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Title: Gerichtliche Leichen-Oeffnungen. - Zweites Hundert.
Author: Casper, Johann Ludwig
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Gerichtliche Leichen-Oeffnungen. - Zweites Hundert." ***


                    Anmerkungen zur Transkription:
                    ##############################

Der vorliegende Text wurde anhand der 1853 erschienenen dritten Ausgabe
möglichst originalgetreu wiedergegeben. Lücken im Drucksatz sowie
einzelne fehlende Buchstaben und Satzzeichen wurden sinngemäß ergänzt.
Typische Verwechslungen, insbesondere bei den Buchstaben n/u wurden
stillschweigend korrigiert. Etwaige Inkonsistenzen wurden dagegen
beibehalten.

Alte oder regionale Ausdrücke, z.B. "erhungert", "Nath" (für "Naht"),
usw. wurden unverändert übernommen. Die folgenden Stellen wurden
korrigiert:

    # S. 72: "sagar" --> "sogar"
    # S. 92: "Belag" --> "Beleg"; "solches" --> "solchen"
    # S. 134: "geründet" --> "gerundet"
    # S. 145: doppeltes "und" entfernt
    # S. 187: "rehr" --> "sehr"
    # S. 188: "parallell" --> "parallel"

Kursive Textstellen wurden mit Unterstrichen gekennzeichnet (_kursiv_),
fettgedruckte dagegen mit Rautensymbolen (#fett#). Gesperrt gedruckte
Passagen wurden zwischen Tilden gesetzt (~gesperrt~); Kapitälchen
werden durch Schrägstriche repräsentiert (/Kapitälchen/). Das Zeichen
für das Apothekergewicht "Drachme" wurde durch [Symbol: Drachme]
ersetzt.



                             Gerichtliche

                          Leichen-Oeffnungen.

                           Zweites Hundert.


                       Verrichtet und erläutert

                                  von

                         Johann Ludwig Casper.


                             Berlin, 1853.

                     Verlag von August Hirschwald.

                69 U. d. Linden, Ecke der Schadow-Str.



Vorrede.


Die zweite Centurie gerichtlicher Leichenöffnungen, deren Schilderung
ich hier veröffentliche, steht an Mannigfaltigkeit des thatsächlichen
Inhaltes dem ersten Hundert nicht nach, und ich darf hoffen, dass auch
die wissenschaftlichen Beurtheilungen der beleuchteten Fälle, die
vergleichenden und kritischen Bemerkungen zu den betreffenden Stellen
des neuen und des ältern Strafgesetzbuches, die angehängten Corollarien
u. s. w. das Interesse des Lesers erregen werden. Die äussere Form,
und die Eintheilung des Stoffes sind dieselben geblieben wie im ersten
Hundert, weil sie sich in wiederholten Auflagen als zweckmässig bewährt
haben, und namentlich auch mit Hülfe des auch hier wieder beigefügten
vollständigen Sachregisters, das Nachschlagen und die Vergleichung
analoger Fälle in beiden Centurien dadurch sehr erleichtert wird.

Für das zunächst folgende dritte Hundert liegen die Materialien bereits
vollständig geordnet mir vor, und gedenke ich zur Bearbeitung derselben
vorzuschreiten, wenn Musse und Umstände dazu günstig sind.

Berlin, im August #1853#.

    #_Casper._#



Seit dem Erscheinen der ersten Auflage des »Ersten Hundert« meiner
»gerichtlichen Leichenöffnungen« (August 1850) ist die grosse
Veränderung im Preussischen peinlichen Gerichtsverfahren eingetreten,
deren nahes Bevorstehen schon damals mit Sicherheit vorausverkündet
werden konnte, indem bekanntlich mit dem 1. Juli 1851 das neue
Strafgesetzbuch für die Königlich Preussischen Staaten in Kraft
getreten ist. Wie wesentlich überhaupt der Einfluss der, zum Theil
vom ältern sehr erheblich abweichenden Bestimmungen dieses neuen
Strafgesetzes auf die gerichtsärztliche Praxis, so äussert sich
dieser Einfluss in keiner andern Materie mehr in die Augen springend,
als gerade in Betreff der gerichtlichen Leichenöffnungen. Denn, wie
bekannt, hat endlich auch bei uns die alte verrottete Lethalitätslehre
ihr Ende gefunden, und wenn auch in diesem Augenblick thatsächlich noch
die »Criminal-Ordnung« und mit ihr der §. 169. mit seinen berüchtigten
drei Fragen (Lethalitätsgraden) besteht, da der neue Strafprocess
noch immer auf sich warten lässt, so kann doch sein Bestehen keinen
praktischen Werth mehr haben. Denn wenn das Strafgesetzbuch in seinem
klaren, erschöpfenden §. 185. verordnet:

    »Bei Feststellung des Thatbestandes der Tödtung ~kommt es nicht
    in Betracht~, ob der tödtliche Erfolg einer Verletzung durch
    zeitige oder zweckmässige Hülfe hätte verhindert werden können,
    oder ob eine Verletzung dieser Art in andern Fällen durch Hülfe der
    Kunst geheilt worden, ingleichen ob die Verletzung nur wegen der
    eigenthümlichen Leibesbeschaffenheit des Getödteten, oder wegen
    der zufälligen Umstände, unter welchen sie zugefügt wurde, den
    tödtlichen Erfolg gehabt hat«,

so kann natürlicherweise der Richter gar kein Interesse mehr haben,
in einem Falle von tödtlich gewordener Verletzung dem Gerichtsarzte
Fragen vorzulegen, die gerade solche Umstände betreffen, die
»nicht in Betracht kommen sollen«. In der That habe ich in den
zahlreichen Obductionsfällen seit dem 1. Juli vorvorigen Jahres bis
heute vor verschiedenen Gerichtsbehörden auch nicht ein einziges
Mal mehr die unerfreuliche Aufgabe gehabt, die drei Fragen der
Criminal-Ordnung, betreffend die absolute, die individuelle und die
zufällige Tödtlichkeit, beantworten zu müssen. Mit dieser Reform ist
eine Einfachheit und Bestimmtheit im Gutachten des Gerichtsarztes
begründet, wie andererseits ein widerwärtiges Verschleppen sehr vieler
solcher Fälle oft durch alle drei gesetzliche technische Instanzen
beseitigt worden, was praktische Gerichtsärzte und Mitglieder unserer
Medicinalbehörden aller Orten in der Monarchie seit dem 1. Juli 1851
gewiss bereits oft genug mit Genugthuung und Freude begrüsst haben.

Eine andere Erwägung scheint weniger zweifellos zu sein. Nachdem die
sogenannte individuelle Lethalität gleichfalls »nicht mehr in Betracht
kommen soll«, kann man fragen, ob nicht das ganze Obductionsverfahren
jetzt wesentlich zu vereinfachen sei? Genügt es am Ende nicht, die
eigentliche _causa mortis_ zu erforschen? Ist der Schuss in die
Lunge, der Stich in das Herz, die erhebliche Kopfverletzung u. s. w.
ermittelt, so ist doch wohl der jetzt allein geforderte »Thatbestand
der Tödtung« festgestellt, und da alles Uebrige »nicht in Betracht
kommt«, wozu die Untersuchung der resp. übrigen Höhlen und Organe?
Und vollends die Untersuchung und Schilderung im Obductionsprotokoll
der Haare, Augen, Zähne u. dgl., die ohnedies sehr nach veraltetem
Formenwesen schmeckt! -- Indess, abgesehen davon, dass die amtliche
Vorschrift für das Verfahren bei gerichtlichen Leichenöffnungen, das
Regulativ vom 21. October 1844, noch nicht aufgehoben, der einzelne
Gerichtsarzt daher nicht befugt ist, vom bisherigen Verfahren
abzuweichen, würde auch eine wesentliche Aenderung desselben grossem
Bedenken unterliegen. Allerdings nämlich ist der Befund z. B. einer
durchdringenden Herzverletzung zweifellos ausreichend zur Feststellung
des Thatbestandes der Tödtung. Wie aber, wenn man später im Magen
derselben Leiche noch Arsenik fände, weil eine Complication von
tödtlichen Ursachen und eine Complicität mehrerer Thäter vorliegt?
Oder wenn sich ausser einer tödtlichen Schusswunde bei der weiteren
Untersuchung noch die Zeichen des Ertrinkungstodes vorfinden, wie im
20. Falle unserer ersten Centurie[1]? Was aber die Untersuchung von
Theilen wie Haare, Augen, Zähne betrifft, so ist diese allerdings oft,
vielleicht meistens, ganz überflüssig, doch ist im Augenblicke der
gerichtlichen Section allermeist der concrete Fall noch gar nicht
klar zu übersehen, und man ahnet oft nicht, auf welche anscheinend
geringfügige Umstände im spätern Verlaufe der Untersuchung das grösste
Gewicht gelegt werden wird, deren früheres Unbeachtetlassen man dann
aufs Tiefste beklagen würde. Die Verbrecherin, die das Kind auf die
grässliche Art, wie sie im 37. Falle des ersten Hundert geschildert
ist, tödtlich gemisshandelt hatte, und doch nur behauptete, dem
Mädchen über dem Strohhut eine Ohrfeige gegeben zu haben, hatte
unter Anderm dem Kinde auch die Krone eines Backzahns ausgeschlagen.
Dieses Defectes hatten wir im Obductionsprotokoll Erwähnung gethan.
Die Verbrecherin wollte auch von dieser Beschädigung nichts wissen.
Drei Tage nach der Section aber fand sich die Krone dieses Zahnes im
Kehricht des Zimmers, in welchem sie die Tödtung verübt hatte, und
dieser Umstand ward natürlich von grosser Erheblichkeit. -- Auch in
Betreff der Farbe der Haare und Augen kann ich ein lehrreiches Beispiel
citiren. Es betrifft den unten (Nr. 62) mitzutheilenden Fall, in
welchem es sich um die Feststellung der Identität des unzweifelhaft
Ermordeten handelte. Wir hatten natürlich bei der Inspection der Leiche
auch die Haare und Augen geschildert. Später wurde die Identität
des Vermissten mit dieser Leiche zweifelhaft, und die Ehefrau des
Ersteren im Audienztermine auch über Farbe der Haare und Augen ihres
verschollenen Mannes vernommen. Sie konnte dieselbe aber nicht angeben,
und äusserte, zur grossen Erheiterung der ganzen Zuhörerschaft:
»Sie habe ihrem Manne (während ihrer dreiundzwanzigjährigen Ehe!)
nie so in die Augen gesehen, auch die Farbe seiner Haare nicht so
betrachtet, um darüber Rechenschaft geben zu können!« Die Farbe wurde
aber durch andere Zeugen festgestellt, und mit unserer Schilderung
übereinstimmend gefunden. Wie viel endlich bei ganz unbekannten
Leichen auf die genaueste Feststellung aller, auch der geringfügigst
scheinenden Merkmale an denselben, ankommt, dafür ist wohl kaum ein
schlagenderes Beispiel vorgekommen, als jenes, betreffend die Leiche
des ermordeten Viehhändlers _Ebermann_, welcher im Leben Tätowirungen
und Schröpfnarben gehabt haben sollte, welche die Obducenten an der
Leiche nicht beachtet hatten, woraus eine weitläuftige Untersuchung und
Erörterung entstand[2].

Aber auch der erfreuliche Umstand, dass die sogenannten
individuell-tödtlichen Verletzungen keine amtliche Geltung mehr haben,
kann den Preussischen Gerichtsarzt nicht von der Nothwendigkeit
entbinden, die gerichtliche Leichenöffnung nach wie vor mit der
grössten Genauigkeit und mit Beachtung aller Organe zu verrichten.
Denn es versteht sich von selbst, dass der Gesetzgeber, wenn er den
obigen §. 185. in das neue Strafgesetzbuch aufnahm, nicht gemeint
sein konnte, zwei der Tödtung Beschuldigte mit demselben Maasse zu
messen, von denen der Eine z. B. beim Streite einem Menschen mit einem
stumpfen Werkzeuge den Kopf einschlug, der Andere beim Streite einem,
mit Aortenaneurysma Behafteten einen derben Stoss vor die Brust gab,
und ihn dadurch ebenfalls tödtete. Der »Thatbestand der Tödtung«
steht in beiden Fällen fest. Aber die Strafe kann und soll in beiden
Fällen nicht dieselbe sein. Der §. 44. des Strafgesetzbuches bestimmt,
dass, »wenn die Strafbarkeit einer Handlung abhängig ist (entweder)
~von besondern Eigenschaften~ (in der Person des Thäters oder)
desjenigen, auf welchen sich die That bezog« u. s. w., eine solche
Handlung demjenigen als Verbrechen nicht zuzurechnen sei, welchem
jene Verhältnisse oder Umstände zur Zeit der That unbekannt waren. Es
spricht das Strafgesetzbuch ferner von »mildernden Umständen«, und es
ist einleuchtend, dass Verhältnisse, die die sogenannte individuelle
Lethalität betreffen, zu jenen »besondern Eigenschaften«, zu diesen
»mildernden Umständen« gehören, einleuchtend, dass der obducirende
Gerichtsarzt es ist, der diese Verhältnisse und Umstände zu erheben,
und dem (Geschwornen-) Richter für sein Strafurtheil zu unterbreiten
hat.

Ich habe in der frühern Centurie auf die Schwierigkeit aufmerksam
gemacht, den Ursprung des sonderbaren Wortes _obductio_ für die
bekannte Handlung sprachlich genügend zu erklären, und die Meinung
einiger hiesiger berühmten Philologen angeführt. Vor Kurzem nun habe
ich durch die Güte eines pädagogischen Sprachkenners, den die Sache
interessirte, ein Schreiben erhalten, worin derselbe seine Ansicht über
das Wort _obducere_ mittheilte, die ich den Lesern nicht vorenthalten
will.

»Eine Benennung ist entweder vom Hauptumstande genommen oder von
einem Nebenumstande. Wir müssen uns dabei aber wohl zunächst an die
gangbarste Bedeutung des Wortes halten, wenn wir dem Ursprunge der
Benennung auf die Spur kommen wollen. Denn meines Wissens sind nicht
die seltenen, sondern die gewöhnlichen Bedeutungen der lateinischen
oder griechischen Wörter zur Bezeichnung neuerer Begriffe genommen
worden und werden noch stets genommen.«

»Demnach wäre die Bedeutung _offerre_, _afferre_, welche _Böckh_
annimmt, ebenso wenig wahrscheinlich, wie die auch vorgeschlagene
_aperire_, wiewohl nicht geläugnet werden kann, dass _ob_ in der
Zusammensetzung ursprünglich den Begriff »entgegen« führt, wie in
_offerre_. Die Stelle des _Lucilius_ aber ist schon wegen des _aulaea_
sehr bedenklich, da es bekanntlich bei den Alten hiess: _aulaeum
mittitur_, wo wir sagen: der Vorhang geht auf, und ebenso umgekehrt, wo
wir sagen: er fällt, heisst es: _aulaeum tollitur_. Zudem könnte das
_aperire_ des _Nonius_ auch verschrieben sein statt _operire_.«

»Wir müssen also wohl an die Bedeutung »verhüllen« uns halten. Es
wäre dann freilich vielleicht gewagt, gerade den Hauptumstand, die
Untersuchung des Leichnams, eine »Verhüllung« zu nennen, im Gegensatze
zu dem _aperire_, dem deutlich, kenntlich machen, wogegen der Leichnam
durch Obduction, wenn diese Section ist, mehr oder minder unkenntlich
gemacht, oder bildlich gesprochen, verhüllt wird. Aber es giebt noch
viel wahrscheinlichere Hülfe.«

»Doch müssen wir uns nun an Nebenumstände wenden, von denen ja so viele
Benennungen herrühren, wie besonders die Euphemismen in sprechendster
Weise darthun. Zu diesen rechne ich aber auch z. B. _efferre_, zur Ruhe
bringen, für den eigentlichen Ausdruck _humare_, beerdigen, begraben;
das deutsche »bestatten« für »begraben«. Wenn wir nun hier für unsern
Fall das Gegentheil setzen, nämlich das _producere_, _proferre_, so
wird die Sache ganz klar. Vor der gerichtlichen oder gerichtsärztlichen
Besichtigung liegt der Leichnam des Verunglückten, Umgebrachten u. s.
w. meist ganz offen da, ist oder wird gleichsam Allen vorgeführt durch
die Umstände selbst, _producitur_. Dies nimmt ein Ende, wenn die Leute
des Faches, Juristen und Mediciner, erscheinen, denen allein dann die
Sache angehört. Der Leichnam wird den Blicken entzogen, vorläufig,
wenn auch nicht mit Vorhängen oder Tüchern, so doch schon durch das
erscheinende Personal; er wird nicht weiter producirt, er wird eigends
obducirt, nicht mehr vorgeführt, sondern entführt.«

»Nehmen wir dazu, dass die gefundene Leiche gewöhnlich von draussen
weggeschafft wird, dass sie aufgehoben und behufs der vorzunehmenden
Untersuchung bis an Ort und Stelle verhüllt fortgeschafft, sorgfältig
weggebracht wird, dass die Leiche im Zimmer gefunden oder von draussen
dahin gebracht, dort obducirt, d. i. verschlossen, abgeschlossen,
nicht zugänglich ist -- denn _obducere_ heisst auch ziemlich häufig
»verschliessen« -- so ist wohl kein Zweifel mehr vorhanden, weshalb
man eine gerichtliche oder eine vom Gericht verordnete Untersuchung
eines Leichnams eine Obduction, eine Verhüllung, Verdeckung, Bedeckung,
Verschliessung, Unzugänglichmachung desselben nannte.«

»Freilich ist es sehr schwer, das _obducere_ geradezu auf die eben
vorzunehmende eigentliche Untersuchung zu deuten, aber auch wohl gar
nicht möglich. Ich will mich durchaus nicht über Andere stellen; aber
in der Wissenschaft gilt kein Ansehen der Person, sondern nur das der
Sache u. s. w.«

                   *       *       *       *       *

Die hier zu analysirenden Hundert Leichenöffnungen betreffen 66
Individuen männlichen, und 34 weiblichen Geschlechts, und die
Feststellung folgender Todesarten, denen ich die gleichnamigen aus dem
ersten Hundert gegenüberstelle:

    nach  Verletzungen      in 43, im 1. Hundert in 36 Fällen,
     "    Misshandlungen     "  6,  " "     "     "  9   "
     "    Erstickung und
          Schlagfluss (_incl._
          Erhängen und
          Erdrosseln)        " 11,  " "     "     " 10   "
    von   Ertrunkenen        "  3,  " "     "     "  6   "
     "    Neugebornen        " 25,  " "     "     " 21   "
    nach  Vergiftungen       "  4,  " "     "     "  8   "
     "    angeblichen
          Kunstfehlern       "  4,  " "     "     "  5   "
     "    Verbrennungen      "  3,  " "     "     "  4   "
     "    Erhungern          "  1,  " "     "     " --   "
    einer Schwangern         " --   " "     "     "  1   "
                            -----------           ---------
                              100                   100

Die grosse Gleichförmigkeit in den resp. Zahlenverhältnissen beider
Centurien würde sehr auffallend erscheinen müssen, wenn man doch
erwägt, dass Nichts zufälliger scheint, als dass ein Mensch durch eine
Misshandlung getödtet wird, oder an Stick- und Schlagfluss stirbt, oder
verbrennt, oder dass ein neugeborenes Kind von der Mutter getödtet,
oder das todtgeborene ausgesetzt, weggeworfen, beseitigt wird u. s. w.,
wenn nicht die Statistik, die medicinische wie die Criminalstatistik,
längst erwiesen hätte, dass eben -- Nichts Zufall ist. Hat doch
_Quetelet_ sogar bewiesen, dass alle Verbrechen sich in einer gegebenen
Bevölkerung in ganz bestimmten Procentsätzen stets wiederholen. Doch
dies führt zu weit von dem hier vorgesteckten Ziele ab, dem wir uns
wieder nähern, indem wir an die Analyse der einzelnen der hier zu
betrachtenden Obductionsfälle gehen.



