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Title: Der Aether gegen den Schmerz
Author: Dieffenbach, Johann Friedrich
Language: German
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project.)



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  Der
  Aether
  gegen den
  Schmerz

  von
  Johann Friedrich Dieffenbach.


  Mit einer lithographischen Tafel.

  (Der Ertrag ist für die Armen bestimmt.)


  Berlin, 1847.

  In Commission bei A. Hirschwald.



  Den
  künftigen Besitzern dieser Schrift
  in grösster Verehrung
  gewidmet
  von

    Dieffenbach.



Inhalt.


                                                            Seite

  Vorrede.

  Einleitung                                                    1

  Der Aether                                                    9

  Wirkung des flüssigen Aethers                                13

  Historischer Ueberblick der Anwendung der Aetherdämpfe
      durch Einathmen                                          16

  Prioritäts-Ansprüche auf die Entdeckung der Wirkung
      der Aetherdünste                                         21

  Apparate zum Einathmen der Aetherdämpfe                      23

  Anwendung der Aetherdämpfe                                   32

  Stellung des Kranken beim Einathmen der Aetherdämpfe         36

  Wirkung des Einathmens der Aetherdämpfe                      37

  Verschiedene Arten des Aetherrausches                        53

  Wirkung der Aetherdämpfe in Bezug auf den
      Schmerz bei chirurgischen Operationen                    59

  Chirurgische Wahrnehmungen bei Aetherisirten                 63

  Verhalten nach der Operation                                 65

  Von der Anwendbarkeit der Aetherdämpfe bei den
      einzelnen chirurgischen Operationen                      70

  Ueberblick der chirurgischen Operationen unter
      günstiger Anwendung der Aetherdämpfe                     96

  Einwürfe gegen die Anwendung der Aetherdämpfe
      bei chirurgischen Operationen                            98

  Anwendung der Aetherdämpfe in der Geburtshülfe              120

  Anwendung der Aetherdämpfe in der inneren Heilkunde         126

  Anwendung der Aetherdämpfe in der gerichtlichen
      Medizin                                                 128

  Von der Anziehungskraft des Aetherrausches                  131

  Von der wahrscheinlichen Aehnlichkeit des Aetherrausches
      mit dem Sterben                                         133

  Chirurgische Operationen, welche ich unter Anwendung
      der Aetherdämpfe vorgenommen habe                       134

    Ausziehen einer Messerklinge aus der Hand                 136

    Operationen an der Brust                                  138

    Operation der Nerven-, Balg- und Fett-Geschwülste         149

    Operation des Blutschwamms                                153

    Operation einer Pulsadergeschwulst                        159

    Operationen des Kropfes                                   160

    Exstirpation der Mandeln                                  163

    Operationen von Nasenpolypen                              165

    Nasenbildungen                                            172

    Operation einer großen Brandnarbe am Halse                179

    Operationen der Hasenscharte                              180

    Operation des Lippenkrebses                               182

    Operation einer Speichelfistel                            184

    Operation eines Sarcoms aus der Rachenhöhle               184

    Operation einer Gaumenspalte                              186

    Operationen von Drüsengeschwülsten                        186

    Theilweise Resectionen der Kiefer                         188

    Operation des Schielens                                   193

    Operation von Wasserbrüchen                               194

    Zerstückelungen von Blasensteinen                         198

    Bruchoperationen                                          199

    Operation der angebornen Phimose                          210

    Operation eines Mastdarmpolypen                           211

    Operation eines Mastdarmvorfalls                          211

    Operation eines Panaritiums                               212

    Amputation größerer Glieder                               213

    Sehnen- und Muskel-Durchschneidungen                      215

    Operation des falschen Gelenkes                           223

    Einrenkung des Oberarms                                   224

    Ansetzen von Moxen                                        225

  Schlussfolgerungen                                          227



Vorrede.


Bei der Herausgabe dieser Schrift beabsichtigte ich zweierlei. Zuerst
wollte ich die neue, vielverheißende Entdeckung der Stillung des
Schmerzes, in ihrem wahren Werthe darstellen. Zweitens durch sie zur
Stillung der Schmerzen des Hungers der Armen mit beitragen. Könnte ich
Beides erreichen, so würden die Abendstunden welche ich auf meine Arbeit
verwendete, angenehm vollbracht sein.

Daß ich bei der Bearbeitung des Gegenstandes ohne Vorurtheile für
oder wider gewesen bin, kann ein Jeder sehen, welcher diese Schrift
durchblättern will. Wenn er vielleicht auf der einen Seite mich als
Freund des Aethers ansieht, wird er auf der anderen mich für einen
Gegner desselben halten; das kommt, weil ich das Für und das Wider
erwogen, Andere gehört, und selbst gesehen habe.

Daß ich aber vorsichtig in meinem Urtheil gewesen bin, mitten im
allgemeinen Aetherrausch, wird man mir nicht übel nehmen. Die sich im
tiefsten Frieden gewaltig bewegende Zeit hat binnen Kurzem so viele
Erfindungen und Entdeckungen geschaffen, welche, mit Enthusiasmus
aufgenommen, zum Theil nur eine kurze Lebensdauer hatten, da sie nicht
das leisteten, was man sich von ihnen versprach. Daraus entsprang die
Furcht, es mögte mit dem Aether auch so sein.

Ich will einmal versuchen, einen Soldaten, welcher der wichtigsten
neueren Erfindungen theilhaftig geworden wäre, ins Feld zu stellen. Er
verläßt das älterliche Haus mit dem Daguerreotyp-Medaillon von Vater und
Mutter auf der kindlichen Brust. Seine Waffe ist ein Percussions-Gewehr.
Er ist bekleidet mit einem Waffenrock von Filztuch, darüber hängt
ein Paletot von Macintosh; er trägt ungenähte, mit Holzstiften
zusammengefügte Maschinen-Stiefeln. Seinen Leib umgiebt ein Gürtel mit
einer Tasche von künstlichem Leder. Sie beherbergt Schießbaumwolle und
conische Kugeln. Im Tornister befinden sich außer den Bekleidungsstücken
zwei Flaschen, die eine mit Binellischem Wasser, die andere
mit Schwefeläther gefüllt; jenes zur schnellen Blutstillung bei
Verwundungen, dieser als Betäubungsmittel beim Ausschneiden von Kugeln,
bei der Abnahme eines Beins u. s. w. Die zweihalsige Feldflasche aus
welcher er nur Wasser trinkt, denn er gehört zum Mäßigkeitsverein,
bildet den Athmungsapparat. Sein Eßsack enthält das neue Oelkuchenbrot.
Das Magazin seines Helmes beherbergt ein Büchschen von Neusilber mit
Streichzunder und Streichkerzchen, und statt der nicht mehr üblichen
Pfeife eine Patent-Cigarrentasche mit Cigarren, darunter auch einige
Brustcigarren beim Husten. So armirt und equipirt besteigt der junge
Krieger den Eisenbahnwagen. Die Locomotive stößt ihren gellenden,
herzzerreißenden Schrei aus, und mit sausender Windesschnelle führt ihn
der Dampf zum Heere, und in zwei Tag- und zwei Nachtfahrten, er hat
sein Oelkuchenbrot noch nicht verzehrt, sind die zweihundert Meilen
durchflogen, und er blickt dem Feinde ins Angesicht! Er ist Artillerist.
Sein Auge sieht mit Wonne die neuen, blanken galvano-plastisch
plattirten sicheren Geschütze, aber statt dem Feinde Verderben zu
bringen, zerspringen sie beim ersten Schuß und zerreißen die Glieder der
Männer welche sich ihrem Dienste geweihet.

Von den hier bei einem einzigen Menschen in Anwendung gebrachten neuen
Erfindungen, sind mehrere, welche so großes Aufsehen erregten, schnell
wieder vergessen worden. Das Binellische Wasser, welches vor 15 bis 20
Jahren als untrügliches Blutstillungsmittel beinah so großes Aufsehen
wie jetzt der Aether erregte, leistete nicht mehr wie kaltes Wasser.
Das Filztuch hörte als Bekleidungsstoff bald wieder auf, weil es nicht
hielt; der Macintosh ebenfalls, weil man dabei zwar von außen trocken
blieb, aber von innen naß wurde; die conischen Kugeln sind noch nicht
ins praktische Leben getreten; aber die schöne, weiße Schießbaumwolle
hat wieder dem schwarzen Pulver weichen müssen, und statt den Tod zu
geben, den bescheidenen Dienst einer heilenden Helferin bei Geschwüren
übernehmen müssen.

Dem Aether aber wünschen wir, daß er sich halten möge, obgleich es schon
anfängt stiller von ihm zu werden. Leistet er nur die Hälfte von dem,
was man bis jetzt noch von ihm glaubt, so hat _Jackson_ einen Theil der
Schuld, mit welcher Amerika Europa verpflichtet ist, abgetragen, seinem
Namen aber die Unsterblichkeit gesichert.

Allen den Aerzten welche mich mit Beiträgen und Notizen aus fremden
Zeitschriften, so wohlwollend bei meiner Arbeit unterstützten, statte
ich hiermit meinen ergebenen Dank ab, es sind die mir sehr werthen
Herren Ender, Fürstenberg, v. Graefe, Henoch, La Pierre, Meyer, Reiche,
Schuft, Straßmann und Völker.

Endlich kann ich nicht unerwähnt lassen, daß die Herren Buchhändler
Hirschwald und Aber die mühevolle Verbreitung dieser Schrift, ohne
irgend ein anderes Interesse, als das einen wohlthätigen Zweck zu
fördern, übernommen haben, wofür ich denselben hiermit meine öffentliche
Anerkennung ausdrücke.



Der schöne Traum, daß der Schmerz von uns genommen, ist zur Wirklichkeit
geworden. Der Schmerz, dies höchste Bewußtwerden unserer irdischen
Existenz, diese deutlichste Empfindung der Unvollkommenheit unseres
Körpers, hat sich beugen müssen vor der Macht des menschlichen Geistes,
vor der Macht des Aetherdunstes. Wohin wird, oder wohin kann diese große
Entdeckung noch führen? Durch sie ist die halbe Todesbahn zurückgelegt,
der Tod hat nur noch sein halbes Grauen. Fürchtet der Mensch nicht
eben so sehr die Schmerzen des Todes als den Tod selbst, und erscheint
unserer Phantasie die Pein einer großen chirurgischen Operation nicht
fast eben so furchtbar als der Tod, und treibt uns nicht die höchste
Noth dazu, um diesen abzuwehren?

Wie hoffnungs- und vertrauensvoll werden von nun an die Kranken auf die
zu bestehende blutige Operation hinblicken, deren Schrecknisse vor
allen ihren Sinnen verborgen bleiben, und statt deren wohl ein schönes
Traumbild vor ihre Seele tritt, und das Erwachen schon ein Erwachen zur
Genesung ist.

Wie vielen Unglücklichen, an großen chirurgischen Uebeln leidenden,
verzehrt nicht die Furcht vor den Schmerzen der bevorstehenden Operation
die letzten Lebenskräfte, der sie sich endlich erschöpft hingeben.
Jetzt ist es ein fröhliches Hinblicken auf den tragischen Moment, dessen
Handlung ihnen entrückt bleibt. War der zu Operirende sonst die erste,
wichtigste Person, so ist er jetzt eigentlich gar nicht dabei zugegen.

Wenn es also nicht zweifelhaft ist, daß die Furcht vor einer großen
chirurgischen Operation einen nachtheiligen Einfluß auf den Kranken
haben kann, so hoffen wir auch, daß der Schmerz kein nothwendiges
Attribut ihrer Ausführung sei, und daß seine Aufhebung nicht eine bloß
augenblickliche Wohlthat, sondern auch ein Beförderungsmittel der
Genesung sei. Dies kann aber erst die Zukunft lehren.

Was wir aus früheren Beobachtungen über schwere Verwundungen bei
berauschten Personen wissen, zeigt uns, daß durch diesen Zustand eine
bedenkliche Vergrößerung der Gefahr herbeigeführt wird, so daß man
den Arzt, welcher einen Berauschten operirt hätte, für unwissend
oder gewissenlos angesehen hätte. Sehr ungünstig zeigte sich aber
die absichtliche Anwendung betäubender Mittel, wie des Opiums, des
Bilsenkrauts, der Belladonna und anderer ähnlicher Narcotica zur
Stillung des Schmerzes bei chirurgischen Operationen. Ohne ihn gänzlich
zu unterdrücken, führten sie eine gefährliche Abspannung des ganzen
Nervensystems herbei, wodurch der natürliche Krankheitsverlauf gestört,
die Heilung verzögert, wenn nicht gar eine wirkliche Lebensgefahr
dadurch herbeigeführt wurde. Selbst der künstlich bewirkte magnetische
Schlaf zeigte sich als Schmerzstillungsmittel nicht vortheilhaft, und
die danach zurückbleibende Abspannung des ganzen Körpers verschaffte
auch dieser Methode keinen weiteren Eingang.

Daß indessen der durch Einathmen der Aetherdämpfe herbeigeführte Rausch
ein leichter, ätherischer, gewöhnlich nur Minuten anhaltender bald
wieder verschwindender, und wesentlich verschieden von dem durch
den Genuß geistiger Getränke herbeigeführten sei, haben indessen die
neueren, zahlreichen Beobachtungen hinlänglich bewiesen. Nur in einigen
seiner Mit- und Nachwirkungen verläugnet er nicht ganz die Natur des
Rausches von geistigen Getränken überhaupt, so wie er auch in besonderen
Fällen gefährliche Störungen herbeiführen kann.

Wenn wir nun die neue Entdeckung als den größten Gewinn für das leidende
Menschengeschlecht erkennen, sein Todesbangen zu heben, seine Klagen
verstummen zu machen, seine Schmerzen zu stillen, so muß dieselbe dem
Arzte eine ganz veränderte Stellung dem Kranken und der blutigen Kunst
gegenüber geben. In dieser Beziehung stellt sich die Sache von ganz
verschiedenen Seiten dar.

Dem Arzte kann die schwierige chirurgische Operation durch die Ruhe,
Stille und Empfindungslosigkeit des Kranken sehr erleichtert werden.
Derjenige, welcher nicht gewohnt ist, chirurgische Operationen
auszuüben, und der sich dazu durch dringende Umstände genöthigt sieht,
wird mit größerem Selbstvertrauen an das Werk gehen und es mit
mehr Leichtigkeit vollenden, wenn er nicht durch die Unruhe und die
Klagelaute des Kranken gestört wird. Auch selbst der Geübte kann von
diesen günstigen Umständen einen Gewinn ziehen, da er durch Nichts von
seinem Handeln abgezogen wird. In jeder Beziehung scheint sich also
durch dieses Mittel der Kreis der Ausübung der Chirurgie erweitert zu
haben, wenn wir das Bild nur von der einen Seite betrachten. Minder hell
erscheint es uns aber von der anderen angesehen.

An die Stelle des unerschütterlichen Vertrauens von Seiten des Kranken
zu der Kunst des Arztes ist das Vertrauen zu der Aetherbetäubung
getreten. Der Kranke fragt jetzt weniger danach, wer ihn operirt, ob gut
oder minder gut, er ist gleichsam abwesend oder die dritte Person dabei.
Der bisherige Standpunkt des Arztes ist dadurch verrückt. Hatte er sonst
einen Kranken vor sich, so hat er jetzt zwei. Einen, welchen er operiren
soll, und einen zweiten, welcher innerlich so krank zu sein scheint, daß
er ihm mit allerlei Arzeneimitteln zu Hülfe kommen mögte. Er muß sich
Gewalt anthun, um sich zu überzeugen, daß er ihn selbst in diesen
Zustand versetzt habe, und zwar zu des Kranken und seiner eigenen
Erleichterung. Dies Alles kann er nicht so schnell fassen. Er steht
allein in trauriger Isolirung da. Der Betäubte weiß bei der Operation
nichts von seinem Arzte, und der Arzt nichts von seinem Kranken. Das
Band der wechselseitigen Mittheilung ist zerrissen, der ihn selbst
hebende, milde Zuspruch wird nicht vernommen, die Frage nicht
beantwortet, es herrscht eine grausige Einsamkeit. Es bangt ihm
beim Anblick des bewußtlos Blutenden, ob er des Aethers auch zu viel
genossen. Er mögte fragen, indem er hierhin und dorthin sein Messer in
eines lebenden Menschen Fleisch einsenkt, wie? wo? was? um danach den
Stahl zu richten und zu wenden, einem Nerven auszuweichen, ihn nicht mit
der Zange zu fassen, -- aber keine Antwort, als ein dumpfes Stöhnen, ein
Zucken, eine dämonische Bewegung der Hand nach dem leidenden Orte.

Er fühlt sich unheimlich mächtig über den, der sich im Leben dem Aether,
im Scheintode ihm ergeben hat, nicht wie früher aus freier Wahl, sondern
aus banger Furcht vor dem Schmerz. Laut- und empfindungslos liegt
der freiwillig aus dem Kreise der Lebenden, Empfindenden, Denkenden
Herausgetretene mit geschlossenen Augen wie ein sanft Schlummernder
da, und in beängstigender Einsamkeit vollendet der Arzt sein Werk. Aber
nicht jeder Kranke schlummert sanft und ruhig unter der Schärfe
des Messers. Ein Anderer geräth in excentrische Aufregung, glühende
Phantasien bemeistern sich seiner, und im Gefühle der unnennbaren
Seeligkeit treten glänzende Traumbilder vor seine Seele, Sphärenmusik
und himmlische Melodien streifen sanft an sein Ohr, und in einem
unermeßlichen Raum von azurblauem und gelblichem Goldschein verliert
sich das innre Auge, im grellen Contrast zu dem Messer in seinem
Fleische, zu der Säge in seinem Beine, zu der Hand in seinen Gedärmen,
zu dem Haken in seinem Auge und zu dem sich ergießenden warmen Blute,
-- und dabei entströmen Worte des Entzückens seinem Munde. -- Noch
ein Anderer, sonst im Leben fein, sanft und mild, wird plötzlich zum
Wütherich; im Zustande einer wilden, rohen Aufregung, wähnt er sich
unter Räubern und Mördern, seinem Munde entströmen die bittersten
Verwünschungen. Durch Wort und That sucht er der vermeinten Gewalt zu
begegnen, er schmettert mit Faustschlägen Alles zu Boden, stürzt wie
ein Besessener auf Alles los, und wären es blanke Waffen, oder ein jäher
Abgrund, oder die Gluth eines Schmelzofens, er stürzte sich hinein.

Ein Vierter wird zum vollkommenen Narren. Derselbe Mensch, welchen wir
mit tief ergebenem Ausdruck seinem ernsten Geschick entgegengehen sahen,
wird in einigen Minuten zum Possenreißer umgeschaffen, grinzt, lacht,
geberdet sich ganz wie ein alberner Thor, und ist nicht minder schwer zu
regieren als jener, welcher uns für seine Mörder ansah.

Alle diese Umstände sind nun wenig geeignet, dem Arzte die Operation
zu erleichtern, vielmehr stößt er dadurch auf Hindernisse, welche ihm
früher ganz unbekannt waren. Als Neuling tritt er jetzt an den neuen
Kranken. In dem Augenblicke, wo dieser das verhängnißvolle Rohr an
seinen Mund bringt, um den benebelnden Aetherdunst in seine Lungen
einzuziehen, sagt ihm der angstvolle Blick des sanft berauschten
Leidenden noch ein Lebewohl -- und bald umnebeln sich seine Sinne -- und
allein steht der Arzt mit seinen Gehülfen da, und schnell beginnt
die Kunst den Kampf mit der Krankheit oder auch zugleich mit dem
Aufgeregten.

Ein freundlicheres Bild zeigt sich uns jetzt wieder. Es ist vollbracht.
Man sieht kein Blut mehr. Die Wunde ist verbunden. Wo bin ich? sagt der
die Augen öffnende und tief athmende Kranke. Ich habe wohl geträumt?
Fängt die Operation bald an? Er glaubt es anfangs nicht, wenn man ihm
sagt, daß sie geschehen sei. Die Frau will nicht glauben, daß man ihr
die Brust abgenommen, ein Anderer, daß man ihm eine Nase angesetzt habe,
jene führt die Hand nach der Stelle, wo die Brust gesessen, und fühlt,
daß sie leer ist; dieser bringt die Finger ins Gesicht, verwundert, daß
ihm über Nacht eine neue Nase gewachsen sei, und er fragt wohl seinen
Arzt, wo kommen Sie denn her? Staunen und Verwunderung ergreift
diesen. Nicht über sein Werk, sondern über jene dämonische, großartige
Erscheinung von Seyn und Nichtseyn. Er steht ihr gegenüber wie ein
kleines Kind ohne Begriff, das zusammenfährt, wenn es ernst angesehen
wird. Auch er bedarf der Fassung, der Sammlung, auch er erwacht aus
einem Rausche, und reibt sich die Augen, und beginnt dann erst wieder
frei zu athmen.

Wünschte er sich besonders bei der wilden, stürmischen Aufregung des
Kranken während der Operation auf den alten Standpunkt zurück, so fühlt
er sich doch zu sehr von dieser neuen, großen Erscheinung überwältigt
und zu dieser großartigen Entdeckung hingerissen, daß er es gern etwas
schwerer haben will, wenn nur der Kranke weniger leidet. Er gelobt sich,
ihre Wohlthat näher zu ergründen, und sie in allen ihren Beziehungen
näher zu erforschen. Dies möge denn auch die Aufgabe und das Streben
aller Aerzte sein, damit dieselbe von allen Unannehmlichkeiten und
Gefahren bei ihrer Anwendung immer mehr befreit, und das Vollkommenste
werde, was je der menschliche Geist ersonnen hat. Möge denn _Jacksons_
Patent die Anerkennung der Welt sein.



Der Aether.


Der Schwefeläther wurde zuerst im Jahre 1544 von einem Arzte, Valerius
Cordus, unter dem Namen »süßes Vitriolöl« beschrieben. Er hat das
Verfahren zur Bereitung und die Eigenschaften des Aethers angegeben,
der Ruhm der Erfindung gebührt ihm indessen nicht, da schon in früheren
Jahrhunderten weingeistige Mischungen des Aethers zu medizinischen
Zwecken angewendet wurden. Die Mittheilungen des Cordus und sein neues
Oel scheinen sich aber keiner besonderen Theilnahme erfreut zu haben,
denn schon im folgenden Jahrhundert war der Aether wiederum gänzlich
unbekannt, bis im Jahre 1792 ein deutscher Chemiker, Frobenius, von
Neuem das Interesse der Aerzte und Scheidekünstler auf ihn lenkte,
und ihn mit dem vielversprechenden, poetischen Namen »Aether« belegte.
Diesen schönen Namen verdankt er theils der Neigung der Alchymisten,
pomphafte Bezeichnungen für ihre Arcana zu wählen, theils seinen
physicalischen Eigenschaften, seiner Flüchtigkeit, seiner Farblosigkeit,
seiner stark lichtbrechenden Kraft und seiner leichten Brennbarkeit.
Froben war glücklicher, als der Medicus Cordus. Der Aether wurde von
nun an vielfach untersucht, und von den berühmten Aerzten des 18ten
Jahrhunderts in die Heilmittellehre eingeführt, unter denen namentlich
Friederich Hoffmann durch seinen liquor anodynus, die bekannten
Hoffmannstropfen, -- Aether mit 3 Theilen Weingeist versetzt -- viel zur
Verbreitung desselben beigetragen hat.

Die Aetherarten werden durch Einwirkung stärkerer Säuren auf Alkohol
erzeugt. Der Schwefeläther, Aether schlechtweg, wird gewonnen, indem
man ein Gemisch von 9 Theilen concentrirter Schwefelsäure und 5 Theilen
Alkohol von 85% in einer Retorte bis zum Sieden erhitzt. Durch eine
Vorrichtung an der Retorte lässt man fortwährend so viel Alkohol in das
Gemisch hineinfliessen, als aus demselben Flüssigkeit überdestillirt.
Die sich entwickelnden Dämpfe werden in einer durch auftröpfelndes
Wasser, Schnee u. s. w. sorgfältig abgekühlten Vorlage zu einer
Flüssigkeit condensirt, welche den sogenannten rohen Aether darstellt.
Dieser rohe Aether, welcher noch Wasser, kleine Mengen Alkohol und
gewöhnlich auch etwas schweflige Säure enthält, wird durch kalihaltiges
Wasser gereinigt, dann über Kohlenpulver und gebrannter Magnesia
rectificirt. Reiner Aether darf Lackmuspapier nicht röthen, nicht nach
schwefliger Säure riechen, auch sonst keinen Nebengeruch haben. Soll
der Aether ganz wasserfrei dargestellt werden, so muss man ihn nach der
Rectification durch einen Zusatz von gebranntem Kalk einer nochmaligen
Reinigung unterwerfen. -- Wegen seiner Eigenschaft, mit Säuren eine
chemische Verbindung einzugehen, Salze mit ihnen zu bilden, haben die
Chemiker der neueren Zeit den Aether als das Oxyd eines hypothetischen
Kohlen-Wasserstoff-Radicals, des Aethyls, (4 Kohlenst., 10 Wasserstoff.
Ae.) angesehen, und damit das Gesetz der binären Verbindung auch auf
die organische Chemie ausgedehnt. Sie bezeichnen demzufolge den Aether,
welcher aus 4 Atomen Kohlenstoff, 10 Atomen Wasserstoff und einem Atom
Sauerstoff besteht, als Aethyloxyd, Ae+O, den Alkohol, welcher aus 4
Kohlenst., 12 Wasserst. und 2 Sauerst. zusammengesetzt ist, und sich
nur durch ein Plus von einem Atom Wasser (1 Sauerst., 2 Wasserst.) vom
Aether unterscheidet, als Aethyloxydhydrat, und so fort.

Es würde zu weit führen, die verschiedenen Theorien über die
Aetherbildung ausführlicher anzugeben. Wir begnügen uns mit einigen
kurzen Andeutungen. Da nämlich die Schwefelsäure durch den Proceß
der Umwandlung des Alkohols in Aether nicht zersetzt wird, und da der
Weingeist, wie bereits erwähnt, nur durch das Wasseratom in seiner
Zusammensetzung vom Aether differirt, so lag die Vermuthung sehr
nahe, als bedinge die concentrirte Schwefelsäure nur durch ihre starke
Verwandschaft zum Wasser die Umänderung des Alkohols in Aether. Diese
von Fourcroy und Vauquelin aufgestellte Theorie ist durch weitere
Experimente und Forschungen über diesen Gegenstand sehr erschüttert
worden, und gegenwärtig fast gänzlich verlassen. Die electro-chemische
Theorie erklärt die Aetherbildung aus der electrischen Spannung, welche
in dem in Rücksicht der chemischen Affinität indifferenten Alkohol durch
die starke Säure hervorgerufen wird, und welche ihn zwingt, sich in eine
Basis umzubilden. Auch die Lehre von der Contact-Wirkung hat die Deutung
des Vorganges auf sich nehmen wollen.

Von den Eigenschaften des Aethers sind einige schon oben erwähnt worden,
andere mögen hier noch folgen. Der Aether hat einen eigenthümlichen,
höchst durchdringenden Geruch und Geschmack; sein specifisches Gewicht
(Gay-Lussac) ist bei +20° = 0,713, das specif. Gewicht seines Gases =
2,586. Er kocht bei gewöhnlichem Luftdruck in einer Temperatur von
28° R. Bei -24,8° R. fängt er an in weissen, glänzenden Nadeln zu
erstarren, und bei -36° R. bildet er eine weiße, feste, krystallisirte
Masse. Er brennt mit einer hellen, weißgelben, Ruß absetzenden Flamme,
ist mit Weingeist in allen Verhältnissen, mit Wasser, welches 1/10
seines Gewichts Aether auflöst, nicht mischbar. Campher, Phosphor,
Kautschuk, fette, aetherische Oele, Chlormetalle u. s. w. werden von
demselben aufgelöst. -- Einer Eigenthümlichkeit des Aethers, nämlich der
leichten Brennbarkeit, muß hier nochmals gedacht werden. Wegen seiner
Flüchtigkeit werden die Dünste schnell durch größere Räume verbreitet,
und es läßt sich nicht bestimmen, in welche Entfernung ein brennendes
Licht von einem offenen, mit Aether gefüllten Gefäße gesetzt werden mag.
Schon mehrmals sind Unglücksfälle dadurch vorgekommen, daß man in der
Nähe eines Lichtes Aether aus einem Gefässe in das andere goß.
Kürzlich hat Runge auf diesen Uebelstand aufmerksam gemacht, und an die
Möglichkeit gefährlicher Explosionen in Folge von Entzündung des mit der
Luft gemengten Aethergases erinnert. Es bildet dieses Gemenge eine Art
von Knallgas, und seine Wirkungen sind denen des in atmosphärischer Luft
verbrennenden Waßerstoff- oder Sumpfgases ähnlich. Es könnte sich daher
z. B., wenn keine Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, bei der Anwendung
des Glüheisens oder der Moxen sehr leicht ereignen, dass sich die durch
den Aether erzielte Betäubung über eine zu große Zahl von Individuen
ausdehnte.



Wirkung des flüssigen Aethers.


Die Wirkung des flüssigen Aethers auf unseren Organismus ist von der des
Alkohols wenig verschieden, und besteht vornehmlich in einer flüchtigen
Erregung, d. h. in einer Steigerung der Thätigkeiten der Organe, welche
eine schnelle Rückkehr zum Gleichmaß gesunder Wechselwirkung gestattet.
Die Reizung des Gefäßsystems ist geringer, als bei anderen flüchtigen
Stoffen, dagegen werden die Centralorgane des Nervensystems
entschiedener und auf eigenthümliche Weise in Anspruch genommen.

Die örtliche Wirkung des Aethers äußert sich auf der Haut dadurch, daß
er dieselbe durch seine schnelle Verflüchtigung in bedeutendem Grade
erkalten macht. Die Gefäße ziehen sich zusammen, die Haut wird blaß,
blutleer. Je dünner nun aber die Oberhaut ist, um so leichter gelangt
die Aetherflüßigkeit zu den Nervenausbreitungen unter derselben, und die
Empfindung der Kälte weicht einem Gefühle von Hitze, Brennen, Schmerz.
Die Gefäße erweitern sich, die Haut wird roth, blutreich. Auf den
Schleimhäuten tritt die letztere Reihe von Erscheinungen fast momentan
ein, da ihr sehr dünnes, feuchtes Oberhäutchen für Flüssigkeiten
durchgängiger ist. Es entsteht, wenn wir eine geringe Menge Aether
zu uns nehmen, zunächst eine heftige Reizung der Geruchs- und
Geschmacksnerven, so wie der Schleimhaut des Schlundes, später ein
Gefühl vermehrter Wärme im Magen, welches sich über den ganzen Unterleib
verbreitet. Vom Magen aus gelangt der Aether mit großer Schnelligkeit in
die Blutmaße und mit dieser zum Gehirn und Rückenmark, von denen aus er
seine Wirkungen gegen die verschiedensten peripherischen Nervenprovinzen
entfaltet. Wie er auf die Nervenmassen und Fasern des Gehirns
und Rückenmarks einwirkt, welche Art von Stoffumsetzungen oder
Stoffänderungen er in ihnen zu Stande bringt, wissen wir nicht. Ich
gestehe, daß ich mich bei der von neueren Chemikern aufgestellten
Theorie von der Zersetzung des Aethers und von der Verbrennung seiner
Elemente im Blute, wie palpabel sie auch scheinen mag, nicht beruhigen
kann, vielmehr scheinen die Wirkungen des Aethers vorzugsweise davon
abzuhängen, daß ein Theil der aufgenommenen Masse unverändert zum
Gehirn und Rückenmark geführt wird, und in diesen gewiße materielle
Veränderungen hervorruft. Wie dem auch sein mag, mit der Aufnahme
des Aethers in das Blut wird der Cyclus seiner allgemeinen Wirkungen
eröffnet. Die Förderung der wurmförmigen Bewegung des Darmkanals, die
vermehrte Absonderung der Magensaftdrüsen, die leichtere, vielleicht
auch vermehrte Ausscheidung der Galle bilden gewissermaßen eine
Zwischen- und Uebergangsstufe von den lokalen zu den allgemeinen
Wirkungsphänomenen. Aber nicht allein die Absonderung der im Darmkanal
befindlichen oder ihm anhängenden Drüsen, auch die der übrigen
secernirenden Apparate wird gehoben, z. B. der Nieren, der Schweißdrüsen
in der Haut, der Schleimbälge auf fast allen Schleimhäuten. Das höher
gestimmte Gehirnleben, insoweit es die Quelle unseres Seelenlebens ist,
spiegelt sich in den mannigfaltigsten Nüancen in Gedanke und Wort, Wille
und Bewegung, Phantasie und Erfindung. -- Wir merken noch an, daß der
Aether (es ist hier immer von flüssigem Aether die Rede) nicht so leicht
berauschen soll, als Alkohol. In größeren Dosen kann er leicht Erbrechen
erregen, sehr große haben den Tod zur Folge. Würgen, Erbrechen,
Schwindel, Lähmung der Sinnesnerven, der Muskeln, der Lungen, des
Herzens bezeichnen die eingetretene Vergiftung.

Reiner Aether kommt in der Medizin wenig in Gebrauch. Außer in
Verbindung mit zahlreichen anderen Mitteln wird er hauptsächlich
als schmerzstillender Hoffmannsgeist, Hoffmannstropfen, Spiritus
sulphurico-aethereus bei hypochondrischen, hysterischen Nervenleiden
u. s. w. angewendet, um die an einzelnen Stellen krankhaft vermehrte
oder veränderte Nerventhätigkeit herabzustimmen und umzuändern. Dieser
Zweck mag dadurch erreicht werden, daß durch Erregung des Nervensystems
im Großen und Ganzen eine Art von Ableitung für den leidenden Theil
eintritt, aus dem schnellen, fast augenblicklichen Zustandekommen der
Wirkung scheint jedoch hervorzugehen, daß die örtliche Action auf die
Magen- und Darmnerven die Hauptsache sei.



Historischer Ueberblick

_der Anwendung der Aetherdämpfe durch Einathmen_.


Es war dem Chemiker und Arzte Jackson, einem gelehrten Manne in Boston
in den Nordamerikanischen Freistaaten, vorbehalten, in dem Schwefeläther
das große Mittel gegen den Schmerz zu entdecken. Als Arzneimittel in
anderer Beziehung längst gekannt, nahm Jackson zuerst bestimmter als
Andere wahr, daß das Einathmen der Aetherdämpfe in kurzer Zeit einen
Zustand von Bewußtlosigkeit und eine plötzliche Aufhebung jeder
schmerzhaften Empfindung herbeiführe. Um diese interessante Erscheinung
in Bezug auf schmerzhafte Operationen näher zu erforschen und in allen
ihren Beziehungen genauer zu prüfen, stellte er vorläufig eine Reihe
von Versuchen an, welche seinen Hoffnungen und Vermuthungen später die
völlige Gewißheit gaben.

Er nahm ein zusammengelegtes, mit Aether getränktes Stück Leinewand,
welches die Luft frei durchstrich, vor den Mund, und setzte das
Einathmen so lange fort, bis er ohnmächtig wurde, und in einem
eigenthümlichen schlaf- oder traumähnlichen Zustande in den Stuhl
zurücksank. Dabei empfand er eine gewisse Frische und Heiterkeit, auf
welche ein Wärmegefühl folgte. Endlich trat vollkommene Bewußtlosigkeit
ein. Erst bei einem späteren Versuche entdeckte er, daß dieser Zustand
mit einer vollkommenen Unempfindlichkeit für den Schmerz verbunden
sei: auf diese Bemerkung wurde er dadurch geführt, daß ein heftiger
Reizzustand in der Luftröhre, welchen er sich durch das Einathmen von
Chlordämpfen zugezogen hatte, beim Einathmen der Aetherdämpfe mit
dem Eintritt der Bewußtlosigkeit sogleich aufhörte, nachher aber
wiederkehrte.

Wenn der Aether schwach ist, so hat er nach Jackson nicht den
eigenthümlichen Effect, der Kranke wird dann nur berauscht, und
empfindet später einen dumpfen Kopfschmerz.

Immer aber war der Aether als Mittel noch nicht ins Leben getreten, und
es fehlte Jackson an Gelegenheit, seine schmerzstillende Wirkung bei
chirurgischen Operationen zu versuchen. Er forderte daher den Zahnarzt
Morton auf, die Aetherdämpfe beim Zahnausziehen zu prüfen, und gab ihm
eine mit denselben angefüllte grosse Flasche, in welche eine Glasröhre
mündete, als provisorischen Athmungsapparat. Schon bei den ersten
Operationen bestätigte sich das vollkommen was Jackson erwartet hatte,
denn das Ausziehen der Zähne gelang ohne alle Schmerzempfindung.

Jackson und Morton, beglückt, sich zu Herren des Schmerzes gemacht
zu haben, wollten auch ihrerseits durch Geheimhalten dieser grossen
Entdeckung vorläufig in dem alleinigen Besitz derselben bleiben, und
ein Patent darauf nehmen. Bei uns mag das auffallen, in Amerika aber
weniger. Doch war dies die Veranlassung, daß sämmtliche Chirurgen in
Boston sich weigerten, größere chirurgische Operationen ohne vorherige
Mittheilung des Betäubungsgeheimnißes vorzunehmen. Darüber waren Jahre
seit der ersten Jackson'schen Entdeckung verstrichen, bis endlich der
leicht erkennbare Aetherdunst zum Verräther des großen Geheimnißes
wurde, und die bei Mortons Zahnoperationen zugegen gewesenen Aerzte bald
der verborgenen Spur folgten. Nachdem sie dieselbe entdeckt, berauschten
sie Kranke nicht bloß beim Zahnausziehen, sondern auch bei größeren
Operationen mit demselben Erfolge wie Morton.

Da nun der Schleier des Geheimnisses gelüftet war, traten Jackson
und Morton frei mit ihrer Entdeckung hervor, suchten ihr jetzt die
möglichste Ausbreitung zu verschaffen und sich die wohlerworbene
Priorität gegen die allenthalben nun aufstehenden Freibeuter zu sichern.
Morton, welcher mittlerweile eine große Menge von Zahnoperationen in
Boston und Massachusets vorgenommen hatte, meldete nun mit möglichster
Eile die Jackson'sche Entdeckung an Dr. Boot in London. Warren in
Boston, welcher mittlerweile einige größere, glückliche Operationen bei
ätherisirten Kranken vorgenommen hatte, theilte in einem ausführlichen
Schreiben an Dr. Forbes in London, dem Herausgeber der Englischen und
fremden mediz. Zeitung (Review), seine erlangten Resultate und das
ganze Verfahren dieser neuen Operationsart mit, und sagt nur in einer
Nachschrift: »die Entdecker des Mittels sind die Doctoren Jackson und
Morton.« Jackson aber hatte schon im November v. J. bei der Pariser
Akademie zwei versiegelte Briefe niedergelegt, von denen der erste
bekundete daß er schon vor 5-6 Jahren an sich selbst die betäubende
Wirkung der eingeathmeten Aetherdämpfe beobachtet habe, zuerst bei einem
zufälligen Versuch, dann bei einem starken Catarrh, welchen er sich
durch Einathmen von Chlorgas zugezogen hatte. Der zweite Brief enthielt
Mittheilungen über das schmerzlose Ausziehen der Zähne bei ätherisirten
Kranken.

So war also die neue Entdeckung nach Europa und zwar zuerst nach England
gelangt.

Die ersten Versuche in London wurden von Boot und Robinson beim
Zahnausziehen gemacht, sie fielen eben so günstig aus wie die von
Amerika aus berichteten, wo seitdem auch von anderen Chirurgen größere
Operationen mit Erfolg vorgenommen worden waren. Nach diesen ersten
Versuchen Londoner Zahnärzte begannen auch einige der berühmtesten
Londoner Chirurgen, in ihren Krankenhäusern dies vielversprechende neue
Mittel zu prüfen; der treffliche, behutsame Key, und der kühne Liston
begannen nach neuer Weise zu operiren, und betraten als Neulinge die so
oft betretene blutige Bahn.

Hatte die amerikanische Entdeckung den anglikanischen Boden erreicht,
so verbreitete sie sich mit der Theilbarkeit des Aetherdunstes oder wie
eine große politische Neuigkeit über Frankreich und Deutschland.
Ein reger Wetteifer ergriff die Aerzte aller Länder, in denen die
Wissenschaft sich regt, und heute, wo ich dies schreibe, wenige Monate
nach der Entdeckung des Aetherdunstes als Schmerzstillungsmittel, sehen
wir die Erfahrungen über diesen Gegenstand so massenhaft aufgehäuft,
daß nur ein großer Foliant dieselben in ihrem ganzen Umfange darstellen
könnte.



Prioritäts-Ansprüche

_auf die Entdeckung der Wirkung der Aetherdünste_.


Es war wohl zu erwarten, daß bei einem so wichtigen, so großes Aufsehen
erregenden Mittel von mehreren Seiten her Ansprüche auf die Priorität
gemacht werden würden, eine Erscheinung, welche wir niemals bei
unbedeutenden, sondern immer bei wichtigen Entdeckungen sich ereignen
sehen. Die Macht der Wahrheit aber ist so groß, daß dem wirklichen
Entdecker wohl nur selten sein Eigenthum entrissen wird. So wird auch
Jackson Niemand die Ehre rauben.

Granier de Cassagnac behauptet, schon vor siebzehn Jahren der Entdecker
des großen neuen Mittels gewesen zu sein, und über 200 Versuche damit
an sich selbst angestellt zu haben. Der Zufall führte ihn beim Einathmen
der Dünste aus einer großen Aetherflasche darauf, und nach dem Eintritt
der ersten, gewöhnlichen Erscheinungen an sich, wiederholte er seine
immer längeren Experimente, bis er in den uns bekannten seeligen Zustand
gerieth. Dann experimentirte er an seinem Bruder, bei dem die nämliche
Erscheinung eintrat, und endlich kam er auf den Gedanken, eine
Migraine, durch welche er seit Jahren geplagt war, öfter dadurch zu
beschwichtigen.

Man weiß nicht recht, ob man Cassagnac, welcher wirklich schon vor 17
Jahren dies Alles in dem politischen und litterarischen Journal von
Toulouse bekannt machte, bedauern soll, daß ihm dies schöne Anrecht, der
Entdecker des Aethergeheimnißes zu sein, durch Jackson entrissen
worden ist, oder ob man ihm Vorwürfe machen soll, daß er dieselbe nicht
allgemeiner, als bei seiner eigenen Migraine benutzt, nicht mit seinem
Mittel vorgeschritten, und das Anrecht auf seine Entdeckung früher
geltend gemacht habe. Cassagnac scheint auf halbem Wege stehen geblieben
zu sein. Er kam wohl nur etwas weiter als wir Alle, wenn wir bei
heftigen Zahnschmerzen an eine Flasche mit Köllnischem Wasser oder an
ein Fläschchen mit Vitriolnaphta oder Campher oder an irgend eine andere
geistige Substanz riechen, um uns zu betäuben. Das Punctum saliens, die
Aufhebung der Empfindung überhaupt, besonders des Wundschmerzes, blieb
ihm, wie auch Anderen, aber gänzlich verborgen. Hätte er diese auch
gekannt und für sich behalten, so wäre er für die vielen Schmerzen,
welche das arme Menschengeschlecht seit 17 Jahren durch chirurgische
Operationen hat erdulden müssen, verantwortlich.

Eben so ist Ducros zu bedauern, daß ihm das Recht der Entdeckung nicht
zuerkannt werden kann, welches er für sich begehrt und dieserhalb das
Institut von Frankreich in Anspruch nimmt. Er beruft sich dabei auf eine
i. J. 1842 von ihm herausgegebene Abhandlung: »Effets physiologiques
de l'éther sulphurique etc.«, in welcher er uns mittheilt, daß die
äußerliche Anwendung des Aethers bei den zum Hühnergeschlecht gehörigen
Vögeln, einen schlafähnlichen Betäubungs-Zustand herbeiführe. Aus dieser
Beobachtung folgert er, daß dies Mittel auch bei Menschen in gewißen
Krankheiten nützlich sei. Dies scheint aber nicht viel mehr zu sein, als
was man schon vor ihm über die Wirkung des Aethers wußte.

Endlich will Wells sogar im Jahre 1844 Jackson die Anwendung der
Aetherdämpfe gelehrt haben. Warum, fragen wir, hat er denn diese
wichtige Sache nicht bekannt gemacht und ins Leben eingeführt?

Was indessen die örtliche Anwendung der Aetherdämpfe bei nervöser
Taubheit betrifft, so sind dieselben von Itard und Wolf wirklich früher
angewendet worden.



Apparate zum Einathmen der Aetherdämpfe.


Der erste zusammengesetzte Apparat, welcher zum Einathmen der
Aetherdämpfe angegeben wurde, da die ursprünglichen Mittel, ein mit
Aether angefeuchtetes Tuch oder ein Schwamm, nicht immer genügten, ist
der von Morton. Er besteht aus einer gläsernen Kugel mit zwei Hälsen;
in ihr befinden sich mit Aether angefüllte Schwämme. Mit dem einen Halse
der Kugel ist ein mit einem Mundstück versehener Schlauch in Verbindung
gebracht, durch welchen der Kranke die Aetherdämpfe einathmet. Durch die
andere Oeffnung tritt die Luft von außen in die Flasche ein, wodurch
das Verdunsten des Aethers befördert wird. Der Rücktritt der wieder
ausgeathmeten Luft in die Flasche wird durch ein hinter dem Mundstück
angebrachtes Ventil verwehrt. Das Einathmen der äußeren Luft durch die
Nase kann durch das Zusammendrücken derselben entweder mit einer Klemme
oder mit dem Finger verhindert werden.

Dieser Apparat erfuhr seit der Zeit seines Bekanntwerdens schon
mancherlei Abänderungen, da er seiner Einfachheit wegen Vielen nicht
genügte, und weil sie glaubten, daß durch größere Complication größere
Vortheile zu erreichen wären. So gaben Boot und Robinson in London eine
Vorrichtung an, deren Haupttheil aus zwei übereinander befindlichen
Glasbehältern, von denen der obere nach unten sich verschmälernd, mit
diesem Theil in den weiten Hals der unteren Flasche hineingesteckt wird.
Der obere Hals der oberen Flasche kann durch einen Glasstöpsel beliebig
geschlossen werden. In beiden Behältern befinden sich mit Aether
getränkte Schwammstücke. Nahe dem Boden der unteren Flasche ist der
Schlauch angebracht, welcher als Hals und Mundstück endigt, und mit
einem Wulst zur genauen Umlagerung der Lippen versehen ist. Zwei
Ventile, ein horizontales mit perpendiculärer Bewegung, und ein
perpendiculäres, haben verschiedene Bestimmungen. Jenes öffnet sich beim
Ausathmen, und läßt die ausgeathmete Luft heraus, dieses gestattet den
Dämpfen den Austritt aus der Glasglocke, verwehrt aber ihren Rücktritt.
Um die Menge der einzuathmenden Aetherdämpfe vermehren, vermindern oder
ganz unterbrechen zu können, dient ein Hahn in der Nähe des Mundstücks.

Von diesem wenig verschieden ist ein später von Robinson angegebener
Apparat, welchen die Londoner Aerzte vorzüglich anwenden.

