inquirirete, warumben sie sich dann also beschwähren, dass durch 6 Wochen 13 Persohnen gestorben seyen, und in was Sie sich beklagten, bevor Sie seynd abgeschieden, meldeten Sie ingleichen, das seithenstechen und brust-beschwährnussen auch lang gehabten Fiebern und glieder-reissen, von welchen zuständen aber Sie vermeinen, die all zu geschwinde begräbnussen nach ein ander nicht möglich seyn kann, herzurühren: wohl aber weill die genannten Vambires oder Bluth Seiger vorhanden seynd, darauf Ich alss auch ihre eigene officiers nach aller möglichkeit ihnen es auss dem Sünn zu bringen in beyseyn des Führers von Kragolaz alss Corporalen von Stallada redeten, und explicireten, allein nicht möglich ihre opinion zu benehmen ware, und sageten ehe Sie sich lassen dergestalten umbringen, wollen Sie sich lieber auf ein anderes orth sezen. Wie auch 2, 3 Häuser nächtlicher Zeit zusamben gehen, theils schlaffen, die andere wachen, es werde auch nicht ehender aufhören zu sterben, biss nicht von einer Löblichen obrigkeit nach selbst eigener resolution eine execution denen benannten Vampires angeschaffet und angethan werde, dann bey lebs zeiten waren in dem Dorff zwey weiber, welche sich haben vervampiret und nach ihrem todt werden Sie ingleichen Vampires, die Sie wiederumb andere werden vervampiren, gesprochen, solche also seynd vor 7. wochen gestorben und pertinaciter die leuth darauf verharren, absonderlich auf jenes altes weib, dannenhero habe ich 10 gräber eröffnen lassen, umb gründliche warheit zu berichten und zwar erstlichen jenes altes Weib, auf welches Sie sich steiffen, den anfang gemacht zu haben, mit nahmen Miliza. Vampier alt 50 Jahr, liegt 7 Wochen, ist vor 6 Jahren von türckischer seithen herübergekommen und hat sich zu Metwett gesezet, allezeit nachbahrlich gelebet niehmals wissend, ob Sie etwas habe Diabolisches geglaubet oder gekünstlet, dür hägerichter Constitution, währender lebszeit aber gegen denen Nachbahren erzehlet, Sie habe 2 Schaff gegessen in dem Türckischen, welche die Vampires umbgebracht, dannenhero, wann sie sterben werde, ingleichen ein Vampir seyn wird, auf welche reden der gemeine Pevel ihre opinion vestiglich gründet, solche Persohn Ich auch würcklichen gesehen und weillen selbe solte vorhin einer dürhägrichten Constitution des leibs seyn gewesen, alt von Jahren 7 wochen lang gelegen, in keiner truchen, sondern blossen seichten Erden wäre nothwendig halbs schon verwesen zu seyn; allein Sie ware annoch vollkommen das Maul offen habend, das helle frische bluth auss Nasen und Maul heraussgeflossen, der leib hoch aufgeblasen und mit bluth unterloffen, welches mir selbst suspect vorkommet und denen Leuthen nicht unrecht geben kann, nach entgegen eröffnung einiger gräber, welche waren Jünger von Jahren, fetter Constitution bey lebenszeit, kurz von ausgestandenen krankheits zeit und zwar geringer krankheit, alss solche alte, seynd also verweesen, wie siches auf einen rechtmässigen Leichnamb gehöret, das andere weib alss. Vampir mit Nahmen Stanno ein weib in gebähren gestorben, das Kind auf die welt gebracht, aber auch gleich gestorben, ware alt 20 Jahr, liegt begrabener 1 Monath, bekennete und erzehlete, gegen denen Nachbahrn bey lebens zeit, dass Sie, da Sie noch in dem Türckischen ware, allwo die Vampires auch sehr starckh regiereten, umb Sie vor solche zu beschüzen, schmürete Sie sich einstens mit eines Vampires bluth, wo Sie auch nach ihren todt ein Vampir wird werden, gesprochen, welche also beschaffen ware, wie die erstere, ingleichen das unmündige Kind und weillen dieses Kind die Tauff noch nicht hat empfangen, haben Sie es nicht in den Freydhoff geleget, sondern hinter einen Zauhn, allwo die Mutter hat gewohnet, welches ich auch gesehen habe. Ingleichen waren die andere also beschaffen und kurz nach einander darauf gestorben, welche sich mit vervampiret haben, nach denen leuthen ihrer opinion. Alss Vampir: Milloi ein Kerl von 14 Jahren, liegt 5 wochen. Joachim ein Kerl von 15 Jahren, liegt 5 Wochen, seyn 1 tag von einander gestorben, alss vorgehabter depouchen ihrer fasten bei einen Nahmenstag eines dorff Heyduckhen seynd in gleichen wie die andern also beschaffen. Ruschiza ein Weib von 40 Jahren, liegt 15 tag, ist halbs suspect. Peter ein Künd von 15 tag alt, liegt 5 wochen, ist sehr suspect. Nunmehro weillen jezige von jüngeren Jahren waren, kürzer von krankheits affliction und zwar sehr schlechterer auch kürzerer zeit in grab liegen, gänzlich, wie sich es gehöret, verwesen sein, sagen die Metweger, warumb dise und die andere nicht, da Sie viel stärcker corpulenter Jünger und frischer waren, alss die anderen, dannoch schon gänzlich verwesen seyn, welche raison nicht uneben scheinet und seyn jenige, alss Milosowa von Heyduckhen seine Frau ware alt 30 Jahr, liegt 3 wochen, ist vor dise zeit zimblich verwesen, wie sich es gehört, auch jenige, wie folgen. Radi ein Kerl von 24 Jahren, liegt 3 wochen. Wuschiza ein Jung von 9 Jahren, liegt 1 Monath. Dannenhero bitten Sie unterthänig, es möchte doch von einer Löblichen Obrigkeit eine execution nach guttachten dises malum abzuwenden ergehen, woselbst ich vor gut halte, umb selbe unterthanen zu befridigen, dieweillen es ein zimbliches grosses dorf ist, dann in re ipsa befindet es sich also.« Über die Art und Weise der völligen Vernichtung eines Vampirs haben einige Gelehrte unklare Ansichten geäussert, während gar kein Anhalt zu einer Meinungverschiedenheit vorhanden ist. Der Vampir ist ein Toter, der zu Nachtzeiten lebendig wird, also vernichtet man ihn, wie man ein lebendes Wesen der völligen Auflösung nur zuführen kann: durch Tötung, in diesem Falle gewöhnlich entweder durch Durchpfählung oder durch Verbrennung des Leichnams. Der körperlose Geist wird ledig oder verflüchtet sich und vermag nicht mehr jemandem zu schaden. Gesteht ein Weib, dass ihr verstorbener Gatte als Vampir sie besuche, oder sprechen andere Anzeichen dafür, z. B. nächtliches Rumoren im Hause, herumfliegendes Kochgeschirr, ein jähes Sterben im Dorfe oder gar unmittelbare Begegnungen mit dem Vampir auf Kreuzwegen zur Nachtzeit, so versammeln sich die ernstesten und reifsten Männer des Dorfes zur Beratung, um im Einverständnis mit den Angehörigen des Vampirs, das Grab aufzudecken, um sich erst zu vergewissern, ob der Verdächtige wirklich zum Vampir geworden ist. Die Moslimen sagen, der Leib eines solchen Vampirs, mag er auch längere Zeit gelegen sein, sei unverwest geblieben, nur die Augen seien gross wie die eines Ochsen und blutunterlaufen. Darauf macht man im Grab ein Feuer an, spitzt einen Weissdornpfahl zu und durchsticht damit den Leib. Oft sei es vorgekommen, dass sich der Vampir während der Durchstechung ganz gekrümmt habe und dass ihm viel Blut aus dem Leibe gespritzt sei. Während die einen den Vampir behandeln, passen die übrigen ängstlich auf, ob nicht ein Falter (oder Schmetterling) aus dem Grabe davonfliegt. Fliegt einer heraus, so laufen ihm alle nach, um ihn einzufangen, und fangen sie ihn ein, so werfen sie ihn auf einen Brandhaufen, damit er umkomme. Dann erst ist dem Vampir der Garaus gemacht. Entwischt jedoch der Falter, dann ach und wehe dem Dorfe, denn der Vampir rächt sich fürchterlich, bis nicht endlich seine sieben Jahre ablaufen. In der oberen Krajina glauben die Moslimen und Christen, der Vampir könne durch nichts anderes getötet werden, als wenn man ihm einen Weissdornpfahl (glogovi kolac) durch den Leib treibe. Einige behaupteten in meiner Gegenwart, man dürfe den Vampir auch mit einem Messer durchstechen, mit dem man noch nie ein Brot geschnitten. Die Herzogländer orthodoxer Konfession durchstossen den Vampir durch eine getrocknete Haut eines jungen Stieres, weil sie glauben (gleich den Serben in der Morava und den Bulgaren in Rumelien), dass sich jeder, den das Blut des Vampirs bespritzen würde, auch selber in einen Vampir verwandeln, und dass er bald darauf sterben müsste. Die Orthodoxen in dem Herzögischen verbrennen den Vampir nicht, ebensowenig die Katholiken in Slavonien. Im oberen bosnischen Drinagebiete an der serbischen Grenze begibt sich der Pope mit den Bauern auf den Friedhof, sie scharren das Grab des Verstorbenen auf, stopfen das Grab mit einem Wagen Stroh voll an, durchspiessen durch das Stroh hindurch den Leichnam mit einem Weissdornpfahl und zünden das Stroh an. Das Feuer wird so lange genährt, bis der Leib des Vampirs gänzlich zu Asche geworden. Damit erst glauben sie jede weitere Wiederkehr des Vampirs zu verhindern. Der Bauer Lako Petrović in Zabrgje erzählt: »Vor etwa 150 Jahren lebte im Dorfe Čengić, im Bezirke Zvornik eine Popenfrau (popadija), nach deren Ableben ein grosses Sterben im Hause einriss. Damals starben auch dem Grossvater meiner Mutter, dem Bauer Pero, alle Hausleute bis auf drei Knaben ab und er verlegte sich darauf, nachts aufzupassen. Er zündete in der Küche (dem eigentlichen Hause) ein grosses Feuer an und wartete. Plötzlich um Mitternacht erscheint die Popadija im Hause, Pero aber springt auf, ergreift ein Weissdornbrandscheit vom Feuer weg, fängt an auf die Popadija dreinzuschlagen und jagt sie hinaus. Sie bleibt jedoch vor dem Hause und ruft: »Komm mal hier heraus, greiser Pero, schlag mich nur ein wenig und ich werde gleich krepieren!« (izigji sijedi Pero amo pa me se samo malo vati, ja ću odma crći!). Pero entgegnete: »Hinaus gehe ich nicht und ins Haus herein lasse ich dich nicht!« (izić ne ću a u kuću ti ne dam!). Darauf sie: »Na wart nur, greiser Pero, es wird dir kein einziger Sohn bleiben, bei dem du dich verschwören könntest!« (neka te sijedi Pero! ne ćeš se nijednim sinom zakleti!). Als am Morgen der Tag graute, begab sich Pero mit dem Dorfschulzen und einem Bauern zum Popen und meldete ihm, die Popadija sei auferstanden und raffe die Leute hin. Der Pope sagte: »Es ist nicht wahr!« Pero jedoch ging vor Gericht nach Zvornik und sagte, die Popadija habe sich in einen Vampir verwandelt (povukodlačila se) und er habe ihr in vergangener Nacht im Hause (der Küche) die Leichendecke berusst, als er sie geschlagen. Das Gericht gestattete ihm, das Grab aufzugraben. Im Verein mit den angesehensten Männern im Dorfe grub er das Grab auf. Da fanden sie die Popadija wie einen Bottich aufgeschwollen, und sie nahmen einen zugespitzten Weissdornpfahl, pflanzten ihn der Popadija auf den Bauch und schlugen ihr mit einem Hammer den Pfahl in den Leib hinein. Darauf machten sie ein grosses Feuer an und verbrannten sie zu Asche und Kohle. Ja richtig, als sie das Grab aufzuscharren anfingen, kroch eine Natter heraus, Pero aber erschlug die Natter auf der Stelle. Von da ab hatten sie Ruhe im Dorfe und das jähe Sterben hörte auf.« [119] Manda Šuperina in Pleternica erzählte meiner Mutter: Im Dorfe Mihaljevci, nördlich von Požega, fiel ein Mann vom Wagen herab, sein Kopf geriet unter die Räder und wurde zerquetscht. So starb er. Acht Tage nach der Bestattung fing er an zurückzukehren und der Frau des Nachbars beizuschlafen. Und richtig wurde sie von ihm schwanger. Hierauf machte sie dem Pfarrer eine Anzeige und klagte den Weibern, was ihr zugestossen. Da riet ihr ein Weib, sie soll Hanf nehmen, einen grossen Knäuel Gespunst ausspinnen und, wenn der Tote wieder zu ihr kommt, ihm den Faden an seine grosse Zehe befestigen, so werde sie sehen, woher er komme. Auch soll sie einen grossen Weissdornkeil anfertigen lassen. Als am Tage der Pfarrer und die Dorfleute das Grab öffneten, fanden sie den Toten bäuchlings liegend. Sie schlugen ihm jenen Weissdornkeil in den Kopf ein, aus dem Kopfe fuhr ein Feuer heraus und der Schädel krachte laut wie eine Kanone. Der Pfarrer gab dem Toten zuletzt den Segen und der Tote kehrte nimmer wieder, das Weib aber genas eines Kindes. Das Kind starb bald hernach, doch die Frau lebt noch gegenwärtig. Die Erzählerin ist eine Katholikin, und seltsam genug berief sie sich auf den katholischen Pfarrer von Velika. Sonst spielen katholische Priester in den Vampirsagen der Slavonier keine Rolle. In Dalmatien, wo der Franziskanermönch sehr volktümlich und beliebt ist, hat das Volk mehr Zutrauen, in solchen Dingen an den Priester sich zu wenden und der Mönch ist leicht nachgiebiger gegen die Forderungen seiner Gemeinde, in welcher er Pfarrer ist. Stirbt ein Kozlak, so treffen die alten Weiber im Dorfe, aber auch die Familienmitglieder des Verstorbenen verschiedene Anstalten gegen die voraussichtlich bevorstehende Rückkehr des Kozlak. An manchen Orten ist es Brauch, das Sterbezimmer einige Tage hindurch nicht auszukehren. Das soll aber selten etwas nützen; den der Vukodlak oder Kozlak stellt sich zu bestimmter Nachtstunde trotz alledem ein, um die Hausruhe der Leute zu stören und die Schlafenden zu quälen. Besonders liebt es der Kozlak, mit den Tellern (tanjuri, piatti) zu scheppern, auch macht es ihm ein Vergnügen, den Wagen, falls einer vorhanden ist, im Gehöfte herumzuziehen. In solcher Not wendet sich der Bauer an seine Priester, namentlich an die Franziskaner, die mit geschriebenen Amuletten (zapisi) handeln. Der Priester muss Gebete verrichten und sich ausserdem persönlich auf den Gottesacker (grobište) gerade zu dem Grabe begeben, in welchem der Kozlak ruht, ihn hervorrufen, sein Erscheinen abwarten und ihn mit einem Dorn (drača, spina) durchstechen, der im Hochgebirge an einer Stelle gewachsen, von wo aus der Dornstrauch das Meer nicht hat sehen können. Nur in diesem Falle, so glaubt man, wirkt das Verfahren, und der Kozlak lässt die Leute in Frieden. Es ist kein Zufall, dass der Dorn bei der Durchpfählung gebraucht wird. Der Dorn ist eine natürliche, man kann sagen die ursprünglichste Stichwaffe des Menschen, und es begreift sich bald, dass man seine uralte Verwendung zu Kultuszwecken — als eine solche ist in einem beschränkten Umfange auch die Vampirtötung aufzufassen — bis in die Gegenwart beibehalten hat. In Kulthandlungen vieler Völker kommt der Dorn vor, doch scheint mir Liebrecht vom richtigen Wege sehr abzuirren, wenn er sich gelegentlich des Nachweises, dass sich die alten Deutschen des Dornes zum Leichenbrande bedienten, die weitere Schlussfolgerung erlaubt: »Das erklärt endlich auch, beiläufig bemerkt, warum in den serbischen Sagen den Vampiren ein Pfahl aus Hagedorn oder Dornholz durch den Leib gestossen wurde; es war eine symbolische Verbrennung derselben.« Zum Beweis zitiert er den böhmischen »Lügenchronisten« Hajek (vom Jahre 1337). Ein Vampir habe nicht aufgehört, die Leute zu würgen, »selbst als man ihm einen Pfahl durch den Leib gerannt; erst als er verbrannt wurde, gab er Ruhe.« Für uns unterliegt es keinem Zweifel, dass die Čechen damals das Verbrennen als eine schärfere Vertilgungart in Anwendung gebracht haben, um völlig sicher zu sein. Wo steckt hier auch nur der Schatten einer Symbolik? wo ein Grund für eine symbolische Auslegung der Brauches? Zum Schluss muss noch eines Glauben gedacht werden, der den Brauch der Blutrache mächtig entwickelt hat. Die Seele eines Ermordeten, glaubt das Volk, könne eher keine Ruhe finden, als bis man an dem Mörder Rache genommen. Darum lag den nächsten Blutanverwandten eines Getöteten die Blutrache als heiligste Pflicht ob. Darauf bezieht sich das alte Glaubens- und Rechtsprichwort: Ko se ne osveti, taj se ne posveti (wer nicht gerächt wird, der kehrt nicht in die ewige Ruhe ein). [120] Dass aber die Blutrache auch auf vermögenrechtlicher Grundlage beruht, soll hierbei durchaus nicht verkannt werden. Der Werwolf. Selbst einer der neuesten slavischen Mythologen, der sich in Anmerkungen unterm Texte abschreckend gelehrt gebährdet, zählt den »Vlŭkodlakŭ« zum »Vampirismus«, oder genauer noch, er erklärt den »Vampir« für einen Vukodlak. Das ist durchaus unrichtig. Der Irrtum des Gelehrten entstand wohl dadurch, dass der Volkmund den Vampir fälschlich auch Vukodlak nennt, bloss nennt; denn in Wahrheit unterscheidet das Volk ganz unzweideutig zwischen Werwolf und Vampir. Der Werwolf (serb. vukodlak, chrowot. und sloven. volkodlak, bulg. vlkodlak = Wolfhaar, Wolfpelz) ist ein menschliches Wesen männlichen oder weiblichen Geschlechts, das sich zeitweilig in einen Wolf verwandelt, um nach Wolfart Herdenvieh anzufallen und aufzufressen. Nicht mit dem Vampir, viel eher mit der Mora ist der Vukodlak verwandt, woferne man den Vukodlak überhaupt »mythisch« aufzufassen berechtigt ist. Das eben erscheint mir als eine strittige Frage, die leider auch durch die nachfolgenden Mitteilungen ihrer Lösung kaum um vieles näher gebracht wird. Die geistige Krankheit Lykanthropie vermag ich bei den Südslaven nicht nachzuweisen, obgleich sie, wie es den Anschein hat, einmal international gewesen ist und noch gegenwärtig, wie dies im J. 1888 die Budapester Revue de l’Orient besprochen hat, z. B. in Ägypten, häufig vorkommt. »Als eine Krankheit, eine Art Wahnsinn,« bemerkt R. Andree, »tritt die Lykanthropie bereits im ersten Jahrhundert auf und dauert bis ins späte Mittelalter fort. Sie zeigen sich besonders im Monat Februar; dann verliessen die Kranken nachts ihre Wohnungen und schweiften auf den Begräbnisplätzen umher, wobei sie sich einbildeten, sie seien Wölfe oder auch Hunde (Kynanthropie). Blässe und eingefallenes Gesicht, hohle, tränende Augen, trockene Zunge und brennender Durst, sowie Verminderung der Sehkraft deuteten auf ein tiefes körperliches Leiden. Die Unterschenkel dieser Kranken waren beständig mit Wunden und Geschwüren bedeckt, wegen des Strauchelns und der Anfälle der Hunde, deren sie sich nicht erwehren konnten. Die Wölfe und Hunde nachahmend, strichen sie bellend und brüllend umher.... Im Mittelalter erreichte dieser Wahnsinn seinen höchsten Grad und wurde vorzüglich dadurch furchtbar, dass die Kranken in ihrer Wut Kinder und Erwachsene töteten, wovon man im Altertum nichts wusste.« Andree hat es durch seine Zusammenstellungen dargetan, »dass derselbe Glaube an die Tierverwandlung, meist in identischen Formen, überall wiederkehrt, dass hier ein Gemeingut aller Völker vorliegt, kein abgeschlossenes Besitztum irgend einer Rasse oder einer Familie, dass somit eine Erklärung des Werwolfes aus den Anschauungen eines Volkes heraus unzulässig ist, sondern hiebei allgemeine Gesichtpunkte angenommen werden müssen«. Wenn man den Ansichten eines Mannhardt, C. Meyer u. a. beipflichten mag, so ist wohl der Werwolfglaube bei den Südslaven das Überbleibsel eines uralten, in die vorchristliche Zeit hineingehörigen Kultgebrauches. Ihr Erklärungversuch spricht durchaus an, zumal auch der südslavische Volkglaube zur weiteren Bekräftigung der folgenden Annahme angeführt werden darf. »Gerade da, wo unsere Quellen verhältnismässig am reinsten fliessen, erscheint die Verwandlung als eine periodisch wiederkehrende,« hebt C. Meyer hervor, »z. B. bei den Neurern (Herodot IV, 105) und ebenso auch in Preussen, Livonien und Litauen, wo es nach Olaus Magnus die Weihnachtzeit ist, in der unzählige Menschen als Wölfe herumlaufen. Hieraus ergibt sich, dass wir es mit einer uralten, verschiedenen Völkern gemeinsamen Kultushandlung zu tun haben, nach welcher entweder das gesamte Volk oder nur einzelne, dem Sündenbock der Hebräer vergleichbar, vielleicht um irgend eine verderbliche Gottheit zu sühnen, in Wolfpelzen umherirren mussten. Darum heisst wohl auch bei den Germanen der Geächtete und von der Gemeinschaft der übrigen Ausgeschlossene warch, d. h. Wolf. Nun erklärt es sich auch, warum das Ganze nach Einführung des Christentums einen so düsteren Anstrich erhielt; es teilte in dieser Beziehung einfach das Schicksal der meisten aus dem Heidentum stammenden Gebräuche und Anschauungen. Wo es etwa noch eine Zeitlang fortdauerte, mussten sich die Beteiligten in dunklen Stunden und abgelegenen Gegenden treffen, weil ihr Beginnen das Brandmal des Teuflischen trug. Und endlich aus ihren historischen Bedingungen herausgerissen, hielt sich die Lykanthropie auch nicht mehr ausschliesslich an ihre ursprüngliche, durch den Kultus bedingte Jahrzeit, sondern sie trat nur vereinzelt und zu jeder Zeit des Jahres auf.« Nach einem besonderen Volkglauben, den ich nur für die Chrowoten nachzuweisen imstande bin, vermag der heilige Georg (sveti Juraj), der Schutzherr der Waldtiere, namentlich der Wölfe, zuweilen einen Menschen in einen Werwolf zu verwandeln, indem er über den Betreffenden eine Wolfhaut wirft. Ein Bauer aus dem oberen chrowotischen Saveland behauptete steif und fest, er sei neun Jahre lang Werwolf gewesen, bis er endlich dadurch Erlösung gefunden habe, dass er zu Ostern sein Weib, als sie mit den Weihsachen aus der Kirche nach Hause ging, überfallen und ihr die geweihten Kerzen aus dem Korbe weggegessen habe. Da sei ihm die Wolfhaut vom Leibe abgefallen, und er wieder zu den Seinigen als Mensch heimgekehrt. Im bosnischen Gebirglande lässt man niemand im Hause von dem Wasser trinken, das spät abends von der Quelle gebracht wird, wenn man nicht vorher wenigstens einen Tropfen von selbem Wasser auf das Herdfeuer spritzte oder schüttete; denn sonst könnte leicht der Trinker zu einem Vukodlak werden. Man glaubt nämlich, dass nächtlicherweile allerlei Unholde, Vilen, Hexen, Moren und Werwölfe in freien Quellen und Brunnen baden. Neigt sich jemand über eine Quelle, um bäuchlings liegend unmittelbar mit dem Munde aus der Quelle zu trinken, so fürchtet man, es könnte den Trinker plötzlich ein tückischer Geist hinabzerren. Darum rät man, man solle das Wasser lieber mit den hohlen Händen oder mit der Mütze einschöpfen und, bevor man trinkt, zur Entsühnung vom bösen Zauber einige Tropfen auf ein Feuer oder auf die Erde giessen. Bezeichnend ist, dass bei den Südslaven, anders als bei anderen Völkern, vorzugweise Frauen Wolfgestalt annehmen können. Durch welche Mittel sich Frauen die Verwandlunggabe verschaffen, brachte ich nicht in Erfahrung. Die augenblickliche jeweilige Verzauberung und Entzauberung soll durch je drei Purzelbäume (Böcke) geschehen. Von der Verwandlung einer Frau in einen Wolf erzählte der Bauer Toma Milinković in Pleternica im Herbste 1888 meiner Mutter folgende Geschichte, für deren Wahrheit er sich verbürgt, zumal er die handelnden Personen Aug’ in Aug’ gut zu kennen vorgab: »Zu Trapari, unweit Pleternica, lebt ein sehr reicher Mann, der eine grosse Herde Schafe besitzt, über die zwei Hirten und sechs Hunde wachen. Jeden Tag erschien urplötzlich ein Wolf, frass einige Stück Schafe bei Butz und Stengel auf und verschwand wieder, ohne dass ihn je einer hätte sehen können. Der Hausvorstand wetterte immer, weil die Schafe abgingen; denn schon waren drei Vierteile von der Herde dahin. Endlich wurde der Hausvorstand ganz zornig. Jemand aber sagte ihm, das wäre kein wirklicher Wolf (da to nije pravi kurjak). Der Hausvorstand solle mal zeitig morgens aufstehen und die ganze Bekleidung, von den Opanken bis zur Mütze, verkehrt (umgewendet) anziehen, dann die Schafe zum Bach hinabtreiben, damit sie weiden, selber aber auf einen Baum hinaufsteigen und abwarten; also werde er in Erfahrung bringen, wer denn eigentlich dieser Wolf sei. Der Hausvorstand befolgte den Rat. Als es um die Mittagstunde war, kam dir da ein altes Weib aus der Nachbarschaft mit einem Kübel auf dem Kopfe hergestiegen und schöpfte Wasser ein. Darauf legte sie sich auf den Rasen hin, schlug kopfüber drei Purzelbäume, verwandelte sich in einen Wolf, packte den feisten Leithammel, der schon vier Jahre alt war, und frass ihn samt der Wolle, den Gedärmen und den Klauen auf. Der Mann wollte vom Baume herab die Alte zusammenschiessen, besann sich jedoch eines besseren; denn als er das Weib erkannte, fand er es für rätlicher, sie in ihrem Hause durchzubläuen. Nachdem der Wolf den Hammel aufgefressen hatte, schlug er wieder drei Purzelbäume und verwandelte sich in das alte Weib zurück. Sie nahm den Kübel auf den Kopf und kehrte heim. Nun stieg der Mann vom Baume herab, ging dem Weibe nach und begann sie furchtbar zu beschimpfen und wollte sie gar in ihrem eigenen Hause mit dem Gewehr erschiessen. Als die Söhne des alten Weibes erfuhren, was ihre Mutter treibe, prügelten sie sie schrecklich durch, dass sie sich kaum mehr rühren konnte; und von der Zeit ab liess es sich die Alte nimmer beifallen, sich in einen Wolf zu verwandeln und fremde Schafe aufzufressen.« Wie so oft tritt uns auch hier eine ältere Überlieferung in Verjüngung an einen bestimmten Ort gebunden wieder entgegen. In solchen Fällen ist sich der Erzähler seiner Lüge gar nicht mehr bewusst, denn er erzählt in bestem Glauben und in unbedingter Vertrauenseligkeit auf die Zuverlässigkeit seiner Gewährmänner oder Gewährweiber. Der Werwolfglaube ist bei den Südslaven entschieden schon vor hundert oder zweihundert Jahren stark verblasst gewesen, sonst wäre die Vermengung oder Gleichstellung der Namen Vukodlak und Vampir kaum erklärlich. Der alte Glaube hat sich im Grunde genommen doch nur in Sagen erhalten, und selbst die Sagen haben ihnen ursprünglich fremdartige Bestandteile in sich aufgenommen. So ist z. B. das Motiv von der Schwanenjungfrau, das wir sowohl beim Vilen- als beim Morenglauben wiederfinden, auch mit einer Wolfsage verschmolzen. Die Einleitung ist zudem einem anderen Motiv entlehnt, und das Ganze hat eine neuzeitige Fassung erhalten: »Es war einmal ein Graf, der besass eine Mühle, in der sich niemand zu übernachten getraute; denn allnächtlich suchte ein Wolf die Mühle heim und frass jeden auf, den er dort antraf. Es kam so weit, dass der Graf bekannt machen liess, wer einmal in der Mühle übernachte, dessen Eigentum solle sie werden. Nun fand sich ein Jüngling, der den Plan fasste, in dieser Mühle zu übernachten. Er begab sich zum Grafen und erklärte sich bereit, das Wagnis zu unternehmen. Hierauf ging er in die Mühle, nahm einige Bretter und legte sie auf das Durchzuggebälke. Sodann fachte er ein Feuer an und wärmte sich. Als er das Herannahen des Wolfes merkte, rückte er rasch die Hobelbank an das Feuer und stieg so rasch als nur möglich auf die Bretter hinauf. Im Augenblick war auch der Wolf schon da, durchsuchte die ganze Mühle, ohne irgend jemand zu finden. Zuletzt trat er ans Feuer, legte seinen Pelz ab, und siehe da! der Wolf verwandelte sich in ein reizend schönes Mädchen. Allmählich wurde sie schläfrig und schlummerte ein. Der Jüngling war unbemerkt geblieben und verliess leise seinen Standplatz, schlich sich heran, nahm das Fell und nagelte es mit drei Nägeln unter der Mühle an. Mit Vergnügen nahm er wahr, dass er es mit keinem Wolfe, sondern mit einem hübschen Mädchen zu tun habe, fürchtete sich nicht im mindesten vor ihr und weckte sie auf. Sobald sie munter ward, wollte sie nach ihrem Pelz greifen; da sie ihn aber nicht sah, ergriff sie den Jüngling bei der Hand und machte Miene, ihn zu schlagen. Als er ihre Absicht erkannte, rief er aus: ‘So ein Weibsbild hat Gott noch nie erschaffen, von dem ich mich hauen liesse!’ Hierauf verlegte sie sich aufs Bitten, er möge ihr den Pelz zurückgeben, doch alle ihre Reden prallten an ihm fruchtlos ab. Sie drohte, es werde ihm schlimm ergehen, sollte sie wieder einmal den Pelz auffinden. Von da ab verliess sie die Mühle nicht mehr. Beide blieben also da und verheirateten sich schliesslich miteinander. Sie lebten lange Zeit in glücklichster Ehe, der ein Kind entspross. Einmal aber fand sie in Abwesenheit ihres Mannes ihren Pelz unter der Mühle und zog ihn an. Sie verwandelte sich nun wieder in eine Wölfin und suchte das Weite. »Der Mann kehrte bald nach Hause zurück, fand das Kind weinend vor und fragte es, warum es weine. Da antwortete das Kind, die Mutter habe das Haus verlassen. Der Mann ging sogleich unter die Mühle nachschauen, sah den Pelz nicht mehr und wusste, wieviel es geschlagen hatte. Da nahm er sein Gewehr zur Hand und zog aus auf die Suche nach der Wölfin. Tief betrübt kam er auf einen Kreuzweg und begegnete dort einem fremden Manne, der ihn teilnahmvoll um den Grund seiner Niedergeschlagenheit befragte, weshalb er komme und was er hier suche. Der Müller teilte ihm sein Leid mit, und der Fremde versetzte: ‘Ich bin der Wolfhirte, ich will dir helfen; ich entbiete alle Wölfe hieher, und wenn du deine Frau nicht aus der Menge herausfindest, so ist es um dich geschehen!’ — ‘Das soll meine Sorge sein!’ Da bliess jener in sein Horn, und es erschienen alle Wölfe. ‘Nun, welcher ist deine Frau? Ist sie mit darunter?’ — ‘Freilich, der letzte Wolf dort ist meine Frau.’ Hierauf nahm der Wolfhirte der Wölfin den Pelz ab, und der Mann führte seine Frau nach Haus, und sie lebten von da ab noch viele Jahre in Glück und Frieden.« Vučji pastir, der Wolfhirte, wird in den Erzählungen der Jäger und Viehzüchter sehr oft genannt. Man glaubt, Wölfe, Hasen und Füchse haben ihren Hirten, der sie befehligt und ihnen Beute zuweist. Wenn ihr Hirte mit ihnen auszieht, so sind die Tiere unsichtbar, und der Jäger mag hart an dem Wolf vorübergehen, er sieht ihn nicht, es mögen ihn selbst hundert Hunde begleiten. Einmal im Jahre zur Winterzeit, nach einer Sage zu Weihnachten, um die Mitternachtmette, versammelt der Wolfhirte irgendwo auf öder Heide oder im wilden Walde alle seine Getreuen und bestimmt jedem Beute und Schicksal für das kommende Jahr. Einst ging ein Weidmann just am Weihnachtabend in den Wald, um Wild zu jagen. Er stieg auf einen Baum und wartete auf dem Anstand. Gegen Mitternacht erschien gerade unter jenem Baume der Wolfhirte in Menschengestalt, knallte mit seiner Peitsche und stiess ins Horn. Alsbald versammelten sich um ihn herum die Wölfe des Waldes, und jeder empfing sein Los zugeteilt und lief dann seines Weges fort. Zuletzt blieb nur noch ein hinkender Wolf zurück. Der fragte den Hirten: »Was für Beute bestimmst du aber mir?« — »Den da oben, der auf dem Baume hockt.« Der Wolfhirte verschwand, und der Wolf blieb allein unter dem Baume. Dem Jäger wurde es grausig zu Mute. Er getraute sich nicht zu mucksen, bis endlich in der Frühe Leute des Weges kamen und ihn heimtrugen. Er lag darauf lange Zeit krank darnieder. Dem Südslaven erscheint der Wolf, gleich dem Fuchs und Hasen, zumal wenn Wölfe in grossen Rudeln auftreten und in die Dörfer einbrechen, als ein geisterhaftes, unheimliches Wesen, auf dem durch einen Fluch ein böser Zauber lastet. Die Wölfe werden wieder gelenkt und getrieben von einem zauberkundigen Wesen, einem Menschen, den man sich unzweifelhaft als einen Werwolf vorzustellen hat, wenngleich dies in den gegenwärtig im Umlauf befindlichen Sagen nicht ausdrücklich bemerkt wird. Der Schluss ist aber nicht nur statthaft mit Hinsicht auf den angedeuteten Werwolfglauben anderer Völker aus älteren Zeiten. Die Wolfhirtenschaft ist wie eine Todsünde eine missliche Gabe, die dem Inhaber geringen Segen schafft und die letzten Stunden des Lebens bitter erschwert. Der Wolfhirte muss vor seinem Hinscheiden sein Amt und die Abzeichen rechtzeitig an einen Nachfolger abtreten. Eine Sage aus Chrowotien erzählt: Es war einmal ein Wolfhirte, der schon alterschwach und krank war, und die Wölfe hatten nichts zu essen und weilten stets an seinem Hofe. (Die Sache verhält sich nämlich so: geht ihr Hirte nicht mit ihnen, so kann sie jeder Mensch sehen und ohne weiteres töten). Ein Bursche stellte damals ein Fangeisen auf und bestieg einen Baum in der Nähe, damit niemand das Eisen stehle. Da kam eine Wölfin und geriet in die Falle. Der Bursche stieg vom Baume herab, warf eine Kotze über die Wölfin und trug sie nach Hause. Er trat in die Stube ein, wo sein Schwiegervater krank im Bette darniederlag, und sprach zu ihm: »Sehen Sie, ich habe doch eine Wölfin eingefangen; Sie aber haben immer gesagt, so lange als Sie leben, werde es mir nie glücken, eines Wolfes habhaft zu werden.« Hierauf entgegnete ihm der Schwiegervater: »Geh’ setz’ mal die Wölfin nieder und gib mir die Peitsche her, die zu meinen Füssen liegt.« Der Bursche reichte dem Alten die Peitsche hin, dieser liess sie einmal durch die Luft sausen, und die Wölfin war spurlos verschwunden. Verwundert fragte der Bursche den alten Mann, wohin denn die Wölfin plötzlich gekommen sei. Doch der Alte verweigerte beharrlich jede Auskunft, litt schwere Todpein und konnte keine Erlösung von seinen Qualen finden. Endlich sagte er zu seinem Schwiegersohne: »Nimm die Peitsche, geh in den Hof hinaus und lass sie einmal knallen, du wirst einen herrlichen Anblick geniessen.« Der tat so, wie er es ihn geheissen hatte. Auf einmal kam er in die grosse Stube hereingerannt mit dem Ausruf: »Kommt heraus, Leute, die Menge Wölfe anzuschauen!« Die Leute liefen hinaus, doch keiner ausser ihm allein sah die Wölfe. Nun ging er zu seinem Schwiegervater und erzählte ihm, niemand sähe die Wölfe ausser er allein. Hierauf antwortete ihm der Kranke: »Wenn dir einer auf den rechten Fuss tritt, so wird er ebenfalls die Wölfe sehen können.« Seit diesem Augenblicke war dieser Bursche Wolfhirte. Einmal kam er zu meinem Schwager auf Feldarbeit und sagte im Vertrauen zum Ispan (herrschaftlichen Aufseher), er wolle ihm etwas Besonderes zeigen, wenn er nicht schrecksamer Natur sei. Darauf sprach er zu ihm: »Treten sie mir auf den rechten Fuss.« Er trat ihm auf den Fuss und sah sich ringsum von unzähligen Wölfen umgeben. Derselbe Hirte erzählte mir und beteuerte es bei Gott und Seligkeit, er habe zwei Steierer gesehen, die dort im Walde meines Schwiegervaters so viele Hasen und Füchse vor sich hertrieben, dass sich die Tiere drängten und stiessen; mir aber sagte er, ich solle ihn im Gebirge besuchen, er werde mir alle Wölfe zeigen, ich müsste ihm bloss auf den rechten Fuss treten. Jener alte Wolfhirte ist vor zwei Jahren gestorben, bemerkte der Bauer, von welchem der Bericht stammt. (Aufgezeichnet um das Jahr 1862.) Seltsam genug wird dem Wolfhirten auch eine Art Obsorge für Hirten im allgemeinen nachgerühmt. Offenbar denkt man, er sei für die Hirten darum bedacht, weil sie gleichsam für seine Wölfe Herden hüten. Der Wolfhirte verstehe es auch, diejenigen Bauern empfindlich zu bestrafen, die sich gegen seine Beschlüsse auflehnen, so er da durch Wölfe ausführen lässt. Darum dürfe man nie einen Hirten prügeln, wenn irgend etwas im Hause zu Grunde geht, am allerwenigsten aber, wenn ein Stück der ihm anvertrauten Herde umkommt, weil sich der Schaden nur vergrössern würde. Es traf sich einmal, dass ein Wolf einem Hirten ein kleines Ferkel raubte. Als der Hirte heimkam, wurde er weidlich durchgeprügelt; er aber entgegnete nichts auf die Vorwürfe, sondern weinte bitterlich. Während er weinte, trat der Wolfhirte an ihn heran und tröstete ihn: »Hab’ keine Furcht deshalb und sei unbesorgt; lass du dich nur morgen um nichts in der Welt bewegen, die Herde auszutreiben. Der soll gehen, der dich durchgeprügelt hat.« Der Junge tat so, wie ihm geraten worden, und so ging der Herr selber mit den Schweinen auf das Feld hinaus. Dort zündete er ein Feuer an. Inzwischen schlichen sich zwei Wölfe heran und trugen ihm jeder je ein Schwein fort. Als der Herr abends nach Hause kam, schwiegen alle still, keiner getraute sich über den Vorfall zu sprechen. Nun beschloss der Herr, alle seine fetten Schweine, eines nach dem anderen, abzustechen. Als er nach einigen Tagen wieder ein Schwein abgestochen hatte, stellte sich der Wolfhirte ein und bat den Herrn um ein Stück Fleisch; doch der Herr fuhr ihn barsch an: »Mir haben heuer die Wölfe genug Fleisch aufgefressen; soll ich noch den Rest an die Leute verteilen? Das fehlt mir noch zum Ganzen!« Ohne darauf ein Wort zu erwidern, wandte ihm der Wolfhirte den Rücken zu, ging in den Hof hinaus, blies in sein Horn, und im Nu waren so viele Wölfe da, als es Blätter im Walde und Halme in der Aue gibt. Die frassen alle Schweine auf und überdies auch das schon zerlegte Fleisch, das der Herr im Hause hatte. Hierauf gab der Wolfhirte jenem Hirten eine Peitsche mit der dieser nur zu knallen brauchte, um so viel Wölfe vor sich zu haben, als es Blätter und Gräser auf der Welt gibt. Mit der Peitsche in der Hand zog der Hirte fort in die Welt hinaus. Falls der Wolfhirte dieser Sagen wirklich noch aus dem vorchristlichen Volkglauben der Südslaven herstammt, so ist St. Georg als Wolfhirte nur eine moderne Einkleidung des alten Glaubens. [121] Die Mar. Blutwallungen, denen sich Krämpfe zugesellen, Anschwellungen der Blutdrüsen mit Milch- oder Blutfluss, schmerzhaftes Herzklopfen mit Atembeklemmungen und dergleichen krankhafte Zustände, die die nächtliche Ruhe zur nächtlichen Pein umwandeln können, führt der Volkglaube, einen Grund für solche Wirkungen suchend, auf Bedrückungen nächtlicher Quälgeister, auf die Maren zurück. Heutigentags ist man über die Erscheinung und die Volkauffassung völlig im klaren. Viele gelehrte Erklärungversuche vertragen kaum mehr eine Erörterung, wie z. B. jene A. Hennes: »Die Nachtgespenster sind abergläubige Entstellungen der Gestirne, deren Strahlen überall hindringen und den stärksten Einfluss auf die Nachtruhe der Menschen üben, indem ihre Helligkeit dieselbe oft stört oder vereitelt. In den wandernden und irrenden Nachtmaren .... erkennt man ohnehin (?!) die in Tiergestalt gedachten, ruhelos hinziehenden Sterne.« Henne verkennt und überschätzt den Einfluss der Sternenwelt auf die Nachtruhe des Menschen. Der Mondsüchtige oder der Nachtwandler ist mit dem Margeplagten nicht zu verwechseln. Die Mar verhindert eben die Beweglichkeit, sie legt den Leib des Schlafenden lahm, die Sterne aber und der Mond beeinflussen in einer anderen, entgegengesetzten Weise den Schläfer. In neuester Zeit wird wieder von einigen Gelehrten die uralte Ansicht eifrig verfochten, die Gestalt der Nachtmar verdanke dem Traumleben ihre Entstehung und ihr Dasein. [122] Diese Auffassung ist zum Teil richtig; der nächtliche Quälgeist ist aber auch bei den meisten Völkern mit den Waldgeistern oder vielleicht eigentlich mit den Windgeistern innig verwandt, doch erscheint nebenher, zumal bei den Slaven, die Mar auch als der Geist eines Verstorbenen, der eine neue Geburt durchgemacht hat d. h. aus der unbekannten Geisterwelt oder, wie die modernen Spiritisten behaupten, aus der vierten Dimension, in einen lebenden menschlichen Leib hineingefahren sei und den Besessenen zu unheimlichen Taten dränge. »Bezeichnend ist hierbei die Vorstellung«, sagt mit Bezug darauf F. Liebrecht, »dass die auf ungewöhnlichem Wege auf Erden Anlangenden (oder Zurückkehrenden) nicht nach ihrer Heimat gefragt sein wollen, als ob sie die Erinnerung daran mieden, indem durch eine derartige Frage eine unwiderstehliche Sehnsucht nach derselben erweckt und sie so zur Heimkehr veranlasst werden könnten«. Einen Beleg dafür lernen wir beim Vilenglauben kennen, [123] einen weiteren erhalten wir gleich bezüglich der Mora. Wenn irgend ein Glaube allen Völkern der Erde zu allen Zeiten und unter allen Zonen gemeinsam war und ist, so ist es der Marglaube. Der südslavische weist unbedeutende Eigentümlichkeiten auf, es wäre denn eine, dass er besonders tief im Volkgemüte noch gegenwärtig eingewurzelt ist. Die Mar (nach anderer Schreibung: Mahr) heisst bei den Serben in Serbien, Montenegro, Dalmatien, bei den Bulgaren und Slovenen allgemein mora, daneben unter den Chrowoten mura und in Slavonien und in Bosnien tmora. Falls das ‘t’ in tmora nicht als parasitisch, sondern als thematisch angenommen werden sollte, so würde uns gerade diese Form eine erwünschte Aufklärung des rätselhaften Wortes geben. Es würde von tema (tmica, tama = Dunkelheit) abzuleiten und mit ‘die im Dunkeln wandelnde’ zu übersetzen sein. In Südbulgarien nennt man die Mora auch lamia. Der Name ist dem Griechischen entlehnt. Die Montenegrer sagen lieber vještica (Hexe) als Mora. Ausnahmweise nennt das Volk die Mora auch Vila, doch ist diese Bezeichnung dann nur als Schimpfwort aufzufassen, nicht aber als ein eigentlicher Name. Das Wort Mora ist dem Bauer schrecklich auszusprechen, darum umschreibt er es gewöhnlich mit noćnica (Nachtfahre, Nachtfrau, domina nocturna). Wenn sich bei einem Manne die Brustwarzen verhärten und ihm dies Schmerzen bereitet, so glaubt man, Noćnice saugen an seinen Brüsten nächtlich (Serbien, Slavonien). Verschiedene Namen für ein Wesen bilden sich im Volkglauben mit der Zeit zu neuen, verschiedenen Wesen aus. So unterscheidet man im Savelande unter den Serben schon zwischen Mora und Noćnica. Die Mora sauge die kleinen Kinder aus, die Noćnica schlage sie, so dass der Oberleib eines geplagten Kindes gleichsam mit blauen Striemen bedeckt erscheine. Die Slovenen in Steiermark kennen neben der Mora noch einen männlichen Quälgeist: vedomec, der, wie ich nach den einschlägigen Mitteilungen und Erhebungen schliessen muss, dem deutschen Volkglauben entlehnt ist und unserem Alp in allen Stücken entspricht. Nur der Name ist slavisch. Im übrigen sind die Moren bei den Südslaven nur wirkliche menschliche Wesen, und zwar ausschliesslich weiblichen Geschlechts. (Nach südslavischem Sprachgebrauche zählen Frauenzimmer freilich nicht zu den Menschen.) Die Mora bei den Südslaven beschränkt sich nicht, wie die Mar bei den Deutschen, aufs Milchtrinken, sondern saugt regelmässig dem Menschen Blut aus. Ohne eigenes Zutun wird das Menschenkind zur Mora. Der verderbliche Geist nimmt vom Menschen Besitz und zwingt zu seinen Diensten den besessenen Leib, der schliesslich oft für den fremden Geist zu büssen hat. In Bosnien und im Herzogtum sagt man: ‘Eine Mora kann nur ein Mädchen sein, und zwar eines, dessen Mutter schlimm gewesen, z. B. die den Teufel anrief (vragala), wenn sie im Hause ihre Kinder züchtigte, die sich falsch zu verschwören pflegte und schamlos war, zu Gott nicht betete und in der Kirche keine Beichte ablegte.’ [124] In einer Dorfgeschichte des Dalmaters Vuletić, »Die Mädchenhöhle«, erzählt ein Mädchen: »Ich hatte eine Tante namens Ännchen, die war als Mora zur Welt gekommen, das heisst, in einem blutigroten Hemdchen. Zu ihrem Unglück hatte sich damals niemand gefunden, der von der Spitze des Daches in die Welt hinausgeschrien hätte: ‘Es ist eine kleine, rote Hindin in einem roten Hemdchen geboren worden’ (rodila se crvena košutica u crvenoj košuljici). Dies wäre ihre Erlösung gewesen. Während ihrer Mädchenzeit wurde sie im ganzen Dorfe verfolgt; die Dorfleute waren fahl und blass, als ob das Fieber alle plagte, und oft sah man morgens das Mädchen zerkratzt in die Häuser kommen mit der Bitte: ‘Gevatter, gib mir ein Körnchen Salz!’« — Allgemein gilt es, dass Kinder weiblichen Geschlechts, die mit einem sogen. Glückhäubchen, in der Lika sagt man »in einem Bettchen« (posteljica) oder einem blauen Hemdchen (modra košuljica) geboren werden, als Moren die Menschen quälen müssen. Solche Mädchen sähen bei Nacht ebenso gut wie Katzen. Der Volkglaube setzt die Moren in engere Beziehung zu den Hexen, doch gehen die Meinungen in Einzelheiten stark auseinander. Die Beziehungen sind jüngeren Ursprungs. Manche glauben, die Mora sei eine Hexe (vještica), die ihr Tun bereut und das Gelübde getan habe, keinen Menschen mehr auszufressen, sondern die Leute bloss nächtlich im Schlaf zu bedrücken und ihnen den Atem zu benehmen. Andere wieder glauben, die Mora sei ein heiratfähiges Mädchen, das nach der Verheiratung eine Hexe werden soll. Im Herzögischen glaubt man ferner, Moren wären von Hexen geborene Mädchen, die diesen ihr ganzes Treiben ablernen, doch während ihrer Mädchenzeit das Zauberwerk nicht ausüben können und vor ihrer Verheiratung niemandem das Herz ausweiden dürfen. In dem Augenblicke aber, wo bei der Trauung der Mora der Kranz aufgesetzt wird, verwandle sich die Mora zu einer Hexe. Auf Curzola und den übrigen Inseln behauptet man dagegen, die Mora sei keine unverheiratete Hexe, vielmehr gebe es sowohl verheiratete als unverheiratete Moren, auch könne nie eine Mora zu einer Hexe werden. Im allgemeinen seien die Moren an dem zerkratzten Gesichte, die Hexen aber an den Hitzbläschen und Wimmerln im Gesichte erkennbar (Insel Brazza). Moren vermögen gleich dem Teufel und den Hexen jede mögliche Gestalt anzunehmen, nur nicht die eines Schafes oder einer Biene. Dank ihrer Verwandlungfähigkeit kann die Mora durch die allerkleinsten Ritzen hindurchschlüpfen. Die Mora steht nicht leicht ab von ihrem auserkorenen Opfer. Sie pflegt es z. B. in der Gestalt eines Pferdes oder eines Hundes zu begleiten. Es ist vielleicht kein Zufall, dass der Volkglaube sie ein Pferd von weisser Farbe sein lässt. Auch die Pest in Pferdegestalt ist von weisser Farbe. Nächtlich bedrückt eine Mora den Schläfer meist in Menschengestalt, oder als Henne, oder als ein Hund, oder als eine Schlange, oder als eine Schlinge, oder als ein Zwirnfaden, den man nicht erfassen kann. Die Mora wirft über den Menschen vorerst einen tiefen Schlaf, doch raubt sie ihm das Bewusstsein nicht. Hat einmal eine Mora bei einem Menschen süsses Blut entdeckt, so verliebt sie sich in ihn und weicht nicht mehr von ihm. Mag er im Schlafe noch so ächzen und stöhnen, die Mora wehrt ihm das Erwachen. In Chrowotien glaubt man, die Mora habe Füsse von dieser Form [Pentagram]. Um sich vor den Heimsuchungen der Mora zu schützen, zeichnet man sich auf die Brustwarzen (sise) ihre »Pratzen« (šape) auf, dann lässt sie einen in Ruhe. Ich vermag diesen Zug bei den übrigen Südslaven nicht nachzuweisen und wage die Vermutung, er sei dem Volkglauben der eingewanderten Schwaben entlehnt (Drudenfuss). Die Mora wälzt sich einem auf die Brust und benimmt einem den Atem. Es sei erwähnt, dass der südslavische Bauer mit Vorliebe auf dem Rücken liegend schläft und die Hände unters Haupt, gleichsam als ein Kissen, legt. Auch bei den deutschen Bauern beobachtete ich vorwiegend diese Lage, während der bürgerliche Deutsche die Seitenlage bevorzugt und wohl daher auch seltener über Alpdrücken zu klagen hat. Hauptsächlich wird die Mora als Quälerin der Wiegenkinder gefürchtet. Dass ein Kind von einer Mora ausgesaugt wird, erkennt man an den angeschwollenen Brüsten, die Feuchtigkeit absondern. Die Ausscheidungen wäscht man weg und reibt die Geschwulst mit Knoblauch ein; denn die Moren vertragen gleich den Hexen keinen Knoblauch. In Bosnien legt die Mutter ihr säugendes Kind nicht eher in die Wiege, als bis sie es mit einer Schere dreimal bekreuzigt hat. Die Schere verbirgt sie unters Kopfpölsterchen, sonst schadet dem Kinde eine Hexe, oder es wird von einer Mora erwürgt (da ga ne bi umorila tmora). Um Kinder vor der Mora und sonst vor Krankheitgeistern zu bewahren, räuchert man abends die Bettchen mit einem alten Stück Schuhleder aus, das man auf glühende Kohlen legt; denn man glaubt, dass Unholde solchen Gestank scheuen. Gewiss ist es, dass Motten und Gelsen ferne bleiben (Serbien, Bulgarien). Die Flüche und Beschwörungen, die man gegen Krankheitgeister sonst ausstösst, wendet man in kürzeren Fassungen auch gegen die Moren an. [125] Im Vergleich zu den vielen Bannformeln in meinem Buche über Volkglauben lehren uns die speziellen Moraverfluchungen kaum etwas Neues, bis auf einige wenige belanglose Wendungen. Als besonders wirksame Abwehr gegen die Mora gilt in Bosnien und dem Herzogtum folgender Zaubersegen (basna) den man vor dem Schlafengehen dreimal singend aufzusagen hat (iskantati): Mora, lezi doma! doma su ti puti, zemlja ti je uzda, Bog te prokleo! Sveti Jovan sapeo, sveti Videlare, koji po moru hogjaše i brodove vozaše: sveži mori moći, sveži tatu ruke, sveži vuku zube, da vuk ne ujede, da tat ne ukrade! Okani se mora i vještica, pogani gjavolica! Ne ću ih se okaniti, dok ih ne doćeram na dubove grane, na granama reske, na reskama kaplje, na volu dlake, na pijevcu repušina! Amin! Mora, leg dich daheim nieder! daheim sind dir die Wege die Erde ist dir ein Zaum, Gott möge dich verfluchen! der hl. Johannes in Fesseln schlagen, der hl. Videlar, so da auf dem Meer einherschritt und die Schiffe geleitete: Bind der Mar die Gewalten, bind dem Dieb die Hände, bind dem Wolf die Zähne, auf dass der Wolf nicht beisse, auf dass der Dieb nicht bestehle! Lass ab von Maren und Hexen, von den unreinen Teufelinnen! Nicht eher lasse ich von ihnen ab, als bis ich sie dahin gejagt auf der Eiche Äste, auf den Ästen die Blütenbüschel, auf den Büscheln die Tautropfen, auf dem Ochsen das Haar, auf dem Hahn ein grosser Schweif! Amen! Man bannt so die Mar in einen Baum der Wildnis, denn als eine böse Baumseele gehört sie dahin, woher sie gekommen. Ein weiteres Beispiel mag ausreichen. Wer von einer Mora geplagt wird, pflegt vor dem Schlafengehen folgendes Gebet aufzusagen: Mora bora, ne prelazi prek ovoga bjela dvora, e su na njem tvrdi ključi od našega Siodora Siodora i Todora i Marije i Matije i sestrice Levantije, koja nema pristupišta, prek ovoga bjela dvora, ni kamena kamenica, ni vjetrušna vjetruština, ni nametna nametnica ni udova udovica ni maćiona maćionica; dokle ne bi pribrojila na nebu zvijezde, na gori listove na moru pijesak na kućki dlake, na kozi runje na ovci vune na vuni dlake. A kad bi to prebrojila, vratilom se opasala, zaštikalom poštapila, ušla u jajsku ljusku, utopila se u morsku pućinu, trinka joj trakuli, vragu joj glava, sve joj koze vrag odnio, mleko joj se ne sirilo, nego rekla: jaoh! jaoh joj dala Lena plena i Marija Magdalena! Amin! Mora (bora) überschreit’ nicht dieses weissen Hofes Schwelle; denn an ihm sind feste Schlüssel von unserem Siodorus, Siodorus, Theodorus und Maria und Matthias und der Schwester Levantija, der allda kein Eintritt zusteht über dieses Hofes Schwelle; keiner Steinhex, sie versteiner’, keiner Windhex, sie verwehe, keiner Plaghex, sei geplagt sie, keiner Witwe, zweimal Witwe, keiner magischen Magierin, eh sie nicht zu End gezählt hätt: am Himmel alle Sterne, im Hochgebirg die Blätter, die Sandkörner im Meer, auf der Hindin das Haar, auf der Ziege die Zoten, auf dem Schaf die Wolle, auf der Wolle die Haare. Und sollt’ sie dies zu Ende zählen, gürt’ sie sich mit einem Webbaum, Webstuhlnagel sei ihr Stecken, sie fahre in eine Eierschale hinein, sie soll in der Meerflut ersaufen; ihr Eingeweide dem Bandwurm, ihr Kopf falle dem Teufel zu, der Teufel hol’ ihr alle Ziegen; ihre Milch soll sich nicht verkäsen; sie soll vielmehr schreien: o weh! o weh! bescher’ ihr Lena plena und Maria Magdalena! Amen! (Aus Grbalj in Dalmatien.) Das Wort ‘bora’ im 1. Vers mag vielleicht den Wind Bora bezeichnen, doch ist es möglicherweise hier nur ein bedeutungloses Füllsel. Die Namen in Vers 4–7 beziehen sich wahrscheinlich auf die Heiligenbilder, die an den Wänden der Stube hängen. Lena plena in Vers 33 ist wohl von der lateinischen Unterschrift eines Bildes entnommen: Sa. Helena plena (amoris Christi). Katholische Bilder sind bei Altgläubigen in Dalmatien nichts Ungewöhnliches. Der Glaube an die gute Wirkung solcher Bannsprüche und Gebete ist nicht gross, denn man nimmt noch zu mancherlei anderen Abwehrmitteln seine Zuflucht. Als bestes, doch schwer durchführbares Mittel gilt, die Mora gründlich durchzubläuen oder gar zu verbrennen. Manches als Mora verdächtigte Frauenzimmer wurde von erbitterten Leuten auf Kohlenglut gesetzt, so dass sie böse Brandwunden davontrug. Man glaubt nämlich, dass die einmal angebrannte Mora nie wiederkommen werde. Mitunter genügt es, dass man irgend ein Kleidungstück der Mora vom Leib reisst und als Pfand zurückbehält. Um es zurückzubekommen, muss sie sich zu jeder Bedingung bequemen. In Montenegro pflegen die Leute, die von einer Mora gedrückt und gewürgt werden, vor dem Schlafengehen einen gewebten Leibgürtel der Länge nach über die Decke auszubreiten. Wenn die Mora zur Heimsuchung erscheint, so zieht sie sich vor dem hegenden Band wieder zurück oder glaubt, eine andere Mora sei ihr zuvorgekommen und habe sich als Band über den Schläfer gemacht. Im »Bergkranz« spricht Serdar Janko zu Wolf Mićanović, der sich berühmt, ihn habe noch niemals eine Mora gedrückt (pritisla): »Mir aber ist sie zur Last geworden. Stets trage ich Kren bei mir und Dornenstacheln im Kleidersaume eingenäht; doch gibt es kein zuverlässigeres Gegenmittel gegen sie (die Mora) als das, wenn man sich zu Bette begibt, über die Kleider einen Gürtel der Länge nach zu legen« (pas pružit ozgo svrh haljina). Wen die Mora drückt, der braucht nur vor dem Schlafengehen hinter die Türe einen Birkenrutenbesen mit dem Stil nach unten zu stellen, und er wird vor der Mora Ruhe haben. Es lebte im Jahre 1866 zu Požega in Slavonien ein Kürschnergeselle, ein starker Fresser, dem aber das Vielessen schlecht bekam, denn ihn plagte die Mora. Sobald er nachts das Licht ausgelöscht hatte und sich niederlegte, kam die Mora durch die nicht verschliessbare Türe ins Zimmer hinein und sprang auf den Gesellen hinauf. Vor Entsetzen getraute er sich nicht sich zu rühren. Deutlich hörte er die Mora atmen und sich räuspern, doch sonst tat sie ihm nichts zu Leide an. Alle Zaubermittel halfen nichts gegen das Übel. Da riet ihm jemand, er solle ein Freitagkind, das vor Moren gefeit sei, bitten, dass es mit ihm in einem Bette übernachte und die Mora mit einer Schere durchschneide. Die Wahl fiel auf mich. Wir waren in der Florianigasse benachbart. Ich war völlig furchtlos, weil man mir frühzeitig eingeredet hatte, ich könnte weder je Geister sehen, noch vermöchten Unholde mir auch nur das Geringste anzuhaben. So sass ich denn mit der schweren Kürschnerschere in beiden Händen auf dem Bette an der Wand, während der Geselle ausgestreckt im Bette neben mir lag. Auf einmal hörten wir den Besen umfallen und die Tür aufgehen. Ein Satz, und die Mora lag auf dem Gesellen. Er fing zu ächzen an und bat mich himmelhoch in die Mora hineinzuschneiden. Die Schere war aber für meine Knabenhände zu schwer, und so gab ich der Mora nur einen Stich in den Leib. Sie sprang im Nu mit einem fürchterlichen Geheul auf und verkroch sich unterm Bette. Nun kamen die Leute herbeigerannt, machten Licht und fanden einen grossen Hund aus der Nachbarschaft vor. Der Geselle schlug ihn halbtot. Am nächsten Tag gab es einen furchtbaren Auftritt zwischen dem Eigentümer des Hundes und dem Gesellen, worauf letzterer sein Ränzlein schnürte und nach Miholjac wanderte. In Dalmatien sagt man, es sei angezeigt, falls einen nachts eine Mora drücke, mit dem Fingernagel in die Wand oder ins Bettgestelle zu kratzen; denn danach werde man am nächsten Morgen die Mora an ihrem zerkratzten Gesichte (ogrančana) erkennen. Ein moslimisches Mädchen in einem Dorfe bei Derventa in Bosnien, das eine Hexe war, liebte einen jungen Mann, ohne Gegenliebe zu finden. Um sich an ihm zu rächen, kam sie in der Nacht als Mora zu ihm. Er jedoch schlief nicht und erfasste sie bei ihren roten Haaren. Alle ihre Bitten, er möge darüber schweigen, nützten ihr nichts, denn er verriet es dem ganzen Orte. Das Mädchen konnte sich an ihm nicht rächen, da er ihr Haar in Händen gehabt und ihr gedroht hatte, ihr das Haar bei nächster Gelegenheit abzuschneiden. Sie heiratete später einen anderen, blieb kinderlos und soll noch jetzt leben. — Wenn es dem Geplagten glückt, der auf ihm lastenden Mora das Hemd vom Leibe herunterzureissen, so werfe er es hinter die Türe mit den Worten: »Komm morgen, ich werde dir Brot und Salz geben!« Die Mora muss sich am nächsten Tag in ihrer wahren Menschengestalt einstellen und um Brot und Salz bitten. Es hat sich dadurch schon öfters ereignet, dass Weiber, die arglos in der Nachbarschaft Brot und Salz ausborgen wollten, tüchtige Schläge davontrugen, weil man sie für Moren oder Hexen gehalten hat. Der Herzogländler glaubt, gegen die Mora sei das beste Mittel, man binde sich vor dem Schlafengehen einen Faden um die grosse Zehe; denn da erwache man, sobald sich die Mora auf einen wälzt. Man sage ihr: »Komm morgen und verlang ein Salz von mir!« Am nächsten Morgen haue man die Mora windelweich durch, und man wird zeitlebens vor ihr Ruhe haben. Die Mora-Sagen erzählen ferner immer mit unwesentlichen Abweichungen dieselbe Geschichte von der wunderbaren Errettung eines Geplagten, der sich nicht einmal durch Flucht zu helfen vermochte, wenn ihm nicht ein Zufall Erlösung brachte. Als typisch darf aber nachfolgende Fassung angesehen werden: Es war einmal ein Mann, den plagte derart die Mora (morila mora), dass er schliesslich gar nicht mehr einschlafen konnte. Das Leben daheim ward ihm zu Leid, und er bestieg sein weisses Ross und ritt davon in die Welt hinaus ganz ohne Plan und ohne Ziel. Seine Flucht blieb aber vergeblich, denn wo immer er sich auf der Reise zur Ruhe begab, fiel auch schon gleich die Mora über ihn her. So immer weiter durch die Welt wandernd, kehrte er einmal zu Nacht bei einem Schneider ein. Als nach dem Nachtessen der Schneider seine Arbeit wieder vornahm und zu nähen anfing, klagte ihm der Gast sein Leid, wie ihn die Mora heimsuche und plage. »Weisst du was«, sagte er, »während du hier nähst, will ich mich mal auf ein Weilchen niederlegen und zu schlafen versuchen«, deckte sich mit seinem Lodenrock zu und streckte sich aus. Kaum hatte er zum Schlafe die Augen geschlossen, fing ihn die Mora zu drücken an, und er hub zu schreien und sich zu wehren an. Als der Schneider dies hörte, hob er die Kerze, um zu sehen, wie sich sein Gast abplage; als er jedoch hinschaute, erblickte er, wie sich ein weisses Haar mit der Schnelligkeit einer Schlange über den Lodenrock hinbewegte, mit welchem sich der Schläfer zugedeckt hatte. Zufällig hielt der Schneider seine schwere Tuchschere in der Hand, fuhr damit auf den Rock zu und schnitt jenes Haar durch. Sobald sich das Haar zu bewegen aufgehört, beruhigte sich der Schläfer und schlief ruhig bis zum nächsten Tag, als die Sonne schon hoch aufgestiegen war. Als er erwachte, dankte er Gott für den gesunden Schlaf und die gegönnte Erholung und lief gleich in den Stall zum Ross, um es abzuwarten. Da hatte man es! Liegt nicht das Ross im Stall tot ausgestreckt? Als ihm nun der Schneider erzählte, wie er das Haar auf dem Lodenrock durchgeschnitten habe, ersahen beide, dass die Mora, die den Wanderer so gequält hatte, niemand andres als das Ross gewesen sei. Man würde irren, wollte man annehmen, das sei nur eine Schauersage, ersonnen zur Unterhaltung. Das Volk glaubt unverbrüchlich fest an die Wahrheit der Erscheinung und an den Wert der Gegenmittel. Noch in der unmittelbarsten Gegenwart betrachtet der südslavische Bauer die Mora als seinen bitteren Feind, den er bekämpfen müsse; an die Säuberung seiner ungesunden Wohnstätte, an die Beschaffung zuträglicher Nahrung, an Mässigkeit und zweckdienliche Bekleidung denkt er weitaus weniger. Zwei gutbezeugte Fälle aus der jüngsten Vergangenheit sollen zur Beleuchtung des Volkglaubens an die Mora dienen. Die Belege liessen sich leicht vermehren. Manda Lučić in Ramanovci erzählte meiner Mutter (im J. 1887): »Vor vier Jahren erkrankte mein Kind. Ich beklagte mich bei den Weibern, dass es fortwährend kränkle, grosse Brüste bekomme, und wie ihm Milch aus den Brüsten fliesse. Die Weiber sagten mir: ‘Dein Kind wird von einer Tmora ausgesaugt. Nimm du einen Wälger (eine längliche Walze aus Holz zum Auswalgen von Mehlspeisteig, oklagija) und pass nachts auf; sobald das Kind zu ächzen anfängt, spring du zur Wiege hin und drück das Wälgerholz darüber. So wirst du die Mora auf dem Kinde erwischen.’ Mein Lukas setzt sich abends in den Ofenwinkel und wartet ab. Auf einmal gegen Mitternacht bemerkt er, wie sich etwas durchs geschlossene Fenster ins Zimmer einschleicht und zur Wiege hinzieht. Als er merkte, dass es schon auf der Wiege liege, sprang er aus dem Ofenwinkel hervor und drückte mit dem Wälger auf die Wiege nieder und fing just jenes Weib ein, das er in Verdacht hatte. Nun schlug er sie mit dem Wälgerholz braun und blau, bis sie ihn zu bitten anfing: ‘Liebster Gevatter, schlag mich nicht tot, ich werde das nimmermehr tun!’ (Kume dragi nemoj me ubiti, ne ću to više nikada raditi!) Dann schlug er sie nicht weiter, und unser Kind wurde frisch und gesund. Jetzt ist es fünf Jahre alt, im sechsten.« Manda Šuperina in Suljkovci erzählte meiner Mutter: »In unserem Dorfe lebten ein Mann und ein Weib, die hatten ein einziges Kind, zu dem allnächtlich eine Mora (tmora) kam, die das Kind aussaugte. Er klagte sein Herzeleid einem Weibe, das Kind könnte ihm sterben, da es von der Mora ausgesaugt werde. Riet ihm das Weib: ‘Nimm einen Sack, wend ihn auf die Kehrseite um, leg dich nachts deinem Weib zu Füssen, deck dich mit dem umgewendeten Sack zu und hüt dich einzuschlafen. Wenn du nachts das Kind wirst ächzen hören, springst du hurtig auf und packst fest den Gegenstand an, selbst wenn es ein lebendes Geschöpf sein sollte, und lässt es um keinen Preis aus.’ Der Mann tat so und fing eine Glucke auf dem Kinde ein. Er hub an, sein Weib zu wecken, sie hin und her zu drehen, aber er konnte sie durchaus nicht erwecken, weil die Vila einen Schlaf auf sie geworfen hatte. Nun nahm er ein Zündhölzchen und wollte die Kerze anzünden, doch die Henne blies das Hölzchen aus. So ging er denn zu seinem Bruder ins Schlafkämmerchen (kiljer) hinaus, weckte ihn auf und hiess ihn ein Licht anstecken, damit sie sähen, was er für eine Henne gefangen. Da sahen sie richtig eine Henne, versengten ihr alle Federn auf dem Kopfe und schleuderten sie mit aller Wucht in den Türwinkel. Die Henne präuchte wie ein leeres Fass. Als sie merkten, sie habe genug bekommen, packten sie sie und warfen sie auf einen Steinhaufen vors Haus. In der Frühe hörten sie, Baba Marga (die alte Margarete) in der Nachbarschaft liege im Sterben, gestern sei sie noch frisch und gesund gewesen. Der Mann ging zu ihr, sah, dass ihr Kopf wie gebraten und ihr Leib zerschlagen sei, und sprach zu ihr: ‘Gelt, du wirst nimmer mein Kind aussaugen kommen!’ (jel de da ne ćeš moje dite više sisati!) Das Weib starb noch am selben Tage, das Kind des Mannes genas aber vollkommen.« Menschenfleischessen. I. In den letzten zehn Jahren sind mehrere wichtige Sonderarbeiten über den unter den Völkern der Erde vorkommenden Genuss von Menschenfleisch erschienen. [126] Jede in ihrer Art ist trefflich, und sie ergänzen einander in erwünschter Weise. Gemeinsam aber ist allen ein Mangel an Angaben bezüglich des europäischen Völkergebietes. So gelangt Europa zu einer Ausnahmestellung, die sich jedoch bei einer halbwegs emsigen Durchsicht der europäischen Folklore als scheinbar erweisen dürfte. Das Menschenfleischessen bei den westlichen Slaven der s. g. alten Zeit wird uns gut bezeugt: Über den wendischen Gebrauch in Wagrien hat Zeiler, Epist. 529 folgende nähere Stelle: »Es ist ein ehrlicher Brauch im Wagerlande gleichwie in anderen Wendlanden gewesen, dass die Kinder ihre altbetagten Eltern, Blutfreunde und andere Verwandten, auch die so nicht mehr zum Kriege oder Arbeit dienstlich, ertöteten, darnach gekocht und gegessen.... Dieser Brauch ist lange Zeit bei etlichen Wenden geblieben, in Sonderheit im Lüneburger Lande.« — Ein weitaus älteres Zeugnis gibt Notker, Cap. 105: »Aber Weletabi, die in Germania sizzent, tie wir Wilze heizen, die ne scament sih nicht ze chedenne, daz sie iro parentes mit mêren rehte ezen sulîn, danne die wurme.« [127] Nicht viel will besagen die Mitteilung eines bulgarischen Folkloristen: »Man erzählt, dass in alter Zeit alte und arbeitunfähige Leute abgeschlachtet wurden.« [128] Hier ist nur von einer sagenhaften, sonst nirgendwie bei den Südslaven nachweislichen Altentötung die Rede, ohne Bezug auf die Verspeisung Getöteter. Dagegen kann man ruhig behaupten, dass sowohl bei den Südslaven als bei den Neugriechen das Menschenfleischessen aus religiösen Motiven fast noch in unseren Tagen vorgekommen sein muss. Der Kopf getöteter Feinde diente zuweilen zur Zauberverspeisung, durch die man die Erwerbung der Eigenschaften des Verstorbenen für sich und durch weitere Vererbung für seine Nachkommen erhoffte. Das häufige Vorkommen dieser Erscheinung in Nord- und Südamerika bestätigen die fleissig erbrachten Belege bei Steinmetz. Ich stimme mit ihm darin überein, dass die Zauberverspeisung ein späteres Entwicklungstadium darstellt, das eine vorangehende, allgemein übliche Anaesthesie gegen Menschenfleisch zur bestimmten Voraussetzung hat. Der Mensch auf einer Urstufe verzehrte ebenso gern die Leichen seiner Genossen, wie die seiner Feinde. Mekić Arslanaga von Kolašin erschoss aus seiner Langflinte den montenegrischen Fähnrich Vučelić Colo, einen berühmten Kämpen aus Rovče, pa mu rusu glavu posijeka und hieb ihm ab sein dunkelharig Haupt. Vezier Mahmut liess es am Burgwall von Nikšić, das jetzt zu Montenegro gehört aufspiessen. Die Geschichte trug sich um das Jahr 1820 zu. Pak Nikšićke bule i kadune dovijaju s junake ragjati, ukradoše i Colevu glavu prvo veče z bedena od grada; zaludu je pred vezirom stâla, skuhaše je kano i govegju, sve se od nje juhe nasrkaše ne bi l Cola kojagogj začela a u turskom dinu i narodu; ma im ne do koji nebom sjaje i kojino Rovčane ostale otle spase i u Rovca snese. [129] Die Weiber und die Edelfrauen von Nikšić um’s Leben gern gebären möchten Helden, und darum stahlen sie des Colo Haupt herab vom Wall der Burg am ersten Abend, (vergeblich tat sie vor dem Vezier prangen) sie sotten ab sie, wie ein Rindviehhaupt, sie schlürften satt sich an mit dessen Brühe, leicht könnt’ empfahen eine einen Colo im Türkenglauben wohl und Türkenvolke; doch gäb’s nicht ihnen, der am Himmel leuchtet, derselbe, so die übrigen Rovčanen herausgerettet und gebracht nach Rovac. Der Guslar gibt zutreffend den animistischen Beweggrund für den Kannibalismus hier an, doch beutet er ihn aus, um Mosliminnen verächtlich zu machen. Nun sind es aber keine Türkinnen, sondern echte Serbinnen, gleich den christlichen Montenegrinnen. Haben es die Frauen wirklich getan, fragt es sich, wie so hat der Guslar zu Rovci davon Kunde erhalten? Die Sache klärt sich einfach auf; der Guslar übertrug auf die Gegnerinnen den ihm aus seiner engeren Heimat vertrauten Kannibalismus, an dessen Wirksamkeit er bestimmt glaubt, sonst würde er nicht Gott um Erfolglosigkeit für die verhassten Mosliminnen anflehen. Menschenfleisch, wenn es von einem Helden stammt, namentlich von dessen Kopfe, macht überaus stark und kräftig; das lehrt auch der griechische Volkglaube. In einem Klephtenliede [130] erzählt der Olymp einem anderen Berge: Auf meinem höchsten Gipfel, da ist ein Aar gesessen, und in den Klauen hält er fest das Haupt von einem Helden. — O Haupt, was hast du doch getan, was hast du doch gesündigt? — Iss, Vogel, meine Jugend auf, iss auf meine tapfere Stärke, dass ellendick dein Flügel werd und spannendick die Klaue! In Luros und Xeromeros war ich ein Armatole, in Chasia und auf diesem Berg zwölf Jahre lang ein Klephte. Vom eigentlichen Kannibalismus, dem Genuss von Menschenfleisch zur Befriedigung des Hungers, berichtet meines Wissens, nur eine einzige Stelle in einem Guslarenliede. Es ist unzweifelhaft freie, dichterische Erfindung, die ein Greis vorbringt, um eine wegen des Unglücks ihres Sohnes trostlose Mutter durch die Schilderung seines unvergleichlich grässlicheren Jammers zu beruhigen: Ja sam imo do osam sinova, sve sam osam starac oženio i osmero imo unučadi; pak su došli pasoglavi turci pak pojeli do osam sinova i pojeli do osam snašica i osmero jošter unučadi. [131] Besessen hab ich wohl an Söhnen acht, ich greiser Mann hatt alle acht beweibt, und Enkel ich besass auch ihrer acht; da brachen hundeköpfige Türken ein und frassen auf wohl alle Söhne acht, und frassen auf acht meiner Schwiegertöchter und überdies acht meiner Enkelkinder. Die Hundeköpfe sind in der slovenischen und chrowotischen Überlieferung sehr häufig, doch sehr selten in der serbischen und bulgarischen. Dieser Sagenstoff ist wohl aus der Fremde. Ein bosnisches Guslarenlied, in dem sich der Heiland als menschenfleischlüstern ankündigt, halte ich lediglich für eine Umdichtung der Sage von der Opferung Isaaks. Zu Todor am Meere fiel ein Himmelbrief hernieder, darin geschrieben stand, Christus lade sich zu Gaste ein, und wünsche Johannes, den Sohn Todors gebraten zum Mahle zu verzehren. Angjelija, die Mutter, lockt durch eine Finte ihren Sohn aus dem Gebirge von den Schafen nach Haus und zeigt ihm den Brief, worin zu lesen, »Christus verlange, dass Todor den einzigen Sohn schächte, gleichwie ein blödes Lamm, ihn brate, gleichwie ein blödes Lamm, denn Christus wolle den Sohn zu Nacht verspeisen.« Der Sohn fügt sich bereitwilligst dem höchsten Wunsche, der Vater fesselt ihm Hände und Füsse, verbindet ihm die Augen, schächtet ihn, brät ihn am Spiesse und setzt ihn gar dem inzwischen eingetroffenen Gaste vor. Christus fand daran grosses Vergnügen, schlug ein schallend Gelächter auf, nahm Rotwein, wusch den Braten, und siehe da, Johannes sprang frisch und fröhlich auf die Beine auf. Alsdann sprach der HERR: »Du warst der Hirt Johannes bis jetzunder, — von itzt du sei der heilige Johannes, — verbleibst bei mir von nun in Ewigkeit!« [132] Dem gleichen Vorstellungkreis gehört auch die Opferung des einzigen Sohnes zu Heilzwecken an. Ein Vater tötete den einzigen Spross, um mit dessen Blute neun blinden Hausgenossen die Augen zu waschen und sie sehend zu machen. Indessen glaubt er bloss, dass er den Sohn umgebracht, da es sich nachträglich nach der Vollbringung der Wunderheilung herausstellt, dass der vermeintliche Sohn nur ein Lämmchen gewesen sei. [133] Ein abstruses Märlein ersann B. Petranović, ein serbischer Veckenstedt [134] (dem er zwar an Begabung und Bildung nachsteht), um in einem Zuge seinem Deutschen- und Katholikenhass Befriedigung zu verschaffen. Er lässt den Wiener Kaiser für seine serbischen Hochzeitgäste, die für den Kämpen Jakšić die deutsche Prinzessin heimzuführen kamen, ein thyestisches Mahl aus den tückisch ermordeten zwei serbischen Brautführern bereiten. Die Gäste tun sich an dem Braten, den sie für einen Schafbraten halten, recht gütlich, bis Prinz Marko auf den Geschmack kommt, sich erbricht und den Herrschaften zuruft, das Fleisch dufte nach Branntwein und Tabak, also sei es Heldenfleisch. Zur Strafe steckt er an eiserne Spiesse des Kaisers beide Prinzen an, brät sie und stopft Stück für Stück vom Braten mit dem Schlachtkolben dem Kaiser in den Mund hinein. P. mochte schwanen, dass ihm wohl nicht leicht einer diese Geschichte als Erzeugnis der Volkpoesie hinnehmen dürfte und erfand zur grösseren Beglaubigung noch zwei Varianten dazu. [135] Auch die sind nicht minder wunderschön und einzig und gereichen dem Erfinder zur Ehre. Einen in der gesamten südslavischen Volküberlieferung unerhörten Schwur leistete Held Ljutica Bogdan bei demselben Korallenfabrikanten. [136] Bogdan hatte um Geld, fabelt P., seiner Gevatterin bei der Taufe für ein Knäblein ein Mägdlein unterschoben. Als die Frau auf den Betrug kam, stellte sie den God zur Rede. Er aber leistet den Meineid: Nisam kumo, života mi moga, nijesam ti čedo promjenio; ako mi se tome ne vjeruješ —, ja ne imam ot srca evlada već Božura u bešici sina, ja pečena izio Božura treći danak na vaskrsenije, ako sam ti čedo promjenio! Ich tat’s nicht, Gödin, nein, bei meinem Leben, ich habe dir das Kind nicht ausgewechselt; wenn du mir also auch nicht glauben willst — mir ist kein Spross vom Herzen mehr beschieden, als in der Wiege Božur bloss der Sohn: — auffressen soll ich Božur gar gebraten am dritten Tag des Auferstehungfestes, wofern dein Kind ich ausgewechselt habe! II. »Ein starker Grad von Menschenfrass ist, wenn einer das Blut eines abgeschlachteten oder getöteten Menschen trinkt, ein geringerer, wenn er das Blut eines anderen, lebenden Menschen, aus was immer für Grunde geniesst, der schwächste aber, falls einer sein eigenes Blut schlürft, nachdem ihm vor fremdem eckelt, oder es ihm vom Gesetz verboten wird.« »Für die erste Art gibt es auch bei uns Beispiele. Tötet im Masurer Bezirke ein Wegelagerer jemand, kostet er ein wenig von dessen Blute, im Glauben, es werde ihn darnach das Blut des Gemorden nicht ereilen (ne će stići krv). Die Montenegrer übten einen ähnlichen Brauch. Wenn sie beim Ansturm einem Türken oder Arnauten das Haupt absäbeln, lecken sie das Blut vom Jatagan ab, in der Meinung, das Blut werde ihnen sodann nicht in die Füsse herabsteigen (ne će krv sići u noge), d. h. sie werden die Geistesgegenwart nicht verlieren. Es graut ihnen nicht im mindesten vor moslimischem Blute; denn sie sagen, das Blut Ungetaufter sei so viel, wie das von Böcken; auch haben sie den Brauch, neben den umgekommenen Moslim, ein Stückchen Brot oder ein bischen Salz und ein Messer hinzulegen, »des Friedens wegen« (radi mira) [137]. Von diesen menschenfresserischen Gebräuchen stammen wohl in der serbischen Sprache die Ausdrücke her: krvolok, krvoločnik (Blutschlürfer), krvopija und krvopilac (Bluttrinker).« »Im selben Masurer Bezirke ist ein hochinteressanter Brauch des Trinkens fremdes Blutes in Übung, doch möchte ich ihn nicht unmittelbar als eine Spur von Anthropophagie bezeichnen, sondern bloss als Fingerzeig, dass sie noch nicht vor dem Genuss fremden Blutes zurückscheuen, also, dass sie es eo ipso einstmal aus anderen Gründen, nicht nur der Wahlbruderschaftschliessung halber gesucht haben, wie dies der Mörderbrauch dieses Bezirkes bezeugt. Wollen sich zwei Leute in diesem Bezirke verbrüdern, lassen sie einander am Finger Blut und saugen es sich gegenseitig aus. Das tun sie, um blutverwandt zu werden (da se krvno srode), denn von der Zeit an, betrachten sie einander als leibliche Brüder. [138] Das hat auch der Surduler Lehrer, Herr Mladen Nikolić getan. So schilderte er mir die Handlung: »Ein bruderloses Frauenzimmer gab den Wunsch kund, mit mir eine Wahlverschwisterung einzugehen. Mein Vater und meine Mutter willigten darauf ein, und eines Abends bereitete sie ein Nachtmahl und jene fand sich mit einem Verwandten ein. Vor dem Mahl vollzogen wir die Zeremonie der Wahlverwandtschaftschliessung, assen darauf und ergetzten uns bis Mitternacht«. Für die dritte Art gibt es noch heutigentags im Dorfe Odžaci bei Trstenik Beispiele. Gegen Keuchhusten, den man dort Eselhusten (magareći kašalj, magaretnjak) oder Kikiriki (Kukurekavac) nennt, trinkt der Leidende sein eigenes Blut. Man schneidet ihm mit einem Rasiermesser die Hand am Finger auf, damit Blut fliesse und der Kranke leckt es auf. Das ist seine Medizin« [139]. III. Etwa 200 Werst von der Universitätstadt Kasan, d. h. nicht ganz dreissig deutsche Meilen entfernt, liegt das Dorf Stary-Multan, dessen Bewohner sich zur orthodoxen Kirche bekennen, eine Kirche und einen Priester besitzen. Im Jahre 1892 hatte dieses Dorf wie so viele andere Orte derselben Gegend eine schlimme Zeit. Die Missernte hatte eine furchtbare Hungernot geschaffen, in den Hütten der Bauern war der Typhus zu Gast, und dazu drohte noch das Schreckgespenst der Cholera. In dieser allgemeinen Not verwirrten sich die Sinne der Leute; der Gott, zu dem sie beteten, schien taub geworden gegen ihr Flehen, und es wuchs in ihnen der Zweifel empor, ob das überirdische Wesen, das sie mit ihren Priestern bekennen, auch die wahre Gottheit sei. Dunkle Vorstellungen von den alten Göttern, die in den weiten Kasanischen Steppen noch ein reelleres Leben führen, wurden wieder wach, und die orthodoxen Christen von Stary-Multan begannen den Heidengöttern Opfer zu bringen, zuerst Tieropfer. Als aber auch dies nicht half, da erhielt ein Weiser des Dorfes eine Offenbarung: der Gott verlange ein »zweibeiniges« Opfer (kurban) — ein Menschenopfer also. Dem Verlangen des Gottes musste natürlich willfahrt werden. In dem Dorfe lebte ein armer Bauer, der aus einem benachbarten Kreise stammte, im Orte also weder Freunde noch Anverwandte besass. Dieser Arme schien gewissermassen im Vorhinein bestimmt, zum Wohle des Dorfes geopfert zu werden. Der Unglückliche wurde — es geschah dies am 4. Mai 1892 — in das Gemeindehaus geschleppt, dort entkleidet, mit den Füssen an der Decke aufgehängt, und nun begannen fünfzehn Personen mit Messern auf den nackten Körper einzustechen; das den Wunden entströmende Blut wurde sorgfältig aufgefangen, gekocht und dann von den Opfernden zu Ehren des Gottes ausgetrunken. Lungen und Herz des Opfers hat man, nachdem es seinen Qualen erlegen war, ausgeschnitten und ebenfalls verzehrt; dann hackte man der Leiche den Kopf ab und warf den Rumpf auf die Strasse. An der Opferung beteiligten sich der Schulze des Dorfes, der bäuerliche Polizeidiener und der Kirchenälteste. Die Leute waren so sehr von der Rechtmässigkeit ihrer Handlung überzeugt, dass sie sich nicht im Geringsten bemühten, den Mord zu verheimlichen. Er gelangte somit bald zur Kenntnis der Behörden, und die Schuldigen kamen in das Untersuchunggefängnis. Nach dritthalb Jahren gelangte dieser Tage der Prozess endlich zum Abschluss, und die Teilnehmer am Ritualmorde wurden zu langjähriger Zwangarbeit verurteilt. IV. Von der Opferung der eigenen Kinder, um einem Freunde das Leben wiederzugeben berichtet die mittelalterliche Sage von den treuen Freunden, dem Amicus und Amelius und das Märchen »Der treue Johannes« in der Sammlung der Brüder Grimm Nr. 6. Über andere Fassungen berichtet W. Grimm in den Anmerkungen. S. 16 ff. [140] V. Mooneys Buch über den indianischen Geistertanz [141] ist für die Erforschung der Entwicklung und des Verlaufes geistiger Epidemien ausserordentlich wertvoll, aber bei allen Anerkennungen seiner Leistung haben wir es nicht notwendig, ihn um sein Material zu beneiden; denn, wenn wir unseren anerzogenen Rassen- und Bildungdünkel ablegen wollen und unbefangen unsere europäische Umgebung, wie Mooney die Indianer, beobachten, können wir mitten in unserem Kulturleben den indianischen gleichwertige Erscheinungen feststellen. Ein Blick auf den Chrowotismus, der jetzt mit Schrecken und Entsetzen zu verkrachen beginnt, beweist es uns. Der Chrowotismus ist ursprünglich eine politisch organisierte und zur Herrschaft gelangte Maffia, durch die nun das chrowotische Bauernvolk, wie die Rothäute durch die weissen Einwanderer, zur äussersten Verzweiflung getrieben wird. Durch die bäuerliche Bevölkerung geht ein Schrei: ‘Los vom Chrowotismus!’ Vor allem trachten sich die Arbeiter durch Vereingründungen zu helfen. Das missfiel, und man veranstaltete ein Kesseltreiben der Verdächtigen. Im August 1897 fand zu Essegg eine langwierige Gerichtverhandlung gegen eine grosse Anzahl Bauern wegen »sozialistischer Umtriebe« statt, gegen Leute, die das ominöse Wort nicht einmal verstanden. Die meisten erhielten ungeheuerliche Kerkerstrafen zuerkannt. Die einzige, nachweisbare Schuld bestand, nach der Meinung der Kenner chrowotischer Verhältnisse, darin, dass sich die Angeklagten wider den Chrowotismus aufgelehnt hatten [142]. Anfangs Septembers 1897 sammelten sich zu Agram weitere 1200 »Sozialisten« an, die unter Ausstossung des Rufes: ‘Pereat Hrvacka!’ die Strassen durchzogen, jedoch mit Waffengewalt besänftigt worden sind. Am 20. September scharten sich zu Sjeničak in Chrowotien bei 4000 Bauern zusammen, um gegen den Chrowotismus zu demonstrieren. Zur Beschwichtigung der Bauern wurden drei Beamte ausgesandt: Der Bezirkvorsteher Brozović (ich kannte ihn vom Gymnasium her) und die Adjunkten Djaković und Cvijanović. »Die Bauern fielen mit Mistgabeln über sie her und stachen sie zu Tod. Die Leichen fand man verstümmelt vor; einzelne Körperteile waren ihnen mit den Zähnen abgebissen worden.« Die mir vorliegenden Berichte sind leider nicht ausführlicher gehalten, so dass ich nicht angeben kann, was denn den Leichen abgebissen wurde. Vor allem darf man annehmen, dass sich die Mörder in ihrer viehischen Wut an dem Blute der drei Unglücklichen gütlich taten, wie dies nach dem Zeugnis von Guslarenliedern und ganz junger Ereignisse bei solchen Gelegenheiten zu geschehen pflegt. Die grässliche Leichenverstümmlung findet ihren Erklärunggrund in dem allgemeinen Volkglauben an die Zauberkraft der Körperteile von Verbrechern. Nach der, selbstverständlich vollkommen unbegründeten, Auffassung der Bauern, ist jeder Beamte ein privilegierter Verbrecher. Darum also die Begier, sich in den Besitz von Teilen durch das »Volkurteil« (narodni sud) hingerichteter »Verbrecher« zu setzen [143]. Im Handumdrehen machten die chrowotischen Blätter aus der überwiegend erzchrowotischen Landbevölkerung »fanatisierte Serben«, um die an der antichrowotischen Volkbewegung vielleicht nur nebenbei oder gar nicht beteiligten serbischen Stammbrüder zu verunglimpfen. Auch versuchen dieselben Blätter, die Juden und Magyaren für das Elend des Volkes verantwortlich zu machen; bisher freilich ohne Erfolg; denn gerade die Gegend Chrowotiens, in der der Aufstand losbrach, ist ganz und gar, wie man im Antisemitenargot sagen würde, juden- und magyarenrein. Das ist der Humor bei der Tragödie des Volkjammers, zu der gleich das Gewehrgeknatter dreier Regimenter Soldaten Musik aufspielte. Bei der ersten Bewegung wurde ein Bauernweib (eine Schwangere) erschossen und sieben Bauern empfingen schwere Verwundungen. »Dreissig »Rädelsführer« glückte es ehebald einzukerkern, die anderen flohen in die Wälder.« Vom Frühjahr 1897 bis zum 23. September 1897 erforderte der chrowotische Ghost-Dance 53 Tote, 137 Schwerverwundete und netto 70 zu mehrjähriger Kerkerstrafe verurteilte »Sozialisten«. (Nach Berichten aus Agram). Bis zum 3. Oktober hatten die Behörden bereits 200 Bauern eingekerkert. Mich schmerzeten diese Kunden unsäglich. Weiland Brozović war einer meiner letzten Jugendgespielen, mit dem ich mich gut vertragen. Mein wissenschaftliches Sondergebiet sind die Südslaven; mein Leben und meine Liebe dient auch ihnen. Wie vielen von den unglückseligen Bauern mag ich mehr als einmal auf meinen Reisen freundschaftlich die Hand gedrückt haben! Das Los der chrowotischen Bauern ist das der Indianer: Aussterben! Liebezauber. In meinem Buche »Sitte und Brauch der Südslaven« widmete ich dem Liebezauber einen eigenen Abschnitt. Seitdem habe ich selber auf Reisen viel neues Material aufgebracht und noch mehr von Mitarbeitern erhalten. Stoff liegt für ein Buch vor. [144] Solche Zaubereien sind nicht allein für die Erforschung der Volkseele wichtig, es wohnt ihnen auch jener Reiz inne, den Liebe überhaupt ausstrahlt. Nachfolgende Mitteilungen verdanke ich einer weissfarbigen Zigeunerin in Derventa. Über die serbische Sprache der s. g. weissen Zigeuner veröffentlichte ich einen kleinen Aufsatz im »Ausland« 1886. Es unterliegt für mich keinem Zweifel, dass die Sprache der dort ansässig gewordenen Zigeuner nur als eine verdorbene serbische Sprache, nicht aber als eine besondere Mundart aufzufassen sei. Für den Lautphysiologen mag es nicht ohne Wert sein, an derartigen Fällen die Einbusse zu betrachten, die das serbische Wort im Munde des die eigene (indische) Sprache vergessenden Zigeuners erfährt, für uns Volkforscher ist dies hier ohne Belang. Ich halte mich nicht für verpflichtet, die Sprachfehler der Zigeunerin, obgleich ich jene möglichst getreu aufgezeichnet, auch im Druck zu wiederholen, zumal man die gleichen Formeln von Nichtzigeunern sprachlich ganz tadellos zu hören bekommen kann. Was mir die Zigeunerin vorsagte, ist weder sprachlich noch inhaltlich ihr und ihres Volkes besonderes Eigentum. Sprachlich vermittelte sie mir schlecht, inhaltlich vorzüglich die überlieferten Zauberformeln, die sie zu ihrem Lebensunterhalte als Erwerbmittel benötigt, und darum möglichst treu in übernommener Fassung festhält. Das Weib war, als ich ihre Bekanntschaft machte, vielleicht dreissig, vielleicht fünfundfünfzig Jahre alt, herabgekommen und elend sah sie genug aus. Bekleidet war sie mit einem dunklen Kopftüchlein, einem bis zum Knie herabreichenden schmierigen Hemde und einem wollenen Fürtuch. Während sie sich von Verliebten ihre Unterweisungen bezahlen lässt, weigerte sie sich, von mir ein Geschenk für ihre Angaben anzunehmen, weil sie sich etwas zu gute tat, dass ein Herr mit ihr freundlich sprach und ihre Reden, für die sie sonst Hohn und Spott eingeheimst, gar niederschrieb. Ihre Mittel sind diese: 1. Um Gegenliebe zu erwecken: Der (oder die) Verliebte nehme zwei Stecknadeln, stelle sie in der Abenddämmerung gegen die Zimmerwand und spreche: mrak mrači, nebo zveči, zemlja ječi, streha streči. Nit mrak mrači, nit nebo zveči, nit zemlja ječi, nit streha streči već moj dragi (moja draga) za potokom kreči. On crko, on puko, dok mene ne vidio, bijelu, rumenitu, tanku i visoku. (Die Dunkelheit dunkelt, der Himmel tönt, die Erde ächzt, der Dachstuhl knarrt. Weder dunkelt die Dunkelheit, noch tönt der Himmel, noch ächzt die Erde, noch knarrt der Dachstuhl, sondern mein Liebster (-e -e) krächzt hinterm Bache. Er verrecke, er berste, sofern er mich nicht gesehen, mich weisse, rosige, schlanke und hochgebaute Maid). Hierauf stecke man die Stecknadeln nebeneinander in den Dachvorsprung (streha), wasche sich die Hände und wische sie am Ofen ab. 2. Das Mädchen rufe abends den Namen des zu bezaubernden Mannes dreimal in den Rauchfang hinauf. 3. Wirksam sei folgender Spruch, so man ihn nachts hersagt, wenn man sich zur Ruhe niederlegt: Ja legoh na devet i devet kreveta pa legoh na devet i devet jastuka, pa se pokrih sa devet i devet jorgana. Pa lego, drago, na devet i devet uši, pa lego, drago, na devet i devet mravi, pa lego, drago na devet i devet buha, pa lego, drago, na devet i devet stinica. Buhe kolju ga, meni ga gone; mravi kolju ga, meni ga gone; uši kolju ga, meni ga gone; stinice kolju ga, meni ga gone. On puko, on crko, dok meni ne došo, dok mene ne vidio tanku, visoku, bijelu i rumenitu! (Ich legte mich auf neun und neun Betten und legte mich auf neun und neun Pölster und deckte mich zu mit neun und neun Decken. Doch mein Liebster soll sich auf neun und neun Läuse legen, und soll sich mein Liebster auf neun und neun Ameisen legen, und soll sich mein Liebster auf neun und neun Flöhe legen, und soll sich mein Liebster auf neun und neun Wanzen legen! Die Flöhe beissen ihn, sie treiben ihn zu mir; die Ameisen beissen ihn, sie treiben ihn zu mir; die Läuse beissen ihn, sie treiben ihn zu mir; die Wanzen beissen ihn, sie treiben ihn zu mir. Er soll bersten, er soll verrecken, sofern er nicht zu mir kommt, sofern er mich nicht schaut, mich schlankes, hohes, weisses und rosiges Mägdelein!) 4. Man nehme die bul trava (papaver rhoeas), breche sie in der Mitte ab, bestreiche das eine Stück mit ungekochtem Honig, das andere mit nicht aufgelassener Butter, lege auf die rechte und linke Seite der Türschwelle je ein Stück hin, und sobald die betreffende geliebte Person dazwischen hindurch gegangen ist, lege man wieder beide Stücke zusammen, grabe sie unter der Dachtraufe ein und spreche dazu niti kapljica brez rupice niti drago bilo bez mene. (Sowenig als ein Regentröpflein ohne Löchlein, so wenig soll mein Liebster ohne mich denkbar sein). 5. Nimm zwei ausgereifte Sonnenblumen, eine mit weissen Samenkörnern, die als weiblich, und eine mit schwarzen Samenkörnern, die als männlich gelten, und entferne aus beiden Blumen die Körner; dann schneide den Blumenboden des weiblichen Teiles ringförmig aus und umwickle ihn mit Goldfäden, den männlichen aber schneide entsprechend flach aus. Den einen Teil bestreiche mit ungekochter Butter, den anderen mit nicht abgekochtem Honig (nevarenim medom); während dieser Verrichtung musst du fortwährend Gebete hersagen. Erblickt das Mädchen den geliebten Mann, so dass er ihr sein Gesicht zuwendet, schaue sie ihn durch den ringförmigen Ausschnitt an und spreche dazu dreimal die Beschwörung: ja tebe ne gledam ... [145] ti mene gledaš u moje srce i u srčene zile, u rumenine i bijeline. Ja sam tebi zlatna, zlatna i blagna; ti drugi ne vidiš, već ti mene gledaš, drugi nikad ne vidiš osim mene. Ti crko, ti puko, dok mene ne vidiš, tanku, visoku, glasovitu, bijelu i rumenitu! (Ich schaue dich nicht an ... du schaust mich an, schaust mir in mein Herz, in meine Herzfasern hinein, meine roten Wangen, meine weise Haut. Ich bin in deinen Augen goldig, goldig und mit Gütern gesegnet; du siehst andere nicht, sondern schaust nur mich, du siehst nie andere ausser mir. Du sollst verrecken, sollst zerplatzen, wofern du mich nicht erschaust, mich schlankes, hohes, klarstimmiges, weisses und rosiges Mädchen!) Darauf lege sie beide Stücke in ein Tüchlein und trage sie an einer Schnur am Halse; aber es nützt noch mehr, wenn sie die Sachen unter der Achselhöhle mit sich herumträgt. 6. Das Mädchen soll dem geliebten Manne von jenem Wasser geben, wovon ein aufgezäumtes Pferd getrunken hat. 7. Das Mädchen nehme schwarze Wickenkörner, die von selber aus der Blüte zu Boden gefallen (kukolj), Sonnenblumensamen und Rheinfarn (vratična trava, tanacetum crispum), vermenge sie mit Mehl, das am Mühlstein kleben geblieben, und rühre mit einer neuen, noch ungebrauchten Spindel ungekochten Honig und nicht aufgelassene Butter darunter, bis ein Teig daraus fertig wird. Aus dem Teig bilde sie einen Ring und lasse ihn an der Sonne trocknen; denn man darf ihn nicht ins Haus hineinbringen. Will sie nun jemandes Liebe erzwingen, so schaue sie ihn durch den Ring an, und sage dabei: ja tebe ne gledam, već ti mene gledaš u moje srce i srčene žile. Ti puko, ti crko, dok mene ne vidiš, dok meni ne dogješ, dok mene ne vidiš bijelu i rumenitu, tanku i visoku! (Ich schaue dich nicht an, du schaust mich an, schaust mir in mein Herz und in meine Herzfasern, sollst zerspringen, sollst verrecken, sofern du mich nicht siehst, sofern du nicht zu mir kommst, sofern du mich nicht siehst, mich weisses und rosiges, schlankes und hohes Mädchen!) Hierauf lege sie den Ring in ein Säckchen und trage es mit sich in der rechten Achselhöhle. 8. Das Mädchen nehme ein Stück Zuckers oder sonst etwas süsses in den Mund und sage dazu: ćufur ćuti, lehom leti; ni ćufur ćuti, ni lehom leti, već moj dragi za mnom leti. On puko, on crko, dok meni ne leti, dok mene ne vidi, bijelu, rumenitu, tanku, visoku! (Die Lachtaube schweigt, sie fliegt durch den Wald; weder schweigt die Lachtaube, noch fliegt sie durch den Wald, sondern mein Geliebter fliegt mir nach. Er zerplatzte, er verrecke, sofern er nicht zu mir fliegt, sofern er mich nicht sieht, mich weisses, rosiges, schlankes und hohes Mädchen!) 9. Das Mädchen schaue durch ein mit ungekochtem Honig und unaufgelassener Butter bestrichenes und mit Fäden behangenes Weberschiffchen (kolocep) [146] und sage den Spruch wie unter Nr. 7 angegeben her. 10. Das Mädchen stelle sich mit dem linken Fusse auf eine Fusstapfe oder Spur des geliebten Mannes, drehe sich auf der Ferse um und spreche dazu: ja se ne okrećem na tvojoj stopi, već okrećem tvoju pamet za svojom pameti. Ti puko, ti crko, dok mene ne vidiš! (Ich drehe mich nicht auf deiner Fusspur, sondern ich drehe deinen Sinn nach meinem Sinne zu. Du sollst zerplatzen, sollst verrecken, sofern du mich nicht siehst!) Hierauf nehme sie von der Erde, wo sie sich gedreht hat, vermenge sie mit ungekochtem Honig und unaufgelassener Butter, rühre dies mit einer neuen Spindel zu einem Teig an, mache daraus einen runden Kuchen und lasse ihn an der Sonne trocknen. 11. Will ein Mann ein Mädchen bezaubern, so fülle er einen Gewehrlauf mit Pulver an, löse den Kolben vom Gewehre los, lege den Kolben auf die eine und den Lauf auf die andere Seite und lasse das geliebte Frauenzimmer, ohne dass sie vom Zauber eine Ahnung bekommt, zwischen durchgehen. Sonach stelle er das Gewehr wieder zusammen, schiesse das Pulver ab und spreche dazu die Beschwörung: Kako god ova puška pukne, neka ona za mnom pukne! Srce joj puklo i srčene žile, dok meni nije došla! (So wie dieses Gewehr springt [laut losgeht], so soll sie nach mir springen! Ihr Herz und ihre Herzadern sollen zerspringen, sofern sie nicht zu mir kommt!) Ein skeptischer Volkforscher könnte auf die Vermutung geraten, die von der Zigeunerin herrührenden Zaubersprüche wären ursprünglich echt zigeunerische Formeln, die nur in slavische Worte umgesetzt seien. Eine Unterstützung fände diese Annahme in der Ähnlichkeit zigeunerischer mit serbischen Zaubereien. Nun aber erstreckt sich eine solche Ähnlichkeit überhaupt auf derartiges Gut gar vieler, wo nicht der meisten Völker dieser Erde. Im übrigen erweist sich eine solche Vermutung ganz unbegründet mit Hinblick auf den Liebezauber, der unter katholischen und altgläubigen Serben in Bosnien üblich ist, deren Slaventum man füglich nach den gewöhnlichen Voraussetzungen kaum in Zweifel ziehen dürfte. Zum Vergleiche will ich einige Liebezaubereien anführen, die ich durch meinen Freund Herrn Dragičević von der altgläubigen Bäuerin Jela Ristina aus dem Dorfe Puškovac am Fusse des Majevicagebirges, eine gute Tagereise von Derventa entfernt, erlangt habe. In diesem Dörfchen wohnen nur Altgläubige. Zwei Stunden davon entfernt liegt das Dörfchen Mačkovac mit einem Kirchlein, das einem Guslarenliede meiner Sammlung zufolge im 13. Jahrhundert von einem serbischen Fürsten aus dem Hause Nemanjći gestiftet worden sein soll. So viel ist gewiss, dass man dort meilenweit im Umkreise auf keinen Katholiken stösst. Hier sind die Altgläubigen ganz unter sich. Nun die Zauberformeln: 12. Wenn ein Bursche ein Mädchen, oder ein Mädchen einen Burschen lieb gewinnt, ohne Gegenliebe zu finden, so nimmt der oder die Verliebte Haken und Öse (bei uns in Österreich sagt man »a Mandl und a Waibl«), steckt sie in den Mund zwischen die Zähne und sucht bei Gelegenheit, etwa beim Polstertanz, einer Art Pfänderspiel, den Gegenstand der Liebe zu küssen. Hierauf nimmt er Haken und Öse heraus, hakt sie ineinander ein, schlägt sie so fest zusammen, dass sie unlöslich erscheinen, und spricht den Bann: Kat se ove dve kopče rastale, onda se i nas dvoje rastalo! (Wenn sich diese zwei Hafteln voneinander trennen, dann sollen auch wir zwei uns trennen!) und wirft zuletzt die Hafteln in fliessendes Wasser. 13. Man suche (und finde) zu Pfingsten ein vierblättriges Kleeblatt (na četiri pera), flechte es in einen Kranz ein, lasse darüber den Zug der Pfingstprozession hinwegschreiten, lege den Kranz hierauf auf oder unter den Tisch, auf den der Priester das Kreuz beim Segen hinstellt, und schaue zum Schluss den Geliebten durch den Kranz an. Er muss dann zur Zauberin in Liebe entbrennen oder er wird verrückt. 14. Will ein Mädchen erfahren, wie ihr Liebster oder derjenige unter ihren Bewerbern heisst, dem sie als Gattin zufallen wird, so erhebt sie sich am Georgtage vor Sonnenaufgang vom Lager, begibt sich zu irgend einem Zaun, hängt sich mit beiden Händen an ihn an und spricht dabei: ja drmam ovim plotom, plot morem, more mojim sugjenim; neka dogje i ime mi kaže! (Ich rüttle diesen Zaun, der Zaun das Meer, das Meer meinen Liebsten; er komme herbei und sage mir seinen Namen an.) Darauf vernimmt sie wohl die Stimme eines Unsichtbaren, z. B. »Ja sam tvoj sugjeni N.« (Ich bin dein dir vom Schicksal bestimmter N.!) 15. Oder sie nimmt für einen Denar Pfefferminze, Feldahornblüten und Gaisklee (dinar para, praklječa i trave zanovjeti), bindet dies alles in ein Tüchlein ein, legt das Tüchlein vor dem Schlafengehen unters Kopfpolster, spricht dreimal: zanovjeti veti, koga ćeš mi reti? (Gaisklee, wen wirst du mir nennen?) und erträumt dadurch ihren Zukünftigen. Die Münzen im Tüchlein sind das Wahrzeichen des Kaufgeldes, und der Feldahorn das der Fahne im Hochzeitzug. 16. Will ein Bursche in sich ein Mädchen verliebt machen, so nimmt er etwas Salz und Brot, geht damit um das Mädchen herum und spricht dazu: Kako ja mogo biti bez soli i hljeba, nako i ova djevojka mogla biti bez mene! (Sowenig als ich ohne Salz und Brot, ebensowenig soll dieses Mädchen ohne mich sein können!) 