A. Tödtungen durch Verletzungen.



I. Durch Ueberfahren.

Unter den dreiundvierzig Fällen von tödtlichen Verletzungen, also
fast der Hälfte aller in dieser Centurie, kamen uns, genau wie in der
ersten, achtmal Tödtung durch die Verletzungen der verschiedensten
Organe veranlasst durch ~Ueberfahren~ vor. Ich wiederhole, hier
wie überall, nicht die Bemerkungen, die ich bei Gelegenheit jeder
einzelnen Todesart in der früheren Sammlung mitgetheilt habe, und will
deshalb in Betreff des Uebergefahrenwerdens nur Folgendes zu dem früher
Gesagten hinzufügen. Abgesehen von denjenigen Fällen von Selbstmördern,
die sich durch eine Locomotive überfahren liessen, und von denen ich
ausseramtlich mehrere zu sehen Gelegenheit hatte, habe ich meinerseits
nicht in einem einzigen Falle ein eigentliches Zermalmtwerden des
Körpers oder einzelner Theile, der Brust, des Kopfes u. s. w.
beobachtet, vielmehr war, wie man sehen wird, auch in den folgenden
acht, wie in den früheren acht Fällen, der Tod durch Erschütterung,
Gefäss- oder Eingeweide-Ruptur, oder durch Brüche einzelner Knochen,
oder durch Quetschung einzelner Theile erfolgt.


1. Fall.

~Seltene Schädelsprengungen.~

Ein dreijähriges Mädchen war übergefahren, und auf der Stelle
getödtet worden. Der Schädel zeigte die ~seltene~ Verletzung
einer Absprengung des Schuppentheils vom Schlafbein (rechterseits),
ferner eine Queerfissur im _occiput_, die sich bis in das _foramen
magnum_ erstreckte, und endlich war noch der Felsentheil des linken
Schlafbeins durch eine Fissur gespalten. Das Gutachten, das damals noch
die absolute Lethalität erwägen musste, war natürlich sehr leicht. --
Merkwürdiger war der in demselben Monat vorgekommene


2. Fall.

~Berstung des Mittelfleisches.~

einen siebenjährigen Knaben betreffend, welcher durch die ungeheuere
Last eines Omnibus, die in Berlin von einer Grösse und Schwere sind,
wie man sie in andern Hauptstädten nicht findet, übergefahren worden
war. Ein Rad des Wagens war über den Unterleib fortgegangen. Bei
der Section fanden wir die ganze _regio iliaca dextra_ äusserlich
dunkelroth und, wie Einschnitte ergaben, sugillirt. Das Mittelfleisch
war in der Art geplatzt, dass eine Wunde mit glatten, nicht sugillirten
Rändern im Zickzack fünf Zoll lang vom _Scrotum_ an bis zur Gegend des
Steissbeins verlief, welche zwei Zoll weit klaffte, und durch die man
in die Beckenhöhle hineinsehen konnte. Auch der _sphincter ani_ war
zerrissen, aber im ganzen Körper keine weitere Verletzung sichtbar. Die
Harnblase war strotzend gefüllt, und stand hoch über dem Schaambogen,
was erklärlich war, da der Knabe noch zwanzig Stunden gelebt hatte,
und die fürchterliche Quetschung natürlich eine Lähmung der Blase
veranlasst haben musste. Auch in diesem Falle konnten wir keinen
Anstand nehmen, die absolute Tödtlichkeit der Verletzung im Sinne der
ersten Frage des §. 169. der Criminal-Ordnung anzunehmen.


3. Fall.

~Ruptur der Leber.~

~Leberrisse kommen fast in allen Fällen nur als Längenrisse vor~,
entweder so, dass die Ruptur sich im rechten oder linken Lappen, oder
in deren Mitte befindet, und gewöhnlich den Lappen seiner ganzen Länge
nach trennt, oder in der Art, wie wir es aber nur einige Male gesehen,
dass in beiden Lappen sich mehrere kleinere Längenrisse zeigen; sehr
selten werden Queerrisse beobachtet. Eine ganz eigenthümliche Form
einer Leberruptur aber fand sich bei einem drittehalbjährigen durch
Ueberfahren getödteten Knaben, der noch eine halbe Stunde gelebt hatte.
Von der Mitte des Unterleibes bis zu dem dritten Lendenwirbel rechts
hinüber erstreckte sich ein, einen halben Zoll breiter, rothbrauner,
pergamentartig zu schneidender Streifen. Im Bauche fanden sich vier
Unzen dunkelflüssigen Blutes ergossen, das aus einem Risse der Leber
geflossen, die so eingerissen war, dass der ganze Rand des rechten
Leberlappens wie von Thieren zernagt erschien. Auch die Duplicaturen
des Bauchfells in der Beckenhöhle waren stark sugillirt. Dagegen war
natürlich Anhämie im ganzen übrigen Körper vorhanden. Die _Vena cava_
war leer, ganz leer das Herz, die Lungen wegen der fast völligen
Blutleere weissgrau von Farbe. Nichts desto weniger waren die Venen der
_pia mater_ auch in diesem Falle, wie in so vielen früheren[3], recht
stark gefüllt. Hieran reiht sich der pikante


4. Fall.

~Ruptur der Leber.~

Ein Arbeiter war durch Ueberfahren getödtet, aber bereits
privatärztlich secirt worden, als uns die Leiche im folgenden Zustande
vorgelegt ward. Der Kopf war ungeöffnet geblieben, Brust und Unterleib
waren auf die gewöhnliche Weise nach der Section zugenäht worden.
Neben der Leiche lag eine Leber, welche in ihrer Mitte durch einen
Längenriss in zwei Theile getrennt war. Magen und Darmkanal lagen
unterbunden (weshalb?) frei in der Leiche. In der Brusthöhle zeigten
sich die blutleeren Lungen vielfach eingeschnitten, ebenso das ganz
leere Herz. Die Venen der _pia mater_ waren auch hier noch ziemlich
blutgefüllt. Von Bluterguss in die Unterleibshöhle war nichts mehr
wahrzunehmen. Dagegen fanden wir auch hier wieder[4] bei gänzlichem
Fehlen ~aller~ Sugillation u. dgl. an der Oberfläche der Leiche (ausser
der Leberruptur) noch einen Bruch von vier Rippen vor.

Wie sollte in diesem Falle ein amtliches Gutachten abgegeben werden?
Wir glaubten, das Rechte zu treffen, indem wir erklärten: dass ~wenn~
die vorgezeigte Leber wirklich die des _denatus_ gewesen, und ~wenn~
der Riss darin im Leben erfolgt sein sollte, was beides nach den
Umständen allerdings höchst wahrscheinlich, dass ~dann~ die erste Frage
des §. 169. der Crim.-Ordng. (absolute Lethalität) bejaht werden müsste.


5. Fall.

~Ruptur des Gehirns.~

Wir werden auch in dieser Centurie ausser dem soeben Erzählten Beläge
für die Richtigkeit meiner früheren Behauptung finden, dass man in
Leichen sehr oft die allererheblichsten innern, ohne irgend eine Spur
einer äusserlich sichtbaren Verletzung findet. Gleich dieser Fall
bot ein abermaliges Beispiel (vergl. Fall 4, 36, 38 und 39). Ein 65
Jahre alter Schneider war durch Ueberfahren getödtet worden. Die ganze
Leiche nicht nur, sondern namentlich auch der Kopf, boten nicht das
geringste von der Norm Abweichende dar. Und dennoch fand sich eine
Fissur vom Ende der Pfeilnath bis zur Mitte des Schuppentheils des
linken Schlafbeins, und darunter auf der Gehirnhemisphäre lagen drei
Loth schwarzen, geronnenen Blutes. Unter demselben fand sich endlich
noch der ~sehr seltene~ Befund einer (Zoll langen) klaffenden ~Ruptur
des Gehirns~, die mit zwei Unzen eben solchen Blutes ganz ausgestopft
war. Ich erinnere mich nicht, bei Hunderten von Leichenöffnungen noch
einen zweiten Fall von Riss in das Gehirn gesehen zu haben. Dass
derselbe, wie alle Organrupturen, eine höchst erhebliche äussere Gewalt
voraussetzt, ist bekannt, denn ~gesunde~ Organe reissen überhaupt nur
in Folge einer solchen. -- Der Getödtete in diesem Falle hatte noch
sieben Stunden gelebt, und es waren ihm noch blutige Schröpfköpfe in
den Nacken gesetzt worden, wie die Leiche ergab. Das Gutachten konnte
natürlich ebenso wenig zweifelhaft sein, als im folgenden


6. Fall.

~Bruch von Halswirbeln, Zerreissung der Luft- und Speiseröhre~,

der eine Reihe der allerfurchtbarsten Verletzungen darbot, wie sie
nicht leicht so vereinigt vorkommen. Ein 30jähriger Knecht war
durch Ueberfahren getödtet worden. Der Hals der Leiche war ringsum,
und ausserdem auch der ganze obere Theil der Brust mit bedeutenden
Sugillationen bedeckt, und man fühlte schon äusserlich Brüche der
Halswirbel und des rechten Schlüsselbeins durch. Es ergab sich (ausser
einem Queerbruch dieser _clavicula_), dass der _Processus odontoideus_
abgebrochen und der _Epistropheus_ vom _Atlas_ getrennt war, so dass
beim Trennen der Weichtheile die Halswirbelsäule sogleich hervordrang.
Aus der Trennungsstelle liess sich das zermalmte Halsrückenmark als
blutiger Brei hervordrücken. Aber ausserdem fanden sich noch Kehlkopf
und Speiseröhre abgerissen, und Ersterer lag in der Brust hinter
dem _Manubrium sterni_, und endlich war noch die rechte _Carotis_
zerrissen. In der Brust lagen in beiden Pleurasäcken Massen von
schwarzen Blutklumpen. Lungen, Herz, Nieren und _Vena cava_ waren
vollkommen blutleer (die Milz um das Fünffache, muthmaasslich in Folge
von kalten Fiebern, vergrössert und indurirt). Die Seitenventrikeln
enthielten dickflüssiges Blut, womit auch das kleine Gehirn überzogen
war. Ohne Zweifel waren in diesem Falle die Wagenräder über den
Hals und den obern Theil der Brust weggegangen und hatten so diese
furchtbaren Zerstörungen bewirkt.


7. Fall.

~Tödtlicher Oberschenkelbruch.~

Zu welchen seltsamen Aussprüchen der Gerichtsarzt unter der früheren
Herrschaft der absurden Lethalitätslehre und der auf sie begründeten
drei Fragen der Criminal-Ordnung gedrängt wurde, dafür giebt der Fall
eines 5jährigen Knaben, der durch Ueberfahren getödtet war, einen
merkwürdigen Beweis. Ein einfacher Oberschenkelbruch, von kunstgeübter
Hand von Anfang an _lege artis_ behandelt, und dennoch tödtlicher
Ausgang. Und nun die Beurtheilung der Verletzung nach sogenannten
Lethalitätsgraden! Da in diesem Falle das Gutachten wichtiger war,
als der Obductionsbefund, so führe ich von letzterem nur an, dass
sich ein einfacher, nicht gesplitterter Queerbruch des rechten
Oberschenkels, innerlich aber gar nichts Abnormes, als eine sichtliche
Blutüberfüllung der _pia mater_ und -- accidentell -- Hypertrophie der
rechten und Atrophie der linken Niere fand, die als etwanige sogenannte
individuelle Lethalitätsbedingungen natürlich nicht in Betracht kommen
konnten. Ebenso wenig konnte von einer absoluten Lethalität die Rede
sein, und so war zunächst eine Verneinung der beiden ersten Fragen
des §. 169. der Criminal-Ordnung keinen Augenblick zweifelhaft.
Die Schwierigkeit lag in der Anwendung der dritten Frage, nachdem
die eingesandten Akten ergeben hatten, dass der Knabe nach seiner
Aufnahme in die Charité bald vom -- Hospitalbrande ergriffen worden
und an diesem gestorben war. Wir äusserten uns im Obductionsberichte
in Beziehung hierauf wie folgt: »Eine Vergleichung und Prüfung der
nach der Verletzung alsbald entstandenen Krankheitszufälle, und der
dagegen unmittelbar eingeleiteten ärztlichen Behandlung zeigt, dass
letztere den allgemeinen Regeln der Schule und Erfahrung vollkommen
entsprechend gewesen, und dass vom ersten Augenblicke nach der
Aufnahme des Kranken in die Heilanstalt an, bis zur Zeit, wo er als
rettungslos aufzugeben war, kein einziger »»Mangel eines zur Heilung
erforderlichen Umstandes«« eingewirkt habe. In Hunderten ähnlicher
Fälle würde ein ganz gleiches ärztliches Verfahren zum erwünschten
Ziele geführt haben. Wenn dies hier nicht geschah, so war lediglich
-- wie die Krankheitsgeschichte ergiebt -- das frühe Eintreten, oder
vielmehr »»Hinzutreten«« einer Krankheit daran Schuld, die ausserhalb
der Einwirkung der ärztlichen Kunst liegt, wir meinen das Hinzutreten
des sogenannten Hospitalbrandes. Schon am folgenden Tage nach der
Verletzung hatten sich am verletzten (abgeschundenen) rechten Oberarm
»»kleine Brandblasen«« gebildet, und wenn auch dagegen sogleich
kunstmässig eingeschritten ward, so war doch das Krankheitsgift
nicht mehr zu vertilgen, und schon am folgenden Tage war das Glied
»»stellenweise missfarbig«« , und das Fieber stieg schon an diesem Tage
zur bedenklichen Höhe von 136, ja Abends von 152 Pulsschlägen in der
Minute, unter den entsprechenden Erscheinungen von Schlummersucht und
Krämpfen. Der Kranke musste jetzt für verloren erachtet werden, wie
er denn auch am folgenden Mittag verstarb. Der zu den an sich nicht
tödtlichen Verletzungen hinzutretende Hospitalbrand hat demnach den
Tod des _denatus_ bedingt.« -- Hiernach verneinten wir die beiden
ersten Fragen des §. 169. der Crim.-Ordn. (absolute und individuelle
Lethalität), und bejahten den zweiten Theil der dritten, dass nämlich
die Verletzung »nicht wegen Mangels eines zur Heilung erforderlichen
Umstandes, vielmehr durch Hinzutritt einer äussern Schädlichkeit den
Tod zur Folge gehabt habe«. Das Gutachten wurde zwar angenommen, musste
aber natürlich dem Richter als Laien sehr auffallend sein; denn mit
andern Worten war doch darin ausgesprochen, dass der Verletzte am --
Krankenhause gestorben sei! Abgesehen aber, dass dies in der That
der Fall gewesen war, folglich ausgesprochen werden musste, so frage
ich, wie unter der Herrschaft der drei Fragen, die die Gerichtsärzte
fortwährend in ein Procrustes-Bette spannten, der Fall anders hätte
beurtheilt werden sollen? Wir sind aber gegenwärtig von diesen Fragen
erlöst. _Requiescant in pace!_

Leichter war die Begutachtung im


8. Fall.

~Bruch des Schaambeins,~

dem letzten betreffend durch Ueberfahren Getödtete in dieser Centurie,
der aber wieder eine nicht gewöhnliche Verletzung darbot. Er betraf
einen Jüngling von 16 Jahren, dem die Räder über die Leistenbugen
hinweggegangen waren. Auf beiden Seiten waren starke Sugillationen,
und in der linken Inguinalgegend waren die weichen Bedeckungen
~aufgeplatzt~, so dass man in die Bauchhöhle hineinsehen konnte.
Ausserdem fanden sich Zerreissungen der Muskeln beider Oberschenkel
in der Nähe des Beckens, und ein ~Bruch~ des _ramus horizont. ossis
pubis_ linker Seits, der bis in's _foramen ovale_ ging. Auch an Rücken,
Kreutzbein und Hinterbacken waren die weichen Bedeckungen abgesprengt,
und lagen nur lose auf, und in der Tiefe fand sich Alles mit ergossenem
Blute infiltrirt.