Der von Charrière, einem berühmten Instrumentenmacher in Paris,
angegebene Mechanismus kommt dem Morton'schen wieder nahe, da er nur aus
einer von oben nach unten stark zusammengedrückten Flasche besteht. Ein
durch den Hals bis auf die Tiefe der Flasche hin reichender Trichter,
dient zum Nachgießen des Aethers auf die in der Flasche befindlichen
Schwammstücke. Der Athmungsschlauch steigt neben dem Trichter aus
dem oberen Rohr wieder heraus. Auch dieser Apparat ist mit Ventilen
versehen. Auf eine sinnreiche Weise hat Charrière alle die Stellen, aus
denen der Aetherdunst entweichen kann, durch ein feines Drahtnetz wie
bei der Davy'schen Lampe für Bergleute geschützt, um einer Entzündung
des Aetherdunstes bei Annäherung des Lichtes, z. B. beim Abbrennen von
Brenncylindern vorzubeugen. Dieses Apparats bedienen sich die meisten
französischen Wundärzte. Bonnet veränderte denselben dahin, daß er den
Aether aus einem besonderen Behälter in die Glocke hineinträufeln läßt,
daß die Röhre bedeutend weiter ist, daß Mund und Nase zugleich bedeckt
werden, und daß ein besonderes Ventil anzeigt, wenn der Kranke nebenbei
atmosphärische Luft einathmet.

Ein anderer Apparat wurde von Luer in Paris an gegeben. Derselbe besteht
aus zwei zinnernen oder blechernen Kasten. Ein größerer viereckiger,
schmaler Kasten ruht auf einem kleinen, flachen, aber breiten wie
auf einem Postament: der obere, welcher den Aether enthält, ist durch
unvollkommene Scheidewände wie bei den Zügen eines Sparofens sechsfach
eingetheilt. Während die eine Scheidewand nicht ganz nach oben
hinaufreicht, geht die andere nicht bis nach unten hinab. Das
Athmungsrohr befindet sich an dem obern Seitenrande des großen Kastens.
Der untere Kasten muss durch eine Halsöffnung mit warmem Wasser
angefüllt werden. Drei in dem Dache des Kastens angebrachte Oeffnungen
können mit Stöpseln beliebig geöffnet und geschlossen, und dadurch
die Kammern der Maschine abgesperrt oder mit einander in Communication
gesetzt werden. Dies hat zum Zweck, die Aetherdämpfe in geringerer oder
größerer Menge durch den Schlauch dem Kranken zuzuführen.

Dieser Apparat ist ganz unzweckmäßig; theils durch seine beträchtliche
Größe, theils durch seine Complication wird seine Anwendung erschwert.
Auch ist, wovon bald beim Smee'schen Apparat die Rede sein wird, die
durch das heiße Wasser zu bewirkende reichlichere Entwickelung der
Aetherdämpfe höchst gefährlich.

Smee verwirft alle Glasflaschen und empfiehlt ein gerades zinnernes Rohr
von 8 Zoll Länge und 3 Zoll Weite wie eine Klystirspritze. Das hintere
Drittheil der Höhle ist durch eine Wand von dem vorderen Raume getrennt.
Jede dieser Höhlen ist nach außen mit einer gehalseten Oeffnung
versehen. In die vordere, weitere Höhle wird der Aether hineingegossen,
die hintere, engere mit heißem Wasser, durch dessen Hitze der Uebergang
des Aethers in Dunstgestalt beschleunigt wird, angefüllt. Die Oeffnung
des Wasserbehälters muß bei der Anwendung des Apparats mit einem Stöpsel
geschlossen werden. Die Oeffnung des Aetherbehälters dient, außer daß
der Aether durch sie eingegossen wird, auch zum Eintritt atmosphärischer
Luft. In der Aetherabtheilung befindet sich eine Röhre mit einem Ventil
in der Nähe des Mundstücks. Dies Ventil öffnet sich beim jedesmaligen
Ausathmen, so daß die ausgeathmete Luft entweichen kann. Das Mundstück
ist mit einem ovalen Reifen von Gummi elasticum zum bequemen Anlegen an
die Lippen umgeben.

Dieser Apparat gewährt keine besonderen Vorzüge, was aber die schnellere
Entwickelung der Aetherdämpfe durch das in ihm angebrachte, mit heißem
Wasser angefüllte Behältniß betrifft, so ist dieselbe wegen des in zu
großer Menge übertretenden Dunstes für den Kranken äußerst gefährlich.
Heftige Reizung der Lunge und unerwartet schnell eintretende Betäubung
werden hier leicht eintreten.

Reisig in Wien gab einen einfachen Apparat an. Er besteht aus einer
hölzernen, flaschenförmigen Büchse und würde etwa 1/4 Maas Flüssigkeit
fassen können. Der untere breitere Theil kann abgeschraubt werden, In
sie werden mit Aether getränkte Schwammstücke oder Baumwolle gelegt,
und dann dieser Theil an den siebförmigen Boden der oberen Büchse wieder
angeschraubt. Wird nun das breite Mundstück des Apparats über den Mund
gedeckt, so steigen die Dämpfe durch das Sieb in den oberen Raum, aus
dem sie eingeathmet werden.

Die Vorrichtung von Heller in Wien besteht aus einer fußlangen Blase
von Goldschlägerhäutchen, mit welcher eine Röhre und ein Mundstück von
Buchsbaum im Zusammenhange stehen. Das Mundstück ist 2 Zoll breit und 3
Zoll lang; das Rohr hat eine Länge von 4-6 Zoll und eine Weite von 4-6
Linien. Die Einfachheit dieser Vorrichtung geben demselben den Vorzug
vor mehreren complicirten Apparaten, nur ist die Röhre zu eng.

Schauer fand, daß beim Einathmen der Aetherdämpfe die schon eingeathmete
Luft immer wieder in das Gefäß zurückgetrieben, und dadurch der
Sauerstoff zuletzt aufgezehrt wird. Diesem Uebelstande hilft er
durch eine eigene Vorrichtung ab. Dieselbe besteht in zwei luftdicht
ineinander geschraubten Cylindern von Holz, welche dem Munde möglichst
nahe an dem Athmungsschlauch angebracht werden. Der innere Cylinder ist
in der Mitte schräg durchgeschnitten und mit einer Klappe von dünnem
Leder und Holz bedeckt. Durch sie wird die Oeffnung vollkommen
geschlossen, so daß dem Luftzug aus dem Gefäße der Austritt, aber nicht
der Rücktritt gestattet ist. In dem äußeren Cylinder befindet sich ein
Ausschnitt mit einer Klappe, welche die ausgestoßene Luft herausläßt,
sich aber beim Einathmen wieder schließt, während die innere Klappe sich
öffnet, und die Dämpfe aus dem Gefäß eingezogen werden können.

Bonnet und Ferrand gaben eine gefütterte Maske mit Nasen- und
Mundöffnung an, welche in ein Rohr endet und in ein Gefäß mit Aether
geleitet wird.

Mayor empfiehlt eine lang herabhängende Kappe von Wachstuch vorn mit
zwei Glasscheiben zum Hinein- und Heraussehen; unter diesem Kopfzelt
soll der Patient den Aetherdunst aus einem offenen Gefäß einathmen!

Außer den hier angegebenen Athmungs-Apparaten sind noch eine
Menge anderer, mehr oder minder von dem ursprünglich Jackson'schen
abweichende, angegeben worden. Möge Jeder den wählen, welcher ihm der
vorzüglichste zu sein scheint, der einfachste ist aber der beste.

[Illustration: ~zu Seite 29.~]

Der Apparat, dessen ich mich bediene, unterscheidet sich von manchen
anderen durch größere Einfachheit. Er besteht aus einer kugelförmigen,
mit einem sehr weiten und einem engeren Halse versehenen Flasche von
weißem Glase. Mit dem weiten Halse wird der elastische Schlauch, dessen
Länge 1/3 Elle und dessen Weite anderthalb Zoll beträgt, in Verbindung
gebracht. Dies geschieht durch eine am Schlauche befindliche, 1 Zoll
weite Röhre von Horn, welche in den durchbohrten Korkstöpsel des weiten
Halses der Kugel hineingesteckt wird. Am anderen Ende des Schlauches
befindet sich ein muschelförmiges, tief ausgehöhltes Mundstück von Gummi
elasticum, oder noch besser von Horn. Die Flasche ist zur Hälfte mit
größeren und kleineren, stark porösen Schwammstücken angefüllt. Der
Aether wird vor dem Gebrauch des Apparats durch den weiten Hals in die
Flasche gegossen, und die beiden Oeffnungen durch Stöpsel geschlossen,
die Schwämme umgeschüttelt, der Stöpsel aus dem großen Halse entfernt,
und das Rohr darin gesteckt. Dann erst bringt man das Mundstück an den
Mund. Der enge Hals dient zum Verkehr mit der äußeren Luft, so wie zum
Nachgießen des Aethers, wenn es nöthig sein sollte; er kann durch den
Stöpsel beliebig geschlossen werden.

Gläserne Apparate mit beweglichem Rohr sind ihrer Durchsichtigkeit
und Sauberkeit wegen den metallenen oder hölzernen oder den Blasen
vorzuziehen. Alle complicirten haben den Nachtheil, daß sie die
Anwendung erschweren. Das, was auf den ersten Anblick an ihnen sinnreich
zu sein scheint oder auch wirklich ist, verspricht einige Vortheile,
gewährt aber diese nicht allein nicht, sondern ist ein Hinderniss
beim Athmen. Dahin gehört das in dem muschelförmigen Lippentheile
befindliche, eigentlich das Ende des Schlauches bildende Mundstück,
welches der Kranke wie eine Cigarrenspitze zwischen die Zähne nehmen
soll. Theils ist dies höchst lästig, theils erlaubt die Enge der
Spitze nur einer dünnen Säule der Aetherdämpfe den Durchgang. Der ganze
Schlauch bis zum Mundstück muß überall gleich weit sein. Alle Ventile
oder Luftklappen sind unzweckmäßig. Bei doppelten öffnet sich das eine
beim Einathmen der Aetherdämpfe, und verschließt sich beim Ausathmen;
dann thut sich das andere auf und läßt die exspirirte Luft hinaus.
Die Ventile vermehren die Anstrengung beim Athmen und machen ein
klapperndes, unangenehmes Geräusch, bisweilen gerathen sie in Unordnung,
da sie durch öftere Anwendung schwerfällig werden. Es tritt dann eine zu
vermeidende Störung in der Operation ein. Die Vereinigung des Schlauches
mit der Flasche durch eine Schraube führt beim Ansetzen und Abnehmen
ebenfalls zu manchen Unterbrechungen, weshalb die angegebene Verbindung
Vorzug verdient. Die Nasenklammern oder das Zusammendrücken der Nase
ist zu verwerfen, da dadurch die größte Unbequemlichkeit entsteht; der
Kranke soll durch den Mund ein- und durch die Nase ausathmen.

Die meisten Apparate sind, wie man aus der Breite ihrer Basis ersieht,
zum Aufstellen neben dem Kranken bestimmt, doch ist es wegen möglicher
Unruhe des Patienten weit vorzuziehen, denselben bei der Anwendung von
einem Gehülfen am Halse halten zu lassen; das Umschütteln einer unten
kugelförmigen Flasche rüttelt die Schwämme zur stärkern Entwickelung der
Dämpfe auch besser durcheinander, als dies bei einer Flasche von flach
glockenförmiger Gestalt geschieht.

Unter Umständen, wo eine schnelle Anwendung der Aetherdämpfe nöthig, und
kein Apparat bei der Hand ist, kann man auf das einfache und kunstlose
Verfahren Jacksons zurückkommen, und ein in Aether getauchtes Tuch oder
einen Schwamm, nachdem beides gehörig ausgedrückt ist, locker über Mund
und Nase decken, und der Kranke wird dadurch oft eben so schnell betäubt
wie mittelst der kunstvollsten Vorrichtung. In mehreren Fällen habe ich
dies bereits erfahren, auch Bühring wendet den Schwamm mit Nutzen an.
Derselbe muß aber groß und hohl sein und mit der hohlen Seite aufgelegt
werden. Man darf ihn nicht fest andrücken, weil der Kranke dann schwer
athmet, auch bei reizbarer Haut durch die Befeuchtung mit Aether leicht
eine Röthung derselben entsteht. Bei Kindern ist der Schwamm immer
vorzuziehen.



Anwendung der Aetherdämpfe.


Man kannte die flüchtig erregende Eigenschaft des Aethers schon lange,
und wußte auch schon, daß kurzes Einathmen einen leichten Rausch
erzeuge, doch wußte man vor Jackson nicht, daß dadurch die Schmerzen
aufgehoben, und angenehme Träume erzeugt würden. Weit entfernt,
sagt Jackson, die Inhalation zu empfehlen, haben alle medizinischen
Autoritäten davor gewarnt und dieselbe für höchst gefährlich erklärt.
Dies gilt aber nur von dem gewöhnlichen, unreinen Aether, welcher außer
dem schweflicht-sauren Gase, noch Essig-, Ameisen- und Aldehyd-Säure
enthält. Der beträchtliche Gehalt dieses gewöhnlichen Aethers an Alkohol
ist nach Jacksons Erfahrung Schuld daran, daß dem dadurch erzeugten
Rausche heftiger Kopfschmerz und Abspannung der Nerven folgt.

Der reine Aetherdampf ist nach Jackson irrespirabel. Wenn er die
atmosphärische Luft ganz aus der Lunge verdrängt, so muß er vollständige
Asphyxie durch Betäubung herbeiführen. Hieraus folgt, daß man die
Aetherdämpfe mit einer gehörigen Menge Luft vermischen müsse, damit die
Function der Lunge nicht gestört werde. Beim Eintritt von Erscheinungen
der Erstickungsgefahr, theils als Folge einer schlechten Anwendung,
eines unreinen Aethers, einer großen Reizbarkeit, oder einer besonderen
Neigung zu Congestionen nach der Lunge oder dem Kopfe räth Jackson,
sogleich Sauerstoffgas, welches dem Blute seine rothe, arterielle
Beschaffenheit zurückgiebt, einathmen zu lassen. Man soll daher das
Gas immer bereit halten, es in einem Gasometer aufbewahren und zum
augenblicklichen Gebrauch in eine große Gummi-elasticum-Blase füllen.
Ducros empfiehlt den Galvanismus, Andere das Ammoniak.

Das Einathmen der Aetherdämpfe geschieht mit Hülfe irgend eines
Apparates entweder durch den Mund oder durch die Nase. Die erstere Art,
wobei die Nase weder mit den Fingern noch mit einer Klammer andauernd
geschlossen wird, ist für den Kranken am bequemsten, und es wird der
Dunst auf dem breitesten und kürzesten Wege durch die Luftröhre in die
Lungen gebracht. Jackson so wie die meisten englischen Aerzte wenden
vorzugsweise diese Methode an. Das Einathmen durch die Nase, welches
besonders die Franzosen empfehlen, ist wegen der Enge der Nasenlöcher
und der größeren Empfindlichkeit der Schleimhaut der Nase bisweilen
mit großem Reiz verbunden, und kann nur dann mit Erleichterung für
den Kranken geschehen, wenn das eine Nasenloch an die Oeffnung einer
Flasche, worin sich der Aether befindet, gehalten, das andere zugedrückt
wird. Athmungsröhren aber tiefer in das Innere der Nase hineinzuführen,
würde einen heftigen Reiz der Theile verursachen. Bei Personen mit sehr
engen Nasenlöchern und besonders mit engen Nasengängen, welche schon
im gewöhnlichen Zustande schwer durch die Nase athmen, ist aber das
Einathmen auf diesem Wege gar nicht anzuwenden. Bergson glaubt, daß man
bei schwierigen Operationen besser durch den Mund, bei kleineren durch
die Nase athmen lasse; ferner, daß bei jenem Verfahren der Aetherrausch
leichter und vollständiger eintrete, Beklemmung und Angst aber größer
seien, und alle störenden Nebenerscheinungen auf Rechnung dieser Methode
kommen: dagegen erzeuge das Einathmen durch die Nase nur den ersten und
niedrigsten Grad des Aetherrausches, nämlich den Verlust des Gefühls
und der Empfindung für den Schmerz und fast niemals jene erwähnten
Nebenerscheinungen. Hierbei möchte aber wohl nicht zu übersehen
sein, daß die größere Intensität des Mittels nicht von dem Mund- oder
Nasenwege abhängt, sondern ob der Kranke überhaupt den Aetherdunst in
größerer oder geringerer Menge einathme. Wenn er also auf dem breiten
Wege durch den Mund nur eine kurze Zeit einathmet, so würden auch
nur die Zufälle des ersten Grades eintreten. Es führt gewiß zur
Vervollkommnung der Methoden überhaupt, wenn diese vielseitig geprüft,
und alle Erfahrungen nach der einen oder anderen Methode bekannt gemacht
werden. Bergson empfiehlt zum Athmen durch die Nase eine flache Flasche
mit breitem Halse, in welcher sich mit Aether getränkte Schwammstücke
befinden. Sie ist durch einen Korkstöpsel geschlossen; durch diesen
läuft eine hölzerne Röhre, deren äußeres Ende nach der Nasenöffnung
geformt ist.

Was aber die dritte Anwendungsart der Aetherdämpfe durch Nase und Mund
zugleich betrifft, so ist sie nicht minder unbequem als das Athmen durch
den Mund mit verschloßener Nase. Gerade durch das Offenbleiben der
Nase, welches höchstens für einige Augenblicke durch das Zusammendrücken
derselben aufgehoben werden darf, wird das Athemholen erleichtert, und
es kann nicht als Vorwurf dieses Verfahrens gelten, daß die Wirkung des
Aethers dadurch verzögert werde.



Stellung des Kranken beim Einathmen der Aetherdämpfe.


Die meisten chirurgischen Operationen werden in sitzender oder liegender
Stellung, einige in halb sitzender, halb liegender vorgenommen, und der
Körper je nach dem Operationsorte gewendet. Mit dieser Aufgabe ist
nun das bequeme Einathmen der Dünste in Einklang zu bringen. Bei
Operationen, welche nur im Sitzen vorgenommen werden können, läßt man
den Kranken, da er auch am leichtesten in dieser Stellung athmet, sich
in einem Lehnstuhl bequem niedersetzen, darauf einen Gehülfen mit dem
Athmungsapparat an die linke Seite des Patienten treten, den Mundtheil
auf den Mund des Kranken legen, und überträgt die Sorge für das
gleichmäßige Anschliessen an die Lippen einem zweiten Assistenten,
welcher hinter dem Kranken steht und den Kopf zu unterstützen hat. Ist
die Operation nur in liegender Stellung vorzunehmen, so darf der Kranke
beim Einathmen des Aethers sich nicht legen, am wenigsten auf den Bauch,
weil dadurch Beklemmung herbeigeführt wird, sondern er wird auf den
unteren Rand eines durch ein Polster und Kopfkissen als Lagerstätte
vorgerichteten schmalen, länglichen Tisches gesetzt, der Rücken durch
einen Gehülfen, und die Füße durch einen Stuhl ohne Lehne unterstützt.
Jetzt beginnt er das Einathmen der Dämpfe. Tritt dann der Zustand der
nöthigen Betäubung ein, so entfernt man den Apparat schnell vom Munde,
legt den Kranken sanft nieder und beginnt die Operation. Die meisten
Kranken wünschen lieber, auf dem Stuhl sitzend ätherisirt und dann
bewußtlos auf das Operationslager getragen zu werden, doch verfliegt ein
Theil des Rausches während des zeitraubenden, mühsamen Transportes des
Bewußtlosen, und die Besinnung kehrt wohl zurück, ohne daß die Operation
begonnen ist, so daß ein Nachathmen der Dämpfe nöthig wird. Dies muß
aber immer dann Statt finden, wenn die Operation von der Art ist, daß
sie nicht in einigen Augenblicken vollendet werden kann. Kehrt unter
derselben das volle Bewußtsein und die Empfindung zurück, so muß der
Kranke einige neue Athemzüge thun, und wird er im Liegen operirt, so
kann man ihn auch von Neuem in liegender Stellung nachathmen lassen, bis
der Aether seine abermalige Wirkung zeigt, wozu gewöhnlich nur einige
Augenblicke gehören.



Wirkungen des Einathmens der Aetherdämpfe.


Die Wirkung der eingeathmeten Dämpfe besteht in einer Reihe der
wunderbarsten Erscheinungen, deren schon im Allgemeinen gedacht worden
ist. Hier will ich dieselben noch näher angeben. Unmittelbar nach den
ersten Athemzügen stellt sich bei Vielen und besonders dann, wenn
der Kranke, welcher schon vorher aufgeregt war, mit Hast das
Athmungsgeschäft beginnt, ein kurzer Husten ein, wodurch die Patienten
veranlaßt werden, den Apparat vom Munde wegzureißen. Dieser Husten ist
die Folge der directen Einwirkung der Aetherdämpfe auf die Luftorgane
und wird sogleich dadurch beseitigt, daß man etwas atmosphärische Luft
wieder einathmen läßt. Ist die Willenskraft aber stark genug, so hört
der Husten beim fortgesetzten Einathmen der Dämpfe von selbst auf.

Die Wirkung der eingeathmeten Aetherdämpfe tritt nun bei den
verschiedenen Individuen, je nach Jugend oder Alter, großer Reizbarkeit
oder Unempfindlichkeit entweder schon nach den ersten Athemzügen oder
nach Verlauf einer geraumen Zeit, und am spätesten bei Trinkern ein.
Schon nach 1/3 Minute sah ich sie bei einem Individuum erfolgen, während
bei einem anderen, an geistige Getränke gewöhnten nach 1/4 Stunde nicht
die mindesten Veränderungen eintraten.

Die Erscheinungen, welche wir nun der Reihe nach beobachten, sind von
sehr heterogener Art, und in den meisten Fällen die folgenden. Der
Ausdruck der Müdigkeit und bald darauf der eines betäubungähnlichen
Zustandes verbreitet sich über das Gesicht. Der Kranke athmet langsam
und kaum merklich, der Mund entgleitet dem Apparat oder schließt sich
gegen den Aether. Die Augenlider bedecken das Auge, welches nach oben
rollt. Sämmtliche äußere Muskeln erschlaffen, der Kopf senkt sich auf
die Seite, die Arme fallen herab, die Beine gleiten vorwärts, der Rücken
wölbt sich, die Brust sinkt ein, die Bewegung der Gedärme fühlt sich
durch die Bauchdecken langsamer. Das Athmen ist tief und ruhig, der
Herzschlag oft kaum fühlbar, mitunter ist der Athem schnarchend. Richten
wir unsere Aufmerksamkeit auf die Sinnesthätigkeiten, so bemerken
wir, daß mit der Zunahme der Betäubung ein Sinn nach dem anderen
verschwindet. Zuerst hört das Gefühl auf. Der Kranke nimmt nicht wahr,
daß er gekniffen oder mit einer Nadel gestochen wird. Alle übrigen
Sinne sind noch thätig. Dann erlischt der Geschmack, der Aetherisirte
empfindet und unterscheidet die Geschmackseindrücke nicht mehr; dann
das Gesicht, und darauf der Geruch, während das Gehör noch thätig ist.
Endlich hört auch dieser Sinn, welcher oft bis dahin in größter Feinheit
fortbestand, auf, und völlige Betäubung tritt ein. Dieser Zustand ist
der gewöhnliche und allgemeine.

Mit dem Nachlassen der Aetherwirkung nach Verlauf mehrerer Minuten oder
in einer unverhältnißmäßig langen Zeit, kehren die Sinne in umgekehrter
Reihe einer nach dem anderen zurück. Zuerst fängt der Betäubte wieder an
zu hören, dann zu riechen, dann zu sehen, dann zu schmecken und endlich
auch zu fühlen, und zwar sind bei der Rückkehr der einzelnen Sinne die
Folgen noch genauer, regelmäßiger, deutlicher und schärfer von einander
getrennt.

Schon vor dem Beginn der Einathmung der Aetherdämpfe ist das Athmen
schwer, in Folge der geistigen Aufregung. Beginnt die Inhalation, so
ist dasselbe gewöhnlich in Folge der Anlegung des Apparats ganz
unregelmäßig. Manche Kranke benehmen sich dabei sehr ungeschickt und
ungelehrig, athmen bald zu schnell, bald zu tief ein und vermehren
dadurch die schon durch den Aether bewirkte Reizung, so daß ein Hüsteln
eintritt. Erst beim Beginn der Empfindungslosigkeit und noch mehr
bei dem Schwinden der übrigen Sinne wird der Athem tief und langsam,
bisweilen schnarchend.

Das Auge drückt schon vor dem Anfange der Einathmungen eine etwas
besorgliche Aufregung aus, der Blick ist lebendiger, das Auge glänzend.
Schon nach einigen Athemzügen bemerkt man eine stärkere Blutanfüllung
der oberflächlichen Gefäße und bei jungen, vollblütigen Personen oft
eine leichte Röthung. Die Pupillen verengern sich gewöhnlich etwas im
Anfange der Einathmung, erweitern sich dann wohl auf einige Minuten,
um sich von Neuem zusammen zu ziehen, mit dem Eintritt einer tiefen
Betäubung sind sie oft sehr erweitert. Da die Kranken gewöhnlich die
Augen schließen, so sind die Veränderungen an der Pupille ohne Aufheben
des oberen Lides selten genau zu beobachten.

Der Puls erleidet eine merkliche Veränderung. Mit dem Beginn des
Einathmens fängt er an schneller zu werden, so daß er wohl 20 bis 30
Schläge in der Minute mehr hat. Hat der Aether hieran auch wohl einigen
Antheil, so wird diese Beschleunigung doch größtentheils durch das
Anfangs beschwerliche Athmen herbeigeführt. Allmälig, bei eintretender
Ruhe, verliert er an Schnelligkeit und sinkt auf die normale Zahl der
Pulsschläge herab, und nur selten und bei großer Betäubung wird er
noch langsamer als im natürlichen Zustande. Also vermehrte Frequenz
des Pulses im Anfange der Einathmung und späteres Langsamwerden ist das
Gewöhnliche.

In anderen Fällen beobachten wir Folgendes: der Puls nimmt wenig oder
gar nicht an Frequenz zu, oder er ist bald schnell, bald langsam, bald
klein, bald groß, und selbst mitunter aussetzend. Eben so wechselt er in
Bezug auf Härte und Weiche, Vollsein und Leere ab. Doch sind dies Alles
Verschiedenheiten, welche sich nur bei einzelnen Individuen zeigen,
und als Ausdruck der Eigenthümlichkeit ihrer Constitution und der
Reizbarkeit oder Unempfindlichkeit ihres Nerven- und Gefäßsystems zu
betrachten sind.

Mit der Verflüchtigung des Rausches, der Wiederkehr der schlummernden
Sinne und des vollen Bewußtseins, nimmt der Puls an Fülle und Frequenz
wieder zu, so daß er noch um 5 bis 10 Schläge mehr hat als vor dem
Einathmen der Aetherdämpfe.

Das Herz verhält sich meistens ruhig, und seine Schläge sind selten
stärker als im natürlichen Zustande. Oft erbebt es nur leise und die
einzelnen Schläge sind kaum von einander zu unterscheiden. Nur selten
trat wirkliches Klopfen ein, und dies entweder beim Anfange der
Inhalation oder bei der Wiederkehr des Bewußtseins, wo es sich dann
plötzlich hob.

Um die Wirkungen der eingeathmeten Aetherdämpfe in Bezug auf die
Anwendung in der Heilkunde genauer zu prüfen und zu würdigen, sind von
Aerzten eine große Menge von Versuchen an gesunden Personen und auch
an sich selber angestellt worden. Als die ersten sind die von der
Gesellschaft deutscher Aerzte in Paris, so wie die hier in Berlin von
dem talentvollen jungen von Gräfe, dem Sohne des berühmten, seeligen
v. Gräfe, angestellten zu erwähnen. Die an Aetherberauschten gemachten
Beobachtungen, sowie die Selbstbeobachtungen fanden während der niederen
Grade der Aethereinwirkung Statt.

Folgende Resultate ergaben die Versuche der Aerzte der deutschen
Gesellschaft in Paris, welche an sich selbst experimentirten.

In Bezug auf die Frequenz des Pulses zeigte sich bei Allen eine
deutliche Zunahme in den ersten 3 Minuten, hierauf ein Nachlassen der
Frequenz, die jedoch immer noch stärker als im normalen Zustande war.
Gegen das Ende des Versuches, gegen die 6te oder 8te Minute hin, begann
eine merkliche Reaction des Herzens, dessen Contractionen an Intensität
verloren hatten, indem es wieder stärker und schneller schlug. Dieselben
Erscheinungen zeigten sich selbst bei weiter fortgesetzten Versuchen.
Durchschnittlich ergab sich die mittlere Zahl der Pulsschläge auf 106.

Das Athmen war meist beschleunigter als im normalen Zustand, wobei
jedoch zu bemerken ist, daß selbst vor dem Versuche der Puls und die
Respiration meist schon schneller waren, als im normalen Zustande, was
durch die geistige Spannung und Aufregung derer, die sich dem Experiment
unterwarfen, wohl zu erklären ist. Die Respiration verhielt sich in
Bezug auf Frequenz und Ausdehnung vollkommen wie der Puls.

Die Wirkung der Einathmung auf das Nerven-System war in den allermeisten
Fällen eine vollkommene Aufhebung des Gefühls des Schmerzes, wovon
man sich durch Stechen der Ohren, der Nase und Hände mit Nadeln, durch
Einschnitte in den Arm, durch Abbrennen von Feuerschwamm und Betröpfeln
mit heißem Siegellack überzeugte. Hierbei ist zu bemerken, daß oft erst
nach längerem Einathmen diese Unempfindlichkeit gegen den Schmerz sich
zeigte, während kürzere Zeit dauernde Versuche bei denselben Individuen
ohne Resultat waren.

Die Dauer und Intensität der Wirkung hing zum größten Theil von der
Dauer und Genauigkeit der Einathmung ab. Die Unempfindlichkeit dauerte 1
Minute 3 Sekunden bei dem Einen, 1 Minute 30 Sekunden bei einem Anderen,
bei einem Dritten 1 Minute 14 Sekunden, bei Einem Vierten über 10
Minuten. Mehrere hatten Traumerscheinungen. Einer hatte leichte
Lichterscheinungen in den Augen, und es zeigten sich einige Symptome
von Schwindel. Zwei erwachten mit Lachen aus ihren heiteren Träumen.
Der Tastsinn war vollkommen ungestört, so lange die Individuen bei
Bewußtsein waren, und sie entdeckten ohne Hülfe der Augen die kleinsten
Unebenheiten eines Körpers. Die Wirkung des Aethers scheint bei
den Versuchen drei Stadien durchgemacht zu haben. Im Anfang ist das
Empfindungsvermögen, wie der Puls und die Respiration, gesteigert,
darauf verminderte sich die Wahrnehmung des Schmerzes mit der Bewegung
des Kreislaufes, und Verletzungen wurden nur schwach empfunden. Im
dritten Stadium hörte alles Gefühl auf, und das Individuum war so
unempfindlich wie ein Cadaver. Die Wirkung des Aethers verschwand bald,
und es blieb hernach nur ein Gefühl von Schwäche und Schwere des Kopfes,
was indeß nach höchstens einer Viertelstunde auch vorüberging. Alle
stimmten darin miteinander überein, daß die Wirkung des Aethers
ihnen eine angenehme Empfindung, ähnlich der eines leichten Rausches,
verursacht habe.

Professor Gerdy in Paris beschreibt folgendermaßen die Wirkung der
Aetherdämpfe auf sich selbst. »Ich bediente mich des Charrière'schen
Apparats und überwand bald den Reiz zum Husten, den die Aetherdämpfe in
der Luftröhre erzeugten, der Kitzel und der Husten schienen dann durch
die beruhigende Wirkung des Aethers nachzulassen. Von diesem Augenblicke
an fühlte ich schon eine Betäubung im Kopfe mit dem Gefühle von Hitze
verbunden, wie bei beginnendem Rausch. Diese Betäubung verbreitete sich
allmälig über den ganzen Körper und gewährte einen dumpfen, aber sehr
angenehmen Eindruck, ähnlich der Trunkenheit nach dem Genuß von
Bier oder jungem Wein. Die Wirkung des Aethers gleicht auch der des
Morphiums, unterscheidet sich aber, wenigstens für mich, von der
Opium-Berauschung durch den Mangel der wenig angenehmen Wirkung der
letzteren.

Der Gesichtssinn war nicht merklich durch die Betäubung abgestumpft,
denn ich las bei schwachem Lichte, als ich schon benommen war. Das Gehör
war mehr verändert. Mit der Zunahme der Betäubung nahm die Stärke des
Schalls ab, und erst mit dem Schwinden des Rausches wurden die Klänge
wieder deutlicher.

Der Geruchs-, Geschmacks- und Gefühls-Sinn waren durch die allgemeine
Betäubung nicht gelähmt; aber die Augenlider waren mir schwer, und ich
fühlte das Bedürfniß zu schlafen, um mich meinen Gefühlen zu überlassen.
Ich bekämpfte indeß die Müdigkeit und setzte meine Beobachtungen fort,
wobei ich bemerkte, daß, mit Ausnahme des Gefühls von Schwanken und
Betäubung, wodurch das Allgemeingefühl abgestumpft war, und des Summens
vor den Ohren, wodurch ich verhindert wurde, klar zu hören, meine
Auffassung so wie mein Verstand vollkommen frei seien. Ich versuchte
auch zu gehen, was mit schwankendem Schritte, wie bei Betrunkenen,
geschah. Das Sprechen fiel mir schwer und war langsam, sonst schienen
mir alle übrigen Functionen des Körpers leicht. Mein Bruder beobachtete
während dieser Zeit meinen Puls, und fand weder die Zahl noch die Stärke
der Schläge verändert.«

Dieselben Versuche wurden von Gerdy bei zehn Personen, Männern und
Frauen wiederholt und gaben ähnliche Resultate. Einige verloren ihr
Selbstbewußtsein, Andere wurden sehr heiter gestimmt, bei Anderen
stellte sich Verdunkelung des Gesichts ein.

Dem von Herrn Gerdy an sich selbst vorgenommenen Experimente füge ich
die von v. Graefe an sich selbst und zahlreichen Anderen gemachten
Versuche sowie seine eigene Mittheilung, welche zugleich die Kritik des
Gerdy'schen Experiments enthält, hinzu.

Was zuerst die Betäubung anbetrifft, von der Gerdy als dem ersten
Zeichen der Aetherwirkung redet, so ist ihm dieselbe allenfalls
zuzugeben. Sie hat aber mit der wirklichen Betäubung bei beginnendem
Rausch nicht die mindeste Aehnlichkeit; denn während diese sichtbarlich
auf der Hervorhebung der Subjektivität gegründet ist, finden wir hier
nichts Anderes als eine plötzlich herabgesetzte und cessirte Anspannung
der Nerventhätigkeit, und zwar in beiden Sphären derselben, in der
sensiblen und in der motorischen. Man kann die Aetherwirkung passend mit
dem das Einschlafen begleitenden Zustand vergleichen. Man könnte zwar
behaupten, daß beim Einschlafen das Gefühl des ohnmächtigen Dahinsinkens
ganz fehle, welches sich hier vorfindet; doch ist auch bei der
Aetherisation dies Gefühl nicht konstant, vielmehr beruht es auf einer
gewissen Aengstlichkeit, die bei öfterer Wiederholung des Versuchs
verschwindet. »So hatte ich, sagt von Graefe, bei den letzteren an
mir selbst angestellten Versuchen statt der von Gerdy erwähnten
rauschähnlichen Betäubung am Anfang ganz das Gefühl einer hohen,
körperlichen und geistigen Trägheit, weshalb willkührliche Bewegungen
und logische Schlüsse, wie sie sonst mechanisch verrichtet werden, zu
ihrer Ausführung die ganze Willenskraft in Anspruch nahmen, und
bald darauf die Empfindung eines durch Abspannung herbeigeführten
Einschlummerns.

Das Gefühl von Hitze im Kopfe und von Kälte der Extremitäten ist
allerdings nicht selten, das Arterienklopfen sogar so häufig, daß
ich darauf die von Gerdy meinen Versuchen zufolge überaus frühzeitig
beobachtete Alteration des Gehörsinns zu schieben geneigt bin.«

Diese Alteration sah ich, allerdings bei Leuten, die zu subjektiven
Gehörerscheinungen irgendwie geneigt sind, sich durch das Gefühl eines
eigenthümlichen, klingenden, doch immer noch rhythmischen Geräusches
manifestiren, das ihnen beim ersten Versuch oft große Angst einflößte,
indessen die Wahrnehmung des Schalls nicht sehr behinderte.

»Das Gefühl von Uebelkeit kann sich in dem ersten Zeitraume der
Aetherwirkung kaum einstellen, wenn es nicht etwa Folge des Schluckens
des Aethers ist. Es muß als eine sympathische Erscheinung der
Cerebralaffektion angesehen werden, die sich erst viel später einstellt.
Was Herr Gerdy über die verschwindende Sinnesthätigkeit sagt, so ist
es gewiß, daß er seinen Versuch nicht lange genug oder bei einer zu
geringen Imprägnation der Luft mit Aethergas fortgesetzt hat.«

Wenn wegen der oben erwähnten Inertie eine mangelhafte Reaktion auf
Sinneseindrücke stattfindet, so ist eine mangelhafte Aktion der Sinne
selbst, und zwar aller Sinne unverkennbar. Mit Unrecht glaubt Gerdy
den Geruchs-, Geschmacks-, Gefühlssinn ausnehmen zu dürfen, die eben
so deutlich und im Allgemeinen noch eher als der Gehörsinn
betroffen werden. Alle Sinne werden dumpf, verlieren allmälig ihren
eigenthümlichen Charakter, lösen sich in eine allgemeine, mechanische
Perception auf und verschwinden endlich ganz. Wie es überhaupt der
Willenskraft gelingt, die Aetherwirkung sehr zu verzögern, so geschieht
dies besonders in dem Zeitraume, wo die Sinneswahrnehmung anfängt sich
zu verwischen; eine angespannte, intense Bethätigung der sensoriellen
Funktionen hält deren Verfall bedeutend auf. So sind denn scharf
riechende, schmeckende Substanzen, Anspritzungen mit kaltem Wasser die
besten und schnellsten Antidota für die Aetherwirkung in diesem Grade.
Vortrefflich ist das, was von Graefe über das Verschwinden der Sinne
beobachtete. Die Reihenfolge, in der die Sinne verschwinden, variirt
also nach der ihnen willkührlich verliehenen Bethätigung. Schließen der
Augen bewirkt frühzeitiges Verschwinden der Sehkraft, Fixiren einzelner
Gegenstände mit den Augen erhält dieselbe, genaues Aufmerken auf Alles,
was gesprochen wird, erhält das Gehör, Unachtsamkeit macht es bald
stumpf.

Abgesehen von dieser willkührlichen Erhaltung der einzelnen Sinne,
beobachtete man gewöhnlich diese Folgereihe. Das Gefühl wird dumpf, fast
gleichzeitig mit dem Geschmack, dann das Gesicht, dann der Geruch und
endlich das Gehör. Das gänzliche Stillestehen der Sinnesthätigkeit
findet gewöhnlich in derselben Succession Statt. Sehr oft geht aber
die Beobachtung einer deutlichen Folge verloren, nämlich wenn in einem
tiefen Athemzuge der Uebergang von der gedämpften Reizempfänglichkeit
zur vollkommenen Reizlosigkeit und Bewußtlosigkeit vermittelt wird. In
solchen Fällen beobachtet man beim Erwachen gewöhnlich die Rückkehr der
Sinne in der oben beschriebenen umgekehrten Folge.

Unerwähnt ist in dem Bericht von Gerdy der dritte Zeitraum, der auf die
aufgehobene Wahrnehmung mit physiologischer Nothwendigkeit folgen muß,
nämlich die vollständige Bewußtlosigkeit, wo Verstand und Auffassung
nicht mehr frei bleiben. Jede bewußte Communication mit der Wirklichkeit
ist abgeschnitten, der Wille, etwas auszuführen, ist nicht mehr
vorhanden, da dem Geiste alle Anhaltspunkte zur Aufrechthaltung oder
Wiedererlangung des Selbstbewußtseins entzogen sind; dieser Zeitraum ist
es, der allerdings mit dem Rausche zusammengestellt werden kann, da sich
hier die, vorher bloß scheinbare, Gehirnaffektion wie im Schlaf durch
Sinnesbetäubungen, nur auf eine andere Art wirklich ausbildet, wovon
uns die Symptome Rechenschaft geben. War vorher eine Trübung des
Bewußtseins, so findet jetzt ein wirkliches Aufhören desselben Statt.

Die Träume der Aetherisirten, wie von Graefe bemerkt, sind äußerst
verschiedener Art, gewöhnlich nur die traumhaften Vorstellungen aus dem
zweiten Zeitraume, da im dritten ebenfalls hierfür der Rückerinnerung
alle Stützpunkte genommen sind. »Mir selbst blieb,« sagt er, »wie
den meisten Anderen aus diesem Stadium nur das Gefühl einer unendlich
langen, durchlebten Zeit zurück. Vergebens haschte ich in Gedanken nach
der vergangenen Traumwelt, die mir wie vielen Anderen gleichsam einen
reicheren Quell des Lebens zu umfassen schien. Eben so wenig verräth
sich die Natur der Träume durch den Gesichtsausdruck. So hörte ich
Jemanden bei der Aetherisation furchtbar stöhnen und sogar in
förmliche Weinkrämpfe verfallen; er erwachte mit dem Gefühl des größten
Wohlbehagens. Einen Anderen sah ich mit dem entschiedenen Ausdruck eines
himmlischen Verzückens unbeweglich verharren; beim Erwachen glaubte er
sich in der Mitte eines Haufens Gassenbuben, die seiner spotteten etc.

Uebrigens gilt für diese Träume, was für alle Träume gilt, daß sie im
Allgemeinen die wichtigsten Hebel des inneren Lebens wählen. Träume von
Verstorbenen beziehen sich meistens auf dahingeschiedene Verwandte
und Freunde, welche die Seele sehr beschäftigen, bei Schwärmern sind
Visionen religiöser Personen etc. sehr häufig. Beim Erwachen aus
dem Zeitraume vollkommener Bewußtlosigkeit findet der Uebergang zum
Normalzustande durch den zweiten Zeitraum bei successiver Sinnesrückkehr
Statt. Ist die Aetherwirkung thatsächlich bis in den dritten Zeitraum
gediehen und hat darin einige Zeit bestanden, so tritt sehr häufig
Erbrechen ein, wie ich es an mir selbst zweimal wahrnahm. Was den Puls
anlangt, so ist ebenfalls die Erfahrung des Herrn Gerdy nicht allgemein
gültig.

In den meisten Fällen findet während der ersten Stadien eine bedeutende
Acceleration Statt, die freilich zum großen Theil auf die psychische
Aufregung zu schieben ist, doch erreichte selbst bei den letzten
Versuchen an mir selbst, wo ich sehr ruhig war, der Puls eine Frequenz
von 170 bis beinahe 180 Schlägen. Mehrere Male mußte ich Versuche wegen
großer Pulsfrequenz unterbrechen. Eine Erscheinung, die aber nie fehlte,
war die veränderte Qualität. Der Puls wird stets weich, was auf die
herabgesetzte Contractilität der Arterienhäute zu beziehen ist. In den
meisten Fällen sah ich auch eine kleinere Blutwelle.

Das Athmen ist im Anfange auch bei zweckmäßigen Apparaten stets
beschleunigt, was theils auf die geistige Aufregung, theils auf die
durch veränderte Luftmischung herbeigeführte Beschwerde zu beziehen
ist; es stellen sich aber nach und nach längere Intervalle zwischen den
Athemzügen ein, so daß die Frequenz bald unter das Normale geht und bei
vollendeter Betäubung oft auf 8-10 Schläge sinkt.

Die mit elektrischen Schlägen vielfach angestellten Versuche bewiesen
mir, daß die Empfänglichkeit für dieselben mit dem gänzlichen Erlöschen
des peripherischen Gefühls ebenfalls aufhört. Später wurden auch sehr
starke Schläge von äußerst empfindlichen Individuen gar nicht mehr
percipirt. Sie zuckten zusammen, fühlten aber gar Nichts.

Bei allen zu Krämpfen geneigten Individuen treten dieselben gewöhnlich
bei der Aetherisation ein, weshalb die ersten Stadien des Aetherschlafes
bei Epileptischen und auch vielen Hysterischen verwerflicher sind, als
bei vollsaftigen, die nur das letzte, wirkliche Congestions-Stadium zu
vermeiden haben. -- An 2 Individuen sah ich während der Betäubung eine
ausgeprägte Catalepsie, Arme und Beine verharrten in der ihnen gegebenen
Lage.

Erschwerte Sprache, die _mehrere Tage_ andauerte, sah ich in einem
Versuche unmittelbar nach der Aetherisation.

Im dritten Stadium fand ich gewöhnlich eine relative Retardation und
eine steigende Größe und Fülle des Pulses, Erscheinungen, die auf die
sich entwickelnde Congestion des Blutes in den Centralorganen hindeuten.
Das Verhalten der Pupille variirt auch nach den Zeiträumen, doch bin
ich, wiewohl ich in den letzten 100 Versuchen genau darauf achtete, noch
keineswegs im Stande, eine gültige Regel dafür aufzustellen. Im dritten
Stadium sah ich aber in 1/3 Fällen eine entschiedene Dilatation.

Es ist bei der Beobachtung eines schon an sich so schwierigen Zustandes,
als der Aetherschlaf ist, durch die genauere Analyse der graduellen
Entwickelung wenigstens gehörige Klarheit zu wünschen. Denn Ausdrücke
wie: »der Geruchsinn ist nicht gelähmt« etc. geben ihrer Unbestimmtheit
wegen zu großen Irrthümern Anlaß. Eine solche Analyse nun ist
freilich nicht das Produkt einiger Versuche, sondern kann erst durch
tausendfältige Wiederholung zu erzielen sein. Das Streben nach einer
solchen analytischen Untersuchung möchte aber wenigstens den heut
zu Tage so vielfach angestellten Experimenten eine wissenschaftliche
Methode und ein wohl begründetes Ziel verleihen.«



Verschiedene Arten des Aetherrausches.


Die Aetherdämpfe erzeugen einen eigenthümlichen Zustand, welcher
am meisten Aehnlichkeit mit dem durch den Genuß geistiger Getränke
herbeigeführten Zustand, welchen wir Rausch nennen, hat, er
unterscheidet sich von diesem besonders dadurch, daß er von subtilerer
und mehr geistiger Natur ist. Indessen wiederholen sich in ihm auf
gesteigerte Weise alle die im Zustande der Trunkenheit gewöhnlichen
Erscheinungen. So wie ein Mensch schon von einer geringen Menge
eines geistigen Getränks berauscht werden kann, so reichen oft wenige
Athemzüge des Aetherdampfes hin, Trunkenheit zu bewirken, und so wie ein
Anderer keine Wirkung von großen Quantitäten geistiger Getränke bei
sich verspürt, so zeigt sich das Nämliche auch nach langem Einathmen der
Aetherdämpfe. Man hat mehrere Menschen über eine Stunde lang inspiriren
lassen, ohne daß sich die geringste Veränderung bei ihnen einstellte.
Die Dauer des Rausches richtet sich besonders nach der Dauer der
Einathmung. Wer augenblicklich betäubt wird, kommt augenblicklich wieder
zu sich, und wer lange Zeit, etwa eine halbe Stunde, gebraucht, um
narkotisirt zu werden, ist nur langsam und schwer aus seiner Betäubung
wieder zu erwecken. Die mindere oder größere Empfänglichkeit für den
Aether hängt wie bei geistigen Getränken vom Alter, vom Geschlecht,
vom Grade der Reizbarkeit des Nervensystems, oder dem größeren oder
geringeren Abgestumpftsein gegen Spirituosa ab.

Wenn wir nun also den durch den Aether bewirkten eigenthümlichen
Zustand Rausch nennen müssen, so zeigt sich in ihm wieder eine mehrfache
Verschiedenheit, welche uns eine abermalige Aehnlichkeit mit dem
Trinkrausche zeigt. Wir nehmen deutlich vier verschiedene Arten des
Rausches wahr. 1, einen ohnmächtigen Rausch, 2, einen heiteren Rausch,
3, einen albernen Rausch, 4, einen tobsüchtigen Rausch. So wie beim
Trinken in Vino veritas, so gilt hier beim Athmen in aethere veritas.