17. Oder der verliebte Jüngling löst, um bei einem Mädchen Gegenliebe zu erwecken, von zwei Stangenwagen die Stangen und die Äpfel [147] los, legt die eine Stange auf die eine, die andere auf die andere Seite des Weges, wo das Mädchen vorbei muss, und spricht, sobald sie über jene Stelle hinweggeschritten: Kako ovi kantarovi bez ovi jajca mogli vagati, nako i ta djevojka mogla biti bez mene! (So wenig wie diese Wagstangen ohne diese Äpfel wägen, ebensowenig soll auch dieses Mädchen ohne mich sein können!) Die Gewichtstücke halte er stets bei sich. 18. Sehr gebräuchlich sind Liebetränklein und Liebespeisen. Es ist etwas alltägliches, dass man von verliebten Mädchen mancherlei sonst wenig einladende Sachen mit zu essen und zu trinken bekommt, z. B. Menstruationblut und dergleichen. Wer einen gesunden Magen hat, dem schaden auch spanische Fliegen und Schwaben nicht, doch hinterher, wenn man just erfährt, was man zu sich genommen, pflegen sich Gefühle einzustellen, die eben nicht von der Liebe eingegeben sind. Ein unschuldiges und ziemlich gebräuchliches Mittelchen, wenn ein Mädchen einen Jungen in Liebe entbrennen, eigentlich vor Liebe toll machen (obengjijati = Schlaftrunk eingeben) will, ist, dass sie ihm einen schwarzen Kaffee braut, durch einen Fingerring ihn in die Trinkschale eingiesst und durch den Ring etwas gepulverte Nelken und vom Herzchen eines Taubers und einer Taube dazugibt. Dadurch bezaubert sie ihn dermassen, dass er wie von Sinnen ist, wenn er ihre Gegenwart entbehren muss. Tako se vole, moj sokole, do vijeka! (So lieben sie einander, o mein Falke, bis an ihr Lebensende!) — Damit schloss die Bäuerin ihren Bericht. Wenn alle Leute im Volke so hübsch zu erzählen verstünden, wie die vorigen Erzählerinnen, dann hätten wir Sammler ein gar leichtes Spiel und das Übersetzen wäre auch keine nennenswerte Kunst. Die wenigsten Leute im Volke können aber gut erzählen; nicht einmal ein gegliedertes, logisches Denken oder ein logisches Anordnen der Gedanken ist gewöhnlich bei dem ungebildeten Volke anzutreffen. Bei Sagen und Märchen und verwandten Überlieferungen, die man mehr oder minder genau samt der überlieferten Form festhält, geht das Aufzeichnen noch leicht an, doch soll der Bauer aus seinem eigenen Leben etwas erzählen, ja, da happert’s in der Regel, wie man in Österreich sagt. Genau genommen spricht der südslavische Bauer zwei Sprachen zugleich, eine Wort- und eine Geberdensprache, wobei nicht selten die erstere nur als Hilfmittel der letzteren erscheint. Wir Schriftsteller als Volktumerforscher müssen aber beide Sprachen genau auffassen und sie durch die eine Schrift wiedergeben. Unsere Kunst besteht in diesem Falle darin, nicht mehr und nicht weniger zu sagen, als man uns mitteilt. Ich will hier noch einmal eine Bäuerin zu Wort kommen lassen. Die Aufzeichnung ist so genau, dass sie gar nicht mehr übertroffen werden kann. Das Weib hat nämlich selber die Niederschrift besorgt und meiner verewigten Mutter für mich übergeben. Die Geschichte ist einfach und herzergreifend. Keine Idylle, wie sie unsere stubenluftschluckenden Dorfgeschichtenverfertiger als Lesefutter für Salondämchen erzeugen, sondern die wahre Geschichte eines verpfuschten Lebens, ein dankbarer Stoff für Meistererzähler von der Art weiland Auerbachs, oder eines Eduard Kulke. Den Namen der Bäuerin will ich aus Mitleid verschweigen. Im Jahre 1876 war sie als 12jähriges Mädchen mit ihren Eltern aus Bosnien nach Slavonien geflohen. Damals waren, wie bekannt, anarchische Zustände in Herceg-Bosna eingerissen. Niemand war seines Lebens sicher. Unsere bosnische Familie fand in einem slavonischen Dorfe bei Bauerleuten Aufnahme. Die alten Leute starben bald und die Waise blieb bei den Gastfreunden im Hause. Sie besuchte drei Jahre lang die Dorfschule und lernte lesen und schreiben. Mit 18 Jahren heiratete sie einen armen Burschen im Dorfe. Da sie eigentlich niemandes Eigentum war, brauchte man sie niemandem abzukaufen. Sie war also eine gute, jedenfalls eine billige Partie. Weil sie aber niemandem angehörte, durfte es sich ihr zärtlicher Ehegespons erlauben, sie aufs jammervollste zu misshandeln. Sie hat ihn dafür zwar kirre gemacht, wie, mag sie selber erzählen: Žene su mi kazale pak sam mačiće i ćšeniće [148] palila pak sam čovjeku davala od nužde; jer me je na dan pet [puta] tuko; od nužde i nevolje; pušku je na me okrenijo da me ubije. Onda sam morala ići na sud. Dok smo raspravili, jedno sedam do osam puta sam od njega bižala. Dok me žene nisu na to naputile nije ništa bila asna. Onda me više nikada ni dodijo. J još su me to žene napućivale pak is tri mlina puva, omaje i masti onda kolačiće pekla pa sam mu davala jesti, da je mojemu ditetu bolji. Tijo je na dvi poklupke žege pak je tijo popaliti, a drugog je tijo megju svinje baciti, da ga svinje potrgaju. To je bilo uprav na svetog Mikolu [149]. Kat su mi to žene kazale onda je me bio dobar, al na kratko je živ bio pak je umro. I to ne bi bio radio, al se je sa rogjenom jetrvom držo pak ga je ona na to nagovarala. Onda priko toga svega sam tila sebe i obadvoje dice u Orljavu[da] [150] utopim al su me žene odgovarale: nemoj, nego probaj, [151] što sam eto i radila. Onda sam i dva miseca i luda bila, što su njegove švaljerke [152] napravile. Onda sam odala po vračarama; dok sam opet ozdravila izdala sam sve što sam sirotinje imala. Die Weiber haben (sind) mir gesagt und ich habe (bin) Kätzchen und Hündchen geröstet (gebrannt) und habe (bin) dem Gatten eingegeben vor (von) Not; denn mich hat (ist) er auf den Tag fünf (mal) geschlagen; vor Not und Ungemach. Das Gewehr hat (ist) er auf mich gewendet (gerichtet) damit er mich töte. Dann habe ich (bin) müssen gehen aufs Gericht. Bis wir uns ausgeglichen, einige sieben bis acht mal bin ich von ihm davongelaufen. Bis mich die Weiber nicht haben (sind) auf das (an)gewiesen, nicht ist nichts gewesen (ein) Nutzen. Dann mich mehr niemals nicht (einmal) berührt. Und noch haben (sind) mich dies die Weiber unterrichtet und aus drei Mühlen Staubmehl, Sprühwasser und Fetten, dann kleine Kuchen gebacken und habe (bin) ihm eingegeben [zu] essen, damit [er] sei meinem Kinde besser. Sollen hat [ist] auf zwei Stürze [legen] Glutkohlen und hat (ist) wollen verbrennen, aber den anderen hat (ist) er wollen unter die Schweine werfen, damit ihn die Schweine zerreissen. Dies ist gewesen gerade am heiligen Nikolaus. Als haben [sind] mir dies die Weiber gesagt dann ist [er] mir gewesen gut, doch auf kurze [Zeit] ist [er] lebend gewesen und ist gestorben. Und dies nicht hätte gewesen getan, doch sich hat (ist) mit geborenen Schwägerin gehalten und ihm hat (ist) sie auf dies angeredet. Dann über dieses alles habe (bin) wollen mich (sich) und beide Kinder in der Orljava ersäufen, doch haben (sind) mich die Weiber abgeredet lass, das, sondern versuch, was habe (bin) da siehe auch getan. Dann bin [ich] sogar zwei Monate selbst verrückt gewesen, was haben (sind) seine Buhlinnen gemacht. Dann bin [ich] gegangen zu Kräutlerinnen; bis ich bin wiederum gesund geworden, ausgegeben habe (bin) ich alles was ich habe (bin) [an] Armut besessen. Freie Übersetzung. Ich lebte mit meinem Manne in Unfrieden. Manchen Tag schlug er mich fünf mal. In meiner schweren Not gab ich meinem Manne auf Anraten der Weiber Kätzchen und Hündchen ein, die ich vorher durch Rösten zubereitete. [153] Im Zorn legte er (einmal) auch sein Gewehr gegen mich an, um mich zu töten. Ich sah mich genötigt, ihn bei Gericht anzuzeigen. Während die Klage anhängig war, behandelte er mich so schlecht, dass ich einige sieben bis achtmal seinetwegen aus dem Hause flüchten musste. Alles Zureden und Bitten blieb vergeblich, bis ich nicht wieder auf Anraten der Weiber mein Heil bei Gericht suchte. Von da ab rührte er mich nicht ein einzigmal mehr an. Ferner haben mich die Weiber auch mit einem Zauber bekannt gemacht, den ich in Anwendung brachte. Ich holte nämlich von drei Mühlen Mehl, welches als Staub in der Malkammer zu Boden fällt, Sprühwasser von den Mühlrädern und Fette, mit welcher die Mühlradachsen eingefettet werden, verbuk diese Sachen in Kuchen und gab sie meinem Manne zu essen, damit er meinen Kindern günstiger geneigt sein möge.2 Die Kinder konnte er eben nicht ausstehen. So legte er einmal auf zwei irdene Backstürze Glutkohlen, um zwischen den Stürzen das eine Kind zu verbrennen, das andere Kind aber wollte er unter die Schweine in den Saustall werfen, damit es die Schweine zerreissen. Dieser Vorfall trug sich gerade am St. Niklastage zu. Das angegebene Mittel, welches mir die Weiber anzuwenden angeraten, half wirklich und mein Mann wurde mir und meinen Kindern wohlgesinnt, nur lebte er leider nur noch kurze Zeit. Bald darauf starb er. Eigentlich war er von Natur kein gar so bös gearteter Mensch, doch er unterhielt mit seiner leiblichen Schwägerin [154] ein ehebrecherisches Verhältnis, und sie war es, die ihn zu den Gewalttätigkeiten aufstachelte. Als ich auch seinem ehebrecherischem Leben auf die Spur kam, wollte ich aus Verzweiflung mich und meine beiden Kinder im Orljava-Flusse [155] ersäufen, doch redeten mir die Weiber nachdrücklichst davon ab, indem sie mir besagtes Mittel zu versuchen anrieten. »Lass die Selbstmordgedanken, [156] versuch eher die Wirkung unseres Mittels,« sagten sie, und wie bemerkt, befolgte ich ihren Rat. Nach dem Ableben meines Mannes war ich noch zwei Monate wie geistgestört. Das haben mir seine Buhlinnen mit ihren Zaubereien angetan. Ich zog von einer heilkundigen Kräutlerin [157] zur andern, um Heilung zu finden. Als ich endlich wieder zur Gesundheit gekommen, waren aber auch schon alle meine ärmlichen Habseligkeiten draufgegangen. II. ABTEILUNG. GUSLARENLIEDER. Zur Einführung. Indem ich daran gehe, Guslarenlieder meiner Sammlung mitzuteilen, muss ich zunächst einige Bemerkungen zur allgemeinen Einführung vorausschicken. Guslarenlieder behandeln grösstenteils geschichtliche Ereignisse, kriegerische Verwicklungen, entsprechende Sagenstoffe, zum kleineren Teil Legenden, Märchen und sonst unblutige Begebenheiten aus dem Leben und Streben hervorragender Gestalten der Überlieferung. Verwandlungen (Metamorphosen), scherzhafte und witzige Erzählungen sind dieser gehobenen, epischen Gattung abartig. Die Guslarenlieder sind ihrer Entstehung, der äusseren Form nach Gebilde ziemlich jungen Ursprungs. Die ältesten besungenen, geschichtlichen Vorkommnisse reichen vielleicht ins XIII. und XIV. Jahrhundert zurück. Der eigentlich so zu sagen pragmatisch-historische Teil der Überlieferung bekümmert uns Folkloristen und Ethnologen selten oder gar nicht. Wert haben jedoch die darin besprochenen Sitten, Bräuche, Gewohnheitrechte und religiösen Vorstellungen, die sich oft aus einer weit hinter jeder slavischen Staatenbildung liegenden Zeit von Geschlecht auf Geschlecht vererbten und vererben mussten, weil sie einer eigentümlichen sozialen Gliederung entsprossen und mit Rechtgewohnheiten innig verknüpft waren. Daher kommt es häufig, dass uns die Fabel eines Liedes kalt lässt, der eine und andere Brauch oder Glaubenszug — die eingewobene Episode — aber als ein untrügliches Zeugnis für eine uralte (primitive) Anschauung und Rechtübung nachhaltig zu fesseln vermag. Man soll mich nicht einer übertriebenen Bewertung der Guslarenlieder als eines Borns des ältesten und verbürgtesten slavischen Glaubens und Rechtes zeihen. Ich bin weder der erste noch der einzige, der zur Überzeugung gelangt ist, dass das Slaventum keine ehrwürdigeren, wichtigeren und ergiebigeren Fundstätten für eine Erkenntnis seines Volktums aufzuweisen hat, als es die epischen Überlieferungen, die Guslarenlieder der Serben und Bulgaren sind. Das war auch Maciejowskis Ansicht, eines Mannes, der wie wenige vor ihm, neben ihm und nach ihm in den Geist des Slaventums eingedrungen war. Er kannte freilich nur erst einen geringen Teil dieser Literaturgattung — dies Wort sei mir erlaubt, — und die Bylinen der Russen, wie die Dumen der Kleinrussen berücksichtigt er auch zu wenig, aber zu urteilen war er berechtigt, wenn sonst einer. Er nennt die serbische Guslarenepik eine unvergleichliche Quelle, wie sich einer solchen kein anderes slavisches Volk berühmen könne. [158] Dabei lagen ihm erst nur vier Sammlungen vor, von denen er bei der Beschaffenheit seiner Sonderstudien nur einen bescheidenen Gebrauch machen konnte. Nach einer fünfzigjährigen, rastlosen Durchforschung aller erreichbaren altslavischen, geschriebenen Urkunden, gesteht er gepressten Gemütes die Unzulänglichkeit seiner Arbeiten ein und setzt seine Hoffnung für eine gedeihliche Weiterführung und Vertiefung seiner Untersuchungen auf die Tätigkeit seiner Nachfolger, die Sitten und Bräuche der Slaven erforschen werden. [159] Meine zwar auch nicht vollständige Handbibliothek gedruckter serbischer und bulgarischer Guslarenliedersammlungen zählt sechzig Bände, und auf jeden kommen durchschnittlich 5400 Verse. In verschiedenen Zeitschriften, Jahrbüchern und Bauernkalendern finden sich auch noch gehäuft 40 000 Verse vor. Ausserdem besitze ich meine eigenen, bis nun ungedruckten Sammlungen (172 000 Zeilen), die ich aus kritischen Erwägungen als belangreicher für die Wissenschaft erachte, denn alles, was anderweitig bis zur Zeit von dieser Art dargeboten worden ist. Es sind mir für meine speziellen Monographien in runder Zahl an Guslarenliedern 500 000 Zeilen zu Handen, so dass ich mir für eine Menge bedeutender und unbedeutender Fragen hinsichtlich des slavischen Volktums zuverlässige Belehrung aus überquellendem Füllhorn holen kann. Ich glaube durch meine bisherigen Veröffentlichungen den Nachweis erbracht zu haben, dass die Guslarenlieder nicht bloss ein spezifisch slavisches Publikum interessieren mögen, sondern geeignet sind, auch die Aufmerksamkeit aller nichtslavischen Volk- und Völkerkundigen in hohem Masse auf sich zu ziehen. Kein geringerer als Friedrich von Hellwald, ein gewiss stimmbefugter und unverdächtiger Beurteiler, schrieb einmal mit Bezug auf mein Buch ‘Sitte und Brauch der Südslaven’ (Wien 1885): »Bei den Slaven zeigt sich das Patriarchat lange noch nicht so fortgeschritten, wie bei den Griechen und Römern. Eben deshalb geziemt es, jene östlichen Völker vor diesen zu studieren. Es wird sich dabei herausstellen, wie haltlos die Annahme jener ist, welche die im klassischen Altertum vorgefundenen Familienzustände, ohne alle Rücksicht auf die vergleichende Völkerkunde, als die ursprüngliche darzustellen lieben«. [160] Nicht minder beziehungreich äusserte sich ein Post [161]: »Die neuerdings von Krauss (Sitte und Brauch der Südslaven 1885) gesammelten südslavischen Gewohnheitrechte sind universalrechtgeschichtlich von höchstem Interesse. Sie repräsentieren eine Stufe in der Rechtentwicklung, welche wir sonst nur bei ganz tiefstehenden Völkern antreffen. Wir finden fast alle Erscheinungen des reinen Geschlechterrechtes, eine vollständige Geschlechterverfassung gestützt auf Hausgemeinschaften« usw. usw. Gerade für alle diese wichtigen ethnologischen Grundprobleme sind die Guslarenlieder die lauterste Quelle. Aber ebenso muss ihnen auch in ausschliesslich folkloristischen Dingen jeder unbefangene Forscher einen gleich weitgehenden Vorrang im Verhältnis zu den homerischen Gesängen (schon des Umfanges halber), zu den Bylinen, Dumen, den finnischen, turkotatarischen und malaischen Epen zugestehen. Eine Slavistik des zwanzigsten Jahrhunderts dürfte hauptsächlich auf der Unterlage der Guslarenlieder fussen, sofern es ihr gelingen sollte, die Fesseln einer überkommenen unfruchtbaren, aprioristischen Methode abzustreifen, und das Studium meiner gesammelten Aufzeichnungen wird voraussichtlich einmal zu einer unabweislichen Beschäftigung der Volkforscher gehören. Es wäre verkehrt zu glauben, dass alle Südslaven oder auch nur ein namhafter Bruchteil des Serben- und Bulgarenvolkes mit den Guslarenliedern halbwegs vertraut sei. Das ist durchaus nicht der Fall. Die mit Schulbildung erzogene Schichte der Bevölkerung, die einer intimen Kenntnis der Mundarten in ihren Verästelungen ermangelt, versteht auch nur zum kleineren Teil solche Texte, mitunter, wenn es gut geht, bloss in groben Umrissen das Geschehnis der Fabel. Sind doch sogar die wenigsten Guslaren immer in der Lage, einzelne Worte und Wendungen ihrer von alterher übernommenen Gesänge oder vollends eingestreute Survivals von Sitten und Gebräuchen zu deuten und ansprechend auszulegen. Der Liedervorrat des einzelnen Guslaren ist ja gewöhnlich nicht allzugross, und der Guslar ist kein Forscher. Dem südslavischen Durchschnittleser ergeht es mit Guslarenliedern nicht um vieles besser als einem deutschen Spiessbürger, dem man die Interpretierung der Epen eines Hartmanns von Aue, Wolframs von Eschenbach und Gottfrieds von Strassburg zumutete. Die grenzenlose Begeisterung für und die stimmungvolle, heilige Weihe bei Anhörung von Guslarenliedern, die mancher Sammler in der Vorrede seiner Ausgabe als beim Volke vorhanden angibt, ist lediglich einfältiger Selbsttrug. Der Ackerbauer und Viehzüchter, der Handwerker und Hausierkrämer, der Holzfäller und der Flösser und vollends der Städter gehen (sachte, sachte) ihrem Erwerb und Beruf nach, ohne sich um Heldentaten zu bekümmern. Sind sie einmal gut oder nicht zu schlecht aufgelegt, singen sie zu eigenem oder anderer Leute Zeitvertreib lyrische Lieder oder lügen einander sonst was vor. Die meisten Dichter der Guslarenlieder älterer Zeit sind in der Gefolgschaft der abenteuernden Rottenhäuptlinge und Burgherren zu suchen, in den Kreisen ritterlicher Herrschaften und der Vertreter der Volkmiliz; in einer also nicht unbestimmbaren Schichte des Volkes ist die Heimat des Guslarenliedes. Leute von kriegerischen und dichterischen Neigungen lernen am liebsten diese Art alter Überlieferungen und verbreiten sie wieder. Bei geselligen Zusammenkünften hört einem Guslaren zuweilen ein Dutzend Männlein und Weiblein, armes Bauernvolk mit den halbwüchsigen Kindern, nicht ungerne zu, um sich zu zerstreuen, doch bei alledem ist der Guslar in gemischter Gesellschaft so gut wie nie die Hauptperson. Sozial nimmt der Guslar vermöge seiner Kunst der Rezitation keinerlei ausgezeichnete Stellung ein; er galt doch nur in der kriegerischen Rotte etwas, die sich mit ihrem Häuptling im Andenken nachfolgender Geschlechter verewigt wissen mochte. Um solchen Anspruch auf Nachruhm zu erlangen, begingen die Helden mancherlei Schauertaten; das erklären mit dürren Worten nicht wenige Kämpen selber in Guslarenliedern. Guslen, das Fiedelwerkzeug, nicht aber ein professioneller Guslar — von Beruf Guslar ist nur ein Landstreicher — gehörten jedenfalls zur Ausrüstung einer auf Abenteuer ausziehenden Rottschaft, wie nicht minder zum Hausgerät in einer Hausgemeinschaft. Das Faullenzen und Tagvergeuden muss man, um des behaglichen Tunichtsgefühles bewusst froh zu werden, durch die Erweckung entgegengesetzter Vorstellungen von Kämpfen und Plagen, von Not und Lebensgefahren wohltätig zu unterbrechen wissen. Das Spiel zu den Guslen und der Vortrag erfordern weder eine nennenswerte musikalische noch eine dichterische Begabung. Wer nicht halb taub ist, kann leicht den Guslarentakt — einen Takt für einen ganzen Vers in ständig gleicher Wiederkehr — fiedeln und zum Vortrag braucht er nebst gesunden, kräftigen Lungen nur ein Gedächtnis für die Lieder zu haben, die er einmal oder mehrmal mit angehört; zu Neudichtungen schliesslich bloss eine gewisse Beherrschung eines allgemein feststehenden Vorrates an epischen Phrasen und sich häufig wiederholender Schilderungen von Situationen und Örtlichkeiten, Schmuck und Gewaffen. So kann einer mit Anwendung der üblichen Technik leicht irgend eine neue Begebenheit in gewohnter epischer Darstellung und Einkleidung wiedergeben. Diese Tätigkeit war in der Regel zu wenig auffällig und künstlerisch bedeutsam, als dass der Guslar daraufhin einen besonderen Rang, sei es in der Rotte oder einer Familiengenossenschaft, für sich hätte in Anspruch nehmen dürfen. Kurzum, Guslen waren vorhanden und zu deren Gewinsel durfte, wer dazu Lust und Liebe empfand, ein Lied vorheulen und vorquieken, und mochte es auch nur ein Besucher sein. Goljan kam aus Nikšići zu seinem Vetter, dem Häuptling Matelja ins Gebirge, beklagte sich bei ihm über die hohen Steuern, die der Paša vom Volke eintreibe pa uzeše gusli javorove, und nahm zur Hand aus Ahornholz die Guslen, sta uz gusle Goljan popijevat: und zu den Guslen hub er an zu singen: A gje ste mi sokolovi sivi? usw. Wo seid, Ihr grauen Falken, mir geblieben? usw. Eine Aufstellung bestimmter Gruppen von Guslarenliedern vermeide ich aus formellen und stofflichen Rücksichten. Für unseren Bedarf reicht der Terminus Guslarenlied aus. Fauriel verzeichnet für die Neugriechen den Ausdruck κλεφτικὰ τραγοῦδια, den Müller unpassend mit ‘Räuberlieder’ verdeutscht. [162] Im Serbischen und Bulgarischen entspräche dem griechischen volktümlich nicht etwa hajdučke, sondern junačke pjesni: Lieder, die von Helden handeln, doch ist diese Bezeichnung nur in der serbischen Literatur, nicht in der Volksprache gewöhnlich. Das Volk sagt guslarske pjesni, Guslarenlieder, ohne die zu Guslen vorgetragenen Stücke ihrem Inhalte nach irgendwie genauer auseinanderzuhalten. Eine Einteilung der epischen Erzählungen in besondere Gruppen entsprach keinem Bedürfnisse und wäre ohne viele Worte und Beispielsammlungen kaum durchzuführen gewesen. Die einschlägigen, durchweg schablonenmässigen Versuche halb-, viertel- und ganz eingebildeter Sammler und Literaturgeschichtenerzeuger vertragen keine ernsthafte Erörterung. Es ist nicht viel mehr als ein leidiges Vorurteil, das manche unserer Fachgenossen gegen die Lektüre dieser Lieder einnimmt. Ich räume ein, dass der ästhetische Genuss, den sie einem gewähren, oft fragwürdig sein mag und dass die sprachliche Erfassung des Sinnes mancher Stellen im Original bei dem Mangel guter Wörterbücher hie und da beträchtliche Schwierigkeiten bereitet. Nun ist aber eine sprachwissenschaftliche von unserer folkloristischen Bemühung unzertrennlich, ob es sich um dieses oder jenes Volk handelt, und jeder Folklorist muss auch bestrebt sein, jedem gerichtlich beeideten Draguman ein Paroli biegen zu können, indem er seine jeweiligen, dem Verständnis der Fachgenossen minder leicht zugänglichen Texte in eine ausgebreitete und gut bekannte Schriftsprache übersetzt. Eine gediegene Übertragung wiegt in der Regel für den Sachverständigen einen halben Kommentar auf. Nachdem durch solche Art von Darbietungen einer grösseren Zahl von Mitstrebenden die Beschäftigung mit den aufgefundenen Stoffen erleichtert wird, nimmt ein weiterer Kreis von Denkern an der Forschung Anteil und es mehren sich die wissenschaftlichen Ergebnisse. Unbedingt entrückt man hiedurch Beiträge zur Volk- und Völkerkunde der widerwärtigen nationalen, patriotischen und kirchturmpolitischen Ausschrotung und macht sie auf allein würdige Weise für die Wissenschaft vom Menschen nutzbar, die keinerlei willkürliche und Zufallgrenzen anerkennt. Vom wunderbaren Guslarengedächtnis. Es gibt nicht wenige Leute, namentlich unter den Südslaven, die den Guslaren ob seiner Gedächtnisstärke als ein masslos Wunder anstaunen und aus nationaler Eitelkeit gar den Glauben hegen und verbreiten, dass dies Wunder eine südslavische Eigentümlichkeit sei. Da erzählt man von einem Guslaren, der 30, von jenem, der 70 und von einem dritten, der 100 000 und mehr noch Verse in den Speichern seines Gedächtnisses verwahrt mir nichts dir nichts mit sich herumträgt und jederzeit bereit ist, sich hören zu lassen. An der Zuverlässigkeit der Angaben, an deren Feststellung ich als einer der ersten beteiligt bin, ist nicht zu rütteln; um so mehr fühle ich mich verpflichtet, das vermeintlich Mystische der Erscheinung ins klare Licht zu setzen. Wunder muss man von der Ferne betrachten und an sie glauben. Der Wunderglaube ist das Kokaïn der Forschung. Eine kleine Einspritzung davon beeinträchtigt schon die geistigen Verrichtungen derart, dass ein gesundes, wissenschaftlich gerechtfertigtes Urteilfassen fast völlig erlahmt. Solches Glauben ist ein Zustand, eine Erscheinungform individuell verminderter Zurechnungfähigkeit. Dem nüchternen Forscher liegt es ob, die Dinge in der nächsten Nähe zu prüfen und sie in ihre kleinsten Bestandteile zu zerlegen, um ihr wahres Wesen zu ergründen. Mir flösst ein noch so tüchtiges Gedächtnis geringe Ehrfurcht ein, weil ich mich selber mit dem meinigen zufrieden geben darf und, soweit ich zurückdenke, immer dazu geschaut habe, um es mir zu bewahren. Mich reizte es, herauszukriegen, wie es die Guslaren machen, um so zahllose Verse im Kopfe zu behalten. Vor allem besah ich mir genau den Vorrat eines Guslaren an Stoffen und die Mittel seiner Darstellung. Zunächst fand ich heraus, dass die Zahl der Stoffe durchgehends bescheiden ist, indem sie bei einem Manne zwischen acht bis dreissig schwankt und dass diese wieder untereinander verwandt sind oder auch, dass sich der Guslar wiederholt. Andererseits zeigte es sich, dass der Guslar auch mit stereotypen Beschreibungen und Schilderungen wirtschaftet, wodurch sein eigentlicher Besitz an Darstellungmitteln beträchtlich zusammenschrumpft. Gäbe sich einer Mühe, könnte er am Ende sogar eine gewisse Gesetzmässigkeit feststellen, nach der sich die stereotypen Klichés ablösen müssen, um im Sinne des Guslaren ein ganzes Lied hervorzubringen. Der Guslar erfindet nichts mehr von Belang, nachdem durch die Jahrhunderte alte Überlieferung die stehenden Formeln, von denen er weder abweichen kann noch will, in Fülle für seinen Gebrauch vorhanden sind. Um ein neues Lied, d. h. ein ihm bis dahin nur stofflich unbekanntes in sein geistiges Eigentum aufzunehmen, braucht ein geübter Guslar, der die Klichés so ziemlich inne hat, nur genau aufzuhorchen, in welcher Reihenfolge die Klichés und in welchen kürzeren oder längeren Fassungen, oder, in welchen Verbindungen sie in dem neuen Stücke vorkommen. Wenn er gewissenhaft ist, nimmt er auch vom Vorsänger sprachliche Eigentümlichkeiten mit in den Kauf. Probieren geht übers Studieren. Am 18. März 1885 notierte ich vom Guslaren Ilija Krstić Jukić ein Lied von 78 Zeilen und am 4. Oktober 1885 liess ich mir es wieder von meinem Reisebegleiter, dem Guslaren Milovan vordiktieren, der es sich 7½ Monate vorher auf mein Geheiss zu merken hatte. Beide Fassungen decken sich, wie man sich aus meiner Abhandlung über das Bauopfer bei den Südslaven (Wien 1887), wo sie abgedruckt stehen, überzeugen kann. Ein andermal notierte ich nach einem Zeitraume von neun Monaten von Milovan dasselbe Lied (von 458 Versen) zum zweitenmale. Die Variation ist so unbedeutend, dass sie der Rede nicht wert erscheint; man vergleiche die beiden Texte in meiner Schrift: Das Burgfräulein von Pressburg. Budapest 1889. (Ethn. Mitt. aus Ungarn). Ich darf nicht unerwähnt lassen, dass gerade dies Lied ein Hauptstück seines Repertoires ist, das er im Laufe von 30 oder 35 Jahren gewiss an zweihundertmal vorgetragen hat. Ich habe 127 Guslaren näher kennen gelernt. Nur ein einziger unter ihnen war mit zeitlichen Gütern gesegnet [163] sonst waren es durchweg arme Burschen, viele sogar bettelarm, auch wenn es ihnen weder an Gesundheit noch an Rüstigkeit zur Arbeit fehlte. Guslaren sind aber keine Arbeiter, sondern lieben das dolce far niente, das Träumen und Nachsinnen, das Fabulieren und Musizieren (sit venia verbo!), um ihre Lieder immer und immer wieder zu wiederholen, damit sie sie nicht vergessen [164]. Im Grund genommen, macht es der Guslar nicht anders als unsereiner von der Feder, wenn wir etwas unserem Gedächtnisse fest einprägen wollen: wir memorieren oder studentisch: wir büffeln es uns ein. Genau betrachtet, ist das Wissen und Können selbst des trefflichsten Guslaren eine Kleinigkeit dem gegenüber, was sich alles unsereiner merken muss, um den umstrittenen Titel eines Gelehrten zu behaupten. Ich machte auch die Wahrnehmung, dass fast jeder Guslar sein spezielles Genre hat, der eine pflegt den Prinzen Marko und dessen Zeitgenossen, der andere Mujos und Aliles Taten, der dritte fühlt sich auf ungarischem Boden heimisch, der vierte verherrlicht vorwiegend Hajduken, der fünfte schätzt über alles Heiligenlegenden und Wunderbegebenheiten, ein sechster liebt die Helden der Neuzeit des Serbentums usw. Gerade durch solche Spezialisierung wird jedem die Beherrschung seiner Stoffe bedeutend erleichtert. Sang mir ein Guslar fünf oder sechs seiner »besten« Lieder, wusste ich schon beiläufig, woran er ist und woran ich bin. Trug er mir Lieder vor, die ich schon aus gedruckten Sammlungen kannte, liess ich ihn gehen, oder, wenn ich von einem mehrere Stücke schon aufgezeichnet hatte und er ein neues mit breiten Wiederholungen aus früheren ausstattete, stellte ich das Schreiben ein, ausser die Fabel bot mir irgend einen ethnologisch bemerkenswerten Zug dar, den ich als Beleg für eine Sitte oder einen Brauch einmal verwenden zu können glaubte. Eine Frage bleibt noch offen: wie behält der Guslar sein Wissen an Liedern in Evidenz? Wie kommt es, dass einer eine oder zwei Wochen lang Tag für Tag ohne merklich darüber nachzudenken ein Lied nach dem andern vortragen kann, ohne dasselbe Lied wieder von neuem anzustimmen? Wie helfen wir Schriftsteller uns in einer ähnlichen Lage? Wir legen uns zu unserer Bequemlichkeit einen geschriebenen Katalog an. Der Guslar, der des Lesens und Schreibens unkundig ist, schreibt natürlich keinen Katalog, doch verfasst er sich gerade so wie wir einen und, was wir wieder nicht tun, er lernt seinen auswendig. An der Hand dieses mnemotechnischen Behelfes kann er über seinen Liederschatz hübsch in Ordnung verfügen. Ein derartiges Verzeichnis will ich hier bekannt geben. Selbstverständlich ist es poetisch wertlos, obgleich es sich in der Form eines Liedes gibt, aber man muss es als Lied gelten lassen, wenn man es mit der Mehrzahl der Erzeugnisse montenegrischer Guslarendichter zusammenstellt, die ja im Grossen und Ganzen auch nichts anders sind, als dürre Aufzählungen, denen Poesie, Witz und Humor als unbekannte Elemente fremd geblieben sind. Ich behaupte nicht, dass jeder Guslar seine Lieder in einen Katalog einsetzt, der für sich so zu sagen ein Lied gibt. Andere unterstützen ihr Gedächtnis mit etwas anderen Mitteln. Gewöhnlich greifen sie den Namen des Haupthelden des Liedes heraus und bringen ihn in einen Vers. Dieser Vers dient ihnen meist auch als Titel zum Liede; es ist das Schlagwort unter dem sie das betreffende Lied führen. Andere wieder, bei denen geographische Vorstellungen vorherrschen, müssen sich an Örtlichkeiten erinnern, um ein Stück hersagen zu können. Gar selten sind Guslaren, die unter allen Umständen in jeder Laune und Stimmung vorzutragen vermögen. Jeder muss sich erst besinnen. Sehr wenige Guslaren schauen während ihres Vortrages den Zuhörern ins Gesicht; vielmehr wenden sie ihre Augen entweder abwärts oder aufwärts und schneiden dazu, mitunter ergötzliche Grimassen. Das Augenbrauenfurchen und Stirnrunzeln, das bei dem Gesange aus dem Gesicht nicht weicht, zeugt schon für eine erhöhte Gedankentätigkeit. Eines hat man sich auch noch gegenwärtig zu halten, dass die Guslaren ihre Lieder nicht erst in reifen Mannjahren lernen, sondern sie sich schon von früher Kindheit an, zu einer Zeit, wo man Eindrücke leicht aufnimmt und sie noch leichter festhält, anzueignen pflegen [165]. Der Guslar arbeitet also sein Lebelang ausschliesslich an der Behauptung und zum Teil Ausgestaltung seines in den Jugendjahren erworbenen geistigen Besitzes. Es ist daher nichts wunderbares daran, dass er ihn bis ins späte Alter hinein behält. Mein Milovan kennt 30–40 000 Verse, ist aber trotzdem kein Gedächtniskünstler. Ich hatte ihn nach Wien mitgenommen und vier Monate lang bei einer deutschen Familie verpflegen lassen. In der Zeit hatte sich der Mensch keine zwanzig deutschen Worte gemerkt, dagegen konnten sich die zwei Töchterlein seiner Wirtleute mit ihm schon leidlich serbisch verständigen. Am 19. Jänner 1885 verhörte ich den Guslaren Ljuboje Milovanović aus Bogutovo selo, einen griechisch-orientalischen (oder altgläubigen, wie die Schwaben in Slavonien sagen) Christen. Seine Spezialität bildet der Vortrag von Legenden, die von serbischen Heiligen und Kirchenbauten oder Stiftungen handeln. Einen grossen Teil dieser Lieder findet man schon in älteren Sammlungen gedruckt vor. Da sich dabei für meine Studien wenig gewinnen liess, zeichnete ich nur zum Zeitvertreib mehrere Stücke Ljubojes auf, und als er mich fragte, welches er mir noch vorsingen solle, sagte ich gleichgültig: ‘Sing mir, was du glaubst, dass mir nötig sein wird.’ Mir gewährt auch die mechanische Arbeit des Schreibens Vergnügen, wenn die Feder rasch über glattes Papier gleitend Buchstaben für Buchstaben hinsetzt und Reden festhält. Man hat dabei blutwenig zu denken, erholt sich und ist doch nicht ganz müssig. Ljuboje sang die nachfolgenden 31 Zeilen und machte Halt, so dass ich aus meiner Träumerei beim Schreiben aufwachte. ‘Nun, warum singst du nicht weiter?’ — ‘Es ist zu Ende. So habe ich es von meinem Vater übernommen. Weiter geht es nicht.’ — ‘Ja, Liebster, das ist ja gar kein Lied, sondern nur eine Aufzählung’ (naklapanje). — ‘Ich weiss nicht mehr. Darin habe ich aufgezählt, von welchen Stiftungen ich Lieder vortragen kann. Jetzt magst du aussuchen, welches dir nötig sein wird.’ Im Verlauf der weiteren Unterhaltung stellte es sich heraus, dass er auch ausserhalb seines Kataloges mehrere Lieder von den Taten des Prinzen Marko und den Umtrieben der Vilen inne habe. Die zeichnete ich auf. Sein Katalog, wie er sich ihn gemerkt hat, scheint übrigens durch den Ausfall mehrerer Verse in Unordnung geraten zu sein. Die ursprüngliche Fassung dürfte aus lauter dreizeiligen Strophen bestanden haben. Die beiden vierzeiligen Schlusstrophen enthalten je eine Zeile zu viel. Vom 16–24 V. fehlt die Gliederung. Njemanićâ blago zadužbine. Zbor zborila gospoda riśćanâ, kut se ždjede Njemanićâ blago? Tu se trepi Njemanićâ Savo: — Braćo moja, gospoda riśćanâ, ne čudte se moja braćo draga, kut se ždjelo Njemanićâ blago. Gradili su mloge zadužbine. Najnaprijed jesu načinili, načinili tri Gjurgjeva stupa. Pa iza tog jesu načinili, načinili visoke Dečane, ja Dečane od dvanajs kubeta. Pa iza tog jesu načinili, načinili bjela namastira, namastira blizu Tävne vode, Filendara kod Novog Pazara, Miloševku na Hercegovini, ja Dovolju na krajini ljutoj Ozren crkvu sred sredi Ozrena, Jalovnicu u dnu Birča donjeg, ja Papraču u sred Birča gornjeg; na pošljetku dvije mirske crkve na Mačkovcu i na Dragaljevcu. Pa iza tog, što je ostanulo, ostanulo nebrojena blaga, gradili su po kalu ćuprije, po vodama i po kalovima. Pa iza tog, što je ostanulo, ostanulo nebrojena blaga, dijelili kljastu i sakatu, dijelili nijemu i sirotnu. Die Stiftungen aus dem Schatz der Njemanić. Berieten Rat des Christenvolks Gebieter, wohin der Schatz der Njemanić geraten? Hier traf sich Sabbas Njemanić zugegen: O Brüder mein, des Christenvolks Gebieter! Seid nicht verwundert meine teueren Brüder, wohin der Schatz der Njemanić geraten. So manche fromme Stiftung auf sie führten, vor allem andern haben sie erbaut, erbauten sie die drei Georgensäulen. Nachdem sie dies errichtet, dann erbauten, erbauten sie die Dečani hochragend, die Dečani mit Kreuzgewölben zwölf. Nachdem sie dies errichtet, dann erbauten, erbauten sie das weissgetünchte Münster, das Münster in des Tavna-Flusses Nähe, das Kloster Filendar beim neuen Pazar, die Miloševka in dem Herzogtume, auch Dovolja im grimmigen Grenzgebiete, die Ozren-Kirche in dem Herz von Ozren, am Grund von Unter-Birač Jalovnica, die Paprača in Mitten Ober-Birač’s, zu allerletzt noch zwei Gemeinde-Kirchen: zu Mačkovac und zu Dragaljevac. Was übrig blieb, nachdem sie dies errichtet, was übrig blieb an ungezählten Schätzen, dafür sie Brücken bauten über Sümpfen, sie überbrückten Flüsse wohl und Sümpfe, Was übrig blieb nachdem sie dies errichtet, was übrig blieb an ungezählten Schätzen, verteilten sie dem Lahmen und dem Krüppel, verteilten sie dem Stummen und Verwaistem. Der Titel vom Guslaren. In Njemanić liegt eine Volketymologie vor, indem der Guslar den Namen von nijem (stumm) ableitet. Die richtige Form ist Nemanja. Stefan N. (1159–1195) serb. König war Stifter der nach ihm benannten Herrschersippe (1159–1367). Sein Sohn Sava (Sabbas) ward vom Patriarchen zum serb. Erzbischof eingesetzt. S. richtete in Serbien zwölf Bistümer ein. Zur Ehrung seines Andenkens ist seit der Mitte dieses Jahrhunderts unter den serbischen Städtern der Brauch eingeführt worden, den Gedenktag mit einer nationalpatriotischen Festversammlung unter Veranstaltung von Festvorträgen alljährlich feierlich zu begehen (Svetosavska besjeda). Was alles bei diesen Anlässen dem heiligen Sabbas nachgerühmt wird, hat ebenso grossen Anspruch auf geschichtlichen Wert, wie die Angaben des Guslaren über die Stiftungen. Die Nemanjić sind durch einen gleichen volkpsychologischen Prozess, wie Prinz Marko zum grössten Helden und Befreier, zu Wohltätern des Serbenvolk hinaufgefabelt worden. Zu V. 1. Riśćani sind die altgläubigen, Krśćani die katholischen Christen. Zur Zeit der Entstehung dieser Art Guslarenlieder war das Nationalitätprinzip und was drum und dran hängt, noch nicht erfunden. Das Bauernvolk hält sich noch an die alte, konfessionelle Scheidung, und Konfession deckt sich bei ihm begrifflich so ziemlich mit Nation. Zu V. 9. Gemeint sind wahrscheinlich die »Georgsäulen« bei Novi Pazar; eine Klosterkirche, nach einem Guslarenliede eine Stiftung Simon Nemanjićs. Zu V. 11. Dečani, eine Klosterkirche, Stiftung König Stefan Uroš III (1330) in der Metohija, im südöstlichen Serbien gelegen. »Hohe D.«, weil die Kirche auf einer Anhöhe, das gleichnamige Dorf aber unten im Tale lag. Zu V. 15. Tavna, ein Flüsschen zwischen Tuzla und Koraj. Das Kloster heisst trojica (Dreieinigkeit). Bei einem Chrowoten las ich einmal, der Name Tavna wäre uraltillyrisch. Warum, mögen die Götter wissen. Das Wasser hat ja wirklich durch den Boden und die grünen Hänge eine dunkle Färbung, so dass die Bezeichnung tavna voda (dunkles Wasser) im serb. gerechtfertigt ist. Zu V. 16. Filendar; gewöhnlicher ist die Namensform Hilandar (f für h, wie Foča statt Hoča), gr. Χελαντάριον, ein Kloster auf Athos. Seiner gedenkt schon eine serb. Urkunde aus d. J. 1198. Zu V. 17. Gewöhnlichere Namenform Miloševa, Milješevka. Zu V. 18. Dovolja, Kloster am rechten Ufer der Tara, Bosnien, erbaut 1707. Zu V. 19. Ozren, Klosterkirche, 5 Stunden Weges von Maglaj a. d. Bosna entfernt. Ist nach der österr. Okkupation wieder hergestellt worden. Gegründet im 14. oder 17. Jahrh. Zu V. 20. Jalovnica, nur noch eine kleine Dorfkirche im Birač-Kessel oberhalb Zvorniks. Zu V. 21. Auch Papraća und Papratnja geheissen. Liegt in Trümmern. Zu V. 22. Mirski, vom türk.-arab. mîrî, Staatgut. Zu V. 23. Zu Mačkovac und dem ihm benachbarten Dörfchen Dragaljevac sah ich recht kleine Kirchlein. Zum Popen in M., der mir seine Kirche als ein Altertum zeigte, sagte ich: »Mir scheint, der Erbauer war kein Baumeister, vielmehr ein Töpfer. Der Bau kann doch nicht alt sein!« — »Ja, den Bau haben wir noch unter türkischen Drangsalen und Bedrohungen vor dreissig Jahren aufgeführt, doch fanden sich an derselben Stelle Fundamente vor, die einer Kirche angehört haben müssen, weil ja hier ein alter Friedhof herum ist.« — Es fielen mir auf dem Bestattungorte 7 oder 8 freistehende, mannhohe Balkengerüste auf, die oben flach mit Brettern bedeckt waren. Ich wusste nicht, wozu sie dienen. Der Pope erklärte mir, seine Pfarrkinder hätten seit jeher den Brauch, nach einem Begräbnisse auf diesen Gerüsten den Leichenschmaus abzuhalten. Er tadelte daran nur, dass sich die Trauergäste dabei bis zur Bewusstlosigkeit mit Branntwein zu berauschen pflegen. Anderweitig traf ich nirgends im Lande auf Friedhöfen derartige Gerüste an. Džanüms Heerzug. Haben Guslarenlieder einen geschichtlichen Wert? Ja oder nein? Wenn wir uns über den Begriff Geschichte einigen, werden wir den geschichtlichen Wert solcher Texte hoch veranschlagen. Darauf allein kommt es an, was wir aus der Geschichte schöpfen wollen. Suchen wir grosse Namen, Jahrzahlen, diplomatische Verhandlungen, historisch-politische, statistische und ökonomische Daten, dann können wir Guslarenlieder bei Seite lassen. Wir suchen etwas ganz anderes. Wir suchen nicht einmal nach grammatischen Regeln, unser Ziel und Zweck ist anders geartet. Schon vor mehr denn 70 Jahren würdigte J. von Hammer-Purgstall [166] dichterische Quellen von einem höheren, dem unseren verwandten Gesichtpunkte aus, indem er die Worte niederschrieb: »Die Dichterwerke eines Volkes sind nicht bloss für zergliedernde Prosaiker da, welche den Leib des Osiris zerstücken, oder für silbenmessende Prosodiker, welche virgilianisches Los nur in Silben stechen, sie sind nicht bloss als anatomische Leichname dem Skalpell haarspaltender Grammatiker und versespaltender Variantensammler Preis gegeben; die Poesie eines Volkes ist der treueste Spiegel seines Geistes, Gemütes, Genius und Charakters, sie ist die Flamme des heiligen Feuers der Bildung, Gesittung und Religion, welche von dem Altare der Menschheit zum Himmel auflodert.« Diesen geschichtlichen Spiegel suchen wir. Ist er aber auch so, dass er uns echte und zuverlässige Bilder zeigt? Unsere Forschungweise spricht dafür. Zum Überfluss bekräftigt uns in unserer Auffassung ein wahrer, grosser Dichter, dem man in dieser Frage ein berechtigtes Urteil kaum absprechen dürfte. Es ist dies Heinrich Heine: »Die Geschichte wird nicht von den Dichtern verfälscht. Sie geben den Sinn ganz treu, und sei es auch durch selbst erfundene Gestalten und Umstände. Es gibt Völker, denen nur auf diese Dichterart ihre Geschichte überliefert worden, z. B. die Inder. Dennoch geben Gesänge, wie der Mahabharata den Sinn indischer Geschichte viel richtiger als irgend ein Kompendiumschreiber mit all seinen Jahrzahlen.« [167] Damit ist auch der Hauptgrund festgestellt, warum wir uns im grossen und ganzen um die Chronologie der pragmatischen Geschichtschreiber wenig zu bekümmern brauchen. Uns ist die historische Persönlichkeit zumeist gleichgültig, wie gewöhnlich auch den grossen Dichtern, wobei man keinen tiefgehenden Unterschied zwischen Volkdichtern und Kunstdichtern zu machen hat. Ich betone dies, weil ich mich mit den Bemerkungen Eugen Monseurs, in seiner Besprechung [168] einer meiner Schriften nicht in allem einverstanden erklären kann. Er sagt nämlich: »[ce texte] fait admirablement comprendre, que le point de départ de tout développement épique est la chanson populaire contemporaine des événements. Comme les Kablyles d’aujourd’hui, comme les Grecs du temps passé, les Bosniaques du 17e siecle ont chanté les prouesses des héros au fur et à mesure qu’elles s’accomplissaient. Il y a là une loi du genre. Toute épopée a une base historique; nous connaissons la date de la mort de Roland et si nous ignorons celle de la mort de Patrocle, c’est peut-être simplement parce que l’époque homérique ne nous a laissé ni chronique, ni inscription.« Von den Guslarenliedern hat manches eine historische Grundlage, die Mehrzahl dagegen geht ihrem Kerne nach auf freie Erfindung zurück, die dem literarisch ungebildeten Dichter, nicht minder als dem hochgeschulten Kunstdichter zu eigen ist. Was liegt uns endlich an der Kenntnis des Sterbetages eines Patroklos?! Das nachfolgende Guslarenlied beruht z. B. wohl auf einem geschichtlichen Ereignis, auf der Eroberung Siebenbürgens durch die Türken, doch von dem im Liede gefeierten Haupthelden weiss die Buchgeschichte rein nichts zu sagen, und sogar der Guslar kennt nicht einmal seinen Namen! Džanan (Arab.-türk. džanym, mein Liebster, meine Seele, von Arab. džan, Seele, Atem, Hauch) ist bloss ein Kosewort! Ja, man kann sogar die Schilderung des Heldenstreiches Džanüms für eine Mythe betrachten. Es spricht sehr vieles dafür, dass wir in dieser Episode nur eine Sage in slavisierter Dichtung vor uns haben. Die Persönlichkeit solcher Helden ist meist nicht anders denn als die Verkörperung des Ideals vom Heldentum zu begreifen. Wir wären nicht besser daran, hätte uns der Guslar statt Džanüm irgend einen möglichen und wirklichen Namen geboten. Besagt uns vielleicht ein Michabo der Algonkins, ein Ioskeha der Irokesen, ein Tamoi der Kariben, ein Itzamna der Mayas etwas von geschichtlichem Belang? D. G. Brintons bezüglich Betrachtung [169] gilt mutatis mutandis auch für die Helden der Guslarenlieder: »It is not always easy to pronounce upon these heroes, whether they belong to history or mythology, their nations poetry or its prose. In arriving at a conclusion we must remember that a fiction built on an idea is infinitely more tenacious of life than a story founded on fact. Further, that if a striking similarity in the legends of two such heroes be discovered under circumstances which forbid the thought that one was derived from the other, then both are probably mythical. If this is the case in not two but in half a dozen instances, then the probability amounts to a certainty, and the only task remaining is to explain such narratives on consistent mythological principles.« So ganz unanfechtbar erscheint mir der Grundsatz doch nicht; denn eine lokalisierte Erzählung kann durchaus mythisch sein, während ihr Vorbild ein wirkliches Ereignis war. Das Lied erzählt uns, dass Rákóczys gesamte Heermacht beim Ansturm der unbedeutenden bosnischtürkischen Truppenabteilung vom panischen Schreck ergriffen in heller Flucht zerstiebt und ganz Siebenbürgen kläglich unterlegen sei. Die Berichte zeitgenössischer Chronisten, sowohl christlicher als türkischer wissen dagegen von einem ziemlich hartnäckigen Widerstande der Magyaren und Deutschen zu berichten. Der Schilderung des Guslaren entspräche eher die Mut- und Kopflosigkeit der 20,000 Griechen, die von heilloser Angst befallen nach Larissa und von Larissa samt der unkriegerischen Bevölkerung bei Nacht nach Pharsalos und Volo flüchteten. Nun, einen fast gleichen Fall verzeichnet auch die ältere türkische Geschichte, und wir dürfen in unserem Guslarenliede eine Auffrischung der alten Erzählung annehmen. Als im Jahre 1363 das serbische 20,000 Mann starke Heer zwei Tagereisen von Adrianopel an der Marica lagerte, wagte Hadži Ilbeki mit nur 10,000 Mann Osmanen einen nächtlichen Überfall auf das in Sorglosigkeit und Trunkenheit versunkene feindliche Lager. Das Getöse der türkischen Trommeln und Pfeifen, das Schlachtgeschrei ‘Allah! Allah!’ erfüllte die Luft und die Herzen der Christen mit Schrecken; ihn vermehrte die Finsternis der Nacht: »Die Feinde ergriffen, wie wilde Tiere aus ihrem Nachtlager aufgeschreckt, eiligst die Flucht, strömten gegen die Marica hin, schnell wie der Wind hergeht vor der Glut und sanken unter in der Flut,« berichtet der Geschichtschreiber Saeddin. [170] Ist man bereit, meine Vermutung als begründet gelten zu lassen, so hätte freilich damit Monseurs ‘Gesetz’: ‘toute épopée a une base historique’ einen Beleg mehr für seine Richtigkeit gewonnen. Es geht nicht gut an, ein historisches Guslarenlied, das von Ereignissen handelt, die ausserhalb Ungarns wenig bekannt sind, einem internationalen Leserkreis vorzulegen, ohne zumindest in knappen Umrissen die politischen Zustände und Verhältnisse des Gebietes anzudeuten, auf dem sich die folgenschwere Handlung abgewickelt. Folgenschwer, weil ein dazumal durchaus von sächsischen Deutschen bewohntes Land gräulich verwüstet und zum Besiedlunggebiet rumänischer, magyarischer und slavischer Einwandererzüge gemacht ward, so, dass der Fortbestand deutschen Volktums in Siebenbürgen bis auf unsere Tage gefährdet erscheint. Ausführliche Belehrung mag man sich aus der Fachliteratur holen, die den Fall Siebenbürgens unter türkische Herrschaft zum Vorwurf hat. [171] Georg Rákóczy I. starb am 23. Oktober 1648. Es folgte ihm auf dem Fürstenthrone sein schon vor sechs Jahren zum Nachfolger erwählter Sohn Georg Rákóczy II., den der Sultan bestätigte, als er den rückständigen Tribut gezahlt. Rákóczy war siebenundzwanzig Jahre alt und voll des brennendsten Ehrgeizes, der sich durch Kriege gegen die Walachei und Moldau Luft machte und zuletzt im tollkühnen Kampf gegen Polen ihn und das Land ins Verderben stürzte. Wie an Kriegen nach aussen, so ist seine neunjährige Regierung an innerem Hader reich und das sächsische Leben insbesondere hat Menschenalter lang daran zu leiden gehabt. Am 15. Januar 1653 begann zu Weissenburg auf Betreiben Rákóczys ein Landtag, der nichts anderes zu bezwecken schien, als unter dem Vorwande einer Regelung der Privilegien, die protestantischen Sachsen rechtlos zu machen oder sie wenigstens materiell zu vernichten. Die Abgeordneten der Sachsen wehrten sich ihrer Haut so gut sie konnten. »Geldarm,« sprachen sie, »sind wir durch die teueren Jahre worden und volkarm, wegen der vielen unzähligen Erpressungen, so von Tag zu Tag wachsen, wie auch wegen der Pest, so vor sechs Jahren sehr unter uns gehauset.« Bei einer anderen Gelegenheit sagte Rákóczy (am 11. März 1653) zu den Sachsen, die sich auf ihr Privilegium beriefen: »Und wenn Ihr gleich ein Privilegium hättet, wie diese Stube so gross, so werdet Ihr das nicht erhalten, dass die Artikel, so vorwar gemacht sind, sollten aufgehoben werden.« Schon vier Jahre später entschuldigte sich Rákóczy geradezu, freilich als er in schweren Nöten war und die Sachsen gern für sich gewinnen wollte, dass er jenen Beschlüssen beigestimmt. In leichtsinnigem Ehrgeiz hatte nämlich der Fürst 1653 die Moldau, im folgenden Jahr die Walachei mit Krieg überzogen. Noch übermütiger durch das Glück seiner Waffen, verband er sich mit dem König von Schweden gegen Polen, dessen Krone sein lockendes Ziel war. Wider den Willen der Pforte begann er im Januar 1657 den Krieg; nach sechs Monaten lag fast die Hälfte seiner Truppen auf den Schlachtfeldern und mehr als 20 000 waren in die Gefangenschaft geraten. Sechshundert adelige Frauen, in Trauergewänder gekleidet, traten im August vor den Landtag und forderten ihre Gatten, Väter, Brüder. Auch der Tatarenchan war da mit einem langen Verzeichnis der Gefangenen. Die Stände mussten eine Steuer aufschlagen, wollten sie jene nicht im Elend lassen, zwanzig Gulden auf die Pforte, auf jeden ungarischen und walachischen Pfarrer zwei Taler, auf die sächsische Geistlichkeit einen Jahrzins. Es ist daher erklärlich, wie den Fürsten bei seiner Rückkehr der Unwille des Landes empfing. Noch mehr wurde Rákóczys Stellung durch den Zorn des Sultans [172] gefährdet. Wenige Wochen später schickte er Gesandte nach Siebenbürgen mit einem Schreiben nicht an den Fürsten, sondern an die drei Völker des Landes lautend. Böses ahnend rief sie Rákóczy auf den 25. Oktober 1657 nach Weissenburg zusammen. Da las denn der Landtag den Befehl des Sultans, dass Rákóczy, den er, der Sultan, in Siebenbürgen, dem ihm durch Waffengewalt eigenen Lande, zum Fürsten eingesetzt, dieser Würde verlustig sei, weil er treulos und verräterisch geworden und wider der Pforte Willen ihre Erblande und Polen mit Krieg heimgesucht. Darum solle das Land sofort und ohne Aufschub einen neuen Fürsten wählen, dieweil der Pascha von Ofen bereits im Felde sei, um jeden Abfall und Ungehorsam zu strafen. Die türkischen Abgeordneten, »feine Leute«, setzten hinzu, falls die Wahl nicht sogleich vorgenommen würde, werde der Sultan »das Land zu Asche und Staub machen und den Winden heimbefehlen.« Am 2. November wurde Franz Rhedei zum Fürsten gewählt. Das Menschenalter, das nach Rákóczys II. erzwungener Abdankung blutig vorüberrauschte, gehört zu den jammervollsten der vaterländischen Geschichte, bemerkt mit Recht Teutsch, der ausgezeichnete Geschichtschreiber Siebenbürgens, dessen Werke wir auch nachstehende treffliche Angaben verdanken; nicht nur, dass es »überreich an Unfällen, voll verderblicher Schlachten, voll Zwiespalt und Aufruhr, selbst im Frieden entsetzlich« — auch zu anderen Zeiten hat den Boden Siebenbürgens das Blut seiner Söhne getränkt und das Recht unter dem Fusstritt der Gewalt geseufzt: das ist das Erdrückende in jenen Jahrzehnten, dass sie nicht einen wahrhaft grossen Mann besitzen, nicht ein wahrhaft grosser Gedanke in ihnen lebt, dass nur Mittelmässigkeit und Willenlosigkeit darin das Leben erfüllt, und selbst die Keime späterer, besserer Gestaltung der Landzustände ihren Ursprung nicht der schöpferischen Geistkraft jener, die an der Spitze standen, verdanken, sondern der zwingenden Gewalt der Notwendigkeit. Der türkische Einfluss hatte in Siebenbürgen seinen Höhepunkt erreicht. Der Sultan sprach es offen aus, es sei sein Erbland; ebenso unverhohlen erklärten die Stände, dass es nächst Gott von der Bewerbung um die Gunst der Türken abhänge. Als die siebenbürgischen Stände nach Franz Rhedeis Wahl den Hof in Konstantinopel baten, er möge Rákóczyn wieder seine Gunst zuwenden, sah das Köprülü für Treulosigkeit an und forderte die Grenzfestung Jenö. Rákóczy ergriff die Gelegenheit mit Freuden, erklärte sich zum Verteidiger des Landes und für den rechtmässigen Fürsten und forderte die Ungarn, Szekler und Sachsen zum Kampf gegen die Türken auf. Rhedei rief hierauf einen Landtag nach Mediasch zusammen; an der Spitze von schnell aufgestandenen Szeklerhaufen kam unerwartet auch Rákóczy hin (25. Januar 1658); »ich will Fürst sein oder hier vergehen und mein Leben lassen«, hatte er hingeschrieben; unter drohender Waffengewalt und täglichen Gelagen, die die Betäubung der Sinne bis in die Landtagversammlungen verlängerten, wurde Rákóczy wieder als Fürst anerkannt. Rhedei kehrte auf seine Güter nach Ungarn zurück. Da entbrannte der Zorn der Pforte, der bisher nur Rákóczyn gegolten, auch über das arme Land. Der Grossvezier brach mit hunderttausend Mann auf und lagerte vor Jenö, der Tatarenchan, der Pascha von Silistria, die Vojvoden der Moldau und Walachei fielen anfangs August mit zahllosen Heerhaufen ins Burzenland ein; der Brand von Zaizon und die Plünderung der Siebendörfer verkündeten ihre Ankunft. Silberne Giesskannen und 1 600 Reichtaler wandten im ersten Augenblick den Zorn der feindlichen Häupter von Kronstadt; nachts darauf kaufte der Richter Michael Hermann mit 20 000 Talern die Stadt von Mord und Brand frei. Tartlau, Honigberg, Petersberg wurden verbrannt. Am 11. August brannten die Tataren am hellen Mittag Neustatt und Weidenbach, tags darauf Zeiden und Rosenau nieder; allerorts wurden die Einwohner gefangen, gebunden, misshandelt; wer durch die Schärfe des Schwertes fiel, konnte noch glücklich gepriesen werden. Bei der steinernen Brücke vor Blumenau war Menschenmarkt; um zehn Taler verkauften sie Ältere, um vier Hufeisen war eines Kindes Leben feil; was nicht aufging, wurde in die Sklaverei geschleppt oder in Stücke gehauen. Über den weiteren Verlauf dieser Plünderungen spricht sich Teutsch im gedachten Werke II. 223 ff. aus. Den Hauptschlag gegen Siebenbürgen führten die Türken im September 1659 aus. Kurz vorher hatte der Vezier von Ofen dem Lande geschrieben: »Gott sei eueren Unternehmungen günstig! Wenn Ihr jedoch auf die truglistigen Worte Rákóczys abfällt, so wird keiner von Euch entkommen; samt Weib und Kind werdet Ihr mit eisernen Ketten an die Sklaverei geschmiedet und alle Eure Güter der Plünderung preisgegeben werden, das glaubet mir sicherlich. Ihr wisst, was im vergangenen Jahr in Siebenbürgen geschehen ist und wisst auch, was der strenge Zorn des mächtigen Kaisers und die Schärfe seines glanzvollen Schwertes bedeutet. So lasset Euch durch die Worte der Teufelsöhne nicht zum Abfall bringen und werdet nicht Urheber der Verwüstung Eures Landes. Unser Segen und Gruss sei mit Euch.« Im November 1659 wurde Rákóczy bei Déva von Sari Husein, dem Bruder Ziawušpaschas, dem Sandžak von Erlau, und von Sidi Ahmed, dem Statthalter von Ofen, geschlagen, hatte sich nach Szászváros (Broos) geflüchtet, dreitausendsiebenhundert der Seinigen auf dem Kampfplatze, sechzig Fahnen und sieben Feldstücke in der Sieger Hände gelassen. Im folgenden Frühjahre (16. April 1660) wurde Seid Ali zu Adrianopel feierlich als Serdar wider Siebenbürgen eingekleidet, und nach Belgrad mit der Weisung, dort die weiteren Befehle zu erwarten, gesandt, der Zagardžibaschi und fünfzehn Regimenter Janičaren unter seine Befehle gestellt. Rákóczy hatte auf die Nachricht von Sidi Achmeds Anzuge die Belagerung von Hermannstadt aufgehoben und mit Aufgebot aller Waffenfähigen Klausenburg erreicht, wo er zwischen Kapus und Gyalu lagerte. Am rechten Ufer der Szamos, zwischen Klausenburg und Szamosfalva, kam es zur Schlacht, in welcher Rákóczy geschlagen und schwer verwundet, am achtzehnten Tage darnach auf der Burg von Grosswardein starb. Viertausend von Rákóczys Niederlage eingesandter Köpfe wurden zu Adrianopel von Griechen und Armeniern auf Spiessen im Triumphe einhergetragen, vor die Füsse des Grossveziers geworfen, der darüber ritt, und dann den Hunden zum Frass geboten. Das Lied sang mir am 9. Mai 1885 der Guslar Halil Marić im Dörfchen Ravčići bei Mostar, dem ich auch die erste Fassung des »Fräuleins von Kanizsa« (in Anton Herrmanns Ethnolog. Mitt. aus Ungarn B. IV u. V abgedruckt) verdanke. Dort gab ich auch eine Lebenbeschreibung dieses ausgezeichnet tüchtigen Guslaren. Beim Vortrag rast und tobt er, wie ein Besessener. Er sitzt dabei auf flacher Erde, die Guslen zwischen den Beinen, und rutscht allmählich von der Wand bis zur Zimmermitte vor. Er lebt in solcher Verzückung das Lied förmlich seelisch mit durch. Er kann aber auch ohne solche mimische und Gesangungeheuerlichkeit vortragen. Ich bestellte ihn später nach Mostar, wo ich im Hotel an einem Tische nach unserer Art bequem sitzend ruhige Rezitationen aus seinem Munde aufnahm. Er passt dabei freilich wie ein Haftelmacher auf, um keine Zeile zu überspringen. Džanüms Heerzug erlernte er noch als Knabe (etwa in den Jahren 1830–35) von einem Guslaren, dessen er sich nicht mehr erinnern konnte oder wollte. Er wusste nur soviel noch, dass jener ein Frächter (kiridžija) aus dem Nikšićer Džemat (Bezirk) gewesen, der Erwerbes halber mit seinen Pferden Güter aus Sarajevo nach dem Herzogtume zu befördern pflegte. Ich erzählte Halilen von seinem Kunstgenossen Alija Cigo (Zigeunerlein), einem slavisierten Tataren in Pazarići, der mir das Lied von Köprülüs Vezierschaft gesungen. Er sagte darauf: ‘Ich kenne ihn und kenne das Lied, aber ich wüsste dir noch ein besseres zu singen.’ Er meinte das vorliegende, das ich sodann aufzeichnete. Wahrscheinlich führt auch Halil Alija Cigos Lied im eigenen Vorrat; denn in beiden Stücken decken sich gewisse Redewendungen und Zeilen derart, dass man ohne bestimmte Kenntnis des Sachverhaltes annehmen müsste, dass beide von ein und demselben Guslaren herrühren. Möglich ist’s, dass sowohl Alija der Tatar als Halil Marić den gleichen Guslaren zum »Lehrer« gehabt. Für Halilen war die Hauptsache in der ganzen Geschichte die aussergewöhnlich grosse Beute und unerhörte Karrière Džanüms. Darnach führt das Lied bei ihm nachfolgenden Titel: Buljubaša Džano primi pô muhura carskog. Tekla Drina ispod Varadina a Dunava ispod Biograda, ladna Sava ispot Temišvara. Tu veziri zimovali zimu Avdipaša i š njim Seidija. Kat proleće pramaleće dojgje, sva procmilje od Erdelja raja už koljeno dva vezira mlada. Teško raja od Erdelja cvili: — »Dva vezira, careva većila! što durasmo veće ne moremo od zuluma Rakocije kralja! siće momke a vodi divojke. Vet zuluma trpit ne moremo, vet nam kakvog adaleta tražte od devleta i cara našega! Ako l nama adaleta nejma od našega cara čestitoga, hoćemo se i mi odmetnuti, ne davati danka ni harača!« A vele im dva vezira mlada: — »Hajte doma od Erdelja rajo! pisaćemo Rakociji kralju, nek s ostaje Erdelja i raje.« Ode jadna od Erdelja raja.« Dva vezira nakitiše nâmu: »O ču li nas Rakocija kralju! ostaj nam se Erdelja i raje! Ako je se ostanuti ne ćeš zadrmaće carevina listom pa ću tebi udariti spravno, sa stolice tebe pomjestiti; goniću te do Kraljova ravna, gje no leži do sedam bajloza, gje kuveta ot sve sedam kralja. Svije ću vas sedam pomjestiti! Goniću vas sa Kraljova ravna, sa Kraljova do majdana zlatna, što je majdan svije sedam kralja. Svije ću vas sedam ufatiti, caru vas pekšeš učiniti!« Taku paše nâmu učiniše, spremiše je Rakociju kralju. A kad nâma Rakociju sijgje, nâmu štije a na nju se smije, Odma drugu sitnu nakitio: »O čujete dva mlada vezira! Eto vama čarovite nâme! Raje vam se ostanuti ne ću; zadrmaću svije sedam kralja, udariću vami na Mišvara, prifatiću grada Temišvara, ufatiti oba dva vezira obje paše kâtal učiniti. »Otolen ću vojsku okrenuti niza zemlju niz Anadoliju, vas Anadol prifatiti listom, ufatiti dvanajes vezira i mladije deve deribega. Sve ću paše katal učiniti i mladije deve deribega. »Otolen ću zemlji Tatarhanu, Tatarhan ću prifatiti listom, tatarskoga cara ufatiti. »Otolen ću okrenuti vojsku, pot Stambol ću isturiti vojsku, pot Stambola na Silistru carsku, »Pâ ću nâmu sitnu načiniti, pa je caru u Stambolu spremit, nek car prtlja is Stambola grada, neka prtlja Šamu i Medini, gje no je caru djedovina, »A, Stambol je naša postojbina a našega cara Kostadina; jer je Kosta Stambol načinio. »Ako l care isprtljati ne će, na Stambol ću caru udariti, a s tachta ću cara pomjestiti a Stambol ću njemu prihititi!« Taku sitnu nakitio nâmu. A kad nama Temišvaru sijgje a na ruke dva mlada vezira Avdipaše i š njim Seidije, dvije paše preučiše nâmu, svojijem se rukam podbočiše, od očiju suzam oboriše: — »Jadne ti smo ot sat do vijeka! Kako svoje poharčismo glave! Evo rata su sve sedam kralja! Kako će se do Stambola pisat? Ko će caru dževap učiniti? Car će nami glave isijeći!« U jadu im na um pripanulo te su sitnu nâmu načinili, spremiše je ka Stambolu gradu. A kad nâma do Stambola sijgje, namjera je i sreća nanijela te najprije zapala u ruke a turčinu Ćuprilić veziru, a Ćuprilić caru na muhuru! Vezir vidje šta mu nâma piše, dade nâmu caru na divanu. Car čestiti preučio nâmu, Ćupriliću veli na divanu: — Moja lalo Ćuprilić veziru! Evo nâme od moga Mišvara, od moja oba dva vezira Avdipaše i ot Seidije. Evo rata su sve sedam kralja! Sat što ćemo od života svoga? Kako ćemo pisat dušmaninu? Ali ćemo Stambol ohaliti ali ćemo s vlahom zaratiti?« A veli mu Ćuprilić vezire: — »Sultan care, mjesta ti svečeva! Zemlja tvoja a uprava tvoja, piši care kako tebi drago!« — »Ćupriliću moja lalo prva, jesi danas na muchuru mome, radi lalo kako tebi drago! što ti rečeš, car ti poreć ne će!« Kat to čuo Ćuprilić vezire, tad veziru suze poljećeše, pola bjele a pola krvave: — »Fala Bogu, care ot Stambola, kat smo ovog vakta dočekali, kad je rata su sve sedam kralja, tebi care hizmet učiniti, dušmanina kàherm učiniti! Ne daj grada prez mrtvije glava nit topova prez grdnije rana! Hala u tebe ima kachrimana, što će stati poret sedam kralja, kraljevima dževap učiniti!« — Šjede vezir pisati fermana. Šta Ćuprilić kiti u fermanu? »O čujete oba dva vezira ot prostrana carskog Temišvara! eto vami careva fermana a eto vam carski hazan blaga! Vi čuvajte dobro Temišvara! »Ne pustite vi careva grada; ak pustite grada Temišvara, ja ću vaše ubojiti brade. crnom krvi iz vaši vratova! »A eto vam jedne vojske brže, silne vojske od Urumenlije i prid vojskom Halilpaše gazi, za njim vojske ko na gori lista! »A ta hoće pod Otoku vojska, pod Otoku u polje Mišvarsko. Ongje će se kupit carevina poret sedam vlaškije kraljeva. Vi čuvajte dobro Temišvara! »Eto vami i još jedne vojske, silne vojske od Anadolije i pred vojskom dvanajes vezira i mladije deve deribega. I ta hoće pod Otoku vojska. Vi čuvajte dobro Temišvara. »Eto šaha vam ot Tatarhana i za njime listom šahovina. Vi čuvajte dobro Temišvara! »Eto vojske ot stojna Misira i prid vojskom Fazli paše gazi; za njim nije kalabaluk vojske, jer je Misir kraju na ćenaru, vazda se u njem muhafeza čuva. »Vi čuvajte dobro Temišvara! »Eto vami i još vojske brže, silne vojske od Bosne ponosne i prid vojskom buljubaše Džane. »I ta hoće pod Otoku vojska poret sedam vlaškije kraljeva. Vi čuvajte dobro Temišvara! »Et i mene do malo zemana, eto mene z butun carevinom pod Otoku u polje mišvarsko, poret sedam vlaškije kraljeva. Vi čuvajte dobro Temišvara!« Taki vezir ferman nakitio. Ferman spremi gradu Temišvaru i uz ferman carske hazne blaga. A kad ferman sijgje Temišvaru, ferman uče dva vezira mlada, ferman uče, grohotom se smiju ot šenluka i od rahatluka. Bir se sitan ferman proučio, dvije paše šenluk učiniše, šenluk čine a topove pale od dne do dne za nedjelu dana. Sve Ćuprilić kitaše fermane; car čestiti tùre pritiskiva. Sve rasturi turajli fermane po butun evlećetu carskom. Rèda dojgje da on ferman sprema u ponosnu Bosnu kalovitu. Šta Ćuprilić kiti u fermanu? »O Džanane bosanska gazijo! Eto tebi careva fermana. Piši Džano od Bosne Bošnjakâ dvanajs hiljad od Bosne Bošnjakâ po izboru konja i junaka. Nemoj Džano jedinka u majke, da nas stare ne proklinju majke! »Vodi vojsku pod Otoku Džano! Ongje će se kùpit carevina porèt sedam vlaškije kraljeva.« Taki vezir ferman nakitio još mu car čestiti turu udario. Tad mu veli Ćuprilić vezire: — »Sultan care, iza gore sunce! da spremimo jednu haznu blaga u ponosnu Bosnu kalovitu megju naše junake Bošnjake; jer je zudžut Bosna na ćenaru, jer joj šalješ murtate vezire; sve uzeto do gola života!« A veli mu care na divanu: — Ćupriliću muhur sahibija! Eto hazan a eto ti blaga, moje carstvo a tvoja uprava! Spremaj lalo štagod tebi drago!« Vezir spremi u Bosnu fermana a uz ferman carske hazne blaga. Ode tatar ot Stambola grada, ot Stambola niz Urumenliju. Kudgogj igje na Kosovo sijgje: sve Kosovo nogam pogazio. Tatar sijgje šeher Vučitrnu, otolena šeher Mitroviću a u Banjsku tatar udario i Banjsku je nogam pogazio: Otolena niz Rogozu ravnu. Tatar sijgje do novog Pazara. Otolena niz Bosnu ponosnu; svu je Bosnu nogam pregazio. Ne hće tatar ka Travniku gradu vet okrenu šeher Sarajevu. A kat tatar Sarajevu dojgje pred veliku carevu džamiju — istom tatar pred džamiju dojgje, taj je danak petak dnèvi bilo, navrvlješe u džamiju turci — dok eto ti buljubaše Džane! Na Džananu zelena libada a bijela priko pasa brada. Kad ga tatar očima vidio, isprid njega na noge skočio, iz džuzdana ferman izvadio. A kad Džanun ferman opazio, sedam puta zemlju poljubio, a dok ferman u ruke jamio. Pa rasklopi careva fermana; śjede učit ferman avazile. Svak sluša, šta im ferman kaže. Kat se sitan ferman preučio, svako očim suze oborio, a svak Bogu dovu učinio: — »Fala Bogu po hiljadu puta kat smo ovog vakta dočekali te kat car za nas u Stambolu znade, te nam sitni dolaze fermani! Kad je rata su sve sedam kralja pa hoćemo na carevu vojsku, caru našem hizmet učiniti, dušmanina kàher učiniti!« Bir izišli iz džamije turci odma turci šenluk učiniše. Šenluk čine za nedjelu dana. Bir izišla nedjelica dana, śjede Džanun pisati Bošnjake po svoj Bosni i Hercegovini. Digod koga bjesnijeg znadijaše na nâmu konja i junaka, svakog Džanun na vojsku upisa. On ne piše jedinka u majke, da je stare ne proklinju majke. Kako koju knjigu opremaše, svakoj Džanun spominjaše, da se kupi silovna krajina na hiseta niže Sarajeva. Šjedoše se kupiti Bošnjaci. Kupiše se dese, dvanajs dana, kad rekoše da se okupiše. Jednom Džanum uzjaha alata pa eto ga na hiseta sijgje, na hiseta u bosansku vojsku pa na saju izvede Bošnjake. Šjede brojit od Bosne Bošnjake po tamanu dvanajes hiljada. Ondak jami punu haznu blaga; śjede blago po Bošnjacim d’jelit, najboljeme ko i najgoreme, najgoreme kako bratu svome. Onda puśća u vojsku telala; telal mu po ordiji viče: — »Nek su hazur konji i junaci! svak na noge oput i opanke a prekivaj debele paripe! Jer kad bude noći po akšamu hoće sìlna polaziti vojska; Džanan dnèvi kros Sarajvo ne će, dnevi proći ni provesti vojsku. Jer kad dnevno prolazi ordija, hašikovat momci i djevojke hoće njima sevdah ostajati! Od sevdaha gorjeg jada nejma, ni tu bachta u ordiji nejma!« Hazure se konji i junaci, sve na noge obuše opanke, prekuvaše debele paripe. A kad noći po akšamu bilo, dok pukoše dva topa velika. Tada Džanan uzjaha alata, razvi mu se do sedam bajraka a povede do sedam jedeka. Eto Džane na hiseta sijgje, na hiseta u bosansku vojsku. Zakleptaše čugljenovi zlatni, zalajaše sitni daulbazi, zavikaše čaušovi mladi, digoše se u nebo bajraci. Stade pùka alajli bajraka, stade škripa sitni čelenaka, stade zvèka rata i sehrata, stade cika bistra venedika! Stoji vriska átâ i paripâ, pjevljavina od Bosne Bošnjaka, na Sarajvu drmaju topovi, podbriskuju od Bosne Bošnjaci! Ode Džanan i odvede vojsku. Kudgogj igje na Glasince sijgje. Tu ga žarko ogranulo sunce. On pogleda po svojoj družini, nešto mu se društvo porušilo a prida se oči oborilo. To Džananu vrlo čudno bilo pa zavika Ibru bajraktara: — »Bajraktare moje dete drago, de zapjevaj tanko glasovito, deder naše razgovori društvo, zašto nam se porušilo pusto!« Tad zapjeva Ibro bajraktare: — »Ostaj z Bogom zemljo Bosno ravna i u tebe šeher Sarajevo, u Sarajvu naše tanke kule i u kulam ostarjele majke i naše milosnice seke i naše vijernice ljube! Mi odosmo na carevu vojsku preko Une, preko vode Save mimo trides i četiri grada, sedamdese i sedam konaka dok se sijgje niže Temešvara; mi odosmo pram sve sedam kralja! Naše majke ne nadajte nam se! mile seke ne veselte nam se! v’jerne ljube vi se udajite! mi ćemo [se] izženiti amo crnom zemljom i zelenom travom! Sretnijeg će kuća pričekati, nesretnjega niggje vigjet ne će!« Istom im se iskahari društvo. To Džananu vrlo dèspet bilo. Odma njemu bajrak izmaknuo pa ga dade krajèm sebe drugu, svomu drugu Hasan odobaši. Onom Džanan ćèhru udario: — »Šta uradi božji nesretniče! a šta naše okahari društvo! Hajde doma božji nesretniče pa ti ljubi na dušeku ljubu!« Vjera i Bog Sarajvu ga vrati! Tad tapjeva buljubaša Džanan: — »Ostaj z Bogom zemlja Bosno ravna i u tebi šeher Sarajevo i po njemu naše tanke kule iz okala plotom opletene a ozgara slamom pokrivene, i u kulam vijernice ljube! One nose do koljena sukno, jednu kravu niza kule muze a što hrani bijesna junaka, â junaka za vakoga dana Ovnovi se hrane za kurbana, dobri konji za duga mejdana a junaci za vakije danâ! Mi odosmo na carevu vojsku mimo trides i četeri grada sedamdese i sedam konaka dok se sijgje niže Temišvara. Mi odosmo pram sve sedam kralja! Ako nami Bog i sreća dade, te mi vlahu sablju udarimo, barem ćemo dobro śićariti kàzam màta kaurskoga posta! Pa mi Bosni kalovitoj sići, pa mi tanke kule pograditi, našim ljubam skrojit anterije! Ako l nami vakt i sahat dojgje te pomremo niže Temišvara, svakako je jednom umrijeti. Ja, šta junak ne žaliti ne ću? Ostala mi u Sarajvu kula; tri su joj se oborile ćoše a četvrta sohom podaprta. Oko kule niggje ništa nejma, koza bara i ćorava gara, seka Ajka i starica majka, kvočka kokoš i troje pilićâ. Bog ubijo iz planine orla! odnese mi kvočku ot pilića, ostade mi troje siročadi! Toga jedan žalim u Sarajvu!« Kad to čula Džanina družina, sve vrisnulo, puške zapalilo, sve dva i dva zapjevaše zajdno: — »Baš je nako kako Džanun kaže!« Ode Džanun i odvede vojsku mimo trides i četiri grada! sedamdese učini konaka. Sijgje Džanun niže Temišvara na Koviju zelenu planinu; otalen se vidi pod Otoku. Kad vidješe od Bosne Bošnjaci u polju silovitu vojsku, tad vrisnuše, puške zapališe. Začula ji careva ordija; svak se tomu čudu začudijo, kakav je ono adet u Bošnjakâ. Odma sokak kroz ordiju grade kraj čadora paša i vezirâ kut će proći od Bosne Bošnjaci. Kad u polje sijgjoše Bošnjaci, Džanan viče svojim Bošnjacim: — »Djeco moja od Bosne Bošnjaci! kad udremo kroz ordiju carsku, svaki dobru ćèru izgubite a preda se oči oborite; Ovaki ćemo adet zametnuti!« Kad udriše kroz ordiju carsku, svaki dobru ćèru izgubio. Svak se tomu čudu začudio kakav je ovo adet u Bošnjaka? Kad najaha buljubaša Džano, selam pašam dade i vezirim a s pašam se zagrljaše, ljubi. Tu ga paše suval učiniše: — »O Džanane bosanska gazijo! kakav je ono adet u Bošnjaka? Kad vi biste na Kovij planinu što vrisnuste, puške zapaliste? Kakav je ono adet u Bošnjaka?« — »Onaki je adet u Bošnjakâ; kad vide silovitu vojsku i u polju čadore popete i alajli bajrake razvite, srcu svome odoljet ne mogu, nego vrisnu a puške zapale!« — »O Džanane bosanska gazijo! Ongje bjehte šèno i veselo; kad udriste kroz ordiju carsku što si naku ćehru izgubili?« — »Vjera j [i] Bog paše i veziri! kad u polje sijgjoše Bošnjaci, ugledaše silovitu vojsku, odjevene konje i junake i svilene čadore popete, zacviliše od Bosne Bošnjaci: »Vidi klete careve ordije, odjevena konja i junaka! Kako ćemo jadni vojevati? Sedamdese i sedam konaka, dok smo došli niže Temišvara! Nijedan nejma pare ni dinara, da potkuje pot sobom paripa! Kako ćemo jadni vojevati, jer je zudžut Bosna na ćenaru!« Kat to čùše paše i veziri, darovaše od Bosne Bošnjake: svakom drugu po devet cekina a Džananu nebrojeno blago. Još mu vele paše i veziri: — »Hajde Džano bosanska gazijo, gledaj mjesta niže Temišvara gje ćeš svoju oturisat vojsku!« Džanan dobra uzjaha alata, brže stiže od Bosne Bošnjake pa provede od Bosne Bošnjake mimo butun carevu ordiju na kraj ravna polja mišvarskoga na menzila halkali topovâ ubojita ljutoga Madžara. Ongje Džanan oturisa vojsku. Čudi mu se sìla i ordija: — »Bošnjačine čudne mahnitine! gje ono malo provede ordije! noćas će ji’ Madžar pozobati, pozobati noćas is topovâ!« Tuka Džanan nojcu prenoćio. Kat s u jutro osvanulo bilo, žarko ogranulo sunce, stade u crnoj zemlji tutnjavina a u vedru nebu pucljavina, sve na gori zaigralo lište. Bože mili, šta bi ono bilo? ali trže muhur sahibija i za njime ide carevina. Bir Ćuprilić pod Otoku dojgje, odma vezir divan sastavio, a stale mu paše na divanu. Ćuprilić je suval učinio: — »O čujete paše i veziri! Evo danas niže Temišvara, evo leži butun carevina poret sedam butun kraljevina. Daj mi sada tertib tertibite, kako će se njima udariti?« Sve mu paše šute na divanu. Ope, viče muhur sahibija. — »Jà mi sada tertib učinite kako će se njima udariti, jà ću vaše glave isijeći!« Sve mu paše na divanu cvile: — »Ćupriliću muhur sahibija, daj nam muchlet za tri dana bila, jà ćemo ti tertib učiniti, jà je rèda zdravo umrijeti!« Muchlet dade za tri bjela dana. Eto pašâ do svoji’ čadorâ; svaki paša dobavlja telala. Paše daju nebrojeno blago, konje daju a ratove daju, ne bi li se junak nalazio, Ćupriliću tertib učinio, kako će se njima udariti. Sve telali po ordiji viču za dva bila pres promine dana i dvi mrkle noći strahovite, a junak se naći ne mogaše! Dok eto ti jednoga telala preko polja u bosansku vojsku. Šjede telal po ordiji vikat; sve ga sluša pot čadorom Džano, sve ga sluša grohotom se smije: — »Mili Bože čuda golemoga! Evo u polju leži carevina a pred njima muhur sahibija! Evo imadu tri bijela dana kako telali po ordiji viču, ne bi li se junak nalazio, Ćupriliću tertib učinio, kako će se udariti vojsci, a junak se naći ne mogaše! Evo u mene mojije’ Bošnjaká â Bošnjaka dvanajes hiljada, svaki mi je danas za tertiba; svaki bi mu tertib učinio kako će se njima udariti!« To začuše od Bosne Bošnjaci: — »Naš Džanane, naša mila majko! Ti uzjaši široka alata pa ti hajde u ordiju carsku Ćupriliću učinit tertiba; a ne pušti gotovoga blaga, što ga paše i veziri daju! Nosi blago svojim Bošnjacim pa ćeš moći š njima vojevati!« Ode Džanan u ordiju carsku do čadora Ćuprilić vezira. Kad veziru pot čadora dojgje Ćupriliću etek poljubio. Śjede vezir krajem sebe Džanu, pa mu veli Ćuprilić vezire: — »O Džanane bosanska gazijo! bi l umijo tertib tertibiti? kako će se vojsci udariti?« — »Ćupriliću muhur sahibija! ako mene pitaš za tertiba, ja ću tebi tertib učiniti. Evo u mene mojije’ Bošnjaka, Bošnjaka dvanajes hiljada. Ja ću udriti na ljuta Màdžara, na šes stotin halkali topova pa što meni Bog i sreća dade! Sve ostale paše i veziri nek udare Rakociju kralju! Ti veziru na Kraljevo ravno gje kuhvetu ot sve sedam kralja. I jes’ vazda muluć na muluća. Eto sam ti tertib učinio!« Vezir Džanu po plećima rukom: — »Haj aferim bosanska gazijo!« I zlatan mu hilet prigrnuo. Ope Džano govori veziru: — »Evo jesmo tertib učinili, kolko ćemo muchlet ostaviti? a kat ćemo vojsci udariti?« A rekoše do tri dana bila, dok počinu konji i junaci, dok na noge naopute opanke a prekuju debele paripe. Eto Džane do alata svoga i čadora pašâ i vezirâ. Paše daju nebrojeno blago, konje daju a ratove daju. Džanun konjâ ni ratova ne će te prihfaća gotove cekine, pa eto ga u bosansku vojsku. Pade Džanun pot čadora svoga. K njem dolaze gazije Bošnjaci: — »Naš Džanane, naša mila majko! učini li tertib Ćupriliću? kako će se vojsci udariti?« — »Ja učini’ tertib Ćupriliću kako će se vojsci udariti.« — »Kog si sebi odredio Džano? kome ćeš udarit z Bošnjaci?« — »Moja djeco, na ljuta Madžara, na šes stotin halkali topova, pa što nami Bog i sreća dade! Sve ostale paše i veziri, da udare Rakociju kralju a Ćuprilić na Kraljevo ravno gje kuhveta ot sve sedam kralja. I jes’ vazda muluć na muluća.« — »O naš Džano, naša mila majko! kat si tako tertib učinio, koliko ste muchlet ostavili a kat će se vojsci udariti?« — »Djeco moja, do tri dana bila, dok počinu konji i junaci, dok na noge naopute opanke a prekuju debele paripe!« A veli mu Hasan bajraktare: — »Kat si nami odredio Džano, odredio ljutoga Madžara, hazur su nam konji i opanci. Da mi njemu noćas udarimo, pa što nami Bog i sreća dade!« Njega Džanun po plećima tuče: — »Haj aferim Hasan bajraktare, baš si meder kršan za tertiba!« Reče Džanan da će udariti. Birden reče da će udariti, a Bošnjaci šenluk učiniše; svi vrisnuše, puške zapališe a dva i dva zapjevaše zajdno. Bir Bošnjaci šenluk učiniše, odma krvav pilav nastaviše, večeraše krvava pilava. Sve se zajdno iźljubilo bilo, iźljubilo pa se halalilo; sve je dobre konje uzjahalo, sve s terćbirom nis polje mišvarsko, pravo zdravo do logora tvrda, do logora ljutoga Madžara. Kat su gligi i logoru bili, šarku feleć rukam izlomiše a po jednu pušku zapališe a za oštro gvoždže prihfatiše pa na silnu gligu udariše, udariše, po jednu pušku zapališe a za oštro gvoždže prihitiše, bir udriše pa je prolomiše. Tu ji’ mrve loša sreća bila! Vlah upali šes stotin topova, tu im pade šes hiljad šehita, šes hiljada ostade im živi’. Udariše odma na topove. Bog im dao, sreća donijela, topovima vatru uzaptiše. Zahalaka buljubaša Džano, zahalaka, zapali is pušaka. I jes’ mrkla nojca osvojila a crna je tama pritisnula. Prohesabi njemadija ljuta, da udari muhur sahibija i za njime listom carevina. Pleći dali, pobjegoše listom, ostaviše kuhvet i topove i svu haznu i donalmuk kraljski! A za njima udario Džano su šes hiljad od Bosne Bošnjaka, śćera vlaha Rakociju kralju. A dočeka Rakocija kralju na topove i na vatru živu. Mili Bože, nemila sastanka! Sjeva liva a krv se proliva! Nut Džanana bosanske gazije gje okoli Rakociju kralja su šes hiljad od Bosne Bošnjaka! Zahalaka, zapali is pušaka. Prohesabi Rakocija kralje, da udari muhur sahibija i za njime listom carevina! Pleći dade a pobježe kralje, sve ostavi kuhvet i topove i svu haznu i donalmuk kraljski! Oćera ga buljubaša Džano su šes hiljad od Bosne Bošnjaka sve ji’ stjera nis Kraljevo ravno! A dočeka do sedam bajloza na topove i na vatru živu. Mili Bože, nemila sastanka! Sjeva liva a krv se proliva, reko bi, se zemlja prolomila! Nut Džanana bosanske gazije gje okoli na Kraljevo ravno, on okoli sve sedam bajloza su šes hiljad od Bosne Bošnjaka. Zahalaka, zapali is pušaka. Prohesabi do sedam bajloza, da udari muhur sahibija i za njime listom carevina. Sve pobježe sa Kraljeva ravna, sa Kraljeva do majdana zlatna, ostaviše kuhvet i topove. Oćera ji buljubaša Džano su šes hiljad od Bosne Bošnjaka sa Kraljeva do majdana zlatna! Kat s u jutro osvanulo bilo a Ćuprilić divan učinio, sve mu paše stale na divanu; a pita ji’ Ćuprilić vezire: — »O Boga vam paše i veziri, kakva ono jeka dolazaše? naka pusta jeka ot topova? et ozdala od majdana zlatna? kakav je ono šenluk u kaura?« Sve mu paše na divanu šute, a veli mu Halilpaša gazi: — Ćupriliću muhur sahibija! kad no jučer buljubaša Džano, kad no ti je tertib učinio kako će se vlahu udariti, i sebi je Džano odredio, odredio ljutoga Madžara, da će udarit sa svojim Bošnjacim na šes stotin halkali topova; kad je došo u bosansku vojsku, kajil njemu ne bili Bošnjaci. Kad no jučer puške ispucaše a Bošnjaci pogubiše Džanu. Noćas su ti pobjegli Bošnjaci! Šenluk čine svi kraljevi redom, šenluk čine a topove pale!« Stade vikat Ćuprilić vezire: — »Hej davorte od Bosne Bošnjaci! Ako budu pobjegli Bošnjaci njihove ću osijecat glave pa puniti halkali topove pa se biti su sve sedam kralja!« Dok pokliknu vila iz oblaka, po imenu Ćuprilića viče: — »Ćupriliću muhur sahibija! nije tako ko ti paša kaže! nisu tvoji pobjegli Bošnjaci. Udrio je buljubaša Džano, udrio je na ljuta Madžara; dao je Džano šes hiljad šehita, razbio je sve sedam kraljeva, sve je stjero do majdana zlatnog, pa se bijo su sve sedam kralja, su šes hiljad gazija Bošnjaka! Vet što hinlu učini Bošnjacim, car će tebi posijeći glavu!« Kat to čuo Ćuprilić veziru, svojom rukom izvadio ćordu, svojom rukom pašu posiječe. Vezir viče a suze prolj’eva: — »Hej Džanane moje rane ljute! A Bog znade i Ćuprilić znade, ja ti hinlu učinio nisam, ve’ murtati paše i veziri!« Pa pukoše topi haberdari, što mu haber po ordiji daju a povrvlji muhur sahibija a za njime butun carevina pravo zdravo do logora tvrda, do logora ljutoga Madžara. Kad onuda trava povaljana, sva je crnom krvi popljevana, sve je lješom pritisnuto kleto. Kuhvet najgje a topove najgje, najgje Džane šes hiljad šehita, što je palo od Bosne Bošnjaka. On pokopa šes hiljad šehita. Onda puśća u vojsku telala a telal mu po ordiji viče: — »Nemoj niko ništa prihititi, rusu ću mu glavu posijeći! Junaštvo je od Bosne Bošnjaka!« Tuda projgje i provede vojsku. Dojgje vezir do logora tvrda, do logora Rakocija kralja. I tuda je trava povaljana; sva je crnom krvi popljevana; i tu kuhvet i topove najgje i svu haznu i donalmu kraljsku. I tu pušta u vojsku telale, telali mu po ordiji viču: — »Nemoj niko ništa prihićati, rusu ću mu glavu posijeći! Junaštvo je od Bosne Bošnjaka!« I tud projgje i provede vojsku. Sijgje vezir na Kraljevo ravno. Kolko dugo i široko kleto, očima se pregledat ne more! Drva na njem ni kamena nejma, sve je kleto krvi poškrapano, još plahije lešom zavaljano. Kuhvet najgje ot sve sedam kralja, veće vezir dilje ne zna puta. Na Kraljevu oturisa vojsku. Sve Ćuprilić po Kraljevu hoda a sve sluša jeku ot topova et ozdala od majdana zlatna a što topovi na majdanu ječe. A sve hoda a suze prolj’eva, a jamio srčali durbina; gleda vezir nis Kraljevo ravno pravo sentu i majdanu zlatnu. Dok s u polju zametnula tama, tuda tama nije nigda sama, vet is tame junak udario na gravranu konju od mejdana. U gavrana grive ni perčina u junaka brka ni obrva, pocrnio kako čavka crna, krvavije ruku’ do lakata i krvave do balčaka ćorde. Kad ga vezir očima vidio sam u sebi misô pomislio: »Nije l Bog do, od Bosne gazija!« Kad gazija na gavranu dojgje, Ćuprilića na Kraljevu najgje. On veziru božji selam viče, s vezirom se zagrljaše, ljubi. Pita njega Ćuprilić vezire: — »O moj brate od Bosne gazija! kamo nami buljubaša Džano? je l nam Džano na životu hala?« — »A nami je u životu Džano. Eno Džane u majdanu zlatnom su šes hiljad gazija Bošnjaka, gje se bije su sve sedam kralja. Vet je tebi selâm učinio, da zakolješ šes hiljad kurbanâ za njegovi šes hiljad Bošnjaka; i da spremiš šes hiljad araba sa Kraljeva do majdana zlatna, da ti blago na arabam spremi!« Kat to čuo Ćuprilić vezire svojom rukom dèvu oborio, a zavika što ga grlo daje: — »Ovi kurban buljubaše Džane!« Što bi majka zadojila sina šes hiljada obori se deva, šes hiljada zakla se kurbana. Vezir spremi šes hiljad araba sa Kraljeva do majdana zlatna. Za toga za malo zemana, dok eto ti od majdana Džane su šes hiljad gazija Bošnjaka. Goni Džanan na arabam blago i on vodi sve sedam kraljeva, nosi krunu Nuširejvanovu. A kad Džano na Kraljevo dojgje, preda nj vezir šenluk učinio, upalio halkali topove, s Ćuprilićem zagrli se, ljubi. A veli mu Ćuprilić vezire: — »Džano brate, bosanska gazijo, nemoj mene caru opanjkati, car će meni glavu posijeći! A Bog znade i Ćuprilić znade, ja ti hinlu učinio nisam, ve’ murtati paše i veziri! Išti, Džano štogod tebi drago!« — »Ćupriliću muhur sahibija! imam mala da nejmam hesaba; vet daleko Bosna na ćenaru, na čem blago pusto gonit nejmam! A za sve Ćuprilić vezire, u dugu vaktu i zemanu gotovo se poharčiće blago! Vet u mene mojije’ Bošnjaka a Bošnjaka dvanajes hiljada, šes hiljada na Kraljevu živi’, šes hiljada što je šehit bilo, što je šehit na Madžaru bilo, daćeš meni Ćuprilić vezire dvanajs hiljad timarli berata sve na mrtva ko i živa druga!« A veli mu Ćuprilić vezire: — »Išti Džano a ne maskari se, tute tebi ništa ne imade!« Ope veli buljubaša Džano: — »Šta ću tebi iskat Ćupriliću! Ti si danas na mjestu carevu, što ti rečeš, car die poreć ne će. Daleko nam Bosna na ćenaru, daleko nam do Stambola sići, u Stambolu viditi tapiju. Vet daj meni po muhura carskog u ponosnu Bosnu kalovitu!« Bogami mu milo ne bijaše al mu inach biti ne mogaše. Dade Džani po muhura carskog u ponosnu Bosnu kalovitu. Džano njemu sviju’ sedam kralja, vezir Džani hair dovu carsku na ponosnu Bosnu kalovitu! Wie Buljukbascha Džano die Hälfte des Kaisersiegels erlangte. Es floss die Drina unterhalb Wardeins und unter Belgrad floss der Donaustrom, die kühle Save unter Temesvar. Hier hielten Rast im Winter die Veziere, Herr Avdipascha und Herr Seïdi. Als sich der Lenz, der Frühlinganfang zeigte, da drang ein Weh von Siebenbürgens Raja wohl vor die Knie der jungen zwei Veziere. Es klagt die Raja schwer von Siebenbürgen: — »O zwei Veziere, Kaiserstellvertreter! was wir ertrugen, nimmer zu ertragen, an Räuberstreichen König Rákóczys! Er mordet Burschen und entführt die Mädchen. Schon sind wir satt der Vergewaltigungen; so sucht uns endlich irgend einen Rechtschutz von unserm Kaiser und der Reichverwaltung! Wofern jedoch uns Rechtschutz nicht zu teil wird von unsrem Kaiser, mög’ ihn Glück betreuen, so sehn auch wir gedrängt uns hin zum Abfall und zahlen weder Auflag noch die Steuer!« Zur Antwort drauf die jungen zwei Veziere: — »Zeuch heim in Frieden Siebenbürgens Raja! wir schreiben schon dem König Rákóczy, er geb der Raja Ruh und Siebenbürgen.« Heim zog beleidet Siebenbürgens Raja. Die zwei Veziere schrieben nun ein Schreiben: »O hörst du uns, o König Rákóczy! gib Frieden Siebenbürgen und der Raja! Magst du sie nicht in Ruh und Fried belassen, wird auf das ganze Kaiserreich sich rütteln; ich werd bereit auf dich den Angriff machen, von deinem Throne dich hinunterschleudern und hin dich jagen bis zur eb’nen Karlsburg allwo den Hof die sieben Fürsten halten, wo aller sieben Herrscher Macht versammelt. Euch alle sieben stürz ich von den Sitzen und werd euch jagen von der ebenen Karlsburg, von Karlsburg weiter bis zum Goldgewerke, zum Goldgewerk von allen sieben Herrschern. Ich werd euch alle sieben fangen lassen und unserm Kaiser zum Geschenk euch weihen!« Die Paschas schrieben solcher Art das Schreiben und sandten’s ab an König Rákóczy. Als Rákóczy den Schreibebrief empfangen — las er den Brief und lachte drüber herzlich — schrieb er sofort ein ander feines Briefchen: »O hört Ihr wohl, o junge zwei Veziere! Da habt auch Ihr ein buntbeschrieben Schreiben! Ich lass euch nicht die Raja mehr in Frieden; aufrütteln werd ich alle sieben Herrscher und werd euch euer Temesvar berennen, und dann die Burg von Temesvar erobern, gefangen machen alle zwei Veziere, und beide Paschas lass ich letzt erdrosseln. »Von dorten werd ich meine Heermacht wenden entlang durchs Land, entlang durch Anatolien, mit Sack und Pack erobern Anatolien und zwölf Veziere zu Gefangenen machen neun junge Deribegen auch dazu. Erdrosseln lassen will ich alle Paschas, neun junge Deribegen obendrauf! »Dann zieh ins Land ich des Tatarenchans und nehm’s Tatarenland in Bausch und Bogen und fang mir ein den Kaiser der Tataren. »Von dorten werd ich meine Heermacht wenden und will das Heer gen Stambol rücken lassen, gen Stambol, auf das kaiserlich Silístra. »Sodann verfass ich noch ein zierlich Briefchen und schick es an den Kaiser in Istambol, der Kaiser troll sich aus der Stambolstadt, er troll sich nach Damaskus und Medina, allwo gehaust des Kaisers Ahnen einst. »Doch unsrer Heimat Wiege heisst Istambol, der Stammsitz unsres Kaisers Konstantin, denn Konstantin hat Stambol auferbaut. »Doch mag sich nicht hinweg der Kaiser trollen, so greif ich an den Kaiser in Istambol und stürze von dem Thron herab den Kaiser, Istambol aber werd ich ihm entreissen!« Er schrieb ein zierlich Briefchen solcher Art. Als nun der Brief nach Temesvar gelangte zu Handen jener jungen zwei Veziere, des Avdipascha und des Seïdi, da lasen beide Paschas durch das Schreiben und stützten in die Hüften ihre Arme, und Tränen ihren Augen nun entstürzten: — »Wir sind von jetzt in Ewigkeit in Jammer! Wie haben unsre Köpfe wir verloren! Der Krieg ist da mit allen sieben Herrschern! Wie lässt sich dies denn nach Istambol melden? Wer wird dem Kaiser den Bericht erstatten? Der Kaiser wird die Köpf uns niedersäbeln!« In ihrem Leide sie den Einfall hatten, ein zierlich feines Briefchen zu verfassen und es nach Stambol in die Stadt zu senden. Und als der Brief gekommen war nach Stambol, so hat es das Geschick und Glück gewollt, dass er zu allererst gelangt zu Handen des echten Türken Köprülü des Veziers; und Köprülü ist Kaisers Siegelhüter! Der Vezier sah, was in dem Brief geschrieben und legt im Divan vor den Brief dem Kaiser. Der wackre Kaiser nahm den Brief zur Kenntnis und sprach im Divan so zu Köprülü: »Mein Vezier Köprülü, getreuer Lala! hier dieser Brief aus meinem Temesvar ist ausgestellt von meinen zwei Vezieren von Avdipascha und von Seïdi. Nun gibt es Krieg mit allen sieben Herrschern! Was fangen jetzt wir an mit unsrem Leben? Wie sollen wir dem Erbfeind Antwort schreiben? Wie, sollen Stambol wir vielleicht verlassen? Wie, gar den Krieg beginnen mit dem Christen?« Doch spricht zu ihm der Vezier Köprülü: — »O Sultan, Herr, beim Sitze des Propheten! Das Land ist dein und dein ist die Verwaltung, so schreib denn Kaiser, wie’s dir lieb und recht ist! — »O Köprülü, zuoberst du mein Lala! heut hältst mir du mein Siegel in Bewahrung, drum, Lala, tu nach deiner Lust und Liebe! Was auch du sagst, der Kaiser dir’s versagt nicht!« Als dies der Vezier Köprülü vernommen, entrannen dem Veziere heftig Tränen, die Hälfte hell, die andre Hälfte blutig: — »O Gott sei Dank, o Kaiser von Istambol, dass diese Zeit wir durften noch erleben, die Zeit des Kriegs mit allen sieben Königen, um dir, o Kaiser, einen Dienst zu leisten und unsre Feinde gänzlich zu zertrümmern! Gib nicht die Festung ohne tote Schädel, noch die Kanonen ohne grause Wunden! Du hast ja Überfluss an solchen Helden, die’s gen die sieben Herrscher nehmen auf, und Red und Antwort stehn den Herrschern werden!« Gleich fing der Vezier einen Ferman an. Wie schmückt die Reden Köprülü im Ferman? »O hört Ihr wohl, Ihr beiden zwei Veziere vom breiten, kaiserlichen Temesvar! da habt Ihr einen kaiserlichen Ferman, da nehmt auch hin des Kaisers Kammerschatz! Behütet mir aufs beste Temesvar! »Nur gebt nicht preis die kaiserliche Festung; wofern Ihr Temesvar die Festung preis gebt, so werd ich euch zum Lohn die Bärte färben mit eurem schwarzen Blut aus euren Hälsen! »Schon rückt ein Heer zu euch in Doppelmärschen, ein gar gewaltig Heer von Urumélien, und Halilpascha Glaubenhort befehligt das Heer, so zahllos, wie das Laub im Hochwald! »Dies Heer wird unter Szigetvár sich lagern um Szigetvár im Temesvargefilde. Allda wird sich die Kaisermacht versammeln den sieben Christenherrschern gegenüber. Behütet mir aufs beste Temesvar! »Schon naht euch auch ein ander Heer zu Hilfe, ein gar gewaltig Heer von Anatolien und an des Heeres Spitze zwölf Veziere, neun junge Deribegen noch dazu. Um Szigetvár auch dieses Heer sich lagert. Behütet mir aufs beste Temesvar! »Schon naht der Schāh euch vom Tatarenlande, ihm folgt im vollen Lauf das Volk des Schāhs. Behütet mir aufs beste Temesvar! »Schon naht das Heer vom Ruhmesland Mizraim, voran der Glaubenstreiter Fazli Pascha; nicht allzugross ist wohl sein Heergefolge, denn an des Reiches Grenzen liegt Mizraim, drum stehn im Lande stets Besatzungheere. »Behütet mir aufs beste Temesvar! »Schon naht euch schneller noch ein ander Heer, ein mächtig Heer vom stolzen Bosnaland und vor dem Heere Buljukbascha Džano. »Auch dieses Heer vor Szigetvár wird lagern den sieben Christenherrschern gegenüber. Behütet mir aufs beste Temesvar! »Nach kurzer Weile bin auch ich zur Stelle herangerückt mit ganzer Kaisermacht ins Temesvargefild bei Szigetvár den sieben Christenherrschern gegenüber. Behütet mir aufs beste Temesvar!« Der Vezier schmückte solcher Art den Ferman und sandt ihn nach der Festung Temesvar und nebst dem Ferman auch des Kaisers Kriegschatz. Sobald der Ferman Temesvar erreichte, — die jungen zwei Veziere schaun den Ferman, sie schaun den Ferman, müssen schallend lachen vor Freudgefühl und eitel Wohlbehagen. Kaum dass die beiden Paschas durchgelesen den Ferman fein, so gaben sie ein Fest; Kanonen donnern und es währt die Feier von Tag zu Tag durch einer Woche Tage. Fermane auf Fermane schmückt der Vezier, der Kaiser drückt nur seinen Namen drauf. Verschickt sind alle Namenzugfermane durchs ganze kaiserliche Machtgebiet. Die Reihe kam, den Ferman abzusenden ins Bosnaland, an Stolz und Kot so reich. Wie schmückt die Reden Köprülü im Ferman: »O Džanan, Glaubenhort des Bosnalands! Da hast du einen kaiserlichen Ferman. Biet, Džano, auf von Bosna die Bošnjaken zwölf tausend Mann vom Bosnaland Bošnjaken, zu Fuss und Ross nur auserwählte Mannen. Nur, Džano, nicht den einzigen Sohn der Mutter, damit nicht alte Mütter uns verfluchen! »Das Heer, o Džano, führ nach Szigetvár. Es wird sich dort die Kaisermacht versammeln den sieben Christenherrschern gegenüber.« Der Vezier schmückte solcher Art der Ferman, den Namen drückte drauf der wackre Kaiser. Nun sprach zu ihm der Vezier Köprülü: — »O Sultan Kaiser, Sonne von den Bergen! lass eine Kammer Schätze uns entsenden ins Bosnaland, an Stolz und Kot so reich, zur Hilf für unsre Helden, die Bošnjaken; denn Notstand ist daheim im Bosnagrenzland; stets schickst du hin Verräter als Veziere, die rauben alles aus bis auf die Scham!« Darauf zu ihm der Kaiser spricht im Divan: — »O Köprülü, Bewahrer meines Siegels! da steht die Kammer und da sind dir Schätze, das Reich ist mein, doch die Verwaltung dein! Schick ab, mein Lala, was dir lieb und recht ist!« Der Vezier schickt ins Bosnaland den Ferman, des Kaisers Kammerschätze nebst dem Ferman. Der Feldtatar verliess die Stadt Istambol, von Stambol zog er durch das Land Rumelien. Sein Weg, wie immer, führt nach Leitengeben, das ganze Leitengeben er durchmass. Der Feldtatar, der kam nach Vučitrn, von dorten wandt’ er sich nach Mitrovica, dann lenkte der Tatar ins Banjskafeld und quer durchmass er auch das Banjskafeld. Und weiter zog er durch das Schilfgefilde; dann kam der Feldtatar nach Novi Pazar. Von dorten zog er durch das stolze Bosnien; ganz Bosnaland durchmass er in die Quere. Nicht mochte der Tatar zur Burg von Travnik, er wandte sich vielmehr zur Stadt Sarajvo. Als da in Sarajevo der Tatare gekommen vor die Grossmoschee des Kaisers — just kam der Feldtatar vor die Moschee, — es war um Mittagzeit an einem Freitag, es wimmelten die Türken zur Moschee — kam auch des Weges Buljukbascha Džano! Ein grüner Rock umhüllt den Leib des Džano, es wallt ihm über’n Gurt der weisse Bart. Sobald als ihn der Feldtatar erschaute, erhob er ehrerbietig sich vor ihm und zog heraus den Ferman aus der Tasche. Kaum hatte Džanan hier erschaut den Ferman, so küsste wohl die Erd’ er siebenmal, bevor er in die Hand den Ferman nahm. Entfaltet drauf den kaiserlichen Ferman und liest mit lauter Stimme vor den Ferman. Ein jeder lauscht, was wohl der Ferman kündet. Nachdem der feine Ferman ward verlesen, entflossen jedem Tränen aus den Augen, entrang sich jedem ein Gebet zu Gott: — »Gott sei gedankt gar viele tausendmal, dass diese Zeit wir durften noch erleben, dass von uns weiss der Kaiser in Istambol, dass uns beehren zierliche Fermane! Nun kommt ’s zum Krieg mit allen sieben Herschern, wir sind bereit ins Kaiserheer zu zieh’n und unserm Kaiser einen Dienst zu leisten, den Feind des Reichs zu Stücken zu zertrümmern!« Sobald die Türken die Moschee verlassen, begingen sie sogleich ein Freudenfest, begingen ’s festlich eine volle Woche. Kaum war das hohe Wochenfest verflossen, hub Džanan an die Bosner aufzubieten im ganzen Bosna- und im Herzogland. Wo einen wilden Wehrmann er nur wusste, berühmt zu Ross, berühmt zu Fuss als Kämpen, jedweden bot Herr Džanan auf zum Heer. Er bot nicht auf der Mutter einzig Söhnchen, damit dem Heer nicht alte Mütter fluchen. In jedem Brief, den er ins Land versandte, hob Džanan jedesmal hervor mit Nachdruck, dass sich die mächtige Grenze sammeln möge in Rottenteilen unterhalb Sarajvo. Es huben an die Bosner sich zu scharen, in zehn, zwölf Tagen waren sie versammelt und standen da zur festgesetzten Frist. Einmal bestieg Herr Džano seinen Goldfuchs und ritt hernieder zu den Rottenteilen ins Bosnaheer, dort zu den Rottenteilen und stellte die Bošnjaken auf in Reih’n. Hub an vom Bosnaland die Wehr zu zählen, zwölftausend Mannen waren ’s wohlgezählt. Dann nahm er her den vollen Kammerschatz, hub an im Bosnavolk den Schatz zu teilen, beteilte gleich den besten wie den letzten, den letzten Mann, als wär ’s sein eigener Bruder. Befahl dann einen Herold in das Heer; es ruft der Herold durch die Heereshorden: — »Auf, marschbereit die Reiter und die Schreiter! und an die Füsse Riemen und Opanken und an die feisten Klepper Hufbeschlag! »Den Abends nach dem vierten Abendbeten, da bricht das mächtige Heer zur Wander auf. Bei Tage mag Herr Džanan nicht durch Saraj, durchzieh’n bei Tag und nicht das Heer durchführen. »Denn brechen auf bei Tagelicht die Horden, erfacht sich Lieb’ bei Jünglingen und Mädchen und Liebeleid verbleibt in ihren Herzen! »Kein Leid befällt so schlimm wie Liebeleiden, und wo das weilt, da weilt kein Glück im Lager!« Es rüsten sich die Reiter und die Schreiter, sie stecken an die Füsse sich Opanken und ihre feisten Rosse sie beschlagen. Im Abendwallen war’s, nach dem Akšām als zwei Kartaunen grossen Schlags erdröhnten. Auf seinen Goldfuchs sich Herr Džanan schwang, aufrollten sich um ihn an sieben Fahnen und sieben edle Zelter nahm er mit. Da naht schon Džano zu den Rottenteilen, wohl zu den Rotten in das Bosnavolk. Hei! klapperten die goldnen Hammerkolben, da bellten jach die schrillen Mohrentrommeln, da scholl Gelärme junger Lagerrufer, da flatterten zum Himmel auf die Fahnen! Hei! welch Geschwirre von Gefolgschaftfahnen, und welch Geknirsche schlanker Turbanbüsche, und welch Geklirr von Rossgezeug und Reitern und welch Geknatter heller Gurtgewehre! Hei! schallt Gewieher hell von Tross und Rossen, es hallt Gesang und Klang vom Bosnavolk, dort dröhnt Kartaunendonner auf Sarajvo, drauf tönt Gejauchz empor vom Bosnavolk! So zog Herr Džanan ab mit seinem Heere; sie zogen fort und kamen auf Glasince. Da war die heisse Sonne aufgestiegen. Er liess den Blick aufs Heergefolge schweifen, es schien ein wenig das Gefolg verstimmt; denn jeder schlug betrübt die Augen nieder. Das tät den Džanan stark und viel verdriessen, drum rief er seinen Bannerträger Ibro: — »O Bannerträger, o mein liebstes Kind, o sing einmal hellschmetternd uns ein Lied, erheitre fröhlich unsre Krieggefolgschaft; denn hier ist trübe Stimmung eingerissen.« Nun sang ein Lied der Bannerträger Ibro: — »O bleib mit Gott, du eben Land der Bosna! mit Gott in dir die Sarajevostadt! in Sarajevo unsre schlanken Warten, und in den Warten unsre alten Mütter! mit Gott! auch unsre herzgeliebten Schwestern! mit Gott! auch unsre treuen Ehefraun! Wir ziehen fort ins kaiserliche Heer, die Una überschreiten wir und Save, wir ziehn vorbei an dreiundvierzig Burgen und halten siebundsiebzig Lagerrasten, und dann erst kommen wir vor Temesvar! Wir ziehen fort gen alle sieben Herrscher! Erhofft nicht, Mütter, unsre Wiederkehr! O liebste Schwestern, freut euch nicht auf uns! Ihr treuen Fraun sucht neuen Ehebund! Wohl werden wir uns hierzuland beweiben mit grünem Rasen und mit schwarzem Erdreich! Wer glücklich fährt, den wird sein Heim erwarten, den Ohneglück erschaut es nimmer wieder!« Da wurde sein Gefolg erst völlig traurig, und Džanan ganz und gar darob ergrimmt. Sofort entriss er ihm die Heeresfahne und übergab dem Freund sie an der Seite, wohl seinem Krieggenossen Hauptmann Hasan. Doch jenem schlug ums Maul er eine Schelle: — »Was tatst du da, du Gottes Unglückmensch! was machtest du betrübt uns die Gefolgschaft! So troll dich heim, du Gottes Unglückmensch und kos mit deinem Liebchen auf dem Kissen!« Bei Gott und Treu, er jagt ihn heim nach Saraj! Nun sang ein Liedchen Buljukbascha Džanan: — »O bleib mit Gott du eben Bosnaland! mit Gott! in dir die Sarajevostadt, darinnen unsre schlanken Warten stehn, die rund umflochten sind mit Zaungeflecht und obenauf mit Stroh sind überdacht, und in den Warten unsre treuen Fraun! Sie tragen bis zum Knie herab ein Tuch, sie melken vor den Warten eine Kuh, die pappelt einen wilden Helden auf, den Helden wohl für einen solchen Tag! Man füttert Widder für den Opfertisch, die guten Renner für die lange Bahn, die edlen Helden nur für solche Tage! Wir zogen fort zum kaiserlichen Heer an vierunddreissig Burgen wohl vorbei und halten Rast an siebnundsiebnzigmal bevor wir langen an vor Temesvar. Gen alle sieben Herrscher ziehn wir los! Wenn uns gewogen Gott ist und das Glück und wir die Christen kleben an das Schwert, so machen wir doch gute Beute noch, beim Kafirfasten Baszam atta ja! Dann kehren wir ins kotige Bosna heim und bauen unsre schlanken Warten auf, und schneiden unsren Frauen Mäntel zu! Und wenn uns einst das letzte Stündchen naht, und wir versterben unter Temesvar, — nun, sterben muss man jedenfalls einmal! Muss ich, ein Held, beklagen gar kein Leid? Die Warte blieb in Saraj mir zurück; drei Ecken erst sind wohl ihr eingestürzt, doch ist die vierte mit Gebälk gestützt! Rund um die Warte nirgend nichts zu sehn: die Gais Mekmék, dazu ein blind Blöckblöck, die Schwester Puter und betagt die Mutter, drei junge Küchlein und die Gluck Gluckglúck! O töte Gott den Aar vom Hochgebirg! er trug mir von den Küchlein fort die Gluck drei arme Waislein blieben mir zurück! Ach! dies allein beklag’ ich in Sarajvo!« Als Džanans Heergefolge dies vernommen, aufjauchzten alle, knallten aus den Flinten und sangen je zu zwei und zwei zusammen: — »So, traun, ist’s wahr, wie Džanan singt und sagt!« So zog Herr Džanan ab mit seinem Heere, er zog vorbei an vierunddreissig Burgen und hielt an siebnundsiebzig Lagerrasten. Es kam Herr Džanan unter Temesvar auf Kóvija, das grüne Hochgebirge, von wo der Ausblick bis gen Szigetvár. Als die Bošnjaken von dem Bosnaland im Felde dort das mächtige Heer erblickten, da jauchzten sie und knallten aus den Flinten. Wie dies die kaiserlichen Horden hörten, bass tat ein jeder sich darob verwundern, was dies für neuer Brauch im Bosnavolk? Sie bauen gleich durchs Lager eine Gasse, knapp am Gezelt der Paschas und Veziere, wo’s Bosnavolk zu defilieren hat. Als ins Gefild das Bosnavolk gestiegen, beriet Herr Džanan seine Bosnamannen: — »O meine Kinder, Bosner von der Bosna! wann wir durchs kaiserliche Heer marschieren, verlier’ ein jeder seine gute Laune und schlag als wär’s im Trotz die Augen nieder. Lasst uns mit solchem neuen Brauch beginnen!« Als sie durchs kaiserliche Heer marschierten, verlor ein jeder seine gute Laune. Darüber tat sich alles bass verwundern, was dies für neuer Brauch im Bosnavolk? Als Buljukbascha Džano kam geritten begrüsst’ er wohl die Paschas und Veziere, die Paschas aber küsst er noch umhalsend. Nun stellten ihm die Paschas eine Frage: — »O Džanan, Glaubenshort vom Bosnaland! was ist das für ein Brauch im Bosnavolk? Als Ihr auf Kovij dem Gebirge waret, was jauchztet Ihr und knalltet aus den Flinten? Was ist das für ein Brauch im Bosnavolk?« — »Das ist schon so ein Brauch im Bosnavolk; wann sie ein so gewaltig Heer erschauen und im Gefild die aufgeschlag’nen Zelte und aufgerollte Rottenfahnen flattern, da überwältigt sie ihr jubelnd Herz, sie jauchzen auf und knallen aus den Flinten!« — »O Džanan, Glaubenshort vom Bosnaland! Dort wart Ihr wohlgemut und guter Dinge; doch auf dem Durchzug durch das Heer des Kaisers verlort Ihr ganz und gar die gute Stimmung?!« — »Bei Gott und Treu’, Ihr Paschas und Veziere! als ins Gefild die Bosner niederstiegen, erblickten sie das mächtig grosse Heer, die Renner und die Helden ausgerüstet, dazu die aufgeschlag’nen seidnen Zelte, — da brachen aus in Weh’ die Bosnamannen: »Schau das verfluchte kaiserliche Heer an, die Renner und die Helden wohl gerüstet! Wie sollen wir, die Ärmsten, in den Krieg? Wir hielten siebnundsiebzig Lagerrasten eh’ wir ins Feld von Temesvar gelangten. Wir haben keiner einen baren Heller auf Hufbeschlag fürs Ross, auf dem wir reiten! Wie sollen wir, die Ärmsten, in den Krieg, denn blutig arm ist an der Grenze Bosnien!« Als dies die Paschas und Veziere hörten, beschenkten sie die Bosner von der Bosna: je neun Dukaten jedem Krieggenossen, Herrn Džanan aber ungezählte Schätze. Noch sagen ihm die Paschas und Veziere: — »Geh’ Džanan, Glaubenshort vom Bosnaland, such einen Lagerplatz bei Temesvar, wo lagern du mit deinen Truppen kannst!« Es schwang sich Džanan auf den braven Goldfuchs, erreichte flugs die Bosner von der Bosna und führte durch die Bosner von der Bosna hindurch durchs ganze kaiserliche Heer ans End’ vom eb’nen Temesvargefilde grad in den Schussbereich der Feldkartätschen der grimmigen magyárischen Todverbreiter. Hier schlug Herr Džanan auf sein Truppenlager. Drob wundert sich die ganze Macht des Heeres: — »Sind doch die Bosnarecken tolle Kerle! wohin er seine handvoll Leut’ geführt! Es frisst sie der Magyar zu Nacht mit Himbeern, er frisst sie nachts mit Himbeern aus Kartätschen!« Herr Džanan blieb zu Nacht an diesem Ort. Am Morgen als der Morgen angetagt und aufgestiegen war die heisse Sonne vernahm man aus der schwarzen Erd’ Getöse und von dem klaren Himmelblau Geknatter, aufrauschte spielend alles Laub des Hochwalds. Du lieber Gott, was mag das wohl besagen? Ei, plötzlich rückt herbei der Siegelhüter, es folgt ihm auf dem Fuss die Kaisermacht. Kaum kam vor Szigetvár Herr Köprülü berief er schon als Vezier ein den Divan; es stellten sich die Paschas ein zum Divan. Herr Köprülü, der legte vor die Frage: — »Vernehmt nun wohl Ihr Paschas und Veziere! Am heutigen Tag und unter Temesvar hat sich gelagert das gesamte Reich genüber all den sieben Königreichen! Entwerft mir nun den Plan für Schlacht und Krieg, wie sollen wir gen sie den Angriff wagen?« Es schweigen alle Paschas still im Divan, Und wieder schreit der Siegelhüter auf: — »Entweder macht ihr jetzt den Schlachtenplan, wie wir auf sie den Angriff wagen sollen, wo nicht, so säbl’ ich Eure Köpf herunter!« Es klagen ihm im Divan alle Paschas: — »O Köprülü, Bewahrer von dem Siegel! Drei weisse Tage bloss gewähr Bedenkzeit, entweder schaffen wir bis dann den Kriegplan, wo nicht, so gilt’s gesunderheit versterben!« Drei weisse Tage liess er zu Bedenkzeit. Die Paschas eilten schnell zu ihren Zelten; ein jeder Pascha holt herbei den Herold. Die Paschas bieten ungezählte Schätze, sie bieten Rosse, bieten Rossgezeuge, ob wohl ein Held im Heere sich erfände, für Köprülü den Schlachtenplan zu machen, wie gen den Feind der Angriff wär zu wagen. Es schallt das Heroldrufen durch die Horden zwei volle weisse Tag ohn Unterlass, zwei dunkle, schreckenbange Nächt hindurch, doch wollt der weise Held sich nimmer finden! Letzt kommt dir auch ein Herold hingestiegen weit übers Blachgefild ins Bosnavolk. Es schallt der Ruf des Herolds durch die Horde, es hört ihn auch Herr Džanan unterm Zelte, so fort und fort, und lacht darüber schallend! — »O lieber Gott, welch ein gewaltig Wunder! Da liegt im Feld die ganze Kaisermacht, dazu als Feldmarschall der Siegelhüter! Drei weisse Tage sind nun hingeflossen, dass durch die Horden Heroldrufe hallen, ob wohl ein Held im Heere sich erfände, für Köprülü den Schlachtenplan zu machen, wie gen den Feind der Angriff wär zu wagen doch wollte sich ein solcher Held nicht finden! Da hab ich mein getreues Volk der Bosna, zwölf tausend auserwählte Bosnamannen, heut gilt mir jeder einen Schlachtenplan, ein jeder könnt ihm einen Plan entwerfen, wie gen den Feind der Angriff wär zu wagen!« Dies hörten auch die Bosner von der Bosna: — »O unser Džanan, unsre liebste Mutter! Du schwing hinauf dich auf den breiten Goldfuchs und geh du in die kaiserliche Horde, dem Köprülü den Schlachtenplan entwerfen; lass nur den Barschatz nimmer uns entweichen, das Angebot der Paschas und Veziere! Schlepp her die Schätze für dein Bosnavolk, dann kannst mit jenen leicht den Krieg du führen!« Ins kaiserliche Heer begab sich Džanan zum Zelte hin des Vezier Köprülü. Als er zum Vezier unters Zelt gekommen, so küsst den Kleidersaum er Köprülü. Der Vezier setzte Džano sich zur Seite; dann sprach zu ihm der Vezier Köprülü: — »O Džanan, Glaubenhort vom Bosnaland! wärst du im Stand den Kriegplan zu entwerfen? wie auf den Feind der Angriff wär zu wagen?« — »O Köprülü, Bewahrer von dem Siegel! befragst du mich um einen Schlachtenplan, so will ich einen Plan dir auch entwerfen. Da hab ich mein getreues Volk der Bosna, zwölf tausend auserwählte Bosnamannen. Ich greif dir an den grimmigen Magyaren, sechshundert Feldkartätschen greif ich an, und was mir Gott und was das Glück beschert! Doch all die andern Paschas und Veziere losstürmen lass gen König Rákóczy! Du Vezier selber gen die ebne Karlsburg, allwo die Macht von allen sieben Königen; denn immer galt’s ‘der König gen den König’! Nun hab ich dir den Schlachtenplan entworfen!« Der Vezier klappt Herrn Džanan auf die Schultern: — »Ei wacker! Glaubenhort vom Bosnaland!« Und hüllt ihm um den goldenen Überwurf. Und wiedrum spricht Herr Džano zum Vezieren: — »Nun hätten wir den Schlachtenplan entworfen. Wie lange lassen wir noch Rastezeit? wann soll der Angriff auf das Heer erfolgen?« Da gaben sie drei weisse Tage Raum zur Rast und Ruh der Rosse und der Kämpfer, bis an die Füsse sie Opanken legen und ihrer feisten Rosse Huf beschlagen. Da ist schon Džanan auch bei seinem Goldfuchs und beim Gezelt der Paschas und Veziere. Die Paschas schenken ungezählte Schätze, sie schenken Rosse, schenken Rossgezeuge. Nicht Rosse mag Herr Džanan noch Gezeuge, er greift nur nach den baren Golddukaten, und flugs zurück zu seinem Bosnavolk. Nun trat Herr Džanan unter sein Gezelt. Es kommen hin zu ihm die Bosnakämpfer: — »O unser Džanan, unsre liebste Mutter! hast du dem Köprülü den Plan entworfen? wie soll man gen den Feind den Angriff machen?« — »Dem Köprülü entwarf ich einen Schlachtplan wie auf den Feind man soll den Angriff machen!« — »Wen, Džano, hast für dich du vorbehalten? Gen wen wirst du mit den Bošnjaken stürmen?« — »O Kinder, gen den grimmigen Magyaren, sechshundert Feldkartätschen anzugreifen, und, was uns Gott und was das Glück beschert! Doch all die andern Paschas und Veziere, sie stürmen los gen König Rákóczy, und Köprülü, der soll zur ebnen Karlsburg, allwo die Macht von allen sieben Königen; denn immer galt’s: ‘der König gen den König’!« — »O unser Džano, unsre liebste Mutter! nachdem du solchen Schlachtenplan entworfen, wie lange habt Ihr Rastezeit gelassen? wann soll der Angriff auf das Heer erfolgen?« — »Drei weisse Tage, meine lieben Kinder, zur Rast und Ruh der Rosse und der Kämpfer, bis an die Füsse sie Opanken legen und ihrer feisten Rosse Huf beschlagen!« Da spricht zu ihm ein Wort der Fähnrich Hasan: — »Weil, Džano, du für uns hast vorbehalten, den grimmigen Magyaren vorbehalten, sind auch bereit schon Renner und Opanken. Lass uns noch heute Nacht den Angriff wagen, und, was uns Gott und was das Glück gewährt!« Herr Džanan klappt ihm fröhlich auf die Schultern: — »Ein wacker Wort gesprochen, Fähnrich Hasan, wohl bist du unbedingt ein Schlachtendenker!« Und Džanan sprach: ‘der Angriff wird erfolgen!’ Kaum war’s gesagt, der Angriff werd’ erfolgen, da brachen schon die Bosner aus in Jubel; aufjauchzten alle, schossen aus den Büchsen und stimmten an zu zwei und zwei ein Lied. Kaum brachen die Bošnjaken aus in Jubel, schon stellten sie ein blutig Mus ans Feuer und assen wohl ein blutig Mus zum Nachtmahl. Es tauschten alle miteinander Küsse, sie küssten sich und nahmen letzten Abschied, und jeder schwang sich auf sein gutes Rösslein und mit verhängtem Zügel stürmten alle durchs Temesvargefild gen’s feste Lager, gen’s Lager stracks des grimmigen Magyaren. Als sie beim Glied und Feindelager waren, zerbrachen mit den Händen sie das Radschloss und jeder schoss je eine Büchse ab, und jeder griff nach seinem scharfen Schwert; dann stürmten alle gen die Reih und Glieder, im Sturme schoss ein jeder aus der Büchse, dann griffen alle nach den scharfen Schwertern, im ersten Sturm durchbrachen sie die Glieder. Traun! ihnen war da schlimmes Glück beschieden! Es blitzten auf sechshundert Feldkartätschen, sechstausend Leichen fielen hier zu Boden, sechstausend Mannen blieben noch am Leben. Sie stürmten augenblicklich die Kartätschen. Und Gott verlieh’s, das Glück beschied es ihnen, sie stellten den Kartätschen ein das Feuer. »Allâh!« so schrie Herr Buljukbascha Džano, »Allâh! Allâh!«, es schossen die Gewehre. Die dunkle Nacht bemächtigt sich des Kampfes und schwarze Finsternis bedrückt die Wahlstatt. Nun glaubte wohl das grimmige Volk der Deutschen, es stürme los die Macht des Siegelwahrers und hintennach mit Wucht das Kaiserreich. Sie wandten sich zur Flucht, entflohen heillos, im Stich sie liessen Hort und Kriegkanonen und allen Schatz und königlichen Schmuck! Doch Džano, der verfolgt sogleich die Christen mit ihm sechs tausend Bosner von der Bosna, und jagt sie hin zu König Rákóczy. Doch ihn empfing nun Rákóczy der König mit Feldkartätschen und lebendig Feuer. O guter Gott, welch wenig gut Begegnen! Es blitzt, es schiesst, es fliesst das Blut in Strömen! Sieh Džanan an, den Bosna-Glaubenhort! wie er den König Rákóczy umrungen mit wohl sechs tausend Bosnern von der Bosna! »Allâh! Allâh!«, es schossen die Gewehre! Nun war im Glauben Rákóczy der König, es stürme los die Macht des Siegelwahrers und hintennach mit Wucht das Kaiserreich! Er wandte sich zur Flucht, es floh der König und liess im Stich den Hort und die Kanonen und allen Schatz und königlichen Schmuck! Hui! jagt ihn weiter Buljukbascha Džano, mit ihm sechs tausend Bosner von der Bosna, und treibt die Flüchtigen hin zur ebnen Karlsburg! Allhier empfingen ihn an sieben Fürsten mit Feldkartätschen und lebendig Feuer. O guter Gott, welch wenig gut Begegnen! Es blitzt, es schiesst, es fliesst das Blut in Strömen, du meintest schier, die Erde sei geborsten! Sieh Džanan an, den Bosna-Glaubenhort, wie auf der ebnen Karlsburg er umrungen, umrungen wie er all die sieben Fürsten mit nur sechs tausend Bosnern von der Bosna! »Allâh! Allâh!« es schossen los die Büchsen. Die sieben Fürsten waren nun im Glauben, es stürme los die Macht des Siegelwahrers und hintennach mit Wucht das Kaiserreich. Sie flohen alle von der ebnen Karlsburg, von Karlsburg weiter bis zum Goldgewerke; im Stich sie liessen Hort und Kriegkanonen. Es jagt sie weiter Buljukbascha Džano, mit ihm sechstausend Bosner von der Bosna, von Karlsburg weiter bis zum Goldgewerke! Am Morgen als der Morgen angetagt, — Herr Köprülü versammelte den Divan; es trafen alle Paschas ein zum Divan, und Köprülü der Vezier fragt sie also: — »So helf’ euch Gott, Ihr Paschas und Veziere, was drang da für Getöse her zu uns? ein dumpfes, wüst Getöse von Kanonen? von unten da herauf vom Goldgewerke? was ist das für ein Fest im Kafirvolke?« Es schweigen ihm im Divan alle Paschen, da spricht Herr Halipascha Glaubenshort: — »O Köprülü, Bewahrer von dem Siegel! als dir da gestern Buljukbascha Džano, als er den Schlachtenplan dir tat entwerfen, auf welche Art der Christ sei anzugreifen, da hat für sich Herr Džano vorbehalten, den grimmigen Magyaren vorbehalten, mit seinen Bosnamannen anzugreifen, sechs hundert Feldkartätschen gleich zu nehmen; doch als er drauf ins Bosnavolk gekommen, missbilligten die Bosner seinen Plan. Als sie zum Abend aus Gewehren schossen, da brachten die Bošnjaken um den Džano. Heut Nacht sind die Bošnjaken ausgerissen! Der Reih’ nach jubilieren all die Herrscher, sie jubeln und sie schiessen aus Kanonen!« Da schreit und kreischt der Vezier Köprülü: — »Ei wart nur wart, du Bosnavolk von Bosnien! Sind wirklich die Bošnjaken ausgerissen, so lass ich ihnen ab die Köpfe säbeln und lass damit die Feldkartätschen füllen und schick’ sie allen sieben Herrschern zu!« Da trillert auf aus Wolkenhöhn die Vila und ruft beim vollen Namen Köprülü: — »O Köprülü, Bewahrer von dem Siegel! so steht es nicht, allwie’s der Pascha sagt! mit nichten ist dein Bosnavolk entwichen, vielmehr hat Bascha Džano angegriffen den grimmigen Magyaren angegriffen; sechs tausend Leichen liess Herr Džanan liegen, zerschlug das Heer von allen sieben Herrschern und trieb sie alle bis zum Goldgewerke, und schlug sich wohl mit allen sieben Herrschern mit nur sechstausend Bosna-Glaubenstreitern! Doch weil du dich am Bosnavolk vergangen, das kostet dir beim Kaiser deinen Kopf!