II. Verletzungen durch Schusswunden.

Wir haben hier diesmal nicht weniger als 19 Fälle von Erschossenen
zu verzeichnen, die fast sämmtlich das Frühjahr und der Sommer des
Jahres 1848 geliefert haben, und von denen die Mehrzahl bei den
verschiedenen Strassenaufläufen am Zeughause, dem Köpnikerfelde u. s.
w., die Minderzahl bei den Schiessübungen der Bürgerwehr (!) oder durch
zweifelhaften Selbstmord ihren Tod gefunden hatten. Die eigentlichen
»Barrikadenhelden« sind hier nicht eingerechnet, denn in den Tagen des
18. März ruhte das Schwert der Themis in der Scheide! Keine einzige
dieser Leichen ist gerichtlich secirt, vielmehr sind sie alle nur
besichtigt worden, bei welcher Gelegenheit auch mir Veranlassung ward,
meine Erfahrungen über Schusswunden im Grossen zu bereichern!

Die Erfindung der ~Spitzkugeln~ hat auch für die gerichtliche
Medicin ein Interesse. Ob sie als Projectil sicherer, d. h. leichter
tödtend sind, müssen anderweitige Versuche, Schiessübungen gegen
verschiedenartiges Material u. s. w. erwiesen haben. Aber ihre an
der Oberfläche des Leichnams ersichtliche Wirkung ist, wenigstens in
vielen Fällen, eine ganz andere, als die von runden Kugeln, Schroot
oder gehacktem Blei, denn man findet in vielen solchen Fällen nur
eine ganz unerhebliche, kleine äussere Schussöffnung, durch die die
Spitzkugel eindrang, nach welcher man die Zerstörungen, welche man
im Inneren findet, nicht sollte vermuthen können. In einem Falle war
dies besonders auffallend. Der _denatus_ musste durch einen Schuss
getödtet worden sein. Aber der Leichnam wurde gewendet und wieder
gewendet, und nirgends fand sich eine Verletzung. Endlich zeigte sich
an der innern Fläche des rechten Oberarms in der Nähe der Achselhöhle
eine ~erbsengrosse~ Oeffnung ohne verbrannte Wundränder. Hier war
die Spitzkugel, wahrscheinlich während der Arm aufgehoben war,
eingedrungen. (S. 21. Fall.)

Wieder bin ich in der Lage, gegen Tradition und Doctrin auftreten zu
müssen. Nichts ist leichter, wird gelehrt und geschrieben, als die
Stellen, wo die Kugel oder das Schroot eindrangen und hinausgingen,
am Leichnam zu bestimmen. Jene, die Eingangsstelle, hat nach innen
gestülpte, diese, der Ausgang, nach aussen aufgeworfene Ränder. Nach
dieser Doctrin lässt sich dann auch in zweifelhaften Fällen eine
Vermuthung, ein Gutachten aufstellen, über die Richtung, aus welcher
der tödtende Schuss gekommen sei, über die Stellung, in welcher
der Thäter sich befunden haben musste. In einem, mir neuerlichst
vorgekommenen Ermordungsfalle, in welchem ich als Sachverständiger
requirirt worden war, hatten die Obducenten, die ich deshalb nicht
tadeln will, nach diesem Kriterium sehr bestimmt angegeben, dass der
Schuss in den Kopf von hinten und unten gekommen sein musste. Aber
leider! ist der ganze Lehrsatz nicht richtig. Die Beschaffenheit der
Wundränder hängt, ausser von dem Eindringen der Kugel, auch noch
von andern Umständen ab. Beobachtungen an einer grossen Anzahl von
Erschossenen, bei welchen, nach den Umständen, über die Stellung, die
der Erschossene im Augenblicke der Verwundung gehabt hatte, gar kein
Zweifel obwalten konnte, da die Tödtung, eben bei Strassenaufläufen
oder hinter Barrikaden, vor Zeugen stattgefunden, haben mich darüber
ausser Zweifel gesetzt. Wenn z. B. die Kugel bei einem sehr fetten
Menschen, und an einer besonders fettreichen Stelle, z. B. an
den Bauchdecken, eindringt, so quillt sehr bald das Fett aus der
Schussöffnung hervor, und man findet sie wulstig und nichts weniger
als eingestülpt. In andern Fällen ist es der Verwesungsprocess, der
die Ränder beider Oeffnungen, wenn zwei vorhanden, aufbläht, und sie
sind dann aus diesem Grunde als Ein- und Ausgangsöffnung nicht von
einander zu unterscheiden. Dazu kommt endlich, dass oft die weichen
Bedeckungen an Eingangs- wie Ausgangsstellen so zerfetzt und zerrissen
sind -- wofür gleich der folgende Fall ein Beispiel liefert -- dass
auch schon deshalb von einer Umstülpung der Ränder der Wunde keine Rede
sein kann. Ich rathe deshalb in Fällen, wie der obige, zu Vorsicht im
Urtheile, und deducirte in eben diesem Falle dem Schwurgericht, gegen
die Behauptung der Obducenten, dass aus den hier entwickelten Gründen
sich über die Stellung des Mörders beim Schusse um so weniger etwas
Bestimmtes oder selbst nur Wahrscheinliches angeben lasse, als der Kopf
ganz zerfetzt und zerschmettert gefunden worden war, die Beschaffenheit
der Wundränder also vollends sich gar nicht genauer hatte ermitteln
lassen. Bei Spitzkugelschüssen vollends, die nur geringere Quetschung
der Weichtheile veranlassen, getraue ich mir, nach dem, was ich
gesehen, nicht, mit Sicherheit die Eingangs- von der Ausgangsstelle zu
unterscheiden.


9. Fall.

~Tödtliche Kopf-Schusswunde. Zweifelhafter Selbstmord.~

Ein junger Mann (Kellner) von 19 Jahren hatte sich durch den Kopf
geschossen. Während die Uhr in der Tasche der Leiche gefunden worden,
fehlte das Pistol, und dieser Umstand veranlasste das gerichtliche
Einschreiten und die Obduction, die bekanntlich bei notorischen
Selbstmördern nicht verfügt wird, hier aber, eben jenes Umstandes
wegen, der Verdacht auf Tödtung durch fremde Hand erregt hatte, verfügt
ward. Die Kugel war auf der Mitte der Stirn eingedrungen, wo sie die
Weichtheile in Form eines M zerrissen hatte. ~Kein~ eingebranntes
Pulver zeigte sich an den Rändern der Stirnwunde, ebenso wenig wie
eingebranntes Pulver in beiden Händen. Die Ausgangsöffnung der Kugel
befand sich am Hinterhauptsbein. Die Knochenöffnung an der Stirn
hatte einen Zoll im Durchmesser, während die Ausgangsstelle kaum die
Spitze des Zeigefingers durchliess. Das ganze Schädelgewölbe fand
sich abgesprengt, und hing nur am Hinterkopf noch in der Länge von
zwei Zollen fest zusammen. Die ganze Oberfläche des Gehirns war mit
Blut bedeckt, und das ganze Gehirn zerfetzt. Die Umstände des Falles
sprachen für Selbstmord, und wir urtheilten, dass die Obduction keine
Ergebnisse geliefert habe, die dieser Annahme widersprächen.


10. Fall.

~Schuss durch Netz und Dünndarm.~

Bei den Schiessübungen der Bürgerwehr war eine 50jährige Frau
erschossen worden. Sie hatte 20 Schritt vom Schiessstande entfernt
gestanden. Die Flintenkugel war in der rechten _regio hypogastrica_
ein- und hinten am rechten Rande des Kreutzbeins hinausgedrungen,
und die Verwundete hatte noch zwei Stunden gelebt. Die Bauchwunde
hatte aufgewulstete (nicht eingestülpte!), ungleiche, im Umfange
eines Viertelzolls schwarzblau sugillirte Ränder, in denen natürlich
kein eingebranntes Pulver sichtbar war. Ebenso aufgewulstet waren
die Ränder der Rückenwunde, welche nicht sugillirt waren. Die Kugel
hatte das grosse Netz durchbohrt, und vom _Ileum_, dicht bei seinem
Uebergang in's _Coecum_ ein drei Zoll grosses Stück aus der vordern
Wand herausgerissen, und erklärte sich hiernach der Befund von Koth und
von acht Unzen geronnenen Blutes in der Bauchhöhle. Der ganze Leichnam
endlich war blutleer. Es versteht sich, dass die absolute Lethalität
der Verletzung angenommen wurde.


11. Fall.

~Tödtliche Kopf-Schusswunde.~

Bei dem berüchtigten Zeughaussturme am Abend des 14. Juni 1848 waren
von der Bürgerwehr zwei der Eindringlinge, beide aus der niedersten
Hefe des Volkes, erschossen worden. Der Eine -- ein bereits elfmal
bestrafter Dieb (!) -- hatte ~drei~ Schusswunden am Kopfe, eine am
rechten _arcus supraorbitalis_, zerrissen, fast dreieckig, von der
Länge eines Zolls, nach rechts und oben einen halben Zoll davon
entfernt eine zweite, silbergroschengrosse mit gleichfalls zerrissenen
Rändern, und eine dritte von einem Zoll im Durchmesser am _Tuber_ des
rechten Seitenwandbeins, aus welcher ein halbzolllanges Knochenstück
hervorragte. Der ganze Schädel war zertrümmert, und die rechte
Gehirnhemisphäre ganz zerrissen. Wie war dieser seltsame Schuss zu
erklären? Nicht anders, als durch die Annahme eines Doppelschusses aus
einer doppelläufigen Büchse, wobei die Kugeln in das _os parietale_
eingedrungen waren, dann, wie es Doppelschüsse zu thun pflegen, im
Schusskanale ~divergirt~ hatten, und vorn in zwei verschiedenen
Oeffnungen ausgedrungen waren. Diese meine Erklärung bestätigte sich
durch die Untersuchung, welche ergab, dass überhaupt bei der Scene nur
zwei Schüsse gefallen waren, von denen der eine eben diesen Menschen,
der zweite


12. Fall.

~Tödtliche Kopf-Schusswunde.~

seinen würdigen Kameraden getödtet hatte. Dieser, ein 30jähriger
Schuhmachergeselle und Barrikadenheld, musste nothwendig im Augenblicke
der Tödtung mit offenem Munde geschrieen (oder vielleicht gegähnt)
haben, denn die Kugel war in den Mund eingedrungen, und an der rechten
Seite des Halses, einen Zoll von den Dornfortsätzen des sechsten und
siebenten Halswirbels, wo die Ränder der rundlichen, zerrissenen Wunde
aufgewulstet waren, hinausgegangen. Die Zunge war bis in ihre Mitte
ganz zerrissen, und hing in blutigen Fetzen einen halben Zoll lang
aus dem Munde heraus. Die Zähne rechter Seits fehlten, und der ganze
Unterkiefer war zerschmettert, ~ohne dass dessen Bedeckungen verletzt
waren~. Der Schuss hatte die grossen Halsgefässe nicht getroffen. Die
schon sehr weit vorgeschrittene Fäulniss gestattete eine genauere
Untersuchung des Gehirns nicht mehr. Deutlich aber sahen wir nach
Entfernung der _dura mater_ von der Schädelgrundfläche, dass diese
vielfach zersprengt worden war; namentlich fanden sich zersprengt das
Siebbein, das rechte Felsenbein, das Keil- und das Hinterhauptsbein.
Dass dieser Schuss, der eigentlich unterhalb der Schädelhöhle in den
Kopf eingedrungen war, solche Zersprengungen der Kopfknochen veranlasst
hatte, ist gewiss bemerkenswerth.


13. Fall.

~Schuss in die _Vena poplitaea_.~

Wieder bei den Schiessübungen der Bürgerwehr war ein, an der
Schiessscheibe stehender 12jähriger Knabe erschossen worden. Hier
war es eine reine Gefässblutung, die den Tod verursacht hatte, eine
Verblutung aus der _Vena poplitaea_ nämlich. Die Kugel war unterhalb
des rechten Kniegelenkes von innen nach aussen gegangen, ohne das
Gelenk zu treffen, und hatte eine drei Viertel Zoll lange Oeffnung in
die hintere Wand der _Vena poplitaea_ gerissen. Die Eingangsstelle der
Kugel war kreisrund, ihre Ränder scharf, glatt, trocken, sugillirt und
etwas nach innen gekehrt. Etwas kleiner war die Ausgangsöffnung, deren
Ränder zerrissen und nach aussen umgestülpt erschienen. Der Schusskanal
war mit coagulirtem Blute ganz ausgestopft. Dass die Blutung enorm und
eine wirklich tödtliche gewesen sein musste, erwies die vollständige
Anhämie des Körpers, an welcher in diesem Falle selbst die Gehirnvenen
Theil nahmen, was, wie ich nachgewiesen habe[5], keinesweges immer beim
Verblutungstode der Fall ist. (Vergl. Fall 18, 26.)


14. Fall.

~Tödtliche Kopf-Schusswunde.~

In diesem Falle war die Kugel im Körper, im Gehirn, stecken geblieben.
Es war ein Rehposten, mit welchem ein 13jähriger Knabe in den
Kopf geschossen worden war. Die Kugel war in die Mitte des linken
Scheitelbeins eingedrungen, und hatte zwei kleine Knochensplitter
im Schusskanal bis in den linken Seitenventrikel hinein, wo sie sich
fanden, fortgerissen. Die kleine Kugel selbst fanden wir plattgedrückt
an der Basis des kleinen Gehirns. Von der Schussöffnung im Knochen ab
erstreckte sich eine Zickzackfissur in ~sehr seltener Weise~, nämlich
in ~horizontaler~ Richtung, quer über den Kopf nach rechts hinüber, wo
sie in der Mitte der Lambda-Nath ihr Ende fand, da sonst bei weitem
die allermeisten Sprengungen der Schädelknochen mehr der vertikalen
Richtung folgen. Ausserdem fand sich hier noch in der _pars basilaris_
des Hinterhauptbeins ein bohnengrosses Knochenstück ausgesprengt, das
inselartig lose im Knochen lag.


15. Fall.

~Schuss in das Rückenmark.~

Am 16. October 1848 waren scandalöse Excesse unter den Kanalarbeitern
im Köpnikerfelde in Berlin vorgefallen, die bald, wie es damals so
gewöhnlich war, die ganze Stadt in Allarm setzten, und eine Berufung
der Bürgerwehr zur Folge hatten. Von den Aufständischen wurde zu den
Waffen gegriffen, und eine grosse Barrikade errichtet; es kam zum
blutigen Kampfe, und dieser lieferte ~elf~ Erschossene auf unsern
gerichtlichen Obductionstisch. Um die grosse Arbeit zu bewältigen,
wurde zwischen uns und der Gerichtsdeputation verabredet, in diesen
Fällen ausnahmsweise nur die Eine _resp._ Höhle zu öffnen, in welche
der Schuss eingedrungen, die _causa mortis_ also zu vermuthen war.
Unter jenen elf Erschossenen war der Eine, und nur dieser, in Erfüllung
seiner Pflicht einen ehrenvollen Tod gestorben, der allgemein geachtete
Bürgerwehrmann _F._, der beim Erstürmen der Barrikade, die er bereits
bis zur Hälfte erstiegen hatte, von unten und hinten her den tödtlichen
Schuss bekam. Die Kugel war in der Gegend des siebenten Halswirbels
eingedrungen, und hatte die drei letzten Halswirbel zerschmettert,
und das Rückenmark zerrissen. Am rechten Unterkieferwinkel war der
Schuss hinausgegangen, und zeigte sich hier eine, etwas eckige, nur
silbergroschengrosse Oeffnung, die auf eine Spitzkugel schliessen
liess. Die Ränder der Wunde waren ~nicht sugillirt~, was der
augenblicklich durch Zerreissung des Rückenmarks erfolgte Tod
erklärt, ein abermaliger Beweis für die Richtigkeit meiner frühern
Behauptung[6], dass Wunden am Lebenden von denen, erst dem Leichnam
zugefügten, nicht immer so leicht zu unterscheiden sind, wie man
gewöhnlich annimmt.


16. Fall.

~Schuss in Herz und Lunge.~

Der arme Teufel dieses Falles war bei dem Aufstande ganz unbetheiligt,
und fiel durch einen unglücklichen Zufall auf dem Kampfplatze, auf
welchem er ruhig in seiner Bude sass, von einer hineindringenden
Kugel getroffen, die über dem _manubrium sterni_ in die Brusthöhle
eingedrungen war. Sie hatte das Herz ganz und gar, und den obern linken
Lungenlappen theilweise zerrissen, und natürlich einen übermässigen
Bluterguss in die Höhle zur Folge gehabt. Die Kugel war nicht aus
dem Körper hinausgegangen, konnte aber auch in diesem Falle in den
Blutgerinseln nicht aufgefunden werden[7].


17. Fall.

~Schuss in die _Vena cava_.~

Die sämmtlichen nun folgenden neun Fälle betrafen die aufständischen
Kanalarbeiter, einen Maurer- und zwei Schneidergesellen, einen
vormaligen Tabagisten, drei Tagelöhner und zwei unbekannte Arbeiter.
Bei _T._ fanden sich drei Pfund halbgeronnenen Blutes in der
Bauchhöhle, die aus einer Verletzung der _Vena cava_ geflossen waren.
Die Eingangsstelle der Kugel war über dem linken Hüftbeinkamme, und
in diesem Falle waren die Ränder der Schusswunde zwei Linien breit
blau sugillirt. Nicht nur, dass die Kugel, die auch hier im Leichnam
stecken musste, da sie nicht hinausgegangen war, sich auch hier nicht
auffinden liess, so verschwand sogar -- was ich in noch zwei andern
Fällen gesehen habe -- eine Sonde, die in den Schusskanal gesteckt
worden war, um seine Direction näher zu ermitteln, und musste lange in
der geöffneten Bauchhöhle gesucht werden, ehe sie sich wieder fand.