_Im ohnmächtigen Rausche_ erscheint das Individuum als ein schlaffer,
empfindungsloser, welker, warmer Leib, mit gänzlich schlummerndem
Seelenleben. Das Auge ist ganz oder halb geschlossen, das Gesicht
bleich, die Züge ausdrucksloser als im gewöhnlichen Zustande oder in der
Ohnmacht. Den welken Gesichtsmuskeln fehlt alle Mimik. Selten hört man
einen leisen Seufzer oder ein Schnarchen, die Regel ist Stummsein. Wird
dieser Rausch laut, so giebt er sich durch trübe, schwermüthige Stimmung
und dumpfe Klage kund, ohne jemals heiter oder tändelnd oder zornig
zu werden. Dem Erwachen gehen gewöhnlich einige tiefe Einathmungen und
bisweilen Seufzen vorher.

_Der heitere Rausch_, welchen wir häufig bei jugendlichen Personen,
besonders beim weiblichen Geschlecht beobachten, drückt sich oft schon
nach wenigen Athemzügen, wenn der erste Widerwille gegen den Zwang des
Apparats und die neue Luft verschwunden ist, durch milde, freundliche
Erheiterung der Gesichtszüge aus. Eine unbeschreibliche Zufriedenheit
und Fröhlichkeit verbreitet sich über das Gesicht, die Wangen röthen
sich bisweilen, das Auge wird glänzend und schließt sich dann sanft, um
sich von der Außenwelt abzukehren. Es wankt der Boden unter den Füßen,
der Geist streift ab, was Körper ist, die niederen Sinne und Begehrungen
werden mit dem Körper abgelegt. Das Reich der Träume bekommt die
Oberhand, und es verkünden unzusammenhängende, einzelne Worte die
unnennbare Seeligkeit. Die niederen Sinne, das Gefühl, der Geschmack und
der Geruch schlummern und zeigen keine angenehme Täuschung irgend einer
Art. Das innere Auge erblickt nun die glänzendste Farbenpracht und
beim äußeren Schlafe des Ohrs schwelgt der Sinn des Gehörs in den
entzückendsten Tönen. Kein verworrenes Bild stört die Glücklichen, im
Gefühl des gänzlichen Entkörpertseins, eines bis dahin nie gekannten
Zustandes, fehlt ihnen alles Zeitmaaß. Es erscheint ihnen dieser ganze
überirdische Genuß bald als ein einziger seeliger Augenblick, bald
als eine himmlische Ewigkeit. Eben so wenig ist es deutlich, ob
diese Phantasiebilder ausgeschmückte und verwandelte Recitationen
von Erlebtem, oder neu geschaffene Wonnen sind. Zärtlichen Kindern
erscheinen die liebenden Eltern als verklärte Gestalten, und liebende
Mütter sehen das Gewand ihrer Kinder in unbeschreiblich blendender Weiße
prangen. Wer nie in der Musik gelebt, wird im wonnigen Selbstgefühl
zum Meyerbeer, das Mädchen ohne Stimme zur Jenny Lind, der trockenste
Prosaiker zum Dante, der Furchtsame zum Helden, der die Schlacht
gewonnen und im glänzenden Heereszuge unter Pauken- und Trompetenklang
im Triumph in die schöngeschmückte Vaterstadt heimkehrt, der Diener zum
großen Herrn. Unter die Stellung, welche Jeder im Leben hat, träumt
sich Keiner hinab. Alle steigen auf Adlers Schwingen hinauf in eine
glänzende, azurne Bläue oder zu einem gelben, schimmernden Goldmeer.
Keiner tritt die harte Erde, die Füße und die Schwere des Leibes sind
abgelegt, Alle schweben gewichtlos und in einem weiten Raume. Sind es
niedere, irdische Erinnerungsbilder, welche vor die Seele treten, so
nehmen Theater und Concerte meistens die erste Stelle ein. Siegmund
beobachtete, daß ein junger Mann seine ganze orientalische Reise
nochmals durchträumte. Kronser meint, schlechte Poeten könnten durch
Aetherdämpfe gehoben und verbessert werden. Wenn das möglich wäre, so
wäre es ein Glück, und vielleicht könnte auch die Prosa dadurch veredelt
werden.

Dem heiteren Rausche würden auch die sinnlichen Träume, welche bisweilen
beobachtet sein sollen, und aus denen man ein bedenkliches Argument
gegen den Aether entnommen hat, angehören. Wir haben dergleichen
in keinem einzigen Falle weder beim männlichen noch beim weiblichen
Geschlecht gesehen. Dagegen kam mehrere Male bei Aetherisirten
unwillkührlicher Urinabgang vor.

_Der alberne Rausch_ kommt zum Glück selten vor. Schon bei dem ersten
Eintritt der Wirkung des Aethers bekommt das Gesicht einen anderen
Ausdruck, und der Mensch wird sich ganz unähnlich. Die Gesichtsmuskeln
beginnen ein vibrirendes Spiel, die Augen werden weit aufgerissen und
krampfhaft wieder geschlossen. Unruhe verbreitet sich über den ganzen
Körper und es treten abwechselnd willkührliche und unwillkührliche
Bewegungen der Glieder ein. Der Athmungsapparat wird entfernt, der
Mensch fängt an ohne deutlichen Zusammenhang zu sprechen, bald Albernes
zu improvisiren, Scherze mit den Umstehenden zu treiben und diesen
wohl ein Lachen abzunöthigen. Alles mit unheimlichen Geberden und
Gestikulationen begleitet. Dazu gesellen sich wohl convulsivische
Bewegungen, und die ganze Scene endet mit einer Betäubung, aus welcher
er dann erwacht. Die Kranken wissen von ihrem Zustande kein deutliches
Bild anzugeben, sie versichern nur, daß ihnen sehr verworren zu Muthe
gewesen sei und hegen die Besorgniß, daß sie durch ihr Betragen wohl
Anstoß gegeben hätten, und bitten tausendmal um Verzeihung.

_Der tobende Rausch_ zeigt uns ein weit schrecklicheres Bild als der
stärkste vom Trunke herrührende. Zum Glück ist er in seiner Heftigkeit
nicht viel häufiger als der alberne Rausch. Mit dem Einathmen nimmt
das Gesicht sogleich einen tiefen Ernst und dann den Ausdruck einer
unerbittlichen Strenge an. Die Augen werden weit geöffnet und rollen
und blitzen jähzornig. Jetzt schließen sie sich. Nun liegt der Kranke
regungslos da und erhebt seine Stimme zu den furchtbarsten Drohungen.
Ein undeutliches Schmerzgefühl entflammt ihn noch mehr, er ist sich
einer äußeren Gewaltthätigkeit unklar bewußt, er verwünscht seine
Henker. Ihr Verfluchten! rief Einer aus, Ihr Henker, Ihr Mörder! Und so
ergoß er sich in eine Fluth von Schmähungen, gegen welche sich Papier
und Feder sträuben. Endlich tritt Ermattung ein, und nach einigen
tiefen, schnarchenden Athemzügen kehrt das Bewußtsein wieder, meistens
ohne Erinnerung dessen, was in der Seele vorgegangen, oder was der Mund
gesprochen. -- Bei Anderen äußert sich der tobende Rausch nur durch
heftige Muskelactionen; ohne viel zu reden, schlägt der Mann um sich,
stößt mit den Füßen und entwickelt eine Kraft, welche kaum zu bändigen
ist. Endlich erschöpft sich die wilde Gewalt, der Körper bedeckt sich
mit Schweiß, und mit schnarchenden Athemzügen tritt der Zustand der
Ruhe und der allgemeinen Erschlaffung ein. Entweder hat er gar keine
Erinnerung von diesem Zustande, oder er erzählt nur, er habe einen
höchst verworrenen Traum gehabt, über welchen er nichts Näheres angeben
könne.

Diese vier verschiedenen Arten des Aetherrausches sind gewöhnlich von
einander verschieden, doch bemerkt man auch bisweilen Uebergänge von der
einen Form zur anderen. Der heitere Rausch verwandelt sich wohl in den
albernen und der alberne in den tobenden. Fanden Uebergänge Statt, so
folgten sie in derselben Ordnung, wie sie hier angegeben worden;
eine rückgängige Umwandlung sah ich nie. Bei Frauen habe ich nur den
ohnmächtigen und heiteren Rausch gesehen, den albernen und wüthenden nur
einige Mal bei Männern.



Wirkung der Aetherdämpfe in Bezug auf den Schmerz bei chirurgischen
Operationen.


Ich habe vorhin die geistigen und körperlichen Zustände der
Aetherisirten, wie wir sie sowohl bei Gesunden als bei Kranken
beobachteten, angegeben. Hier folgt nun das Nähere, was die Beobachtung
in Bezug auf das Schmerzgefühl bei chirurgischen Operationen lehrt. Dies
ist eigentlich die Hauptsache in der ganzen Angelegenheit des Aethers.
Wir nehmen in dieser Beziehung bei ätherisirten Personen, an welchen
chirurgische Operationen gemacht werden, folgende verschiedene Zustände
wahr. 1, der Kranke ist völlig empfindungslos, er fühlt weder den
Schmerz noch die Operation, 2, er fühlt den Schmerz und die Operation
undeutlich, aber ganz anders wie im natürlichen Zustande, 3, er fühlt
keinen Schmerz, aber die Operation, 4, er fühlt Beides, doch anders wie
gewöhnlich, 5, er empfindet größeren Schmerz als im nicht ätherisirten
Zustande. Der Schmerz wird durch den Aetherrausch gesteigert, aber
umgeändert.

Wiewohl diese verschiedenen Zustände oft ineinander übergehen, so
lassen sie sich doch in der Regel, wenn man eine größere Zahl eigener
Beobachtungen vor sich hat, ziemlich genau nachweisen.

1. Der Aetherisirte ist völlig betäubt und hat bei der größten und
peinlichsten Operation gar keinen Schmerz. Er zuckt nicht, er klagt
nicht und verräth selbst beim nothwendigen Durchschneiden von Nerven
nicht die mindeste Empfindung. Die ganze Operation wird also bei
vollkommener Betäubung und Unempfindlichkeit vollendet, und beim
Erwachen weiß er durchaus nichts von dem, was mit ihm geschehen ist. --
Oder der Aetherisirte ist nicht betäubt, er hat nur das Aussehen eines
Müden mit gläsernen Augen. Man glaubt, er sehe und wisse Alles. Es wird
an ihm die kleine oder große schmerzhafte Operation vollzogen, nach
deren Beendigung er eben so wenig wie Jener weiß, daß er operirt
worden ist, obgleich wir glaubten, seine Empfindung sei nur vermindert.
Auffallend ist es besonders hierbei, daß er sich mancher anderen,
geringfügigen Umstände erinnert, was dieser oder jener gethan oder
gesagt.

2. Das Gefühl ist verkehrt. Der Kranke fühlt statt des Wundschmerzes
etwas ganz Anderes, bald an dem Orte, wo er operirt wird, bald an einer
entfernten Stelle. Ihm ist es, als würde er gekratzt oder gedrückt, wenn
er gebrannt oder geschnitten wurde. Auch percipirt er wohl eine geringe
Unbequemlichkeit anderer Art, eine unangenehme Lage, die unbequeme
Stellung eines Gliedes, oder den Druck der Hand eines Gehülfen mehr als
die Operation selbst.

3. Er fühlt keinen Schmerz, wohl aber die Operation. Dies ist in der
Reihe der Erscheinungen die wunderbarste! Der Kranke ist betäubt oder
wachend. Im letzteren Fall kann er ziemlich genau Alles wissen, sehen
und hören: er wird operirt und hat nicht das mindeste Schmerzgefühl.
Im Scheinschlaf oder im Scheinwachen folgt er genau den Bewegungen
des Messers bis in die Tiefe seines Leibes, er unterscheidet auf das
Genaueste alle seine Bewegungen und begleitet es auf allen seinen Hin-
und Herzügen ohne alle Combination. Es ist nicht das Erkennen durch
das gewöhnliche, Allgemeingefühl, sondern gleichsam eine Steigerung
der örtlichen inneren Wahrnehmung, eine Potenzirung körperlicher
Selbstbeschauung. Und bei dem Allen keine Spur von Schmerz, Unbehagen,
Furcht oder Reflexion, keine Art einer sensoriellen Einmischung! Seele
und Leib scheinen von einander gelöst zu sein, und jene diesen nur aus
der Ferne von oben herab ohne Urtheil oder Conjectur zu beschauen. Es
erinnert uns dieser Zustand lebhaft an die Wunder des Magnetismus, an
welche wir nicht glaubten, und welche wir hier fast mit Händen greifen
können.

4. Schmerz und Operation werden empfunden -- in der That aber wird
fast nur der Schmerz natürlich empfunden. Denn bei einem empfindlichen
chirurgischen Eingriff fühlt man eigentlich nur den Schmerz, in dem das
Gefühl des Operirtwerdens ganz aufgeht. Der Kranke äußert sich unter
der Operation ganz so wie es sonst geschieht, mit demselben Stöhnen und
verhaltenem Klagen, obgleich er sich im Zustande anscheinender
Betäubung befindet. Auch nach der Operation beschreibt er die erlittenen
Schmerzen, ähnlich den gewöhnlichen.

5. Es findet eine Steigerung des Schmerzgefühls Statt. Der halb oder
ganz Berauschte bricht in die lautesten Klagen aus, Worte, Stimme und
Geberden drücken ein unbeschreibliches Wehe aus, sein Zustand ist wohl
die wildeste Verzweiflung. Es ist nicht der furibunde Aetherrausch,
wie ich ihn auch ohne Operation bei Aetherisirten gesehen habe, allein,
sondern derselbe ist durch letztere noch gesteigert. Aber auch ohne
vorangegangene furiose Delirien kann ein sanfter, schlafähnlicher oder
heiterer Rausch durch das Schmerzgefühl zum furibunden gemacht werden.
Dieser Zustand zeigt aber große Verschiedenheit. Nach überstandener
Operation erkennen wir aus den Mittheilungen der Kranken, daß
sie wirklich gelitten haben, während in anderen Fällen der ganze
schmerzliche Hergang nur noch dunkel in ihrer Erinnerung lebt. Die
Ursache dieser Erscheinungen ist, wie ich glaube, ganz besonders eine
der Operation vorhergehende, ungewöhnliche Furcht, ein ungemein starres
Festhalten des grausigen Bildes derselben und ein Mithinübernehmen
desselben in den unfreien Aetherrausch. Diejenigen Erscheinungen, wo der
Kranke bei der Operation den Schmerz ausdrückte, ohne daß derselbe sich
nach Beendigung desselben bewußt war, kann man dadurch erklären, daß man
annimmt, er habe nur die Erinnerung an denselben verloren.



Chirurgische Wahrnehmungen bei Aetherisirten.


Die Blutung ist bei chirurgischen Operationen, welche unter der
Anwendung des Aethers vorgenommen werden, immer stärker als sonst. Dies
stärkere Ausfließen des Blutes, die Wunde mag groß oder klein sein, ist
besonders Folge der größeren Verflüssigung desselben durch den Aether.
Modificationen treten indessen bald durch größere Betäubung des Kranken
und Aufregung des Gefäßsystems ein. Amussat sah, daß die dunklere
Färbung des Blutes immer der Betäubung voranging, doch fand ich das Blut
ebenfalls dunkel, auch wenn keine Betäubung eintrat. Die Verflüssigung
des Blutes scheint schon sehr bald nach dem Einathmen einzutreten, indem
der Aetherdunst seiner großen Theilbarkeit wegen sehr schnell die festen
und flüssigen Theile des Körpers durchdringt. Eine zweite Erscheinung,
welche man sogleich wahrnimmt, ist, daß eine größere Anzahl von Arterien
spritzen als sonst, und kleine, welche man sonst nicht bemerkt, in
feinem, scharfen Strahl das Blut fortschießen. Amussat meint, daß diese
stärkere Blutung aus kleinen Arterienästen in Folge der Aetherisation
ein neuer Vortheil für die Chirurgie sei, indem man dieselben entdecken
und durch Unterbindung Nachblutungen vorbeugen könne; aber dies ist
gerade ein Nachtheil. Es wird dadurch die Reizung, man mag die
Gefäße torquiren oder unterbinden, noch vergrößert, und leichter zu
gefährlichen Folgen Veranlassung gegeben. Ich glaube sogar, daß eine der
häufigsten Todesursachen die Unterbindung vieler kleinen Gefäße ist.

Das Blut ist aber nicht bloß flüssiger und dunkler, sondern es hat einen
wirklichen Aethergeruch. Den Aethergeruch möchte man wohl schwerlich
während der Operation, wo Alles im Zimmer nach Aether duftet, an dem
ausfließenden Blute wahrnehmen, aber wenn es aufgefangen und an einem
anderen Orte untersucht wird, verleugnet es den Aethergeruch nicht.

Dieselben Resultate wie der Aether geben auch die Einathmungen von
Kohlengas, Stickgas, Wasserstoffgas u. s. w., nämlich vorhergehende
Empfindungslosigkeit während des Athmens und allmälige Wiederkehr der
Empfindung bei neuer Einathmung der atmosphärischen Luft. Hieraus folgt,
daß die Empfindungslosigkeit das Resultat der Einwirkung des Blutes
auf die Centralpunkte der Nerven ist, welches nicht in den Lungen
umgewandelt ward.

Eine dritte Erscheinung ist, daß das Blut überhaupt dunkeler aussieht.
Dies fällt weniger bei dem Venenblut auf, als beim arteriellen, welches
oft ein vollkommen venöses Ansehen hat, niemals aber ganz so roth ist
wie sonst. Dies habe ich nicht allein gesehen, sondern fast alle anderen
Aerzte.

Nach Amussat wird während des Einathmens das arterielle Blut dunkel.
Diese Färbung geht dem Eintritt der Unempfindlichkeit vorher. Wird dann
wieder atmosphärische Luft eingeathmet, so wird das Blut schon vor der
Rückkehr der Empfindlichkeit wieder roth.



Verhalten nach der Operation.


Der Zustand der Aetherisirten nach größeren chirurgischen Operationen
zeigt manche Eigenthümlichkeiten, welche allein oder doch größtentheils
dem Aether zukommen. Bei Mehreren stellt sich unmittelbar nach der
Operation starkes Aufstoßen und Erbrechen wie nach einem gewöhnlichen
Rausch ein, bei Anderen ein kurzer Reizhusten und Niesen, welches
beides bald verschwindet. Dagegen haben andere Aerzte bisweilen
heftige Brustbeschwerden und selbst Blutspeien, wahrscheinlich nach der
übertriebenen Aetherisation, beobachtet. Bei mehreren Kranken trat bald
nach dem Einathmen der Dünste Erbrechen ein, bei anderen erst später
nach überstandener Operation. Eine größere Anzahl klagte nur über
Uebelkeit. Viele Kranke leiden hinterher an einem dumpfen Kopfschmerz
und großer Abgeschlagenheit des ganzen Körpers. Manche werden von großer
Schwermuth befallen, und gerade diejenigen am meisten, welche in einem
Meere von Wonne schwebten, und nun beim Erwachen keine andere Seeligkeit
als die einer überstandenen chirurgischen Operation wahrnehmen.
Ein sanfter Schlaf hob indessen gewöhnlich alle diese unangenehmen
Nachwirkungen des Aethers, und am nächsten Morgen waren diese
Erscheinungen gewöhnlich wieder verschwunden.

Unverkennbar ist aber die durch die Aetherisation herbeigeführte Neigung
der Operationswunden zu Nachblutungen. Sie wird hinlänglich durch
die oben bemerkte größere Verflüssigung des Blutes durch den in
den Kreislauf aufgenommenen Aether erklärt. Stärkere Compression,
Tamponnade, kalte Umschläge in Verbindung mit einem kühlenden Regimen
heben indessen die Nachblutungen alsbald.

Gegen ungewöhnlich lange Betäubung sind die vorzüglichsten Mittel
frische Luft und kaltes Wasser, kalte Umschläge auf die Stirn gelegt.
Bei zwei nicht einmal stark von mir Aetherisirten stellten sich
bedeutende Congestionen nach dem Kopfe ein, welche durch Aderlässe aber
sogleich gehoben wurden. Das abgelassene Blut, welches nach Aether roch,
war flüssiger, der Blutkuchen kleiner, das Blutwasser röthlich. Andere
leiden noch längere Zeit an nervösem Kopfweh. Bei Gerdy selbst dauerte
dieses 10 Tage lang.

Das Riechen an Salmiakspiritus, welches man als Antidotum gegen
Aetherbetäubung empfohlen hat, möchte wohl nur beim eingetretenen
Scheintode zu empfehlen sein. Jackson räth, wie schon erwähnt worden,
bei tiefer Betäubung den Kranken Sauerstoff einathmen zu lassen und bei
jeder unter Einwirkung des Aethers vorzunehmenden Operation eine
Flasche mit Sauerstoffgas in Reserve zu haben, doch wird diese Vorsicht
überflüssig, wenn man den Kranken nicht überstark ätherisirt.

Gefährlich scheint es zu sein, dem Kranken nach überstandener Operation
starke Getränke zu geben. (Fairbrother reichte dieselben bei einer
Amputation und ätherisirte abwechselnd den Patienten.) Es kann nämlich
dadurch eine gefährliche Steigerung des Rausches herbeigeführt werden.
Lehrreich ist in dieser Beziehung das Beispiel von Siegmund, welcher bei
einem Manne, auf welchen der Aether nicht zu wirken schien, von einem
Glase Wein einen starken Nachrausch entstehen sah.

Mehrere Aerzte beobachteten starke Schweiße nach der Operation als üble
Folge der Aetherisation. Ich habe diese späten Schweiße nur zwei Mal
gesehen, sie waren für den Kranken keinesweges erschöpfend, sondern
schienen vielmehr einen ganz wohltuenden Einfluß zu üben.

In Folge der großen Theilbarkeit der Aetherdämpfe nehmen wir bei
ätherisirten Personen noch längere Zeit einen durchdringenden
Aethergeruch wahr. Nicht bloß die ausgeathmete Luft, sondern auch
der Schweiß und die Oberfläche des Körpers riechen noch nach mehreren
Stunden, selbst noch mehrere Tage lang nach Aether. In einem Falle nahm
ich noch am dritten Tage nach der Operation den Aethergeruch wahr.

Die ausgeathmete Luft ätherisirter Kranken enthält nach Despretz
nur halb so viel Sauerstoff als die gewöhnliche Luft, denn bei einer
Temperatur von 20 Grad ist die elastische Kraft des Aethers ungefähr der
Hälfte des mittleren Druckes der Atmosphäre gleich.

Die unter Aether Operirten scheinen nach überstandener Operation,
abgesehen von dem Gefühle der Abgeschlagenheit, weniger glücklich
darüber, was sie nicht wahrgenommen, als die es sind, welche unter
Schmerzen operirt worden, daß der gefürchtete Augenblick vorüber ist. Es
stellt sich bei ihnen eine eigenthümliche Furcht vor dem Verbande ein,
bei dem sie sich weit sensibler zeigen, als die nicht Aetherisirten,
denen das Unbehagliche des Verbandes höchst unbedeutend im Vergleich zu
dem Schmerze bei der Operation erscheint.

Spätere nachtheilige Einflüsse von großer Bedeutung auf das allgemeine
Befinden der Kranken oder auf die Operationswunden habe ich nicht
bemerkt. Diejenigen Wunden, welche durch Heftpflaster oder Nähte zur
unmittelbaren Verwachsung geführt werden sollten, waren oft in wenigen
Tagen, wie sonst, vollkommen geschlossen.

Bei Wunden mit Substanzverlust beobachtete ich keine stärkere
Entzündung, als gewöhnlich, (vielleicht eine geringere). Der Eiterungs-
und Granulationsproceß war bald natürlich, bald die Plasticität
vermindert, die Heilung erfolgte in der gewöhnlichen Zeit auch wohl
etwas später.

Auch die festen Theile scheinen einige Veränderungen durch den Aether
zu erleiden. Die Haut ist welker und zeigt einen geringeren Grad
von Elasticität beim Durchschneiden, weshalb sie sich weniger
stark zurückzieht. Das Zellgewebe ist dunkler und blutreicher, die
willkührlichen Muskeln bei starker Betäubung schlaffer und unverkennbar
von einer leicht braunen Färbung. Auch die unwillkührlichen Muskeln, wie
die des Darmkanals, erschlaffen; daher mitunter größere Leichtigkeit,
incarcerirte Brüche zurückzubringen. Eben so die Blase deren
willkührlicher Schließungsmuskel bisweilen sich öffnet und den Urin
ausfließen läßt. Bei einer Frau (siehe unten), welcher ich einen
eingeklemmten Bruch operirte, fand sich auf der anderen Seite ein großer
beweglicher Bruch, nur von papierdicken Hüllen bedeckt. Die durch sie
hindurch deutlich wahrnehmbare aufgeblähte Darmschlinge war in großer
Aufregung, und die peristaltische Bewegung sichtbar. Nach der Einwirkung
der Aetherdämpfe erlahmte diese Bewegung allmälig, und die Darmschlinge
kroch langsam in die Bauchhöhle zurück.

Der Zustand der Empfindungslosigkeit selbst bei der größten
chirurgischen Operation, zeigt gerade das Umgekehrte von dem, was wir
an einem an der asphyctischen Cholera Leidenden sehen. Während bei jenem
die Operationswunde stärker blutet, ist die Empfindlichkeit vollständig
aufgehoben. Bei blauen Cholerakranken giebt die Wunde keinen Tropfen
Blut, sie ist fast trocken, und selbst die großen Arterien an
den Gliedern sind leer, und dennoch ist der natürliche Grad des
Empfindungsvermögens in allen Theilen der Wunde vorhanden. Eine
grausenvolle Erscheinung! Also Lebensausdruck in dem Todtscheinenden und
Todeserscheinungen in dem Lebendigen.



Von der Anwendbarkeit der Aetherdämpfe bei den einzelnen chirurgischen
Operationen.


Die Chirurgen und chirurgischen Schriftsteller haben in neuester Zeit
häufig den Aether über die Operation gestellt. Sie reden von glücklichen
und unglücklichen Versuchen, von glücklichen und unglücklichen
Operationen, und damit meinen sie nur den Aether, nicht die eigentliche
chirurgische Operation. Abgesehen, daß der Ausdruck _Versuch_ beim
Menschen in einer ernsten Sache nicht recht passend ist, da man nur
höchstens an Thieren experimentirt, am wenigsten an einer 6 Monate
schwangeren Frau, wie Herr Cardan mit dem Aether that! (s. u.)
Glückliche Operationen werden jetzt also diejenigen genannt, bei denen
der Kranke den Aether gut geathmet und einen guten, sanften Rausch
gehabt hat; ungünstige dagegen die, wo er widerspenstig beim Athmen
gewesen ist, einen wilden Rausch gezeigt, dabei geschrieen und getobt
und die Operation schmerzlich empfunden hat. Der chirurgische Theil der
Operation ist also gegen den Aether ganz in den Hintergrund gestellt,
daß bei Vielen es so aussieht, als wäre die Operation und ihre
künstlerische Ausführung ganz Nebensache, als wäre es ganz Nebensache,
ob der Kranke sich hinterher gut oder schlecht befunden habe, gefährlich
krank geworden oder gar gestorben sei, wenn er nur nicht unmittelbar
darauf und der Aetherbetäubung unterlegen hat.

Diese Einseitigkeit in der Auffassung einer der größten Entdeckungen
kann derselben aber nur schaden, zu Irrungen verleiten und den Gegnern
gefährliche Waffen in die Hand geben. Vieles kann und darf mit Aether
operirt werden, Manches darf durchaus nicht mit Aether operirt werden,
und bei noch Anderem ist der Aether Luxus, d. h. die Aetherisirung steht
nicht im Verhältniß zur Operation, sie ist zu klein, und das Mittel
zu groß; es ist, als wolle man mit einer Kanone nach einem Sperling
schießen, oder eine Fliege statt mit einer Klappe mit einer Holzaxt
todtschlagen. -- Das wird man vielleicht übel nehmen und sagen, ich sei
ein Gegner des Aethers.

Die Aetherisation ist unter allen Umständen bei allen Operationen
aber zu vermeiden, wenn der Mensch an Krankheiten der Luftwege, an
Congestionen nach der Brust und dem Kopfe, an Neigungen zu Blutflüssen
und großer Reizbarkeit des Nervensystems leidet. Blutungen, Schlagfluß,
gefährliche Nervenzufälle können das Leben dann auf das Spiel setzen,
und die Eröffnung eines Geschwürs oder das Loswerden eines kranken
Zahnes viel zu theuer erkauft werden. Eben so wenig giebt auf der
anderen Seite die bedeutende Größe einer Operation die alleinige
Bestimmung zur Anwendung des Aethers, da dieser durch manche wichtige
Umstände verboten sein kann. Der einsichtsvolle Arzt wird dies Alles zu
berücksichtigen wissen.

Von den vielen Hunderten von chirurgischen Operationen, welche an eines
kranken Menschen Leib, um ihn wieder gesund zu machen und sein Leben
zu erhalten, ausgeführt werden können, will ich einige in Bezug auf die
Anwendbarkeit des Aethers durchgehen.

Man möge es mir verzeihen, wenn ich nicht die Namen aller der Männer,
welche diese oder jene Operation mit Erfolg unter der Anwendung
des Aethers vorgenommen haben, anführe, da das Material bereits zu
massenhaft angehäuft ist.

_Das Brennen._ Das Feuer ist gefürchteter als das Messer. Die Schrecken
des glühenden Eisens und der Brenncylinder geben der Aetherbetäubung
hier eine ihrer ersten Stellen. Die Anwendung des Glüheisens ist zwar in
neuerer Zeit bei Gelenkkrankheiten sehr beschränkt worden, indeß müssen
wir die Betäubung des Kranken bei der häufig anzuwendenden Moxa als
ein herrliches Mittel, ihre unerträglichen, nachhaltigen Schmerzen
aufzuheben, betrachten. Die meisten Wundärzte haben sich bereits mit
glücklichem Erfolge hier des Aethers bedient und vielen Kranken die
Schmerzen erspart, da sie nach überstandener Operation durchaus keine
Erinnerung davon hatten. -- Bei der Operation kann man indessen in
Bezug auf Feuer und Licht nicht vorsichtig genug sein. So wie der Kranke
betäubt ist, muß der Apparat und das Licht aus dem Zimmer entfernt,
und wenn dieses klein ist, ein Fenster geöffnet werden, damit keine
gefährliche Entzündung entstehe. Charrière hat deshalb, wie schon oben
bemerkt, auch seinen Apparat, wie die Davy'sche Sicherheitslampe der
Bergleute, mit einem feinen Drahtnetz umgeben.

_Verrenkung der Glieder._ Bei der Verrenkung der Glieder ist die
Aetherbetäubung zum Wiedereinrichten derselben ein wunderbares Mittel.
Durch sie wird das verwirklicht, wonach man Jahrhunderte vergebens
gesucht hat, und wovon man nur den kleinsten Theil auffand. Bei frischen
Verrenkungen ist die Schwierigkeit der Wiedereinrichtung zwar nicht
groß, doch bedarf es dazu einiger Geschicklichkeit und Uebung. Bei der
Verrenkung eines großen Gliedes, besonders wenn schon einige Zeit danach
verstrichen ist, kommt es, um dasselbe wieder einzurenken, oft nicht
bloß auf Geschicklichkeit und richtige Leitung der helfenden Kräfte an,
sondern vornehmlich auf Erschlaffung der krampfhaft zusammengezogenen
Muskeln. Diesen Zustand allgemeiner Abspannung suchte man in
schwierigen Fällen durch Blutentziehungen bis zur Ohnmacht, betäubende
Arzeneimittel, durch Abführungen, Brechmittel, Ekelkuren, Hungern, laue
Bäder, ölige Einreibungen u. s. w. herbeizuführen; Dupuytren bediente
sich sogar des Schreckens, indem er plötzlich mit einem großen Messer
auf den Kranken losging, als wolle er ihn amputiren, wo er dann dem
vor banger Furcht Zusammenbrechenden schnell das Glied einrenkte. Die
widerstrebende Macht der zusammengezogenen Muskeln großer Glieder, wie
bei der Verrenkung des Oberschenkels, ist bei starken Männern bisweilen
so groß, daß selbst Flaschenzüge den Widerstand nicht zu überwinden
vermögen, und die Muskeln leichter zerreißen als nachgeben. Nur die
Durchschneidung der am meisten zusammengezogenen Muskeln half bisweilen
die Schwierigkeiten der Einrichtung überwinden. Den wünschenswerthen
Zustand der gänzlichen Erschlaffung der Muskeln führt nun die
Aetherbetäubung in einer Weise und in einem Grade herbei, daß dieser
schwierige Theil der Chirurgie dadurch an Sicherheit und glänzendem
Erfolg für immer gewonnen hat. Sollte der Aether auch bei allen blutigen
Operationen wieder in Verfall kommen, so wird er bei Luxationen sich
immer erhalten. Als Regel muß hier aber gelten, daß der erste Grad der
Aetherisirung, die Aufhebung der Empfindung, nicht ausreicht, sondern
daß der Zustand der vollen Betäubung zur Erschlaffung aller Muskeln
herbeigeführt werden muß. So renkte Velpeau mit Leichtigkeit den
Oberschenkel wieder ein. Eben so leicht gelang anderen Wundärzten die
Wiedereinrichtung des verrenkten Oberarmes so wie anderer Glieder.

Von _complicirten Knochenbrüchen_ größerer Gliedmaßen, besonders des
Unterschenkels, wo die Bruchenden übereinander geschoben sind, und wo
Alles darauf ankommt, die Bruchflächen wieder gegeneinander zu stellen,
gilt dasselbe wie von den Luxationen. Die Erschlaffung der durch die
Verletzung gereizten und zusammengezogenen Muskeln, welche durch die
Betäubung des Kranken herbeigeführt wird, macht die Einrichtung mit weit
geringerem Kraftaufwande als sonst möglich, so daß zwei Menschen
jetzt dasselbe leicht erreichen können, was sonst vier nur mit aller
Kraftanstrengung und unter den größten Schmerzen zu Stande zu bringen
vermochten.

Bei _Resectionen der Gelenkenden_, so wie beim Ausziehen großer
Sequester, ist die Aetherbetäubung ebenfalls mit größter Erleichterung
für die Kranken bereits mehrere Male gemacht worden. So resecirte
Heyfelder den Kopf des Oberarms unter Aether.

_Die Operation der Pulsadergeschwulst._ Bei der Unterbindung großer
Gefäßstämme zur Heilung des Aneurysma's ist der Vortheil der Betäubung
nicht groß. Die Operation ist selten sehr schmerzhaft, und die Kranken
pflegen sich aus Furcht ruhig zu verhalten. Ein unruhiger oder gar
wilder Rausch könnte hier sehr gefährlich werden und eine Verletzung der
bloßzulegenden und zu unterbindenden Arterie veranlassen. Zwei wichtige
Umstände scheinen mir hier der Betrachtung werth zu sein. Der eine ist
für die Operation vielleicht nützlich, der andere steht ihr entgegen.
Die durch den Aether bewirkte Verflüssigung des Blutes muß nach
Unterbindung des Hauptstammes der Arterien die Herstellung des
Collateralkreislaufs befördern und die Gefahr des Absterbens der Glieder
vermindern. Auf der anderen Seite tritt uns ein neues Bedenken entgegen.
Die Aetherisirung vermindert die Plasticität des Blutes, es bildet sich
nicht immer ein gehöriger Thrombus und nach der Durchschneidung des
Gefäßes durch den Unterbindungsfaden entsteht eine Blutung.

Noch weniger ist aber die Aetherisirung angezeigt, um eine zufällig
verwundete größere Arterie zu unterbinden, da, außer den oben
angegebenen Bedenklichkeiten, die Blutung durch das Einathtmen des
Aethers noch vergrößert werden würde. Die Torsion erscheint bei
Aetherisirten gewiß sehr bedenklich und läßt wohl noch leichter
Nachblutungen zu als die Unterbindung.

_Orthopädische Operationen._ Bei den größeren orthopädischen Operationen
findet die Anwendung des Aethers als Schmerzstillungsmittel ein sehr
geeignetes Feld, da sie besonders dann empfindlich sind, wenn
ein großes, viele Jahre lang gekrümmt gewesenes Glied, nach der
Durchschneidung der verkürzten Sehnen oder Muskeln, schon vor der
Anwendung der Maschine einigermaßen gestreckt werden muß. Dies gilt
besonders von Contracturen des Hüft- und Kniegelenkes. Von unendlichem
Nutzen ist hier die Aetherisation, wie ich bei meinen Operationen
bisweilen gesehen habe, Dasselbe wird auch von Anderen angegeben. Wo
aber nur die Achillessehne, wie beim Pferdefuß oder dem niederen Grade
des seitlichen Klumpfußes, zu trennen ist, oder bei der Contractur
im Ellenbogengelenk oder dem schiefen Halse, wenn nur eine Sehne
zu durchschneiden, ist der Aetherrausch weniger am Orte, da diese
Operationen weniger schmerzhaft sind und nur einen Augenblick erfordern.
Hätte der Kranke aber gar einen üblen Rausch, so würde man ihm und sich
die Operation sehr erschweren. Anders verhält es sich mit den höheren
Graden des Klumpfußes, wo theils die Verdrehung des Fußes, theils seine
Formveränderung die Durchschneidung mehrerer Sehnen erfordert, besonders
aber wenn wegen großer Zusammenziehung und Mißstaltung des Fußes,
Durchschneidungen in der Fußsohle nöthig wären, um dem Gliede
durch zweckmäßige Nachbehandlung die natürliche Stellung, Form
und Brauchbarkeit zu verschaffen. Bei diesen Operationen ist die
Aetherisirung dringend zu empfehlen. Dasselbe gilt auch von
der Einrichtung veralteter Luxationen mit Hülfe der Sehnen- und
Muskeldurchschneidung, z. B. des Schulter-, Arm-, Hand-, Knie- und
Fußgelenkes. Der starre Widerstand der durch die lange Dauer des Uebels
verkürzten Theile wird durch die Betäubung etwas gemindert und dadurch
ihre Durchschneidung noch mehr erleichtert. Eine große Wohlthat ist es,
bei diesen schmerzhaften Unternehmungen dem Kranken die Empfindung zu
rauben, und gewiß wird die Einrichtung hier jetzt auch in den Fällen
bisweilen gelingen, wo sie früher nicht immer möglich war.

_Die Exstirpation von Geschwülsten_ begehrt den Aether, wenn sie
groß sind, und die Operation schmerzhaft ist. Dies gilt sowohl von
Geschwülsten an der Oberfläche des Körpers als von den in zugänglichen
Höhlen. Von den letzteren ist an einem anderen Orte noch besonders
die Rede. Die Operation großer, festsitzender fibröser, skirrhöser und
steatomatöser Tumoren, der Fett- und Balggeschwülste, wird dem Kranken
und dem Arzte durch den Aether sehr erleichtert, so daß er dieselbe bei
größerer Ruhe, welche die Kranken gerade bei diesen Operationen nicht
zu haben pflegen, in viel kürzerer Zeit ausführen kann. Dagegen ist die
Aetherbetäubung ein zu großes Mittel, um sie beim Ausschneiden jeder
kleinen Balggeschwulst, wie z. B. bei einem Grützbeutel auf dem Kopfe
oder an einem anderen Körpertheile anzuwenden. Nur die Individualität
des Kranken wird hier eine Ausnahme machen, so daß man auch bei kleinen
Operationen dieser Art sehr furchtsamen und sensiblen Kranken,
besonders wenn sie sich sehr nach dem Aether sehnen, eine leichte
Empfindungslosigkeit vor der Operation zu Gute thun kann.

_Beim falschen Gelenke_, welches nach einem nicht wiedergeheilten
Knochenbruche entstanden ist. Die Durchbohrung der Knochenenden und die
Einführung von Zapfen in dieselben, zur Hervorrufung einer entzündlichen
Anschwellung mit neuer Callusbildung machen bei dieser intricaten
Operation eine Erschlaffung der Muskeln und völlige Regungslosigkeit des
Kranken höchst wünschenswerth.

_Amputation der Glieder._ Die Amputation nicht bloß kleiner Gliedmaßen,
als der Finger und Zehen sondern auch ganzer Arme und Beine ist schon
so häufig in der Aetherbetäubung und zwar mit so entschiedenem Vortheil
vorgenommen worden, daß der Werth des Mittels in dieser Beziehung wohl
als günstig festgestellt ist. Bei Amputationen größerer Glieder ist
das Gemüth der Kranken schon vorher durch die traurige Perspective
als Krüppel unter Gesunden einherzuwandeln, so gebrochen, daß nur die
schmerzhafte Zerschmetterung eines gesunden Gliedes, oder die durch
langwierige Knochenkrankheit herbeigeführte Erschöpfung, in tiefster
Resignation in dem Leidenden den Wunsch aufkommen lassen, das dürftige
Leben für einen Arm oder ein Bein zu erkaufen. Aber schon ein günstiges
Ohr dem Arzte leihend, erbeben sie bei dem Gedanken an die Größe und
an die Schmerzen der Operation, die von dem Geübtesten in wenigen
Augenblicken ausgeführt, immer dieselbe bleibt, indem sie, sie mag im
Gelenke oder ausser demselben vorgenommen werden, schon wegen ihrer
Grösse das innerste Leben berührt. Ein herrlicher Gewinn ist hier
die Aetherbetäubung, da die Erfahrung gezeigt hat, daß selbst der
Oberschenkel, ohne daß der Kranke es nur im mindesten fühle, amputirt
werden könne. Ganz unbedingt ist aber so großer Vortheile ungeachtet,
die Aetherbetäubung meiner Meinung nach hier doch nicht zu empfehlen.
Die Amputationen sind überhaupt angezeigt bei Zerschmetterungen der
Glieder, welche eine Erhaltung derselben unmöglich machen, und bei denen
der Versuch die Extremität zu retten, bisweilen mit dem Leben bezahlt
wird, ferner bei solchen Krankheiten der Gelenke, der Knochen oder der
Weichgebilde, welche den Tod herbeiführen, wenn der Kranke nicht, wie
er im Kleinen den schmerzhaften Zahn ausreißen läßt, hier sein krankes
Glied, die Quelle unsäglicher Leiden, Preis giebt. Unter diesen
Umständen ist aber die Aetherisation nicht unbedingt bei dem Amputiren
zu empfehlen. Nur den Kranken, welchem noch ein Theil seiner Körperkraft
geblieben, welcher nicht ganz heruntergekommen ist und einen gewissen
Grad von körperlicher und moralischer Stärke sich hat erhalten können,
mögte ich unbedingt ätherisiren. Dagegen würde ich großes Bedenken
tragen, einen durch langwierige cariöse Zerstörung in oder ausser
dem Gelenke aufs äußerste Erschöpften, durch hektisches Fieber fast
Aufgeriebenen, zu betäuben, damit er von der Operation nichts fühle. Bei
einem so bejammernswerthen Zustande würde man Gefahr laufen, durch den
künstlichen Rausch, bei dem perturbirten Zustande des Gefäßsystems,
augenblicklich tödtliche Congestionen nach Brust und Kopf hervorzurufen.
Ferner wird durch die ätherische Verflüssigung des Blutes, bei dem schon
ohnehin fluiderem Blute des Kranken, zu größerem Säfteverluste, den man
bei der Amputation hier so schon zu vermeiden hat, so wie zu größeren
Nachblutungen Veranlassung gegeben. Höchstens mögte ich dem Kranken
nur die ersten Andeutungen der Aetherberuhigung durch einen wenige
Augenblicke vor Nase und Mund gehaltenen Schwamm genießen lassen
und dann schnell die Operation vornehmen. Daß aber auch noch dem am
stärksten hektischen Fieber Leidenden, dessen Lebenszeit bis auf einige
Tage abgelaufen ist, noch durch die Amputation des kranken Gliedes das
Leben gerettet werden könne, lehren unzählige Erfahrungen.

_Die Trepanation des Schädels._ Von allen großen chirurgischen
Eingriffen verbietet keiner so sehr die Aetherisirung als die
Trepanation des Schädels, eine Operation, welche bei Kopfverletzungen
in neuerer Zeit wegen ihrer Undankbarkeit schon an und für sich bei den
besten Chirurgen so sehr in Mißkredit gekommen ist, daß man sie nur noch
in wenigen Fällen anwendet. Die Aetherisirung von Personen mit schweren
Kopfverletzungen vor der Trepanation würde vielleicht noch das Gute
haben, den Kredit derselben noch mehr herabzusetzen (da der Tod danach
noch häufiger eintreten würde) und späteren Kranken das Leben zu retten,
indem man noch weniger als jetzt trepanirte.

Der Zustand eines Kopfverletzten ist oft schon dem eines stark
Aetherisirten ähnlich, todtähnlicher Schlaf, gänzliche Bewußtlosigkeit,
oder wilde Delirien, Convulsionen u. s. w. geben das schreckliche Bild
der Störung der intellectuellen Functionen. Die Trepanation wird wohl
bisweilen vorgenommen, ohne daß der Kranke etwas davon fühlt oder weiß.
Selbst in minder schweren Fällen ist er sich des blutigen Eingriffs nur
undeutlich bewußt und drückt seine unklaren Empfindungen nur durch ein
dumpfes Stöhnen aus. Wer also unter solchen Umständen dem Kranken zur
natürlichen Betäubung noch eine künstliche durch Aether hinzufügen
wollte, um ihm und sich die Sache zu erleichtern, würde dadurch seine
traurige Beschränktheit verrathen. Aber auch bei Kopfverletzungen mit
vollkommenem Bewußtsein, wo die Trepanation nothwendig erscheint, ist
die Aetherisirung gefährlich, indem durch sie der Blutandrang nach dem
verletzten oder gereizten Hirn bedeutend gesteigert, und der Ausgang
der Krankheit um Vieles zweifelhafter gemacht wird. Zum Glück ist diese
Operation aber noch nicht unter der Einwirkung des Aethers unternommen
worden.

Bei _Augenoperationen_ läßt sich eben so viel für als wider den Aether
sagen. Die Zartheit des Organs, und die Feinheit der Operation begehren
die absoluteste Ergebung und Stille des Kranken, wenn dieselbe nicht von
der geübtesten Hand ausgeführt wird. Dahin gehören die Staaroperation,
die Pupillenbildung und die Schieloperation. Kann der Kranke
durch Aether dabei noch passiver gemacht werden, so ist dies eine
Erleichterung für den Arzt, welcher noch geschwinder sein Werk vollenden
kann, und für den Kranken, weil er nichts dabei fühlt. Die bisherigen
Beobachtungen sprechen noch zu Gunsten der Aetherisation bei
Augenoperationen. Es läßt sich aber dagegen einwenden, daß die geringe
Schmerzhaftigkeit mancher Augenoperationen und die Schnelligkeit, mit
welcher sie ausgeführt werden können, die Aetherisation überflüssig
macht. Von grösserem Bedenken ist aber der Umstand, wenn der Rausch
unter der Operation plötzlich ein ungestümer wird, wo das Instrument,
welches sich gerade im Auge befindet, dasselbe verletzen oder z. B. eine
Staarnadel darin abbrechen, so daß es schon als ein Glück zu betrachten
wäre, wenn es schnell aus dem Auge vor vollendeter Operation gezogen
werden könnte. Bei Augenoperationen würde ich, da bei ihnen Alles von
der Art des Rausches abhängt, rathen, einige Tage vor der Operation
versuchsweise den Kranken zu ätherisiren, obgleich auch dies noch nicht
immer eine zuverlässige Bestimmung über die Art des späteren Rausches
giebt, bei der Operation aber selbst möglichst stark zu ätherisiren,
eine Weile noch die Operation anstehen zu lassen, und wenn er ruhig
bleibt, sogleich zu operiren: wenn er wild wird, bis zum gänzlichen
Ablauf des aufgeregten Zustandes zu warten.