« Als dies der Vezier Köprülü vernommen, da zog er eigenhändig blank das Schwert und hieb den Pascha eigenhändig nieder. Der Vezier klagt, es strömen ihm die Zähren: — »O Džanan, Džanan, meine wilden Wunden! es weiss es Gott, es weiss es Köprülü, ich hab’ an dir mich nicht mit List vergangen, nur Paschas und Veziere, die Verräter!« Darauf erdröhnten die Alarmkanonen, die ihm im Feld die Horden alarmieren, und ungesäumt enteilt der Siegelwahrer und hinterdrein das ganze Kaiserreich geradenwegs mit Heil zum festen Lager, zum Lagerplatz des grimmigen Magyaren. Sieh! überall ist dort das Gras zertreten und ganz und gar mit schwarzem Blut besudelt, verflucht, mit Leichen alles überdeckt! Er fand das Krieggepäck, er fand Kanonen, auch fand er Džanans all’ sechs tausend Leichen, so da gefallen Bosner von der Bosna. Sechstausend Leichen barg er nun in Gräber. Befahl dann in die Heermacht einen Herold; und durch die Horden ruft ihm aus der Herold: — »Es rühre niemand irgend etwas an, sonst hau’ ich ihm das braune Haupt herab! Es ist ein Heldenstreich vom Bosnavolk!« Nun zog er weiter fort mit seinem Heere. Der Vezier kam sodann zum festen Lager, zur Lagerstätte Rákóczy des Königs. Auch hier ist überall das Gras zertreten und ganz und gar mit schwarzem Blut besudelt; er fand auch hier Gepäck, er fand Kanonen, den ganzen Schatz und königlichen Schmuck. Auch hier befahl ins Heer er einen Herold: und durch die Horden ruft ihm aus der Herold: — »Es taste niemand irgend etwas an, sonst hau’ ich ihm das braune Haupt herab! Es ist ein Heldenstreich vom Bosnavolk!« Er zog auch hier mit seinem Heere weiter. Der Vezier stieg zur ebnen Karlsburg nieder. So lang und breit ist die verfluchte Fläche, man kann sie mit dem Aug’ nicht überschauen! Da ist kein Baum, kein Fels ist da zu sehen, die ganze Fläche eine Lache Blut zudem mit Leichen arg noch mehr verrammelt. Er fand die Güter aller sieben Herrscher, doch weiter wusst’ den Weg nicht mehr der Vezier, er liess das Heer im Feld von Karlsburg rasten. Auf Karlsburg wandelt unstät Köprülü und horcht und horcht auf das Kanonenecho, wie’s gellt von unten her vom Goldgewerke, denn vom Gewerke schallen die Kanonen. Er wandelt ruhlos, ihm entfliessen Zähren und nimmt zur Hand das glasbewehrte Fernrohr; der Vezier überschaut die Karlsburg-Eb’ne und schaut zur Grenze hin, zum Goldgewerke. Indess entsteht im Feld ein Wolkendunkel, hier pflegt ein Dunkel nie allein zu weilen, weil aus dem Dunkel brach hervor ein Kämpe auf einem Rappen, einem Schlachtenrenner. Der Rapp’ ist ohne Mähn’ und ohne Zöpfe, ohn’ Augenbrau’n und Schnurrbart ist der Kämpe, er ist verrusst, wie eine schwarze Dohle, die Hände blutig bis zum Ellenbogen, und blutig bis zum Griff hinauf das Schwert. Als ihn mit eig’nen Augen sah der Vezier, da hegt’ im Herzen er den frommen Wunsch: — »O wollt es Gott, es wär’ der Bosnastreiter!« Wie nun der Sieger auf den Rappen ankam, so fand er Köprülü im Feld von Karlsburg. Er rief dem Vezier ‘Gott zum Grusse!’ zu, umarmten sich und küssten hier einander. Sodann befragt ihn Köprülü der Vezier: — »O Bruder mein, du Glaubenhort von Bosna! wie steht’s mit unserm Buljukbascha Džano? ist uns der Drache Džano noch am Leben?« — »Fürwahr, es ist uns Džano noch am Leben. Dort haust im gold’nen Berggewerke Džano mit wohl sechs tausend Bosna-Glaubenstreitern und kämpft den Kampf mit allen sieben Königen. Er liess jedoch dir einen Gruss entbieten; sechs tausend Opfertiere sollst du schlachten für seine Schar sechs tausend Mann Bošnjaken, auch sollst du ihm sechs tausend Karren senden von Karlsburg aus zum gold’nen Berggewerke, damit er dir den Schatz auf Karren schicke!« Als Köprülü, der Vezier, dies vernommen, so schlug er selber ein Kameltier nieder und schrie mit starker Stimm’ aus voller Kehle: — »Dies Opfertier für Buljukbascha Džano!« Nicht schneller kann ihr Kind die Mutter stillen, als hier sechs tausend Stück Kamele fielen, sechs tausend Opfertiere sind geschlachtet. Letzt schickt der Vezier ab sechs tausend Karren von Karlsburg aus zum gold’nen Berggewerke. Drauf war nur eine kleine Weil verflogen, kam Džano angerückt vom Berggewerke mit wohl sechs tausend Bosna-Glaubenstreitern. Herr Džanan schleppt die Schätze auf den Wagen, er führt mit sich auch alle sieben Könige und trägt mit sich die Krone Nuschirwâns. Als Džanan auf das Karlsburgfeld gelangte, ward ihm vom Vezier festlicher Empfang, es gaben Feuer alle Feldkanonen, Herr Köprülü umhalst’ und küsste Džano. Dann sprach zu ihm der Vezier Köprülü: — »O Bruder Džano, Bosna-Glaubenstreiter, verschimpf’ mich nicht mit übler Red’ beim Kaiser, sonst kostet’s mich beim Kaiser meinen Kopf! Es weiss es Gott, es weiss es Köprülü, ich hab’ an dir mich nicht mit List vergangen, nur Paschas und Veziere, die Verräter! O Džano, heisch, was immer dir behagt!« — »O Köprülü, Bewahrer von dem Siegel! Vermögen hab’ ich ohne Mass und Ende, doch weit entfernt ist Bosna an der Grenze, wie sollt’ den wüsten Schatz ich hinbefördern? Und überdies, o Vezier Köprülü; im langen Lauf der Weilen und der Zeiten wird leicht auch aufgebraucht der bare Schatz! Doch hätt’ ich hier mein treues Bosnavolk, zwölf tausend Mannen von dem Bosnavolk, sechs tausend auf dem Karlsburgfeld am Leben, sechs tausend sind als Leichen hingefallen, als Leichen wohl im Kampfe mit Magyaren; drum wirst du, Vezier Köprülü, mir geben zwölf tausend lauter Grundbelehnungbriefe, dem toten Mann so wie dem Lebenden!« Darauf bemerkt der Vezier Köprülü: — »So heisch doch Džano und verstell’ dich nicht, es schaut sich nichts dabei für dich heraus!« Und wiedrum spricht Herr Buljukbascha Džano: — »Was soll ich, Köprülü, von dir verlangen! Du bist ja heut des Kaisers Stellvertretung, und was du sagst, dir’s nicht versagt der Kaiser. Gar weit entfernt liegt an der Grenze Bosnien, es zieht sich uns ein weiter Weg nach Stambol zur Einsichtnehmung in die Grundverschreibung. Gib lieber mir das halbe Kaisersiegel wohl mit ins stolze, kotige Bosnaland!« Bei Gott, er war ihm wenig lieb und recht, er konnte sich jedoch nicht anders helfen. Das halbe Kaisersiegel gab er Džano wohl mit ins stolze, kotige Bosnaland. Ihm weiht Herr Džano alle sieben Herrscher, der Vezier ihm des Kaisers heiligen Segen, wohl mit ins lehmige Land der stolzen Bosna! Zu Vers 1–4. Die Stadt Paris der Isarstrom umrauscht, den Burgwall von Berlin umtost die Spree und brandend bricht an Strassburg sich die Elbe. Hier war entbrannt der siebenjährige Krieg! Mit solcher umständlichen Genauigkeit und Zuverlässigkeit bestimmt auch unser Guslar die geographische Lage des Schauplatzes der kriegerischen Handlungen, denen sein Lied gewidmet ist. Dass seine Angaben (V. 1 u. 3) vollständig unrichtig und die Skizze ganz wertlos ist, merkt weder er, noch fällt es seinen Zuhörern auf. Zwei Jahrhunderte lang hatten herzögische Moslimen bei Wardein und Temesvar nichts mehr zu suchen und zu holen, so dass die Erinnerung an die wirkliche Lage der Orte verblasste und sich bloss noch leere Namen im Gedächtnis der Sänger durch die Überlieferung behaupteten. Der erste Dichter und Guslar des Liedes dürfte wohl eine richtigere topographische Beschreibung geliefert haben. V. 5. Von den zwei Paschen schweigt die türkischungarische Geschichte. Vielleicht hat man in diesen zwei Herren die Statthalter Sidi Ahmet von Bosnien und Fazlipascha von Albanien oder auch Ali Čengizade vom Herzogtum zu erkennen, die i. J. 1657, während Köprülü an den Dardanellen für den Seekrieg rüstete, unter den Mauern von Zara, Spalato und Cattaro Waffentaten verrichteten. In der Überlieferung verflüchtigen sich Personen zu Schattenbildern, die in Gruppen wirken. Man hatte sich gewöhnt, zwei Pašen gemeinsam operieren zu sehen und übertrug dann ein solches Verhältnis auch auf eine andere Situation, wo es unbegreiflich wäre. — Seid, ein Verwandter oder Abkömmling des Propheten, eine Würde des Gesetzes (Hammer II. 423, IV. 179), hier bloss ein Name, wie jeder andere. V. 10. Vekil türk. Verwalter, Vorsteher, Stellvertreter. V. 15. adalet arab. Gerechtigkeit. V. 33. Kraljevo = Gyula Fehérvàr (Julia Alba), später Karlsburg genannt, daher der slavische Name. War Gábor Bethlens Hauptstadt, die er mit grossartigen, fürstlichen Palästen schmückte. — Der Brief droht die Vernichtung des gesamten östlichen Teiles Ungarns an, worunter man nicht nur das eigentliche Siebenbürgen, den Teil jenseits des Königsteiges (eines Gebirgzuges zwischen Ungarn und Siebenbürgen) zu verstehen hat. Schon im XVI. Jahrh. gehörte das diesseits des Königsteiges liegende Grosswardein samt dem Biharer Komitat dazu. V. 35. Die sieben Könige (muluki tavaif, Könige der Völker) spuken auch sonst in der türkischen Geschichtschreibung herum und sind auch in die südslavische Überlieferung eingedrungen. Vrgl. Krauss, Orlović der Burggraf von Raab, Freiburg i. Br. 1889, S. 92 f. — Der Kaimakam von Konstantinopel schreibt i. J. 1667 mit Hinblick auf das zwischen Russland und Polen geschlossene Bündnis: »Wisst, dass an euerer Einigkeit nichts gelegen ist. Die sieben und die neun Könige, die wider die Pforte zu Felde gezogen, haben ihr mit Gottes und des Propheten Gnade kein Haar entreissen können« etc. V. 38. do majdana zlatna. Welche Goldgrube gemeint ist, kann man nicht bestimmen. Wohl meint der Guslar: ‘bis an den äussersten Rand der Karpathen, wo Gold geschürft wird.’ Ein Abbau findet noch heutigentags statt, nur lohnt er wenig. V. 51. Mišvar f. Temesvar, eine Volketymologie, als ob die Stadt ‘Mäusestadt’ hiesse. V. 54. Katal učiniti ‘Mord machen’ (Katl türk. Mord), erklärte mir Halil mit posjeći = niedersäbeln. V. 50–72. Solche Drohungen waren tatsächlich in diplomatischen Aktenstücken jener Zeit hüben und drüben üblich. V. 59. Deribeg, Pfortenobrist. Das Tor war bei den Türken nicht nur das Bild der Regierung im allgemeinen (als hohe Pforte), sondern auch im besonderen für die Kriegmacht, deren einzelne Waffengattungen man Tore nannte. Aus zweimal sieben solchen Toren bestand die Heermacht. — Der Harem heisst das Haus oder das Tor der Glückseligkeit (dari oder deri zeadet), während die Pforte der Regierung die hohe Pforte des Reiches oder des Glückes (babi devlet) genannt wird. V. 71. Šam, Damaskus. Im J. 633 eroberte Kalif Omer die Stadt, durch welche seit damals bis auf die Gegenwart alle Pilgerkarawanen europäischer Moslimen nach Mekka ziehen. Medina ist des Sultans als Prophetensprösslings Urheimat. Der Guslar unterstellt unbewusst Rákóczy die Aspirationen »römischer Kaiser deutscher Nation« auf die Rechtnachfolge byzantinischer Kaiser, indem er ihn behaupten lässt, dass Konstantin »unser Kaiser« gewesen sei. V. 85. Sie stemmen zum Zeichen ihrer Ratlosigkeit die Arme oder besser die Hände in die Hüften, wie bei uns Naschmarktweiber im Zorne, wenn sie einander »die Wahrheit« sagen. V. 99. Ćuprilić, türk. Köprülü, der Brückner, serb. mostar. Gemeint ist Mohammed K. — Er war Enkel eines nach Kleinasien ausgewanderten Albanesen, und hatte seinen Zunamen von seinem Geburtorte der Stadt Köprü (Brücke), die sechs Stunden von Mersifun, zwölf von Amasia, an dem Gebirge Tašan zwischen zwei Flüsschen liegt, die sich in den Halys ergiessen. Die über eines der Flüsschen führende Holzbrücke (Steinbrücken, besonders gewölbte, sind Londžen) hat den alten Namen der Stadt Karakede (Schwarzgaden) erst in den der ‘Brücke’ und seit der Blüte der Veziere Köprülü, in den von Vezier Köprü umgewandelt, zum Unterschiede von einem auf derselben Strasse gelegenen Flecken Tašköprü (Steinbrücke), Vrgl. Hammer, V. 465. V. 108–121. Die Schilderung entspricht so ziemlich der wirklich bestandenen Machtstellung des Sigelbewahrers im osmanischen Reiche. Der Kanun des Sigels (nach der Kanun-name Sultan Mohammed II. gest. 2. V. 1481) überträgt dem Grossvezier dessen Obhut, als das Symbol der höchsten Vollmacht. In der Überreichung des Sigels liegt auch die Verleihung der höchsten Würde des Reiches. Der Grossvezier darf sich (abgesehen von der Versiglung der Schatzkammer, die nur in Gegenwart der Defterdare geöffnet werden kann) dieses Sigels nur zur Besiglung der Verträge bedienen; und da alle Verträge durch die Hand des Grossveziers gehen müssen und niemand als er das Recht hat, an den Sultan schriftlich zu berichten, so sieht der Sultan kein anderes Sigel als sein eigenes oder etwa das der fremden Monarchen, wenn deren Gesandte ihre Beglaubigungschreiben in feierlicher Audienz überreichen. V. 129. türk. kahr etmek, Gewalttätigkeit verüben, vergewaltigen. V. 140. Der Name der Schatzkammer des Sultans war chassineh, und solche Besitzungen, deren Einkünfte in diese flossen, wurden chass genannt. Ausführlich über die Staatseinkünfte speziell in Ungarn, vrgl. Salomon, S. 211 ff. Im V. 213 begründet der Vezier die Notwendigkeit der Geldsendungen. So war es jedesmal üblich bei Aushebungen angesichts eines Krieges. So z. B. bemerkt der Franziskaner Nikolaus von der Lašva in seiner Chronik zum J. 1729: miseca veljače dojde u Travnik tri konja zlatnih jasprih, da se pišu sejmeni. I otvoriše se bajraci na početku lačka i svakome sejmenu dadoše plaće po dvadeset i dva groša i to brez zahire za tri miseca. (Im Monate Februar langten in Travnik drei Pferdelasten mit goldenen Jaspren an, damit man Söldner [segban, t. Wächter] anwerbe. Und man pflanzte [Werbe-]Fahnen am Eingang des Lašvagefildes auf und sie gaben jedem Söldner zu 22 Groschen Bezahlung, und zwar ohne Proviant für drei Monate [im voraus sclc.]). V. 148. Der Sultan erhielt, nachdem Edhem Paša den Melunapass genommen, den Titel Ghazi, der Sieger, Kämpfer im heiligen Glauben. Um diese Ehrennamen bemühte sich noch jeder Sultan und Feldherr. Als i. J. 1758 der Araberscheich Hesa beschworen, in Zukunft die Karawanen nach Empfang der gewöhnlichen Geschenke ungehindert und ungeplündert ziehen zu lassen, war darüber die Freude zu Mekka so gross, dass die vier Muftis der vier rechtgläubigen Kirchendienste vier Fetvas erliessen, vermög deren künftig im Kanzelgebete des Freitags dem Namen des Sultans der Ehrentitel Ghazi, Sieger im heiligen Kampfe, beigefügt werden soll. Die Guslaren in Bosnien und dem Herzogtum waren mit der Verleihung dieses Titels an ihre Helden noch freigebiger. Jeder ergraute, langbärtige Massenmörder erhielt ihn. V. 150. Den Namen Otoka würde man vergeblich auf der ungarischen Landkarte des Banates und der Bačka suchen. Ein Ort war es gewiss und dazu ein wohlbefestigter, denke ich, und eine Erdichtung ist gar nicht anzunehmen. Das slav. Wort bedeutet eine Insel, eine Insel heisst aber magyarisch sziget. Somit hätten wir die durch Zriny weltbekannte Festung Szigetvár herausgefunden, die damals türkisch war. V. 164. Misir, hebr. Mizraim, Egypter. Stojni (lat. capitalis) zur Hauptstadt gehörig, ist ein Beinamen, der auf die geographische Unwissenheit des Guslaren zurückgeht. Er hält nämlich Mizraim für eine Hauptstadt. Vgl. V. 167. Um eine lächerliche Wirkung zu vermeiden, ging ich in der Verdeutschung auf den Fehler des Guslaren nicht ein. V. 171. Buluk, Rotte der Janičaren, Hammer II. 428. Bulukbaši Rottenmeister. Hammer VII. 351. Oberst. IV. 80. Rottenmeister VII. 274, VIII. 67. — Wie bei uns für den Gefreiten der Korporal oder gar der Wachtmeister und vollends der Leutnant, so ist für den Guslaren schon der Rottenhauptmann, wie man zu sagen pflegt, ein grosses Tier. Die Ordre des Grossveziers ging jedenfalls an den Vali (Gouverneur) von Bosnien ab. V. 193 ff. turajli fermane. Weil Sultan Murad (gest. 1389) des Schreibens unkundig war und seinen Namen nicht zu schreiben verstand, tauchte er die Hand in die Tinte und drückte sie in der Höhe der Urkunde statt Unterschrift und Sigel ab (Hammer I.2 S. 152). Ich meine, er wird es bei dem Daumenabdruck haben bewenden lassen, wie dies noch heutigen Tages bei Rechtverträgen schreibunkundiger Herzogländer und Montenegrer und überhaupt auch noch in Asien gebräuchlich ist. Hammer sagt aber weiter: ‘Dieser Abdruck des Handballens und der fünf Finger, deren mittlere drei gerade nebeneinander lagen, der kleine Finger aber und der Daumen weit auseinander gesperrt waren, wurde für kommende Zeiten und bis auf heutigen Tag als das Tughra oder des Sultans Unterschrift geheiligt, in welche Schreiber erst die Bedeutung verschlungener Buchstaben und des verzogenen Namens legten. Den rohen Abdruck der Hand, den der Umriss des Tughra noch heute nachahmt, bildeten sie in den Namen des Sultan-Chans und seines Vaters mit dem Beisatze: ‘Immer siegreich!’ aus, und der Schreiber, der diesen verschlungenen Zug den Fermanen und Diplomen im Namen des Sultans vorsetzte, bekleidete in der Folge als Nišandžibaši, d. i. als Staatsekretär für den Namenzug des Sultans, eine der ersten Würden des Staates.‘ — Unser Guslar hält jedoch an dem Survival fest, dass der Sultan sein eigenes Handzeichen auf jeden Militärbefehl aufdrücke. V. 195. evlećet, türk. evlek die Erdfurche; Das Reichgebiet. — V. 214 und 479. züdžürt, t., arm. V. 204 f. und 277 ff. Der Vezier ordnet eine allgemeine Aushebung, selbstverständlich nur unter Moslimen an. Die Warnung betreffs des einzigen war nicht überflüssig. Sie kehrt immer wieder in gleichen Fällen. Ein bulgar. Lied erzählt von den üblichen Grausamkeiten und Härten der Aushebung (Miladinov, Blgrk. nar. p. Nr. 572, I.1 S. 485): Nasilili sje turci janičari | oni si šetat jeničarstvo pišat | kôde dvaica edinot go pišat | kôde je jeden sam negô pišat | kôde sè troica dvaicata gi pišat | edinot ostavat kôšta da si gledat. (Die türkischen Janičaren heben Janičarenmannschaft aus: von zwei Brüdern, nehmen sie einen, wo einer da ist, nehmen sie den einen; wo ihrer drei sind, schreiben sie davon zwei auf, den dritten aber lassen sie, damit er das Haus betreue). V. 223. lala t. Erzieher, Hofmeister, Hofdiener, Minister (bei Hofe). V. 287 f. Hiseta, Hissa t. Lehenanteil (vrgl. Hammer III. 477. V. 687). Unter dem Herniedersteigen zu den Hiseta hat man demnach zu verstehen, dass sich die Truppen nach den Lehenanteilen gegliedert und gelagert hatten; »nebst der besoldeten Reiterei der Spahis und der Janičaren gab es im osmanischen Heere eine belehnte Truppe zu Pferd, die der belehnten zu Fuss entsprach. Man nannte sie Mosselliman, d. i. die (von Auflagen) befreiten und sie waren von Offizieren befehligt, die Subaši (wenn über 100), Binbaši (wenn über 1000 gesetzt) und Sandžakbegen, d. i. Fahnenfürsten hiessen. Dieselbe Stufenordnung des Kriegdienstes blieb bei der in der Folge weit mehr ausgebildeten Reiterei der Besitzer der kleinen und grossen Lehen timare und ziamet« (Hammer I.2 99 f.). Darnach ergab sich die Anordnung des Heeres, das natürlich auf der Ebene lagerte vor der Schlucht, in die Sarajevo hineingebaut ist. V. 320–330. Anfang Dezembers 1885 ersuchte mich mein seither verstorbene Freund, unser grosse Fachgenosse Isidor Kopernicki in Krakau um Zusendung einiger schöner Guslarenlieder zur Lektüre für die Weihnachttage. Mit herzlichem Vergnügen willfahrte ich dem Wunsche und stach 40 oder 50 der schönsten Stücke aus meiner Sammlung für ihn heraus. Nach sechs Wochen bekam ich wieder meine Manuskripte mit einem Brief zurück, den ich nicht veröffentlichen mag, weil er neben den Ausdrücken des Entzückens über die Lieder meine folkloristische Sammlertätigkeit ausserordentlich herausstreicht. Auf eigenen Listen merkte Kopernicki an, was ihm an Worten und Sachen unverständlich war und was ich ihm oder bei Herausgabe der Texte allen Lesern erklären soll. Zum Überfluss versah er die Lieder noch mit Randbemerkungen, die vorzugweise seiner Bewunderung über die Schönheit einzelner Partien Ausdruck verleihen. So z. B. bemerkte er zu dieser Stelle: Arcydzielo! nigdzie podobnego obrazu wojennego nie spotkałem (Ein Meisterwerk! nirgends stiess ich noch auf ein ähnliches kriegerisches Bild). Bei unserem Halil Marić ist dies Bild ein Klischee, und es findet sich auch sonst, wenn auch minder voll bei anderen moslimischen Guslaren. Vielleicht steckt darin ein orientalischer Einschlag. Es ist darum nicht auffällig, dass eine ähnliche Schilderung auch in einem moslimisch malayischen Volkepos vorkommt. Das Beispiel bei R. Brandstetter, Charakterisierung der Epik der Malayen, Luzern 1891. S. 35: Baginda bertitah pada segala manteri hendaq-lah berlańkap kira-nja diri himpunkan rajah gadjah dan kuda bintań pun belom padam tjahaja-nja goń peńaruh pula akan dipalu-nja bertalu-talu kunun bunji-nja bańun-lah raja deńan suka-nja meńenakan ketopoń gilań-gemilań shamshir terhunus sinar tjermelań meńirińkan baginda radja didjulań tuńgul pandji-pandji berdjalan dehulu masiń-masiń deńan peńhulu tumbah dan perisei bertimbalan rupa-nja saperti kota berdjalan hampir-lah suram tjahaja-nja bulan gegap gempita tijada terperi berdjalan-lah lalu ka-luwar nageri Der König sprach zu den Grossen des Hofs: »Es sei alles bereit, vergesst mir nichts — Elefanten und Rosse, die tapfern Mannen!« Der Sterne Glanz war noch nicht erloschen, Da wurden wieder geschlagen die Gong; Sie erklangen laut im Wechselton, Die Mannen erhoben sich frohen Mutes. Sie setzten sich auf die schimmernden Helme; Sie hielten entblösst die blinkenden Schwerter; So umritten sie ihren hohen Gebieter. Die Fahnen flatterten an der Spitze, Es trug sie die Hand der tapfern Führer, Lanzen und Schilde wurden geschwungen, Es war wie eine wandelnde Veste; Sie verdunkelten fast den Glanz des Mondes; Es lärmte, es toste, wer will’s beschreiben! So zogen sie aus durch die Tore der Stadt. V. 354 f. Mitteleuropäische Truppen können den Weg von Sarajevo bis Temesvar mit Eilmärschen in 8 bis in 11 Tagen zurücklegen, und dazu noch zu Fuss. Das unsterblich gewordene Heldenheer der Griechen von Larissa und Pharsalus hätte in bewährten Rückzugmärschen wahrscheinlich nur vier Tage dazu benötigt. Die abendländischen Zeitungschreiber und Politiker wundern sich nicht wenig, dass die Türken die Verfolgung der flüchtenden Griechen nicht betrieben und ihre leichten Siege nicht ausnützten. Die Erklärung hierfür bietet der türkische Arméebrauch dar. Die Märsche der Türken sind und waren im allgemeinen nicht gross, ein Umstand, den die Stärke ihrer Heere, besonders aber der unendliche Tross und das endlose Gepäck genugsam erläutern. In grösserer Entfernung vom Feinde marschierten die Türken in mehreren Staffeln nach Bequemlichkeit, in der Nähe des Feindes aber gedrängt mit einer starken Avantgarde, über die hinaus noch die Tataren und Bošnjaken — im Kriege gegen die Griechen unserer Tage, die Albanesen — vorgingen. — Darum jammert Fähnrich Ibro hier über die 77 Tagereisen, oder, wie man bei uns sagt, über den Weg, der eine halbe Ewigkeit dauert. V. 368. Odobaša, Hauptmann. Vrgl. Hammer III. 394, V. 469, VII. 351, VIII. 67. V. 379. ćehra ist die schimpfliche »Dalke« über den Schädel, dass dem Empfänger die Kopfbedeckung herabfliegt. Eine ordentliche ‘Watschen’ über die Wange heisst dem Türken sille; šamar ist die Flasche übers ganze Gesicht, latmet und tokat die gewöhnliche Ohrfeige. Eine Ohrfeige entehrt den Mann und er muss sie durch Tötung des Beschimpfers rächen. V. 376–415. Dazu bemerkt Kopernicki am Rande: Śliczna pieśú wojenna! Nieznana w calej literaturze ludowej serbskiej! — (Ein wunderbar schönes Krieglied! Unerhört in der gesamten serbischen Volkliteratur!) Bis einmal meine Sammlung von 300 Epen vorliegt, wird man sich überzeugen, dass ähnliche und noch schwungvollere Episoden bei den moslimischen Guslaren nur zu deren poetischem Kleingeld gehören. — Wer nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hat, kann leicht singen, selbst in schlimmer Lage: cantabit vacuus coram latrone viator. Das Lied klingt wahrhaftig wundersam anheimelnd, wie in der Stille der Nacht aus Džungeln das Gebrüll beutewitternder Panther. Die Begeisterung für fremdes Eigentum (der Chrowotismus) ist mir unter allen Umständen ein Greuel. V. 397. Kazam mata kaurskoga posta! Da liegt einer der schnurrigsten Deutungfehler vor, die mir je untergekommen. Der Magyare pflegt bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit sein baszsam atta anzubringen, das dem französischen je foudre und dem serbischen jebem ti wörtlich entspricht. Der slavische Moslim, der gewohnt ist, ebenso schnell zu schwören, ‘dina mi i anama’ (beim Gesetz und Glauben!) oder ‘posta mi ramazana!’ (bei meinem Fasten Ramazân) missdeutete die magyarische lästerliche Redensart und hielt sie für das grosse Fasten der Ungläubigen, bei dessen Heiligkeit sie schwören. V. 499 f. Die Bošnjaken lagerten vor dem Heere als äusserster Posten als »verlorene Schar«. V. 512 f. Džanum gehört nicht dem Generalstabe an und sitzt darum nicht im Kriegrate. V. 611. Džanun kein Druckfehler. Der Guslar gebraucht rein willkürlich die verschiedenen Formen desselben Namens. V. 651 f. ‘Sie setzten sofort das blutige Reisfleisch an, sie assen zu Nacht blutiges Reisfleisch’. Kopernicki frägt an dieser Stelle: Co to? jakieś czary wojenne? (Was ist das? Was sind dies für kriegerische Zaubereien?) In der Fassung der Frage zeigt sich schon der kundige Volkforscher. Die Leute setzten gar kein blutiges Reisfleisch zu und noch weniger verstanden sie sich dazu, Blut zu essen. Das Fleisch der geschächteten Tiere muss zuerst entblutet werden, um koscher zu sein. Angesichts des Todes liesse sich ein Moslim schon gar nicht herbei, trefo zu sich zu nehmen. Eine Stelle in einem Guslarenliede, die wegen ihrer Länge hier ausfällt, gibt Aufschluss. Die Krieger bestrichen sich die Hände und das Antlitz mit Blut, bevor sie auf Leben und Tod in den Kampf stürmten. Ihr Aussehen war dann wohl darnach, den Feind mit Furcht und Entsetzen zu erfüllen. V. 660. Vorangehen muss unbedingt der V. 661, doch der Guslar versteht nicht, was šarka feleć bedeutet. Der gleiche Vers in meinem Smailagić Meho (Ragusa 1885, Vers 1816). Čarch, pers. Kreis, Rad, felek Himmel, Himmelgewölbe. Ich befragte während meiner Reise wohl zehn Edelleute und türkische Schriftgelehrte, was č. f. bedeute; sie wussten es nicht. Hauptmann Carl Gröber (weiland), der unter dem Titel ‘Mehmeds Brautfahrt’ (Wien 1890) eine Verdeutschung meines Werkchens veröffentlichte, übersetzte die Zeile (S. 106) kühnlich mit: ‘Mit den Händen brechen sie die Barrikaden’. Von solch einer übermenschlichen Kraftleistung kann hier gar keine Rede sein. — Die beiden Worte fehlen noch in dem südslav. Wörterbuch. — Dass unter čarak das Schloss an der Büchse zu verstehen ist, lehren Stellen bei Vrčević (Nar. prip. i presude, S. 211 und 285): napinji ja njegovoj pušci čarak a on mojoj. Ne znam ni sam, kako mi se omače vuk z gornjega zuba te puška upali. In der Anm. erklärt Vrčević: gornja strana ot čarka, gje je krem ot puške, koji stoji nat prašnikom te se napinje i spuštava. Er hat demnach ein Steinschlossgewehr vor Augen, das ist aber in unserem Liede nicht gemeint. Näher bringt uns zur Auffindung der wahren Bedeutung eine Stelle in den bulgar. Liedern der Sammlung des Kačanovskij (S. 502, Nr. 200, V. 210): go bie s mahmuz čarklija. K. erklärt č.: ‘kolka v šporah’. Also sind die kreisrunden Sporen, mit denen der Reiter sein Ross in die Weichen sticht. Die Rundung weist auf eine Feder hin, also auf das Radschloss, das deutsche Schloss, eine Nürnberger Erfindung aus dem J. 1515 oder 1517. Gute Abbildungen sind allgemein zugänglich durch Pierers und Meyers bekannte Konversationlexika (unter den Schlagworten). Die Zündung war beim Radschloss sicherer als bei den anderen Büchsen damaliger Zeit, aber das Schloss komplizierter, bei Verlust des Schlüssels war die Waffe unbrauchbar, und sie gewann daher nur Eingang bei der Kavallerie und für die 1545 erfundenen Pistolen, mit denen die Pikeniere des zweiten Gliedes in den gevierten Reihen des 16. Jahrh. bewaffnet wurden. Die türkische Reiterei war gewohnt nach Abfeuerung ihrer Büchsen die Säbel zu ergreifen und damit dem Feinde entgegenzustürmen. Im Handgemenge wären ihnen die schweren Büchsen hinderlich gewesen, darum warfen sie sie nach Abfeuerung des Schusses weg, doch nicht, ohne vorher die Feder des Radschlosses mit einem festen Handgriff zu zerbrechen und dadurch die Waffe unbrauchbar bis zur Wiederherstellung der Feder zu machen. V. 674. Unter den eintönigen Rufen Allah! Allah! rücken auch jetzt die Türken in den Kampf vor. Die übliche, stereotype Anfeuerung der Moslimen zum Sturm lautet: juriš braćo, moja družbo draga! dženetu se otvoriše vrata. Blago onom svakome junaku, koj pogine danas na mejdanu! Poljeteše nis polje hurije, one lete jagmiti šehite! Auf! Brüder, stürmt, o meine teuere Rottschaft! Aufschliessen sich des Paradieses Pforten. Jewedem Helden Heil und Preis zu Teil, der heut sein Leben auf der Wahlstatt lässt! Dahin die Huris übers Schlachtfeld fliegen, dahin sie fliegen, Leichen aufzufangen! V. 690. ‘Es blitzt, es giesst, und Blut wird vergossen’. ‘Es giesst’, was denn?! Es ist sinnlos, wenn auch die Zeile stereotyp geworden ist. Der Assonanz zu Liebe erlaubt sich der Guslar dergleichen. Korrekt muss die Zeile lauten: grmi, sjèva etc. ‘es donnert, es blitzt’, wie sie sich z. B. im Uzdarje S. 85, V. 211 erhalten hat. V. 754. Die Vila ist natürlich die Wahlschwester des grossen Helden Köprülü, die ihn sorgsam vor einem übereilten dummen Streiche warnen muss. V. 778. Zu povrvlji setzte Kopernicki ein Fragezeichen. Mit Unrecht. Ein einzelner Mann kann freilich nicht dahergewimmelt kommen, doch der Guslar sieht den Köprülü im Gewimmel vom Gefolge dahereilen. Er erblickt nur die Hauptperson im wimmelnden Gedränge, für ihn »wimmelt« also der eine daher. V. 849 ff. Dank- und Ersatzopfer für das glückliche Gelingen der Unternehmung und die Errettung der von den feindlichen Kugeln und Hieben verschont gebliebenen Helden. Wegen der Menge des verfügbaren Stoffes muss ich hier von einer Darlegung der moslimischen Opfergebräuche zu Kriegzeiten Abstand nehmen. V. 868. Nuširvan; Chósroës Nuširvân (der Gerechte) der Grosse, persischer König aus dem Sassanidengeschlechte, regierte 531–579, führte Kriege gegen Byzanz seit 540 und dehnte in einem in Kolchis 549–561 geführten Kriege seine Herrschaft bis ans schwarze Meer aus. Sultan Ibrahim zeigte den Vezieren und Beglerbegen die erbeutete ungarische Krone als die Nuširvâns vor. Suleiman I. stellte sie gleichfalls so aus, übergab sie Peter Pereny und sandte sie an Zapolja ab. Nach der Meinung osmanischer Geschichtschreiber und Diplomaten vererbt sich diese Sassanidenkrone in der römischen Kaiserlinie. (Vrgl. Hammer VIII. 320). Selbst der Guslar weiss von dieser Mähr zu singen und zu sagen. V. 894. timarli berat, Verleihungdiplome für Reiter, f. Lehengüter. Die Pašen konnten Lehen weder vergeben noch einem eines entziehen. Dies behielt sich die Pforte vor. (Vrgl. Hammer, III. 476, XI. 29 und Salomon an mehreren Stellen). V. 909. inah für inak (inako). Die moslimischen Slaven sprechen, wohl beeinflusst durch arabisch-türkische Spracheindringlinge, das k im Auslaute häufig wie ein tiefgutturales ch aus. Keine Druckfehler sind: V. 78 tachta, 85, 103, 357 preučiše, 86 suzam, 118 muchur, 132 kachriman, 231 Mitroviću, 249 isprid, 294 najboljeme, najgoreme, 312 prekuvaše, 379 okala, 380 ozgara, 404 ne žaliti, 464 si, 527, 530, 598, 630 muchlet; 590 kuhvetu, 664 meder. Rákóczy’s Fall. Es ist dies bloss eine andere Fassung des Liedes von ‘Džanüms Heerzug’, mit besonderer Überschrift der Unterscheidung halber. Der ‘Fall’ erfordert einen Abdruck, weil er uns einen wichtigen Anhalt für einen einzunehmenden Gesichtpunkt bei Beurteilung von Varianten epischer Lieder an die Hand gibt und zugleich einen Einblick mehr in deren Entwicklunggang vermitteln kann. Vor dem Heerzug hat er vor allem eine grössere geschichtliche Treue voraus, steht ihm dagegen an dichterischer Gestaltung und Ausschmückung der Handlung, an Schwung der Darstellung und sprachlicher Formenschönheit im einzelnen nach. Eine Vergleichung beider Stücke nach ihrem Aufbau zeigt trotz nicht unerheblicher Verschiedenheit des Berichtes an mehreren Stellen, offenkundig, dass ihnen ursprünglich nur eine einzige Dichtung eines Guslaren zu Grunde gelegen sein muss. Die Abweichungen sind das Ergebnis der voneinander unabhängig erfolgten Verzweigung in der Überlieferung, die in zwei wohl benachbarten, doch voneinander immerhin etwas verschiedenen Gebieten schon zwei Jahrhunderte bis zu einer endlichen und zufälligen Niederschrift überdauert hat. Wir wissen genau, dass sich die kriegerische Entscheidung, die dem Lied zum Vorwurf dient, im Monate April 1660 abgewickelt hat. Im selben Jahre ist unzweifelhaft unter dem lebhaften Eindruck der Ereignisse auch die Erzählung des Teilnehmers, des ersten Guslaren-Dichters entstanden, die er nach seiner Heimkehr den Volkgenossen zum besten gab. Wie uns die Guslarenlieder lehren, gehören die Sänger vollbrachter Heldentaten gewöhnlich dem Leibgefolge des Anführers an, dessen Ruhm und Ehre der Mit- und Nachwelt verkündet werden musste. Džanüm war ein Bosnier aus Sarajevo und der Guslar dürfte auch ein Bosnier gewesen sein. Stammte er aus dem Herzogtume, würde er es gewiss nicht unterlassen haben, irgend einen herzögischen Rottenhauptmann und dessen Bann im Liede mit zu verherrlichen. Für unseren verschollenen Guslaren gibt es aber kaum dem Namen nach ein Herzogtum! Zwischen den Bosniern und Herzogländern kommt sogar in der epischen Poesie die freundnachbarliche Unverträglichkeit (der blason populaire) ab und zu zum Ausdruck. Im Alltagleben sagt der eine dem andern alles Böse und Lächerliche gerne nach, und im Liede spinnt der Dichter die anerzogene Gehässigkeit durch Verschweigen der Leistungen des geographischen Anrainers weiter fort, wenn er ihn schon in Ehren nicht nennen mag. Den »Heerzug« griff ich im Herzogtum vom Guslaren Halil Marić auf, dessen Lehrmeister in Nikšić daheim war in einer Gegend, die jetzt zu Montenegro gehört, der »Fall« rührt aber von einem Guslaren namens Ibrahim Dervišević her, einem Bosnier aus dem Dörfchen Koraj im Savelande (unweit Brčka). Räumlich sind Halil und Ibrahim mehr als tausend Kilometer von einander entfernt und sie standen auch nie miteinander in irgend einem Verkehre. Nicht diese zwei unwissenden Menschen, sondern allein die Lieder können uns einen Aufschluss über die Überlieferung gewähren. Wir haben zwei Fassungen vor uns, von denen jede »gut« ist, wie Guslaren sagen würden. Jede unterlag naturgemäss Veränderungen im Zeitenlaufe, doch die einschneidende Veränderung ging da und dort nicht allein von einem Manne, sondern allmählich von den vielen aus, die Erhalter der Lieder waren. Die Erfahrung lehrte mich erkennen, dass der Empfänger eines Liedes erst mit Kleinigkeiten zu ändern beginnt und sich zumindest selten mit ausgesprochener Absicht Umgestaltungen herausnimmt. Er hat hierin sogar die Kontrolle aus der Mitte der Zuhörerschaft zu beachten. Willkürlich springt er mit dem Stoffe keineswegs um, solange als es Leute in seiner Umgebung gibt, die ihn durch eine Richtigstellung vor den Zuhörern beschämen könnten. Die zweite Fassung (der Fall), die sich der ‘historischen’ Wahrheit mehr nähert, steht auch der ursprünglichen Dichtung näher. Sie ist zwar breit, doch poetisch nicht tief, sie gibt einzelne Beobachtungen richtig wieder, die man im ‘Heerzug’ nicht mehr vorfindet, aber sie erhebt sich in ihrer Ganzheit nicht über die durchschnittliche, handwerkmässige Darstellungweise des moslimischen Guslaren. Der Bosnier, der die im Lande bestehenden politischen Verhältnisse besser als ein Herzogländer inne haben musste, schildert sie dem entsprechend auch besser, wahrheitgemässer. Er weiss wohl, dass der Vali (Gouverneur) zu Travnik sitzt und die erste Persönlichkeit im Lande ist und dass der Stadthauptmann von Sarajevo unbedingt zu dessen Untergebenen zählt. Die Mobilisierungorder kann vom Grossvezier nur an den Vali gelangen, und der allein erteilt im Lande weitere Weisungen aus. Das Bosna-Aufgebot sammelt sich nicht zu Sarajevo, sondern zu Travnik, und nicht Džanan, der Rottenhauptmann, sondern der türkische Oberbefehlhaber ist Herr und Gebieter. So erscheint das Lied letztlich nur als eine mit etwas »orientalischer Phantasie« ausgeschmückte Schilderung eines kühnen, und für die Unternehmer pyrrhisch siegreich abgelaufenen, Handstreiches der bosnischen Avantgarde. Diesem Guslaren stehen die surroundings zu nahe, als dass er sie in volle poetische Beleuchtung stellen und nach Belieben abändern könnte, ohne Anstoss zu erregen. Man darf daraus die Norm ableiten, dass je näher ein Guslarenlied den Ereignissen und dem Ursprungorte steht, desto geringer seine freie poetische Gestaltung sein muss, und nicht nur dies allein, sondern auch desto geringeren Gewinn bietet es uns für die Volkforschung dar. Sobald die historischen Ereignisse zu verblassen und sich zu verflüchtigen anfangen, beginnt erst recht die eigentliche schöpferische Tätigkeit des Volkdichters, tauchen die Nebenerscheinungen des allgemeinen sozialen Milieus kräftiger empor; das Geranke überwuchert den Stamm; der Dichter verherrlicht dann nicht so sehr den historischen Helden als sich und seine Umgebung, das Empfinden, Denken und die Lebensweise des Volkes, für das er singt. Und das Volk findet an dem derart umgestalteten Berichte ein höheres ethisches Genügen, als an einer Erzählung von Heldentaten, deren einstigen Zusammenhang mit politischen Vorkommnissen und deren geschichtliche Folgen es unmöglich ohne langwierigen, schwer beibringlichen Kommentar begreifen könnte. Der Held als historische Person geht in dieser Entwicklung fast unter, er lebt aber mit seinem Namen im Heldentum fort. Er steigt auf zur dichterischen Verleiblichung aller Eigenschaften im guten und schlimmen Sinne, er wird zum Träger der Rechtanschauungen des Volkes, dem er entsprossen, oder genauer, zum Dolmetsch der Gefühle jener gesellschaftlichen Schicht erhoben, die in seiner Gestalt einen so verfeinerten Ahnenkult hegt und an ihm ein der Nacheiferung würdiges Vorbild haben will. Der Guslar wird damit zum Sprecher des Volkes, wenn er sowohl durch die poetisch sinnfällige Schilderung der Ereignisse als auch durch vollständige Beherrschung der überkommenen Darstellungkunst die höchsten Erwartungen seiner Zuhörer zu befriedigen vermag, ohne dabei mit seiner Individualität störend in den Vordergrund der Erzählung zu rücken. Der Unterschied zwischen ihm und einem abendländisch, literarisch gebildeten Ependichter gipfelt weniger in den Formen der Darstellung als darin, dass er in unmittelbarer und ständiger Fühlung mit dem Kreise steht, für den er dichtet, der andere aber erst durch das Buch oder im günstigsten Falle durch Vorträge in eigens hierzu einberufenen Versammlungen, auf unbekannte, ihm fernstehende Leute einen Eindruck gewinnen muss. Der eine singt und sagt aus der lebendigen Überlieferung und dem Gedankenkreise seiner Umgebung heraus, der andere sucht erst einen Kreis für sein persönliches, durch eigenes dichterisches Schauen geschaffene Erzeugnis zu erlangen. Das Lied des Guslaren wirkt ohne jede Staffage allein durch das lebendige Wort auf die Zuhörer unvermittelt ein, wie im Theater auf die Zuschauer ein gutes Volkstück ohne besondere Vorbereitungen, während ein Kunstepos von Wilhelm Jordan oder Julius Wolff gleich D. G. Brintons historischem Drama ‘Maria Candelaria’, dem vortrefflichen Werke eines Gelehrten und gewissenhaft abwägenden Dichters, keine Zuhörermenge, sondern einzelne, einsam weilende, wissenschaftlich gebildete Leser voraussetzt, die es mit Musse und reifer Würdigung der literarischen Leistung geistig durchgeniessen sollen. Der Guslar-Dichter ist an hergebrachte, allgemein bekannte Stoffe gebunden, er »verdichtet« das Vorhandene in feststehende poetische Formen, der Kunstdichter dagegen erkiest und erkürt nach eigenem Ermessen und nach freier Wahl seine Themen und hofft sie erst bekannt und dem Volke der Leser vertraut zu machen. Der Guslar ist in seine Welt gebannt, dem Kunstdichter steht eine Welt offen. Anfangs Dezembers 1884 pries mir zu Tutnjevci mein Freund, der montenegrische Guslar Ilija Milošević, der mir das Lied vom »Ende König Boneparta’s« gesungen, den moslimischen Guslaren Ibrahim Dervišević an. Der arbeite zur Zeit bei Salibegović zu Koraj als Holzfäller. Noch am selben Nachmittag ritt ich im Nebelreissen nach Koraj und suchte den Beg auf, der gerade im Kaffeehause mit seinesgleichen hinbrütete. Unter Kavhana versteht man zu Koraj eine enge, schmierige, lehmverpichte, fensterlose Bude mit einer einzigen, niedrigen Wandbank als Mobiliar, und vor dem Gebäu rinnt breit im trägen Lauf die faulende Jauche aus den auf die Strasse mündenden Aborten und Stallungen dahin. Als die Edelleute mein Anliegen vernahmen, sahen sie einander bedeutungvoll an und wollten mich als einen Unzurechnungfähigen behandeln. Den Beg bestimmte ich dennoch, dass er ohne Verzug Ibrahim aus dem Walde holen liess, im übrigen mochte mir niemand eine Unterkunft gewähren. Ich erbettelte mir aber eine beim jungen serbischen Lehrer im neugebauten Gemeindehaus, die gar nicht schlecht gewesen wäre, hätte ich nur die Ausdünstung der feuchten Wände vertragen. Ich hielt es anderthalb Tage, zudem bei schmaler Kost aus, indess genug lange, um mich mit Ibro gut zu befreunden. Er war damals etwa dreissig Jahre alt, hatte starkes, schwarzes Haar, buschige Augenbrauen und dichten Schnurrbart und war ein Mann in Mittelgrösse. Sein Wesen war offen und sein Benehmen artig, auch begriff er vollkommen, dass es sich verlohne, die Lieder den »Schwaben« bekannt zu machen. Seine Lieder lernte er noch als Knabe in Gastwirtschaften Guslaren zuhörend. Ich empfahl ihn aufs nachdrücklichste meinem Freunde und Jünger Herrn Thomas Dragičević, der ihn später nach Zabrgje bestellte und von ihm am 12. November 1887 das nachfolgende Lied aufzeichnete und diesem nachstehenden Titel gab: Ćuprilić vezir i Rakocija ban ubici kot Temišvara. Prva riječ: »Bože pomozi nam!« eto druga: »Hoće ako Bog da!« Na dobro nam večer omrknula i na bolje jutro osvanulo! Po jutru nam ogrijalo sunce, svaku sreću nama donijelo: mir i zdravlje, od Boga veselje! Što od zdravlja ništa bolje nejma, od veselja ništa ljepše nejma! Dijelilo po družini redom, svakom drugu jedan do drugoga, da ne žali jedan na drugoga! Sad velimo da pjesmu pjevamo! malu pjesmu ot stara zemana, ako bi nas grlo poslušalo! Čini mi se, poslušat me ne će; gusle tanke a grlo debelo, to se dvoje sudarati ne će! Nepriliko ne prijanjaj za me! Sat hoćemo veće zapjevati! Paše dvije zimu zimovaše na Otoci niže Temišvara. Oba ću vam po imen’ kazati, kako su se po imenu zvali: Fazli paša, drugo Seidija. Kat su paše zimu prezimili, ledena ih zima ostavila a toplo ih ljeto prifatilo, stadoše im stigivat mazari. Njima dogje pet stotin mazara od žalosne od Erdelja raje; a što plaču, jest im za nevolju: »Dvije paše, dva oka careva! il ne ćete ili ne vidite, nama nužda ljuta dodijala! »Što durasmo više ne moremo od onoga Rakocije bana! »U narod nam zulum postavijo. Često slazi niz zemlju Erdelja i dovodi plaćene soldate; plijeni nam prebijele ovce a ostavlja janjce od ovaca. »Pothranimo vola za vezanja, sve odgoni Rakocija bane! I to bi se s jadom predurali! Pothranimo momka za ženidbe, ne da nami momka oženiti, vet ga vodi u svoje soldate! »I to bi se s mukom boravili! Kad nam cura buda za udaje, odvede je Rakocija bane pa on ženi plaćene soldate! »Aman paše sirotinjske majke! Jà nam derman, jà nas sijecite jà nas žive u Dunav bacite!« Kad vidiše dvije paše carske, gje je zulum njima dodijao, što govori Fazli paša carski? — »Sehidijo dragi pobratime, de nam piši sitnu buruntiju a na ruke Rakociju banu, nek se progje od Erdelja raje! Kunem mu se pa mu vjeru dajem, ja ću skupit silovitu vojsku, ja ću skupit stotina hiljada sultanove regulane vojske i sa vojskom halkali topove, na Rakoca njemu udariti, zemlju ću mu s vojskom pregaziti, živom mu je vatrom popaliti i stola mu tadaj raskopati! Ako ćede nama pobjegnuti goniću ga kroz zemlju Rusiju do zlatnoga Praga doćerati, tuje ću ga uvatiti živa i njegovoj dokundisat glavi!« Kat to paša začu Seidija on napisa sitnu buruntiju. Obje paše muhur udariše, na nju udriše četiri pečeta. Dovikaše lahka tatarina dadoše mu sitnu buruntiju. Što govori Fazli paša carski? — »Tatarine, konjski dušmanine! jaši konja, ajde u Rakoca, nosi knjigu Rakociji banu!« Kad je tatar knjigu prifatijo na gotova konja napanuo pa s omanu z glavom po svijetu kajno ljeti čela po cvijetu. Temišvarski sandžak prebrodijo, on nastupi u zemlju Erdelja; Erdeljiju zemlju pregazijo na Rakocku zemlju nastupijo. Stade gazit zemlju Rakociju. Kade gradu i Rakocu dogje i banu je knjigu dofatijo. Kad je bane knjigu prifatijo na njoj slomi četiri pečeta. Kad vidijo što mu knjiga piše, knjigu uči, smije se na nju. Pa pobaci sitnu buruntiju a svoje je pero dofatijo, pašama je knjigu načinijo: »Slušajte me dvije paše carske! ne recite da je prijevara! Vidijo sam što ste upisali. Ja se raje prolaziti ne ću. Već vidite što vam knjiga piše. Vi čujete dvije paše carske! Ja ću skupit silovitu vojsku, uzet vojske ot sve sedam cara, i sa mnom će gospoja kraljica! »Silnu ćemo podignuti vojsku, doći ćemo Temišvaru gradu, sprema gradu polju Vučijaku. Na grad ću vam tope nasloniti, srušiti vam grada Temišvara, najdonji mu kamen prevrnuti! »Ako bi mi otlen pobjegnuli, goniću vas prô zemlje turčije, doćerat vas stolu i Stambolu. »Već vi kažte vašemu sultanu, trijebte mi stola i Stambola! Ni tuj vama postojbine nejma, već bježite ćabi i Medini, gje no vam je djedovina stara! »A Stambol je moja djedovina!« Kad im knjigu taku načinijo, tatar mu je knjigu prifatijo, i tatar se natrag povratijo. Kud je išo Temišvaru došo. Kat pašama divan učinijo poteže im knjigu i jaziju. Seidija knjigu prifatijo. Kad na knjizi salomi pečete te vidijo što mu knjiga piše pa se udari rukom po koljenu, Fazli paši knjigu dofatijo. Kad vidijo Fazli paša carski, kad vidijo što mu knjiga piše, stade suze ronit od očiju, Sehidij’ je riječ govorijo: — »Satšto ćemo od života svoga? Nu kurvice Rakocije bana! Indat uzo ot sve sedam kralja i sa njime gospoja kraljica, što je jača od njihe sve sedam! Ko će njihe sadem dočekati? Temišvar će nama prifatiti. mi ne bismo njega ni žalili; otalen će naske okupiti, doćerat nas stolu i Stambolu i našega stola prifatiti, prećerat nas ćabi i Medini, gje no nam je djedovina stara, a Stambol je njima djedovina!« A veli mu paša Sehidija: — »Pobratime Fazli paša carski! da pišemo sitnu buruntiju, da pišemo našemu sultanu. Il će nama pridavati vojske, da čekamo Rakocije bana i da š njima kavgu učinimo, ili ćemo Stambol trijebiti. Nek otkaže šta je njemu drago! Što rekoše to se poslušaše, načiniše sitnu buruntiju a na ruke caru čestitome; otkazuju šta se amo radi; i muhure svoje udariše, i da tuje prijevare nejma. A viknuše lahka tatarina, dadoše mu sitnu buruntiju. Kad je tatar knjigu prifatijo pa je sebi u džepove baci. Sleće tatar u podrume mračne, na gotova zajaha vrančića, pa se maši glavom po svijetu, stade gonit i danom i noćom. Kad on gradu Carigradu sigje, kad dopade caru u sarahe, sultan caru divan učinijo: sagiba se do zemljice crne, pret sultanom zemlju poljubio i pod njime zelenu serdžadu, na serdžadi knjigu ostavio. Kad je sultan knjigu prifatijo, stade učit knjigu i jaziju. Kad vidijo što mu knjiga kaže, i to njemu milo ne bijaše; stade care divan sastavljati; divan kupi za nedelju dana. Kad je care divan sastavijo, sve mu lale stale na divanu, stajaše mu tri bijela dana al divanu ne daje dževaba; još mu nema Ćuprilić vezira. Kat četvrto jutro osvanulo, u tom dogje Ćuprilić vezire; sagiba se do zemljice crne pa pret carom crnu zemlju ljubi, bijeloj mu poletijo ruci: — »Sultan care od istoka sunce! jesi l velik divan sastavijo; sve ti lale stale na divanu al divanu ne daješ dževaba. Po rašta si lale sastavijo? ali dževap al nas isijeci!« Ondar reče sultan lakrdiju: — »Moje lale i moji ridžali!« — Prouči im knjigu i jaziju. Proučiše knjigu avazile. Što govori sultan lakrdiju: — »Sat što ćemo od života svoga? al ćemo mi sakupiti vojsku, da spremimo Temišvaru gradu, dočekamo Rakociju bana i sa njime sedam kraljevina? moremo l se š njima udariti a i rata š njima ratovati il Stambola našeg trijebiti pa bježati ćabi i Medini, gjeno nam je gjedovina stara!« Sve rekoše lale i ridžali: — »Sultan care od istoka sunce! bolje ti je Stambol trijebiti neg se biti su [sve] sedam kralja! Trijebiti stola i Stambola! Ne moremo s’ s vlasim iznijeti! A sve šuti Ćuprilić vezire. Govori mu sultan lakrdiju: — »Lalo prva Ćuprilić vezire, šta mi šutiš a ništa ne veliš? A veli mu Ćuprilić vezire: — »Sultan care iza brda sunce! ako bi me tijo poslušati, da mi dadeš stotinu hiljada, sto hiljada ubojite vojske; da mi dadeš stotinu topova i kumbara čim gradove pališ; da mi hranu i džebanu dadeš! ja ću ići gradu Temišvaru, dočekati Rakociju bana, pa što nami Bog i sreća dade!« Kat to sultan razumi beśjedu, od očiju mu suze polećeše, svog vezira megju oči ljubi i gjeno se sokolovi ljube: — »Aj aferim moja vjerna lalo! evo tebi trista hiljad vojske, i evo ti hrana i džebana i evo ti beljemez topovi i kumbare što gradove palim! Evo ti velike gjemije! I daću ti muhur sahibiju, i ja ću ti hair dovu spremit!« Kad mu dade turali fermana, da mu niko preporeći nejma, a stade mu okupljati vojsku. Kad mu strašnu okupijo vojsku i svoje mu hazne nakupijo, i dade mu velike gjemije, omaši se Ćuprilić vezire i topove u gjemiju vući a i svoju uvoditi vojsku. Kad je svoju okupijo vojsku, i tadaj je pokrenujo vojsku, i sultan mu hair dove sprema i sultan mu šenluk učinijo, a izbaci stotinu topova, kad mu pogje Ćuprilić vezire. I pogjoše lagje po denjizu, ode vezir Temišvaru gradu. Kade vezir Temišvaru dogje u lijepo doba dolazijo po akšamu megju jacijama, pa izbaci iz gjemija vojsku a na vojsku srklet učinijo. Vezir kopa učkat meterize, pot topove oplete košove u košove zemlju navalijo. On navali zemlju i kamena, na koševe navali topove i okrenu velike topove, okrenu ih polju Vučijaku na banovu silovitu vojsku. Do sabaha uhazura vojsku. Kade svanu i ogranu sunce, što govori Ćuprilić vezire? On govori muhur sehibiji: — »Haj hajdemo gradu na bedema!« Uzeše se po bijele ruke, izigjoše na tabiju gornju. Ond’ da vidiš muhur sehibije! gje izvadi srčali durbina, stade sehirit Rakocinu vojsku. Kade vojsku vigje ubojitu on s udara rukam po koljenma a govori Ćuprilić veziru: — »Lalo carska Ćuprilić vezire! mi nemamo sprama njihe vojske, ne meremo bojem ratovati! Da pišemo našemu sultanu, da nam spremi još poviše vojske!« Ćupriliću milo ne bijaše, al mu druga biti ne mogaše. Pa sigjoše polju Temišvarskom pa śjedoše pot čadora svoga, stadoše se o tom razgovarat. Što govori Ćuprilić vezire? — »Lalo carska muhur sehibija! sramota je javljati sultanu da nam višu navaljuje vojsku; nijesmo se jošte ni pobili! Deder piši sitnu buruntiju, da spremimo Bosni ponositoj mome bratu hodži Ćupriliću: nek nam skupi dvanaest hiljada dvanajst hiljad ubojna Bošnjaka. Nek pošalje gradu Temišvaru! Bošnjaci su ubojni junaci, a da š njima tamo udarimo!« To rekoše pa se poslušaše, načiniše turali fermana i carev su muhur pritisnuli i na njega pečat udariše, dadoše ga lahku tatarinu. Ode tatar zemljom po svijetu. Kade Bosni i Travniku dogje, ondar tatar divan učinijo. Kad je hodža ferman prifatijo i vidijo šta mu ferman piše, odma vezir ferman pobacijo, stade gradit sitne bujruntije, da je šalje šeher Sarajevu na koljeno Džanan buljibaše. Kako mu je knjigu napisao? »E Džanane prvi buljibaša! eto knjige vidi i jazije. Pokupi mi šest hiljada, sve Bošnjaka ubojna junaka. »Po izboru pokupi junake! Nemoj kupit staro i nejako, nemoj kupit skoro oženjeno, nemoj kupit jedinjka u majke! Žalosne su suze materine, da ne plače za jednijem sinom. »Šest hiljada ja ću sakupiti pa ćeš ’s naći sa mnom u Travniku. Tuje ćemo sastaviti vojsku pa otalen gradu Temišvaru!« Bujruntiju dade tatarinu: — »Nosi knjigu šeher Sarajevu!« Kad je tatar knjigu prifatijo na gotova napade paripa, pravo šeher ode Sarajevu. Kade tatar Sarajevu dogje tankoj kuli Džane buljubaše i Džananu preda bujruntiju. Kad rasklopi Džanan bujruntiju, Džanan vidje što mu knjiga kaže. To je Džani vrlo milo bilo pa od zemlje na noge skočijo. On prifati dvije puške male a dovati halajli barjaka pa izigje Džano u čaršiju pred džamiju ali pred begovu. Pobi barjak pred džamijom tuje, — tu se uvjek okupljaše vojska, — a povadi dvije puške male, okrenu ih nebu pod oblake, puškama je vatru dofatijo. Haber daje po bijelu gradu. I Džano se natrag povratijo. Stade Džano sebe opremati, opremati sebe i paripa. Oprema se tri bijela dana ko što valja na carevu vojsku. Kat četvrto jutro osvanulo on sigura sebe i paripa pa izigje Džano pred džamiju. Kade mu se vojska sastanula, skupili se Bošnjaci junaci samo nejma Fazlagića mlada što mu barjak nosi pred ordijom. Malo vreme al za dugo nije pomoli se Fazlagiću Ibro na doratu sav u čistu zlatu. Kako dogje njima selam viknu, Bošnjaci mu selam prifatiše. Prokrivi se Džanan buljubaša: — »Fazlagiću prifaćaj barjaka, da mi našu pokrenemo vojsku!« Junak mu se na to nasmijao! pa odjaha od dorata svoga pa prifati turski avdes na se. Dva ričata klanja u džamiji. Ondar momak do barjaka pade i barjaku dohu proučijo, tri puta mu sačak poljubijo pa ga jami u bijele ruke, »Jala!« reče, pade na dorata a zavika Džanan buljubašu: — »Hajde Džano za mnom na doratu!« Mili Bože čuda velikoga! Nekom plače ostarela majka a nekomu premilosna seka a nekome vjerenika ljuba! Kad pogjoše Sarajlije mlade na atmejdan prvi udariše, dok povika Džanan buljubaša: — »De pjevajte Sarajlije mlade, sve pjevajte i puške mećite!« Al zaludu, fajde ne imade, nit ko pjeva niti puške meće. Opet viknu Džano buljubaša: — »Fazlagiću haran barjaktare! je li gajret jednom zapjevati. Veseli mi Bošnjake junake!« Kat to začu Fazlagiću Ibro on izdiže tanko glasovito. Kako pjeva, kako pjesmu kaže? — »Ostaj z Bogom Bosno kalovita i u Bosni naše tanke kule! Naše majke i vi ne plačite, ne plačite, naske zaboravte! Naše ljube, vi se udajite, udajite, naske ne čekajte! Naše seke, vi se udajite! Mi ćemo se amo iženiti u bijelu Temišvaru gradu crnom zemljom i zelenom travom!« Kad Fazlagić tako zapjevao, ondar viknu Džano buljubaša: — »Fazlagiću, od Boga ti teško! šta uradi, ako Boga znadeš! Jer mi kachriš Bošnjake junake?« Kat se Džano vidje na nevolji on zapjeva tanko glasovito: — »Z Bogom ostaj Bosno ponosita i u Bosni naše tanke kule, na kulama ostarele majke! Naše majke, za nam ne plačite! Naše seke, vi se udajite, udajite pa se udomite! Naše ljube, vi se ne udajte! Mi ćemo se natrag povratiti, zadobiti ćara i šićara. Voma su nam opanule kule, da mi naše prekrijemo kule!« Kad zapjeva Džano buljubaša, razveseli Bošnjake junake a stadoše pjevati Bošnjaci, pjevati i puške bacati. I odoše poljem širokijem; sarajevsko polje pogaziše, primiše se brda i planina. Kad dogjoše bijelu Travniku, dočeka ih travnički vezire, a Džanana za ruku jamijo i za njime Fazlagića mlada. Odvede ih sebi na konake. I tuje im vojsku namjestijo. Kad noćiše i lijepo im bilo. Kade svanu i ogrija sunce ondar viknu travnički vezire: — »Lalo carska, Džanan buljibaša! Doveo si šest hiljada vojske, šest hiljada ja sam sastavijo. Predajem ti sve dvanest hiljada!« — pa dade mu tain i džabanu — — »Njihe vodi Temišvaru gradu mome bratu Ćuprilić veziru!« Predade mu sitnu bujruntiju, u njoj piše dvanes hiljad vojske. Sve zdravije Džani teslimijo. Kade Džano uze bujruntiju, ondar gjipi Džanan buljibaša a za njime Fazlagiću Ibro. Što govori Džano buljibaša? — »Fazlagiću prifaćaj bajraka, nosi bajrak pred dvanest hiljada!« Kad Fazlagić bajrak prifatijo, seizi im konje dovatiše, z dobrijem se konjma sastaviše. Najprvi je Džanan buljibaša a za njime Fazlagiću Ibro; pokrenuše sitnijem sokakom. Fazlagića bajrak poklopijo s obje strane do zelene trave a jamaka kite od bajraka. Gledaju ih travničke djevojke, sve gledaju Bošnjake junake, ponajviše Fazlagića mlada. Fazlagić je junak na junačstvu i momak je pristo na očima. A stadoše cure dovikivat, dovikivat svaka svoje majke: — »Vidi majko Fazlagića mlada! Blago majci, koja ga j rodila! Lijep ti je, vesela mu majka!« A stare im govorahu majke: — »Šut’te ćeri, zamuknule mukom! Fazlagić je soja od uroka, urećete Fazlagića mlada! Nema majka već njega jednoga; ostaće mu samohrana majka!« Izidoše is Travnika grada, osehiri jih mlado i veliko. Travničko su polje pregazili, primiše se brda i planina. Brdima su stali putovati, dan po danak, konak po konak, najpošljedni konak učiniše u planini na vrh Vučijaka. Kad Bošnjaci noćcu zanoćiše, tavne noći tri sahata bilo dok im stiže laki tatarine i Džananu dade bujruntiju. Kad je Džano knjigu prifatijo, knjigu uči i smije se na nju. Piso mu je Ćuprilić vezire: »Carska lalo Džanan buljubaša! Kad mi sutra Temišvaru dogješ, tembi podaj brate Bošnjacima. Kad budete spram čadora moga nek nagoni jedan na drugoga, nek nagone na te i dorata, tebi suju i oca i majku. A mi ćemo gledat is čadora. Valjaće ti brate za pošljetka!« Kad je Džano knjigu pregledao ondar svanu i ogranu sunce. Ope Džano podignuo vojsku, Bošnjacima tembi učinijo: — »Saćemo mi Temišvaru sići sprem čadora Ćuprilić vezira i njegova muhur sehibije. Uźljutite pot sobom paripe, nagonite jedan na drugoga a sve sujte i oca i majku pa i na me konje nagonite, sujte mene i oca i majku!« Pa to reče, otište paripa, za njim igju Bošnjaci junaci. Kad dogjoše gradu Temišvaru us široko polje temišvarsko upaziše vojsku sultanovu, Bošnjaci se ljuto pomamiše a pot sobom konje razigraše, potegoše oštre alamanke. Sve nagoni jedan na drugoga, sve se ljuti jedan na drugoga, i na Džanu konje nagonjahu a i oštre sablje potezahu, njemu suju i oca i majku. Džano šuti, ništa ne govori. Sve to gleda muhur sehibija i sa njime Ćuprilić vezire. Što govori muhur sehibija? — »Eno tvoji Bošnjaci junaci! Junačstva ga ni vidjeli nisu, već ono su ćesedžije teške!« Džano svoju ustavijo vojsku, eto njega muhur sehibiji i sa njime Ćuprilić veziru; sa Džanom je Fazlagiću Ibro. Kako došli, turski selam vikli. Ondar reče muhur sehibija: — »O Džanane, haran barjaktare! kake si ti doveo Bošnjake? Nisu ono Bošnjaci junaci već su ono teške ćesedžije!« Govori mu Džanan buljibaša: — »Carska lalo muhur sehibija! Bošnjaci su veliki junaci! Kat su pošli na carevu vojsku, svaki prodo niže kule luke pa bacili u džepove blaga. Dok bijaše blaga u džepovma, bjehu rahat Bošnjaci junaci. Kako ne sta u džepovma blaga Još ti ne znaš hadet Bošnjacima. Stog se ljuti jedan na drugoga, a nagoni jedan na drugoga!« Kat to začu muhur sehibija dade njemu thain i džabanu, u polju mu namjesti čadore a dade mu tri tovara blaga: — »Nosi Džano, podijeli vojsci!« Kad im Džano blago izdijeli sve dva a dva Bošnjaci pjevaju. Ode Džano pot čadora svoga te gospocku večer večerao. Kade noći dva sahata bilo onda usta Džanan buljubaša. Eto njega Ćuprilić veziru i sa njime muhur sahibiji. Kako dogje turski selam viknu, i oni mu selam prifatiše, kot sebe mu mjesto načiniše, bojali mu čibuk zapališe, kachvedžije kachvu dovatiše. Ondar reče muhur sehibija: — »Carska lalo Džanan buljubaša! Kako ćemo njima udariti? mlogo vlaha a malo turaka! Sat što ćemo od života svoga?« Onda reče Džano buljubaša: — »Ne ludujte dva vezira carska! sutra petak, presutra subota, rok nedjelja, mejdan ponedjeljnik, u utornik da kukaju majke. Šta ste meni odma kidisali? dok odmorim silovitu vojsku!« Pa to reče, na noge gjipijo. Ode Džano pot čadora svoga, dočeka ga Fazlagiću Ibro. Ovako je Džani govorijo: — »Šta si tamo brate učinijo? Hoćemo li vlasim udariti?« A veli mu Džano buljubaša: — »Luda glavo Fazlagiću Ibro! ja sam vako vezirima kazo: ’sutra petak, presutra subota, rok nedjelja, mejdan ponedjeljak, u utorak da kukaju majke!’ Što govori Fazlagiću Ibro? — »A jà bome Džano buljubaša, tuje nema nikakva dobitka, pametan se pogodijo nisi! Zar ti ne znaš proklete Bošnjake? kad predane tri bijela dana nikakav ti pare ne valjade, nit ćemo mi moći zadobiti! Vet ako ćeš mene poslušati, turski će nam petak osvanuti, džematile svi sabah klanjati, klanjati i Bogu se moliti. Podne ćemo klanjat džematile a ot podne čekat ićindije, ićindiju klanjat džematile pa s avdestom čekati akšama, pa i akšam klanjat džematile, od akšama klanjati jaciju, po noći se na noge dignuti. Nek ne znaju dva vezira carska! Pa ćemo se onda halaliti, halatiti pa se iźljubiti, za grijehe svoje oprostiti, Rakociji noći udariti i sa naše dvanajst hiljad vojske. Ne treba nam sultanova vojska!« To rekoše pa se poslušaše, u subotu da kukaju majke! I tuj tavnu noćcu boraviše. Kade svanu i ogrija sunce, petak im je danak osvanuo. Džematile sabah su klanjali i podne su džematile klanjali. Iza toga ićindija dogje, džematile ićindiju klanjaše, i u tome akšam pričekaše, džematile akšam su klanjali. Dva sahata noći prolazila, vet je vakat jaciju klanjati. Džematile klanjaše jaciju pa otalen na noge gjipiše. Svi se oni izgrliše tuje, izgrliše pa se iźljubiše, za grijehe svoje oprostiše. Dobrije se dofatiše konja, svi Bošnjaci konje pojahaše. Jà što reče Džano buljubaša? — »Fazlagiću, vesela ti majka! deder uzmi alajli bajraka pa mi prvi hajde pred Bošnjacim, za tobom će Džano buljubaša. Gje pogine jedan — obojica, gje dobije jedan — obojica!« Okrenu se Džano buljubaša: — »Vi Bošnjaci, na glasu junaci! ne gledajte jedan na drugoga! ne krijte se jedan za drugoga! ne ostajte jedan od drugoga! Mi po jednu pušku izbaciti, halaknuti, Boga spomenuti, za oštre se sablje privatiti, na Rakoca juriš učiniti! Zavičite iz grla bijela: ’Ala, ala, Bogu milom hfala! dženecka se otvoriše vrata!’ Ko pogine, kuća će mu znati, ko ostane, čestit do vijeka!« To rekoše, konje otiskoše. Najprvi je Fazlagiću Ibro a za njime Džano buljibaša. Lahko, lahko Vučijaku došli. Kad dogjoše polju Vučijaku prokrivi se Fazlagiću Ibro: — »Gje si bolan Rakocija bane? udriše ti Bošnjaci junaci, udariše su četiri strane!« Pa to reče, puške izbacijo a pripuče dvanajest hiljada, dadoše mu strahost u ordiju. A Rakoc ih dobro dočekao, na živu ih vatru navalijo! Tuje im je loša sreća bila, tuj mrtvije Džani ostanulo, šest hiljada mrtvije ostaviše, šest hiljada pogibe Bošnjaka! Šest hiljada pogje u naprijed. Halaknuše, Boga spomenuše, potiskoše Rakociju bana, potiskoše njega u naprijed! Kad ranjena udarila vojska, tavna noćca karamlušna voma a stadoše vikati soldati: — »Veliko nas opkoliše turci!« i megju se kavgu zametnuše! A Bošnjaci ljuti pritužiše pa megju se sile zavadiše a oštre se sablje potegoše! Noćca tamna karamlučna voma, tama pada od neba do tala, niko nikog poznati ne mere do sabaha i zorice rane! Kad pogleda muhur sehibija pâ govori Ćuprilić veziru: — »Eto tvoji Bošnjaci junaci! nigdi nikog pot čadorim nema! Nakupiše blaga sultanova, pobjegoše natrag us planinu!« Kat to začu Ćuprilić vezire, Bogami mu milo ne bijaše! Gjipi vezir od zemlje na noge a zajaha hata gjogatasta a sa njime četiri tatara. Eto njihe na vrh Vučijaka, pretražuju traga us planinu, da s nijesu vratili Bošnjaci. Nemajde im traga us planinu, nijesu se vratili Bošnjaci. Kat pogleda Ćuprilić vezire kat pogleda polju Vučijaku, gje je bijo Rakocija bane, nikog tuje živa ne imade. Pa se vrati Ćuprilić vezire pa govori muhur sajibiji: — »Lalo carska, muhur sajibija! nijesu nam pobigli Bošnjaci već po noći njima udarili! Ja sam gleda polju Vučijaku. nigje živa nikog ne imade. Gje je vojska Rakocina bila, ima leša, esaba mu nejma. Ljuto nam je izginula vojska! Bošnjacima da hrahmet predamo! Junaci su pa i izginuli, Sat hoćemo njike pokajati!« Pa pokrenu polju Vučijaku a za njime vojska silovita. Kade vezir na poljanu dogje, gje je bijo Rakocija bane, gje no mu je Džano udarijo, tuj mrtvije palo od Bošnjaka, šest hiljada ostavijo tuje a su šest je njike pokrenijo. Vezir hoda a suze proliva a prevrće leše od Bošnjaka. On ne žali šest hiljad Bošnjaka nego Džane žali buljubaše i sa njime Fazlagića mlada. Sve prevrće a njihe tražaše. Kada vidje, da ih tuje nejma a za njima pokrenijo vojsku. Kut prolazi Ćuprilić vezire, kut prolazi kroz zemlju rusinsku, tu zelena ne poniče trava. Mjesec dana kroz zemlju igjoše, za Bošnjacim igje nazorice. Kad izigje polju Orlovome u kraj polja ustavijo vojsku. Stadoše se vraćati Bošnjaci i stade se iskupljati vojska. Neki vodi savezana živa, neki nosi pośječenu glavu. Šest hiljada iskupi Bošnjaka. Dok evo ti Džane buljubaše! ufatijo sedam kapetana. Njemu vezir stade na salamu, junačko mu čelo poljubijo. Još im nejma Fazlagića mlada. Stade Džano ispitivat vojsku: — »Jeste l vidil’, da je poginuo?« — »Nismo vidil’, da je poginuo nit smo vidil’, da je ostanuo!« Tražiše ga tri bijela dana. Svi mu oni hramet predadoše. Džano pišti kajno ljuta guja: — »Žalosna nam do vijeka majka! gje izgubi Fazlagića svoga, što onakog junaka nejmade!« U riječi koju govorahu pomoli se Fazlagiću Ibro na doratu konju kosnatome. I dobar je šićar zadobijo: ufatijo Rakociju bana i sa njime gospoju kraljicu. Kad ga vidje Džano buljubaša, ja kakav je žalosna mu majka! na njem kada ni haljinke nejma, vatra mu je živa opalila. Njega srete Džano buljubaša i sa njime Ćuprilić vezire, junačko mu čelo poljubiše. Govori mu Ćuprilić vezire: — »Sretan bijo, veleki dobitak, dva si dila dobra ufatijo. Ti ćeš čestit ostat do vijeka!« Oni strašno odmoriše vojsku, odmoriše dva bijela dana, treće jutro podigoše vojsku, pokrenuše gradu Temišvaru. Kat su došli Temišvaru gradu i u polje temišvarsko ravno, dočeka ih muhur sajibija pa im stade turčin na selamu pa junake megju oči ljubi. Što govori muhur sajibija? — »Pobratime Ćuprilić vezire! Doša nam je sultan Temišvaru, sve da daje što za koga bude. Deder vodi Bošnjake junake, neka iśće šta je kome drago!« Ondar da viš Ćuprilić vezira, gje on uze Bošnjake junake! Povede mu Džanan buljubašu i sa njime Fazlagića Ibru. Dovedoše Rakociju bana, dovedoše gospoju kraljicu. Kat sultanu divan učiniše i carev su saček poljubili, pokloni mu Ćuprilić vezire, dva je roba caru poklonijo. Ondar sultan suze prolijeva: — »Moj veziru, moja draga lalo! dobar ste mi pekšeš zadobili i stolicu moju očuvali! Hvala Bogu, lalo, i Bošnjacim!« Stade vikat Džanan buljubašu: »Meni Džano od Bosne junače!« Kade Džanan pret sultana dogje i sa sobom vodi Fazlagića, što im sultan veli lakrdiju? — »Išti Džano što je tebi drago!« A veli mu Džanan buljubaša: — »Sultan care, od istoka sunce! ja ti ništa zaiskati ne ću, evo moga Fazlagića Ibre, neka iśće šta je njemu drago!« Fazlagić mu veli lakrdiju: — »Sultan care, iza brda sunce! hoćeš dati što ću zaiskati?« — »Hoću lalo, očinjeg mi vida!« — »Doveli smo dvanajest hiljada, dvanajst hiljad ubojna Bošnjaka. Ja ti care ništa više ne ću, da mrtvijem dadeš ko živijem. Šest hiljada jesmo ostavili, u svakog je tamo ostanulo nekog ćerca, nekog mila seka; da berate sirotinji dadeš, dvanajst hiljad u Bosnu berata!« Dade sultan, ne reče ni riječi, Fazlagiću timar zijameti, i dade mu beratliju sablju i dade mu od zlata čelenke. Tako dade Džani buljubaši: — »Eto vama od Bosne junaci! nek ste ichja do vijeka svoga a i djeca nakon vaske!« Pa povika Ćuprilić vezira: — »Dijeli im sedam mazgi blaga, neka harče do Bosne ponosne!« Kad Bošnjaci blaga nakupiše, dobrije se konjâ dofatiše, i Bošnjaci konje okrenuše. Sultan im je ferman načinijo: — »Da ste serbes Bosni ponositoj! dobićete mnoge spahiluke, al vam valja djeco vojevati bes promjene po sedam godina kad zatreba vašemu sultanu o svom grošu i hašluku svome!« Oni su mu tako kabulili i na tomu muhure pritisli, i otalen Bosni polaziše. Sultan ode u Stambula svoga a Bošnjaci u Bosnu ponosnu. Kade Džanan Sarajevu dogje pa zapjeva nis sitne sokake: — »Naše ljube čekate li naske? naše majke naske pogledajte! Dosti u nas ćara i šićara. Mi moremo objeliti kule i paripe ječmom nahraniti; koj neženjen more se ženiti! Samo nas se pola iženilo kod bijela grada Temišvara na široku polju Vučijaku crnom zemljom i zelenom travom!« I tuje se veće rastadoše, halališe pa se iźljubiše, i odoše svaki svojoj kuli; ko poginu, da mu kuća znade, ko ostade, čestit do vijeka! To od naske, sreća vam od Boga! nit smo bili niti smo vidjeli, već smo i mi čuli ot starije, a i mi smo vama kazivali. Da nam Bog da svakom po djevojku, meni dvije, da mi krivo nije, jednu kljastu a drugu slijepu, da mi prose pa kući donose, da me hrane i oda zla brane! Sufur. Von Köprülü dem Vezier und dem Fürsten Rákóczy in der Schlacht bei Temesvar. Das erste Wort: »O Gott, gewähr uns Hilfe!« das zweite drauf: »Er wird, so Gott will, helfen!« Zum Guten sei der Abend angedunkelt, zum Bessern tag’ uns an das Morgengrauen. Und nach dem Grau’n erwärm’ uns noch die Sonne; o brächte Glück sie uns von jeder Art: Gesundheit, Ruh’ und heitern Sinn von Gott! Weil nichts doch köstlicher als wie Gesundheit und schöner nichts als heitrer Sinn und Mut! Beteiligt sei ein jeder in dem Kreise, ein jeder Freund, der eine wie der andre, es soll nicht gram der eine sein dem andern! Nun sagen wir, ein Lied wir wollen singen! ein kleines Lied von alter Zeiten Läuften, o wollt’ uns unsre Kehle nur gehorchen! Schier scheint es mir, sie wird mir nicht gehorchen; die Guslen tönen fein, die Kehle rauh, die zwei, die wollen nicht zusammenklingen! O Ungemach, o mach dich nicht an mich an! Nun wollen wir das Lied erklingen lassen! Zwei Paschen überwinterten zum Winter zu Sziget tieferwärts von Temesvar. Ich will euch beide mit dem Namen nennen, wie sie mit Namen zubenannt gewesen: Herr Fazlipascha und Herr Seïdi. Den Winter als die Paschen überwintert, und als der eisige Winter sie verlassen und warme Sommerzeit sich eingefunden, anhuben Klageschriften einzulaufen. Es langten an fünfhundert Klageschriften von Siebenbürgens Raja leidbeladen, und weil sie weint, so weint sie nur vor Wehe: »Zwei Paschas, Ihr des Kaisers Augenpaar! entweder wollt Ihr nicht, noch mögt Ihr sehen, wie uns das wilde Leid zu Last gefallen! Was wir ertrugen, nimmer zu ertragen von Seiten jenes Fürsten Rákóczy! »Er setzt in’s Volk als Satzung ein Erpressung. Oft streift er durch das Land von Siebenbürgen und führt mit sich durch Sold erkaufte Söldner; er raubt uns unsre schneeigweissen Schafe und lässt die Lämmchen ohne Mutterschafe. »Und ziehn wir gross uns einen Ackerochsen, auch den entreisst uns Rákóczy, der Fürst! Selbst dies ertrügen wir mit Ach und Weh! Doch ziehn wir gross den Burschen uns zur Heirat, so lässt er uns den Burschen nicht beweiben, vielmehr, er schleppt ihn fort in seine Soldschar! »Auch dies verschmerzten wir mit bittrem Wehe! Doch reift heran ein Mädchen uns zur Ehe, flugs, schleppt sie fort uns Rákóczy der Fürst und er beweibt mit Lohn erkaufte Söldner! »Erbarmen, Paschas, o Ihr Waisenmütter! entweder helft uns oder merzt uns aus und werft uns lieber lebend in die Donau!« Als nun des Kaisers Paschas zwei erfuhren, wie jenen übern Kopf die Not gewachsen, was sprach für Wort des Kaisers Fazlipascha? — »O Seïdi, mein liebster Herzensbruder, verfass uns wohl ein fein Verhaltungschreiben gerad zu Handen Rákóczy des Fürsten, er lass in Frieden Siebenbürgens Raja. Ich schwör’s ihm und mein Ehrenwort zum Pfand, ich werd’ ein mächtig grosses Heer versammeln, ich werde hunderttausend Mann versammeln an kaiserlichen regulären Truppen und mit dem Truppen all die Ringkanonen, und werde seine Rákóczburg berennen, sein ganz Gebiet mit Truppen überschwemmen, mit Feuer und mit Flammen es verheeren und seine Residenz vom Grund zerstören! Sofern er meint, er werd’ uns doch entrinnen, so werd’ ich ihn durchs Russenland verfolgen und bis zum gold’nen Prag zu Paaren treiben und werd’ ihn dort lebendig fangen ein und werd’ um einen Kopf ihn kürzer machen!« Als dies der Pascha Seïdi vernahm, verfasst’ er wohl ein fein Verhaltungschreiben. Die beiden Paschas drückten drauf ihr Siegel und gaben auf den Brief ein vierfach Petschaft. Sie riefen einen leichten Feldtataren und reichten ihm das fein Verhaltungschreiben. Was spricht zu ihm des Kaisers Fazlipascha? — »O Feldtatar, du Feind von allen Rossen, aufs Ross dich schwing’ und eil’ nach Rákóczburg, und bring den Brief dem Fürsten Rákóczy!« Sobald den Brief der Feldtatar empfangen, so warf er sich aufs Ross, das seiner wartet und zog mit seinem Kopfe durch die Welt, gleichwie die Bien’ im Sommer über Blumen. Er querte durch den Sandžak Temesvar, betrat hierauf das Land von Siebenbürgen, durchschritt das Landgebiet von Siebenbürgen, betrat sodann das Land von Rákóczy. Nun zog er weiter in dem Rákóczyschen. Als er zur Burg und Rákóczy gelangte, da stellt’ er wohl den Brief dem Fürsten zu. Sobald der Fürst das Schreiben übernommen, so brach er auf ihm auf das vierfach Siegel. Als er ersehen, was der Brief ihm meldet, so überlas er ihn und lachte herzlich. Dann warf er weg das fein Verhaltungschreiben und holte mit der Hand sich seine Feder und schrieb den Paschen einen Antwortbrief: »O hört mich, Ihr zwei kaiserliche Paschas! Sagt später nicht, Betrug wär’ unterlaufen! Wohl hab’ ich eure Kritzeleien gelesen. Ich werd’ die Raja nicht in Ruhe lassen. Vielmehr erfahret, was der Brief euch kündet. Vernehmt nun, Ihr zwei kaiserliche Paschas! Ich werd’ ein mächtig grosses Heer versammeln, ein Heer von allen sieben Kaisern borgen, mit mir wird auch die Königin die Frau! »Wir werden ein gewaltig Heer erheben anrücken gegen Temesvar die Festung ins Vučijak-Gefilde gen die Festung. »Die Mörser werd’ ich gen die Festung kehren, zerstören eure Festung Temesvar, werd’ ihr den tiefsten Stein nach oberst stürzen! »Sofern von dorten ihr entrinnen solltet, so werd ich euch durchs Türkenland verfolgen und bis zur Hauptstadt und Istambol jagen. »Macht lieber eurem Sultan solche Meldung, Ihr sollt die Hauptstadt und Istambol säubern! Dort gibt’s für euch kein Hausen und kein Heimen, nur flüchtet gleich zur Kaaba und Medina, wo eurer Väter altes Heimatland! Doch meiner Ahnen Stammsitz ist Istambol!« Nachdem er solch ein Schreiben ausgefertigt, da übernahm den Brief der Hoftatare, und heimwärts kehrte wieder der Tatar. Sein Weg ihn führte grad nach Temesvar. Als er zum Divan vor die Paschas hintrat, da nahm er ’s Schreiben und die Schrift heraus. Das Schreiben übernahm Herr Seïdi. Als er des Briefes Siegellack erbrochen und wohl erfahren, was der Brief ihm bringt, da schlug er mit der Hand sich auf das Knie und gab den Brief an Fazli Pascha weiter. Als Fazli, kaiserlicher Pascha, merkte, als er nun merkte, was der Brief ihm meldet, entstürzten strömend seinen Augen Zähren; dann sprach er solches Wort zu Seïdi: — »Was fangen wir nun an mit unsrem Leben? Na, so ein Hürle, Fürstel Rákóczy! da borgt’ er Hilf’ von allen sieben Herrschern, mit ihm ist auch die Königin, die Fraue, die stärker ist denn alle jene sieben! Wer dürft’ es wagen, sie nun zu erwarten? Sie werden leicht uns Temesvar entwinden, doch würden den Verlust wir noch verwinden; nur wird von hier man weiter uns bedrängen, uns bis zur Hauptstadt und Istambol jagen und unsre Hauptstadt auch uns noch entwinden und uns zur Kaaba und Medina jagen, wo unsrer Väter altes Heimatland, doch ihrer Ahnen Stammsitz ist Istambol!« Darauf bemerkt ihm Pascha Seïdi: — »Wahlbruder Fazli, kaiserlicher Pascha! lass uns ein feines Meldungbriefchen schreiben, lass schreiben uns zu Handen unsres Sultans: entweder anvertraut er uns ein Heer, um Rákóczy den Fürsten zu empfangen, dass einen Tanz mit jenen auf wir führen, wo nicht, so müssen wir Istambol säubern. Er soll verfügen, was ihm mag behagen! Was sie besprochen, führten sie auch aus, verfertigten ein feines Meldungschreiben zu eignen Handen wohl des hehren Kaisers, und meldeten, was hierzuland geschieht; auch drückten ihre Siegel sie aufs Schreiben als zum Beweis, dass kein Betrug dabei. Dann riefen sie den flinken Feldtataren und übergaben ihm das feine Schreiben. Als der Tatar das Schreiben übernommen, da barg er’s wohl in seiner Botentasche und flog hinunter in die dunklen Keller; er schwang sich auf das vorgerüstet Bräunchen und zog mit seinem Haupte durch die Welt, und ritt ohn’ Unterlass bei Tag und Nacht. Als er zur Stadt Istambol hingelangt und vor den Kaiser kam in den Serail so machte vor dem Sultan er den Divan: er beugte sich hinab zur schwarzen Erde und küsste da die Erde vor dem Sultan, dazu den grünen Teppich unterm Sitz, und liess das Schreiben auf dem Teppich liegen. Als nun den Brief zur Hand der Sultan nahm, so fing er an den Schreibebrief zu lesen. Als er ersehn, was ihm der Brief verkündet, da fühlt er sich darüber unbehaglich; der Kaiser hub den Divan an zu sammeln, berief den Divan ein die ganze Woche. Nachdem er so den Divan einberufen, da standen alle Lalen ihm im Divan, sie standen hier drei volle weisse Tage, doch gab er keinerlei Bescheid dem Divan, es fehlte noch der Vezier Köprülü. Als dann der vierte Morgen angebrochen erschien inzwischen Vezier Köprülü, er beugte bis zur schwarzen Erde sich und küsst’ die schwarze Erde vor dem Kaiser, und flog hinzu, die weisse Hand zu küssen: — »O Sultan, Kaiser, Sonne aus dem Osten! hast einen grossen Divan einberufen; erschienen sind zum Divan alle Lalen, doch gibst du keinerlei Bescheid dem Divan. Wozu hast du die Lalen einberufen? Gewähr Bescheid, wo nicht, so hau uns nieder!« Darauf erwidert kurz der Sultan so: — »O meine Lalen und Ridžalen mein!« und nun verlas den Meldungbrief er ihnen. Drauf lasen sie mit lauter Stimm’ das Schreiben. Was hält für Red’ der Sultan jetzt zu ihnen? — »Was fangen wir nun an mit unsrem Leben? Wie? sollen wir versammeln eine Heermacht um sie zur Festung Temesvar zu senden, um Rákóczy den Fürsten zu empfangen und seine Bündner, sieben Königreiche? sind wir im Stand vor ihnen zu bestehen und einen Krieg mit ihnen durchzukämpfen? Wie? sollen wir gar unser Stambol räumen und fort zur Kaaba und Medina flüchten, wo unsrer Väter altes Heimatland?« Da sprachen alle Lalen und Ridžalen: — »O Sultan, Kaiser, Sonne aus dem Osten! es ist dir wohler, Stambol ganz zu räumen als Krieg zu führ’n mit all den sieben Königen! Jetzt gilt’s die Hauptstadt und Istambol räumen! Wir können mit den Christen uns nicht messen!« Fortwährend schweigt der Vezier Köprülü. Der Sultan wandte fragend sich an ihn: — »Mein erster Lala, Vezier Köprülü, was hüllst du dich in Schweigen, sprichst kein Wörtchen?« Darauf zu ihm der Vezier Köprülü: — »O Sultan, Kaiser, Sonne hinter Bergen! o tätst du lieber meinen Rat befolgen und gäbst du mir ein hunderttausend Mannen, ein hunderttausend kampfgewohnter Krieger, und gäbst du mir ein hundert Stück Kanonen dazu Bombarden für die Festungbrände; o gäbst du Proviant und Munition, so zög’ ich gern zur Festung Temesvar, um Rákóczy den Fürsten zu empfangen, und wie’s uns Gott gibt und das Glück gewährt!« Als solches Wort der Sultan tat vernehmen, entströmten seinen Augen hell die Tränen; er küsste seinen Vezier in die Augen, wo sich zu küssen pflegen Falken, Helden: — »Vortrefflich, o du mein getreuer Lala! da hast du dreimal hunderttausend Mannen, da hast auch Proviant und Munition, da hast du gleich auch die Granatkartätschen und die Bombarden für die Festungbrände. Da stehn bereit dir grosse Meergaleeren! Ich gebe dir auch mit den Siegelwahrer, mein heil’ger Segen wird dich auch begleiten!« Nun gab er ihm den Ferman mit dem Namen, dass niemand ihm zuwider reden dürfe, und hub dann an das Heer für ihn zu sammeln. Nachdem er ihm ein furchtbar Heer versammelt und seinen Kammerschatz für ihn gehäuft und grosse Meergaleeren ihm gegeben, da macht sich auf der Vezier Köprülü, und lässt auf die Galeer Kanonen schleppen, befiehlt auch seinem Heer sich einzuschiffen. Nachdem er so ein Heer versammelt hatte, da setzt’ er wohl die Heermacht in Bewegung, der Sultan schenkt’ ihm seinen heil’gen Segen, zu Ehren ihm beging ein Fest der Sultan; er liess aus hundert Stück Kanonen donnern als fort ihm zog der Vezier Köprülü. Die Schiffe stachen in die See hinaus, Der Vezier zog zur Festung Temesvar. Es kam der Vezier an vor Temesvar und langte dorten an zur schönsten Stunde inmitten der Jat-sú’s, nach dem Akšām, und aus den Schiffen aus das Heer er schiffte und gab dem Heer Befehl fürs Lagerschlagen. Aufwerfen liess der Vezier Wälle dreifach, unter Kanonen Rutenkörbe flechten, die Körbe voll mit Schutt und Erde schütten. Darauf aufschütten liess er Erd’ und Steine, Kanonen grosskalibrig auf die Körbe er richtete die grossen Feldkarthaunen, er kehrte sie gen’s Vučijak-Gefilde wohl gen’s gewaltig grosse Heer des Fürsten. Ums Morgengrauen war das Heer geordnet. Beim Tagesanbruch und beim Sonnenaufgang, was sprach für Wort der Vezier Köprülü? Er sprach zum Siegelwahrer diese Worte: — »Lass wohl uns auf die Festungwälle wallen!« Sie fassten an der weissen Hand einander und stiegen auf die ob’re Bastion. Nun solltest du den Siegelwahrer sehen! wie er das Fernrohr mit dem Glas hervorzieht und wie er ’s Heer vom Rákóczy betrachtet. Als er die kampfgewohnte Heermacht sah, schlug mit den Händen sich er auf die Kniee und sprach das Wort zu Vezier Köprülü: — »O Kaiserlala, Vezier Köprülü! wir haben jenem kein entsprechend Heer, wir können uns in offner Schlacht nicht messen! O lass uns lieber unserm Sultan schreiben, er mög’ uns etwas mehr noch Truppen schicken!« Wohl war das Köprülü nicht angenehm, doch fand sich sonst in diesem Fall kein Ausweg. Dann stiegen sie ins Temesvargefilde und setzten unter ihrem Zelt sich nieder und huben an darüber Rat zu halten. Was spricht für Worte Köprülü, der Vezier? — »O kaiserlicher Lala, Siegelwahrer! es wäre Schand, dem Sultan es zu melden, er hätt’ ein grösser Heer uns aufzuladen, zumal wir noch nicht eine Schlacht geschlagen! Geh’, schreib uns eine zierlich feine Meldung, damit wir sie ins stolze Bosna senden an meinen Bruder Hodža Köprülü. Aufbieten soll er uns zwölf tausend Mannen zwölf tausend kampfbewährter Bosnamannen. Er schick’ sie her zur Festung Temesvar! denn Schlachtenkämpfer sind die Bosnahelden; mit ihnen wollen wir den Angriff wagen!« Das sagten sie und folgten solchem Ratschluss, verfassten einen Ferman mit dem Namen und drückten drauf das kaiserliche Siegel und pressten auf den Brief das Siegelpetschaft, und gaben ihn dem flinken Feldtataren. Fort lief der Feldtatar ins weite Land. Als er nach Bosna kam und hin nach Travnik, erschien er vor dem Landesvogt im Divan. Sobald der Hodža diesen Brief erhalten und auch ersehen, was der Ferman kündet, so warf er gleich zur Seite weg den Ferman, fing zierlich an zu schreiben Aufgebote, um sie zur Stadt von Saraj auszusenden wohl auf das Knie des Buljukbascha Džanan. Wie hat er sich im Schreiben ausgesprochen? »O Džanan, Obrist aller Buljukbaschen da nimm den Brief und schau dir an die Schrift. Sechs tausend Mann an Truppen biet mir auf, nur lauter Bosner, kampfbewährter Helden. »Versammle lauter auserwählte Helden! Nur heb’ nicht alte Leut’ und Bürschlein aus, heb auch den jüngst beweibten Mann nicht aus, heb nicht der Mutter einzigen Sohn mir aus! Gar traurig sind die Tränen einer Mutter; es weine keine um den einzigen Sohn. »Sechs tausend Mannen will ich selber sammeln, dann wirst zu mir du stossen her nach Travnik. Wir werden unsre Heermacht hier vereinen, von hier zur Festung Temesvar marschieren!« Er gab den Meldungbrief dem Feldtataren: — »Geh, trag den Brief zur Stadt von Sarajevo!« Sobald als der Tatar den Brief erhalten, schon warf er sich aufs ausgerüstet Ross und zog gerad zur Stadt von Sarajevo. Als der Tatar in Sarajevo ankam vor Džanan Buljukbašas schlanker Warte da übergab er’s Meldungschreiben Džanan. Als Džanan nun den Meldungbrief entfaltet, ersah er, was der Brief für Kunde bringt. Das war Herrn Džanan äusserst lieb zu wissen und hurtig sprang er auf die Füss vom Boden. Nach kleinen zwei Gewehren griff er gleich und nahm zu Handen die Gefolgschaftfahne. Darauf begab sich Džano auf den Markt, vor die Moschee, genannt die Begmoschee. Vor die Moschee da pflanzt er auf die Fahne — hier pflegte sich seit je das Heer zu scharen — und zog hervor die kleinen zwei Gewehre und kehrte sie gen Himmel wolkenwärts und legte Feuer auf die Pulverpfannen. So gab er durch die weisse Stadt die Kunde. Und Džano kehrte wieder heim zurück. Es hub Herr Džano an sich auszurüsten, sich selben auszurüsten und den Renner. Er rüstete sich aus drei weisse Tage wie’s sich geziemt fürs kaiserliche Heer. Sobald der vierte Morgen angetagt, so machte sich er fertig und den Renner, dann ging Herr Džano hin vor die Moschee. Da waren alle Truppen schon versammelt, versammelt hatten sich die Bosnarecken, nur einer fehlt, der junge Fazlagić, der ihm die Fahne trägt dem Heer voran. Nach kurzer Weil, es währte gar nicht lange, da taucht hervor auch Ibro Fazlagić auf braunem Renner, ganz in lautrem Golde. Sobald er kam, so rief ‘Selām!’ er aus, das Bosnavolk entbot ‘Selām!’ entgegen. Es bog sich vor Herr Džanan Buljukbaša: — »O Fazlagić, empfange hier die Fahne, damit wir unser Heer in Marsch versetzen!« Darüber lachte satt sich an der Kämpe und stieg von seinem braunen Renner ab, vollzog vorerst nach Türkenbrauch die Waschung, tat zwei Gebet’ in der Moschee verrichten. Dann holte sich der Fähnrich erst die Fahne und lass herab den Segen für die Fahne, er küsste dreimal ihre Zottelborten, dann nahm er sie in seine weissen Hände, er sprach: »Allâh!« und schwang sich auf den Braunen und rief dem Džanan Buljukbascha zu: — »O Džano, folg mir auf dem braunen Renner!« O liebster Gott, o welch ein Wunder mächtig! Um manchen weint die hochbetagte Mutter um manchen weint die herzgeliebte Schwester, um manchen weint das treue Eh’gemahl! So zogen fort die jungen Sarajmannen und schlugen ein zum ersten Atmejdân, als Džanan Buljukbaschas Ruf erscholl: — »Ei singt ein Lied, Ihr jungen Sarajmannen, singt fort und fort, entladet die Gewehre!« Er ruft umsonst, es will ihm gar nicht frommen, denn weder singt noch schiesst aus Flinten einer. Und wiedrum rief Herr Džanan Buljukbascha: — »O Fazlagić, mein trauter Bannerträger! Hast du nicht Lust, ein Liedchen anzustimmen? erweck mir frohen Mut im Bosnavolk!« Sobald dies Ibro Fazlagić vernommen, so liess er seine Stimme hoch ertönen. Was singt er nun und wie erklingt sein Lied? — »O bleib mit Gott du kotig Bosnaland und unsre schlanken Warten rings im Land! O unsre Mütter, sparet eure Tränen, o spart die Tränen, sucht uns zu vergessen! O unsre Frauen, sucht euch andre Gatten, wohl andre Gatten, harret unsrer nicht! O unsre Schwesterchen, geht Ehen ein! Wir aber werden uns schon dort beweiben in jener weissen Festung Temesvar mit schwarzem Erdreich und mit grünem Rasen!« Als Fazlagić ein solches Lied gesungen, da rief Herr Džanan Buljukbascha aus: — »O Fazlagić, so soll dich Gott beschweren! was tatst du da, so Gott dir helfen mag! warum betrübst du meine Bosna-Helden?« Als Džano hier sich in Bedrängnis sah, so fing er hell und schmetternd an zu singen: — »O bleib mit Gott du stolzes Bosnaland, im Bosnaland auch unsre schlanken Warten und auf den Warten unsre alten Mütter! O Mütter, unsretwegen spart die Tränen! O unsre Schwestern, sucht euch selber Gatten, sucht selber Gatten euch, versorgt euch selber! Doch unsre Frau’n, Ihr braucht nicht andre Männer! Wir werden wieder in die Heimat kehren, erringen reichen Raub und grosse Beute. Es sind uns unsre Warten stark verfallen, wir wollen unsre Warten überdachen!« Als Džanan Buljukbaschas Lied erklungen war froher Mut ins Bosnavolk gedrungen; die Bosnahelden fingen an zu singen, zu singen und die Flinten zu entladen. Und übers weite Feld sie weiter zogen; sie überschritten das Gefild von Saraj und drangen in die Berge vor und Alpen. Als sie ins weisse Travnik hingelangt, empfing sie hier der Travnikaër Vezier; er fasste Džanan an der weissen Hand an und gleich nach ihm den jungen Fazlagić. Er führte sie zu sich ins Staatsgebäu, auch unterbracht’ er dort noch ihre Truppen. Hier war die Herberg und sie hatten’s herrlich. Ums Morgengrauen, als die Sonne aufstieg, da rief der Travnikaër Vezier aus: — »O Kaiserlala, Džanan Buljukbascha! sechs tausend Mannen brachtest du herbei, sechs tausend hab’ ich selber aufgesammelt. Zwölf volle tausend übergeb’ ich dir!« — und gab ihm Proviant und Munition — — »geleit sie hin zur Festung Temesvar, zu meinem Bruder Vezier Köprülü!« Er gab ihm einen feinen Meldungbrief, vermerkte drin zwölf tausend Mann an Truppen und übergab die strammen Mannen Džanan. Nachdem die Meldung Džanan übernommen, hei, sprang Herr Džanan Buljukbascha auf und gleich nach ihm auch Ibro Fazlagić. Was spricht für Wort Herr Džanan Buljukbascha? — »O Fazlagić, du nimm zur Hand das Banner und trag das Banner vor dem Heer voran!« Als Fazlagić den Bannerstock ergriffen, die Wärter führten ihnen zu die Renner, sie schwangen sich auf ihre guten Renner. Voran zuoberst Džanan Buljukbascha, und gleich nach ihm folgt Ibro Fazlagić, den Weg sie nahmen durch die schmale Zeile. Das Banner, das bedeckte Fazlagić von beiden Seiten bis zum grünen Rasen, auf Fahnenpagen ruh’n die Fahnenquasten. Nachschauen ihnen Travnikaër Mädchen, sie schaun in einem fort die Bosnahelden, am allermeisten Fazlagić, den Jüngling. Ein Held an Heldentum ist Fazlagić, ein Jüngling wohlgefällig anzuschauen. Herbeizurufen huben an die Mädchen, herbeizurufen jede ihre Mutter: — »Schau, Mutter, schau, den jungen Fazlagić! O Heil der Mutter, welche ihn geboren! Wie schön er ist, die Mutter mag sich freuen!« Doch sagten ihnen drauf die alten Mütter: — »O Töchter schweigt, Ihr mögt verstummen wortlos! die Fazlagićen leiden an Beschreiung, beschreit uns nicht den jungen Fazlagić! Die Mutter hat nur ihn, den einzigen Sohn, es könnt’ die Mutter ganz vereinsamt bleiben!« Also verliessen sie die Festung Travnik vom Alter und der Jugend viel bewundert. Sie überschritten das Gefild von Travnik und drangen in die Berge vor und Alpen. Sie huben durchs Gebirgland an zu wandern, ein Lager nach dem andern, Tag für Tag, und hielten allerletzte Lagerrast im Hochwald oben auf der Vučjak-Höhe. Die Bosner schlugen auf ihr nächtlich Lager, es war der dunklen Nacht die dritte Stunde, da traf dort ein ein flinker Feldtatar und brachte Džanan einen Meldungbrief. Als Džanan dieses Schreiben übernommen, — er liest den Brief und freut sich ob des Inhalts. Es schrieb ihm nämlich Vezier Köprülü: »O Kaiserlala, Džanan Buljukbascha! Wann morgen du nach Temesvar mir kommst, erteil dem Bosnavolk die Weisung, Bruder: Wann Ihr zu meinem Lagerzelte hinkommt, da möge Mann an Mann sich drängend stossen, sie mögen dich bedrängen und den Braunen und dir den Vater und die Mutter lästern. Wir aber werden aus Gezelten schauen. Das wird dir, Bruder, für die Folge frommen!« Als Džanan dieses Schreiben durchgeschaut, da graute ’s und die Sonne war im Aufgang. Und wiedrum ordnet er zum Marsch das Heer, und gab den Bosnamannen solche Weisung: — »Wir steigen jetzt zu Temesvar hinab, beim Zelt des Vezier Köprülü vorbei und auch vorbei an seinem Siegelwahrer. Macht wild und wütig unter euch die Renner, spornt einer gen den andern an die Renner und flucht drauf los den Vater und die Mutter und spornt auch gegen mich die Renner an und flucht auch mir den Vater und die Mutter!« Er sprach’s und jagte mit dem Ross voran, ihm folgen hintennach die Bosnahelden. Als sie zur Festung Temesvar gelangt, entlang dem weiten Temesvargefilde erblickten sie des Sultans Heer gelagert. In wilde Wut gerieten nun die Bosner und liessen unter sich die Rosse tummeln und zogen blank die scharfen deutschen Schwerter. Es jagt der eine gen den andern los es tut ergrimmt der eine gen den andern, auch spornten sie gen Džanan an die Rosse und schwangen drohend ihre scharfen Säbel, sie fluchten ihm den Vater und die Mutter. Doch Džanan schweigt und spricht kein Sterbenswörtchen. Dies Treiben schaut mit an der Siegelwahrer und auch mit ihm der Vezier Köprülü. Was macht der Siegelwahrer für Bemerkung? — »So schauen deine Bosna-Helden aus!? Die haben Heldentum gar nicht gesehen, das sind vielmehr nur schwere Beutelschneider!« Herr Džanan liess sein Heer das Lager schlagen, er selber eilte hin zum Siegelwahrer zur Audienz mit Vezier Köprülü; mit Džanan geht auch Ibro Fazlagić. Beim Eintritt sagten sie Selām zu türkisch. Sodann ergriff das Wort der Siegelwahrer: — »O Džanan, vielgeschätzter Bannerträger! Was hast du für ein Bosnavolk gebracht? Das sind ja keine Helden, diese Bosner, sind schier vielmehr nur schwere Beutelschneider!« Zur Antwort gibt Herr Džanan Buljukbascha: — »O kaiserlicher Lala, Siegelwahrer! Das Bosnavolk besteht aus grossen Helden! Bevor sie in des Kaisers Heer gezogen, verkauften sie die Triften bei den Warten und bargen in die Taschen wohl das Bargeld. Solang als in den Taschen Bargeld klang, da waren wohlgemut die Bosna-Helden. Doch kaum verschwand das Bargeld aus den Taschen Noch kennst du nicht den Brauch des Bosnavolkes. Drum ist erbost der eine auf den andern, drum jagt der eine gen den andern los!« Als dies der Siegelwahrer tat vernehmen, gab Proviant er ihm und Munition, schlug auf für ihn Gezelte im Gefilde und schenkte Schätzeladungen ihm drei: — »Da nimm, o Džano, teil’ sie unters Heer!« Nachdem Herr Džano diesen Schatz verteilt, da sang das Bosnavolk zu zwei und zwei. Nun ging Herr Džano unter sein Gezelt und ass zu Nacht ein Nachtmahl herrschaftlich. Als nachts es um die zweite Stunde war, vom Pfühl erhob sich Džanan Buljukbascha. Schon ist er dort bei Vezier Köprülü und dessen Flügelmann, dem Siegelwahrer. Beim Eintritt rief ‘Selām!’ er türkisch zu, worauf ihm jene Gegengruss entboten und einen Platz an ihrer Seite machten, auch einen farbigen Tschibuk ihm verehrten, die Sieder reichten ihm Kaffeegebräu. Darauf ergriff das Wort der Siegelwahrer: — »O Kaiserlala, Džanan Buljukbascha! Wie haben wir den Gegner anzugreifen? der Christen Unzahl, Minderzahl der Türken! Was fangen wir nun an mit unserm Leben?« Darauf entgegnet Džanan Buljukbascha: — »Nur keinen Wahnwitz, o Ihr zwei Veziere! am morgen Freitag, übermorgen Samstag, am Sonntag Frist, die Schlacht erfolgt am Montag, am Dienstag mögen Mütter weheklagen. Was habt Ihr mich sogleich schon überfallen? lasst eher rasten mein gewaltig Heer!« Sprach dies und hurtig sprang er auf die Beine. Nun ging Herr Džano unter sein Gezelt, und dort empfing ihn Ibro Fazlagić: Er wandte sich an Džano mit der Frage: — »Was hast du, Bruder, dorten ausgerichtet? wie? haben wir den Christen anzugreifen?« Und ihm erwidert Džano Buljukbascha: — »Mein liebes Närrchen, Ibro Fazlagić! So hab’ ich’s den Vezieren dargelegt: ’Am morgen Freitag, übermorgen Samstag, am Sonntag Frist, die Schlacht erfolgt am Montag, am Dienstag mögen Mütter weheklagen!’« Was spricht dagegen Ibro Fazlagić? — »So Gott mir helfe, Džano Buljukbascha, da gibt es keinerlei Gewinn noch Vorteil, gar weit ist ’s nicht mit deiner Weisheit her! Ja, kennst du nicht die Bosner gottverflucht! Drei weisse Tage brauchen sie zu rasten, dann taugt dir keiner einen Pfifferling, und unsre Siegeshoffnung fällt ins Wasser! Doch so du meinen Ratschlag magst befolgen — es bricht uns Morgen an der türk’sche Freitag, die Morgenbeugung machen wir zusammen, die Beugung und verrichten unser Beten; die Mittagbeugung machen wir zusammen, vom Mittag warten wir bis Nachmittag und beten ’s Nachmittaggebet zusammen und warten den Akšām ab mit der Waschung; die Abendbeugung machen wir zusammen und auf die Beugung folgt das Nachtgebet; wir wollen uns in dunkler Nacht erheben. Das bleib’ den zwei Vezieren unbekannt! Dann werden wir uns noch einmal versöhnen, zuletzt versöhnen und einander küssen, einander unsre Sünden wohl vergeben und nachts gen Rákóczy den Angriff wagen; zwölftausend Mannen Bosnavolk genügen. Wir können auf des Sultans Heer verzichten!« Dies sprachen sie und folgten ihrem Ratschlag, die Mütter mögen schon am Samstag wimmern! Und hier verbrachten sie die dunkle Nacht. Ums Morgengrauen und beim Sonnenaufgang, da brach der liebe Freitag ihnen an. Die Morgenbeugung machten sie zusammen und beteten zu Mittag auch zusammen. Dann kam die Zeit zum Nachmittaggebet, sie beteten gemeinsam nachmittags, indessen nahte schon das Abendbeten, das Abendbeten machten sie gemeinsam. Zwei Stunden von der Nacht entwichen waren, schon war die Zeit zum Nachtgebet gekommen. Gemeinsam beugten sie das Nachtgebet, dann hüpften hurtig auf sie auf die Beine. Da taten alle sich nun hier umhalsen, umhalsen und einander Küsse geben, einander ihre Sünden wohl vergeben. Herbei sie holten ihre guten Renner und all das Bosnavolk bestieg die Pferde. Was sagte nun Herr Džano Buljukbascha? — »O Fazlagić, es freu’ sich deine Mutter! geh nimm zu Handen die Gefolgschaftfahne, als erster zieh dem Bosnavolk voran, es wird dir folgen Džano Buljukbascha. Wo einer fällt, dort fallen alle beide, wo einer siegt, dort siegen alle beide!« Zum Heer sich wandte Džano Buljukbascha: — »O Heldenvolk von Bosna weit berühmt! es scheer der eine sich nicht um den andern! es deck’ sich nicht der eine hinterm andern! zurück nicht bleib’ der eine hinterm andern! Je einen Schuss hat jeder abzuschiessen, »Allah« zu rufen, Gottes zu gedenken, und jeder greif nach seinem scharfen Säbel und stürme gradenwegs gen Rákóczy! Aus euren weissen Kehlen tön das Rufen: ’Allâh, Allâh, gedankt der liebe Gott! eröffnet stehn die Pforten von Gan Eden!’ Wer fallen wird, dess Heim erhält Entlohnung, wer leben bleibt, der bleibt beglückt fürs Leben!« Das sprachen sie und spornten an die Rosse. Herr Ibro Fazlagić als allererster, ihm folgte nach Herr Džano Buljukbascha. Gemach, gemach zum Vučijak sie kamen. Als sie ins Vučijak-Gefilde kamen, da bog sich vor Herr Ibro Fazlagić: — »Wo weilst du ärmster Fürst, o Rákóczy? es griffen dich die Bosna-Helden an, sie griffen dich von all’ den Seiten an!« Er sprach’s und schoss die Flintenladung ab, zwölftausend Flinten knallten noch darauf, und jagten Schrecken ein dem Fürstenheer. Doch Rákóczy empfing sie vorbereitet, und überwarf sie mit lebendig Feuer! Ein schlimmes Glück war ihnen hier beschieden, hier blieben Džanan Leichen auf dem Plane, sechs tausend toter Leiber liess er liegen, sechs tausend Mann vom Bosnavolke fielen! Sechstausend aber drangen mutig vorwärts. ’Allâh!’ sie riefen und gedachten Gottes und drängten Fürsten Rákóczy nach vorwärts, ja, drängten und bedrängten ihn nach vorwärts! Als da das Heer verwundet angegriffen, die Nacht war schwarz, in Finsternis versunken, da huben die Soldaten an zu schreien: — »Die Türkenmacht uns mächtig hat umrungen!« und fingen miteinander an zu kämpfen! Die grimmen Bosner setzten heftig zu und gegenseitig war der Kampf entsponnen, die scharfen Säbel beiderseits geschwungen! Die Nacht so schwarz, in Finsternis versunken, vom Himmel bis zur Erde lagert Dunkel, es kann da keiner keinen mehr erkennen bis früh zum Morgengraun und Frührotleuchten! Es warf den Blick ins Feld der Siegelwahrer und sprach das Wort zu Vezier Köprülü: — »So schaun dir deine Bosna-Helden aus! nicht eine einz’ge Seel’ ist bei den Zelten! Sie pfropften mit des Sultans Schatz sich voll, entflohen dann zurück die Alpen aufwärts!« Als dies der Vezier Köprülü vernommen, bei Gott, es war ihm gar nicht angenehm! Der Vezier sprang vom Boden auf die Beine und schwang sich auf sein schimmelfarben Rösslein; es zogen mit ihm mit noch vier Tataren. Schon sind sie auf der Höh des Vučijak und suchen nach der Spur die Alpen aufwärts, ob sich die Bosner nicht nach Heim gewendet. Im Hochgebirg ist keine Spur von ihnen; wohl ist das Bosnavolk nicht heimgezogen. Von ungefähr blickt Vezier Köprülü, von ungefähr ins Vučijak-Gefilde, wo Rákóczy der Fürst gelagert hatte, doch keine Sterbenseel’ ist dort zu sehen. Dann kehrt zurück der Vezier Köprülü und sagt dem Siegelwahrer seine Meinung: — »O kaiserlicher Lala, Siegelwahrer! Mit nichten sind die Bosner uns entflohen, den Feind sie haben nächtlich überfallen. Ich sah hinab aufs Vučijak-Gefilde nicht eine Sterbenseele war zu sehen. Allwo das Heer des Rákóczy gelagert, dort liegen Leichen ohne Zahl und Ende. Gar viel von unserm Heer ist umgekommen! Lasst für der Bosner Seelenheil uns beten! Wohl waren ’s Helden und sind umgekommen, Nun werden wir für sie Vergeltung üben!« Er wandte sich gens Vučijak-Gefilde, es folgt ihm nach das mächtig starke Heer. Als hin der Vezier ins Gefilde kam, wo Rákóczy der Fürst gelagert hatte, wo Džanos Angriff gegen ihn erfolgt, da waren von dem Bosnavolk gefallen, sechstausend Mann hat hier er liegen lassen, mit andern sechs war er dem Feind im Nacken. Der Vezier geht umher, ihm perlen Tränen, und wendet um die Leichen der Bošnjaken. Er weint nicht um sechstausend Bosner willen, er weint vielmehr um Džano Buljukbascha, beweint mit ihm den jungen Fazlagić. Nach ihnen forschend, wandt’ er um die Leichen. Als er nun sah, dass hier sie nicht zu finden, so zog er mit der Heermacht ihnen nach. Wo Vezier Köprülü vorüberzieht, wo er vorüberzieht durch russisch Land, dort spriesst kein grüner Rasen mehr empor. Sie zogen einen Monat durch das Land in Augen stets das Bosnavolk behaltend. Als er ins Feld von Orlovo gelangte, So liess am Felderrand das Heer er rasten. Die Bosner huben an zurückzukehren, es huben an die Truppen sich zu sammeln. So mancher führt gefesselt den Gefang’nen, und mancher bringt ein abgesäbelt Haupt. Sechstausend Bosnamannen sich versammeln. O sieh! es naht auch Džanan Buljukbascha, hat eingefangen sieben Kapitäne! Ihm stand zum Gruss der Vezier auf vom Sitze, gab einen Kuss ihm auf die Heldenstirne. Noch fehlt allein der junge Fazlagić. Im Heer fing an Herr Džano umzufragen: — »Hat’s wer gesehen, dass er umgekommen?« — »Wir sahen’s keiner, dass er umgekommen, auch sahen wir ihn nicht im Felde liegen!« Sie suchten ihn drei volle weisse Tage und taten für sein Seelenheil schon beten. Wie eine grimme Natter wimmert Džano: — »O weh der Mutter bis ans Lebensende! dass ihren Fazlagić sie musst’ verlieren, den Helden kühn, der ohne gleichen galt!« Doch während sie noch solche Reden führten, erschien im Feld Herr Ibro Fazlagić auf seinem langbemähnten braunen Läufer. Hat keine schlechte Beute sich errungen: gefangen gar den Fürsten Rákózy, mit ihm zugleich die Königin die Fraue! Als Džano Buljukbascha ihn erschaute, wie sah er aus, o wehe seiner Mutter! Kein Faden vom Gewand auf seinem Leibe, versengt hat alles ihm lebendig Feuer. Entgegen geht ihm Džano Buljukbascha, zugleich mit ihm der Vezier Köprülü; sie küssten ihn auf seine Heldenstirne. Es spricht zu ihm der Vezier Köprülü: — »Sollst glücklich sein, hast grosses Ding gewonnen, du hast zwei wack’re Kämpen eingefangen. Du wirst beglückt dein Lebelang verbleiben!« Sie gaben Rast dem furchtbar müden Heer, sie hielten Rast zwei volle weisse Tage, und rückten mit dem Heer am dritten Morgen, sie rückten vor die Festung Temesvar. Als sie vor Temesvar, die Festung, kamen und in das eb’ne Temesvar-Gefilde, empfing sie feierlich der Siegelwahrer, als echter Türk »Selām« entbot er ihnen und küsst die Helden zwischen Augenbrauen. Was hat der Siegelwahrer mitzuteilen? — »O Herzensbruder Vezier Köprülü! Der Sultan ist nach Temesvar gekommen, um jeden nach Verdiensten zu belohnen. Geh führ’ ihm vor das Bosnavolk, die Helden, es heisch’ ein jeder, was ihm mag behagen!« O sähst du nun den Vezier Köprülü, wie er die Bosna-Helden hingeleitet! Er führte hin Herrn Džanan Buljukbascha, mit ihm zugleich Herrn Ibro Fazlagić. Sie brachten mit den Fürsten Rákóczy, sie brachten mit die Königin, die Fraue. Als vor dem Sultan sie im Divan waren und auch des Kaisers Kleidersaum geküsst, da weihte wohl Herr Vezier Köprülü, zwei Sklaven er dem Kaiser weihen tat. Drauf spricht zu ihm der Sultan unter Tränen: — »O Vezier mein, o du mein liebster Lala! Ihr habt mir wohl ein gut Geschenk errungen und habt mir meine Residenz errettet! O Lala, Dank sei Gott und Dank den Bosnern!« Der [Vezier Köprülü] hub an zu rufen: — »Zu mir, o Džanan, Held vom Bosnaland!« Als vor dem Sultan Džanan nun erschienen mit seinem Flügelmanne Fazlagić, was lässt der Sultan für Bemerkung fallen? — »O heische Džano, was dir mag behagen!« Darauf entgegnet Džanan Buljukbascha: — »O Sultan, Kaiser, Sonne von dem Osten! ich werde keinerlei Begehren äussern, da steht vor dir mein Ibro Fazlagić, er mög verlangen, was sein Herz begehrt!« Da spricht Herr Fazlagić das Wort zum Sultan: — »O Sultan, Kaiser, Sonne hinterm Berge! wirst du gewähren, was ich heischen werde?« — »O Lala, ja, bei meiner Augen Lichte!« — »Zwölf tausend Mannen brachten wir hieher, zwölf tausend kampferprobter Bosnamannen. O Kaiser, einzig und allein ich wünschte, belohn’ die Toten gleich den Lebenden. Sechs tausend Leichen liessen wir im Felde, und jeder Mann hat wen daheim gelassen, so mancher Töchter, mancher liebste Schwestern; verleih’ den Waisen Lehengrunddiplome, zwölf tausend in das Bosnaland Diplome!« Ohn’ Wörtchen Widerspruch verlieh der Sultan Herrn Fazlagić erbetne Reiterlehen und gab ihm einen Säbel mit dem Siegel und gab ihm goldne Turbanfedernbüsche. Und gleiches gab er Džanan Buljukbascha: — »Da nehmt es, Helden aus dem Bosnaland! sollt euer Lebelang zu zehren haben davon und eure Kinder noch nach euch!« Dann rief er zu dem Vezier Köprülü: — »Beteilig sie mit sieben Schätzelasten, sie mögen prassen bis ins stolze Bosna! Als so die Bosner Reichtum angesammelt, da schwangen sie sich auf die guten Rosse und lenkten froh zur Heimkehr ihre Rosse. Der Sultan fertigt an noch einen Ferman: — »O zieht nun frei ins stolze Bosnaland! Ihr werdet viele Reiterlehen kriegen, doch Kinder, müsst dafür Ihr Kriegdienst leisten ohn’ Unterbrechung volle sieben Jahre für euer Geld und ganz auf eigne Kosten, so oft als euer Sultan euch benötigt!« Sie willigten in die Bedingung ein und drückten ihre Siegel auf den Ferman; dann zogen sie von hier nach Bosna heim. Der Sultan machte sich nach Stambol auf, die Bosner in das stolze Bosnaland. Als Džanan heim nach Sarajevo kam da sang er durch die schmalen Gassen ziehend: — »O unsre Frauen, harrt Ihr unsrer noch? o unsre Mütter, schaut doch jetzt auf uns! Wir sind mit Raub und Beute reich beladen, Wir können unsre Warten weissen lassen und unsre Klepper satt mit Gerste füttern; der Ohneweib, der kann sich nun beweiben!« Die Halbscheit hat sich nur von uns beweibt dort bei der weissen Festung Temesvar, dort auf dem breiten Vučijakgefilde mit schwarzem Erdreich und mit grünem Rasen!