18. Fall.

~Schuss in Aortenbogen und Lunge.~

Bei dem 18jährigen _C._ war die Kugel zwischen der zweiten und dritten
Rippe links ein-, und am rechten Schulterblatt hinausgedrungen. Der
Schuss war, merkwürdig genug, ohne die linke Lunge zu verletzen, in den
_arcus aortae_ gedrungen, in welchem sich eine silbergroschengrosse
Oeffnung mit nicht sugillirten Rändern zeigte, und war dann durch den
obern Lappen der rechten Lunge, den er zu zwei Dritteln ganz zerrissen
hatte, hindurchgegangen. Im rechten Brustfellsacke fanden sich zehn,
im linken drei Unzen dunkelflüssigen Blutes. Auch in diesem Falle von
plötzlichem Verblutungstode zeigten sich die Gehirnvenen keineswegs
blutleer. (Vergl. Fall 13 u. 26.)


19. Fall.

~Schuss in Zwerchfell und Lunge.~

Ein nicht gewöhnlicher Befund! Aeusserlich fanden wir die Schussöffnung
(hier mit eingestülpten, zwei Linien breit sugillirten, hart zu
schneidenden Rändern) zwischen der fünften und sechsten Rippe rechts.
Beim Oeffnen der Brusthöhle fiel sogleich die Leber auf, die convex
in die Höhle hineinragte. Natürlich musste das Zwerchfell verletzt
sein, und es fand sich in der That ein Riss der ganzen rechten
Hälfte desselben. Aber auch der untere Lappen der rechten Lunge war
durch den Schuss zerrissen, dessen Richtung man sich hiernach leicht
versinnlichen kann. Weiter fand sich nichts verletzt. Der


20. Fall.

~Tödtliche Kopf-Schusswunde.~

betraf wieder eine Kopfverletzung, und zwar durch einen
Spitzkugelschuss, der sich hier als solcher sehr deutlich
charakterisirte. Er war an der rechten Nackenseite neben den
Halswirbeln eingedrungen, wo sich eine kleine, kaum silbersechsergrosse
Wunde befand, deren Ränder etwas weniges eingestülpt, und zwei Linien
breit sugillirt waren. Auf der rechten Backe vor dem Ohre zeigte sich
eine Ausgangsstelle in einer ~dreieckigen~, einen halben Zoll langen
Wunde, mit eine Linie breit sugillirten, weichen, nicht umgestülpten
Rändern. Die ganze _basis cerebri_ war mit schwarzem, geronnenen
Blute wie übergossen. Die _pars petrosa_ rechts war abgesprengt, und
Zickzackrisse setzten sich von hier bis ins Hinterhauptsbein fort.

Ein anderer charakteristischer Spitzkugelschuss hatte den unbekannten
Kanalarbeiter getödtet,


21. Fall.

~Schuss in Lunge und Hohlvene.~

dessen ich schon oben (S. 19 u. 20) beiläufig erwähnt habe. Nur eine
erbsengrosse Oeffnung fand sich an der innern Seite des rechten
Oberarms, mit zwei Linien breit blau sugillirten Rändern, sonst nicht
die geringste Verletzung am ganzen Leichnam. Wie leicht hätte diese
kleine Wunde, die wir in der That selbst erst, nachdem der ganze Körper
hin und her vergeblich nach einer Verletzung durchforscht war, fanden,
übersehen werden können, zumal wenn nur ein Gerichtsdeputirter den
etwanigen präsumirten Selbstmörder oder Verunglückten besichtigt hätte.
Der Schuss war in die Brust gegangen, hatte sich einen Kanal durch den
obern Lappen der rechten Lunge gebohrt, und die Hohlvene zerrissen.
Die Kugel vermochten wir in den (achtzehn Unzen schweren) Blutcoagulis
nicht aufzufinden. Aehnlich war der


22. Fall.

~Schuss in Herz und Lunge.~

Die Kugel war links zwischen der sechsten und siebenten Rippe
eingegangen. Die Wunde war unregelmässig, rundlich, einen halben Zoll
im Durchmesser, offenbar von einer gewöhnlichen Flinten- (nicht Spitz-)
kugel herrührend, hatte nicht nach innen eingestülpte, ungleiche,
harte, zwei Linien breit schwarzroth sugillirte Ränder. Die innere
Rippenwunde war nicht sugillirt. Im linken Pleurasacke fanden wir vier,
im rechten zwanzig Unzen dunkeln, geronnenen Blutes. Der Schuss war
nämlich durch den untern Lappen der linken Lunge in den Herzbeutel
gegangen, hatte den linken Herzventrikel ganz zerrissen, und dann noch
den untern Lappen der rechten Lunge angebohrt, in welchem die Kugel
stecken geblieben war.

Von den drei letzten Fällen aus dieser Pöbelemeute betraf der


23. Fall.

~Lungen-Schusswunde.~

noch eine tödtliche Wunde der linken Lunge, die von vorn nach hinten,
wo der Schuss hinausgegangen war, deren untern Lappen durchbohrt hatte,
und die wir mit der einzigen Bemerkung, dass die Ränder der äussern
Wunde nicht sugillirt waren, fallen lassen können, wogegen die beiden
übrigen Fälle von den bisherigen abweichend waren.


24. Fall.

~Schusswunden in Lunge und Schenkelschlagader.~

Dieser Mensch war gleichsam zweimal erschossen worden. Er hatte eine
Kugel bekommen, die die _arteria cruralis_ am rechten Oberschenkel,
etwa in ihrer Mitte, zerrissen hatte, und ein zweiter Schuss zeigte
sich in einer viergroschengrossen, schwarzroth sugillirten Wunde
am linken _Acromion_, aus welcher das zersplitterte Schlüsselbein
hervorsah. Am obern Rande des linken Schulterblattes war die
Ausgangsstelle dieses Schusses, eine Wunde, wie die beschriebene, nur
kleiner und mit nach aussen gestülpten Rändern. Die Kugel war durch
die Spitze des obern Lappens der Lunge durchgegangen, und hatte den
linken Queerfortsatz vom ersten Brustwirbel abgebrochen, und dessen
Körper zerschmettert. Dabei war es auffallend, dass sich im linken
Pleurasacke ~nur~ drei Unzen (hellflüssiges) Blut fanden, während
man sonst bei penetrirenden Lungenwunden viel erheblichere Blutergüsse
findet, wofür auch schon die obigen Fälle Beweise liefern. Aber es
zeigte sich auch der ganze Leichnam anhämisch, und offenbar war die
tödtliche Verblutung aus der _Cruralis_, und zwar früher, als die aus
der Lungenwunde, erfolgt. Wären die beiden Schüsse in verbrecherischer
Absicht von zwei Thätern dem _denatus_ beigebracht worden, so hätte
der Fall wohl zu interessanten juristischen Deductionen Veranlassung
gegeben, da nach dem Obductionsbefunde der (an sich unzweifelhaft
tödtliche) Schuss in die Brust nicht getödtet ~hatte~, sondern nur
einem bereits tödtlich Verletzten zugefügt worden war. Der letzte


25. Fall.

~Tödtliche Kopf-Schusswunde.~

aus dieser Zahl der beim Excesse des 16. October erschossenen
Kanalarbeiter betraf den 20jährigen _S._, und wieder eine
Kopfverletzung. In der Mitte der rechten Backe fand sich eine
unregelmässig rundliche, etwa achtgroschengrosse Wunde, mit trockenen,
harten, im Umkreise von einem halben Zoll verbrannten Rändern --
woraus zu schliessen, dass der Schuss nur ~wenige Schritte~ weit
hergekommen sein konnte -- und durch die Schussöffnung hatte man einen
Einblick in das _Antrum Highmori_. Die Ausgangsöffnung befand sich am
rechten Zitzenfortsatz in einer dreieckigen, nicht randsugillirten,
weichgeränderten Wunde. Die ganze rechte Wand des Schädels war
abgesprengt, und namentlich ganz zersprengt der rechte grosse
Keilbeinflügel, das _os temporum_ mit dem Felsenfortsatz, und ein Theil
des Hinterhauptbeins. Die _basis cerebri_ und das kleine Gehirn waren
mit dunkeln Blutcoagulis wie übergossen.


26. Fall.

~Schuss in Herz und Lunge. Zweifelhafter Selbstmord.~

In diesem Falle war nicht sowohl die Schusswunde, als vielmehr die
Frage von Mord oder Selbstmord das Interesse in Anspruch nehmend. Ein
52jähriger blinder Mann war in seinem Zimmer am warmen Ofen sitzend
erschossen und todt gefunden worden. Der Terzerolschuss war in die
~linke~ Brustseite eingedrungen. Die äussere Wunde war drei Zoll lang
und fünf Viertel Zoll breit, und hatte zerrissene, nach oberhalb einen
halben Zoll breit schwarz verbrannte Ränder. Die Kugel war zwischen der
sechsten und siebenten Rippe eingegangen, hatte die linke Lunge ganz
zerrissen, und das Herz so zerfetzt, dass nur ein Stück der Wand des
rechten Ventrikels erkennbar war. Im Brustfellsacke dieser Seite fanden
sich acht Unzen dunkelflüssigen Blutes. Die rechte Lunge war blass und
blutleer, wie überhaupt der ganze Leichnam Anhämie zeigte, aber auch in
diesem Falle wieder mit Ausnahme der Venen der _pia mater_, welche noch
mässig gefüllt waren. Der Fall musste auffallen. _Denatus_ war ganz
blind gewesen, und zwei ausgebildete, reife Cataracten fanden sich in
den Augen der Leiche auch deutlich vor. Motive zum Selbstmorde waren
seiner Familie ganz unbekannt. Dieselbe hatte auch gar keine Ahnung
davon gehabt, dass und wo er sich das Terzerol gekauft hatte, das er
früher nicht besessen hatte, und das neben der Leiche gefunden wurde.
Auch wurde kein Schiessbedarf bei ihm vorgefunden. In seiner letzten
Zeit (im Herbst 1848) war er von der politischen Aufregung angesteckt
worden, und hatte sich namentlich jeden Abend in die Clubs führen
lassen. Dass solche spärliche Data noch nicht ausreichten, um auf Mord
schliessen zu lassen, ist einleuchtend, wie man auch zugeben wird, dass
dieser Schluss nach der Direction der Schusswunde nicht gerechtfertigt
gewesen wäre. Die Besichtigung der Hände führte zu keinem Resultat.
Beide waren, so weit es der Kerzenschein -- die Obduction musste bei
Licht gemacht werden -- erkennen liess, schmutzig graublau und die
Finger flectirt, aber Eine Hand unterschied sich in keiner Beziehung
von der andern. Dagegen war das Hemde bei Seite geschoben, und, sowie
der Schlafrock, unverletzt. Sprach dies für freiwilligen Tod, so war
doch die Möglichkeit vorhanden, dass ein Dritter den ganz blinden,
auf dem Stuhle am Ofen sitzenden, vielleicht eingeschlafenen Mann,
absichtlich auf so vorsichtige, den Schein des Selbstmordes erweckende
Weise habe erschiessen können. Bei dieser Sachlage schlossen wir das
Obductions-Protocoll mit dem summarischen Gutachten: »dass aus der
Obduction keine Gründe zu entnehmen, die der Annahme widersprächen,
dass _denatus_ seinen Tod durch ~Selbstmord~ gefunden habe«. Durch
spätere richterliche Ermittelungen ist denn auch der Selbstmord
erwiesen, und der Fall deshalb nicht weiter verfolgt worden. -- Sehr
ähnlich, aber schwieriger zu beurtheilen, war der


27. Fall.

~Herz-Schusswunde. Zweifelhafter Selbstmord.~

Im Friedrichshain, der neuen Parkanlage vor den Thoren Berlins, wurde
an einem Baume sitzend ein 40jähriger Mann erschossen gefunden. Seine
Uhr und Börse, von denen man wusste, dass er sie bei sich geführt,
fehlten, und neben ihm lag, ein gewiss sehr seltener und seltsamer
Fall, ~ein scharf geladenes Pistol~. Die Oberkleider der Leiche fanden
sich zurückgeschlagen, das Hemde aber war vom Schusse durchbohrt, der
zwischen der vierten und fünften Rippe links eingedrungen war. Hier
fanden wir eine rundliche, einen halben Zoll im Durchmesser haltende
Wunde mit zerrissenen Rändern, die weder nach aussen, noch nach innen
eingestülpt waren. Im Umkreis von zwei Zollen war die Haut gelbbraun
und hart zu schneiden; aber von eingebranntem Pulver zeigte sich an
den Rändern keine Spur! Innerhalb der Brusthöhle fanden wir einen
Erguss von drei med. Pfunden von theils geronnenem, theils flüssigem
Blute im linken Pleurasacke und Zerfetzung des ganzen linken Herzens
durch den Schuss. Auch in diesem Falle konnte, trotz sorgfältigsten
Suchens, die Kugel, die keinen Ausgang genommen hatte, im Leichnam
nicht gefunden werden. Beide Hände waren, wie alle Gelenke, biegsam,
und auch in den Händen fand sich kein eingebranntes Pulver. Lag
hier Mord oder Selbstmord vor? ~Die~ Frage, die bei der Obduction
an uns gerichtet ward: »ob _denatus_, nachdem er die vorgefundene
Verletzung erhalten, noch Einmal habe laden können«? -- wonach der
Befund des ~geladenen~ Pistols bei der Leiche erklärt wäre -- konnten
wir natürlich zu verneinen keinen Augenblick Anstand nehmen, da der
Tod ein urplötzlicher gewesen sein musste. Weit schwieriger war die
Beantwortung der Frage vom zweifelhaften Selbstmord. Der Verstorbene
~konnte~, vielleicht in angetrunkenem Zustande, der Uhr und Börse
beraubt und dann erschossen worden sein, und der Mörder in diesem Falle
das Pistol absichtlich noch einmal geladen und neben die Leiche gelegt
haben. Bei dieser Annahme wäre aber der Befund der zurückgeschlagenen
Kleider immerhin auffallend gewesen. _Denatus_ ~konnte~ aber auch sich
selbst erschossen, zu diesem Zwecke ~zwei~ geladene Pistolen mit
hinaus genommen haben, und nach dem Tode der Uhr, Börse und ~einer~
Pistole beraubt worden sein. Der Mangel von Pulverschwärzung in den
Rändern der Schusswunde konnte keine beider Annahmen unterstützen,
da jedenfalls der Schuss nicht von fern her gekommen war, ebenso
wenig, wie derselbe Mangel in den Händen für beweisend erachtet
werden konnte, da, abgesehen davon, dass der Verstorbene Handschuhe
angehabt, und diese gleichfalls nach dem Tode geraubt sein konnten, bei
notorischen Selbstmördern meist ebenso wenig Pulverschwärzung in Einer
Hand gefunden wird, als nach dem Abschiessen der Waffe bei Soldaten,
Schützen, Jägern u. s. w. ~Vielmehr verbrennt die Hand nur beim
Abschiessen durch mehr oder weniger ungeschickte Handhabung der, nicht
mit einem Zündhütchen versehenen Schiesswaffe.~ Bei dieser schwierigen
Sachlage des vorliegenden Falles mussten wir unser Gutachten dahin
abgeben: »dass die ~Obduction~ keine Data zur zweifelsfreien
Beantwortung der Frage vom Mord oder Selbstmord geliefert habe, dass
ihre Ergebnisse jedoch die Möglichkeit des Selbstmordes keinesweges
ausschlössen«.



III. Kopfverletzungen.


Ausser den schon in den Rubriken unter I. und II. aufgeführten und
weiter unten in der Rubrik der Misshandlungen noch zu erwähnenden
Fällen von Kopfverletzungen kamen in dieser Centurie noch zehn andere
Fälle von tödtlichen Kopfverletzungen vor, die auf die verschiedenste
Weise veranlasst waren. Wie gerade bei den Kopfverletzungen die alte,
bei uns durch den §. 169. der Crim.-Ordnung praktisch repräsentirte
Lethalitätslehre für die gerichtlich-medicinischen Begutachtungen
störend und peinlich war, ist allbekannt, und wird zum Theil noch
die folgende Aufzählung jener zehn Fälle ergeben, die noch unter
der Herrschaft des alten Strafgesetzbuches vorkamen, folglich
eine Beantwortung der drei Fragen des §. 169. erforderten. Nicht
zweifelhaft konnte dieselbe in den zunächst folgenden beiden Fällen
sein, welche die seltene Todesart durch Erschlagen mittelst eines
~Windmühlenflügels~ betrafen.


28. und 29. Fall.