Von entschiedenem Werthe ist die Aetherisation bei anderen gröberen und
größeren Augenoperationen, wo eine zufällige Nebenverletzung auch bei
unruhigen Kranken nicht zu besorgen ist. Dahin gehört die partielle oder
totale Exstirpation des Augapfels. Wenn schon die schmerzlose Wegnahme
des großen dunklen Staphyloms der Hornhaut, welches den baldigen
Aufbruch des Auges und den Uebergang in Augenkrebs fürchten läßt,
eine große Erleichterung für den Kranken sein muß, so sind wir der
Aetherbetäubung die höchste Anerkennung schuldig, wenn wir eine der
grausenvollsten und schmerzhaftesten Operationen, das Ausschneiden des
durch Krebs, Blut- oder Markschwamm zerstörten Auges, die Durchtrennung
der Sehnerven und wohl gar mit dem Augapfel zugleich die Entfernung der
vom Krebse ergriffenen Augenlider vornehmen können, und der
Unglückliche der vernichtenden Schmerzen dabei überhoben wird. Unter den
Augenoperationen steht in Bezug auf Aetherisirung die Ausschneidung
des Augapfels also oben an, und es ist kein einziger Grund gegen sie
vorhanden.

Bei _Operationen an den Augenlidern_, besonders wenn sie von größerem
Umfange sind, und bei der künstlerischen, plastischen Operation, wo ein
Augenlid zu ersetzen ist, ist die Aetherisation von Nutzen, unpassend
aber bei allen kleineren Operationen, z. B. dem Ausschneiden von kleinen
Balggeschwülsten u. s. w.

Bei der _Nasenbildung und anderen größeren Gesichtsoperationen_, ist die
Aetherbetäubung mit großem Vortheil anzuwenden. Das Künstlerische dieser
Operation, wobei ein neuer, edler Theil geschaffen werden soll,
begehrt von Seiten des Kranken die größte Ruhe und Ergebenheit, um
die mißgestaltete oder den Ort der fehlenden Nase durch Incisionen
und Exstirpationen zur Aufnahme eines aus der Stirn- oder Armhaut
einzusetzenden Lappens vorzubereiten. Ein noch stilleres Verhalten
des Kranken erfordert die künstliche Ausschneidung des Stirn- oder
Armlappens, damit diese rein und schön nach dem aufgezeichneten Maaß
oder der dem Künstler vorschwebenden Idee gelinge. Unendlich erleichtert
werden aber dem Arzte diese Akte, wenn der Kranke durch Aether betäubt
ist, da diese Operation durch das Schreien, Jammern und Widerstreben
sehr in die Länge gezogen werden kann. Weit größeren Vortheil, als der
Arzt, hat der Kranke bei der Rhinoplastik von seinem Aetherrausch. Sonst
von den gräßlichsten Schmerzen gefoltert, empfindet er bisweilen gar
nichts von dieser Operation, die im Zustande der Berauschung, in dem
dritten Theil der Zeit gemacht werden kann. Nach den von mir
gemachten Erfahrungen glaube ich also, daß bei der Nasenbildung die
Aetherbetäubung einen der ersten Plätze einnimmt, und ihre Vortheile
eben so groß für den Patienten als für den Arzt sind. Nur in dem einen
von mir erzählten Falle (s. unten) traten unter der Operation sehr
stürmische Erscheinungen ein, wodurch dieselbe eher erschwert als
erleichtert wurde.

Zu empfehlen ist ferner der Aether bei dem so schmerzhaften _Ausziehen
größerer Nasenpolypen_, noch mehr aber bei der großen, complicirten
Operation dieser Art, wo in Folge sehr bedeutender polypöser oder
fibröser Geschwülste die Nasen- und Gesichtsknochen vor- und auseinander
getrieben sind. Hier, wo die Weichtheile der Nase erst abgelöst werden
müssen, ehe die Geschwülste herausgeschnitten werden können, wird
der Betäubungszustand dem Kranken und dem Arzte die Operation sehr
erleichtern.

Bei anderen größeren Gesichtsoperationen, bei der _Augenlid-_,
_Mund-_ und _Lippenbildung_, bei der _Hasenscharte_, besonders der
mit Wolfsrachen complicirten, wenn das Kind nicht etwa sehr jung
und schwächlich ist, beim Ausschneiden krebsiger Entartungen mit
gleichzeitigem Wiederersatz, ist die Anwendung des Aethers eben
so erleichternd für den Kranken als für die Operation. Die
Hasenschartoperation kann unruhigen Kindern durch Vorhalten von einem
kleinen, in Aether getauchten Schwamm erleichtert werden.

_Das Ausziehen der Zähne_ während des Aetherrausches, welches bereits
eine ausgebreitete Anwendung gefunden hat, ist für empfindliche Personen
eine unendliche Wohlthat; aber auch insofern als sich Furchtsame jetzt
leichter zum Ausziehen von Zähnen entschließen, deren Entfernung durch
Krankheiten der Kiefer nothwendig gemacht werden. Bisweilen wird die
Operation aber dadurch erschwert, daß der Betäubte die Zähne fest
zusammenbeißt, so daß die Instrumente nicht dazwischen gebracht werden
können. Bei dieser Operation ist indessen Zweierlei zu besorgen, nämlich
zuerst, daß bei mehreren schadhaften Zähnen der unrechte ausgezogen
werden könnte, und zweitens daß Mißbrauch mit der Anwendung des Aethers
von unbefugten Personen getrieben würde, wenn nicht ein Arzt zugegen
wäre.

Bei der _Operation des Zungenkrebses_ ist die Aetherisirung ein
herrliches Mittel, auch wenn der Arzt es dabei anfänglich mit dem
Zusammenbeißen der Zähne zu thun hätte. Die Schnelligkeit, mit welcher
dieselbe nach vorheriger Anwendung der Fadenschnüre bei meiner Methode
gemacht werden kann, wird noch durch den bewußtlosen Zustand des
Patienten vermehrt, und derselbe schnell über die Schrecken dieser
widerwärtigen Operation hinweggeführt. Die hier nach anderen Methoden zu
fürchtende Nachblutung, welche durch die Anwendung des Aethers vermehrt
werden könnte, wird durch die angelegte Fadennaht gänzlich beseitigt.

_Die Aussägung des Ober- und Unterkiefers._ Zu den größten und
erschütterndsten Operationen gehören die Resectionen des Ober- und
Unterkiefers, wozu sich die Chirurgie bei gewissen Krankheiten
dieser Theile, besonders beim Knochenschwamm, welcher mit ungeheurer
Vergrößerung verbunden ist, genöthigt sieht. Der Umfang der Operation,
die starke Blutung, die Nähe des Gehirns, die Insultatation größerer
Nervenäste, machen dieselben zu den gefährlichsten, so daß der Kranke
wohl unmittelbar nach der Operation seinen Geist aufgeben kann. Wenn
nun hier von der einen Seite die Betäubung, um den Kranken über den
schrecklichen Akt hinwegzuführen, äusserst wünschenswerth erscheint,
so tritt dagegen wohl ein Bedenken gegen dieselbe ein, daß bei dem
gewaltigen Eingriff und der gleichzeitigen Betäubung alle Reaction
aufgehoben werden, und der Kranke nicht wieder erwachen könnte. Sprechen
einige günstig abgelaufene Operationen auch hier für den Aether, so
halte ich es wenigstens für gerathen, den Kranken in solchen Fällen nur
auf der Stufe der Empfindungslosigkeit zu erhalten, ihn aber nicht zur
vollkommenen Betäubung hinüberzuführen. Operationen dieser Art sind
bereits unter Anwendung des Aethers mehrmals vorgenommen worden (s. u.).

_Operationen in der Rachenhöhle._ Bei Operationen in dem hinteren
Theile der Mundhöhle, der Rachenhöhle und Rachen-Nasenhöhle, ist
die Aetherisation, wenn auch nicht unbedingt zu verwerfen, doch nur
ausnahmsweise anzuwenden.

_Die Gaumennaht_, eine der schwierigsten Operationen, wird durch
die Aetherisation nur erschwert. Sie ist eine Operation des vollen
Bewußtseins, der moralischen Kraft und des Willens. Schneiden, Nähen
in der Tiefe des Mundes, eine starke Blutung stillen und dabei einen
Betäubten vor sich zu haben, dessen Rausch nicht bei der langwierigen,
aus vielen kleinen Akten zusammengesetzten Operation ausreicht, dann
nachäthern zu müssen bei einem halb Leblosen, welcher den Blutstrom
und das eingespritzte Wasser nicht ausspeien kann, vermehren die
Schwierigkeit dieser Operation, wie ich gefunden habe. Einige Athemzüge
Aether vorher könnten die Empfindlichkeit indessen ein wenig abstumpfen.

_Die Ausschneidung großer Polypen oder fibröser Geschwülste_ hinter
dem Gaumensegel, welche bis in die Rachenhöhle und selbst in den oberen
Theil des Schlundes hinabreichen, wird durch die Betäubung bedeutend
erschwert, und ich habe dieselbe deshalb in zwei mir kürzlich
vorgekommenen Fällen von großen Rachenpolypen mit Aether nicht gewagt.
Erstickungszufälle, bei der schon durch die Beengung des Raumes
vorhandenen Athmungsnoth, Eindringen des Blutes in die Luftröhre und
Herabfließen desselben in den Schlund können leicht zum Tode des Kranken
unter der Operation Veranlassung geben. Gänzlich zu verwerfen ist das
Aetherisiren aber bei Unterbindung größerer Polypen der Rachenhöhle, da
hier schon durch die Zusammenschnürung der Basis und die Anschwellung
des Polypen, erschwertes Athmen bis zum Abfalle desselben herbeigeführt
wird.

_Die Ausschneidung_ der Mandeln haben mehrere Wundärzte bei
Aetherisirten mit Erfolg vorgenommen, wiewohl man danach bisweilen üble
Zufälle gesehen hat. In den von mir beobachteten Fällen fanden diese
nicht Statt. Indessen war mir die Operation nicht gerade erleichtert,
aber auch nicht erschwert, sondern sie verhielt sich an Nüchternen oder
Berauschten gleich. Bisweilen ist sie etwas erschwert, wenn z. B. der
Mund nicht geöffnet werden kann, oder der Patient unruhig ist, wie ich
dies erfahren habe.

_Operationen am Halse._ Bei allen größeren Operationen am Halse ist
die Aetherisation angezeigt, ausgenommen bei solchen, bei denen die
Luftröhre eröffnet ist, oder geöffnet werden muß, wie z. B. beim
Luftröhrenschnitt wegen eingedrungener fremder Körper. Es wäre gewiß ein
Wahnsinn, einem Erstickenden durch Aetherdampf Erleichterung verschaffen
zu wollen, wenigstens wäre diese so groß, daß derselbe unter dem Aether
oder unter dem Messer erstickte. Bei der Operation des _Kropfes_ oder
dem Ausschneiden anderer großen Geschwülste am Halse wird man sich
indessen mit Nutzen des Aethers bedienen.

_Abnahme der Brust._ Die Abnahme der durch Krebs oder eine andere
bösartige Krankheit entarteten Brustdrüse, so wie das Ausschneiden nicht
zertheilbarer Knoten, können mit großem Vortheil unter der Einwirkung
der Aetherdämpfe geschehen. Manche Umstände machen dies Verfahren hier
wünschenswerth. Operationen dieser Art sind bei aller ihrer Größe so
einfach, daß selbst ein stürmisches Verhalten der Kranken bei denselben,
keinen wesentlichen Einfluß haben und keine nachtheilige Störung
herbeiführen kann. Die oft erschreckende Größe der Operation, das durch
die Phantasie der Kranken tief erschütterte Gemüth, die Vorstellung,
durch die grausenvollste Krankheit gezwungen zu sein, sich diesem
Eingriff hinzugeben, der namenlose Schmerz bei demselben, die
schreckenerregende Blutung, sind Umstände, welche die Betäubung der
Kranken durch Aether nicht bloß wünschenswerth machen, sondern diesem
großen Mittel hier einen der ersten Plätze anweisen. Mit lebhaftem
Dankgefühle gegen dasselbe habe ich Operationen der Art gemacht;
die Kranken wußten nach der Operation nichts von dem, was mit ihnen
vorgegangen war.

_Die Operation des Empyem's_ oder der Eiterbrust verbietet aus leicht
zu erklärenden Gründen den Aether. Der ohnedies an Athmungsbeschwerden
leidende Kranke kann durch das Einathmen des Aetherdampfes in die größte
Gefahr gerathen.

_Der Speiseröhrenschnitt_ gestattet sehr wohl die Aetherisation.

_Der Kaiserschnitt_ wurde in London im St. Bartholomäus Hospital von
Skey bei einer Frau von 25 Jahren wegen einer bedeutenden Verkrümmung
des Beckens vorgenommen. Nachdem die Frau 5 Minuten ätherisirt worden,
wurde sie empfindungslos, und man vollzog die Operation, ohne daß
sie Schmerzen äußerte. Das Kind blieb leben, die Mutter starb in der
folgenden Nacht.

_Reposition des eingeklemmten Bruches._ Die Betäubung des Kranken
durch Aether beim eingeklemmten Darmbruche ist oft ein großes
Unterstützungsmittel, denselben ohne Operation zurückzubringen, wenn er
seiner Natur nach überhaupt zurückgebracht werden kann, wie z. B. der
Leistenbruch. Die Erschlaffung der Bauchmuskeln und die verminderte
Thätigkeit der Gedärme führen diese Erleichterung herbei. Dagegen
kann auch die Gefahr gesteigert werden. Wenn nämlich der Kranke beim
Zurückdrücken und Kneten des Darmes keine Schmerzen hat, kann durch die
Abwesenheit dieses leitenden Symptoms der Arzt leicht verleitet werden,
seine Manipulationen zu lange fortzusetzen und den Darm entweder
zerdrücken oder brandig kneten. Geht der Bruch doch nicht zurück,
und muß die Operation vorgenommen werden, so wird ihr Ausgang um
so zweifelhafter sein, je mehr der Darm durch die angewandte Gewalt
gelitten hat.

_Die Bruchoperation._ Bei der Brucheinklemmung, welche, wie es meistens
der Fall ist, nur durch die Operation gehoben werden kann, wie z. B.
beim Schenkelbruch, ist das Aetherisiren zwar ein Mittel gegen
den Schmerz, doch treten hier einige Bedenklichkeiten von größerer
Wichtigkeit ein. Zuerst ist die Dauer einer von einer geübten Hand
ausgeführten Operation außerordentlich kurz, oft nur von wenigen
Minuten. Bei ihr ist wie bei Augenoperationen die größte Ruhe nöthig.
Der Kranke muß regungslos da liegen, da die kleinste Bewegung bei der
Eröffnung des Bruchsackes, beim Bloßlegen des Darmes und der Erweiterung
der Bruchöffnung, eine Verletzung des vorgefallenen Darmstücks und den
Tod zur Folge haben kann. Dies erkennen die Kranken gewöhnlich sehr wohl
und regen sich deshalb nicht im Geringsten. Welche Gefahren drohen
aber nicht bei der Operation, wenn der Aetherisirte in einen ungestümen
Rausch verfällt, schnell die Schenkel anzieht, sich hin- und herwälzt,
wobei kaum verhindert werden kann, daß er sich vom Tisch herabstürzt.
Schon diese Umstände könnten dem eingeklemmten Darme höchst gefährlich
werden und selbst eine Zerreißung desselben herbeiführen, noch ehe die
Operation selbst begonnen hätte. Bei einem so wilden Rausche müßte die
Operation auch jedenfalls bis zum Eintritt der vollkommenen Erschlaffung
aufgeschoben werden. Bei den von mir bis jetzt unter Einwirkung des
Aethers operirten Bruchkranken kam nur der stille Rausch vor, die
Operation war mir aber durch die Betäubung nicht erleichtert, doch auch
nicht erschwert, vielleicht etwas erschwert, weil ich jeden Augenblick
eine willenlose, stürmische Bewegung fürchtete. Die Därme gingen auch
nicht leichter zurück als bei nicht ätherisirten Kranken.

_Exstirpation des Gebärmutterhalses._ Bei der schaudervollen
Ausschneidung des krebsigen Gebärmutterhalses ist die Aetherbetäubung
ein unvergleichliches Mittel. Wenn dies auch nur ihr alleiniges Feld
wäre, so müßten wir uns doch schon über diese Bereicherung freuen.
Dasselbe gilt von der Operation der Blasenscheidenfistel, der
Gebärmutterpolypen, der Naht des zerrissenen Darmes und vom
Steinschnitt. Fast alle diese Operationen sind so groß, so schmerzhaft,
zum Theil von mancherlei erschwerenden Umständen begleitet und sich in
die Länge ziehend, dabei die Lage der Kranken so peinlich und ermüdend,
daß durch gehörige Betäubung derselben eine Erleichterung um die Hälfte
verschafft wird. Bei ihnen steht der Anwendung des Aethers daher in
chirurgischer Beziehung nichts entgegen, und nur ein stürmischer Rausch
könnte sie erschweren.

Bei der _Operation der Blasenscheidenfistel_, wo man auf große Unruhe
und heftigen Widerstand der Kranken gefaßt sein muß, ist der Vortheil
auf Seite des Aethers sehr groß. Bei der Naht eines veralteten
Dammrisses ist die Aetherisation ebenfalls angezeigt, zu verwerfen
dagegen beim frischen Dammriß.

Beim _Steinschnitt_ haben mehrere Beobachtungen bereits den Werth der
Aetherisation außer Zweifel gesetzt. Bei der _Zerstückelung_ des Steins
in der Blase ist ebenfalls schon die Aetherberauschung mit Erfolg
vorgenommen worden, und einer glücklichen Erfahrung ist nicht viel
zu widersprechen. Dennoch muß ich hier mein Bedenken gegen den Aether
aussprechen. Eine Steinzerstückelung soll fast ganz ohne Schmerz
verlaufen und höchstens etwas Unbequemes sein. Wenn der Kranke sehr
dabei leidet, weil der Stein groß, oder die Blase krank, oder der
Operateur ungeschickt ist, so wäre der Steinschnitt besser gewesen.
Schreit der Kranke unter der Operation, so findet eine starke
Insultation der Blase Statt, welcher eine gefährliche Entzündung
folgt. Der Eintritt einer Schmerzempfindung, welche das
Zerstückelungsinstrument in der Hand des Geschickten erregt, ist ein
Zeichen, daß der Operateur die Blase selbst beeinträchtige; der Schmerz
dirigirt hier seine Hand und das Instrument, er ist der sicherste
Moderator seines Handelns. Wenn der Kranke aber betäubt ist und gar
nicht fühlt, so kann er wohl eine kleine Falte der Blasenwand mit einem
Steinfragment fassen und letzteres zwar zerbrechen, aber auch zugleich
die Blasenfalte mit zerquetschen, ohne es zu merken. So mögte er dann,
wenn er das Instrument herausgezogen hat, wohl glauben, durch seine
vortreffliche Operation dem Kranken das Leben gerettet zu haben, während
er die Ursache seines Todes ist. Der Wiedererwachende wird sogleich die
heftigsten Schmerzen empfinden, und ein starker Blutabgang lehren, was
in der Blase vorgegangen ist.

Bei der _Radicalcur des Wasserbruchs_ durch Injection oder durch
Incision, bei der Phimose und Paraphimose, bei der Castration, der
Amputatio penis und vielen anderen kleinen Operationen an den männlichen
Genitalien ist die Aetherbetäubung wegen der Schnelligkeit, mit
welcher dieselben zu machen sind, von geringerem Werthe, doch nicht zu
verwerfen, da man auch den schnell vorübergehenden Schmerz dem Kranken
gern ersparen will. Dasselbe gilt auch von manchen kleinen Operationen
an den weiblichen Genitalien.

Bei der _Operation des Mastdarmkrebses_, wie schon oben bemerkt, und
der des Vorfalls des Mastdarms ist, wegen der großen Schmerzhaftigkeit
dieser Operationen, die Aetherisation passend. Weniger dagegen bei der
leicht und schnell ausführbaren Operation der Mastdarmfistel und der
Hämorrhoidalknoten.



Ueberblick der chirurgischen Operationen unter günstiger Anwendung der
Aetherdämpfe.


Die Anzahl der Fälle von glücklicher Anwendung der Aetherdämpfe
bei chirurgischen Operationen ist bereits zu einem solchen Umfange
angewachsen, daß ich von meinem ursprünglichen Plan, die sämmtlichen
Beobachtungen, welche von meinen Freunden und mir aus den zahlreichen
Journalen des Aus- und Inlandes mit vieler Mühe zusammengetragen waren,
hier ausführlicher mitzutheilen, abstehen muß. Ich begnüge mich daher,
nur eine summarische Uebersicht derselben zu geben, bekenne aber gern,
daß wahrscheinlich noch mancher verdienstvolle Name ausgelassen, manche
interessante Operation nicht angegeben worden ist. Möge man mir
das verzeihen, vielleicht finde ich später ein Mal Gelegenheit, das
Versäumte nachzuholen.

Glücklicher Erfolg begleitete die Aetherisation bei Amputationen

  _des Oberschenkels_, Landsdown, Liston, Chiari, Hayward, Warren,
  Velpeau, Laugier, Schuh, Jüngken u. A.

  _des Unterschenkels_, Laugier, Knowles, Adams, Malgaigne, Jüngken,
  Jobert, Velpeau, Roux, Leblanc, Schäfer, Berend u. A.

  _des Armes_, Guyot, Velpeau, Duval, Baudens, Siegmund, Schuh u. A.

  _der Finger_, Liston, Murdough, Blandin, Malgaigne, Petrequin,
  Heyfelder u. A.

  _Bei der Abnahme der Brust_, Jobert, Leblanc, Blandin, Goyrand,
  Schlegel, Brookes,

  _bei der Castration_, Bonnet, Baudens, Lacroix u. A.,

  _beim Wasserbruch_, Bruns, Jobert, Ricord, Baudens, Vidal,
  Bierkowsky, Langenbeck, Jüngken u. A.,

  _beim Steinschnitt_, Arnott, Guersant, Guthrie,

  _bei der Steinzertrümmerung_, Serre, le Roy d'Etiolles, Lacroix,
  Cutler,

  _bei der Phimose_, Thomson, Ricord, Fergusson u. A.,

  _beim Bruchschnitt_, Key, Patridge, Morgan, Heyfelder,

  _beim Kaiserschnitt_, Key u. A.,

  _bei Neubildung von Augenlidern_, _Nasen_, Liston, Heyfelder,
  Rothmund u. A.,

  _bei Sehnen- und Muskeldurchschneidungen_, Brett, Baudens, Lorinser,
  Jüngken, Heyfelder, Berend u. A.,

  _bei der Ausschneidung von gut- und bösartigen Geschwülsten_,
  Clement, Ricord, Baudens, Malgaigne, Jobert, Hall, Velpeau,
  Maisonneuve, Petrequin, Wright, Lederle, Meyer, Hammer, Schuh,
  Siegmund, Heyfelder u. A.,

  _beim Ausreißen der Nasenpolypen_, Amussat, Gerdy, Serre, Schuh
  u. A.,

  _bei der Anwendung des Glüheisens_, Blandin, Mickschick, Heyfelder,
  Reisinger, Schuh u. A.,

  _bei der Anwendung der Brenncylinder_, Baudens, Jüngken u. A.,

  _bei der Exstirpation des Augapfels_, Lawrence, Jüngken.



Einwürfe gegen die Anwendung der Aetherdämpfe bei chirurgischen
Operationen.


Mitten unter dem lauten Jubel der Welt: der Schmerz ist bezwungen! das
Menschengeschlecht ist von seinem größten Feinde befreit! ertönt von
einer anderen Seite die Stimme der Warnung. Wehe dem, der es wagt, das
Verdammungsurtheil über die Aetherdämpfe auszusprechen. Ohnmächtig steht
er gegen die Uebermacht da, Einer gegen Tausend. Nur bei Einzelnen
ist die Ueberzeugung von der Schädlichkeit des Aethers so mächtig, das
Durchdrungensein von der Richtigkeit ihrer Behauptungen so innig,
daß sie als Märtyrer der Wahrheit auftreten und kühn behaupten, ein
Schwindel habe die Aerzte ergriffen, der künstliche Aetherrausch sei ein
vermessener, verdammungswürdiger Eingriff in die Rechte der Natur,
der Schmerz eine absolute Nothwendigkeit, dessen sich der Mensch nicht
entäußern dürfe.

So sehr wir uns aber zur Dankbarkeit gegen den Entdecker der Aufhebung
des Schmerzes, Jackson, so wie gegen alle wissenschaftlichen Förderer
derselben verpflichtet fühlen, so fordert die Gerechtigkeit, auch die
Stimme der Gegner zu hören, da durch ihren Gegenkampf die Schattenseiten
der Entdeckung aufgehellt, die Uebertreibung zurückgehalten, der
Mißbrauch verringert, und die Wahrheit immer wahrer wird.

Leider haben die bis jetzt über den Werth der Aetherberauschung zur
Stillung des Schmerzes bei chirurgischen Operationen und bei Geburten
angestellten Beobachtungen einen fast persönlichen Charakter angenommen,
weshalb sie auch zu keinem genügenden Resultat geführt haben. Die Gegner
kämpfen theils mit wissenschaftlichen Gründen, theils berufen sie
sich auf unglückliche Fälle, welche vorgekommen sein sollen. Diese
Thatsachen, welche uns zu ernsten Betrachtungen auffordern, sind nicht
ganz abzuleugnen, -- denn was ist in der Welt vollkommen! Aber das
Mittel ist ein großes, und mit Recht sagt der berühmte Flourens von ihm:
»Was den Schmerz nimmt, nimmt auch das Leben, und das neue Mittel ist
wunderbar, aber auch zugleich furchtbar.«

Der größte Widersacher der neuen Entdeckung ist Magendie. Wir müssen
aber die Stimme des tiefen Forschers des Lebens hören, auch wenn er
sich zu befangen zeigt. Ohne die überraschenden, schmerzstillenden
Erscheinungen des Aetherrausches abzuleugnen, sagt Magendie, daß durch
denselben unter Umständen die heftigsten und unerträglichsten Schmerzen
und peinlichsten Träume herbeigeführt werden können. Eine Frau glaubte
bei den ersten Athemzügen, sie müsse sterben. In anderen Fällen entsteht
danach Klagegeschrei und Schluchzen. Diese Art der Trunkenheit erzeugt
fast im ersten Augenblick des Einathmens eigenthümliche Träume, und
schlafend sieht, hört und antwortet der Kranke. Die Augen schließen sich
und rollen nach oben, die Pupillen sind verengert. In diesem Augenblick
tritt völlige Gefühllosigkeit ein. Wird dann die Operation unternommen,
so verwandeln sich oft die angenehmen Träume in peinliche; einigen kommt
es nur so vor, als würden sie operirt, da man sie doch wirklich operirt,
andere glauben geschlagen und gemißhandelt zu werden und leiden noch
besonders dadurch, daß sie ihre Qualen nicht ausdrücken können. Mitten
in diesen Träumereien wird der Mensch bisweilen wie von Tobsucht
ergriffen, und wie ein Wahnsinniger stürzt er auf Alles los, was ihn
umgiebt.

Es ist nicht zu bezweifeln, daß wenn die Aetherberauschung zu weit
getrieben wird, der Tod auf der Stelle eintreten kann. Bei Thieren
beobachtete man dies wenigstens. Bei der Untersuchung der durch
Aetherdunst getödteten Thiere findet man das Lungengewebe mit
schwärzlichem Blut angefüllt, wie man dies oft nach der Durchschneidung
des zehnten Nervenpaares beobachtet hat. Dasselbe findet man auch bei
Menschen.

Der Aetherrausch bringt eben so wie der vom Wein und Alkohol Störungen
in den Verrichtungen der Organe hervor. Hartnäckige Kopfschmerzen, eine
Art von Säuferwahnsinn, Schwäche des Gehörs und Gesichts, schwacher und
unsicherer Gang sind die Folgen. Im Hospital zu Versailles litten drei
wegen des Zahnausziehens ätherisirte Frauen noch mehrere Tage lang an
fürchterlichen Convulsionen, so daß eine energische ärztliche Behandlung
nöthig wurde.

Herr Magendie drückte ferner seinen Widerwillen gegen den Aether als
ein die Sinnlichkeit gefährlich steigerndes Mittel aus, wovon er selbst
traurigen Scenen mit beigewohnt habe, und vergleicht seine Wirkungen
in dieser Beziehung mit dem des animalischen Magnetismus. Er findet im
Aetherrausch einen neuen Weg und ein neues Mittel zu Verbrechen, das
wegen seiner Neuheit um so gefährlicher sei.

Der Schmerz, sagt Magendie, ist bei Operationen oft ein wichtiger
Leiter, um die Verletzung edler Theile zu vermeiden. So kann es denn
leicht geschehen, daß ein Nerv gefaßt und mit unterbunden wird. Bei
Operationen im hinteren Theile der Mundhöhle, wie bei dem Ausschneiden
der Polypen, kann dem Betäubten das Blut in die Luftröhre fließen und
dadurch Erstickung herbeigeführt werden, wogegen dasselbe sonst durch
den Reiz, welchen es erregt, ausgestoßen wird.

Lallemand erinnert, daß die Aetherbetäubung bei Amputationen den
Nachtheil habe, daß die Muskeln sich während der Operation gar nicht
zurückziehen, wodurch später ein conischer Stumpf sich bilden müsse.
Wenn es schon bei gewöhnlichen Amputationen oft vorkommt, daß der
Knochen nach einiger Zeit des schützenden Fleischpolsters beraubt wird,
indem sich die Muskeln, besonders die oberflächlichen, nachträglich zu
stark zurückziehen, um wie viel eher wird dies bei Aetherisirten
der Fall sein, bei denen im Augenblicke der Operation gar keine
Zurückziehung der Muskeln eintritt, und die nachfolgende daher viel
bedeutender sein muß. Auch sei das Mitfassen und Unterbinden eines
Nerven zu besorgen.

Als ein gefährlicher Mißbrauch ist schon das lang fortgesetzte Einathmen
der Dämpfe zu betrachten, da danach plötzlicher Scheintod und Tod
eintreten können.

In welchem Verhältnisse steht wohl der augenblickliche Schmerz
beim Ausziehen eines Zahnes mit dem 45 Minuten langen Einathmen der
Aetherdämpfe, wie es bei Landouzy ein Kranker aushalten mußte. Ueble
Nachwirkungen sehen wir auch schon bisweilen, wo die Kranken gar nicht
lange eingeathmet haben, wie z. B. in dem folgenden Falle. Hancock
ließ einem Manne in mittleren Jahren vor dem Ausreißen eines Zahnes den
Aether 2 Mal einathmen, beide Male trat vollkommene Empfindungslosigkeit
ein, beim ersten Male blieb der Puls normal, beim zweiten Male fiel er
bis auf 60 und wurde klein. Die Pupillen waren normal, auch reagirte die
Iris auf Einwirkung von Licht. Nach der Operation klagte Pat. sehr über
Frost und blieb noch zwei Stunden lang ganz verwirrt.

Eine offenbar zu allgemeine Anwendung hat man vom Aether beim Ausziehen
der Zähne gemacht, ohne dabei die Individualitäten zu berücksichtigen.
Nach dem Urtheile von 12 Chirurgen und Zahnärzten in Boston, erzeugt der
Aetherdunst bei den meisten Patienten einen so hohen Grad von Betäubung,
daß dem passiv widerstrebenden Körper große Gewalt bei der Operation
angethan werden muß. Es entsteht Schmerz, ohne daß die Erinnerung daran
bleibt. Der Aether hat gefährliche Nebenwirkungen, welche man nicht
berechnen und nicht beherrschen kann. Man hat die günstigen Fälle
verbreitet, aber es giebt auch ungünstige. Die Symptome sind
überraschend, doch bisweilen bedenklich. Aufregung, heftiger Husten,
Blutandrang nach dem Gehirn und den Augen, Erweiterung der Pupille,
Verzerrung des Gesichts, Prostration, Stertor, Angst, Seufzen, Stöhnen,
Schrecken, Delirien. Das Mittel ist bei Neigung zum Schlagfluß, Gefäß-,
Gehirn-, Herz- und Lungenstörungen gefährlich und darf nur wirklichen
Aerzten anvertraut werden. Aus Mortons Praxis werden mehrere
unglückliche Fälle erzählt, wie mehrtägiges Irresein und mehrmaliges
starkes Blutspeien.

Manche hieher gehörige Fälle sind auch in anderen Ländern beobachtet
worden. Die Schauspielerin Peche vom Hoftheater in Wien, welche sich
einen Zahn ausziehen lassen wollte, gerieth durch die Einathmung der
Aetherdämpfe in einen höchst bedenklichen Grad nervöser Aufregung, dem
ein heftiges Nervenfieber folgte.

Andere unglückliche Zufälle nach dem Zahnausziehen werden in der Medical
Gaz. erzählt. Bei einem Frauenzimmer, welches sich dieser Operation
unterwarf, hatte der Puls vor dem Einathmen 130 Schläge, fiel nach
demselben auf 70. Die Augen rötheten sich, die Respiration wurde
stertorös, Schaum stand vor dem Munde, als sollte ein epileptischer
Anfall ausbrechen.

Bei einem jungen Manne stieg der Puls auf 150 Schläge, die
Schläfenarterien klopften heftig, die Augen waren mit Blut unterlaufen,
die Respiration mühsam.

Ein 20jähriges Mädchen litt nach der Rückkehr des Bewußtseins an
heftigem Kopfschmerz, an Schwindel und Zittern des ganzen Körpers. Ihre
Freundin von gleichem Alter mußte sogar im Delirium nach Hause gebracht
werden, welches mit kurzen Pausen 3 Tage anhielt.

Eine andere Dame verfiel ebenfalls in Delirium, welches eine ganze Nacht
anhielt. Am nächsten Morgen trat starkes Blutspeien ein.

Eine vollblütige Frau von 21 Jahren wurde, nachdem sie nur 1½ Minute
den Aether eingeathmet, ganz unbändig, 2 Männer mußten sie halten,
ihr Gesicht glühte, erst nach einigen Minuten Ruhe konnte ihr der Zahn
ausgezogen werden.

v. Dall-Armi erzählt, daß bei einem Frauenzimmer, welches vor
dem Ausziehen eines Zahnes ätherisirt wurde, nach 5 Minuten
Schlingbeschwerden und krampfhaftes Zittern der Glieder eintraten,
welches 28 Minuten lang bei vollem Bewußtsein anhielt. Bald darauf
stellten sich heftige hysterische Beschwerden mit Betäubung ein. Während
der Remission der Krämpfe zeigten sich die Erscheinungen von Betäubung,
die Muskeln waren, statt erschlafft zu sein, gespannt. Dieser
Zustand dauerte mit ziemlich gleichmäßigem, fast von 5 zu 5 Minuten
wiederkehrendem Wechsel 1¼ Stunde. Nach dieser Zeit verschwanden
alle Zufälle, die Patientin erwachte wie aus einem tiefen Schlaf und
erinnerte sich auch von der Zeit an, wo das Instrument an den Zahn
angesetzt wurde, bis zu ihrem Erwachen, nur eines schweren Traumes.
v. Dall-Armi bemerkt, daß dergleichen Zufälle, wenn sie eine bedeutende
Höhe erreichten, die Anwendung der Aetherdämpfe bei Gebärenden sehr
bedenklich machen mögte.

Fairbrother, enthusiastisch für den Aether eingenommen, gesteht dennoch,
daß beim Zahnausziehen die meisten Patienten einen leidenden Zustand
ausdrückten. Ein Patient, dem bei einer Operation der Nervus ischiadicus
durchschnitten wurde, schrie heftig auf. Ein anderer blieb nach einer
Operation eine Stunde lang völlig bewußtlos.

Dix sah nach einer Operation in der Nähe des Auges heftige Zufälle. Der
Kranke athmete lange und unvollkommen. Nach 35 Minuten sank der Puls von
120 auf 96 Schläge. Der Athem wurde träge, die Glieder kalt. Man
machte kalte Begießungen, ließ an Ammoniak riechen und erst nach einer
peinvollen Stunde kam der Patient, vorzüglich in Folge der starken
Blutung aus der Wunde, wieder zu sich.

Wutzer warnt vor der unbedingten Anwendung des Aethers bei Operationen.
Obgleich die Erfolge im Allgemeinen günstig waren, so beobachtete
er doch auch bei ätherisirten Personen Hitze, Betäubung, fieberhafte
Aufregung und ungewöhnlich stärkere Blutung aus der Operationswunde.

Fischer sah bei der Operation der Einwärtskehrung der Augenlider bei
einem 7jährigen Mädchen keine Betäubung eintreten, und dasselbe schrie
bei jedem Schnitt. Ein 15jähriger, etwas scrophulöser Knabe, an welchem
die Operation beider Klumpfüße gemacht, der aber vorher in Bezug auf den
Aether geprüft werden sollte, war schon nach einer Minute betäubt und
gegen alle Reize unempfindlich. Nachdem er wieder erwacht war, überfiel
ihn ein Schwindel. Dann stellten sich heftige allgemeine Krämpfe ein,
die Hals- und Nackenmuskeln waren so hart wie Holz. Der Kopf wurde oft
auf die linke Seite gezogen, blieb einige Zeit in dieser Stellung und
nahm dann wieder die natürliche an. Das Bewußtsein fehlte und
doch konnte man den Kranken durch Anrufen erwecken. Diese
starrkrampfähnlichen Zufälle waren gegen Abend und in der Nacht am
stärksten. Kalte Uebergießungen über den Kopf, kalte Waschungen des
ganzen Körpers und Citronenwasser zum Getränk milderten am zweiten
Tage die Zufälle. Nach 48 Stunden roch der Athem des Kranken noch nach
Aether. Am vierten Tage war er vollkommen wieder hergestellt. Horst
räth, den Aether nur mit größter Umsicht und Vorsicht anzuwenden,
besonders aber bei großen eingreifenden Operationen. »Wozu«, sagt
er, »kann ein schmerzstillendes Mittel dienen, wenn entweder in dem
Augenblick des Versuches oder später üble Folgen entstehen, oder der
Grund zu anderen chronischen Krankheiten gelegt wird u. s. w.«

Gerdy beobachtete eine nachtheilige Wirkung auch bei einem Kranken
mit grauem Staar, bei dem er das Ausziehen der Linse vornehmen wollte.
Nachdem derselbe betäubt und fast eingeschlafen war, wurde die Hornhaut
durchstochen, aber das Auge des Kranken floh so vor dem Instrument, als
die Operation fortgesetzt werden sollte, daß Gerdy, um dieselbe nicht
zu compromittiren, das Auge fahren ließ. Er wollte hierauf die Linse
niederdrücken, aber das Auge war noch so unruhig, daß er für dieses Mal
die Operation ganz aufgeben mußte. Gerdy stach hierauf den Kranken in
die Nase und in die Lippe, man kniff demselben die Hand, und als er zu
sich kam, erinnerte er sich sehr gut, gekniffen zu sein, aber sprach
nicht von den Stichen an der Nase und der Lippe.

Im Middelsex-Hospital sollte einer Frau, welche geistigen Getränken sehr
ergeben war, eine Einwärtskehrung der Augenlider operirt werden, sie
athmete mit großer Energie während 10 Minuten Aetherdämpfe ein. Da ihr
Gesicht sich sehr stark röthete, und man einen Schlaganfall befürchten
mußte, unterließ man die Fortsetzung der Einathmung, obwohl Patientin
noch nicht bewußtlos geworden. Die Operation des Entropiums wurde an ihr
vollzogen, und die Schmerzen schienen ganz dieselben zu sein, wie sie
gewöhnlich bei dieser Operation empfunden werden.

So glücklich auch die von Pomly vorgenommene Schieloperation ablief, so
hatten doch die vorhergehenden Umstände etwas sehr Widerwärtiges.

Fairbrother machte die Amputation des _Unterschenkels_ bei einem
Mädchen von 15 Jahren von zarter Constitution. Sie wurde einige Minuten
ätherisirt. Der Puls blieb zwar normal, aber die Pupille dilatirte sich,
wurde unthätig, und es trat Empfindungslosigkeit ein. Die Amputation
des Unterschenkels wurde jetzt begonnen, sie schrie aber gleich bei
dem ersten Schnitte und machte starke Bewegungen. Darauf setzte man die
Einathmung während der ganzen Dauer der Operation fort.

Meermann sah, daß ein 17jähriges Mädchen, an dem ein anderer Arzt
die Schieloperation machte, welches nur 1½ Minuten lang Aetherdämpfe
eingeathmet hatte, 3 Minuten lang völlig empfindungs- und bewegungslos
war. Die Pupillen blieben bei dem stärksten Lichtreiz erweitert und
unempfindlich, und der Puls sehr beschleunigt. Drei Minuten später
kehrte die Empfindung wieder zurück, bei jedem Schnitt drückte die
Kranke Schmerzempfindungen aus, während sie sich nicht bewegte. Nach
Beendigung der Operation gab sie an, daß sie den Anfang zwar nicht,
aber das Ende derselben gefühlt habe. Sie verfiel hierauf in einen
schlafsüchtigen Zustand mit Zuckungen des ganzen Körpers, welcher trotz
der Anwendung des Salmiakgeistes noch über drei Stunden dauerte.
Den folgenden Tag erinnerte sie sich noch recht wohl der empfundenen
Schmerzen. Sehr wahr schließt Meermann mit den Worten: »gerade die
denkenden Aerzte, die es ehrlich mit der Natur und Wissenschaft meinen,
sind es darum, welche erst nach vielfachen Beobachtungen und Versuchen
bei der unendlichen Mannigfaltigkeit der Erscheinungen am lebenden
Organismus mit der größten Behutsamkeit Gesetze zu abstrahiren wagen,
und es sich zur Hauptaufgabe machen, die naturgemäße Begränzung der
Heilmittelwirkungen zu ergründen.«

Bei einer Castration, welche Baudens vornahm, schrie der ätherisirte
Kranke wild und versicherte dennoch nach Beendigung derselben, daß er
keine Schmerzen empfunden, aber die Operation recht gut gesehen, und
Nichts vergessen habe.

Arnott machte bei einem 63jährigen Manne den Steinschnitt. Der Kranke
wurde nach 2 Minuten der Einathmung in hohem Grade betäubt, das Gesicht
livid, die Glieder welk. Die Operation wurde er nicht gewahr, obgleich
er früher wegen heftiger Schmerzen kaum untersucht werden konnte. Aber
noch am Abend befand er sich fortwährend in einem seeligen Rausche,
dabei waren die Glieder kalt, und der Puls klein und schwach. Erst am
dritten Tage hatte sich die Sorge um den Kranken verringert.

Lawrence schnitt ein von Melanose ergriffenes Auge eines Mannes welcher
an starke Getränke und Opiate gewöhnt war, aus. Der Aether brachte einen
heftigen Kehlreiz hervor. Arme und Beine wurden stark contrahirt, dann
trat Erschlaffung und vollkommene Bewußtlosigkeit ein. Das Gesicht war
blau, und es fand ein heftiger Blutandrang nach dem Gehirn Statt. Der
Kranke lag wie eine Leiche da. Eine Minute nach der Operation kehrte
einiges Bewußtsein zurück. Die Blutung war stark. Hinterher sagte
der Kranke, er habe zu ertrinken geglaubt, offenbar das Gefühl der
Erstickung durch den Aetherdunst.

Serre operirte einen Mann von 60 Jahren am Nasenkrebs. Nach acht Minuten
wird er schwach, und die Augen schließen sich. Das Schneiden fühlt er
nicht, aber beim Brennen tritt deutliches Schmerzgefühl ein. -- Eine
Frau athmet die Aetherdämpfe ein, will aber lieber sterben als durch
Aether ersticken.

Le Roy hatte einem wegen Steinzerstückelung Aetherisirten das Instrument
so eben herausgezogen, als derselbe plötzlich sich aufraffte und
Drohungen gegen die Zuschauer ausstieß. Wäre dieser Zustand früher
plötzlich eingetreten, so hätte die Blase schwer verletzt werden können.

Charles erfüllt uns mit Erstaunen und Schrecken, daß er einer Frau,
welche an einer heftigen Luftröhrenentzündung und einer krebsigen
Entartung an der Brust litt, Aetherdämpfe einathmen ließ. Es stellte
sich danach sehr heftiger Husten ein, das Gesicht wurde geröthet, die
Züge sehr verändert, der Puls klein und schnell, man mußte deswegen mit
den Einathmungen einhalten. Obwohl in diesem Falle die Aetherwirkung
nicht vollkommen erzielt werden konnte, und Patientin während der
Amputation der Brust laut wimmerte, erklärte sie doch nach der
Operation, daß sie gar keine Schmerzen empfunden und sehr heiter und
wohl sei.

Key machte eine Bruchoperation, wobei er ein Stück Netz abschnitt und
die Gefäße unterband. Die Operation dauerte 18 Minuten. Schon beim
ersten Schnitt wurden die Schenkel gewaltsam angezogen, bei dem
Einschneiden des Randes der Bruchpforte stöhnte der Patient, und das
Herz schlug schwach, so daß der Zustand bedenklich erschien.

Culler wollte einen Finger abnehmen. Der Kranke athmete unvollkommen
und litt dabei sehr, denn er wurde im Gesicht roth und blau. Bei der
Operation widersetzte er sich und empfand Schmerzen.

Ein Bauer kam mit einer Verwundung des Fingers, welche eine Amputation
desselben nöthig machte, in voller Trunkenheit ins Hospital. Nach den
ersten Einathmungen der Aetherdämpfe stellte sich Erbrechen ein. Nachdem
er sich etwas erholt, ließ man ihn von Neuem die Dämpfe einathmen,
sein Auge wurde stier, die Pupille erweitert, aber auch die Finger
contrahirt, erst nach längerer Fortsetzung der Einathmung erschlafften
die Muskeln, aber dennoch schlug Patient, als man die Operation begann,
mit Händen und Füßen um sich; dieser Anfall ging bald vorüber, und es
folgte ihm Stupor, aus dem der Kranke bald erwachte; er begehrte jetzt,
daß man die Operation vollzöge und wollte kaum glauben, daß sie schon
vollendet sei. Die doppelte Trunkenheit hatte keinen üblen Einfluß auf
die Heilung der Wunde.

Johnson amputirte in der Betäubung den Unterschenkel, aber der Kranke
erwachte schon beim Sägen.

Adams nahm einem Manne den Fuß in der Fußwurzel ab, dabei stellte sich
ein närrisches Delirium ein, und der Patient rief: »gieb mir noch einen
Schluck.«

Ein Mädchen von 17 Jahren athmete 12 Minuten Aetherdämpfe ein, bis sie
in eine Lethargie verfiel. Bei der Amputation des Unterschenkels, welche
Rayner vornahm, rief sie in der Mitte der Operation aus: »sie schneiden
mir mein Bein ab«, doch nicht, als ob sie Schmerzen dabei empfände, und
da man die Einathmungen fortsetzte, wurde die Operation ohne irgend eine
Schmerzensäußerung von Seiten der Patientin vollendet; beim Nähen schien
die Wirkung des Aethers schon verschwunden zu sein, denn bei jedem Stich
klagte sie über heftigen Schmerz. Die Heilung des Stumpfes ging gut von
Statten.