« Hier trennten sich die Helden voneinander, verzieh’n einander, tauschten Küsse aus und jeder kehrte heim zu seiner Warte; es mag das Heim gedenken des Gefall’nen, wer leben blieb, der blieb beglückt fürs Leben! Von uns das Lied, von Gott gewährt das Glück! Wir waren nicht dabei, noch sahen wir’s, auch wir vernahmen’s bloss von ältern Leuten; wir sangen und wir sagten euch’s nur weiter! O gäbe jedem Gott ein Magedein, mir zwei, dass besser ich befriedigt sei; die eine lahm mir sei und blind die andre, sie sollen betteln geh’n, mein Haus verseh’n und mich ernähren und des Leids erwehren! Ende. V. 1–20 ist ein Begrüssung- und V. 920–928 ein Abschlussgesang des Guslaren zur Ehrung der Zuhörer. Man vergl. in meinen ‘Bajuwaren im Guslarenliede’ (Forschungen zur Kultur- und Literaturgeschichte Bayerns, hrsg. von K. v. Reinhardstöttner, Ansbach 1896) die ähnlichen Liedchen S. 103, 129 und 145. Über derartige Einleitung- und Schlusslieder ausführlich in meinem Smailagić Meho (Ragusa 1885), S. 69–78 und 153–161. Zum ‘Heerzug’ sang mir Halil keinen Vor- und Nachgesang, weil wir doch allein waren und es keinen Sinn gehabt hätte, mich anzustrudeln. Übrigens habe ich es nicht unterlassen, bei anderen Liedern seine Begrüssungformeln niederzuschreiben. Die V. 920–928 könnte einer möglicherweise als den Ausdruck verworfener und frechhabsüchtiger Gesinnung des Guslaren auffassen und ihn darum verachten. Dagegen muss ich meinen Freund Ibrahim, den Sohn eines Dervišen, in Schutz nehmen. Wer, wie er, bei einem Korajer Beg als Waldbauerknecht freiwillig frohnen mag, ist gegen jeden Verdacht unlauteren Wettbewerbes und gewissenlosen Strebens, auf Regimentunkosten ein sorgenfreies Dasein zu führen, unbedingt gefeit. Die Verse sind gerade wegen des Gegensatzes der auf die allergeringsten Bedürfnisse herabgeminderten Lebensweise des Guslaren und seines den Zuhörern bekannten, einwandfreien ehrlichen Erwerbes gut humoristische Selbstbespöttlung und reizen darum die Kenner zum zwerchfellerschütternden Gelächter. Ein Beispiel soll das besser verdeutschen. Ein Schauspieler wird an seinem Benefizabende zum Schluss stürmisch hervorgerufen. Er verbeugt sich nach Brauch aufs tiefste und ergreift unter lautloser Stille der Zuhörerschaft das Wort: ‘Hochwohledelgeborene, hochgeborene, hochwohlgeborene und wohlgeborene Gönner und Gönnerinnen! Dero huldreicher Beifall erquickt, entzückt und beglückt mein Gemüt. Um das Mass meiner Zufriedenheit überquellen zu machen, hege ich bloss noch den Wunsch, es mögen die ehrsamen und löblichen Gilden der G’sibelfelberer [173] von London und Paris die Früchte ihrer literarischen Betriebsamkeit der nächsten fünf Jahre in Anerkennung meiner künstlerischen Tätigkeit gütigst als kleine Zubusse zur Aufbesserung meiner Bezüge mir zuzuwenden belieben!’ Es gibt wohl Leute, denen solche Reden würdelos erscheinen. Aber freilich, die Würde ist die Narrenkappe des Humors, mit und ohne Schellen. V. 74. Das goldene Prag ist die Hauptstadt des Russenreiches, allwo die Königin die Frau mächtig thront. Vergl. die Bajuwaren im Guslarenlied, wo auch die Königin von Prag als Retterin Wiens die Hauptrolle inne hat. V. 81. Wer einen deutschen Rock und Hut trägt, gilt dem Bošnjaken als ‘Schwabe’ und wer immer die Stelle eines Feldpostboten bekleidet, der heisst bei ihm Tatare. Einen Pferdefeind nennt der Paša den Tataren, weil dieser schonunglos die Postpferde zu Tode reitet. In Ungarn waren die Gemeinden verpflichtet, den »Tataren« unentgeltlich die Pferde beizustellen. V. 121. pro (preo, preko) zemlje turčije über die Länder der Türkei. V. 122. ‘Zur Hauptstadt und Istambol’ ist ein Hendiadys. Ich behalte hier und überall sonst die poetische Figur bei, wenn es nur irgendwie der deutsche Sprachgebrauch zulässt. V. 211. Ridžalen sind die hohen Würdenträger, die Granden am türk. Hofe. V. 273. Das schwere Geschütz zog man zu Schiff Donauaufwärts nach Ungarn, das Gros des Heeres schlug aber, wie immer den Landweg ein. Übrigens nahm Köprülü I. persönlich an dem ungarischen Feldzuge nicht Teil. V. 318. Der Guslar irrt; denn unter den bosnischen Valis kommt erst in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrh. ein Köprülü vor (Urenkel K. I.), der aber bekleidete die Stelle zweimal und hinterliess beim Volke ein gesegnetes Andenken. Er war gleich seinem grossen Ahnherrn ein wahrer und uneigennütziger Freund und Beschützer der Juden. V. 356 und 372. Die Angabe entspricht zutreffend der Machtbefugnis und dem Amtbereiche eines Stadthauptmannes. Ein militärischer Bezirkhauptmann alarmiert das Land durch Kanonenschüsse. Die Heerfahne steckt man bei einer solchen Gelegenheit im freien Felde auf; denn das Militär darf sich der Frauen und der Zucht wegen nicht innerhalb einer bewohnten Ortschaft sammeln. Türkische Truppen kennen auch die Marketenderinnen-Wirtschaft nicht. Fazlagić schliesst als gläubiger Moslim vor dem Auszug in den Krieg seine Rechnung mit Gott ab. Vor Beginn einer Schlacht pflegen Hodžen ein Gebet zum Segen der Kämpfer zu sagen. Džanan und die Mehrzahl der Bošnjaken mochten aber im Stillen der Ansicht sein, die Tale der Narr offen (im Smailagić Meho) gegenüber dem Hodža ausspricht: ‘Raspel rascher, du Hodža, deinen Segen ab! Das Schwert, nicht dein Segen säbelt den Feind nieder!’ V. 424–430. Stereotyp. Diese Rede entspricht mehr dem allgemeinen Gefühle des bosnischen Volkes als Džanans Lied. Aus den Guslarenliedern allein gewänne man einen unwahren Eindruck hinsichtlich der vorwiegenden Volkstimmung. In Wahrheit ist der Bosnier, nicht minder als der Serbe in Serbien und der Bulgare und Grieche im grossen und ganzen allen kriegerischen Unternehmungen gründlichst abgeneigt. Heutigentags pressen die Kleinstaaten jeden waffenfähigen Mann zum Militär und wenn es dann zum Treffen kommen soll, erweisen sich die Soldaten als stramme Anhänger der Baronin Bertha von Suttner und legen »die Waffen nieder«, um ihr kostbares Leben der Menschheit zu erhalten. V. 505. Der Glaube ist allgemein, dass die Bewunderung schöner Mädchen einen Kämpen töten könne. Wer, wie z. B. Tale der Narr, der Beschreiung leicht unterliegt, geht mit zerfetzten Knieen und löcheriger Kopfbedeckung einher, auch hilft Knoblauch und eine Wolfschnauze im Busenlatz getragen. An Abwehrmitteln, besonders an Besprechungen des bösen Blickes und der Bewunderung ist die südslavische Folklore-Literatur überaus reich. Der Glaube ist international, wie die zahllosen Belege der endlosen Abhandlungen Julius Tuchmanns über ‘Fascination’ in der Mélusine dartun. V. 518. Nach unserer Stundenzählung um 10 Uhr nachts. V. 530. Der Guslar legt sich die Episode ungeschlacht zurecht; denn kein Moslim lässt sich, auch nicht im Scherze, Vater und Mutter ungestraft beschimpfen. Der Guslar suchte nach einer Entschuldigung für das unschickliche Schnorrmanöver Džanans und ersann nichts Besseres als die Ausflucht, dass es auf Geheiss Köprülüs geschehen sei. V. 564 und 573 f. Diesen Ausspruch, der in der Guslarenepik nicht vereinzelt dasteht, darf man getrost als das Urteil des Ackerbauers über die Helden und Heldentaten bezeichnen. V. 583. Die auf den Vers folgende Lücke statt des lebhaften Geberdenspiels des Guslaren, das ich sonst nicht recht andeuten kann. V. 595. Was ein Guslar unter einem herrschaftlichen Nachtmahl versteht, muss ich eigens bemerken, um etwaigen übertriebenen Vorstellungen vorzubeugen. Zu einem herrschaftlichen Nachtmahl gehört vor allem frischgebackenes weisses Weizenbrot, Hammelbraten, fett, dass einem der Schmer über den Bart herabrinnt und hartgesottene Eier nebst Obst (Dunstobst), Branntwein und Wein nebst Kaffee, alles im Überfluss, damit man sich bis zum Erbrechen vollstopfen kann. V. 879 ff. Diese Art Ehrensäbel tragen in Goldbuchstaben die ständige Inschrift: »Im Namen des allbarmherzigen Gottes, der die Siege verteilt. Dieser Säbel, welcher für die Otomanen das glänzendste Emblem des Sieges und der Auszeichnung bildet, und auf Kinder und Kindeskinder übergehen kann, ist von S. Majestät dem Sultan dem Ghazi ...... Pascha verliehen worden, als Zeichen der Wertschätzung des Mutes und der Treue, von welchen er während des siegreichen Krieges gegen ...... Beweise geliefert hat, und mit dem Wunsche, dass dieses verherrlichende Andenken zu neuen und zahlreichen Siegen zu führen vermöge.« Der Ehrensäbel ist nicht zu verwechseln mit »pot muhurom ćorda« (Säbel unter Sigel), der den Besitzer zum Raub im Grenzlande berechtigte. Der Ausruf ‘sufur!’ (Schluss) ist vom Sänger. Damit legt er die Guslen weg, nimmt eine Erfrischung zu sich und stopft sich sein Pfeifchen an, um zu rauchen. Nach kurzer Erholung, hebt er ein neues Lied an, wenn er nur Zuhörer findet, denen die Geduld nicht ausgeht. Ein rechter Guslar setzt einen Stolz darein, als unermüdlich und unerschöpflich zu gelten. Wie Mohammed Köprülü Vezier geworden. Unter den Guslarenliedern meiner noch ungedruckten Sammlung besitze ich auch sechs grössere im Umfange von mehr als 6000 Versen, die die Eroberung des Ungarlandes bis hart an Niederösterreich durch die Türken zum Vorwurf der Behandlung haben und ausschliesslich die Kämpfe und Heldentaten des Reorganisators der damals dem Zerfall nahen Türkei, Mohammed Köprülüs schildern. Bosnier und Herzogländer haben unter der Fahne des Islams an der Niederwerfung Ungarns teilgenommen. Die Blüte der slavischen Jugend war in den Reihen der Janičaren vertreten. Vor dreihundert Jahren mochte es eine Zeitlang scheinen, dass halb Westeuropa bis vor die Tore von Wien der Serbisierung unterliegen werde. Wären jene kriegerischen Bewegungen während zweier Jahrhunderte von einer intensiveren kulturellen Strömung des Slaventums begleitet gewesen, wie dies nicht der Fall war, so hätte wahrscheinlich ein Teil Europas politisch ein ganz anders Aussehen gewonnen. Eingeleitet ward die Bewegung von einem der bedeutendsten türkischen Staatsmänner aller Zeiten, von dem greisen Mohammed Köprülü. Sein Auftreten war für Jahrhunderte folgenschwer, und es ist kein Wunder, dass die Nachkommen jener Krieger, die unter seiner Führung gekämpft, von jenen für sie glücklichen Tagen noch immer singen und sagen. Es ist bewunderungwürdig, mit welcher Treue das Gedächtnis des Volkes ohne schriftliche Behelfe den Gang der Ereignisse jener Zeiten im Grossen und Ganzen zutreffend festgehalten hat. Zum Vergleiche gebe ich im Kommentar die zuverlässigen Berichte zeitgenössischer osmanischer und abendländisch-christlicher Historiographen nach Hammer-Purgstall, Salamon und dem Siebenbürger Kraus. Lehrreich ist unser Lied als ein Beispiel, wie sich grosse Ereignisse in der Vorstellung des Volkes widerspiegeln und als authentisches Zeugnis für volktümliche Sitten und Gebräuche, Meinungen und Anschauungen. Unserem Liede wohnt zum Überflusse auch ein nicht geringer poetischer Gehalt inne. Ćupriliću travnički valija. Razbolje se sultan Sulejmane u Stambolu gradu bijelome na svome tachtu u svome devletu treći danak šechli ramazana na krilu Ibrâhimu sinu. Bolovao svega ramazana. Kad je bilo u oči bajrama onda mu veli sultan Ibrâhime: — »Â moj babo sultan Sulejmane! bolovao si svega ramazana, a večeras u oči bajrama, što ti se čini, hoćeš preboliti? al ti se čini da ćeš umrijeti?« A kaže mu sultan Sulejmane: — »Â moj sine sultan Ibrâhime! a Boga mi ti ja preboljeti ne ću; sada ću ti odma umrijeti!« A veli mu sultan Ibrahime: — »Â mili babo sultan Sulejmane! a što ti žališ što ćeš umrijeti? žališ li ovog mjesta čestitoga ali svoje butum carevine? ali žališ lala i ridžala? ali vezira što su ti većili? ali svojije devet sultanija? ali mene prenejaka sina?« A veli mu sultan Sulejmane: — »Â moj sine sultan Ibrahime! ja ne žalim mjesta čestitoga, niti ja žalim svoje carevine, niti ja žalim lala i ridžala, niti vezira svojije većila ni svojije devet sultanija, a ni tebe prenejaka, sine. — Vam je meni najžalije, sine, ostaše mi tri najbolja grada a u kaura a u mene n’jesu: jedno je Egra a drugo Budime a i Semendra niže Biograda. — I još žalim hodže Ćuprilića! Ono mi je stara lala bila; murtati su ga kod mene oplanjkali pa sam njega surgun učinio preko mora stotinu konaka, a i evo ima dvanajs godin dana, â po tome ću ti rano umrijeti! Vam čuješ li Ibrâhime sine! kad ja umrem tu na tvome krilu, a doći će hodže a doći će hadžije a doći će mule, skupit se kadije, opremiće me, Ibrahime sine, odnijet me do turbeta, sine, do turbeta hazreti Alina, do terike hazreti Fatime, a ondi će me ukopati, sine. a i na me će turbet načiniti. Ti pobjegni ot turbeta moga! — Kada tachtu i devletu dojgješ, zatvori se u tvird kahvaz, sine! Doći će hodže, doći će i hadžije, vikaće tebe, — nemoj otvoriti. Doći će onda mule i kadije, vikaće tebe, — nemoj otvorati. Doći će onda lale i ridžali, vikaće tebe, — nemoj otvorati. Doće će onda svi veziri, sine, što su mi bili u Stambolu ovgje, vikaće tebe, — nemoj otvorati. Pa će doći baše jenjičari, vikaće onda baše jenjičari: »Sultane Ibro, svečevo koljeno! oćeš li nama otvoriti vrata?« A ti otvori ot kafaza vrata; uzeti će te baše jenjičari, svečevu će ti hrku zagrnuti ustaklut ti tadžu pozlaćenu, na moje te mjesto posaditi, ej! novijem te carom načiniti! Sve će ti izić lale i ridžali i veziri i carevi većili i pred njima muhur sahibija i kod njega paša Seidija. To će stâti tri bijela dana, sve se čudit lale i ridžale, šta će novi care postaviti a kakav li će bidat udariti. Zacviliće muhur sahibija: — »Aman care svečevo koljeno! ej, što nas držiš tri bijela dana! Podaj dževap kakav hoćeš ovde!« Onda care tiho progovara[j] »Koje mi je Ćuprilić vezire?« Rijet će ti, sine, muhur sahibija: »Ovdi ti nejma Ćuprilić vezira; a vezir ti je plaho ostario a vam ti je vezir kod vandoma svoga!« A ti reci muhur sahibiji: »Ja mi vezira, ja ću ti posić glavu!« A prepast će se muhur sahibija a ne će ti umjet ništa pagovoriti a rijet će ti paša Seidija; »Aman care, svečevo koljeno! â tvoj ga je babo surgun učinio â preko mora stotinu konaka, a evo ima dvanajs godin dana. Vam daj nama turali fermana i daj nam vade za četeres dana a mi ćemo ti dobavit vezira!« Podaj sine turali fermana, oni će ti hodžu dobaviti. A kada ti dojgje Ćuprilić vezire, a ti ćeš mu reći sine Ibrâhime: »Stara lalo, mila babe moga! moj je babo svijet promjenio a u mene je tebi selām ostavio. Ali to je moja butum carevina a uprava tvoja Ćupriliću! E da uzmemo Egru i Budima a i Semendru niže Biograda, da momu babu hator napravimo!« I po tom je rano svijet promjenio. Hej! to reče sultan Sulejmane; hej! umrije na sinovu krilu, a procvilje sultan Ibrâhime. E, skupiše se hodže i hadžije a dojgjoše mule i kadije, opremiše cara čestitoga i do turbeta cara odnesoše, ej, do turbeta hazreti Alina, ej, do ferike hazreti Fatime. Ej, ukopaše sultan Sulejmana, ej, na njega turbet napraviše. A pobježe sultan Ibrâhime, ali se u tvird kafaz zatvorio. Ej dojgjoše hodže i hadžije i to ga viču, da otvori vrata, al im on vrata otvoriti ne će. Pa ga viču mule i kadije, on vratâ, otvoriti ne će. Pa ga viču lale i ridžale, a on ni njima otvoriti ne će. Pa veziri, što su u cara većili, al im on vrata otvoriti ne će. Pa ga viču baše jenjičari: — »Sultan Ibro, svečevo koljeno! hoćeš li nama otvoriti vrata?« Ja otvori se sultan Ibrâhime, a uzeše ga baše jenjičari, svečevu mu horku zagrnuše, ustakoše tadžu pozlaćenu, odnesoše ga tachtu i devletu i posadiše us ćemliju carsku. Ej, teke ga novoga cara načiniše! Stale mu lale po divanu i ridžale i veziri i što su mu većili a i pred njima muhur sahibija a i kod njega paša Seidija. Već tako ostaše tri bijela dana; ej, sve se misle čudom velikijem, ’a šta će nam novi care postaviti? ej, kakav će bidat nama udariti?’ Ej, dok procvilje muhur sahibija, — »Ej, daj nam dževap care Stambolija!« Ondar veli sultan, Ibrahime: — »Koje mi je ovdi Ćuprilić vezire?« Ondar mu kaže muhur sahibija veli: »Baš ti je vrlo vezir ostario, eh kot svoga je doma velikoga!« Ondar mu veli sultan Ibrahime: — »Ja mi daj vezira, ja ću ti pośjeć glavu!« Ali se poplaši muhur sahibija pa sve šuti, ništa ne govori. Ali progovori paša Seidija: — »Aman care, svečevo koljeno! Tvoj ga je babo surgun učinio ej, preko mora stotinu konaka, a evo ima dvanajs godin dana. Evo daj nama turali fermana a i daj nam muchlet četerese dana, ali mi ćemo ti dobavit vezira, pa eto tebe pa eto ti vezira!« E pa im care dade turali fermana, ej muchleta četerese dana. Fermana uze paša Seidija a divan prśće na četiri strane. E bržje tirče paša Seidija, e dok dotrka u tatare carske pa Idriza tatarina traži, što ga bržjega u cara ne imade. E pa mu daje turali fermana a grli ga s obadvije strane: — »A Idrizine moj po Bogu brate, bržje tirči, Ćuprilića traži, a dovedi ga caru čestitome. Muchlet ti je, sine, četerese dana!« Idriz na se džuzdan udario a u džuzdan ferman namjestio; ali je brza konja uzjašio. Ej brže tirče tatarine carski, e, dok dotrka moru debelome, e, pokraj mora konja odjašio. A brza ga dočeka gjemija. U nju śjede tatarine carski pa rukama tuče gjemidžiju mlada: — »Ej, bržje me vozi, pośjeć ću ti glavu!« Ej, brzo igje po moru gjemija. E dok debelo more ostavio a suhe se zemlje dobavio e na gotova konja uzjašio, pa poteče pokraj mora hladna. Ej, rano bijaše, još sunašca ne bješe, e dok mu se mrke oči otkidoše i dok vigje pokraj mora hladna a jednoga stara ichtijara bijele brade a sivaste glave, a na njemu zelene libáde; zasukuje uz ruke rukave e da prihfati turski avdes na se. A tatar mu turski selam viknu, a njemu dedo selam prihfatio pa niz bradu mu suze udariše kajno kiša niz jelovo granje. Začudi se tatarine carski pa zastavi brza konja svoga: — »Ichtijaru, obadva ti sv’jeta što toliko grozne suze truniš?« A cvileć mu dedo govorio: — »Ej, kako ih ja patrunit ne ću, kad imade dvanajs godin dana a ne vidio carskog tatarina ni na njemu carskoga fermana? A i ja sam ih mlogo načinio kot cara sultan Sulejmana! Ej, doklem si se zamučio sine, te ferman nosiš, brze konje gonjaš?« A on mu kaže: »Ćuprilića tražim.« Onda dedo tiho progovara: — »Ja sam glavom Ćuprilić vezire!« Carski tatar konja odjašio a izvadi careva fermana pa ga dade Ćuprilić veziru, a vezir ga poljubio triput pa ga je śpuśćo na zelenu travu pa uze turski avdes na se. Pa rasklopi careva fermana pa ga uči a suze prol’jeva, jera mu piše turali fermane: »Ćupriliću, carev kachrimane, bržje hajde do Stambola grada!« Odmah vezir na noge skočio, s tatarom do gjemije sijgje, śjedoše na gjemiju brzu. Gjemidžija poćera gjemiju. Ej, debelo more zdravo prebrodiše, ali se suhe zemlje dobaviše a debele konje pojašiše. E, bržje tirče tatarine carski, za njim tirče Ćuprilić vezire, a sve tirče a tatara viče: — »Lahko, lahko Idriz tatarine! ali su moje kosti poharane a moja je džogda izderana a moje su poizdale ruke i obadvije mi noge opadoše; ne mogu se dajanisati, sine!« A veli mu tatarine carski: — »Gajret hodža, ako Boga znadeš! ako projgje četerese dana a ti ne dojgješ do Stambola grada a sa mene će moja odletjeti glava!« A kaže mu Ćuprilić vezire: — »Bre ne boj se Idriz tatarine, dok je sa tobom Ćuprilić vezire, bre tebe bolan, car pośjeći ne će; a mlad tatar rad hatora moga, da ostaneš i stotinu dana!« To beśjede, jašu na paripe dok dojgjoše do Stambola grada. Birdan vezir pret cara izijgje te je caru poletio skutu a car njega uhfati za ruku: — »Stani dera, moja lalo pravo, ne prihodi blizu skuta moga! Te moj babo svijet promjenuo a u mene tebi selâm ostanuo. Butum je moja carevina a uprava tvoja u Stambolu! A da uzmemo Egru i Budima i Semendru niže Biograda! Aman, hodža, do tri carska grada a ostadoše sva tri u kaura! Po tom je rano svijet promjenuo. Da uzmemo do tri grada carska, da mu mrtvu hator napravimo!« Pa izvadi carev muhur care, muhur daje Ćuprilić veziru, e da mu bude muhur sahibija. E ne će mu ga hodža Ćuprilija, jer je triput carev muhur pokučio, triput vezir muhur povratio. — »Stani dera, padišahu dragi! nije lahko ni pogledat u te a kamo li s tobom govoriti. ali danas valja govoriti! Padišahu, muhura ti ne ću, a ništa ti ni upravljat ne ću, a ti ako mene poslušati ne ćeš e što ću tebe care govoriti!« Ondar veli sultan Ibrâhime: — »E de govori Ćuprilić vezire, e de govori, štogod tebi drago!« Ondar veli Ćuprilić vezire: — »Oćeš li mi izun dati ovgje, što mi rečeš, da poreći ne ćeš?« — »Bogme ne ću, Ćuprilić vezire, što car rekne, — nije slagat carsko.« Ondar vezir śjede beśjediti: — »Daj mi muchlet četerese dana, štogod radim, da prikratit ne ćeš!« Dadne mu muchlet četerese dana, neka radi štogod njemu drago. Al se vrati Ćuprilić vezire i povika pašu Seidiju: — »Â dovedi mi četiri telala!« A dojgjoše mu četiri telala. Onda hodža Ćupriliću viknu: — »Čujete li četiri telala, vi vičite po Stambolu gradu: »štogod ima u Stambolu lalâ, ima lalâ i ima ridžalâ i vezirâ, carskije većilâ i pred njima Achmedaga stari, što je prvi ot svije vezira, što je starji ot svije ridžalâ, što je višji ot svije lalâ: ima u cara i džamija stara, e sve neka igju u džamiju staru! Car je tako teftil načinio, jera će car njekud vojevati; valja im tudje pare dijeliti!« Potekoše četiri telala; vikaše tri bijela dana, dojgjoše Ćuprilić veziru: — »Ćupriliću, stara carska lalo! sve smo zbili u džamiju staru!« Ondar skoči Ćuprilić vezire, ondar sabra trideset dželata i pred njima dželadbaša Ibru; Pa mu kaza Ćuprilić vezire: — »Dželadbaša ot trides dželatâ, ajd da igjemo pred džamiju staru! Stanut ćemo pred džamijom starom. Kogod bude u džamiji staroj, pa izijgje iz džamije, Ibro, a odnese na ramenu glavu, onda će se tvoja pośjeć Ibro. E, vam ničje nemoj ostaviti!« E pa sijgjoše pred džamiju staru. Pa postade tridese dželata i pred njima dželadbaša Ibro i kod njega Ćuprilić vezire. A spremiše na vrata telala; a telal viknu pred džamijom starom: — »Ishodite iz džamije stare! Car vas zove na rosnu jaliju!« Navališe lale i ridžale i veziri, carevi većili. Koj izijgje iz džamije stare, svoje glave na ramenu nejma. Sve izijgje iz džamije stare, ali nejma lale Achmedage, što je lala ot svije ridžala, što je starji ot svije vezira. Onda viknu Ćuprilić vezire: — »Unijgji der dželadbaša Ibro, unijgji der u džamiju staru, izvedi mi Achmedagu lalu!« Dok zacvilje Achmedaga lala: — »Dželadbaša, moj po Bogu sine! ne uzmi mi sa ramena glavu, a eto me pred džamiju staru!« A veli mu dželadbaša Ibro: — »Hajd slobodno Achmedaga stari!« Pomoli se Achmeda stari bjele brade a sivaste glave, u glavi mu zuba ne imade, na glavi mu achmedija stara. Sabljom mahnu dželadbaša Ibro, sabljom mahnu, ośječe mu glavu; glava mu pade u zelenu travu, a z glave mu pade achmedija. Kad na glavi križi i maiži i na glavi krsti četvertaki! A zaplaka Ćuprilić vezire a prihvati od Achmeta glavu: — »Hvala Bogu i današnjem danu, vigjoh glavu Achmedage starog! Evo mi je mene surgun učinio a ot cara sultan Sulejmana, e preko mora stotinu konaka, evo ima dvanajs godin dana! Sultan Suljo svijet promjenio a osto mu sultan Ibrahime. Sultan Ibro mene dobavio, ja ću mu babi hizmet učiniti, ja ću mu mrtvu hator napraviti!« Pa poteče caru čestitome, mrtvu glavu nosi u rukama pa je baci sultan Ibrahimu; blizu pade kot koljena carskog: — »Eto care murtatina tvoga! eto care dušmanina moga! On ti ne da Egre ni Budima ni Semendre nižje Biograda! On je mene surgun učinio. Bog dade, on izgubi glavu! Sada ću ti tertib učiniti, babi ću ti hator napraviti. Gradi care turali fermana!« Car načini turali fermana. I još mu veli Ćuprilić vezire: — »Šalji ga Bosni kalovitoj, bijelu Sarajevu gradu na ruke gazi Rustanbegu, nek digne butum Bosnu listom. I piši mu u fermanu svome, nek ne piše u majke jedinka, nek ne diže u cara na vojsku. I koji se skoro oženio, i onoga neka śjedi s mirom; jer će ostat majke kukajući a kadune mlade plakajući; klet će tebe sultan Ibrahime i onoga ko je naredio. Ti spremio a ja naredio. Hrgjava nam more dova doći! Nek ti digne butun Bosnu ravnu, sve ot sela po dva sejmenina a ot kasabe po sedam sejmena. Pa nek igje silovita vojska, sultan care, niže Temišvara, gje utiče u Dunavo Sava a pod Budim bijeloga grada. Najpre ćemo Budim uzimati. Sada gradi drugoga fermana, proturi ga na Hercegovinu pa na ruke begu Ljuboviću. Nek podigne svu Hercegovinu, nek ne piše u majke jedinka, ni koji se skoro oženio; jer će stare zakukati majke a kadune zaplakati mlade, tebe kleti care ot Stambola i onoga ko je naredio. Ti si spremo a ja naregjivo pa nam more zla dova dooći! Kada digne svu Hercegovinu sve ot sela po dva sejmenina a ot kasabe po sedam sejmena.« Tada care ferman načinio. Onda veli Ćuprilić vezire: — »Sabur malo sultan Ibrâhime! ej dok spremim dva fermana carska, jedan pravo Bosni kalovitoj a Sarajvu gradu bijelome, ali drugi na Hercegovinu.« Od’ vezire u tatare carske i on diže dva tatara mlada i opremi dva fermana carska. Kad odoše dva fermana berza, jedan sijgje šeher Sarajevu na ruke gazi Rustanbega. Śjede pisat Bosnu kalovitu, al ne piše ko što ferman kaže, da ot sela po dva sejmenina, a ot kasabe po sedam sejmena, veće piše kako je njemu drago: sve ot sela po sedam sejmena a ot kasabe po sedam bajraka. I on piše u majke jedinka i koji se skoro oženio. Drugi sijgje na Hercegovinu. Piše vojsku beže Ljuboviću. I on piše kako je njemu drago, a ne piše kako ferman kaže; vet ot sela po sedam sejmena a ot Kasabe po sedam bajraka. Pa popisa od majke jedinka koji se je skoro oženio. Ondar veli Ćuprilić vezire: — »Čuješ care, čuješ padišahu, Bosna ti je ohrdana stara a Bošnjaci potrebni junaci. A da me care hoćeš poslušati da spremiš za hašluka parâ, neka ti more svak na vojsku pojti!« I car spremi gotovoga mala, na kature natovari, pobro, a opremi šeher Sarajevu pravo gazi Rustanbegu, da dijeli svakome junaku, neka more svako na vojsku pojti. Odoše is Stambola grada, sve kature šeher Sarajevu. Pa se bio petak pregodio, gazi Rustan u džamiji bio, iz džamije tamam ishodio kat katura k’ džamiji dojde. O njoj sitna visi bujruntija; šta mu sitna bujruntija piše? Sve katura u katuru puše. Teke prva pred džamiju sijgje, stražnja na dno Čemaluše bila. Okrenu je gazi Rustanbeže, na goricu otovari mala, na goricu pare dijelio, najgoremu kako najboljemu, svakome pravo kako bratu svome. Ondar veli Ćuprilić vezire: — »Da spremamo ot Stambola vojsku!« Ode vojska ot Stambola grada, pravo sijgje niže Temišvara, gje utiče u Dunavo Sava. Ej, pod Budima bijeloga grada e, leža vojska dva mjeseca ravna. Kada dojgje gazi Rustanbeže i dovede butum Bosnu pustu. I čekaše jedan mjesec dana dok beže Ljuboviću sijgje i dovede svu Hercegovinu. Opletoše od boja koševe, a izdigoše halkali topove, okrenuše bijelu Budimu. Preko Save i preko Dunava biše Budim četiri mjeseca a ne mogu mu ništa učiniti. Ne odbiše kreča ni kamena, kamo li će beden odlomiti; al ne znadu otklem su mu vrata. Onda gazi Rustanbeže kaže: — »E, da se malo zastavimo ovgje, e, da spremimo jednu bujruntiju do Stambola grada bijeloga, do careva mjesta čestitoga a na ruke sultan Ibrâhimu i njegovu Ćuprilić veziru!« Poslušaju gazi Rustambega, ustaviše od boja topove. Beže tanku bujruntiju piše, pod nju brza tatarina viče: — »Jaši konja, naj ti bujruntiju nosi do Stambola grada, i carevu mjestu čestitome! Pa se nemoj bolan prevariti pa je kome drugom pokloniti; podaj je pravo caru stambolskome ja njegovu Ćuprilić veziru; a vidjet ćeš šta im sitna piše!« Hitar tatar konja uzjašio a prifati sitnu bujruntiju pa pobježe ispot Temišvara. Goni dobro konja od mejdana, doćera ga do Stambola grada, do carskoga mjesta čestitoga. Konja sjaše, uze bujruntiju, pravo tachtu i devletu tarče, gje no sultan śjedi Ibrâhime. Opazi ga Ćuprilić vezire, jer se cara prigodio blizu; tamo vezir na noge skočio pa dočeka tatarina carskog: — »Stan tatare, izgubio glavu, dok upitam cara čestitoga, je l ti izun pred njega izići! Jazuk ti je poginuti mladu!« Ustavi se carski tatarine. Još mu veli Ćuprilić vezire: — »Otklem igješ, ot koga si grada?« A tatar mu dževap učinio: — »Od daleka, ispot Temišvara, gje no utiče u Dunavo Sava, gje no carska na okupu vojska i pred njima gazi Rustanbeže. Jednu nosim tanku bujruntiju.« Ondar veli Ćuprilić vezire: — »Daj tatare tanku bujruntiju!« A veli mu tanak tatarine: — »Odmakni se ihtijaru carski! tebi ne dam tanke bujruntije, samo caru u njegove ruke, ja nekakvu Ćuprilić veziru!« Nasmija se Ćuprilić vezire, pa tatara za bijelu ruku, uvede ga caru čestitome. Ondar tatar jami bujruntiju pa je sultan Ibrahimu daje pa pobježe hodaji na vrata. Ondar veli sultan Ibrahime: — »Ćupriliću moja lalo stara! prekiti mi tanku bujruntiju!« Al je gleda Ćuprilić vezire spored njega care Ibrahime. — »Gradio je gazi Rustambeže, spremio je u cara na ruke. Eto care tanka bujrintija! »Nikad ne ćeš uzeti Budima. ne moremo ništa učiniti, niti znamo otklem su mu vrata preko Save i preko Dunava.« — Ondar veli Ćuprilić vezire: — »Čuješ mene care ot Stambola sad i meni valja putovati i ti care Stambol ostaviti! Valja ići niže Temišvara, da vidimo što nam čini vojska, moremo li išta učiniti. Valja care uzeti Budima, valja care hator napraviti tvome babi sultan Sulejmanu!« A veli mu sultan Ibrahime: — »Vezire, kako tebi drago! Jesam li ti govorio davno, da je, bolan, moja carevina a uprava Ćuprilić vezira! da uzmemo Egru i Budima i Semendru niže Biograda!« Ondar vezir na noge skočio i opremi se kot Stambola grada. Kod njega sultan Ibrahime. Ostaviše pašu Seidiju na većinstvu cara čestitoga pa odoše ot Stambola grada. Kudgogj išo Ćuprilić vezire spored njime sultan Ibrahime. Pa sijgjoše niže Temišvara gje no utiče u Dunavo Sava, gje no carska na okupu vojska i pred njima gazi Rustanbeže ot Sarajva bijeloga grada. Za njim beže Ljuboviću, što je pravo ot Hercegovine. Gleda vojsku care ot Stambola, rastavljalo na četiri strane. Ondar veli sultan Ibrahime: — »Ćupriliću moju lalo prava, oklem ti je koja vojska ovde?« Kazuje mu Ćuprilić vezire. Govori mu sultan Ibrahime: — »Oklem ti je ona silna vojska što no ljude srma pritisnula? što no konje srma pritisnula?« Ondar veli Ćuprilić vezire: — »Ono ti je butum Bosna ravna, ondar su ti sve Bošnjaci sami. Ondar sultan Ibrahime kaže: — »Ćupriliću moja lalo prava, megjer nije ni ko što mi ti kažeš!« Veli mu Ćuprilić vezire: — »Kako care, ako Boga znadeš!« — »Ta ti kažeš Bosnu kalovitu, da Bošnjaci potrebni junaci; vidi, njika srma pritisnula! a vid konje srma pritisnula!« Ondar vezir Ćupriliću kaže: — »Čuješ care što ću beśjediti? naki je adet u Bošnjaka. Prodadoše gjegod šta imadoše, odma srmu na se udariše i poda se konja nabaviše, kadno pojgju u tebe na vojsku ondak se tebi u jardumu najgju, kat ti care do obraza dojgje. Kada sijgješ butum Bosni ravnoj, gje su svoje ostavili majke, neki majku, neki sestru mladu, neki care, vijernicu ljubu, — a, kakve su im kuće načinjene! Naokolo plotom opletene a ozgar malo slamom pokrivene a bakreno ni derveno nejma, veće jede iz zemljana suda!« Ondar kaže sultan Ibrahime: — »Sat što ćemo od života svoga? Kako ćemo Budin prehfaćati?« Ondar veli Ćuprilić vezire: — »Čekaj malo care ot Stambola!« Pa on najgje dva telala mlada, pa viknuše na četiri strane: — »Ko će se ovde junak nahoditi, da prepliva Dunavo i Savu, pa da dojgje do Budima grada i da vidi oklem su mu vrata?« Viknuše dva telala mlada, povikaše dva sahata ravna, niko dževap učiniti ne će. Progovori beže Ljuboviću, što se kaže ot Hercegovine: — »Ćupriliću dragi gospodaru! ja ću plivat Savu i Dunavo, našemu caru hizmet učiniti e da se nikad i povratiti ne ću!« Pa skida sa sebe haljina, na debelu nagazio Savu, prepliva Savu i pliva Dunavu. Tamâm Savi na srijedu dojgje, dok na jedno čudo udario: na Savi curu opazio a niza Savu nogu opružila, na nogama gjergjep namjestila, na njemu razapela platno. Ugledala bega Ljubovića, ugledala pa je govorila: — »Doklem hoćeš beže Ljuboviću? Zar te care spremio Budimu? vet da mu vrata tražiš od Budima? Ja vrati se glavu izgubio! ti ne moreš Save preplivati plahe Save, široko Dunavo! Vam se vrati caru čestitome kod njeg ima Ćuprilić vezire. Selam ćeš mi Ćuprilić veziru, vi u polju nojcu prenoćite a u jutru rano uranite. Pa ti reci Ćuprilić veziru, neka digne butun vojsku carsku, neka svako uzme turski avdes na se i pred njima sultan Ibrahime, za njime Ćuprilić vezire; pa klanjajte sabah na uranku. Kad klanjate, dovu učinite, pogledajte bijelu Budimu, vidjet ćete vrata od Budima, uzet ćete bijela Budima!« U nju gleda beže Ljuboviću, zlatne u cure do lakata ruke a niz legja zlatne kose kaže. I ne stade lijepe djevojke! To se beže čudom začudio, na kakvo je čudo nagazio pa se vrati preo Save ravne. Kad izijgje niže Temišvara, što mu kaže Ćuprilić vezire? — »Jesi l išo beže Ljuboviću? jesi l došo preo Save brže?« A šjede mu kazivati beže na kakvo je čudo udario. Pa je tude silna prenoćila vojska; pa u jutru rano podranili. Odma skoči Ćuprilić vezire. Turska vojska avdes prepatila a pred njima sultan Ibrahime, za njime Ćuprilić vezire, pa klanjaše sabah na uranku. Kat su dovu učinili bili pa pogleda Ćuprilić vezire, ugleda vrata od Budima, otvorena obadva kanata! Ondar veli Ćuprilić vezire: — »Eno care vrata od Budima!« Pa udrila silovita vojska. Odma Budim prepatiše carski. Otalem pokrenuše vojsku ravnoj Egri dvanajes sahata. Tu na Egru udariše turci, bogami je vlasi dočekaše. Tu se bila zametnula kavga! Dženak bio za sedam sahata. Sve kleptala ćemerlija kriva, doline se krvi natočile! Dok i Egru prepatiše turci i šehita dosti ostaviše! Otale se podignula vojska pa sijgjoše niže Biograda. Na Semendru udariše staru, najposlije su je vlasi prihfatili prije Egre i prije Budima pa najbolji beden načinili. Pa se brane sa četiri strane tope pale ot Semendre ravne. Tu se malo poharala vojska. Dženak bio i četiri dana. Tu se rani beže Ljuboviću. Pokopaše sve turske šehite i Semendru pripatiše turci. Otalem se pokrenula vojska. Pred njima sultan Ibrahime, za njime Ćuprilić vezire, za njime gazi Rustam beže, spored njime beže Ljuboviću. Pa sijgjoše do Stambola ravna do careva tachta i devleta. Tude bješe jedan mjesec dana, tursku svakut raspustiše vojsku, mrtvu caru hator napraviše, mrtvu caru sultan Sulejmanu. Ondar veli sultan Ibrahime: — »Ljuboviću ot Hercegovine! eto tebi sva Hercegovina, da ti ništa uzimati ne ću, malo vakta, dvanajs godin dana, ni bijele pare ni dinara!« Onda veli gazi Rustambegu: — »A gazijo ot Sarajva ravnog! Hajde jadan šeher Sarajevu, džamiju si novu načinio a ja ću platit a ti si poharčio. A što džamija ima u Sarajvu a svakoj ćeš biti nadzordžija od vakufa u šeher Sarajvu, da ti ništa uzimati nejma Stambul gradu bijelome doklegod je turska Bosna ravna!« A beśjedi Ćuprilić veziru: — »A veziru moja lalo prava, što ću tebi pekšeš učiniti?« Ondar veli Ćuprilić vezire: — »Što ti hoćeš dragi sultan Ibrahime?« Ondar veli sultan Ibrahime: — »Hajde pravo Bosni kalovitoj i Travniku gradu bijelome, ondi budi na Bosni valija!« Ode vezir bijelu Travniku a gazija šeher Sarajevu a Ljubović na Hercegovinu, osta care na devletu svome. Von Köprülü, dem Vali in Travnik. In Krankheit fiel der Sultan Suleimân in seiner weissen Herrscherstadt Istambol auf seinem Throne wohl in seinem Reiche am dritten Tag des Monats Rāmazân, wohl auf dem Schosse Ibrahîms des Sohnes. Er kränkelte den ganzen Rāmazân. Am Abend vor des Bajramfestes Anbruch, da sprach zu ihm der Sultan Ibrahîm: — »O hör’, mein Vater Sultan Suleimân! du kränkelst nun den ganzen Rāmazân; heut abends vor des Bajramfestes Anbruch, was meinst du nun, wirst du die Krankheit meistern? wie? oder meinst du, dass der Tod dir naht?« Darauf bemerkt ihm Sultan Suleimân: — »Mein lieber Sohn, o Sultan Ibrahîm! bei Gott, die Krankheit übersteh’ ich nimmer, im Augenblicke werd’ ich dir versterben!« Da spricht zu ihm der Sultan Ibrahîm: — »O liebster Vater, Sultan Suleiman! was schafft dir soviel Leid in deinem Sterben? hat Leid dein Herz um diesen Ort des Heiles? tut leid dir deine ganze Kaiserherrschaft? tut leid dir um die Lalen und Ridžalen, um deine Stellvertreter, die Veziere? leicht um die neun erwählten Sultaninnen? leicht gar um mich den Sohn, den zarten Jüngling?« Da sagt zu ihm der Sultan Suleimân: — »O du mein Sohn, o Sultan Ibrahîm! ich trag kein Leid um diesen Ort des Heiles, und kenn’ kein Leid um meine Kaiserherrschaft und hab’ kein Leid um Lalen und Ridžalen, noch um Veziere, meine Stellvertreter, noch um die neun erwählten Sultaninnen, auch nicht um dich, mein Sohn, den zarten Jüngling! Doch mir, o Sohn, am meisten liegt am Herzen: drei beste Städte sind zurückgeblieben in Kafirhänden, aber nicht in meinen; die eine Erlau und die and’re Ofen, dazu Seméndra tieferwärts von Belgrad. — Auch tut’s mir leid um Köprülü den Edlen! Das war ein alter Diener seines Herrn! Verräter hatten ihn bei mir verleumdet, ich hab’ ihn dann geschickt in die Verbannung weit übers Meer an hundert Lagerrasten; zwölf Jahre sind seit damals schon verflossen, und darum werd’ ich nun zu früh versterben! Doch horch der Rede, Ibrahîm, mein Sohn! Sobald ich hier auf deinem Schoss’ entschlumm’re, erscheinen hier die Hodžen und die Hadži, die Mollah auch, es sammeln sich die Kadi; ausstatten wird man mich, o Söhnchen Ibro, forttragen wird man mich, o Sohn, zum Grabmal, zum Denkmal auf dem Grab des heiligen Ali, zum Inschriftstein der heiligen Fatîm, und dort, mein Sohn, dort wird man mich begraben, und auch ein Grabmal wird man auf mich setzen. Du aber flieh davon von meinem Grabmal! — Und wie du kommst zum Thron und Reichpalaste verschliess dich in den festen Käfig, Sohn! Bald kommen nach die Hodžen und die Hadži und rufen dich, — du öffne ihnen nicht! Dann kommen nach die Mollah und die Kadi und rufen dich, — du öffne ihnen nicht! Dann kommen nach die Lalen und Ridžalen und rufen dich, — du öffne ihnen nicht! Dann, Sohn, dann kommen alle die Veziere, die hier mir Dienst geleistet in Istambol, und rufen dich, — du öffne ihnen nicht! Letzt kommen auch die Janičarenbaschen; und rufen dich die Janičarenbaschen: »O Sultan Ibrahîm, Prophetensprössling! Magst du selbst uns die Türe nicht eröffnen?« Dann endlich riegle auf des Käfigs Türe; dich nehmen drauf die Janičarenbaschen und hüllen dich in des Propheten Mantel, und stülpen dir aufs Haupt die goldene Mütze und setzen dich auf meinen Platz hinauf! Traun! sie erheben dich zum neuen Kaiser! Es werden alle Lalen und Ridžalen und die Veziere und die Stellvertreter, geführt vom Siegelhüter, hier erscheinen, an seiner Seite Pascha Seïdi. Das wird wohl gut drei weisse Tage währen, und Wunder nimmt’s die Lalen und Ridžalen, was wohl der neue Kaiser wird verordnen, was für Erlässe er nun wird verkünden. Aufjammernd wird der Siegelhüter fragen: — »O Gnade, Kaiser, o Prophetensprössling! was spannst du uns drei weisse Tag’ auf Folter! gewähr uns hier Bescheid nach Lust und Liebe!« Dann, Kaiser, sprich mit leiser Stimme also: »Wer unter Euch ist Köprülü der Vezier?« Zur Antwort gibt dir wohl der Siegelhüter: »Hier weilt dir nicht Herr Köprülü der Vezier; der Vezier ist schon hochbetagt bei Jahren, der Vezier weilt auf seinem Meierhofe.« Darauf entgegne du dem Siegelhüter: »Den Vezier her, sonst hau’ ich dir das Haupt ab!« Der Siegelhüter wird darob erschrecken, er wird betroffen, fassunglos verstummen; nun wird dir sagen Pascha Seïdi: — »O Gnade, Kaiser, o Prophetensprössling! o weh, dein Vater selbst hat ihn verbannt, ach! über’s Meer an hundert Lagerrasten; zwölf Jahre sind seitdem schon hingeflossen. Gewähr uns einen Ferman mit dem Namen, gewähr uns auch die Frist von vierzig Tagen, wir schaffen dir den Vezier her zur Stelle!« O Sohn, erteil den Ferman mit dem Namen, sie werden dir den Hodža her verschaffen. Und wann dir anlangt Köprülü der Vezier, sprich so zu ihm, mein Söhnchen Ibrahim: »O alter Lala meines teuren Vaters! mein Vater tauschte diese Welt mit jener, doch liess bei mir er einen Gruss für dich. Gehört mir auch das ganze Kaiserreich, ist die Verwaltung, Köprülü, doch dein! Lass Erlau uns erobern und auch Ofen, dazu Seméndra tieferwärts von Belgrad! erfüllen wir des Vaters Wunsch und Willen!« Da tauschte früh er diese Welt mit jener. O weh! so sprach der Sultan Suleimân; o weh! er starb auf seines Sohnes Schosse, und jammernd schluchzte Sultan Ibrahim. Es sammeln sich sie Hodžen und die Hadži, es kommen an die Mollah und die Kadi, sie statten aus den wackersten der Kaiser und tragen fort den Kaiser hin zum Grabmal, ja wohl, zum Grabmal hin des heiligen Ali, zum Säulenstein der heiligen Fatim. Sie bargen Sultan Suleimân ins Grab und stellten über ihm ein Grabmal auf. Da floh davon der Sultan Ibrahim und schloss sich ein in seinem festen Käfig. Nun kommen her die Hodžen und die Hadži, und rufen ihn, er soll die Tür eröffnen, doch mag er ihnen nicht die Tür eröffnen. Dann rufen ihn die Mollah und die Kadi, eröffnen mag er ihnen nicht die Tür. Drauf rufen ihn die Lalen und Ridžalen, selbst ihnen riegelt er nicht auf die Tür. Es nah’n die Stellvertreter, die Veziere, eröffnen mag er ihnen nicht die Tür. Letzt rufen ihn die Janičarenbaschen: — »O Sultan Ibrahim, Prophetensprössling! magst du selbst uns die Türe nicht eröffnen?« Nun schloss sich auf der Sultan Ibrahim; es nahmen ihn die Janičarenbaschen, und hüllten ihn in des Propheten Mantel und stülpten auf sein Haupt die gold’ne Mütze und trugen ihn zum Thron und Reichpalaste und setzten ihn wohl auf den Kaiserstuhl, und, traun, erhoben ihn zum neuen Kaiser! Zum Divan nah’n die Lalen und Ridžalen und die Veziere, seine Stellvertreter, an ihrer Spitze steht der Siegelhüter, an seiner Seite Pascha Seïdi. So harrten sie vor ihm drei weisse Tage, und bald geraten sie in mächtig Wundern: »Was wird der neue Kaiser uns verordnen! was für Erlässe wird er uns verkünden?« Aufjammernd sprach zuletzt der Siegelhüter: — »O gib Bescheid uns, Kaiser von Istambol!« Nun sprach das Wort der Sultan Ibrahim: — »Wer ist mir hier Herr Köprülü der Vezier?« Darauf entgegnet ihm der Siegelhüter: — »Fürwahr, der Vezier ist schon sehr gealtert, er weilt auf seinem grossen Meierhofe!« Darauf zu ihm der Sultan Ibrahîm: — »Den Vezier her, sonst hau’ ich dir das Haupt ab!« Vor Furcht erbebend steht der Siegelhüter und schweigt beklommen, spricht kein einzig Wörtchen. Da nahm das Wort der Pascha Seïdi: — »O Gnade, Kaiser, o Prophetensprössling! Dein Vater schickte fort ihn in Verbannung, weit übers Meer an hundert Lagerrasten, zwölf Jahre sind seitdem schon hingeflossen. Gewähr uns einen Ferman mit dem Namen, gewähr uns eine Frist von vierzig Tagen, wir schaffen dir den Vezier her zur Stelle; dann sitzst du da, dein Vezier steht vor dir!« Der Kaiser gab den Ferman mit dem Namen und liess auch eine Frist von vierzig Tagen. Es nahm der Pascha Seïdi den Ferman, nach allerwärts zerstiebt sodann der Divan. Schnellfüssig rennt der Pascha Seïdi, er rennt in das Tatarenheim des Kaisers und fragt nach Idris, nach dem Hof-Tataren, dem allerflinksten Hofkurier des Kaisers. Drauf gibt er ihm den Ferman mit dem Namen, und küsst und herzt ihn ab auf beide Wangen: — »O Idris, sei durch Gott mir wahlverbrüdert! renn schleunigst, such mir auf den Köprülü und führ ihn vor den Kaiser, Heil mit ihm! Du hast, o Sohn, die Frist von vierzig Tagen!« Da hing sich Idris um die Reisetasche, verbarg den Ferman wohl in seiner Tasche und schwang im Nu sich auf das schnelle Ross. Ei, rennt da hurtig der Tatar des Kaisers und kommt gerannt zur dicken Flut des Meeres, am Meergestade steigt er ab vom Rosse. Ein schnelles Ruderschiff empfing ihn allda, drin liess sich der Tatar des Kaisers nieder und schlug mit Händen auf den jungen Schiffer: — »Fahr rascher zu, sonst hau’ ich dir das Haupt ab!« Ei, schnell durchfurcht das Schiff des Meeres Wellen! Sobald als er das dicke Meer verlassen und auf der trocknen Erde Fuss gefasst, so schwang er sich aufs vorbereitet Rösslein und jagte hin dem kalten Meer entlang. Frühzeitig war’s, noch vor der lieben Sonne, als seine dunklen Augen dort erschauten, als sie am Strand des kühlen Meers gewahrten wohl einen hochbetagten, alten Herrn; der Bart so weiss und silbergrau das Haupt und seinen Körper schmückt ein grüner Rock; er schürzt auf seinen Armen auf die Ärmel, um just die türkische Waschung vorzunehmen. Da rief ihm der Tatar den türkischen Gruss zu. Der Greis bedankte sich mit Gegengruss und Tränen perlten über seinen Bart, so wie von Tannenzweigen Regentropfen. Darob sich wundert der Tatar des Kaisers und hält im Lauf sein schnelles Rösslein an: — »Ehrwürdiger Greis, so lieb dir beide Welten, warum soviel vergiesst du grause Tränen?« Aufjammernd gab zur Antwort ihm der Greis: — »Ach weh! wie sollt’ ich keine denn vergiessen! zwölf Jahre sind schon wohl dahingeflossen, dass keinen Sultanboten ich erschaut, noch einen Sultanferman an dem Boten! Wie viele hab’ ich selber ausgefertigt am Hof des Kaisers Sultan Suleimâns! Doch sprich, wie weit bemühst du dich, mein Sohn, und trägst den Ferman, jagst die schnellen Pferde?« Da spricht der Mann: »Ich such’ den Köprülü!« Darauf bemerkt der Greis mit leiser Stimme: — »Der Vezier Köprülü, der bin ich selber!« Vom Rosse schwang sich der Tatar des Kaisers und zog heraus den kaiserlichen Ferman und übergab ihn Vezier Köprülü. Der Vezier küsste gleich dreimal den Ferman und liess ihn nieder auf den grünen Rasen. Dann nahm er vor mit sich die türkische Waschung. Sonach entfaltet er des Kaisers Ferman und liest ihn und vergiesst darüber Tränen. Der Ferman mit dem Namen sagt ihm nämlich: »O Köprülü, du kaiserlicher Kämpe, komm schnellstens nach Istambol in die Stadt!« Es sprang sofort der Vezier auf die Beine und ging zum Schiff hinab mit dem Tataren; sie setzten sich ins schnelle Schiff hinein. Der Schiffer gab dem Schiff den schnellsten Lauf. Sie schifften glücklich übers dicke Meer, und als sie auf das trockne Land gelangten, so schwangen sie sich auf die feisten Pferde. Es rennt viel schneller der Tatar des Kaisers, es rennt ihm nach der Vezier Köprülü, er rennt und rennt und schreit auf den Tataren: — »Gemach, gemach, o Idris Hof-Tatare! o meine Knochen sind im Leib zerbrochen, und meine Kleidung ist mir auch zerschlissen, den Dienst versagen mir auch meine Hände, und beide Füsse sind mir abgefallen, ich kann mich nicht behaupten mehr, o Sohn!« Darauf entgegnet der Tatar des Kaisers: — »Ach tummle dich, o Herr, so Gott dir lieb ist! wofern mir vierzig Tage Frist verstreichen und du in Stambol in der Stadt nicht anlangst, so fliegt von meinem Leib das Haupt herab!« Drauf sagt zu ihm der Vezier Köprülü: — »Sei ohne Furcht, o Idris Hof-Tatare, solange mit dir der Vezier Köprülü: o Tropf, dich säbelt nicht der Kaiser nieder, o junger Freund Tatar, schon mir zu Liebe, und bliebst du aus auch volle hundert Tage!« So sprachen sie und ritten ihre Rosse, bis sie nach Stambol in die Stadt gelangten. Sobald der Vezier vor den Kaiser hinkam, so flog er zu des Kaisers Rockschoss hin, der Kaiser aber fing ihn bei der Hand: — »Halt ein, steh aufrecht, mein getreuer Diener, du brauchst dich meinem Kleide nicht zu nahen! Mein Vater, als er diese Welt vertauschte, da liess er einen Gruss bei mir für dich. Wohl mein ist insgesamt das Kaiserreich, doch dein ist die Verwaltung in Istambol! Erobern müssen Erlau wir und Ofen, dazu Seméndra tieferwärts von Belgrad! »O Jammer, Herr, drei kaiserliche Städte, und alle drei in Kafirhand verblieben! Drauf tauschte früh er diese Welt mit jener. Lass uns des Kaisers Städte drei erobern, erfüllen wir’s aus Liebe für den Toten!« Der Kaiser zieht heraus das Kaisersiegel, reicht dar das Siegel Köprülü dem Vezier, dass ihm der Vezier Siegelhüter sei. Es schlägt das Siegel aus Herr Köprülü; denn schon dreimal besass er’s Kaisersiegel, und hatt’ es auch dreimal zurückgestellt. — »Halt ein, halt ein, o liebster Padischah! es hält nicht leicht den Blick auf dich zu werfen, geschweige denn mit dir zu unterreden, doch heute gilt’s ein männlich Wort zu reden. O Padischah! dein Siegel nehm’ ich nimmer, und nimmer mag ich etwas dir verwalten, wofern du meinen Willen nicht erfüllst, den ich, o Kaiser, dir nun sagen werde!« Darauf zu ihm der Sultan Ibrahîm: — »O sag’s heraus, mein Vezier Köprülü, nur frisch heraus, was dir am Herzen liegt!« Da spricht zu ihm Herr Köprülü der Vezier: — »Willst du Genehmigung mir hier gewähren, und was du sagst, auch nimmer widerrufen?« — »So sei’s, bei Gott, o Vezier Köprülü, der Kaiser spricht’s, — dem Kaiser ziemt nicht Lüge!« Da hub der Vezier also an zu sprechen: — »Gewähr mir freie Hand auf vierzig Tage, was ich auch tu, dass du’s mir nicht verkürzest!« Er gab ihm freie Hand auf vierzig Tage, er möge tun, was immer ihm behage. Nun kehrt zurück der Vezier Köprülü und ruft herbei den Pascha Seïdi: — »Wohlan, so führ’ mir her der Rufer vier!« Es kamen hin sogleich der Rufer vier. Da sagte laut Herr Köprülü zu ihnen: — »Vier Herolde, so horcht auf meine Worte: zieht aus und ruft durch Stambol durch die Stadt: »Soviel es immer gibt zu Stambol Lalen, soviel als Lalen und soviel Ridžalen, dazu Veziere Kaiserstellvertreter, vor allen doch der alte Achmedaga, das Oberhaupt von allen den Vezieren, das Alterhaupt von allen den Ridžalen, der höher steht denn alle andren Lalen, — in die Moschee des Kaisers, in die alte, in die Moschee, die alte, sollt Ihr kommen! Es traf der Kaiser solcher Art Verfügung; denn einen Kriegzug will der Kaiser führen, hier muss er Gold verteilen unter Euch!« Vier Herolde nun liefen fort behende, drei weisse Tage lang erscholl ihr Rufen, sie kamen dann zum Vezier Köprülü: — »O Köprülü, du alter Kaiserdiener, in der Moschee, der alten, sind sie alle!« Da sprang er auf, der Vezier Köprülü, und rief zusammen dreissig Henkerknechte und obenan den Henkerpascha Ibro. Zu ihm nun sprach der Vezier Köprülü: — »O Henkeroberhaupt von dreissig Henkern, so lass uns gehn zu der Moschee, der alten; wir bleiben stehn vor der Moschee, der alten; wer auch drin weilt in der Moschee, der alten; und heil aus der Moschee herauskommt, Ibro, und heil sein Haupt auf seinen Schultern fortträgt, dann wird dein Haupt dir abgesäbelt, Ibro! Drum übergeh in Schonung niemands Haupt!« Sie steigen zur Moschee, zur alten, nieder. Aufstellung nahmen dort die dreissig Henker, an ihrer Spitze Henkerbascha Ibro, und ihm zur Seite Vezier Köprülü. Zur Türe sandten sie nun einen Herold, der Herold rief vor der Moschee, der alten: — »O kommt heraus aus der Moschee, der alten! Der Kaiser ruft euch aufs Gestade tauig!« Es drängten sich die Lalen und Ridžalen und die Veziere, Kaiserstellvertreter; Trat wer heraus aus der Moschee, der alten, flugs stand nicht mehr sein Haupt auf seinen Schultern. Verlassen hatten alle die Moschee, nur einer fehlt, der Lala Achmedaga, der Obristlala aller der Ridžalen, das Alterhaupt von allen den Vezieren. Da schrie laut auf der Vezier Köprülü: — »So geh hinein denn, Henkerbascha Ibro, geh mal hinein in die Moschee, die alte, heraus mir führ den Lala Achmedaga!« Man hört den Lala Achmedaga wimmern: — »O Henkerhauptmann, sei durch Gott mein Sohn! o raub mir von den Schultern nicht das Haupt, dann geh ich schon vor die Moschee, die alte!« Darauf entgegnet Henkerhauptmann Ibro: — »Geh frohen Muts, o alter Achmedaga!« Es schlich heraus der alte Achmedaga, sein Bart ist weiss und silbergrau sein Haupt, kein Zahn ist mehr in seinem Mund vorhanden, auf seinem Kopf ein alter weisser Turban. Den Säbel schwang der Henkerbascha Ibro, er schwang den Säbel, schlug ihm ab das Haupt; es fiel sein Haupt ins grüne Gras hinab und von dem Haupte fiel herab der Turban. Am Haupte sieh! die Kreuze und Marien, Dazu am Haupte Kreuze in Gevierten! Dem Vezier Köprülü entstürzten Tränen und Achmeds Haupt vom Boden hob er auf: — »Gedankt sei Gott, der heutige Tag gepriesen, ich sah das Haupt des alten Achmedaga! Der da, der hat gemacht mich zum Verbannten, durch Ränke bei dem Sultan Suleimân, — weit übers Meer an hundert Lagerrasten, — zwölf Jahre sind seitdem schon hingeflossen! Der Sultan Suleimân, der ist verschieden, und hinterblieben Sultan Ibrahîm. Der Sultan Ibrahîm, der liess mich kommen; ich werde seinem Vater Dienste leisten, dem Toten werd’ ich eine Lieb’ erweisen!« Dann lief er hin zum wackersten der Kaiser, das tote Haupt, das trug er in den Händen und warf es hin vor Sultan Ibrahîm; es kollerte ganz nah zum Knie des Kaisers: — »Hier, Kaiser, schau dir deinen Erzverräter! das, Kaiser, ist dir mein geschworner Feind! Der wehrt dich ab von Erlau und von Ofen und von Seméndra tieferwärts von Belgrad! Er war’s, der mich geschickt in die Verbannung. So wollt’ es Gott, er musst’ sein Haupt verlieren! Nun werd’ ich dir mit meinem Rate dienen und deinem Vater eine Lieb’ erweisen. Schreib, Kaiser, einen Ferman mit dem Namen!« Da schrieb der Kaiser einen Namenferman. Noch spricht zu ihm der Vezier Köprülü: — »O send ihn ab ins lehmige Land der Bosna nach Sarajevo in die weisse Stadt, zu Handen Rustanbegs des Glaubenstreiters, ausheb er Mann und Ross im Bosnaland! Und leg’s in deinem Ferman ihm ans Herz, den einzigen Sohn der Mutter nicht zu nehmen, ins kaiserliche Heer ihn nicht zu pressen; auch jenen, der sich kürzlich erst beweibt, er soll auch solchen Mann in Ruh’ belassen; denn jammerklagend weinen sonst die Mütter, und junge Edelfraun verbleiben weinend und fluchen dir, o Sultan Ibrahîm und jenem Mann, der solches angeordnet; du hast’s befohlen, angeordnet ich. Ein schlimmer Segen könnte heim uns suchen! Er soll das ganze Bosnaland erheben, von jedem Dorf je zwei bewehrte Mannen, von jedem Markt je sieben reisige Kämpen. Dann soll das machtgewaltige Heer, o Kaiser, ausziehn, o Sultan, unter Temešvar, dort wo die Save in die Donau mündet und unterhalb der weissen Stadt von Ofen; vor allem wollen Ofen wir erobern. Jetzt aber schreib noch einen andren Ferman, und lass ihn abgehn in das Land des Herzogs zu Handen Ljubovićs des edlen Begs. Er soll das ganze Herzogland erheben, nur nehm er nicht den einzigen Sohn der Mutter, noch jenen, der sich kürzlich erst beweibt; sonst jammern alte Mütter ach und wehe, und junge Frauen brechen aus in Tränen und fluchen dir, dem Kaiser von Istambol, und jenem Mann, der solches angeordnet; von dir ist der Befehl, von mir die Weisung; ein schlimmer Segen könnte heim uns suchen! Wann er das ganze Herzogland erhebt, von jedem Dorfe nehm er je zwei Mannen, von jedem Markt je sieben reisige Kämpen.« Der Kaiser machte nun den Ferman fertig. Da nahm das Wort der Vezier Köprülü! — »Geduld ein wenig, Sultan Ibrahim! bis ich die zwei Fermane abgesendet, den einen gradenwegs ins lehmige Bosna nach Sarajevo in die weisse Stadt, den andren aber in das Herzogland.« Es eilt in das Tatarenheim des Kaisers der Vezier, rüstet junge zwei Tataren und sendet ab des Kaisers zwei Fermane. Es zogen fort die schnellen zwei Fermane. Der eine stieg hinab nach Stadt Sarajvo zu Handen Rustanbegs des Glaubenstreiters. Er schreibt das Aufgebot ins Bosna-Kotland, doch heischt er nicht nach dem Geheiss des Fermans von jedem Dorf nur je zwei reisige Mannen, von jedem Markt je sieben reisige Kämpen; er heischt vielmehr nach eigenem Behagen, von jedem Dorf je sieben reisige Mannen, dazu von jedem Markt je sieben Fähnlein. Auch bot er auf den einzigen Sohn der Mutter und auch den Mann, der jüngst sich erst beweibt. Der zweite stieg hinab ins Land des Herzogs. Es bietet auf das Heer Beg Ljubović und hält sich auch nicht ans Geheiss des Fermans; er schreibt vielmehr nach eigenem Belieben und heischt vom Dorf je sieben reisige Mannen, dazu von jedem Markt je sieben Fähnlein. So bot er auf den einzigen Sohn der Mutter und auch den Mann, der kürzlich sich beweibt. Dann sprach das Wort der Vezier Köprülü: — »O hör mich, Kaiser, hör mich Padischah, an! im Bosnaland, ist immerdar ein Notstand und die Bošnjaken sind bedürftige Helden. Ach, tätst du, Kaiser, meinen Rat befolgen, entsenden Geld für sie zur Reisezehrung, dass jeder folgen könnt im Heereszuge!« Gleich macht der Kaiser bares Geld bereit, Maultiere lässt er, Freund, damit beladen und schickt sie in die Stadt nach Sarajevo gerad zu Rustanbeg, dem Glaubenstreiter, dass jeden Helden er damit beteile, damit ein jeder folgen kann dem Heerbann. Es zogen fort aus Stambol aus der Stadt nach Sarajevo all’ die Maultierlasten. An einem Freitag war’s. Der Glaubenstreiter Beg Rustan war in der Moschee und eben verliess nach dem Gebet er die Moschee, als zur Moschee die Maultierlasten kamen. Am ersten hängt die Meldung, fein geschrieben. Was mag ihm wohl die feine Meldung sagen? Ein Maultier schnaubt das andre Maultier an; wie’s erste vor die Hauptmoschee gelangte, am End der Čemaluša stand das letzte. Es trieb sie fort der Glaubenstreiter Rustan; dort auf dem Abhang lud er ab die Schätze und teilte auf dem Abhang aus die Schätze, beteiligte den letzten gleich dem besten, doch jeden recht, als wie den eig’nen Bruder. Dann sprach das Wort der Vezier Köprülü: — »So lass das Heer uns aus Istambol schicken!« Fort zog das Heer aus Stambol aus der Stadt und liess sich nieder unter Temešvar, dort wo die Save in die Donau mündet. Wohl unterhalb der weissen Stadt von Ofen, dort lagerte das Heer zwei volle Monde. Bald kam auch Rustanbeg der Glaubenstreiter und brachte mit das ganze wüste Bosna. Dann harrten sie wohl einen vollen Monat, bis Ljubović der Beg hinzugestossen und hingebracht das ganze Herzogland. Sie flochten für den Kampf die Schutzgeflechte und pflanzten auf die Räder Feldkartaunen und schlugen ein das Ziel zum weissen Ofen. Vier Monde lang sie Ofen bombardierten über die Save und den Donaustrom und waren nicht im Stand, der Stadt zu schaden, nicht Kalk, nicht Stein der Mauer abzuschlagen, geschweige denn den Mauerwall zu brechen, und wissen gar nicht, wo das Festungtor. Da sprach Herr Rustanbeg, der Glaubenstreiter: — »So lasst uns eine Weile hier verweilen und lasst uns einen Meldungbrief entsenden nach Stambol in die weissgetünchte Stadt zu unsres Kaisers glückumstrahlten Throne, zu Handen unsres Sultans Ibrahîm und seines Grossveziers, des Köprülü!« Sie folgten Rustanbeg, dem Glaubenstreiter, und stellten ein der Kriegkanonen Donnern. Der Beg verfasst den feinen Meldungbrief und ruft herbei den flinksten der Tataren: — »Aufs Pferd hinauf, da nimm den Meldungbrief und trag ihn fort nach Stambol in die Stadt zum glückumstrahlten kaiserlichen Throne! Und irr’ dich etwa nicht, mein guter Junge, und überreich’ ihn keinem andren Manne als nur allein dem Kaiser in Istambol, falls nicht zur Hand der Vezier Köprülü; du wirst schon sehen, was das Briefchen sagt.« Aufs Ross sich schwang der schnelle Feldtatar und nahm den feinen Meldungbrief entgegen und floh davon aus Temešvars Gemarkung. Er jagt den Schlachtenzelter wild und wütig und jagt mit ihm nach Stambol in die Stadt zum glückumstrahlten kaiserlichen Throne. Er steigt vom Pferd herab und nimmt den Brief, rennt grad zum Throne hin und Reichpalaste, wo Sultan Ibrahîm im Glanze thront. Bemerkt hat ihn der Vezier Köprülü, der eben in des Kaisers Nähe weilte; der Vezier sprang vom Polster auf die Beine und hielt des Kaisers Feldtataren auf: — »So wart, Tatar, du sollst den Kopf verlieren, bis ich den wackren Kaiser erst befragt, ob’s dir gestattet wird, vor ihn zu treten! Es wär’ doch schad, du stürbst so jung an Jahren!« Da blieb der Feldtatar des Kaisers stehen. Dann fragt ihn noch Herr Köprülü der Vezier: — »Woher des Wegs? aus welchem Orte bist du?« Und der Tatar der stand ihm Red’ und Antwort: — »Aus weiter Ferne, unter Temešvar, allwo die Save in die Donau mündet, allwo des Kaisers ganzes Heer gelagert und obenan der Glaubenstreiter Rustan. Ich bring da einen feinen Meldungbrief.« Drauf sprach das Wort Herr Köprülü der Vezier: — »Gib her den feinen Meldungbrief, Tatare!« Doch spricht zu ihm der schlanke Feldtatare: — »Mir aus dem Weg, du kaiserlicher Schranze! dir geb ich nicht den feinen Meldungbrief, dem Kaiser nur allein zu eignen Handen; wo nicht, nur einem sichern Köprülü!« Es lachte satt sich Vezier Köprülü, nahm an der weissen Hand den Feldtataren und führt’ ihn vor den wackren Kaiser hin. Da nimmt den Meldungbrief der Feldtatare und überreicht ihn Sultan Ibrahîm und rennt im Saal zurück zur Eingangtüre. Darauf hub an der Sultan Ibrahîm: — »O Köprülü, o du mein alter Lala! so liess mir vor den feinen Meldungbrief!« Der Vezier Köprülü den Brief betrachtet, an seiner Seite Kaiser Ibrahîm. — »Die Unterschrift: ,Beg Rustan Glaubenstreiter’, er sandte diesen Brief zur Hand des Kaisers. Das, Kaiser, ist ein feiner Meldungbrief! »Du wirst die Stadt von Ofen nie erobern. Gar nichts vermögen wir der Stadt zu schaden, auch wissen wir nicht wo das Stadttor ist, das gen die Save führt und gen die Donau.« — Darauf bemerkt der Vezier Köprülü: — »O hör mich an, du Kaiser von Istambol! nun muss auch ich mich auf die Wander machen, auch du mein Kaiser, musst nun Stambol lassen. Wir müssen wandern hin nach Temešvar damit wir sehn was unser Heer verrichtet, ob wir im stande sind, was auszurichten. Wir müssen, Kaiser, Ofen uns erobern, und, Kaiser, einen Liebedienst erweisen, wohl deinem Vater Sultan Suleimân!« Darauf bemerkt der Sultan Ibrahîm: — »Wie’s immer dir beliebt so handle, Vezier! hab’ ich’s dir nicht schon lang vordem gesagt: das Kaiserreich ist mein, o guter Freund, doch die Verwaltung Vezier Köprülüs! dass Erlau wir erobern und auch Ofen, dazu Seméndra tieferwärts von Belgrad!« Da sprang der Vezier hurtig auf die Beine und rüstete sich in der Stadt Istambol, an seiner Seite Sultan Ibrahîm. Sie hinterliessen Seïdi, den Pascha, als Stellvertreter eines wackren Kaisers, und zogen fort von Stambol aus der Stadt. So zog des Wegs der Vezier Köprülü und neben ihm der Sultan Ibrahîm. Sie stiegen nieder unter Temešvar, allwo die Save in die Donau mündet, allwo das türkische Heer im Lager stand, an seiner Spitze Rustan, Glaubenstreiter, aus Sarajevo aus der weissen Stadt, als Unterfeldherr Ljubović der Beg, der mitten aus dem Herzoglande stammt. Und Heerschau hält der Kaiser von Istambol; vier Lager bildete die ganze Heermacht. Da stellt die Frage Sultan Ibrahîm: — »O Köprülü, du mein getreuer Diener, aus welchem Land ist jedes einzeln Heer?« Bescheid erteit ihm Köprülü der Vezier. Es spricht zu ihm der Sultan Ibrahîm: — »Aus welchem Land ist jenes mächtige Heer, dess Volk mit Silber und mit Gold beladen, dess Rosse reich mit Goldgeschmeid beladen?« Darauf bemerkt der Vezier Köprülü: — »Das ist das Aufgebot des ebnen Bosna, dort sind allein dir alle die Bošnjaken.« Da sagt ein Wort der Sultan Ibrahîm: — »O Köprülü, du mein getreuer Lala, wohl steht nicht alles so, wie du mir’s darstellst!« Darauf betroffen Köprülü der Vezier: — »Was meinst du Kaiser, sprich, so lieb dir Gott ist!« — »Du schilderst mir das Bosnaland als lehmig und die Bošnjaken als bedürftige Helden; nun schau, die sind mit Goldgeschmeid beladen, und schau die Rosse, silberreich beladen!« Darauf bemerkt der Vezier Köprülü: — »O hör mich, Kaiser, an, was ich nun sage! das ist ein leidiger Brauch im Bosnavolk. Wo einer was besass, er hat’s verschachert und gleich mit Gold und Silber sich behangen und unterm Leib ein Ross sich angeschafft, damit er, wann es gilt, ins Heer zu rücken, wenn’s not tut deine Ehre hoch zu halten, gleich ausgerüstet seinen Mann dir stelle. Stiegst du hinab ins ebne Bosnaland, wo ihre Mütter sie zurückgelassen, der seine Mutter, der die junge Schwester, und mancher, Kaiser, sein getreues Eh’lieb; da sähst du erst wie ihre Häuser ausschaun! Mit Zaunwerk sind sie ringsherum umflochten und obenauf mit Stroh bedeckt ein wenig; da fehlt’s an Kupfer- und an Holzgeschirr, man isst vielmehr aus irdenen Gefässen!« Darauf bemerkt der Sultan Ibrahîm: — »Was fangen wir nun an mit unsrem Leben? wie werden wir die Ofner Stadt erstürmen?« Darauf erwidert Köprülü der Vezier: — »So wart ein wenig, Kaiser von Istambol! Nun sucht er auf zwei junge Heeresrufer, sie rufen aus nach allen Himmelstrichen: — »Wer wird als Held im Heere sich bewähren, wer kann die Donau und die Sau durchschwimmen, um bis zur Ofner Festung hinzukommen, und wo der Festung Tor ist, zu erkunden?« So riefen aus die beiden jungen Rufer; ihr Rufen hallte zwei geschlagne Stunden, doch mochte niemand zum Bescheid sich melden. Da sprach ein Wort Herr Ljubović der Beg, der nach dem Herzoglande sich benennt: — »O Köprülü, o teuerster Gebieter! ich will die Donau und die Sau durchschwimmen und unserm Kaiser einen Dienst erweisen, und kehrt ich nun und nimmermehr zurück!« Schon wirft er ab von seinem Leib die Kleidung. Er stürzt sich in den dicken Savestrom, durchschwimmt die Save, lenkt zur Donau ein. Just war er in des Savestromes Mitte, als ihm ein Ding gar wundersam begegnet: ein seltsam Mädchen sass im Savewasser, die Save abwärts streckt sie ihre Beine, sie hält auf ihrem Schoss ein Stickgestelle, darüber hat sie aufgespannt ein Linnen. Und sie erschaute Ljubović den Beg erschaut ihn wohl und sprach zu ihm das Wort: — »Wohin des Weges, Ljubović, o Beg? hat dich der Kaiser gar geschickt nach Ofen, wohl um das Ofner Burgtor auszukunden? So kehr’ nur um, du sollst den Kopf verlieren! den Savestrom, den kannst du nicht durchschwimmen, den raschen Savestrom, die breite Donau! Kehr ruhig wieder um zum wackren Kaiser, bei ihm verweilt der Vezier Köprülü. Bring meinen Gruss dem Vezier Köprülü; verbringt die liebe Nacht auf freiem Felde und seid gerüstet früh beim Morgenanbruch. Darauf berate Köprülü den Vezier, er soll’s gesamte Kaiserheer erheben, ein jeder nehm’ die türkische Waschung vor, vor allen andern Sultan Ibrahîm und gleich nach ihm der Vezier Köprülü; verrichtet morgens früh die Morgenbeugung. Und nach dem Frühgebet der Morgenbeugung aufs weisse Ofen richtet euren Blick, da werdet Ihr das Ofner Tor erschauen und leichter Müh’ die Ofner Stadt erobern!« Beg Ljubović, der schaut die Maid verwundert, aus Gold die Hände bis zum Ellenbogen, und goldig wallt das Haar herab den Nacken. Im Nu verschwand auch schon das holde Mädchen! Der Beg geriet gar mächtig in Verwundrung, auf was für Wunder er da aufgestossen, und machte Umkehr auf der ebnen Save. Als er herauskam unter Temešvar, was spricht zu ihm der Vezier Köprülü? — »Schon dort gewesen, Ljubović, o Beg? hast gar so schnell die Save durchgeschwommen?« Da nun erzählt der Beg sein Abenteuer, welch wundersam Gebild er angetroffen. So blieb denn hier zu Nacht das Heer gewaltig und war schon auf den Beinen früh am Morgen. Sogleich erhob sich Vezier Köprülü. Das türkische Heer, das nahm die Waschung vor, Allen voran der Sultan Ibrahîm, und gleich nach ihm der Vezier Köprülü, und alle beugten sich zur Morgenandacht. Nachdem die Beugung sie verrichtet hatten, da schaut hinüber Vezier Köprülü und er erschaut das Tor der Ofner Festung, die beiden Flügel angelweit geöffnet! Da ruft nun aus der Vezier Köprülü: — »Dort, Kaiser, schau dir an die Ofner Tore!« Losstürmte nun das allgewaltige Heer und nahm sofort die Ofnerstadt des Kaisers. Drauf setzten sie die Heermacht in Bewegung, zwölf Stunden führt der Weg zum ebnen Erlau. Die Türken stürmten los nunmehr auf Erlau. Bei Gott, das Christenheer empfing sie warm! Allhier entspann sich bald ein blutig Ringen, und sieben Stunden währt das Schlachtgemetzel. Es klang in einem fort der krumme Säbel, die langen Täler füllten sich mit Blut! Als letzt die Türken Erlau eingenommen, da hatten sie auch Leichen viel gelassen! Von hier erhob sich dann das Heer der Türken und stieg hernieder tieferwärts von Belgrad. Sie griffen an die alte Stadt Seméndra, — die Christen hatten sie zuletzt erobert, bevor sie Erlau und auch Ofen hatten, und sie mit bestem Mauerwall umgeben. — Sie wehrten sich von vier bewehrten Seiten, und von Seméndra dröhnen die Kanonen. Daselbst erfuhr das Heer ein wenig Schaden; vier Tage lang auch dauerte das Kämpfen. Hier ward verwundet Ljubović der Beg, Man trug zu Grabe alle Türkenleichen, und auch Seméndra nahmen ein die Türken. Von hier erhob sich dann das Heer der Türken, voraus als Führer Sultan Ibrahîm und hinter ihm der Vezier Köprülü, ihm folgt Herr Rustanbeg der Glaubenstreiter, in gleicher Reih’ mit ihm Beg Ljubović. So stiegen sie hinab zum ebnen Stambol, zum Thron des Kaisers und zum Reichpalast. Daselbst verweilten sie wohl einen Monat, entliessen allwärts hin das Heer der Türken, bezeigten ihre Lieb dem toten Kaiser, dem toten Kaiser Sultan Suleimân. Dann spricht das Wort der Sultan Ibrahîm: — »O Ljubović aus meinem Herzoglande! da nimm das ganze Herzogland entgegen; ich werde nichts von dir an Steuer nehmen, nicht einen weissen Heller noch Denar, nur kurze Zeit hindurch, zwölf volle Jahr!« Darauf zu Rustanbeg, dem Glaubenstreiter: — »O Glaubenhort vom ebnen Sarajevo! zieh’ heimwärts, Ärmster, in die Stadt Sarajvo; du hast ein neues Gotteshaus erbaut, doch ich bezahle, was du ausgegeben. Soviel als in Sarajevo Gotteshäuser, dir sei die Oberaufsicht über jedes, vom Kirchengut der Stadt von Sarajevo, dass keine Steuern du entrichten magst wohl nach Istambol in die weisse Stadt, so lang in Türkenhand das Bosnaland!« Und spricht zu Vezier Köprülü gewendet: — »Ja, Vezier, o du mein getreuer Lala, mit was für Gabe soll ich dich bedenken?« Darauf erwiedert Vezier Köprülü: — »Was willst du, liebster Sultan Ibrahîm?« Darauf entgegnet Sultan Ibrahîm: — »Zieh graden Wegs ins lehmige Bosnaland und in die weissgetünchte Stadt von Travnik, dort sei im Bosnaland mein Landesvogt!« Zum weissen Travnik wandert hin der Vezier, der Glaubenstreiter in die Stadt Sarajevo und heim ins Herzogland Beg Ljubović; in seinem Reichpalast der Kaiser blieb. Erläuterungen. Dieses Lied sang mir am 26. April 1885 der serbisierte tatarische Zigeuner Alija Cigo in Pazarići in Bosnien vor. Zu V. 1. Die Volküberlieferung knüpft auch hier, wie sonst öfter, an den ruhmreichen Namen Suleimân II. an (1520–1566), unter dessen Regierung die türkische Machtentwicklung ihren Höhepunkt erreicht hatte. Sultan Ibrahîms Vorgänger auf dem Throne war Murad IV. und Nachfolger Mohammed IV. V. 23. Lalen und Ridžalen. — Lala türk. Diener. Als Lehnwort auch bei den Bulgaren, Polen und Russen. Im serbischen nur für »Kaiserlicher Diener,« so z. B. (der Sultan spricht): lalo moja, muhur sahibija, što mi zemlje i gradove čuvaš! O du mein Diener, du mein Siegelwahrer, der du mir Städte und die Länder hütest! oder: Divan čini care u Stambolu za tri petka i tri ponediljka; svu gospodu sebi pokupio, okupio paše i vezire: — Lale moje, paše i veziri! Divân beruft der Kaiser ein in Stambol dreimal je Freitags und dreimal je Montags; berief zu sich die Herren allzumal, berief die Paschen und Vezieren ein: — O meine Lalen, Paschen und Veziere! Ridžal arab. türk. Reisiger, übertragen: hoher Würdenträger zum redžal; albanesisch: ridžal, Advokat, griech. rhitzali. Vergl. S. 249 zu V. 211. V. 25 u. 33. Neun erwählte Frauen. — »Von den Frauen des Sultans Ibrahîm führten sieben den Titel Chasseki, d. i. der innigsten Günstlinginnen, bis zuletzt die achte, die berühmte Telli, d. i. die Drahtige, ihm gar als Gemahlin vor allen angetraut ward. Eine andere hiess Ssadschbaghli, d. i. die mit den aufgebundenen Haaren. Jede dieser sieben innigsten Günstlinginnen hatte ihren Hofstaat, ihre Kiaja, die Einkünfte eines Sandschaks als Pantoffelgeld, jede hatte einen vergoldeten mit Edelsteinen besetzten Wagen, Nachen und Reitzeug. Ausser den Sultaninnen Günstlinginnen hatte er Sklavinnen Günstlinginnen, derer zwei berühmteste die Schekerpara, d. i. Zuckerstück und Schekerbuli, d. i. Zuckerbulle hiess; jene ward verheiratet, diese aber stand zu hoch in der Gunst, um je verheiratet zu werden. Die Sultaninnen Günstlinginnen erhielten Statthalterschaften zu ihrem Pantoffelgeld, die Schützlinginnen Sklavinnen hatten sich die höchsten Staatämter vorbehalten.« J. von Hammer-Purgstall, Geschichte des Osmanischen Reiches, Pressburg, 1835, V, S. 255 f. Zu V. 37. Kafirhänden. Im Text: u kaurina, türk. gjaur, gjavir, aus dem arab. ci Kafir, pers. gebr, der Ungläubige. V. 38–39. Die Nennung dieser drei Städtenamen, sowie späterhin Temešvars, hier eine dichterische Freiheit. Die Eroberung von Erlau (Egra) und Kanísza bilden Glanzpunkte der Regierung Mohammed III. (verstorben 22. Dezember 1603). Über Erlau vergl. Franz Salamon, Ungarn im Zeitalter der Türkenherrschaft (deutsch v. Gustav Turány), Leipzig, 1887, S. 125 f. u. besonders S. 138 ff. — Die Einnahme Ofens erfolgte im J. 1541. Soliman, der 1526 Ofen nicht besetzen wollte, nimmt es 1541 endgültig in seine Hand. Im J. 1543 setzte er seine Eroberungen fort. Der Sultan nahm zuerst die Burgen Valpó, Siklós und Fünfkirchen, darauf Stuhlweissenburg und Gran. Bis 1547 gehörte den Türken Peterwardein, Požega, Valpó, Essegg, Fünfkirchen, Siklós, Szegszárd, Ofen, Pest, Stuhlweissenburg, Simontornya, Višegrad, Gran, Waitzen, Neograd und Hatvan; jenseits der Teiss nur das einzige Szegedin, das sich im Winter 1542 freiwillig ergeben und als türkischer Besitz isoliert dastand. — Semendria (Szendrö) versuchten die Türken im J. 1437 einzunehmen, um sich den wichtigen an der Donau gelegenen Schlüssel des Morava-Tales zu sichern, aber das ungarische Heer unter Pongraz Szentmiklósi errang einen glänzenden Sieg über sie. Als sich 1459 die Festung Semendria an Mohammed II. ergab, gelangten zugleich zahlreichere kleinere Festungen in seine Gewalt. Serbien wurde zum Sandžak, und der Türke siedelte an Stelle der massenhaft in die Sklaverei geschleppten Einwohner, Osmanen in die Städte und führte daselbst seine Verwaltung ein. 1466 als König Mathias beschäftigt war in Oberungarn einige Aufrührer zur Ruhe zu bringen, lässt ein türkischer Pascha seine Truppen in Serbien einrücken und nimmt durch Überrumpelung die Festung Semendria. Vergl. Dr. Wilhelm Fraknói, Mathias Corvinus, König von Ungarn, Freib. i. Br., 1891, S. 70 ff. Zu V. 59. »Verschliess dich in den festen Käfig.« — »Als nach Murads Verscheiden der Hofbedienten Schar mit Freudengeschrei an die Türe des Käfigs, d. i. des Prinzengemaches drang, um den neuen Herrn glückwünschend auf den Thron zu ziehen, verrammelte Ibrahîm die Tür, aus Furcht, dass dies nur List des noch atmenden Tyrannen Murad sei, um ihn, den einzigen überlebenden Bruder so sicher ins Grab voraus zu schicken. Mit ehrfurchtvoller Gewalt wurde die Tür erbrochen, und noch immer weigerte sich Ibrahîm der Freudenkunde Glauben beizumessen, bis die Sultanin-Mutter Kösem (eine Griechin) selber ihn von des Sultans Tod versicherte und ihre Versicherung durch den vor die Tür des Käfigs gebrachten Leichnam bestätigte. Da begab sich erst Ibrahîm aus dem Käfig in den Thronsaal, empfing die Huldigung der Veziere, Reichsäulen, Ulema und Aga, trug dann mit den Vezieren des Bruders Leiche selbst bis ans Tor des Serai und ward hierauf nach altem Herkommen osmanischer Thronbesitznahme zu Ejub feierlich umgürtet.« Bei J. v. Hammer, a. a. O., V, S. 215 f., unter Berufung auf Rycauts Continuation of Knolles II, p. 50. Die neu eröffnete otomanische Pforte t. 458. Zu V. 75 ff. Am neunten Tage nach der Thronbesteigung fand die Umgürtung des Säbels in der Moschee Ejub in den durch das Gesetzbuch des Zeremoniels vorgeschriebenen Formen des Aufzuges und der Feierlichkeiten statt. Mit Sonnenaufgang versammelten sich alle Klassen der Staatbeamten im ersten Hofe des Serai. Die ausführliche Schilderung siehe bei Hammer, a. a. O., IV2, S. 499–550. Zu V. 76. »Goldne Mütze.« — Im Texte tadža. Sultan Bajezid I. (gestorb. 1403) trug als Turban weder die Goldhaube (uskuf) der ersten sechs Sultane, noch den vom siebenten angenommenen runden Kopfbund der Ulema (urf) sondern nahm den hohen, zylinderförmigen, mit Musselin umwundenen an, der sofort unter dem Namen Mudževese (tadža) der Hof- und Staatturban geblieben. Zu V. 80 f. Die ersten Säulen des Reiches und Stützen des Divans sind die Veziere, d. h. die Lastträger. Es gab ihrer unter Ibrahîm schon vier. Die Vierzahl gibt als eine dem Morgenländer beliebte und heilige Grundzahl den Teilunggrund der ersten Staatämter ab. Vier Säulen stützen das Zelt, vier Engel sind nach dem Koran die Träger des Thrones, vier Winde regieren die Regionen der Luft nach den vier Kardinalpunkten des Himmels usw. Aus diesem Grunde setzte Sultan Mohammed der Eroberer, vier Säulen oder Stützen des Reiches (erkiani devlet) fest in den Vezieren, in den Kadiaskeren, in den Defterdaren und in den Nišandži, die zugleich die vier Säulen des Divans, d. h. des Staatrates sind. Anfangs war nur ein Vezier, dann zwei, dann drei unter den ersten Sultanen; der Eroberer erhob ihre Zahl auf vier, deren erster und allen übrigen an Macht und Rang bei weitem vorhergehende, der Grossvezier wurde, der unumschränkte Bevollmächtigte, das sichtbare Ebenbild des Sultans, sein vollgewaltiger Stellvertreter, der oberste Vorsteher aller Zweige der Staatverwaltung, der Mittelpunkt und der Hebel der ganzen Regierung. Zu V. 81. »Siegelhüter« (muhur sahibija). — Der Kanun des Siegels (nach Sultan Mohammed II.) überträgt dem Grossvezier darüber die Obhut, als das Symbol der höchsten Vollmacht; in der Überreichung des Siegels liegt auch die Verleihung der höchsten Würde des Reiches. Der Grossvezir darf sich (abgesehen von der Versiegelung der Schatzkammer, die, beiläufig bemerkt, nur in Gegenwart der Defterdare geöffnet werden kann) dieses Siegels nur zur Besieglung der Vorträge bedienen, und da alle Vorträge durch die Hand des Grossveziers gehen müssen, und niemand als er das Recht hat, an den Sultan schriftlich zu berichten, so sieht der letztere kein anderes Siegel als sein eigenes oder etwas das der fremden Monarchen, wenn deren Gesandte ihre Beglaubigungschreiben in feierlicher Audienz überreichen. Zu V. 82. »Pascha Seidi.« — Über Achmed Sidi, Köprülüs Schwager, die Geissel Siebenbürgens, Pascha von Neuhäusel, vergl. Hammer, a. a. O., VI, S. 272. Ein Seid wird in den Epen moslimischer Guslaren häufig auch als Heiliger genannt und gerühmt. In einem Guslarenliede heisst es: efendija muhur sahibija sa svojijem pašom Seidijom, što je paša na četeres paša. [Erschienen war] Efendi Siegelhüter zugleich mit ihm sein Pascha Seïdi, der Obrist Pascha über vierzig Paschen. Zu V. 93 ff. Im J. 1656 war Mohammed mit dem wunden Halse Grossvezier. »Am 10. September 1656 fand ein Divan statt. Der Sultan sagte zum Grossvezier: ‘Ich will selbst in den Krieg ziehen, du musst durchaus für die nötige Rüstung sorgen!’ Der hilflose Greis faltete die Hände, als ob er die ganze Versammlung um Hilfe anflehte und sagte: ‘Glorreichster, gnädigster Padischah, Gott gebe euch langes Leben und lange Regierung! bei der herrschenden Verwirrung und dem Mangel an Kriegzucht ist es schwer, Krieg zu führen; zur Möglichkeit der nötigen Rüstungen ist von Seite des Reichschatzes eine Hilfe von zwanzigtausend Beuteln notwendig!’ Der Sultan schwieg zornig und hob die Versammlung auf.« Hammer, V, 461. »Schon bei der ersten Unzufriedenheit nach der Einnahme von Tenedos und Lemnos hatten sich der Chasnedar der Valide, Solak Mohammed, der Lehrer des Serai, Mohammed Efendi, der vorige Reis Efendi Schamisade und der Baumeister Kasim, welcher schon ein paarmal den alten Köprülü zum Grossvezier in Vorschlag gebracht, insgeheim verbündet, diesem das Reichsiegel zu verschaffen. Der Grossvezier hatte ihn auf seiner Reise von Syrien nach Konstantinopel zu Eskischehr wohl empfangen und nach Konstantinopel mitgenommen, wo er sich dermalen ruhig verhielt; sobald er aber durch den Silihdar des Sultans Wind von dem Vorschlage erhalten, ernannte er Köprülü zum Pascha von Tripolis, und befahl ihm sogleich aufzubrechen. Der Kiaja, ins Vertrauen der Freunde Köprülüs gezogen, suchte vergebens den Reisebefehl zu verzögern. Da die Sache noch nicht reif zum Schlag war, brachten die Freunde Köprülüs durch die Valide sehr geschickt die Ernennung des Silihdars zum Statthalter von Damaskus und die Einberufung des dortigen Veziers Chasseki Mohammed zuwegen, wodurch das allgemeine Gerede entstand, dass dieser zum Grossvezier bestimmt sei und die Aufmerksamkeit des Grossveziers von Köprülü abgelenkt ward. Der Silihdar, der Patron des Grossveziers beim Sultan war entfernt, aber noch stand den Freunden Köprülüs ein anderer mächtiger Feind, der Janičarenaga im Wege. Sobald dieser abgesetzt und an seine Stelle der Stallmeister Sohrab, ein Freund der Freunde Köprülüs ernannt war, erklärte sich dieser gegen ihn, dass er einige Punkte der Valide vorzutragen, nach deren Zusage er die Last der Regierung auf seine Schultern zu nehmen bereit sei. Noch am selben Nachmittage wurde Köprülü heimlich vom Kislaraga zur Valide eingeführt, und antwortete auf ihre Frage, ob er sich den ihm bestimmten Dienst als Grossvezier zu versehen nicht fürchte, mit dem Begehren folgender vier Punkte: erstens, dass jeder seiner Vorschläge genehmigt werde; zweitens, dass er in der Verleihung der Ämter freie Hand und auf die Fürbitte von niemand zu achten habe: die Schwächen entständen aus Fürsprachen; drittens, dass kein Vezier und kein Grosser, kein Vertrauter, sei es durch Einfluss von Geldmacht oder geschenktem Vertrauen, seinem Ansehen eingreife; viertens, dass keine Verschwärzung seiner Person angehört werde; würden diese vier Punkte zugesagt, werde er mit Gottes Hilfe und dem Segen der Valide die Vezirschaft übernehmen. Die Valide war zufrieden und beschwur ihre Zusage dreimal mit: ‘Bei Gott dem Allerhöchsten!’ Am folgenden Tage (15. September 1656), zwei Stunden vor dem Freitaggebete, wurden der Grossvezier und Köprülü ins Serai geladen. Dem Grossvezier wurde nach einigen Vorwürfen über den Mangel seiner Verwaltung das Siegel abgenommen und er dem Bostandžibaschi zur Haft überlassen, dann Köprülü in den Thronsaal berufen. Der Sultan wiederholte die vier versprochenen Punkte, einen nach dem andern und sagte: ‘Unter diesen Bedingnissen mache ich dich zu meinem unumschränkten Vezier; ich werde sehen, wie du dienst; meine besten Wünsche sind mit dir!’ Köprülü küsste die Erde und dankte; grosse Tränen rollten den Silberbart herunter; der Hofastronom hatte als den glücklichsten Zeitpunkt der Verleihung das Mittaggebet vom Freitage bestimmt, eben ertönte von den Minareten der Ausruf: ‘Gott ist gross!’ Hammer, a. a. O., V, S. 462, 2. Aufl. Zu V. 170. Dem abgesetzten Grossvezier Mohammed mit dem wunden Halse, dem neunzigjährigen Greise, wurde nach Einziehung seiner Güter, das nach dem Ausspruche des Sultans verwirkte Leben auf Köprülüs Fürbitte geschenkt und ihm zur Fristung des schwachen Restes seines Lebens die Statthalterschaft von Kanisza verliehen. Hammer, V, S. 467. Zu V. 360 ff. Ganz erfunden ist diese Episode nicht. Hammer berichtet Bd. V, S. 467 ff.: »Acht Tage, nachdem Köprülü das Reichsiegel erhalten, Freitag den 22. September 1656, versammelten sich in der Moschee S. Mohammeds die fanatischen Anhänger Kasisades, die strengen Orthodoxen, welche unter dem alten Köprülü, den sie für einen ohnmächtigen Greis hielten, ihrer Verfolgungwut wider die Soffi und Derwische, Walzer- und Flötenspieler, um so freieren Lauf zu geben hofften. Sie beratschlagten in der Moschee und fassten den Entschluss, alle Klöster der Derwische mit fliegenden Haaren und kronenförmigen Kopfbinden von Grund aus zu zerstören, sie zur Erneuerung des Glaubenbekenntnisses zu zwingen, die sich dess weigerten zu töten usw. In der Nacht war die ganze Stadt in Bewegung; die Studenten der verschiedenen Kollegien, welchen orthodoxe Rektoren und Professoren vorstanden, bewaffneten sich mit Prügeln und Messern und fingen schon an die Gegner zu bedrohen. Sobald der Grossvezier hiervon Kunde erhalten, sandte er an die Prediger Scheiche, welche die Anstifter der Unruhen zur Ruhe bewegen sollten; da aber dies nicht fruchtete, erstattete er Vortrag an den Sultan über die Notwendigkeit ihrer Vernichtung. Die sogleich dem Vortrag gemässe allerhöchste Entschliessung des Todurteils wurde von Köprülü in Verbannung gemildert.« Zu V. 371. »Der alte Achmedaga.« — In der türkischen Geschichte heisst er Achmedpascha Heberpascha, d. h. der in tausend Stücke Zerrissene (Hammer, III, S. 930). Nach Hammer, Bd. III, S. 930, fiel tatsächlich ein Grossvezier des Namens Achmedpascha durch Henkerhand am Vorabende der Thronstürzung Sultan Ibrahîms. Es war am Abend des 7. August 1648. Kaum hatte der abgesetzte Grossvezier Achmedpascha einzuschlafen versucht, als er mit der Botschaft geweckt ward, er möge sich aufmachen, die aufrührerischen Truppen verlangten ihn und er, der Grossvezier möge als Mittler versöhnend dazwischen treten. Als er die Stiege hinuntergekommen, griff ihm jemand unter die Arme. Er sah sich um, wer es sei und sah vor sich Kara Ali, den Henker, den er so oft gebraucht. »Ei, ungläubiger Hurensohn!« redete er ihn an. »Ei, gnädiger Herr!« erwiderte der Henker, ihm lächelnd die Brust küssend; unter die Linke Achmedpaschas griff Hamal Ali, des Henkers Gehilfe. Sie führten ihn zum Stadttor, dort zog der Henker seine rote Haube vom Kopfe und steckte sie in seinen Gürtel, nahm Achmedpascha seinen Kopfbund ab, warf ihm den Strick um den Hals und zog ihn mit seinem Gehilfen zusammen, ohne dass der Unglückliche etwas anderes als: »Ei, du Hurensohn!« vorbringen konnte. Der ausgezogene Leichnam wurde auf ein Pferd geladen und auf des neuen Grossveziers Sofi Mohammed Befehl hin auf den Hippodrom geworfen. Zu V. 392. »Kreuze und Marien.« — Kreuzchen und Marienmedaillen, wie Christen solche zu jener Zeit im Haare trugen. Eine anschauliche Beschreibung gibt uns eine Stelle in einem noch ungedruckten Guslarenliede meiner Sammlung. Halil, der Falke, ist entschlossen, an einem Wettrennen im christlichen Gebiete teilzunehmen, um den ausgesetzten Preis, ein Mädchen von gefeierter Schönheit, davonzutragen. Seine Schwägerin, Mustapha Hasenschartes Gemahlin, hilft ihm bei der Verkleidung zu einem christlichen Ritter, wie folgt: ondar mu je sa glave fesić oborila i rasturi mu turu ot perčina i prepati češalj od fildiša te mu raščešlja turu ot perčina a oplete sedam pletenica a uplete mu sedam medunjica a uplete mu križe i maiže a uplete mu krste četvrtake a šavku mu podiže na glavu a pokovata grošom i tal’jerom a potkićena zolotom bijelom. Vom Haupte sie warf ihm das Fezlein herab und löste den Bund des Zopfes ihm auf und griff nach dem Kamm aus Elfenbein und kämmte den Bund des Zopfes ihm auf und flocht ihm in sieben Flechten das Haar und flocht ihm sieben Medaillen hinein Und flocht ihm Kreuze hinein und Marien und flocht ihm hinein quadratige Kreuze und stülpte den Helm ihm auf das Haupt, der beschlagen mit Groschen und Talerstücken, der geschmückt mit weissen Münzen war. So wie hier Halil als Christ auftritt, so ist der als Moslim verkappte Christ eine stehende Figur des Guslarenliedes. Christ und Moslim sind in der angenommenen Rolle einander wert und würdig. — In der von der chrowotischen Akademie in Agram herausgegebenen ‘Religion der Chrowoten und Serben’ figurieren die edlen Raubmörder Gebrüder Mustapha und Alil als Minos und Rhadamanthys der Urchrowoten. Wie glücklich sind doch diese unsterblichen Akademiker des Chrowotenvölkleins zu preisen, die in Zeiten naturwissenschaftlicher Forschungen und gewaltigster technischer Fortschritte keine anderen Sorgen haben als unerhörte Götter zu erfinden und eine neue Religion zu stiften! Zu V. 477. Ljubović, der berühmteste moslimische Held des Herzogtums, eine stehende Figur der Guslarenlieder beider Konfessionen. Mustapha Hasenscharte schreibt einmal ein Aufgebot aus. Der Brief zu Händen des Freundes Šarić: O turčine Šarić Mahmudaga! Eto tebi knjige našarane! Pokupi mi od Mostara turke, ne ostavi bega Ljubovića sa široka polja Nevesinja, jer brež njega vojevanja nejma. O [Bruder] Türke Šarić Mahmudaga! Da kommt zu dir ein Schreiben zierlich fein! Von Mostar biet mir auf die Türkenmannen, lass nicht zurück den Beg, den Ljubović, vom weitgestreckten Nevesinjgefilde; denn ohne seiner gibt es keinen Feldzug. Als Jüngling meldete sich Beg Ljubović einmal bei Sil Osmanbeg, dem Pascha von Essegg, als freiwilliger Kundschafter, um durchs feindliche Belagerungheer durchzudringen und dem Pascha von Ofen Nachricht von der Bedrängnis der Stadt Essegg zu überbringen. Sil Osmanbeg umarmt und küsst ihn und schlägt ihm mit der flachen Hand auf die Schulter: Haj aferim beže Ljuboviću! vuk od vuka, hajduk od hajduka a vazda je soko ot sokola; vazda su se sokolovi legli u odžaku bega Ljubovića! Hei traun, fürwahr, mein Beg, du Ljubović! Vom Wolf ein Wolf, vom Räuber stammt ein Räuber, doch stets entspross ein Falke nur dem Falken; und immer fand sich vor die Falkenbrut am heimischen Herd der Begen Ljubović! Zu V. 678. Die Schilderung naturgetreu. Auf meinen Reisen zog ich es mitunter vor, in eine Rossdecke eingehüllt unterm freien Himmel selbst zu Winterzeit zu übernachten, als im Schmutz und Ungeziefer und Gestank einer bosnischen Bauernhütte. Auch meine Aufzeichnungen machte ich meist im Freien im Hofraume oder an der Strasse sitzend. Ich fragte den Bauer Mujo Šeferović aus Šepak, einen recht tüchtigen Guslaren, ob er wohl ein eigenes Heim besitze. Darauf er: imam nešto malo kuće, krovnjak (ich besitze ein klein Stückchen Haus, eine Bedachung). Neugierig, wie ich schon bin, ging ich zu ihm ins Gebirge hinauf, um mir seine Behausung anzuschauen, eigentlich in der Hoffnung, bei ihm meinen Hunger zu stillen. Ein hohes, mit verfaultem Stroh bedecktes Dach, und statt der Wände aus Stein oder Ziegeln ein mit Lehm beschmiertes Reisergeflechte! Brot und Fleisch fehlte im lieblichen Heime. Durch meinen Besuch fühlte er sich und seine Familie aufs äusserste geehrt und geschmeichelt. Die Hausfrau, die nicht zum Vorschein kam, sandte mir mit ihrem Söhnchen einen Bohnenkäse und eingesäuerte Paprika heraus. Als Getränk Kaffeeabsud und Honigwasser. Zu V. 707 ff. Das seltsame Mädchen ist als die Sreća, d. h. fortuna Köprülüs aufzufassen. Vergl. meine Studie, Sreća. Glück und Schicksal im Volkglauben der Südslaven, Wien, 1887. Zu V. 821. Zwei Köprülü waren Veziere (Vali) zu Bosnien: Köprülüzade Numan, der Sohn des Grossveziers 1126 (1714) und Köprülüzade Hadži Mehmed 1161 (1748); zum zweitenmal derselbe 1179 (1765). Der erste Köprülü war natürlich nie bosnischer Gouverneur, nur der Guslar erhebt ihn zu dieser nach seinen bäuerlichen Begriffen ausserordentlichen Ehren- und Würdenstellung. Die Russen vor Wien. Die Belagerung von Wien durch die Türken im Jahre 1683 hat auch die serbischen und bulgarischen Dichter im Volke, die ihre Lieder mit Gefiedel auf Guslen begleiten, zur dichterischen Schilderung des weltgeschichtlichen Ereignisses begeistert. Die älteren gedruckten Sammlungen Guslarenlieder bieten so manches Stück dar, das jene Niederlage der Türken vor Wien bald kürzer bald ausführlicher, mehr oder minder in treuer Anlehnung an den tatsächlichen Verlauf des grossen Geschehnisses darstellt. Eine eigentlich dichterische Auffassung der Tragweite des für das gesamte Abendland unendlich bedeutsamen und folgenreichen Sieges des Christentums über den Halbmond fehlt den Guslaren und den Liedern. Selbst der nach volktümlicher Weise dichtende dalmatische Franziskaner Andrija Kačić Miošić ist in seiner Besingung (im Jahre 1756) des grossen Völkerkampfes im Grunde genommen aus seiner Schablone des versifizierten prosaischen Berichtes nicht herausgetreten. Der Sieg der vereinigten christlichen Mächte hat eben beim Südslaven mehr den Verstand als das Herz und das Gemüt, diese wahren Quellen der Begeisterung, ergriffen. Der Südslave, namentlich der christliche Serbe in Bosnien, im Herzogland und weiter südlich, war in diesem entscheidenden Kampfe zwischen Orient und Okzident mehr ein müssiger Zuschauer gewesen, dem der Sieg nicht unmittelbar zu Trost und Schutz verholfen. Der moslimische Guslar aber schweigt über diesen Kriegzug der Türken. Sollte er etwa die Erinnerung an die furchtbare Niederschmetterung seiner Glaubengenossen frisch im Gedächtnis der Nachwelt erhalten wollen? Sein Mund verstummte angesichts des über den Sultan »die Sonne des Ostens« hereingebrochenen unheilschwangeren Unsals. Der christliche Guslar in Bosnien und dem Herzögischen musste wieder dagegen bedachtsam seine Schadenfreude vor den Herren des Landes, den Moslimen, verbergen. Das Ereignis wurde immer seltener und seltener besungen, bis die Nachrichten darüber schon nach hundertundfünfzig Jahren in eine märchenhafte Sage ausklangen, die nur noch die Hauptsache, den Entsatz von Wien und die gänzliche Niederwerfung der Türkenherrschaft im Ungarlande festhält, fast alles Beiwerk aber der Dichtung entnimmt. Die geschichtliche Wahrheit tritt zurück, überwuchert vom üppig aufgeschossenen Lianengeranke ungebundener Phantasie. Von dieser Art ist unser Guslarenlied. Man erfährt daraus an geschichtlichen Tatsachen bloss, dass einmal die Stadt Wien an der Donau von einer gewaltigen Türkenmacht belagert und fast eingenommen worden sei und dass sich der ‘Kaiser von Wien’, sein Name wird nicht genannt, durch auswärtige Hilfe, einem aus Norden kommenden Heere, aus der Not befreit hat und dass die Türken eine gründliche Niederlage erfahren. Vom Grafen Rüdiger von Starhemberg, vom Polenkönig Johann Sobieski, vom Herzog Karl von Lothringen, vom Fürsten von Waldeck und den Kurfürsten von Bayern und Sachsen, die alle am Befreiungkampfe rühmlichst Anteil genommen, von allen diesen weiss der Guslar nichts. Dafür erzählt er uns ein Märchen, das in einzelnen Zügen eine auffällige Verwandtschaft mit der Fabel des Liedes vom Ende König Bonapartes [174] aufweist. Gleich dem ‘König Alexius-Nikolaus’ von Russland in jenem Liede, verlegt sich in diesem der ‘Wiener Kaiser’, voll Ergebung in die Schicksalfügung, aufs Weinen. Dem einen wie dem anderen muss der Eidam Hilfe bringen. Des Russenkönigs Eidam ist der Tataren Chan, der seine 100 000 Mann gegen Bonaparte stellt, des Wiener Kaisers Schwiegersohn ist der greise Vater des Russenkaisers Michael, Johannes Moskauer (Mojsković Jovan), der mit 948 000 Mann zum Entsatz Wiens heranrückt. Davon sind, genau betrachtet, nur 900 000 Mann Russen, der Rest Hilftruppen sagenhafter Lehenfürsten oder Bundgenossen, der ‘schwarzen Königin’ (einer der serbischen Sagenwelt auch sonst vertrauten Gestalt), des Königs Lender (vielleicht steckt dahinter ursprünglich der Name Lorraine?) und des Königs Španjur, des Spaniers. Trotz dieser ungeheueren Heermacht vermag ‘Kaiser Michael’ ebensowenig als ‘König Nikolaus’ gegen den Feind etwas auszurichten. Beidemal hilft zum Siege das gleiche himmlische Wunder, ein strömender Regen. König Bonapartes Heer vor Petersburg gerät bis zum Hals in Wasser und erfriert stehenden Fusses, dem türkischen Heere vor Wien verdirbt im Regen alle Munition. Es geschieht aber noch ein grösseres Wunder, dasselbe, das auch die Erscheinung in Macbeth Akt IV, Sz. I, anzeigt: »Macbeth geht nicht unter, bis der Wald von Birnam zu Dunsinans Höhen wallt und dich bekämpft.« In unserem Liede bedient sich Kaiser Michael auf den Rat seines Vaters hin einer noch durchdachteren Krieglist, indem er sein Heer auch mit Leinwandwänden umgibt; darauf rufen die Türken beim Anblick des wandelnden Kahlenberges und der weissen Wände verzweifelt aus: ’da dringen vor aus dem verfluchten Russland, da dringen gen uns Berge vor und Burgen!’ Wie in die hundert anderer Märchenmotive ist auch dieses vom wandelnden Wald ein Gemeingut aller Völker und auch den Arabern geläufig [175]. Es ist leicht möglich, dass gerade dieser Zug durch Shakespeares Werke allgemeinere Verbreitung gewonnen hat. Shakespeare ist bekannter als man glauben mag. Speziell sein Kaufmann von Venedig ist zum internationalen geistigen Eigentum selbst der untersten Volkschichten geworden. Aus Bosnien und Slavonien haben wir von der Geschichte schon mehrere gedruckte Varianten. Der Vermittler für die Bosnier war in erster Reihe, wie sich dies bei einem nahezu literaturlosen Volke von selbst versteht, die mündliche Überlieferung. Auf diesem Wege sind die Bosnier auch mit Maistre Pierre Pathelin bekannt geworden. [176] Das Guslarenlied, das wir hier mitteilen, singt der betagte Guslar Marko Rajilić, ein Orthodoxer, im Dorfe Podvidača in Bosnien. Er sagt, er habe es in dieser Fassung vor beiläufig vierzig Jahren (1845) von dem nun längst verstorbenen Bauer Tanasija (Athanasius) Trkulja aus Ovanjska gelernt oder übernommen. Einen Namen oder Titel gab der Guslar selber dem Liede nicht. Vojsku kupi care Tatarine tri godine, da ćesar ne znade a četiri, da i ćesar znade. Vojsku kupi sedam godin dana. Kad je care vojsku sakupio okreće je Beču bijelome u proljeće kat se zopca sije. Kada jesu stražnji prolazili, tu su zopcu konjma naticali. Kolko j, braćo, polje ispod Beća, ne more ga gavran pregrktiti ja kamo li prekasati vuci. Sve to polje pritisnuli Turci; konj do konja, Turčin do Turčina, sve barjaci kao i oblaci, bojna koplja ka i gora crna. Pa su Turci na Beč udarili, polu Beča jesu osvojili do jabuke i do zlatne ruke i do svetog groba Stefanova, do lijepe Despotove crkve, u Ružicu crkvu ulazili. Gje su bile crkve i oltari ongje jesu džamije munare; sa munare turski odža viče pa se š njime turadija diče. To dotuži u Beču ćesaru pa on cvili a suze proljeva. Njemu veli sluga Petrenija: — Svjetla diko u Beču ćesare, što ti cviliš a suze proljevaš? Već ti uzmi divit i kalema, list artije knjige bez jazije; knjigu piši na svome koljenu pa je šalji u kletu Rusiju a na ruke Mojsković Jovanu. Otlen će te mio Bog pomoći, žarko će te ogrijati sunce, otalen će tebi indat doći! Kat to čuo u Beču ćesare, on uzima divit i kalema, list artije knjige bez jazije knjigu piše na svome koljenu pa je daje slugi Petreniji: — Na ti slugo list knjige bijele pa je nosi u kletu Rusiju a na ruke Mojsković Jovanu a Jovanu mome prijatelju. Njesam njemo svoje ćeri dao što je Jovan meni mio bio, već sam njemu svoju ćerku dao, da mi Jovan u muci pomaže. Nosi knjigu štogogj brže možeš, ti ne žali áta ni dukata. Uze djete list knjige bijele pa je metnu u džepove svoje pa posjede dobra konja svoga pa otisnu u kletu Rusiju. Dok je djete u Rusiju došlo četr’est je promjenilo áta. Kad je djete u Rusiju došlo knjigu daje Mojsković Jovanu. Knjigu štije Mojsković Jovane, knjigu štije, grozne suze lije niza svoje prebijelo lice i nis svoju prebijelu bradu. Viš njeg stoji care Mijailo pa govori care Mijailo: — A moj babo Mojsković Jovane, kakva j knjiga, ot koje li zemlje? je li knjiga prebijela došla, da ne pozna mlagji starijega, da s uzima trećeg brata djete i da s ljube kume s kumovima? Onda veli Mojsković Jovane: — A moj sine care Mijailo, nije bjela meni knjiga došla, da ne pozna mlagji starijega; ne uzima s trećeg brata djete, ne ljube se kume sa kumovma, već je knjiga od Beča bijelog, ot ćesara moga prijatelja, prijatelja moga, babaluka tvoga. Turci su mu vrlo dodijali pô mu Beča jesu osvojili do jabuke i do zlatne ruke i do svetog groba Stefanova i do ljepe Despotove crkve. Gje su bile crkve i oltari ongje jesu džamije munare; sa munare turski odža viče i š njime se turadija diče. Ćesar nam je knjigu opravio, da mi njemu indat učinimo. Ja sam sine vrlo ostario, ni konja se držati ne mogu, ja kamo li da vojujem Beču! Onda veli care Mijailo: — A moj babo Mojsković Jovane, daj ti meni proštenje, blagoslov, da pokupim po Rusiji vojsku; ja ć vojevat Beču bijelome, babaluku indat učiniti! Onda veli Mojsković Jovane! — Ajde sine u sto dobri časâ! Uzmi sine čokan ti u ruke pa izagji gore na Kijevo pa ti uzmi ključe ot Kijeva pa otključaj aznu i topove i probudi mlade čarkadžije; pa opalte do trista lubardi, po tri puta po trista lubardi, nek se skuplja na lubarde vojska; pa izigji na visoku kulu pa opali tri topa velika što no s čuju po našoj Rusiji. Nek ustaju na noge rtnjici, nek se dižu mladi konjanici, jer su turci na obraz junaci! Kat to čuo care Mijailo, on uzima čokana u ruke pa izagje gore na Kijevo pa uzima ključe ot Kijeva pa otključa aznu i topove i probudi mlade čarkadžije. Opališe do trista lubardi pa izagje na visoku kulu pa opali tri topa velika što se čuju baš po svoj Rusiji. Te ustaše na noge rtnjici podigoše s mladi konjanici. Malo vrjeme, za dugo ne bilo car Mijajlo vojsku pokupio. Njemu veli Mojsković Jovane: — Uzmi sine svu na kalem vojsku, da ja vigjam kolko imaš vojske, moš vojevat Beču bijelome, babaluku indat učiniti! Uze djete svu na kalem vojsku pa on kaže svome babi dragom: — Imam babo ja za dosta vojske po tri puta po trista iljada. Onda veli Mojsković Jovane: — Ajde sine u sto dobri časâ, Bog ti dao i Bog ti pomogo! Navrati se na crnu kraljicu, dužna mi je dvanajst iljad vojske. Svrati se sine pa povedi vojsku pa s navrati na Lendera kralja, dužan mi je šestnajst iljad vojske. Svrati se sine pa povedi vojsku pa s navrati na Španjura kralja, dužan mi je dvajest iljad vojske. Svrati se sine pa povedi vojsku a kad dogješ na tijo Dunavo tu kuriši moste na Dunavu pa po suvu svu prevedi vojsku. Kraj Dunava ti vojsku zastavi pa ti sine svu vojsku pričesti. Kom nedoteče vina crljenoga, ima dosta studenog Dumava. Kada pogješ kroz goru pram Beču, zapovjedi ti po vojsci sine: »Svak za glavu po jelovu granu!« Kad izagješ ti u polje pod Beč, svoju vojsku svu platnom ogradi. Kad vigjaju to od Beča Turci, reće tada oda Beča Turci: »Eto na nas gora i gradova!« lakše ćeš ti Turke predobiti. Car Mijajlo vojsku podignuo, navrati se na crnu kraljicu pa mu dade dvanajst iljad vojske, pa s navrati na Lendera kralja pa mu dade šesnajst iljad vojske, pa s navrati na Španjura kralja pa mu dade dvajest iljad vojske. Pa kad dogje na tijo Dunavo a kurisa mostov na Dunavu, svu po suvu on prevede vojsku. Kraj Dunava vojsku ustavio, svu dijete vojsku pričestio. Kom nemade vina crljenoga doteče mu studenog Dunava. Leže djete sanak boraviti pot šatorom kraj Dunava ladna. Dovikuje g angjel iz oblaka: — Čekaj care dana ponegjelka, u ponegjlak kiša udariće, tursku hoće aznu potopiti. Prelako ćeš Turke ti dobiti! Djete čeka dana ponegjelka. U ponegjlak kiša udarila, tursku ona aznu potopila. Car Mijajlo vojsku podignuo i vojsci je zapovijedio: — Svak za glavu po jelovu granu! Kat s izašli na polje zeleno, svu je vojsku platnom ogradio. Kad videše to od Beča Turci, prokleti su Turci govorili: — Eto na nas ot klete Rusije, eto na nas gore i gradova! Malo vrjeme, za dugo ne bilo, ispod Beča sva zemlja poječa, i potisnu katana Tatara, naćera ga na studenu vodu. Tude roblje jeftino bijaše: dva Turčina za lulu duvana, dvije bule za rešeto šljiva. I danas se još znadu točila kud je vojska careva skočila. Der Zar Tatar der sammelt eine Heermacht drei Jahre lang, nichts weiss davon der Kaiser, vier Jahre lang, es weiss davon der Kaiser; wohl sammelt er ein Heer durch sieben Jahre. Nachdem der Zar das grosse Heer gesammelt, da lässt er’s gegen’s weisse Wien marschieren im Lenze, wann der Landmann Hafer aussät. Der letzte Zug vom langen Zug des Heeres der konnt’ mit reifer Frucht die Pferde füttern. O Brüder, das Gefild vor Wien ist mächtig, kein Rabe kann das Marchfeld überkrächzen, geschweige Wölf’ ohn Rasten übertraben. Dies ganze Feld bedeckten Türkenhorden; hier Ross an Ross, hier Türk gedrängt an Türken; wie Wolkenflocken flattern zahllos Fahnen. Von Kriegerspeeren starrt es wie ein Urwald. Da griffen Wien die Türkenscharen an. Halb Wien ist schon vom Türkentum erobert bis zu dem Apfel und dem goldnen Arme und bis zur heiligen Stefangrabesstelle und bis zur hehren kaiserlichen Kirche. Sie brachen ein auch in die Rosenkirche. Wo ehdem Kirchen stunden und Altäre, dort stehn Moscheen jetzt mit Minareten. Es schreit vom Minaret der türkische Hodža; sein rühmen sich die rohen Türkenhorden. Letzt ward des Leids zuviel in Wien dem Kaiser, er brach in Tränen aus und jammerklagte. Da sprach zu ihm der Diener Petrenija: — O heller Stolz und Glanz, du Wiener Kaiser! was soll das Flennen, was das Zährenfliessen? ergreif vielmehr die Tinte und das Schreibrohr, ein Blatt Papier noch rein und unbeschrieben, und schreib ein Schreiben wohl auf deinem Knie und schick es ab in das verfluchte Russland zu Handen jenes Mojsković Johannes. Von dorten wird der liebe Gott dir helfen, wird dich die heisse Sonne mild erwärmen, von dorten wird zu Teil dir Hilfe werden. Als dies der Kaiser wohl zu Wien vernommen, so griff er nach der Tinte und dem Schreibrohr und einem Blatt Papier noch unbeschrieben; er schrieb den Schreibebrief auf seinem Knie und gab ihn hin dem Diener Petrenija: — Da nimm o Diener hin das weisse Schreiben und trag es fort in das verfluchte Russland zu Handen jenes Mojsković Johannes, ja, Herrn Johannes, meines nächsten Freundes. Drum gab ich ihm die Tochter mein nicht hin, weil mir das Herrchen zu Gesicht gestanden, nur darum gab ich ihm mein Töchterlein, damit er Hilf’ in schwerer Not mir biete. So trag den Brief so rasch als Füsse tragen, schon’ deinen Zelter nicht noch Goldzechine! Es nahm das Kind an sich das weisse Schreiben und tauchte’s tief hinab in seine Taschen und setzte sich auf seinen guten Zelter und schob dann ab in das verfluchte Russland. Es wechselte an vierzigmal die Zelter das Kind, bevor’s in Russland angekommen. Sobald das Kind in Russland angekommen, so gab’s den Brief an Mojsković Johannes. Es liest den Brief Herr Mojsković Johannes, er liest den Brief, zerfliesst in grause Tränen, die Tränen fliessen übers weisse Antlitz und übern schneeig weissen Bart hernieder. Zu Häupten steht ihm Kaiser Mihajilo; da nimmt das Wort der Kaiser Mihajilo: — Mein trauter Vater Mojsković Johannes! was ist das für ein Brief, aus welchem Lande? was bringt der schneeig weisse Brief für Kunde? ehrt etwan nicht den ältren Mann der jüngre? herrscht Blutschand unter Gliedgeschwisterkindern? ist leicht die Patin ihres Täuflings Buhlin? Darauf entgegnet Mojsković Johannes: — O lieber Sohn, du Kaiser Mihajilo! Der weisse Brief, der bringt mir keine Kunde, dass nicht den ältren Mann der jüngre ehre, dass unter Gliedgeschwistern Schande herrsche, die Patin ist nicht ihres Täuflings Buhlin; vielmehr vom weissen Wien ist dieses Schreiben, es ist von meinem Freund in Wien, vom Kaiser, von deinem Grosspapa und meinem Freunde. Zu Last ist ihm die Türkennot geworden, sie haben halb sein weisses Wien erobert bis zu dem Apfel und dem goldnen Arme und bis zur heiligen Stefangrabesstelle und bis zur hehren kaiserlichen Kirche. Wo ehdem Kirchen stunden und Altäre dort stehn Moscheen jetzt mit Minareten; es schreit vom Minaret der türkische Hodža, sein rühmen sich die rohen Türkenhorden. Der Kaiser hat uns einen Brief gesendet, wir mögen ihm mit Macht zu Hilfe kommen. Ich bin, mein Sohn, ich bin schon hoch bei Jahren, ich kann zu Ross mich nimmer aufrecht halten, wie wagt’ ich’s in den Krieg nach Wien zu ziehen? Drauf spricht zu ihm der Kaiser Mihajilo: — Mein lieber Vater Mojsković Johannes! so gib du mir zum Abschied deinen Segen, damit ich mir ein Heer in Russland sammle; ich zieh gen’s weisse Wien auf einen Kriegzug und bringe meinem Grosspapa die Hilfe. Zur Antwort gibt ihm Mojsković Johannes: — Zu guter Stund’, sei hundertmal gesegnet! so nimm mein Sohn das Szepter in die Hände, begib hinauf dich auf die Burg Kijevo und nimm die Schlüssel von der Burg Kijevo, schliess auf die Kammern und die Kriegkanonen, weck auf die jungen Radschlossflintenplänkler, und schiesset los dreihundert Bombenpöller; je dreimal voll dreihundert Bombenpöller; es soll das allarmierte Heer sich sammeln. Sodann begib dich auf die hohe Warte und brenne los drei grosse Kriegkanonen, dass sie in unsrem Russland widerhallen. Die schnellen Plänkler sollen sich erheben, es sollen sich die jungen Reiter rüsten; denn musterhafte Helden sind die Türken! Als dies der Kaiser Michael vernommen, so nahm er gleich das Szepter in die Hände, begab hinauf sich auf die Burg Kijevo, und nahm die Schlüssel von der Burg Kijevo, schloss auf die Kammern und die Kriegkanonen und weckte auf die jungen Radschlossplänkler. Sie schossen los dreihundert Bombenpöller. Drauf stieg hinauf er auf die hohe Warte und brannte los drei grosse Kriegkanonen; es hallt der Schall im ganzen Russland wieder. Da sprangen auf die Beine auf die Plänkler, behende fuhren auf die jungen Reiter. In kurzer Frist, es währte gar nicht lange, hat Kaiser Michael sein Heer beisammen. Da spricht zu ihm Herr Mojsković Johannes: — Mein Kind, verzeichne mir die ganze Heermacht, damit ich seh’, wie viel dein Heer betrage, ob du für’s weisse Wien bist wohl gerüstet, um deinem Grosspapa zu Hilf zu kommen. Das Kind verzeichnete die ganze Heermacht und sprach darauf zu seinem teuren Vater: — Vollkommen reicht das Heer mir aus, mein Vater, von dreimal je dreihunderttausend Kriegern! Darauf entgegnet Mojsković Johannes: — Zeuch hin, o Sohn, zu hundert guten Stunden, beglück dich Gottes Huld und Gottes Hilfe! Kehr ein zur schwarzen Königin am Wege, zwölftausend Krieger ist die Frau mir schuldig; kehr ein mein Sohn und führe mir die Heermacht und halt mir Einkehr auch beim König Lender, er ist mir sechszehntausend Krieger schuldig; kehr ein mein Sohn und führe mir die Heermacht und halt mir Einkehr auch beim König Španjur, er ist mir zwanzigtausend Krieger schuldig; kehr ein mein Sohn und führe mir die Heermacht und wann du an der stillen Donau anlangst so schlag dort Brücken überm Donaustrome und führ das Heer hinüber trocknen Fusses. Lass Halt das Heer am Donaustrande machen, gewähr’ dem ganzen Heer, mein Sohn, die Ölung. Sollt’s einem letzt an rotem Weine fehlen, so fehlt’s ja nicht an kühlem Donaubronnen. Wann du gen Wien gelangst durchs Waldgebirge, so gib, mein Sohn, Befehl dem ganzen Heere: »Ein Tannenreis ans Haupt sich jeder stecke!