~Sprengung des Schädels, Gehirnvereiterung durch Schläge eines
Windmühlenflügels.~

a) Ein 4jähriges, ganz gesundes Mädchen war von einem Windmühlenflügel
getroffen, alsbald besinnungslos geworden, hatte ~linkseitige~ Krämpfe
bekommen, und war nach 23 Stunden gestorben. Die Hälfte der Kranznath
zeigte sich eine Linie weit auseinander gewichen, ein seltener
Befund, der, ~wie jede Sprengung von Schädelnäthen~, auf eine ~ganz
ungewöhnlich heftige~ Gewalt schliessen lässt, und von dem Endpunkte
dieses Risses erstreckte sich ein diagonaler Riss von drei Zoll in
das linke Scheitelbein. Am rechten Scheitelbein befand sich gegen den
Flügel des Keilbeins und Schuppentheil des Schlafbeins eine Fractur
mit Impression von der Grösse eines Viergroschenstücks. Das Gehirn
floss leider nach der Oeffnung des Schädels als fauliger Brei aus,
und konnte deshalb nicht genauer untersucht werden. In der _basis
cranii_ aber zeigte sich, als von jener Stelle rechts abgegangen,
eine Fissur, die das ~rechte~ Keilbein und die _Sella turcica_
gespalten hatte, welcher letztere Knochentheil gleichfalls nur bei den
erheblichsten Gewaltthätigkeiten gesprengt wird, und dieser Befund
allein rechtfertigte es, dass wir die absolute Tödtlichkeit dieser
Kopfverletzung im Sinne der ersten Frage der Crim.-Ordnung annahmen.

b) In diesem Falle war es ein 3jähriger Knabe, der von dem
Windmühlenflügel getroffen worden war. Ueber die Krankheitsgeschichte
haben wir, da später kein Obductionsbericht erfordert worden, Nichts,
und nur bei der Section erfahren, dass das Kind nach der Verletzung
noch 17 Tage gelebt hatte, was nach dem Leichenbefunde auffallend
genug war. Die äussere Verletzung erschien wenig erheblich. Es fand
sich nahe am Wirbel auf dem linken Scheitelbein eine unregelmässig
viereckige mit ungleichen Rändern versehene Verletzung, die den Knochen
durchdrang, und aus welcher Gehirnmasse quoll. An der innern Lamelle
des Scheitelbeins aber zeigte sich an dieser Stelle ein sternförmiger
Sprung, dessen Endspitzen die harte Hirnhaut durchbohrten. Nach
Wegnahme derselben strömte grüner Eiter in starkem Strom hervor und nun
ergab sich, dass zwei Drittel der ganzen linken Hemisphäre in Einen
Abscess verwandelt waren. Mit Rücksicht auf die Heftigkeit der Gewalt
sowohl, durch welche die Verletzung veranlasst worden, wie auf diesen
Befund, nahmen wir keinen Anstand, auch hier die absolute Tödtlichkeit
der Verletzung anzunehmen. Die Gründe, welche uns leiteten, werden sich
aus dem folgenden ähnlichen Falle ergeben.


30. Fall.

~Tödtliche Kopfverletzung durch Schlag mit einem Schusterhammer.
Gehirneiterung.~

Am 15. November 18-- erhielt die verehelichte Schuhmacher _S._ von
ihrem Ehemanne mehrere Schläge mit dessen Hammer auf den Kopf. Sie
blutete stark, verlor aber so wenig die Besinnung, dass sie den Vorfall
noch einer Nachbarin erzählen, und, allerdings geführt, den weiten
Weg nach dem Krankenhause zu Fusse gehen konnte, wo sie drei Stunden
nach erhaltener Verletzung eintraf. Sie erhielt dort Fomentationen
von Eiswasser und eine purgirende, salinische Mixtur mit Salpeter.
Am andern Morgen (den 16ten) befand sie sich so wohl, dass sie
wünschte, entlassen zu werden; sie klagte nur über mässige Schmerzen
im Hinterkopfe und über Schwindel beim Emporrichten. Am 17ten und
18ten erhielt sich dies Wohlbefinden. Erst am 27sten stellte sich eine
erysipelatöse Anschwellung an Stirn und Gesicht ein, die sich in den
folgenden Tagen über das ganze Gesicht verbreitete, wobei jedoch der
Puls ruhig, und das Allgemeinbefinden »nach wie vor ungetrübt blieb«.
Dieser Zustand dauerte bis zum 3. December, an dessen Abend sich
plötzlich ein Schüttelfrost einstellte, der, bei einem Pulse von 112,
eine halbe Stunde anhielt. Dieser Anfall wiederholte sich am 4ten,
zweimal täglich am 5ten, 6ten und 7ten, und dreimal am 8ten. Ueber
eine Medication in diesen Tagen fand sich im Krankenhaus-Journal gar
Nichts verzeichnet. Am Abend des 8ten klagte Pat., die sich, ausserhalb
der Frostanfälle, bisher noch immer leidlich wohl gefühlt hatte, über
bedeutende Eingenommenheit des Kopfes, es traten Delirien ein, und am
9ten Mittags starb die Kranke.

Erst am 14ten fand die gerichtliche Obduction des steif gefrorenen
Leichnams Statt. Am Kopfe fanden sich äusserlich drei Verletzungen,
auf deren genauere Schilderung, nach dem mir vorliegenden
Obductions-Protokoll, es hier nicht ankommen kann. Die Eine
befand sich am linken Augenbrauenbogen, die zweite auf dem linken
Scheitelbein, die dritte auf dem Hinterhaupte. An allen drei Stellen
war das _Pericranium_ im Umkreis abgelöst. An der Hauptverletzung am
Scheitelbein war die innere Lamelle Zoll lang halbmondförmig geborsten.
Die blutführenden Gehirnhäute waren mässig blutgefüllt, das gefrorne
Gehirn ziemlich blutleer. Bei dessen Herausnahme zeigte sich die Basis
der linken Hemisphäre mit einer liniendichten Schicht hellgrünen,
gefrornen Eiters überzogen, welche sich auch noch über den _Pons Var._
und die _Medulla obl._ fortsetzte. Das _Tentorium_ war mit derselben
Eiterlage überzogen, die auch die ganze linke Hälfte des kleinen
Gehirns bedeckte. An der Stelle der Augenbrauenwunde fand sich die
äussere Lamelle des Stirnbeins einen halben Zoll breit und einen ganzen
Zoll lang eingedrückt und gebrochen. In der Brusthöhle fanden wir
Lungenoedem; der übrige Befund bot nichts Bemerkenswerthes dar.

Der Fall musste in das Procrustes-Bette der drei Fragen eingezwängt
werden. Wir führten im Obductionsbericht ~zunächst~ aus, dass
die Verletzung keine »individuell-absolut-lethale«, im Sinne der
zweiten Frage, gewesen, was leicht zu erweisen war, da die _S._ sich
aktenmässig bis zum Augenblicke der Verletzung stets gesund gefühlt,
und auch die Leichenöffnung Nichts ergeben hatte, was eine sonst
nicht lebensgefährliche Verletzung gerade bei dieser »Individualität«
zu einer absolut tödtlichen hätte steigern müssen. Ebenso wenig,
führten wir weiter aus, könne dies in Bezug auf die Voraussetzungen
angenommen werden, welche die dritte Frage der Crim.-Ordn. annimmt,
den »Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes« nämlich, und
den »Hinzutritt einer äussern Schädlichkeit«, als welche der Gang der
Verletzten unmittelbar nach der Verletzung zum Krankenhause nicht
gelten kann, da sie sich damals noch, und zwar nicht blos scheinbar,
sondern thatsächlich, leidlich wohl befand, und die tödtliche
Krankheit, eben eine schleichende, allmählich sich ausbildende,
~heran~schleichende, folglich erst später auftretende Gehirnentzündung
die Ursache des Todes geworden war, wie die Krankengeschichte und
Leichenöffnung nachgewiesen. Von einer andern »äussern Schädlichkeit«
aber sei vollends aktenmässig keine Spur vorhanden. Was nun ferner
den etwaigen »Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes«
als mitwirkend zum Tode (!!) beträfe, so sei, ausser dem (im
Obductions-Berichte bereits hervorgehobenen) insidiösen Gange einer
schleichenden Entzündung des Gehirns, wie er sich gerade in diesem
Falle in seiner ganzen Heimlichkeit und Tücke gezeigt hatte, und
wie er so oft das beste Verfahren des besten Arztes vereitelt, noch
hervorzuheben, dass es ganz unangemessen wäre, in einem solchen Falle
einen solchen »Mangel« anzunehmen, »wo nicht ein einziges Symptom
die bereits vorhandene Tödtlichkeit der Krankheit kund gab, und in
welchem, was ärztlicher Seits geschehen, nur gebilligt werden kann«.
Wenn es aber allerdings als ein auffallender Umstand bezeichnet
werden muss, dass das Krankenjournal vom 3. December ab, an welchem
Tage nun, durch den eingetretenen ersten Schüttelfrost zum erstenmale
für den Kenner die eingetretene Gehirneiterung, d. h. die höchste
Lebensgefahr, bemerklich ward, gar keiner Medication mehr erwähnt, so
wiegt doch diese Lücke in der forensischen Beurtheilung nicht schwer,
da von dem Augenblicke an, wo diese Schüttelfröste eintraten, ~keine~
ärztliche Behandlung mehr einen lebensrettenden Ausgang auch nur mit
einiger Sicherheit hätte erhoffen lassen können. Hiernach müssen wir
auch die dritte Frage des §. 169. verneinen. Es bleibt sonach für die
Bejahung nur noch die erste der drei Fragen übrig, und nehmen wir
keinen Anstand, dieselbe zu bejahen« (d. h. bekanntlich, die Verletzung
für eine allgemein-absolut-lethale zu erklären). »Man wende nicht ein,
dass auch die schwersten Kopfverletzungen zuweilen und unter besonders
glücklichen Umständen nicht tödtlich verliefen; denn eben diese
Erfahrungen machen die Anwendung jener drei Fragen in ähnlichen Fällen,
wie der vorliegende, ganz unthunlich. Wenn man aber erwägt, dass hier
eine Verletzung von solcher Heftigkeit eingewirkt hatte, dass dadurch
selbst die innern Theile der Schädelknochen geborsten waren, und
Eiterung selbst in der Tiefe des Schädels sich gebildet hatte, so ist
man gezwungen anzunehmen, dass eine solche Verletzung tödten ~musste~,
und dass Natur- wie Kunsthülfe unausreichend dagegen bleiben mussten«.
Auf Grund dieses Gutachtens erfolgte die Verurtheilung des Ehemannes.

Ein durchaus ähnlicher Fall, selbst den äussern Umständen nach, Tödtung
durch den Ehegatten, reiht sich an den eben erzählten, wenngleich
derselbe weniger schwierig für die Anwendung der drei Fragen, dafür
aber wo möglich ärztlich noch interessanter war.


31. Fall.

~Tödtliche Kopfverletzung durch Axthiebe.~

Am 15. März 18-- hatte der Arbeitsmann _R._ seiner Ehefrau aus
Eifersucht mehrere Schläge mit einer Holzaxt auf den Kopf gegeben. Sie
war danach besinnungslos niedergestürzt, hatte sich jedoch alsbald
wieder erholt. Am folgenden Tage wurde sie nach der Charité gebracht.
Sie klagte jetzt nur über Schwindel bei aufrechter Stellung. Etwas
Weiteres über ihr Befinden bis zum Tode ist mir nicht bekannt geworden.
Ich weiss nur, dass sie, da man unter Einer der beiden Wunden eine
Depression des Schädelknochens fand, ~trepanirt~ wurde, und dass der
Tod am 30. März, also vierzehn Tage nach der Verletzung, erfolgte. Erst
am 4. April wurde die Leiche obducirt. Das Wesentliche war icterische
Färbung des Körpers und folgender Befund im Kopfe: in der Mitte der
Stirn eine 1-1/2 Zoll lange, klaffende Wunde, mit scharfen, glatten,
nicht sugillirten Rändern, und in der Mitte des linken Scheitelbeins
eine zweite ähnliche, unter welcher sich die Trepanöffnung befand.
Die Hirnhäute, einschliesslich der eingeschnittenen _dura mater_,
zeigten im Durchmesser von 1-1/2 Zoll eine graugrüne Färbung. Die
linke Hemisphäre war mit einer liniendicken Schicht grünen Eiters
überzogen. Das kleine Gehirn zeigte an seiner Grundfläche ein
silbergroschengrosses, sulziges Exsudat. Die ganze ~rechte~ Hälfte
der Schädelgrundfläche war mit einem 2 Linien dicken Extravasat
von dunkelm, geronnenen Blute bedeckt. Von der Trepanöffnung ab
erstreckte sich eine Fissur mit deutlich sugillirten Rändern durch
das Hinterhauptbein bis in das _foramen magnum_. Ausserdem war nur
ungewöhnlich die Grösse der Milz und Nieren, und eine auffallende
Grösse der Leber. Die Beurtheilung des Falles konnte, selbst nach
dem Maassstabe der drei Fragen, bei ~solchen~ Kopfverletzungen nicht
zweifelhaft sein. Die erste Frage (absolute Tödtlichkeit) musste
bejaht werden, bei dem Befunde eines so erheblichen Blutextravasates
auf der _basis cranii_, und einer Fissur, die sich in dieselbe
hineinerstreckte. Die abgesondert vorgelegte Frage nach dem tödtlichen
Werkzeuge beantworteten wir dahin: dass keine Gründe vorlägen, um nicht
anzunehmen, dass diese Verletzungen durch ein Beil verursacht worden.


32. Fall.

~Anscheinend tödtliche Kopfverletzung.~

Der Leichnam einer 60jährigen Frau zeigte einige Hautwunden an der
Stirn, welche Veranlassung zur gerichtlichen Obduction wurden. Diese
ergab aber, dass die Verletzungen nicht im Geringsten mit dem Tode im
Zusammenhange standen, welcher vielmehr an Lungentuberculose erfolgt
war. Die oberflächlichen Wunden hatte die Verstorbene sich höchst
wahrscheinlich durch einen Fall aus dem Bette zugezogen, neben welchem
man sie todt aufgefunden hatte.

Wenn dieser Fall kein Interesse darbot, so wird dasselbe den folgenden
drei Parallelfällen nicht abgesprochen werden, sämmtlich nämlich
tödtliche Kopfverletzungen durch Säbelhiebe betreffend.


33. Fall.

~Tödtlicher durchdringender Säbelhieb auf den Kopf.~

Wem ist nicht aus traurig bewegter Zeit das ernste Drohwort eines
berühmten Heerführers in Erinnerung, als er mit seinen Truppen in das
aufständische Berlin einzog, um Zucht und Ordnung wieder herzustellen:
»Die Kugeln sind im Lauf, die Säbel scharf geschliffen«? ~Wie~ scharf
sie geschliffen waren, und was selbst ein Hieb mit dem nur kurzen
preussischen ~Infanterie~-Seitengewehr vermag, lehrte überraschend der
folgende Fall.

Bei einem Excess zwischen Civilisten und Soldaten, der sich in einem
Tabaksladen entsponnen hatte, erhielt ein 42jähriger Arbeiter von
einem Infanteristen mit dessen scharf geschliffenem Säbel einen Hieb
über den Kopf. Dieser Hieb erstreckte sich viertehalb Zoll lang von
der Pfeilnath nach dem linken Scheitelbein, und dieser Knochen war in
der Mitte des Hiebes einen Zoll lang ganz gespalten. Innerlich war
die Glastafel ringsum vielfältig abgesplittert, und die Hirnhäute
gleichfalls einen Zoll lang scharf zerschnitten. An dieser Stelle fand
sich ein wallnussgrosser Hirnabscess, in welchem noch Splitter der
Glastafel lagen. Frische Blutegelstiche in der Oberbauchgegend zeigten,
dass der Verstorbene hier über Schmerzen geklagt haben musste, die
vielleicht im Zusammenhange mit Lebertuberculose gestanden hatten,
welche die Leichenöffnung gleichfalls ergab. Im Uebrigen ist uns vom
Verlauf der Krankheit nach der Verletzung nichts bekannt geworden, da
ein Obductionsbericht später nicht gefordert wurde.

Die Belehrung, welche dieser Fall in Betreff des tödtlichen Werkzeuges
gegeben, influirte sogleich auf die Beurtheilung der ganz ähnlichen
Sachlage im folgenden


34. Fall.

~Tödtlicher durchdringender Säbelhieb auf den Kopf.~

Bei einem andern Auflauf war ein 40jähriger Mann von Soldaten mit ihren
Säbeln über den Kopf gehauen worden, und nach fünf Tagen gestorben.
Ueber die linke Gesichtsseite der Leiche ging, vom Augenbrauenbogen
anfangend, ein vier Zoll langer Hieb, der, mit blutiger Nath geheftet,
schon in der Vernarbung begriffen war. Der Hieb hatte nicht nur beide
Augenlieder gespalten, sondern auch die ~_Highmore_'s-Höhle~ geöffnet.
Ein zweiter Hieb fand sich rechts am Scheitelbein, drei Zoll lang, und
dieser hatte, genau wie im vorigen Falle, den Knochen und die Meningen
scharf und glatt gespalten. Auch hier fanden sich an der innern Lamelle
Zickzack-Fissuren und eine Absprengung eines groschengrossen Stückes
der Glastafel. Die Venen der _pia mater_ waren leer, das ganze grosse
und kleine Gehirn aber, an Ober- wie Grundfläche, war mit einer zwei
Linien dicken Eiterschicht überzogen.