Den Tod beobachtete in Folge der Einathmung des Aethers Jobert bei zwei
Frauen; der einen war eine krebshaft entartete Brust, der andern
der Oberschenkel abgenommen worden. Die erste hatte 13 Minuten lang
Aetherdampf eingeathmet, worauf sie noch nicht völlig empfindungslos
wurde und noch etwas Schmerz bei der Operation empfand. Nach derselben
stellten sich heftige Kopfschmerzen, heftige Schmerzen im Halse und in
der Luftröhre ein. Später gesellte sich zu diesen Erscheinungen eine
wandernde Rose. Der Tod erfolgte durch Erschütterung des Nervensystems
und eine heftige Luftröhrenentzündung. Bei der Leichenöffnung fand
man das Herz welk, die Lungen knisternd, die Schleimhaut der
Luftröhre blutroth. Ungeachtet dieser Erscheinungen hielt Jobert die
Aethereinathmung nicht für die alleinige Ursache des Todes. Die andere
Kranke, welcher er den Oberschenkel einer weißen Kniegeschwulst wegen
amputirte, hatte nur vier Minuten durch den Apparat geathmet, als sie
schon vollkommen unempfindlich wurde, so daß sie von der Operation
nichts fühlte. Erst nach zwei Stunden kehrte das Bewußtsein zurück. Am
folgenden Tage war sie sehr aufgeregt, ihre Ideen verwirrt, ihre Rede
unzusammenhängend. Dieser gereizte Zustand der Luftröhrenäste mit
Schlaflosigkeit verbunden, dauerte bis zum siebenten Tage fort. Dazu
gesellte sich nun ein nervöser Gesichtsschmerz, darauf Kinnbackenkrampf
mit den bei diesem Zustande gewöhnlichen Erscheinungen, und der Tod trat
am 15ten Tage nach der Operation ein. Bei der Leichenöffnung fanden sich
die Häute des Gehirns und Rückenmarks, so wie die Substanz dieser Organe
stark mit Blut überfüllt und letzteres erweicht. In den Gehirnhöhlen
war blutiges Wasser enthalten. Kehlkopf, Schlund, Luftröhre und
Luftröhrenäste waren geröthet und mit einer eiterähnlichen Substanz
bedeckt. Auch die innere Oberfläche der Lungenarterie erschien geröthet.
Sowohl aus dem Krankheitsverlauf als aus dem Leichenbefunde schließt
Jobert, daß der Aether diesen Congestivzustand in den besonders
afficirten Theilen hervorgerufen habe, und zieht aus diesen traurigen
Folgen den Schluß, daß man nur mit großer Umsicht seine Zuflucht zu
einem Mittel nehmen dürfe, welches unter gewissen Umständen einen so
mächtigen Einfluß auf das Blut- und Nervensystem äußere.

Den Tod sah man in dem folgenden Falle bald nach der Operation
eintreten. Anna Perkinson, die 21jährige Frau eines in Spittlegat in
der Grafschaft Lincoln lebenden Friseurs, litt seit langer Zeit an einem
Gewächs an der inneren Seite des linken Oberschenkels wahrscheinlich
einer Fettgeschwulst, welches allmählig an Größe zunahm und allerlei
Beschwerden verursachte. Da auch sie von der schmerzstillenden Wirkung
des Aethers gehört hatte, wollte sie sich der Operation nur unter der
Bedingung unterziehen, daß man das Mittel bei ihr anwende. Ihr Arzt,
der Dr. Robbs, ein geschickter und erfahrener Mann, berieth sich nun mit
mehreren Männern seines Faches, und so wurde denn die Operation am 9ten
März, mit Unterstützung von drei anderen Aerzten, mit Geschicklichkeit
und Umsicht vorgenommen. Robbs hatte alle mögliche Vorsicht angewendet,
und einige Tage vor der Operation die Kranke zu verschiedenen Zeiten
Aether einathmen lassen, um ihre Empfänglichkeit für das Mittel zu
prüfen. Diese Versuche waren sehr glücklich abgelaufen, die Frau lachte
dabei und erklärte hinterher, daß sie sich recht wohl gefühlt, ihr
volles Bewußtsein behalten, aber die Empfindung verloren habe. Dennoch
trat eine auffallende Veränderung in ihrem ganzen Wesen ein, sie wurde
traurig und niedergeschlagen. Zu bemerken ist, daß sie volle 10 Minuten
die Dämpfe eingeathmet hatte, eine ungewöhnlich lange Zeit. Bei dem
zweiten Versuch setzte man die Zeit auf 5 Minuten herab, wo schon der
nämliche Zustand eintrat. Erst nach einer Viertelstunde war sie wieder
völlig klar und versicherte dann, sie hätte alles gewußt was im
Zimmer vorgegangen sei, aber nicht sehen können. Bei der dritten
verhängnißvollen Einathmung der Aetherdämpfe, womit man 10 Minuten lang
fortfuhr, wurde die Operation gemacht. Obgleich die Kranke vollkommen
betäubt zu sein schien, stieß sie beim ersten Schnitt einen tiefen
Seufzer aus, wodurch man sich veranlaßt sah, noch mehr einathmen zu
lassen. Die Kranke seufzte bei jedem Schnitt, und verrieth durch
heftige Anstrengung des Körpers, daß sie volles Gefühl habe. Von der
Unterbindung der Blutgefäße schien sie nichts zu fühlen. Der Blutverlust
bei der Operation war höchst unbedeutend. Dann wurde sie zu Bette
gebracht. Zu dem Gefühl einer großen Mattigkeit gesellte sich dann
noch am nächsten Tage eine Empfindung von Taubheit im Rücken und den
Schenkeln, jede Bewegung war ihr unmöglich. Dieser Zustand dauerte bis
zum Tode, welcher vierzig Stunden nach der Operation eintrat.

Die Wundärzte, welche mit der Untersuchung der Leiche beauftragt waren,
bezeugten Folgendes: daß die vorgefundene 7 Zoll lange Wunde nichts
zeige, welches den schnellen Tod der Kranken erkläre. Die Operation
sei mit der größten Vorsicht und Geschicklichkeit ausgeführt und kein
größeres Nerv- oder Blutgefäß durchschnitten worden. Dagegen fand man
eine starke Blutüberfüllung der Gefäße der Hirnhaut über den vorderen
Hirnlappen, und eine ungewöhnliche dünnflüssige Beschaffenheit der
gesammten Blutmasse. Diese beiden Erscheinungen wurden dem Aether
zugeschrieben. Die exstirpirte Geschwulst war von fester Beschaffenheit
und wurde als ein Osteosorkom erkannt. Die Jury fällte nach Anhörung des
Berichtes der speciell mit der Untersuchung des Leichnams beauftragten
Aerzte, so wie der Zeugenaussagen folgendes Verdikt: »Daß die
dahingeschiedene Anna Perkinson an den Wirkungen des Aethers, welchen
sie Behufs der Linderung des Schmerzes während der Operation eingeathmet
habe, und nicht in Folge der Operation selbst gestorben sei.«

So sehr dieser traurige Ausgang einer an sich gefahrlosen Operation auch
zu bedauern ist, so möge derselbe allen Aerzten zur Warnung dienen, bei
der Anwendung des Aethers mit größter Behutsamkeit zu verfahren, und den
Kranken lieber zu wenig als zu viel einathmen zu lassen. Daß hier aber
letzteres geschehen und der Tod allein auf Rechnung dieses Mittels zu
schreiben sei, ist nicht im Geringsten zu bezweifeln.

Ein anderer, eben so trauriger Fall von tödtlicher Wirkung der
Aetherdämpfe, kam ebenfalls in England vor. Roger Nunn, Wundarzt an
den Hospitälern in Colchester und Essex, machte dem 50jährigen Thomas
Herbert den Steinschnitt. Der Kranke athmete die Aetherdämpfe nur 7 bis
8 Minuten lang ein, worauf die Operation ohne alle Hindernisse vollendet
wurde. Dabei fand eine etwas stärkere Blutung, selbst aus den kleineren
Gefäßen der Wunde statt. Während der Operation, welche nur 10 Minuten
lang dauerte, wurde der Aether noch nachträglich in Pausen wieder
angewendet. Hierauf wurde das Athmen mühsam und endlich röchelnd. Bald
darauf besserte sich der Kranke etwas und es stellte sich einige Ruhe
ein, jedoch blieb 24 Stunden lang jede Reaction aus. Man gab Branntwein
in kleinen Quantitäten und Arrow-root, und legte Wärmflaschen ins Bette.
Mit dieser Behandlung fuhr man bis zum folgenden Tage fort, wo man noch
Ammoniak gab. Der Kranke redete von 8 Uhr Abends bis 9 Uhr Morgens irre,
es hatte sich dabei etwas mehr Leben eingestellt, indeß starb er 5 Uhr
Abends. -- Die Leichenöffnung zeigte Congestionen nach den Häuten des
Gehirns, jedoch keinen Blutaustritt; die Lungen waren permeabel, vorn
blutleer, hinten angefüllt. Das Herz welk, von natürlicher Größe und
fast leer, die linke Niere blaß, die rechte etwas mit Blut überfüllt.
Die Wunde und die benachbarten Theile hatten die nach einem Steinschnitt
gewöhnliche Beschaffenheit. Die ganze Blutmasse zeigte einen hohen Grad
von Verflüssigung.

Die Londoner medizinische Zeitung stellt über diesen Fall folgende wahre
und zu beherzigende Betrachtungen an: »die Aerzte sind bis jetzt in
den Irrthum verfallen, die Sache nur von der einen Seite anzusehen. Bis
jetzt giebt es nur eine Fluth von glücklichen Fällen, es ist aber Zeit,
daß unsere Berichterstatter mit ihren glücklichen Beobachtungen inne
halten und Rechenschaft von den Gefahren, welche diese neue Methode
begleiten, ablegen.«

Gegen Magendie, welcher im Institute zu Frankreich sagte: »welches
Interesse kann es für die Akademie der Wissenschaften haben, ob der
Mensch mehr oder weniger leidet?« bemerkt Roser: »Wir vermögen uns nicht
zur Höhe dieses akademischen Standpunktes zu erheben, und wissen die
kitzliche Moral dieses Physiologen nicht zu theilen, der es für eine
Erniedrigung erklärt, wenn sich der Mensch betäube, berausche. -- Ueber
die triviale Wohlweisheit, welche gleich wußte daß die neue Sache etwas
Altes sei, dieweil ja sämmtliche Lehrbücher der Materia medica dem
Aether berauschende Effekte zuschreiben, hat der gesunde Sinn der Aerzte
und Laien selbst gerichtet. Die Befürchtung, daß der Aether gewisse noch
unbekannte Schädlichkeiten für den späteren Erfolg der Operationen haben
könnte, dürfte oder möchte, ist bis jetzt durch nichts begründet, und
es sind andererseits die ernsten Folgen jener großen physischen
Erschütterung und Erschöpfung wohl zu bedenken, welche der Schmerz
selbst bei Operirten nicht selten zur Folge hat.«

Im ganz entgegengesetzten Sinne spricht sich Nathan in Oppenheims
Journal aus, indem er sagt: »habent fata sua remedia; heute wird der
Aether allerdings noch angestaunt; denn wer hätte gedacht, daß so Viele
einem so entsetzlichen Coma glücklich entrinnen könnten; heute giebt
gerade dieses Staunen der Schmerzlosigkeit noch einen unwiderstehlichen
Reiz und den Werth eines summum bonum der Operation, heute, wir wissen
es genau, erscheint unsere Prophezeiung, daß die Ueberraschung sich
legen wird, und daß dann, aber dann erst, die vielen halben und die
üblen Folgen des Aetherisirens eine umgekehrte Schätzung der Sachlage
herbeiführen, und der Indicatio vitalis, oder der sicheren Operation,
ihr altes, wohl verdientes Uebergewicht über die Indicatio symptomatica,
oder die schmerzlosere Operation, wiedergeben werden, -- allerdings
noch lächerlich; -- aber bis heute hat sich kein Aberglaube allgemein
erhalten, und wir können nicht umhin, das blinde, rückhaltslose
Vertrauen zu der Gutmüthigkeit des Aethers und seinen Wirkungen
als pharmacodynamischen, oder wie Schultz sagen würde, als
Qualitäten-Aberglauben zu betrachten, da uns die Gefahren und
Weiterwirkungen eines tiefen, von keinem Senkblei erreichbaren Comas,
stets dieselben, unausbleiblichen, gleich unberechnenbaren, scheinen,
durch welches Mittel und auf wie kurze Zeit auch ein so bedeutsamer
Hirnzustand erzeugt wird. Jeder weiß es übrigens, daß neue Mittel,
sowohl im Grossen wie bei einzelnen Kranken, stets Wunder thun auf
einige Tage oder Jahre.«



Anwendung der Aetherdämpfe in der Geburtshülfe.


Der Gedanke, die Aetherdämpfe in der Geburtshülfe anzuwenden, hat im
ersten Augenblicke etwas Erschreckendes. Es scheint vermessen, den
natürlichen Akt der Niederkunft durch eine künstlich herbeigeführte
Empfindungslosigkeit und Betäubung zu stören. Nicht ohne Besorgniß
durfte man sein, daß besonders durch die erschlaffende Wirkung des
Aethers, die Thätigkeit der Gebärmutter vermindert, oder wohl ganz
aufgehoben, und durch die Verzögerung des Geburtsaktes das Leben der
Mutter und des Kindes auf das Spiel gesetzt werde. Dagegen besteht der
mögliche Gewinn nur in Aufhebung der Schmerzen bei der Geburt. Wenn das
Mittel also bei gewöhnlichen Geburten als ein überflüssiges, zu großes
und zu gefährliches erscheinen mußte, so konnte seine Anwendung bei
schweren, regelwidrigen Geburten, bei Wendungen und Zangengeburten,
wenn es sich bewähren sollte, für die leidende Wöchnerin als ein sehr
heilbringendes erscheinen.

Diese bei der Geburt so recht erwählt und erwünscht vortheilhafte
Erscheinung, nämlich Erschlaffung des gesammten Muskelsystems und
Fortdauer der Thätigkeit der Gebärmutter, beruhen allein darauf, daß der
Aether vorzugsweise herabstimmend auf die willkührlichen Muskeln wirkt;
nicht aber deprimirend auf den Uterus, welcher unter dem Einflüsse des
Oberbauch-, Nieren- und Aorten-Geflechtes steht, nur höchst unbedeutende
Fäden vom Rückenmark erhält, und also gewissermaßen ein isolirtes,
selbstständiges Gangliensystem besitzt. Darüber aber hat uns die
Geburtshülfe noch nicht gehörig aufgeklärt, ob die durch den Aether
aufgehobene Mitwirkung der Bauchmuskeln bei der Geburt des Kindes zu
entbehren sei, da doch sonst nichts von dem ohne Schaden entbehrt werden
kann, was die Natur zur Erreichung höherer Zwecke weise angelegt hat.

Die Erfahrung hat bis jetzt in diesen Beziehungen gelehrt, daß ein Theil
jener Besorgnisse unbegründet ist, denn die Anwendung des Aethers
bei Schwangeren während der Niederkunft bis zur Gefühllosigkeit,
Erschlaffung und Bewußtlosigkeit, äußert keinen hemmenden und störenden
Einfluß auf die Niederkunft, welche leicht und schmerzlos von Statten
gehen soll. Weder die Zusammenziehung der Gebärmutter, noch die
mitwirkende Thätigkeit der Bauchmuskeln, wurde dadurch im geringsten
gestört.

Die Berichte der Aerzte, welche dies Mittel in die Geburtshülfe
einführten, sind Simpson, Hammer, Dubois, Velpeau und Bouvier und
Fournier-Deschamps.

Doch nicht bloß als Erleichterungsmittel bei schweren Geburten, ist
der Aether bis jetzt angewendet worden, sondern selbst in der
Schwangerschaft als bloßes Experiment! Mögte es das letzte dieser
Art sein. Amussat stellte in diesen Beziehungen allerdings lehrreiche
Versuche an trächtigen Hunden an, aber Cardan ein verwerfliches
Experiment bei einer Frau. Dieselbe war 6-7 Monate schwanger, die Frau
und die Frucht schienen gesund. Es dauerte sehr lange, bis die Wirkung
mit einer zügellosen Fröhlichkeit eintrat. Der Puls war dabei nur wenig
beschleunigt. Nach 10-12 Einathmungen gerieth das Kind in für die
Mutter sehr schmerzhafte stürmische Bewegungen und diese wurden bei
fortgesetzter Inspiration immer schneller. Nachdem die Mutter wieder zu
sich gekommen, verglich sie die Empfindungen, welche sie im Leibe gehabt
hatte, mit starken Stößen. Das Herz des Kindes klopfte heftig, die
Schnelligkeit der Pulsschläge schien im Zusammenhange mit den Bewegungen
und den krampfhaften Zuckungen zu stehen. Das Geräusch der Placenta
hatte seinen gewöhnlichen Charakter verloren und bestand nur in einem
leisen Zittern. Hinterher war die arme Frau sehr erschöpft, und fühlte
sich sehr unwohl.

Man muß dies Experiment, wenn es auch für die Wissenschaft einiges
Interesse haben könnte, sehr tadeln, denn es war für Mutter und
Kind gleich gefährlich, und ein Abortus mit dem Tode des letzteren
wahrscheinlich. Die Gefahr gesteht Cardan selbst ein und meint, sie
mögte wohl in der letzten Zeit der Schwangerschaft am größten sein.

Simpson entband drei ätherisirte Frauen, von denen die eine eine
Mißstaltung des Beckens hatte, mit Leichtigkeit, und ohne daß die Geburt
im mindesten gestört wurde.

Hammer wandte bei einer 18jährigen Kreißenden die Einathmung an.
Schon nach 2 Minuten hörten Schmerz und Klage auf und es trat ein
schlafähnlicher Zustand ein. Die Wehen setzten 6-7 Minuten aus, stellten
sich dann aber wieder kräftig ein, und nach 20 Minuten war die Geburt
beendigt, worauf das Bewußtsein wieder eintrat. Die Frau war sich alles
dessen was geschehen war gänzlich unbewußt, und fragte als sie das Kind
sah, ob es das ihrige sei. -- Auch bei weiterer Anwendung des Aethers
bei Niederkunften, beobachtete Hammer keine üble Folgen.

Bei einem 26jährigen Frauenzimmer in Paris wandte Bouvier im Augenblick
der heftigsten Geburtswehen 8 Minuten lang Aetherdämpfe an, worauf kurz
vor der Unempfindlichkeit eine heftige Aufregung eintrat. Dann wurde es
mit einem Male ruhig und regungslos und zugleich hörte die Contraction
der Gebärmutter auf; erst nach einer halben Stunde traten wieder Wehen
ein, worauf die Geburt glücklich von Statten ging. Die Gebärmutter
verhielt sich jetzt ganz unthätig, doch folgte ein starker Blutabgang.

Dubois wandte die Aetherbetäubung bei einer jungen Erstgebärenden an,
bei welcher man nach langer, schmerzhafter und erfolgloser Geburtsarbeit
die Zange anlegen mußte. Nach einigen Minuten des Einathmens wurde sie
gefühllos, und das Kind leichter und schneller als in ähnlichen Fällen
geboren. Die ersten Töne des Kindes erweckten die Mutter wieder, welche
versicherte, bei der Geburt nichts gelitten zu haben. Bei einer anderen
Frau, welche schon öfter geboren hatte, geschah die Aethereinathmung
während der Anlegung der Zange. Der Aether wirkte hier gerade
umgekehrt, während die geistigen Fähigkeiten aufgehoben waren schien
die Schmerzempfindung nicht verringert zu sein, denn die Kranke schrie
während der künstlichen Entbindung, erinnerte sich aber nach Beendigung
der Geburt nicht mehr der Schmerzen. Dubois anderweitige Betäubungen
während der Entbindung, trugen sämmtlich zur wesentlichen Erleichterung
bei. Zwei von diesen Frauen starben indessen einige Tage nach der
Niederkunft am Kindbettfieber. Die Schuld hiervon wird der in der
Maternité von Paris herrschenden Epidemie zugeschrieben, denn die
genaueste Untersuchung der Leichen zeigte keine anderen Erscheinungen
als solche, welche man bei den an dieser Krankheit Verstorbenen
antrifft. Weder im Gehirn, noch im Rückenmark, noch in den
Athmungsorganen wurde etwas entdeckt, was dem Aether hätte zur Last
gelegt werden können.

Aus der Zusammenstellung der wenigen bis jetzt vorhandenen Beobachtungen
über den bei der Geburt erzeugten Aetherrausch, ergiebt sich mit
Ausnahme der Todesfälle bei Dubois, daß das neue Mittel den natürlichen
Verlauf des Wochenbettes nicht stört. Es wurden danach weder starke
Blutflüsse noch Nervenzufälle beobachtet. Auch die Gebärmutter kehrte
in der gewöhnlichen Zeit zu ihrem natürlichen Zustande zurück. Welchen
Einfluß die Aetherisation auf die Milch in den ersten Tagen geäußert
habe, findet man nicht erwähnt. Auf die Neugebornen äußerte sich die
Aetherisation der Mutter durch Beschleunigungen des Pulsschlages,
welcher wohl bis auf 30 Schläge in der Minute vermehrt war, mithin einen
Unterschied von 160 gegen 125 in der Minute zeigte. Andere Abweichungen
von dem natürlichen Vorfalle wurden bei den Kindern nicht beobachtet.

Ich will nicht entscheiden, ob der Aether in der Geburtshülfe so
allgemein werden wird wie in der Chirurgie, doch glaube ich es nicht,
weil eine Niederkunft etwas Natürliches, eine chirurgische Operation
etwas gegen den ursprünglichen Sinn der Natur ist. So viel scheint aber
wahrscheinlich, daß man bisweilen sehr schwere, schmerzhafte Geburten,
wo sonst die Zange nöthig ist, entweder ohne oder mit dieser mit
Erleichterung machen wird.

Ich kann nicht in die Streitigkeiten eingehen, welche in politischen
Blättern zwischen tüchtigen Aerzten über die Anwendbarkeit und
Nichtanwendbarkeit des Aethers in der Geburtshülfe geführt worden sind.
Verschiedenheit der Ansichten und Meinungen über wissenschaftliche
Gegenstände sollten bei Männern, welche einen gleichen edlen Zweck
verfolgen, nie zu persönlichen Fehden werden, und dann am wenigsten,
wenn sie zur Kurzweil der Nichtärzte dienen.



Anwendung der Aetherdämpfe in der inneren Heilkunde.


Bei inneren Krankheiten hat die Anwendung der Aetherdämpfe bis jetzt
nur noch eine sehr beschränkte Anwendung gefunden und meistens nur bei
nervösen Leiden eine palliative Hülfe gewährt. Beim Emphysem der Lunge
sah Wolf bei einem jungen Manne in seiner Klinik große Erleichterung
danach eintreten. Die Einathmung der Aetherdämpfe zeigte sich auch
bisweilen bei hysterischen Anfällen äußerst wirksam, indem sie dieselben
oft augenblicklich hoben. In anderen dagegen wurden dadurch heftige
Zufälle hervorgerufen und das Uebel eher verschlimmert als verbessert.
So sah Piorry zuerst zwar Verbesserung der hysterischen Paroxysmen bald
aber Rückfälle. In Wien beobachtete man dagegen äußerst günstige Wirkung
in der Hysterie, allemal wurden dadurch die Anfälle gemildert. In
neuralgischen Leiden wurde dadurch bisweilen große Linderung verschafft.
Strempel beobachtete beim tic douloureux und bei Koliken äußerst
günstige Wirkungen davon. Beobachtungen der letzten Art machte man
auch in Wien. -- In der Bleikolik versuchte Bouvier den Aetherdunst in
verschiedenen Zwischenräumen, und versicherte, dadurch die Krankheit
in wenigen Tagen vollständig gehoben zu haben. Honoré ebenfalls beim
Gesichtsschmerz, Nasse bei manchen anderen Schmerzen. Nach Bonnet
wurden bei Epileptischen die Anfälle durch die Aetherisation wenigstens
gemildert. In Wien zeigte das Mittel bei Epileptischen eine verschiedene
Wirkung. Bei einem Kranken wurden die Anfälle danach häufiger, bei
einem zweiten seltener, und bei einem dritten traten keine auffallende
Veränderungen ein. Auf Wahnsinnige äußerte der Aether anfangs nur die
gewöhnlichen, allgemeinen Wirkungen, auf das Leiden selbst aber gar
keine, eher indessen eine Verschlimmerung als Verbesserung. (Kronser.)
Bei einer tobsüchtigen Selbstmörderin brachte Manec Betäubung unter den
bei Gesunden gewöhnlichen Erscheinungen hervor, so daß er ein Haarseil
ohne Schmerzen legen konnte. Nachdem die Person wieder zu sich gekommen
war, bat sie um Gift.

Bei einer delirirenden Wöchnerin, versichert Bouvier, die Aetherdämpfe
zwar ohne Erfolg, aber auch ohne Nachtheil angewendet zu haben. Unter
diesen Umständen ist das Mittel gewiß eben so gefährlich als die
Krankheit.

Gegen den Starrkrampf versuchte Ranking die Aetherisirung, die Krämpfe
wurden dadurch aber auf eine Schrecken erregende Weise heftiger, so
daß er von ferneren Versuchen, dies Mittel bei krankhaftem Zustande
anzuwenden, abräth. Nicht minder glücklich war Roux mit den
Aetherdämpfen beim Starrkrampf, und nach seinem eigenen Geständniß wurde
die ohnedies kurze Lebensdauer des Patienten noch um etwas verkürzt.

Was also der Aetherdunst in der inneren Heilkunde noch leisten wird,
steht von der Zukunft zu erwarten, bis jetzt hat er dem Aether, in
Substanz durch den Mund genommen, nicht um seinen alten Ruhm gebracht.



Anwendung der Aetherdämpfe in der gerichtlichen Medizin.


Baudens, oberer französischer Militärarzt, empfiehlt die Aetherbetäubung
bei dem Verdachte von Verstellungskrankheiten, um hinter die Wahrheit
zu kommen. Hat Hr. Baudens, welchen ich sonst hochschätze, solche Listen
bei den Arabern, unter denen er so viele Jahre mit der französischen
Armee lebte, gelernt? Will er uns ein neues, perfides Mittel zur
Enthüllung der Wahrheit lehren? Dies Mittel ist aber treuloser als
die Unwahrheit. Genug Baudens wandte sein Mittel bei zwei armen jungen
Conscribirten an, welche wahrscheinlich nicht große Lust hatten, in
Algerien auf den Schakalfang zu gehen und lieber den heimathlichen Boden
pflügen wollten. Der erste stellte sich der Untersuchungskommission mit
einem großen Buckel vor. Man schöpfte Verdacht, daß er simulire, um
vom Militärdienste frei zu kommen. Baudens betäubte ihn jetzt durch
Aetherdämpfe vollständig. Danach trat Erschlaffung des ganzen Körpers
ein, und mit ihr verschwand der Buckel! Der Mensch wurde also auf
diese Weise überführt und gestand die Simulation ein. Bei dem zweiten
Conscribirten glaubte Baudens auch, daß er simulire und zwar eine
Verwachsung des Hüftgelenkes. Er ätherisirte ihn ebenfalls, worauf
der Zustand einer vollkommenen Empfindungs- und Bewußtlosigkeit mit
Erschlaffung aller Muskeln eintrat. Aber die Gelenksteifigkeit mit allen
ihren charakteristischen Merkmalen blieb vollkommen die nämliche wie vor
der Betäubung. Er war also sicher, daß der Kranke nicht simulire.

Ich muß mein lebhaftes Bedauern über diesen Mißbrauch des edlen
Aethers ausdrücken. Zu dergleichen Ränken sollte sich der Arzt nie
herabwürdigen, um die Wahrheit zu ermitteln. Möge er sich seiner
Wissenschaft ohne Aether bedienen. Die Verweigerung dieses Mittels muß
meiner Ansicht nach, dem Verbrecher eben so gut zugestanden werden, wie
dem Kranken vor einer chirurgischen Operation. Der erste hier erzählte
Fall compromittirt den Arzt als Menschen, der zweite aber auch als Arzt,
da er nicht durch Hülfe der honnetten Wissenschaft im Stande war, die
wirkliche Gelenkverwachsung zu erkennen, und zur gewaltsamen Betäubung
eines Unglücklichen seine Zuflucht nehmen mußte, um das Vorhandensein
der Krankheit auf diese Weise festzustellen. Wahrscheinlich ist dem
letzten Kranken keine Art von Genugthuung geworden.

Herr Baudens hat also den Weg gebahnt, die Aetherbetäubung in die
Criminal-Justiz einzuführen. Vielleicht liegt diese Zeit nahe. Amerika,
das Land, aus dem der Aetherdunst zu uns als nützliche Entdeckung
herüber gekommen ist, hat dadurch die Schmach der Erfindung des
Pensylvanischen Schweigsystems noch keinesweges wieder gut gemacht.
Welche traurige Verirrung, welchen inneren Haß gegen die Menschheit,
welche Bosheit drückt es nicht aus, den Menschen des Wortes zum Menschen
zu berauben! Schon die Barbarei des Alterthums streifte an das moderne
Schweigsystem, indem es dem Verbrecher die Zunge ausriß oder ihn in eine
Nische einmauerte. Das sieben Schritte lange, drei Schritte breite Grab
des Lebenden, die zur Steigerung der Strafe gar gerundete Zelle,
um selbst dem Gedanken jeden Anhaltspunkt zu rauben, führt ihn noch
leichter zum Wahnsinn. Nicht der Anblick des blauen Himmels, der ewig
sich verändernden Formen der Wolken und der Himmelsgestirne ist
ihm vergönnt, sondern eine höhnische, stachelnde Helle, tausendfach
gebrochen durch ein zahllos facettirtes Glas, den Augen der Insekten
ähnlich, welche die Natur ihnen, um viel und weit zu sehen, gab, formte
der Mensch diesen nach, damit der Unglückliche dadurch geblendet,
_nicht_ sehe.

Wir sind auf einen schrecklichen Weg durch die gesteigerte Intelligenz
gerathen. Die Wirklichkeit eines peinlichen Justizbildes wäre die
folgende. Der eines Ansteckungsstoffs verdächtige Verbrecher wird in
der Vorhalle des Pensylvanischen Gefängnisses mit Chlordämpfen
ausgeräuchert. Hierauf gelangt er in die Aetherdunsthalle. Hier glätten
sich alle Falten seines Seelenlebens, und das, was an Leibes- und
Seelentrug in ihm ist thut sich frei vor dem Aether auf, worauf der
Unglückliche nach der Größe der Schuld entweder in der langen oder in
der runden Zelle büßt, bis ein willkommener Wahnsinn ihn von seinen
Qualen befreiet.

Ich habe hier nur meinen Abscheu gegen das Pensylvanische
Gefängnißsystem, welches ich in England näher kennen lernte, ausdrücken
wollen. Da man dort so eben davon zurückkommen will, wird man es bei uns
wohl einführen!



Von der Anziehungskraft des Aetherrausches.


Der höchst verführerische Aetherrausch, welchen bereits viele Gesunde
aus Wißbegierde oder Vorwitz gekostet haben, scheint seine mächtige
Anziehungskraft immer mehr und allgemeiner zu äußern. Kranke, welche
unter Anwendung des Aethers operirt waren, sehnten sich häufig nach der
empfundenen Seeligkeit zurück, so daß ich mehrmals die Aeußerung hörte,
sie würden sich noch ein Mal einer Operation unterziehen, wenn es mit
Aether geschehen könnte. Diese Beobachtung ist auch von anderen Aerzten
gemacht worden. So drückt sich Kronser in seiner Schrift höchst naiv
über diese Aetherleidenschaft folgendermaßen aus: »Da früher oder
später nachtheilige Folgen bei wiederholtem Gebrauche des Aethers
begreiflicherweise eintreten müssen, so ist in Rücksicht dessen schon,
weil er wegen des Vorzugs, den vom Taback gesuchten Genuß, in noch
schnellerem, höherem und angenehmerem Grade zu versetzen, so leicht und
billig erlangt werden kann, es also auch ein Nachtheil, denn da mit
6 Kreuzer C.-M. Schwefel-Aether, und dem Apparat 10 Kr. C.-M., die
Auslagen gemacht sind, so dürfte derselbe allzuleicht zu schädlichem
Mißbrauch verleiten.«

Eine neue Leidenschaft, ähnlich der der Opiumesser in China, steht
uns also bevor. Aber noch Traurigeres sehen wir im Hintergrunde,
den Selbstmord durch Aether. Er wird wahrscheinlich den grausigen,
freiwilligen Eisenbahntod bald verdrängen. Ist doch der Mensch immer so
sinnreich und grausam in der Selbstvernichtung. Er trinkt mit Begierde
Schwefelsäure, er verschlingt Arsenik, er ißt Glasstücke, er stürzt sich
von Höhen herab, um sich zu zerschmettern, er wirft sich ins Wasser, er
sprengt sich den Schädel, er erstickt sich mit Kohlendampf -- wir sind
beim Aetherdampf angelangt. Er wird sein Gesicht mit einem mit
Aether getränkten Schwamm bedecken und, in seelige Träume eingewiegt,
hinübereilen!

In die Hand des Verbrechers ist ein neuer Dolch in dem Aether gegeben.
Der Verbrecher sucht immer neue Bahnen, und im Aether wird er Mittel
gegen Eigenthum, Person und Leben Anderer finden. Kronser fürchtet,
man könne einen durch Aether Betäubten davon tragen, um sich seiner
zu bemächtigen. Eine in ein kleines Gemach ausgeschüttete Flasche mit
Aether würde eine ganze sanft schlummernde Familie entweder betäuben
oder tödten; die freigelassenen und angezündeten Aetherdämpfe werden den
Raubmörder zum Brandmörder machen. Ist doch bereits die Kunde vom Aether
in die einsamsten Gefängnisse gedrungen, und hat nicht schon ein in
Frankreich zum Tode verurtheilter Verbrecher um die Gnade, vor der
Execution ätherisirt zu werden, angehalten?

Diese Besorgnisse mögten jedoch nur Träume sein. Immer aber wäre es zu
rathen, den Aether den gefährlichsten Giften gleichzustellen und nicht
bloß das Aetherisiren unbefugten Personen zu verbieten, sondern auch
den Aether selbst dem großen Haufen zu versagen und denselben nur
heilkundigen Männern nach ihrer Vorschrift zu verabfolgen. In mehreren
Staaten sind in dieser Beziehung bereits lobenswerthe Verordnungen
erlassen.



Von der wahrscheinlichen Aehnlichkeit des Aetherrausches mit dem
Sterben.


Das Ende dieses Lebens ist der Tod. Um dahin zu gelangen, müssen wir
sterben. Im Sterben sind wir noch halb auf dieser, halb schon in jener
Welt. Der Mensch fürchtet den Tod nur des Sterbens wegen als etwas
Entsetzliches, als etwas Qualvolles. Die Aetherbetäubung giebt hierüber
herrliche Aufschlüsse, sie ist ein Sterben mit Rückkehr zu diesem Leben.
Im Aetherrausch spiegeln sich die verschiedensten Formen des Sterbens
ab, vom sanften Hinüberschlummern mit seeligem Blick bis zum Ausdruck
des wildesten Widerstrebens. Aber selbst dieser so schmerzlich
scheinende Zustand ist wie das Sterben oft von den angenehmsten
Empfindungen begleitet, und was äußerlich schrecklich erscheint, ist
nur ein Spiel der Muskeln und das Röcheln nur ein mechanisches
Athmungsgeräusch.



Chirurgische Operationen, welche ich unter Anwendung der Aetherdämpfe
vorgenommen habe.


Schon zu Anfang dieses Jahres erfuhr ich von England aus die
Jackson'sche Entdeckung, und bald darauf erhielt ich von Frankreich aus
die Bestätigung der schmerzstillenden Eigenschaften der eingeathmeten
Aetherdämpfe bei chirurgischen Operationen. Die Sache, welche mit
allerlei Uebertreibungen ausgeschmückt war, schien mir aber mancherlei
Bedenken zu haben und von so ernster Art zu sein, so gegen alle
bewährten medizinischen und chirurgischen Grundsätze und Erfahrungen zu
sprechen, daß ich mich nicht sobald zur Nachahmung entschließen
konnte. Ich wollte lieber der letzte als der erste Nachfolger in einer
Lebensfrage der leidenden Menschheit sein. Nachdem indessen Männer wie
Liston, Key, Roux, Velpeau u. A. glückliche Erfolge berichteten, nachdem
auch aus mehreren Gegenden unseres Vaterlandes immer mehr günstige
Nachrichten sich verbreiteten, entschloß ich mich, ich kann wohl
sagen, mit einigem Widerstreben, zur näheren Prüfung der Wirkung der
Aetherdämpfe und dann zu ihrer Anwendung bei chirurgischen Operationen.
Die indessen bald darauf eintretenden Ferien unterbrachen die in der
Klinik begonnenen Operationen unter Aether, so daß ich einstweilen nur
an Privatkranken beobachten konnte. Bei diesen Operationen standen mir
mit größter Aufmerksamkeit die Doctoren Holthoff, Völker, Reiche, Hr.
Hildebrandt und Dr. Meyer bei. In der Klinik kann ich nicht genug
den Eifer und die Theilnahme rühmen, welche der Herr Sanitätsrath
Angelstein, so wie die Doctoren Steinrück, La Pierre und Schuft
bezeugten, wie unermüdlich sie in ihren Beobachtungen bei und nach den
Operationen waren, um den Kranken jede Erleichterung zu gewähren und
durch sorgfältige Beobachtung die Wissenschaft zu bereichern.

Ich bediente mich in der ersten Zeit complicirter französischer Apparate
mit Ventilen, fand aber bald einen einfacheren, wie derselbe oben
beschrieben worden, bei weitem zweckmäßiger. Bei dem Einathmen der
Dämpfe wurde die größte Vorsicht angewendet, und niemals das Einathmen
bis zur Asphyxie fortgesetzt, so daß kein Menschenleben gefährdet wurde.
Von dem angerathenen Probeathmen kam ich indessen bald zurück, weil es
öfter trügerische Resultate gab und die späteren Aethereinathmungen
oft ganz andere Zufälle zur Folge hatten als die früheren. Von
mehrmonatlichen Kindern bis zum höheren Alter hinauf habe ich
chirurgische Operationen mit Aether gemacht; aber niemals bei Personen,
deren Constitution das neue Mittel verbot, wie bei Anlage zu Schlagfluß,
bei Reizbarkeit der Luftröhre und der Lunge, bei Schwächlichen welche zu
Blutflüssen hinneigten und s. w. Ausgeschlossen wurden auch diejenigen
Operationen, welche ihrer Kleinheit und schnelleren Ausführung wegen
nicht auf Aether Anspruch machen konnten, so wie mehrere so große,
daß die zu besorgende große Blutung und Erschöpfung nur durch die
Aethereinathmungen vermehrt werden könnten. Auch aus örtlichen
Rücksichten operirte ich nicht mit Aether so wie z. B. in einigen Fällen
mit großen Rachenpolypen wegen zu befürchtender Erstickungsgefahr.

Die Krankengeschichten sind lebende Bilder zu dieser Schrift; einigen
ist eine besondere Zierde durch eigene schöne Schilderung des Zustandes
der Kranken ihres Aetherrausches geworden. Vielleicht finden Aerzte
darin Einiges, welches Ihnen der Beachtung werth erscheint.


_Ausziehen einer Messerklinge aus der Hand._

Louis Schneider, ein 27jähriger, kräftiger Mann, kam mit der
angeschwollenen, unbrauchbaren rechten Hand in die Klinik. Er sagte, er
sei vor 3 Jahren mit einem spitzigen Tischmesser in der Hand gefallen,
das Messer sei nicht weit vom Griff abgebrochen, und auf dem Rücken der
Hand, nahe am Zeigefinger, habe sich eine Wunde vorgefunden, welche
bald darauf geheilt sei. An dieser Stelle befand sich jetzt eine kleine
eiternde Oeffnung, durch welche man mit der Sonde auf einen harten
Körper stieß. Ich zweifelte nicht, daß die Klinge noch in der Hand und
zwar zum Theil in dem Metacarpalknochen des Zeigefingers stecke und in
schräger Richtung bis zur Handwurzel hinreiche. Der Mann wurde nun durch
Aetherdämpfe betäubt. Das geschah binnen 4 Minuten vollständig. Anfangs
war der Rausch wild, er riß die Augen auf, schrie und zeigte sich
unbändig. Auf sanftes Zureden wurde er ruhiger, schloß die Augen wieder,
und ich konnte die Operation anfangen. Ein Assistent hielt die Hand
gut fest. Hierauf vergrößerte ich die Fistelöffnung bis zu einem Zoll,
führte die Schnäbel einer starken, geraden Zange, womit die oberen
Schneidezähne ausgezogen werden, ein, faßte den Rand der Klinge am
Bruchende und zog dieselbe erst nach großer Anstrengung, da sie durch
ihre verrostete Oberfläche im Knochen festgehalten wurde, aus. Sie hatte
die Länge eines kleinen Fingers, war schwarzblau und an beiden Seiten
corrodirt. Bei dem ganzen gewaltsamen Akt des Herausziehens verhielt
sich der Kranke ruhig und nachdem er wieder zu sich gekommen war, konnte
er sich nur undeutlich des ganzen Vorganges erinnern. Die Wunde wurde
dann mit Pflasterstreifen verbunden.


_Operationen an der Brust._

Das 30jährige Fräulein L., von zartem Körperbau, war vor einem Jahre von
einer skirrhösen Drüsengeschwulst von der Größe eines Hühnereies, welche
ihren Sitz zwischen der linken Brust und der Achselhöhle hatte, befreit
worden. Ungeachtet einer sorgfältigen Nachbehandlung hatte sich in der
Nähe der Stelle, an welcher früher die Operation gemacht worden war,
eine neue, steinharte Geschwulst von derselben Größe gebildet, welche
aller angewendeten Mittel, des Zittmann'schen Decocts, des Jods, der
äußerlichen Einreibungen und der Blutegel ungeachtet, immer stärker
wurde, so daß ich der Kranken zu einer neuen Operation rieth, als an
einer Stelle der Aufbruch sich vorbereitete.

Nachdem die Kranke vor der Operation drei Minuten die Aetherdämpfe
eingeathmet hatte, wobei der Puls anfangs schneller, dann wieder
langsam, das Athmen tief und kräftig wurde, schien sie betäubt zu sein.
Ich umgab die Geschwulst nun mit zwei länglichen, in spitzen Winkeln
zusammenlaufenden Schnitten, und trennte sie dann vom äußeren Rande des
großen Brustmuskels los. Während der nur einige Augenblicke dauernden
Operation gab die Kranke keinen Laut von sich, kniff aber die Hände
krampfhaft zusammen; dann rollte sie die halb geschlossenen Augen
nach oben, seufzte einigemal tief, zeigte übrigens keine bedenklichen
Erscheinungen. Die Wirkungen des Aethers waren schnell vorübergehend,
denn nach dem Bedecken der Wunde und dem Zubettebringen war das
Bewußtsein wieder klar, nur die Abspannung noch sehr groß. Die Kranke
beschrieb das, was sie empfunden, mit eigenen Worten folgendermaßen.

»Als ich mich zum Einathmen des Aethers anschickte, nahm ich mir fest
vor, so ruhig wie möglich einzuathmen. Sobald mir der Schlauch an den
Mund gebracht wurde, sog ich den Aetherdunst gleich so heftig ein, daß
ich nach dem ersten Athemzuge glaubte, es würde mir unmöglich sein,
ruhig fortzuathmen. Ich fühlte, wie der Aether in alle Theile der Brust
und des Kopfes drang und im Kopfe ein eigenthümliches Sumsen, fast
Klingeln, erregte und daß, obgleich mein Bewußtsein noch vollkommen
klar war, bald Betäubung erfolgen müsse. Da mir gesagt wurde, nicht mit
solcher Heftigkeit einzuathmen, so machte ich es langsamer. Der Athem
wurde mir nun immer kürzer, mein Bewußtsein blieb aber noch vollkommen
klar, bis plötzlich eine gewisse Umnebelung meiner Sinne eintrat.
Dennoch hörte ich jedes Wort, welches die Umstehenden sprachen, ich
unterschied auch, wer sprach. Mit der größten Aufmerksamkeit achtete ich
auf meinen Zustand und fühlte deutlich, daß ich bald bewußtlos werden
würde. Meine Gedanken verwirrten sich aber nicht im Geringsten, auch
verursachte mir das Einathmen jetzt keine Unbequemlichkeiten oder
Schmerzen. Jetzt fühlte ich, daß man mich langsam auf die Matratze
niederlegte und dachte dabei, nun wird das Bewußtsein verschwinden.
Meine Angst war aber ganz vorüber. Wie lange es währte, bis ich
bewußtlos wurde, konnte ich nicht beurtheilen, noch weniger wie lange
die Bewußtlosigkeit anhielt. Ich hatte keine Träume und als ich wieder
zu mir kam, hörte ich zuerst die Stimme des Hrn. D. Ich war nun sogleich
bei vollkommenem Bewußtsein, aber meine Empfindung kehrte erst etwas
später zurück. Alle Schrecken der Operation traten erst jetzt vor meine
Seele, denn ich glaubte, sie solle erst geschehen, ich vermogte nicht zu
sprechen oder mich zu bewegen, nicht einmal die Augen zu öffnen. In dem
Augenblicke fühlte ich einen Ruck im Arm und ich glaubte das wäre die
Operation, doch war diese schon vorüber, und ich stieß einen lauten
Schrei aus, daß ich selbst darüber erschrak. Jener Schmerz rührte aber
nur von einer Bewegung des Armes her. Jetzt hörte ich sagen: »es ist
noch eine Ader zu unterbinden«, worauf ich es wagte, die Augen zu
öffnen. Ich muß also von der Operation gar nichts gefühlt haben und ich
sehe wohl ein, daß der Aether mich gegen die Schmerzen der Operation
unempfindlich machte. Nachdem ich wieder aufgerichtet war, fühlte ich
weder Schwindel noch Schmerzen und mich frei von jedem Unbehagen.«

  ~L. L.~

       *       *       *       *       *

Mad. S., die Frau eines fremden Kaufmannes, 32 Jahr alt, kam einer
bösartigen Krankheit der rechten Brust wegen nach Berlin. Vergebens
hatte die Kunst bis dahin alle Mittel erschöpft, die glückliche Mutter
blühender Kinder wollte um jeden Preis leben, und der gräßliche Anblick
einer kindskopfgroßen, an mehreren Stellen aufgebrochenen Brustdrüse mit
champignonartigen, rothen Wucherungen zeigte deutlich die Natur eines
bösartigen Schwammes. Ich konnte mich anfangs nicht zu der Operation
entschließen und nahm dieselbe, weniger durch das Flehen der Kranken,
als durch die nach einer längeren Zittmann'schen Cur herbeigeführte
Erschlaffung des kranken Gebildes bewogen, vor.

Nach vier Minuten langem Einathmen der Aetherdämpfe zeigte die Kranke
keine Empfindung mehr. Jetzt begann ich die Operation, indem ich in
weiten Grenzen die kranke Brust und die stellenweis zerstörte Umgebung
umschnitt und dann die enorme Geschwulst von den darunter liegenden
Theilen ablöste. Die Blutung dabei war außerordentlich stark, und
eine Menge krankhaft erweiterter Pulsadern überschütteten mich und die
Gehülfen mit einem blutigen Regen, wobei ich aufs deutlichste bemerkte,
daß das arterielle Blut sich kaum in seiner Färbung von dem aus dem
Gewebe und den großen durchschnittenen Venen hervorquellenden dunklen
Blute unterschied. Unter der Operation stieß die Arme leise, gegen
das Ende derselben laute Klagetöne aus, doch beim Erwachen aus dem
Aetherschlaf versicherte sie, nichts von der Operation empfunden zu
haben. Sie wurde dann verbunden und ins Bette gebracht. Außer mehreren
jungen Aerzten war Hr. Reg.-A. Dr. Müller und Hr. Dr. Jäger bei der
Operation zugegen.