« Sobald du in die Wiener March gestiegen, umbau dein ganzes Heer mit einer Leinwand. Wenn dies von Wien die Türken dann erblicken, so werden drauf von Wien die Türken sagen: »Da dringen gen uns Berge vor und Burgen!« du wirst die Türken leichter so besiegen. Der Kaiser setzt die Heermacht in Bewegung, kehrt ein zur schwarzen Königin am Wege, die Frau, die gibt ihm mit zwölftausend Krieger; drauf hält er Einkehr auch beim König Lender und dieser gibt ihm sechszehntausend Krieger; dann hält er Einkehr auch beim König Španjur, und dieser gibt ihm zwanzigtausend Krieger. Als er zum stillen Donaustrom gelangte, so schlug er überm Donaustrome Brücken und führt’ das Heer hinüber trocknen Fusses. Er liess das Heer am Donaustrome halten und gab dem ganzen Heer die letzte Ölung. Gebrach’s bei einem just an rotem Weine, behalf er sich mit kaltem Donaubronnen. Am kalten Donaustrome unterm Zelte dort legte sich das Kind zum Schläfchen nieder, da scholl des Engels Stimme aus der Wolke: — O harre, Kaiser, bis zum nächsten Montag, am Montag wird ein Regen niederströmen, die Munition der Türken überschwemmen. Du wirst die Türken spielend leicht besiegen! Es harrt das Kind geduldig bis zum Montag. Am Montag fing ein Regen an zu strömen, die Munition der Türken kam ins Wasser. Der Kaiser setzt die Heermacht in Bewegung und lässt dem ganzen Heere gleich gebieten: — »Ein Tannenreis ans Haupt sich jeder stecke!« Als sie dann in die grüne March gelangten, umbaute er das ganze Heer mit Leinwand. Sobald die Wiener Türken dies erblickten, da sprachen die verfluchten Türkenkerle: — »Da dringen vor aus dem verfluchten Russland, da dringen gen uns Berge vor und Burgen!« In kurzer Frist, es währte gar nicht lange, erdröhnte unter Wien herum die Erde. Er machte flüchtig den Tatarenreiter und trieb den Flüchtling in die kühlen Fluten. Nun wurden Sklaven billig feilgeboten: zwei Türken wohl um eine Pfeife Knaster, zwei Türkinnen um einen Reuter Zwetschken. Die Türkenschanzen sind noch zu erkennen, die musst’ im Lauf das Kaiserheer berennen. Erläuterungen. Zu Vers 1. Die Bezeichnung ‘Tatarin’ für den Sultan, ‘sunce od istoka’ (Sonne des Ostens), ‘den Nachkommen des Heiligen’, d. h. des Propheten (svečevo kolino) ist eine arge Unrichtigkeit. Sonst wird in den Guslarenliedern der Christen genauer, in den Liedern der Moslimen immer genau unterschieden zwischen dem Sultan und dem Tatar—chan (oder Tataran). Der Sultan wird immer Car (Kaiser), der Kaiser von Österreich meist ćesar, seltener car genannt. Auffällig ist Car für den Herrscher Russlands. Gewöhnlich heisst er in Guslarenliedern kralj moskovski (Moskauer König), kralj od Rusije (Kaiser von Russland), rusinski kralj (russischer Kaiser). Dass zwischen kralj und car ein Rangunterschied bestehe, dessen ist sich der Guslar nicht bewusst. Zu Vers 10 ff. Ich halte mich an den Text und übersetze: Marchfeld. In Wirklichkeit lagerten aber die Türken 200 000 Mann an der Zahl auf dem welligen Hochplateau von Währing (wo noch eine Örtlichkeit den Namen ‘Türkenschanze’ trägt) angefangen in langer Linie bis zu den Wieden. Die Mechitaristenkirche im VII. Bezirk, Neustiftgasse 4, ist gerade an der Stelle erbaut, wo Kara Mustaphas Befehlhaber-Zelt im Jahre 1683 gestanden. Zu Vers 19. ‘Bis zum Apfel und der goldenen Hand.’ Gemeint ist die innere Stadt Wien, jetzt der erste Bezirk. Apfel ist der eiserne Buckel am Tore, Hand bedeutet die Torklinke. Vers 21. Despot, in Erinnerung an den serbischen Despoten Branković. Wenn dieser und der darauffolgende Vers, in welchem einer Rosenkirche (Rosalienkirche) gedacht wird, nicht blosse stereotype Zeilen der Guslarenlieder wären, könnte man an die Burgkapelle denken. Dass die Türken keine Zeit gehabt haben, um Wien herum Moscheen zu erbauen und Minarete zu errichten, braucht nicht erst bewiesen zu werden. Vers 28. Nach der Auffassung des Südslaven, gleichwie des Griechen in der Entstehungzeit der Homerischen Lieder ist das laute Weinen für den Helden keineswegs schimpflich. Überdies ist der Südslave ein wehleidiger Geselle, der sowohl für körperliche als geistige Schmerzen eine geringe Widerstandkraft besitzt. Die grössten Helden, Prinzlein Marko, Mustapha Hasenscharte, fangen oft bei geringfügigen Anlässen zu plärren an, und gerät einer vollends in eines Feindes Kerker hinein, so jammert er so laut, dass es selbst das Burgfräulein im obersten Stock der Warte nicht mehr aushält und nervös wird, wie ein Wiener Schriftsteller, unter dessen Fenster ein Werkelmann ausdauernd leiert. Kaiser Leopold hat beim Ansturm der Türken nicht geweint, vielmehr als ein abendländischer Held trockenen Auges alle Anstalten getroffen, um den Feind zu vernichten. Vers 31. Der Guslar überträgt die Art und Weise des Orientalen beim Schreiben auf den Deutschen. Über Briefe und Briefschreiben bei dem Südslaven vgl. Krauss im ‘Smailagić Meho Ragusa’ 1885. S. 86 zu Vers 129 und S. 142 zu Vers 1584. Vers 35. Kleta R., ‘verflucht’ nennt Petrenija Russland, weil sein Herrscher die Not der bedrängten Christen nicht beachtet. Vers 50 ff. Der Guslar mutet dem Kaiser die Gesinnung eines serbischen Bauern zu, der seine Tochter am liebsten in eine reiche Sippe hinein verkauft, um durch eine solche Verschwägerung sich selber zu sichern. Vgl. Krauss in ‘Sitte und Brauch der Südslaven’, Wien 1885, S. 373. Vers 72 ff. Ehrfurcht vor dem Alter ist bei den Südslaven ein allgemeines sittliches Gebot, s. ‘Krauss, Sitte und Brauch’ S. 603. Über Blutschande vgl. a. a. O. S. 221 ff. Unter den südslavischen Sippen ist die Exogamie seit uralten Zeiten vorherrschend. Als schrecklichste aller Sünden wird Buhlschaft unter Paten betrachtet, vrgl. a. a. O. S. 616 ff. Vers 105. ‘In hundert guten Augenblicken.’ Vrgl. Krauss: Sreća. Glück und Schicksal im Volkglauben der Südslaven, Wien 1886, S. 144 ff. Vers 106. čokan vom italienischen ciocco, Klotz, Keule, Stock, Feldherrnstab, Szepter. Vers 107. Unser Guslar hält Kijevo (Kiew) für den Namen der russischen Kaiserburg, der Guslar des Liedes vom König Bonaparte für den Namen einer Ebene. Die Kenntnisse des südslavischen Bauern über Russland sind eben sehr gering und immer verworren, märchenhaft. Vers 110. čarkadžija der Plänkler, wie in Vers 117 slavisch rtnik; vom türkischen čarka; nach Daničić’s Vermutung stammt das türkische Wort aus dem italienischen schermugio, französisch escarmouche, das Scharmützel. Vers 146. Als ‘schwarze Königin’ werden in serbischen Sagen serbische und bosnische Königinnen-Witwen (Jerina) bezeichnet, die das Volk durch Härte und Grausamkeit zur Verzweiflung trieben. Mijat, der Hajduk, erzählt, die Verbrechen der schwarzen Königin hätten ihn von Haus und Hof vertrieben. Auch die nordslavischen Volksagen kennen die blutgetränkte Gestalt einer wunderholden, männersüchtigen, schwarzen Königin. Sacher-Masoch hat die bekannte slavische Sage den Deutschen in Novellenform mitgeteilt. Vers 152. Španjur, sonst španjug für ‘Spanier’. Spanier kämpften um das Jahr 1570 im dalmatischen Küstenlande gegen die Türken. Nicht viel mehr als der blosse Name erhielt sich im Volke bis in die Gegenwart. Vrgl. das Guslarenlied bei Krauss in: ‘Das Mundschaftrecht des Mannes über die Ehefrau bei den Südslaven’, Wien 1886. Vers 156. Kuriši, vom türkischen kurmak, einrichten, aufstellen. Vers 179. Mostov für mostove, doch ist gerade bei most die Mehrzahl mosti die üblichere. Vers 187. Der Engel statt der Vila, die in Wolken fährt. Vrgl. Krauss in: Die vereinigten Königreiche Kroatien und Slavonien, Wien 1889, S. 123 ff. Denselben Guslar, der sonst in solchen Fällen immer Vilen auftreten lässt, an die er ja glaubt, leitet unbewusst das richtige Gefühl, es sei unstatthaft, eine südslavische Vila einem Ausländer aus weiter Fremde und noch dazu im Auslande erscheinen zu lassen. Vers 188. Der gläubige Christ soll durch einen blutigen Kampf den Sonntag nicht entheiligen. Vers 209. Eine Pfeife Tabak verehrt man selbst dem erstbesten Unbekannten auf dem Wege, wenn er einen darum anspricht. Tabak gedeiht in Bosnien in Überfülle und war vor Einführung des staatlichen Monopols spottwohlfeil zu haben. In Bosnien gedeihen aber auch Zwetschken überreichlich, und daher hatte ein Reuter voll dieses Obstes vor den Zeiten des Eisenbahnverkehrs und ehe sich jüdische Händler einfanden, einen sehr geringen Wert beim Bauer auf dem Gehöfte. Der Guslar will also sagen: Man bekam Sklaven so gut wie geschenkt zu kaufen. Vers 211 f. Seit Jahren ist die letzte Spur der Türkenschanzen weggeräumt worden. Jetzt entstand dort eine der herrlichsten Parkanlagen Wiens. Nur der Name ‘Türkenschanze’ ist der Anlage geblieben. Die Mutter der Jugović. Im Pašalyk Prizren in Altserbien siedelte im Jahre 1891 in aller Stille die osmanische Regierung einige tausend Juden an, die aus dem strenggläubigen, heiligen Russland zur Auswanderung gedrängt worden waren. Wie lange werden die Neusiedler und deren Nachkommen dort in Frieden leben dürfen? Wer weiss es? Schon schielen manche Diplomaten mit ländergierigen Augen nach jenem wunderbar gesegneten Landstrich hin, der zwar noch immer Altserbien genannt, doch derzeit vorwiegend von Albanesen und Bulgaren bewohnt wird. Die Serben namentlich erheben historische Rechtansprüche auf den Besitz des Kosovo polje, des schiefen Feldes oder der Leiten, wie man gut deutsch so ein Gebiet nennt, einer überaus fruchtbaren Hochebene von 70 km Länge und 30 km Breite. Mit Unrecht heisst man das Feld Amselfeld, als ob der slavische Name Kos polje lautete. Nicht durch Amselgesang erlangte jene Hochebene grosse Berühmtheit, sondern durch Abschlachtungen, die sehr gläubige Moslimen und sehr gläubige Christen untereinander auf dem breiten Plane veranstalteten. Berühmt ist der 15. Juni 1389, denn an jenem Tage zertrat Murad I. und sein Sohn Bajazit auf den Leiten die gesamte Serbenmacht und das Serbenreich. Und am 17. bis zum 19. Oktober 1448 zermalmte Murat II. zwischen Priština und Vučitrn das Heer Johann Hunyadis. Mit unauslöschlichen Zügen prägte sich die Erinnerung an diese zwei Massenniedermetzelungen dem Gedächtnisse der Serben und Bulgaren ein. Noch jetzt zehrt der Patriotismus und Chauvinismus der serbischen Politiker von jenen Niederlagen und er wird sich schwerlich eher beruhigen, als bis eine noch grössere Fremdeninvasion diese alte Geschichte gegenstandlos machen wird. Dem Bauernvolke darf man keinerlei politische Auslegungen seiner Erinnerungen an jene Vorfälle unterschieben; denn ihm sind die Berichte der Guslaren nichts mehr und nichts weniger als hübsche Sagen, die man zum Zeitvertreib anhört. Selbst der Volkforscher kann die einschlägigen Guslarenlieder nur als Sagen auffassen und muss ihnen so gut wie jede pragmatisch historische Bedeutung absprechen. Sie sind ihm nicht viel anderes als ein Ausdruck geistiger Gestaltungkraft der Volkseele, deren Dolmetsche namenlose, weil vergessene Dichter aus dem Volke und Bewahrer der Rede Guslaren sind. Eine alte Sage (man muss sie sich erst aus Bruchstücken neu zusammensetzen) erzählt von den Bewohnern der Burg Zvečan bei Mitrovica in Altserbien. Dort hauste in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts der serbische Ritter Jug Bogdan (Süd Theodor) mit seiner würdigen Gattin, einem Töchterlein und neun Söhnen, die nach ihm Südsöhne (Jugovići) hiessen. Er war ein mächtiger Streiter, wohlgeübt und erfahren in Mordtaten jeglicher Art, und seine Söhne gerieten ihm nach. Die Tochter Milica verheiratete er an den Landfürsten Lazar und seinen Söhnen verschaffte er Genossinnen in die Hausgemeinschaft. Er war daher zu Hofe und im Reiche gar geehrt und angesehen. Kurz vor der Schlacht auf den Leiten feiert Lazar der Serbenfürst sein Sippenfest [177]: Die Herren setzt er an die Tafelrunde, die Herren und die Ritter allzumal; zur rechten Hand den greisen Jug Bogdan, neun Jugović, die Söhne neben ihm. — — — — — — — — — — Den goldnen Becher Wein ergreift der Kaiser und spricht zur Ritterschaft von Serbien: — Auf wessen Wohl bring dieses Glas ich aus? Bring ich’s der Alterschaft zu Ehren aus, dann trink ich zu dem greisen Jug Bogdan. In der Nacht vor dem Auszug der Serben in den Kampf träumt die Fürstin Milica einen garstigen Traum vom Untergang des Heeres, von Schmach und bitterer Qual. Mit angstgepresstem Gemüte wendet sie sich an ihren gekrönten Ehgemahl [178]: — O könnt ich nur, Gebieter mein, von dir mir eins erflehen, dass du mir von den Jugović zurück doch einen liessest! Wenn schlimmer Zufall irgendwie auf den Leiten walten sollte, dass ich den Stamm der Jugović für immer nicht verlöre! Da sprach zur Fürstin Milica also zur Antwort Lazar: — Ich kann dir von den Jugović zurück nicht einen lassen. In Treuen sie gelobten es vom Ungarland dem König, selbst sänke wohl der Himmel nieder auf die schwarze Heldenerde, sie täten fangen auf ihn kühn auf ihre Schlachtenspeere. Nach der Niederlage auf den Leiten zerstoben die Überreste der Armee. Das Guslarenlied erzählt [179], Kaiserin Milica sei mit ihren zwei Prinzesschen von Ahnungen geängstigt vom Schloss herabgeeilt, um Kunde über den Ausgang der Entscheidungschlacht zu erlangen. Herzog Vladeta kommt flüchtend hoch auf braunem Renner ihr entgegen. Sie befragt ihn unter anderem: — So künd mir noch, o du des Fürsten Herzog, da auf den ebnen Leiten du gewesen, sahst du nicht wo neun Jugovićen dort, als zehnten auch den greisen Jug Bogdan? Da spricht zu ihr Herr Vladeta, der Herzog: — Wohl zog ich quer durchs ebne Leitenfeld und sah die Jugovićen alle neun und auch den zehnten, Jug Bogdan den Greis. Sie kämpften mitten in dem Leitenfelde, die Arme bis zur Schulter ihnen blutig, die Schwerter bis zum Griffe blutgebadet; doch sanken schon ermattet ihre Hände die Türken auf den Leiten niedermetzelnd. Kaiserin Milicas Traum war doch in Erfüllung gegangen. Nachstehendes Lied, das ich am 8. Januar 1885 zu Mačkovac in Bosnien nach der Rezitation des Guslaren Gjoko Popović, eines eingewanderten Montenegrers, aufgezeichnet, schildert die Schlussszene der Tragödie. Ein Dichter, ein wahrhaft begnadeter Mensch, hat diese tiefergreifende Episode ausgedacht zur Verklärung unendlichen Mutterstolzes und rätselhafter Mutterliebe. Die Mutter findet ihre Söhne tot auf dem Leichenfelde, und ohne Klagen kehrt sie heim, um ihre Schwiegertöchter und Enkel nicht mit der Trauerbotschaft in Jammer zu versetzen. Ihren eigenen Schmerz ringt sie nieder. Erst als sie die rechte Hand ihres jüngsten Sohnes mit dem Trauring am Finger auf dem Schosse hält, macht sich ihr Schmerz in Worten Luft. Boga moli Jugovića majka, da joj Bog da oči sokolove i bijela krila labudova, da otide na Kosovo ravno i da vidi devet Jugovića. Što molila Boga domolila. Bog joj dade oči sokolove i bijela krila labudova; ona ide na Kosovo ravno. Mrtvih nagje devet Jugovića i više njih devet bojnih kopja, za kopljima devet dobrih konja, na kopljima devet sokolova i više njih devet ljutih lava. Tad zanjišta devet dobrih konja i zaklika devet sokolova i zalaja devet ljutih lava. I tu majka tvrda srca bila, da ot srca suze ne pustila; već uzima devet dobrih konja i uzima devet sokolova i uzima devet ljutih lava pa ih vodi svome bjelu dvoru. Daleko je snaje ugledale a dilje su prid nju išetale. Zakukalo devet udovica, zaplakalo devet sirotica. I tu majka tvrda srca bila, da ot srca suze ne pustila. Kad je bilo noći u ponoći tad zavrišta Damjanov zelenko. Viče majka ljubu Damjanovu: — Snavo moja ljubo Damjanova, što nam vrišti Damjanov zelenko? Il je gladan šenice bjelice il je žedan vode sa Zvečana? Progovara ljuba Damjanova: — Svekrvice majka Damjanova! nit je gladan šenice bjelice, nit je žedan vode sa Zvečana, već je njega Damjan naučio do po noći sitnu zob zobati, ot po noći na drum putovati. Kad u jutro jutro osvanulo, osvanulo i sunce granulo, ali lete dva vrana gavrana, krvava im krila do ramena, na kljunove bjela pjena trgla; oni nose ruku od junaka, na ruci je burma pozlaćena, bacaju je u krioce majci. Uze majka ruku od junaka pa dozivlje ljubu Damjanovu: — Snaho moja ljubo Damjanova! bi l poznala čija j ovo ruka? Al govori ljuba Damjanova: — Svekrvice majko Damjanova! ovo ruka našega Damjana, jer ja ruku po burmi poznajem, sa mnom burma na vjenčanju bila. Uze majka ruku Damjanovu pa je ruci tijo beśjedila: — Ruko moja zelena jabuko! Gdi si rasla, gdi si ustrgnuta? Ti si rasla na kriocu mome, ustrgnuta na polju Kosovu! Der Jugovićen Mutter fleht zu Gott, es mög ihr Falkenaugen Gott verleihen und weisse Schwanenfittiche gewähren, auf dass sie auf die ebnen Leiten ziehe und dort erschau neun Brüder Jugović. Um was zu Gott sie flehte, sie erfleht’ es. Es tat ihr Falkenaugen Gott verleihen und weisse Schwanenfittiche gewähren; sie zog dahin aufs ebne Leitengeben. Neun tote Jugovićen fand sie vor, neun Schlachtenspeere ober ihren Häupten, neun gute Rosse hinter all den Speeren, neun Falken auf den Speeren oben sitzend, neun Löwen grimmig ober ihnen noch. Neun gute Rosse huben an zu wiehern, neun Falken stiessen wilde Rufe aus, neun Löwen grimmig fingen an zu bellen. Auch da verharrt der Mutter Herze hart, dass ihr vom Herzen keine Zähre kam; sie nahm mit sich neun gute Rosse mit und nahm mit sich neun Falkenvögel mit und nahm mit sich neun Löwen grimmig mit und holt sie heim zu ihrem weissen Hofe. Von weitem schon erschauten sie die Schnuren und eilten zum Empfang ihr weit entgegen. Neun Witwen schrieen: ‘Weh zu leidigen Tagen!’ neun Waisenkindlein weinten Jammerklagen. Auch da verharrt der Mutter Herze hart, dass ihr vom Herzen keine Zähre kam. Als Nacht es ward um Mitternacht herum, schrie wehvoll auf der Apfelschimmel Damjans. Die Mutter ruft des Damjans Ehelieb: — O meine Schnur, o Damjans Eheliebste, was schreit so leidig Damjans Apfelschimmel? quält Hunger ihn nach weisser Weizenfrucht? leicht lechzt er durstig nach dem Zvečanquell? Zur Antwort gibt des Damjans Eheliebste: — Lieb Schwiegermütterlein, du Mutter Damjans! es quält kein Hunger ihn nach weissem Weizen, er lechzt nicht durstig nach dem Zvečanquell, vielmehr, es hatt’ ihn Damjan angewöhnt bis Mitternacht an feine Haferatzung, von Mitternacht zu reisen auf der Strasse. Als morgens früh der Morgen angekommen, gekommen und der Sonne Licht erglommen, zwei schwarze Raben kamen hergeflogen, die Flügel bis zum Leibe blutgerötet und ihren Schnäbeln weisser Schaum entquoll; sie trugen eines Helden Hand daher, ein Trauungring vergoldet an der Hand; sie warfen sie der Mutter in den Schoss. Des Helden Hand die Mutter nahm entgegen und rief herbei des Damjans Ehelieb; — O meine Schnur, o Damjans Ehelieb! wess Hand dies ist, vermöchtest du’s zu sagen? Doch spricht zu ihr des Damjans Ehelieb: — O Schwiegermütterlein, o Mutter Damjans! die Hand dahier gehört ja unserm Damjan, denn ich erkenn am Trauungring die Hand, der Trauring war mit mir bei meiner Trauung. Des Damjans Hand die Mutter wieder nahm und führte leise Rede mit der Hand: — O meine Hand, o du mein grüner Apfel! wo wuchsest du? wo hat man dich gepflückt? Du bist auf meinem weichen Schoss gewachsen, man hat gepflückt dich auf dem Leitenfeld! Anmerkungen. Siebenzig oder fünfundsiebzig Jahre vor mir zeichnete Vuk St. Karadžić das Liede in einer Variante in Chrowotien auf. (In der offiz. Ausg. Nr. 48. S. 310 B. 12). Bei ihm zählt das Stück 85 Verse und führt den Titel: Der Tod der Mutter Jugović. Es ist merkwürdig, doch nicht auffällig für Volkforscher, dass diesmal die von mir um so viel Jahrzehnte später aufgezeichnete Fassung ursprünglicher und vollendeter ist als die ältere Niederschrift. Das Lied ist unzweifelhaft durch einen serbischen Auswanderer nach Chrowotien gebracht worden. Die Zusätze verraten den Stümper. Die ersten vier Verse, die für einen serbischen Bauer von Überfluss sind, setzte er vor zur Einführung für den chrowotischen Hörer. Sie lauten: Du lieber Gott, welch mächtig grosses Wunder! — Als sich auf Leiten tät das Heer versammeln, — befanden sich im Heer neun Jugović — als zehnter noch der greise Jug Bogdan. Nach V. 5 hat Vuk: Als zehnten noch den greisen Jug Bogdan. (Ich halte die Zählung unserer Fassung bei.) V. 9. Bei Vuk: ona leti (sie fliegt). Nach V. 10: und als zehnten usw. V. 12, 13: na kopljima — oko koplja — a porednji. V. 16 zaklikta. V. 23 (bei Vuk V. 30) pak se vrati svome. V. 25 (32): malo bliže. Nach V. 27 (34) bei Vuk wiederholt V. 15–17. V. 31: al zavr. V. 32: pita m. Nach V. 43 (53): pak on žali svoga gospodara — što ga nije na sebi donijo (und nun er klagt um seinen Herrn Gebieter — weil er ihn nicht auf sich nach heim gebracht). Darauf wieder V. 18–19. V. 44. — danak osvanuo. V. 45 fehlt. V. 52 (65): Jugovića majka. Nach 52 (V. 66): okretala, prevrtala s njome (sie drehte sie her und drehte sie hin). V. 56 (70): progovara. Nach 61 (75) wieder der V. 66 der Fassung Vuks: okretala usw. Der Schluss V. 82–85 ist eine dem Liede aufgepfropfte Geschmacklosigkeit, die ihresgleichen sucht: Es blähte sich auf die Mutter der Jugović, — sie blähte sich auf und zerplatzte — [aus Gram] nach ihren neun Jugović und dem zehnten den greisen Jug Bogdan. V. 2–5 und 6–8 stereotype Einleitungformeln bei Verwandlungen eines Menschen in einen Vogel. Auch der neugriechischen Volkpoesie nicht fremd. V. 14: Der Guslar hat keine Ahnung, wie Löwen ausschauen. Er vermutet, dass sie eine Unterart von Jagdfalken wären. V. 46: Raben als Unglückboten. V. 48: Der weisse Schaum vor Anstrengung, die ihm das Fortschaffen der schweren Hand verursacht. V. 50: Ein vergoldeter Silberring, wie ihn Bäuerinnen tragen. Ein glatter Trauring. V. 63: Der grüne Apfel, nicht ausgereifte Frucht, getäuschte Hoffnung; eine beliebte Wendung im Sprachschatz der Guslaren. Die Neunzahl von Brüdern und die zehnte, die Schwester, spuken öfters in den Sagen der Südslaven. So erzählt z. B. ein Guslarenlied vom Prinzen Marko, der als Held auch ein Don Juan gewesen, er habe sich gerühmt, dass er auch die einzige Schwester der neun Brüder zu Fall bringen werde. Die Brüder erbauen einen festen Turm für die Schwester. Sie erkrankt und Marko schwindelt in der Verkleidung eines Arztes der alten Mutter den Turmschlüssel ab. Darauf hatte das Fräulein nur gepasst. Nach vollbrachter Arbeit zieht Marko seine Heldentat besingend durchs Land. (Das Stück im Vienac uzdarja narodnoga O. A. Kačić-Miošiću. Zara 1861. S. 9.) In der serbischen Fassung der Lenorensage macht das Frauenzimmer den unheimlichen Ritt zu ihren neun Brüdern (siehe oben S. 120–122). Neun spielt eine Rolle beim Abzählen nach rückwärts; zu Zauber braucht man neunerlei Kräuter und soviel verschiedene Quellwässer. Zu vergleichen ist A. Kaegi: Die Neunzahl bei den Ostariern, Zürich 1891. (Vergl. E. Monseur im Bulletin de Folk-Lore 1892, S. 259 f.). Novak der Heldengreis. Für »Oberhaupt« oder »Befehlhaber« hat die serbische und bulgarische Sprache das Wort starešina. Es bezeichnet einen Alten oder im allgemeinen einen älteren Mann von gesetzten Jahren. Ehrfurcht, Achtung, Ehrerbietung dem Alter gegenüber sind anerzogene, aufgezwungene Begriffe. Bei den Südslaven erklären sie sich einfach und klar aus der altüberkommenen Stammorganisation und den geschlechterrechtlichen, gesellschaftlichen Verhältnissen. Es wäre vom Überfluss dies hier des Näheren zu erörtern. Übereilt wäre jedoch die Annahme, dass der Südslave dem Alter an und für sich grosse Verehrung zolle. Nur den Alten ehrt und schätzt man, der als Mann in der besten Lebenskraft seinen Mann gestellt und noch als Greis Achtung verdient. Die Erfahrungen eines langen Daseins erscheinen den Jüngeren als ein wertvoller Besitz, als ein köstlicher Ersatz für dahingeschwundene leibliche Rüstigkeit und Stärke. Wenn nun ausnahmweise trotz der Betagtheit Geist und Leib männliche Frische bewahrt haben, beugt sich der südslavische Bauer vor dem Begnadeten wie vor einem Wunder, wie vor einem auserlesenen Wesen. Solche Greise besingt das Volk und feiert sie noch nach Jahrhunderten. Brez starca nema udarca, »Ohn Alten gibt es keinen Angriff«, sagt das Sprichwort, das unzweifelhaft mit Hinblick auf greise, in Guslarenliedern verherrlichte Helden entstanden sein dürfte. Es gab solcher Helden oder richtiger, die mythenbildende Volkphantasie schuf sich welche, um einem bestimmten Empfinden und Gefühl der poetischen Eingebung gerecht zu werden. Jug Bogdan, der altehrwürdige Greis, der Schwiegervater des Kaisers Lazar, zieht mit allen seinen neun Söhnen in die Schlacht auf Leitengeben (Kosovo) und findet mit den Seinigen im Schlachtgewühl den Tod. Mehr und anderes weiss das Guslarenlied von ihm nicht zu künden. Von einem anderen alten Herrn, dem Stari Stipurile (der alte Steffel) erzählt ein Lied meiner Sammlung. [180] Stipuriles feste Burg stand irgendwo im dalmatischen Küstengebiet. Einmal traf es sich, dass seine Söhne und Eidame mit ihren Reisigen auf Abenteuer über den Karst ins Türkische ziehen sollten, um Vergeltung zu üben. Ohne den Alten mochten sie nicht aufbrechen. Gerüstet und kampfbereit, wie sie waren, eilten sie in die Weinberge zum Alten und trafen ihn, dem edlen Waidwerk ergeben: gje on buve po košulji ganja »wie er im Hemd herum die Flöhe hatzt.« Unverweilt unterbricht der Greis seine kurzweilige, kleinliche Beschäftigung, legt sich die schwere Rüstung und die Gewaffen an, und führt seine Mannen und Knappen zum Sieg ins feindliche Land. Ein vielgerühmter greiser Held der moslimisch-slavischen Guslarenlieder ist Ćejvan aga dedo (Ćejvan der greise Herr). Er zählt 80 oder gar 130 Jahre: es klappern ihm des Kinnes leere Laden, zum Teufel ist sein letzter Zahn geflogen, doch der Alte ist noch immer der erste und wackerste Held. Mustapha der Schmerbauch unternimmt mit seinem Bruder Halil dem Falken, mit Suša von Posušje und mit Tale dem Schalknarren, samt Gefolgschaft einen Raubzug ins Dalmatische. Der greise Ćejvan muss mit, denn brez starca nema udarca. Im Hochwald lagern sich die Ritter und die Rotten unter Tannen zur Rast. Man tat sich gütlich an Wein und Braten — im Quorân steht ja nicht, dass bosnische Moslimen keinen Wein trinken dürfen —, bis sich behagliche Stimmung einfand. Sprach nicht Halil, der Jüngling, jetzt wäre es am schönsten, hätte jeder Held ein holdes Mädchen zum Kosen unterm Tann auf weichem Rasen. Und Ćejvan hub an die Wunder der Welt zu preisen, und schloss wie ein verliebter Schäfer seine weisen Betrachtungen über das Weltall mit den Worten: »das allerschönste bleibt und ist ein schönes Mägdlein!« Die gesamte Zuhörerschaft lachte vergnügt dazu, nur Mustapha fing an zu höhnen: »Was soll einem Greis ein Mädchen frommen? Alte Knochen, schwache Arme. Weh dem Mädchen in des Greisen Armen!« Darob ergrimmte Ćejvan, und Halil fuhr auch wild auf. Sie kündigten auf der Stelle Mustapha die Freundschaft, und ihnen schlossen sich die besten Kämpen an. Sie stiegen hinab ins Küstenland und führten einen blutigen Kampf gegen Šimun Breulja und Smiljanić Ilija. Die Gelegenheit machte sich Mustapha zu Nutze und plünderte inzwischen ungestört Šimuns Warte und raubte dessen Ehegemahlin [181]. Ohne Ćejvan unternahmen die Moslimen keinen Raubzug. Er war überall dabei und flösste den Gegnern Schrecken ein. Zuweilen schmähten und schalten ihn die Kampfgenossen, indem sie ihm seine Um- und Vorsicht für Feigheit auslegten, aber er wusste besser Bescheid und guten Rat. Held sein ist ein lebengefährlicher Beruf. Der vornehmste und anerkannteste Heldengreis ist jedoch Novak und mit ihm Grujica, sein Sohn, beide so unter den Südslaven, als auch unter den Rumänen unbestrittene Grössen. Wer einmal in den Ruf eines Helden oder eines Heiligen gelangt, wird bei steigender Beliebtheit zum Hauptträger so mancher alten Sagen und Legenden. So tritt uns z. B. auch Novak in der Volküberlieferung in den mannigfachsten Rollen und Situationen entgegen, sowohl in der eines Drachentöters als letzlich auch in der eines bosnischen oder rumänischen Buschkleppers. In der epischen Volkpoesie stört solch geschichtwidriges Neben- und Durcheinander nicht. Novak ist kein Bosnier, nicht einmal ein Serbe, vielmehr gleich dem Prinzen Marko und Relja vom Pazar ein Bulgare; wohlgemerkt, gab es natürlich am Ausgange des 14. Jahrhunderts, in der Blütezeit jener Herren, noch keine nationale Frage, und daher erscheint die Nachforschung nach der nationalen Zugehörigkeit unserer Helden als ausserhalb einer wissenschaftlichen Erörterung und völlig unstatthaft. Novak (novus, der Neue) war des Helden Vorname, sein Beiname (nach bulgarischer epischer Überlieferung) Herr von der Burg Klisura (irgendwo bei Vakarel Ichtiman); sein Spitzname Debeljak (Dickwanst). Sein Bruder hiess nach den serbischen Guslarenliedern Radivoj und der Sohn Grujo (Georg). Klisura, griechisch Litharisa ist ein im bulgarischen Gebiet häufig vorkommender Namen auf Felsen erbauter Burgen, für den Serben dagegen ist klisura nur eine studena stijena, der kalte Felsen. Wenn nun Novak in einem kalten Felsen haust, befindet sich wohl im Gestein eine Höhle. Also erniedrigte erst die serbische Sprache und Sage den alten, greisen Novak zum Höhlenbewohner. Eine Sage gebiert die andere. Was mag den fürtrefflichsten aller Kämpen zur Flucht in die Einöde bewogen haben? Die Sage macht dafür schlankweg »die verfluchte Königin Jerina« (prokleta Jerina) verantwortlich. Diese, im übrigen recht harmlose Dame, hauste in Zvornik oder auf der Veste von Srebrnica in Bosnien. Statt der Zugtiere liess sie Menschen vor den Pflug spannen und heischte vom Volke hohe Steuern. Das Steuerzahlen war aber bei den Serben nicht einmal in der epischen Epoche ein beliebter Sport. Bei den Chrowoten und Serben verspricht fast jeder Parlamentkandidat in seiner Programmrede den versammelten Wählern gänzliche Aufhebung aller Grundsteuern und Abgaben, oder zum Mindesten deren Abwälzung auf die Juden [182]. Das packt. Auch Novak entschloss sich, sein Volk zu befreien, und: odmetnu se Novak u hajduke »ins Räuberleben schlug sich Novak fort«. Dort in der Felswand lässt ihn mit seinem Sohne und dem Gefolge das Volk hausen und von Zeit zu Zeit auf Abenteuer ausgehen. Wenn irgend etwas Grosses in der Welt vorfällt, laden die übrigen Helden gern den alten, achtzigjährigen Haudegen zur Teilnahme am Zuge ein. Im Guslarenlied ist der greise Novak immer volle achtzig Jahre alt. Was Wunder, wenn sich Novak auch einmal in der ehrwürdigen Rolle des Perseus zeigt, der Andromeda aus des Drachen Gewalt befreit. Davon handelt unser Lied. Unsere Andromeda ist namenlos, ihr Vater ist nicht mehr König Kepheus sondern der Bulgarenfürst Michaël. Bulgarien ist für den bosnischen Guslaren ein weit entferntes Land, über dessen Lage und Bevölkerung er und seine Zuhörer fabelhafte Vorstellungen hegen. Das ist kein rechter Held ersten Ranges vor den Guslaren, der nicht schon den Drachen einmal getötet und die holde Maid erlöst hat. Prinz Marko und Relja, Mustapha von Kladuša und Orlović der Burggraf von Raab haben den Kampf glanzvoll bestanden, also auch Novak musste drankommen; denn: nema kiše brez mutna oblaka ni junaka brez starca Novaka! »ohn trübe Wolke gibt es keinen Regen und ohn den alten Novak keinen Degen!« In einem anderen Guslarenliede besiegt Prinz Marko unter Mithilfe Reljas mit den Flügeln, einem Rufe der hartbedrängten Bevölkerung von Janina folgend, den Drachen vom See (Pambotis) und tötet bei der Gelegenheit den albanesischen Helden Musa kesedžija (Mustapha den Beutelschneider, Strauchritter) und dessen Gesellen Gjemo Brgjanin (Gjemo den Älpler). Der Drache (blôr, blavor) war eine 12 Ellen lange Schlange, die sich mit jungen Mädchen und Burschen zum Futter begnügte. In ihrem aufgesperrten Rachen konnte bequem ein fetter Mastochs Unterschlupf finden. Marko erwischt den fliehenden Musa just vor den Toren Litharisas und macht ihm und Gjemo den Garaus. Das ist die Örtlichkeit unseres Guslarenliedes. Die Fabel klingt nur etwas anders, etwas modernisiert. Der Gebieter (Ban) der Burg von Janina (Janok) freit um die Prinzessin von Bulgarien. Der Fürst kann sie ihm nicht ohne weiteres überlassen; denn er weiss, was er seinem Drachen schuldig ist. Der Ban von Janok holt sich dann unter Beistand Novaks und anderer Helden die Braut ab, nachdem Novak das Ungeheuer glücklich getötet. Die Fabel erscheint hier ins Serbisch-ritterliche übersetzt und der märchenhaft grellen Szenerie einigermassen entkleidet. Der Drache hat menschliche Gestalt angenommen und sitzt als schwarzer Araber hoch auf einem brüllenden Beduinenrappen. Sonst erfreut sich der Schwarzaraber des Besitzes dreier Köpfe, wie z. B. der, mit dem mein Orlović einen Strauss ausgefochten [183]; von rechtswegen müsste er als Drache siebenköpfig sein. In unserem Liede ist der Araber bloss einköpfig, doch sieben Bräutigame und deren Gefolgschaften hatte er ums Leben gebracht. Ein bulgarisches Guslarenlied erzählt uns des näheren vom Aussehen des Arabers und es empfiehlt sich die kurze Schilderung hier zu wiederholen, um unser Lied damit erläuternd zu ergänzen, auf dass man begreife, was für wackerer Degen sein Besieger, Novak der Heldengreis, gewesen. Ein Brautgeleite zog mit der Braut durchs Hochgebirge, da plötzlich: Ostreka i edna strašna beda, strašna beda hala-haletina, haletina cŏrna Arapina! Dolna usta na gŏrde mu bie, gorna usta v čelo go udara; glava mu kolku dva tŏpana, oči ima kolku dve panici; usta ima kolku mala vrata, zŏbi ima četiri dikani, nodze ima Solunski direci. Koga klapat taja pusta usta, dur ot usta ogin isfŏrljuva, dur na gora listovi obliva. ein furchtbar Ungetüm begegnet ihnen, ein furchtbar Ungetüm, ein grauser Drache, der Drache war ein schwarzer Araber! Die Unterkiefer schlägt ihm auf die Brust, die Oberkiefer stösst ihm an die Stirne; an Umfang gleich sein Haupt ist zweien Trommeln, gleich zweien Tellern gross sind ihm die Augen; sein Mund so gross wie eine kleine Haustür, vier Pfähle dienen ihm im Mund als Zähne, als Füsse wohl aus Salonichi Balken. So oft er aufreisst diesen wüsten Rachen, speit Feuerflammen aus dem Rachen er, bedeckt mit Geifer er das Laub vom Hochwald. Es ist allgemein bekannt, dass die Perseus-Andromeda-Sage als christliche Legende vom hl. Georg, dem Drachentöter, eine Verjüngung und Verklärung erfahren hat. Sie ist in der besonderen christlichen Fassung auch bei den Südslaven einheimisch. Ein solches Stück veröffentlichte ich in Pitrés Archivio per le tradizioni popolari Vol. IX, Palermo 1890, unter dem Titel: Le afflizioni di Trojano. Canto dei guslar della Bosnia (223 Verse nebst Einleitung und Randbemerkungen). Schön hat A. Chachanov diesen Sagenstoff mit Hinblick auf die grusinische Überlieferung besprochen [184]. Unser Guslarenlied von Novak dem Heldengreis hat auch eine historisch-pragmatische Bedeutung wegen der darin genau angegebenen Zeit, wann sich die Begebenheit zugetragen. Die chrowotischen Geschichtforscher jener Art, deren ich in den Böhmischen Korallen aus der Götterwelt gedacht, wären überglücklich, wenn sie so sichere Angaben über den Tag und das Jahr der Geburt und des Ablebens des unendlich gepriesenen nationalen Königs Zvonimir, des grossen Unbekannten, überliefert bekommen hätten. Novak besiegte nämlich den Schwarzaraber in jenem Jahre als am 24. April, d. h. am Georgitage, ein solcher Schnee einfiel, dass die Kinder auf den Strassen Schneeball spielten. Im Jahre 1894 am 7. Juni morgens erlebten wir Wiener ähnlich ein märchenhaftes Hagelwetter. In den breitesten Strassen blieben stundenlang schwere Lastwagen im Eise stecken. Wer es nicht mit angesehen, glaubt es nicht. Der Guslar mag immerzu scherzend erzählen, dass sich seine Geschichte damals ereignet habe, als zu St. Georgi ein Schneefall eintrat, ich will zum Trotz gerade dies Geschehnis für wahr und das übrige nur für eine slavische Variante der Perseus-Andromeda-Sage halten, die zu Ehren des achtzigjährigen Novak erfunden und erdichtet ward. Kat se ženi od Janoka bane na daleko čuo za djevojku, čuo bane u zemlji bugarskoj u onoga bugarskoga kneza, gji je prose mloge mušterije a nitko je odvodit ne mere. On opremi sebe i gjogata; ode bane u zemlju bugarsku bjelu dvoru bugarskoga kneza. Dobro ga je kneže dočekavo a iznio pivo i jidivo pa śjedoše ladno piti vino. Odma bane zaprosi djevojke. Kneže šuti, ništa ne bješjedi, nit je daje nit mu je ne daje. Ražljuti se od Janoka bane pa on snijgje do gjogata svoga pa uzjaši debela gjogata; ode bane kroz zemlju bugarsku u Janoka bijeloga grada. Sve dan po dan godinica dana. Kada bješe o Jurjevu danu, snijeg pade o Jurjevu danu, grudaju se djeca po sokacim, jedno drugog grudom udarilo, zajmiše se djeca nis sokake: — Stani kurvo, njesi pobjegnulo na sramotu ko banu djevojka! To dočuo od Janoka bane pa svu sebi djecu pokupio pa dobro je djecu darovao, svakom djetu po žut dukat dade. Pa opremi debela gjogata; ode bane u zemlju bugarsku bjelu dvoru bugarskoga kneza. Na avliju natjera gjogata, na avliji zatvorena vrata. Bane trže pernu topuzinu, stade lupat na avliji vrata a on kneza po imenu vikat: — Kurvo jedna, Mijoile kneže! izlaz kurvo na megdan junački ja izvodi glavitu djevojku! Kada kneže poznavao bana ondar sletje vratma i avliji pa otvori na avliji vrata: — Aman bane mili gospodare! odjaš bane debela gjogata, ajde sa mnom u bijele dvore! Ja ću tebi curu pokloniti, ja rodio, tebi poklonio. Ban odjaši debela gjogata. Vjerne sluge konja odvedoše, kneže bana u bijele dvore; za punu ga sopru posadio pa śjedoše ladno piti vino. Tri bijela pridaniše dana. Kat četvrti danak osvanuo ondar bane zaprosi djevojke: — Ak neš bane poklonit djevojku! Ondar bane bjeśjedio knezu: — Kaću kneže sa svatovma dojći? koliko ću dovesti svatova? — Povedi mi iljadu svatova, sve knezova, prvije kmetova i povedi svate varošane. Ajde bane u drugu nedilju! Pojgje bane od Janoka grada. Kad istjera konja na avliju, na avliji banova djevojka, ona banu tio bjeśjedila: — Gospodine od Janoka bane, šta no tebi babo bjeśjedaše? — Bjeśjedaše Mijoile kneže da povedem svate varošane i knezove i prve kmetove. — Šta će babi svati varošani?! Ne će babo boje prodavati! I knezovi i prvi kmetovi?! Ne će babo zemlje dijeliti! A zâr ne znaš od Janoka bane, sedam sam se isprosila puta, sve sedam sam povogjena puta; a moj babo, da od Boga najgje! sve sedmere svate oglobio, pogubio sedam gjuvegija, mlogo pusto nasipao blago. I tebe će bane pogubiti a i tvoje svate oglobiti a i tvoje blago ustaviti. Ako misliš mene odvoditi dera kupi pod izbor junake. Pa se čuvaj kroz zemlju bugarsku, Bugari su stare varadžije, dokle sada na gjogatu projgješ da te koji džidom ne opali! Ode bane kroz zemlju bugarsku. Kada dogje u Janoka grada, ondar śjede, sitru knjigu piše pa je šalje Kraljeviću Marku: »Eto knjiga dragi pobratime! Hajde meni Marko u svatove. Nemoj vodit svata nijednoga. Ja sam brate curu isprosio, isprosio u zemlji bugarskoj. Bugari su stare varadžije«. Drugu piše Miloš Obiliću: »Ajd Milošu meni u svatove! Nemoj vodit svata nijednoga. Ja sam brate curu isprosio, isprosio u zemlji bugarskoj. Bugari su stare varadžije«. Treću piše Relji ot Pazara: »Ajde Relja meni u svatove. Nemoj vodit svata nijednoga. Ja sam brate curu isprosio, isprosio u zemlji bugarskoj. Bugari su stare varadžije«. Kada bješe u oči nedilje al eto ti Kraljevića Marka a za Markom Miloš Obilića, za Milošem Relje ot Pazara. Dobro ji je dočekao bane; konje vodi u tople podrume a junake u bijele dvore; za punu ji sopru posadio pa śjedoše ladno piti vino. Kad u jutru jutro osvanulo, dobre svoje konje opremiše pa pojgjoše od Janoka grada. Putovaše i dva i tri dana. Kada biše kroz goru zelenu kraj stijene starine Novaka, ondar reče Kraljeviću Marko: — Gospodare od Janoka bane, da s vratimo starini Novaku, da zovnemo njega u svatove; nek povede svog sina Grujicu, jer brež njega pouzdanja nejma! Pa s vratiše studenoj stijeni. Bane starog zove u svatove. Bjeśjedi mu starina Novače: — Gospodine od Janoka bane! Ja ne mogu u svatove pojći, jêr ja groša ni dinara nejmam pa s ne mogu spremit u svatove; jêr znaš bane mili gospodare, da ja nejmam kuće ni kućišta, kuća mi je studena stijena. Kada bane čuo lakrdiju, dade bane stotinu dukata, dade Marko stotinu dukata, dade Miloš stotinu dukata, dade Relja stotinu dukata. Opremiše starinu Novaka i njegova sina Gruajana pa odoše u zemlju bugarsku. Kad dojgjoše u zemlju bugarsku, sve zeleno polje prikriveno; knez skupio silovitu vojsku. Al eto ti crne Arapine i on jaši vranu bedeviju. Arap ciči, bedevija riče, pod njima se crna zemlja trese: — Kojo vam je od Janoka bane? nek izijgje na megdan junački, jă izijgje jă izmjenu najgje! Pojgje bane na megdan izijći. Ne dade mu Miloš Obiliću: — Stani bane mili gospodare! tvoj je megdan, moje zaodivo; ja ć Arapu na megdan izijći. Pa istjera debela alata. Natjeraše jedan na drugoga. Arap trže pernu topuzinu pa ošinu Miloš Obilića; obori ga u zelenu travu, saveza mu na plećima ruke, otjera ga u zemlju bugarsku u tavnicu Mijoila kneza. Malo vrime zu dugo ne bilo al eto ti crne Arapine; Arap ciči, bedevija riče: — Kojo vam je od Janoka bane? nek izijgje na megdan junački, ja izijgje, ja izmjenu najgje! Pojgje bane na megdan izijći, ne dade mu Relja ot Pazara: — Stani bane, mili gospodare! tvoj je megdan, moje zaodivo! Pa istjera debela putalja. Natjeraše jedan na drugoga. Arap trže pernu topuzinu pa udari Relju ot Pazara, obori ga u zelenu travu, saveza mu na plećima ruke, otjera ga u zemlju bugarsku u tavnicu Mijoila kneza. Malo vrime za dugo ne bilo al eto ti crne Arapine, Arap ciči, bedevija riče: — Kojo vam je od Janoka bane? nek izijgje na megdan junački, ja izijgje ja izmjenu najgje! Pojgje bane na megdan izijći, ne dade mu Kraljeviću Marko: — Stani bane, mili gospodare! tvoj je megdan, moje zaodivo! Dok mu Marko na megdan izijgje! Pa on zajmi debela šarina; natjeraše jedan na drugoga. Marko trže pernu topuzinu pa ošinu crnu Arapinu. Kako ga je lako udario pot sobom je šarca oborio, na njega se šarac pribacio pa pritiśće Kraljevića Marka. Arap sjaši šafku bedeviju pa saveza Kraljevića Marka; otjera ga u zemlju bugarsku u tavnicu Mijoila kneza. Malo vrime za dugo ne bilo al eto ti crne Arapine. Arap ciči, bedevija riče, pod njima se crna zemlja trese. — Kojo vam je od Janoka bane? nek izijgje ja izmjenu najgje! Pojgje bane na megdan izijći, ne dade mu starina Navače: Stani bane, mili gospodare; dok mu stari na megdan izijgje! Bjeśjedi mu dijete Grujica: —  moj babo starina Novače! da mi svoje sablje razmjenimo! tvoja sablja od devet pedalja a moja je ot četiri pedlja. — A moj sine dijete Grujica! ako meni do nevolje dojgje lasno ćemo sablje razmijenit! Natjeraše jedan na drugoga, potegoše sablje ot pojasa (ne tje stari perne topuzine) pa ošinu crnu Arapinu; poviš pasa malo natfatio; kako ga je lako udario dvije pole u travu padoše. Opet Arap is travice viče: — Mol se Boga, starina Novače! Marko mi je rebra polomio a ne bi me lako pogubio! Pa odoše u zemlju bugarsku bjelu dvoru Mijoila kneza. Kako dojgje starina Novače odma razbi na tamnici vrata pa ispuśća sve tri pobratima. Svu kneževu rastjeraše vojsku, bijele mu dvore porobiše, pokupiše gotovinu blago, pogubiše dva njegova sina, od zla roda nek nije poroda. Oni kneza živa oguliše, povedoše glavitu djevojku pa odoše kroz zemlju bugarsku. Igje Marko, pjeva prit svatovma: — Nejmakiše brez mutna oblaka ni junaka brez starca Novaka! Da ne bješe starina Novače mi ostasmo sužnji u Bugarskoj! Da b u koga ne bi ni žalio već u onog kneza bugarskoga! Pa odoše u Janoka grada. Pilav čine tri nedilje dana. Der Ban von Janok ging auf Freierfüssen; vernahm von einer Maid in weiter Fremde, der Ban vernahm, im Lande der Bulgaren, die Tochter wär es vom Bulgarenfürsten; um ihre Hand dass viele Freier freien, doch keiner wär im Stand sie heimzuführen. Da rüstet er sich selbst und seinen Falben, und fort ins Land Bulgarien zog der Ban zum weissen Hof des Fürsten von Bulgarien. Fürtrefflich ihn der Fürst empfangen tat, er liess herbei Getränk und Speisen schaffen, dann setzten sie sich kalten Wein zu trinken. Der Ban hält unverweilt ums Fräulein an. Der Fürst, der schweigt, er spricht kein einzig Wörtchen, er sagt nicht zu und sagt ihm auch nicht ab. Darob geriet in Zorn der Ban von Janok und stieg hinab zu seinem falben Läufer und schwang hinauf sich auf den feisten Falben; dahin durchs Land Bulgarien zog der Ban, dahin zu seiner weissen Burg von Janok. So Tag an Tag ergab ein Jahr an Tagen. Als um die Zeit des Sankt Georgitages ein Schneefall eintrat am Georgitage, Schneebälle warfen Kinder auf den Gassen, das eine traf das andre mit dem Schneeball, entlang den Gassen jagten sich die Kinder: — Na, wart du Dirn, du Ding wirst nicht entwischen zu Schimpf und Schande wie dem Ban das Bräutchen! Der Ban von Janok das Geschrei vernahm, berief zu sich die Kinder allesamt und tat die Kinder gar beschenken reichlich, jedwedes Kind mit einem Golddukaten. Drauf rüstet er den feisten Falben aus; ins Land Bulgarien zog der Ban von dannen zum weissen Hof des Fürsten von Bulgarien. Er trieb den Falben nach dem Burghof hin, doch war vom Hofe wohl das Tor verschlossen. Den nägelreichen Kolben schwang der Ban, hub an damit aufs Hoftor loszuhämmern und rufen auch beim Namen an den Fürsten: — Du eine Metze, Michaël, du Fürst, zum Heldenzweikampf komm heraus, du Metze, wo nicht, so führ heraus das stattlich Mädchen! Sobald als da der Fürst den Ban erkannte, flog er behend zum Tor und Hof hinab und öffnete das Einlasstor des Hofes: — Verzeihung Ban, mein teuerster Gebieter! steig ab, o Ban, von deinem feisten Falben, komm in den weissen Hof mit mir hinauf; ich werde zum Geschenk die Maid dir machen, so wahr ich sie gezeugt, ich schenk sie dir! Da stieg der Ban vom feisten Falben ab. Die treuen Diener führten fort den Renner, der Fürst den Ban in weisse Burggemächer; er pflanzt’ ihn hin zur reichbesetzten Tafel; sie huben an, dem Kühlwein zuzusprechen. Drei weisse Tage tagten sie selbander. Als dann des vierten Tages Morgen graute, bewarb der Ban sich um des Mädchens Hand: »Wenn du mir, Fürst, die Maid nicht schenken magst!« (Er schwingt den Streitkolben gegen den Fürsten, der zu Tod erschrocken und sprachlos mit Hand und Kopf zustimmend, seine Schenkfreudigkeit äussert.) Dann weiter sprach der Ban zum Fürsten noch: — Wann darf ich, Fürst, mit dem Geleit erscheinen? Wie viel Geleitgefolge soll ich führen? — Bring mir eintausend Hochgezeiter mit, nur lauter Schulzen, reiche Lehenbauern und bring zu Hochgezeitern Städter mit. Erscheine, Ban, mir in der zweiten Woche! Der Ban von Janok brach nun auf zur Heimkehr. Als hoch zu Ross er in den Hof gejagt, befand sich in dem Hof des Fürsten Fräulein, sie sprach mit leisen Lauten so zum Ban: — Mein edler Herr und Ban von Burg zu Janok was hat mein Vater wohl zu dir gesprochen? — Fürst Michaël, der hat zu mir gesprochen: zu Hochgezeitern soll ich Städter bringen nur lauter Schulzen, reiche Lehenbauern. — Was sollen Städter-Hochzeitleut dem Vater?! er will doch keine Hofgelass’ verkaufen! dann, lauter Schulzen, reiche Lehenbauern?! will denn der Vater Länderei’n verteilen? Ja, blieb dir unbekannt es, Ban von Janok, dass siebenmal als Braut ich ward erworben und siebenmal als Braut die Reise machte? Jedoch mein Vater, mög es Gott ihm lohnen, brandschatzte all die sieben Brautgefolge, er bracht ums Leben sieben Bräutigame und häufte viel an eitlen Schätzen auf. Er wird auch dich, o Ban, ums Leben bringen, brandschatzen wohl auch deine Hochgezeiter, auch deine Schätze sich zurückbehalten. Wofern du heimzuführen mich vermeinst, traun, sammle lauter auserwählte Helden! Und nimm in Obacht dich durchs Land Bulgarien, Bulgaren sind ja altverschlagne Schelme, dass dich, indes du hoch zu Falben durchziehst, nicht einer mit dem Wurfspiess arg versenge! Durchs Land Bulgarien zog nach heim der Ban. Als heim er in die Burg von Janok kam, da schrieb er ohn Verzug ein zierlich Schreiben und übersandt es an den Prinzen Marko: »Allhier ein Schreiben, teuerer Herzensbruder! Erschein zu meinem Brautgeleite, Marko, bring keinen Hochgezeiter weiter mit; ich hab mir, Bruder, eine Braut erworben, erworben bass im Lande der Bulgaren. Bulgaren sind ja altverschlagne Schelme.« An Miloš Obilić ein zweites Schreiben: »Erschein zu meinem Brautgeleite, Miloš! bring keinen Hochgezeiter weiter mit; ich hab mir, Bruder, eine Braut erworben, erworben bass im Lande der Bulgaren. Bulgaren sind ja altverschlagne Schelme.« An Relja vom Pazar ein drittes Schreiben: »Erschein zu meinem Brautgeleite, Relja! bring keinen Hochgezeiter weiter mit; ich hab mir, Bruder, eine Braut erworben, erworben bass im Lande der Bulgaren. Bulgaren sind ja altverschlagne Schelme.« Als es gerad vor Sonntag Abend war, der Königsprosse Marko kam daher und gleich nach Marko Miloš Obilić, nach Miloš folgte Relja vom Pazar. Fürtrefflich sie der Ban empfangen tat, die Rosse führt er in die warmen Keller, die Ritter in die weissen Burggemächer und pflanzte sie an reichbesetzte Tafel. Sie huben an am Kühlwein sich zu laben. Am Morgen als der Morgen angebrochen, da rüsteten sie ihre guten Renner und zogen fürbass aus der Burg von Janok. Am zweiten oder dritten Reisetage als sie im grünen Hochwald sich befanden dem Felsen nah des Heldengreises Novak, da sprach das Wort der Königsprosse Marko: — O mein Gebieter, Ban von Janok-Burg, zum greisen Novak lass uns Einkehr halten, damit wir ihn zur Hochzeit laden ein, er führe mit Georgchen seinen Sohn; denn sonder ihn ist kein Verlass aufs Glück! Sie hielten Einkehr in die kalte Höhle. Zur Hochzeit lud der Ban den Alten ein. Zur Antwort ihm der greise Novak gab: — O mein Gebieter, Ban von Janok-Burg! Zur Hochzeit kann unmöglich mit ich ziehen, denn keinen Groschen noch Denar besitz ich, und kann mich nicht zur Hochzeit rüsten aus Du weisst ja, Ban, o teuerster Gebieter, dass weder Haus ich noch Gehöfte habe; fürs Heim mir hilft die kalte Felsenhöhle. Sobald der Ban die Worte tat vernehmen da gab der Ban ein hundert Golddukaten und Marko gab ein hundert Golddukaten und Miloš gab ein hundert Golddukaten und Relja gab ein hundert Golddukaten. Sie rüsteten den greisen Novak aus, zu gleicher Zeit Georgchen seinen Sohn und zogen fürbass in das Land Bulgarien. Als sie im Land Bulgarien angekommen, belagert lag das grüne Grasgefilde vom Heere mächtig, das der Fürst gesammelt. Doch sieh! da naht ein schwarzer Araber, beritten wohl auf Beduinenrappen. Der Ărăbĕr gröhlt, der Wüstenrappe brüllt, die Schwarzerd unter dem Getrapp erdröhnt: — Wer ist euch hier der Ban von Janok-Burg? er mög heraus zum Heldenzweikampf rücken entweder selber oder sein Ersatzmann! Schon wollt heraus der Ban zum Zweikampf rücken, doch hielt zurück ihn Miloš Obilić: — Halt ein, o Ban, mein teuerster Gebieter. Der Kampf ist dein, doch mein die Kampfvertretung! ich will dem Araber im Plan erscheinen. Und jagte hoch auf feistem Fuchs hinaus; sie drangen einer auf den andern ein. Es schwang der Araber die Nagelkeule und schlug drauf los auf Miloš Obilić, er warf ihn nieder auf den grünen Rasen, er band ihm auf die Schultern fest die Hände, er trieb ihn vor sich her ins Land Bulgarien fort ins Verliess des Fürsten Michaël. Nach kleiner Weile, wohl nicht allzulanger, der Schwarzaraber wieder war erschienen. Der Araber gröhlt, der Wüstenrappe brüllt: — Wer ist von euch der Ban von Janok-Burg? Er mög heraus zum Heldenzweikampf rücken entweder selber oder sein Ersatzmann! Schon wollt heraus der Ban zum Zweikampf rücken, doch hielt zurück ihn Relja vom Pazar: — Halt ein, o Ban, mein teuerster Gebieter! der Kampf ist dein, doch mein die Kampfvertretung! Und stürmt’ hinaus auf seinem feisten Mustang; sie drangen einer auf den andern ein. Es schwang der Araber die Nagelkeule und schlug drauf los auf Relja vom Pazar, er warf ihn nieder auf den grünen Rasen, er band ihm auf die Schultern fest die Hände, er trieb ihn vor sich her ins Land Bulgarien fort ins Verliess des Fürsten Michael. Nach kleiner Weile, wohl nicht allzulanger, der Schwarzaraber wieder war zur Stelle. Der Araber gröhlt, der Wüstenrappe brüllt; — Wer ist von euch der Ban von Janok-Burg? Er mög heraus zum Heldenzweikampf rücken entweder selber oder sein Ersatzmann! Schon wollt ihm auf dem Plan der Ban erscheinen, doch wehrt’ es ihm der Königsprosse Marko: — Halt ein, o Ban, mein teuerster Gebieter! der Kampf ist dein, doch mein die Kampfvertretung! Na, bis ihm Marko auf dem Plan erscheint! Und tollte fort auf seinem feisten Schecken. Sie drangen einer auf den andern ein. Herr Marko liess die Nagelkeule schwirren und niedersausen auf den Schwarzaraber. Wie gar so leichten Schlag er ihm versetzte, dass ihm der Schecken unterm Leibe stürzte, der Schecke warf sich über seinen Reiter und drückt’ zur Erd’ den Prinzen Marko nieder. Der Araber stieg vom wilden Rappen ab und fesselte den Königsprossen Marko; er trieb ihn vor sich her ins Land Bulgarien fort ins Verliess des Fürsten Michael. Nach kleiner Weile, wohl nicht allzulanger, der Schwarzaraber wieder war zur Stelle. Der Araber gröhlt, der Wüstenrappe brüllt, die Schwarzerd unter ihrem Trab erdröhnt: — Wer ist euch hier der Ban von Janok-Burg? er mög erscheinen oder sein Ersatzmann! Schon wollt ihm auf den Plan der Ban erscheinen, doch wehrt’ ihm Novak ab, der Heldengreis: — Halt ein, o Ban, mein teuerster Gebieter, zuerst erschein’ ihm auf dem Plan der Alte! Da sprach zu ihm das Wort sein Kind Georgchen: — O du mein Vater Novak, Heldengreis, o lass uns wechseln unsre Säbel aus; neun Spannen misst dein Säbel in der Breite, vier Spannen bloss ist breit der Säbel mein. — Lass gut es sein, mein Sohn, du Jung-Georgchen! Sollt ich in Leid und schlimme Lage fallen, leicht wechseln wir noch unsre Säbel aus. Sie drangen einer auf den andern ein, sie zogen blank die Klingen aus dem Gürtel, (der Alte wollte nicht die Nagelkeule) er traf mit einem Hieb den Schwarzaraber, erfasst’ ihn nur ein wenig oberm Gürtel; so fein und leicht tat diesen Streich er führen, dass gleich zwei Hälften in den Rasen fielen. Und dennoch schreit vom Rasen der Araber: — O preis nur Gott, du Heldengreis, o Novak! Die Rippen hat Herr Marko mir zerbrochen, sonst hättest du mich nicht so leicht zerstochen! Nun zogen fort sie in das Land Bulgarien zum weissen Hofe Michaëls, des Fürsten. Kaum kam Herr Novak hin, der Heldengreis sofort zerbrach die Pfort er am Verliesse und machte frei der Wahlgebrüder drei. Des Fürsten Heer sie trieben auseinander und plünderten ihm aus die weisse Hofburg; sie rafften all den baren Schatz zusammen, sie töteten ihm seine beiden Söhne, von frevler Zucht, dass keine Frucht verbleibe. Den Fürsten schunden sie lebendig ab. Sie führten mit sich weg das stattlich Mädchen und zogen durch das Land Bulgarien heim. Herr Marko singt voran dem Hochzeitzuge: — Ohn trübe Wolke gibt es keinen Regen und ohn den alten Novak keinen Degen! Hätt Novak uns gefehlt, der Heldengreis, wir blieben Kerkerhäftling in Bulgarien! Wär’s noch bei wem, es tät nicht weh der Seele, doch grad bei dem, beim Fürsten von Bulgarien! Nun zogen sie zur Janok-Burg zu Haus. Drei Wochen währte wohl der Hochzeitschmaus. Erläuterungen. Das Lied sang mir am 24. Oktober 1885 mein Diener und Reisebegleiter Milovan Ilija Crljić Martinović aus Gornji Rgovi in Bosnien vor. Von wem er das Lied »übernommen«, war ihm nicht mehr im Gedächtnisse. Er hatte es schon als Sauhirtlein gekannt, also ums Jahr 1850. In seinem Repertoir führt das Lied die Bezeichnung: Od Janoka ban u Bugarskoj i svat mu starina Novak (Der Ban von Janina in Bulgarien und dessen Brautbegleiter Novak der Heldengreis). Milovan war ums Jahr 1860 Leibpferdewächter Osman Pašas als dieser die Montenegrer bekriegte. Als dem Paša die Pferde »gestohlen« wurden, entzog sich Milovan samt Genossen durch Flucht einer Untersuchung des Falles. Er hielt sich bis zum Ableben Osman Pašas im Gebirge auf. Damals habe er, erzählte er mir, mehrmals in der Romanija planina in Novaks Höhle vor den Zaptijen (Schergen) Schutz gefunden. Er wollte auch mich hinführen, aber ich mochte nicht hin, weil mein vagabundenmässiges Gewand und Schuhwerk diese Tour durchs Walddickicht über Stock und Stein kaum bestanden hätten. Eine Novak-Höhle zeigte mir der greise Archimandrit von Banja an der Drina im Gebirge jenseits des Klosters in einem Grabsteinbruche. Das ist aber keine alte Räuberhöhle, vielmehr ein ganz gemeines, unhistorisches Loch im Sandstein, das die Steinmetzen ausgehöhlt hatten, um sich darin bei Regen und Unwetter zu bergen. Greise Haudegen, gleichgültig ob in der Epik oder in der Wirklichkeit, von Nestor an bis zum alten Flöhefeind Stipurile, waren keine Dauerredner. Wer die frische, verwegene Tat zu vollbringen liebt, pflegt vielen Worten abhold zu sein. Berühmtheit ist jedoch mitunter im Leben, und öfter nach dem Tode ein Unsegen für den, der sie einmal erlangt hat und ihrer nicht mehr ledig werden kann. Wer sollte es für möglich halten, dass sich ein Serbe finden wird, der unterm Deckmantel des nationalen Patriotismus unseren Novak, den Heldengreis zum furchtbarsten, langweiligsten Schwätzer und Lügenbold, zu einem umgestülpten Gargantua umdichtern werde? Das Buch hat den Titel: Starine od starine Novaka ili Tolkovanje Narodnjeg Pjevanja i Pripovjedanja. Napisao Joksim Nović Otočanin. Izdala »Matica Srpska«. Neusatz 1867. S. 356. 8o. (Denkwürdigkeiten vom Heldengreis Novak [erzählt] oder Verdolmetschung der Volklieder und Volkerzählungen. Geschrieben von Joksim Nović aus Otočac [in der Lika, Chrowotien]. Das Buch erklärt man für ein klassisches Erzeugnis serbischer Erzählungkunst. Es ist gut möglich, dass sich Nović consueto more solcher serbischer und chrowotischer Literätlein selber die Reklame besorgt hat. Von einer Verdolmetschung oder Erläuterung der Volktradition ist in dem Buche nicht einmal eine Spur, Nović lässt den alten Novak bei Gelegenheit eines Taufschmauses und einer Verlobung im Hause eines Freundes bei Visoko in Bosnien seine Memorabilien aus dem Leben selig entschlafener Helden auskramen. Planlos und ziellos reiht Novak aus Guslarenliedern dürftige prosaische Berichte aneinander, entkleidet sie jeder poetischen Zutat und dichtet den Helden ungeheuerliche Schandtaten und himmelschreienden Frevel an, kurzum, nach der Darstellung Nović-Novaks müsse man die Serben für den Ausbund aller irdischen Niedertracht und Schlechtigkeit erachten. Eine blutrünstige Phantasie hat Nović gewiss, aber sie hat das eine mit den meisten Dampfluftschiffen gemein, dass sie sich über die Gipfel einer glatten Ebene nicht erheben kann. Seine Diktion ist zerhackt und gibt wohl ein Bild der bäuerlichen Ausdruckweise des Bosniers unserer Zeit. Von den sozialen und kulturellen Zuständen der Südslaven des XIV. Jahrhunderts besitzt Nović keinen blauen Dunst. Und das Bad muss Novak, der Heldengreis ausgiessen! Zu V. 5. gji mundartlich für gdi (gdje). Zu V. 6 mere für može, V. 99 sitru f. sitnu eine Spracheigentümlichkeit der Dorfbewohner vor Gornji Rgovi. Im V. 55 sagt Milovan sopru für sofru; denn ihm fällt die Aussprache von f. schwer. Zu V. 51. ich habe sie geboren, dir hab ich sie geschenkt. Kraft seines väterlichen Mundschaftrechtes steht ihm unumschränkte Verfügung über die Tochter frei. Mein seliger Landsmann der Heilige Hieronymus Sophronius Eusebius (aus dem vierten Jahrhunderte) erzählt treuherzig in griechischer Sprache, er persönlich habe zu Alexandrien einen Pathicum gekannt, der schwanger geworden und einen unförmlichen Klumpen statt eines Kindes geboren. Das glaubt ihm kein serbischer Bauer, obgleich er, wie uns auch der V. 51 lehrt, ohne weiters einen Vater sagen lässt, dass er sein Kind geboren. Er will damit natürlich den gewöhnlichen Hergang des Geborenwerdens von einer Mutter nicht abläugnen, sondern lediglich das Vaterrecht hervorheben, demzufolge der Vater alles, die Mutter nichts gilt. Unsere Helden töten zum Schluss die beiden Söhne des Fürsten Michaël, um dessen Geschlecht mit Stumpf und Stil auszurotten, aber es fällt ihnen nicht im Traume ein, dass aus der Ehe des Bans von Janok mit der geraubten Fürstentochter dem geschundenen Fürsten Enkel entspriessen könnten. Die Prinzessin scheidet mit dem Eintritt in des Bans Stamm gänzlich aus dem väterlichen Geschlechterverbande und ihre Kinder gebiert der Ban, ihr Herr und Gebieter über Leben und Tod. Das Recht des Stärkeren hat eine zwingende Logik, es tut auch der Sprache Gewalt an. Ich durfte hier der Spur des Serben nicht folgen, weil man meine Verdeutschung ohne Kommentar nicht verstanden haben würde; darum erlaube ich mir etwas anderes einzusetzen, um den Leser nicht aufzuhalten. Zu V. 60 irrtümlich bane für kneže und im V. 70 banova statt kneževa. Sprechversehen sind nicht selten in Guslarenliedern. Quandoque et bonus dormitat Guslarus. Ich ändere selbst Derartiges nicht in meinen Texten. Die interpolierten 2 Zeilen Gedankenstriche im Texte nach V. 60 und die Einschaltung in der Verdeutschung sind von mir. Ohne die gedachte raubritterliche Pantomime wäre die Szene kaum verständlich. Zu V. 63. Die Frage ist am Platze; denn der Bräutigam kann von vornherein nicht wissen, wie viel Leute der Fürst in der Lage sei, gastlich frei zu halten. Der Fürst wünscht sich Städter, friedliebende Leute, zu Gästen, die auch bei Geld sind und sich selber etwas kaufen, anstatt den Gastgeber auszusacken und arm zu fressen. Die Braut freilich gibt dem Wunsche eine davon verschiedene Deutung. Zu V. 62. in der zweiten Woche, d. h. nach 15 (14 + 1) Tagen. Trifft der Bräutigam bis dahin um die Braut nicht ein, wird der Handel, die Verlobung von selbst rückgängig. Zu V. 71. Halblaut sprechen ist nach osmanischen Anstandbegriffen die Art feingebildeter Leute. Das Fräulein redet hier aber auch aus Vorsicht leise. Zu V. 78. Bŏje, d. i. Stockwerke der Häuser. Holzbauten kann man auseinanderlegen und an einem anderen passenden Orte aufstellen. Der Unterbau aus Stein ist unverkäuflich. Zu V. 94. In serbischen Guslarenliedern öfters: bugari su stare varalice, d. h. Bulgaren haben es faustdick hinter den Ohren. Statt Bugari sonst Latini Lateiner (Venezianer). Solche Schmeicheleien sagen einander Nachbarvölker gern nach. Man lese darüber das treffliche Werk: Blason populaire de la France par H. Gaidoz et Paul Sébillot. Paris 1884. XV, 382 und dazu Sébillots Nachtrag: Blason populaire de la Haute-Bretagne 38 S. Tragisch sind solche Aussprüche nicht zu nehmen. Zu V. 100. Die Besorgnis ist unbegründet, dass uns der Guslar etwa tausendmal denselben Brief zum Besten gegeben hätte, wenn der Ban 1000 Gäste eingeladen. Selbst bei grossartigen Einladungen nennt der Sänger nur die ersten Würdenträger und Führer namentlich, doch meist um deren Aufzug späterhin beschreiben zu können. Zu V. 100 ff. Über den Prinzen Marko gibt es sowohl in der serbischen als der deutschen und russischen Sprache schon eine stattliche Literatur. Heil dem Manne, der sie nicht zu lesen braucht. Hübsche Charakteristiken der bulgarischen Überlieferung gab G. Popov im Sbornik za narodni umotvorenija, Sofija 1890. (Blgarskite junaški pesni) Bd. III1, S. 247 ff. Zu V. 139. Das Lob bezieht sich ausschliesslich auf den Alten. Er zieht als »stari svat« als der Oberordner des Hochzeitzuges und Proviantmeister mit, seinen Weisungen muss jedermann gehorchen, selbst Braut und Bräutigam und deren Eltern. Zu V. 145. Kojo für koje je ovo (welches ist allda, hier), kojvo. Zu V. 171. Zaodivo, Gang für einen anderen. Das Wort noch in keinem Wörterbuch. Zu V. 218 šăfku in der Verdeutschung nicht wiedergegeben. Bei Milovan öfters, kommt noch in den Wtb. nicht vor. Ich vermute ein ursprüngliches türk. čapkun, ein Pferd, dessen Gangart der Galopp ist. Das bosnische Bauernpferd ist an den langsamen Passgang gewöhnt. Milovan kannte die Bedeutung des Wortes nicht. E tako sam primio (ja, so hab ich’s überkommen), pflegt er in solchen Fällen zu sagen. Zu V. 235 ff. Solche riesige Aufschneidereien sind in Guslarenliedern nicht spärlich. Man denke sich die kolossale Länge zu einem neun Spannen breiten Schwerte! Grujo meint, der Säbel dürfte dem alten Vater doch etwas schwer fallen und darum bietet er ihm seine leichte Klinge an. Die ist bloss vier Spannen breit und wahrscheinlich nur zwanzig Ellen lang. Solche Einschaltungen gehören zum dichterischen Aufputz der Guslarenlieder. Zu V. 242. Der Alte wollte die Nagelkeule nicht beschmutzen. Es verlohnt sich ihm gar nicht, gegen einen so geringen Gegner mit einer so wuchtigen Waffe auszuholen. Nach einem Guslarenliede wog der Apfel von Novaks Schlachtkeule 120 Litren Eisen. Zu V. 261. Unter oguliti (schinden) ist hier lediglich die Amputation der Ohren, der Nase, der Finger, Zehen und des Zumptes zu verstehen. Über altsüdslavische Strafen vrgl. meinen Kommentar zu König Mathias und Peter Géréb in den Ethnolog. Mitl. aus Ungarn, Bd. III. In unserem Sonderfalle nahmen die Helden, wie nach Kriegbrauch, wohl die abgeschnittenen Leibteile als Siegzeichen mit, um sie daheim vorzuzeigen. Zu V. 272. Die Hochzeitfestlichkeiten dauern sonst nur zwei Wochen, diesmal vergönnten sich die Herrschaften noch eine dritte gute Woche. In Slavonien darf nach behördlicher Verfügung kein Hochzeitschmaus länger als 2 Tage währen; denn das Bauernvolk richtete sich durch den üblichen Aufwand bei Hochzeiten wirtschaftlich zu Grunde. Die Milchbrüder. Die geschlechtgenossenschaftliche Rechtgemeinschaft (bratstvo, pleme, gr. Phratrie, Phylē) geschlechterrechtlicher Verbände führte zur territorialgenossenschaftlichen Organisation über. Diese bildete bei Slaven und Germanen gleichermassen die Grundlage für die darauf sich erhebenden herrschaftlichen Verbände, denen sich nach Umständen das Häuptling- und Königtum der daneben einhergehenden kriegerischen Organisation aufnötigte [185]. Die geschlechterrechtliche Gemeinschaft braucht zu ihrer gedeihlichen Entwicklung und zu ihrem dauernden Bestande ungestörten Frieden, die herrschaftliche dagegen erheischt unablässig Krieg mit den Nachbarn. Fehlt ein solcher, dann macht sie sich innerhalb ihres heimischen Gebietes der Bevölkerung fühlbar und unterdrückt sie. Es erfolgt ein Gegendruck und es entstehen Reibungen, bei denen mitunter die eine der Organisationformen auch völlig in die Brüche geht. In Bosnien und dem Herzogtum lastete auf den geschlechterrechtlichen Genossenschaften, die sozial das arbeitende Volk darstellten, neben der Wucht der kriegerischen Organisation (Königtum und Adel) noch die kirchliche, eine unproduktiver als die andere, eine mehr als die andere vom Marke des Volkes zehrend, zum Überfluss beide noch miteinander im aufreibenden Kampfe um die Herrschaft und die unumschränkte Volkknechtung. Nach der jedenfalls auf gründlichem, historischem Material fussenden Ermittlung des bosnischen Franziskanerfraters Bōžić gab es zur Zeit der Eroberung Bosniens durch die Türken in dem Gebirgländchen zweihundert und dreiundsiebzig (273) Franziskanerklöster, ungerechnet die Zweiganstalten und sonstige Ordenklöster! Man darf annehmen, dass das einrückende türkische Heer mit ausgelassenem Jubel als ein Befreierheer vom Volke begrüsst worden sei. Dafür zeugt mittelbar die Tatsache, dass die Besitzergreifung oder Unterwerfung des Landes buchstäblich ohne Blutvergiessen innerhalb dreier Tage erfolgte und an einem einzigen Tage siebzig der wohlbefestigten Burgen ihre Tore den Türken gastlich aufschlossen. Bosnisch-slavisches Königtum mit seiner Adelherrschaft verschwand fast spurlos von der Bildfläche, von den Mönchklöstern blieben ihrer nur sechs oder acht von der Volkwut verschont und behaupteten sich bis auf unsere Tage. Alle übrigen hat das Volk gründlich zerstört. Um mit der Vergangenheit völlig zu brechen, nahm der grössere Teil der bäuerlichen Bevölkerung freiwillig den Islam an. Nicht umsonst; denn unter dieser neuen Decke konnte sich die nationale geschlechterrechtliche Organisation weiter behaupten, ja auch sogar die altursprüngliche slavische kriegerische Organisation, die Volkmiliz, die zur Sicherung der geschlechterrechtlichen diente, ohne Eroberungzwecke (Gebieterweiterungen) anzustreben, wie wir sie im Hajdukentume erkennen, lebte neu auf. Fast auf zwei Jahrhunderte hinaus ward dadurch dem Lande ein Frieden erworben, der einen noch gar nicht ausreichend gewürdigten Aufschwung der in den orientalischen Kulturkreis miteinbezogenen Bosnier und Herzogländer hervorrief. Dieses Völklein betrachtete sich als des Padišāh getreueste Gefolgschaft. Eine Änderung in dieser eingewurzelten Überzeugung bahnten erst allmählich einzelne grossherrliche Statthalter (Vali), Paša’s und sonstige Beamten an, die als Hofgünstlinge von Stambol her in das Land zur Belohnung verschiedener geheimer Tugenden versetzt worden waren. Solche Leute verstanden nicht oder wollten den vorhandenen gesellschaftlichen Zustand nicht verstehen, stellten sich in einen schroffen Gegensatz zu ihm und machten sowohl sich als des Sultans väterliche Herrschaft verhasst. Das ist der soziale Hintergrund, auf dem sich die Hauptbegebenheiten unseres nachfolgenden Guslarenliedes abwickeln. Sie geben uns ein, wenn auch dichterisch verklärtes, doch immerhin überaus lehrreiches Beispiel, wie sich dieser Kampf zweier Organisationformen im einzelnen zuweilen abspielt. Beg Ljubović von Nevesinje war in Handelgeschäften — die Begriffe Edelmann und Grosshändler decken sich gewöhnlich auf der genossenschaftrechtlichen Stufe — in das venezisch-dalmatische Gebiet gereist und hatte einen Abstecher nach Zara gemacht. Der Provveditore gibt den Auftrag ihn zu blenden. Der Beg tötet aus Notwehr den Angreifer und rettet sich durch die Flucht. Darauf setzt sich der Provveditore mit dem Paša von Banjaluka wegen Ermordung Ljubović’s ins Einvernehmen. Das Vorgehen des Italieners widersprach ganz und gar der vertragmässig zwischen der Republik Venedig und der Hohen Pforte zu Kraft bestehenden Abmachung, war aber trotzdem dazumal gang und gäbe. Dieses Staatswesen ging klipp und klar seiner dalmatischen Besitzungen vorzüglich dank seiner hochadeligen militärischen Beamten verlustig, die mit sinnloser Willkür und Gewaltherrschaft das slavische Volk im Lande und in der Grenznachbarschaft ständig in Aufruhr erhielten [186]. Der gleichfalls namentlich nicht genannte Paša von Banjaluka war des Provveditore’s würdiges Seitenstück. Beide, Vertreter zügelloser Eigenmächtigkeit, fanden sich trotz religiöser und nationaler Verschiedenheit leicht zusammen in ihren Zwecken und Zielen. Ljubović und das Gebiet von Nevesinje unterstanden dem Paša durchaus nicht. Das beengte ihn aber wenig. Er sandte gemütlich eine Mörderschar zur Vollstreckung der Untat ab. Die Leute verübten in Abwesenheit des Begs Greuel und büssten sie bald darauf. Den Streit zwischen Ljubović und dem Paša, auf einmal dem Wahrer des Rechtes und des staatlichen Ansehens, löst im Liede — ein Wunder. Ljubović’s Milchbruder Stefan Majković besteht für den Sultan gegen einen Araber einen Zweikampf, rettet dem Sultan das Leben, rettet den Staat, rettet damit den Beg und erwirbt zugleich das Recht, über den Paša abzuurteilen. Der Araber! Das ist ein guter, alter Bekannte. Der muss ebenso in der serbischen als der bulgarischen Guslarenepik den Ruhm der heimischen Helden begründen helfen. Im Kampfe mit Orlović ist er noch dreiköpfig [187], in älteren Zeiten und bei älteren Völkern war er gewöhnlich mehrköpfiger, und eigentlich war er von Ursprung ein menschenfressender Drache. Vielleicht trug zur Behauptung dieser Sage im poetischen Volkbewusstsein auch der im XIV. und XV. Jahrhundert in der Türkei übliche Brauch militärischer Bravourduelle bei. »In damaliger Zeit,« so schildert der Biograph Skanderbegs die Verhältnisse, »wo die persönliche Kraft des Einzelnen noch häufig massgebend für den Sieg war, herrschte auch in Friedenzeiten der Brauch, dass einzelne, besonders kampfgeübte Streiter von Stadt zu Stadt zogen, um die Tapfersten zum Zweikampf herauszufordern« [188]. Möglicherweise liegt unserer Liedschlussepisode ein solches Ereignis zu Grunde, nur ist die Sache keineswegs wahrscheinlich. Ljubović und Majković übergeben sich ohne Wehr und Waffen dem Abgesandten des Sultans, der mit einem Heere ihre Burg umlagert: denn gegen den Kaiser gibt es keinen Kampf. Der Guslar sagt es selber, und es entspricht dem Gewohnheitrecht der Völker. Nicht einmal den Häuptling einer Hajdukenrotte darf einer der Pfadgenossen zum Zweikampf herausfordern, um wieviel weniger einer aus dem Volke den mit Göttlichkeitmacht ausgestatteten Sultan! Das Rechtsprichwort drückt dies so aus: muluć samo na muluća! (Der Herrscher kämpft wieder nur mit einem Herrscher). Dies gilt schon zu Recht bei der primitiven kriegerischen Genossenschaft. Geraten zwei derartige Verbindungen in Streit, so kämpfen die Häuptlinge einen Zweikampf aus, während die beiderseitigen Rotten müssig zuschauen. Gewöhnlich schliesst sich dann die Rotte des unterlegenen, der Rotte des obsiegenden Häuptlings friedlich an. Erst die spätere Entwicklung der Organisation, wenn einmal die Rottenhäuptlinge zu Landgebietern von geheiligter und unantastbarer Gestalt geworden, brachte es zu Wegen, dass die Hauptinteressenten, selber in gesicherter Ferne, mit Hilfe ihrer Getreuen einander bekriegten; dass sich also die Untertanen gegenseitig hinschlachteten, um ihre kindische Neugier zu befriedigen, für welchen der zwei Gebieter die Hinterbliebenen in Zukunft zu roboten und zu darben haben werden. Der Bericht leidet auch darunter, dass ein so unmittelbares Eingreifen des Sultans in eine verhältnismässig geringe Provinzialangelegenheit unglaublich, weil unnötig erscheint. Ljubović konnte sein Recht beim Vali suchen, der es schwerlich geduldet haben würde, dass ihm der armselige Paša von Banjaluka ins Handwerk pfusche. War aber der Paša beim Vali Liebkind, so gab es wirksamere Mittel als einen Zweikampf, um ihn umzustimmen. Zu einem Vali pflegt man mit grossem Nachdruck (von so und so viel Beuteln Goldes) zu reden. Ist die strittige Angelegenheit auf diese nicht ungewöhnliche Weise ins Reine gebracht worden, so lag es gewiss zunächst im Vorteil Ljubović’s, seinen Hof- und Burgguslaren darüber nicht aufzuklären, sondern es vielmehr dessen dichterischer Begabung anheimzustellen, eine minder prosaische Lösung zur Aufklärung des Volkes über das Geschehnis zu erfinden. Der Christ Majković als Milchbruder des Moslims Ljubović und dessen Hausgenosse ist nicht als eine Ausnahmerscheinung zu betrachten [189]. Die heimischen Moslimen waren auf demselben Baum, auf dem ihre christlichen Volkgenossen gewachsen. Sprache, Sitte und Brauch, Rechtanschauung und Religion waren ihnen gemeinsam. Man muss ausdrücklich sagen: Religion; denn sowenig dem einen der Islam, war dem anderen das Christentum vertraut; gottlob, es ist bis auf den heutigen Tag nicht um vieles hierin anderes geworden, sonst wäre es mir nicht möglich gewesen, mein Buch über Volkglauben und religiösen Brauch der Südslaven, so wie es voll Heidentum geraten ist, zu verfassen und die Anthropophyteia herauszugeben. Es steckt ebensoviel Bosheit und Tücke als Unverstand in der Behauptung eines mir aufsässigen Kritikers, wenn er berichtet (und so mancher schreibt es ihm ohne Überprüfung nach), dass die moslimischen Guslarenlieder meiner Sammlung christenfeindlich gehalten wären [190]. Die Haltlosigkeit dieser Ausstreuung fällt jedermann in die Augen, der sich nicht scheut, das eine und das andere Lied durchzulesen. Die Helden moslimischer Guslarenlieder fühlten sich nicht als Streiter für den Fanatismus irgendwelcher Derviše berufen, auch führten sie keinen Krieg gegen Weiber, Kinder und christliche Geistliche und Kirchen. Das galt als unritterlich. Die Anfachung des wildgrimmigen Religionhasses geschah und geschieht leider noch immer von Vertretern der Nächstenliebe, der Milde, Versöhnlichkeit und Güte, von Leuten, die das Gelübde der Armut und Keuschheit ablegen, aber dem Reichtum nachjagen und in Polygynie schwelgen, dann von Politikern und von chrowotischen Lügenhistoriographen, die ihre Unfähigkeit, die Wahrheit zu begreifen und zu ergründen, mit erheucheltem Patriotismus und gleichwertiger Treuversicherung für ihren Glauben zu bemänteln suchen. Der Liedtitel, wie folgt, vom Guslaren. Majkoviću Ljubovića pobro. Gjelep kupi beže Ljuboviću po Neretvi, okolo Neretve, po Srijemu, okolo Srijema. Silan bezi gjelep pokupili: pet stotina krava jalovica, pet stotina volov debelijeh; naturiše Zadru bijelome. Kada bili niz Neretvu ravnu, izletješe Neretljani mladi, Neretljani i Nevesiljani: — Ne gon beže volov u kaure! Car i ćesar kavgu načinili, da ne igje turčin u kaure! Oćeš beže izgubiti glavu, ja li ćeš se beže osužnjiti! Al to beže aje pa ne aje; gjelep stjera Zadru bijelome. Š njime ima dvanajes gončila i pobro mu Majković Stjepane. Na rudinam gjelep zastavio; ižljeteše njemački trgovci pa kupuju krave i volove, begu daju mekane rušpije. Kada beže gjelep priprodavo on beśjedi Majković Stjepanu: — O Stjepane dragi pobratime! Čuvaj nama konja na rudinam sa našijeh dvanajes gončila, dok ja odem u vlaškoga Zadra, da im vidim Zadra i čaršije i u Zadra otkle su mu vrata, da im vidim tablja i topova. Onda Stjepan begu beśjedio: — Nejgji beže u vlaškoga Zadra! Car i ćesar kavgu načinili, da ne igje turčin u kaure. Oće li te vlasi poznavati, oćeš ludo izgubiti glavu, ja li ćeš se beže osužnjiti! Al to beže haje i ne haje, vić on ode u vlaškoga Zadra. A u Zadra otvorena vrata. Stade beže po čaršiji odat. Beže gleda Zadra i čaršije pa on śjede na jednom dućanu, stade piti kavu na dućanu. Opazi ga Zadranine bane. Kad on vidje bega Ljubovića, oko bana pet stotin katana, us koljeno Sekula sestrić mu. Bane viknu grlom debelijem: — Nut turčina u našemu Zadru! Šta će ture u našemu Zadru? šta uvodi po našemu gradu? zār on gleda grada i čaršije? Bel ne gleda otklem su mu vrata, turčin gleda tablja i topova, oće li nam na grad udariti! Nije l majka rodila junaka, tko b turetu snišo na čaršiju, ośjeko mu u ramenu ruku, obadva mu oka izvadio, neka slijep po čaršiji voda! Svatko šuti a gleda prida se al ne gleda Sekula dijete, već daigji beśjedi Sekula: — Moj daigja, od Zadarja bane! šta junaka po jabani tražiš kat sestrića us koljena raniš? tko ć turčinu na čaršiju snići, ośjeć desnu u ramenu ruku, obadva mu oka izvaditi, neka slijep po čaršiji oda! Oto reče pa na noge skoči, gola mača turi pod dolamu pa on begu na čaršiju snigje: — Šta ćeš ture u našemu Zadru? šta uvodiš po našemu Zadru? a zār gledaš Zadra i čaršije? zār ti gledaš tablja i topova? Dera pruži svoju desnu ruku, da t ośječem u ramenu ruku! Beže šuti, ništa ne beśjedi. Opet veli Sekula dijete: — Pruži ture svoju desnu ruku, da t ośječem u ramenu ruku! Beže šuti, ništa ne beśjedi. Opet reče Sekula dijete: — Pruži ture svoju desnu ruku, da t ośječem u ramenu ruku! Kunem ti se i vjeru zadajem, ośjeću ti na ramenu glavu! Raźljuti se beže Ljuboviću pa mu pruži svoju desnu ruku. Trže djete mača ispot skuta, ošinu ga po desnici ruci. Kako ga je lako udario mača svoga na dvoje pribijo a iz ruke vatru prosipavo! Skoči beže od zemlje na noge pa poteže kratku alamanku pa ošinu Sekula dijete — poviš pasa malo natfatio — dvije pole u travu padoše! Kada vidje Zadranine bane, gje poginu Sekula dijete, zōr učini na svoje katane! A katane bega opkoliše; brani jih se beže Ljuboviću. On prodrije kroz jednu kapiju, prodriješe za njijem katane. On prodrije kroz drugu kapiju, prodriješe za njijem katane. On prodrije kros treću kapiju, prodriješe za njijem katane! Dok do vrata sokak načinio al na gradu zatvorena vrata; ispuśćali mandal ot čelika. Beže trže nadžak ot čelika pa on pribi mandal ot čelika. Pa iz grada beže izletio, on izletje konjma na rudine, pobri svome Majković Stjepanu i svojijem dvanajes gončila. Na rudinam konje pojašiše pa pogjoše us polje zeleno a za njima dvanajes gončila; lako jaše, prida se gledaju. Obazrje se Majković Stjepane imade li za njima potjera — jal to bješe za njima potjera! U grada se otvoriše vrata, dok izletje junak na alatu, na alatu vas u suvu zlatu, malo ga se is sedla pomilja. Izlijeću za njijem katane, sve katane lete na alaje; al sve junak bližje te do bližje, dok sastiže bega Ljubovića. Jer im beže ni bježati ne će. Jal to bješe od Zadarja bane! Koja fajda, što je sastignuo, kad na njija udarit ne smije, vić on bega iz daleka viče: — Ja, Boga vam, neznane delije! otkle jeste, ot koga ste grada? ja čijeg ste roda i koljena? ja kako se po imenu zoveš? A beže mu po istini kaže: — Jesam junak od Neretve ravne, od Neretve i od Nevesilja po imenu beže Ljuboviću! Ja bane se natrag povrnuo, ja za njime banove katane pa on ode u bijela Zadra. Kako dogje u bijela Zadra, odma śjede, sitnu knjigu piše pa je šalje śerin Banjojluci na koljeno paši banjolučkom: »Eto knjiga, paša banjalučki! Pogubi mi bege Ljubovića jali žive jali mrtve glave! »Mogo su mi kvara počinili, počinili kvara i zijana ja po mome bijelome Zadru, pogubili Sekulu dijete! »Evo t pašo tri tovara blaga, i evo ti sluga Nikolica, nek te dvori za života tvoga, i evo ti sestra Angjelija!« Kada paši knjiga dolazila, knjige gleda, na knjigu se smije pa on viknu Erde delibaše: — Brže k meni Erdo delibaša! Dera jaši svojega putalja, der izberi tridese delija, sve junaka boljeg od boljega! Ajde Erdo Nevesilju ravnom, pogubi mi bege Ljubovića jali žive jali mrtve glave! Ako l oto Erdo ne uradiš, daćeš svoju glavu za njegovu! Kada Erdo čuo lakrdiju, itro Erdo na noge skočio, opremio sebe i putalja pa uzjaši debela putalja a za njime tridese delija. Ode Erdo Nevesilju gradu. Kad on dogje Ljubovića kuli do avlije bega Ljubovića a on bega po imenu viče. Al mu bega doma ne bijaše, jer otišli u lov u planinu, da ulove srnu jal košutu, i odveli rte i zagare. Oziva se begovica mlada: — Doma nejma bega Ljubovića! Otišo je u lov u planinu. Onda Erdo ljubi beśjedio: — Ja, gospojo roda gospockoga, oće l beže u red dolaziti? — Oće tamo po akšamu doći! Ona viknu Usubega sina: — Usubeže moj jedini sine! pogj, Erdina pripati putalja! Odma sletje djete Usubeže i pod Erdom prifati putalja, da izvoda Erdina putalja. Beśjedi mu Erdo delibaša: — O dijete, nejak Usubeže, gji je babo, o beg Ljuboviću? — Otišo je u lov u planinu! — Oće l t u red babo dolaziti? — Oće tamo po akšamu doći! Erdo viknu tridese delija; savezaše Usubega sina, savezata djete otjeraše. Za njim prista Ljubovića majka: — Vrat mi Erdo Usubega moga! Njoj beśjedi Erdo delibaša: —Vrat se natrag Ljubovića majko, pośjeću ti Usubega tvoga! To joj reče, ośjeće mu glavu! Za njim prista Ljubovića majka: — Vrat mi Erdo od zlata jubuku, mog unuka Usubega sina! — Vrat se natrag Ljubovića majko, vrat se natrag, osiću ti glavu! To joj reče, ośjeće joj glavu! Ode Erdo sa trides delija i odnese obadvije glave: jednu glavu Usubega djeta, drugu glavu Ljubovića majke. Istor Erdo polje prilazio al eto ti bega Ljubovića i on goni debela gjogata; Usubega iz daleka viče: — Gje si sine, Usubeže djete? zār mi ne ćeš pripatit gjogata?! Oziva se begovica mlada, ona ciči ko šarena guja: — Ja, moj beže mili gospodare! ne će t više Usubeže sine ja pot tobom pripatit gjogata. Usubeg je izgubio glavu! — Sašta, ljubo, ako Boga znadeš? — Ovde dogje Erdo delibaša a ja posla Usubega sina, da pod Erdom pripati putalja; saveza ga Erdo delibaša, savezana niz avliju zajmi. Za njim stara pristajala majka, jal da vrati Usubega moga. Njoj beśjedi Erdo delibaša: »vrat se natrag Ljubovića majko, vrati s natrag, osiću ti glavu!« To joj reče, ośječe joj glavu. ode Erdo sa trides delija i odnese obadvije glave! Kada čuo beže Ljuboviću: — O gospojo roda gospockoga, je li Erdo davno odlazio? je li dosad goru prilazio? — Nije Erdo davno odlazio a još nije gore prilazio. — Ja čuješ me moja virna ljubo! Ako dogje Majković Stjepane nek ne igje poljem zelenijem, već nek igje poljem u prijeko pa nek igje gorom poprijeko; a ja odoh okolo planine, da zavrnem Erdu u planini! Oto reče, okrenu gjogata pa okrenu poljem zelenijem. Istor beže poljem zamaknuo, malo vrime za dugo ne bilo, jal eto ti Majković Stjepana, jal on goni debela dorata, Usubega iz daleka viče: — Gje si bolan Usubeže mali? zār mi ne ćeš pripatit dorata?! Progovara begovica mlada: — Gospodare, Majković Stjepane! ne će t više Usubeže sine ja pot tobom pripatit dorata! — Sašta, bolna, begovica mlada?! Ona ciči ko šarena guja: — Ovde dogje tridese delija i prid njima Erdo delibaša; za vas pita Erdo delibaša, a ja posla Usubega sina, da pod Erdom pripata putalja. K njemu snigje Usubeže djete i pod njime pripati putalja; saveza ga Erdo delibaša, savezana niz avliju zajmi. Za njim prista naša stara majka, da mi vrati Usubega sina a na nju se izadrije Erdo: »Vrat se natrag Ljubovića majko, pośjeć ću ti Usubega tvoga!« To joj reče, ośječe mu glavu! Za njim prista ostarjela majka: — »Vrat mi Erdo zlaćenu jabuku, ja jabuku Usubega moga!« — — »Vrat se natrag Ljubovića majko, pośjeću ti sa ramena glavu!« To joj reče, ośječe joj glavu! Ode Erdo sa trides delija i odnese obadvije glave! Ciknu Stjepan ko šarena guja: — Je li došo beže Ljuboviću? — A jest došo, mili gospodare! Otišo je poljem zelenijem, da obleti okolo planine, ne bi l Erdu živa sastignuo. A tebi je beže beśjedio, reko ti je beže Ljuboviću, ja da igješ poljem poprijeko, da priśječeš gorom poprijeko, ne bi l Erdu živa sastignuli. Nama Stjepan okrenu dorata; ode Stjepan poljem u prijeko pa maši se gore i planine pa priśječe gorom poprijeko. Itro beže goru obletio i zavrnu u planini Erdu. U ta doba Majković Stjepane. Kat se dvije pobre sastaviše, izśjekoše tridese delija. Oni Erdu živa ujitiše; oguliše Erdi delibaši obadvije do ramena ruke, obadvije noge do koljena, oguliše glavu do očiju; digoše ga na konja putalja, na putalju privezaše Erdu pa pod njime puśćaše putalja: — Ajde, Erdo, šerin Banjojluci pa se pali paši banjolučkom, gje si śjeko djecu kod odžaka, gje si śjeko ostarjele majke! Hode Erdo drumom jadikujuć. Kada bio šeru Banjojluci, daleko ga paša opazio pa prid njega paša izletio. Kada vidje Erdu delibašu, što je bilo s Erde delibaše, jal on Erde iz daleka viče: — Šta to, bolan, Erdo delibaša?! — Evak, pašo, tebi gore bilo! Skidoše ga sa konja putalja. Šjede paša, sitnu knjigu piše pa je šalje Carigradu gradu na koljeno caru čestitome: »Sultan care, i otac i majko! Pogubi nam bege Ljubovića jali žive, jali mrtve glave! »Čudan jesu zulum počinili po Neretvi i po Nevesilju! Nametnuli namet na vilajet: śjeroma se oženit ne more, śjerota se udati ne more! Tko s oženi, po litra je zlata, tko s udade po tri litre zlata! Ja, koje je śjeromašna majka a ćeri im bjele kose pletu!« Kada caru taka knjiga dogje, kada vidje, šta mu knjiga kaže, care viknu silistar Alije: — Silistare, prva moja lalo! Dera uzmi nješto malo vojske, nješto malo, četiri iljade. Vodi vojsku u Ercegovinu ja Mostaru pa i Nevesilju ja bijeloj Ljubovića kuli. U ponoći dovodićeš vojsku pa okoli Ljubovića kulu. Pofataj mi bege Ljubovića jali žive jali mrtve glave! I ponesi mojega čadora, na čadoru od zlata jabuku. Kada vide careva čadora, sami će se bezi uplašiti; jera s carom niko boja nejma! A Alija na noge skočio i carevu podignuo vojsku pa on pogje ot Stambola grada; od Alija u Ercegovinu. Kada dogje Nevesilju gradu u zla doba dovodio vojsku u po noći kad vremena nije. Okolili Ljubovića kulu, razapeli zelene čadore. Kad u jutro jutro osvanulo, poranila ljuba Ljubovića pa se šeće po bijelu dvoru. Ja pogleda pod bijelu kulu, Ljubovića okoljena kula! Konj do konja, čador do čadora. Jedan čador po najandal stao, ja na njemu od zlata jabuka i tri puta žicom omotavan. Ja, se vrati u bijele dvore pa ne smije bega probuditi. Ona viknu Majković Stjepana: — Ustan, bolan, Majković Stjepane! odi vidi čuda golemoga, bijela vam okoljena kula! Kada skoči Majković Stjepane, kad on vidje silovitu vojsku, Stjepan budi bega Ljubovića: — Ustan, beže, mili gospodare! Bijela nam okoljena kula! Kad ustade beže Ljuboviću pa vidješe sa bijele kule, odma beže čador poznavao, da je čador cara čestitoga. Ja, beśjedi beže Ljuboviću: — Ja, što ćemo, Majković Stjepane? Da b na njija danas udarili — s carom brate niko boja nejma! Da niza [se] oborimo ruke. da igjemo carevu čadoru, da vidimo što je i kako je, ja ko nas je caru opanjkao? Jal beśjedi Ljubovića ljuba: — Ja, što ste se bezi uplašili?! Ev ja jesam jedna ženska glava, ja b na njija udarila sama! Beśjedi joj beže Ljuboviću: — Ajd, ne ludi, moja vjerna ljubo! s carom nitko boja ne imade! Pa rekoše pa se poslušaše ja niza se oboriše ruke a vodoše u carevu vojsku. Careva ji propuśćala vojska do čadora silistar Alije. Kad dogjoše oba prit čadore, prid Alijom ruke prilomiše. Pa se crnoj zemlji prikloniše. Ja, pita ji silistar Alija, ja, kakav su zulum počinili? Onda beže stade beśjediti: ja kako je gjelep sakupio, istjero ga bijelome Zadru i kako je gjelep priprodavo i otišo u bijela Zadra. Sve mu kaže, što je i kako je: kako došo Erdo delibaša, pośjeko mu sina jedinoga, pośjeko mu ostarjelu majku. Poslo ga je paša banjalučki ja, za blago zadranskoga bana i njegovu sestru Angjeliju. Istor beže stade kazivati, dokle stiže pošta knjigonoša ot Stambola bijeloga grada; knjigu nosi cara čestitoga, knjigu dade silistar Aliji: — Eto knjiga, silistar Alija! nije l majka rodila junaka a sekuna brata odgojila, ko ć za cara na megdan izići? Car mu daje dvore kot svojije, kot svojije, bolje ot svojije. I daje mu tri bijela grada, dva kod mora, [treći] kod Dunava. I daje mu ćercu sultaniju, mlogo pusto nebrojeno blago! Evo ima nediljica dana, kak u polju arap odjašio pot Stambolom u polju zelenom. Pa on cara na megdan zaziva, da mu care na megdan izigje, ja izigje, ja izmjenu nagje! Ako care izići ne smije, jal izići, jal izmjenu naći, oće caru u Stambol unići pomaknuti cara is stolice pa on śjesti u carsku stolicu, prosuditi u Stambolu gradu! Kada čuo beže Ljuboviću on beśjedi silistar Aliji: — Evo majka rodila junaka, tko ć za cara na megdan izići! Ne dade mu Majković Stjepane: — Ne ćeš, brate, beže Ljuboviću! Ja ć za cara na megdan izići, jer ja nejmam svoje vjerne ljube, ja nit imam oca ni matere. Pa se natrag oba povratiše i dogjoše Ljubovića kuli. Odma Stjepan izvede dorata pa opremi sebe i dorata pa on begu tijo beśjedio: — Alali mi, mili gospodaru, što si mene mlada odranio! Pa uzjaši debela dorata. Ode Stjepan od grada do grada, doka snigje do Stambola grada pot Stambola u polje zeleno. Jal u polju čador razapinjan, pot čadorom crna arapina; al on pije vino pot čadorom a privezo kusu bedeviju. K njemu Stjepan dotjera dorata; on arapu božju pomoć viknu, ja, arap njemu božju pomoć primi: — Odjaš konja, carev megdandžija, da se ladna napijemo vina pa ćem onda mejdan dijeliti! — Ajd otale, crna arapino! ja ne pijem vina ni rakije, već der jaši kusu bedeviju, da igjemo mejdan dijeliti! Arap skoči od zemlje na noge pa uzjaši kusu bedeviju. On beśjedi Majković Stjepanu: — Ajd zaodi carev megdandžija! Onda Stjepan beśjedi arapu: — Ajd otale, crna arapino! tvoja zovka, tvoja i zaotka! Kada vidje crna arapina, on Stjepanu oči ufatio pa poteže sablju ot pojasa, da Stjepanu osiječe glavu. Dočeka ga Majković Stjepane, udari ga šakom iza vrata; kako ga je lako udario, arap spade s kuse bedevije. crna ga je krvca zaljevala; nit se miče, nit on dušom diše. Do njeg Stjepan mije dovlačio pa arapa vinom zaljevavo, dok s arapu malo osvijesti: — Stan arape, to je šala bila! Dera jaši kusu bedeviju, da igjemo mejdan dijeliti! Odma arap kusu uzjašio pa on ode poljem zelenijem; arap koplje nosi u rukama. Kada arap do bilješke dogje, ostade ga Stjepan čekajući. On zažima kopljem i desnicom. Kad od ruku koplje poletilo, u oko bi zmiju pogodijo, bela ne bi u čelo junaka! Dobar gjogat bješe pot Stjepanom jer se svakom boju naučio; gjogat pade na prva koljena, priko njija koplje priletilo! Pruži ruku Majković Stjepane pa on koplje u ruku ujiti, prilomi ga na dvoje, na troje i komade u travu jitio. Dok doletje crna arapina: — Kurvo jedna, carev megdandžija! šta s doveo bagavu kljusinu pa me danas vara na megdanu! Stani kurvo, dok se opet zagjem! Onda Stjepan beśjedi arapu: — Ajd arape, ne jedi govana: »jedność ćemo pa i drugość ćemo!« Ode Stjepan, otjera dorata; ostade ga arap čekajući. Dorat igje dok je njemu drago. Kat se Stjepan do bilješke vrati, ja arapa na bilješci nejma! Arap mu se poljem zamaknuo; za njim Stjepan naturi dorata i otjera crnu arapinu. Brži bješe dorat ot kobile, jer u žensku pouzdanja nejma, i sastiže kusu bedeviju. Golu sablju nosi u rukama, letećivu ośječe mu glavu! Pa odjaši debela dorata pa on uze arapovu glavu, odnese je caru u Stambola pa u dvore caru unosio. Sve on caru primicuje glavu, ja care se dilje otkučuje, dok on cara stjera do duvara. Beśjedi mu care ot Stambola: — Otkle jesi ser atlijo mlada? — Ja sam junak od Ercegovine, od Neretve i od Nevesilja. — Ja, kako se po imenu zoveš? — Po imenu bezi Ljubovića! — Nos od mene glavu arapovu! Zdrava me je ujtila groznica gledajući arapove glave. Iśći sine štogod ti je drago! — Sultan care, sunce ogrijano! Nit ću tebi nebrojena blaga, nit ću tebi dvora kot tvojije, nit ću tebi tri bijela grada, dva kod mora, treći kod Dunova, nit ću tvoje ćeri sultanije! Vić te molim, mili gospodare! daj ti meni izun i testijer i daj meni katuli fermana, da se vratim šeru Banjojluci, da pogubim pašu banjolučkog! I daj meni u Ercegovini, u Neretvi i u Nevesinju, tude meni daćeš spajiluke, da ja sudim, da ja razsugjivam! To je care jedva dočekao, načini mu śićana fermana. Ode Stjepan ot Stambola grada. Uvrati se Stjepan Banjaluci pa on pašu živa ujitijo i pašu je živa ogulijo pa ga onda na kolac nabijo. Dva njegova sina pogubijo, od zla roda nek nije poroda! Ode Stjepan Nevesilju gradu i odnese careva fermana. Eto pjesna a od Boga zdravlje! Von Majković dem Wahlbruder Ljubović’s. Beg Ljubović treibt Rinderherden auf an der Narenta, rund um die Narenta, im Syrmium, rundum im Syrmium. Die Begen brachten auf gar grossen Auftrieb: fünf hundert Kühe, die noch alle gelt, fünf hundert Ochsen, alle feist gefüttert, und trieben fort sie nach dem weissen Zara. Als sie in die Narenta-Ebne kamen, herbei die jungen Narentaër liefen, die Narentaër und die Nevesinjer: — Treib, Beg, die Ochsen nicht ins Kafirland! Der Kaiser und der Caesar stehn im Worte, es soll kein Türke gehn ins Kafirland! Du wirst, o Beg, dabei dein Haupt verlieren, wo nicht, o Beg, in Sklaverei verfallen! Drauf hört der Beg, und hört auch nicht darauf; zum Zara weiss hinab er trieb den Auftrieb. Viehtreiber zwölf mit ihm sind im Gefolge und Stefan Majković, sein Herzensbruder. Auf fetten Fluren hielt er an die Herde. Die deutschen Kaufherrn kamen hergerannt und kauften auf die Ochsen und die Kühe; dem Beg dafür sie reichten weiche Rupien. Nachdem der Beg den Auftrieb ausverkauft, zu Stefan Majković das Wort er sprach: — O Stefan, du mein liebstes Bruderherze! behüt uns auf den Fluren wohl die Rosse allhier mit zwölf von unsren Rindertreibern, dieweilen ich ins christlich Zara wandre, will deren Zara sehen und den Marktplatz und auch in Zara seiner Tore Lage, besehn die Bastionen und Kanonen. Hierauf das Wort zum Begen Stefan sprach: — Du geh nicht, Beg, dahin ins christlich Zara! Der Kaiser und der Caesar stehn im Worte, es soll kein Türke gehn ins Kafirland. Leicht können da die Christen dich erkennen, du wirst nur tollerweis dein Haupt verlieren, wo nicht, o Beg, in Sklaverei verfallen! Drauf hört der Beg und hört auch nicht darauf, begab vielmehr sich in das christlich Zara. Von Zara waren offen just die Tore; anhub der Beg zu wandeln auf dem Marktplatz. Der Beg besichtigt Zara und den Marktplatz und setzt sich letzt auf einen Ladenflügel und fängt am Laden an Kaffee zu trinken. Da tät gewahren ihn der Ban von Zara. Als Ljubović den Beg er hier erblickte, (beim Ban fünfhundert Reiter Ehrenwache, und Sekula sein Schwestersohn zu Füssen) ausrief der Ban mit tiefer Kehlenstimme: — Schaut mal den Türken an in unsrem Zara! Was macht der Türkenkerl in unsrem Zara! was schnüffelt der herum in unsrer Festung? Beguckt er denn die Burg nur und den Marktplatz? Der schaut nicht, traun, wo man das Tor gelassen, der schaut die Bastionen und Kanonen, ob wohl die Festung er berennen dürfte! Gebar denn keine Mutter solchen Kämpen, der auf den Markt hinab zum Türken stiege, um abzuhaun die Hand ihm in der Schulter und beide Augen ihm herauszubohren, dass blind er auf dem Markte wandeln möge? Ein jeder schweigt und schaut vor sich zu Boden, doch schaut nicht drein so Sekula der Page, vielmehr spricht Sekula zu seinem Ohme: — O Mutterbruder mein, du Ban von Zara, was forschst du in der Fremde nach dem Kämpen, wenn du zu Füssen deinen Neffen nährst, der auf den Markt hinab zum Türken steigt, die rechte Hand ihm aus der Schulter haut und alle beide Augen ihm herausbohrt, damit er auf dem Markt als Blinder wandle! Das sprach er und dann sprang er auf die Beine, das nackte Schwert er untern Dolman schob und stieg zum Beg hinab wohl auf den Marktplatz. — Was suchst du Türkenkerl in unsrem Zara? Was schnüffelst du herum in unsrem Zara? ja, schaust du Zara an und schaust den Marktplatz? Schaust du die Bastionen und Kanonen? Geh, strecke deine rechte Hand heraus, dass ich die Hand dir aus der Schulter aushau! Der Beg nur schweigt, entgegnet nicht ein Wörtchen. Von neuem Sekula der Page spricht: — Streck, Türkenkerl, heraus die rechte Hand, dass ich die Hand dir aus der Schulter aushau! Der Beg nur schweigt, entgegnet auch kein Wörtchen. Von neuem spricht der Page Sekula: — Streck deinen rechten Arm, du Türklein, aus, dass ich die Hand dir aus der Schulter aushau! Ich schwör’ es dir, verpfänd’ mein Ehrenwort, Das Haupt ich hau’ herab dir von der Schulter! Beg Ljubović geriet in Grimm darob und streckte seinen rechten Arm ihm hin. Den Säbel unterm Schoss der Page zückte und führte auf die rechte Hand den Streich. So leichthin war der Schlag ihm nur geraten, dass ihm entzweibrach seines Säbels Klinge und aus dem Arm hervor die Funken stoben! Aufsprang der Beg vom Boden auf die Beine, das kurze Alemannenschwert er zückte und traf damit den Pagen Sekula, ein wenig oberm Gurte sass der Hieb, zwei Hälften kollerten ins Gras hernieder. Als da der Ban von Zara ward gewahr, wie Sekula der Page kam ums Leben, zum Sturm befahl er rasend seine Reiter. Die Reiter rasch umzingelten den Beg, Beg Ljubović sich ihrer weiss zu wehren. Kaum drang hindurch er durch das eine Burgtor, schon drangen hinterdrein ihm nach die Reiter. Kaum drang hindurch er durch das andre Burgtor, schon drangen hinterdrein ihm nach die Reiter. Kaum drang hindurch er durch das dritte Burgtor, schon drangen hinterdrein ihm nach die Reiter, bis er gebahnt zum Haupttor eine Gasse; doch war das Haupttor von der Burg geschlossen, aus Stahl den Riegel hat man vorgeschnellt. Den Kolben stahlgetrieben schwang der Beg und brach entzwei den stahlgeschweissten Riegel. Und aus der Burg entfloh der Beg von dannen, entfloh nun zu den Rossen auf den Auen zu Stefan Majković, dem Herzensbruder und auch zu seinen Rindertreibern zwölf. Sie stiegen auf den Auen auf zu Ross und zogen aufwärts durch das grün Gefilde, zwölf Rindertreiber hinter ihnen nach. Gemach sie reiten, schauen vor sich hin; nach rückwärts blickte Stefan Majković, ob wohl Verfolger hinter ihnen kämen; fürwahr, es folgten hinterdrein Verfolger. Das Haupttor von der Burg sich tat eröffnen: da fuhr hervor ein Held auf einem Fuchse, auf einem Fuchse, ganz in lautrem Golde, ein wenig schaut von ihm heraus vom Sattel. Es fliegen hinterdrein ihm nach die Reiter, in hellen Rotten fliegen all die Reiter, und immer näher rückt heran der Held. Zuletzt ereilt er Ljubović den Beg, denn gar nicht ist gewillt der Beg zu flüchten; ja, traun, das war der Ban von Zara selber! Was frommt es ihm, dass er sie eingeholt, dieweilen er’s nicht wagt, sie anzugreifen, von weitem ruft vielmehr er zu dem Beg: — So Gott euch helfe, unbekannte Kämpen! von wannen seid Ihr, wohl von welcher Burg? von welchen Sippen und von welchen Magen? und wie benamst du dich mit deinem Namen? Wahrheitgetreu bescheidet ihn der Beg: — Ich Kämpe bin von dem Narentalaufe, von der Narenta und von Nevesinje, mit Namen heiss’ ich Ljubović der Beg! Allda der Ban zurücke wieder kehrte und hintennach sein Reitervolkgeleite und heim er wieder zog ins weisse Zara. Sobald er eintraf in dem weissen Zara, gleich setzt er sich und schreibt ein zierlich Schreiben und sendet ’s ab zur Stadt von Banjaluka wohl auf das Knie des Banjaluker Paša: »Empfang den Brief, o Banjaluker Paša! Vertilge mir die Begen Ljubović! Stell mir sie lebend oder deren Köpfe! »Sie haben zugefügt mir grossen Schaden, ja, Schaden und Verluste zugefügt fürwahr rundum in meinem weissen Zara: sie brachten um den Pagen Sekula! »Da, Paša, nimm drei Maultierlasten Schätze und nimm dazu den Diener Klaus den kleinen, er warte dein, solang dein Leben währt, und nimm dir auch die Schwester Angelina!« Wie nun der Paša diesen Brief empfing, den Brief besah, den Brief belacht er fröhlich und rief herbei den Delibaša Erdo: — Rasch her zu mir, o Delibaša Erdo! Ei schwing dich mal auf deinen Fleckenfüsser und kühr dir aus an dreissig kühne Kämpen, nur lauter auserkorne kühnste Kämpen. Hei, Erdo, zeuch zum ebnen Nevesinje, vertilge mir die Begen Ljubović, stell mir sie lebend oder deren Köpfe! Wofern du, Erdo, solches nicht verrichtest, wirst du ’s mit deinem Haupt für seines büssen! Kaum hatte Erdo den Befehl vernommen, aufsprang er auf die Beine gar behende, ausrüstete so sich als seinen Fleckfuss und schwang hinauf sich auf den feisten Fleckfuss. Fortzog zur Burg von Nevesinje Erdo und hinterdrein ihm folgten dreissig Kämpen. Als er zu Ljubovićens Warte kam zum Burggehöft von Ljubović dem Beg, da rief er an den Beg beim vollen Namen. Jedoch der Beg gerad daheim nicht weilte, sie waren auf die Pirsch ins Waldgebirge, zu pirschen Rehe oder eine Hindin und hatten mit die Rüden und die Bracken. Die junge Edelfraue tat sich melden: — Daheim nicht weilt Herr Ljubović der Beg, er ist ins Waldgebirg zur Pirsch gewandert! Darauf zum Ehelieb Herr Erdo sprach: — O Edelfrau, vom edlen Stamm entsprossen! wird wohl der Beg bei Zeiten wiederkehren? — Um den Akšām er heim wohl kehren dürfte! (sie rief herbei Beg Huseïn den Sohn): — Beg Huseïn, o du mein einziger Sohn, abfasse mal des Erdo Fleckenfüsser! Gleich lief hinab der Page Husobeg und fasste unter Erdo ab den Fleckfuss, um auszuführen Erdo’s Fleckenfüsser. Da sprach zu ihm Herr Delibaša Erdo: — Beg Huseïn, o du unmündiger Knabe! wo weilt dein Väterchen Beg Ljubović? — Er ist ins Waldgebirg zur Pirsch gewandert. — Kehrt wohl dein Väterchen noch heim bei Zeiten? — Um den Akšām er heim wohl kehren dürfte. Zurief Herr Erdo seinen dreissig Kämpen. Sie schlugen Husobeg den Sohn in Bande, gebunden jagten sie vor sich den Knaben. Anschloss sich ihm die Mutter Ljubović’s: — Gib meinen Husobeg zurück mir, Erdo! Herr Delibaša Erdo spricht zu ihr: — Kehr nur zurück, du Mutter Ljubović’s, sonst säble deinen Husobeg ich nieder! Er sprach’s zu ihr und hieb ihm ab das Haupt. Anschloss sich ihm die Mutter Ljubović’s: — Gib, Erdo, mir zurück aus Gold den Apfel mein Enkelein, das Söhnlein Husobeg! — Kehr nur zurück, du Mutter Ljubović’s, kehr nur zurück, sonst hau ich dir das Haupt ab! Er sprach’s zu ihr und hieb ihr ab das Haupt. Von dannen Erdo zog mit dreissig Kämpen und trug mit sich fort allebeide Häupter, das eine Haupt des Pagen Husobeg, das andre Haupt der Mutter Ljubović’s. Noch schritt Herr Erdo hin durchs Blachgefilde, ei sieh, es naht schon Ljubović der Beg, er jagt einher auf seinem feisten Falben und ruft heran von fern schon Husobeg: — Wo bleibst du Söhnchen, Page Husobeg? magst du nicht ab mir meinen Falben fassen? Anmeldet sich die junge Edelfraue, sie zischt vor Schmerz, wie eine Natter scheckig: — Ach weh, mein Beg, o teuerster Gebieter, dein Söhnchen Husobeg wird nun und nimmer abfassen unter dir den falben Renner; ach, Husobeg hat ja sein Haupt verloren! — Von was denn, Ehelieb, wenn du an Gott glaubst! — Da kam gezogen Delibaša Erdo, hinab ich sandte Husobeg den Sohn, den Fleckfuss unter Erdo abzufassen; in Bande schlug ihn Delibaša Erdo, gebunden jagt er ihn entlang dem Burghof, anschloss sich ihm die hochbetagte Mutter, rückgeben soll er meinen Husobeg. Doch sprach zu ihr Herr Delibaša Ibro: »Kehr nur zurücke, Mutter Ljubović’s, kehr nur zurück, sonst hau ich dir das Haupt ab!