»Es wäre wünschenswerth«, sagt das, den Obductionsbericht erfordernde
Schreiben des Militair-Gerichtes, »wenn der Bericht sich darüber
aussprechen könnte, ob die beiden Kopfverletzungen des _G._ als
mit Einem und demselben Instrumente zugefügt, anzusehen seien, da,
nach den Zeugenaussagen, mehrere Personen, und zwar ~Kavallerie
und Infanterie~ bei der Verwundung des _G._ mitgewirkt haben«. --
Nachdem wir im Obductions-Berichte die absolute Tödtlichkeit, nicht
der Gesichts-, wohl aber der Kopfhiebwunde im Sinne der ersten Frage
des §. 169. der Crim.-Ordn. festgestellt hatten, äusserten wir uns
in Betreff des tödtlichen Werkzeuges wie folgt: »Wenn das etc.
Gericht die unterzeichneten Obducenten fragt: ob beide genannte
Kopfverletzungen als mit Einem und demselben Instrument zugefügt zu
erachten seien, oder nicht? so sehen wir uns ausser Stande, diese
Frage zu beantworten. Die Beschaffenheit beider Wunden deutet, bei
der Schärfe und Glätte der Wundränder, der Länge der Wunden und der
Tiefe derselben, mit Gewissheit nur auf Hiebe mit einem scharfen und
schneidenden Instrumente. Ob ein solches aber ein Kavallerie- oder
Infanterie-Säbel überhaupt, _resp._ bei Einer der Verletzungen gewesen,
kann nach Beschaffenheit der Wunden nicht beurtheilt werden. Obducenten
glauben hierbei die Aeusserung nicht unterdrücken zu dürfen, dass
ihnen erst ganz kürzlich ein, dem vorliegenden durchaus ähnlicher Fall
von durchdringender Kopfverletzung vorgekommen ist, welche vollkommen
unzweifelhaft durch den Säbel eines gemeinen ~Infanteristen~ verursacht
worden war«. -- Das Requisitionsschreiben fügte aber noch hinzu: »es
ist ferner darauf aufmerksam zu machen, dass nach Aussage mehrerer
Zeugen, der Gardedragoner _L._, nachdem der _G._ bereits am Kopfe
blutend auf dem Strassenpflaster lag, diesem mehrere Hiebe auf den
Vorderkörper, auf Brust oder Unterleib gegeben hat, dass dagegen das
Obductions-Protokoll von Verletzungen am Vorderkörper Nichts erwähnt,
während von derartigen Hieben doch mindestens Sugillationen entstanden
sein müssten.« -- Hierauf erwiederte unser Obductionsbericht: »wir
haben endlich noch derjenigen, in Bezug genommenen Zeugenaussagen zu
erwähnen, wonach _denatus_, nachdem er bereits zur Erde gelegen, noch
von einem Soldaten auf Brust oder Unterleib gehauen worden sein soll.
Wenn das etc. Gericht meint: dass von derartigen Hieben doch mindestens
Sugillationen entstanden sein müssten, so sind Obducenten zwar nicht
in der Lage, dieser Behauptung beitreten zu können, da die tägliche
Erfahrung lehrt, dass noch weit bedeutendere Verletzungen, als diese
etwanigen Hiebe, die doch jedenfalls flach geführt worden sein müssten
-- da sie, scharf geführt, doch mindestens die Hautbedeckungen getrennt
haben würden -- sichtliche Spuren am Leichnam nicht hinterlassen.
Eben deswegen aber, weil dergleichen an der Leiche nicht beobachtet
worden, und das Obductions-Protokoll, der Wahrheit entsprechend, _sub_
Nr. 11. ausdrücklich bemerkt, dass ausser den genau geschilderten
Kopfverletzungen »sonstige Verletzungen«, also auch Sugillationen
u. dgl. an Brust und Unterleib, nicht bemerkt worden, so müssen
Obducenten, von ihrem Standpunkte aus, die beregten Zeugenaussagen ganz
auf sich beruhen lassen«. So musste denn der _tenor_ des Gutachtens
wie folgt lauten: 1) »dass _denatus_ durch die geschilderte Kopf-«
(nicht Gesichts-) »Verletzung seinen Tod gefunden habe; 2) dass diese
Verletzung so beschaffen gewesen, dass sie in dem Alter des Verletzten
unbedingt und unter allen Umständen für sich allein den Tod zur Folge
haben müssen[8]; 3) dass hiermit die beiden übrigen Fragen des §.
169. von selbst verneint sind; 4) dass alle übrigen, am Leichnam des
_denatus_ vorgefundenen, und im Obductions-Protokoll verzeichneten
Verletzungen« (unbedeutende Quetschungen, Hautschrammen u. dgl.) »den
Tod nicht veranlasst haben; 5) dass darüber, ob verschiedene Hiebwaffen
die verschiedenen Verletzungen bewirkt haben, sowie 6) darüber, ob
_denatus_, nachdem er die Kopfwunde erhalten, und zur Erde gefallen,
noch mit Hieben auf Brust und Unterleib gemisshandelt worden? die
Obduction keinen Aufschluss gegeben hat.« (Vgl. 45. Fall.)

Der letzte


35. Fall.

~Tödtlicher Säbelhieb auf den Kopf.~

aus dieser Reihe betraf eine 28jährige _puella publica_, die drei
Wochen vor ihrem Tode von Soldaten durch einen Säbelhieb am Kopfe
verletzt, und in der Charité behandelt worden war. Bei der Section fand
sich die 1-3/4 Zoll lange, einen Zoll klaffende Wunde mit scharfen,
trocknen Rändern über der Protuberanz des rechten Scheitelbeins, und
dieses war an-, aber nicht durchgehauen. Die äussere Knochenlamelle
um die Wunde war im Umfange eines Zolles necrotisch abgestorben. Die
innere Lamelle an dieser Stelle war dagegen ganz unverletzt. Die
Schädelknochen waren ungewöhnlich dick. Gehirn und die blutführenden
Meningen sehr blutreich. Die _basis cranii_, das kleine Gehirn, _Pons
V._, _Medulla oblongata_ waren, offenbar von Exsudaten, opalisirend.
Eigentliche Eiterung fand sich nicht. _Sinus_ blutleer. Die Leber
cirrhotisch, die Milz gross und mürbe, der _Uterus (puellae publicae)_
hatte die Grösse wie bei einer Mehrgebärenden, beide Eierstöcke waren
knorpelhart, und am rechten ein beginnender _Hydrops_ sichtbar.
Aus der später vorgelegten Krankheits-Geschichte ging hervor, dass
_denata_ zwar im Augenblicke der erhaltenen Verletzung umgesunken und
besinnungslos gewesen war, dass sie aber am andern Tage bei ihrer
Aufnahme in das Krankenhaus vollkommen besinnlich, und in einem so
günstigen Zustande war, und bis sechs Tage vor ihrem Tode verblieb,
dass das Kranken-Journal aus dieser ganzen Zeit nur den einfachen
Verband der Wunde zu registriren hatte. Erst sechs Tage vor dem Tode
stellten sich plötzlich die berüchtigten Symptome: heftiger Druck im
Kopfe, Schüttelfrost, Brechreiz, Erweiterung und Trägheit der Pupille
u. s. w. ein, und von da ab verlief die Krankheit unter den bekannten
Erscheinungen.


36. Fall.

~Tödtliche Kopfverletzung durch Fall in einen Keller. Ruptur des
Herzbeutels, der Leber und der Milz.~

Durch eine nicht sehr seltene Unvorsichtigkeit fand ein reicher
Brauherr in seinem eigenen grossartigen Etablissement einen
schaudervollen Tod. Man hatte nämlich eine Fallthür, die von der
obern Etage nach einem ~sechsundvierzig~ Fuss tiefen ausgemauerten
Kellerschacht führte, in welchem die grossen Bierfässer lagen, offen
gelassen, und in der Dunkelheit stürzte der Unglückliche in diesen
Schacht hinab, und ward, alsbald vermisst, todt heraufgezogen. Er
war erst 44 Jahre alt geworden. Die Hautbedeckungen auf der linken
Schädelhälfte waren in einem grossen Winkel abgeplatzt, ein Beweis,
dass der Mann auf einen scharfen Rand, wahrscheinlich eines Fasses,
aufgefallen war. Das ganze Gehirn fand sich mit einer liniendicken
Schicht dunkeln geronnenen Blutes überzogen, und eben solche
Extravasate sahen wir in den Seitenventrikeln. Die _basis cranii_ war
queerüber in zwei Theile auseinander gespalten, was allein einen Beweis
der ausserordentlichen Gewalt abgab, die auf den Körper eingewirkt
haben musste. Andere Beweise eben dafür gaben eine Zerplatzung des
Herzbeutels seiner ganzen Länge nach, wobei aber das Herz unverletzt
geblieben war, ein zwei Zoll langer, transverseller Riss der Leber an
der untern Fläche des linken Lappens, und ein eben solcher in der
Milz. Endlich fanden sich auch noch die vier ersten Rippen linkerseits
eingeknickt! Und bei diesen enormen innern Verletzungen zeigte
die Oberfläche der Leiche weder an der linken Brustseite über den
geknickten Rippen, noch in der Milz-, noch in der Lebergegend auch nur
eine Spur einer Sugillation (!). (Vgl. Fall 4, 5, 38 u. 39.)

Ein Parallelfall zu diesem ereignete sich einige Monate später.


37. Fall.

~Tödtliche Kopfverletzung durch Fall von einer Treppe.~

Der Fall hatte, ausser dem anatomisch-forensischen, eine Art von
psychologischem Interesse, denn unmittelbar nach Sinnesgenüssen, in
einer Stimmung, die gewiss vollste Lebenslust athmete, also in nicht
gewöhnlich ungeahneter Weise, ereilte den Unglücklichen der Tod. Ein
pensionirter Stabs-Officier, erst 53 Jahre alt, hatte am 1sten des
Monats seine Pensionsrate bezogen, sich alsbald einen Rausch getrunken,
und wollte nun ausser dem _Bacchus_ auch noch der _Venus_ ein Opfer
bringen. Beim Weggange von der -- Priesterin stürzte er die Treppe
hinab, und war in einer Stunde eine Leiche! Wir fanden eine Fissur,
die sich von der Lambda-Nath ab bis in das linke _foramen lacerum_
hinein erstreckte, und auch hier wieder, wie im vorigen Falle, das
ganze grosse und auch das kleine Gehirn mit einer liniendicken
Schicht dunkelvenösen, schon halb coagulirten Blutes überzogen.
Merkwürdig war ein kirschengrosses Extravasat desselben Blutes mitten
im _Pons Varolii_. Im Herzen fand sich in beiden Hälften ziemlich
viel Blut. Der Magen war mit durch Rothwein gefärbtem Speisebrei
angefüllt. Die Harnblase stand über dem Schoossbogen, und war
strotzend voll wasserhellen Urins. Natürlich wurde die erste der drei
Lethalitätsfragen bejaht.

Ausser diesen zehn und den oben erzählten sieben Fällen (Nr. 1., 5.,
9., 11., 12., 14., 20. u. 25.) werden unten (Fall 44 und 45) noch zwei
Fälle von tödtlichen Kopfverletzungen geschildert werden, dergleichen
also zwanzig, folglich der fünfte Theil aller die in diesem Hundert,
vorgekommen sind.



IV. Verletzung des Rückenmarkes.


Wir reihen an die beiden letzten Mittheilungen von tödtlichem Fall aus
der Höhe die folgende. Abermals eine ganze Reihe der allerbedeutendsten
Verletzungen, wie sie immer vorkommen, wenn der ganze Körper
zerschellt. Zugleich ist dieser Fall der dritte in dieser Centurie
von den, immer sehr seltenen, Verletzungen des Rückenmarks (vgl. 6.
und 15. Fall), und endlich bietet derselbe einen abermaligen Beweis
für die wiederholt hier ausgesprochene Behauptung von der gänzlichen
Unzuverlässigkeit der bloss äusserlichen Leichenbesichtigung in Betreff
mangelnder Sugillationen u. dgl.


38. Fall.

~Ruptur des Rückenmarkes; Bruch des Brustbeins und der Rippen; Ruptur
der Leber.~

Ein 30jähriger Tagelöhner war 60 Fuss tief in eine Kalkscheune
hinabgestürzt, bewusstlos und röchelnd liegen geblieben und in
diesem Zustande nach drei Stunden gestorben. Ausser unbedeutenden
Hautabschilferungen an den Händen und Unterextremitäten, und einer
geringen, nur Zweigroschenstück grossen Sugillation im Nacken fand
sich äusserlich ~keine Spur~ einer Verletzung, noch ein auf innere
Verletzungen deutendes Merkmal. Die Section ergab 1) apoplectische
Hyperämie in beiden Gehirnen, 2) einen Bruch des dritten Halswirbels
am hintern Bogen, der queer durchbrochen, und womit gleichzeitig ein
Abbruch des _processus spinosus_ verbunden war; 3) war an dieser
Stelle das ganze Rückenmark queer durchrissen und der Wirbelkanal mit
halb coagulirtem Blute ausgestopft; 4) war das _Sternum_ von seinem
_Manubrium_ scharf abgebrochen, und 5) waren die zweite, dritte
und vierte Rippe rechts gebrochen. Endlich fand sich 6) im rechten
Leberlappen ein nur oberflächlich eindringender T-förmiger Riss, und
7) eine kleinere Ruptur im _lobulus quadratus_. Die geringe Menge von
nur drei Unzen in die Bauchhöhle extravasirten Blutes erklärte sich
aus der Oberflächlichkeit der Leberrupturen, während natürlich bei
grössern, wie gleich der folgende Fall zeigt, weit grössere Blutergüsse
beobachtet werden. Als eine für Physiologen beachtenswerthe Erscheinung
erwähne ich noch, dass (bei einer Rückenmarkstrennung) die ganze
Blutmasse eine sehr dunkele Farbe und halb coagulirte Consistenz hatte.

Zwei andere Verletzungen des Rückenmarkes sind oben (Nr. 6. und 15.)
geschildert.



V. Verletzungen des Unterleibes.


39. Fall.

~Ruptur der Leber.~

Ein 11jähriges Mädchen war in ein Rosswerk gerathen, und von einem
Balken an die Wand geschleudert worden. Der Tod war nach anderthalb
Stunden erfolgt. Der Leichnam bot äusserlich auch nicht die
~geringste~ Spur einer Verletzung, und gerade deshalb mussten wir von
vorn herein, mit Rücksicht auf die Todesursache und die Plötzlichkeit
ihrer Wirkung, auf Rupturen eines wichtigen innern Organs schliessen.
Eine solche ergab die Section denn auch in der Leber, nämlich einen
sechs Zoll langen Längenriss (vgl. die Bemerkung zum 3. Fall), der
den rechten Leberlappen von hinten nach vorn getrennt hatte. In die
Bauchhöhle waren siebzehn Unzen, theilweise coagulirt gefundenen Blutes
ergossen, und an der, bei solcher Blutung nothwendigen allgemeinen
Blutleere des Körpers nahm selbst das Gehirn Theil.


40. Fall.

~Tödtliche Leber-Hieb-Wunde.~

Eine der bemerkenswerthesten Nächte aus der Nachtseite der
preussischen Geschichte war bekanntlich die des 31. October 1848. Die
»Nationalversammlung« im Schauspielhause wollte »den bedrängten Wienern
zu Hülfe eilen«, der grosse, hier und da durch Fackeln erleuchtete
Platz war vom »Volk« angefüllt, das der Nationalversammlung -- zu Hülfe
eilen wollte, und damit anfing, die Thüren zum Eingang zu vernageln! Es
erschienen Abtheilungen der Bürgerwehr, und bald darauf das bewaffnete
Corps der Maschinenbauer, ein buntes, tobendes Durcheinander! Conflikte
konnten nicht fehlen, und sie kosteten zwei Menschenleben. Ein
Maschinenbauer hatte aus einem Trupp der Bürgerwehr eine Verletzung
erhalten, und war nach kurzer Zeit gestorben. In der Lebergegend fanden
wir eine drei Zoll lange, zwei Zoll klaffende Wunde, mit ganz scharfen,
sugillirten Rändern, aus welcher eine _Ileum_-Schlinge vorgefallen
war. Blutcoagula von der Menge eines Pfundes bedeckten die Netze und
Gekröse, und acht Unzen flüssigen Blutes waren in die Bauchhöhle
extravasirt. Am Rande des rechten Leberlappens fand sich eine zwei
Zoll tiefe, scharfrändrige Wunde. Es erhoben sich Zweifel darüber, von
welcher Seite die Verletzung beigebracht worden? Von jener Seite ward
behauptet, der Verstorbene sei durch einen Bajonettstich aus seinen
eignen (der Maschinenbauer) Reihen vielleicht durch Zufall getödtet
worden, während die Kameraden des Getödteten behaupteten, der Zugführer
der Bürgerwehr habe scharf auf den _denatus_ eingehauen. Nach der
Beschaffenheit der Wunde mussten wir allerdings einen Säbelhieb, nicht
einen Bajonettstich, als die tödtliche Verletzung annehmen, wogegen im
folgenden Falle die Bajonettwunde unzweifelhaft war.


41. Fall.

~Tödtliche penetrirende Bauch-Bajonett-Wunde.~

Das zweite Opfer des 31. October war ein 42jähriger Riemermeister, der,
als er sich zwischen die Bürgerwehr und die Maschinenbauer gestellt
hatte, von zwei Bürgerwehrmännern mit dem Bajonett gestochen worden,
und nach mehrtägiger Behandlung in der Charité verstorben war. Die
Inspection zeigte links am Hüftbeinkamme vier Zoll vom Nabel eine
horizontale, geradlinigte, einen halben Zoll lange Wunde mit ganz
scharfen, aber bereits trocknen, nicht sugillirten Rändern. Zwischen
der neunten und zehnten Rippe fand sich eine zweite, dreieckige,
mit schwach sugillirten Rändern. Beide Wunden penetrirten in die
Bauchhöhle. Innerlich fand sich eine sehr verbreitete _Peritonitis_
und _Enteritis_. Die Dünndärme waren unter sich durch Eiterexsudate
leicht verklebt, der Bauchfell-Ueberzug der Leber mit inselförmigen
Eiterausschwitzungen bedeckt, und acht Unzen blutig-wässriger
Flüssigkeit schwammen in der Bauchhöhle. Im vorläufigen Gutachten
mussten wir die erste der drei Lethalitätsfragen natürlich verneinen,
und uns die Erwägung der beiden andern bis zur Kenntniss der
_Anteacta_, namentlich der Krankheits-Geschichte, vorbehalten. Gerade
Verletzungen, wie diese, zeigen nicht weniger wie Kopfverletzungen,
vorzugsweise die gänzliche Unhaltbarkeit aller Lethalitätsgrade. Dass
einfach penetrirende Bauchwunden, wie die des Falles, nicht allgemein
absolut lethal sind, wird nicht bestritten werden. Wären sie aber
»individuell absolut lethal«? Wie wäre die Bejahung dieser Frage zu
beweisen? Und Beweise soll das gerichtsärztliche Gutachten geben,
nicht blosse hypothetische, individuelle Annahmen. Der Verletzte war
in der Charité behandelt worden; es liess sich also wohl annehmen,
dass kein »Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes« zum
tödtlichen Ausgang der Verletzungen mitgewirkt, und ebenso gut konnte
vorausgesetzt werden, dass auch eine »äussere Schädlichkeit« gar
nicht in Wirksamkeit gesetzt worden war. Sehr leicht hätte daher, ja
wahrscheinlicherweise, der Fall eintreten können, den wir in so vielen
andern erlebt haben, dass wir gezwungen worden, alle drei Fragen der
Crim.-Ordnung zu verneinen! Aber ein Obductionsbericht wurde später, so
wenig hier, wie in allen Tödtungen in den Strassencravallen des Jahres
1848, gefordert. _Inter arma silent leges_.