       *       *       *       *       *

Einer Dame von mittleren Jahren exstirpirte ich eine bösartige
Geschwulst von der Größe einer starken Faust aus der rechten Brust.
Die Patientin war sehr ängstlich. Der Puls hatte unmittelbar vor der
Operation 100 Schläge. Das Einathmen der Aetherdämpfe geschah ohne
alle Beschwerde. Die ersten Züge verursachten leichtes Husten. Die
Pulsfrequenz der ersten Minute betrug 110, und stieg in der zweiten bis
auf 130 Schläge. Die Kranke fühlte jede irgend empfindbare Berührung
ihres Körpers, beantwortete die an sie gerichteten Fragen, und zeigte im
Ausdruck und in der Farbe des Gesichts nicht die geringste Veränderung.
In der dritten Minute sank der Puls auf 120. Die Augen waren
geschlossen, ihr Gesicht jetzt ein wenig mehr geröthet. In der darauf
folgenden vierten Minute fiel der Puls bis auf die Zahl von 100
Schlägen, die er vor dem Beginne der Aethereinathmung gehabt hatte;
Empfindung und Bewußtsein der Patientin waren erloschen. Während der
Operation, welche ich in der Art ausführte, daß ich die Verhärtung mit
zwei ovalen Schnitten umgab und dann vom Grunde löste, verrieth die
Kranke keine Empfindung des Schmerzes. Ein unbestimmter, weder der
Freude noch dem Schmerze angehörender Ton und eine instinktmäßige
Bewegung der Hand nach dem leidenden Orte hin waren die einzigen
Regungen. Die Bewußtlosigkeit dauerte noch einige Augenblicke nach der
Operation fort. Sie richtete mit geschlossenen Augen ihren Oberkörper
etwas in die Höhe und bemühte sich, mit der Hand nach der Wunde zu
fassen. Das Gesicht zeigte hierbei jene eigenthümliche Mischung von Lust
und Schmerz, wie man sie oft in den Zügen der Aetherisirten beobachtet.
Erst nachdem die Wunde verbunden war, konnte man ihr die Ueberzeugung
verschaffen, daß die Operation bereits geschehen sei. Die Kranke
schrieb in Bezug auf die Operation Folgendes. »Nachdem ich den Aether
eingeathmet hatte, fühlte ich, daß man mich niederlegte. Ich habe weder
die Operation noch einen Schmerz empfunden, doch fühlte ich, daß das
Blut warm herabfloß, auch daß man die Adern zuband. Nach der Zeit war
ich bei vollem Bewußtsein. In meinem bewußtlosen Zustande habe ich weder
Träume gehabt, noch sind mir Bilder vorgekommen.«

  ~J. H.~

       *       *       *       *       *

Eine Dame in den vierziger Jahren, seit längerer Zeit an einer
schmerzhaften Vergrößerung der linken Brust leidend, gegen welche die
ausgezeichnete Behandlung der Aerzte fruchtlos gewesen war, kam nach
Berlin. Die Brust von kugelrunder Gestalt und der Größe eines kleinen
Kindskopfes war mit ihrem Grunde nur locker zusammenhängend und zeigte
sich bei der Untersuchung elastisch. Auf der Oberfläche sah man einige
ausgedehnte Venen bläulich durch die Haut hindurchschimmern. Die Haut
selbst war durch den beträchtlichen Umfang der Geschwulst zwar
sehr verdünnt, übrigens aber gesund. Die Achseldrüsen waren nicht
angeschwollen. Die Kranke von zarter Constitution und einem höchst
reizbaren Nervensystem wünschte bei der Operation dringend die Anwendung
der Aetherdämpfe. Eine am Tage zuvor angestellte Prüfung mit dem Mittel
erzeugte schon binnen einer Minute einen fast bewußtlosen Zustand,
welcher nach einigen Minuten wieder verschwand.

Diese erfreuliche Erscheinung belebte den Muth der durch langes
Leiden tief erschütterten Kranken und ließ sie hoffnungsvoll auf die
vorzunehmende Operation hinblicken. Der verhängnißvolle Tag brach an.
Geh. Rath Busch, der Arzt der Kranken, und mehrere junge Aerzte waren
bei der Operation zugegen. Diesmal gelang das Aetherisiren nicht so gut
wie vorher, und es dauerte zehn volle Minuten, während welcher Zeit sich
die Kranke mehrmals erbrach, bis Empfindungslosigkeit eintrat. Der Puls
hatte 18 Schläge in 1/4 Minute. Anfangs war die Kranke sehr aufgeregt,
und mehrere Ausbrüche heftiger Leidenschaftlichkeit mit schnellem,
gereiztem Pulse, wildem Blicke, Zurückstoßen der helfenden Hände der
Aerzte veranlaßten uns, den Sturm erst vorübergehen zu lassen. Mit dem
Eintritt einiger Ruhe, bei 15 Pulsschlägen in 1/4 Minute, begann ich die
Operation, welche in einigen Augenblicken vollendet war; dabei erfolgte
öfteres starkes Aufstoßen und Erbrechen wie in der Trunkenheit, worauf
nach Bedecken der Wunde die Kranke in ihr Bett gebracht wurde. Wo bin
ich? sagte sie dann mit Heftigkeit, indem sie die Augen wieder öffnete,
was soll mit mir geschehen? Wir beruhigten sie, daß Alles vorüber sei.
Sie wollte dies aber durchaus nicht glauben und widersprach lebhaft.
Erst die Untersuchung mit der eigenen Hand überzeugte sie, daß sie
wirklich die Operation überstanden, und ohne das Mindeste davon gefühlt
zu haben.

       *       *       *       *       *

Bei einer Dame von einigen 40 Jahren hatte sich seit geraumer Zeit
zwischen der linken Brust und der Achselhöhle eine steinharte, mit dem
Rande des Brustmuskels und den Rippen fest verwachsene Drüsengeschwulst
von verdächtigem Charakter gebildet, so daß die Exstirpation nöthig
wurde. Die Kranke athmete die Aetherdämpfe 1/4 Stunde lang, und erst
dann trat Empfindungslosigkeit von einem schlafähnlichen Zustande
begleitet, ein. Zwei lange Ovalschnitte, welche die mit der Geschwulst
verwachsene Haut umfaßten, wurden gemacht, die Geschwulst mit der
Muzeux'schen Zange hervorgezogen und dann aus dem Grunde ausgeschält.
Dies war das Werk einiger Augenblicke, worauf die spritzenden Arterien
unterbunden, und die Wunde mit Pflasterstreifen genau vereinigt wurde.

Bei dieser Kranken ist zu bemerken, daß vom ersten Augenblicke
des Einathmens der Dämpfe das Gesicht sich stark röthete, daß die
Empfindungs- und Bewußtlosigkeit sehr spät eintrat, daß schon vorher
Uebelkeit und Erbrechen sich einstellte und sich auch nach der Operation
wiederholte, und daß die Kranke hinterher angab, von der Operation
durchaus nichts empfunden und durchaus nicht geträumt, sondern ruhig
geschlafen zu haben. Hr. Reg.-Arzt Branco hatte die Güte, mich bei
dieser Operation zu unterstützen.

       *       *       *       *       *

Mad. K., 44 Jahr alt, eine geistvolle, zarte Dame, mit einer großen,
fest aufsitzenden skirrhösen Entartung der ganzen linken Brustdrüse,
welche soeben aufzubrechen drohte, entschloß sich nach Jahre langem
vergeblichem Gebrauch der bewährtesten Mittel, besonders durch die
folterähnlichen Schmerzen getrieben, zur Abnahme der Brust. Nach 6-8
Minuten der Einathmung der Aetherdämpfe machte ich die Operation. Zwei
elliptische, von der Achselhöhle schräg abwärts nach dem Brustbein zu
verlaufende Schnitte umfaßten die kranke Haut und die vergrößerte Drüse.
Letztere wurde dann an ihren Rändern und an ihrem Grunde, welcher sehr
fest mit dem Brustmuskel zusammenhing, abgetrennt. Während der ganzen
Operation gab die Kranke, welche vollkommen bewußtlos war, keinen Laut
von sich. Nach Beendigung derselben stellte sich Erbrechen ein, welches
sich auch später wiederholte. Nachdem die Patientin wieder zu sich
gekommen war, versicherte sie, keine Spur von Schmerz empfunden zu haben
und nicht zu wissen, daß sie operirt worden sei.

       *       *       *       *       *

Zu den gräßlichsten Operationen gehört die Abnahme der Brust, wenn diese
durch Markschwamm einen sehr großen Umfang erreicht hat. Frau N., einige
40 Jahre alt, kam mit einer fast menschenkopfgroßen Anschwellung der
linken Brustdrüse in die Klinik. Die Unglückliche war schon früher
anderweitig an einer faustgroßen Krebsgeschwulst oberhalb der Brustdrüse
operirt worden, worauf die Drüse selbst anfing sich zu vergrößern und
den erwähnten Umfang zu erreichen. Vergeblich waren die verschiedensten
Mittel angewendet worden, doch blieb jetzt nichts anderes übrig, als die
Operation zu unternehmen, nach welcher die Arme schon der unerträglichen
Schmerzen wegen sich wie nach einer Erquickung sehnte. Der Größe der
Operation wegen ließ ich die Kranke zuvor durch Aether tief betäuben,
wozu 10 Minuten erforderlich waren. Da die Haut auf der Drüse gesund
war, so konnte ich davon so viel sparen, als zur vollständigen Deckung
der Wunde nöthig schien. Zwei halbmondförmige Schnitte, in deren Mitte
die Warze lag, wurden quer über die Brust durch die Haut geführt, diese
abgelöst, die ungeheure Geschwulst von ihrem Boden abgetrennt, und
zuletzt noch eine Achseldrüse von der Größe einer mäßigen Pflaume
von der nämlichen Wunde aus exstirpirt. Die Blutung aus unzähligen
erweiterten Gefäßen war so stark, daß Alles im Blute schwamm, und
wenigstens 3 Pfund desselben verloren gingen; doch wurde sie schnell
durch Unterbindung, durch Kälte und Druckverband gestillt, und später,
als eine Nachblutung weniger zu besorgen war, die Wundränder vereinigt.
Von der Operation hatte die Kranke gar nichts empfunden, doch war ich
froh, als ich sie erst wieder im Bette sah, da die Betäubung tief, und
der Blutverlust so bedeutend war. Wahrscheinlich war aber die Stärke der
Blutung bei diesem hohen Grade der Betäubung nützlich. Nach 3 Wochen war
die Wunde geheilt.

       *       *       *       *       *

Wittwe St., 68 Jahr alt, litt an einer faustgrossen Krebsgeschwulst der
linken Brust, welche die ganze Drüse einnahm, steinhart war, fest aufsaß
und nach vorn gegen das Brustbein zu bereits eine aufgebrochene
Stelle zeigte. Unerträgliche Schmerzen nöthigten die arme Frau zu der
Operation. Nachdem sie nur zwei Minuten ätherisirt worden war, schien
sie vollkommen betäubt zu sein. Ich führte zwei halbovale Schnitte durch
die Haut, welche am Brustbein und gegen die Achselhöhle zu in spitzen
Winkeln zusammentrafen, und löste dann die Brustdrüse von den Rippen ab.
Die Blutung war sehr stark, und die durchschnittenen Arterien spritzten
an vielen Orten. Gesunde Haut war bei der Operation zur Deckung der
Wunde im Ueberfluß erspart worden. Als die Kranke, welche bei der ganzen
Operation weder gezuckt noch einen Laut von sich gegeben hatte, wieder
zu sich kam, sah sie die Umstehenden erstaunt an und konnte nicht
begreifen, daß sie schon operirt sei, denn sie hatte das ganze blutige
Ereigniß angenehm verträumt.


_Operation der Nerven-, Balg- und Fettgeschwülste._

Zu den Uebeln, welche im Stande sind, bei anscheinender Unbedeutendheit
die fürchterlichsten Erscheinungen zu erregen, gehört die
Nervengeschwulst (Neurom). Ein solches Neurom, nur von der Größe einer
Erbse, hatte bei einer jungen, blühenden, 30jährigen Frau seinen Sitz
dicht über der inneren Seite des rechten Kniees. Es war dies Uebel
wegen seiner unerhörten Schmerzhaftigkeit, indem feurige Blitze von
dem kleinen, harten Punkt aus nach allen Seiten durch das ganze Glied
hinschossen, so recht geeignet, den Aether auf die Probe zu stellen,
wenn ich die Geschwulst operirte. Kaum hatte die Kranke drei Minuten
lang die Dämpfe eingeathmet, als sie sanft zurücksank und vollkommen
empfindungslos wurde. In dem Augenblick machte ich einen kleinen
Einschnitt von 1/6 Zoll Länge, fixirte die frei gewordene Geschwulst
mit einem Häkchen und trennte sie mittelst eines strohhalmbreiten
Messerchens in einem Augenblicke heraus. Als die Frau dann wieder zu
sich kam, war sie ganz erstaunt und versicherte, bei der Operation nicht
allein keinen Schmerz empfunden zu haben, sondern gar nicht zu
wissen, daß sie schon operirt sei. Die Wunde wurde dann mit einem
Pflasterstreifen geschlossen.

       *       *       *       *       *

Frau P. litt seit Jahren an einer bohnengroßen Nervengeschwulst an
der inneren Seite des linken Fußes unfern vom Knöchel. Unglaubliche
Schmerzen, welche wie Blitze das ganze Glied durchzuckten und sich
zuweilen bis in den Unterleib hineinerstreckten, wonach ein heftiger
hysterischer Anfall eintrat, hatten die Kranke bereits sehr erschöpft.
Vor der Operation wurde dieselbe 1½ Minuten ätherisirt, worauf sie
bewußtlos wurde. Ich spaltete die Haut, faßte die Geschwulst mit einem
Häkchen und schnitt sie aus. Die Kranke empfand dabei gar nichts und kam
bald wieder zu sich.

       *       *       *       *       *

Ein junger Mann, dem ich eine Balggeschwulst von der Größe eines
Taubeneies über dem äußeren Rande des rechten oberen Augenlides
exstirpirte, verrieth, ungeachtet er vier bis fünf Minuten lang
Aetherdämpfe geathmet hatte, ein deutliches Schmerzgefühl. Auch nachdem
seine Sinne wieder vollkommen klar geworden waren, versicherte er, bei
der Operation lebhafte Schmerzen gehabt zu haben.

       *       *       *       *       *

Ein Mann von 40 Jahren trug seit längerer Zeit eine Balggeschwulst von
der Größe einer Bohne im rechten oberen Augenlide nahe am Augenwinkel.
Nachdem derselbe zuerst mit einem aus einer Blase und einem Mundstücke
bestehenden Athmungsapparat drei Minuten lang die Aetherdämpfe
eingeathmet hatte, und noch nicht die geringste Wirkung eintrat, hielt
ich ihm einen mit Aether befeuchteten Schwamm vor Mund und Nase. Nach
zwei Minuten verlor er die Empfindung, und auch das Bewußtsein wurde
getrübt. Unter tiefem Stöhnen vollendete ich mit ein Paar Schnitten
die Entfernung der kleinen Balggeschwulst, deren ursprünglich reiner,
klarer, wässriger Inhalt sich bereits in eine braune Flüssigkeit
verwandelt hatte, welches einen nahen Aufbruch der Geschwulst
andeutet. Nach der Operation wußte der Mann nichts von dem, was mit ihm
vorgegangen war.

       *       *       *       *       *

Clara H., 1 Jahr alt, hatte zwischen der Nase und dem unteren rechten
Augenlide eine entstellende Balggeschwulst von der Größe einer
Haselnuß, deren Inhalt aus zarten Zellgewebshöhlen mit einem kalkigen
Niederschlage bestand. Vor der Operation wurde das Kind 2½ Minuten
lang ätherisirt, ohne daß das Schreien aufhörte. Ich exstirpirte die
Geschwulst mit zwei elliptischen Schnitten und heftete die Wundränder
durch 4 feine Knopfnähte, worauf jede Entstellung verschwunden war. Der
Schmerz schien nicht empfunden worden zu sein.

       *       *       *       *       *

Caroline B., 36 Jahr alt, hatte an der hinteren Seite der rechten
Schulter eine feste Sackgeschwulst, deren Inhalt ein dicker Brei war.
Nach 2½ Minuten der Aetherisation stellte sich ein unruhiger Rausch ein,
doch konnte ich die Operation, wobei ich die Haut auf der Geschwulst
durch einen langen Schnitt spaltete und dann die Exstirpation vornahm,
ohne Störung vollführen. Die Kranke war dabei empfindungslos und hatte
die Operation nur dunkel, aber ohne Schmerzen wahrgenommen.

       *       *       *       *       *

Eine sehr große Fettgeschwulst auf dem Rücken eines jungen Mädchens
hatte dasselbe stets mit bangem Gefühl erfüllt, wenn es nur entfernt an
die Operation dachte. Immer größer wurde das Gewächs, immer grösser die
Angst, an ein Verbergen durch die Kleider war nicht mehr zu denken, da
die Geschwulst die Größe eines mittelmäßigen Kürbisses erreichte. Der
Aether kam und mit ihm der Muth zur Operation. Die Kranke athmete ihn
6 Minuten lang ein, bis sie empfindungslos wurde, dann führte ich zwei
elliptische Schnitte über den Rücken hinab, umfaßte damit den verdünnten
Theil der Haut auf der Höhe der Geschwulst und trennte sie von
ihrer Verbindung. Dabei gab die Patientin keinen Laut von sich und
versicherte, nachdem sie verbunden war, durchaus nichts von der
Operation empfunden zu haben, obgleich sie genau die Worte des
Assistenten, welcher in ihrer peinlichen Lage ihr zunächst gestanden und
sie unterstützt hatte, wiederholte.

       *       *       *       *       *

Ferdinand K., 30 Jahr alt, athmete 3 Minuten lang den Aetherdunst,
worauf ein ziemlich heftiger Rausch mit völliger Empfindungslosigkeit
eintrat. Es wurde ihm dann wegen seiner großen Unruhe nicht ohne
Schwierigkeit die Balggeschwulst ausgeschnitten. Schmerzen empfand er
dabei nicht.


_Die Operation des Blutschwamms._

Die Operation des gutartigen Blutschwamms (der Angiectasie und
Telangiectasie) kam nur bei Kindern vor. Die Aetherwirkung zeigte sich
bei ihnen auf eine auffallende Weise verhältnißmäßig später als bei
Erwachsenen, und die Kinder, welche schon vor der Operation schrieen,
fuhren damit öfter auch unter der Operation, nur leiser und mit
verändertem Ton fort.

       *       *       *       *       *

August R., 10 Monate alt, athmete 2½ Minuten. Er schrie vorher mit
lauter Stimme, mit dem Eintritt der Bewußtlosigkeit verwandelte sich das
anhaltende Schreien in einzelne unterbrochene Laute. Ich begann dann
die Operation eines 2 Zoll langen, 1/2 Zoll breiten, sehr erhabenen
Blutschwamms an der rechten Seite der Brust, indem ich denselben mit
einer Balkenzange seiner Länge nach zusammendrückte, mit zwei langen
Concavschnitten umgab und dann in der Tiefe ablöste. Eine Menge
ausgedehnter Arterien ergossen in vielen Strahlen das Blut, so daß es 8
umschlungener Insectennadeln zur genauem Vereinigung der Wundränder
und zur Stillung der Blutung bedurfte. Das Kind schien keine Schmerzen
empfunden zu haben und kam sogleich wieder zu sich.

       *       *       *       *       *

Marie G., 8 Monate alt, war mit einem kleinen Blutschwamm an der inneren
Seite der rechten Schamlefze geboren, welcher allmälig zwei Drittheile
ihrer Oberfläche in eine vorragende, dunkelrothe Geschwulst mit
sammtartigem Ueberzuge verwandelt hatte. Die Operation durfte nicht
länger aufgeschoben werden, da gefährliche Blutungen zu fürchten waren.
Das Kind, welches auf dem Schooße der Wärterin gehalten wurde, athmete
mittelst eines Schwamms 3 Minuten lang Aetherdämpfe ein, worauf es mit
Schreien plötzlich nachließ und aussah, als wolle es einschlafen. Ich
faßte nun den Blutschwamm mit einer kleinen Balkenzange, schnitt ihn
mittelst eines kleinen, strohhalmbreiten Messers durch zwei elliptische
Incisionen aus, und vereinigte dann die Wundränder durch fünf
Knopfnähte, wodurch gleichzeitig die starke Blutung gestillt wurde. Die
Operation schien ohne allen Schmerz gewesen zu sein. Das Kind kam nach
Besprengen des Gesichts mit kaltem Wasser sogleich wieder zu sich.

       *       *       *       *       *

Marie P., 10 Monate alt, war mit einem kleinen Blutschwamm des Kopfes
auf der Mitte des linken Scheitelbeins geboren. Man hatte dagegen
vergebens allerlei zusammenziehende Mittel angewendet, doch der
Blutschwamm, statt sich zu verkleinern oder gar zu verschwinden, war
immer größer geworden und hatte zuletzt den Umfang eines kleinen Thalers
und eine Höhe von 2 Linien erreicht. Das Kind, welches stark war,
unbändig schrie und kaum gehalten werden konnte, wurde, nachdem es 1
Minute lang Aetherdämpfe geathmet hatte, schlaff und müde. Ich führte
zwei convergirende Messerschnitte bis auf die Beinhaut durch die
Geschwulst und ließ von ihrem Rande so viel stehen, daß die Vereinigung
der Wunde möglich war. Das aus vielen durchschnittenen erweiterten
Gefäßen hervorstürzende Blut wurde schnell durch 6 lange, starke, mit
Fäden umschlungene Insectennadeln gestillt, deren Druck auf die Ränder
die Verdichtung des ausgedehnten Gewebes herbeiführen sollte. Nachdem
die Nadeln dicht an den Fäden abgeschnitten waren, wurde eine kalte
Compresse aufgelegt. Unter der Operation drückte das Kind nur durch
dumpfes Stöhnen einen unbehaglichen Zustand aus; nach derselben kam es
auf Besprengen mit kaltem Wasser sogleich wieder zu sich.

       *       *       *       *       *

Pauline Z., 1 Jahr alt, hatte einen erhabenen Blutschwamm von der Größe
und der Gestalt einer kleinen Bohne am oberen Theil der linken Wange.
Nachdem das stark schreiende Kind 1 Minute lang ätherisirt worden war,
wurde es plötzlich still und matt. Ich schnitt darauf die Geschwulst
durch zwei halbelliptische Schnitte aus und vereinigte die Wunde durch
drei umschlungene Nähte. Dann erst erwachte das Kind wieder.

       *       *       *       *       *

M. A., 7 Monat alt, mit einem feuerrothen, stark erhabenen Blutschwamm
von der Größe eines Silbersechsers an der linken Seite der Stirne wurde
4 Minuten lang ätherisirt. Das heftige Schreien wurde dann matter, ich
schnitt den Schwamm, ohne daß das Kind Schmerzen verrieth, heraus und
vereinigte die Wunde durch drei umschlungene Insectennadeln. Gleich
darauf war es wieder ganz munter.

       *       *       *       *       *

Friederike M., 4 Monat alt, war mit einem Blutschwamm der rechten Seite
der Oberlippe geboren, welcher sich bis zu dem Umfange einer mäßigen
Himbeere vergrößerte, die ganze Dicke der Lippe einnahm und sich bis an
das rechte Nasenloch erstreckte. Das stark schreiende und sich wehrende
Kind wurde erst nach 3 Minuten der Einathmung vollkommen ruhig und
schloss die Augen halb. Mit Leichtigkeit konnte ich einen Keil, welcher
den Blutschwamm in sich faßte, ausschneiden und durch vier umschlungene
Insectennadeln nicht nur die Wundränder genau vereinigen, sondern
auch zugleich die sehr starke Blutung stillen. Das Kind kam nach der
Operation sogleich wieder zu sich.

       *       *       *       *       *

Der 4 Monat alte Schiffersohn, August P., war mit großen Blutschwämmen
des Gesichts und einem an der Brust geboren, welcher fast den Umfang
einer flachen Hand erreicht hatte. Zuerst wollte ich die Operation eines
sehr erhabenen, von der Größe eines Thalerstücks, an der rechten
Seite der Stirne vornehmen; das Kind wurde, nachdem es 2 Minuten
lang Aetherdämpfe geathmet hatte, vollkommen ruhig, worauf ich zwei
Drittheile der Geschwulst durch zwei elliptische Schnitte entfernte
und darauf sechs umschlungene Nähte, wodurch sogleich die sehr heftige
Blutung gestillt wurde, anlegte. Die Operation schien nicht empfunden zu
werden. Besprengung mit kaltem Wasser hob die Betäubung sogleich.

       *       *       *       *       *

Marie H., 3 Monat alt, war mit einem Blutschwamm an der rechten Seite
der Stirne geboren. Derselbe bildete einen feuerrothen, von oben nach
unten zu verlaufenden, 1½ Zoll langen und 1/3 Zoll breiten, mäßig
erhabenen Bergrücken. Das Kind schrie auf dem Schooße der Wärterin
fürchterlich, und selbst nach einer 4 Minuten langen Aetherisation
dauerte das Schreien, aber mit verändertem Tone fort, obgleich es
unempfindlich war. Ich schnitt dann den Blutschwamm vollständig aus und
vereinigte die Wundränder durch sechs feine umschlungene Insectennadeln.
Dann war das Kind wieder bei Bewußtsein und hörte auf zu schreien.

       *       *       *       *       *

Ein bösartiger Zellenblutschwamm hatte sich bei einem jungen, blühenden,
26jährigen Manne seit frühester Kindheit im unteren Drittheil des
Rückens an der linken Seite der Wirbelbeine ausgebildet und endlich die
Größe eines flachen Hühner-Eies erreicht. Die darüber liegende Haut war
von weißbläulicher Farbe, und die Geschwulst prall und fest. Erst bei
einem längeren und stärkeren Druck verkleinerte sie sich allmälig und
verschwand zuletzt vollkommen; hob man dann die Compression auf, so trat
die Anschwellung von neuem wie früher hervor. Ich vermuthete, daß das
Uebel der so selten vorkommende Zellenblutschwamm sei und rieth
dem Kranken zur Operation. Unmittelbar vor derselben ließ ich ihn
Aetherdämpfe einathmen, welche ihn schon binnen zwei Minuten völlig
betäubten. Der Kranke wurde auf den Bauch gelagert, und der Rücken durch
unter den Leib gelegte Polster herausgewölbt, theils um die Haut zu
spannen, theils um die Geschwulst stärker prominirend zu machen. Ich
führte nun einen fingerlangen Schnitt über die Geschwulst fort, welche
darauf in der Größe und Gestalt eines Hühner-Eies von blaurother Farbe
sichtbar wurde. Ich zog sie dann mit einem Doppelhaken hervor
und durchschnitt die Muskelmasse des Rückens, aus welcher sie
hervorgewuchert war, dicht über und dicht unter ihr, wobei ich eine
lebhafte Retraction der Muskelfasern wahrnahm, und trennte zuletzt ihre
Verbindungen an der unteren Fläche. Die beträchtliche Blutung wurde dann
gestillt, und über den Verband kalte Umschläge gelegt. Während der
gegen mehrere Minuten dauernden Operation gab der Kranke auch nicht das
leiseste Zeichen von Empfindung und war erst, nachdem er auf sein Lager
gebracht war, zu überzeugen, daß er Alles glücklich überstanden habe.


_Operation einer Pulsadergeschwulst._

Ein 28jähriger Landmann litt seit einem Jahre an einer
Pulsadergeschwulst in der Tiefe der Gesäßmuskeln an der rechten Seite.
Die Veranlassung dazu war eben so merkwürdig als die Krankheit selbst.
In einem Faustkampfe mit einem anderen Manne seiner Gemeinde warf jener
den letzteren zu Boden. Während er über ihm lag und ihn seine Uebermacht
fühlen ließ, sprang der 6jährige Knabe des Ueberwundenen herbei und
stach den Ueberwinder seines Vaters mit einem Messer tief in das Gesäß.
Die Wunde wurde von einem tüchtigen Arzt ganz zweckmäßig behandelt und
heilte bald. Einige Zeit darauf bemerkte man indessen in der Tiefe eine
umschriebene, pulsirende Geschwulst, welche, als ich den Kranken sah,
bis zu dem Umfange eines kleinen Gänse-Eies sich vergrößert hatte. Sie
steckte tief zwischen den Muskeln und fühlte sich hart an, pulsirte
aber nicht deutlich. Es war keinem Zweifel unterworfen, daß durch jenen
Messerstich eine tiefliegende Arterie verletzt, und dadurch eine falsche
Pulsadergeschwulst gebildet war, welche bei ihrem Sitze, ihrer Größe und
ihrer langen Dauer nur durch die Operation geheilt werden konnte. Vorher
ließ ich den Kranken Aetherdämpfe einziehen. Nachdem dies fünf
Minuten lang geschehen war, wurde der Puls langsamer, und es trat
Empfindungslosigkeit, von einem bewußtlosen Zustande begleitet, ein. Bei
den ersten Einschnitten seufzte der Kranke tief, dann stieß er einige
unartikulirte Töne aus und bewegte sich, als wolle er sich der fremden
Gewalt entziehen. Ich umschnitt den harten Sack der Pulsadergeschwulst
bis zu ihrem Grunde, spaltete ihn dann, um das dicke Blutgerinnsel
herauszunehmen und mehr Platz zur Aufsuchung der angeschnittenen Arterie
zu gewinnen. Nachdem dies geschehen war, umstach ich die einmündende,
spritzende Arterie mit einer krummen Nadel, knüpfte die Fadenenden fest
zusammen, schnitt darüber den Sack ab und verband die Wunde. Gegen das
Ende der Operation kam der Kranke etwas wieder zu sich. Er verhielt sich
wie ein Schlaftrunkener und versicherte, daß er bei der Operation keine
sehr heftigen Schmerzen ausgestanden habe.


_Operationen des Kropfes._

Ein Mädchen in den Dreißiger-Jahren, welches an einer schwammigen
Kropfgeschwulst, fast von der Größe eines halben Menschenkopfs litt, sah
sich genöthigt, gegen ihr Uebel, welches von öfterer Erstickungsgefahr
begleitet war, bei mir Hülfe zu suchen. Alle bekannten, wirksamen
Mittel waren früher vergebens angewendet worden, der Kropf wuchs ohne
Aufenthalt und machte das Leben zur unerträglichen Last. Wegen der Größe
der Geschwulst war ein Ausschneiden derselben, welche überhaupt bei den
meisten Kropfarten mit Lebensgefahr verbunden ist, nicht zu unternehmen.
Ich beschloß daher, den Kropf durch ein Haarseil in Eiterung zu setzen
und dadurch eine Schmelzung desselben herbeizuführen. Nachdem die
Kranke drei Minuten lang die Aetherdämpfe eingeathmet hatte, wurde
sie empfindungslos, das Bewußtsein war noch zum Theil vorhanden. Jetzt
durchstach ich schnell den Kropf in seiner Mitte und führte das Haarseil
hindurch. Unmittelbar nach der Operation war die Kranke wieder bei
vollem Bewußtsein und gab an, sich des Operationsaktes dunkel bewußt
gewesen zu sein, und nur geringe Schmerzen empfunden zu haben.

       *       *       *       *       *

Herr K., 28 Jahr alt, von schlankem Körperbau, litt an einer großen
Kropfgeschwulst, welche im schnellen Zunehmen begriffen war, und durch
Zusammenpressen der Luftröhre und der großen Gefäße des Halses das
Athmen erschwerte und die Cirkulation des Blutes im Kopfe bedeutend
störte. In seinem Vaterlande, Oesterreich, von den berühmtesten Aerzten
mit Jod u. s. w. zweckmäßig behandelt, sah er zu seiner Bekümmerniß die
wenigstens kindskopfgroße Geschwulst täglich wachsen und seinen Zustand
immer peinlicher machen. Die Geschwulst nahm die linke Seite des Halses
ein, erstreckte sich jedoch über diese Seite hinaus. Sie fühlte sich
stellenweis hart und weich an und war, da sie mit den unterliegenden
Theilen fest zusammenhing, unverschiebbar. Die Unwirksamkeit der
Arzeneimittel war erkannt, und nur noch operative Hülfe übrig. Die
Exstirpation schien mir aber fast absolut tödtlich, das Durchziehen
eines Haarseils, weil der Kropf massiv war und keine Säcke enthielt,
eben so gefährlich. Die Unterbindung der oberen Schilddrüsenschlagader
zur Verödung der Geschwulst hielt ich hier für die einzige zu
rechtfertigende Operation, obgleich der Kropf kein aneurysmatischer war.
Was mein Vertrauen auf die Ligatur der gedachten Arterie vergrößerte,
war die bedeutende Erweiterung der nach hinten gedrängten Arteria
carotis communis. Nachdem der Kranke vorher einige Minuten ätherisirt
worden war, stellte sich Betäubung mit fortdauernder Empfindlichkeit
ein. Dann erwachte er wieder, gerieth in einen sehr aufgeregten Zustand
und rollte dabei die Augen bei weit geöffneten Augenlidern so stark nach
oben, daß nur ein Theil der Hornhaut sichtbar blieb. Jetzt legte ich den
Kranken nieder, führte einen 3 Zoll langen Schnitt am äußeren Rande der
Geschwulst herab und legte das Gefäß sogleich bloß. Der frei gewordene
Theil der carotis communis, die carotis cerebralis und facialis, so wie
die Arteria thyreoidea waren beträchtlich erweitert -- die erstere von
der Dicke eines kleinen Fingers, letztere von der eines Gänsefederkiels.
Nachdem ich die Schilddrüsenarterie an ihrem Ursprunge ringsum frei
gemacht hatte, führte ich mit einem feinen geöhrten Haken einen dünnen
Faden um dieselbe herum, unterband sie, schnitt ein Fadenende am Knoten
ab und vereinigte die ganze Wunde mittelst Pflasterstreifen.

Jetzt erst kam der Kranke wieder vollkommen zu sich; er gab an, die
Operation nur undeutlich gefühlt zu haben, obgleich er bei derselben
sprach und sich in einer gewissen Aufregung befand. In der Geschwulst
war in Folge der Unterbindung keine wesentliche Veränderung zu bemerken.
Am Abend war dieselbe etwas turgescirend und heißer anzufühlen. Der
Kranke fühlte sich sehr angegriffen und zeigte eine geringe fieberhafte
Aufregung.


_Exstirpation der Mandeln._

Hugo E., 11 Jahr alt, ein munterer, liebenswürdiger Knabe, litt seit
langer Zeit an einer so beträchtlichen Vergrößerung beider Mandeln, daß
diese als zwei eiförmige Geschwülste der Luft und den Nahrungsmitteln
Hindernisse in den Weg legten, und auch Schwerhörigkeit durch
Zusammendrücken der eustachischen Röhre erzeugten. Vor der Operation
wurde der Knabe zwei Minuten lang ätherisirt. Empfindungs- und halbe
Bewußtlosigkeit traten hierauf ein. Die müden Augen waren zur Hälfte
geschlossen, willig eröffnete das Kind den Mund, ließ die linke Mandel
mit dem Haken fassen und mit dem geknöpften Fistelmesser ausschneiden.
Beim Ausspülen des Mundes kam er wieder etwas zu sich, that einige neue
Athemzüge und wurde dann eben so schnell auch von der zweiten Tonsille
befreit. Nach Verlauf von einigen Minuten kehrte der natürliche Zustand
wieder zurück. Der Knabe erinnerte sich nicht an das, was mit ihm
vorgegangen war.

       *       *       *       *       *

Ein 14jähriger Knabe mit einer sehr bedeutenden Vergrößerung der
Mandeln, wodurch Schwerhörigkeit, erschwertes Athmen und Schlucken und
schlechtes Sprechen erzeugt war, wurde vor der Operation drei Minuten
lang ätherisirt. Dann verlor er Gefühl und Bewußtsein, stöhnte tief,
bewegte die Arme unwillkürlich hin und her und schloß den Mund fest mit
zusammengebissenen Zähnen. Ich mußte einige Minuten lang warten, bis
diese krampfhaften Erscheinungen vorüber waren, und halbes Bewußtsein,
aber mit andauernder Gefühllosigkeit zurückgekehrt war. Dann erst konnte
ich, freilich nach einigem Widerstreben die rechte, darauf die linke
Mandel mit einem Haken fassen und mit einem Pott'schen Fistelmesser
ausschneiden. Die Blutung war hier eigentlich nicht stärker, als sie
sonst nach der Exstirpation der Mandeln zu sein pflegt, und wurde
bald durch kaltes Wasser gestillt. Das Oeffnen des Fensters und das
Besprengen des Gesichts mit kaltem Wasser verscheuchten alle nächsten
Nachwirkungen des Aethers.

       *       *       *       *       *

Der 28jährige Porzellanarbeiter K. war lange Zeit mit einer lästigen
Vergrößerung beider Mandeln behaftet, welche das Ausschneiden derselben
nöthig machten. Nachdem derselbe 3 Minuten Aetherdämpfe eingeathmet
hatte, wurde er bei anscheinend ungestörtem Bewußtsein empfindungslos.
Als ich ihn bat, den Mund zu öffnen, geschah dies, worauf ich zuerst die
rechte Mandel mit einem Doppelhäkchen fixirte und mit einem geknöpften
Pott'schen Fistelmesser mit einem Messerzuge ausschnitt. Dasselbe
geschah an der anderen Seite eben so leicht. Dann nahm ich noch eine
isolirte, am Gaumen sitzende, harte Geschwulst von der Größe einer Erbse
fort. Nachdem die geringe Blutung durch Ausspülen des Mundes mit kaltem
Wasser gestillt war, und ich den Kranken wieder verlassen wollte,
setzte mich die Frage, wann ich die Operation denn vornehmen wolle, in
Erstaunen, da er doch alles Andere, was mit ihm vorgegangen war,
außer der Operation selbst, bemerkt hatte. In naiven Worten schrieb
er darüber: »ich war zwar bei vollem Verstande, doch glaubte ich, die
Operation wäre noch nicht angegangen; ich verspürte auch nicht den
mindesten Schmerz und ich muß aufrichtig gestehen, daß die Anwendung des
Schwefeläthers sehr praktisch ist.«


_Operationen von Nasenpolypen._

Ein Frauenzimmer von einigen 30 Jahren litt seit geraumer Zeit an
beträchtlichen Nasenpolypen, welche das Innere der Nase bis zum Anfange
des hinteren Theils der Mundhöhle ausstopften. Dumpfer Druck im Kopf und
große Athmungsbeschwerden quälten die Arme. Sie unterzog sich freudig
der Operation, athmete auf dem Stuhle sitzend ein Paar Minuten lang
die Aetherdämpfe, schloß sanft die Augen, ließ die Arme am Leibe
herunterhängen und gab keinen Laut von sich. Ich zog ihr dann die
Polypen mit einer Zange aus, ohne daß die Kranke die mindeste Bewegung
machte, oder auch nur durch ein Zucken des Gesichts irgend eine
unangenehme Empfindung ausgedrückt hätte. Dann schlug sie die Augen auf,
lächelte, wunderte sich, daß sie die Luft frei durch die Nase einziehen
könne, und versicherte, daß sie durchaus nichts von der ganzen Operation
wisse.

       *       *       *       *       *

Etwas verschieden war das Verhalten eines Mädchens von 25 Jahren, dessen
ganze Nasenhöhle mit Schleimpolypen ausgefüllt war. Nachdem 3 Minuten
lang Aetherdämpfe geathmet waren, trat Empfindungslosigkeit, von einigen
Seufzern und Verdrehen der Augen begleitet, ein. Statt des schlaffen
Herabhangens der Glieder bei jener Kranken zogen sich hier alle Muskeln
krampfhaft zusammen. Erst nachdem ich die Polypen mit einer Zange
ausgezogen hatte, wurden die Glieder welk. Dann kam das Mädchen wieder
vollkommen zu sich, sah mich staunend an und sagte: »am Ende ist es wohl
schon vorbei, ich bin wohl operirt worden, ich habe es nicht gefühlt.
Geben Sie mir ein Glas kaltes Wasser, mir ist so wüst im Kopfe.« Nachdem
sie getrunken, fühlte sie sich wieder vollkommen wohl.

       *       *       *       *       *

Ein Mann von 40 Jahren kam mit Nasenpolypen, welche den Luftweg durch
die Nase gänzlich verschlossen, in die Klinik. Ich fand das Ausziehen
derselben nöthig. Vorher wurde derselbe ätherisirt. Nach vier Minuten
trat Empfindungslosigkeit und gänzliches Aufhören des Bewußtseins ein.
Ich drang zuerst mit der Zange in das rechte Nasenloch ein und
zog gleich beim ersten Zuge einen sehr großen, gelblichen,
halbdurchsichtigen Schleimpolypen aus, welcher an Gestalt dem
eingemachten Ingwer ähnlich war. Eben so brachte ich aus dem linken
Nasenloch einen beträchtlichen Polypen heraus. Unter der einige Secunden
währenden Operation stieß der Kranke mehrere tiefe Seufzer aus und
machte einige abwehrende Armbewegungen. Nach Beendigung derselben wußte
er nicht, was mit ihm vorgegangen war.

       *       *       *       *       *

Der 22jährige Schuhmacher F. mit Nasenpolypen wurde, nachdem er nur 1
Minute lang ätherisirt worden war, vollkommen passiv und empfindungslos.
Ich zog ihm die Polypen aus beiden Seiten der Nasenhöhle aus, ohne daß
er etwas davon fühlte.

       *       *       *       *       *

Julius P., mit großen fibrös-speckigen Nasenpolypen, durch welche das
knöcherne Nasengerüste auseinander gedrängt war, wurde nach 4 Minuten
der Einathmung betäubt. Ich konnte die Polypen, ohne daß sich eine
Schmerzempfindung bei dem Kranken äußerte, aus beiden Nasenhöhlen
mit der Zange ausziehen, ungeachtet diese sich bis zur Rachenhöhle
erstreckten. Erst nach Beendigung der Operation erwachte er und blickte
erstaunt um sich. Er hatte die ganze Operation angenehm verträumt.

       *       *       *       *       *

Es kam ein 12jähriger Knabe mit einer höchst abschreckenden Physiognomie
in die Klinik. Die Mitte des Gesichts war weit herausgewölbt, und Nase
und Wangen bildeten zusammen einen gleichmäßigen Hügel; die Augen lagen
weit vor. Diese grausenhafte Entstellung war die Folge von fibrösen
Geschwülsten, welche in dem hinteren Theil der Nasenhöhlen bis zum
Gaumen hin sich gebildet und die Gesichtsknochen von einander gedrängt
hatten. Seit Jahren war durch diese Geschwulst der Athmungsweg durch
die Nase vollkommen abgesperrt, und das unglückliche Kind daher immer
genöthigt, durch den weit geöffneten Mund zu respiriren. Mit jedem Monat
nahmen die Gewächse in der Nase an Umfang zu, die Augenhöhlen wurden
zusammengedrückt und die Augäpfel immer mehr herausgedrängt. Auch
stand ein baldiger Durchbruch durch die breitgezogenen, verdünnten
Nasenknochen bevor, so wie auch Erstickungsgefahr im Schlafe vorhanden
war. Vergebens hatte man sich schon früher bemüht, durch Ausziehen
mittelst Zangen einen Theil des Aftergebildes zu entfernen, bis endlich
das Kind nach Berlin gebracht wurde.

Nicht ohne Sorge schritt ich zu der tief eingreifenden Operation,
welche ich von den Nasenlöchern aus wegen der Größe und Ausdehnung der
Geschwülste für unmöglich hielt. Auch hatte ich die große Reizbarkeit
des Kindes zu scheuen, welches bei dem Gedanken an eine neue Operation
zitterte, obgleich es deren Umfang nicht ahnte. So sehr ich mich auf die
Anwendung der Aetherdämpfe in diesem Falle freute, so war dieselbe doch
bei dem gänzlich aufgehobenen Athmen durch die Nase äußerst bedenklich,
und es mußte um den Knaben nicht der Erstickungsgefahr auszusetzen,
äußerst behutsam zu Werke gegangen werden. Ich ließ das Einathmen
der Aetherdämpfe daher in Absätzen vornehmen und zwischendurch wieder
atmosphärische Luft einziehen, trieb die Sache aber nicht bis zur
Bewußtlosigkeit, sondern begann die Operation mit dem Eintritt der
ersten Zeichen der Empfindungslosigkeit. Ich machte nun zuerst zwei
herabsteigende Schnitte durch die Gesichtshaut an der Stelle, wo im
natürlichen Zustande die Gränze zwischen der Nase und den Wangen sich
befindet, und vereinigte diese unter der Nase durch einen Querschnitt.
Den auf diese Weise gebildeten Lappen, welcher die ganzen Knorpel und
Weichgebilde der Nase enthielt, wurde von dem Grunde getrennt und nach
Durchschneidung der Scheidewand und Lösung vom Knochengerüste in die
Höhe geschlagen. Während ein Assistent die umgekehrte Nase an der Stirn
festhielt, konnte ich zu dem frei und offen liegenden vorderen Theil der
Geschwulst gelangen. Sie wurde mit einem Haken fixirt und mit einer auf
der Fläche gebogenen Scheere gelöst und ausgeschnitten, wobei sie sich
von fester, unzerreißbarer, sehnenartiger Substanz zeigte. Die Mitte
enthielt eine Höhle, welche mit einer molkigen Flüssigkeit angefüllt
war. Jetzt war der Durchgang von vorn bis hinten zum Schlunde und
Kehlkopf frei, alles Krankhafte entfernt, und die Operation nun durch
Wiederanheften der Nase zu vollenden. Dieses bewirkte ich durch
eine Anzahl feiner Nähte, und bald war das Ansehen des Kindes ein
natürliches. Außer tiefem Seufzen und Stöhnen während der Operation
verrieth das Kind kein deutliches Schmerzgefühl, und als es dann wieder
zu sich kam, behauptete es nur, daß man es gekratzt habe.

       *       *       *       *       *

Carl N., ein fremder Knabe von 14 Jahren, sah noch weit schrecklicher
aus als der vorige, denn er hatte kaum eine menschliche Physiognomie,
da die vordere Fläche des Gesichts eine Halbkugel bildete, und die Nase
glatt verstrichen war. Diese Entstellung war die Folge großer, im
Innern der Nasenhöhle wuchernder fibröser Polypen, welche selbst in die
Thränensäcke hineinwucherten und an dieser Stelle zwei Geschwülste von
der Größe einer halben kleinen Haselnuß bildeten. Die Augen lagen weit
vor und der Mund war immer weit geöffnet, durch welchen der Knabe nur
mühsam athmete, da die Polypen sich auch weit hinter das Gaumensegel
hinab erstreckten. Dem unglücklichen Kinde war schon früher von mehreren
geschickten Aerzten ein Theil der Polypen ausgezogen worden, doch hatte
dies nur eine vorübergehende Erleichterung verschafft. Von dem bloßen
Ausziehen war bei dem Umfange des Uebels aber wenig zu erwarten, da
durch die Nasenlöcher immer nur ein Theil der Geschwulst erreicht werden
konnte. Der Kranke wurde vor der Operation drei Minuten lang ätherisirt,
worauf er betäubt wurde. Indessen war er bei der Operation sehr unruhig
und erschwerte mir dieselbe durch heftige Bewegungen. Es mußten die
Weichgebilde der eine wenig erhabene Fläche bildenden Nase zuerst in der
Gestalt eines länglichen Vierecks losgetrennt und nur mit der Stirnhaut
in Verbindung gelassen werden. Nachdem dies geschehen war, schlug
ich diesen Lappen in die Höhe und ließ ihn an der Stirn halten. Dann
entfernte ich theils mit der Säge, theils mit der Knochenscheere
zu beiden Seiten der flachen Nasenknochen ein Paar pyramidenförmige
Knochenstücke, deren breite Basis 3/4 Zoll betrug. Von diesen weiten
Oeffnungen aus konnte ich die Polypen theils mit Zange und Scheere,
theils mit der Zange allein bis hinter dem Gaumensegel entfernen und
selbst die Thränensäcke ausräumen. Die Menge der extrahirten Masse war
enorm, die Blutung bei der Operation sehr heftig. Der Kranke behielt
immer die nämliche Unruhe, ohne bei der Operation zu sich zu kommen.
Endlich waren die inneren Räume der Nase bis in den Rachen hinein frei,
worauf ich, nach Stillung der Blutung durch anhaltende Einspritzungen
von kaltem Wasser, zur Vereinigung der gelösten Weichtheile der Nase
schreiten konnte, welche dann schnell durch eine Anzahl umschlungener
und Knopfnähte bewirkt wurde. In die durch Aussägen eines großen Theiles
des Oberkiefers bewirkten Knochenspalten wurden dann die Weichgebilde
mittelst Charpie und Pflaster hineingedrängt, nachdem die Mitte der Nase
stark vorgezogen war, so daß dieselbe Prominenz gewann. Nach Beendigung
der Operation versicherte der Kranke, sehr heftige Schmerzen empfunden
zu haben. Die Heilung der vereinigten Wunden erfolgte schon in wenigen
Tagen, und der Kranke gab ungeachtet der Größe der Operation keinen
Augenblick zu Besorgnissen Gelegenheit.