« Dies sprach er zu ihr, hieb ihr ab das Haupt. Mit dreissig Kämpen Erdo zog von hinnen und trug mit sich fort alle beide Häupter! Als dies erfuhr Herr Ljubović der Beg: — O Edelfrau, von edlem Reis entsprossen, ist Erdo lange schon davongezogen? hat er den Hochwald jetzt schon überschritten? — ’S ist nicht so lang, dass Erdo abgezogen, noch hat er nicht den Hochwald überschritten! — O hör mich mal, du mein getreues Ehlieb! Wenn Stefan Majković da kommen sollte, so geh er nicht durchs grüne Blachgefilde, vielmehr er nehme querfeldein den Weg und soll querwegs ins Hochgebirg sich tummeln, ich aber geh ums Hochgebirg herum, um Erdo in dem Hochwald festzustellen! Dies sprach er, machte mit dem Falben kehrt und nahm den Lauf durchs grüne Blachgefilde. Kaum war der Beg entschwunden im Gefilde, nach kurzer Weile, die nur wenig währte, ei sieh, da naht auch Stefan Majković! Er jagt daher auf seinem dicken Braunen und ruft heran von fern schon Husobeg: — Wo steckst du, Stöpsel, Husobeg du kleiner? Magst du nicht ab mir meinen Braunen fassen?! Es meldet sich die junge Edelfraue: — O mein Gebieter, Stefan Majković, mein Söhnchen Husobeg wird nun und nimmer abfassen unter dir den braunen Renner! — Warum, der Tausend, junge Edelfrau?! Sie zischt vor Schmerz, wie eine Natter scheckig: — Da kamen hergezogen dreissig Kämpen und vor der Rotte Delibaša Erdo. Um euch befragt mich Delibaša Erdo, hinab ich sandte Husobeg den Sohn, den Fleckfuss unter Erdo abzufassen. Hinab zu ihm stieg Husobeg der Page und fasste unter ihm den Fleckfuss ab. In Bande schlug ihn Delibaša Ibro, gebunden trieb er ihn entlang dem Burghof. Ihm schloss sich unsre alte Mutter an, dass er den Sohn mir, Husobeg zurückgeb, doch Erdo hat sie grimmig angefahren: »Kehr nur zurücke, Mutter Ljubović’s, sonst hau ich deinen Husobeg zu Stücken!« Sprach so zu ihr und hieb ihm ab das Haupt. Ihm schloss sich an die hochbetagte Mutter: — »Gib Erdo mir zurück den goldnen Apfel, ja wohl den Apfel, meinen Husobeg!« — — »Kehr nur zurücke, Mutter Ljubović’s ich hau dir von den Schultern ab das Haupt!« Dies sprach er zu ihr, schlug ihr ab das Haupt! Von hinnen Erdo zog mit dreissig Kämpen und trug mit sich fort alle beide Häupter. Aufzischte Stefan gleich der Natter scheckig: — Ist heimgekommen Ljubović der Beg? — Gekommen heim, o teuerster Gebieter! Er ging dahin durchs grüne Blachgefilde, um um das Hochgebirg herumzukommen, wo möglich Erdo lebend einzuholen. Dir aber hinterliess der Beg die Weisung, es hat dich Ljubović der Beg geheissen, einschlagen mögst du querfeldein den Weg, den Weg durchschneiden quer nur durch den Hochwald vielleicht lebendig dass Ihr Erdo einholt! Gleich machte mit dem Braunen Stefan kehrt. Es zog Herr Stefan querfeldein von dannen, bog ein ins Hochgebirg und in den Hochwald und schnitt so durch den Hochwald auf dem Querweg. Gar flink der Beg den Hochwald war umflogen und hatte Erdo festgestellt im Hochland. Zur selben Zeit kam Stefan Majković. Als sich vereint die beiden Wahlgebrüder, zu Stücken hieben sie die dreissig Kämpen. Doch Erdo fingen sie lebendig ab, sie schunden ab dem Delibaša Erdo die beiden Arme bis zum Schulterblatte, die beiden Füsse bis hinauf zum Knie, bis zu den Augen schunden sie das Haupt, auflegten sie ihn auf den Fleckenfüsser und banden Erdo an den Fleckfuss fest und liessen unter ihm den Fleckfuss laufen: — Zeuch, Erdo, hin zur Stadt von Banjaluka und prahle vor dem Banjaluker Paša, wie an der Herdstatt Kinder du gemordet, wie du gemordet hochbetagte Mütter! Wehklagend Erdo zog des Weges weiter. Als er der Stadt genaht von Banjaluka, von weitem ihn der Paša schon gewahrte; entgegen kam der Paša ihm geflogen. Als er erschaut nun Erdo Delibaša, was da geschehn mit Erdo Delibaša, rief er schon Erdo zu von weiter Ferne: — Was gibt’s, unseliger Erdo Delibaša?! — Das gibt’s, o Paša, schlimmer sei dein Teil! Man hob ihn ab vom Ross, dem Fleckenfüsser. Der Paša setzt sich, schreibt ein zierlich Schreiben, und sendet’s nach Istambol ab der Stadt wohl auf das Knie des glückbegabten Kaisers: »O Sultan, Kaiser, Vater uns und Mutter! vertilge uns die Begen Ljubović, es sei lebendig oder tot die Häupter! »Ein Wunder, was sie an Gewalt verübten um die Narenta und um Nevesinje! Mit einer Auflag sie das Land belegten: Der arme Mann, der kann sich nicht beweiben, das Waisenmädchen kann sich nicht vermählen. Wer sich beweibt, je eine Litra Goldes, die sich vermählt, je drei der Litren Goldes! Und wenn die Mütter ganz in Armut leben, dann deren Töchter weisse Zöpfe flechten!« Als solch ein Brief dem Kaiser kam vor Augen und er ersah, was ihm der Brief vermeldet, rief er herbei den Waffenwahrer Ali: — Gewaffenwahrer, du mein Obristlala, Geh raffe mal zusammen etwas Truppen; ein wenig bloss, viertausend Mann genügen, und führ die Truppen nach dem Herzoglande gen Mostar hin und auch nach Nevesinje zur weissgetünchten Warte Ljubović’s; dahin die Truppen führ um Mitternacht, umzingle dann die Warte Ljubović’s. Du fang mir ab die Begen Ljubović, es sei lebendig oder tot die Häupter. Auch nimm du mein Gezelte mit dir mit wohl das Gezelte mit dem goldnen Apfel. Wann sie das kaiserlich Gezelt erblicken, an sich erschrecken werden schon die Begen; denn mit dem Kaiser keiner einen Kampf wagt! Alile hurtig auf die Beine sprang und sammelte die kaiserliche Truppe; dann zog von dannen er von Stadt Istambol. Es zog Alile fort ins Herzogland. Als er gelangt zur Burg von Nevesinje, zur schlimmen Frist er schaffte hin die Truppen um Mitternacht, wann keine Zeit geheuer; umzingelten die Warte Ljubović’s und spannten auf die grünen Lagerzelte. Als morgens früh der Morgen angetagt, erhob sich früh das Ehlieb Ljubović’s und tat ergehn sich auf der weissen Wartburg. Da fiel ihr Blick hinab die weisse Warte: ringsum die Warte Ljubović’s umzingelt! hier Ross an Ross, hier Zelt an Zelt gedrängt! Vereinzelt stand allein nur ein Gezelte und oben drauf ein goldner Apfel blinkt, und dreimal war mit Draht das Zelt umwunden. Sie wandte sich zurück zur weissen Warte, doch wagt mit nichten sie’s den Beg zu wecken; wachrief sie lieber Stefan Majković: — Erwach, unseliger Stefan Majković! Geh hin und schaue ein gewaltig Wunder! Umzingelt ward da eure weisse Warte! Im Sprung erhob sich Stefan Majković. Und als er nun das mächtige Heer erblickte, wohl tat er Ljubović den Beg erwecken: — Erwach, o Beg, mein teuerster Gebieter! umzingelt ward da unsre weisse Warte! Vom Lager aufstand Ljubović der Beg, und sahen alles von der weissen Warte. Sogleich der Beg erkannte das Gezelte, als das Gezelt, das Glück mit ihm, des Kaisers, und also sprach Herr Ljubović der Beg: — Was sollen nun wir, Stefan Majković? wenn heute wir den Ausfall gen sie wagten — o Bruder, mit dem Kaiser keiner kämpft! Lass an die Lende uns die Hände legen, lass uns zum kaiserlich Gezelte wandeln, lass sehn uns, was da los und wie’s geworden, wer wohl uns bei dem Kaiser angeschwärzt. Doch spricht das Wort das Ehlieb Ljubović’s: — Was seid Ihr denn, Ihr Begen, so erschrocken?! da schaut, ich bin ja nur ein Frauenzimmer, ich wollt’ allein gen sie den Ausfall wagen! Entgegen spricht ihr Ljubović der Beg: — Treib keine Tollheit, mein getreues Ehlieb, den Kaiser keiner auf zum Kampfe ruft! Also sie sprachen, machten ihre Sachen; sie legten ihre Hände an die Lende und gingen ab ins kaiserliche Heer. Durchziehen liess sie frei des Kaiser Heer bis zum Gezelt des Waffenwahrers Ali. Als beide hingelangt vor das Gezelte, verschränkten sie vor Ali ihre Arme und beugten sich zur schwarzen Erde nieder. Es fragte sie der Waffenwahrer Ali, was für Erpressung sie gemacht sich schuldig? Anhub der Beg daraufhin zu erzählen, wohl, wie er einen Auftrieb aufgesammelt, hinausgetrieben ihn zum weissen Zara und wie den Auftrieb weiter er verhandelt und sich ins weisse Zara hinbegeben. Erzählt ihm alles, was und wie’s geschehen, wie Erdo Delibaša war erschienen und ihm den einzigen Sohn gehaun zu Stücken, gehaun zu Stücken seine greise Mutter. »Er war gesandt vom Banjaluker Paša den Schätzen wohl zu lieb des Bans von Zara und dessen Schwester Angelinas wegen.« Noch war der Beg begriffen im Berichten als ein Kurier mit einem Schreiben eintraf daher von Stambol, von der weissen Stadt, er bringt des glückbeladnen Kaisers Schreiben und übergab’s dem Waffenwahrer Ali: — Allhier ein Brief, Gewaffenwahrer Ali! Gebar denn keine Mutter einen Kämpen, aufzog denn keine Schwester solchen Bruder, der für den Kaiser auf die Wahlstatt träte? Der Kaiser schenkt ihm eine Burg bei seiner, bei seiner Burg doch besser als die seine, und gibt ihm zum Geschenk drei weisse Städte, am Meere zwei, die dritte an der Donau, und schenkt ihm das Prinzesschen Sultanine und unermesslich ungezählter Schätze! Es sind daher schon einer Woche Tage, dass ein Araber abstieg im Gefilde, im grünen Blachgefilde unter Stambol und der heraus zum Kampf den Kaiser fordert, der Kaiser auf der Wahlstatt ihm erscheine, erscheine oder stelle den Ersatzmann! Getrau sich nicht der Kaiser zu erscheinen, erscheinen oder doch Ersatz zu stellen, eindringen werd in Stambol er zum Kaiser, hinab den Kaiser gar vom Throne schupfen, sich selber setzen in des Kaisers Thronsitz und die Gerechtsam üben in Istambol! Als dies vernahm Herr Ljubović der Beg, da sprach er zum Gewaffenwahrer Ali: — Allhier gebar die Mutter einen Kämpen, der für den Kaiser auf der Wahlstatt auftritt! Nicht gab Gewähr ihm Stefan Majković: — Du, Bruder, darfst es nicht, Beg Ljubović! ich trete für den Kaiser auf die Wahlstatt; denn ich besitze kein getreues Ehlieb, ich hab’ auch weder Vater, weder Mutter! Und beide wiederum zurücke kehrten und kamen hin zur Warte Ljubović’s. Sofort heraus den Braunen Stefan führte und tat sich selber und den Braunen rüsten und sprach sodann zum Beg mit leiser Stimme: — Sei mir versöhnt, mein teuerster Gebieter, der du mich junges Blut hast grossgezogen! Und schwang hinauf sich auf den dicken Braunen. — Von Burg zu Burg Herr Stefan fürbass zog, bis er hinab zur Stambolstadt gelangte ins grüne Blachfeld unterhalb Istambol. Stand ein Gezelt schon im Gefild geschlagen, sass unter dem Gezelt ein Schwarzaraber, tat unter dem Gezelt am Wein sich laben, sein Wüstenross gestutzt war angebunden. Zu ihm den Braunen Stefan nahe jagte. Zurief er dem Araber: »Gott zu Hilfe!« Ihm der Araber freundlich: »Gott zu Hilfe!« — Steig ab vom Rosse, Kaisers Kampfvertreter, dass wir uns satt am kalten Weine laben, austragen wollen wir hernach den Kampf! — Von hinnen pack dich, Schwarzaraberlümmel! Ich trinke weder Wein noch trink ich Branntwein! Besteig mal dein gestutztes Wüstenross, damit den Zweikampf wir zum Austrag bringen! Aufsprang vom Boden hurtig der Araber und schwang sich aufs gestutzte Wüstenross. Zu Stefan Majković das Wort er sprach: — Ei, nimm den Anlauf, Kaisers Kampfvertreter! Darauf zu dem Araber Stefan sprach: — Troll dich von hinnen Schwarzaraberlümmel! Dein ist die Fordrung, dein ist auch der Anlauf! Als sich durchschaut der Schwarzaraber sah, gedacht er Stefan hinters Licht zu führen und zog heraus den Säbel aus dem Gürtel, um Stefan abzusäbeln flugs das Haupt. Gewärtig war Herr Stefan Majković, er pflanzt ihm einen Faustschlag in den Nacken. So leicht nur war der Schlag, dass der Araber flugs vom gestutzten Wüstenross hinabsank; ein schwarzer Blutstrom ganz ihn überquoll, er rührt sich nicht, noch atmet seine Seele. Hinzu zu ihm die Schläuche Stefan schleppte und goss den Wein hinein in den Araber bis halbwegs von ihm wieder wich die Ohnmacht. — Nur auf, Araber, das war bloss Genecke! Besteig nur dein gestutztes Wüstenross, damit wir doch den Kampf zum Austrag bringen! Gleich schwang sich der Araber auf den Stutzling und ritt dahin durchs grüne Blachgefilde, in Händen trägt die Lanze der Araber. Indess zum Standort der Araber kam blieb Stefan seiner harrend auf dem Flecke; der schwingt die Lanze, schwingt den rechten Arm. Wie da geflogen aus der Hand die Lanze, er träfe eine Schlange grad ins Auge, wie leicht nicht einen Kämpen in die Stirne! Das war ein guter Schimmel unter Stefan, denn jede Art von Strauss war ihm vertraut; der Schimmel sank auf seine Vorderfüsse, ob ihren Häuptern flog hinweg die Lanze. Die Hand ausstreckte Stefan Majković, fing ab die Lanze mit der freien Hand, zerbrach sie knacks zu zweien, dreien Stücken und schleuderte ins Gras hinweg die Trümmer. Inzwischen flog herbei der Schwarzaraber: — Du Hure, du des Kaisers Kampfvertreter! Was hast du mitgebracht für lahmen Klepper, der heute mich beschummelt auf der Wahlstatt! Steh still, du Hur’, bis ich von neuem losleg’! Darauf zu dem Araber Stefan spricht: — Geh, du Araber, kau nicht lauter Unflat: »Wir machen’s einmal und zum zweiten Male!« Davon auf seinem Braunen jagte Stefan, blieb stehen seiner harrend der Araber. Der Braune läuft, soweit es ihm beliebt. Wie nun zurück zum Standort Stefan kam, da war nicht mehr am Flecke der Araber, entwichen war durchs Feld ihm der Araber, Aneiferte ihm nach den Braunen Stefan und jagte weit dahin den Schwarzaraber. Der Braune schneller als die Stute war, weil wer aufs Weib vertraut, auf Wolken baut, und holte ein ’s gestutzte Wüstenross. Den nackten Säbel schwang er in den Händen und hieb dahin ihm fliegend ab das Haupt! Dann schwang er sich herab vom dicken Braunen und nahm an sich das Haupt von dem Araber und trug es fort zum Kaiser hin nach Stambol, trug’s in den Reichpalast hinein zum Kaiser. Je näher er das Haupt zum Kaiser rückt, um soviel weiter sich der Kaiser drückt, bis er den Kaiser an die Wand getrieben. Zu ihm der Kaiser von Istambol spricht: — Von wannen bist du junger Grenzlandritter? — Ich bin ein Kämpe wohl vom Herzoglande von der Narenta und von Nevesinje! — Und wie benamst du dich mit deinem Namen? — Dem Namen nach die Begen Ljubović. — Hinweg von mir schaff das Araberhaupt! Bei heilem Leib mich Schüttelfrost erfasste, indem ich schaute des Arabers Haupt! So heisch denn Sohn, was immer dir behagt! — O Sultan, Kaiser, Sonnenglanz und Glimmen! ich heische weder ungezählte Schätze, noch heisch ich Burggehöfte nah den deinen, noch heisch ich von dir drei der weissen Städte, am Meere zwei, die dritte an der Donau, auch heisch ich nicht dein Sultanin-Prinzesschen! Vielmehr ich bitt dich, teuerster Gebieter, bewillig du mir Freiheit und Gewähren, gewähr fürs Hochgericht mir einen Ferman, dass ich nach Banjaluka-Stadt zurückkehr und töten darf den Banjaluker Paša! Annoch gewähr mir in dem Herzoglande, in dem Narentaland und Nevesinje, allda gewähr mir Reiterlehengüter mit voller und mit Schiedgerichtbarkeit! Das kam dem Kaiser überaus willkommen, und schrieb ihm fertig einen feinen Ferman. Von dannen Stefan zog von Stadt Istambol. In Banjaluka Stefan Einkehr hielt und fing allhier lebendig ein den Paša. Dann auch lebendig schund er ab den Paša und pflanzte ihn zuletzt auf einen Pfahl. Ums Leben bracht er seine beiden Söhne, von schlimmer Zucht, dass keine Frucht verbleibe! Abzog zur Burg von Nevesinje Stefan und nahm mit sich den kaiserlichen Ferman. Hier mein Gesang, gesegn’ uns Gott Gesundheit! Das war um 10½ vormittags des 27. Februars 1885. Frühmorgens war ich aus der Schlucht von Srebrenica aufgebrochen und ritt gerade durch eine Lichtung über einen Kammrücken der schneebedeckten Treskavica planina dahin. Etwa 50 Schritte hinter mir trottete bedächtig zu Ross mein Diener, der Guslar Milovan Ilija Crljić Martinović nach. Auf der Wanderung führten wir nie Gespräche, sondern jeder achtete auf sich und den Weg und hing seinen eigenen Gedanken nach. Im Augenblicke war ich nur darauf bedacht, meine Nase vor dem Abfrieren zu bewahren, im übrigen liess ich die Eindrücke der gewaltig mächtigen Gebirgwelt auf mich einwirken. Ich schwärme weder für kleine Frostbeulen noch für die riesigen Buckeln im Antlitz der Erde, und doch erfüllte mich mit hehrer Ehrfurcht die stille Grossartigkeit einer von Menschenwerken unbeeinträchtigten Winterhochlandschaft. Auf einmal rief mir Milovan zu: »Wart, Herr, will dich um etwas befragen!« — »Rede!« — »Der Frater (er meinte den Mönch im Savelande, zu dessen Pfarre er gehört) riet mir ab, mit dir zu wandern, weil du, sagte er, ein Ketzer wärst.« — »Hättest auf ihn gehört!« erwiderte ich jäh aufbrausend, »habe dich zur Gefolgschaft nicht gebeten. Schlossest dich mir von selber an. Geniessest seit Monaten alles Gute an meiner Seite ohne Gegenleistung. Wer ledig ist hat keinen Leibbediener! (u bećara nejma hizmećara). Ich bezahle dir deinen Zeitverlust, du zieh deines Weges und lass mich in Frieden!« — »Herr, so meine ich’s nicht; lass mich etwas aussprechen!« — »Wir haben ausgesprochen!« sagte ich und spornte meinen lendenlahmen Schimmel zum scharfen Trab an. In schönen, gefällig abfallenden Schlangenwindungen verlief der Weg hinab ins Tal. Oben knisterte noch unter den Rosshufen der einbrechende, eingefrorene Schnee, dann schwand er dahin, der Pfad zeigte sich schneefrei und trocken. Und als ich gegen 4 Uhr zur tiefen Mulde und dem Ufer des Drinačaflusses hinabkam, schmolz auch mein Zorn und weg war er. Ei, geriet ich da mitten im Winter in das Tal des sinnerquickenden, lauen Frühlings mit duftender Blütenpracht, mit dunklem Laub und üppigen Wiesen! Zwei Stunden weit und stellenweise eine halbe Stunde breit ist dieser lieblichste Fleck Bosniens, den himmelanragende, waldbedeckte Berglehnen vor Wind und Wetter ewig schützen und das grüne, forellenreiche Wasser der mässig rauschenden Drinača fürsorglich befruchtet. An einer Wassermühle, wo ein altrömischer Grabstein halb als Schwelle diente, nahm ich beim Bachmüller, einem Moslim, gastlich angebotene Herberge an. Vor allem warf ich meinen vielfach geflickten Pelzrock, dann meine aus waschechter Baumwolle hergestellte Astrachanmütze usw. ab, streifte die Wichsleinwand-Gamaschen mit den Schuhen von den Füssen und fing an, mich im saftigen Rasen herumzuwälzen. Den zwei rotharigen, blauäugigen Bengelein des Müllers zeigte ich, wie man Purzelbäume schlägt und versuchte auch, auf dem Kopfe zu stehen. Nein, das missglückte! Der ältere Junge verstand diese Künste weitaus besser als ich. Er schoss neunmal den Bock und blieb zum zehntenmal gar noch auf dem Kopfe stehen, dazu die Arme über der Brust verschränkt! Der jüngere Range hatte es zwar noch nicht zu so hoher Gewandtheit gebracht, aber sein Ehrgeiz war schon geweckt. Kurzum, wir vergnügten uns königlich, herumkollernd und juchhezend, bis der Müller mit der Meldung erschien, die Milch wäre gar und die Eier gesotten. Inzwischen hatten sich Leute vom Gelände eingefunden und ich erzählte von Helden aus alten Zeiten und wie ich ausgezogen, um deren Taten für die Schwaben aufzuzeichnen. Manche meiner Fachgenossen in Folklore erachten es für geboten, sich auf Reisen bei Erhebungen zu »verstellen« und allerlei Künste zu gebrauchen, um den »Kundigen« ihre Weistümer abzuhorchen und herauszulocken. Auf derlei verstehe ich mich nicht, und es geht mir auch wider den Strich. Es ergab sich regelmässig als zweckentsprechend, dass ich den Leuten in ihrer Ausdruckweise klar und bündig — viel reden ist nicht meine Art — darlegte, um was es sich mir handelt. Im Notfall gewann ich die Menschen durch meine heitere Laune und Freigebigkeit. So geschah es, dass ich 14 Monate lang herumreiste, ohne auch nur ein einzigesmal irgendwelch erzählenswertes Abenteuer zu bestehen. In dunkler Nacht kam Milovan dahergeritten und kehrte gleichfalls in die Mühle ein. Ich tat, als sähe und hörte ich ihn nicht, obwohl ich ihm nicht mehr gram war. Er kauerte sich zu mir hin und begann: »Herr, ich wollte dir bloss sagen, was für ein Mensch der Mönch ist. Die Nichte meines Gevatters sollte kirchlich getraut werden, er aber forderte zunächst von der Hausgemeinschaft die Bezahlung alter Kirchengebühren von 130 Gulden. Da sie kein Geld besassen, mussten sie es zugeben, dass das Mädchen ohne Hochzeitzug und Segen zum Bräutigam ins Heim lief, gleich einer, die sich selber dem Manne aufdrängt. So leben sie auf Borg (i. e. in wilder Ehe). Nun, ihr Kind musste er doch taufen, ohne Bezahlung, weil es ihm die Herren (die Behörde) gebieten. Vor dir warnte er mich, als ich dir aus Liebe folgte. Ich erfuhr mit der Zeit, dass du mir gütiger als ein Vater und eine Mutter bist, wie das Lied von Ljubović und seinem Milchbruder Majković erzählt. Der war ein Türke und der ein Christ und sie waren doch Brüder, als ob eine Mutter sie geboren hätte. Das wollte ich dir auf der Berghöhe sagen, weil wir allein waren und meine Seele deiner Wohltaten gedachte. Deinen Glauben hatte ich nicht die Absicht anzutasten.« »Milovan, du wähltest zumindest Zeit und Ort für deine Erklärung sehr schlecht. Merk dir’s wie es im Liede heisst: pusta gora nije nikat sama jal brez vuka, jali brez hajduka! Der wüste Wald weilt niemals so verwaist, dass frei von Wolf er wär’ und Wegelagrer! In Hochwald hat man die Zunge hinter den Zähnen zu zügeln! Man se vraga ne goni mu traga! Vom Teufel fleuch, verfolg nicht seine Fährte! Erwähn mir auch nie wieder deinen und meinen Glauben. Du bist Christ für dich und ich ein Gläubiger für mich. Scher dich um das Wohlbefinden unserer Gäule, nicht aber um unsere Seelenheile. Jetzt iss dich an und sing das Lied, auf das du anspieltest.« »Kann ich singen, wenn du mir nicht sagst, dass du mir wieder gut bist?« »Bring mich nicht neuerdings in Harnisch! Dass dich das Taschenveitel...! Sing! Nimm aus dem Rucksack die Guslen heraus und erheitre die Gesellschaft, sonst binde ich dich den Rossen an die Schweife an, dass sie dich zerreissen und ein anderer Guslar von dir zu singen haben soll!« Erwähnen will ich, dass sich kein einziger von den Anwesenden (lauter Moslimen) in das Gespräch einmengte. Bei den bäuerlichen Moslimen gilt es nämlich für höchst unanständig, sowohl über die Gattin als über seine Konfession vor Fremden zu reden, indem diese Pluderhösler noch so roh und kulturfremd sind, zu glauben, dass Herzensangelegenheiten einer öffentlichen Besprechung nicht unterzogen werden dürfen. Das Lied nahmen alle Zuhörer beifällig auf; dann liess ich es mir in die Feder sagen. Bis zum letzten Buchstaben harrten alle mit aus und schauten mäuschenstill zu, und als ich gar das Lied Wort für Wort wieder verlas, waren sie von mir förmlich entzückt und beschenkten mich. Der Müller nahm für die Bewirtung keine Bezahlung an. Die Ehre, dass ich bei ihm geweilt, stand ihm höher als Geld. Das Stück erlernte Milovan um das Jahr 1850 als Sauhirtlein von einem älteren Guslaren katholischer Konfession, der in Gradačac zu taglöhnern pflegte. Der Mann hatte sich aus dem Herzogtum in das Saveland verlaufen. Weiter ist mir über sein Schicksal nichts bekannt. Zu V. 1. Von den Ljubović erzählt so manches Guslarenlied, was sie für grosse, verwegene, sultantreue Helden gewesen. Ein riesig langes Lied meiner Sammlung handelt von einem Ljubović, wie er dem Sultan Bagdad erobert. Welcher es aus der langen Reihe der Helden dieser Sippe gewesen, ob gar der unseres Liedes, lässt sich nicht bestimmen. Die Ljubović waren in allen grossen Kämpfen mit. Mustafaga Dickwanst schreibt ein Aufgebot aus und sagt im Brief an den Paša von Mostar: »O turčine Šarić Mahmudaga! Eto tebi knjige našarane: Pokupi mi od Mostare turke, ne ostavi bega Ljubovića sa široka polja Nevesinja; jer brež njega vojevanja nejma! Vernimm mal, Türke Šarić Mahmudaga! Empfange hier ein buntbeschrieben Schreiben: biet auf die Türkenmannen mir von Mostar, doch lass daheim nicht Ljubović den Beg vom breiten Blachgefild von Nevesinje; denn ohne ihn kein Feldzug kann gelingen! Als Zrinyi Essegg belagerte, meldete sich ein Beg Ljubović als freiwilliger Kundschafter bei Sil Osmanbeg dem Befehlhaber von Essegg, um durch das Belagerungheer durchzudringen und dem Paša von Ofen Meldung zu bringen von der Bedrängnis der Festung. Osman bega zagrljavši ljubi a kuca ga po plećima rukom: — Haj aferim beže Ljuboviću! Vuk od vuka, hajduk od hajduka a vazda je soko ot sokola; vazda su se sokolovi legli u odžaku bega Ljubovića! Herr Osman küsst den Beg umschlungen haltend und schlägt ihn auf die Schulter mit der Hand: — Traun, wohlgeraten, Ljubović mein Beg! Der Wolf vom Wolf, der Hajduk vom Hajduken doch allzeit stammt ein Falke nur vom Falken; noch allzeit wurden ausgebrütet Falken wohl in der Begen Ljubovićen Heimstatt! Ein Ljubović bewährt sich als Kundschafter auch bei der Einnahme von Ofen. Vergl. ‘Wie Mohammed Köprülü Vezier geworden’. V. 3. Nach Syrmien kam er wohl nicht. Das müsste sich auch Milovan sagen als Grenznachbar der Syrmier, wenn er über die Worte seiner Lieder nachdächte; er plappert aber hier gedankenlos die erlernten Verse seines Vorläufers nach, der auch nicht geistreicher als Milovan war. Wahrscheinlich sang der erste Guslar (der Dichter): po Lijevnu, okolo Lijevna. (In Delminium und um Delminium herum), denn auf diesem Hochplateau war die Rinderzucht, mehr als sonstwo im Lande, besonders gedeihlich entwickelt. V. 10. Es ist ein Unding, die Leute von Nevesinje erst an der Narentamündung den Beg von der Reise abmahnen zu lassen. Das konnten sie doch daheim schon tun; aber die Verstechnik und Poetik erfordert hier eine Wiederholung des Subjektes des Nachdrucks wegen und dann einen Reim zur ersten Zeilenhälfte. Ob er den dichterischen Zweck hingäbe, lieber widerspricht der Dichter der Wahrheit. V. 12 und 35 a. Kavgu načinili. Kavga, türkisch Lärm, Streit. Man sagt nicht k. n., sondern k. učiniti einen Lärm machen oder k. zametnuti einen Streit anzetteln (gewöhnlicher), doch das passt hier ganz und gar nicht. In einer Novelle bei Bret Harte hat ein Goldgräber den Spitznamen Eisenpirat, weil er dies Wort für Eisenpyrit gebrauchte, das ihm weniger geläufig war. So verwechselt auch unser Guslar das ihm sonst nicht vertraute türkische kavl, Wort, Abmachung, mit kavga, das er täglich hört und übt. Ich hielt es für unzulässig, den Fehler im Texte zu berichtigen, doch in der Verdeutschung vermied ich ihn, weil es keinen Sinn gehabt hätte, ihn beizubehalten. V. 12 und 35 b. Car und ćesar sind nur verschiedene slavische Wortformen von Caesar, doch bedeutet car den Sultan, ćesar den »Kaiser von Wien«. »Die türkischen Staatsinteressen brachten es mit sich, dass selbst durch Tributzahlungen kein dauernd friedliches Verhältnis zu sichern war zwischen dem Sultan und dem ‘König von Wien’, wie der türkische Sultan in seinen Diplomen die Kaiser nannte, indem er sie offiziell weder als Könige von Ungarn noch als Kaiser von gleichem Range anerkennen mochte.« Salomon, Ungarn im Zeitalter der Türkenherrschaft, deutsch von G. Jurány. Leipzig 1887. S. 90. »Im Jahre 1606 hörte Ungarn auf, dem Türken den jährlichen Tribut zu zahlen, statt dessen ‘einmal und nicht wieder’ 200 000 Gulden in Bargeld, Gold und Silbersachen nach Konstantinopel geschickt wurden. Als internationale Errungenschaft kann auch das erscheinen, dass der Sultan den deutschen Kaiser nicht mehr ‘König von Wien’, sondern ‘römischer Kaiser’ nennt.« Salomon l. c. V. 21. Ich übersetzte nach der üblichen Bedeutung: deutsche Kaufleute, aber hier waren die Käufer keine Deutschen, sondern gewiss Italiener, vlasi (siehe V. 29 vlaški Zadar). Njemački wird nun hier im ursprünglichen Wortsinne angewandt zur Bezeichnung von Leuten, die der slavischen Sprache unkundig, also gewissermassen stumm, sprachlos sind. Vielleicht wäre darum die Übersetzung »fremdsprachig« auch in meiner Verdeutschung anzubringen. V. 23. Die Rupien sind weich, weil Gold ein weiches Metall ist. Weiche Rupien sind goldene Rupien. — Mit indischen oder persischen Rupien zahlte man dazumal in Dalmatien nicht, sondern mit Zechinen oder Dukaten, aber dem Moslim ist Rupie der Begriff von Goldgeld. Ein Dukaten galt zehn Rupien. V. 32. Türk. tabja, Schanze; aber im serb. Bastion, Bastei, wofür ich einmal in einem Guslarenliede das serbische Wort zaravanak fand. Auf der Bastei standen die Kanonen aufgepflanzt: ajte sužnji gradu po bedenu pa udrite puškam od obraza, ja ću biti sa tabalj topovma! Eilt, Sklaven, auf dem Wall der Burg dahin und feuert drein vom Antlitz mit den Büchsen, von den Basteien schiess ich aus Kanonen! V. 34. Vlaški Zadar. Vlah kann hier sowohl den Italiener als den Christen bezeichnen. In den verschiedenen Gebieten des slavischen Südens hat das Wort auch gar verschiedene Bedeutung. Der slavonische Katholik bezeichnet damit verächtlich den Altgläubigen, der Serbe im Königreich den Rumänen usw. V. 45. Die Ladenflügel eines türkischen Geschäftladens sind zwei Klappen; die obere wird gehoben und oben an einem Ringe in der Wand eingehängt, so dass sie zugleich in ihrer horizontalen Lage als Schirm gegen die Sonne dient, die untere ersetzt wieder Ladenpult, Sessel und Tisch. Der Kunde setzt sich gelassen auf den unteren Flügel mit unterschlagenen Beinen nieder und der Kaufmann lässt ihm vor allem einen Kaffee reichen. Erst nachdem man sich eine lange Weile ausgeschwiegen oder ausgesprochen hat, sagt der Kunde so nebenher, was er braucht. Das Geschäft wickelt sich gewöhnlich glatt ab, denn der Türke weicht vom festgesetzten Preis nicht ab und denkt sich: ‘Kauft es der nicht, kauft es ein anderer. Ich kann warten. Die Zeit kostet ja nichts, und ob die Ware beim Käufer oder bei mir liegt, hält den Zeitenlauf doch nicht auf. Darum soll sie nur bei mir liegen!’ Kauft man nichts, ist’s auch gut. Man braucht nicht einmal nach einer Ware zu fragen. Der Moslim bietet sie von selber keinem an. Wenn es einmal das Schicksal bestimmt hat, dass die Ware verkauft werden soll, geht sie schon von selber ab. Also ist das Reden zur Unzeit zweckloses Bemühen. V. 56. »Er schaut nicht, wo der Maurer das Loch gelassen hat,« würde man bei uns sagen. V. 65. Dijete ist hier Page. Als solcher ist Sekula ohne Waffen. Die bekäme er erst als Knappe. Nur seine kindliche Unerfahrenheit konnte ihn zu dem Pagenstreich verleiten, gegen den wohlbewaffneten Moslim loszugehen. Der straft ihn anfänglich auch nur mit stummer Verachtung; denn ein Ritter balgt sich mit einem Weib, einem Geistlichen oder einem Kinde nicht herum. V. 99. Der Beg war mit einem aus Stahldraht geflochtenen Panzerhemde bekleidet. V. 101. Alamanka. Es ist ein alamanischer, allgemein bekannter Stossdegen gemeint, mit gerader, schmaler, zwei- oder dreischneidiger Klinge. Ein moslimischer Edelmann trug einen solchen gewöhnlich mit, um als Ritter kenntlich und nie wehrlos zu sein. V. 116. Der Kunstgriff des Beg bestand darin, dass er einen Amoklauf nachahmte. Vor dem Amokläufer, einem Besessenen, läuft alles scheu davon, während man einen gewöhnlichen Mörder auf der Flucht auch mit Steinwürfen aus der Ferne unschädlich zu machen sucht. Der Amoklauf war auch den Serben wohlbekannt. Ich habe in meiner Sammlung ein Guslarenlied, das den Vorgang sehr klar veranschaulicht. V. 118. Der Riegel am Burgtor wurde durch einen Federmechanismus vorgeschoben. Der Beg zerbricht die Feder und kann dann ohne Anstrengung den Riegel zurückschieben. Ispuśćali (man liess los) weist darauf hin, dass dem Guslar-Dichter die Einrichtung gewiss auch genau bekannt war. V. 135. Die Kleidung des Ban war derart über und über mit Gold beladen, dass man von ihm zu Ross nur ein wenig heraussah. V. 150. ‘Das ebene Narentagebiet’, eine poetische Figur. Eben ist hier ‘wegsam’ im Gegensatz zu dem unwegsamen Hochgebirge. V. 158. Der Paša hat seinen Sitz im šeher, der (offenen) Stadt. Warum der Guslar das Adjektiv šerin gebraucht, verstehe ich nicht. V. 162. jali [žive] bege jali [njihove] m. g. Entweder liefere mir die Begen lebendig oder deren tote Köpfe ein. V. 173. Delibaša Zugführer, Feldwaibl. V. 205. Zum Pagendienst gehörte auch die Obliegenheit, die erhitzten Pferde der Ritter langsam herumzuführen, damit sie sich abkühlen. Hatte der Junge in solchen Fertigkeiten eine Übung erlangt, stieg er auf zum Knappen und ward bewehrt. Als vollwertiger Genosse wurde er vom Häuptling zum Ritter geküsst, wenn ihm auf einem Abenteuerzuge eine Mordtat geglückt war. Anders konnte einer in die Mördergemeinschaft keinen Einlass finden. Das Verbrechen eint die Menschen fester als Liebe. So ist z. B. zur Aufnahme in die chrowotisch-patriotische Maffia zumindest die Ablegung eines Meineides vor Gericht unerlässlich, wenn sich sonst keine andere Gelegenheit zur Verübung eines Verbrechens darbietet, durch dessen Mitwissenschaft die Häupter der Maffia über den Anfänger Gewalt erlangen. V. 225 und 304. Milovan selber erklärte mir beim Verlesen des V. 304: zlaćenu jabuku mit glavu, das Haupt. V. 280, 286, 350 und 407: bolan ist ein elliptischer Satz: bolan ne bio! Sollst nicht krank sein! Der Ausruf, um einer bösen Vorbedeutung vorzubeugen. Man sagt auch im gleichen Sinne, wenn man wirklich ein Leiden hat und es erkundigt sich wer darnach, z. B. groznica me, daleko ot tebe, das Fieber schüttelt mich, fern sei es von dir! Polnische Juden drücken sich ähnlich aus: ‘nit Ihnen gesōgt!’, um dem Frager nichts Böses an den Leib zu wünschen. Landau, seinerzeit in Lemberg ein berühmter Gelehrter und Witzkopf, erreichte ein sehr hohes Alter und konnte zuletzt die Stube nicht mehr verlassen. Als er so einmal zu Bette lag, kam ein Lemberger Bürger zu ihm zu Besuch und fragte ihn: ‘Wos fehlt euch eigentlich, Rebeleben?’ — Schlagfertig antwortete der Greis: ‘Alterschwäche plōgt mech, nit euch gesōgt!’ — Da der ursprüngliche Sinn von ‘bolan’ verloren ging und das Wort zu einer Interjektion herabkam, musste ich es darnach an den einzelnen Stellen verschieden verdeutschen. V. 320. Das Lebendigschinden als alte Strafe für Treubruch, um den Ehrlosen für alle Zeiten zu kennzeichnen. Vrgl. J. Grimm, D. Rechtsaltertümer, 18994, II, S. 291. V. 341. Odžak, odžaklyk, erbliche Familiengüter für Untertanen. Vrgl. Hammer, Gesch. d. osm. R. VII. 64. V. 351. evak erklärte Milovan unbefragt mit: evo ovako (siehe auf solche Weise). V. 355. Car čestiti geben die Übersetzer ständig mit ‘wackerer Kaiser’ wieder. Braucht ein Kaiser gleich einem Bierteutonen ein so nichtssagendes Lobwörtlein aus dem Munde eines armseligen Bošnjaken?! Gewiss nicht, und dem Guslaren fällt es auch nicht ein. Čestit ist nur durch den Verszwang und den abgeschliffenen Sprachgebrauch zum Beiwort von car geworden, ist aber in Wahrheit, wie oben bolan, nur das Bruchstück eines elliptischen Satzes. Es geht nicht an, den Namen ‘Kaiser’ auszusprechen, ohne ihm einen Segenspruch anzuhängen, wie dies sonst bei festlichen Gelegenheiten im Alltagleben üblich ist. Man bringt einen Trinkspruch aus: Brate Joco! čestit bio! čestita ti na ramenu glava! čestit bio i ko te je rodio usw. ‘Bruder Joco! Sollst glücklich sein! glücklich sei dein Haupt auf deinen Schultern! Glücklich sei auch der, so dich gezeugt hat!’ Ursprünglich lautete also unsere Formel: car, čestit bio! ‘der Kaiser, er soll glücklich leben!’ oder kurz, ‘unser Kaiserleben!’ Ob man diese Erklärung des ‘—leben’ als Anhängsel an Vornahmen im judendeutschen Sprachgebrauche nur auf ein missverstandenes leve = lieb zurückzuführen hat, wie Dr. M. Güdemann meint (in der Geschichte des Erziehungwesens und der Kultur der Juden in Deutschland während des XIV u. XV Jahrh. Wien 1888, S. 109 f.), wäre vielleicht im einzelnen näher zu untersuchen. V. 371. silistar, türk. silihdar, Reisige, vrgl. Hammer I. 95; Waffenträger, Schwertträger I. 494; II. 234; 472; V. 450; 464. V. 374. Ercegovina gebe ich ständig mit ‘Herzogtum’ oder ‘Herzogland’ wieder, indem ich das deutsche Wort in seine ursprüngliche Fassung rückübersetze. Der Einwand, das man nicht wisse, welches Herzogtum gemeint sei, ist mit Hinblick auf die Umgebung des Wortes, nichtig. Stefan Vukčić (1435–1466), Sohn Sandalj Hranić’s, Gründers der selbständigen Herzogdynastie, nahm im J. 1448 den Titel an: božijom milosti humski herceg (Durch Gottes Gnade Herzog des Humgebietes). Darnach erhielt das Land den Namen hercegova zemlja (Herzogland) oder Hercegova, Hercegovina. Vom Kegelberg (hum) in der Narentamulde in Mostar hatte das Land seinen älteren Namen Humska, Zahumlje (Hinterhumland). V. 401. jan türk. Seite, jandal seitwärts, po na jandal ziemlich abseits. V. 403. Der Apfel auf der Zeltstange als Zeichen der Reichmacht; die drei hegenden Drähte um das Zelt herum sollen Neugierige warnen und wohl auch Pferde abhalten, am Zelt ihr Gebiss zu versuchen. V. 490. Majković ist unbeweibt. Obgleich ihn die edelgeborene Frau Ljubović als ihren Schwager ehrt und Gebieter heisst, weiss er doch in diesem Falle, dass er verwaist ist, also, dass niemand seinen Tod so wie den Ljubović’s betrauern würde. V. 501. Er fasst die Reise nach Konstantinopel richtig als eine Katabasis auf, er hätte sie aber gleich Xenophon in ähnlicher Lage auch als eine Anabasis bezeichnen können. V. 506. Der Bosnier stutzt seines Rosses Schweif nicht; wenn er mit ihm durch einen Morast watet, schlägt er ihm in den Schweif bloss einen Knoten ein. V. 514. Die Behauptung ist unwahr; denn der Herzogländer verschmäht grundsätzlich weder Wein noch Branntwein, letzteren schon gar nicht. Der Vers hat hier keinen Sinn, ausser man nimmt den Ausfall eines anderen aus der stereotypen, vollen Phrase an: s kim se bijem s onim ja ne pijem »mit wem ich mich schlage, mit dem zeche ich nicht«, darauf folgt die übliche Wiederholung und Ergänzung: »mit dem zeche ich weder Wein noch Branntwein!« Mit einem Zechbruder rauft man oder balgt sich herum und dann ist man wieder gut Freund mit ihm, dagegen im Duell geht es auf Leben und Tod. V. 520. Das Duell ist ein Gottesurteil. Der Herausforderer fordert für seine gerechte Sache das Urteil Gottes heraus und setzt sich dadurch von vornherein ins Unrecht gegenüber demjenigen, der im Namen Gottes als Partner auftritt. Der schlaue Araber möchte die Sache so wenden, als ob ihn Majković herausforderte und überlässt ihm daher den ersten Lanzenwurf, doch lässt sich unser Herzogländer nicht foppen und auch nicht durch die Gaukelei des Arabers, der ihn meuchlings töten will, irre führen. Er bestraft ihn auf der Stelle mit einem Faustschlag, wie man sonst nur ein beim Diebstahl erwischtes Mensch züchtigt. Als der Araber bewusstlos zu Boden lag, wollte ihn Majković nicht umbringen, weil Ermordung eines Wehrlosen unritterlich ist. V. 534. mije erklärte Milovan den Zuhörern (nicht mir) mit mjehove. V. 549 u. 551. Stefan reitet durch das ganze Lied den Braunen, hier infolge eines Verredens des Guslaren auf einmal einen Schimmel. Quandoque et bonus dormitat Guslarus. V. 563 f.: »Geh, Araber, iss nicht Dreck: ‘Wir werden einmal und wir werden zum zweiten Male!’« Über die Wendung vrgl. Anthropophyteia IV, allwo die wahre Bedeutung nach allen Richtungen hin klargestellt wird. Natürlich plauschte der Araber dummes Zeug zusammen, nachdem ihm doch Gott durch den verfehlten Wurf deutlich Unrecht gegeben. Bemerkenswert sind die veralteten, seit Jahrhunderten in der Volksprache nicht mehr gebräuchlichen Wortformen jedność und drugosć. Die Erhaltung der Phrase kann ich mir nicht anders erklären, als dass sie bei gewissen Ritterspielen des XIV. und XV. Jahrhunderts üblich gewesen sein muss und der Satz als Wort ganzes sich behauptet hat. — In einem anderen Liede sagt der Partner zum Araber auf seine gleiche Zumutung: jedanput me rodila je majka! (Nur einmal hat die Mutter mich geboren!). Wie Majković hat auch Philipp der Magyare in einem Kampf mit dem Schwarzaraber das Glück des Verfehltwerdens. Der Meisterfehlschütze fordert ihn auf, für einen zweiten Wurf stille zu stehn, doch Philipp erwidert ihm: Stani meni arapine moro, stani meni kao i ja tebi, stani meni piku na biljegu! nije mene dvaput porodila majka nego jednom jadno i žalosno! Stell mir dich auf, du Trottel aus Arabien, stell mir dich auf, wie ich mich dir gestellt, stell auf dem Zielpunkt auf dich hin für mich! Die Mutter hat mich nicht geboren zweimal, vielmehr nur einmal unter Wehgekreisse! (Diese Stelle bei Osvetnik, Srpske n. pj. S. 71.) V. 574. Das sang der Guslar nicht etwa als eine Sentenz, sondern als ein witziges Aperçu, das die Zuhörer als vorzüglich gelungen belachten. Man glaubt kaum, wie genügsam Leute in einfach ländlichen Verhältnissen in Bezug auf Witz und Humor sind! V. 577. letećiv wie spavećiv gebildet. Milovan spottete solange über diese Wortform (Partizip), bis er sich mit ihr befreundete und sie selber nachbildete. Bei antisemistischen »Futharkern«, den sogenannten »Tintenkulis«, die ständig über die judendeutsche Mundart spotten, kann man es beobachten, dass sie schliesslich weder judendeutsch noch hochdeutsch schreiben können. V. 590: »Wir sind die Begen Ljubović«, er ist ja Ljubović’s Milchbruder. V. 592: »mich, der ich gesund bin, hat der Schüttelfrost erfasst« usw. V. 603. türk. katl Mord, katil Mörder, katl etmek hinrichten. Im serb. neben katul auch katal und katur: moliću se caru čestitome, nek mi dade tri katur fermana; ja ću djecu z glavom rastaviti a ni tvojoj dobro biti ne će. Kulu ću ti u begluk krenuti! Den Kaiser, Glück mit ihm! den werd’ ich bitten, er gebe mir drei Hochgerichtfermane; die Kinder werd’ ums Haupt ich kürzer machen, und auch dem deinen wird’s nicht gut geraten. Die Warte dein dem Staatschatz schlag’ ich zu! Unter den achterlei offiziellen Fermanen der hohen Pforte fehlt der katl f., offenbar, weil man mit seiner Ausstellung nicht nach dem Amtschimmel verfuhr. Die anderen seien hier ein für allemal genannt, weil uns die Namen öfters in den Liedern begegnen: 1. istilam f. Berichtabfordernder, 2. Teekid f. urgierender, 3. tahsil f. Steuer eintreibender, 4. tevdžih f. verleihender, 5. sabt f. in Besitz setzender, 6. daavet f. einladender, 7. tedžid f. erneuernder und 8. ibka fermani Bestätigungferman. Keine Druckfehler sind: 98 pribijo, 182 beže Ljubovića, 161, 179, 357, 379 bege, 210 gji, 228 osić, 234, 275, 456 istor, 266 virna, 276 vrime, 320, 325 priśječe, 399, 409 okoljena, 580 u Stambola, 583 dilje, 601 vić, 599 Dunova. In V. 423 ist [se] und 468 [treći] nach V. 599 von mir eingeschaltet. Wolf Feuerdrache. Tiernamen als Namen von Geschlechter-, Stamm- und Sippenverbänden und besonders einzelner Familien oder noch häufiger einzelner Personen wurzeln ihrem Ursprung nach meist in totemistischen Vorstellungen. Das Tier ist zugleich Totem des nach ihm benannten Individuums oder Verbandes. Aus einer Urzeit — man fasse dies Wort in Ermanglung eines zutreffenderen nur als relative Bezeichnung auf — erbt sich der Totemismus auch unter europäischen Völkerschaften als Überlebsel noch fort. Wir begegnen ihm zumal dort, wo noch Sippen- und Geschlechterverbände vorkommen. So auch bei den Südslaven, obgleich sich die Mehrzahl von ihnen seit einem Jahrtausend zum Christentum und ein starker Bruchteil zum Islam bekennt. Das »obgleich« ist freilich nicht ganz passend; denn die von den südslavischen Völkern nach ihrer Art rezipierte monotheistische Religion steht in ihrer volktümlichen Fassung dem Totemismus ohnehin nicht ferne. Tiernamen kommen bei den Südslaven ungemein häufig als Familien- und noch mehr als Personennamen vor. Am gewöhnlichsten sind vuk (Wolf), zmaj (Schlange, Drache), selten kuna (Marder). Als Toteme sind diese Tiere international. Der südslavische Bauer benennt sein Kind mit einem solchen Namen, um ein frühzeitiges Sterben des Kindes zu verhüten. Er stellt also sein Kind unter den Schutz des Namens. Das ist genug bekannt. Es kommt indessen auch eine Kombinierung zweier Totemnamen vor, so vuk-zmaj, oder vuk-zmaj ognjeni = Wolf-Feuerdrache. Diesen Namen hatte ein Mitglied des serbischen Fürstenhauses Nemanjić. Er war ein Held seinerzeit, von dem man noch mancherlei im Volke singt und sagt, trotzdem etwa 500 Jahre seit dem Ableben des Helden vergangen sind. Weil es ein Held war, deutet der Volkdichter den Namen anders als nach dem üblichen Glauben und dichtet eine besondere Wundersage dazu, um eben für den Namen und die Heldentaten des Kämpen eine Erklärung geben zu können. Ein Beleg hierfür ist nachfolgendes Guslarenlied aus Bosnien: Rodio se zmaj ognjeni Vuče. Dvore gradi slijepac Grgure. Kad bijele dvore sagradio, malo vrime, za dugo ne bilo, viš njeg stoji vijernica ljuba, ona roni suze niz obraze; otište se suza od obraza pa Grguru na bijelo lice. Ljuto kune slijepac Grgure, ljuto kune svoje bjele dvore: — E da Bog da, moji bjeli dvore, je da Bog da, ostali mi pusti! Skoro sam vas junak prekrivao, što mi odmah tako prokisoste! Njemu veli vijernica ljuba: — Gospodare, slijepac Grgure! ti ne kuni svoje bjele dvore; tvoji dvori njesu prokisnuli, već ja ronim suze niz obraze; pa s otište suza niz obraza pa na tvoje prebijelo lice! Nu šta veli slijepac Grgure? — Što je tebi, moja vjerna ljubo? Kaka ti je golema nevolja te ti roniš suze niz obraze? Ili ti je ne stanulo, ljubo, ne stanulo nebrojena blaga? Ili ti je ne stanulo vinca? Ili ti je ne stanulo ljepca? Njemu veli vijernica ljuba: — Ja Boga mi, mio gospodare! tog mi ništa nije ne stanulo, već u našem danas bjelom dvoru muško nam se čedo nalazilo: po glavi mu vučka dlaka raste iz usta mu živa vatra sipa, iz nosa mu mavi plamen liže, crvena mu ruka do ramena. Pa sam se ja mlada prepanula! S otog ronim suze niz obraze. Njoj govori slijepac Grgure: — Šut, ne plači, moja vjerna ljubo! Rodio se zmaj ognjeni Vuče! Već ču li me moja virna ljubo, ti sastavi gospodu rišćanâ, juzimajte čedo prenejako, podajte ga Srijem zemlji ravnoj, da ga rane medom i šećerom jä do sablje i do konja vrana. Bog će dati pa će dobro biti! Pa sastavi Grgurova ljuba pa sastavi gospodu rišćanâ: juzimaju čedo prenejako, pa ga daju Srijem zemlji ravnoj. Sve ga rane medom i šećerom jä do sablje i do konja vrana. Kako onda tako i danaske, odraniše čedo prenejako, djetić bio, sat se spominjao! Von der Geburt Wolfs, des Feuerdrachen. Ein Burggehöfte baut Georg der Blinde. Nachdem er’s weisse Burggehöft erbaut — Nach kurzer Frist, es währte nicht zu lange, Sein treues Ehlieb ihm zu Häupten steht, über die Wangen strömen ihr die Tränen; es schnellt sich eine Träne von der Wange und fällt aufs weisse Angesicht Georgen. In Gift und Gall’ verflucht Georg der Blinde, verflucht in Grimm und Gall’ sein weiss Gehöfte: — O wollt’ es Gott, dass du mein weiss Gehöfte, o wollt’ es Gott, verwüstet lägst und öde! Ich Held, ich liess dich jüngst erst neu bedachen, was lässt du gar sogleich den Tau durchsickern? Es spricht zu ihm hierauf sein treues Ehlieb: — O mein Gebieter, Herr Georg der Blinde! Halt ein, verfluche nicht dein weiss Gehöfte. Das Dach von dem Gehöft ist regensicher, mir strömen Tränen übers Angesicht, es fiel die Träne mir vom Angesicht und sank dir auf dein schneeig weisses Antlitz. Nun hör die Antwort drauf Georg des Blinden: — Was fehlt dir denn, o meine treue Liebste? Welch übergrosses Ungemach bedrückt dich, dass Tränen deine Wangen dir benetzen? Wie? sollt es dir, o Liebste, gar gebrechen, an ungezählten Schätzen dir gebrechen? Gebricht es dir an einem guten Tropfen? Gebricht es dir an einem schönen Hausbrot? Zur Antwort ihm sein Ehgemahl in Treuen: — So wahr mir Gott, mein teuerster Gebieter! Von alledem gebricht mir ganz und gar nichts, doch hat sich heut in unsrem weissen Hofe ein seltsam männlich Kindlein vorgefunden: auf seinem Haupte wächst ihm Wolfbehaarung, aus seinem Munde sprüht lebendig Feuer, aus seiner Nase lodert blaue Flamme, bis zu den Schultern rot ist ihm der Arm. Drum bin ich junge Frau so sehr entsetzt, und darum netzen Tränen mir die Wangen. Es spricht zu ihr der Herr Georg der Blinde: — O schweig und wein’ nicht, meine treue Liebste! Geboren ward der Feuerdrache Wolf! Doch hörst du mich, mein treues Ehgemahl! Beruf du ein zum Rat der Christen Herren und nehmt euch an des Kindleins zart und schwach und gebt’s nach Sirmium das ebne Land. Man soll’s erziehn mit Honig und mit Zucker, bis es zum Schwert und braunem Ross gedeiht. Gott wird’s gewähren, gut wird alles ausgehn! Alsdann berief Georgens Ehgemahl, berief zum Rat der Christen Herren ein. Sie nehmen sich des zarten Kindleins an und geben’s fort nach Sirmium, ins ebne. Man nährt es gross mit Honig und mit Zucker, bis es zum Schwert und braunem Ross gediehn. Wie dazumal so auch am heutigen Tage. Sie zogen gross das Kindlein klein und zart. War das ein Kerl! man denk auch jetzt noch seiner! Zu Vers 4. Der Mann liegt auf dem Wanddivan ausgestreckt. — V. 26. Ungezählte Schätze sind keineswegs zahllose Schätze, vielmehr meint Georg, er zähle seiner Gattin das Geld nicht zu. Sie dürfe nach Belieben vom Vorrat nehmen. Geld, Wein und weisses Weizenbrot sind das Um und Auf der Wünsche des Bauernvolkes. — V. 32. Der Guslar sang mir vor: ‘već su u našem danas b. d.’ Dazu wäre ein nalazili zu ergänzen. ‘Man fand das Kind.’ Ich liess das su im Texte des folgenden Verses halber aus. — V. 34 f. Ständige Merkzeichen aussergewöhnlicher Wunderkinder und Helden. — V. 37. crven = rot wie Gold nämlich. In Legenden haben zuweilen Wunderkinder goldene Arme. — V. 44. gosp. r. die Herren der Christenheit, d. i. den hohen Adel und die Spitzen der Geistlichkeit. — V. 46. Im Fruškagebirge Sirmiens gibt es eine stattliche Reihe sehr begüterter Klöster, wohin wohlhabende Serben ihre Knaben zur Ausbildung zu schicken pflegten. Der grössere Teil Sirmiens ist freilich eine Ebene. Vrgl. mein Buch: ‘Die vereinigten Königreiche Kroatien und Slavonien.’ — V. 49. Das prodigium ‘čudo’ könnte ein Unheil gleich einem Kometen oder dem Nordlicht oder einem zweiköpfigen Kalbe oder einem Eier legenden Hahne bedeuten. Er wehrt das Unglück ab, indem er »das gute Wort« sagt. — V. 56 sollte an letzter Stelle kommen. Das Lied sang mir am 19. Januar 1885 der Guslar und Ackerbauer Ljuboje Milovanović aus Bogutovo selo in Bosnien. Er sagte mir, er habe es 46 Jahre vorher seinem Vater, einem eingewanderten Herzogländler, abgelernt. Ljuboje ist ein sauberer alter Bošnjak, der sich nicht wenig darauf einbildete, dass seine Lieder auch den Deutschen bekannt gemacht werden sollen. Er gewann mich lieb und erteilte mir einige gute Lehren mit auf die Wanderung, damit ich als Fremder gegen den Anstand nirgend verstosse. Ich notierte am Rande des Liedes: ako dogje ko u kuću pa zijeva ondar prostri mu da spava, drijemovan je; ako se proteže ondar traži ženkare da jebava pa ga valja istjerati a kat pljuca e podaj mu, gladan je, nek jede (Wenn einer ins Haus kommt und gähnt, deck ihm das Lager auf, damit er schlafe; denn er ist schläfrig; wenn er sich reckt und streckt, so sucht er Frauenzimmer, um seinen Trieb zu befriedigen, da muss man ihn hinausjagen, wenn er aber öfters spuckt, nun so gib ihm, er ist hungrig, er soll essen). Der Yoga-Schlaf. Die zu allen Zeiten und bei allen Völkern, ehedem noch allgemeiner als gegenwärtig verbreitete Meinung, dass der Mensch nicht Herr seiner unwillkürlichen Muskeln werden und sein könne, gewährte einzelnen, besonders veranlagten und listigen Individuen die Möglichkeit, als Vermittler der Geisterwelt, als Propheten und Zauberer nämlich, die Einfalt der Mitlebenden auszubeuten. Die Frage, ob ein Mensch auch die quergestreiften Herzmuskeln, die in der Regel der Willkür des Individuums nicht unterstehen, durch seinen freien Willen in ihrer Tätigkeit zeitweilig einstellen, d. h. ob er einen totähnlichen Zustand bei sich herbeiführen kann, muss als Ausnahmeerscheinung wissenschaftlich bekräftigt werden. Man hat zuzugeben, dass man im engeren Sinne des Wortes bei manchen Menschen eine derartige allgemeine oder nur auf Muskelbündel beschränkte Machtübung beobachtet, die die Meinung von einer Unwillkürlichkeit vollkommen widerlegt. Anlage und Schulung bringen es hierin zu einer Bewunderung erweckenden Kunst, und mit dem Wunder geht auch der Wunderglaube Hand in Hand, und gerade aus solchen Wundererscheinungen schöpfen die Volkreligionen vielfach die Kraft über die Gemüter ihrer Gläubigen. Die moderne Ethnologie und mit ihr auch die junge Disziplin, die sich unter dem vielverheissenden Titel einer Religionwissenschaft einführt, leidet nur zu sehr an der unbegründeten Annahme, dass man gewisse Erscheinungen nur bei den sogenannten primitiven aussereuropäischen Völkern erheben könne. Die Volkkunde, als die Detailforschung der Völkerkunde, erfüllt damit einen hohen Zweck, wenn sie Schritt für Schritt den Nachweis erbringt, wie haltlos die Herstellung der Grenzen zwischen Kultur- und Unkulturvölkern nach üblicher Rassen- und Gruppeneinteilung sei. Es gibt Abstufungen in der Bildung und Bildungfähigkeit unter Individuen, es gibt an Bildung und Besitz reichere und ärmere Menschengruppen oder Völker, aber die Menschen als Menschen bleiben sich auf der ganzen Oikumene gleich. Das ist ein Gesetz, das in Sitte, Brauch und Glauben der Menschheit überall nachweisbar ist. Einen Beitrag hiezu soll auch diese Betrachtung über den Yoga-Schlaf liefern. Ich hatte einen Jugendgespielen — er war lange Zeit königlich chrowotischer Oberförster — der zwar in der Schule das Muster eines Stierkopfes war, aber bei alledem die Begeisterung und zum Teil den Neid seiner Mitschüler durch eine eigene Kunst hervorrief: er war Herr seiner Ohrenmuskeln. Er konnte die Ohren bewegen trotz einem grauen Gauch oder einem von Stechfliegen geplagten Ross. Durch sein Ohrenspiel deutete er seine Empfindungen an. Wir rufen jemand mit einwärts gekrümmtem Zeigefinger herbei, er besorgt dies mit Ohrenwackeln. Einer meiner Freunde in Slavonien — er ist praktischer Arzt — gebietet über seine Augenmuskeln derart, dass er nach Belieben zu jeder Zeit auf alle denkbare Weise zu schielen und dadurch seinen Gesichtausdruck merkwürdig zu verändern vermag. In den sechziger Jahren hielten sich zu Požega in Slavonien abwechselnd im Kriminal zwei Bauern auf, die Virtuosen in der Beherrschung ihrer Darmmuskeln waren. Als siebenjähriger Knabe hatte ich das Vergnügen als Gratisblitzer der Vorstellung des einen von ihnen beizuwohnen [191]. Einer meiner Mitschüler namens Pero Agjić, ein Bauernsohn aus dem Dörfchen Mihaljevci (er war nachmals katholischer Pfarrer zu Svisveti), legte einen Stolz darein, bei allen schauerlichen Misshandlungen, denen ihn unser chrowotische »Lehrer«, ihn, wie jeden anderen Armerleutesohn zu unterziehen pflegte, keinen Schmerzlaut auszustossen. Er sagte nach der Marter gewöhnlich zu uns: »Dieser verfluchte Galgenstrick kann mich töten, aber ich ergebe mich ihm nicht!«, d. h. er wollte ihm die Freude am Gewinsel und Geheul nicht bereiten. Mein »Perica« ist für seinen »Heroismus« ebenso sehr oder wenig anzustaunen, wie die Kitchi-Gami-Jungen, von denen J. G. Kohl berichtet [192], oder die anderen Indianer, deren Brinton gedenkt. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Indianer aus religiösen Motiven eine Schmerzunempfindlichkeit heucheln. Grosse, fast an Verehrung streifende Bewunderung erregen in Europa Leute, die über ihre Muskel, genannt Magen, scheinbar unumschränkt gebieten, d. h. lange Zeit der Nahrungzufuhr entraten können. Man übersieht dabei gänzlich, dass diese Kunst einem ansehnlichen Bruchteil der Menschheit, in den ältesten Zeiten unbedingt mehr als heutzutage, von der lieben Not aufgezwungen ward und man sie gewohnheitmässig ausüben musste. Unter den »Wilden« vermögen daher nur die tüchtigsten Hungerkünstler zu Bedeutung und in den Geruch der Heiligkeit zu gelangen. Die Herren Tanner, Succi, Merlatti und tutti quanti würden sich wahrscheinlich unter James Mooney’s Indianern oder unter den indischen Fakiren, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, auch noch in den Dienst des Geisterglaubens stellen und zugleich eine andere Seite ihrer Begabung ausbilden müssen, vor allem nämlich auch die Muskel Herz bezwingen lernen. Sie müssten sich auch in den Yoga-Schlaf versetzen können. Diese, schon etwas kompliziertere Kunst hat mit dem Mesmerismus, Somnambulismus, Spiritismus, der Autosuggestion u. drgl. unmittelbar gar nichts zu schaffen. Hier in Wien steigt eine 43jährige, nach Vradiš in Oberungarn zuständige, arme Frau H. F. herum (ihren vollen Namen und ihre Adresse kann ich jederzeit bekannt geben [193]), die sich ohne weiteres tot zu stellen und über ihren Zustand erfahrene Spitalwärterinnen und alte Ärzte irrezuführen versteht. Ich kannte einen mit seinem Wägelchen und seiner Familie halb Ungarn brandschatzenden Landstreicher (sein Winterquartier hatte er jahrelang im Dorfe Jakšić im Požegaer Komitate), der sich damit durchbrachte, dass seine Gattin, nebenbei bemerkt, eine gut genährte, lebensfrohe Person, in jedem Orte plötzlich verstarb und für sie die Leichenkosten, sowie für die armen Waisen des untröstlichen Witwers Unterstützungen schleunig aufgebracht werden mussten. Zur Budapester Milleniumausstellung (1895) verschrieben sich die Unternehmer, um in Oes-Budavár (Alt-Ofen) besondere Zugkräfte für die Gafflust zu besitzen, zwei Originalfakire aus Indien, damit die während der Ausstellungdauer als lebendige Tote öffentlich hungern und schlafen sollen. Im guten Glauben und Vertrauen, sich unter anständigen Menschen längere Zeit ausschlafen zu dürfen, legten sich die Inder auf die Bahren zur Ruhe hin. Indes machten sich einzelne Besucher den Jux, mit Nadeln die Schläfer zu stechen, mit Zangen zu kneipen und mit brennenden Streichhölzern zu kitzeln. Bei Tag ertrugen es die Fakire, doch betrachteten sie diese Behandlung als einen Vertragbruch und hielten sich demzufolge der Verpflichtung enthoben, unausgesetzt regunglos dahinzuliegen. Nachts erhoben sie sich, gaben ihrer Meinung über die europäische Höflichkeit Ausdruck und beschlossen, sich zumindest mit Speise und Trank regelmässig allnächtlich zu stärken. Man erwischte sie einmal dabei, und erklärte sie für Schwindler und Betrüger. Die Yogi waren über diese ihnen bis dahin ungewohnte Betitelung tief gekränkt und einer von ihnen, Bherma Sena Pratapa erhob in einem an die Neue freie Presse in Wien gerichteten Brief (veröffentlicht teilweise in der Nummer vom 8. August 1895) entschiedenen Einspruch gegen die Verunglimpfung und sagte ganz zutreffend und sachlich: »Der Yoga-Schlaf ist eine Wissenschaft, wie alle andern, die von Leuten, welche die nötige Begabung dafür haben, theoretisch und praktisch erlernt werden kann.« [194] Hier ist nur der Ausdruck »Wissenschaft« volksprachlich im Sinne von einer vollendeten Fertigkeit aufzufassen und man muss dem Fakir beipflichten. Minder einwandfrei ist die daran geknüpfte Erörterung des Berichterstatters der Zeitung, der dem Inder, weil er sich wegen Wiederherstellung seiner Geschäftehre nach München an den dazumal daselbst tagenden Psychologenkongress wandte, unlautere Beweggründe unterstellt [195]. Der Kongress wies den Fakir ab, vielleicht aus Scheu vor dem Spotte der sogenannten Öffentlichkeit. Der Fakir hat wahrscheinlich von uns Europäern eine geringe Meinung gewonnen, aber ich will ihm nachträglich hier eine gewisse Ehrenrettung verschaffen, indem ich Beweise beibringe, dass seine Kunst auch bei uns in Europa ihre würdigen Vertreter in junger und in einer nicht zu lang entschwundenen Vergangenheit besass und dass man solcher Meister wegen bedeutender Leistungen noch immer gerne gedenkt. So erwerbtüchtig, wie der indische Yoga, ist auch unser serbische Landmann, nur stört ihn im Fortkommen eine der Kunstübung abholde Behörde. Im Jahre 1845 gleich in den ersten Monaten tauchte im Dorfe Bare (Sümpfe) im Požarevacer Bezirke der Prophet (prorok) Milija Krajinac auf, der aus dem Dorfe Popovica in der Krajina gebürtig war [196]. Durch seine unbeugsame Selbstbeherrschung riss er das leichtgläubige Volk mit sich und gab damit der Regierungbehörde zu schaffen. Schliesslich wurde er zum Gegenstand eines ausführlichen Berichtes, den der damalige Minister für innere Angelegenheiten dem Fürsten (unterm 15. Sept. 1845, Geschäftzahl 1628) überreichte. Milija pflegte sich in eine Verzückung (zanos) zu versetzen und in diesem Zustande 5 bis 6, 8, 12, ja bis zu 17 Tagen zu verharren. Während dieser Zeit enthielt er sich sowohl der Speise als des Trankes, als auch jeder sonstigen Befriedigung eines leiblichen Bedürfnisses. Der im Archiv des königl. serbischen Ministeriums für innere Angelegenheiten sub »G. Z. 483 ex 1845« erliegende Befundbericht des Dr. A. Medović über das Verhalten Milija’s während seines Verzückungzustandes, über die an seinem Leibe beobachteten Erscheinungen und über die Peinigungen, die er ertragen, ohne mit der Wimper zu zucken, ist darum für uns äusserst belangreich, weil er nomine mutato ebenso von einem Fakir handeln könnte. Als Milija einmal in »Trans« lag, brachte man ihn ins Bezirkamt, legte ihn in einer Stube auf ein Leilach, und da blieb er volle sechs Tage lang liegen. Im Laufe dieser Zeit steckte man ihm unter die Nase die kräftigsten Riechstoffe, sie erweckten ihn nicht; man heftete ihm Senfpflaster an, er blieb unempfindlich; man riss ihm einzeln die Haare aus der heikelsten Leibgegend aus, er muckste sich nicht; man strich ihm auf die Fusssohlen dreissig Rutenhiebe auf, er zuckte nicht; man legte ihm brennende Glutkohlen auf den Leib, er liess sie auf seiner Haut ruhig verglimmen, ohne zu zeigen, dass es ihn juckt. Schliesslich goss man ihm mit Gewalt ein Brech- und Abführmittel in den Mund, und als es ihn zu quälen anfing, bat er letzlich um einen Trunk Wasser. Man holte wohl Wasser, verweigerte ihm jedoch die Labung, bis er nicht die Wahrheit über sich aussage. Da endlich bequemte er sich zum Geständnis, dass er sich immer bloss verstellt (pretvarao) habe, um vom gemeinen Volke ein paar Paras herauszulocken. Hunger und Durst habe er allmählich zu ertragen gelernt, erzählte er, so dass er zu guterletzt 24–30 Tage sein konnte, ohne das Geringste zu geniessen, ebenso habe er sich gewöhnt, den Stuhlgang zurückzuhalten, bis seine Natur an diese Qual angepasst war; und bezüglich der ihm mit den Glutkohlen zugefügten Schmerzen sagte er: »Ihr mögt mir das Fleisch vom lebendigen Leib stückweise abhacken, ich zucke dabei nicht einmal mit der Wimper; so sehr kann ich Schmerzen ertragen.« Ein weibliches Seitenstück zu Milija, eine Chrowotin, lernte ich persönlich kennen. Am ersten Sonntag des Monats August 1877 sagte der Leibelschneider Mika Gavrić in Pleternica zu mir: »Komm mit mir ins Gebirge nach Zagragje. Dort ist eine neue Vračara (Zauberin) erstanden, die den Leuten alles bis aufs Haar richtig voraussagt.« Wir gingen über Ferkljevci und Kadanovci einen Querpfad und langten erst in drei Stunden an. Es war eine Witwe, deren Eidam zu ihr ins Haus eingeheiratet hatte. Ihr Wohnhaus bestand aus zwei Stuben, die durch einen Küchenraum voneinander geschieden waren. In der grösseren Stube lag die Bäuerin auf einem hohen, städtischen Bette ausgestreckt. An den Zimmerbalken hingen mehrere geräucherte Schweineschinken, eine mächtige Speckseite, an Stangen eine Menge gestickter Handtücher und auf einem Tischgestelle befanden sich drei grössere, aus Stroh gewundene Brotkörbe (Simperl), der eine mit Kreuzern, der andere mit Silbersechserln und der dritte mit grösseren Silbermünzen gefüllt; lauter Weihegaben frommer Besucher. Die Luft in dem Raume war unglaublich schlecht. Die Bäuerin selber sah sehr angegriffen aus. Sie mochte damals fünfzig Jahre zählen. Zufällig war sie zur Zeit nicht im Dauerschlafe befangen. Sie phantasierte den Leuten auf gestellte Fragen allerlei wirres Zeug zur Antwort vor. Als sie mich erblickte, befahl sie den Besuchern hinaus zu gehen und mich mit ihr allein zu lassen. »Ei, mein lieber Frica«, sagte sie »erweist auch du mir die Liebe eines Besuches! Schau, so arm war ich, dass ich hungern und weinen musste und die letzte im Dorfe war. Jetzt hat mir der liebe Gott und die hl. Mutter Gottes so schön geholfen, dass ich für mein Hungern und Schlafen Liebegaben im Überfluss bekomme. Mach dich vor deinen Eltern über mich nicht lustig. Nimm dir von den Geschenken, welches dir behagt und rühme mich vor den Leuten!« Um sie nicht zu beleidigen, nahm ich ein Handtuch und sagte dann draussen zu den Besuchern: »Wahrhaftig, sie hat mir die lautere Wahrheit mitgeteilt!« (Ein Bericht über diesen Besuch war meine erste literarische Arbeit, die ich deutsch verfasste, nur lehnten ihn die Zeitungen als »nichtaktuell« ab.) Die Gläubigen werden von meinen Nachrichten kaum erbaut sein, vielmehr mich für einen Spötter betrachten; denn ihnen ist der Glaube an die dämonische Macht solcher Individuen eine Herzenbedürfnis und sie sind auch mit der Erklärung bei der Hand, das Medium habe nur infolge des sozialen Druckes seine wahrhafte Mediumschaft in Abrede gestellt. Rationalistische Köpfe helfen sich ihrerseits mit dem Schlagworte: hysterische Zustände und Erscheinungen aus, und damit ist für sie die Sache abgetan. Wie aber, wenn es Menschen gibt, die die Kunst des Sichtotstellens trotz jedem Fakir verstehen und dabei weder eine Spur von Hysterie besitzen, noch im allerentferntesten je aus ihrer Fertigkeit ein Glaubengeschäft auf Kosten der Verstandschwäche ihrer Nebenmenschen betreiben? Hoch erhaben über eine derartige Zumutung stand Radovan, der herrliche Junker, Sohn Ritter Georgs und Schwestersohn des venezischen Provveditore von Zengg Elias Smiljanić da, der in der Vollkraft seiner Jünglingjahre bei strotzender Gesundheit den Todschlaf heucheln konnte. Er machte aus seiner Kunst kein Hehl und erwarb als Simulant einen gewissen Ruf, so dass man ihm den Tod auch dann nicht mehr glaubte, als einmal vom Glauben daran sein Leben abhing. Radovan lebte vor beiläufig 260 Jahren. Er war eine ebenso historische Persönlichkeit, wie irgend jemand seiner Zeitgenossen. In der Überlieferung der Serben führt er die Namen Rade mali (R. der Kleine, wegen seiner Gestalt), uskok Rade (der Überläufer R., weil er sich zu den Moslimen geschlagen), Rade konjokradica (R. der Pferdedieb, weil er in Dalmatien Pferde zu stehlen und sie in Bosnien zu verkaufen pflegte. Mustapha Schmerbauch’s von Kladuša berühmter Schimmel stammt auch aus Rade’s Rennstall) und Kaica (aus Missverständnis daraus Kaić): Stirnschmuck. Rade war als Kind sehr schön, und weil seiner Mutter vor Beschreiung und bösem Blick bangte, wand sie ihm als kluge Frau um die Stirne ein Bändchen mit phallischen Amuleten. Darnach bekam er den Übernamen. Rade ist mehr noch bei den Moslimen als bei den Christen wegen seiner an edlen Heldengestalten beliebten Eigenschaften: der Mordlust, Verlogenheit, Tücke und Gaunerei, hochberühmt [197]. Das nachfolgende Lied, das von ihm handelt, war ursprünglich moslimisch, gefiel aber auch Christen, die es sich zurechtlegten, doch nicht so geschickt, dass die Entlehnung nicht auffällig bliebe. Das Lied sang mir am 13. Oktober 1885 mein Guslar Milovan Ilija Crljić Martinović, dessen ich schon wiederholt gedacht habe. Er erlernte es um das Jahr 1855 von seinem Mutterbruder Marijan aus Dolnji Rgovi. Ašikova Kaić Radovane sa Ljepunom kaurina bana, ašikova godinicu dana; nitko njega potpazit ne može. Potpazi ga kaurine bane, postavio pê stotin katana; čekaju ga ot sunca do sunca. Sunce prijgje a mljesec izijgje, al eto ti Kaić Radovana. On Jefune na pendžeru viknu: — Janje moje, otvori mi vrata! — A moj Rade, da mi te ne bilo! Ašikuješ godinicu dana, nitko tebe potpazit ne može a moj te je babo potpazio, postavio pê stotin katana, čekaju te ot sunca do sunca; oćeš noćas izgubiti glavu! — Janje moje, otvori mi vrata! noć prolazi, ne ašikujemo, pa nek igju banove katane! Skoči cura, otvori mi vrata! Kada tamo blizu zori bilo pojgje Rado iz bijela dvora. Dočekaše banove katane, okoliše Kaić Radovana, okoliše pa ga ujitiše. Dokle Radi ruke savezaše, četverici prilomio ruke, petericu rukam udavio, sedmerici oči izvadio. Dadoše ga svome gospodaru a bane ga u tavnicu baci. U tavnici tridese sužanja, što sužnjuju deve godin dana. Kad zapade Rade u tavnicu, stade Rade mislit i primišljat, ne bi li se kako izbavio. Pa sve misli, dok na jednu smisli pâ priminu u tavnici Rade. Ni se miče, nit on dušom diše; mrtav leži za tri bila dana. Zacvililo tridese sužanja: — Aman bane mili gospodare! ja nas miči, ja nas priprodaji, ja nam jamljaj sužnja is tamnice! Evo ima tri bijela dana, priminuo Rade u tamnici! Bane pojgje da izbaci Rade, da ga nose u debela luga, nek ga jedu tice gavranovi. A banica na zlo naskočila: — Aman bane mili gospodare! bjela brado, budalasta glavo! ni mrtvu se ne vjeruj ti Radi! Već izbaci is tavnice Radu pa mu loži vatru na prsašcu. Ako bude u životu Rade on će svoje oči rasklopiti, ne će dati tilo napatiti. Ban mu loži vatru na prsašcu. Opet Rade dobar junak bješe, ne tje Rade oka rasklopiti. Tjede bane da izbaci Rade, da ga nose u debela luga, da ga jedu tice gavranovi. A banica na zlo naskočila: — Aman bane mili gospodare! bjela brado, budalasta glavo! ni mrtvu se ne vjeruj ti Radi! Već dovedi dva kovača mlada, nek donesu po šaku klinaca, nek zagone Radi pod noktašca. Ako bude u životu Rade on će svoje oči rasklopiti, ne će dati tila napatiti. Ban dovede dva kovača mlada, donesoše po šaku klinaca pa zagone Radi pod noktašca. Opet Rade dobar junak bješe pa ne tjede oka rasklopiti. Pojgje bane da izbaci Rade a banica na zlo naskočila: — Aman bane mili gospodare! bjela brado, budalasta glavo! ni mrtvu se ne vjeruj ti Radi! Već izvedi trides djevojaka i izvedi našu Ljefijanu, neka kolo oko njega ujte, kolo vode a pjesne izvode. Nek djevojke gaće poskidaju, priskakuju priko mrtva Rade; ako bude u životu Rade on će svoje oči rasklopiti. Ban dovede trides djevojaka i izvede Ljefijanu mladu; pa ujtiše kolo oko Rade, kolo vode a pjesne izvode: — A naš Rade, da bi te ne bilo! šta si lego, mrtav se otego? A to Rade aje pa ne aje. Sve djevojke gaće poskidaše a to Rade aje pa ne aje. Kat priskoči Ljefijana mlada oba oka rasklopilo Rade. Od djevojak nitko ne vidio; ona baci vezenu maramu pa mu oba oka poklopila. Ondar stade bjeśjediti banu: — A moj babo, da bi te ne bilo! šta ti od nas sramotu učini! Priko mrtva leša priskakasmo, upade mi vezena marama. Nek uzima, kome god je drago, ja je uzet š njega mrtva ne ću! Pojgje bane da izbaci Rade, da ga nose u debela luga, da ga jedu tice gavranovi. A banica na zlo naskočila: — Aman bane mili gospodare! bjela brado, budalasta glavo! ni mrtvu se ne vjeruj ti Radi! Već istjeraj čekrkli kočije, u kočije ti ubaci Radu pa pošalji dvije vjerne sluge, nek ga gone debelome moru, nek iśjeku Rade na komade, podijele po moru ribama! Pa istjera čekrkli kočije, ubaciše u kočije Rade, otjeraše banove ga sluge. Kada blizu moru dolazili, mregju sobom sluge beśjediše: — Ništa nije nama učinio, šta ćemo ga śjeći na komade? Da čitava u more bacimo! Pa ić ćemo i slagati banu, da sm iśjekli Rade na komade i bacili u debelo more. Pa čitava u more baciše pâ odoše i slagaše banu, da s iśjekli Rade na komade i bacili u debelo more. Radu dalga kraju izbacila pâ se Rade suva dofatio; Rade leži kraj debela mora. Doletiše dva vrana gavrana, a da Radi oči iskopaju. Al ga viknu posestrima vila: — A moj Rade, da bi te ne bilo! šta si lego, mrtav se otego? tebi tice oči izvadiše! — Vilo moja, moja posestrimo! jes otišle baanove sluge? — Jes otišle i slagale banu, da s išjekle tebe na komade i bacili po moru ribama! Skoči Rade kraj debelog mora pa iz ruku čamlje počupao, ja iz ruku zubma počupavo a iz nogu rukam povadio. Ode Rade pobratimu svome, pobratimu Janjković Nikoli, sve kazuje, što je i kako je, na kakve je pate udario: — Već te molim, dragi pobratime, daj mi svoga debela gjogata i daj svoje gjuzel odijelo, daj mi svoje svijetlo oružje, (skinuli su moje odijelo, otpasali svijetlo oružje), da ja igjem u zemlju kaursku. Ban je metro curu na košiju; ne bi l Bog do, gjogat utjecao, ne bi li se cure dograbio, ne bi l svoju muku pokajao! Kada čuo Janjković Nikola, on opremi njega i gjogata. Ode Rade u zemlju kaursku bjeloj kuli kaurskoga bana. Kada bješe u polje zeleno pod banove pribijele dvore, polje bilo pa ga ne stanilo: konj do konja, junak do junaka; tri sta ata tri sta bedevija, paripčadma ni esaba nejma, ni jesaba pješice junacim; dva alata od Banata bana, dva vrančića zadranskoga bana, dva gjogata od Legjana bana, dva kulaša od Orašja Tala, bedevija crne arapine. Tude tavnu prinoćiše noćcu. Kad u jutro jutro osvanulo, vjerne sluge gajtan donesoše, vjerne sluge gajtan upraviše, zaredaše konje za gajtana. Dok na gradu pukoše topovi, vjerne sluge gajtan oboriše, od gajtana konji poletiše. Rade ne će da puśća gjogata; pa daleko konji izmakoše, ne bi duga puška dovrgnula. Ondar viknu sa gjogata svoga: — Ne recite, crna njemadijo, ne recite, da je inla bila, eno kodov ja puśćah gjogata! Pa poletje gjogat od gajtana. Bože mili, na svemu ti hfala! Kad poletje gjogat od gajtana, zemlja ječi al u nebu zveči, bakračlije crnu zemlju gule, oko njija studen vjetar puše, is kopita oganj vatra sipa! Sve prostiže pješce i konjice i sastiže dva konja vrančića, oba vranca zadranskoga bana, kako dojgje e tako i projgje. Pa sastiže dva konja alata, dva alata bana od Banata; kako stiže tako i prostiže. A ne mere dva konja kulaša, jer na njima pogano koljeno, jer na njima dvoje cigančadi; oba konja u krv okupata. On prostiže dva konja kulaša, al ne more crne arapine. Dok sastiže crnu arapinu, kako stiže, tako i prostiže. Dok opazi čekrkli kočije, na njim stala banova djevojka, na njeg rukom i maramom maše. Dok izletje do kočija Rade a djevojka skoči is kočija, gjogatu se o vratu obljesi, sve gjogata mregju oči ljubi. Rade veli glavitoj djevojci: — Ljefijana, od očiju vidu! dera vodaj debela gjogata, dok ja odem puncu i punici, da darujem punca i punicu! Ode Rade do banova dvora pa banici u dvore unijgje: — O banice, baš moja punice! danas sam ti ćercu zadobio, zadobio na oštrom megdanu. Moreš znati, kujo materina, kada dodi Kaić Radovane, ašikova’ s tvojom Ljefijanom? Pa je njega potpazio bane, postavio pê stotin katana. Oni Radu živa ujitiše pa ga bane u tamnicu baci. Bijaše se potajalo Rade, u tavnici mrtav načinio, ne bi li me izbacio bane. Tjede mene da izbaci bane, ti ne dade, kujo materina! Ja sam glavom Kaić Radovane! Ti si mene ljuto napatila i na svake pate udarala, reko b, sam ti dvore popalio! Ja ću tebe gorje napatiti! Pâ banicu za ruke ujiti, odreza joj obadvije ruke pa joj oblje dojke prorezuje pa kroz dojke progonio ruke. Starcu banu poklonio glavu. Ode Rade do gjogata svoga. Kad gjogatu i kočijam dojgje, arap oda, bedeviju voda. Onda arap Radi bjeśjedio: — Kurvo jedna, Kaić Radovane! dobro tebe po imenu znadem, po redom su konji izletjeli! — Hajd otalem, crna arapino! do tebe sam odvodo gjogata i otišo puncu i punici i darovo punca i punicu. Ator bješe crnoj arapini pa on skida bistrog dževrdana pa gjogatu u prse skresavo. Gjogat vrisnu pa pade u travu. Ciknu Rade ko šarena guja pa poteže sablju Nikolinu pa arapu osiječe glavu! I ujti mu šafku bedeviju, bedeviju za kočije sveza pa z djevojkom śjede u kočije. Ode Rade pobratimu svome ka Sibinju bijelome gradu. Kade dojgje Janjković Nikoli: — Dragi brate, Janjković Nikola, jesam ti se brate oženio, teb toveo šafku bedeviju, gjogat ti je izgubio glavu, more l biti šafka za gjogata? Iśći prida koliko ti drago. Ev banova u kočijam blaga! — Bre aferim, dragi pobratime! Kat si mi se pobro oženio, pa da si mi dvore popalio, još na svake muke udario, kat si svoje muke pokajavo, tebi ne ću groša ni dinara, sve ću tebi danas alaliti! Ein Buhle traut war Kaić Radovane zu Euphemie, zum Kafir-Grafenfräulein; ein lieblich Jahr an Tagen pflag er Buhlschaft, und keiner ihn dabei gewahren konnte. Dennoch der Kafir-Burggraf ihn gewahrte und stellte auf fünfhundert reisige Mannen; die harren sein von Sonne bis zur Sonne. Zur Rüste ging die Sonn’ und auf der Mond, ei sieh, da naht dir Kaić Radovane; er ruft ans Fenster Euphemie herbei: — O Lämmchen mein, eröffne mir das Pförtchen! — Ach Rade mein, o wärst du nicht erschaffen! Ein lieblich Jahr an Tagen pflagst du Buhlschaft, und keiner konnte dich dabei gewahren; doch hat dennoch mein Vater dich gewahrt und aufgestellt fünfhundert reisige Mannen, die harren dein von Sonne bis zur Sonne; du wirst dein Haupt zu Nachten heut verlieren. — O Lämmchen mein, eröffne mir das Pförtchen! Die Nacht entweicht, wir kommen ums Gekose; Von mir aus mögen nahn des Burgherrn Reisige! Aufsprang das Fräulein, schloss ihm auf das Pförtchen. Als dann herum es war ums Morgengrauen, aufbrach vom weissen Burggehöfte Rade. Des Grafen reisige Mannen ihn empfingen, umringten Junker Kaić Radovane, umringten ihn und nahmen ihn gefangen. Bis sie die Hände Raden festgebunden, vier Mannen er entzwei die Hände brach, erwürgte noch mit blosser Hand fünf andre und riss heraus die Augen sieben Kämpen. Ihrem Gebieter sie ihn übergaben. In das Verliess hinab ihn warf der Burggraf; in dem Verliesse dreissig Mann Gefangener, die neun der Jahre schon gefangen schmachten. Als Rade ins Verliess hinab verfiel, zu sinnen hub er an und nachzusinnen, ob irgendwie er sich erlösen könnte. Er sinnt und sinnt und fasst auf eins den Sinn — und Junker Rade im Verliess verstarb; er rührt sich nicht, nicht atmet seine Seele; so liegt er tot drei weisse Tage lang. Aufjammerten die dreissig Mann Gefangenen: — O Gnade, Burggraf, teuerster Gebieter! Gib weg uns oder weiter uns verkaufe, wo nicht befrei vom Häftling das Verliess! Drei weisse Tage sind annun verflogen, dass Rade im Verliess sein Leben liess. Der Burggraf ging, hinauszuwerfen Raden, auf dass man in den dicken Hain ihn trage, dahin zur Äsung für die Rabenvögel, jedoch die Burgfrau plante lauter Schlimmes: — O Gnade, Burggraf, teuerster Gebieter! Du weisser Bart, du Haupt voll Kindereinfalt, dem toten Rade nicht einmal du traue! Erst wirf heraus aus dem Verliesse Raden und mach ihm auf dem Busen an ein Feuer; wofern in Raden Leben weilen sollte, aufschlagen wird er sicherlich die Augen, anheim nicht geben seinen Leib den Qualen! Anfacht der Burggraf auf der Brust ihm Feuer. Doch Rade war bewährt als wackerer Wehrmann, aufschliessen mochte Rade nicht die Lider. Hinaus der Burggraf wollte Raden werfen, dass in den dicken Hain man fort ihn schaffe, dahin zur Äsung für die Rabenvögel, jedoch die Burgfrau plante lauter Schlimmes: — O Gnade, Burggraf, teuerster Gebieter! Du weisser Bart, du Haupt voll Kindereinfalt, dem toten Rade nicht einmal du traue! Führ lieber her zwei junge Eisenschmiede, herbring’ ein jeder eine handvoll Nägel, sie sollen sie ins Nagelfleisch ihm rammen. Wofern in Raden Leben weilen sollte, aufschlagen wird er sicherlich die Augen, anheim nicht geben seinen Leib den Qualen. Der Burggraf führt herbei zwei junge Schmiede, die brachten her je eine handvoll Nägel und rammten Raden sie ins Nagelfleisch. Doch Rade war bewährt als wackerer Wehrmann, aufschlagen mochte Rade nicht die Lider. Hinaus der Burggraf wollte Raden werfen, jedoch die Burgfrau plante lauter Schlimmes: — O Gnade, Burggraf, teuerster Gebieter! Du weisser Bart, du Haupt voll Kindereinfalt, dem toten Rade nicht einmal du traue! Heraus du führe lieber dreissig Jungfraun, und führ auch unsre Euphemie heraus; im Reigen mögen sie um ihn sich fangen, im Reigenfang anstimmen Liedersang. Die Mädchen mögen ab die Höschen legen, hinüber übern toten Rade hüpfen. Wofern in Raden Leben weilen sollte, aufschlagen wird er sicherlich die Augen. Herbei der Burggraf dreissig Jungfraun führte, Jung Euphemie dazu heraus er führte, sie hingen ein um Raden sich zum Reigen, im Reigenfang erklang ihr Liedgesang: — O unser Rade, wärst nur nicht erschaffen! was liegst gestreckt, als Toter ausgereckt? Drauf Rade lost und lost auch nicht darauf; und all die Mädchen legten ab die Höschen, doch Rade lost und lost auch nicht darauf; nur wie Jung Euphemie hinüberhüpfte, aufschloss es Raden alle beide Augen. Von all den Jungfraun keine wahr es nahm, sie warf zu Boden ihr gesticktes Tüchlein, und beide Augen sie ihm rasch bedeckte. Alsdann zum Burgherrn hub sie an zu reden: — O Vater mein, o wärst du nicht erschaffen! Mit was für Schande hast du uns geschändet! wir hüpften übern toten Leib hinüber; mir fiel zu Boden mein gesticktes Tüchlein, aufheben mag’s, wem immer es gelüstet, ich heb es nimmer auf von diesem Leichnam! Dran ging der Burggraf, Raden fortzuschaffen, dass in den dicken Hain man fort ihn trage, dahin zur Äsung für die Rabenvögel, jedoch die Burgfrau plante lauter Schlimmes: — O Gnade, Burggraf, teuerster Gebieter! Du weisser Bart, du Haupt voll Kindereinfalt, dem toten Rade nicht einmal du traue! Jag du vielmehr heraus die Federkutsche, hinein du in die Kutsche schleudre Raden und dann betraue zwei getreue Knechte, die mögen ihn zur dicken Meerflut fahren, zerhacken sollen Raden sie zu Stücken und Fischen ihn im Meer zum Frass verteilen! Er jagt heraus die Kutsche, die gefedert, hinein sie schmissen in die Kutsche Raden, von dannen fuhren ihn des Burgherrn Knechte. Als nahe sie ans Meer gekommen waren, untereinander sprachen so die Knechte: — Der hat ja uns zu Leide nichts getan! was sollen wir zu Stücken ihn zerhacken? Lasst uns den Ganzen schleudern in die Meerflut, dann gehn wir hin und lügen an den Burgherrn, dass wir zerhackt zu Stücken hätten Raden und ihn ins dicke Meer hinausgeschleudert. Und warfen ihn, den Ganzen in die Meerflut und zogen heim und logen an den Burgherrn, dass Raden sie zerhackt zu lauter Stücken und ihn ins dicke Meer hinausgeschleudert. Die Wogen Rade warfen ans Gestade, und Rade so gewann die trocknen Pfade. Da lag nun Rade an dem dicken Meere; zwei schwarze Raben kamen bald geflogen um Raden hier die Augen auszugraben. Doch rief ihn an sein Wahlgeschwister Vila: — O Rade mein, o wärst du nicht erschaffen! was liegst gestreckt, als Toter ausgereckt? schon bohren dir die Vögel aus die Augen! — O Vila mein, o du mein Wahlgeschwister! sind schon des Burgherrn Knechte abgezogen? — Sie zogen heim und logen an den Burgherrn, sie hätten dich zu Stücken wohl zerstückelt und auf das Meer zum Fischefrass geschmissen. Aufsprang am dicken Meere Junker Rade, riss aus den Händen sich die Eisennägel, ja, riss sie mit den Zähnen aus den Händen und zog sie mit den Händen aus den Füssen. Begab sich hin zum Herzensbruder Rade, zum Bruderherzen Niklas Janjković, tat kund ihm alles, was und wie’s gewesen, in was für Folterqualen er gefallen: — Doch bitt ich dich, mein teueres Bruderherze, gewähr’ jetzund mir deinen feisten Schimmel, gewähr’ mir auch dein schmuckes Festgewand, gewähr’ dazu mir dein Gewaffen gleissend, (mir zogen sie vom Leibe mein Gewand, entgürteten mich vom Gewaffen gleissend), damit ich ins Gebiet der Kafir wandre; als Rennpreis setzt der Burggraf aus das Fräulein; leicht gibt es Gott, das Ziel erläuft der Schimmel, vielleicht erraff’ ich mir den Preis, das Fräulein, vielleicht verschaff’ ich Sühne meiner Qual! Wie solches Niklas Janjković vernahm, ausrüsten tat er ihn und seinen Schimmel. Abzog in das Gebiet der Kafir Rade zur weissen Wartburg hin des Kafir-Burgherrn. Als er im grünen Blachgefilde eintraf am Fuss des schneeigweissen Grafenburghofs, ein Feld bestand, jedoch es jetzt verschwand, hier Ross an Ross, hier Held gedrängt an Helden, dreihundert Berber, gleichviel Beduinen, Mischlinge sind da sonder Zahl vertreten und sonder Zahl zu Fuss der Helden Schar. Zwei Füchse des Gebieters vom Banate, zwei Rappen klein des Herrn der Burg von Zara, zwei Schimmel des Beherrschers von Polonien, zwei Falben Junker Tale’s von Orašje, das Beduinenross des Schwarzarabers. Allhier sie nachteten zur dunklen Nacht. Als morgens früh der Morgen angetagt, getreue Diener brachten her die Schnur, getreue Diener zogen straff die Schnur, hinter die Schnur sie reihten auf die Renner. Als die Kanonen auf der Burg erdröhnten, die Schnur die treuen Diener niederwarfen und von der Schnur aus flogen hin die Renner. Nicht mochte lassen aus den Schimmel Rade; gar weit die Renner waren schon entwichen, soweit nicht reicht ein Schuss aus langer Flinte. Allda er rief hinab von seinem Schimmel: — Nun sagt nicht, Ihr da, tückisch deutsches Pack, nun sagt mal nicht, es wäre List gewesen, da schaut mal her, jetzt lass’ ich aus den Schimmel! Dahin nun von der Schnur der Schimmel flog — Du lieber Gott, für alles sei bedankt! — Als da der Schimmel von der Schnur dahinflog, die Erde stöhnt und hoch der Himmel dröhnt, die Bügel schinden ab das schwarze Erdreich, um sie herum ein kalter Windstrom saust und Feuerflammen sprühen aus den Hufen. Er überholt die Läufer all’ und Renner und holte ein zwei kleine Rappenrosse, die beiden Rappen des Zaraër Burgherrn, er holt sie ein, sie sind schon überholt. Dann holt er ein zwei Renner noch, die Füchse, zwei Füchse des Gebieters vom Banate; er holt sie ein, sie sind schon überholt; doch holt er nicht zwei falbe Renner ein, dieweil auf ihnen ein verwünscht Gezüchte, dieweil auf ihnen zwei Zigeunerrangen, die beiden Rosse ganz in Blut gebadet. Letzt überholt er die zwei fahlen Renner, doch holt er nicht den Schwarzaraber ein. Letzt holt er ein auch noch den Schwarzaraber, er holt ihn ein, hat schon ihn überholt. Da endlich er gewahrt die Federkutsche, aufrecht auf ihr des Burgherrn Fräulein steht, es winkt ihm mit der Hand und mit dem Tüchlein. Kaum kam zur Kutsche hingeflogen Rade, sprang gleich heraus das Fräulein aus der Kutsche, hing stürmisch sich dem Schimmel um den Hals, zwischen die Augen küsste sie ihn häufig. Zum stattlich schmucken Fräulein Rade spricht: — O Euphemie, du meiner Augen Licht! Ei, führe mal herum den feisten Schimmel, indes ich geh’ zum Schwieger und zur Schwiegrin, um zu beschenken Schwieger und die Schwiegrin! Begab sich Rade zum Gehöft des Burgherrn und kam ins Burggehöft hinein zur Schwiegrin: —O Burgfrau, traun, du meine Schwiegermutter! dein Töchterlein ich heut am Tag gewann, gewann sie wohl auf heiss umstrittner Bahn. Magst du’s gedenken, mütterliche Zauchtel, wie Kaić Rade herzukommen pflag, mit deiner Euphemie geheim zu buhlen, und wie der Burggraf ihn allda gewahrte und aufgestellt fünf hundert reisige Mannen? Die hatten Raden lebend eingefangen; und ins Verliess hinab ihn warf der Burggraf. Auf seine Heuchelkunst vertraute Rade, tat sich als Toter im Verliess verstellen, verhoffend, dass der Burggraf mich hinauswirft. Hinaus mich werfen wollte schon der Burggraf, du wehrtest ihm, du mütterliche Zauchtel! Bin’s eigenhäuptig Kaić Radovane! Du unterwarfst mich grimmig wilden Qualen und unterzogst mich Martern aller Art, ich dürft’ die Burg dir angezunden haben! Ich will dich schlimmren Qualen unterwerfen! Und packte bei den Händen an die Burgfrau und schnitt ihr allebeiden Hände weg und schnitt ihr durch auch allebeiden Brüste und durch die Brüste schob er durch die Hände. Dem greisen Burgherrn er das Leben schenkte. Zu seinem Schimmel Rade sich begab. Als er zum Schimmel und zur Kutsche kam, antraf er den Araber und sein Vollblut. Alsdann zu Raden der Araber sprach: — Du Freudendirne, Kaić Radovane! Dich kenn’ ich nur zu gut nach deinem Namen. Zugleich das Ziel erreichten unsre Renner! — Von hinnen troll dich, Schwarzaraberschuft! Bis du hier eintrafst, ruht ich aus den Schimmel, war schon indes beim Schwieger und der Schwiegrin, und hab’ beschenkt den Schwieger und die Schwiegrin! Das nahm der Schwarzaraber übel auf, zog flugs herab die Damaszenerbüchse und schoss die Ladung in die Brust dem Schimmel. Ein schrill Gebrüll, tot rollt das Ross im Rasen! Aufzischte Rade gleich ’ner Schlange scheckig und zückte blank den Säbel Nikolaus’ und hieb das Haupt vom Rumpf ab dem Araber. Fing ein den schnellen Beduinenrenner, band an den Beduinen an die Kutsche und setzte mit der Maid sich in die Kutsche. Abzog zu seinem Herzensbruder Rade. Als er zur weissen Burg von Sibinj kam, als er zu Niklas Janjković gelangte: — Mein teurer Bruder Niklas Janjković, ich, Bruder, habe mir ein Weib genommen, doch dir gebracht den schnellen Beduinen. Dein Schimmel, leider, ist ums Haupt gekommen. Gilt wohl als Tausch das Vollblut für den Schimmel? Heisch Draufgab nur, soviel dir mag behagen! Des Burgherrn Schätze lagern hier im Wagen. — Traun, wohlgetan, mein liebster Herzensbruder, dass du, mein Bruderherze, dich beweibt! Und brachtest du mein Burggehöft in Brand und unterwarfst mich Qualen sonder Zahl, nachdem du Sühne schufst für deine Qual, begehr’ ich keinen Groschen noch Denar, all’ dies ich dir am heutigen Tag verwand! NB. Es sind keine Druckfehler, sondern dialektische Eigentümlichkeiten im Texte: V. 8 mljesec, V. 37 primišljat usw. (der Itazismus fast durchgehends), V. 133, 234 mregju, V. 154 baanove (Verszwang!); V. 159 ćamlje; V. 173 metro, V. 222 mere, V. 235 obljesi, V. 266 oblje. — Zu V. 163 ursprünglich vielleicht Tanković Osman, der Wahlbruder Rades. — Zu V. 205. »Schwarzes deutsches Pack.« Ja, heisst denn njemac einen Deutschen?! Im modernen Sprachgebrauche wohl, doch nicht hier in der mit Survivals durchsetzten Volksprache. Das Publikum und die Preisrichter waren diesmal Slaven und Italiener; das weiss doch auch der Guslar, aber nijemac (der Stumme, der Sprachunkundige) war dem Bauer jeder Fremde und dann jeder nichteinheimische Mann, etwa so, wie noch im judendeutschen Sprachgebrauche goj für jeden Nichtjuden gebraucht wird, ohne gehässige oder feindselige, konfessionelle oder nationale Nebenbedeutung. — Zu den V. 210–215 setzte weiland Dr. Isidor Kopernicki, der nach meiner Forschungreise einen Teil meiner Niederschriften durchlas, die Randbemerkung hinzu: pyszne! (prächtig). — Zu V. 287 u. 295. Über das dunkle Wort šafka vergl. meinen etymologischen Deutungversuch in: »Novak der Heldengreis«, Anm. zu V. 218. — Zum Schluss sei erwähnt, dass die Begen Pilipović zu Glamoč in Bosnien Rade als den Stammvater ihres Geschlechtes verehren. Richard Schmidt und anderen, die vor ihm über Fakire, Dervische und gleichartige Wundermenschen geschrieben, entging es, dass eine der beliebtesten Gestalten der deutschen Nationalliteratur ihren Ruf und Ruhm vor allem Künsten verdankt, die alles überragen, was Fakire je zu leisten vermocht. Wer sich davon überzeugen will, der lese Das alte Faustbuch nach, von dem August Holder auf Grund der alten Ausgaben und anderer Quellen eine vorzügliche neue Bearbeitung geliefert hat (Leipzig 1907, Deutsche Verlagaktiengesellschaft). Erkennen und kennen wir vorerst unser eigenes Volktum, so verliert für uns das anderer Völkergruppen sehr bald vieles von seinen Unverständlichkeiten und Unbegreiflichkeiten. Auch Rade hat in unserer Gesellschaft seinesgleichen. Die Menschwerdung des hl. Panteleimon. Kirchliche Legenden in den versifizierten Volküberlieferungen der Südslaven aller drei Konfessionen sind verhältnismässig selten, am häufigsten jedoch unter den katholischen Bauern anzutreffen. Bis in die ersten Jahrzehnte des XIX. Jahrhunderts war die breite Menge der bäuerlichen Bevölkerung des Lesens und Schreibens gänzlich unkundig, die kirchliche Literatur war aber ausschliesslich das Vorrecht der Geistlichkeit, die namentlich im Bosnisch-Herzögischen, keineswegs der Lehrer des Volkes war. Am wenigsten bei den Altgläubigen, bei denen Predigten in den Kirchen bis in die Neuzeit nicht üblich waren. Nur im zufälligen Gespräche, z. B. an langen Winterabenden, erfuhr der Bauer vom Popen manche Legende, wie man sonst Sagen und Märchen, Schnurren und Rätsel einander zum Besten gibt. Halb verstand der Pope die Legende nicht, halb begriff sie der Bauer nicht, aus dem Rest legte sich der Guslar seine eigene Geschichte zurecht, anknüpfend an Motive, die sowohl ihm als seinen Zuhörern geläufiger waren. So einen Ursprung dürfte auch nachfolgende Legende haben. Die Nachbildung eines Menschen behufs Zaubereien beruht auf fetischistischen-animistischen Anschauungen, die dem südslavischen Volkglauben, gleich dem aller Völker eigen sind. Die goldenen Hände und silbernen Füsse des Heiligen sind kein besonderes Merkmal; denn bekanntlich werden Reliquien solcher Art in Gold und Silber verwahrt. Unsere Legende hat mit den griechischen und lateinischen Legenden über das Leben des hl. Pantaleon, der zur Zeit Kaiser Maximinus als Arzt in Nikomedia in Bithynien wirkte und den Märtyrertod verstarb, nicht einen Zug, soviel ich sah, gemein [198]. Vielleicht wurzelt unsere Legende anderswo und das Wunder ist nur durch einen Irrtum des Erzählers auf den, bei den Altgläubigen sehr volktümlichen Heiligen übertragen. Rodio se sveti Pantelija. Dvije sestre brata ne imale pa po sebi brata ogradili ot kovilje i bijele svile: živo srce ot šimšira drvce a glava mu od zlata jabuka a crn perčin tura ibrišima, obrvice morske pijavice, sitni zubi dizije bisera, dva obraza dva knjige tabaka, trepavice krila lastavice, dvije ruke dvije šipke zlatne, dvije noge dva srebrna stupa. Donose mu piva i jestiva; usta mrtva jesti ne mogahu, jezik mrtav govorit ne more. To gledala dva božja angela, gledajući Bogu odocnili, odocnili Bogu na večeru. Bog je pito svoje dvije sluge: — Što ste meni sluge odocnili? — Odocnili čudo gledajući, gledajući na zemljici crnoj. Dvije sestre brata ne imaše pa po sebi brata ogradiše ot kovilje i bijele svile: živo srce ot šimšira drvce a glava mu od zlata jabuka a crn perčin tura ibrišima, obrvice morske pijavice, trepavice krila lastavice, dva obraza dva knjige tabaka, sitni zubi dizije bisera, dvije ruke dvije šipke zlatne, dvije noge dva srebrna stupa. Donose mu piva i jestiva; jezik mrtav govorit ne more, usta mrtva jesti ne mogahu. Bog govori svôma dvôma slugam: — Čujete l me moje dvije sluge (dvije sluge dva božja angela) pa spanite na zemljicu crnu, živijem ga dukom zadahnite, lijepo mu ime iźdjedite, iźdjedite ime Pantelije; neka bratac sestre poudade, poudade pa će pohoditi, i življeće četr’est godinâ, ondare će Bogu dolaziti. U mlagjega pogovora nejma; spadoše na zemljicu crnu, živijem ga dukom zadaknuše i lijepo ime izabraše, izabraše ime Pantelije. Ondar brate sestre poudade. poudade pa ih pohodio. Živio je četerest godinâ; ondar je se prestavio momak i samome Bogu odlazio. Wie der hl. Panteleimon geboren wurde. Zwei Schwestern einst, die hatten keinen Bruder, da bauten sie sich selber einen Bruder aus Pfriemenweide und aus weisser Seide und sein lebendig Herz aus Buchsbaummarke; sein Haupt gebaut aus einem goldnen Apfel, der schwarze Haarzopf eine Seidenquaste, die Augenbrauen Egeln aus dem Meere, die kleinen Zähne sind aus Perlenreihen, die beiden Wangen aus Papier zwei Bögen, die Augenwimpern einer Schwalbe Flügel, die beiden Hände, je ein golden Rütchen, die beiden Beine, je ein Silberbarren. Sie warten auf mit Speisen und Getränken, der tote Mund vertrug doch keine Nahrung, die tote Zunge ist nicht redekundig. Zwei Engel Gottes schauten das Beginnen, verspäteten im Schaun zu Gott die Heimkehr und kamen spät zu Gott nach heim zum Nachtmahl. Und Gott befragte seine beiden Diener: — Was habt Ihr euch, o Diener, so verspätet? — Im Schauen eines Wunderdings verspätet, im Schaun versunken auf der schwarzen Erde. Zwei Schwestern wohl, die hatten keinen Bruder, da bauten sie sich selber einen Bruder aus Pfriemenweide und aus weisser Seide und sein lebendig Herz aus Buchsbaummarke; sein Haupt gebaut aus einem goldnen Apfel, der schwarze Haarzopf eine Seidenquaste, die Augenbrauen Egeln aus dem Meere, die Augenwimpern einer Schwalbe Flügel, die beiden Wangen aus Papier zwei Bögen die kleinen Zähne sind aus Perlenreihen, die beiden Hände je ein golden Rütchen, die beiden Beine je ein Silberbarren; Sie warten auf mit Speisen und Getränken, die tote Zunge ist nicht redekundig, der tote Mund vertrug auch keine Nahrung. Da sprach Herr Gott zu seinen beiden Dienern: O hört Ihr wohl, Ihr meine beiden Diener (die beiden Diener, beide Engel Gottes), so lasst euch nieder auf die schwarze Erde, behauchet ihn mit wahrem Lebenodem, er sei von euch begabt mit schönem Namen, begabt ihn mit dem Namen Panteleimon. Das Brüderlein die Schwestern soll verheuren, verheuren soll er sie und dann besuchen, und vierzig Jahre soll sein Leben währen, dann wird zu Gott er seine Einkehr halten! Wer jünger ist darf nimmer widersprechen; sie senkten auf die schwarze Erd’ sich nieder, behauchten ihn mit neuem Lebenodem, sie wählten für ihn einen schönen Namen, sie wählten ihm den Namen Panteleimon. Darauf verheurte’s Brüderlein die Schwestern, verheurte sie und machte die Besuche. Sein Leben währte volle vierzig Jahre; dann ist er unbeweibt von hier verschieden und hat zum lieben Gotte sich begeben. Zeile 9 und 31: dva kein Druckfehler. 42 und 51: dukom, richtig. Mit welch tiefer Weihe diese Legende das Gemüt des Guslaren erfüllte, merkte ich aus nachfolgender »Würze« (začinka), welche er, ohne abzusetzen, an das Lied anschloss: spremi mene mati | u drvašca brati | pa me srete, mati | momče neženjeno; | pa me stade, mati, | po čelu pipati. | Ja esapljam, mati | dukat će mi dati | a kat stade, mati, | po grlu pipati | ja esapljam, mati, | gjerdan će mi dati; | jä, kat stade, mati | po njedrim pipati | ja esapljam, mati | joj mati, mati | po njedrim pipati, | ja esapljam mati, | jabuku će dati. | A kat stade, mati | po pasu pipati | ja esapljam, mati | čemer će mi dati; | a kat stade, mati | noge podizati | ja esapljam, mati | čizme će mi dati; | a kat stade, mati | na bat nabijati, | ja esapljam, mati | voda će mi stati. | Ope moga’, mati | grôtom nasmijati. Die Verdeutschung dazu gab ich in der Schrift: Die Zeugung in Sitte, Brauch und Glauben der Südslaven, Paris 1899, S. 258. Zur Legende steht die Würze in einem schroffen Gegensatze. Übrigens ist sie sowohl inhaltlich als auch ihres eigenartigen, in den südslavischen Volkliedern fast vereinzelt vorkommenden Reimes wegen, eine der artigsten und auch anständigsten Würzen, welche ich zu hören bekommen. Der Guslar ist ein Altgläubiger namens Mićo Kosović, welcher aus Gacko im Herzögischen vor etwa 20 Jahren nach Ročević an der Drina in Bosnien eingewandert ist. Echte und unechte Vilenkinder. Mit feinsinnigem, dichterischem Gefühl und Empfinden, aber auch mit gründlichem, gelehrtem Verständnis zeichnet Höfler Blüte, Verfall und zeitweiliges Aufleben und Fortleben deutscher Waldgeistersippe im Bajuwarenlande [199]. Der geschilderte Vorgang ist zwar nichts weniger als deutsch eigentümlich; er spielte sich ja überall ab, wo noch Christentum oder Islam, Kongfutse’s Erfahrungweisheit oder Buddhas Weltanschauungen mit, oder neben, oder durcheinander auf ältere Kult- und Glaubenschichten die alleinseligmachende Heillehren hinverpflanzten. Das Alte ward häufig bis in den Boden hinein zertreten, doch die Wurzeln schlugen wieder kräftige Reisschösslinge aus und die verwuchsen oft mit dem neuen, öffentlich gepflegten und geschützten Setzlingen und überwucherten sie zuweilen, so dass mitunter erst das sorgfältig prüfende Forscherauge was alt, was neu, zu scheiden vermag. Aus vormonotheistischer Glaubenzeit behaupteten sich in Europa die Wald- und Feldkulte und deren Geisterwelt vielleicht am stärksten. Der geheimnisvolle Zauber des wilden, so des traumverloren stillen als des stürmisch rauschenden Waldes und des weiten, wogenden Fruchtgefildes, die so wundersame Sprache des Windes und der Wolken übten ihre überwältigende Macht trotz himmelragender Kirchen, Moscheen und düsterer Felsentempel noch ständig auf das nach Lösungen der Lebenrätsel sich bange sehnende Gemüt der Völker aus. Meist sind sie gut und liebtraut die Geister des Waldes zur Menschenblüte, die sich ihnen vertrauenvoll naht. Sie scheuen nicht einmal, Minne mit dem Menschenkinde zu pflegen; sie sind die unerfahrenen, die arglosen, und der Mensch, der aberwitzig viel weiss, verscheucht und verfolgt sie mit grimmiger Wut. Die tapfersten und die reichsten, die weisesten und die Wasserköpfe führten einst in verschollener Vergangenheit ihren Ursprung auf Vermischung ihres Stammvaters oder ihrer Stammutter mit Wald- und Wolkengeistern zurück. Kinder solcher freien Liebe vollbrachten Wundertaten, von denen manche Sage nachklang, und die Spätgeborenen berühmten sich ihrer [200]. Eitelkeit und Stolz hielten nicht Stand dem Ansturm der neuen Religionen und dem himmelhaschenden Verfolgungeifer ihrer Anhänger. Entsagte einer nicht willig der alten Überzeugung, so zerschnitt gar sein Nächster mit blutigem Schwert das Liebeband, und heil dem Manne, dessen Leib verschont noch blieb und nicht auch mit ins Verderben geriet. Beg Jovo unseres ersten Liedes ist so ein Glückkind. Von einigen seiner schwedischen Glaubenbrüder berichten Gerichtakten traurigere Abwicklungen. »So fest haftete der Glaube an Liebschaften von Menschen mit Waldfrauen, dass z. B. am 22.–23. Dezember 1691 vom Häradgericht ein zweiundzwanzigjähriger Bursch aus dem Markhärad zum Tode verurteilt wurde wegen unerlaubter Vermischung mit einem Skogs- oder Bergsrå. Und noch am 5. August 1701 wurde Volontär Måns Malm angeklagt und vor Gericht gezogen, weil er sollte mit einem Skoǔgrå zu tun haben [201].« Eine verwandte, halbverklungene Mär, wobei der alte Glaube zu Fall kommt, erzählt unser Lied. Eine Vila büsst samt ihrem Wunderkindlein das Leben ein, und sie war nur unwissend eines Ehemannes getreue Buhlin. Ihr böser Schwager schafft sie tückisch aus der Welt, um den Bruder aus unheimlicher Gewalt zu erretten, wie er glaubte. Ehemals waren Vilen dem Volke vielleicht vorwiegend lautere Urbilder von Frauenschönheit und Frauenlieblichkeit; und wie man bei ausserordentlichen Anlässen im Leben, bei Hochzeiten und Sterbefällen seine teuersten Angehörigen und Freunde mit den Kosenamen Sonne, Mond, Morgenstern und Frührot bedenkt, [202] so hiess man in freudig gehobener Stimmung anmutige, gütige, reizvolle und edelhilfbereite Frauen Vilen. Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine dichterische Steigerung der sonst im Verkehr üblichen Zärtlichkeitanrufungen Brüderlein, Öhmchen, (baja, brate, ujo, dajo, amidža) und Schwesterlein, Söhnerin, Tantchen (seko, sejo, snaho, teto), mit denen man Leute beehrt, die einem in Wahrheit auch nicht im entferntesten verwandtschaftlich nahe stehen. Dieser schöne, den Südslaven, wie den Lithauern vollkommen gemeinsame Sprachgebrauch, den Romantiker unter den Mythenauslegern, gleichsam wie Traumdeuter, ganz und gar missverstanden, erhielt sich vorzüglich noch rein in der Sprache des Dichters, oder vielmehr in Liedern die sich von Geschlecht zu Geschlecht vererbt und behauptet haben. Sonst aber ist in der gewöhnlichen Alltagrede des verchristlichten und verislamten Volkes Vila zu einem garstigen Schimpfworte herabgesetzt worden. Das zweite und das dritte Lied bewahren eben nur die Redeweise der entschwindenden Glaubenzeit, sonst sind sie gar nicht mythisch. Sie vermelden nämlich bloss einfache Neckgespräche aus dem Frauenleben des Volkes. Das zweite nur halb und halb; denn der Vorwurf von den schweren Aufgaben, deren Erfüllung einer Braut obliegt, ist ein Gemeingut europäisch-asiatischer Sagenwelt, kann aber bei seiner Schlichtheit auch ursprünglich slavisch sein; dagegen ist das dritte Lied auf serbischem Boden, im serbischen Volktum, gleich dem ersten erstanden und für uns Abendländer erst bei näherer Kenntnis der gesellschaftlichen Lage der südslavischen Frau klar verständlich. Ein jungverheiratetes Weib ist im Begriffe bald nach der Flitter-Woche nach Brauch den ersten Besuch in ihrem Elternheime in einem entfernten Dorfe abzustatten [203]. Sie will eine junge, ledige Freundin, — sie schmeicheln einander mit den Koseworten Vila und Schwester — mitnehmen, wenn sie sich ganz ihr anvertrauen mag, hier, wie es sich zeigt, in ihre Mundschaft begeben. In der verschleiert bedingten Einwilligung der Vila-Jungfrau klingt launig das Zwiegespräch aus. Die drei Lieder reihe ich absichtlich aneinander, um ein Beispiel zu geben von einem echt mythischen Stoff und von zwei anderen, die man nach einer, leider noch lange nicht überwundenen Deutungkunst als ausserordentlich mythologisch interessant auslegen kann [204]. Man soll hieraus den Unterschied zwischen echten und unechten Vilenkindern erkennen lernen. I. Pošetala Jovanbegovica po bostanu po svojemu cvjeću, ot cvijeta do cvijeta sama pa dolazi kaloperu cvjetu; kaloperu tiko progovara: — Kaloperu jalovo cvijeće nit se siješ nit se presagjuješ, baš ko i ja nevjestica mlada nit se ljubim nit evlada imam! Evo danas devet godinica, kako sam ja za beg Jovu pošla, još ja ne znam gje beg Jovo spava, gje li spava gje l se raspasiva. Danjom ide u lov u planinu a s večeri s konjma na livadu. Ona misli, niko je ne čuje, al to sluša njen mijo djevere, mijo djever Joso čelebija, pa svom bratu tijo progovara: — A Boga ti, moj brate Jovane, ja ću ići s konjma na livadu, ti ostani kod bijela dvora! To je Jovo brata poslušao. Ode Joso s konjma na livadu, osta Jovo u bijelu dvoru. Kad je bilo večer po akšamu razasja se zelena livada. Al eto ti nagorkinje vile. Ona nosi čedo pot kriocem pa ga meće Josi na sadžadu. Ovako je čedu govorila: — Eto tebi tvoga mila babe! Kat to začu Joso čelebija, skočijo ga od zemlje na noge pa poteže nože okovane i posječe nagorkinju vilu. A uzima čedo prenejačko pa ga baca nebu pod oblake, na gole ga nože dočekuje; isiječe čedo prenejačko. Pa on ode svom bijelom dvoru pa govori svojoj nevjestici: — Čuješ mene, moja nevjestice, posjeko sam tvoga dušmanina! Kat do začu Jovo čelebija udari se rukom po koljenu: — Jaoj meni do Boga miloga! pogubi mi moju ljubovnicu i mojega sina prenejačka zlatni ruku i zlatnog perčina! II. Vila ženi svog sina jedina baš latinkom lijepom gjevojkom; poručuje nagorkinja vila: — Snako moja, latinko gjevojko, meti dvore, da praka nejmade, loži vatru, da dima nejmade, nosi vodu, da trunja nejmade, jer ja nejmam sina nek jednoga. Nemoj ludo izgubiti glavu! Vrlo mudra latinka gjevojka, poručuje nagorkinji vili: — Svekrvice, nagorkinjo vilo, pošalji mi pero paunovo, meśću dvore, praka biti ne će; pošalji mi drvo šimširovo, šimšir drvo dima ne imade; pošalji mi od zlata maštraphu, kad donesem studene vodice, u maštraphi trunja ne imade! III. Vila vilu sa planine zvala, jasno zvala, dok seku uzvala i ovako njojzi govorila: — Janjo seko, kaćeš u rod majci? Janja vila seki odgovara: — Vilo seko, dok se u rod spremim, u subotu, koja prva dogje; kad opremim gospocke darove: miloj majci šećer gurabiju, milu babi zlatnu kupu vina, milu bratu pozlaćena krila, miloj snaki dva zlatna prstena, miloj seki od zlata jabuku! Progovara sa planine vila: — Janjo seko, kat ti u rod pogješ, kad naljezeš ispod dvora moga, uvrati se mom bijelom dvoru! — Seko vilo, kat ti s u dvor svratim, velik ću ti zulum učiniti, tražiću ti, što u dvoru nejmaš, rujna vina ot sedam godina i rakije triput prepicane, sata meda prije Gjurgjevdana i janjeta prije pramaljeća! Odgovara sa planine vila: — Seko Janjo, u dvor mi se svrati, toga svega u dvoru imadem! Vila vilu dragom voljom zvala a Janja joj draže govorila: — Vilo seko, oćeš sa mnom poći? Ako oćeš sa mnom u rod poći, svratiću se tvom bijelom dvoru! Seko vilo, ako sa mnom pogješ, kat te vidi moja mila majka, u mene će tebe zaprositi, oću li te majci pokloniti! Progovara sa planine vila: — Janjo seko, ne daj mene majci! — Seko vilo, kat ti sa mnom pogješ kat te vidi moj milostan babo u mene će tebe zaprositi, oću li te babi pokloniti? Progovara sa planine vila: — Seko Janjo, ne daj mene babi! — Seko vilo, kat ti sa mnom pogješ, kat te vidi moja mila seka, u mene će tebe zaprositi, oću li te seki pokloniti? — Seko Janjo, ne daj mene seki! — Seko vilo, kat te moj brat vidi, u mene će tebe zaprositi, oću li te bratu pokloniti! — Seko Janjo, pokloni me bratu! I. Lustwandeln war des Jovo Edelfraue im Garten wohl in ihrer Blumen Reihn von einer Blum’ zur andern Blum’ allein und kam zujüngst zum Frauenblatt, der Blume; zum Frauenblatt sie sprach mit leisem Laut: —O Frauenblatt, du blütelose Blum’, man sät dich nicht, man setzt dich auch nicht um, dein Los dem meinem gleicht, der jungen Fraue, mich flieht so Minnesold wie Nachwuchs hold! Neun traute Jahre heute sind verflogen, seit ich ins Heim Beg Jovo’s eingezogen, noch weiss ich nicht, wo Jovobeg zu nachten, geruht zu nachten, wo den Gurt zu lösen. Bei Tag er weilt zur Pürsch im Waldgebirge, am Abend mit den Rossen auf der Aue! Der Klage lausche keiner, wähnt die Fraue doch lost ihr zu ihr Brautmann liebetraut, ihr Brautmann liebetraut, Herr Junker Joso; und der zum Bruder spricht mit leisem Laut: — So Gott dir helfen mag, mein Bruder Jovo, ich möchte mit den Rossen auf die Aue, du bleib daheim beim weissen Burggehöfte! Dem Bruderwunsch folgt Jovo unverdrossen, und Joso ritt zur Aue mit den Rossen, verblieb im weissen Burggehöfte Jovo. Nach dem Akšām es war; im Abendwallen war auf die Au, die grüne, Glast gefallen. Ei sieh! da naht die Vila von dem Hochwald. Sie birgt ein Kindlein unter ihrem Flüglein und legt’s zu Joso auf den Schlummerteppich. Zum Kindlein sprach die Vila solche Worte: — Nun bist du da bei deinem liebsten Vater! Sobald als dies vernahm der Junker Joso, aufspringt er auf die Beine auf vom Boden und zückt im Nu den stahlgetriebnen Langdolch, vom Hochwald haut die Vila er zu Stücken. Dann langt er nach dem Kind, dem zarten Säugling und schleudert’s himmelwärts in Wolkenhöhn, mit blanken Dolchen fangt er ’s wieder auf, zu Stücken haut er ’s Kind, den zarten Säugling. Drauf kehrt er heim zu seinem weiss Gehöfte und spricht zu seines Bruders trauter Frauen: — O horch einmal, du meine traute Schwägerin, Zu Stücken hab’ ich deinen Feind gehauen! Als Junker Jovo diese Mär verstand, schlug auf sein Knie er sich mit flacher Hand: — Weh mir bis vor des lieben Gottes Thron! Mein Feinslieb hast du mir da umgebracht und, ach! den zarten Säugling, meinen Sohn, mit güldener Hand und güldenem Zopf bedacht! II. Die Vila ihren einzigen Sohn verehlicht mit einer holden Maid just aus Italien; entbot die Hochwaldvila ihr die Botschaft: — O Söhnrin mein, lateinisch Magedein! feg das Gehöft, doch sei kein Staub vorhanden, fach Feuer an, doch sei kein Qualm vorhanden, schaff Wasser heim, darin kein Satz vorhanden; weil keinen Sohn ich hab’ als nur den einen! Nun bring dich unbesonnen nicht um’s Haupt! Gar klug wohl war ’s lateinisch Magedein, und sie entbot der Hochwaldvila Botschaft: — O Schwiegermütterlein, vom Hochwald Vila! Geh, schick vom Pfau mir einen Federwedel, ich feg ’s Gehöft, kein Staub wird sein vorhanden; zum Feuern Holz mir schick vom Buchsbaum zu, loht Buchsbaumholz, so ist kein Qualm vorhanden; und schick in Gold mir einen Humpen zu; schaff dann ich heim ein Wässerlein, ein kaltes, im Humpen ist kein Bodensatz vorhanden! III. Die Vila rief vom Hochwald an die Vila, rief hell, bis sie das Schwesterlein errief, und zu ihr sprach sie Worte solcher Weise: — Wann, Schwester Janja, wallest du zur Mutter? Dem Schwesterlein erwidert Vila Janja: — O Vila Schwesterlein, sobald ich fertig, am Samstag, so zu allernächst uns naht; sobald mit Gaben herrschaftlich ich fertig: der Mutter lieb ein Zuckertortelettchen, dem Vater lieb ’nen goldenen Weinpokal, dem Bruder lieb mit Gold belegte Flügel, der Schwägrin lieb zwei goldene Fingerringe, fürs liebe Schwesterlein aus Gold ’nen Apfel. Antwortet ihr vom Hochwald aus die Vila: — Wallst zu Besuch zur Sippe, Schwester Janja, und kommst du unter mein Gehöfte nahe, so halt auch Einkehr in mein weiss Gehöfte! — O Schwester Vila, komm’ ich ins Gehöft dir, Untat gewaltig ich bei dir verübe, ich heisch’, im Hofe was dir nicht vorhanden, wohl einen Schillerwein von sieben Jahren und Branntewein, der dreimal überbrannt, dann Honigscheiben vor dem Géorgtage und Lämmchenfleisch vor Lenzes Anbeginn! Darauf zu ihr vom Hochwald aus die Vila: — Kehr ein mir, Schwester Janja, ins Gehöfte, dies alles ist mir im Gehöft vorhanden! Die Vila lud vom Herzen gern die Vila und Janja ihr noch herzlicher beschied: — O Vila Schwester, willst du mit mir wallen? So auf Besuch du mit mir willst zur Sippe, so halt ich Einkehr in dein weiss Gehöfte. Falls, Vila Schwesterlein, du mit mir wallst, und dich erschaut mein Mütterlein liebtraut, anhalten wird um deine Hand sie bei mir, soll ich dich weihn zum Angebind der Mutter? Entgegnet ihr vom Hochwald aus die Vila: — O Schwester Janja, weih mich nicht der Mutter! — O Schwester Vila, falls du mit mir wallst und dich erschaut mein Vater liebereich, anhalten wird um deine Hand er bei mir, soll ich dich weihn zum Angebind dem Vater? Zu Antwort ihr vom Hochwald aus die Vila: — O Schwester Janja, weih mich nicht dem Vater! — O Schwester Vila, falls du mit mir wallst und dich erschaut mein Schwesterlein liebtraut, anhalten wird um deine Hand sie bei mir, soll ich dich weihn zum Angebind der Schwester? — O Schwester Janja, weih mich nicht der Schwester! — Falls dich erschaut mein Bruder, Schwester Vila, anhalten wird um deine Hand er bei mir, soll ich dich weihn zum Angebind dem Bruder? — O Schwester Janja, weihe mich dem Bruder! Die drei Lieder zeichnete ich von einem bettelnden Guslaren zu Mačkovac auf nebst mehreren ausführlichen Legenden und Stücken, die von der Befreiung Serbiens unter Kara Gjorje handeln. Längere Lieder trägt er bei grösseren Volkansammlungen, kurze nur auf Dörfern vor Einzelgehöften schnorrend vor, wenn er nicht gewillt ist, seinen Aufenthalt auszudehnen. Das erste, die Schauermär, dient ihm gewissermassen zur Einleitung und die andern als Draufgabe, falls ihn das erzielte Geschenk launig stimmt. Die eigentlichen, herzerweichenden Jammer- und Bettellieder sind nicht sein Fach. Der Mann ist unverkrüppelt, gesund und wäre arbeitkräftig bei seinen fünfzig oder sechzig Jahren; er ist bloss heimlos, unstätt, arbeitscheu und dem Suff ergeben. Seiner Konfession nach nennt er sich einen altgläubigen Christen. Da er viel im Lande herumkam, lernte er auch viele schöne Lieder auswendig. Ihm ist poetisches Nachempfinden zu eigen. Seine ständige Melodie ist ungeziert, gemessen, sein Vortrag ohne Übertreibungen. Unser erstes Lied übernahm er von einem Moslim. Vermutlich war aber der ursprüngliche Guslar-Dichter ein Christ. Die Namen Jovo (Johannes) und Joso (Josef) hätte kein Moslim eingesetzt. Der moslimische Sänger vermoslimte das Lied einfach und einfältig durch Erhebung der Brüder zu Begen, der Frau zu einer Begin und Einschaltung der türkischen Zeitbestimmung. Die anderen zwei Lieder sind gewiss auch alt und von Christen gedichtet. Den Namen des Guslaren will ich verschweigen. Er ist ein Schmutzfink sondergleichen, habsüchtig und frech. Vielleicht leidet er an moral insanity. Er verbreitete um sich einen die Nerven aufreizenden Dunst und Geruch, dass mich davon Üblichkeiten befielen, obgleich ich — es war am Tag der hl. Drei Könige 1885 — die Niederschrift unter freiem Himmel vornahm und mir den Gesellen zwei Schritt vom Leib hielt. Ich hatte ihn reichlich bewirten lassen und ihm für seinen Zeitverlust einen Papiergulden geschenkt. Mit dieser Gabe war er höchlich unzufrieden und er schmählte lästerlich. Ich ging in die Küche, er folgte schimpfend hinterdrein nach. Die Schaffnerin, eine stattliche, noch jugendliche Bäuerin, wies ihn zurecht. Er schleuderte ihr einen ehrenrührigen Anwurf zu, sie ihm flugs an den Kopf den Glutschürer. Im Nu war das gesamte Hausgesinde zur Stelle, und sie jagten ihn nicht bloss zum Gehöfte hinaus, sondern auch unter Scheltworten und Stockhieben über die Grenze des Grundbesitzes. Des Sängers Fluch rührte mich nicht; denn hundert Kreuzer, wie hier in zwei Stunden, ficht er sonst nicht in einer ganzen Woche zusammen. Meine Auslagen für mich, meinen Milovan und unsere bejahrten Klepper waren genug gross, um mich von verschwendischer Unterstützung des fuselgierigen Lasters abzuhalten. Späterhin liess ich mich mit keinem Bettelmann mehr ein. Das sind in jeder Beziehung die allerletzten unter den Bewahrern der Überlieferung im Bosnalande. Die Wortformen tiko, praka, snaka f. tiho, praha, snaha sind keine Druckfehler in den Texten. Variante zu I. bei Bogoljub Petranović, Srpske nar. pj. iz Bosne. knj. I. Sarajevo 1867. Nr. 19. — Zu II. ebenda, Nr. 16 und zu III. Nr. 18. Es liegt die Vermutung nahe, dass auch ihm ein Sänger alle drei Stücke bei einer und derselben Gelegenheit vorgetragen. Die Übereinstimmung meiner Niederschriften mit den seinigen bei belanglosen Abweichungen beweist, dass er dazumal noch nicht die Unterstellung eigener Erzeugnisse für Volklieder und die Überarbeitung von Liedern gewerbmässig betrieben hat. Von einer bescheidenen Anzahl der dargebotenen Texte schon dieser Sammlung ist er gewiss der alleinige Urheber. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Petranović die Lieder von demselben Wanderbettler, wie ich empfangen. Er gibt seine Sänger bei den Liedertexten nicht an; die Neugierde bewog mich aber, während ich diese Zeilen schrieb, sein Vorwort wieder nachzulesen, und siehe da, auf S. V. u. VI. steht der volle Name unseres gemeinsamen Bekannten als eines seiner Gewährmänner gedruckt zu lesen! Er nennt ihn einen Sänger von seltener Begabung und Gedächtniskraft! pjevač rijetkog dara i pamtenja. Zum ekelhaften Trunkenbold und Ohnerast ist der gute Freund wahrscheinlich gerade durch seine Begabung geworden, die ihm freien Zutritt in jede lustige Gesellschaft eröffnete, wo man ihn zuviel mit geistigen Getränken begabte. Die längeren, rein epischen Lieder des Fiedlers, die ich noch vorgemerkt, fehlen bei Petranović. P.’s Sammlung, von der mein Handexemplar das einzige in deutschen Landen sein dürfte, war nicht im Buchhandel erschienen, sondern auf dem im Süden üblichen Schnorrwege, d. h. bei mitleidigen Subskribenten, angebracht worden. Sie gehört seit Jahren zu den grössten bibliographischen Seltenheiten. Irgend eine Spur in der Wissenschaft der Volkkunde hat sie nicht hinterlassen. P. hatte und wusste nichts zu den aufgefundenen Liedern zu sagen. Ihm waren sie bloss ein nationaler Unterhaltungstoff. Meine Erklärungen und Übersetzungen müssen der Wiedergabe meiner Niederschrift der Texte zur Entschuldigung dienen, wofern es einer solchen bedarf. I. V. 6. Frauenblatt, balsamica vulgaris, ein fruchtbares Unkraut, das den Garten gern überwuchert. Man liebt es deswegen nicht, trotz seines starken und nicht unangenehmen Geruches. Der Vergleich mit dem Frauenlos stimmt nicht gut. V. 29. Wie ein Vogel sein Junges unter dem Flügel schirmt. V. 30. na sadžadu. türk. serdž, Pferdesattel, Pferdedecke, sarradž, Sattler. Als Lehnwort im serbischen in der Bedeutung »Teppich« auch in der Wortform sedžada, serdžada, segjija (?) Im Liede: Pod Mostarom zelena ta jabuka pod jabukom šarena ta sedžada, na sedžadi Šahin Melva gospogja. Unter Mostar steht der grüne Apfelbaum, Unterm Apfelbaum der bunte Teppich ruht, Auf dem Teppich Falkin Melva Edelfrau. Ein armer Rosshirt hüllt sich nachts auf der Wiese in einen groben Kotzen ein, wenn er einen hat, oder legt sich zur Ruhe ins weiche Gras hin. Ein Beg nimmt sich wohl einen Teppich mit, meinetwegen einen persischen um 100 Dukaten. Er benötigt ihn ja auch zu den Gebetverrichtungen. Die Vila erscheint und bettet ihren Sprössling auf den Teppich. Das ist auch einem Mindergebildeten verständlich, war es aber offenbar Petranović weniger; denn, sei es, dass ihn das Fremdwort störte oder dass ihm ein Teppich als Ruhelager für einen rossebewachenden Beg zu gemein bedeuchte, er setzte für na sadžadu kaltblütig u ložnicu (in das Schlafgemach) ein (S. 18 a. a. O.)! Ložnica ist ein ganz schönes und allgemein gültiges serbisches Wort, das auch der Dichtung eigen ist, z. B. Komar muhu zaprosio, svedoše se u ložnicu u tikvicu na policu, der Gelserich hatte die Fliege gefreit, man führte sie ein ins Schlafgemach, ins Kürbisfläschlein hin aufs Schränklein, oder, es klagt ein einseitig glücklich Liebender: kad ja idem u ložnicu spavati, čini mi se ta ložnica tavnica, wann ich schlafen gehe in das Schlafgemach, scheint das Schlafgemach zu sein ein Kerker mir! Vuletíć sagt in seiner Beschreibung des bosnischen Heimes: Odar je namješten u ćošku kolibe, gdje je i ložnica (Die Bettstatt ist im Hüttenwinkel angebracht, wo auch die Schlafstube ist). Aus diesen Beispielen geht klar hervor, dass die Schlimmbesserung P.’s an unserer Stelle durchsichtig ist. An wie vielen anderen mag derlei gar nicht nachweisbar sein? Das wäre übrigens der geringste Vorwurf, den man gegen P. und die Mehrheit seiner folkloristelnden Kompatrioten erheben kann. V. 32. Das Kind sehnte sich tagüber nach dem Vater und gab der Mutter keine Ruhe. Endlich nachts konnte sie seinen Willen erfüllen: »Da hast ihn und gib Ruh’ einmal!« V. 39. noži, die Messer, Mehrzahl zur Bezeichnung eines zwei- oder dreischneidigen Dolchmessers. Dolch heisst in der serb. und chrowot. Schriftsprache ungenau bodež, denn das ist ein Stilet. V. 46. Zum Zeichen seines tiefen Seelenschmerzes, wie man sich bei uns in gleicher Lage mit flachen Händen nach den Schläfen greift. V. 50. Gewöhnlich sind Waldgeisterkinder hässliche Wechselbälge; aber auch Jovo’s Söhnlein weicht, wenngleich köstlich, im Aussehen von Menschenkindern ab. II. Eine Parallele dazu (in Gerhard’s Umdichtung) bei Krauss, Sitte u. Brauch S. 153 f. V. 2. Für die Annahme einer Wandersage spricht auch der Umstand, dass sich die Szene auf unbestimmtem Gebiete abspielt. Latinka, eine Lateinerin, bezeichnet sowohl eine römisch-katholische Christin als auch eine Italienerin. Den Sohn mit einer Katholikin zu verheiraten, wäre nichts besonders und nichts unerhörtes, wäre gar nicht erwähnenswert. Aber, die Vila vergönnt sich eine vornehme Schwiegertochter, eine gebildete, in allen weiblichen Fertigkeiten wohlbewanderte, schmucke Italienerin. Das Bräutchen ist klug und witzig, und das Lied wird zum Lob- und Preislied für die Italienerin. V. 13. pero paunovo eine Pfauenfeder statt perušku (einen Flederwisch), poetisch pars pro toto. Im deutschen erschien mir die Diktion zu geziert und ich sah darum von ihrer Wiedergabe ab. — Das Haus zu säubern, das Feuer im Herdloch ständig zu unterhalten, Wasser herbeizuschleppen, Mehl zu sieben (nicht das Brot zu backen) ist fast die ausschliessliche Aufgabe einer jungen Bäuerin im ersten Jahre ihrer Ehe. III. V. 1. Das Mädchen (Vila Nr. 1) wohnt oben am Berge, die junge Frau (Vila Nr. 2) unten im Tale. Neckische, poetische Zwiegespräche auf grössere Entfernungen über Berg und Tal bekommt man auf Reisen zu Sommerzeit häufig zu hören. V. 7 ff. Die Hochzeit fand wohl nach Brauch an einem Sonntag statt. Das Mädchen frägt wegen des Besuches am Montag oder Dienstag an und die junge Frau erwidert, sie gedenke schon am ersten Samstag den Besuch zu machen, also am Schluss der ersten Honigwoche, statt nach 14 Tagen oder einem Monat. Über Sonntag bleibt sie bei der Mutter. V. 9. Gurabije, türk. kurabije, ein süsses Gebäck, das der Zubereitungweise und äusseren Gestalt nach den Linzer Torteletten beizuzählen ist (vrgl. über diese: Die Kochkunst. Kochbuch der »Wiener Mode«. Vollständige Sammlung von Kochrezepten. Lehrbuch des Kochens und Anrichtens usw. Wien 1896. S. 655–657). Zbornik za nar. živ. i ob. j. Sl., Zagreb 1896, S. 110 identifiziert die K. mit gjulfatma, nur wäre die Form rundlich kleiner, gjulfatma aber sei ein mit Rindschmalz und gestossenem Zucker angekneteter, mit Streifen verzierter Teig, den man bäckt und hernach wieder mit Zucker bestreut. Milovan Šapčanin (zitiert im Rječnik hrv. ili srp. jez., Zagr. 1887, s. v., S. 503) gibt für Serbien ein sehr einfaches Rezept an: »Ich treibe Mehl gut mit Fett und Honig ab, und die Geschichte ist fertig. Später runde ich nur noch jedes Stück ab und drücke meinen Daumen hinein.« Jede serbische und türkische Mehlspeisköchin müsste den Herren ins Gesicht lachen für diese oberflächlichen Angaben. Derlei Küchlein heisst man ja šećerni oder medni kolačići (Zucker- oder Honigküchlein) und rechnet sie zur Gruppe der suvi kolači (trockene Rundgebäcke), Kurabijen dagegen sind ein »mürb’s G’bachts« (sipljavi [205] kolači), müssen ceteris paribus mit Eierdotter und gestossenen Mandeln oder Nüssen angeknetet und dürfen nicht über starkem Feuer gebacken, sondern bloss in mässiger Hitze halb getrocknet werden. Der Volkdichter weiss sogar von Kurabijen, die an der Sonne gebacken sind (gurabije na suncu pečene) zu singen. Legt man in die Vertiefung der kreisrunden Kurabijen etwas eingesottenes Obst (türk. pekmez) ein, so heissen sie schon pekmesetići. Qui bene distinguit, bene coquit. V. 11. Der Bruder ist noch ledig. Ihm steht eine solche Zier allweil gut an, wenn er als Brautführer (Brautmann) einmal eine Hochzeit mitmacht. Flügel trug man entweder an der Rüstung, und zwar an den Rückenstücken befestigt oder am Helme (vrgl. die polnische Pickelhaube mit Flügeln aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts im Museum zu Carskoe Selo. Eine Abbildung in Pierers Konvers.-Lexikon, XII. Aufl., s. v. »Rüstung«, Bild 6, der Tafel). V. 13. Der Apfel als Sinnbild der herzlichen Liebe. V. 21. Bei uns ist ein siebenjähriger Wein nicht gar so selten, doch beim serbischen Bauer, denn bei ihm hält sich der Wein nicht lange. V. 22. Mit seinem irdenen Kesselgeschirr und dem kurzen Kühlrohr bei zweckwidriger Behandlung der Maische und sinnloser Heizung erzeugt der Bauer durch den ersten Sud eine 4–6grädige Spühlichtware, die er selber verächtlich hrampač [206] nennt. Dann überbrennt er sie zu 11–12 Graden, und das dritte Überbrennen ergibt eine Šljivovica von 17–18 Graden, die aber gewöhnlich brandelt und beim Trinker sehr wirksam, das vielbeneidete, grunzende Rülpsen, das Zeichen des Wohlbehagens, verursacht. Ein Heldengemetzel. Unter den von Guslaren vorgetragenen Volkliedern, ist die Zahl derjenigen Lieder, die einen mythischen Hintergrund haben, oder in die Gestalten und Gebilde des Volkglaubens hineinragen, verhältnismässig sehr bescheiden, wenn man vom Standpunkte nüchterner Volkforschung die Erzählungen so nimmt, wie sie vom Volke selber verstanden und aufgefasst werden und sich scheut, mythologischen Krimskrams der durchsichtig einfachen Volkanschauung künstlich zu unterschieben. Der seinem Grundzuge nach aufs Gemüt beängstigend wirkende Volkglaube der Südslaven mochte die Guslaren abhalten, ihn darzustellen. Eine kleine Ausnahme machten sie wohl mit den Vilen, den Holz- und Moosfräulein. Die Vilen gehören zur grossen Sippe der Baumseelen und Waldgeister, die international sind [207]. In den Guslarenliedern ist den Vilen nur eine untergeordnete Rolle zugeteilt. Sie erscheinen meistens als dii ex machina, um ihren Lieblingen zu helfen, sei es durch Rat oder Tat. Als Waldgeister hausen sie nicht bloss in Bäumen, sondern auch in Felsen und Wolken. Sie sind gute Schützen und ihre Pfeile (Sonnenstiche) wirken tödlich, aber sie vermögen auch als Ärztinnen die Getöteten wieder zum Leben zu erwecken. Fällt man einen Baum, so tötet man eine Vila, die im Baume haust. Die vom Baum losgelöste Vila ist aber auch sterblich. Ein kühner Held kann ihr das Leben nehmen. Dies ist älterer ursprünglicherer Glaube, wie er noch als Überlebsel in Guslarenliedern vorkommt. Nachfolgendes Lied ist aus zwei Teilen lose zusammengestellt. Die Einleitungzeilen 1–23 stehen in keinem inneren sachlichen Zusammenhange mit der eigentlichen Erzählung, sind aber keineswegs überflüssig. Ein abendländischer Epiker hätte das Bild einer grossartigen Hochgebirglandschaft entworfen, um den Hintergrund für die Begebenheit zu schaffen. Der Guslar erzielt den gleichen Erfolg bei seinen bäuerlichen Zuhörern durch Erwähnung der Vilen, denen er glücklich eine kurze Charakteristik der auftretenden Helden in den Mund legt. Die Fabel behandelt einen Kampf um nichts, ein furchtbares Gemetzel um einige Tropfen verschütteten Weines. So ist der Südslave seit jeher gewesen und so zeigen sich auch die slavischen Balkanstaaten in der Gegenwart. Die Politiker nennen den Balkan den Wetterwinkel Europas. Man hat von dort manche politische Überraschung erlebt, für die man sich keine Erklärung zu geben weiss. Man höre den Guslaren und seine Lieder, dann wird man auch den Südslaven verstehen. Vile znadu za junački pokolj. Vila vile iz planine viče: — Der porani rano sestro vilo, nek s u jutra trepiš kod jezera. Jer su dvije omrknule guje; sutra će se dvije poklat guje. Da vidimo sestro moja draga a koja će nadaklati guja. Jedna guja ot Senja Ivane a druga je ot krajine Mujo; u svakoga po tridest drugovâ. Jedna guja Tanković Osmane a druga je Komjen bajraktare. Jedna guja Petar Mrkonjiću a druga je kovačina Ramo. Kada vila riječ oćutila. onda vila vili odgovara: — Sestro moja is planine vilo, kad je tude Komjen bajraktare ja se živa ni maknuti ne ću. Komjen vata po planini vile, žive davi po planini vile, obe bi nas sutra ujitio, obe bi nas Komjen udavio! Kad u jutro jutro osvanulo, sio Ivan, pije kod jezera, a eto ti na gjogatu Muje; za njim igje tridest krajišnikâ. U Ivana puna čaša bila. Mujo trže andžar ot pojasa pa mu djerka čašu u šakama. Na njeg Ivan oči izvalio: — Prolićeš mi čašu u šakama pa ć is tebe crnu prolit krfcu! Mujo proli čašu u šakama. Skoči Ivo, uzjaši dorata; potegoše tanke savitice, zamahnuo jedan na drugoga a nijedan ošinut ne smije. Kada vidje Komjen bajraktare, on poteže mača ledenika pa ošinu ot krajine Muju, osječe mu sa ramena glavu! Htjede njega Tanković Osmane, ne dade mu ot Senja Ivane. On ošinu Tanković Osmana, grdne mu je rane učinio; naže Osman bježat nis planinu. Htjede Ivu kovačina Ramo, ne dade mu Petar Mrkonjiću. Petar šinu kovačinu Ramu po po pasa gje ne dade glasa. Dvije pole u travu padoše! Sastadoše društvo obadvoje. Ko bi bližji izgubio glavu a tko dilji salamet ujiti pa pobiže kroz goru zelenu. Bjeganova ne plakala majka! Von Vilen, die ein Heldengemetzel ansagen. Es hallt der Vila Jauchzen aus den Alpen: — Mach früh am Morgen auf dich Schwester Vila und find dich ein am See am frühen Morgen. Zwei Nattern haben sich zu Nacht gelagert; zwei Nattern werden morgen sich zermartern; lass zu uns schaun, o meine liebste Schwester, wer von den zween zu Tod die andre martert! Die eine Natter heisst Johannes Zengger, die andere Natter Mustapha der Grenzer; ein jeder führt mit sich je dreissig Mannen. Held Osman Tanković die eine Natter, die andre Natter ist der Fähnrich Komjen; Held Peter Mrkonjić die eine Natter, die andre Natter ist der Grobschmied Ramo. Als dieses Wort erlauscht die andre Vila, so jauchzte sie zurück der Alpenvila: — O meine Schwester, Vila aus den Alpen! weilt mit den Kämpen dort auch Fähnrich Komjen, bekommt mich niemand in die Näh’ lebendig. Held Komjen pirscht im Hochgebirg auf Vilen, er würgt lebendige Vilen im Gebirge; er fing uns morgen früh ein alle beide, es tät uns beide Komjen gleich erwürgen! Am Morgen früh im frühen Morgengrauen am Wein sich labend sass am See Johannes, da naht schon Mustapha auf falbem Zelter und dreissig Grenzer bilden sein Geleite. Johannes hält ein volles Glas in Handen. Da zieht den Handžar Mustapha vom Gürtel und stichelt ihm das Glas in seinen Handen. Johannes blickt ihn an mit grimmigen Augen: — Du wirst den Trunk aus meiner Hand vergiessen, drauf werd’ ich dir dein schwarzes Blut vergiessen! Den Trunk vergoss ihm Mustapha aus Handen. Johannes sass im Sprung auf seinem Braunen. Sie zogen blank die dünnen, krummen Schwerter; es schwingt das Schwert der eine gen den andren, den Hieb zu führen, das getraut sich keiner. Als Fähnrich Komjen dieses Spiel gewahrte, so zog er seinen Venezianer-Säbel, gab einen Hieb dem Mustapha, dem Grenzer und schlug ihm ab das Haupt von seinen Schultern. Drum wollte Osman Tanković ihn töten; den Hieb parierte flugs Johannes Zengger, er liess das Schwert auf Osman niedersausen und schlug ihm grausig Wunden über Wunden. Da floh Held Osman eiligst Alpen abwärts. Nun wollte Ramo den Johannes töten, doch Mrkonjić parierte seinen Ausfall; er schwang das Schwert, er traf den Grobschmied Ramo inmitten auf den Gürtel; stumm und lautlos zwei Körperhälften in den Rasen sanken. Nun griffen beiderseitig ein die Mannen; wer näher stand, bezahlte’s mit dem Haupte, wer ferner stand, der fand in Flucht die Zuflucht, der floh davon durchs grüne Waldgebirge. Feldflucht erspart den Müttern Gram und Zähren! Zu V. 3. jutra für jutro. Dieses a ist auf die verschwommene Aussprechweise des Guslaren zurückzuführen. Zu V. 8 ff. Johannes von Zengg im Küstenlande, Peter Mrkonjić und Komjen der Fähnrich sind christliche Helden, Mustapha Hasenscharte (Hrnjica) zubenannt, war der Burgherr von Alt-Kladuša in der Lika, Tanković Osman und Ramo der Schmied moslimische Ritter aus Udbina in der Lika. Mustapha ist Osmans Vetter gewesen; alle diese Herren werden sowohl in den Liedern christlicher und moslimischer Guslaren unzähligemal genannt. Sie lebten beiläufig um die Zeit von 1620–1680. Die Bezeichnung guja (Natter) für einen grimmigen Helden ist in Guslarenliedern allgemein üblich. Stereotyp ist die Wendung: ljuće guje u krajini nema (eine giftgeschwollenere Natter gibt es nicht mehr im Grenzland, scl. der Türken), wenn jemand als ausgezeichneter Held charakterisiert werden soll. Im gewöhnlichen Leben gilt ‘guja’ als ein böses Schimpfwort für einen heimtückischen Menschen. In V. 4 und 5 spricht die Vila nur von zwei Nattern oder Helden, dann aber zählt sie drei Paare auf. Der Widerspruch besteht nur für uns, nicht aber für die Zählungweise des Bošnjaken, der hier nur mit je einem Paar rechnet. In diesem Falle hängt dies mit der Kampfweise der Südslaven zusammen. Wenn sich zwei schlagen, so schauen alle übrigen gelassen zu und greifen erst im letzten Augenblick ein, um die Entscheidung herbeizuführen. Komjen hat hier durch seinen vorzeitigen Eingriff gegen die südslavische Kampfregel gefehlt und dadurch das Gemetzel heraufbeschworen. V. 20. Die Jagd auf Vilen ist ein Sport halbmythischer christlicher Helden, des Prinzen Marko, des Komjen und anderer. Diese Helden sind mit Vilen wahlverschwistert, haben ihnen Zauberkünste abgeguckt und meistern dadurch selbst die Lehrmeisterinnen. V. 20 und 25. Die Führer erscheinen gewöhnlich an der Spitze von 30, bei einem Raubzug von 300 Mannen. Das sind beliebte runde Zahlen, so auch 1000, 3000, 100 000 und 300 000. V. 30. Mustapha erlaubt sich zu scherzen, doch Johannes will den Scherz des Moslims nicht verstehen. Da, wie stillschweigend vorauszusetzen ist, Reich- und Landfrieden herrschte, hätte es sich geschickt, dass Johannes dem Helden Mustapha einen Trunk angeboten. Daran will ihn Mustapha erinnern. Es verdriesst ihn, dass ihn sein Grenznachbar nicht einmal mit einem Schluck Weines ehren mag. V. 40. ledenik durch Volkdeutung (eiskalt) aus vedenik entstanden, welches Wort auf venedik (Venedig) zurückzuführen ist. V. 51. Wir nennen nach Uhland einen solchen Streich einen Schwabenstreich. Zur Ausrüstung eines Helden gehört auch »ein Damaszenersäbel«, »der den Reiter in Panzerrüstung zu Ross und das Ross unterm Reiter auf einen Hieb durchsäbelt«. V. 55. salamet vom arab. selamet, Gesundheit, Heil, Friede, Rettung, Erlösung. V. 57. Sprichwort und stereotyp. Vrgl. Krauss im ‘Smailagić Meho’, Ragusa 1885, S. 60, zu V. 1915. Der Guslar dieses Liedes ist mein schon öfters gerühmter Reisebegleiter Milovan Ilija Crljić Martinović aus Gornji Rgovi am nördlichen Abhang der Majevica in Bosnien. Von einer Vila Zöllnerin. Die meistgenannte Gestalt der christlichen Guslarenlieder ist Prinz Marko. Bei Lebzeiten war dieser Prinz ein Überläufer. Turska pridvorica (eine türkische Hofschranze) wird er zuweilen im Liede genannt, weil er als serbischer Kronprätendent mit Hilfe der Türken, den Thron, auf den andere grössere Ansprüche als er hatten, gewinnen wollte. Im Grunde genommen ein Ritter von der traurigen Gestalt, fiel er schmählich in türkischen Reihen gegen seine Glaubengenossen kämpfend. Man ist auf verschiedene, zum Teil abenteuerliche Vermutungen geraten, um das angebliche Rätsel zu lösen, wie so es gekommen, dass just dieser Verräter seines Volkes, der im Leben eine untergeordnete Rolle gespielt, zu einer Volktümlichkeit gelangt ist, die noch nach fünf Jahrhunderten vom schwarzen bis zum adriatischen Meere bei den vier südslavischen Völkern festwurzelnd, fortlebt. Das Rätsel ist einfach zu lösen. Marko hat es gleich einem Boulanger verstanden, bei den unter schwierigen Lebenverhältnissen mühsam leidenden Massen des Volkes ungeheuere Hoffnungen auf ein goldenes Zeitalter zu erwecken. Wer die leichtgläubige, begehrende Menge mit Versprechungen glücklich zu ködern weiss, der mag ein Verräter, ein Dieb, ein Wicht sein, er hat doch gewonnenes Spiel. Für eine goldene Hoffnung opfert das Volk das bisschen angeborenen, gesunden Menschenverstandes. Selbst als Marko gefallen war, glaubte die getäuschte Hoffnung nicht daran. Marko sei nur zu einem langen Schlummer in einen Berg entrückt worden. Einmal jedoch werde er auferstehen und die Slaven von den Türken befreien. Kraljević Marko ist in der Guslarenepik zu einer Art von Sammelnamen geworden. Alle guten und schlechten Heldenstreiche, Schwänke und Schnurren schreibt man diesem Namen zu, ähnlich wie man bei uns in Österreich Kaiser Josef II. und in Deutschland Friedrich dem Grossen alle möglichen Anekdoten anheftet. Auf diesem Wege hat man Marko auch in die Gesellschaft von Vilen hineingeschmuggelt und ihn zu einem mythischen Helden erhoben. Einige slavische Mythologen haben das Volk noch übertrumpft und den guten Marko zu einem Sonnengott gemacht und ihn mit Mithras, Wodan, Višnu und einigen anderen identifiziert. Solche Possen taugen wenig. Nachfolgende Vilensage ist im ganzen Süden sehr verbreitet und auch durch fünf oder sechs schon gedruckte Fassungen bekannt. Deren gegenseitiges Verhältnis zu besprechen, ist hier nicht geboten, nur wäre zu bemerken, dass die von mir aufgezeichnete Variante wegen ihrer sachlichen Vollständigkeit und Schlichtheit selbst für die noch seltenen Kenner südslavischer Volküberlieferungen eine genehme Gabe sein dürfte. Vollständiger ist diese Fassung als alle übrigen, weil aus ihr hervorgeht, dass die Vila am See bei einer ausgedorrten Tanne hause. Der Baum ist verdorrt, die Vila frei und ledig, doch trotzdem ist sie kein Wassergeist. Es ist ein böser Irrtum einiger Mythologen, wenn sie Vilen als Wassergeister ansehen und eine Abteilung von Wasservilen (vodne vile) als feststehend annehmen. Das Volk kennt diese Bezeichnung (vodne vile) nicht. Die Vila, eine vereinzelte nur, versieht die Dienste eines Fährmannes. Als solche heisst sie Vila brodarica (brod = Furt) oder vodarkinja (Fahrmännin) oder baždarkinja (Zolleinnehmerin), wie in unserm Liede. Das von der Vila behütete Wasser, ein Brunnen, eine Quelle, ein See oder eine bestimmte Stelle eines Flusses ist ein Totem. Daran knüpft die Sage an. Nach einer Fassung aus dem chrowotischen Zagorje warnt ein Hirte den Prinzen Marko, der schier verdurstet: »Reit voraus, o Prinz Marko, du wirst einen Quell mit kaltem Wasser finden; hinter dem Quell einen grünen See. Trink von dem Quell kein Wasser, dort haben Vilen ein Kind, ein ungetauftes Kind begraben!« (iz bunara vode piti nemoj! tamo vile čedo zakopale, čedo nekršćeno.) Marko trinkt trotzdem, doch die Fährmännin Vila will ihm dafür den Kopf abnehmen (ne ću zlata nit nikakva blaga već ja hoću sa junaka glavu). Er schlägt ihr mit einem Hiebe das Haupt ab. Eine Variante der Sage aus dem unteren Donaugebiet, erzählt wieder, Prinz Marko habe sein Rösslein an einer Donaufurt getränkt. Als die Überfurtvila aus dem Schlafe erwachte und das Wasser getrübt sah, schwang sie sich auf ihr Ross und jagte dem Prinzen nach. Als Bezahlung heischte sie vom Prinzen beide Arme und alle vier Beine seines Renners. Wie in unserem Liede kommt es zu einem Ringkampf, in welchem Marko nur durch List über die böse Vila obsiegt. Pogibija vile kod jezera. Uranio kraljeviću Marko na šarinu konju od mejdana, da on lova po planini traži. On ne može lova ni vidjeti a kamo li lova uloviti; teška ga je osvojila žegja. On se svojim razgovara šarcem: — O šarine, iźjeli te vuci! meni teška žegja dodijala! Došlo mi je zaklati šarina, ot šarina krvi napojit se, ot šarina naranit se mesom! Al ga čula Bogom posestrima, posestrima is planine vila: — Pobratime kraljeviću Marko! ne kolj konja, ne čini zijana, ne pij krvi, ne griješi duše, ne jed mesa, ne pogani tjela, već poćeraj vilena šarina. Kad išćeraš u vrh ot planinâ, tu ćeš naći jelu suhovinu a pod jelom zeleno jezero. Kod jezera baždarkinja vila, što uzima baždarinu tešku, od junaka iz ramena ruku a ot konja nogu is koljena, al zaspala, ujela je guja! Otle Marko sasluša bešjede pa poćera vilena šarina pa išćera šarca na planinu pa tu nagje jelu suhovinu a pod jelom zeleno jezero; kod jezera nagorkinja vila, što uzima tešku baždarinu, od junaka iz ramena ruku, ot paripa nogu is koljena. Tu napoji kraljeviću Marko, on napoji sebe i šarina pa poćera visu i planini. Ne daju mu mirovati vrazi već zapjeva tanko glasovito. Probudi se baždarkinja vila pa uvati brzoga ljeljena, zauzda ga šargan gujom ljutom pa za Markom potoć učinila: — Stani Marko, stani kopiljane! a da platiš, što si učinio! Stade Marko vaditi dukate a da plati vodu na jezeru. Progovara nagorkinja vila: — A ne ću ti Boga mi dukata već ja tvoju iz ramena ruku ja šarcevu nogu is koljena. Progovara kraljeviću Marko: — Ne ćeš, života mi moga! a ni moju iz ramena ruku, ni šarcevu nogu is koljena, dok je meni na dva rama glava! Pa ośjede ot konja šarina, pa ośjede nagorkinja vila a ośjede brzoga ljeljena, pa se fate po prsi junačke. Nosiše se ljetni dan do podne, dok je Marko balam zabalio zabalio mutne i krvave a u vile bile ka i bile. Dodija se kraljeviću Marku pa dozivlje Bogom posestrimu, posestrimu is planine vilu: — Bidi meni danas u nevolji, a vidiš li, gje sam poginuo! A stade se obzirati vila, obzirati z desna na lijevo, okle će joj pripomoći druga. Marko mahnu z desna na lijevo pa je vilom o zemlju udrio pa je zakla kano janje ludo. Ot čuda je rasporio Marko. Kad u vili tri srca junačka: jedno s srce istom umorilo a drugo se istom razigralo a na trećem šargan guja ljuta, al zaspala, da je Bog ubio! Kad je Marko sagledao guju, on pobježe visu i planini i on ode do Prilipa svoga. Davno bilo, kad no se činilo a danas se spominjalo ovgji. Mi velimo, da se veselimo, veseli nam Bože carevinu! Wie die Vila am See getötet wurde. Prinz Marko machte früh sich auf am Morgen auf seinen Schecken, auf sein Schlachtenrösslein, um Jagdgewild im Hochgebirg zu suchen. Gewild bekommt er nicht einmal zu sehen, geschweige, dass er eins erlegen könnte, Da hat ein schwerer Durst ihn überkommen. Er hub zu seinem Schecken an zu sprechen: O Schecklein, Wölfe sollen dich zerfleischen! mich quält ein schweres Dürsten ganz unleidlich. Das Schicksal will’s, dass ich den Schecken schlachte, und meinen Durst mit Scheckens Blut mir lösche und mit des Scheckens Fleisch den Hunger stille! Sein Wort vernahm, die ihm durch Gott war Schwester, Sein Wahlgeschwister, eine Alpenvila: — O Bruder meiner Wahl, o Prinzlein Marko! Schlacht nicht den Schecken, schaffe keinen Schaden, du trink kein Blut, versündige nicht die Seele, lass rohes Fleisch, versudel dir den Leib nicht! Mehr vorwärts jag den vilenhaften Schecken! Wann du zum Gipfel des Gebirgs gelangt bist, dort triffst du eine ausgedorrte Tanne; und einen grünen See am Fuss der Tanne; dort weilt am See als Zöllnerin die Vila; gar schwere Zölle pflegt sie einzuheben, vom Helden nimmt den Arm sie aus den Schultern, vom Rosse reisst das Bein sie aus den Knieen, doch schläft sie jetzt, die Schlange mög’ sie beissen! Als diese Rede Marko so vernommen, da jagt er fort den vilenhaften Schecken und jagt hinauf den Schecken auf die Alpe. Dort findet er die ausgedorrte Tanne, den grünen See am Fusse jener Tanne, am See die Vila aus dem Hochgebirge, die schweren Zoll gewohnt ist einzuheben, den Arm wohl aus den Schultern jedem Helden, dazu das Bein vom Klepper aus den Knieen. Prinz Marko trank sich satt an dieser Stelle, er trank sich satt und tränkte seinen Schecken und jagte fort zum Gipfel und zur Alpe. Da lassen ihn die Teufel nicht in Ruhe, er hebt durchdringend an und laut zu singen. Darob erwacht die Zöllnerin, die Vila, fängt ein den schnellen Hirschen, den sie zügelt mit einer buntgefleckten, wilden Natter, und setzt sich in Verfolgung nach dem Prinzen: — Wart Marko, wart, halt ein du Bastardjunge! bezahlst mir eher, was du hier verbrochen! Prinz Marko zog hervor die Golddukaten, um ihr den Labetrunk am See zu zahlen, doch sprach zu ihm die Vila vom Gebirge: — Ich mag von dir, bei Gott, nicht Golddukaten, vielmehr will ich den Arm dir aus den Schultern, dazu des Schecken Bein aus seinen Knieen! Prinz Marko sprach darauf zur bösen Vila: — Das sollst du Vila nicht, bei meinem Leben! so wenig meinen Arm aus meinen Schultern, als wie das Bein aus meines Scheckens Knieen, so lang mein Haupt mir ruht auf beiden Schultern! Er sass darauf vom Rösslein ab, dem Schecken, es sass auch ab die Vila vom Gebirge sie sass von ihrem Hirschen ab, dem schnellen. Sie fingen sich um ihre Heldenbrüste, und rangen jetzt den Sommertag bis Mittag, bis letzlich Marko Schaum bedeckt gewaltig, ein Schaum von trüber und von blutiger Färbung; ein weisser deckt die Vila, ganz wie sonsten. Das ward dem Prinzen Marko endlich qualvoll, er rief zu Hilfe sein vor Gott Geschwister, Sein Wahlgeschwister vom Gebirg die Vila: — Leih heut mir deinen Beistand in den Nöten, du siehst ja, dass ich halb schon unterlegen! Es fing sich an die Vila umzuschauen, fing an von rechts nach links sich umzuschauen, von wo ihm kommt als Helferin die Vila. Von rechts nach links gab Marko einen Schwung ihr und schlug zu Boden nieder mit der Vila und schlachtete sie wie ein töricht Lämmchen. Des Wunders wegen trennte auf sie Marko; da schau! im Vilenleib drei Heldenherzen! das eine Herz, ein wenig erst ermüdet, das andere Herz begann erst aufzutauen, doch auf dem dritten lag da eine Natter, gefleckt und wild, sie schlief; dass Gott sie töte! Als Marko diese Natter hier erschaute, entfloh er fort zum Gipfel und zur Alpe und zog dann heim zu seiner Burg nach Prilip. Schon lang ist’s her, als dies sich zugetragen und wir gedenken’s hier in unsren Tagen; wir teilen mit das Lied, um uns zu freuen, so mög’ uns Gott das Kaiserreich erfreuen! Zu V. 6. Der Guslar setzt voraus, Marko jage im Karstgebirge, wo man tagelang reisen kann, ob man wo ein Quellwasser findet. Hie und da stösst man wohl auf eine Zisterne aus der Türkenzeit. Selbst wo der Karst bewaldet ist, gibt es auf der Oberfläche höchst selten Wasser, denn das poröse Gestein saugt alle Feuchtigkeit auf. Dafür ist jenes Gebiet der dinarischen Alpen sehr reich an unterirdischen Seen und Flüssen. Zu V. 9. Der Fluch ist nicht ernst gemeint, sondern hat nur als Abwehr gegen die Beschreiunggeister zu dienen. Zu V. 12. Über Wahlverschwisterung im allgemeinen siehe Krauss: Sitte und Brauch der Südslaven. Wien 1885. S. 618–643 und über Wahlverwandtschaft mit Vilen Krauss: Der vereinigten Königreiche Kroatien und Slavonien. Wien 1889. S. 127 f., doch hat Marko nicht durch Beschwörung die Vila zur Wahlschwester erworben. Die Sage erzählt von einem Hirten, — nach einer Fassung soll der Hirte Prinz Markus gewesen sein, — der ging einmal durch den Wald und erblickte ein liebliches Kindlein in der Sonne liegen. Aus Mitleid schlug er von einem Baume einen Ast ab und beschattete damit das Kind. Das war aber ein Vilenkind. Aus Dankbarkeit beschenkte die Vila-Mutter den Hirten mit Heldentum, Schönheit und anderen Glückgütern. Man vergl. dazu die Erzählung Anthropophyteia IV. S. 180. Man sagt, bis dahin sei Marko, der berühmte Held, nur ein gewöhnlicher Schafhirte, wie viele andere gewesen. Erst die Wahlverschwisterung mit der Vila habe ihn gross und berühmt gemacht. Zu V. 15 ff. Mit solchen Ratschlägen sind Vilen recht freigebig. Lebensregeln von dem, was sich schickt und nicht schickt, legt der Bauer zuweilen Vilen in den Mund. Zu V. 19. Vilenhafter Schecke. Eine zweifache Auslegung ist zulässig. Vilen verschwistern sich gerne mit guten Rossen, Hirschen, Ziegen und bedenken sie mit Vorzügen. Ein solches Tier ist vilen, vilenast. Ihren Lieblinghelden dienen Vilen selber aber auch in Gestalt von Rossen. Da reitet so ein beglückter Märchenheld dahin: »unter ihm das Rösslein, eine weisse Vila. Der Sattel ist aus Hirschgeweih, die Zügel sind aus grüner Seide, aus dem Munde züngelt ihm (dem Rosse) eine blaue Flamme heraus, aus den Hufen sprüht ihm ein lodernd Feuer!« (pod njime je konjic bela vila, sedlo mu je roga jelenjega, uzda mu je od zelene svile; iz ustâ mu modar plamen liže, is kopitâ oganj vatra seva.) Zu V. 30. planinâ für planinu ist kein Sprech-, sondern ein grammatischer Fehler, wie deren viele den Guslaren und sonst auch den Leuten im Gespräch unterlaufen, ohne dass man darauf achtet. Die Kasussuffixe beginnen in der serbischen Volksprache merklich an Kraft zu verlieren und ihre Funktion geht auf die Präpositionen über. Zu V. 33. Die Vila wird hier ausdrücklich nagorkinja = Gebirgvila genannt; selbst hier weiss also das Volk von keiner Wasservila. Zu V. 39. visu i planini ein Hendiadys. Zu V. 45. potoć ein Hapax eiremenon, noch nirgends verzeichnet. Zu V. 46. kopiljane ist hier nur ein Schimpf, denn Marko ist kein Bastard, d. h. ein Sprössling käuflicher Liebe. Zu V. 61 f. Wörtl.: »Bis ihn Rotz bedeckte«, sonst »Schaum«: ‘mutne su ga pjene òbalile, òbalile mutne i krvave’. Zu V. 79 ff. Diese Schilderung stereotyp. Ich erblicke darin nicht viel mehr als eine dichterische Ausdruckweise. Der Mut wird durch drei Herzen, die List durch die Schlange auf dem Herzen erklärt. Vergl. Krauss: »Sreća. Glück und Schicksal im Volkglauben der Südslaven«. Wien 1886. S. 24 f. Zu V. 82. (vergl. V. 44) šargan für šara = buntgefleckt, findet sich in keinem Wörterbuche. Zu V. 86. Die alte Burg Prilip in Bulgarien liegt jetzt in Trümmern. Weil die Burg auf bulgarischem Boden steht, reklamieren die Bulgaren den Prinzen Marko, zum grossen Verdruss nationalwahnbefangener Chrowoten und Serben, als ihren Mann. Diese und ähnliche Streitigkeiten, die in der sogenannten Politik beider Nachbarstaaten, des serbischen und bulgarischen, von grosser Wichtigkeit zu sein pflegen, da sie häufig zu Mord, Totschlag und Brandstiftung führen, sind vernünftig gar nicht anders zu lösen, als dass man die Kämpfenden für schwachsinnig erklärt und sie irrenärztlicher Behandlung überantwortet. Nichts vermag deutlicher die Haltlosigkeit des politischen Nationalismus darzutun als es derartige Fehden erweisen, die im letzten Grunde auf hellen Unverstand zurückgehen. Die wenigen zur Besinnung gekommenen Südslaven erklären, Urheber dieser volkverderblichen Geistverseuchung wären die slavischen Philologen! Zu V. 86–90. Das ist ein Nachgesang. Ausführliche Besprechung der Vor- und Nachgesänge zu Guslarenliedern siehe bei Krauss: Smailagić Meho, Ragusa 1885. S. 69–78 und S. 152–162. Das Lied zeichnete ich am 3. Februar 1885 im Dörfchen Ročević bei Kozluk im Gebirge vom Guslaren Mišo Kósović aus Gacko im Herzögischen auf. Ein anderes Lied (die Alexiuslegende) desselben Guslaren veröffentlichte ich mit vielen Erläuterungen im Bršljan. Neusatz 1886. Vilenpfeile. (Drei Guslarenlieder.) Eine der wichtigsten Aufgaben ist den Volkforschern durch die historische Kritik ihrer Stoffe geboten. Der einzuschlagende Weg erschliesst sich einem von selber. Bei dem zuweilen unergründlich hohen Alter von Volküberlieferungen, namentlich volkreligiöser Anschauungen, ist die älteste Aufzeichnung einer Überlieferung für uns nicht selten belanglos, weil wir gewohnt sind, unsere Quellen anderswo und tiefer als in zufälligen Niederschriften zu suchen. Wir haben keine ursprüngliche Fassung eines literarischen Machwerkes herzustellen, sondern die einfachsten Umrisse einer Überlieferung, mag sie von welcher Art immer sein, herauszufinden. Dabei kann uns z. B. eine erst gestern vorgemerkte Sage ungleich wichtigeren Aufschluss darbieten, als vielleicht eine Variante derselben Sage in den Veden. Manche vergleichenden Märchenforscher begnügen sich allzuhäufig mit der mehr gesäss- als geistanstrengenden Arbeit des Zusammentragens von Varianten aus allen Literaturen, und mit der Hervorhebung der abweichenden Züge einer Überlieferung. Man ist darüber so ziemlich ins Klare gekommen, dass die überwiegende Mehrheit der Sagen und Märchen und sehr viele religiöse Grundanschauungen zum gemeinsamen Besitz aller Völker dieser Erde in geschichtlichen Zeiten gehören. Das ist eine höchst schätzbare Erkenntnis, deren Wert wir keinen Augenblick verkennen wollen. Es scheint aber, dass gerade hierin die Forschung am ehesten auf Abwege geraten kann. Es ist an der Zeit, dass die Arbeiter dazu schauen, einer schändlichen Verflachung vorzubeugen. Man muss trachten jede Überlieferung innerhalb der Grenzen eines bestimmten Volkes in allen ihren Fassungen zu ergründen und sie innerhalb des engeren Bezirkes zu erklären. Man wird es so herausbekommen, welche Wandlungen ein und derselbe Stoff bei ein und demselben Volke unterworfen ist. Dadurch lernen wir nebensächliche Zutaten als solche zu erkennen und den wahren Kern einer Überlieferung herauszuschälen. Ich will dies an einer kleinen Sage darzustellen suchen, die ich in drei Fassungen aufgezeichnet habe. Zuerst gebe ich die schlichteste und durchsichtigste Fassung, mit welcher verglichen sich die Ausschmückungen der beiden anderen desto deutlicher zeigen werden. Alle drei Lieder haben wohl den gleichen Vorwurf, doch ist jedes in der Ausführung so lieblich, dass ich nicht fürchten muss, durch den Abdruck aller drei Texte auch nur den Laien in der Folklore zu langweilen. Bei grossen körperlichen Anstrengungen in sengend heisser Sonnenglut pflegt sich mitunter bei Menschen und Tieren eine Störung der Gehirntätigkeit einzustellen. Es tritt der Sonnenstich oder Hitzschlag ein, der nicht selten den Tod des Getroffenen zur Folge hat. Auf einem mühseligen Marsche durch wildes Hochgebirge in Sommerzeit ist man der Gefahr des Sonnenstiches sehr leicht ausgesetzt. Das Hochgebirg ist aber nach dem Volkglauben der Aufenthalt der Vilen. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Hitzschlag und Vilen ist bald hergestellt. Das Volk sagt: die Vilen sind erzürnt über die unberufene Störung durch einen verwegenen Eindringling in ihr heiliges Wirksamkeitgebiet. Die Vilen bestrafen also den Frevler, indem sie ihn mit ihren Pfeilen erlegen. Dass Vilenpfeile nichts anderes als s. g. Sonnenstiche sind, geht aus der Schilderung des pathologischen Zustandes eines Getroffenen hervor. So erzählt z. B. ein Lied: Vilen erblicken einen Hochzeitzug durchs Gebirge ziehen und neiden der Braut den prächtigen Bräutigam. Spricht eine Vila zu anderen: »Schwesterlein Vila, erlegen wir ihn mit unserem Pfeil!« (ustrilmo ga vilo sele moja!) Der vom Pfeil getroffene Bursche klagt seinen Schmerz dem Ohm im Brautzuge: »Der Kopf fängt mich an zu schmerzen; wenn es bloss im Kopf schmerzte, doch auch mein Herzlein ist ergriffen!« (bora tebi moj ujače Janko, moja j mene zabolila glava, da bi glava nego i srdašce!) Darauf rät ihm der Ohm: »bind dir ein färbiges Tüchel um den Kopf!« (veži glavu va šaru maramu!), doch half es ihm nichts. Als er heim kam, legte er sich zu Bett und verstarb. Da das Volk weit davon entfernt ist, die wahre Art der Erkrankung durch Sonnenstich zu erkennen, gebraucht es auch keine gesundheitlich entsprechende Gegenmittel, sondern sucht in Zaubereien vorbeugenden Schutz. Gegen Vilenpfeile kann einen z. B. schon in der Kindheit die eigene Mutter feien, indem sie nie mit Steppzwirn und mit Fäden, die vom Zettel übrig geblieben, dem Sohne ein Kleidungstück näht, an der hl. Paraskewe nie Weberarbeiten verrichtet und nie an einem Dienstag spinnt oder Gespunst aufwickelt. Darauf bezieht sich eine Sage in Liedform: Eine Mutter beweibt ihren einzigen Sohn Vojin. Die Muhme ist dem Burschen zu Tode neidisch und lässt sich durch nichts begütigen. »Sie eilt ins grüne Gebirge und ruft zur Wahlschwesterschaft die Vila Ravijojla und deren sämtliche Genossinnen an: »O Schwester durch Gott, Vila Ravijojla, Ravijojla und Ihr alle übrigen Vilen! Hier wird Vojin mit den Hochzeitleuten vorbeiziehen, erlegt ihn mit Eueren Pfeilen, lasst ihn nicht vorbei!« Antwortet ihr die Vila Ravijojla, Ravijojla und alle übrigen Vilen: »Sei keine Närrin o du Muhme Vojins, treib keine Dummheit, bist ja doch nicht närrisch. Die Mutter hat Vojin wohl behütet vor Steppzwirn und vor Zettelfäden usw. (Vojina je sačuvala majka od ujamka i od ureznika, svete Petke, snutka, navijutka, utorničke pregje i motanja). Auch Freitagkinder und rotbärtige Leute sind vor Vilenpfeilen sicher. Die nachstehende Fassung einer Vilensage ist darum besonders zu beachten, weil sie uns lehrt, dass Vilen sterblich sind. Das ist ein Beweis, dass man Vilen als wirkliche Baumgeister anzusehen hat. Unser Stück gehört zu den verbreitetsten Sagen unter allen Südslaven. Eine Fassung findet sich z. B. schon in der ersten Sammlung serbischer Guslarenlieder Wolf Karadžić’s (in der neuen offiz. Auflage, Belgrad 1887, I, Nr. 38, S. 222–225). Die slavischen Mythologen haben es, wie sich das eigentlich von selbst versteht, nicht unterlassen, in diese Sage einen grossartigen Sonnenmythus hineinzugeheimnissen und blaue Wunder von der durch das schlimme Christentum zerstörten alten slavischen Naturreligion auszusinnen. Der Schnickschnack verträgt keine ernste Widerlegung. Pogibija vile zagorkinje. Poranio kraljeviću Marko sa svojijem pobratimom dragim, pobratimom Reljom krilaticom. Kad pogjoše gorom Romanijom, ondar veli kraljeviću Marko: — Pobratime Reljo ot Pazara, zapjevaj de tanko glasovito! — Ne smijem ti pobro zapjevati, velma sam se s vilma zavadio. Pobratime kraljeviću Marko, mene oće justrijelit vile megju puca gje mi srce kuca. — Pobratime Reljo ot Pazara, ti se ne boj nikoga do Boga, dok je tebi pobratima tvoga, pobratima kraljevića Marka! A, zapjevaj Relja ot Pazara! Dok zapjeva mu tanko glasovito. Šest je vila u gorici bilo. Dok začula najstarija vila, beśjedila ponajmlagjoj vili: — Posestrimo ponajmlagja vilo! uzmi dere ponajvišu strjelu pa izigji na drum na planinu. Eno kurve Relje Bošnjanina, gje on pjeva gorom Romanijom. Ustrijeli Relju Bošnjanina megju puca gie mu srce kuca pa pobjegni nebu pod oblake, jera ima š njime žestok junak, žešći junak nego Relja Bošnjak. Ubićete Bogom posestrimo! Uze vila najvišu strijelu pa otide na drume široke, ustrijeli Relju Bošnjanina megju puca gje mu srce kuca. Živ se naže Relja Bošnjanine, živ se naže, mrtav zemlji pade. Bježi vila nebu pod oblake. Uze Marko tešku topuzinu pa udari vilu pod oblakom. Vil’ opade u travu zelenu, vila pade, Marko joj dopade pa ju živu uvati ju ruke. Beśjedi mu nagorkinja vila: — Bogom brate kraljeviću Marko! nemoj mene žive pogubiti, ja ću tebi pobru povratiti, tvoga pobru Relju Bošnjanina pa će biti, ko što je i bio, piće vino, ko što je i pio. Ondar veli kraljeviću Marko: — Bogom sestro nagorkinjo vilo! ti ćeš meni pobru povratiti, moga pobru Relju Bošnjanina, ja ću tebi život pokloniti. Ondar ode nagorkinja vila; za njom ide kraljeviću Marko. Dok dogjoše Relji Bošnjaninu turi vila u njedarca ruke pa jizvadi srebrnu jabuku pa protrlja Relju Bošnjanina pa protrlja, gje je udarila. Skoči Relja od zemlje na noge pa uzima sablju dimišćiju pa on vili osiječe glavu. Ondar veli kraljeviću Marko: — Jer to, pobro, života ti tvoga? živu sam se Bogu zaklinjao, da je žive pogubiti ne ću! Wie die Vila vom Hintergebirge ums Leben gekommen. Prinz Marko machte früh sich auf am Morgen mit seinem lieben, guten Bundesbruder, dem Bundesbruder Relja Flügelträger. Sie zogen durchs Románija-Gebirge. Prinz Marko sprach zu Relja im Gebirge: — O Bundesbruder, Relja aus dem Pazar, o stimm ein Lied von hellem Laut und Klang an! — Ich trau mich nicht, o Bruder, laut zu singen; ich bin mit Vilen arg in Streit geraten. O lass mich, Bundesbruder Prinzchen Marko, sonst töten mich mit ihrem Pfeil die Vilen, wo’s Herz mir pocht inmitten durch die Knöpfe. — O Bundesbruder, Relja aus dem Pazar, du fürchte Gott, sonst niemanden auf Erden, so lag durch Wahl dein Bruder wallt auf Erden, Prinz Marko, dir durch Wahl und Gott verbrüdert. So sing denn zu, mein Relja aus dem Pazar! Da stimmt er an ein Lied hellaut und klangvoll. Sechs Vilen weilten in dem Waldgebirge. Sobald die älteste den Sang vernommen, so sprach sie zu der allerjüngsten Vila: — O Schwester meiner Wahl, du jüngste Vila! geh, nimm einmal den Pfeil, den allerlängsten, und wandle hin zum Weg des Waldgebirges. Dort naht die Dirne Relja von der Bosna, dort singt er durchs Románija-Gebirge! Dein Pfeil erlege Relja von der Bosna, wo’s Herz ihm pocht inmitten durch die Knöpfe; entfleuch dann Himmel aufwärts unter Wolken, weil ihm ein wilder Held verleiht Geleite, ein Held noch wilder als von Bosna Relja, der tötet dich, durch Wahl und Gott o Schwester! Die Vila nahm den Pfeil, den allerlängsten, begab sogleich sich auf die breiten Wege, schoss ab den Pfeil auf Relja von der Bosna wo’s Herz ihm pocht inmitten durch die Knöpfe. Lebendig bog sich Relja von der Bosna, lebendig noch, doch sank er tot zur Erde. Die Vila floh zum Himmel unter Wolken, doch Marko packte seinen schweren Kolben und warf ihn auf die Vila unter Wolken. Die Vila fiel ins grüne Gras hernieder, die Vila fiel und Marko flog zu ihr hin und fing sie ein lebendig in die Hände. Es sprach zu ihm vom Waldgebirg die Vila: — Sei mir durch Gott ein Bruder, Prinzchen Marko! O töt mich nicht bei heilem Leib und Leben! Ach, gern erweck ich dir den Bruder wieder, den Bundesbruder Relja von der Bosna; und wieder wird er sein, wie er gewesen, und trinken Wein, wie er’s seit je gewohnt. Darauf entgegnet ihr das Prinzchen Marko: — Durch Gott, o Schwester, Vila vom Gebirge erweckst du mir den Bundesbruder wieder, den Bundesbruder Relja von der Bosna, so will ich dir dein Leben gerne schenken. Drauf ging die Vila von dem Waldgebirge und hinterher ihr nach das Prinzchen Marko. Als sie zu Relja von der Bosna kamen, die Vila steckt die Händ’ sich in den Busen, und zieht heraus aus Silber einen Apfel und reibt mit ihm den Bosnahelden Relja, und reibt ihn durch, wo ihn der Pfeil getroffen. Und Relja sprang vom Boden auf die Beine, erfasste seinen Damaszenersäbel und säbelte das Haupt herab der Vila. Drauf sprach zu ihm Prinz Marko sehr betroffen: — Warum, o Bruder, so dir lieb dein Leben? ich hatt’s bei Gott, so wahr er lebt, beschworen, ich werde sie bei heilem Leib nicht töten! Der Titel ist vom Guslaren. Die Vila heisst eine zagorkinja (im Hinterwaldgebirge hausende V.) oder nagorkinja (auf dem Gebirge wohnende V.) Irgend ein bestimmter Unterschied wird nicht weiter angedeutet. Zu V. 3. Relja ist ein serbischer Name, dessen ursprünglicher Sinn dunkel ist. Die Wahrscheinlichkeit spricht für ein griechisches Lehnwort. Der Umstand, dass Relja ‘krilatica’ oder ‘krilati’ (der geflügelte) genannt wird, hat dem chrowotischen Religionerzeuger genügt, Relja zu einem Sonnengott zu machen. Parallelen aus der indischen, griechischen und anderen Mythologien werden als Belege zur Erläuterung angeführt. Relja wäre darnach eine Art verhunzter altchrowotischer Gottheit, der nur noch die Flügel übrig geblieben. In Wahrheit verhält sich die Sache anders. Manche Luxus-Panzerrüstungen südslavischer Helden waren mit wirklichen Flügeln aus Silber- oder Goldblech versehen. Die Flügel erhöhten den Glanz der Erscheinung eines Helden, obgleich sie für den Kampf gar nicht taugten. Weiland Kronprinz Rudolf von Österreich, der doch gewiss allerlei Rüstungen schon gesehen hatte, war nicht wenig überrascht, als ihm im Jahre 1887, bei seinem Einzuge in Mostar, ein herzogländischer Beg im Festzuge gepanzert und geflügelt entgegenkam. Es scheint, dass die Panzer mit Flügeln eine besondere südslavische Erfindung gewesen. Relja der Flügelträger wird abwechselnd Relja von der Bosna und aus dem Pazar genannt. Aus dem Pazar oder aus Altserbien stammte er von alterher und an der Bosna hatte er irgendwo seine Raubritterburg. Zu V. 18. Ein in Silben überzähliger Vers. Die Partikel ‘dok’ könnte wegbleiben. Zu V. 25. »Lustdirne« ist eine übliche Beschimpfung für freche Menschen. Zu V. 60. Vilen sind des Heilens kundig. Zauberer und Kräutlerinnen berühmen sich, ihre Kenntnisse Vilen zu verdanken und mit Vilen eine Verbindung zu unterhalten. Zu V. 79. Živ Bog (lebendiger Gott) erklärte ich noch in »Sitte und Brauch der Südslaven«, dem Beispiele slavischer Mythologen folgend als die Personifizierung der Sonne, als des sichtbaren Gottes. Diese Deutung ist aber sehr unvernünftig; denn die Ausdruckweise ist der jüdischen oder christlichen Religion entlehnt. So schwören wir Deutsche auch: »so wahr ein Gott lebt!« Der Hebräer schwur: beim lebendigen Gott!« und darauf geht auch das südslavische źivoga mi Boga! zurück. Dieses Lied habe ich vom Guslaren Tešo Bogičević, einem altgläubigen Bauern aus Ugljevik in Bosnien. Seine Sippschaft heisst von alters her Šarenci. Tešo bemerkte zum Schluss auf meine bezügliche Frage: ovu sam pjesmu čuo od Vuka majstora iz Osata isporad Srebrnice, ima trijes i pet godina (dieses Lied hörte ich vom Tischler Wolf aus Osat unweit Srebrnica, es sind fünfunddreissig Jahre daher). An zweiter Stelle bringe ich eine Fassung, die darum beachtenswert ist, weil der Guslar einen einleuchtenden Beweggrund für den seltsamen Ausflug der beiden Helden ins unwirtliche Hochgebirge anführt. Lust und Freude an waghalsigen Streifungen auf trostlos öden Berghöhen hat ja der Südslave nicht. Der Guslar lässt seine Helden eine sehr dringliche, hochadelige Geschäftreise machen, nach unseren, im Sinne eines südslavischen Volksängers stark weibischen Rechtanschauungen wären jedoch jene Helden bloss Wegelagerer, die auf einen Raubzug ausgegangen. Die edlen Ritter betrieben aber Raub und Plünderung als ehrliches Gewerbe, und darum spricht Relja z. B. im V. 30 von einem »befreien« und »erlösen«, wo wir heutzutage in deutschen Landen »stehlen oder rauben« sagen würden. So wie dieses heben sehr viele andere Lieder auch an. Der Guslar hat eben seine Erfindunggabe nicht viel angestrengt. Mit dieser Einleitung hat die ganze Geschichte eine tiefe Wandlung erfahren, so dass die Erlegung des Helden durch den Vilenpfeil nur mehr als eine zufällige Episode erscheint. Prinz Marko hat förmlich einen Rechtanspruch auf die Rosse als auf eine Sühne für das an seinem Wahlbruder begangene meuchlerische Verbrechen. Dafür übt er Gnade für Recht und lässt die Vilen leben. Der Schauplatz der Handlung ist ins Volujakgebirge an der herzogländisch-montenegrischen Grenze verlegt. Vilen hausen auf allen Hochgebirgen, und den Guslaren ist es gleichgültig, wo sich eine Begebenheit abspielt. So heilig als das eine, ist ihm auch jedes andere Gebirge, es wäre denn wo auf einem Berge ein alter, christlicher Wallfahrtort in einer Höhle, wie es deren mehrere gibt. Sedam vila u Volujak gori. Vino pila do dva pobratima, u Kosovu u pjanoj mehani. Jedno mi je kraljeviću Marko, a drugo je krilati Reljica. — Kat se ladna napojili vina, progovara kraljeviću Marko: — Pobratime, krilati Reljica! ne znaš gjegod ćara ja šićara, su čim ćemo prezimiti zimu od Mitrovog dana jesenjega do proljeća dana Gjurgjevoga? Progovara krilati Reljica: — Pobratime kraljeviću Marko, jesam čuo a kažu mi ljudi, tamo ima polje Gacko ravno, a viš njega Čemerna planina, a na više Volujak planina, a u planini zeleno jezero, u jezeru sedam vila, sedam vila sedam drugarica kod jezera na rosnoj livadi. Na livadi dva konja viteza, zlatne su im grive i repovi, na čelu im danica zvijezda, na prsima mjesečina śjajna, na sapima itra vidra igra. Da spremimo našega šarina, a i meni pretila gavrana, da idemo Volujak planini, ne bismo li konje izbavili; mi bi mogli prezimiti zimu, od Mitrova dana jesenjega, do proljetnog Gjurgjevoga dana. A kad začu kraljeviću Marko, itar Marko na noge skočio, pa opremi dva konja viteza, sebi šarca a Relji gavrana. Povedoše dva sokola siva, povedoše dva rta bijela, pośjedoše konje vitezove. Eto ti ih Čemernu planinu, vatiše se Volujak planine, pa zavika kraljeviću Marko: — Pobratime krilati Reljica, nu zapjevaj te me razgovaraj, nešto sam ti šemno neveselo, jal je sanak jal je danak sugjen. Beśjedi mu krilati Reljica: — Pobratime kraljeviću Marko, ja ne smijem jutros popjevati, jer se bojim sedam nagorkinja, oće mene ustrijelit vile. Progovara kraljeviću Marko: — Nu zapjevaj te me razgovaraj, a ne boj se nikoga do Boga, dok je tebi na šarinu Marko, i dok su mu dva sokola siva, i dok su mu dva rta bijela. A kad začu krilati Reljica, on zapjeva tanko glasovito, sve sa gore polijeće lišće, a sa zemlje djetelina trava. Začu njega sedam nagorkinjâ, nagorkinjâ sedam drugarica, bir ga čuše birden ga poznaše: — Čuj kopila krilatog Reljicu! Govori im starješnica vila: — Čujete me sedam drugarica, koja ć ići Relju ustrjeliti? daću njojzi moje starješinstvo brez promjene za sedam godina! Drugarice nikom poniknule i u crnu zemlju pogledale kako raste na odgojke trava kano dojke u mlade djevojke; al ne gleda najpotanja vila, najpotanja i najmladja vila, starješnici megju oči crne: — Daj ti meni luke i tetive, ja ću Relju ići ustrjeliti! Dade njojzi luke i tetive. Eto vila na noge skočila pa zaśjede za jelu zelenu. Tud nalazi kraljeviću Marko, na šarinu konju od mejdana, a za njime krilati Reljica. Zape luke, osahle joj ruke, a potegne ubojitu strjelu, ustrijeli krilatog Reljicu! Pade Reljo u travu na glavu. Obazre se kraljeviću Marko, gje mu Relja u travi ostade. Pa on pušta dva rta bijela a u nebo dva sokola siva, ufatiše nagorkinju vilu! dovedoše kraljeviću Marku. A da vidiš kraljevića Marka! gje poteže pletenu kandžiju, pa on tuče nagorkinju vilu: — Uljo jedna nagorkinjo vila, ko nalazi, nek prolazi s mirom, kamo meni krilati Reljica? Progovara nagorkinja vila: — Bogom brate kraljeviću Marko! pokloni mi život na mejdanu, podić ću ti krilatog Reljicu! Pokloni joj život na mejdanu. Pa da vidiš nagorkinje vile, gje dozivlje sedam drugarica: — Doneste mi rose sa jezera, da poživim krilatog Reljicu! — Donese joj sedam drugarica, don’ješe rose sa jezera. Ona kúplje krilatog Reljicu. Eto Relja na noge skočio. Progovora kraljeviću Marko: — Čujete me sedam drugarica, doved’te mi dva konja viteza, zlaćenijeh grivâ i repovâ, na čelu im danica zvijezda, na prsima mjesečina śjajna, na sapima itra vidra igra. Dovedoše dva konja viteza, zlaćenijeh griva i repovâ, na čelu im danica zvijezda na prsima mjesečina śjajna, na sapima itra vidra igra; pokloniše kraljeviću Marku, Marko njima život na mejdanu; i odoše zdravo i veselo. Vesela mu na odžaku majka, njemu majka a meni družina, koji danas po artiji šara. Von den sieben Vilen im Volujak-Gebirge. Zwei Wahlgebrüder sich am Wein ergetzten zu Leitengeben in dem trunknen Kruge. Prinz Marko ist der eine von den Beiden, der andre ist der Flügelträger Relja. Nachdem sie sich erlabt am kühlen Weine, hub an das Prinzchen Marko so zu reden: — O Bundesbruder, Flügelträger Relja, hast du von Raub und Beute welche Zeitung? Wie werden wir den Winter überwintern vom heiligen Demeter an im Herbste bis zum Georgtag, wann der Frühling anhebt? Herr Relja mit den Flügeln, gibt zur Antwort: — Prinz Marko, du mein teurer Bundesbruder, wie ich’s vernahm und wie die Leute sagen, liegt dort ein wegsames Gefilde, Gacko, und höherwärts — das Čemer-Hochgebirge und höher zu das Volujak-Gebirge; dort sei ein grüner See im Hochgebirge und in dem See dort hausen sieben Vilen, ja, sieben Vilen, sieben Bundesschwestern am See auf einer taubenetzten Wiese. Da grasen auf der Au zwei Ritterrosse; aus Gold sind deren Mähnen und die Schweife, auf ihrer Stirn der Morgenstern Aurora, auf ihrer Brust ergleisst der helle Mondschein, auf ihren Rücken spielt die flinke Otter. Wohlan, so rüsten wir denn unsren Schecken, doch auch für mich noch meinen feisten Raben und ziehn wir aus ins Volujak-Gebirge; wenn’s glückt, befreien wir uns jene Rosse, dann könnten wir den Winter überwintern vom heiligen Demeter an im Herbste bis zum Georgtag, wann der Frühling anhebt. Sobald das Prinzchen Marko dies vernommen, so flink er war, so war er aufgesprungen, und rüstete die beiden Ritterrosse, den Schecken sich, den Raben dann für Relja. Sie führten noch mit sich zwei graue Falken, auch führten sie noch mit zwei weisse Rüden, und schwangen sich auf ihre Ritterrosse. Schon sind sie angelangt im Čemer-Hochland und kehren ein ins Volujak-Gebirge, da ruft mit ganzer Stimme Prinzchen Marko: — O Bundesbruder, Flügelträger Relja, geh, sing einmal, zerstreue meinen Unmut, ich bin so trüb und fühl mich so beklommen, leicht ist’s ein Traum, leicht schlägt mein letztes Stündlein! Drauf spricht zu ihm der Flügelträger Relja: — Prinz Marko, o mein teurer Bundesbruder! heut wag ich’s nicht ein Liedchen anzustimmen, ich fürcht mich vor den sieben Alpenvilen; mit ihrem Pfeil erlegen mich die Vilen. Ermunternd spricht zu ihm das Prinzchen Marko: — Traun! sing ein Lied, zerstreue meinen Unmut und fürchte niemand ausser Gott den einen, solang dir Marko sitzt auf seinem Schecken, solang er noch besitzt zwei graue Falken, solang er noch besitzt zwei weisse Rüden. Als Relja Flügelträger dies vernommen so stimmt er an ein Lied gar hoch und hallend, dass von dem Waldgebirg die Blätter flogen und von der Erde weg das grüne Kleegras. Es hörten ihn wohl sieben Alpenvilen, wohl sieben Bundesschwestern Alpenvilen, kaum hörten sie ihn, schon erkannten sie ihn. — Da hör’ den Bastard Relja Flügelträger! Die Vila-Älteste, die sprach zu ihnen: — Ihr sieben Waldgenossinnen, vernehmt mich, he, welche will erlegen gehen Relja? Der schenk ich meine Oberalterstelle ohn’ Unterlass für volle sieben Jahre! Die Freundinnen verstummten mäuschenstille und senkten feig den Blick zur schwarzen Erde und schauten wie die Gräser schwellend wachsen, als wie die Brüste eines jungen Mägdleins; nur eine schaut nicht so, die schlankste Vila, die schlankste und die allerjüngste Vila, sie schaut der Alten in die dunklen Augen: — So gib du mir die Bögen und die Sehnen, ich gehe hin, um Relja zu erlegen. Sie gab ihr hin die Bögen und die Sehnen. Ei, war die Vila hurtig aufgesprungen und sass schon lauernd hinter grüner Tanne. Da naht des Weges reitend Prinzchen Marko auf seinem Schecken, auf dem Schlachtenrösslein, und hinterdrein Herr Relja Flügelträger. Sie spannt den Bogen, (ihre Hand verdorre!) und zieht hervor den Pfeil, der Tod verursacht, und schiesst den Flügelträger Relja nieder. Da sank aufs Haupt ins Gras Herr Relja nieder. Prinz Marko wandte seine Blicke rückwärts und sah im Grase seinen Relja liegen. Da liess er frei die beiden Rüdenhunde, und himmelwärts die beiden Falken fliegen, die fingen ein vom Hochgebirge die Vila und brachten sie vor ihren Prinzen Marko. Nun solltest du den Prinzen Marko sehen! wie er die wohlgeflochtne Peitsche hernimmt und auf die Vila vom Gebirge losschlägt. — Du Taugenichtsin, Vila vom Gebirge, wer hier daherkommt, soll in Frieden ziehen! Wo blieb zurück mein Relja Flügelträger? Zur Antwort gibt die Vila vom Gebirge: — Sei mir durch Gott ein Bruder, Prinzchen Marko! o schenk mir jetzt das Leben auf der Wahlstatt, ich will den Flügel-Relja neu beleben. Er schenkte ihr das Leben auf der Wahlstatt, Nun solltest du die Alpenvila sehen, wie sie die sieben Freundinnen herbeiruft: — O bringt mir Tau herbei vom See und Anger, damit ich Relja wieder neu belebe! Die sieben Freundinnen, sie brachten schleunig, sie brachten ihr den Tau vom See und Anger. Drein badet sie den Flügelträger Relja. Ei, ist nun Relja hurtig aufgesprungen! Prinz Marko sprach darauf ein Wort gemessen: — Ihr sieben Freundinnen vernehmt mich allda! Jetzt schafft mir her die beiden Ritterrosse von goldnen Mähnen und von goldnen Schweifen, auf deren Stirn der Morgenstern Aurora, auf deren Brust ergleisst der helle Mondschein, auf deren Rücken spielt die flinke Otter! Sie brachten ihm die beiden Ritterrosse von goldnen Mähnen und von goldnen Schweifen, auf deren Stirn der Morgenstern Aurora, auf deren Brust ergleisst der helle Mondschein, auf deren Rücken spielt die flinke Otter. Sie schenkten sie dem Königsohne Marko, und Marko ihnen’s Leben auf der Wahlstatt. So zogen sie denn heim gesund und fröhlich. Dem Herrn, der heute hier Papier bekritzelt, dem sei die Mutter froh am heimischen Herde, die Mutter ihm, und mir die Hausgenossen. Zu V. 19. Der Vers ist schlecht, es fehlen zwei Silben und zudem ist der Inhalt unrichtig, denn im Wasser hausen keine Vilen. Der Guslar merkte selber, er habe sich verschnappt und besserte sich aus in V. 21: Die Vilen weilen bei dem See auf einer tauigen Wiese, und zwar weil sie dort ihre zwei Rosse zu weiden haben. Zu V. 22–26. Man hat an Rosse in hellschimmernder Panzerrüstung zu denken. In andern Liedern werden genug oft wirkliche Panzerrüstungen der Rosse beschrieben. Bei Vilenpferden setzt der Guslar voraus, sei dieser Glanz und die Herrlichkeit mitangeboren. Zu V. 46. šemno neveselo = freudig trübgestimmt. Ein Oxymoron, wie man bei uns in Wien sagt: fürchterlich schön, oder »sich entsetzlich freuen.« In Guslarenliedern nicht selten. Ein hübsches Oxymoron und zugleich ein witziges Wortspiel erzählt man sich vom Walzerkönig Strauss. Als vor Jahren in Wien die Lehrer einen Kongress abhielten, gab man ihnen zu Ehren eine Galavorstellung in der Hofoper. Strauss war Dirigent. Damals machte er die Bemerkung: »ich hab’ die Oper schon voller, ich hab’ sie schon leerer gesehen, doch voller leerer (Lehrer) noch nie«. Zu V. 61–62. Das ist eine nicht aussergewöhnliche Übertreibung, eine dichterische Figur, die leicht Anlass zu einer Sage geben könnte. Relja habe so schön gesungen, dass er selbst die Pflanzen in Bewegung setzte. Vielleicht ist die Mythe vom Spiel Orpheus’ auf solchem Wege gestanden. Zu V. 66. Relja wird »Bastard« nur gescholten, doch ist er keiner. Zu V. 70. Dieser Handel ist neu; denn nach dem Rechtbrauch wird der Vorstand einer Gemeinschaft durch Stimmenmehrheit der Mitglieder gewählt oder abgesetzt. Man hat sich wohl die älteste Vila hier als die Mutter der übrigen vorzustellen, denn sonst hat ihr Anerbieten keinen Wert. Zu V. 74. Die Vilen schauen so starr zu Boden, als wollten sie das Gras wachsen sehen. Stereotype Formeln. Zu V. 87. Ein gewöhnlicher Fluch. Vergl. Krauss: Orlović S. 103–108. Zu V. 103–104. Nach V. 103 sang der Guslar, durch die lauten Gespräche der Anwesenden verwirrt gemacht, unpassend die Verse, die ich aus dem Texte nachträglich strich: »Progovara kraljeviću Marku: ‘Kamo meni Bogom pobratima, pobratima Relju krilatoga!’ A govori nagorkinja vila.« Zu V. 110. Gegen Sonnenstich empfiehlt man Waschungen mit frischem Morgentau. Zu V. 131–133. Ein Nachgesang, mir, dem Schreiber und den Zuhörern zu Ehren. Ich hatte mich nach Volkbrauch dem Guslaren nicht vorgestellt, woher ich sei und wie ich heisse, sondern ihm bloss den Zweck meiner Reise mitgeteilt und ihn mit Speise und Trank bewirtet, um ihn zum Singen zu bewegen. Darum ist der Nachgesang so kurz ausgefallen. Zum Schluss sang er noch eine gepfefferte »Würze« (začinka), ein 36 Zeilen langes Liedchen und endete mit den Worten: na zdravlje radnja taman! (zur Gesundheit sei die Arbeit fürwahr!) Das Lied ist vom Guslaren Mićo oder Mišo Kosović. Gleich dem vorigen hat auch ein anderer Guslar die Notwendigkeit empfunden, den Zug der Helden ins gemiedene Hochgebirge zu begründen. Er kam auf den Gedanken, die edlen Ritter in einem Hochzeitzuge auftreten zu lassen. Was haben aber Hochzeiter im wilden Gebirge zu tun? Da half sich recht schlau der Guslar. Er verlegte den Wohnsitz der Vilen auf eine steile, unzugängliche Burg und machte aus den Vilen förmliche Raubritter, die kühnen Wanderern für immer den Weg verleiden. Zum Überfluss muss, nach der Deutung des Guslaren, der Weg gerade durch die Burg führen, etwa so wie dies bei der alten Burg von Vranduk an der Bosna im Engpasse der Fall gewesen, ehe auf dem entgegengesetzten Bosnaufer die Bahn gebaut worden war. Um einen Namen für die Vilenburg war der Guslar nicht verlegen. Der Name des Prinzen Marko lenkte ihn auf dessen Stammburg Prilip. Nun musste der Sänger den Prinzen seine eigene Burg erobern lassen. So schuf er sehr frei eine neue Sage, die mit der älteren Überlieferung im schroffen Widerspruch steht. Ein Guslar macht sich aber aus solchen Widersprüchen keine grossen Bedenken. Ganz gemütlich berichtigt er zum Schluss (V. 86) seinen Irrtum, um bei seinen Zuhörern nicht anzustossen. Wie leicht greift ein anderer Guslar just diese neue Sage auf und verwertet sie als Hauptmotiv zu einem neuen Liede »Wie Prinz Marko in den Besitz einer Burg gekommen?« Auf diesem Wege durch Umdichtungen, Nachdichtungen, Missverständnisse und willkürliche Entstellungen erleidet jede Überlieferung Veränderungen, die besonders bei sehr beliebten Stoffen schwerwiegendster Natur zu sein pflegen, so dass der ursprüngliche Bericht über einen Fall oder ein Ereignis völlig unkenntlich werden kann. So ein Ereignis war die Niederlage der Serben unter Fürst Lazar zu Leitengeben (Kosovo). Ein Agramer Akademiker veröffentlichte ein Werkchen über die auf jene Schlacht bezüglichen serbischen Epen, um zu zeigen, wie sie zu einer grossen Epopöe verarbeitet werden müssten. Den Wert jener Untersuchung mag man nationalchrowotisch noch so hoch veranschlagen, für die Folklore-Wissenschaft ist er nichtig, weil der Verfasser trotz dem Aufgebot seiner patriotischen Gefühle die Entwicklunggeschichte der Kosovo-Epen gar nicht geahnt zu haben scheint. In den früheren zwei Fassungen werden sechs oder sieben, in dieser 30 Vilen namhaft gemacht. Drei, sieben, dreizehn, dreissig, hundert, dreihundert usw. sind im Volkmunde runde Zahlen, um eine unbestimmte, grössere oder kleinere Menge kurz anzugeben. Wörtlich darf man solche Angaben nicht, oder nur äusserst selten, nehmen. Pogibija Janje vile ot Prilipa. Zaprosio Gjurgjeviću Gjuro na daleko lijepu djevojku, u Dreventu curu isprosio; pokupio kićene svatove: starog svata Miloš Obilića, dva prvljenca, dva Jakšića mlada, barjaktara Relju krilatoga; zove kuma od Erdelja bana a prikumka banović Sekulu, ostalijeh stotinu svatova, Gjeverbašu Marku kraljevića. Pa odoše Gjurovi svatovi, u Dreventu daleko hodoše, a govori Marko kraljeviću: — Braćo moja kićeni svatovi, daleko se Gjuro zaturio, na daleko curo isprosio; valja proći kros Prilipa grada, gje no stoje vile nagorkinje tridest vila u Prilipu gradu a pred njima Janja starešnica, što strijela konje i junake, ne da proći kros Prilip junacim. Svatovi će naši izginuti! A veli mu Miloš Obiliću: — A ne boj se Marko kraljeviću! Dok su ovgje sve srpske vojvode, ne smiju nas vile strijelati. Odatele konje naćeraše kros Prilipa grada bijeloga. Ne šćeše ih vile strijelati Dok progjoše u Dreventu tvrdu, iz Drevente pa se povratiše i lijepu curu povedoše, kros Prilipa ope zagaziše. Gledaju jih sa Prilipa vile; naregjuje starešnica Janja: — Moje drugarice trideset mi vila, strijeljajte Gjurove svatove! A ne da im Angja Prilipkinja: — Nemoj Janjo, dugo jadna bila! u Prilip su Srbi zagazili, is Prilipa išćeraće vile! A to Janja haje i ne haje, no poteže od zlata strjelicu, da strijelja Miloš Obilića, a ne da joj Angja Prilipkinja: — Nemoj Janje, dugo jadna bila! Progje Miloš, proćera dorina pa naljeze Marko na šarina, pored njega lijepa djevojka. Ćaše Janja da strijelja Marka a ne da joj Angja Prilipkinja: — Nemoj Janje, dugo jadna bila! Progje Marko, proćera šarina. Sve nalaze kićeni svatovi a naljeze Relja na ždralinu a krstaš bajrak nosi u rukama. Strijelja ga Janja Prilipkinja. Pade Relja nis konja ždralina. Dockan vidje Marko kraljeviću, gje mu Relje ni barjaka nejma, pa se tada Marko ośjetio a on svoga ustavi šarina i ustavi pet stotin svatova. Pa vojvode konje povratiše a u travi Relju nalaziše, Onda dobre konje naćeraše, u Prilipa vile rašćeraše, uvatiše Janju Prilipkinju; za kose je nis Prilipa vuče a teškom je topuzinom tuče: — Diži Janjo Relju krilatoga, nemoj danas glavu izgubiti! Onda Janja Relji dolazila pa je svakih trava donosila pa travama Relju zalagaše. Dok se diže Relja ot Pazara; dok se diže, on skoči ko da se pomami, môm presječe Janju Prilipkinju. A kad Relja preśjekao Janju pa Prilipa srbi porobiše. Ode Gjuro, odvede djevojku. Marko śjede u Prilipa grada, u Prilipu pa se oženio. Tu je njemu postojbina bila. Ja to bilo, ja to nije bilo, davno bilo, sat se spominjalo; mi velimo, da se veselimo! Bog nam dao što bi dobro bilo, kom djevojku kom li udovicu, meni dvije da mi nije krivo, jednu smješnu, drugu ozimačnu, su tim ćemo na planinu poći, da sirimo i da kiselimo. Wie Janja, die Vila von Prilip ums Leben gekommen. Herr Gjurgjević Georg, der hat geworben im fernen Lande um ein schönes Mädchen, und hat in Drevent eine Maid erworben, geschmückte Hochgezeiter aufgeboten: Herrn Miloš Obilić zum Hochzeitvorstand, zum Bräutchenführer beide jungen Jakšić, zum Fahnenträger Relja mit den Flügeln; Gevatter heisst der Ban von Siebenbürgen, der Beigevatter Sekula der Bansohn, zum Haupt der Beiständ lädt er Prinzen Marko und noch dazu wohl hundert Hochzeitgäste. So zogen ab Georgens Hochgezeiter und reisten fort ins weite, weite Drevent. Da sprach ein warnend Wort das Prinzchen Marko: — Geschmückte Hochgezeiter, meine Brüder! Wohl weit hat sich Georg uns da verstiegen, im fernen Land ein Mädchen sich erworben! Jetzt gilt es durch die Prilipburg zu ziehen, dort hausen aus dem Hochgebirg die Vilen, in Prilipburg wohl ihrer dreissig Vilen, als Alteroberhaupt die Vila Janja, die schiesst den Pfeil gen Rosse und gen Helden, die lässt durch Prilip keine Helden ziehen. Der Hochzeitzug, der zieht in sein Verderben! Herr Miloš Obilić darauf entgegnet: — Prinz Marko, nur getrost und ohne Bangen! Da hier beisammen alle serbischen Führer, so wagen keinen Pfeil gen uns die Vilen. Drauf gaben ihren Rossen sie die Sporen und jagten durch die weisse Burg von Prilip. Die Vilen mochten jene nicht erlegen. So zogen durch sie nach dem festen Drevent. Auf ihrer Heimkehr aus der Feste Drevent, als sie das schöne Mädchen mit sich führten, so nahmen wieder sie den Weg durch Prilip. Dort kamen sie in Sicht den Prilipvilen. Und Janja Oberhaupt erteilt die Weisung: — O meine Freundinnen, Ihr dreissig Vilen! erlegt mit Pfeilen mir Georgs Geleite! Doch Angja von der Prilipburg verwehrt es: — O lass es Janja, Leid dich lang verzehre! In Prilip sind die Serben eingezogen, sie werden uns aus Prilip noch vertreiben! Drauf achtet Janja wenig oder gar nicht, sie zieht vielmehr hervor ein golden Pfeilchen, um Miloš Obilić jetzund zu töten; doch Angja von der Prilipburg verwehrt ihr’s: — O lass es Janja, Leid dich lang verzehre! So jagte Miloš heil vorbei den Braunen, da kam geritten Marko auf dem Schecken, an seiner Seite ritt das schöne Mädchen. Nun wollte Janja Marko hier erlegen, doch Angja von der Prilipburg verwehrt ihr’s: — O lass es Janja, Leid soll dich verzehren! So jagte Marko heil vorbei den Schecken. Es folgten nach die schmucken Hochgezeiter es folgte letzt auch Relja auf dem Kranich, die Fahne mit dem Kreuz in Händen haltend. Von Prilip Janja schiesst gen ihn den Pfeil ab; Herr Relja sinkt vom Kranichross zur Erde. Ein wenig später merkte Prinzchen Marko, dass weder Relja noch die Fahne folge; ihm schwante gleich, es sei was vorgefallen, er machte halt mit seinem Ross, dem Schecken und hiess auch die fünfhundert Gäste halten. Die Führer kehrten um mit ihren Rossen und fanden in dem Grase Relja liegen. Da gaben sie den braven Rossen Sporen, vertrieben aus der Prilipburg die Vilen und fingen ein von Prilipburg die Janja. Prinz Marko schleift sie bei den Haaren abwärts und schlägt auf sie mit seinem schweren Kolben: — Erheb den Flügelträger Relja, Janja, sonst musst du heute noch dein Haupt verlieren! Drauf schritt zu Relja hin die Vila Janja, sie brachte hin zu ihm so manches Kräutlein und legte Kräuter auf des Relja Wunden. Da reckt sich auf Herr Relja aus dem Pazar, er reckt sich auf, ein Sprung, als wär er rasend und haut im Nu entzwei von Prilip Janja. Nachdem Herr Relja Janja durchgesäbelt, da plünderten die Prilipburg die Serben. Nun zog Georg mit seinem Mädchen heimwärts, doch Marko liess sich nieder wohl auf Prilip, auf Burg von Prilip nahm er sich ein Weibchen. Auf diesem Orte war er erbgesessen. Ob’s so geschehen oder nicht geschehen, geschehen ist’s, man soll davon gedenken; wir singen’s, um daran uns zu ergetzen! Gewähr uns Gott, was wohl bekommen dürfte, ein Mädchen dem, dem andren eine Witwe, mir zwei zugleich, ich soll nicht klagen mögen, ein lustig Ding und eine treu zur Arbeit, mit denen auf die Alm wir ziehen könnten, um Käs’ zu machen, saure Milch zu kochen. Zu V. 1. Es scheint mir, dass »Georgsohn Georg« eine vom Guslaren erfundene Gestalt ist. Zu V. 3. Drevent vom pers. derbend, türk. dervend, Engpass, befestigter Pass; kommt als Ortname mehrmals vor (z. B. Dervent an der Ukrina). Der Guslar verlegt die Burg Drevent offenbar nach Bulgarien. Zu V. 5–10. Über die Würdenträger bei Hochzeiten, vergl. Krauss: »Sitte und Brauch der Südslaven«, S. 380–385. Zu V. 11. Marku ist ein grammatischer Fehler, wie deren im Liede mehrere vorkommen. Ich mag sie nicht besonders anführen und besprechen, weil für den Folkloristen derlei Erörterungen im allgemeinen von keiner Wichtigkeit sind. Zu V. 40. Angja hat man sich als Wahlschwester des Prinzen Marko zu denken. Zu V. 58. Krstaš bajrak ist eine Prozessionfahne. Zu V. 65. Während im V. 10 nur von 100 Hochzeitleuten die Rede ist, kommen hier fünfhundert vor. Der Irrtum ist kein Irrtum, wenn man die Schlussbemerkung der Einleitung über die runden Zahlen als richtig gelten lässt. V. 87–95 ein Nachgesang, an den der Guslar noch eine »Würze« anhing, die wegen ihres unzüchtigen Inhaltes hier nicht abgedruckt werden darf. Zu V. 93. smiješna in der sehr seltenen Bedeutung »lachlustig«, die gewöhnliche ist: »lächerlich, albern«. Ozimačna »die für die Winterarbeit taugt«, die hauswirtliche Schaffnerin. Zu V. 95. Kiselica, saure Suppe, ein Lieblinggericht des Bauernvolkes. Man kocht die Buttermilch ab, salzt und pfeffert sie ein, brockt Brot ein, und die Suppe ist fertig. Der Guslar heisst Kuzman Bjeletić und stammt aus dem Dorfe Bjeletić im Herzögischen. Stolz sagte er zu mir: »Ich bin der Brudersohn des Popen Bjeletić Alexa aus Bjeletić«. Das Heldenfräulein und die Blockhausvilen. Das nachfolgende Guslarenlied hat zum Vorwurf ein in den asiatischen und europäischen Literaturen allbekanntes und vielbenütztes wirkliches oder erdichtetes Geschehnis vom heldenmütigen, männlichen Sinne eines Frauenzimmers, das als Ritter verkleidet in die Welt auszieht, um ihres Herzens Liebsten aus feindlicher Haft zu erlösen. In unserem Falle befreit die Schwester den einzigen Bruder. Daneben erscheinen in der Guslarenüberlieferungen Varianten: Die Mutter erkämpft ihre dem Tode in Feindehand verfallenen Söhne oder die Gattin verschafft ihrem Manne die Freiheit wieder, oder die Tochter erobert sich ihren Vater oder sie legt männliche Rüstung an und dient im Heere für den Vater [208]. Jede Schlussfolgerung auf eine bevorzugte gesellschaftliche Stellung der Frau unter den Südslaven, die einer nur aus dieser Sage zöge, müsste man als haltlos bezeichnen. Mehr kann ich nicht zugestehen, als dass hier eine serbische Lokalisierung eines internationalen Erzählungstoffes vorliegt. Die Slavisierung erfolgt hauptsächlich durch die Einschaltung eines Abenteuers mit Vilen, das dem Heldenfräulein auf dem Befreiungzuge im wilden Hochgebirgwald zustiess. Damit führt uns der Guslar auf das Gebiet echtslavischen Volkglaubens hin, über den man sich ausführliche Belehrung aus meinem Buche ‘Volkglaube und religiöser Brauch der Südslaven’ (Münster i. W. 1890 S. 69–109) holen mag. Die primäre Gleichheit dieser Vilengestalten mit altgermanischen Valkyrien ist augenfällig. Des Vergleiches halber verlohnt es sich die Ausführungen Elard Hugo Meyers und Wilhelm Hertzs nachzulesen [209]. Hinsichtlich des Völkergedankens aber, der mit der Vilenepisode einen weiteren Beleg erhält, enthebt mich jeder Erörterung das VIII. und XI. Kap. des klassischen Werkes Edwin Sidney Hartland’s: The Legend of Perseus. The Life-token. (London 1895). Der nachstehende Liedtitel vom Guslaren, nach dessen Auffassung Beg Kitonjić die Hauptperson des Stückes ist. O begu Kitonjiću. Majka rani sina jedinoga po imenu Lonjdžića Ivana, ranila ga petnaes godinica; i u nje još dvije ćeri bjaše: bješe Jela i Angjuša sestre. K njim dohodi beže Kitonjiću. Njega vigje Lonjdžiću Ivane, sestri svojoj tiho govoraše: — Progj se sestro bega Kitonjića! Zâr ćeš dati vjeru za nevjeru? Zâr ćeš meni obraz ocrniti? U večer je večer omrknula; beže dogje oko pola noći, Angjelije po imenu viče: — Ustan Angjo, da s razgovorimo! Na njega se izadrije Angja: — Ajd otale prokleta balijo! ja nijesam odgojila lice, da ga ljube turci kitoljani! Onda Angji beže odgovara: — Ak t uhitim tvog brata Ivana, živa ću ti ogulit Ivana! Ode turčin u Kitoka svoga. Ivo s moli svojoj staroj majci: — Daj mi majko svijetlo oružje, da ja igjem u lov u planinu, ne bi l štagogj lova ulovio! Mati ne da svijetla oružja. Tude progje godinica dana a i druga nastade godina, od matere zaiska oružje. Mati njemu ne dade oružja. Umoli se sestre Angjelije: — Ukradi mi ključe od matere i iznes mi svijetlo oružje! U po noći ključe izbavila, u po noći dade mu oružje, u po noći ode u planinu. Prvi dan je po planini odo a od lova ništa ne ulovi. Pa i drugi po planini odo a od lova ništa ne ulovi. A i treći po planini odo a od lova ništa ne ulovi. A trećega polovina progje a Ivana soisala žegja, jere tude kapi vode nema: — Što ću jako, moja mila majko! Mila majko, umrijo od žegje! Prorezaću svoju desnu ruku, da s napijem svoje crne krvce! Pa on trže andžar ot pojasa, da proreže svoju desnu ruku. Dok ga vila is planine viknu: — Ne, Ivane, žalosna ti majka, ne rež ruke, ne kvari tijela! Tamo kreni stazom poprijeko, tamo ima spletena jelika i pod njome studena vodica pa se napi i razladi lice! U zo čas je poslušao vile! I okrenu stazom poprijeko pa on nagje spletenu jeliku i pod jelom studenu vodicu pa s umijo i vode napijo. Kako s napi studene vodice, uz jeliku pušku prislonio, namah leže u zelenu travu. A voda se zvala nesretnica; ko je pio nesretan je bio. Nama zaspa, ni za žta ne znade. Al eto ti bega Kitonjića sa svojijem trijest kitoljana. Spavećiva Ivu savezao, oteraše u Kitoka grada. Izigjoše na polje zeleno. Do po polja detjelina trava a ot pola kosti pritisnule, pritisnule konjske i junačke, što s isjekli bezi Kitonjići. Ivan cvili kano ženska glava. Dotera ga do Kitoka grada, u tavnicu ubaci Ivana. U tavnici voda do pojasa a šešina poviše perčina. Zalupaše po zindanu vile, zapištaše zmije i aždaje, zagrktaše orli i gavrani: — Fala bogu i begu našemu, kad ubaci Lonjdžića Ivana, barem će nas mesom naraniti a i crnom krvi napojiti! Pod njim ćemo zimu zimovati, ot po zime u njedra pribjeći. U proljeće o Jurjevu danu onda ćemo u perčin pribjeći, u perčinu navijat gnijezdo i iž njega ptiće izvoditi, ja sve tiće šarene gujiće i guštere ot četiri glave! Uplaši se Lonjdžiću Ivane, cvili Ivo ko šarena guja a u Lonjdži Ivanova majka. A dan po dan tri godine dana. Svu je Lonjdžu stara pokupila i akove vina izvalila, napojila pa je naranila. Ona viče grlom iza glasa. — Tko bi m kazo za Ivana moga, ja za živa ja za mrtvu glavu, dala bi mu svu Lonjdžu bijelu! Jednu bi mu ćercu poklonila a jednu bi sebi ostavila, nek me rani za života moga! A nitko se nalazit ne more, razbiše se ot kule Ivine. Angjelija k majci uljetjela: — Majka naša mili roditelju! Izvedi mi krilata gjogata i izvedi debela putalja. Iznesi mi bratove aljine, ić će sestra brata potražiti, ja ću ići sa sestrom Jelunom. Ja Ivana živa nahoditi, ja li i mi pogubiti glave, ja li dati vjeru za vevjeru! Itro njima konje izvodila. Ovde svoje ćeri opremila, što nosaju carske pašalije. Obadvije konje uzjašiše, Angjelija krilata gjogata a Jeluna debela putalja. Pa odoše a Rogoš planinu. Kad iziše na Rogoš planinu, gje se biju tri druma četiri, Angjelija Jeli besjedila: — O Jeluno sestro moja draga, valja ići drvenu čardaku, dobro čuvaj debela putalja, gje su vile čardak načinile, [p]ostavile sopre i trpeze, pune čaše naljevene vina a endeci krvi nalaženi. Kogod junak progje kros planinu i naigje njiovu čardaku, uzimaju svoje dugovanje: od junaka oba oka vrana, obadvije iz ramena ruke, čuvaj nama konja vi planini, ja ću s kriti od jele do jele. Jere veće oko pola dana, vile legnu oko pola dana a poskidaju svilene košulje, objese ih o čardaku svome. Ako bog da i sreća božija pa ja njima ujagmim košulje, lasno ćemo čardak prolaziti. Ako oto sestro ne uradim, objema će oči izvaditi, obje će nas rukam rastaviti. Ako bog da d ujagmim košulje, zajmiće me nis planinu vile. Nemoj mi se sestro priplašiti, dobro čuvaj konja obadva nam! Oto reče, zag je us planinu pa se krije od jele do jele. Primače se drvenu čardaku. Sve pospale po čardaku vile. Ujagmi im sve devet košulja, naže bežat Angja nis planinu. Gole lete vile nis planinu: — Sestro naša glavna Angjelijo, povrati nam svilene košulje, išći sestro, štogod ti je drago! — Sikter vile ajte us planinu, oboriti drvena čardaka i zaspite krvave endeke, što st junačkom krvi natočile! a prolite vino i rakiju, polupajte čaše i maštrape pa bježite u pećine vile, u pećine gje st i prije bile pa ću onda povratit košulje! Itro vile čardak oborile i zasuše krvave endeke i proliše vino i akove, polupaše srče i maštrape. Dade njima sve devet košulja. Pobjegoše vile u pećine, u stijene gje su j prije bile. Onda sestre konje projašiše i odoše u Kitoka grada; na kitočko polje izodiše. Do po polja djetelina trava a ot pole kosti pritisnule, pritisnule konjske i junačke. Jeluna se vrlo uplašila. Angjelija Jeli besjedila: — Ne plaši se sestro moja draga! Ja ću bega živa savezati, doterat ga u Lonjdžu bijelu! U avliju konje utjeraše, u avliji konje odjašiše. Angjelija Jeli besjedila: — Čuvaj sestro konja na avliji, ja ću begu na bijelu kulu! Ode begu na bijelu kulu, ona nosi pernu topuzinu. Beže sijo, pije za trpezom. Kad upade k njemu Angjelija bega uze za jaku za vratom, sve ga vuče a topuzom tuče: — Zar ti piješ za trpezom vino a zar ne znaš za careve ljude? Tebe zove care ka Stambolu, da povedeš sužnje is tamnice! Dovuče ga do jedne tavnice: u njoj ima stotinu sužanja, sve sužanja a težaka ljudi! Pa otvori na tavnici vrata pa ispušća stotinu sužanja, bega vuče a topuzum tuče: — Kam ti beže Lonjdžića Ivane? Car ga ište Carigradu gradu! — Aman draga carska pašalijo! Sam je Ivan u drugoj tavnici! Odvede ga do druge tavnice, otvorio na tavnici vrata pa ispušća Lonjdžića Ivana: — Vež mu beže naopako ruke, valja ti ga gonit Carigradu! Beže sveza Lonjdžića Ivana. — Ajde beže izvezi gjogata, neka sužanj jaši na gjogatu, ti ćeš pod njim voditi gjogata! Beže itro izvede gjogata pa povede konja on pot sužnjom. I zeleno polje prilaziše. Kad u crnu goru zaodiše, one begu ruku savezaše, oteraše u Lonjdžu bijelu a Ivanu odvezaše ruke. Jaši Ivo konja Kitonjića. Kad dogjoše staroj svojoj majci, dovedoše svog brata Ivana, šire ruke, u čelo se ljube. Majka mu se oko vrata ujti pa odoše u bijele dvore a baciše bega u tavnicu. Beg tamnuje devedeset dana. Kad izigje devedeset dana, izvede ga sestra is tamnice, izvede ga svom bratu Ivanu, za punu ga posadi trpezu: — Dera kurvo beže Kitonjiću z bratom mojim sastavi se pićom! Vidi momka a vidi junaka, gje ga sveza jedna ženska glava! Da b u gori, ne bi ni žalio, već u tvome dvoru i timaru! A da si mi brata pogubio, danas bi te žive ogulile! Napij s vina, ajde u Kitoka! Tvoju ću ti pokloniti glavu, jer si mojem bratu poklonio, i izvesti tvojega gjogata! Izvede mu debela gjogata: — Ajd se fali po Kitoku gradu, di te sveza jedna ženska glava! Wie es Kitonjić dem Beg ergangen. Grosszog die Mutter einen einzigen Sohn, Johannes Lonjdžić war er zubenannt; sie zog ihn gross wohl fünfzehn traute Jahre. Auch waren Töchter zwei ihr noch zu eigen, es war Helen und Schwester Angelina. Beg Kitonjić zu ihnen pflag zu kommen. Johannes Lonjdžić ihn allhier erschaute, mit leisem Laute sprach er so zur Schwester: — Gib Kitonjić dem Beg den Laufpass, Schwester! Gäbst du den Glauben für den Ohneglauben? Willst du zur Unehr’ meine Ehr’ verkehren? Am Abend war der Abend angedämmert, der Beg zur mitternächtigen Stunde kam, er rief heran beim Namen Angelina: — Wach auf, mein Engel! Auf zum Plauderstündchen! Da fuhr ihn grausam Angelina an: — Von hinnen troll dich, Tuchrock du verfluchter! Nicht darum hab’ mein Antlitz ich gepflegt, dass Kitokburger Türken sein liebkosen! Zur Antwort Angelinen gab der Beg: — Ergreif’ ich je dir deinen Bruder Ivan, lebendig schinden will ich deinen Ivan! So zog nach seinem Kitok ab der Türke. Einschmeichelnd Ivo bat die alte Mutter: — O Mutter, gib mir ein Gewaffen gleissend, dass auf die Jagd ich zieh’ ins Hochgebirge, vielleicht mit Glück ein Jagdstück ich erjage! Die Mutter ihm versagt Gewaffen gleissend. Seitdem ein trautes Jahr verstrich an Tagen und kam auch in das Land ein zweites Jahr, Gewaffen wieder heischt’ er von der Mutter, die Mutter ihm Gewaffen tat versagen. Einschmeichelnd bat er Schwester Angelinen: — Geh, stiehl die Schlüssel weg mir von der Mutter und bring heraus mir ein Gewaffen gleissend! Um Mitternacht bekam sie frei die Schlüssel, um Mitternacht sie gab ihm ein Gewaffen, um Mitternacht er zog ins Hochgebirge. Am ersten Tag er zog durchs Hochgebirge, doch nicht ein einzig Jagdstück er erjagte. Am zweiten zog er auch durchs Hochgebirge, doch nicht ein einzig Jagdstück er erjagte. Am dritten zog er auch durchs Hochgebirge, doch nicht ein einzig Jagdstück er erjagte. Verstrichen schon die Hälfte war vom dritten und Durst mit arger Qual befiel Johannes, dieweil zu finden hier kein Wassertropfen: — Was tu ich itzt, o meine teuere Mutter! Vor Durst ich schier verstarb, o teuere Mutter! Die rechte Hand ich mir durchschneiden werde, um satt an meinem Schwarzblut mich zu laben! Und riss heraus den Handžar aus dem Leibgurt, um aufzuschneiden seine rechte Hand, als ihn vom Hochgebirge rief die Vila: — Halt ein, Johannes, wehe deiner Mutter! Schneid nicht die Hand, den Leib dir nicht verschände! Dort auf dem Querpfad ein die Richtung schlage, dort auf der Höh’ ein Tannenbaum verschlungen und unter ihm entquillt ein kalter Bronnen; da trink dich satt und kühl dir ab dein Antlitz! Zur bösen Frist er folgt der Vila Weisung und schlug die Richtung auf dem Querpfad ein; er fand dortselbst den Tannenbaum verschlungen und unterm Tannenbaum den kalten Bronnen, er wusch sich ab und trank sich satt mit Wasser. Sobald als er vom kalten Quell getrunken, die Büchse an den Tannenbaum er lehnte, ins grüne Gras er gleich sich niederlegte. Der Quell jedoch, der hiess der Unglückselige, wer daraus trank, nur unglückselig ward. Gleich schlief er ein, verlor sein klar Bewusstsein. Ei, siehe da! Beg Kitonjić des Weges mit seinen dreissig Kitokmannen naht. In Bande schlägt er Ivo den verschlafnen. Nach Kitokburg von hinnen sie ihn schleppten. Ins grüne Blachgefild hinaus sie kamen. Kleegras bedeckt des Blachfelds eine Hälfte, die andere Hälfte Knochen niederdrücken, darnieder Ross’- und Heldenknochen drücken; die Wahlstattsaat der Begen Kitonjić! Aufwimmert Ivo, wie ein Frauenzimmer. Er schleppte fort ihn auf die Burg von Kitok, ins Burgverliess er warf hinab Johannes. Im Burgverliess das Wasser bis zum Leibgurt und Riedgras ragt empor noch überm Haarzopf. Hei, plätscherten die Vilen toll im Kerker, kraftvoll die Schlangen und die Molche zischten, Gekrächz erscholl der Adler und der Raben: — Gott sei’s gedankt, gedankt auch unsrem Beg, dieweil herab er warf Johannes Lonjdžić. Uns nähren satt er wird mit Fleisch zumindest und satt wohl auch mit schwarzem Blute laben! Den Winter unter ihm wir überwintern, nach Wintermitt’ in seinen Busen flüchten. Im Frühling, um die Zeit des Géorgtages, dann flüchten wir hinauf ihm in den Haarzopf, ein Nest wir werden in dem Haarzopf winden und aus dem Nest heraus die Vöglein führen, wohl lauter Vöglein, buntgefleckte Schlänglein und Echsen, denen Köpfe vier gewachsen! In Lonjdžić Ivo fuhr darob ein Grausen. Gleich einer scheckigen Natter jammert Ivo, und Ivo’s Mutter auch daheim zu Lonjdža. So Tag auf Tag ergab drei Jahr an Tagen. Aufbot die alte Frau das Volk von Lonjdža, liess Wein heraus in Eimerfässern wälzen, das Volk mit Trank und Nahrung reich bewirten. Sie schrie mit hellem Laut aus voller Kehle: — Wer Kunde mir von meinem Ivo gäbe, ob er noch lebt, ob nicht schon tot sein Haupt, ganz Lonjdža weiss dem Manne würd’ ich schenken! Den tät bedenken ich mit einer Tochter, und würd’ mich auch mit einer nur behagen, dass sie mich nähr’ in meines Lebens Tagen! Doch solchen Kämpen kriegen man nicht konnte. Von Ivo’s Warte alle sich verliefen. Zur Mutter kam geflogen Angelina: — O unsre Mutter, teuere Schöpferin! Geh, führe mir heraus den Flügelschimmel und führe mir heraus den feisten Fleckfuss. Mir bringe das Gewand heraus des Bruders; den Bruder suchen wird die Schwester gehen. Ich werde mit Helenen gehn der Schwester! Entweder finden lebend wir Johannes, wo nicht, auch unsre Häupter preis wir geben, oder den Glauben für den Ohneglauben! Die Renner rasch hinaus sie ihnen führte. Allda sie angekleidet ihre Töchter, gleich wie sich kleiden kaiserliche Pagen. Aufschwangen alle beide sich zu Rosse, wohl auf den Flügelschimmel Angelina, Helenchen auf den feisten Fleckenfüsser. Sie zogen ab ins Rogoš-Hochgebirge. Als sie ins Rogoš-Hochgebirge kamen, wo drei bis vier der Wege sich begegnen, Helenen Angelina also ansprach: — O du Helenchen, meine teuere Schwester! Zum holzgebauten Blockhaus gilt’s zu gehen, behüte bestens deinen feisten Fleckfuss, allwo ein Blockhaus aufgebaut die Vilen, wo festlich Tafeln reich bedeckt mit Esswerk, die vollen Humpen angefüllt mit Wein und wo mit Blut die Gräben vollgestockt. Welch Held noch immer durch den Hochwald zog und auf ihr Blockhaus stiess von ohngefähr, von jedem ab sie nahmen ihre Fordrung: vom Helden beide rabendunkle Augen und aus den Schultern alle beiden Arme. Behüt im Hochgebirg uns unsre Rosse. Vom Tann zum Tann verbergen ich mich werde. Denn schon ist’s um des Tages Mittagstunde, um Mittag nieder sich die Vilen legen und ziehen sich vom Leib die seidnen Hemden, die hängen auf an ihrem Blockhaus sie. So Gott es gibt und göttlich Glück es gönnt, dass ich vorweg die Hemden ihnen nehme, mit leichter Müh vorbei wir ziehn am Blockhaus! Sofern die Tat ich, Schwester, nicht vollführe, heraus sie beiden reissen uns die Augen, uns beiden sie vom Leib die Arme rauben. So Gott es gibt und ich gewinn die Hemden, talabwärts jagen mich die Vilen werden; erschrecken darfst du, Schwester, drob mit nichten; behüt nur gut uns unsre beiden Renner! Dies sprach sie, wandte sich hinan zum Hochwald und barg behutsam sich vom Tann zum Tanne, schlich sich heran ans holzgebaute Blockhaus. Im Schlaf die Vilen alle drin im Blockhaus. Beraubte sie der Hemden aller neun, hub an hinab vom Hochgebirg zu flüchten, ihr fliegen nach die Vilen nackt vom Hochwald: — O unsre Schwester, schmucke Angelina, gib unsre seidnen Hemden uns zurücke, du heische, Schwester, was dir mag behagen! — Verbuhlte Vilen, trollt ins Hochgebirge zurück euch, stürzt das holzgebaute Blockhaus und schüttet zu die blutgestockten Gräben, so vollgefüllt Ihr habt mit Blut von Helden. Dann leert den Wein und Branntwein aus zu Boden, zerbrecht die Humpen und zerschlagt die Becher und flüchtet, Vilen, wieder in die Felsen, in Felsen wieder, wo ihr früher weiltet, dann mag ich euch zurück die Hemden geben! Die Vilen rasch das Blockhaus rissen nieder und schütteten die blutigen Gräben zu und gossen aus den Wein und aus die Eimer, die Humpen sie zerschlugen und die Becher. Gab wieder ihnen alle Hemden neun. Zurück die Vilen in die Felsen flohen, in Felsen wieder, wo geweilt sie früher. Die Schwestern drauf sich auf die Rosse schwangen und drangen weiter vor zur Burg von Kitok. Aufs Kitok-Blachgefild hinaus sie kamen. Kleegras bedeckt des Blachfelds eine Hälfte, die andre Hälfte Knochen niederdrücken, darnieder Ross- und Heldenknochen drücken. Gar mächtiglich erschrocken war Helenchen. Helenen also Angelina ansprach: — Erschrick dich nicht, o meine teuere Schwester! Den Beg lebendig ich in Bande binde und treibe fort ihn bis zur weissen Lonjdža! Hinein sie jagten in den Hof die Renner, im Hofe von den Rennern ab sie stiegen. Helenen also Angelina ansprach: — Behüt die Renner, Schwester, in dem Hofraum. Den Beg besuch’ ich auf der weissen Warte! Zum Beg sie abging auf die weisse Warte. Sie trug mit sich den spitzen Stachelkolben. Es sass der Beg beim Tisch am Trank sich labend. Als Angelina hier zu ihm hineinfällt, ergreift im Nacken sie den Beg beim Kragen, schleift ihn herum und drischt ihn mit dem Kolben: — Wie, Kerl, am Wein du tust zu Tisch dir gütlich! Wie, ehren kannst du nicht des Kaisers Leute? Dich ladet nach Istambol vor der Kaiser, und sollst auch mit die Kerkersklaven führen! Wohl hin zu einem Kerker sie ihn zerrte, ein hundert Mann Gefangener unten schmachten, durchaus gefangener, denkt nur, Ackerbauer! Die Falltür zum Verliesse schloss sie auf und liess herauf das Hundert Mann Gefangener. Den Beg sie schleift und drischt ihn mit dem Kolben: — Wo steckt, o Beg, dir denn Johannes Lonjdžić? Der Kaiser ihn nach Stadt Istambol fordert! — Erbarmen, liebster kaiserlicher Page! Im zweiten Kerker weilt allein Johannes! Sie führte hin zum zweiten Kerker ihn. Die Falltür zum Verliesse schloss er auf und liess herauf Johannes Lonjdžić steigen. — Bind, Beg ihm auf dem Rücken fest die Hände, du hast zu treiben fort ihn nach Istambol! Der Beg in Bande legt Johannes Lonjdžić, — Nun tummle, Beg, dich, zieh herauf den Schimmel; den Schimmel soll da reiten der Gefangene, du führst den Schimmel unter ihm am Zügel! Der Beg herauf den Schimmel hurtig führte, zog mit den Renner unter dem Gefangenen. Und quer sie schritten übers grüne Blachfeld. Als sie im schwarzen Hochwald sich befanden, dem Beg sie banden allda beide Hände, sie trieben fort ihn nach der weissen Lonjdža, Johannes aber lösten sie die Bande. Den Renner Kitonjić’s Johannes ritt. Als sie zu ihrer alten Mutter kamen, Johannes, ihren Bruder, heim sie brachten. Stirnküsse sie mit offenen Armen tauschten. Um seinen Hals sich ihm die Mutter hang. Hinauf sie stiegen in die weissen Stuben, den Beg jedoch sie warfen ins Verliess. Der Beg da schmachtet volle neunzig Tage. Als hingeflossen volle neunzig Tage, herauf ihn führt aus dem Verliess die Schwester, führt ihn herauf zu ihrem Bruder Ivo. Sie pflanzte hin ihn an die volle Tafel: — Wohlan, o Beg, du Metze Kitonjić, verein dich hier im Wein mit meinem Bruder! Schau an den Kerl und schau dir an den Kämpen, ein Weibsbild war’s, das ihn in Bande legte! War’s noch im Hochwald, tät mich’s nicht gereuen, doch gar auf deinem eigenen Hof und Gute! Und hättest du getötet mir den Bruder, wir zögen heut dir lebend ab die Haut! Trink an mit Wein dich, kehr zurück nach Kitok, dein Haupt dir will ich zum Geschenk belassen, weil du das Haupt geschenkt auch meinem Bruder, und auch herauf dir deinen Schimmel führen! Herauf sie ihm den feisten Schimmel führte: — Nun geh, berühme dich auf Burg von Kitok, wie dich gelegt ein Magedein in Bande! Am 3. Jänner 1885 gegen 3 Uhr nachmittags hielt ich am Ufer der Spreča einige Stunden vor Dolnja Tuzla Einkehr in einen Han. Der Wirt war ein katholischer Christ und bei ihm kauerten in der Selchkammer oder Gaststube um das qualmende Feuer im Fussbodenloch drei Männer herum, ein älterer und zwei jüngere Tagediebe. Hinter mir kam mein Diener, der Guslar Milovan Ilija Crljić Martinović Rgovljanin. Nach bosnischem Brauch begrüsste ich jede einzelne der vier, bis dahin mir völlig unbekannten Herrschaften besonders, erkundigte mich mit den üblichen Phrasen eingehend über eines jeden Wohlbefinden (nur nicht nach dem Namen) und gab der Reihe nach jedem nicht minder ausführlichen, befriedigenden Aufschluss hinsichtlich meiner. Dann fragte ich den Wirt: Hast du Branntwein? — Habe. — Hast du Kaffee? — Habe. — Plötzlich fuhr ich ihn mit erheuchelter Wütigkeit an: Du Unglückmensch! Warum lässt du dich und meine Freunde Durstqualen erleiden? Heute für alle umsonst. Ich bezahle. Wenn mir einer dieser wackeren Rottgesellen vor Durst verschmachtet, bezahlst du mir Wergeld! — Er ging unter dem Gelächter der Gäste auf den Spass ein, tat sehr furchtsam, bewirtete die Leute und vergass dabei nicht, auch seine Kehle anzufeuchten. Ich inquirierte weiter: Hast du Brot? — Habe keines. — Hast du Mehl? — Gottlob, habe welches! — Dann knet einen Teig an, heiz den Backofen ein und back mir für die Gesellschaft einen Fladen. Dazugeschaut, sonst binden wir dich den Rossen an die Schweife und es ereignet sich etwas, wovon ein Geschlecht dem andern Mären künden wird! — Inzwischen liess ich meinen Pelzrock in den Rauchfang hängen, und als der Wirt den Fladen einschoss, ersuchte ich ihn, auch mein gesamtes Leibgewand, das ich samt Hemde usw. abgelegt, auf einer Weidenflechte mit in den Ofen hineinzustecken. Ich stand fröstelnd da in der Tracht eines badenden Negers und rieb mir die Epidermis ab. Was an der Hand blieb, warf ich auf die Feuerstätte hin. Sagte der Alte: Hör mal, Herr, du bist von weit daher. Hast nicht auch du erzählen gehört von einem schwäbischen Narren, der sich im Gebirge herumtreibt und von Guslaren Lieder niederschreibt? — Wohl, doch für einen Narren halte ich ihn nicht. — Vorgestern erfuhr ich, dass er gegen Tuzla herwandere, und da machte ich mich mit meinen zwei Brudersöhnen auf, um ihn abzuwarten, damit er auch von mir ein Lied aufnehme und es ins Buch stecke. Seit gestern harren wir seiner hier. Kommt er wohl? — Nein. — Ja, kennst du ihn? — Das Glück soll ihn so kennen, wie ich meiner Mutter einzigen Sohn kenne und so gewiss ich dich, Bruder Marko, den Guslaren, aufzusuchen im Begriffe war. Man hat mir dich empfohlen. — Wir schlossen gleich Wahlbruderschaft und er hub an, zu meinen Guslen Lieder vorzutragen. Mir sagte nur das vorliegende zu, doch war ich, auch nachdem ich meine desinfizierte Kleidung wieder angelegt hatte, so durchfroren, dass ich es nicht aufzeichnen konnte. Ich befahl nun meinem Milovan, aufzumerken und dem Wahlbruder Marko, es ihm besonders nochmals vorzutragen. Am nächsten Tage schrieb ich es im Hotel zu Dolnja Tuzla nach dem Diktat Milovans nieder. Milovan war weder vom Liede, noch vom Guslaren Marko befriedigt. Er setzte an ihm Sprachfehler aus, so z. B. wollte er mir weismachen, Marko habe im 6. Verse ka nji statt k njim gesagt und im 73. Vers hob er boshaft sa svojijem hervor, was aber kein Fehler, sondern eine erklärbare dialektische Eigentümlichkeit des aus dem oberen Herzogtum eingewanderten Guslaren ist. Er moquierte sich auch über das unerhörte Wort spavećiva im 74. Vers. — Im V. 141 steht in meiner Niederschrift ostavile, ich musste es in postavile oben ändern. Unser Lied dürfte von hohem Alter sein. Die guten, alten Lieder verraten sich schon äusserlich für ein musikalisches Ohr und bei der Niederschrift für das Auge durch eine gewisse Regelmässigkeit in einer Art von natürlichem Strophenbau. Den Fälschern von Guslarenliedern ist dieses Prinzip primitiver poetischer Technik, das ich bei den Guslaren als der Erste wahrgenommen und in meinen Text-Ausgaben versuchweise durchzuführen mich bemüht habe, allem Anschein nach entgangen; denn ihre Erzeugnisse entbehren dieses nicht unwesentlichen Behelfes im poetischen Satzbau. Die Diärese nach der vierten Silbe, die Koinzidenz vom Sinn- und Wortende in der epischen Zeile sind jüngere Prozessergebnisse, ursprünglicher und älter ist die Strophe, die nicht bloss den Sinn, sondern einen Gedanken anschaulich abrundet und sich in Bezug auf ihre Ausdehnung nach der Bedeutung ihres geistigen Inhaltes richtet. Die Strophe stellt auf dieser Entwicklungstufe den poetischen Satz in seiner Ganzheit dar. Die Strophe ist das ein echtes Guslarenlied aufbauende formell-poetische Element. Das lehrt z. B. auch unser vorliegendes Stück, das, falls ich’s richtig abteilte, folgendes Bild aufweist: 3 + 2, 3, 3, 3, 2 (= 1 + 1), 3, 3 (= 1 + 2), 2 (= 1 + 1), 3, 2 (= 1 + 1), 3, 3, 2, 2, 2, 2, 3, 4 (= 2 + 2), 3, 6 (= 3 + 3), 3 + 2, 3, 3, 4 (= 2 + 2), 6 (= 3 + 3), 4 (= 2 + 2), 3, 6 (= 3 + 3), 6 (= 3 + 3), 3, (1), 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, (1), 3, 7, 7, 7, 7, 7 (es spricht ein Frauenzimmer!), 3, 9 (= 3 + 3 + 3), 4 (= 2 + 2), 3, 3, 3, 2, 3, 3, 4 (= 2 + 2), 4, 4, 3, 3, 4 (= 2 + 2), 3, 3, 3, 3, 4, 4, 4, 4, 4 (= 2 + 2), 4 (= 2 + 2), 4, (1), 2 = 269 Zeilen. V. 2. Lonjdžić; nach dem Ortnamen Londža; serb. und bulg. londža, ngrch. Λοντζα, gewölbte Brücke, aus dem türk., das aus dem italien. loggia, dieses aus dem althochd. laubja, die Laube. Neuslov. und kroat. loža, eine Entlehnung aus dem modernen deutschen Sprachgebrauch. Londža als Ort-, Flur-, Fluss- und Bachname im ehemals oder noch türkischen Gebiete sehr häufig, wo eine gewölbte Brücke stand oder steht. Der Türke strengt bei Namengebungen seinen Geist nicht stark an und macht sich wenig aus der Konfusion, die aus der Namengleichheit entsteht. Der Südslave behilft sich aber doch durch Beiwörter zum Substantivum Londža: mala (die kleine), velika (die grosse), duga (die breite), gornja (die obere), dolnja (die untere), bijela (die weisse), selska (die des Dorfes ist), auch durch das Deminutiv Londžica. V. 10. Der Moslim nennt den Christen einen Kafir, Ungläubigen, der Christ erwidert mit gleicher Münze, indem er den Islam als eine Glaubenlosigkeit bezeichnet. V. 12 und 13. Der Guslar will sagen: ‘Es kam der Abend und es kam die Nacht. Gegen Mitternacht stellte sich der Beg ein.’ Die erstarrte Phraseologie des Guslarenliedes gestattet ihm aber nicht, sich so einfach auszudrücken. Der Guslar gebraucht beim Dichten nicht wie ein moderner Poet flüssige Worte, sondern fertige, ererbte Wendungen, mit denen er musivisch seine Erzählung aufbaut. Die Folge ist eine für einen abendländischen Leser häufig als sprunghaft erscheinende, in ihrer Logik zerrissene Darstellung und eine ermüdende Wiederholung. Die letztere finde ich bei Gelehrten ständig mit dem Ausdruck ‘behagliche epische Breite’ charakterisiert, während ich sagen muss, dass von einer Behaglichkeit beim Guslaren wenig, dafür mehr von bestimmter sprachlicher Unbeholfenheit zu spüren ist. Mancher Guslar empfindet ja auch selber seine bezügliche Unzulänglichkeit und spricht sich sogar während des Vortrages darüber aus, aber selbst die Wendung ist stereotyp: a šta ću vam duljit lakrdiju? ‘Ja, was soll ich euch die Rede in die Länge ziehen?’ V. 22. Das Schinden als Strafe für einen, der das Gastrecht verletzt; bei den alten Deutschen aber, wie es scheint, nur für Ehebrecher. V. 23. Aus Guslarenliedern ist zu entnehmen, dass an der herzögisch-türkischen Grenze gegen Montenegro zu noch anfangs dieses Jahrhunderts im wilden Karst ein Dorf mit einer Warte Kitog bestanden. Karadžić dagegen bemerkt im Wtb.: Kitog ein grosser Wald in der Mačva zwischen der Drina und der Festung Šabac. — Ich hörte nur Kitok und möchte türkischen Ursprung annehmen Kötük, der Baumstamm, der Klotz und als pars pro toto: der Waldbestand. V. 69. Vergl. Krauss: Volkglaube usw. S. 88 f. V. 83. Schilderung der Burgverliesse bei Krauss: Orlović, der Burggraf von Raab, Freiburg im Br. 1889, S. 117 f. V. 86. Vilen sind ebenso wie die Adler und die Raben nur dank der dichterischen Einbildung des Guslaren zu Bewohnern des Verliesses geworden. V. 100. Die vierköpfigen Eidechsen sind poetische Geschwisterkinder der mehrköpfigen Drachen. V. 112. Sie will die Tochter hinschenken, d. h. auf jeden Kaufschilling Verzicht leisten. V. 118. Das Kind spricht die Mutter mit ‘Gebärerin’ an. Der südslav. Bauer hängt seinen Kindern keinerlei Storchgeschichten an, sondern spricht unverblümt von der Zeugung und dem Gebären. Es ist gewöhnlich, dass die Mutter ihre gehabten Geburtwehen dem ungehorsamen Kinde vorhält. V. 119. beflügelt, hier bloss dichterisch zur Bezeichnung der Schnelligkeit des Rosses. V. 133. Rogoš pl., ein Hochgebirge, das manches »Horn« aufweist. V. 146. Ihre Forderung, d. h. eine Mautgebühr, oder daća eine Abgabe, eine Schatzung, wie dies bei Hajduken Brauch war, die jeden Reisenden einschätzten. V. 175. Die Waldgeister haben nur Macht innerhalb ihres Aufenthaltbezirkes. Angelina wirft ihnen ihr verbuhltes Wesen vor. Die Waldgeister aller Völker leben in geschlechtlicher Zuchtlosigkeit. Vergl. W. Mannhardt: Der Baumkultus, Berlin 1875, S. 102 u. 152 f. V. 214. Er hätte vor den Sendlingen des Kaisers vor der Burg einen Kniefall tun und sie vom Ross abheben sollen. V. 219. Dass bei Kitonjić Bauern im Verliesse schmachten, ist eine unerhörte Schandtat; denn den Landmann darf man seiner persönlichen Freiheit nicht berauben. Das ist gegen das Gewohnheitrecht. Der Kerker ist nur für räuberische Adelige und sonst gefangene Landfriedenstörer. V. 233. Die Stallungen in den Burgen waren unterirdisch in Kellern. V. 256. pićom ist kein Druckfehler. Das kluge Fräulein nötigte den Beg zu einer Wahlbruderschaft mit ihrem Bruder, damit der Beg keine Rache für die erlittene Unbill nehmen dürfe. Wie Vilen Ibrâhim Nukić heilten. Bemerken will ich, dass sich die Handlung vor etwa 270 Jahren abgespielt haben mag und dass die im Liede genannten Persönlichkeiten auch anderweitig wohl beglaubigt erscheinen. Um im Deutschen den zehnsilbigen Vers ohne Auftakt glatt durchzuführen, legte ich mir in der Übersetzung keinen Zwang auf. Darum zählt sie mehr Zeilen als ihr serbisches Vorbild. Um der Vorlage formell treu zu bleiben, musste ich notgedrungen zur Wahrung unseres deutschen Sprachgebrauches mehr Worte anwenden. Age piju u Udbini vino, na bijeloj Longji te carevoj, agâ trides na zelenoj Longji, megju njima Ćejvan dedo stari, a do njega Nukić barjaktare; dok se poljem tatar oćutio. Al evo ti careva tatara. Tatar dobra konja osjednuo, u meani agam ulazio, udbinjanim turski selam viknu. Redom age selam prifatiše, dok poteže careva fermana, pa ga dade Ćejvan dedi starom. Ćejvan uči a suze proliva, suze teku niz bijelu bradu, a pita ga Nukić barjaktare. Moj daigja Ćejvan dedo stari, što ti grozne suze prolijevaš, okle knjiga ognjem izgorila? — O sestriću, Nukić barjaktaru, ovo ti je knjiga šarovita, sultanova turali fermana, da se fata Gnjatijević Vuče, u Tihanji, zelenoj planini, jer je hajduk džadu zastavio, dvi od mora, treću je od suha, su tridese svojije hajduka, pa ne ide ruba trgovačka, nit prolaze bale ni tovare, nit careva te silna mirija. »ja ufati Gnjatijević Vuka ja ti svoju do Stambola spremaj!« Kako Ibro cvijeliti ne ću, kad ga kadur izvaditi nisam? — Nemoj dajo, ostarjeo dedo, valja caru hizmet učiniti, i otići u Tihanju pustu, i potražit gorskoga hajduka. Ti povedi trides dobri druga, tko ne žali od kuršuma tila, a ne žali dedo poginuti. — — A moj Ibro, moj sestriću dragi. nit prez tebe hoda ne imade! — Hej moj dedo aga Ćejvanaga, Ibro bi ti išo u Tihanju, fato bi ti Gnjatijević Vuka, ali sam ja curu isprosio, od Otoke bab Ahmetovića, śćer lijepu Zilku plemenitu. Sutra će mi dorat dolaziti, dojašit ga lijepa Zilija, su stotinu kićeni svatova. Hajd daigja ti pokupi društvo, vodi društvo pod Karamanovce, onde ćeš mi pričekati Ibru, dok mi dorat od mejdana dojgje. — Dedo trides ukupio druga. Ćejvan ode pod Karamanovce, Ibro osta kod tančice kule. Dok evo ti kićeni svatova, pod Zilijom dorat od mejdana. Ibro konja takum učinio, na bojeve kuli izlazio, te se svuče te se preobuče, obisio oštru svoju ćordu, za pas zadi dvije puške male a u ruku sjajna džeferdara. Dočeka ga na avliji majka, o svomu se obisila Ibri. — Hej Nukiću radosna ti majka, ne ćeš ići u Tihanj planinu, ni fatati Gnjatijević Vuka. Imala vas do devet sinova Sviju’ vas je Ćejvan odvodio, ni jednoga nije dovodio, svaki mi je sine poginuo. tebe nejma već jednoga, Ibro. — Hoću mati obadva mi svita, ja ću ići sa svojim daigjom. Kada vidje da branit ne može: — Hajde Ibro kuli na vrhove, pa Ziliji lišce ti obljubi, ne će li se evlad nalaziti, ne će l sine odžak ostanuti. Ode Ibro kuli na vrhove, pa uzima srčali tamburu, jasno kuca sitno popijeva: »je l daigja pod Karamanovci? čeka li već Nukić barjaktara?« Do sabaha svu noć prekucao, ne šće Zilji obljubiti lišce, već odbroji tri sta magjarija. — Eto Zilji nićahi osmina, ja l ću doći jaliti ne doći. — Ibro skoči te pojde na vrata, pa eto ga do dorata sajgje, pa uzjaši pehlivan dorina, zelenijem poljem udbinskijem. A kad sigje pod Karamanovce, ugleda ga ostario dajo. Ćejvan dedo na noge skočio, pa sestrića u čelo poljubi. Ibro dedi sjede govoriti: — Hej daigja aga Ćejvanaga, umoran je dorat od mejdana, ovde ćemo noćas prenoćiti, sutra ćemo potražiti Vuka. Dedo Ibru tudem poslušao. Kad u jutro jutro osvanulo, Ibro dobre konje oblazio, svi mu konji zopcu poharčili, dorat nije zobi pozobao vet pod sobom dere meterize. Ibro kaže svom Ćejvanu dedi, tadaj dedi suze poletiše: — Jali nije mene jali tebe! Ja dorata konja od mejdana! — Pa popiše na jutro rakiju, dok zareče Ćejvan dedo stari: — Nije l majka rodila junaka a sekuna brata podgojila, nije li ga meni prigodila, da otije pod pećinu stinu u Tihanju zelenu planinu, je li sada u planini Vuče, pod studenom i pećinom stinom? — Sve mu društvo nikom poniknulo a u crnu zemlju pogledalo, ama ne će Nukić Ibrahime, veća dedi megju oči vrane. — Ćejvan dedo evo ti junaka, koji će ti u Tihanju sijći. Uz dvanajes krševiti klanac, tu dvojica napored ne mogu. Već se oštrim sabljam razmičuju. Vet moj dedo aga Ćejvanaga, ako Ibri do nevolje doje, ja ć ispalit dvije puške male, ti ćeš mi se u potribi najći. — Hoću Ibro, moje dite drago! — Halališe te se poljubiše. Ibro svoga uzjaha dorata, uz pržene udario klance. Sve je zdravo prolazio Ibro a kad dogje pod pećinu stinu, al gotove tole zametnute i gotove čaše natočene, tu hajduka ni jednoga nejma. Ondar Ibro poćera dorina, na Tihanju izije planinu. Dok ugleda na vodi čatrnji, na čatrnji tridese hajduka i pred njima Gnjatijević Vuče. On ugleda Nukić barjaktara, doka viknu tridese hajduka: — Ne na Ibru puške okrenuti, jer sam bogu jemin učinio da ne bijem od majke jedinka! Ibro mi je jedinak u majke a junak je da mu kraja nejma, ne okrećte puške na Ibricu! Dok podviknu Gnjatijević Vuče: — Nejma Ibro tebi ovdi vina! Ibro mu se sa dorina javlja: — Dok upitam široka dorina, ima l meni na čatrnji vina. Doka Ibro naćera dorina a poteže svijetloga daru. Dok s okrenu tri četiri puta pogubi mu tridese hajduka a pobiže Gnjatijević Vuče, a izvadi dvije puške male, dve srmali pa su pozlaćene, ne bi li se ustavio Ibro. Vuče viknu i dva i tri puta: — Ne goni me Nukić Ibrahime! ja sam Bogu jemin učinio, da ne bijem od majke jedinka! Ibro mu se ustaviti ne će, već sve goni Gnjatijević Vuka. Vuče skide troje toke zlatne, ne bi l mu se ustavio Ibro. Ibro na nji’ ni gledati ne će, već sve goni gorskoga hajduka, dok mu skide ćemerliju ljutu, a podviknu grlom junačkijem: — Ne goni me Nukić barjaktare, jer sam Bogu jemin učinio, da ne gubim u majke jedinke. Ibro Vuka goni niz planinu, doka Vuče za kladu uvuče, a po kladi pruži džeferdara; kad mu sinu puška pred očima, loše smiri Sokolović Ibru, udari ga posred džigerica, a niz Ibru krvca udarila. Doka Ibro naćera dorina vruće rane pa ne haje za nje, triput Vuka udari nadžakom, dok izvadi tibtik od njedara, a on Vuku uputio ruke, a smrtne mu muke dodijaše, od Vukove puške i udarca, dvije male puške izvadio, obidvima živu vatru daje. Dedo čuho dvi puške glasnice birden dedo na noge skočio a goluba konja pojašio, a za njijem trides krajišnika. Kad izije dedo na planinu, na planinu kod vode čatrnje, trides leša od hajduka naje, sve hajdučke leše primetnuše, tu Nukića barjaktara nejma. Vet poleti tlakom za doratom i on naje dvije puške male i on naje troje toke svitle. Dok ugleda sokola dorina, a pod njijem Nukić barjaktara, od njega se otisnula krvca, kod njeg Vuče za jeliku svezan, dedo Ibru sve na tlehu ljubi: — Moreš Ibro rane priboliti? Da te sine na Udbinu nosim? — Ne mogu ti rane priboliti vet mu ukini gjuzel džeisiju, a otpaši pusat i odilo, nosi mu je Mujinu Halilu, nek s junaka ije na junaka, neka nosi a spominje pobru! Dedo njemu ukide odilo, dedo ode na Udbinu ravnu, i odnese Gnjatijević Vuka, i odvede debela dorina. Kad g ugleda Nukićeva majka, na sokak je dedi izletila, u ruci joj dvije puške male, pa na dedu puške okrenula, jedna fali a druga upali a nijedna ne smerila dede. Dedo ode šeher Sarajevu jer je onde Hasan paša ćoso. Da oprema Gnjatijević Vuka, na tomu je sišo sa Stambola. Pa prid pašu izvodio Vuka; onda paša dedi govorio: — Kako mi je Bogom pobratime, pobro dragi Nukić barjaktare? — Dobro ti je Nukić barjaktare, skoro ti se pobro oženio, ljubi grli kadgod se probudi. A kad paša razumio riči: — Ko je onog dila ufatio? — Ja sam onog Vuka ufatio. Vuče njemu iza vrata viče: — Nije mene šljaka ufatila već je mene soko ufatio, ufatio Nukić barjaktare! Baci dedu na dno u tavnicu, i gjidiju Gnjatijević Vuka. — Osta soko u planini Ibro. Dok kliknuše do tri gorske vile; jedna kliče na dnu Romanije, druga kliče u po Romanije, treća kliče u vrhu planina. Sastale se do tri gorske vile, pa privrću Nukić barjaktara, sve tri njemu posestrime viču: — Ove rane izličit se mogu! I liče ga punu heftu dana. Svake su mu trave udarili. Kad izišlo puni’ sedam dana, Nukić Ibro na noge skočio pa prefati jelovoga štapa pa on igje niz Karamanovce. Soko sije na Udbinu ravnu. Opazi ga trides krajišnika, krajišnici šemluk učiniše. Debela je dom opravio, i kod majke dvi noći noćio, i š njim pobro od Orašca Tale. — Ja ću pobro ići do Sarajva. Stari mi je dedo u zindanu. To rekoše, konje pojabaše kudgod išla dva bjesna turčina, i sijoše do grada Sarajva. Na Saraju Hasan paša Tiro; paša svoga ugledao pobru, šemluk čini iz bojni’ topova. Latiše se za bijele ruke, izijoše u mehke odaje. Odma Ibro za svog dedu pita. — Eno njega u mračnom [210] tavnici, sa gjidijom Gnjatijević Vukom. Izvedoše Ćejvan deda starog, i gjidiju Gnjatijević Vuka. — Šta ćeš Ibro da ti care daje? — Hoću pobro pod muhurom ćordu, neka mi je s mirom četovati. — — Dade paša ne reče ni riči. Onda veli od Orašca Tali: — Šta ćeš Tale Bogom pobratime? — Ja mu ne ću pod muhurom ćordu, imam svoju krivu palošinu, mogu brate š njome četovati. Već mi daji hašlukavi blaga! Paša njemu izvadio pilo polu hegbe biloga talira. Sve se smije od Orašca Tale. Otalen su konje pojašili, na avliji konje uzjahaše, prvi dedo, za njim ide Ibro, a za njima Tale na kulašu. Kad je bio sarajskom čaršijom, sipa Tale bijele talire oko sebe na obidvi strane; jagme mu se djeca sibijana. Kada Tale na hisata saje, već se zašto napojiti nejma. Ode svaki svomu zavičaju. Davno bilo sad se spominjalo, ko no Gjurgjev danak na godini, ko no dobar junak u družini. Zu Udbina an der Kaiserbrücke in der weissgetünchten Kneipe sitzen an des grünen Longja-Flüsschens Ufer dreissig Edelleute von Udbina und ergetzen sich an kühlem Weine. Zwischen ihnen sitzt der greise Ćejvan und an seiner Seite Fähnrich Nukić. Da erscheint im weiten Feld ein Tatar; und der Tatar ist schon gleich zur Stelle, schwingt sich flink herab vom braven Rösslein und tritt zu den Herren ein ins Wirtshaus. — Selam alejć, Herren von Udbina! rief er ihnen gellend zu auf Türkisch. — Alejć selam! gaben in der Runde einzeln ihm die Edlen gleich zur Antwort. Und der Tatar greift in seinen Busen, zieht heraus den kaiserlichen Ferman und er reicht ihn dar dem greisen Ćejvan. Ćejvan liest den Ferman, und ihm perlen überm weissen Bart die Tränen nieder. Fähnrich Nukić fragt ihn drob verwundert: — O mein Ohm, du hochbetagter Ćejvan, was zerfliesst du so in Tränen schrecklich? Sprich, woher ist dieser Brief gekommen? Möcht ihn lodernd Feuer doch verzehren! — O mein Schwestersöhnchen, Fähnrich Nukić, dieser Brief so zierlich kraus beschrieben ist ein Ferman mit des Sultans Siegel. »Einzufangen ist Vuk Gnjatijević in dem grünen Hochgebirg Tihanja, denn der Räuber lagert auf den Strassen und mit dreissig seiner Raubgesellen sperrt er ab den Weg und Steg zu Lande und zwei andre die vom Meer aus führen. Keine Kaufmannwaren ziehn des Weges — keine Ballen, keine Maultierladung, noch des Kaisers Steuergeld gewaltig. »Fang mir bald den Gnjatijević Vuk ein. Sende mir sein Haupt hieher nach Stambol; kannst du’s nicht, so schick den eignen Kopf her!« Nun, mein Ibro, muss ich denn nicht jammern weil ich jenen Kerl nicht kann erwischen? — Liebster Ohm, mein Väterchen, mein Alter! sei nicht traurig, lass den Mut nicht sinken, denn dem Kaiser muss man stets gehorchen. Jetzo gilt es einen Plan zu fassen, auf die wüste Tihanja zu ziehen und den Räuber im Gebirg zu suchen. Nimm du mit an dreissig Kämpen tüchtig, die ein Loch im Leibe wenig achten, wenn die Kugel einem durch den Leib dringt, und den jähen Tod, mein Ohm, verachten. — O mein Ibro, du mein teurer Neffe, du musst mit, sonst wär’s kein rechter Kriegpfad! O mein Väterchen, mein Ćejvanaga, gerne zöge Ibro auf Tihanja mit zum Fang des Räubers Gnjatijević; doch ich hab ’ne Maid erst jüngst erworben, des Bab Ahmetović von Otoka holde Tochter, die vieledle Zilka. Morgen kehrt mir heim mein brauner Renner, auf ihm kommt schön Zilka hergeritten, mit ihr hundert schmucke Hochgezeiter. Vorwärts, Ohm, du sammle deine Mannen, führ die Mannen nach Karamanovci, dorten wirst du deines Ibro harren bis mein braunes Schlachtenrösslein heimkommt. Dreissig Mannen scharten um den Greis sich; fort zog Ćejvan nach Karamanovci. Ibro blieb daheim auf schlanker Warte. Doch schon nahn die schmucken Hochgezeiter; unter Zilija das braune Streitross. Ibro sattelt wieder auf den Braunen, und begibt sich auf die Oberwarte, legt da ab die schöne Festtagkleidung und legt an die helle Waffenrüstung; festigt um den Gurt den scharfen Säbel, zwei Pistolen steckt er in den Gurt ein und dann nimmt er in die Hand die Flinte, seine blanke Damaszenerflinte. Seine Mutter harrt im Hofraum seiner und sie hängt sich um den Hals dem Sohne: — »O mein Nukić, deiner Mutter Freude! nein, du darfst nicht in’s Tihanj-Gebirge, nach dem Räuber Gnjatijević jagen. Ach, ich hatte neun, o weh mir, Söhne, Ćejvan hat mir alle neun entführt, doch nicht einen je zurückgeführt. Sohn! noch jeder ist mir umgekommen! Nun bist du mein einziger Trost; Ibrâhim, deine Mutter hat nur dich auf Erden!« — »Dennoch, Mutter, zieh’ ich mit dem Oheim, ja, ich schwör’s bei dieser Welt und jener!« Als sie sah, dass sie’s ihm nicht verwehren und Ibrâhim gar nicht kann bekehren, bat sie ihn von wehem Leid ergriffen: »Geh mein Ibro auf die Wartekammer, wo ich euch das Brautbett hergerichtet, und erfreu dich deines Bräutchens Zilka. Ach, vielleicht entspriesst dem Bund ein Sprössling, dass mein Feuerherd nicht ganz veröde!« Ibro geht nun auf die Oberwarte, auf das Zimmer unterm Dach der Warte, nimmt die Tambura aus Perlmutter, klöpfelt hell darauf und singt ein Liedchen: »Weilt mein Ohm schon auf Karamanovci? harrt er dort schon seines Fähnrichs Nukić?« Bis zum hellen Morgengrauen spielte er die ganze Nacht hindurch und wachte, mocht’ der Liebe Freuden nicht geniessen. Gegen Morgen gab er seiner Zilka in die Hand an dreimalhundert blanker, gelber ungarländischer Golddukaten. — »Nimm da, Zilka, in Empfang die Mitgift und dazu noch nach Gebühr das Achtel, komm ich jemals oder niemals wieder, du bist ein für alle mal gesichert.« Ibro sprang nun auf und schritt zur Türe, lief hinab im Nu zu seinem Braunen, schwang sich auf den zierlich schlanken Braunen, ritt durchs Grün der Udbinaer Auen. Als er in Karamanovci ankam sah ihn schon von fern der greise Oheim; rasch erhob sich da der greise Ćejvan küsste seinen Neffen auf die Stirne. Und Ibrâhim hub nun an zum Greise: — »O mein Ohm, mein edler Ćejvanaga, noch ist abgehetzt mein braunes Rösslein; lass uns diese Nacht allda noch nachten, morgen fahnden wir dann nach dem Räuber.« Und der Greis befolgt den Rat Ibrâhim’s. Als am Morgen früh der Morgen graute, schaute Ibro nach den braven Rossen. Alle hatten aufgezehrt den Hafer, nur der Braune nicht einmal verkostet. Voller Unruh’ wiehert schrill das Rösslein, reisst die Hürde um und scharrt den Boden. Ibro sagt davon dem greisen Ćejvan. Drob vergiesst der greise Ćejvan Tränen: — »Weh, ein böses Zeichen! denn es kostet mich mein Leben oder dich das deine, oder wird dein braunes Streitross enden!« Tranken drauf den Morgenbranntweinschoppen, bis nach einer Weil der greise Ćejvan seiner Schar von Waffenbrüdern zurief: — »Wessen Mutter mag sich des berühmen, dass sie einen Heldensohn geboren, wessen Schwesterlein sich dessen rühmen, dass sie auf dem jungfräulichen Schosse, mir den tapfren Kämpen grossgezogen, der mit meiner Schar wär’ ausgezogen, um im grünen Hochgebirg Tihanja jene Felsenhöhlung auszukunden, ob sich Vuk noch im Gebirge aufhält in der Kühle, unter Felsenwänden?« Da verstummten alle die Gefährten, senkten feig den Blick zu Boden nieder, nur Ibrâhim Nukić kühn verwegen schaute fest dem Greis ins braune Auge. — »Greiser Ćejvan, hier ist solcher Kämpe, der sich traut nach Tihanja zu gehen längs der zwölf verengten Felsenpässe; da kann Mann an Mann nicht vorwärts schreiten; soll da einer vor dem andern weichen, muss das scharfe Schwert den Pfad erweitern. Horch nun auf, mein greiser Ćejvanaga, sollt Ibrâhim schwer in Not geraten, geb ich Feuer meinem Paar Pistolen, wirst du eiligst Hilf in Not mir bringen.« — »Ja, mein teures Kind, ach ja, mein Ibro!« Küssten sich und nahmen letzten Abschied. Ibro schwang sich auf sein braunes Rösslein, zog entlang der sonnverbrannten Pässe und durchzog sie alle heil und glücklich. Als er in die Felsenhöhl’ gelangte, fand er speisenreich gedeckt die Tische und mit Wein gefüllt die vollen Humpen. Keiner von den Räubern war zugegen. Darauf spornte Ibro an den Braunen, jagte weiter ins Tihanj-Gebirge bis er die Zisterne dort erspähte, wo sich dreissig Räuber hingelagert, Vuk Gnjatijević an ihrer Spitze; der gewahrte bald den Fähnrich Nukić; sprach darauf zu seinen dreissig Räubern: — »Legt nicht auf Ibrâhim an die Flinten, denn ich hab’s gelobt beim Namen Gottes, nie der Mutter einzigen Sohn zu töten. Seiner Mutter einzig Kind ist Ibro und zudem ein Held ganz sondergleichen. Legt nicht auf Ibrâhim an die Flinten!« Doch Ibrâhim rief er zu die Warnung: — »He, für dich ist hier kein Wein bereitet!« Ibro sprach darauf zu ihm vom Braunen: — »Muss da meinen Braunen erst befragen, ob für mich bei Euch kein Wein bereit sei.« Alsbald zückte er den Säbel glänzend, stürmte dreimal auf und ab im Kreise, säbelte die dreissig Räuber nieder. Vuk Gnjatijević zur Flucht sich wendend nahm aus seinem Gürtel zwei Pistolen, beide silbern und dazu vergoldet, und bedrohte jetzt den Helden Ibro, um Ibrâhim Einhalt zu gebieten. Zwei, ja dreimal rief ihm zu der Räuber: — »Hetz mich länger nicht, Ibrâhim Nukić, denn ich hab’s gelobt beim Namen Gottes nie der Mutter einzig Kind zu töten!« Ibro lässt sich dadurch nicht beirren, sondern greift noch heftiger an den Räuber. Vuk sich reisst vom Leib drei goldne Buckeln, um Ibrâhim dadurch aufzuhalten. Ibro mag die Buckeln gar nicht anschaun, stürmt noch böser los auf Vuk, den Räuber. Zückte Vuk sein grimmig scharfes Krummschwert und rief aus aus voller Heldenkehle: — »Jag mich nicht mehr weiter, Fähnrich Nukić, denn ich tat bei Gott ein hoch Gelübde, nie den Müttern ihre einzigen Kinder, ihrer alten Tage Trost zu töten.« Ibro achtet dieser Reden gar nicht, sondern jagt den Räuber Alpen abwärts. Vuk ermüdete auf dieser Hetzjagd und verbarg sich hinter einem Baumstrunk, vor dem Aug erblitzte ihm die Flinte, seine helle Damaszenerflinte; und es traf den Falkensohn Ibrâhim bös die Kugel mitten in die Leber. Blut begann ihm aus der Brust zu quellen. Ibro spornte schärfer an den Braunen ohn’ der heissen Wunde nur zu achten. Dreimal schwang er seinen schweren Kolben, liess auf Vuk ihn dreimal niedersausen, nahm dann aus dem Busen rasch die Fesseln, fesselte die Hände Vuk, dem Räuber. Qualen schufen ihm die Wunden tötlich, die ihm Vuks Gewehr und Hieb verursacht; und er zog heraus das Paar Pistolen, gab zugleich den beiden lodernd Feuer, da befiel ihn finster schwer die Ohnmacht. Als der Greis die zwei Pistolenschüsse, die ihm Kunde taten, jetzt vernommen, sprang er augenblicklich auf die Beine, schwang sich hurtig auf sein Ross, den Tauber, und ihm folgten seine dreissig Mannen, Gränzer sind es, auserlesne Kämpen. Als der Greis aufs Hochgebirg gelangte, aufs Gebirge zum Zisternenwasser, fand er dort die dreissig Räuberleichen. Man besah der Reihe nach die Leichen, doch darunter war nicht Fähnrich Nukić. Alsdann folgt er rasch der Spur des Braunen und er fand die kleinen zwei Pistolen, fand darauf drei goldne Buckeln glänzend, und erblickte bald in naher Ferne unterm Braunen, unterm Falkenrösslein Fähnrich Nukić matt und kraftlos liegen, wie er sich im eignen Blute badet. Neben Ibro sah er Vuk, den Räuber, fest an einen Tannenbaum gebunden. Bei Ibrâhim sinkt der Greis zur Erde nieder und bedeckt ihn heiss mit Küssen. »Kannst du, Ibro, diesen Schmerz verwinden? Glaubst du nicht, die Wunden werden heilen, wenn ich, Sohn, nach Udbina dich schaffe?« — »Ach, die Wunden überleb’ ich nimmer; nimm mir lieber ab die Rüstung prächtig, gürt mir die Gewaffen ab und Kleidung, übergib sie Halil, Mujo’s Bruder. Mögen sie von Held zum Helden wandern, mag er lebelang sich ihrer freuen und des Bruders seiner Wahl gedenken!« Darauf nahm der Greis ihm alle Kleidung samt der Rüstung und den hellen Waffen, zog dann heim ins Udbinaer Flachland wohl mit Vuk Gnjatijević, dem Räuber, führte heim den wohlgenährten Braunen. Als ihn Nukić’s Mütterchen erblickte, lief sie auf die Strasse ihm entgegen, in den Händen hielt sie zwei Pistolen und sie legte beide auf den Greis an. Ein Gewehr versagte, nur das andre gab sogleich ein Feuer, doch die Kugel sauste durch die Luft am Greis vorüber. Alsdann zog der Greis nach Sarajevo in die Stadt zum Hasan-Paša Kahlkopf, um Vuk Gnjatijević auszuliefern. Um des Räubers willen war der Paša von Istambol nämlich hingekommen. Vor den Paša bracht der Greis den Räuber. Darauf sprach zum Greis der edle Paša: — »Nun, wie geht’s denn meinem Wahlverwandten, meinem teuren Bruder Fähnrich Nukić?« — »Ausgezeichnet geht’s dem Fähnrich Nukić, hat sich doch der Bruder deiner Wahl erst jüngst beweibt und jetzo kost und herzt er tags und nachts sein trautes Eheliebchen.« Und der Paša schmunzelte vergnüglich und befragte weiter noch den Alten: — »Nun, wer hat den Strolch da eingefangen?« — »Vuk? den hab ich selber eingefangen.« Doch von rückwärts fällt ihm in die Rede Vuk, der Räuber, ein: »O, was, du Stelze willst den Räuber eingefangen haben? Mich hat wohl ein Falke eingefangen mit der Seel’ allein der Fähnrich Nukić.« Drob ergrimmte wild der edle Paša und befahl, den Greis mitsamt dem Hunding Gnjatijević in den allertiefsten Kerker von Sarajvo einzusperren. Auf der Alpe war der Falke Ibro einsam sterbeletzt zurückgeblieben. Horch! ein Jauchzen! Dreier Alpenvilen hell Gejauchze schallt von Berg zu Berge. Eine Alpenvila jauchzt am Abhang unten tief der Alpe Romanija, und die zweite Vila jauchzt inmitten von der waldbedeckten Romanija, doch die dritte jauchzt auf höchstem Gipfel aller Bergehöhen Romanija’s. Alsbald waren alle drei beisammen, alle drei mit Nukić wahlverschwistert, wandten hin und her den Fähnrich Nukić, und sie riefen alle drei auf einmal: »Diese Wunden lassen sich noch heilen!« Volle sieben Wochentage pflegten seiner nun die Vilen: auf die Wunden legten sie so manches kräftig Kräutlein, bis nach Ablauf voller sieben Tage Nukić Ibro auf die Beine aufsprang heil und munter; und er griff nach einem Tannenstab und zog fürbass des Weges immer abwärts längs Karamanovci. Auf das ebne Udbina gelangte bald der Falke; kaum erschauten ihn die dreissig Gränzer, brachen aus die Mannen in ein endlos Jubeln ob der Heimkunft. Ibro rüstete dann aus ein Rösslein, blieb zu Nacht zwei Nächte bei der Mutter, darauf machte er sich reisefertig fort nach Sarajevo. Da bemerkte Tale von Orašje: »O mein Wahlfreund, ich begleit’ dich; denn mein greiser Alter sitzt zu Sarajevo eingekerkert.« Ibro gab sich dess zufrieden, und sie schwangen sich auf ihre feisten Pferde, und es zogen fort die beiden Türken wütig über Berge hin und Täler, glücklich kamen sie an in Sarajvo. Im Serail sitzt Hasan-Paša-Tiro. Kaum erschaut der Paša seinen Wahlfreund, so befiehlt er, dass aus Kriegkanonen Pöllerschüsse seine Freude künden. Es begrüssten sich die Wahlgebrüder, legten ineinander ihre weissen Hände und begaben Hand in Hand sich in die weichen Stuben, die mit Pölstern und mit Teppichen so reich bedeckt sind. Und sogleich erkundigte sich Ibro, wo sein greiser Ohm bis nun geblieben. — »Dort, im dunkeltiefen Burgverliesse schmachtet er zusammen mit dem Räuber Vuk Gnjatijević; es soll dein Alter augenblicklich freigelassen werden. Doch nun sprich, mein teuerster Ibrâhim, was für Lohn begehrst du jetzt vom Kaiser?« — »Bruder meiner Wahl, ich wünsch’ mir einzig nur ein Schwert mit kaiserlichem Siegel, auf dass ich befugt wär’ und berechtigt, allezeit nach eigenem Ermessen unbehelligt von dem Landeshauptmann, in das Grenzgebiet auf Raub zu ziehen.« Ohne weiters gab ihms Schwert der Paša, ohne darauf noch ein Wort zu sagen. Alsdann sprach er zum Orašjer Tale: — »Sag nun du, bei Gott, mein Bundesbruder, sag, womit ich dich nun könnt’ erfreuen?« — »Ich verzicht aufs Kampfschwert unterm Siegel. Hab’ ich meinen krummen Pallasch, Bruder, kann mit ihm ich auf dem Kriegpfad wandeln; schenk mir lieber Geld auf Reisezehrung.« Da beschenkte ihn der Paša reichlich wohl mit einer halben Maultierladung lauter weisser Talerstücke, die in einem Steinkrug aufbewahrt gewesen. Tale von Orašje lachte hell auf. Alsdann schwangen sie sich auf die Rosse, stiegen auf die Rosse auf im Hofe, und sie ritten fort, der Greis als Erster und als Zweiter folgte nach Ibrâhim, und als Letzter Tale auf dem Fahlen. Als sie in der Handelstrasse waren bei den Handelleuten in Sarajvo, streute Tale aus die weissen Taler um sich ringsherum auf beide Seiten. Hei, wie sich darum im Gassenkote laut im Streit die flinken Jungen balgten! Wie nun Tale in der Kneipe abstieg, da besass er nicht einmal ein Kleingeld, um sich einen kühlen Trunk zu leisten, sondern musst nach altem Brauche pumpen. Darauf zogen unsere Helden heimwärts. Was für Taten einst sich zugetragen, dess gedenke man in unsren Tagen, wie des Géorgtags vor allen Tagen, wie des Helden kühn vor allen Magen. Zu V. 1. Udbina, gegenwärtig ein kleiner Bezirkort in der Lika, wird nun zu Chrowotien gerechnet. Zu V. 5. Die moslimischen Slaven verschmähten das Weintrinken nicht, im Gegensatz zu den übrigen strenggläubigen Moslimen. Zu V. 8. Tataren waren die offiziellen Kuriere in der Türkei. Zu V. 12. Türkisch richtig: selam aleikum = Friede mit Euch! Zu V. 30. Tihanja heisst im Volkmunde das nunmehr verkarstete Berggebiet im Südwesten von der Lika und dem chrowotischen Küstenland. Gemeint ist offenbar die alte Handelstrasse, die von Zengg (Senj) nach Bosnien führte. Zu V. 59. Otoka, gegenwärtig ein Dörfchen unweit des Städtchens Krupa, an dem Una-Flüsschen. Die Ruinen der Burgwarte Ahmetović’s sind noch ziemlich gut erhalten. Bab Ahmetović war ein hochberühmter Held, wie ihn das Volklied der Moslimen darstellt. Zu V. 60. Zilka ist der slavisierte Name von Sulejma oder Suleika. Zu V. 62. Die Braut wird vom Hochzeitzug, nach türkischem Brauch, dem Bräutigam zugeführt. Der Zug wird von den Eltern des Bräutigams ausgerüstet. Zu V. 66. Es ist eine Eigentümlichkeit der serbischen und zum Teil auch der anderen Volkausdruckweise, dass der Erzähler häufig von sich als wie von einem dritten erzählt. Zu V. 97. Die Brautkammer war in den Ritterburgen das oberste Gemach der Warte. Zu V. 104. Tambura ist eine Art dünnbäuchiger, schmalhalsiger Mandolinen mit 4–6 Stahlsaiten bespannt. Zu V. 115. Er gibt ihr den achten Teil seines eigenen Besitzes, das der Mann im Falle einer Ehescheidung der Frau auszahlen muss. Zu V. 126. Männer küssen einander auf die Stirne zwischen die Augenbrauen. Zu V. 181. Im Karst findet man äusserst selten Quellwasser. Die Karstbewohner trinken fast ausschliesslich Regenwasser aus Zisternen. Zu V. 186 ff. Derartige Gelübde gelobt jeder Räuber, so z. B. ist ein allgemeines Räubergelübde, keine Frauen noch Kinder zu töten oder Mädchen zu vergewaltigen. Zu V. 210. Buckeln, faustgrosse, geplättete Knöpfe auf dem Wams. Zu V. 230. Kolben, d. h. den Streitkolben, der mit hervorstehenden, scharfen Spitzen versehen war. Zu V. 271. Halil der Falke, der Bruder Mustapha Hrnjica’s (Hasenscharte), des Herrn von der Burg Kladuša, unweit Udbina. Zu V. 273. Über die Wahlbrüderschaft bei den Südslaven, vrgl. »Sitte und Brauch der Südslaven« von Krauss, Wien 1885, Cap. XXX. Zu V. 287. Kahlkopf (Ćoso) ist der Spitzname. Es war der in der bosnischen Geschichte berühmte Hasan-Paša-Tiro, der auch Gouverneur von Ofen war und die letzte Belagerung von Wien mitmachte. Zu V. 304. Im Texte: Šljaka, »Stelze«, »Krücke«, d. h. Ćejvan brauche Krücken, um vorwärts zu kommen. Zu V. 343. Tale (türk. Narr) war der Schalknarr unter den Helden, ein grimmer Degen, mit dem nicht zu spassen war. Zu V. 351. Serail, vom Pers. seraj, königlicher Hof. Slavisiert saraj. Davon der Name der Stadt Sarajevo oder Serajevo (zum Serail gehörig). Zu V. 369 ff. Sablja pod muhurom. Solche Ehrensäbel mit dem obgedachten Rechte wurden nur den ausgezeichnetsten Grenzhauptleuten verliehen. Auch Mustapha Hrnjica besass einen. Nach dem Ableben des Helden musste der Säbel zurückgegeben werden. Das Lied sang mir der Guslar Hasan Šašić in Jablanica in Bosnien. FUSSNOTEN [1] Die moslimisch-slavische Epik kennt weder die Chrowoten (Chorwoten) noch ein Chrowotien. Die Gegner heissen im Volkliede entweder Magjari (tanak magjarin = der schlanke Magyar; ständiges Beiwort) oder Nijemci (Deutsche, njemadia = deutsche Truppen) oder Latini (Lateiner, Venezier, Italiener). [2] Diese Zahl geben die Epen an. Man darf solchen Daten grosses Vertrauen entgegenbringen, denn die moslimisch-slavischen Epen zeichnen sich überhaupt durch verhältnismässig zuverlässliche Angaben aus. Übrigens wird die gedachte Zahl des Grenzmilitärs auch durch offizielle türkische Dokumente aus jener Zeit beglaubigt. Vgl. das vortreffliche Werk von Franz Salamon: »Ungarn im Zeitalter der Türkenherrschaft.« Ins Deutsche übertragen von Gustav Jurány. Leipz. 1887. S. 112. [3] In Buchform erschien unter anderen: »Smailagić Meho. Pjesan naših muhamedovacâ, zabilježio« Dr. Friedrich S. Krauss. Ragusa 1886. Davon gab Carl Gröber eine gute Verdeutschung heraus: Mehmeds Brautfahrt. Wien 1890. 130 S. in 8o. S. XVI + 192. Dieses Epos umfasst 2160 Verse. [4] Vrgl. die wichtige Schrift »životŭtŭ na Bulgaritje vŭ srjednja Rodopa; napisalŭ S. N. S. Plovdiv 1886.« S. 44. Der Übertritt geschah in den Jahren 1657–1667. [5] Für vollste nationale Ursprünglichkeit tritt Frau Jelica Belović-Bernadzikovska ein (Srpski narodni vez i tekstilna ornamentika. Neusatz 1907. S. 254.) Sie spricht wie eine Prophetin, die gläubige Anhänger wirbt. [6] J. v. Hammer, Geschichte des osmanischen Reiches. Zweite Ausgabe, Bd. I. Pesth 1834. S. 201. [7] Glasnik zemaljskog muzeja u Bosni i Hercegovini, 1890, Heft 2, S. 228–233. [8] Diese Arbeit ging teilweise in Dr. F. Miklosichs, Die türkischen Elemente in den Südost- und Osteuropäischen Sprachen. Wien 1888. gr. 4o. 194 S. auf. Das ist eine recht minderwertige lexikographische Schleuderleistung. [9] Drei der besten serbischen Erzähler, Ćorović, Ilijć und Nušić, bedienen sich absichtlich in einer Reihe ihrer schönsten Novellen der Mischsprache. Sie hängen aber ihren Sammlungen auch Worterklärungen und Wörterbücher an. [10] In ĭzločest ist das i prosthetisch. Auch hier zeigt sich der Einfluss des Türkischen, das Konsonantenanhäufungen meidet. [11] Lud. Jego zwyczaje, sposób źycia, mova, podania, przysłowia, obrzędy, gusła, zabawy, pieśny, muzyka i tańce, przedstawil Oskar Kolberg, Ser. VI. Krakau 1873. S. 322: Ale semper do dom wczas lepiéj zawsze ire, Antequam pijanice erunt insanire Quia musisz cum illis choreas inire Oportet choćbyś nierad tam saltare ire. Ebd. S. 355: Dać kazal brandwein und kafalka brot by essen sobie das ist frisztik gut; a klopa szpicbub na drin ze mnie zwozi, etc. Eine Probe deutschfranzösischer Verse: Ecoute, cuisinier! Von meinen Kameraden Hab’ ich zwei oder drei zum déjeuner geladen. Mach nur ein gut Potage, mit all’ Appartenance Wie man es à la Cour zu dressieren pflegt en France. [12] Die grössere Broschüre führt den Titel: »Ovo je ćitap na bosanski jezik« (dieses ist das Religionbuch in bosnischer Sprache). Der Verfasser nennt sich Mustafa Efendi aus Brod (an der Save). Er lebte damals als Softa in Konstantinopel. Der Text hebt also an: »Jes li mumin? Ja sam hakka, el hamdu lillah ala din el islam. Imam je mojsifet. Što je mumin? Mumin je oni čovjek, štono srcem vjeruje a jezikom ikrar čini, etc.« [13] Man vergl. N. A. Balhassan-Oglu: Un texte ouïgour du XII-ième siècle. Revue Orientale pour les études ouralo-altaïques. Budapest 1906, p. 257–279. [14] V. 3 srcom, dagegen V. 35: srcem. V. 48 und 49 hat der Schreiber in V. 57 f. wiederholt. Das scheint uns dafür zu zeugen, dass dem Schreiber jemand diese Avdija aus dem Gedächtnis in die Feder diktiert habe. In V. 48 gr’jehova, in V. 57 grihovâ. Beide Laute sind richtig und werden nebeneinander gebraucht. Die serbische Sprache wird von den Schulgrammatikern in drei Hauptmundarten eingeteilt, je nachdem der altslavische Laut durch je, i oder e vorwiegend in der modernen Volksprache wiedergegeben wird. Ich habe auf meinen Reisen unter den Südslaven die Überzeugung gewonnen, dass dieser schablonenhaften Einteilung in Jekavci, Ikavci und Ekavci (Je-Leute, I-Leute, E-Leute) gar kein wissenschaftlicher Wert zukomme, weil dasselbe Individuum ohne irgend einen besonderen Grund bald den einen, bald den anderen Laut anwendet; so sagt z. B. einer moja djevojka je lipa, dann ein anderes Mal m. divojka je lijepa oder devojka je lepa. [15] für ludi = ludj (= ludy). Eine derartige Wortverunstaltung ist sonst wohl äusserst selten. [16] Bezieht sich auf die Fussbekleidung obuća. Die Frau muss dem Manne vor dem Schlafenlegen die Schuhe ausziehen und morgens wieder anziehen. [17] Im »Gorski vijenac« (der Gebirgkranz) des Petrović Njeguš heisst es an einer Stelle: Ima kneže, takovih roguša Pod oblak će ustrijelit orla. Ja, o Fürst, es gibt wohl solcher Hexen. Selbst in Wolken trifft den Aar ihr Bolzen. [18] Vrgl. Vuk Karadžić im Wörterbuche unter krstača und rogulja. [19] Über die Etymologie von Hexe vrgl. Grimm, Deutsche Mythologie, S. 991 ff. [20] Vrgl. »Narodne pripoviedke i pjesme iz hrvatskoga primorja pobilježio ih Ivan Mikulčić«. U Kraljevici 1876. S. 130. [21] Im »Niz srpskih pripoviedaka Vuka vit. Vrčevića«. Pančevo 1881. S. 93. [22] Im »Gorski vijenac« heisst es gleichfalls an einer Stelle: »Lasno ti je poznati vješticu, Sijedih kosa, a krst ispod nosa.« Leicht erkennbar ist Dir jede Hexe An dem weissen Haar (auf ihrem Haupte) Und dem Kreuz, das unter ihrer Nase. [23] Als ein weiteres Erkennungzeichen gelten zusammengewachsene, buschige Augenbrauen. Wenn eine solche Person, es mag auch ein Mann sein, ein Kind anschaut und es gar bewundert, so ist dieses schwer beschrien. Mein ehemaliger Lehrer in der Elementarschule zu Požega in Slavonien, P. Kosta Horvatić, erzählte mir als Knaben einmal, es hätten einen hausierenden Zinzaren, dem die Brauen zusammengewachsen waren, die Bauern in einem serbischen Dorfe mit Rutenbesen aus dem Orte hinausgejagt, weil er ihnen alle ihre Kinder arg beschrie. [24] G. Medaković in »Život i običaji Crnogoraca«. Neusatz 1860. S. 183. [25] Eine ergiebige Zusammenstellung älterer und neuerer südslavischer Ausdrücke zur Bezeichnung von Hexen- und sonstigem Aberglauben lieferte Fran Kurelac, Berichte der Südslavischen Akademie. B. XXIV. S. 57–79. [26] Die südslavischen Vile, Samovile, Samodivi und Vilovnjaci gehören in dieselbe Sippe der Wald- und Feldgeister, wie die Holz- und Moosleute in Mitteldeutschland, Frankreich und Bayern, die wilden Leute in der Eifel, Hessen, Salzburg, Tirol, die Waldfrauen und Waldmänner in Böhmen, die Tiroler Fanggen, Fänken, Nörgel und selige Fräulein, die romanischen Orken, Enguane, Dialen, die dänischen Ellekoner, die schwedischen Skogsnufvar und die russischen Lēšje. Andererseits deckt sich die Vorstellung von den Vilen nahezu vollständig mit der germanischen von den Walkyrien. Vrgl. Krauss, Volkglaube und religiöser Brauch der Südslaven, Münster i. W. 1890, S. 69–109. [27] Man vergleiche zur Bestätigung Krauss »Sagen und Märchen der Südslaven« (Leipzig 1883) Nr. 31: »Fuhrmann Tueguts Himmelswagen«; Nr. 33: »Die Glucke«; Nr. 84: »Die Vila des Knaben Hort«; Nr. 85: »Der Vilaberg« u. a. [28] Ebendaselbst. S. 436–8. »Vom Mariechen, das den Vilen gelobt war.« [29] Ein alter Messner in Šamac, in der ehemaligen slav. Militärgrenze, erzählte im J. 1834 diese Geschichte M. Stojanović, der sie in sein Buch »Pučke pripoviedke i pjesme« (Agram 1867) aufnahm. S. 203–204. Mit der Vila in dieser Sage ist die rauhe Else in der Wolfdietrichsage zu vergleichen. Wolfdietrich weigert sich, die rauhe Else zu minnen und dafür macht sie ihn zum Toren, so dass er ein halbes Jahr ohne Besinnung im Walde »wild laufen« muss und Kräuter von der Erde als Speise aufrafft. Ausführlicher bei Mannhardt: »Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme«. S. 108 f. Genauer stimmt mit unserer Sage eine dänische überein, die gleichfalls Mannhardt mitteilt: »Auf der Insel Möen ging Margarethe Per Mikaels als kleines Mädchen einmal durch den Buchenwald bei Stevns, da begegnete ihr ein grosses Weib mit schwarzer Haube und langen Fingern, die wurde grösser und grösser. Margarethe lief von ihr, spürte aber bald ihre langen Finger auf der Schulter, das Laub wirbelte in den Baumwipfeln, das Kind fiel um und blieb liegen. Margarethe war von da an drei Jahre verstörten Geistes. Margarethe blieb immer verstört; im Walde empfand sie stets einen unwiderstehlichen Zug zu der Stelle, wo jenes Weib ihr begegnet war. Einst, als sie schlief, kam ein Els und wollte das Kind mit sich fortnehmen, da sie aber fest schlief, konnte er ihr nichts anhaben.« [30] Vrgl. »Arkiv za povjestnicu jugoslovensku«, herausgegeben von Kukuljević. B. II. 380–383. [31] R. F. Plohl: »Hrvatske narodne pjesme«. Svezka II. U Varaždinu, 1869. S. 86. [32] In dieser Bezeichnung liegt noch eine uralte Erinnerung an die Hexe als Waldgeist, der in der Haselnuss seinen Wohnsitz hat. Im Kanton St. Gallen ruft man den Kindern zu, um sie vom Pflücken der noch unreifen Haselnüsse abzuhalten: »’s Haselnussfräuli chumt!« Es ist dies nur eine besondere Personifikation der Waldfräulein. Vrgl. Mannhardt, Der Baumkultus etc. S. 106 ff. [33] Eine Aufzählung und Schilderung der am Georgitag gebräuchlichen altheidnischen Verrichtungen des serbischen Landvolkes bietet der Artikel »Gjurgjev dan« bei Vuk im Wörterbuche S. 151 a, b. Die oben mitgeteilten Nachrichten habe ich aus Chrowotien. [34] Die Schmierfette wird mit »švierc« bezeichnet. Auf den ersten Blick erkennt man darin die entstellte Form der deutschen »Schwärze«. [35] Über denselben deutschen Brauch vrgl. Mannhardt, Baumkultus, S. 272 f. »Es soll Lebens- und Wachstumkraft durch die (Wacholder-)Rute mitgeteilt, jedes dem entgegenwirkende feindliche Gespenst vertrieben werden.« S. 279. M. verweist noch auf Kuhn, Herabkunft des Feuers, S. 191. [36] Eine Vila erzieht einen Knaben in ihrer Höhle zum Rächer seines Vaters, den sein ehebrecherisches Weib dem Buhlen ausgeliefert hat. Vrgl. Krauss, Tri riječi Hercegovca. Mostar 1885. S. 30 ff. [37] Aus Selno in Chrowotien. — Vrgl. über den Elfentanz im Mondenschein: Mannhardt, Baumkultus, S. 125. [38] Über die »Eschenfrau und ihre Sippe in Nordschleswig und Dänemark« vrgl. Mannh. Bk. S. 10 f. Unter Eschenbäumen wachsen auch zauberkräftige Wurzeln. Darauf bezieht sich das Bruchstück eines Volkliedes. Wenn man einem Mädchen vorhält, dass ihr der Geliebte untreu geworden und sich von ihr abwendet, so entgegnet sie: Ima trave u okolo Save I korenja okolo jasenja. »Es gibt Kräuter um die Save, und Wurzeln um Eschenbäume herum«; sie meint damit nämlich, dass sie am Saveufer Kräuter sammeln und Wurzeln unter Eschenbäumen graben wird, um daraus Liebetränklein für den Ungetreuen zu brauen. [39] Da der Nussbaum und seine Früchte Perun geheiligt waren (vrgl. J. Erben: Prostonárodní české pisně a řikadla, Prag 1864, S. 39, und Hanuš im Bajeslovný kalendář slov. Prag 1860, S. 21), so läge der Gedanke nahe, dass vielleicht bei dem syrmischen Dorfe Molovina, dort wo der alte Nussbaum steht, eine uralte Kultusstätte des Perun oder einer ihm verwandten Wesenheit zu suchen sein dürfte. In dem noch sehr stark durch heidnische Erinnerungen versetzten Volkglauben der Südslaven ist der »gromovnik Ilija« an die Stelle Peruns gerückt. Zu erwähnen ist der Glaube des slavonischen Landvolkes, dass der Blitz (grom, eigentlich Donner) nie in einen Nussbaum einschlage. [40] Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart. Dritte Bearbeitung v. Elard Hugo Meyer, Berlin 1900, S. 432. [41] Eine ausführliche Zusammenstellung über Mantel- und Luftfahrten von Hexen findet man in den Jahrb. f. roman. Literatur III, S. 147. [42] Dies ist eine der weitaus bekanntesten Hexensagen. Andere Fassungen, die sich gar nicht wesentlich von den angeführten unterscheiden, liegen auch gedruckt vor. Z. B. bei Stojanović in den »Narodne pripoviedke«, S. 196–198: »Vještica podkovana«, aufgezeichnet im J. 1836, in Velika Kopanica in der ehemaligen slavonischen Militärgrenze. Dieselbe Sage einigemal im Arkiv; vrgl. auch Valjavec, »Narodne pripoviedke«, S. 244–45. [43] Der Wirbelwind als Teufel personifiziert. Vrgl. Krauss, Sag. u. M. der S. 104. »Die Mutter: »Ihr verruchten Rangen, dass Ihr nimmer Ruh’ gebt! Alle zwölf seid verflucht: zwölf Teufel sollen euch holen. Ich überliefere euch ihnen!« — Auf einmal entstand ein Gebrause, ein Wirbelwind drang in die Stube und im Nu waren die Söhne entschwunden.« S. 141: »Als sich der Zug auf dem Weg zur Kirche befand, brauste plötzlich ein Wirbelwind daher und im Wirbel kam eine Schlange (zmaj, aždaja, der Drache) geflogen, ergriff die Braut und führte sie mit sich fort« und so öfters. Vilensko kolo, Vilenreigen, dann Hexentanz, nennt der Dalmater die Windhose. Ital. scione. Vrgl. den Schluss dieser Abhandlung. [44] Im Gouvernement Archangel gilt der Wirbelwind als der Tanz des Lēši mit seiner Braut. Die Lešje rauben Kinder, nehmen sie in ihre unterirdischen Höhlen mit und entlassen sie ganz verwildert erst nach Jahrfrist. Vrgl. Afanasiev, »Poetičeskia vozrēnia Slavjan na prirodu«. Moskau. S. 303–313. [45] Es ist ein häufig wiederkehrender Zug der Sage, dass ein Sterblicher die Geister bei ihren Zusammenkünften belauscht und durch das, was er hört, Heilung für eine Krankheit findet. Vrgl. Krauss, Südslav. Sagen u. M. I. S. 432 ff. In dem Märchen »Pravda i krivda« (Recht und Unrecht) bei Vuk Karadžić, Srpske nar. prip. 1870, St. 16, S. 86 f. erkennt man das obige Stück als Variante. Bei Vuk sind es Vilen, deren Gespräch einer belauscht. Der Genosse des Glücklichen wird als ein verworfener Mensch dargestellt. Mit Recht zerreissen ihn die Vilen, weil er die Ungerechtigkeit über alles setzte. [46] Vrgl. nach Vuk im Wörterbuch unter »vještica« S. 212, in »Život i običaji naroda srpskoga«, Wien 1867. In der Vukschen Fassung verwandelt sich der Nachbar, der die Hexe belauscht, nachdem er sich mit dem Fette eingerieben, in irgend ein Wesen, und gelangt dann auf den Nussbaum in der Nähe des Dorfes Malovina. Als er die Pracht des Hexenmahles sah, konnte er sich nicht enthalten, in den Fluch auszubrechen: »anate vas mate bilo!« »Anate vas mate« ist das griechische Wort ἀνάθημα, der Fluch, der Bann, das durch die Kirche in die Volksprache eingedrungen ist und sich eingebürgert hat. Deutsch würde der Fluch lauten: »Dass euch doch der Fluch treffen möge!« [47] Mannhardt, Baumkultus, S. 13, sagt bei Erörterung der Baum-, Menschenleib- und Krankheitdämonen: »Man warf dieses Gewürm mit den bösen Geistern in Wurmgestalt zusammen, welche nach einer uralten, schon bei den Indern im Atharvaveda und in den Grihyasutras ganz ähnlich wie unter den Germanen entwickelten Vorstellung sich als Schmetterlinge, Raupen, Ringelwürmer, Kröten usw. in den menschlichen oder tierischen Körper einschleichen und darin als Parasiten verweilend die verschiedensten Krankheiten (z. B. Schwindsucht, Kopfweh, Magenkrampf, Zahnweh, besonders nagende und bohrende Schmerzen usw.) hervorbringen sollten.« Hexe ist übrigens eine auch in Deutschland noch allgemein übliche Bezeichnung für die ganz kleinen Schmetterlinge Tineadae, Schaben, unter deren verschiedenen Arten die Pelzmotte oder Haarschabe, Tinea pellionella L. und die Kleidermotte T. sarcitella L. wegen ihres Zerstörungwerkes als Raupen die berüchtigtesten sind. In deutschen Hexenprozessen heissen die Elbe (Hexen) bald die kriechenden Raupen, bald die Puppen, bald die entfliegenden Insekten. Vrgl. Grimm, D. M. S. 431. Über Hexen als Schmetterlinge, Raupen und Würmer, vrgl. Simrock, Handb. d. D. M. III. Aufl., S. 456 und Wuttke a. a. O. S. 29, 763, 60, 217, 281, 402. [48] Den Zusammenhang des Hexenglaubens mit der Pathologie der Volkmedizin wies einleuchtend Dr. M. Höfler nach, Archiv f. Religionwissenschaft, hrsg. v. Prof. Dr. Th. Achelis, II. (1899) S. 143 f. u. 162 ff. [49] In Altbayern am Starnberger See betrachtet das Volk die Kröte als Sinnbild reichlicher Fruchtbarkeit und Ergiebigkeit. Handtmann meint (»Neue Sagen aus der Mark Brandenburg«, Berlin 1883, S. 247), der Haselstock mit dem Krötenzeichen in der Rinde, mit dessen Hilfe man nach dreimaligem Zustossen in die Milch eitel Butter gewinnen kann, wie das Volk glaubt, sei aus Altbayern und der Priegnitz importiert. Diese Vermutung lässt sich nicht verteidigen, da es sich ja um einen allgemein, sowohl unter Slaven als Germanen heimischen Volkglauben handelt. [50] Vrgl. Dr. Alexander Mitrović, Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien, Anthropophyteia IV. Leipz. 1907. S. 231 und Milićević, Glasnik srpskog učenog društva XXII. S. 156. [51] G. Medaković, Život i običaji Crnogoraca, 1860. S. 182. [52] V. Vrčević, im Zbornik sadašnjih pravnih običaja u Jugoslovena, v. V. Bogišić, 1874. S. 561. — Vuk Karadžić, Običaji naroda srpskoga S. 211. [53] Wie alt dieser Glaube ist, lehrt der ausführliche Bericht von Apuleius im Goldenen Esel (Rodesche Übersetzung, V. Aufl. Eingeleitet v. M. G. Conrad, Berlin 1906. H. Barsdorf. S. 18 ff.). Wenn er wieder erstünde nach siebenzehn Jahrhunderten, würde er erstaunen, der liebe gute Freund Apuleius, dass sich auf der Balkanhalbinsel im Volkglauben so gut wie gar nichts wesentlich geändert hat. [54] Man nennt diesen nächtlichen Besuch fraj (aus dem Deutschen: »frei«). Zwei, drei oder auch mehr Burschen begeben sich nach der zehnten Nachtstunde vor die Türe eines Mädchens und bitten um Einlass. Gewöhnlich macht das Mädchen in der Küche ein Feuer an und dann setzen sich alle um den Herd herum und plaudern oft bis zum Morgengrauen. Allein geht ein Bursche auf die »fraj« nur, wenn er in Kürze das Mädchen heimführen wird. Ausführlich behandle ich diesen Brauch in: »Sitte und Brauch der Südslaven«, Wien 1885. Man vergleiche dazu meine Bemerkungen über die Probeehen im Zusatz zu Dr. Alexander Mitrovićs Studie über Zeitehen in Norddalmatien, Anthropophyteia IV, Leipzig 1907. S. 44 f. [55] »Rautenstrauch« kommt als Eigenname eines Waldgeistes vor. Vrgl. Grimm, D. M. S. 1016. [56] Man vrgl. dazu die Bannformeln, die Krauss und Mitrović in ihrer Umfrage über Erotik und Skatologie im Zauberspruch und Zauberbann, Anthropophyteia IV. (1907) mitteilen. [57] Circaea lutetiana L., C. vulgaris. Moench, zur Familie der Onugrarien gehörig. Auch Baldrian ist Hexenkraut. [58] Arkiv za povjestnicu jugoslovensku B. I. S. 219. [59] Narodne pripovietke i pjesme iz hrvatskoga primorja. Pobiliježio ih Fran Mikulčić. U Kraljevici 1876. S. 130. [60] Vrgl. Krauss, Südslav. Sagen und Märchen. S. 382–384. Hahn, Griech. u. alb. Märchen. II. S. 25 ff. Die Strigla u. St. 66 Lemonitza. [61] V. Vrčević im Zbornik von Bogišić, S. 561. — L. und V. Vukalović und M. Sredanović ebendaselbst, S. 640. — G. Medaković in Život i običaji Crnogoraca S. 182. — V. Karadžić im Wörterbuch unter vještica. [62] So verfuhr man zur Zeit Kara Georgs auch in Serbien mit den Hexen, wie Vuk bezeugt. — Über dieselbe Art der Hexenprobe bei den Deutschen vrgl. Simrock, Hdb. d. D. M. S. 453. [63] Vrčević hat diese Geschichte im »Niz srpskih pripovjedaka« zu einer halb dramatischen Novellette ausgesponnen (S. 90–98). »Trebinjski sud i hrišćanske vještice«. (»Das Gericht von Trebinje und die christlichen Hexen«), und fügt diesem Titel die Bemerkung an: »Nach einer wahren Begebenheit aus dem Jahre 1876«. Vrčević dürfte sich verschrieben haben. [64] Andere meinen, dass man an dem Schemel bis zur Christnacht arbeiten müsse. [65] Während der Mitternachtmette in der Christnacht knallen die Bauern mit Peitschen vor den Häusern, um die Hexen dadurch zu verscheuchen. [66] Man vrgl. die deutsche Übersetzung J. W. Schmidts: Der Hexenhammer. Von Jakob Sprenger u. Heinrich Institoris, 3 Teile. Berlin 1906. H. Barsdorf. Das ist eine Art von Kodifizierung wahnwitziger Ruchlosigkeit. [67] Das Brot, das man in den Mund nimmt, ist wohl nichts anderes als ein Opfer, das man der Hexe darbringt, die im Dünger haust, um sie zu versöhnen wegen der Verunreinigung ihres Aufenthaltortes; Brot opfert auch der russische Bauer auf dem Dünger den Lješje. Im Dünger, den man später aufs Feld führt, wohnen die Geister der Fruchtbarkeit und des Feldsegens. Diese ursprüngliche Anschauung ist mit der Zeit erloschen und die Düngerstätte wurde zum Tummelplatz der Hexen gemacht. Vrgl. die skatologischen Erzählungen Anthropophyteia IV (1907). [68] Pogled u Bosnu ili kratak put u onu krajinu učinjen 1839–40 po jednom domorodcu. U Zagrebu 1842, S. 44 f. Anmerkung. [69] Im alten Rom wurden am 1. Juni Weissdornruten und Wegedorn über Tür und Fenster angebracht, um alles Unheil (noxas) davon zu verscheuchen und vor allem die gespenstischen, eulengestaltigen Strigen, Geister der Krankheit und Auszehrung, die den Wiegenkindern die Eingeweide ausfressen, fernzuhalten. Vrgl. Ouid. Fast. VI. 129 ff. [70] Die Deduktion, wieso gerade Krötenfett und Stutenbutter als Zaubersalben bezeichnet werden, ist einfach. Sie ergibt sich von selbst, wenn man sich die altheidnischen Vorstellungen über die Kröte und das Pferd als Opfertiere ins Gedächtnis ruft. [71] Man vrgl. den ähnlichen Glauben bei Panzer (in den Beiträgen II. S. 302), wo von einem Sägeschmied in der Oberpfalz erzählt wird, dass er jedesmal, wenn er fieberte, einen Geisterbanner kommen liess, der die Türschwelle aushob, den Geist bannte und ihn in einen Weidenbaum einkeilte. In dem Keile steckt nach dem Volkglauben die Seele des Dämons. Am ersten Maitag, zu Pfingsten oder am Abend des 23. Juni findet in deutschen, westslavischen, französischen und anderen keltischen und romanischen Landschaften folgender Brauch statt: Man zieht in grosser Schar in den Wald, bringt grüne Büsche und junge Bäume, vorzugweise Birken oder Tannen mit heim, welche vor der Tür oder auf dem First des Hauses, auf die Düngerstätte oder vor dem Viehstall aufgepflanzt werden, und zwar hier gerne für jedes Stück Vieh (Pferde und Kühe) ein besonderes Bäumchen. Die Kühe sollen dadurch milchreich, die Hexen vertrieben werden. Vrgl. die reichen Nachweise bei Mannhardt a. a. O. S. 160 ff. Bei den Čechen lässt die Hausfrau am Palmsonntag Birken und Pimpernusszweige weihen, um damit am Kuhfeste die Kühe rückwärts aus dem Stalle zu treiben. (Reinsberg-Düringsfeld, Festkalender aus Böhmen S. 110.) Im Böhmerwalde schlägt man am 1. Mai das Vieh mit Birkengerten. Ein Schlag mit dieser Rute schützt ein Haustier das ganze Jahr vor tötlicher Verwundung. (E. Rank, Aus dem Böhmerwalde S. 127.) Auch bei den Ruthenen findet das Kälberquicken mit Birkenruten und Haferhalmen statt. In der Normandie schlägt man die Kühe, um sie milchreich zu machen, dreimal mit einer Haselrute auf die Seite. (De Nore, Coutumes, mythes et traditions p. 270.) Eine Hexe bekannte in Hessen 1596: »Wenn sie auf Wallburgtag eines Nachbarn Kue mit einem Rüdtlin in Teufels Namen geschlagen habe, sie das ganze Jahr über obige Kue melken könne. Solches Rüdtlin habe sie in ihrem Stalle stehen gehabt.« Weitere Nachweise ähnlicher Bräuche bei Mannhardt a. a. O. S. 272 ff. In der Altmark ziehen am Fastnachtabend die Knechte mit Musik von Hof zu Hof und stäupen mit Birkenreisern, fein nach der Ordnung zuerst die Hausfrau, dann die Töchter, zuletzt die Mägde. (Kuhn, Märkische Sagen, S. 307.) Die Birkenreiser sind die Lebensruten, mit denen man zu verschiedenen Zeiten Leute schlägt, damit es ihnen wohl ergehe. Wenn man die Hexen gleichfalls mit Birkenreisern schlägt, so will man dagegen den bösen Zauber aus ihnen herausschlagen. Vrgl. Mannhardt a. a. O. S. 251 ff. Wir erinnern in Bezug auf den erwähnten Brauch der Lebensrute an die südslavischen »mladijenci« (Verjüngungtag), die auf den 4. Tag nach dem Weihnachtabend fallen. Die Mutter schlägt ihre Kinder mit grünen Reisern und spricht dabei: »Lass das Böse und nimm das Gute! Lass Krankheit und Leid und ergreife die Gesundheit!« Vrgl. die ausführliche Schilderung bei Vrčević in »Tri glavne narodne svečanosti« Pančevo 1883. S. 19. Sehr wertvoll ist Friedrich Kunzes Monographie: Der Birkenbesen. Ein Symbol des Donars. Eine mythologische Untersuchung. Intern. Archiv f. Ethnogr. XIII. Leiden 1900. S. 88–97 u. 125–162. [72] Der Glaube an die Zaubermacht der Mistel ist allen europäischen Völkern eigentümlich. Vrgl. Afanasijev, poetičeska vozrenia etc. II. 432–434. Simrock, Die Edda. S. 280–281. Kuhn, Herabk. des Feuers, 231 ff. — Im Altslav. heisst die Mistel омелникъ, in russ. und südslav. Dialekten omela (omelica, omelnica, imela, melnica, mela), čech. jmelí, poln. jemiola, lit. amalis, let. amuls. Wenn eine Mistel auf einer Haselstaude wächst, so haust in der Erde unter dieser Staude eine Schlange mit einer Demantenkrone, oder sie ist die Bewahrerin wer weiss was für unermesslicher Schätze. [73] Der geheiligte Faden, der einen Wohnbezirk abgrenzt, schützt nach Analogie der Furche, die man in Pestzeiten um das ganze Dorf zieht, vor dem bösen Einfluss der Hexen. Ein weiteres Analogon erblicke ich in einem andern Glauben des südslavischen Bauern. Wenn er sich den Fuss verstaucht hat, oder er ihm geschwollen ist, so bindet er einen geweihten Faden unter Hersagung des Vaterunsers um den leidenden Fuss. Der Faden, der aus Flachs gesponnen sein muss, soll nach der uralten Auffassung den Krankheitdämon aus dem Fusse vertreiben. Verwandte Züge liessen sich in Menge noch anführen. Eine überaus reiche Zusammenstellung von Nachweisen über derartige Hegungen liefert F. Liebrecht, »Zur Volkkunde«, S. 305–310: »Der hegende Faden«. [74] Man vrgl. dazu R. Andrees Umfrage: Hexenleiter, Am Ur-Quell, 1891, S. 92–93, 141–142, 157, und die serbischen Überlieferungen aus der Lika von Thomas Dragičević, S. 105 f. [75] Die Verwandlung von Kohle in Gold ist ein in Märchen häufig wiederkehrender Zug. In einer Ortsage aus Warasdin wird ein Hirte von einem in einer alten Ruine hausenden Geist, sowie das Weib in unserer Sage beschenkt. Eine kleinrussische Erzählung berichtet, dass ein Menschenweib einmal einen neugebornen Lēši fand, mitleidig aufhob und in ein warmes Tuch einwickelte. Bald darauf kam die Lisunka, die Mutter des Kleinen, und beschenkte das Weib mit einem Topfe glühender Kohlen, die sich hinterher in Gold verwandelten. Dieselbe Geschichte von einem Holzweibchen in Thüringen bei Börner, Sagen des Orlagaus, S. 231. Ein indisches Seitenstück aus Dardistan im »Globus« XXIV. Nr. 21 von Leitner. [76] Vrgl. in Bezug auf die weitere Ausführung dieses bekannten märchenhaften Zuges: Krauss, Südslavische Sagen und Märchen. S. 235 u. ff. [77] Wie der Südslave die Frauenschönheit preist, siehe bei Krauss, Streifzüge im Reiche der Frauenschönheit. IV. Aufl. Leipz. 1906. S. 7 ff. [78] Über die weit unter den Völkern verbreitete Scapulimantia vrgl. Richard Andree, Anthropological Papers written in honor of Franz Boas. New York 1906. S. 143–165. [79] Vrgl. Ivan Tkalčić (= Johann Weber), Parnice proti vješticam u Hrvatskoj (Prozesse gegen Hexen in Chrowotien), Agram 1891 und M. R. Vesnić, O sugjenju vešticama, Belgrad 1891. [80] Man vergleiche dazu den wertvollen Aufsatz Dr. Albert Hellwigs, Ein moderner Hexenprozess. Archiv f. Kriminalanthropologie und Kriminalistik. 1905. S. 279–285. [81] Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozesse im Mittelalter und die Entstehung der grossen Hexenverfolgungen. München 1900. [82] Die krankhaften Geschlechtempfindungen auf dissoziativer Grundlage. Deutsch von Dr. Ernst Jentsch. Würzburg 1907. — Geschlechttrieb und Schamgefühl. Deutsch von J. E. Kötscher. Würzburg 1907. [83] Beiträge zur Ätiologie der Psychopathia sexualis. Dresden 1902. II. S. 100 ff. und Das Sexualleben unserer Zeit in seinen Beziehungen zur modernen Kultur. Berlin 1908. S. 128 ff. [84] Ανθρωποφυτεία. Jahrbücher für folkloristische Erhebungen und Forschungen zur Entwicklunggeschichte der geschlechtlichen Moral. Leipzig 1904–1907. 4 Bände. Diese Jahrbücher erscheinen unter strengstem Ausschluss der Öffentlichkeit nur für Gelehrte, die sich wissenschaftlich mit der Erforschung des Geschlechtlebens befassen. [85] Vrgl. Vuk Karadžićs Srpski rječnik, Wien 1852, S. 311 a. Vrgl. auch dessen »Život i običaji naroda srpskoga«, S. 220. In Chrowotien nennt man häufig die Pest Kratelj. Wenn der Kratelj die Menschen heimsucht, so empfiehlt man als Schutzmittel Bähungen aus jenen feinen und durchsichtigen Blättchen, die zwischen den einzelnen Lagen eines Zwiebelhauptes vorkommen. Solche Umschläge vertreiben den Kratelj. Vuk bemerkt im Wörterbuche zu dem Worte Kratelj: »Nach der Tradition eine Krankheit ärger als die Pest, eine Krankheit, die in einer Nacht tötet. Der Tote hat einen Fuss kürzer als den anderen. Daher der Name von kratak, kurz. In neuerer Zeit wird die Pest auch in Serbien, seitdem sie häufiger auftritt, Krátelj genannt.« Der Ausdruck hat nun in der Sprache Bürgerrecht erhalten. Im Herzogtum nennt man die Menschenpest einfach kratelj. So heisst es z. B. im Bosiljak Hercegovački, 1883. N. 2. S. 22: »Kratelj. Po najnovijih vjestih dolazećih sa istoka, kratelj u Egyptu sada je manji.« (Die Pest. Nach den neuesten aus dem Oriente kommenden Nachrichten nimmt jetzt in Egypten die Pest ab.) Dass Vuks Ableitung des Namens Krátelj von kratak auf einer verfehlten Volketymologie fusst, leuchtet gleich ein. Wäre wirklich kratak = kurz, das Etymon, das zur Bezeichnung der Krankheiterscheinung verwandt werden sollte, so müsste das Wort Kratáč, bezw. Kratéč lauten. Über die pathologische Erscheinung dieser Art handelt scharfsinnig und lehrreich, wie immer, Dr. P. Näcke in seiner mediko-historischen und folkloristischen Studie: Das Vorkommen von Wadenkrämpfen im orientalischen Gebiete in alter und neuer Zeit (Neurologisches Centralblatt. Leipzig 1907. Nr. 17). Auf Grund seiner Ermittlungen folgert er: ‘Krämpfe, Krampfformen aller Art lassen sich wohl überall in alten und neuen Zeiten, in schriftlichen oder mündlichen Aufzeichnungen nachweisen und mussten fast selbstverständlicherweise auf die Einwirkung von Dämonen irgendwelcher Art zurückgeführt werden, und zwar böser Geister, die plötzlich einbrachen, und so Schrecken, Schmerz, Bewegunglosigkeit usw. erzeugten. Wo dies nicht deutlich mehr nachzuweisen ist, lässt es sich aus der Therapie direkt oder indirekt erschliessen.’ Da Kratelj nicht der ursprüngliche Name der Pest ist, vielmehr sich der Name erst in neuerer Zeit eingebürgert hat, so liegt es auf der Hand, dass er aus der Fremde eingeführt worden. Aus Slovenisch Görz in Steiermark rührt folgende Nachricht her. »Škratec oder Škratel ist ein Kobold (duh, eigentlich Geist), der einem Geld bringt. Es fällt gar nicht schwer, ihn mittels gewisser Beschwörungformeln herbeizurufen. Man muss ihm nur etwas zusichern, sei es den ganzen Körper, oder auch nur einen Teil, sei es die Hand oder den Fuss, verschreiben, und zwar muss man den Vertrag, den man mit ihm abmacht, mit eigenem Blute unterschreiben. (Christliche Vorstellung vom Pakt mit dem Teufel.) Der Škratel nimmt alle möglichen Gestalten an, einmal zeigt er sich als kleiner Knabe, ein andermal verwandelt er sich in ein altes Weib, in das letztere am gewöhnlichsten. Bringt er einem Geld, so saust er als glühender Besen (übertragen aus dem deutschen Hexenglauben) durch die Lüfte. Hat einmal einer mit ihm einen Vertrag abgeschlossen, so kann er alles, was sein Herz nur begehrt, von ihm bekommen, nur muss er abends vor dem Schlafengehen dem Škratel ein Merkmal aufs Fenster hinlegen (wie dem hl. Nikolaus am 6. Dezember nach südslavischem Volkbrauch), damit der Škratel weiss, was man von ihm haben will. Zugleich muss man ihm aber auf das Fensterbrett Hirsebrei (ein Opfer dem Waldgeiste) hinlegen, denn dies ist seine Lieblingspeise.« Die Schrate oder Schretel oder Schretlein, der Schrat, ist ein bei den germanischen Völkerstämmen weithin bekannter Hausgeist. In Niederbayern bezeichnet Schratl den Wirbelwind. (Panzer in den Beiträgen zur dtsch. Myth. II. S. 209.) Über das Schrätlein vrgl. Adolf Wuttke, Der deutsche Volkaberglaube d. Gegenwart. 3. Bearbeitung von Elard Hugo Meyer, Berlin 1900, S. 43 f., 159 u. 273. Bei den Inselschweden ist der Skrat und ebenso durch Entlehnung in der Form Krat bei den Esthen ein Hausgeist oder Kobold, der auch mit dem fliegenden Drachen identifiziert wird, welcher seinem Besitzer Getreide und andere Dinge durch die Luft zuträgt. (Russwurm, Eibofolke § 373 ff. bei Mannhardt, Baumkultus, § 115, im Auszuge. Bei den Südslaven nahm der Škratelj, oder wie er in der verkürzten Form Krátelj heisst, mit der Zeit ganz die Bedeutung eines verderbenbringenden Geistes an. Der Übergang erklärt sich von selbst, wenn man die Schilderung seines Wesens sorgfältig prüft. Darnach unterliegt es keinem Zweifel mehr, dass sowohl der Name als die Vorstellung vom Škratelj den Südslaven durch die Deutschen bekannt geworden. Wir besitzen aber auch ein unmittelbares Zeugnis dafür. In der Danica zagrebačka za prestupno lěto 1850. S. 117 findet sich folgendes Geschichtchen: »Lěto 1531. je bila nekakva pošast, koja se imenuje Škrapec (dialektische Nebenform von Škratelj) ili šumski vrag, pod ladanjem (?) Kardinala i Eršeka vu Salcburgu, Matheja Lang vu Haunsbergu vu lovu vlovljena. Ona je bila žute boje, zevsema divja, niti nikak ni hotela vu ljudi gledati, nego se vse zmir je skrivala po kutih; na glavi je imala kokotovu rožu, človečanski obličaj z bradum, orlovske noge, lěpe oroslanske tace i pesji rep, i je poginula od glada, akoprem se njoj ljudi jesu milili, nju nudili i takaj silili, da bi jela i pila.« Im Jahre 1531 wurde ein Ungetüm [pošast wird auch für das deutsche Wort »Seuche« gebraucht], das man Škrapec oder Waldteufel nennt, unter der Herrschaft [wahrscheinlich dürfte vladanjem zu lesen sein] des Kardinals und Herzogs von Salzburg Mathias Lang in Haunsberg in der Jagd eingefangen. Sie war [es war also eine Waldfrau] von gelber Farbe, vollends wild, und wollte um keinen Preis den Leuten ins Gesicht schauen, sondern verbarg sich fortwährend in den Winkeln; auf dem Kopf hatte sie einen Hahnenkamm [eigentlich: Hahnenrose], sie hatte ein männliches Gesicht mit einem Barte, Adlerfüsse, schöne Löwentatzen und einen Hundschwanz. [Und] sie ist vor Hunger umgekommen, wenngleich ihr die Leute schön taten, ihr [Speisen] antrugen und sie so zu zwingen suchten, dass sie Speise und Trank zu sich nehme. Ganz gewiss ist dieses Geschichtchen aus einer alten deutschen Chronik übersetzt worden. Ähnliche Sagen mögen auf demselben Wege unter dem südslavischen Bauernvolke Verbreitung gefunden haben. Die eigentlichen Sagen hat das Volk vergessen, den Namen aber auf Vorstellungen übertragen, die ihm viel geläufiger waren. Auf den Viljenak, den Gefährten der Vile (der südslavischen Waldfrauen) konnte der Name Škratelj keine Anwendung finden, weil sich das Volk unter einem Viljenak kein so bösartiges Wesen vorstellt; das Nächstliegende war, dass man an die Pest dachte, wozu zugleich die vom Volke angenommene Etymologie des Wortes eine scheinbare Berechtigung gab. [86] Vrgl. »Sbirka hrvatskih narodnih poslovicah i riečih sabrao Mijat Stojanović, u Zagrebu 1866. S. 255 f. [87] Von der Wurzel mar, zermalmen, davon lat. mors, slav. smrt. = der Tod. Mrviti = zerbröckeln, sowie malmen, in zermalmen gehen auf denselben Stamm zurück. [88] Vrgl. »Arkiv za povjestnicu jugoslavensku«. Agram 1859. B. V. S. 334. [89] Arkiv. Jahrg. 1863. S. 251–3. Vrgl. dazu die bosnische Erzählung von der Pestfrau, die Kaiser Konstantin nach Konstantinopel gebracht und in eine Wand eingemauert hat. Anthropophyteia I. S. 47 f. [90] Das ist ein Opfer und ein Opfer ist auch die in Russland unter Juden übliche Friedhofhochzeit gegen die Cholera. In Skiernewice, dem kleinen Städtchen in Russisch-Polen, wurde am 28. Juni 1894 auf dem jüdischen Friedhofe eine Hochzeit gefeiert, was laut einem alten Glauben ein wirksames Mittel gegen die Cholera sein soll. An diesem Tage wurde nämlich der ärmste junge Mensch des Ortes mit einem eben so armen Mädchen verheiratet. Sie erhielten eine Aussteuer, die ihre Zukunft sicherte und zu welcher Juden und Christen beitrugen. Fast die ganze Einwohnerschaft, mit Branntweinflaschen in der Hand, bewegte sich von Musik begleitet nach dem Friedhofe, tanzend und singend und über die Spässe der buntgekleideten Possenreisser lachend. Ähnliche Aufzüge wurden auch in Paris abgehalten, als die schwarze Pest dort so furchtbar wütete. [91] Vrgl. Ilić »narodni slav. običaji«. S. 301. Der deutsche Volkglaube bevorzugt Bibernell und Pimpernell gegen die Pest. Darüber veröffentlichte A. Treichel eine kleine, gediegene Abhandlung, die ohne Jahrzahl und Druckortangabe wohl um 1888 erschien. [92] Bei M. Valjavec, Narodne pripovjedke, skupio u i oko Varaždina. 1858. S. 242. Dieselbe Sage fast wörtlich wie bei Valjavec bei L. Ilić in den Narodni slavonski običaji. Zagreb. 1846. S. 299 f. [93] Von Ilić a. a. O. S. 302 f. [94] Bulen = Mosliminnen; Saraj, Serail = Königburg. [95] Hrvatske narodne pjesme i pripoviedke iz Bosne skupio N. Tordinac. Vukovar 1883. S. 30 f. [96] Im Text morija. Kad morija Mostar pomorila, Sve pomori. [97] Arkiv, Jahrg. 1863. [98] Arkiv, B. VII, p. 242. [99] Kad su se Gradski Vrhovci nastanili, svukli su se brat i sestra goli i zapregli su u gluvo doba noći dva crna od jedne matere vola i oborali su selo, da ne može kuga u njem vladati. — Ein bosnisches Guslarenlied meiner Sammlung vermeldet von der Burg, ihrem Besitzer, der ein kühner Kämpe war, und dem Dörfchen. Diese Handlung spielte sich in der ersten Hälfte des XVII., der von Tadić aber berichtete Vorgang am Anfang des XIX. Jahrhunderts ab. Nach dem Abzug der Türken oder Moslimen erhob man das verwüstete Städtchen Požega zu einer königlichen Freistadt und teilte ihr die verödeten Dörfer und Ländereien weit in der Runde als Besitz zu. Wie mir um das Jahr 1870 Bauern aus Vrhovci erzählten, kamen ihre Grosseltern, bosnische Serben, als Ansiedler dahin. Auch Tadić hat davon Kunde, was er ja mit nastanili andeutet. Man darf ruhig annehmen, dass die Bauern, bräche eine Pestilenz aus, wieder eher zehnmal das Dorf auf gleiche Weise umackern liessen, bevor sie einmal geschulte Ärzte zu Hilfe und zur Abwehr der Krankheit beriefen. [100] Dass diese Anweisung wirklich von den Bauern befolgt wurde, und zwar in Syrmien, bezeugt auch Vuk im Wörterbuche unter oborati, S. 432, b. Über die Entblössung als Mittel zur Geisterbannung vrgl. Anthropophyteia I. S. 1 f. und IV. S. 171 ff. Spuren dieses Brauches finden sich bei allen verwandten Völkergruppen. (Vrgl. Mannhardt, Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme. Berlin, 1875. S. 553–565.) — Besonders wichtig ist für uns die Tatsache, dass der im Texte beschriebene Brauch auch in jüngster Zeit in Russland als in voller Geltung bestehend beobachtet wurde. Noch im Jahre 1871 suchten die Landleute im Dorfe Davydkovo bei Moskau beim Herannahen der Cholera die Krankheit gleichsam zu konsignieren. Zwölf Jungfrauen spannten sich um Mitternacht an einen Pflug und zogen ihn rund um das Weichbild des Dorfes. In diesen Zauberkreis sollte die Cholera nicht mehr eintreten können. Einige Tage darauf entschloss sich die Geistlichkeit des Ortes, mit allen heiligen Geräten eine Prozession um die ausgezogenen Pflugscharfurchen zu machen, um dem Zauberkreise auch noch ihre ganz christliche Weihe zu geben. Die Mordwinen im Gouvernement Simbirsk umziehen, sobald sich in den umliegenden Orten eine Viehseuche zeigt, nachts ihr Dorf mit einer Furche. Der Ortvorstand ladet behufs dessen ehrwürdige Greise und unschuldige Jünglinge und Mädchen zu sich ein. Einer der Greise schreitet mit dem Heiligenbilde voran und hinter ihm ziehen Jünglinge den Hakenpflug, den eine keusche Jungfrau lenkt. Ohne Geräusch und Rede, in lautloser Stille umfurchen sie die Ortschaft. Bisweilen tragen die Ackerer, gleichsam als Opfer, ein schwarzes Kätzchen im Kober mit sich. Aus anderen russischen Ortschaften teilen Orest Miller und Tereščenko andere Einzelheiten über den Brauch des Pflugziehens mit. (Opaktiovanie.) Bei einer Hornseuche des Viehs versammeln sich die Weiber im blossen weissen Hemde, mit Besen und Schaufeln oder mit Sensen und Sicheln bewaffnet. Die älteste unter ihnen wird vor einen Pflug gespannt und muss ihn dreimal rund um das Dorf ziehen; die übrigen folgen unter Absingung gewisser für diese Gelegenheit traditioneller Lieder. Nach Tereščenko schreitet eine Jungfrau mit dem Bilde des hl. Blasius (Vlas) voran, hinterher die Dorfweiber mit Besen und Strohbündeln, andere auf Besenstielen reitend und Bratpfannen schlagend, lärmend und tanzend; den Schluss machen einige alte Frauen, welche angezündete Kienspäne in den Händen halten und im Kreise die vor den Pflug gespannte Greisin, sowie eine Witwe umschliessen, die mit nichts anderem als einem Pferdekummet am Halse bekleidet ist. Vor jedem Hofe macht die Prozession Halt und führt hier mit Töpfen und Pfannen eine Katzenmusik auf, indem man ausruft: »Da ist der Kuhtod! Da geht er!« Läuft zufällig ein Hund oder eine Katze vorbei, so wird das Tier als der leibhaftige Kuhtod (der Krankheitgeist) ergriffen und getötet. Dieser Brauch gilt als vorzügliche Vorkehrung gegen die Viehseuche. (Dass dieselbe Anschauung bei den Südslaven vorherrscht, ersieht man aus den Sagen, die den Schluss dieses Aufsatzes bilden.) Ein anderer wird als wirksam gegen verschiedene epidemische Krankheiten betrachtet. Die Weiber richten um Mittag auf jedem Ende des Dorfes einen Haufen von Wirtschaftabgängen auf und stecken beide um Mitternacht in Brand. Zu einem Feuer ziehen die jungen Mädchen in weissen Hemden und mit lose fliegenden Haaren einen Pflug; eines trägt ein Heiligenbild hintennach. Zur zweiten Brandstelle am entgegengesetzten Ende der Dorfstrasse tragen die alten Frauen, schwarz gekleidet, einen schwarzen Hahn und führen ihn dreimal herum. Dann ergreift eine Alte den Hahn und läuft damit zum Feuer der Mädchen am anderen Dorfende, indes der ganze Haufe das Geschrei laut werden lässt: »Stirb, verschwinde, schwarze Seuche!« Dort angekommen, wirft sie das Tier in die Flammen. Die Weiber ziehen jetzt den Pflug dreimal um die Dorfgrenze. Die Ackerfurche ist heilig. Ihre Überschreitung rächt sich durch Tod oder Krankheit. Über das Umpflügen vrgl. noch das vortreffliche Werk Bernhard Sterns, Geschichte d. öffentl. Sittlichkeit in Russland. Kultur, Aberglaube usw. Berlin 1907. S. 480–482. Ein achtunddreissig zwölfsilbige Verse langes südslavisches Bittgebet der Bauern gegen die Pest findet sich in den Jačke ili narodne pěsme prostoga i neprostoga puka Hrvatskoga po župah šoprunskoj, mošonjskoj i želěznoj na Ugrih, skupio Fran Kurelac. U Zagrebu, 1871, S. 288 f. Jesus, die Mutter Gottes, der hl. Sebastianus, der hl. Rochus und die heilige Rosalie werden als Schutzpatrone gegen die Pest angerufen. Das Lied, wohl eines der schwächsten der ganzen Sammlung, dürfte einen katholischen Priester zum Verfasser haben. Heidnische Reminiszenzen kommen darin gar nicht vor. Aufgezeichnet wurde dieses angebliche Volklied in Klein-Warasdorf etwa um das Jahr 1856. [101] Diese Sage ist aus Slavonien. Sie wurde in Velika Kopanica in der ehemaligen Militärgrenze im Jahre 1841 von M. Stojanović aufgezeichnet. Vrgl. dessen »Narodne pripoviedke« p. 208–210. [102] Arkiv za povjestnicu Jugoslavensku. B. V. (1859), p. 334. [103] In einer anderen Sage werden dem Teufel folgende Worte in den Mund gelegt: »Kurulunku oporunku abadi nakolinki sint«, und das soll bedeuten: »Halsstarrige Weiber sind schlimmer als der leibhaftige Teufel, und der Teufel zieht es vor, fünftausend Jahre lang die Hölle nicht zu verlassen, als auf dieser Welt ein furchtloses Weib in Versuchung zu führen.« Die Geister sprechen auch bei den Deutschen eine ganz eigentümliche, nur Eingeweihten verständliche Sprache. Vrgl. Paul Sartori, Am Urquell. 1894. S. 25. [104] Hrvatske narodne pjesme i pripoviedke u Vrbovcu sakupijo Rikardo Ferdinando Plohl Herdvigov. I. U Varaždinu 1868. p. 102 f. [105] Vrgl. »Život i običaji naroda srpskoga« von Vuk Karadžić. Wien 1867. p. 220. [106] Die erstere Sage bei Valjavec, S. 244. Die letztere nach einer brieflichen Mitteilung. [107] Die Todgöttin Hella wohnt in der Unterwelt. Sie holt nicht selber die Menschen, sondern die Toten gehen zu ihr, aber in Pestzeiten reitet sie auf einem dreibeinigen Pferde umher. A. Wuttke a. a. O. S. 33. [108] Arkiv B. VII, p. 252 f. [109] Arkiv. B. VII, p. 253. [110] Narodne basne. Skupio ih po Boki, Crnojgori, Dalmaciji a najviše po Hercegovini Vuk vitez Vrčević. Ragusa 1883. [111] Es sei hier auf die grundlegende Studie Alfred Wiedemanns hingewiesen: Die Toten und ihre Reiche im Glauben der alten Ägypter. Leipzig 1900. Die neuere Literatur über die Seele, Totengebräuche und die Wiederkehr Verstorbener, verzeichnet Krauss: Die Volkkunde in den Jahren 1897–1902. S.-A. aus den Romanischen Forschungen, hrsg. v. Karl Vollmöller. Erlangen 1903. S. 108–113. [112] Über kopflose Geister vrgl. die Umfrage H. F. Feilbergs im Am Urquell IV. (1893) S. 8. V. (1894) S. 78 ff. [113] Tiger hat die Erzählerin nur in der Schule auf Wandtafeln abgebildet gesehen und wahrscheinlich im Schulbuche eine Schilderung der Grausamkeit eines Tigers gelesen. Von der Schulbildung hat sie nicht viel mehr als ein wenig Schreiben und Lesen und einige Namen mit ins Leben hinübergenommen. [114] Ausgezeichnet gut und endlos ausführlich von Iv. D. Šišmanov, Pèsenta na mrtvija brat v poezijata na balkanskite narodi. Sofia 1896. 432 Seiten. [115] Auch Stefan Hock ist in seiner literarhistorisch sehr schätzbaren Untersuchung (Die Vampirsagen und ihre Verwertung in der deutschen Literatur. Berlin 1900) der Ansicht Andrees. Man vrgl. meine Widerlegung unter Anführung der slavischen Literatur über den Vampir, Die Volkkunde in den Jahren 1897–1902. Erlangen 1903. S. 116 f. — Dass der Vampirglaube in der scharf ausgeprägten Form, wie er noch gegenwärtig bei den Südslaven auftritt, wenn nicht türkischen Ursprungs, so doch sehr stark vom türkischen Volkglauben beeinflusst sei, lehren uns Tihomir R. Gjorgjevićs Ermittlungen. Godišnjica Nikole Čupića, XXI. (1901). S. 231 u. 287. [116] Tierorakel und Orakeltiere in alter und neuer Zeit. Eine ethnologisch-zoologische Studie. Stuttgart 1888. S. 53 ff. [117] Vrgl. Anthropophyteia II. (1905). S. 390 f. [118] Selbst Mohammed hatte sich in ein Schwein verwandelt. Die serbische Sage in T. R. Gjorgjević’s Monatschrift Karadžić, Aleksinac 1901 (III). Nr. 5. [119] Mitgeteilt von Thomas Dragičević, der als Gendarm die Gegend genau kennen gelernt. [120] Vrgl. Krauss, Bojagić Aliles Glück und Grab. Zwei moslimische Guslarenlieder. Leiden 1896. S. 7–10. Das zweite Lied handelt von der Sühnung einer Grabschändung. [121] Eine wertvolle Studie über den Werwolf im polnischen und russischen Volkglauben verdankt man L. Krzywicki, Wisła XII (1898) 100–130. Ludožerstwo i wilkołactwo. [122] Man vergleiche die endlos gelehrte Studie W. H. Roschers, Ephialtes. Eine pathologisch-mythologische Abhandlung über die Alpträume und Alpdämonen des klassischen Altertums. Leipzig 1900 und Dr. M. Höflers Studie über Krankheitdämonen, Arch. f. Religionwissenschaft, hrsg. von Th. Achelis. II. (1899). S. 86–164. Beide Abhandlungen erschliessen naturwissenschaftlich den Völkerglauben. Vrgl. mein Referat: Die Volkkunde in den Jahren 1897–1902. S. 113–115. [123] Volkglaube und religiöser Brauch der Südslaven. Münster in Westfalen 1890. [124] Am Urquell I. (1890). S. 103 f. [125] In Bulgarien, wie es scheint, durchwegs. Man vergleiche den Bannspruch z. B. im Sbornik za narodni umotvorenija, nauka i knižnina VIII. (Sofia 1892) II. S. 155 f. und sonst öfters. [126] Rich. Andree: Die Anthropophagie, Leipzig 1887. — Dr. P. Bergemann: Die Verbreitung der Anthropophagie und Ermittelung einiger Wesenzüge dieses Brauches. Eine ethnographisch-ethnologische Studie. Bunzlau 1893. — Dr. Rudolf S. Steinmetz: Endokannibalismus. Wien 1896. — H. Kern: Menschenfleisch als Arzenei (Festgabe zur Feier des 70. Geburtstages von Prof. Ad. Bastian) Leiden 1896, S. 37–40. — Dr. K. Th. Preuss: Menschenopfer und Selbstverstümmlung bei der Totentrauer in Amerika. Festschrift f. A. Bastian, Berlin 1896, S. 197–230. — Von psychologischer Seite aus vorzüglich mit Rücksicht auf die Naturvölker erörtert das Menschenfleischessen L. Krzywicki (Ludožerstwo, Wisla (()) XII. S. 100 ff.). — Die Verschiedenheit zwischen Menschenopferkult und Menschenfleischessen, die nicht selten miteinander vermengt oder verwechselt werden, legt für Hawaii Karl von den Steinen klar (Reise nach den Marquesas-Inseln. Verh. d. Gesellschaft für Erdkunde, Berlin 1898, S. 510 ff.). — Wertvolles Material liefern Gaidoz, Mélusine III (acht Artikel) und Herm. Strack, Das Blut im Glauben und Aberglauben der Menschheit, München 1900. [127] Cit. bei J. Grimm, Deutsche Rechtaltertümer, 488. Verweise auf diese Stellen auch bei Steinmetz, Endokann. 24, der auch auf P. Sartori’s vorzügliche Untersuchung: Die Sitte der Alten- und Krankentötung (Braunschw. 1895) Bezug nimmt. [128] K. A. Šapkarev: Sbornik ot blgarsk. nar. umotvor. Sofija 1892. S. 77. [129] Pjevanija cernogorska i hercegovačka sabrana Čubrom Čojkovićem cernogorcem pa i njim izdana istim. Leipzig 1837. S. 247b. [130] Text und Verdeutschung bei Fauriel-Müller, Neugriech. Volklieder. Leipzig 1825. I. S. 15. Nr. VII. Vom Schulterfleisch siehe II. S. 47. Nr. XXI. V. 19 ff. [131] Bei Luka Marjanović: Hrvatske nar. pjesme, što se pjevaju u gornjoj Hrvatskoj, krajini i u turskoj Hrvatskoj. Svezak I. Agram 1864. Nr. XXIII. S. 138 f. V. 98 ff. [132] Bei Vladimir Krasić: Srpske nar. pjesme starijeg i novijeg vremena. I. Pančevo 1880. Nr. XV. S. 84–88. Das Stück aus Bosnien. [133] Ein Guslarenlied bei Manojlo Kordunaš: Srpske nar. pj., skupio po bivšoj gornjoj krajini. Neusatz 1891. I. S. 4. — Eine Variante bei Vuk Karadžić: Srpske nar. pj. iz Hercegovine, 314–318. — Die internationale Verbreitung dieses Sagenstoffes behandelte erschöpfend Michael Dragomanov im Sbornik za narodni umotvorenija. Sofija 1889. S. 45–95: Slavjanskitē skazanija za požertvuvanie sobstvenno dēte. [134] Vrgl. Krauss, Böhmische Korallen. Folkloristische Börsenberichte aus der Götter- und Mythenwelt. Wien 1897. 2. Aufl. [135] Srpske n. pj. Belgrad 1867. Nr. 54. S. 647–651. 151 Verse; Nr. 55. S. 652–673. 679 Verse; Nr. 56. S. 674–692. 585 Verse. Die schimpfliche Erbsünde, die P. den Katholiken andichtet, will ich hier nicht hervorheben. Vielleicht steht im dritten von den drei dicken Bänden der P.’schen »Sammlungen«, die auf Kosten der Belgrader gelehrten Gesellschaft erschienen, auch noch derlei; ich habe bloss zwei gelesen. C’est assez pour qui doit mourir. [136] In den genannten Srpske narod. pjesme S. 43. [137] Zur Erklärung vrgl. Am Urquell I. S. 194. [138] Vrgl. Am Urquell I. S. 196. Derselbe Brauch im Herzogtum. [139] S. Trojanović: Starinska srpska jela i pića. Belgrad 1896. S. III f. [140] R. Sprenger, Der Urquell I. S. 119. [141] The Ghost Dance. Washington 1896. [142] Damit soll keineswegs eine Kritik an dem Urteil geübt werden, das gewiss allen gesetzlichen Formen entsprach, nur die Belastungzeugen, durchwegs die untersten Organe, die in Chrowotismus machen, um vorwärts zu kommen, verdienten eine möglichst strenge Prüfung auf ihre Glaubwürdigkeit hin. Von der Chrowotiasis ergriffene Menschen können nicht gut als Zeugen gelten. Das wissen österreichische Richter und Staatsanwälte und gehen darnach vor. Ein Beleg für viele: »[Telegr. der »N. Fr. Pr.« Wien, Freitag 25. Juni 1897]. Triest, 24. Juni. (Die Ausschreitungen in Barcola.) Von den 23 wegen schwerer Wahlexzesse angeklagten Kroaten wurde einer freigesprochen, die übrigen zu Arreststrafen von fünfzehn bis zwei Monaten verurteilt. Der Staatsanwalt behielt sich vor, gegen eine Reihe von Zeugen wegen falscher Zeugenaussage vorzugehen. In seinem Plaidoyer betonte der Staatsanwalt, dass schon seit langem in der slavischen Landbevölkerung Hass gegen die Stadt genährt werde. Es sei ihm noch nie vorgekommen, dass eine ganze Reihe von Zeugen, Männer, Frauen und unmündige Kinder, wie Ein Mann falsche Aussagen ablege. Die Einwohner von Barcola, meint der Staatsanwalt, würden, um einen ihrer Angehörigen, welcher unter Anklage stünde, zu retten, sogar ihren Glauben verleugnen.« Um wie viel eher täten sie es, um ihren Hass an »Feinden« zu befriedigen! Der Chrowotismus entsittlicht und verwildert das Volk, so dass es sogar dem Christentum entfremdet wird. Der Chrowotismus erscheint wie eine Kette krankhafter Wahnvorstellungen. [143] Eine chrowotische Korrespondenz berichtet noch folgendes Detail: ‘Als Djaković auf der Strasse im Blut und Staube in den letzten Zügen lag, sprang aus dem Wirtshaus eine Bäuerin auf ihn zu und verrichtete ihre Notdurft über sein Gesicht. Er fragte sie stöhnend: ‘Was habe ich dir getan?’ und sie antwortete: ‘Na ti, pravi Hrvat!’ (Da hast du, du echter Chrowot!) Marta Lončar heisst dies Weibsen. Sie sass bald in Agram. Falls ihre Natur die vertraulichen Unterhaltungen im Kerker siegreich übertaucht, wird sie auch die Strafe von rechtswegen nach dem Urteil überdauern und eine alte Chrowotin werden. Ein Bauer wollte drei Pfund Fleisch aus dem toten Cvijanović herausschneiden, braten und aufessen. Es galt eine Wette. Alle Reisebeschreiber und Ethnographen schildern den chrowotischen Landmann für treuherzig, gutmütig und gastfreundschaftlich bis zur Verschwendung (vrgl. mein Buch: Sitte und Brauch der Südslaven, Wien 1885, Kap. XXX, S. 644–658), als unterwürfig und ergeben. Allah rachman! Welche ungeheuerliche Verbrechen hat man an dem liederfrohen Mann begangen, dass er alle Bande gesitteter Scheu zerriss und hasserfüllt und rachegierig zum Kannibalen ward! Die Bauern kamen vor das Gericht, die Maffioten, die Urheber all des Unheils, lachten sich aber ins Fäustchen. Wer riss die Bauerngehöfte an sich? Der chrowotische Bauer wandert nun gleich dem russischen Juden aus, denn für ihn gibt es in der väterererbten Heimat kaum eine Rettung mehr. Bis Ende 1907 ist statistischen Ausweisen zufolge der vierte Teil der chrowotischen Landbevölkerung ausgewandert. [144] Der grösste Teil davon entzieht sich der Wiedergabe in einem allgemein zugänglichen Buche. Mit der Publikation begann ich jedoch bereits im III. Band der Anthropophyteia S. 165–168 zur Beantwortung der Umfrage William Godelücks über den Liebezauber der Völker. [145] Das fehlende Wort ist mir in meiner eigenen Handschrift unleserlich geworden. [146] Ob meine Übersetzung des Wortes richtig ist, sei dahingestellt. In Wörterbüchern findet es sich ebenso wenig als ćufur, die Lachtaube. [147] Für unsere »Äpfel« sagt der Serbe in diesem Fall »jaja«, Eier. [148] Die Bäuerin schrieb čšeniče, weil sie für die Unterscheidung der Laute ć und č in der Schrift kein Verständnis hat, obgleich sie in der Aussprache genau unterscheidet. Die Umstellung ćšeniće für šćeniće, dieses für šteniće ist beachtenswert, weil eine, wenigstens für unsere Zunge, beschwerlichere Aussprache, die ältere, leichtere verdrängt. [149] Mikolu für: Nikolu. Mikolaja sagen gewöhnlich die altgläubigen Serben, Mikola die Katholiken. Ich fürchte, die Herren Buchstabenphilologen werden sich vergeblich den Kopf zerbrechen, um lautphysiologisch die Wandlung des n in m hier zu erklären. Die Sache ist ganz einfach, der Bauer wagt es nicht, den Heiligen Nikolaus, Nikola zu nennen, weil in der dortigen Mundart niko (für nitko) »Niemand« bedeutet, und es doch einer Ehrverletzung gleichkäme, einen Heiligen so anzusprechen. Darum lieber Mikola, anknüpfend an den Namen Mihajlo, Mikajlo, Miko (Michael). [150] Die Partikel hat die Schreiberin nur aus Unachtsamkeit ausgelassen. [151] Lehnwort aus dem Deutschen: probieren. Der Slave sagt sonst: pokušati. Eine vernünftige Nötigung für die Aufnahme des Fremdwortes ist nicht erfindlich. [152] švaljerke geht auf das französische Wort (le) Chevalier, der Ritter, Kavalier, Liebhaber zurück. Das Wort ist wahrscheinlich auf literarischem Wege ins Volk gedrungen. Daneben gebraucht dasselbe Volk in Slavonien für »Buhlin« die slav. Ausdrücke: milosnica (Liebespenderin), inoća (»die Andere«, »die Fremde«, die Kebsin); bludnica, kurva und »frajla« (= Fräulein) oder auch »frajmadl« (Freimädl, Freudenmädchen) bezeichnen eine Verlorene. [153] Liebezaubermittel. Vrgl. ähnliche Mittel bei Krauss: Sitte und Brauch der Südslaven. Wien 1885. S. 167. [154] Die Bäuerin ist über den Greuel der Blutschande entsetzt gewesen, weil sie glaubte — das ist allgemeiner Volkglaube — dadurch falle der schreckliche Fluch der Ausrottung auf sie und ihre Kinder, als den Angehörigen des Verfluchten. [155] Die Orljava entspringt als schmales Bächlein im Kamenskogebirge an den Hängen des Papuk beim Dörfchen Orlovo (Adlerhorst), fliesst an Vilićselo, Brestovac, Požega, Blacko, Pleternica, Suljkovci vorbei und strömt als ansehnlicher Fluss an Kapela und Orjovac bei Kobaš in die Save ein. [156] Selbstmorde sind häufig unter den südslavischen Bauern. Pflanzengifte Belladonna und Stechapfel (datura stramonium) und das Mineral Arsenik sind sehr gewöhnlich. Sich erhenken ist nicht so üblich, als sich ersäufen. Giftmischer bedienen sich aber am liebsten Leichengiftes, weil dieses am schwersten nachzuweisen ist. [157] Über solche Frauen vrgl. Krauss: Medizinische Zaubersprüche aus Slavonien usw. in den Mitt. der Wiener Anthrop. Gesellschaft. 1887 und Dr. Alex. Mitrović, Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien; Anthropophyteia IV. S. 227–236. [158] Waclaw Alexander Maciejowski: Historya prawodawstw słowiańskich. Warschau 1856–1864. I, 26 und II. 376: Żadnego ludu słowiańskiego nie są tyle co serbskiego pieśni ważne. Toż samo należy powiedzieć o pieśniach ludów z Serbami jedno niegdyś państwo stanowiących. Z tych znowu pieśni bolgarskie na wielką zaslugują uwagę. [159] W. A. Maciejowski III. p. IV: Zrobiwszy co mogłem, zostawiam następcy svemu rzecz poprowadzić daléj, badać zwyczaj i obyczaj, i przy pomocy dziejów wnikać przez oba w ustawę i statut. [160] Die menschliche Familie nach ihrer Entstehung und natürlichen Entwickelung. Leipzig 1888, S. 501. [161] Dr. Albert Herm. Post: Über die Aufgaben einer allgemeinen Rechtwissenschaft. Oldenburg und Leipzig 1891. S. 123 f. [162] Neugriechische Volklieder gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel, übersetzt und mit des französischen Herausgebers und eigenen Erläuterungen versehen von Wilhelm Müller. Leipzig 1825. 2 Teile, I. XXXV. [163] Zu Borki im Herzogtum lebt ein Beg, ein wirklicher Grossgrundbesitzer, der ein ausgezeichneter Guslar ist. Seinen Reichtum hat er ererbt, nicht selber erworben. Im Auftreten und Gehaben unterscheidet er sich in keiner Beziehung von seinen gänzlich mittellosen Sangbrüdern. Sogar sein Anzug war vernachlässigt. Jeder Guslar ist mehr oder weniger ein Schlampsack, wie man wienerisch sagt. [164] Nicht anders steht es mit den Reigenführerinnen (Kolovogje), die zugleich Vorsängerinnen sein müssen. Sie verbringen ihr Leben mit dem Lernen und Lehren alter und neuer lyrischer Lieder, vergeuden die Zeit, vernachlässigen die häusliche Wirtschaft und verstehen es nicht, des Hauses Wohlstand zu vermehren. Viele drastische Sprichwörter warnen vor einer Ehe mit solchen Kennerinnen der Überlieferung. An Analogien dazu bei anderen Völkern herrscht Überfluss. [165] Man lese zur Erläuterung die autobiographischen Bekenntnisse der Guslaren Mehmed Dizdarević (in ‘Bojagić Alilens Glück und Grab’, Intern. Archiv f. Ethnogr. B. IX. 1896. S. 31 des S. A.) und Omer Šestanović (in der Festschrift f. A. Bastian, Berlin, 1896, S. 333 f.) nach. Fragte ich pflichtgemäss nach jeder erfolgten Niederschrift Guslaren, von wem sie das Stück übernommen hätten, bekam ich häufig beschieden: ‘Das weiss ich nicht mehr. Es ist schon lange daher. War ein Hirtlein noch, als ich es von jemand singen hörte und habe es mir gemerkt’. [166] In: Geschichte des osmanischen Reiches. Pest 1836. IV.2 S. 686. [167] In den ‘Reisebildern’. III. Kap. VII. [168] Im: Bulletin de Folklore. IV. S. 385. [169] Im: The myths of the New World, third ed. Phildelph. 1896. S. 192 f. [170] Bei Hammer, l. c. I.2 S. 151. [171] R. Fürst v. Montecuccoli: Memoiren 2. Teil. Vom Türkenkriege. Amsterdam 1758 (Organisation, Bewaffnung, Bekleidung und Ausrüstung des türk. Heeres). — Jos. Graf Majlath: Geschichte des österr. Kaiserstaates. Hamburg 1848. — Von Hammer-Purgstall, Gesch. d. osm. Reiches (siehe oben). — G. Wolf: Geschichtliche Bilder aus Österreich. Wien 1878. — Joh. Wilh. Zinkeisen: Gesch. d. osm. Reiches in Europa. Hamb. 1840–62. — G. D. Teutsch: Geschichte der siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk. Lpzg. 1874. II. — Franz Salamon: Ungarn im Zeitalter der Türkenherrschaft, deutsch v. G. Jurány. Lpzg. 1887. — Das Kriegjahr 1683 nach Akten und anderen authentischen Quellen dargestellt in der Abteilung für Krieggeschichte des k. k. Krieg-Archivs. Wien 1883. — Gömöri: Mitteilungen des k. k. Kriegarchives. Wien 1885, 2. u. 3. H. Türkennot und Grenzwesen. — Eine volktümliche, nicht ungeschickte Zusammenfassung des Kriegzuges bei Toifel: Die Türken vor Wien. Wien 1883. S. 619 ff. 625 ff. Einige Notizen, die auch im Kommentar Berücksichtigung finden, im Glasnik zem. muz. u Sarajevu 1889, 1890. (Chroniken.) [172] Sultan Mohammed IV. (geb. am 30 Ramazan 1051 oder 2. I. 1642, entthront am 2 Moharrem 1099 o. 8. Nov. 1687, und gestorben am 8 Rebiul-achir 1104 o. 17. XII. 1692). [173] Bettelbriefschreiber (wienerische Mundart). [174] La fin du roi Bonaparte. Chanson des Guslars orthodoxes de la Bosnie et Hercegovine. Par le Dr. Friedrich S. Krauss. Extrait de la Revue des Traditions populaires t. IV. No. 1 et 3. Paris. Maisonneuve et Ch. Leclerc, 1889. 8o. [175] Die Belege dazu werden als besonderer Abschnitt in einem anderen meiner Bücher erscheinen. [176] Meine bosnische Fassung der Schnurre erschien im Jahrbuch der Gesellschaft für Folklore in Paris. [177] Bei Vuk Stef. Karadžić: Srpske narodne pjesme. Offiz. Ausg. Belgrad 1887. S. 316 (im Fragment). [178] Bei V. Bogišić: Narodne pjesme iz starijih najviše primorskih zapisa. Belgrad 1878. S. 6. V. 100 f. [179] Bei Vuk St. Karadžić a. a. O. S. 314. [180] Ich veröffentlichte es in T. R. Gjorgjevićs Monatschrift Karadžić. Aleksinac 1902. [181] Das prächtige Guslarenlied ward am Folklore-Kongress zu Chicago 1893 verlesen und ist im Sammelbande des Kongresses erschienen. [182] In einer Wählerversammlung in Brod a. d. Save, hörte ich im Sommer des Jahres 1885 den Landtagkandidaten Pfarrer Š. sagen: die Steuern sind eine Erfindung der Magyaren. Mit unserem Gelde erbauen sie für sich in Budapest Paläste. Auf die Anzeige des Polizeikommissärs hin, bekam der Redner drei Monate Klosterarrest gerichtlich zugesprochen. [183] Orlović, Der Burggraf von Raab. Ein mohammedanisch-slavisches Guslarenlied aus der Hercegovina. Freiburg i. Br. 1889. S. 32–35 und dazu in den Erläuterungen S. 96 f. [184] Gruzinskij izvod skazanija o Sv. Georgij. Moskva 1892. 50 S. In den Vorlesungen der Kaiserl. Gesellschaft für Geschichte und russische Altertümer an der Moskauer Universität. — Die wissenschaftlich gründliche Arbeit lieferte aber Edwin Sidney Hartland, The Legend of Perseus. A study of tradition in story custom and belief. Vol. I, 1894, S. 228; II, 1895, S. 445; III, 1896, S. 225. London, Alfred Nutt. [185] Vergl. Dr. Albert Hermann Post: Grundriss der ethnologischen Jurisprudenz. Oldenburg und Leipzig 1894. S. 327–425. [186] Man lese darüber das treffliche Buch Pompeo Malmenti’s nach: I Banditi della Repubblica Veneta. Firenze 1896. Bemporad e Figlio. [187] ’Orlović, Der Burggraf von Raab.’ Ein moham.-slav. Guslarenlied. Freiburg i. B. 1889, Herder. S. 35. Dazu das Lied vom Novak in diesem Buche. [188] Julius Pisko: Skanderbeg. Historische Studie. Wien 1894. S. 9. [189] Über Milchgeschwister bei den Südslaven vergl. mein Buch ‘Sitte und Brauch der Südslaven’, Wien 1885, S. 14. — Bei anderen Völkern vergl. A. H. Post: Studien zur Entwicklunggeschichte des Familienrechts, 1890, S. 41 f.; Grundriss d. ethn. Jurispr., Bd. I, S. 98. A. Wiedemann: Die Milchverwandtschaft im alten Ägypten, Urquell 1892, S. 259–267. [190] Angenommen, es wäre der Fall, so ist’s doch eine arge Ungehörigkeit, mir, dem Folkloristen, daraus einen Vorwurf zu machen, dass ich christenfeindliche Texte aufzeichnen mochte. Das Übel steckt aber für mich darin, dass ein solcher Tropf über meine Veröffentlichungen zu Gericht in einer Fachzeitschrift sitzen und gegen meine Studien Stimmung machen darf. [191] Siehe Anthropophyteia III (1906) S. 402 f.: ‘Von einem der Melodien farzte’ u. S. 404. [192] Zitiert bei Daniel G. Brinton in Religions of primitive peoples, New-York 1897, S. 199. [193] Am besten zu erfragen bei Frau Henriette Fleissig, Wien-Währing XVIII, Anastasius Grüngasse 13. [194] Man vrgl. darüber Richard Schmidt, Fakire und Fakirtum, Yogalehre und Yogapraxis. Mit 87 farb. Illustrationen. Berlin 1908, H. Barsdorf. Dies Werk des um die Erforschung der indischen Erotik hochverdienten Gelehrten erlaubt es mir, mich hier ganz kurz zu fassen. [195] Der Zusatz lautet: »Mit der ‘Wissenschaft’ des Yoga hat es in gewissem Sinne seine Richtigkeit, wie auch die in München zum Kongresse erschienene Flugschrift ‘Yoga’ von Dr. Karl Kellner behauptet. Yoga ist eine sehr alte und lange geheim gehaltene Lehre, die ihren Jünger in Stand setzt, durch gewisse Übungen die Erscheinungen des künstlichen Somnambulismus willkürlich in sich hervorzurufen. Und da die Ekstase bis zur Bewusstlosigkeit dem religiösen Indier als der höchste Zustand menschlicher Seligkeit erscheint, so werden die Yogi als heilige Menschen besonders geachtet. Sich nun aber als ‘Schwindler’, das heisst als Nicht-Schläfer verurteilt zu sehen, nachdem er sich in Budapest, wie Herr Pratapa versichert, ohne die geringste Geldentschädigung von Seite des Impresario zur Schau gestellt hatte, das ist ihm sehr schmerzlich. Der Yoga-Schlaf Pratapa’s hat noch einen anderen Apologeten gefunden, und zwar am Mystiker und Theosophen Dr. Franz Hartmann, der eine eigene Monatschrift für die Propagierung der indischen Religionlehre: ‘Lotusblüte’ herausgab. Als Zweck der Schaustellung Pratapa’s bezeichnet er in einer kleinen Flugschrift ‘Yoga-Schlaf’: ‘Denkfähigen Menschen den Beweis zu liefern, dass es ausser dem äusserlichen Leben des Körpers noch ein innerliches Seelenleben gibt, und dass somit wohl das Leben des Körpers von der Gegenwart des Seelenlebens, nicht aber die Seele vom Körper abhängig ist. Damit ist denn auch die ganze verkehrte sogenannte ‘materielle’ Weltanschauung in ihrer Grundlage erschüttert und umgeworfen.’ Der schlafende Fakir hatte also keinen geringeren Beruf, als die ‘materielle’ Weltanschauung umzuwerfen — und zu diesem Zwecke zog er nach München, wo die Psychologen zu dem ganz entgegengesetzten Zwecke versammelt waren, wo die bedeutendsten Forscher den Nachweis führten, dass ohne körperliche Vorgänge kein Denken geschieht? Eine Weltanschauung durch Schlaf erschüttern zu wollen — das ist grossartig!« [196] M. Gj. Milićević, Kneževina Srbija, p. 1085. [197] Eine Biographie Rade’s (Uskok Radojica) lieferte P. Mirković im Javor, Bd. XIV, S. 705–707, 721–723, 737–739. Er verlegt Rade irrtümlich ins 16. statt ins 17. Jahrhundert. Im übrigen leidet der Aufsatz an allseitig unzureichender Stoffkenntnis und patriotisch-banaler Kritiklosigkeit des Biographen. [198] Vrgl. Acta Sanctorum Julii ex latinis et graecis aliarumque gentium monumentis collecta, digesta, commentariisque et observationibus illustrata a J. B. Sollerio, J. Pinio, C. Cupero, P. Boschio, Tom. VI, Antverpiae 1729, S. 397–427: De S. Pantaleone Martyre etc. [199] Dr. M. Höfler: Wald- und Baumkult in Beziehung zur Volkmedizin Oberbayerns. München 1892. S. 1–24. [200] Wilh. Mannhardt: Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme. Berlin 1875. Vrgl. S. 79; 134 ff. [201] Mannhardt, ebenda S. 136. [202] Vrgl. Krauss: Volkglaube und religiöser Brauch der Südslaven. Münster i. Westf. 1890. S. 1–19 (Sonne, Mond und Stern). [203] Vrgl. Krauss: Sitte und Brauch der Südslaven. Wien 1885. Kap. XX. S. 454–465. [204] Vrgl. Böhmische Korallen aus der Götterwelt. Wien 1897. II. Aufl. [205] Karadžić im Srpski rječnik, Wien, erklärt sipljaiv und sipljiv mit »engbrüstig, asthmaticus«. Nicht doch! Asthmatisch heisst in der Volksprache siputljiv; sipljiv aber »bröselig, mürbe«. [206] Das Wort fehlt in allen Wörterbüchern. Vielleicht ist es aus hrapav (rauh, kratzend) verderbt. Es entspricht dem hochdeutschen ‘Krätzer’, dem judendeutschen ‘Špabach’ (Špeib’ ich = speie ich). Mit Hinblick auf das m in hrampač muss man annehmen, dass das wurzelhaft slavische Wort durch das magyarische rámpás (ein slavisches Lehnwort) bedingt ist. [207] Über Vilenglauben bei Krauss in: Die vereinigten Königreiche Kroatien und Slavonien. Wien 1889. S. 123–130. Eine eingehendere Beleuchtung in »Volkglaube und religiöser Brauch der Südslaven«. [208] Vrgl. F. Liebrecht, Zur Volkkunde, Heilbronn 1879, S. 217. [209] E. H. M.: German. Mythologie, Berlin 1891, S. 175–177, und W. H.: Die Walküren, Aus Dichtung und Sage. Vorträge und Aufsätze. Hrsg. v. Karl Vollmöller, Stuttg. 1907, S. 31–64. [210] für mračnoj. *** End of this LibraryBlog Digital Book "Slavische Volkforschungen - Abhandlungen über Glauben, Gewohnheitrechte, Sitten, Bräuche und die Guslarenlieder der Südslaven" *** Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.