Die übrigen sieben Fälle von Unterleibsverletzungen aus dieser
Centurie sind bereits unter andern Rubriken vorstehend _sub_ Nr. 2.,
3., 4., 8., 10., 17. u. 36. geschildert.



VI. Verletzungen der Extremitäten.


42. Fall.

~Tödtlicher Bruch einer Ober- und Unterextremität.~

Nicht ganz gewöhnlich war folgender Fall. Ein 24jähriger gesunder
und kräftiger Arbeiter war von einem Baume gefallen, hatte dabei den
linken Oberarm und den linken Oberschenkel gebrochen, und war nach
zwölftägiger Behandlung im Krankenhause zu Charlottenburg gestorben.
Am und im vollkommen gesunden Körper war Nichts zu bemerken, als
ein gewisser Blutmangel. Der Oberarm war unmittelbar über dem
Ellenbogengelenk unregelmässig queer gebrochen, das Kapselgelenk
zerrissen, der äussere Gelenkfortsatz abgebrochen, der innere von
der Gelenkfläche ausgewichen. Der Oberschenkel war in seiner Mitte
durch einen Queersplitterbruch gebrochen, und ein zwei Zoll langes
Knochenstück lag frei in der nicht verjauchten Tiefe. Aeusserlich waren
am Arm und Schenkel Geschwüre mit schlechtem Eiter sichtbar, also
ein Beweis, dass die Weichtheile durch die Knochenbrüche zerrissen
gewesen waren. Unser vorläufiges Gutachten ging dahin: dass die
Verletzungen die zureichende Ursache des Todes gewesen seien, dass
die erste und zweite Frage der Crim.-Ordn. zu verneinen seien, und
dass die Beleuchtung der dritten Frage für den Obductionsbericht und
bis zur Einsicht in das Krankenhaus-Journal ausgesetzt werden müsse.
Der Bericht wurde nicht gefordert, und wir haben später über den Fall
nichts weiter erfahren. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht eine
schleunige Doppelamputation zur Lebensrettung des Verletzten versucht
worden.


43. Fall.

~Verblutung aus der _Vena saphaena_.~

Wie unerwartet ein Mensch sein Leben verlieren kann, wenn er sich
auch nicht im geringsten auch nur der Möglichkeit einer Lebensgefahr
auszusetzen glaubt, z. B. -- wenn er seinen Nachttopf nimmt, zeigte
der wunderliche Fall einer 50jährigen Trompeter-Wittwe, die sich
beim Urinlassen durch ihren Nachttopf den Tod zuzog. Dies Gefäss,
von sogenanntem Gesundheitsgeschirr (einem groben Porzellan), war
allerdings zerbrochen, und hatte scharfe Ränder und Spitzen. Beim
Heraufnehmen desselben unter die Röcke verwundete sich die Person, und
ward später todt im Zimmer gefunden. Der vorgezeigte Nachttopf war
äusserlich voller Blut, und enthielt auch innen noch geronnenes Blut.
Am linken Unterschenkel fand sich eine 1-3/4 Zoll lange, 3/4 Zoll
klaffende Wunde mit stumpfscharfen Rändern, deren Umkreis äusserlich
nicht sugillirt erschien, während sich allerdings im umliegenden
subcutanen Zellgewebe Sugillation fand. Die _V. saphaena_ dieser Seite
war erbsengross geöffnet. Die Blutleere im Leichnam war in ungewöhnlich
hohem Grade vorhanden; nur die _pia mater_-Venen nahmen auch in diesem
Falle wieder keinen Theil an dieser Anhämie. (Vgl. oben 3. Fall.)

Vier anderweitige Fälle von Verletzungen der Extremitäten sind unter
andern Rubriken (s. oben Fall 7, 13 und 24, und weiter unten Fall 47)
erläutert.



B. Tödtungen durch Misshandlungen.


Unter den hierher gehörigen sechs Fällen ist zunächst der folgende zu
erwähnen, dem an Rohheit und Unnatur nicht leicht ein ähnlicher an die
Seite zu setzen ist, und in welchem es unsere Aufgabe wurde, eben diese
verbrecherische Rohheit mit dem Obductionsbefunde in der Hand und durch
denselben, dem beharrlichen Leugnen der Angeschuldigten gegenüber, dem
Richter klar zu machen.


44. Fall.

~Tödtliche Schläge auf den Kopf.~

Am 24. September 18-- wurde in einem Gebüsche in einem nahen Dorfe in
einem Korbe ein todtes Kind mit Spuren äusserer Gewalt aufgefunden,
und bald als das der Webergesellenfrau _Pöhlmann_ ermittelt. Dieses
ihr eheleibliches, beim Tode ein und drei Viertel Jahre altes Kind
hatte sie, nach allen Zeugenaussagen, nicht nur nie geliebt, sondern
es oft hungern lassen, so dass man es mit Gier rohe Kartoffelschaalen
essen gesehen hatte, und sehr häufig auf das Empörendste gezüchtigt und
gepeinigt. So versicherten viele Augenzeugen, dass die _Pöhlmann_'schen
Eltern ~Hunderte von Wespen eingefangen hatten, mit denen sie zu
Zeiten das Kind im Zimmer einsperrten~. Ueber eine Züchtigung, die am
23. September Abends, d. h. kurz vor dem Tode des Kindes, bei einer
Bekannten vorfiel, deponirte deren 15jähriger Sohn wörtlich: »Um 8 Uhr
Abends kam die _P._, um das Kind von uns abzuholen. Als sie sah, dass
es sich verunreinigt hatte, fasste sie es beim Arm, und befahl ihm
aufzustehen. Als das Kind nicht aufstehen wollte, schleuderte sie es
erst eine Strecke von etwa 4 Fuss nach dem Secretair zu, dann stiess
sie es mit dem Fusse so, dass es bis mitten in die Stube hinkollerte.
Hierauf ergriff sie es mit beiden Händen beim Kopf, und stauchte es
wohl gegen fünfmal vorn mit der Stirn heftig gegen den Fussboden.
Endlich versetzte sie ihm noch mit der Faust mehrere heftige Schläge
ins Genick, auf den Rücken und auf den Hintern. Das Kind war ganz matt
und schrie nicht, sondern stöhnte nur. Dann nahm sie es an die Hand,
und ging mit ihm fort, wobei sie äusserte: wenn Du heut nicht läufst,
dann schlage ich Dich noch rein todt.« -- Die Angeschuldigte dagegen
behauptete, dass sie dem Kinde nur »einige Schläge auf den Hintern«
gegeben habe. Dann sei sie mit dem Kinde nach Hause gegangen, wobei
sie es, weil es müde gewesen, abwechselnd getragen habe. Zu Hause
angekommen, habe das Kind sich geweigert zu essen, wofür sie ihm einen
Schlag mit der Hand, aber diesen aus Versehen, statt auf den Hintern,
»in die linken Weichtheile« gegeben habe. »Ich hatte«, sagte sie,
»ihm nur Einen Schlag gegeben; er fing aber sogleich an zu wimmern
und zu stöhnen, so dass ich ihn vom Boden aufnahm, und eine Zeitlang
umhertrug. Da er sehr kalt war, so brachte ich ihn bald darauf in's
Bett. Er ward immer stiller, und war endlich in anderthalb Stunden
todt.« Sie wickelte darauf den Leichnam ein, und stellte ihn unter
ihr Bett, in welchem sie die Nacht über ~ruhig schlief~ (!!), nachdem
sie ihrem Ehemanne bei dessen Zurückkunft vorgeredet hatte, dass sie
das Kind bei jener Bekannten gelassen. Am andern Morgen legte sie die
Leiche in einen Korb, bedeckte diesen mit einer Schürze, nahm auch
eine ~Kartoffelhacke~ mit, damit die Leute denken sollten, sie ginge
zum Kartoffelgraben, und deponirte den Korb an dem oben bezeichneten
Orte. Die Hacke hat sie auf dem Heimwege in ein fremdes Haus versteckt,
wo sie später aufgefunden worden.

Das an Befunden sehr reiche Obductions-Protokoll füge ich im Anhange
I. _in extenso_ bei. Der Obductions-Bericht hatte zunächst, nach der
damaligen Lage der Gerichtspraxis, die Aufgabe, den Tödtlichkeitsgrad
der Verletzungen festzustellen. Dass und warum wir sie als allgemein
absolut lethal erklärten, bedarf an diesem Orte keiner Ausführung.
Sodann aber waren mehrere Fragen über die Art und Weise der Entstehung
dieser Verletzungen, mit Rücksicht auf die Zeugenaussagen, die Angaben
der _Pöhlmann_, und die unter so verdächtigen Umständen aufgefundene
Kartoffelhacke, vorgelegt worden, in Beziehung auf welche Fragen der
Obductionsbericht sich, wie folgt, äusserte:

»Wenn die Angeschuldigte bis jetzt dabei stehen geblieben ist, dass sie
dem Kinde nur einen Schlag mit der flachen Hand in die Weichen gegeben,
so verdient diese Angabe keine wissenschaftliche Würdigung, da es auch
dem Laien einleuchtend sein muss, dass durch einen solchen Schlag die
Schädelknochen nicht gesprengt werden können. Diese Sprengung setzt
vielmehr ganz nothwendig voraus, dass ein stumpfer Körper mit Kraft
mit dem Schädel des Kindes in Berührung gekommen ist. Jeder denkbare
stumpfe Körper konnte bei dem Kinde diese Wirkung haben, ebenso wohl z.
B. ein dicker Stock, wie ein Holzpantoffel, der Rücken eines Beils u.
s. w., selbstredend also auch die in Beschlag genommene Kartoffelhacke.
Eine gewaltsame Berührung des Schädels konnte aber auch namentlich
durch wiederholtes Stossen und Schleudern des Kopfes gegen den
Fussboden eines gedielten Zimmers, gegen Möbel u. dgl. entstehen,
und so erfordert die zweite der uns vorgelegten Fragen eine genauere
Würdigung. Nach der oben angeführten Aussage des Knaben _Sellheim_
schleuderte Inculpatin das Kind zwei Stunden vor seinem Tode etwa vier
Fuss nach dem Secretair zu, »kollerte und trudelte« (rollte) dasselbe
mit dem Fusse umher, stauchte es mit der Stirn und mit der Seite wohl
fünfmal gegen den Fussboden, und gab ihm mit der Faust mehrere heftige
Schläge gegen Genick, Rücken und Hintern. Wenn es auch nicht in Abrede
zu stellen, dass durch ein so rohes und gewaltsames Verfahren ein Kind
so zarten Alters hätte getödtet, dass ihm namentlich dadurch sogar
Brüche und Sprünge in den dünnern Schädelknochen, wie Scheitel- und
Schuppenbein, sowie Gehirnerschütterung und Blutextravasate hätten
verursacht werden ~können~, so ist dies doch aus obigen Gründen von
einer Sprengung des Hinterhauptsbeins, wie sie hier gefunden, nicht
anzunehmen. Aber noch ein anderer wichtiger Grund unterstützt die
Annahme, dass diese Verletzungen, also die Todesursache, einer andern
und spätern, als der von dem _Sellheim_ bezeugten Misshandlung ihr
Dasein verdanken. Inculp. hat nämlich angegeben, dass sie nach dieser
Misshandlung das Kind, es ~abwechselnd~ tragend, mit nach Hause
genommen, und es hier auf die Erde gesetzt habe, um in der Küche
Kartoffeln zu kochen. Von den zubereiteten Kartoffeln wollte es, da
es »sehr unzufrieden« war, Anfangs nichts nehmen, nahm sie aber dann
doch, warf sie aber alsbald wieder fort, ohne zu essen, und legte
sich nun nach seiner Gewohnheit auf die Seite. Erst nach der nun
angeblich noch gefolgten, neuen Züchtigung soll es gestöhnt haben, kalt
geworden und bald darauf verschieden sein. Das Kind war also, nach
der Inculp. eigenen Aussage, zu Hause angekommen, also, nachdem es
die früheren Misshandlungen in der _Sellheim_'schen Wohnung erduldet
gehabt hatte, noch so weit bei Kräften, dass es in der Stube aufrecht
sitzen konnte, und hatte noch Besinnung, da es auf Aufforderung eine
Kartoffel annahm, und sie dann wegwarf. Ein solcher körperlicher und
geistiger Zustand ist unverträglich mit der Annahme, dass um diese
Zeit die bei der Leichenöffnung nachgewiesenen Verletzungen im Kopfe
bereits Platz gegriffen haben konnten, nach welchen das Kind nicht erst
noch »abwechselnd« hätte nach Hause gehen können, vielmehr alsbald
besinnungslos und unfähig werden musste, sich aufrecht zu erhalten.«

Hiernach sagten wir im _tenor_ des Gutachtens: dass die
Kopfverletzungen im Sinne der ersten Frage der Crim.-Ordn. als absolut
lethale zu erachten, dass dieselben mit der Kartoffelhacke zugefügt
sein ~konnten~, und dass es durchaus nicht wahrscheinlich, dass sie
eine Folge der in der _Sellheim_'schen Wohnung dem Kinde zugefügten
Misshandlungen gewesen seien.

Dieses Gutachten hielt ich im mündlichen Audienz-Termin gegen die bis
zum Schlusse leugnende Inculpatin aufrecht, die in dieser Instanz zum
~Tode~ mit Schleifung zur Richtstätte verurtheilt ward. Sie appellirte,
und brachte nun die alberne Aussage vor: sie habe bisher einen Umstand
verschwiegen, der wohl am Tode des Kindes Schuld sein könne; sie habe
nämlich an jenem Abend, als sie das Kind nach Hause gebracht, demselben
die Kartoffeln auf den Tisch gelegt, und es auf eine kleine Fussbank
davor gestellt, damit es essen möge. Als sie in der anstossenden Küche
gewesen, sei das Kind von der Fussbank gefallen, und nach anderthalb
Stunden gestorben! Der Vorhalt des Richters, dass diese Angabe sehr
unwahrscheinlich sei, da nicht anzunehmen, dass sie einen solchen
Umstand, der sie von aller Anschuldigung der Tödtung ihres Kindes
sogleich entlastet haben würde, wie sie sich selbst sagen müsse, zu
ihrem grössten Nachtheile bisher absichtlich verschwiegen haben sollte,
blieb erfolglos. Auch in der Appellations-Instanz vernommen, musste
ich meinerseits diese neue Angabe, als mit dem Obductionsbefunde nicht
übereinstimmend, verwerfen, und blieb bei meinem früheren Gutachten
stehen. Aus rein juristischen Gründen aber wurde das erste Erkenntniss
dahin abgeändert, dass die _P._ nur zu 20jähriger Zuchthausstrafe
verurtheilt ward.


45. Fall.

~Tödtung durch Kopfverletzungen.~

Der Fall war höchst interessant, nicht sowohl wegen des Befundes, als
wegen der Schwierigkeit der Beantwortung der vom Richter gestellten
Fragen. Er liefert ein Seitenstück zu dem obigen 34. Fall, weil auch
hier es darauf ankam, aus den Verletzungen auf den verletzenden
Körper, d. h. auf den Thäter, und unter Mehrern auf den eigentlichen
Urheber des Todes zurückzuschliessen. Solche Fälle kommen bei tödtlich
werdenden Prügeleien gar nicht selten vor. Augenzeugen waren nicht
vorhanden, denn alle Anwesenden waren betheiligt, Alle oder Viele waren
betrunken, Jeder leugnet u. s. w., und einzig und allein der Ausspruch
des Gerichtsarztes ist es dann, an welchen sich der Staatsanwalt
und der Richter halten können, um nicht einen Unschuldigen auf die
Anklagebank zu bringen, oder gar zu verurtheilen. Ob wir die in solchen
Fällen so nöthige Vorsicht im Urtheile im vorliegenden geübt, und ein
möglichst zutreffendes Urtheil ausgesprochen haben, mag der Leser
entscheiden. Richterlicherseits ist allerdings nach unserm Gutachten
erkannt worden.

Der Wirth einer kleinen Schankwirthschaft war mit seinen von Bier,
_Spirituosis_ und Politik (im Frühjahr 1848!) aufgeregten Gästen in
Conflikt gerathen, und es war im engen Lokale, in welchem sich ein
Billard, Möbel und viele Menschen befanden, zu einer allgemeinen
Schlägerei gekommen, bei welcher der Wirth von Einigen zur Erde
geworfen, von Andern mit Stock, Billardqueues u. dgl. geschlagen wurde.
Er starb in Folge dieser Misshandlungen. Vom Verlauf der Krankheit
ist mir nur bekannt geworden, dass sie vier Tage bis zum tödtlichen
Ende angedauert habe, und dass _denatus_ nur in den beiden ersten
Tagen besinnlich gewesen war. Die für die später vorgelegten Fragen
relevanten Sectionsbefunde waren folgende. _S._ war 39 Jahre alt und
ziemlich kräftig gewesen. Die ganze Umgegend beider Augen, zumal des
linken, war stark sugillirt. Gerade auf dem linken Augenbrauenbogen
zeigte sich eine, im Verheilen begriffene, bogenförmige, ziemlich
scharf geränderte Wunde von 1-1/4 Zoll Länge und einer halben Linie
Breite. Unter dem linken Thränenbein eine runde, erbsengrosse,
scharfgeränderte Hautwunde. Die ganze linke Oberextremität zeigte
zahllose Sugillationen. Innerlich grosser Blutreichthum der Gefässe
der _pia mater_; die ganze Oberfläche des Gehirns, zumal der rechten
Halbkugel, mit gelbgrünem Eiter übergossen. Eben solche Eiterschicht
überzieht die Basis des kleinen Gehirns. Auf der _pars orbitalis_ des
Stirnbeins links ein Extravasat von geronnenem Blute von einer Drachme,
und darunter ein halbzölliger Knochenriss, durch welchen die Sonde
den Augapfel berührt. Die Section der übrigen Höhlen können wir als
unwesentlich übergehen.