_Nasenbildungen._

Die rhinoplastischen Operationen, welche ich bereits unter Anwendung der
Aetherdämpfe gemacht habe, sind die folgenden.

Otto K., ein 15jähriger Knabe, welchem der vordere Theil der Nase durch
scrophulöse Geschwüre zerstört war, kam in die Klinik, um durch die
Neubildung des verstümmelten Theiles der menschlichen Gesellschaft
wiedergegeben zu werden. Am Tage vor der Operation wollte ich die
Aetherdämpfe auf ihn prüfen. Nachdem er dieselben nur eine Minute lang
geathmet hatte, wurde er so tief betäubt und bewußtlos, daß man ihn
schnell der frischen Luft aussetzen und belebende Mittel anwenden mußte.
Bald darauf war er wieder vollkommen hergestellt. Am nächsten Tage
äußerte sich der Aether bei diesem jungen Menschen, welcher noch nie
geistige Getränke genossen hatte, welchem Umstande wohl die schnelle
Einwirkung des Aethers zuzuschreiben war, schon minder stark; er wurde
erst nach 2 Minuten empfindungs- und bewußtlos, behielt aber, auf einem
Stuhle sitzend, die aufrechte Stellung bei. Ich schritt zur Operation.
Zuerst wurden die Ränder der verstümmelten Nase abgeschnitten, um an sie
den neuen Ersatztheil anheften zu können, darauf spaltete ich den Rest
des Nasenstumpfes zur Aufnahme der ernährenden Brücke, und endlich
umschnitt ich an der Gränze des Haarwuchses, im höchsten Theile der
Stirn anfangend, nach abwärts mit dem Messer gehend, ein dem Defect
der Nase entsprechendes Stirnhautstück, welches vom Stirnbein gelöst,
umgedrehet und herabgelegt, durch Nähte mit dem Nasenstumpf in genaue
Verbindung gebracht wurde. Bei der ganzen Operation, welche, mit
Inbegriff von 16 Nähten, 15 Minuten dauerte, selbst bei ihrem
schmerzhaftesten Theile, der Abtrennung der überhäuteten Ränder des
Nasenstumpfes, saß der Knabe regungslos auf dem Stuhle, ohne einen
Schmerzenslaut von sich zu geben. Nachdem er ganz wieder zu sich
gekommen war, wollte er kaum glauben, daß die Operation schon geschehen
sei, und überzeugte sich erst durch das Hinfühlen mit den Fingern nach
der neuen Nase, von der glücklichen Wirklichkeit. Als ich ihn fragte, ob
er auch Schmerzen empfunden habe, versicherte er, daß er vom Augenblick
des Berauschtwerdens bis zu seinem Wiedererwachen durchaus nichts von
sich gewußt habe.

       *       *       *       *       *

Louise D., ein schönes, 16jähriges Mädchen, welches in frühester
Kindheit den vorderen Theil der Nase nebst der Nasenscheidewand durch
skrophulöse Geschwüre eingebüßt hatte, so daß man in die unheimliche
Tiefe der inneren Nase hineinblicken konnte, unterzog sich in der Klinik
der Operation des Wiederersatzes des Fehlenden. Es schmerzte mich zwar,
aus der schönen Stirn, so viel als ich gebrauchte, zu nehmen, doch da
kein sehr großes Hautstück nöthig war, die dünne welke Armhaut
sich nicht zum Bilden eignete, so durfte ich hoffen, die Ränder der
Stirnwunde wieder dicht zusammenzubringen, so daß nur ein fadenförmiger
Streifen den Ort bezeichnete, woher die Nasenspitze genommen war.
Nachdem die Kranke zuvor drei Minuten lang die Aetherdämpfe eingeathmet
hatte, trat der Zustand der Empfindungslosigkeit ein. Jetzt begann ich
das Wundmachen der Ränder des Nasenstumpfes und des oberen Theils
der Oberlippe zur Einpflanzung der Scheidewand, spaltete dann den
Nasenrücken, löste einen zollbreiten Streifen aus der ganzen Höhe der
Stirnhaut, drehte den heruntergelegten Lappen um und befestigte ihn
mit Nähten an dem Bestimmungsorte. Dies, was auf dem Papier so leicht
aussieht, ward ziemlich schnell unter Stürmen, wie ich sie noch nicht
erlebt habe, vollendet. Eine Reihe höchst seltsamer Erscheinungen
hatte ich nämlich während der Operation bei der Kranken in Folge der
Einwirkung des Aethers zu überwinden. Nachdem sie drei Minuten lang
denselben eingeathmet hatte, wurde das Mädchen empfindungslos. Unter
den ersten Messerzügen sprach sie von einem schönen Traume, den sie
eben gehabt habe, von glänzenden Gesichtern und Gewändern, von hellen,
schönen Lichtern und sanfter Musik. Dann schrie sie über ein Wehe, sie
werde gekratzt, und mit jedem Augenblick wurde die Aufgeregtheit
stärker und steigerte sich bis zur größten Wildheit mit herzzerreißenden
Ausdrücken, als wolle man sie morden. Nur durch neue Einathmungen konnte
sie besänftigt werden. Der glänzendste Erfolg der Operation belohnte das
junge Mädchen für den Muth, mit welchem sie sich derselben unterzogen
hatte.

       *       *       *       *       *

Mad. K., 56 Jahre alt, ließ sich wegen einer Zerstörung des oberen
Theils der Nase in die Klinik aufnehmen. Von der Nase war nur noch die
knorpelige Spitze erhalten, diese jedoch eingefallen. Schon nach drei
Minuten der Einathmung der Aetherdämpfe wurde sie empfindungslos.
Nachdem ich die Einschnitte zur Aufnahme des einzupflanzenden
Stirnhautlappens in die Gesichtshaut gemacht hatte, umschnitt ich in
der Mitte der Stirn ein Hautstück von der erforderlichen Größe und der
Gestalt einer umgekehrten Pyramide, löste dieses vom Knochen, drehte
es um, und nachdem ich es heruntergelegt hatte, befestigte ich es
mit Nähten an die zu seiner Aufnahme eingerichteten Wundränder des
Nasenrestes und der Gesichtshaut. Die Stirnwunde wurde durch Nähte
verkleinert und mit Charpie verbunden. Als ich die Kranke, welche jetzt
allmählig zu sich kam, fragte, ob sie auch Schmerzen ausgestanden,
verneinte sie dies, wohl aber erinnerte sie sich aller Umstände bei der
Operation und auch jedes Wortes, welches bei derselben gesprochen wurde.

Der Erfolg der Operation war vollkommen günstig, der Lappen heilte
überall an und bildete binnen Kurzem ein schönes Oval. Nach 6 Wochen war
der Zeitpunkt der weiteren Formirung der Nase gekommen. Vorher
wurden die Aetherdämpfe 4 Minuten lang angewendet, worauf völlige
Bewußtlosigkeit eintrat. Ich nahm aus der linken Seite des Lappens durch
zwei elliptische Einschnitte ein längliches Oval heraus, und entfernte
durch zwei Querschnitte eine tiefe Furche, welche sich zwischen dem
angesetzten Nasenrücken und dem erhaltenen, knorpeligen, vorderen Theile
der Nase gebildet hatte. Hierauf wurden sowohl die Seiten als auch die
Querwunde mit abwechselnden Knopf- und umschlungenen Nähten vereinigt.
Während der fünf Minuten, der Dauer dieser Nachoperation, war sie
vollkommen regungslos, gab keinen Laut von sich und erklärte später,
nichts von der Operation wahrgenommen zu haben. Die Kranke ist bereits
vollkommen hergestellt und über das natürliche Aussehen ihrer Nase
höchst beglückt.

       *       *       *       *       *

Ein 60jähriger, sehr empfindlicher Herr aus Schlesien, dem durch
Krebs ein Theil der rechten Seite des Nasenrückens bis in den inneren
Augenwinkel hinein zerstört war, wurde durch eine früher unternommene
Ausschneidung des Krankhaften und eine allgemeine Behandlung nicht
geheilt. Ich sah kein anderes Mittel, als die durch Krebs umgewandelten
Theile auszuschneiden und ein gesundes Stück wieder einzusetzen. Vor
der Operation athmete der Kranke nur drei Minuten lang Aetherdämpfe
ein, dann wurde er empfindungslos. Ich konnte die Ausschneidung
des entarteten Nasentheiles und des inneren Augenwinkels bis in die
Augenhöhle hinein, so wie eines Theiles der Augenlider, vornehmen, ohne
daß der Patient es merkte. Selbst als ich dann ein achtgroschengroßes
Hautstück aus der Stirne löste, dies zum Ersatz der fehlenden Theile
verwendete, und mit einer Anzahl Nähte befestigte, blieb er immer noch
in einem völlig bewußtlosen Zustande. Erstaunt erfuhr er beim Erwachen,
daß die Operation schon vollendet sei.

       *       *       *       *       *

Israel L., 22 Jahr alt, hatte durch Skropheln den vorderen knorpligen
Theil der Nase verloren. Ich ersetzte denselben kurz vor der Aetherzeit
(noch unter Schmerzen) durch einen pyramidalischen, gestielten Lappen,
nach Spaltung des Nasenstumpfes, aus der Stirnhaut. Der Lappen war
überall genau angewachsen, und es bedurfte nur der gewöhnlichen
Nachoperation zur Vollendung der Gestalt der noch unförmlichen Nase. Der
Kranke wurde jetzt ätherisirt und sehr bald betäubt. Ich umgab die
auf dem Rücken befindliche, erhabene Brücke mit zwei langen, concaven
Schnitten, trennte das Stück ab und vereinigte die Wundränder auf
dem Rücken der Nase durch eine Reihe von umschlungenen feinen
Insectennadeln, deren Enden kurz an den Fäden abgeschnitten wurden. Der
Kranke ertrug die Operation ohne alle Empfindung und erwachte dann
aus seinem Rausche. Die Heilung gelang, und es blieb nur noch die
Verbesserung der zu langen Scheidewand übrig.

       *       *       *       *       *

Carl V., Landmann, hatte durch Herpes exedens (fressende
Gesichtsflechte) die Nase großentheils verloren, nur der obere Theil
war stehen geblieben und mit einer speckig entarteten, feuerrothen, mit
Pusteln und Schuppen bedeckten Haut überzogen. Ein gleiches Aussehen
hatten die Wangen. Der Patient wurde vor der Operation einer längeren
Cur unterworfen, und jene dann vorgenommen. Nachdem er vier Minuten lang
ätherisirt worden war, verschwanden die Empfindung und das Bewußtsein,
es war der Zustand einer tiefen Ohnmacht. Ich konnte alle die nöthigen
Einschnitte zur Aufnahme des Lappens machen, die Oberlippe innen vom
Kiefer lösen, die kranke Haut von den Nasenbeinen abtrennen und einen so
großen Lappen, als zum Ersatz der ganzen Nase und der Scheidewand nöthig
war, aus der Stirnhaut ausschneiden, ohne daß der Kranke es fühlte oder
nur merkte. Eben so regungslos blieb er bei dem Anheften der neuen
Nase durch 20 umschlungene und Knopf-Nähte, so wie beim Vereinigen der
Stirnwunde, welches nur so weit fortgesetzt werden konnte, als dies
der Substanzverlust zuließ. Erst nach völliger Beendigung der Operation
erwachte der Kranke und war verwundert, daß Alles vorüber sei. Er
versicherte, durchaus keine Schmerzen empfunden zu haben. Der Erfolg war
höchst günstig, und der Lappen heilte ungeachtet der Schlechtigkeit
des Bodens überall an. Auch verbesserte sich in kurzer Zeit die
üble Beschaffenheit der Wangen durch die Einpflanzung des gesunden
Hauttheiles aus der Stirne, -- eine Erfahrung, welche ich unter
ähnlichen Umständen oft gemacht habe.


_Operation einer großen Brandnarbe am Halse._

Fräulein Z., 14 Jahre alt, hatte in früher Kindheit durch Feuerfassen
der Kleidung eine Verbrennung der Haut an der vorderen und Seiten-Fläche
des Halses und unter dem Kinn erlitten. Die danach entstandenen dicken,
schwieligen Narben zogen das Kinn herab, so daß eine Hautfalte in
gerader Linie vom Kinn bis zur Brust herabstieg. Binnen anderthalb bis
zwei Minuten trat ein Rausch ein, in dem die Patientin die Operation
nur undeutlich fühlte, dabei einzelne Worte mit einer gewissen Hast
aussprach. Das operative Verfahren war folgendes. Ich führte am Rande
des Unterkiefers zu beiden Seiten des Kinns zwei schräge Schnitte
nach abwärts, die oberhalb des Brustbeins in einem spitzen Winkel
zusammentrafen. Der Hauttheil, welcher den vorragenden Theil der
Narbenfalte umschloß, wurde dann als ein dreieckiger Lappen von unten
nach oben zu abpräparirt, unter das Kinn hinaufgerückt, und der untere
Theil der Wunde durch eine Reihe Knopfnähte vereinigt. Es war dies die
Methode plastischer Operationen, welche ich in meiner Chirurgie mit
dem Namen »_Verdrängen_« bezeichnet habe. Der Operationsort wurde mit
Charpie und Pflasterstreifen bedeckt. Die Kranke gab an, undeutliche
Schmerzempfindungen bei der Operation gehabt zu haben.


_Operationen der Hasenscharte._

Ein schöner, 2½jähriger Knabe aus V. wurde von seinen Eltern wegen einer
Entstellung des Gesichtes nach Berlin gebracht. Das Kind war mit einem
Wolfsrachen und doppelter Hasenscharte geboren, und schon theilweise
operirt, es war bereits der Zwischenkieferknochen entfernt, und die
Lippe vereinigt worden. Alles zeugte von der großen Geschicklichkeit des
Arztes, der die Verheilung der großen Spalte glücklich bewirkt und die
Bildung der häutigen Scheidewand der Nase, wie es auch recht war, bis
auf spätere Zeit verschoben hatte. Dieser Theil der Operation fiel mir
nun zu. Die Mutter wünschte, daß ich wegen der Heftigkeit ihres Kindes
den Schmerz durch Aether mindern mögte, woran ich keinen Anstand nahm.
Nachdem ich einen in Aether getauchten und wieder ausgedrückten Schwamm
einige Augenblicke demselben vor Mund und Nase gehalten hatte, hörte
das Kind auf zu schreien, legte den Kopf hintenüber und schloß die
Augen halb. Jetzt schnitt ich die narbige Mitte der Oberlippe durch zwei
Schnitte aus, formirte das Läppchen, welches die Nasenscheidewand bilden
sollte, und heftete die Theile durch blutige Nähte aneinander, so daß
eine ganz natürliche Form herauskam. Während der Operation schrie das
Kind mehrmals, ohne daß mir eine deutliche Schmerzempfindung klar wurde.
Als ich es dann mit kaltem Wasser besprengte, kam es wieder ganz
zu sich, und zeigte auch weiter keine Erscheinungen, welche einen
nachtheiligen Einfluß des Aethers ausdrückten.

       *       *       *       *       *

Carl T., 7 Monat alt, war mit einer Hasenscharte der linken Seite
und Wolfsrachen geboren. Die Spalte erstreckte sich in die Nasenhöhle
hinein, den ganzen harten und weichen Gaumen hindurch und war sehr
breit. Die Nase war flach. Das Kind schrie heftig, erst nachdem es
3 Minuten lang ätherisirt worden war, wurde die Stimme verändert und
leise. Ich schnitt zuerst die Ränder der Lippenspalte ab, löste dann
die innere Fläche der Lippe vom Knochen und vereinigte die dadurch
nachgiebig gewordene Wunde mit drei umschlungenen Insectennadeln. Das
Gesicht hatte durch die Operation sogleich ein natürliches Aussehen
gewonnen. Den Schmerz schien das Kind bei der Operation nur undeutlich
empfunden zu haben.


_Operation des Lippenkrebses._

Herr L., 70 Jahr alt, sehr rüstig und jugendlich, litt an einem
aufgebrochenen Krebse an der Unterlippe. Er wurde vor der Operation 4
Minuten lang ätherisirt, worauf er unempfindlich schien. Ich schnitt
dann ein Vförmiges Stück aus der Lippe und vereinigte die Wundränder
durch drei umschlungene und zwei Knopf-Nähte. Der Kranke hatte nur eine
geringe Empfindung von der Operation gehabt.

       *       *       *       *       *

Herr R. St. P., einige 50 Jahre alt, litt seit längerer Zeit an einer
verdächtigen Verhärtung der rechten Lippe und Wange. Schon früher war an
dieser Stelle eine ähnliche Geschwulst herausgeschnitten worden. Es
war kein Zweifel über die Bösartigkeit des Uebels vorhanden. Vor
der Operation ätherisirte ich den Kranken, es währte aber fast eine
Viertelstunde, bis Empfindungslosigkeit eintrat. Dies schien mir genug.
Ich umgab das Kranke mit zwei durchdringenden Schnitten, welche einen
Keil bildeten, dessen breite Basis aus einem Theil der Oberlippe nahe
dem Mundwinkel bestand. Hierauf heftete ich die weite Mundspalte durch
6 Nähte zusammmen. Die Heilung erfolgte binnen wenigen Tagen auf
dem ersten Wege. Von dem Aetherrausch konnte ich nur die
Empfindungslosigkeit und eine gewisse Müdigkeit wahrnehmen. Der Kranke
schreibt über seinen eigenen Zustand Folgendes:

»Die Wirkung des Aethers äußerte sich bei mir zuerst in den Füßen; es
trat das Gefühl der Schwere ein. Allmälig umhüllte ein leichter Nebel
mein Empfindungsvermögen, ohne es aufzuheben, wovon mich wiederholte
kneipende Berührungen an der linken Hand und am Ohr überzeugten. Nach
etwa 5 Minuten war mein Empfindungsvermögen betäubt; Gehör, Gesicht und
Bewußtsein widerstanden noch, da fühlte ich, daß man meine Oberlippe und
Wange stark anspannte und daß zwei Schnitte durch sie hindurch geführt
wurden. Dies verursachte mir nur in der Mitte einen dumpfen Schmerz.
Das Zusammenfügen der Wundränder durch die Nadeln, das Durchziehen
der Fäden, habe ich empfunden, aber ohne Schmerz. Die Dauer der ganzen
Operation incl. Verband habe ich auf höchstens 10 Sekunden geschätzt.
Ich mag nicht entscheiden, ob die rasche Aufeinanderfolge der
Operationshandlungen mich verhindert hat, zum Bewußtsein des Schmerzes
zu kommen, oder ob der Zustand der Betäubung das Vermögen, den Schmerz
zu empfinden, aufgehoben hatte. Nachwehen der Betäubung habe ich weder
im Kopfe, noch Brust oder Extremitäten verspürt; das Ausströmen des
Aethers war aber nach 24 Stunden noch bemerkbar.«

  ~P.~


_Operation einer Speichelfistel._

Ein 29jähriger Mann hatte seit mehreren Jahren an Speichelfisteln der
linken Wange gelitten. Durch den längeren Gebrauch allgemeiner und
örtlicher Mittel war es gelungen, die beträchtliche Vergrößerung und
Verdickung der Wange zu heben und die Fisteln zur Heilung zu bringen.
Nur eine, und zwar die vorderste blieb offen und ergoß in anhaltender
Menge den Speichel, wodurch leicht ein Abzehrungs-Zustand herbeigeführt
werden konnte. Dem mußte durch die Operation vorgebeugt werden. Ich ließ
den Kranken zwei Minuten lang athmen, das Bewußtsein dauerte zwar fort,
aber Empfindungslosigkeit trat ein. Es war meine Absicht, die Fistel mit
ihrer harten Umgegend in Gestalt eines Myrthenblattes aus zu schneiden,
die äußere Wunde durch umschlungene Insectennadeln zu vereinigen und
durch die innere Oeffnung der Wunde, welche durch eine eingelegte
Charpiekugel an der Heilung verhindert werden sollte, einen neuen
Abzugskanal für den Speichel in die Mundhöhle anzulegen. Dies wurde mit
dem Eintritt der Empfindungslosigkeit leicht ausgeführt, und der Kranke
drückte bei der Operation keinen Schmerz aus, versicherte, auch als er
wieder ganz klar wurde, nichts gefühlt zu haben.


_Operation eines Sarcoms aus der Rachenhöhle._

Ein Herr von einigen 50 Jahren, von zarter, reizbarer Constitution, litt
an einer geschwürigen Degeneration, welche die untere linke Seite des
Gaumensegels, den Ort des Sitzes und den oberen Theil des Schlundes bis
zu einer beträchtlichen Tiefe einnahm. Von seinem früheren Arzte war das
Uebel schon ein Mal durch die Exstirpation glücklich entfernt worden,
doch hatte sich ein Recidiv eingestellt, welches die abermalige
Operation nöthig machte. Wegen des hohen Grades der Reizbarkeit des
Kranken und der Oertlichkeit des Uebels, welche eine starke Blutung
besorgen ließ, wollte ich die Empfindungslosigkeit nur durch einige
Aetherathemzüge etwas vermindern. Nachdem die Inhalation ein Paar
Minuten lang gedauert hatte, begann ich die Operation. Die Zunge
wurde stark niedergedrückt, ein langer Doppelhaken eingeführt, und der
unterste Theil der Geschwulst fixirt. Hierauf umschnitt ich dieselbe mit
einem geraden, abgerundeten Fistelmesser und vollendete die
Abtrennung in der Tiefe mit einem gekrümmten und geknöpften Pott'schen
Fistelmesser. Dann wurde noch nachträglich eine zurückgebliebene, harte
Partie mit einer langen, gekrümmten Scheere entfernt. Die Blutung war
mäßig. Der liebenswürdige Kranke, welcher die Operation mit größter
Ergebung ertragen, meinte, die volle Empfindung des Schmerzes gehabt
zu haben. Joh. Müller erklärte die exstirpirte Geschwulst nur für ein
Sarkom.


_Operation der Gaumenspalte._

Ein 26jähriger Mann von blühender Gesundheit und großem, kräftigem
Körperbau, ließ sich einer angeborenen Spaltung des Gaumens wegen in der
Klinik aufnehmen, um durch die Operation von der Mangelhaftigkeit seiner
Sprache befreiet zu werden. Auch bei dieser Operation, welche zu den
schwierigsten gehört, wünschte ich die Aetherdämpfe zu prüfen. Nachdem
der Kranke fünf Minuten lang die Aetherdämpfe eingeathmet hatte,
stellten sich plötzlich mit Sinken des Pulses bedenkliche Erscheinungen
ein. Die Augen wurden stier, Todtenblässe bedeckte das Gesicht, die
Lippen wurden blau, und blaue Flecken zeigten sich auf den Wangen.
Besprengen mit kaltem Wasser, Waschen der Stirn und allerlei
erfrischende, kühlende Mittel wendeten die Gefahr ab. Bei dem noch halb
Betäubten begann ich nun die Operation. Die Ränder der Gaumenspalte
wurden mit einem Häkchen festgehalten und mit einem schmalen Messerchen
abgeschnitten, dann vier Hefte von Bleidraht, mit Stahlspitzen versehen,
mittelst einer Gaumenzange durch die Wundränder hindurchgeführt, die
Spalte durch das Zusammendrehen der Drähte vollkommen geschlossen, und
die Enden dann kurz abgeschnitten. Ganz empfindungslos war der Kranke
bei der Operation nicht, doch war der Schmerz geringer, als er sonst
dabei zu sein pflegt.


_Operationen von Drüsengeschwülsten._

Ein junger, kräftiger, 22jähriger Garde-Husar, welchen Hr.
Regiments-Arzt Puhlmann wegen einer aus großen Drüsenconvoluten
bestehenden Anschwellung der linken Seite des Halses und Nackens, Behufs
der Operation in das Klinikum sendete, bedurfte während sieben Minuten
des Einathmens der Aetherdämpfe, um empfindungs- und bewußtlos zu
werden. Zwei von oben nach unten herabgeführte, mit den Anfangs- und
Endpunkten zusammentreffende tiefe Schnitte, faßten die entartete Haut
und die verdorbenen Drüsen zwischen sich. Dann wurde die Haut von beiden
Seiten abgelöst, die kranken Gebilde mit Doppelhaken gefaßt und aus der
Tiefe exstirpirt. Erst nach Stillung der Blutung und der Anwendung
des kalten Wassers erholte sich der Kranke. Er versicherte während
der Anlegung des Verbandes, daß er volles Bewußtsein bei der Operation
gehabt, und dieselbe gefühlt, aber nicht die Schmerzen empfunden zu
haben. Sechs Wochen nach der ersten Operation war noch eine Masse
überflüssiger und entarteter Haut des Halses und eine große verhärtete
Drüse am hinteren Rande des Kiefers zu entfernen. Der Kranke nahm das
Rohr an den Mund und athmete mit wahrer Gier ein. Nach 4 Minuten war
er vollkommen betäubt. Ich umgab die entartete Hautpartie mit zwei
convexen, anderthalb Finger langen Schnitten, ließ sie mit der
Hakenzange anziehen und schälte die Drüse mit dem Messer, in die Tiefe
dringend, aus. Dann wurde die starke Blutung gestillt, worauf der Kranke
erwachte und angab, abermals nichts gefühlt zu haben.


_Theilweise Resectionen der Kiefer._

Der 38jährige Carl L. litt seit Jahren an einem Knochenschwamm des
vorderen Theils des Oberkiefers, wodurch die Schneidezähne nach innen
gegen den harten Gaumen zu gedrängt waren. Die Oberlippe deckte die
Geschwulst nicht mehr, so daß ihr vorderer Theil zwischen den Lippen
hervorragte. Die Geschwulst fühlte sich knorpelhart an und war mit der
Schleimhaut des Mundes bekleidet. Nach einem 4 Minuten langen Einathmen
der Aetherdämpfe trat eine stumpfe Betäubung ein. Ich konnte nun den
wuchernden Theil des Oberkiefers mit der Säge und dem Messermeißel
wegnehmen, ohne daß der Kranke durch irgend eine Bewegung oder einen
Laut eine schmerzhafte Empfindung verrieth, weder das Geräusch der
Säge noch das Schlagen mit dem Hammer wurden empfunden. Dieselbe
Unempfindlichkeit dauerte bei der Anwendung des Glüheisens auf die
Knochenwunde und bei der Wegnahme eines nach innen umgekehrten Zahnes
fort. Nach vier Minuten, -- so lange währte die Operation, kam der
Patient wieder zu sich. Er schien sehr heiter gestimmt zu sein, denn
als ich ihn fragte, ob er Schmerzen empfunden habe, lächelte er, ohne zu
antworten.

       *       *       *       *       *

Mad. G., eine zarte Dame, litt seit Jahren an einer Knochenauftreibung
der rechten Seite des Oberkiefers, welche bereits in cariöse Zerstörung
übergegangen war. Sie wollte sich der Operation nur unter der Bedingung
unterziehen, daß ich sie vorher ätherisirte. Dies geschah. Kaum hatte
sie einige Athemzüge gethan, als sie gleich einer Verklärten auf dem
Stuhle da saß. Mit einer kleinen Säge sägte ich den kranken Knochentheil
aus und stillte dann die Blutung. Die Kranke hatte bei der Operation
keinen Laut von sich gegeben und versicherte, nichts empfunden zu haben.
Auf meinen Wunsch gab sie mir eine Beschreibung ihres Zustandes, welche
gewiß vom höchsten Interesse ist, und für die ich derselben meinen Dank
hiermit abstatte.

»Trotz der großen Beängstigung hatte ich mir doch vorgenommen genau
aufzumerken, in welcher Art der Aetherrausch sich meiner bemächtigen
werde. Als ich den Schlauch an den Mund nahm, athmete ich zuerst nicht
stärker als gewöhnlich. Man sagte mir, dies reiche nicht hin, und
ich nahm nun stärkere Züge, die ich herunterschluckte, ohne daß ich
anfänglich irgend eine Wirkung auf meinen Körper bemerkte. Plötzlich
bekam ich ein Gefühl im Kopfe, als erweitere sich derselbe zu beiden
Seiten der Schläfen, und eine Müdigkeit befiel mich, die mir die Augen
schloß. Als ich dieselben öffnete, erkannte ich noch Alles und hörte
auch noch ganz deutlich. Indem ich sie aber wieder zumachte, war ich
wie in einem milden, gelblichen Lichtmeer. Ich sah noch einmal auf, sah
durchs Fenster den Tag und auf dem Fenster die Blumentöpfe. Von jetzt
an verstärkte sich die magische Helle vor den Augen; sie war nicht
imponirend, doch ungemein mild, klar und beruhigend. -- Ich empfand ein
ganz leises Auftupfen auf die rechte Hand, und hörte wie von fern her
die Frage des Hrn. Dieffenbach: »ob ich dies fühle?« Doch konnte ich
nicht mehr die Augen öffnen, und nur durch Zeichen es bejahen. Dann
hörte ich noch, wie dumpf verschollen, Bemerkungen der Aerzte, das Gehör
betreffend, (war jedoch im Stande, ihre Stimmen genau zu unterscheiden,)
und fühlte auch, daß ich unwillkürlich stöhnte. -- Doch hier hören meine
Beobachtungen auf. -- Ein Traum begann. -- Fortdauernd umflossen von
einer himmlischen Helle, umgab mich unbeschreibliche Ruhe, und eine
unnennbare Glückseligkeit und Zufriedenheit, der jeder irdische Wunsch,
jede menschliche Regung fern war, ergoß sich in meine Seele, die
zugleich ein unbestimmtes Gefühl, ich möchte es dem des Dankes am
nächsten stellen, empfand. Und wiederum war ich nicht unthätig, mir war,
als nahm ich großen Antheil an Etwas, das mich lebhaft interessirte,
ohne daß ich jetzt sagen könnte, welcher Art dies gewesen. -- Aber kein
leiser Anklang an Geschehenes, Vergangenes tauchte in mir auf, und den
tiefen, gottvollen Frieden störte nicht die entfernteste Rückerinneruug
an das Leben -- es war vergessen! -- Da schlug ich die matten Augen auf
-- ich war erwacht! -- Erst Verwunderung, dann ein Gefühl von Wehmuth
bemächtigte sich meiner, -- der schöne Traum war zerronnen! -- Ich wurde
mir bewußt, ich sei auf der Erde. Da hörte ich sprechen, sah die Herren
um mich, fühlte eine Art Druck im Munde und plötzlich fiel mir ein, daß
ich zu einer Operation mich gesetzt hatte! -- Aber die Instrumente waren
weg! Die Vorkehrungen waren beseitigt, und Blut an meinem Tuche bewies
mir, daß Alles geschehen sei. Mein Erstaunen war grenzenlos! -- Während
einer sonst gewiß sehr schmerzhaften Operation, vor der ich mich so
sehr geängstigt hatte, war ich ruhiger, glücklicher gewesen, als je eine
irdische Freude mich gemacht hat; während mein Körper den Leiden der
Erde unterworfen gewesen war, hatte meine Seele den Himmel geträumt! --
Von der Operation selbst hatte ich auch _nicht das Mindeste_ gefühlt!
Ich hatte weder Anfang noch Ende derselben bemerkt und keine einzige
unangenehme Empfindung gehabt. Jetzt fühlte ich mich matt, aber sonst
vollkommen wohl, nur waren meine Glieder etwas ungelenkig, und ob ich
gleich wieder ganz frei denken konnte, ging es mit dem Sprechen doch nur
langsam und schwach. Doch nach Verlauf einer Stunde war auch dies Alles
wieder zu seiner gehörigen Ordnung zurückgekehrt. Eigen und mir ganz
unbegreiflich ist noch, daß schon eine Weile vorher, ehe ich zum
Bewußtsein dessen kam, was um mich her vorging, ich Alles, was man von
mir wünschte, gethan haben soll, als: ein Glas gehalten, Wasser in den
Mund genommen u. s. w., dessen ich mich nachher durchaus nicht entsinnen
konnte.«

  ~M. G.~

       *       *       *       *       *

Wilhelmine B., ein 16jähriges Bauermädchen, litt seit einer Reihe von
Jahren an einer enormen Auftreibung des Unterkiefers, welche die unteren
Seitentheile und den Kinntheil einnahm und eine große Kugelgeschwulst
bildete. Die Krankheit, welche Johannes Müller unter dem Namen
Enchondrom so schön beschrieben hat, ist nach meinen Erfahrungen schon
dadurch heilbar, daß man die überflüssige Masse fortnimmt, worauf der
erhaltene Theil, sich rückbildend, wieder die Festigkeit des Knochens
annimmt. Nachdem die Aetherdämpfe 4½ Minute lang eingeathmet waren, trat
vollkommene Betäubung ein, worauf die auf dem Operationstisch sitzende
Kranke niedergelegt wurde. Ich spaltete nun die Mitte der von der großen
Knochengeschwulst weit ausgedehnten Lippe und Kinnhaut, vom Rande
der ersteren an bis einen Zoll vor dem Kehlkopf, führte hier einen
Querschnitt, und trennte dann die Weichgebilde von beiden Seiten in der
Gestalt großer Lappen von der Geschwulst ab. Hierauf setzte ich an
ihre Basis eine Messersäge und umsägte dieselbe von allen Seiten. Dann
meißelte ich von den eingesägten Furchen aus den ganzen Tumor mit einem
starken, breiten Messermeißel ab. Nach Stillung der Blutung und Wegnahme
der scharfen Knochenränder mit einer Knochenscheere, vereinigte ich die
Wundränder der Weichtheile, durch zwölf, theils umschlungene, theils
Knopf-Nähte. Unter die Lippen auf dem Knochen wurde ein Bausch-Charpie
gelegt. Die Kranke hatte bei der ganzen Operation keinen Laut von sich
gegeben und war auch nach derselben noch halb betäubt. Sie hatte keine
Art von Schmerzen empfunden.


_Operation des Schielens._

Hr. N., Pharmaceut, schielte mit dem rechten Auge sehr stark nach innen,
und wünschte davon befreit zu werden. Seine Empfindlichkeit für den
Aether war so groß, daß er schon durch das Vorhalten von einem mit
Aether besprengten Schwamm binnen 3 Minuten bewußt- und empfindungslos
wurde. Ohne daß er sich im mindesten regte oder einen Laut von sich
gab, konnte ich beide Augenlidhalter unter die Augenlider bringen, diese
auseinanderziehen, die Bindehaut durchschneiden, den stumpfen Haken
unter den inneren Augenmuskel bringen und diesen durchschneiden. Nach
der Operation, welche etwa 1/4 Minute gedauert hatte, kam der junge Mann
bald wieder zu sich und gab an, keine Schmerzen empfunden zu haben.

       *       *       *       *       *

Hr. Wilhelm E. schielte mit beiden Augen nach innen und wurde operirt,
indem ich den inneren geraden Augenmuskel durchschnitt. Die Operation
des linken Auges geschah ohne Aether, die des rechten mit demselben.
Ich fand keinen Unterschied in der Operation, sie war auf beiden Augen
gleich leicht und erforderte nur einige Augenblicke. Nach dem Erwachen
des Kranken, zu dessen Betäubung nur 1½ Minuten gehörten, gab er an, die
Operation des Auges, bei der er ätherisirt worden sei, gar nicht, die
andere nur wenig empfunden zu haben.


_Operationen von Wasserbrüchen._

Gottlieb L., 58 Jahr alt, mit einem großen Wasserbruch der rechten Seite
wurde drei Minuten lang ätherisirt, und dadurch völlig betäubt. Des
vorgerückten Alters wegen war die Radicaloperation hier unstatthaft,
und nur die Palliativoperation angezeigt. Weder beim Einstechen des
Troikars, noch beim Abfließen des Wassers, noch beim Herausziehen der
Röhre hatte der Kranke irgend eine schmerzhafte Empfindung.

       *       *       *       *       *

Ein junger Engländer, welchem ich die Radikaloperation eines
Wasserbruches unter Einwirkung der Aetherdämpfe machte, schrieb darüber
Folgendes wörtlich nieder.

»Den 10. März 1847 sollte ich an einer Hydrocele von Dieffenbach operirt
werden. Da ich beschlossen hatte, vor der Operation die Aetherdämpfe
einzuathmen, um den Schmerz zu vermeiden, so versuchte ich schon den
Abend vorher dies Mittel, um seine Wirkung auf mich zu prüfen. Als
ich ungefähr drei oder vier Minuten in tiefen Zügen eingeathmet hatte,
verdunkelten sich allmälig meine Sinne, während mein Geist wach blieb.
Dabei ging eine seltsame Verwandlung mit mir vor. Ich konnte mich
durchaus nicht erinnern, wo oder in welchen Verhältnissen ich wäre,
und fühlte bloß das lebhafteste Verlangen, bald zu mir zu kommen, aus
Furcht, es möchte mir in diesem befremdlichen Zustande etwas zu Leide
geschehen (lest I should be kidnapped in this strange state). In der
Absicht, mich zu vertheidigen, bewegte ich Hände und Füße lebhaft,
konnte aber nicht den Mund öffnen, um laut zu schreien. Nach dem
Erwachen wußte ich, daß ich unruhig gewesen war, und da ich deshalb für
den Erfolg der Operation fürchtete, nahm ich mir vor, am nächsten Tage
alle meine Willenskraft anzuwenden, um mich so viel als möglich ruhig
zu verhalten. Merkwürdiger Weise hatte mein Entschluß den gewünschten
Erfolg. Als ich den folgenden Tag auf dem Operationstische den Aether
wieder einathmete, verschwanden mir eben so schnell wie gestern meine
Sinne. Obgleich das Einathmen dieser Luft mir unangenehm war, hätte ich
es doch länger fortsetzen können, wenn mir nicht der Zweck desselben
ganz entfallen wäre. So wünschte ich, davon befreit zu werden, und stieß
nach ungefähr drei Minuten den Apparat aus dem Munde. Ich fühlte
mich nun wie in einen Traum versetzt, ohne klare Vorstellung von dem
operirenden Arzte oder den Umherstehenden oder den Händen, die mich
hielten. Nur die Idee, daß ich operirt werden solle, lebte in mir fort
und veranlaßte mich zu dem Ausrufe, die Operation jetzt zu beginnen.
Es wurde der erste Schnitt gemacht, der mir sehr oberflächlich zu
sein schien und den ich deutlich fühlte, ohne daß dieses Gefühl etwas
Schmerzhaftes hatte. Beim zweiten Schnitte hatte ich den Gedanken, daß
das Messer sehr scharf wäre und sehr sanft einhergleite; auch sei
dieser Schnitt tiefer und dauere länger als der vorhergehende. Lebhaften
Schmerz fühlte ich auch hier nicht, fürchtete aber, mein Muth könnte
mich verlassen, wenn ein dritter und tieferer Schnitt folgen sollte,
und streckte deshalb meinen Arm aus, damit die Assistirenden mich halten
mögten, wenn ich unruhig würde. Allein ich fühlte nicht, daß Jemand
mich angefaßt hätte. Plötzlich erwachte ich und wollte über meinen
sonderbaren Traum lachen. Nur der Schmerz, den ich jetzt zu fühlen
anfing, überzeugte mich, daß ich wirklich operirt worden war.

  Thomas Christie, st. phil. aus Glasgow.

       *       *       *       *       *

Einem 23jährigen Manne wollte ich einen großen Wasserbruch der rechten
Seite operiren. Vorher ließ ich ihn Aetherdämpfe einathmen. Anfangs
stieg in Folge des beschwerlichen Einathmens der Puls um dreißig Schläge
in der Minute, dann wurde er allmälig langsam, und zugleich trat leichte
Betäubung ein. In diesem Zustande verdrehte der junge Mensch die
Augen schrecklich. Jetzt machte ich den Hautschnitt, wobei er stark
zusammenfuhr, und hierauf ließ ich das Wasser durch die Durchschneidung
der Scheidenhaut aus, wobei ein nochmaliges Zucken erfolgte. Nachdem er
das Bewußtsein wieder erlangt hatte, sagte er, er habe sich selbst wie
todt gefühlt, aber an den dunkel empfundenen Schmerzen gemerkt, daß er
noch lebe.

       *       *       *       *       *

Gottfried M., einem 23jährigen, schlanken, großen Manne, mußte ich in
der Klinik einen großen Wasserbruch der rechten Seite operiren. Vorher
wurde er ätherisirt, athmete aber so schlecht, daß ich endlich davon
abstand, als der Kranke noch immer bei vollem Bewußtsein war, sprach und
ein natürliches Aussehen zeigte. Nachdem der Schnitt, wobei er gar nicht
zuckte, gemacht, und das Wasser abgelassen war, meinte er, nichts von
der Operation gefühlt zu haben.

       *       *       *       *       *

Ein anderer Patient befand sich, nachdem er fünf Minuten die
Aetherdämpfe eingeathmet, in solcher Betäubung, daß man ihn
empfindungslos glauben konnte, und daß man mit der Einathmung aus
Besorgniß für ihn nicht fortzufahren wagte. Gleich beim ersten
Messerzuge benahm sich der Kranke wie ein Betrunkener, der einen Schmerz
im Taumel undeutlich fühlt; er bewegte machtlos die Arme und stieß
unzusammenhängende, unverständliche Laute hervor. So blieb sein Benehmen
während der ganzen Operation, und sagte er, zu sich gekommen, aus, daß
er den Schmerz zwar gefühlt habe, aber sehr dumpf, ohne zu wissen, wo,
und was eigentlich mit ihm geschehen.

       *       *       *       *       *

Ein junger Mann mit einem Wasserbruch der linken Seite verfiel nach
einem fünf Minuten langen Einathmen der Dämpfe in einen einer Ohnmacht
ähnlichen Zustand, von höchster Erschlaffung des ganzen Körpers
begleitet. Nach der schnell vollführten Operation und der Anlegung des
Verbandes kam er wieder zu sich und drückte sein Erstaunen darüber aus,
daß die Operation, von welcher er nichts gefühlt habe, schon vorbei sei.

       *       *       *       *       *

Ein anderer junger Mann, welcher ebenfalls mit einem großen Wasserbruch
der rechten Seite behaftet war, hatte sich früher niemals zu der
Operation entschließen können. Die Hoffnung aber, durch Aether
empfindungslos zu werden, gab ihm jetzt den Muth, sich der Operation zu
unterziehen. Nachdem er vier Minuten lang die Dämpfe eingeathmet hatte,
machte ich den Schnitt. Der Kranke schrie dabei gewaltig auf und wollte
um sich schlagen, nachdem die Operation vorbei war. Es hatte für die
Anwesenden das Ansehen, als wenn der Pat. sehr gelitten hätte; er selbst
behauptete dies ebenfalls, hinterher aber verneinte er es und schob die
Schuld seines heftigen Betragens allein auf den Rausch.

       *       *       *       *       *

Franz B., 21 Jahr alt, athmete 2 Minuten lang, schien völlig betäubt,
und die Operation des Wasserbruchs sollte so eben beginnen, als er
mit dem Oberkörper in die Höhe fuhr und mit geöffneten Augen und
freundlichem Blicke die Versammlung in der Klinik ansah. Er athmete dann
nochmals zwei Minuten und wurde wieder betäubt, doch fing er an, sich
auf den Operationstisch hin und her zu wälzen, und mehrere Menschen
mußten ihn halten, so daß ich nur mit einigen Schwierigkeiten den
Hautschnitt und die Eröffnung mehrerer großen Wasserbehälter, deren
Wandungen sehr verdickt waren, bewerkstelligen konnte. Nachdem das
Wasser abgeflossen, und die Wunde verbunden war, sagte der Patient, er
habe heftige Schmerzen empfunden.


_Zerstückelung des Blasensteins._

Hr. C. R. R. aus Dresden, ein kräftiger Mann in den 50er Jahren, litt
an verschiedenen Beschwerden, welche gewöhnlich den Blasenstein
zu begleiten pflegen. Da ich die Blase für gesund, den Stein nach
angestellter Untersuchung nicht für sehr groß hielt, so beschloß ich die
Zerstückelung desselben. Die große Reizbarkeit des Kranken hätte mich
fast bestimmen können, dem Steinschnitt den Vorzug zu geben, wenn der
Patient nicht seinen Widerwillen gegen die blutige Operation ausgedrückt
hätte. Die Aetherisation, welche ich theils wegen der Korpulenz
und Vollblütigkeit des Kranken, theils um nicht ganz die Empfindung
aufzuheben, nicht über 5 Minuten auszudehnen wagte, führte nur
theilweise Bewußtlosigkeit herbei. Dann brachte ich den Kateter ein
und injicirte einige Unzen Wasser in die Blase. Dies ging gut und ohne
Schmerzen von Statten. Schwieriger war die Einführung des Steinbrechers,
wobei der Patient Schmerzen verrieth. Nachdem das Instrument in der
Blase angelangt war, faßte ich den Stein sogleich. Derselbe zeigte, wie
das Maaß angab, in der Direction, in welcher ich ihn ergriffen hatte,
den Durchmesser einer großen Pflaume. Er ließ sich mit Leichtigkeit
zerbrechen. Hierauf öffnete ich das Instrument noch 5 Mal, ergriff
größere und kleinere Stücke des gesprengten Steines, welche ich
zermalmte, und zog dann den Apparat heraus, da jede zu lang ausgedehnte
Session höchst gefährlich ist. Der Kranke war der Meinung, vollkommenes
Schmerzgefühl gehabt zu haben, woran ich indessen zweifle. Nach der
Operation zeigte er sich vollkommen munter, verlor die ersten Steine
gegen Abend, und konnte schon nach einigen Tagen spazieren gehen.

       *       *       *       *       *

Herr St. R. L. aus Schiefelbein, 64 Jahr alt, litt seit geraumer Zeit
an Steinbeschwerden. Er kam deshalb nach Berlin. Bei der Untersuchung
entdeckte ich einen Stein von mäßiger Größe. Dieserhalb und der normalen
Beschaffenheit der Blase wegen, zog ich die Zerstückelung des Steines
dem Schnitt vor. Nachdem der Kranke 3 Minuten lang ätherisirt worden
war, hörte die Empfindung und das Bewußtsein auf, so daß der Kateter
ohne Schmerz eingeführt, und einige Unzen Wasser eingespritzt werden
konnten. Dann zog ich den Kateter heraus und brachte eben so leicht
die Steinzange von Heurteloup ein, faßte, so wie ich dieselbe flach
niederlegte, den Stein sogleich in der linken Seite der Blase und
zerbrach ihn. Das Maaß gab einen Durchmesser des Steines von 8 Linien
an, doch war dies noch kein Beweis, daß ich ihn in seinem größten
Diameter gefaßt hatte. Ich ergriff noch zu 8 verschiedenen Malen, so oft
ich das Instrument aufthat, Stücke von 2, 3, 4 und 5 Linien, welche ich
zerbrach. Bei der ganzen Operation, welche 7 Minuten währte, gab der
Patient nur einige Male einen leisen Ton von sich, und als er erwachte,
lächelte er, war mit der Schmerzlosigkeit der Operation äußerst
zufrieden und klagte nicht über die geringste Empfindung in der Blase.
Noch an demselben Tage gingen mit dem hellen Wasser und dem Urin
Steinfragmente ab, eben so an den folgenden Tagen, wo das Befinden gut
blieb, so daß eine baldige Wiederholung der Zerstückelung der übrigen
Fragmente unternommen werden kann.


_Bruchoperationen._

Eine Frau von 40 Jahren, Mutter von zwölf Kindern, welche ich schon
vor ihrer Verheirathung durch die Operation von der Lebensgefahr eines
eingeklemmten Bruches befreit hatte, war so unglücklich, auch an
der linken Seite eine Brucheinklemmung und zwar die eines kleinen,
gefährlichen Schenkelbruches zu erleiden. Wie bei dieser Bruchart
überhaupt, welche wegen der Enge der Bruchpforte selten die
Zurückbringung ohne Operation gestattet, sondern dieselbe schnell
erfordert, um dem Brande vorzubeugen, so war auch hier wenig Aussicht,
die Einklemmung ohne operative Hülfe zu beseitigen. Alle bis dahin von
dem Hausarzte der Kranken, Hrn. Weidehaase, angewendeten Mittel und
Versuche, selbst die im Bade angewendete Taxis, waren fruchtlos gewesen.
Schon brach der dritte Tag der Einklemmung an, und die Gefahr war auf
das Höchste gestiegen; heftige Schmerzen im Unterleibe und anhaltendes
Erbrechen folterten die Kranke, und sie sehnte sich nun wirklich nach
der Operation.

Nachdem nur einige anscheinend ganz unwirksame Athemzüge aus der
Aetherflasche gethan waren, stieß die Kranke das Gefäß zurück und wollte
ohne Aether operirt sein. Ich glaubte auch, sie ohne diesen zu operiren,
aber indem sie hingelegt wurde, konnte ich die ganze, einige Minuten
dauernde Operation vollenden, ohne daß auch nur ein Schmerzenslaut
gehört worden war. Bei andauerndem Bewußtsein war hier also völlige
Gefühllosigkeit eingetreten. Der Bruchsack war äußerst dünn, wie
Postpapier, halb durchsichtig, die Darmschlinge noch von guter
Beschaffenheit, nur braunroth gefärbt und hatte die Größe einer Wallnuß.
Die Kranke wurde verbunden und ins Bette gebracht.

       *       *       *       *       *

Eine 48jährige Frau kam mit einer dreitägigen, von den drohendsten
Symptomen begleiteten Einklemmung eines Schenkelbruches der linken
Seite in die Klinik. Alle vorher unternommenen Versuche, den Bruch
zurückzubringen, waren vergeblich gewesen, und jeder neue Versuch mußte
bei dem hohen Grade der Entzündung die Gefahr nur steigern. Ich nahm
daher die Operation vor, ließ die Kranke nur zwei Minuten Aetherdämpfe
athmen, worauf sie empfindungs- und bewußtlos da lag. Jetzt machte
ich den ersten Schnitt durch die Weichtheile und eröffnete dann den
Bruchsack. Die sich nun zeigende eingeklemmte Darmschlinge war schon
blauschwarz; sie wurde nach dem Einschneiden der Bruchpforte in die
Bauchhöhle zurückgeschoben, und dann die Wunde verbunden. Während der
ganzen Operation, welche freilich nur einige Augenblicke gedauert hatte,
gab die Kranke auch nicht das mindeste Zeichen von Schmerz, sie lag
regungslos da, ohne einen Laut von sich zu geben. Erst nachdem sie zu
Bette gebracht, und das Gesicht mit kaltem Wasser besprengt worden war,
kehrte das Bewußtsein zurück, und noch später überzeugte sie sich erst,
daß die Operation überstanden sei.

       *       *       *       *       *

Ein wie ein Hühnerei großer, angewachsener Leistennetzbruch der
rechten Seite, welcher einige Male die Veranlassung zu gefährlichen
Darmeinklemmungen gegeben hatte, veranlaßte eine 34jährige Frau, sich in
die Klinik zu begeben, um sich der Operation zu unterziehen. Kaum hatte
sie vor derselben drei Minuten lang Aetherdämpfe eingeathmet, als
sie regungslos da lag. Ich spaltete die Haut und die auf dem Bruche
liegenden Theile, eröffnete den Bruchsack, schnitt das Netz ab, legte
den Verband an, und erst nachdem die Kranke in ihrem Bette fortgetragen
war, erfuhr sie, daß sie schon operirt worden sei. Sie selbst wußte
nichts davon.

       *       *       *       *       *

Wittwe S., 61 Jahr alt, in der Klinik, athmete nur 2 Minuten lang und
verfiel in einen Zustand so sanfter Betäubung, wie man sich dieselbe bei
allen Operationen wünschen mögte, denn sie lag regungslos da, ohne daß
ihr Gesicht, der Athem und der Puls nur im mindesten besorgt machen
konnten. Hierauf begann ich die Operation eines merkwürdigen rechten
äußeren Leistenbruches, dessen bereits seit 5 Tagen bestehende
Einklemmung von Erbrechen und Stuhlverstopfung begleitet war. Die Haut
über der Geschwulst erschien geröthet, und die darunter liegenden Theile
fest und entzündet. Beim Hautschnitt zeigte sich dies noch deutlicher.
Nachdem eine dicke Bruchhülle gespalten und zurückgeschlagen war,
zeigte sich eine runde, aschgraue Geschwulst von der Größe einer kleinen
Wallnuß, welche einer brandigen Darmpartie ähnlich sah. Nachdem ich
diese eröffnet hatte, flossen einige Tropfen molkigen Wassers ab, und
kam ein dünnes, zersetztes, etwa einige Gran schweres Netzblättchen zu
Gesicht, nach dessen Entfernung eine kleine, seitlich zusammengefaltete
Darmwand von dunkelbrauner Farbe erschien. Ich nahm dann mit einem
schmalen, geknöpften Bruchmesser die Erweiterung der Bruchpforte vor
und konnte nun sogleich die Darmwand in die Bauchhöhle zurückschieben.
Hierauf wurde der vordere, am meisten verdickte Theil der Bruchhülle
mit der Scheere abgeschnitten, und die Wunde mit Charpie und Pflaster
verbunden. Bei der ganzen Operation hatte die Kranke sich nicht geregt,
durch keine Miene eine Schmerzempfindung verrathen oder einen Laut von
sich gegeben. Als sie erwachte, wußte sie nicht, daß sie schon operirt
worden sei.

       *       *       *       *       *

Ein 42jähriger Arbeiter in einer Zuckerfabrik wurde in die Klinik
gebracht. Derselbe war seit Jahren mit einem rechten Schenkelbruch
behaftet, welcher sich früher schon eingeklemmt hatte, aber
zurückgebracht werden konnte. Der Kranke wurde jetzt durch ein neues
Hervortreten einer kleinen Darmpartie, welche seit 4 Tagen eingeklemmt
war, in die größte Lebensgefahr versetzt. Heftige Schmerzen im Leibe,
große Empfindlichkeit des Bruches und immer zunehmendes Erbrechen
machten die Operation um so dringender nöthig, als bei der schmerzhaften
Anschwellung des Bruches nicht mehr an eine Zurückbringung desselben zu
denken war, und durch jeden erfolglosen Versuch die Entzündung vermehrt
werden mußte. Nachdem der Kranke vier Minuten lang die Aetherdämpfe
eingeathmet hatte, wobei er in eine widerstrebende Aufgeregtheit
gerieth, stellte sich in dem Augenblicke, wo er empfindungslos wurde,
ein unangenehmer Rausch bei ihm ein. Er redete irre, warf sich hin und
her, wollte aufspringen und sich nicht operiren lassen. Dann legte er
sich wieder nieder, und während er wild und verworren sprach, machte ich
die Operation; ich durchschnitt die Weichtheile und fand einen
alten, harten, verdickten Bruchsack von der Größe einer Wallnuß. Der
Schenkelring war sehr eng, weshalb ich ihn vor der Eröffnung des Sackes
durch einen Einschnitt erweiterte. Hierauf öffnete ich den fleischigen,
blutreichen Bruchsack und schob die darin angeklebte, dem Brande nahe
Darmpartie in die Bauchhöhle zurück. Dann wurde der Kranke verbunden.
Auf mein Befragen, ob er Schmerzen bei der Operation gehabt habe? sagte
er: »fürchterliche«, und erzählte dann noch mit lallender Zunge, wie ein
Trunkener, von seinen ausgestandenen Leiden. Ganz glaubwürdig schien mir
dies aber nicht.

       *       *       *       *       *

Wilhelm W., 1 Jahr alt, ein schöner, kräftiger, blonder Knabe, hatte
einen angebornen äußeren Leistenbruch der rechten Seite. Derselbe
war seit 24 Stunden eingeklemmt, und alle Versuche, denselben
zurückzubringen, vergebens gewesen. Die Bruchgeschwulst hatte die
Größe einer großen Pflaume, war prall, fest und sehr empfindlich.
Alle ferneren Repositionsversuche schienen gefährlich, weshalb ich
die Operation nach vorheriger Aetherisirung vornahm. Es dauerte aber 4
Minuten, bis das kräftige, stark schreiende Kind betäubt wurde. Nachdem
ich nun die Hautdecken gespalten hatte, eröffnete ich die den Darm
einschließende Scheidenhaut auf einer spitzigen Rinnsonde. Es floß
etwa eine Drachme violetten Blutwassers ab. In der vergrößerten Wunde
erschien jetzt die blauroth gefärbte, 3 Zoll große Dünndarmschlinge,
an deren Seite sich bereits einige blauschwarze, verdächtige Flecke
zeigten. Ungeachtet der Bruch ein angeborner war, war der Leistenring
äußerst eng, so daß der Darm dadurch wie durch ein fest umgelegtes Band
zusammengeschnürt wurde. Nachdem ich die Bruchpforte nach verschiedenen
Seiten eingeschnitten und dadurch erweitert hatte, gelang mir durch
sanfte Manipulationen erst nach einer Weile die Zurückbringung des
Darmes. -- Obgleich das Kind vollkommen betäubt wurde, so war in diesem
Falle die Aetherisation doch ohne alle Hülfe bei der Zurückbringung des
Darmes; ihr Nutzen war aber dennoch hoch anzuschlagen, weil das Kind von
alle dem, was mit ihm geschah, nichts fühlte. Erst einige Minuten nach
Beendigung der Operation und Anlegung des Verbandes kehrte Bewußtsein
und Empfindung zurück.

       *       *       *       *       *

Mad. A., einige 40 Jahre alt, litt seit einer Reihe von Jahren an einem
linken Schenkelbruch. Der großen Empfindlichkeit des Bruches wegen
konnte sie kein Bruchband tragen, und ohne dieses trat der Bruch heraus.
Um die Gefahr einer Einklemmung abzuwenden und sie in den Stand
zu setzen, ein Bruchband tragen zu können, unternahm ich in
Uebereinstimmung mit ihrem Arzte, dem Hrn. Dr. Koner, die Operation.
Vorher athmete die zarte, reizbare Kranke einige Minuten die
Aetherdämpfe. Sie verlor danach das Bewußtsein keinesweges, doch schien
die Empfindlichkeit etwas abgestumpft zu sein. Nach Durchschneidung der
Weichgebilde und Eröffnung des Bruchsackes, fand sich dieser mit einer
klaren Flüssigkeit angefüllt, und auf seinem Grunde, am Rande des
Schenkelringes ein angewachsenes, hartes, kleines Netzstück, welches ich
abschnitt. Der Bruchsack wurde mit Charpie angefüllt, und die Wunde mit
Pflasterstreifen bedeckt. Die Kranke, welche bei der Operation keinen
Laut von sich gegeben hatte, war indessen der Meinung, den natürlichen
Grad des Schmerzes empfunden zu haben.

       *       *       *       *       *

Bei nicht eingeklemmten Brüchen, welche durch ein gutes Bruchband
zurückgehalten werden können, bin ich gegen alles Operiren. Noch weit
mehr bei denen, welche nicht zurückgehalten werden können, weil es da
noch gefährlicher ist und noch weniger hilft. Ich sage wie Lawrence:
»Wer einen eingeklemmten Bruch hat, unterwirft sich der Operation, um
sein Leben zu retten. Derjenige aber, der sich einen nicht eingeklemmten
Bruch operiren läßt, setzt sein Leben auf das Spiel, um einiger
Beschwerden überhoben zu werden, und die Operation giebt ihm doch keine
andere Aussicht zur gänzlichen Heilung, als er auch ohne dieselbe gehabt
haben würde.« Die frühere Chirurgie zeigt uns eine grausenvolle Menge
von Todesfällen nach den Versuchen der radicalen Heilung der Brüche,
und die Ueberlebenden waren meistens nicht geheilt. Die Gerdy'sche
Invagination ist freilich minder gefährlich als manche andere Methode,
doch meistens ohne Erfolg, auch nicht ohne Todesfälle. Unzähligen
Personen, an denen die Operation in und außerhalb Deutschlands erfolglos
gemacht worden, und welche mich um Rath fragten, weil sie nicht geheilt
waren und nach wie vor ihr Bruchband trugen, sagte ich, sie sollten es
nur fort tragen. -- Ein junger Mann wollte mich einstens fast zwingen,
ihn zu operiren, aber ich wollte nicht. Darauf stieß er sich einen
gekrümmten Troikar in die Gegend des Bruches in dem Wahn ein, sich
selbst heilen zu können. Ich fand ihn in seinem Blute. Doch starb er
nicht. -- Einen ähnlichen Bruchpatienten mit zwei äußeren Leistenbrüchen
sollte ich kürzlich davon befreien. Diese Idee war bei dem
liebenswürdigen, braven, jungen Manne so fix geworden, daß er das Zimmer
nicht mehr verließ und immer hinter herabgelassenen Rouleaux saß. Nichts
vermochte ihn von seiner Hypochondrie zu heilen. Ich durchschnitt ihm
die krallenförmig zusammengezogenen, das Gehen erschwerenden Beugesehnen
der Zehen, -- er blieb immer bei seinen Brüchen. Nur die Furcht vor
Geistesstörung oder noch etwas Schlimmerem ließ mich endlich an die
unheimliche Invagination denken. Ich nahm diese zuerst an dem
rechten, größeren Bruche vor. Der Kranke ward nach fünf Minuten langem
Aetherisiren sehr unruhig, sprach verworren und versicherte nach
Beendigung der Operation, daß die Schmerzen sehr groß gewesen wären,
obgleich dieselbe nur in der Einschiebung einer Hautfalte in den
Leistenkanal und dem Anlegen einer Naht bestanden hatte.

Vierzehn Tage nach der Operation des Bruches an der rechten Seite, bei
der die Heilung durch Bildung eines Abscesses oberhalb der Leistengegend
gestört war, der indessen nach früher Eröffnung keine weiteren üblen
Folgen hatte, nahm ich die Operation an der linken Seite vor. Binnen
drei Minuten war der Patient vollkommen betäubt. Ich invaginirte die
Haut in dem Leistenkanal und befestigte sie mit einem Doppelstich,
wobei mittelst der Fadenschlinge ein Schwammstück mit in den
Kanal hineingezogen, und die Enden auswendig auf einem zweiten
zusammengeknüpft wurden. Dies war das Werk eines Augenblicks. Beim
Erwachen war der Kranke erstaunt, daß die Operation vorüber sei, von der
er diesmal nichts gefühlt hatte.


_Operation einer angebornen Phimose._

Ein 1½jähriger Knabe litt an einer angebornen Phimose. Des hohen Grades
des Uebels wegen sammelte sich der Urin hinter der Vorhaut, so daß diese
blasenförmig aufgetrieben wurde, worauf er dann in einem feinen Strahl
und zuletzt tropfenweise aus der haarfeinen Oeffnung abging. Da die
Operation nicht länger aufgeschoben werden konnte, so ätherisirte
ich das unruhige Kind durch Vorhalten eines mit Aether angefeuchteten
Schwamms. Nach anderthalb Minuten wurde es ruhig und schloß die Augen.
Beim Abschneiden der Spitze des Präputiums und bei der Spaltung der
inneren Lamelle ließ das Kind einen dumpfen Seufzer vernehmen, schien
übrigens nicht zu leiden.


_Operation eines Mastdarmpolypen._

Friedrich P., ein schöner, 5jähriger Knabe litt seit langer Zeit an
Blutungen aus dem Mastdarm, welche durch einen Polypen hervorgebracht
wurden. Nach 2 Minuten der Aethereinathmung wurde das Kind bewußtlos.
Ich führte einen Finger in den Mastdarm, brachte dann einen zwei Zoll
von der Oeffnung aufsitzenden Polypen von der Gestalt, Größe und Farbe
einer dunkelrothen Gartenerdbeere heraus und durchschnitt den dünnen,
sehnigen Stiel. Das Kind hatte von der Operation nichts gefühlt und kam
dann bald wieder zu sich.


_Operation eines Mastdarmvorfalls._

Ein fremder Herr, 57 Jahre alt, von kräftigem Körperbau, seit vielen
Jahren mit einem wie ein Hühnerei großen prolapsus ani behaftet, welcher
die Quelle unsäglicher, das Leben verbitternder Leiden geworden war,
entschloß sich zur Operation unter der Einwirkung der Aetherdämpfe. Der
Kranke athmete lange und tief, aber er wurde nicht betäubt, auch nicht
empfindungslos. Da dann in Folge des langen Einathmens das Gesicht
dunkelroth wurde, so ließ ich ihn aus Besorgniß, daß es zu viel werden
könnte, den Dunst nicht mehr einziehen; auch sagte er mir, »es wird
Ihnen nicht helfen, ich bin zu sehr an starke Getränke gewöhnt.« Ich
schnitt nach vorher durchgeführten Fäden aus den vorliegenden, zum
Theil entarteten Darmpartien, zwei große Keilstücke aus, vereinigte die
Wundränder, stillte dadurch die heftige Blutung und reponirte den Rest.
Obgleich sich der Aether hier anscheinend ganz unwirksam zeigte, und der
Kranke sich sehr über Schmerzen beklagte, so schienen mir dieselben doch
nicht in dem Grade stark zu sein, wie ich sie sonst bei dieser Operation
wahrgenommen hatte.


_Operation eines Panaritiums._

Dieser Fall ist durch das häufige Vorkommen des Uebels ohne alles
Interesse, merkwürdig dagegen durch den so unerhört schnellen Eintritt
der Betäubung. Eine Dame von einigen dreißig Jahren war seit 8 Tagen
durch ein Panaritium am linken Zeigefinger von den fürchterlichsten
Schmerzen, welche ihr den Schlaf raubten, gefoltert. Sie wollte nicht
einmal die Berührung des kranken Fingers erlauben, noch weniger sich
zu einem Einschnitt verstehen, obgleich ich ihr sonst den Verlust oder
wenigstens die Verkrümmung des Zeigefingers prophezeite. Als ich
ihr dann die vorherige Betäubung durch Aether empfahl, willigte sie
wenigstens darin, einen mit Aether befeuchteten Schwamm vor Mund und
Nase zu halten. Ich befeuchtete nun einen Schwamm von der Größe einer
großen Untertasse mit Aether, drückte denselben aus und ließ ihn
unmittelbar auf Mund und Nase legen. Zu meinem größten Erstaunen
trat schon nach 1/3 Minute völlige Empfindungslosigkeit mit gänzlich
aufgehobenem Bewußtsein ein. Alle Sinne, selbst das Gehör waren
aufgehoben, und der Puls äußerst langsam. Ich machte jetzt, ohne daß die
Kranke es nur im Geringsten merkte, an der einen Seite des Fingers einen
Einschnitt bis auf die Knochen, worauf sich eine Menge Eiter entleerte.
Noch immer lag die Kranke in tiefer Betäubung da, und erst nach dem
Besprengen mit kaltem Wasser öffnete sie die Augen und erhob sich, noch
in dem Glauben stehend, der Schnitt soll erst jetzt vorgenommen werden.


_Amputationen größerer Glieder._

August S., ein Mann von 39 Jahren, litt an einer cariösen Zerstörung der
Knochen der Handwurzel und Hand, welche keine Hoffnung auf Heilung mehr
zuließ. Nur die Amputation konnte dem Kranken noch das Leben retten.
Derselbe wurde zuvor ätherisirt. Es dauerte vier Minuten, bis Betäubung
eintrat. Ich machte die Cirkel-Amputation über dem Handgelenk. Weder
beim Durchschneiden der Haut, noch der Muskeln und der Durchsägung
der Knochen gab der Kranke ein Zeichen des Schmerzes von sich, er lag
regungslos da, und selbst die Unterbindung der Gefäße und das Anlegen
des Verbandes konnte vor dem Erwachen des Patienten vorgenommen
werden. Erst dann brach er nach einem Gestöhn in die Worte aus, er sei
betrunken, und wir Alle. Hierauf ward er wieder vollkommen verständig,
stieg, ohne daß er unterstützt werden wollte, vom Operationstisch. Als
ich ihn fragte, haben Sie Schmerzen gefühlt? »Nein. Ich habe zwar etwas
empfunden, aber keine Schmerzen, es war mir nur, als ob ich angefaßt
würde.«

       *       *       *       *       *

Henriette W., 38 Jahre alt, von großem, kräftigem Körperbau, war mit
einem rechten Klumpfuß höheren Grades geboren. Das Uebel war nicht
geheilt und hatte Gelegenheit zu schwieliger Entartung des Fußes, zu
großen, callösen Fußgeschwüren und endlich zur speckigen Degeneration
des Unterschenkels gegeben. Das Glied hatte die Dicke und Form eines
Elephantenbeins und war nicht mehr zu heilen. Nur die Amputation konnte
allenfalls das Leben noch retten. Nach vier Minuten langem Einathmen
der Aetherdämpfe wurde die Patientin vollständig betäubt. Auf dem
Operationstisch liegend, den gesunden Fuß auf einen Stuhl gestützt, den
rechten von geübten Assistenten gehalten, machte ich den Cirkelschnitt
dicht über dem Kniegelenk; durchschnitt beim ersten Schnitt die Haut,
beim zweiten die dicken Muskeln mit einem Zuge, schob die Weichgebilde
mit meinem Retractor zurück und sägte den Knochen ab. Dies war das Werk
einiger Sekunden. Kein Laut des Schmerzes oder des Unbehagens vernahm
man dabei. Dann wurden die Arterien unterbunden, und der Verband
angelegt. Jetzt kehrte das Bewußtsein allmälig zurück. Die Kranke sprach
jetzt die Worte: »warum weckt ihr mich? wo war ich denn? es war so
schön, ich war in einem schönen Garten mit Blumen, warum habt ihr mich
denn aufgeweckt?« Sie blickte umher, machte eine schüttelnde Bewegung
mit dem Kopfe und sank gleichsam einschlummernd zurück. Sie wurde dann
vom Tisch ins Bette gelegt und auf ihr Zimmer gebracht.


_Sehnen- und Muskeldurchschneidungen._

Hermann B., 2½ Jahr alt, war mit einer rechten Klumphand des
höchsten Grades geboren. Vor der Operation athmete er 6 Minuten lang
Aetherdämpfe, bis Empfindungslosigkeit eintrat. Bis dahin hatte
er fortwährend geschrieen, jetzt aber wurde die Stimme matter und
veränderte sich auch nicht weiter während der subcutanen Durchschneidung
der verkürzten Beugesehne der Handwurzel und Hand. Dann wurde der
Verband angelegt, wobei sich das Kind wieder munter zeigte.

       *       *       *       *       *

Friedrich J., 24 Jahre alt, hatte in Folge eines Panaritiums des rechten
kleinen Fingers eine Verkrümmung des höchsten Grades erlitten, welche
mehr Folge einer faltenförmigen Längennarbe als einer Sehnencontractur
war. Der Aether betäubte ihn binnen vier Minuten. Die Operation mußte
eine complicirte sein, da die bloße quere Durchschneidung der Narbe
keinen Erfolg haben konnte. Ich führte längs der Narbe an beiden Seiten
zwei Schnitte herab, welche zu Anfang der Handfläche mit abgerundeter
Spitze zusammentrafen, und durchschnitt hier die Beugesehne. Dann wurde
der Hautstreifen bis gegen die Fingerspitze hin gelöst, der Finger etwas
gestreckt, der Hautstreifen nach vorn gerückt und an die seitlichen
Wundränder mit Nähten befestigt. Er diente zur Deckung der beiden
vorderen Glieder, während die Wundränder der hinteren durch
Pflasterstreifen einander genähert waren. Der Kranke gab nach
überstandener Operation an, dieselbe wenig empfunden zu haben.

       *       *       *       *       *

Carl R., 42 Jahre alt, erlitt eine schwere Verletzung des linken
Unterschenkels, wobei der Fuß nach außen verrenkt, das Wadenbein über
dem äußeren Knöchel gebrochen, die Gelenkkapsel an der inneren Seite des
Fußes sammt der äußeren Haut zerrissen wurde, so daß der ganze innere
Knöchel nackt hervortrat. Da man den Fuß nicht hatte wieder einrenken
können, so war die Heilung in dieser widernatürlichen Stellung erfolgt,
der herausgetriebene innere Knöchel angeschwollen und mit einer dünnen
Haut bedeckt. In diesem Zustande kam der Kranke noch vor der Aetherzeit
in die Klinik. Ich umgab den Knöchel mit zwei halbmondförmigen
Schnitten, präparirte die Haut an beiden Seiten ab, sägte den Knöchel
aus und brachte den Fuß in eine fast natürliche Stellung, so daß die
Sohle dem Boden wieder zugekehrt war. In dieser Richtung wurde das Glied
einige Monate lang bis zur Heilung erhalten. Die Stellung war aber noch
nicht ganz günstig, indem die Ferse zu hoch, und die Spitze des Fußes zu
tief stand, so daß jene den Boden nicht erreichen konnte, wie dies
beim dritten Grade des Pferdefußes der Fall ist. Es mußte also die
Achillessehne durchschnitten werden. Nachdem der Patient vorher 2
Minuten lang ätherisirt worden war, durchschnitt ich die Sehne 1½ Zoll
über der Ferse; die Enden wichen sogleich weit auseinander, und ich
konnte den Fuß in eine bessere Stellung bringen. Beim Schnitt schrie der
Kranke auf, erinnerte sich aber beim Erwachen nicht, daß er Schmerzen
empfunden habe. Dann wurde das Glied verbunden.

       *       *       *       *       *

Hr. B., Kaufmann, 30 Jahre alt, war mit einem niedrigen Grade des
Klumpfußes beider Extremitäten gekommen. Die Füße waren nur wenig
verdrehet, aber kurz, die Sohle stark ausgehöhlt, der Rücken des
Fußes gewölbt, die Zehen stark zurück- und dabei krallenförmig
zusammengezogen. Nach fünf Minuten langem Einathmen war der Kranke
vollkommen betäubt. Ich durchschnitt darauf die zusammengezogenen Sehnen
an der Fußsohle und sämmtliche Sehnen aller Zehen, ohne daß der Patient
zuckte oder einen Laut von sich gab. Nachdem er wieder zu sich gekommen
war, versicherte er, einige Schmerzen bei der Operation empfunden zu
haben.

       *       *       *       *       *

Wilhelm B., 19 Jahre alt, litt an Plattfüßen. Der linke hatte den
vierten, der rechte erst den dritten Grad erreicht. Ersterer machte dem
Kranken beim Gehen große Beschwerde, da der innere Knöchel als großer
Buckel hervorragte und der Patient großentheils auf dem inneren Fußrande
zu gehen genöthigt war. Die Wadenmuskeln waren erschlafft, sämmtliche
Strecksehnen und der lange Wadenbeinmuskel stark zusammengezogen. Nach
3 Minuten der Aetherisation trat völlige Betäubung ein, so daß ich alle
Strecksehnen und den langen Wadenmuskel durchschneiden konnte, ohne daß
der junge Mensch das Mindeste davon empfand. Erst nach Beendigung der
Operation, bei der Geradrichtung des Fußes, während der Verband angelegt
wurde, drückte er eine geringe Schmerzempfindung aus.

       *       *       *       *       *

Bei einem jungen Manne von 24 Jahren, welcher an einem hohen Grade der
seitlichen Einbiegung des linken Kniegelenks litt, so daß Unter- und
Oberschenkel zusammen einen stumpfen Winkel bildeten, das Gehen äußerst
unvollkommen und krüppelhaft war, sollten die Sehnen an der äußeren
Seite des Kniegelenkes durchschnitten werden. Kaum hatte der Kranke
einige Minuten die Aetherdämpfe geathmet, als er plötzlich unter wildem
Geschrei um sich schlug und tobend Alle angriff, welche ihn umgaben.
Acht Menschen rangen mit ihm, um zu verhindern, daß er sich kein Leid
zufüge, und fortwährend vertheilte er Faustschläge nach allen Seiten
hin. Dieser Sturm dauerte vier bis fünf Minuten, dann trat einige Ruhe
ein, welche ich benutzte, um von kleinen Stichwunden aus die verkürzten
Sehnen und Muskeln zu durchschneiden. Nach dieser blutlosen Operation
wurde der Verband angelegt. Der Kranke befand sich jetzt in einer
weichen, weinerlichen Stimmung, nickte wie ein Närrischer noch
fortwährend mit dem Kopfe, machte tausend Entschuldigungen über sein
Betragen, dessen er sich zum Theil bewußt war, versicherte aber, von der
Operation selbst nichts gefühlt zu haben.

       *       *       *       *       *

Ein junger Mann von 26 Jahren litt in Folge einer in früher
Jugend überstandenen scrophulösen Knieentzündung an einer starken
Einwärtsbiegung des Gliedes. Nur durch die Durchschneidung der äußeren
Sehnen, besonders der des zweiköpfigen Muskels, und eine zweckmäßige
orthopädische Nachbehandlung war die Heilung möglich. Vorher mußte
er sieben Minuten lang Aetherdämpfe einathmen. Erst dann trat
Empfindungslosigkeit mit theilweise aufgehobenem Bewußtsein ein. In dem
Augenblicke, wo ich die Sehne unter der Haut zu durchschneiden begann,
erfolgte ein Ausbruch von Wuth, wobei der Kranke die Augen fürchterlich
rollte und um sich schlug. Dabei war er mit Schweiß bedeckt und verrieth
eine unbeschreibliche Angst. Dann ließ der Sturm der Erscheinungen nach,
mildere Empfindungen traten an die Stelle der heftigen, und die Scene
endete mit scherzhaften Gestikulationen, unaufhörlich freundlichem
Kopfnicken und freundlichem Bitten um Verzeihung, wenn etwa das Betragen
nicht ganz anständig gewesen wäre. »Aber ich konnte nicht anders, sagte
der gute Mensch, ich mußte das thun; daß ich operirt bin, glaube ich,
weil Sie es mir sagen, und ich mein Knie verbunden sehe, gefühlt habe
ich aber gar nichts.«

       *       *       *       *       *

Fräulein Rosalie M. aus Polen, 22 Jahre alt, hatte vor einem Jahre in
Folge einer scrophulösen Entzündung des linken Kniegelenks, welche in
cariöse Zerstörung übergegangen war, eine Verkrümmung des Gliedes
im rechten Winkel erlitten. Das Glied war abgemagert und im Gelenke
verwachsen. Die Kranke athmete 2 Minuten lang die Dämpfe, worauf sie
völlig betäubt wurde. Bei der Anwendung der nöthigen Kräfte trennte sich
die Verwachsung im Gelenk wieder, worauf ich sämmtliche verkürzte Sehnen
in der Kniebeuge von feinen Einstichspunkten aus durchschnitt, dann das
Glied möglichst gerade bog und den Verband anlegte. Das Alles geschah in
wenigen Augenblicken, und als die Kranke wieder erwachte, glaubte sie,
geträumt zu haben.

       *       *       *       *       *

Ein Knabe von 13 Jahren mit einer Verkrümmung beider Knieen, wurde in
die Klinik Behufs der Operation und Geraderichtung aufgenommen. Nachdem
ich ihn zuvor 4 Minuten lang Aetherdämpfe hatte einathmen lassen,
trat urplötzlich die Wirkung des Mittels, welche sich als ein äußerst
heiterer Rausch zeigte, ein. Er war so ausgelassen, daß er den Zuhörern
die Zunge zeigte und sie unter den sonderbarsten Grimassen verhöhnte.
Von der Operation, welche in der Durchschneidung der verkürzten Sehnen
unter der Haut und wegen des aufgehobenen Widerstandes in leichter
Streckung der Glieder bestand, verspürte er durchaus nichts. Auch
nach der Anlegung des Verbandes blieb er noch eine Weile in dieser
ungebundenen Heiterkeit.

       *       *       *       *       *

Ein junger Jurist, welcher seit seiner Kindheit in Folge einer
scrophulösen Gelenkentzündung an einer Verkrümmung des linken
Kniegelenks in einem so hohen Grade litt, daß der Unterschenkel mit dem
Oberschenkel einen Winkel bildete, sollte mittelst Sehnendurchschneidung
von dieser Mißbildung befreit werden. Nachdem derselbe zuvor vier
Minuten lang die Aetherdämpfe eingeathmet hatte, trat plötzlich ein
hoher Grad von Betäubung mit vollkommener Empfindungslosigkeit ein. In
diesem Augenblick führte ich ein strohhalmbreites, sichelförmiges Messer
durch einen kleinen Einstich ein, und durchschnitt die stark verkürzten
Sehnen und die Sehnenhaut in der Kniekehle, welche sich dann, nachdem
der Widerstand aufgehoben war, in eine fast normale Stellung bringen
ließ. Dann wurde ein leichter Verband angelegt. Ich lasse den Kranken
mit eigenen Worten seinen Zustand während der Operation beschreiben.

»Nachdem ich drei oder vier Züge von dem Aetherdunst genommen hatte,
merkte ich, wie ich davon berauscht wurde. Ich fiel um, empfand aber
noch, wie man mich halten wollte. Nachdem ich mit dem Kopfe auf
das Kissen niedergesunken war, dachte ich: Sie haben dir zu viel
beigebracht, nun ist es aus mit dir! Dabei empfand ich, wie man sich mit
mir beschäftigte, wahrscheinlich um mich in die zur Operation
nöthige Lage zu bringen. Zugleich fühlte ich auch Schwingungen, deren
Geschwindigkeit sich immer mehr steigerten, ohne daß ich recht wußte,
wie und wo; dann hörte ich die schönste Militärmusik, hauptsächlich von
Blaseinstrumenten. Im Knie war ein leiser Druck mit Stechen und Prickeln
verbunden. Ich vernahm bloß die Worte: »das wird nicht ausreichen«,
und erwachte, aber ganz trunken. Dann mußte ich noch einmal einathmen,
worauf ich wieder betäubt wurde, ich träumte wieder, aber ich weiß
nicht, was. Beim Erwachen fühlte ich heftige Schmerzen im Knie, so
daß ich laut aufschreien mußte. Während jener schönen aber verworrenen
Phantasieen schien es mir, als wenn ich an zwei Stellen in der Kniekehle
geschnitten würde, auch daß man das Knie streckte, aber ich konnte das
Nähere darüber nicht durch den Schmerz erkennen.

Nachdem Alles vorbei war, fühlte ich den Aether gleichsam im Kopf und im
Knie, mir war zu Muthe, wie wenn ich von einem totalen Rausche erwachte.
Das getrunkene Wasser beseitigte bald Alles; im Bett empfand ich nachher
noch ganz deutlich, wie der Aether den ganzen Körper durchdrungen hatte.
Als er dann aber ganz und gar verschwunden war, fühlte ich ungefähr eine
Stunde lang gelinde Schmerzen in der Wunde.«


_Operation des falschen Gelenkes._

Die von mir angegebene und öfter mit Glück ausgeführte sicherste
Operationsmethode des sonst so schwer zu heilenden widernatürlichen
Gelenkes, welches die Folge eines nicht festgewordenen Knochenbruches
ist, und das Glied unbrauchbar macht, besteht in dem Durchbohren der
überknorpelten Knochenenden von kleinen Stichwunden der Weichtheile aus,
und in der Einführung von Elfenbeinstäben in die Knochen zur Erregung
von Callus-Ausschwitzung. Ein Mann von 32 Jahren, mit einem sehr
beweglichen falschen Gelenk des linken Oberarms, bei dem ich diese
Operation vornahm, verweigerte nach den ersten Athemzügen das weitere
Inspiriren, und ich mußte die Operation nach alter Weise ohne Aether
machen. Er war auch ohne diesen so ruhig, als hätte er den mildesten
Rausch, und stieß nicht ein Mal einen Seufzer aus.

In einem höchst complicirten Fall von widernatürlichem Gelenke wurde
die Kranke nach vier Minuten langem Inspiriren völlig betäubt, und ich
konnte nun zur Operation schreiten. Diese bestand in Folgendem. Die Hand
war in Folge eines schweren Sturzes nach innen abgewichen, so daß sie
zum Arm im stumpfen Winkel stand, außerdem war ein falsches Gelenk zu
Anfange des unteren Drittheils der Speiche vorhanden, und die wackelnden
Enden lagen auf und an dem Ellenbogenknochen. Um diese Uebelstände zu
heben und das Glied, welches ganz unbrauchbar war, zu verbessern, war
Folgendes nöthig: 1) den gesunden Ellenbogenknochen an der Stelle,
wo sich der Bruch in der Speiche befand, auch zu zerbrechen; 2)
die Knochenenden der Speiche subcutan zu durchbohren und Zapfen
hineinzuführen; 3) die verkürzten Sehnen der Handwurzel unter der Haut
zu durchschneiden. Diese einzelnen Theile der Operation wurden nach
einander ausgeführt, und mit dem schwierigsten Akte, der Durchbohrung
des Knochens, angefangen; dann der Radius von vier Menschen zerbrochen,
und endlich die Sehnen durchschnitten. Alles wurde glücklich vollendet,
ohne daß die Kranke dabei erwachte oder nur die mindesten Schmerzen
empfand. Der Erfolg der Operation war nach vier Wochen befriedigend.


_Einrenkung des Oberarms._

Ein Freund von mir, ein hiesiger berühmter Arzt, hatte das Unglück, beim
Herabsteigen einer Treppe auszugleiten, und indem er sich am Geländer
festhielt, den rechten Oberarm auszurenken, gleichsam aus dem Gelenk
herauszudrehen. Eine halbe Stunde nach dem Vorfall sah ich den Kranken,
welcher bleich und von den heftigsten Schmerzen mit dem Gefühl von
Taubheit in dem Gliede gefoltert war. Mein Freund willigte in den
Vorschlag, vor der Einrichtung Aetherdämpfe einzuathmen. Nachdem dies 7
Minuten lang geschehen war, hörten die Schmerzen auf, und an ihre Stelle
trat eine heitere Aufregung. Die Einrichtungsversuche begannen nun
auf einem Tisch, auf welchen eine Matratze gelegt war. Aber trotz der
gehörigen Fixirung, der richtig angewendeten Kräfte von acht Männern,
und den methodisch verstärkten Tractionen, bedurfte es mehrmaliger
Angriffe, um die Widerspenstigkeit der starken Muskulatur zu überwinden.
Endlich fuhr der Kopf mit erschütterndem Geräusch in die Pfanne zurück.

Ich kann nicht sagen, daß die Einrichtung in diesem Falle durch den
Aether erleichtert war, ich habe Hunderte von Verrenkungen des Oberarms
ohne Aether leichter eingerenkt. Die starken Muskeln waren bei dem nicht
bis zur völligen Betäubung gebrachten Kranken nicht erschlafft, und
so ihr Widerstreben nicht verringert. Dennoch versicherte der Kranke
später, daß durch das Einathmen des Aethers alle Schmerzen beim
Einrenken gehoben worden wären, und daß er nur eine undeutliche
Erinnerung von dem Vorgegangenen habe.


_Ansetzen von Moxen._

Einem Manne in den dreißiger Jahren, welcher an einer Lähmung der
unteren Gliedmaßen litt, sollten Brenncylinder auf dem unteren Theil des
Rückens abgebrannt werden. Zwölf Athemzüge des Aetherdampfes reichten
hin, den Kranken empfindungs- und bewußtlos zu machen. Kaum waren die
Moxen angezündet so bemächtigten sich die wildesten Phantasieen
des Patienten. Ihr Verfluchten! Ihr Vermaledeiten! Ihr Mörder! Ihr
Höllenbrut! rief er ein Mal über das andere. So fuhr er noch eine Weile,
ganz regungslos da liegend, in den bittersten Schmähungen gegen seinen
Arzt, den Hrn. Dr. Philipp, gegen mich und die anderen Umstehenden fort.
Als er dann aus seinem Traume erwachte, das Brennen fast beendet war,
sagte er, er fühle, was mit ihm vorgehe, ganz deutlich. Er versicherte
übrigens, daß der Zustand, in welchen er durch den Aether versetzt
worden, ein höchst unangenehmer sei, doch verschwand derselbe bald
wieder vollständig.

       *       *       *       *       *

Einem Kranken, welcher an einer langwierigen Entzündung des Kniegelenks
litt, mußten zwei Brenncylinder an das Knie gesetzt werden.
Vorher athmete derselbe fünf Minuten lang Aetherdämpfe, bis
Empfindungslosigkeit und halbe Bewußtlosigkeit eintraten. Bei dem sonst
so schmerzhaften Abbrennen der Moxen zuckte er nur wenig, und als er
erwachte, wollte er kaum glauben, daß die Operation schon beendet sei.
Das Gefühl während derselben schilderte er, daß es ihm so vorgekommen
wäre, als hätte ihm Jemand die Zehen gedrückt. Voll Verwunderung
betrachtete er die Brandflecke auf der Haut und meinte, daß er recht
leicht davon gekommen wäre.

       *       *       *       *       *

Ich muß hier noch am Schlusse erwähnen, daß man auch bereits
angefangen hat die Anwendung der Aetherdünste auf verschiedene Weise
zu modificiren. So räth Lebert verschiedene der Verflüchtigung fähige
Arzeneistoffe mit Aetherdämpfe einathmen zu lassen, und Dupuy und
Pirogoff ihn durch Klystiere in den Körper zu bringen.



Schlussfolgerungen.


Nach dem was wir bis jetzt über die Anwendung der Aetherdämpfe bei
chirurgischen Operationen erfahren haben, sind wir zu folgenden
Schlüssen berechtigt.

Die Aetherisation ist im Stande, den höchsten Schmerz bei den größten
chirurgischen Operationen vollständig aufzuheben.

Die Aetherisation ist daher für den Kranken die größte Erleichterung.
Dem Arzte (mit Ausnahme bei Verrenkungen) immer eine Erschwerung.

Die Aetherisation kann aber auch Steigerung des Schmerzgefühls und
Tobsucht zur Folge haben.

Die Aetherisation ist lebensgefährlich bei Neigung zum Schlagfluß,
Blutsturz und manchen anderen Zuständen.

Uebertreibung der Aetherisation kann augenblicklichen Tod herbeiführen.

Die Blutung ist stärker, als sonst bei Operationen eben so die Neigung
zu Nachblutungen.

Wunden, welche unmittelbar vereinigt werden, heilen eben so schnell.

Wunden mit Substanzverlust gewöhnlich langsamer.

Das Befinden der Aetherisirten nach chirurgischen Operationen ist im
Allgemeinen minder günstig, als bei denen welche ohne Aether operirt
worden.

Das Mittel ist eben so sehr überschätzt als verachtet worden. Rechnet
man nun alle die kleinen mit der Aetherisation verbundenen Nachtheile
bei vielen Personen zusammen, so ergiebt sich daraus eine größere
Krankheitssumme, daß von Tausend Aetherisirten und Tausend
Nichtätherisirten, auf jene einige Todesfälle mehr als auf diese kommen.

Dennoch ist der Werth des Mittels bei schmerzhaften Operationen ein
großer, von dem bei umsichtiger Anwendung für die leidende Menschheit
ein bedeutender Gewinn erwachsen ist, besonders wenn es mit großer
Behutsamkeit und nur bei sehr schmerzhaften Operationen angewendet wird.

Gedruckt bei _J. Petsch_.



[Hinweise zur Transkription


Der Halbtitel wurde entfernt.

Die Ligatur aus "langem s" und "s" wurde als "ß" dargestellt.

Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten,
einschließlich uneinheitlicher und ungebräuchlicher Schreibweisen, mit
folgenden Ausnahmen:

  Seite VI: "Atherisirten" geändert in "Aetherisirten"
  (Chirurgische Wahrnehmungen bei Aetherisirten)

  Seite VII: im Inhaltsverzeichnis "51" geändert in "53"
  (Verschiedene Arten des Aetherrausches      53)

  Seite VII: im Inhaltsverzeichnis "71" geändert in "70"
  (Aetherdämpfe bei den einzelnen chirurgischen Operationen      70)

  Seite VIII, im Inhaltsverzeichnis
  hinzugefügt: "Schlussfolgerungen      227"

  Seite 18: "blos" geändert in "bloß"
  (berauschten sie Kranke nicht bloß beim Zahnausziehen)

  Seite 23: "angewender" geändert in "angewendet"
  (von Itard und Wolf wirklich früher angewendet worden)

  Seite 34: "Aetherrrausches" geändert in "Aetherrausches"
  (nur den ersten und niedrigsten Grad des Aetherrausches)

  Seite 47: "Das" geändert in "»Das"
  (»Das Gefühl von Uebelkeit kann sich in dem ersten Zeitraume)

  Seite 49: "»Die" geändert in "Die"
  (Die Träume der Aetherisirten, wie von Graefe bemerkt)

  Seite 59: "hei" geändert in "bei"
  (das Schmerzgefühl bei chirurgischen Operationen)

  Seite 86: "Aetherrauschs" geändert in "Aetherrausches"
  (Das Ausziehen der Zähne während des Aetherrausches)

  Seite 93: "wrid" geändert in "wird"
  (Erleichterung um die Hälfte verschafft wird)

  Seite 103: "Gehirn,-" geändert in "Gehirn-,"
  (Neigung zum Schlagfluß, Gefäß-, Gehirn-, Herz- und Lungenstörungen)

  Seite 109: "Bewußlosigkeit" geändert in "Bewußtlosigkeit"
  (dann trat Erschlaffung und vollkommene Bewußtlosigkeit ein)

  Seite 116: "Verdickt" geändert in "Verdikt"
  (so wie der Zeugenaussagen folgendes Verdikt)

  Seite 117: "Londner" geändert in "Londoner"
  (Die Londoner medizinische Zeitung stellt über diesen Fall)

  Seite 118: "Aezte" geändert in "Aerzte"
  (der gesunde Sinn der Aerzte und Laien)

  Seite 118: "Sinnne" geändert in "Sinne"
  (Im ganz entgegengesetzten Sinne spricht sich)

  Seite 119: "das" geändert in "daß"
  (Jeder weiß es übrigens, daß neue Mittel)

  Seite 120: "Aufhehung" geändert in "Aufhebung"
  (nur in Aufhebung der Schmerzen)

  Seite 122: "Kreisenden" geändert in "Kreißenden"
  (Hammer wandte bei einer 18jährigen Kreißenden)

  Seite 128: "bisjetzt" geändert in "bis jetzt"
  (bis jetzt hat er dem Aether)

  Seite 172: "Knopfnäthe" geändert in "Knopfnähte"
  (durch eine Anzahl umschlungener und Knopfnähte)

  Seite 189: "Blumentöpfe" geändert in "Blumentöpfe."
  (und auf dem Fenster die Blumentöpfe.)

  Seite 211: "den" geändert in "dem"
  (litt seit langer Zeit an Blutungen aus dem Mastdarm)

  Seite 214: "durchnitt" geändert in "durchschnitt"
  (durchschnitt beim ersten Schnitt die Haut)

  Seite 225: "Fixirung der" geändert in "Fixirung, der"
  (trotz der gehörigen Fixirung, der richtig angewendeten Kräfte, und)

  Seite 225: "Tractionenen" geändert in "Tractionen"
  (und den methodisch verstärkten Tractionen)

  Seite 228: "gewöhnlish" geändert in "gewöhnlich"
  (Wunden mit Substanzverlust gewöhnlich langsamer)]





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