Aufgefordert, ausser den gewöhnlichen Fragen (der Crim.-Ordn.) noch
folgende zu beantworten:

    1) ob und welche der an dem Verstorbenen gefundenen Verletzungen,
    namentlich ob der auf der _pars orb._ des Stirnbeins gefundene
    Knochenriss, durch Schläge mit einem Stock, oder mit einem
    Tischblatt, welche gegen den Kopf geführt sein sollen, oder ob sie
    durch ein Hinschlagen mit dem Kopfe auf die Erde und gegen die Wand
    entstanden sein können?

    2) welche von den, im vorläufigen Gutachten in Bezug genommenen
    Verletzungen _sub_ 12, 16 und 18[9] die ~eigentliche Todesursache~
    gewesen ist, oder ob sie es jede für sich, oder etwa nur alle
    zusammenwirkend gewesen sind?

äusserten wir uns _ad_ 2. unter Darlegung der Gründe dahin, dass,
da uns über die Erkrankung und Behandlung des _S._ Nichts bekannt
geworden, wir die ~absolute~ Tödtlichkeit der nothwendig vorhanden
gewesenen Hirnhautentzündung, der wir einen traumatischen Charakter
vindicirten, nicht annehmen könnten, diese absolute Lethalität aber
unzweifelhaft der Verletzung des Stirnbeins zuschreiben müssen, da
dessen _pars orbit._ schon zur Schädelgrundfläche gehörte, alle
Knochenrisse und Brüche der letztern aber absolut tödtlich seien. Denn
einerseits setzten dieselben nothwendig eine sehr heftige Insultation
des Kopfes voraus, die auch die innerste Organisation des Gehirns
mitbetroffen, und Erschütterung, Bluterguss oder Entzündung zur Folge
haben müsse, und andererseits sei Natur- wie Kunsthülfe unvermögend,
diese Folgen einer so heftigen Insultation auszugleichen.

»Die den Obducenten gestellte Frage, betreffend die Werkzeuge, mit
welchen die Kopfverletzungen _qu._ verursacht worden, sehen wir
uns genöthigt, in ihre einzelnen Theile zu sondern. Für als durch
Stockschläge veranlasst sprechen nur allein die Sugillationen um
beide Augen und am linken Arm, wiewohl diese sämmtlichen Verletzungen
ebenso füglich auch Misshandlungen anderer Art, wie Faustschlägen,
Stössen u. dgl. ihre Entstehung verdanken können. Dagegen ist die
kleine runde Oeffnung an der linken Seite der Nase wohl mit am
meisten Wahrscheinlichkeit unter allen in der Frage namhaft gemachten
verletzenden Ursachen, von der Berührung mit einem Stocke, namentlich
mit einer spitzen Zwinge desselben, herrührend zu erachten. Eine
Gewissheit lässt sich hierüber nicht geben, und scheint auch nicht
erheblich, da wir allen den hier namhaft gemachten Verletzungen
einen Antheil an dem Tode des _denatus_ nicht zuschreiben. -- Die
Wunde über dem linken Augenbrauenbogen zeigte »»ziemlich scharfe««
Ränder, und muss demnach mit einem ziemlich scharfen Körper verursacht
worden sein. Als ein solcher könnte (weniger ein Stock, als) die
~Kanten~ eines »»Tischblattes««, oder der Stoss gegen die ~Ecke~ einer
»»Wand«« gelten. Auch durch ein »»Hinschlagen mit dem Kopfe gegen die
Erde«« könnte diese Wunde entstanden sein, wenn auf der Stelle des
Fussbodens gerade eine vorstehende Dielenkante sich befunden hätte,
oder der Kopf an eine Wandecke, an einen scharfkantigen Tisch- oder
Billard- oder Bankfuss u. dgl. gestossen worden wäre. Die eigentliche
absolut-lethale Verletzung hängt unzweifelhaft mit der eben gewürdigten
äussern Verletzung über dem linken Auge zusammen, und gilt sonach das
soeben in Betreff des Werkzeuges Angeführte auch für diese innere
Verletzung. Unzweifelhaft ist aber auch ferner, dass dieser Bruch in
der Tiefe des Schädels eine ~erhebliche~ äussere Gewalt voraussetzen
lässt. Auch in ~dieser~ Beziehung ist es wenig wahrscheinlich, dass
blosse Stockschläge hier die Ursache gewesen, wogegen Schläge und
Stösse mit einem Tischblatt oder gegen die Wand und den Fussboden, wenn
sie mit Heftigkeit geführt wurden, allerdings einen solchen Bruch in
den Kopfknochen veranlassen konnten. Nach allem Obigen resumiren wir
unser Gutachten dahin: 1) dass der auf der _pars orbitalis_ gefundene
Knochenriss durch Schläge mit einem Stock entstanden sein ~könne~,
dass es aber wahrscheinlicher, dass derselbe durch ein Tischblatt,
oder durch Hinschlagen mit dem Kopfe auf die Erde und gegen die Wand
entstanden sei; 2) dass der beregte Knochenriss die eigentliche
Todesursache gewesen, und zwar 3) dass diese Verletzung so beschaffen
gewesen, dass sie »»in dem Alter des Verletzten unbedingt und unter
allen Umständen für sich allein den Tod zur Folge haben musste««,
wonach 4) die beiden eventuellen Fragen des §. 169. der Crim.-Ordn.
erledigt sind.«


46. Fall.

~Angeblich tödtliche Züchtigungen.~

Ein 14jähriger Knabe sollte an Züchtigungen gestorben sein, deren
zahlreiche Spuren sich in Einrissen in beide Ohrläppchen, sowie in
Stock- und Ruthenhieben auf Rücken, _nates_ und rechtem Oberschenkel
genau so zeigten, wie ich sie im 41. Fall der ersten Centurie (3te
Aufl. S. 73) beschrieben habe, zu welchem Fall der vorliegende ein
Seitenstück liefert. Die Leiche zeigte blutig-seröse Ausschwitzung
in der Schädelbasis und im rechten Pleurasacke, leeren und ganz
zusammengeschrumpften Magen, einen Beweis der dürftigen Ernährung des
Kindes, die auch von einer Zeugin später bestätigt ward, und _Oedema
pedum_. Es musste angenommen werden, dass eine innere Krankheit den
Tod veranlasst, und dass die Züchtigungen keinen Antheil daran gehabt
hätten.


47. Fall.

~Bruch eines Unterschenkels; Amputation; Tod.~

Die Beurtheilung des nachstehenden Falles würde nach dem jetzigen
Strafgesetzbuch leicht gewesen sein; unter der Herrschaft der drei
Fragen der Crim.-Ordn. war sie es nicht. Am 12. December 18-- Abends
wurde bei einer Schlägerei die 29jährige Frau _Str._ von Soldaten
eine Treppe hinuntergeworfen, und brach den linken Unterschenkel und
zwar beide Knochen »in viele kleine Stücke«, wie das Journal des
Krankenhauses sagte, in welches sie sofort gebracht worden war. Ueber
dem Knöchel fand sich eine Hautzerreissung, durch die man eingehen
und die zerstückelten Knochen fühlen konnte. Man beschloss bei der
gefährlichen Sachlage um so mehr eine sofortige Amputation, »als der
kräftige, gesunde Körper einen glücklichen Ausgang hoffen liess«. Es
wurden einfache Beruhigungsmittel und kalte Umschläge angewandt, und
am andern Morgen die Amputation, nach vorheriger Chloroformirung der
Pat., kunstgemäss verrichtet. Die Kranke erwachte nur sehr langsam
aus ihrer Narcose, und fühlte sich noch Abends betäubt. (_Nitrum_
und _Natr. sulph._) Aber noch am folgenden Morgen war sie benommen,
und hatte 108 Pulsschläge. Am 14ten Anschwellung der Weichtheile am
Stumpfe, andauernde Kopfschmerzen, geröthete Bindehaut. (_Inf. Senn.
comp._, kalte Kopfumschläge.) Am 15ten »unveränderte Unbesinnlichkeit«
(aus welcher sie seit der Chloroformirung nicht herausgekommen zu
sein scheint!) und Schmerz der Weichtheile, der die Application
von 12 Blutegeln veranlasste. Abends hatten sich »die allgemeinen
Reactionssymptome vermehrt« namentlich vermehrt die »Symptome am
Kopfe«, der Puls 110, die Zunge trocken. Der Versuch eines Aderlasses
musste, wegen Ohnmacht, unterbrochen werden, wogegen zehn Blutegel
in beide Schläfen gesetzt wurden. Am 16ten einige Besserung. »In der
linken Leistengegend war jeder Druck schmerzhaft, und dem Verlaufe
der linken Schenkelvene nach, zeigte sich ein stark gespannter,
empfindlicher Strang in der Tiefe.« (12 Blutegel, _Natr. nitric._) Beim
Wechsel des Verbandes zeigte sich die Hälfte der Wundränder verklebt.
In der Nacht blande Delirien. Am 17ten schwere Besinnlichkeit,
Kopfschmerz, Schüttelfrost, kleiner Puls von 120 Schlägen, aber
noch ein »befriedigendes« Aussehen der Wunde. Pat. erhielt eine
Mixtur mit _Ammon. carbonic._ Nachmittags steigende Betäubung, neuer
Schüttelfrost, Puls von 140. (Zweistündlich zwei Gran _Calomel_ und
zehn Blutegel hinter die Ohren.) Nach einigen Stühlen in der Nacht
war sie am 18ten viel freier, und »die Wundfläche ganz normal«. Am
Abend aber bekam sie einen heftigen Schüttelfrost, wurde plötzlich
ganz blass und regungslos, reagirte auf keinen Reiz, blieb beim Rufen,
Schütteln, Stechen mit Nadeln unbeweglich, aber der Anfall ging bald
vorüber. Nachts laute Delirien. Am 19ten war sie wieder unbesinnlicher
und unruhiger. Die profuse Eiterung war »etwas unrein« geworden, und
die verklebten Wundränder auseinander gewichen. (_Acid. Hall._ und
Glaubersalz.) Vom 19ten bis zum 22sten -- schweigt das Journal; an
diesem Tage fährt es fort: »der Zustand der Pat. hat sich fortwährend
verschlimmert; sie liegt Tag und Nacht in einem Halbschlafe, spricht
unverständlich, der kleine, fadenförmige Puls variirt zwischen
120-140, die Schüttelfröste kehren wieder, die Eiterung wird unreiner
und profuser«. (Aromatische Fomente, 13 Loth _Arnica-Infus._ von
[Symbol: Drachme]j, mit [Symbol: Drachme]j Salmiak.) Am 23sten starb
sie, 250 Stunden nach der Verletzung, und zwar nach der amtlichen
Krankenhaus-Anzeige, »an Venenentzündung nach Amputation«.

Sie ist nicht an _Phlebitis (Pyaemie)_ gestorben. Man wird aber,
nach diesem treuen Extract aus dem Journal, nicht ahnen, was die
(gerichtliche) Section als tödtliche Krankheit ergeben hat.

An beiden ~Brust~seiten _resp._ vier frische Schröpfnarben. Sämmtliche
Weichtheile am Stumpf gangränescirt und verjaucht. Die Kopfhöhle
zeigte durchaus Nichts von der Norm Abweichendes, desto mehr aber
die Brusthöhle. Beide Lungen waren graublau, blutarm, oedematös. Die
Lungen- und Rippen-~Pleura~ ist, »ganz besonders an der rechten Lunge,
mit einem frischen Eiterexsudat reichlich bedeckt. Ein solches, an
Gewicht 12 Unzen, wird als dünngelbröthliche Flüssigkeit aus der
rechten Brusthälfte ausgeschöpft. In der linken befinden sich 5 Unzen
einer blutig-wässrigen Flüssigkeit. Endlich zeigten auch die Lungen
einige halberweichte Tuberkel«. Im Herzbeutel die erhebliche Menge von
anderthalb Esslöffeln blutiger Flüssigkeit. Das sehr schlaffe Herz
enthielt in beiden Hälften mässig viel braunrothes, halb flüssiges,
halb geronnenes, offenbar zersetztes Blut. Der Befund in der Bauchhöhle
war nicht erheblich: ich hebe nur hervor, dass alle Organe bleich und
blutarm waren, und dass die genau untersuchten Venenstämme »weder eine
besondere Röthung ihrer innern Haut, noch Eiter oder dgl.« zeigten.
Dasselbe ergab eine genaue Untersuchung der linken Cruralvene längs
ihres ganzen Verlaufes, wie der kleinern Venen des Stumpfes und
Oberschenkels. Die beiden Knochen waren sehr glatt abgesägt, und keine
Splitterung u. dgl. zu bemerken.

Es wird wohl jedem Anfänger sogar einleuchten, dass diese Frau an der
und durch die Verletzung ihren Tod gefunden habe, wie Tausend Andere
vor ihr nach einer _fractura cruris comminuta_, mit Zerreissung der
Weichtheile. War aber die Verletzung »allgemein absolut tödtlich«?
Wie hätten wir dies -- hier bedarf es keiner Ausführung -- in unserm
Obductions-Berichte behaupten und vertreten können? Wir thaten es
natürlich nicht, wenn wir auch den Richter auf die hohe Lebensgefahr
aufmerksam machten, die jede Verletzung, wie die vorliegende, an sich
und _in abstracto_ bedingt. Ebenso wenig liess sich ja aber auch
annehmen, dass hier eine »individuell absolut-lethale« Verletzung
vorhanden, wie überhaupt in der Summe des _Nonsens_ der jetzt glücklich
überwundenen Lethalitätsgrade die »individuelle Lethalität« nicht
gerade den geringsten Factor bildete. Es blieb also noch die dritte
Frage (»accidentelle Tödtlichkeit«) zu berücksichtigen, und hier
gestehe ich, dass ich ernstlich erwog, ob nicht das Chloroform als
die »äussere Schädlichkeit« der Gesetzesstelle in Anspruch genommen
werden könne oder müsse? Thatsächlich war nach dem Kranken-Journal,
worauf ich deshalb absichtlich schon oben aufmerksam gemacht, dass
die _Str._ vom Augenblicke der Chloroformirung nie wieder ~ganz~ zur
freien Besinnlichkeit zurückgekehrt war; thatsächlich war die, durch
die Section nachgewiesene Blutzersetzung. Aber, abgesehen davon, dass
sich mein Gewissen dagegen sträubte, die Aerzte des Krankenhauses
dem richterlichen Laien gegenüber einer solchen positiven, directen,
activen Mitwirkung am Tode zu beschuldigen, so lag doch auch eine so
unzweifelhafte, materielle tödtliche Krankheit -- _Pleuritis exsudativa
universalis_ -- vor, dass darin ein weit sicherer Halt gefunden werden
konnte.

Nachdem wir im Gutachten ausgeführt, dass und wie die Verletzung diese
tödtliche Krankheit bedingt habe, und dass folglich die erstere die
Ursache des Todes gewesen, dass aber eine allgemeine Nothwendigkeit
desselben nicht anzunehmen, da bei einer »kräftigen und gesunden«
Person, wie _denata_, eine sofort, wie hier, angestellte kunstgemässe
Amputation sehr häufig Lebensrettung erzielt habe, dass aber auch keine
~nachweisbaren~ Momente der Individualität vorhanden gewesen, die den
Tod gerade bei der _Str._ als eine Nothwendigkeit anzunehmen zwängen,
dass endlich von »äussern Schädlichkeiten«, die auf die Verletzte
eingewirkt, wie grobe Diätfehler, Abreissen des Verbandes u. s. w.
Nichts bekannt geworden, und dass sonach, im Sinne der drei Fragen,
nur noch »der Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes« zu
erwägen bliebe, fuhren wir fort: »Hierunter zeigen nun allerdings die
Aufzeichnungen im Krankenhaus-Journal einige auffallende Umstände.
Dass dasselbe nicht mit der gehörigen Genauigkeit geführt, ergiebt
sich, ausserdem, dass darin des Zustandes der Athmungswerkzeuge
nirgends Erwähnung geschieht, noch daraus, dass von den drei wichtigen
Tagen vom 19. bis zum 22. December über den Zustand der Kranken darin
gar Nichts verzeichnet ist. Das Journal aber ist nichts Anderes,
als der niedergeschriebene Hergang der Krankenbehandlung, und aus
den Lücken des erstern darf auf die der letztern zurückgeschlossen
werden. Wir können namentlich nicht umhin, darauf aufmerksam zu
machen, dass der Zustand der schwer kranken _Str._, sowohl die,
wie es scheint, wenig beachtet gewesene Brustfellentzündung, als
auch das schwere Allgemeinleiden, wohl energischere, innere Mittel
erfordert hätten, als diejenigen, welche administrirt worden, und die
sich auf kühlend-abführende Mittel beschränkten, dem nur Einmal ein
energischeres, das Calomel, substituirt ward, dessen ~allgemeine~
Dosis aber gleichfalls nicht aus dem Journal hervorgeht, und dem
endlich erst kurz vor dem Tode ein nicht starkes _Arnica-Infusum_ mit
dem ganz unbedeutenden Zusatz von einem Quentchen Salmiak auf 13 Loth
Flüssigkeit folgte. Obducenten sind sehr weit von der Annahme entfernt,
dass ein anderes Heilverfahren die durch die Verletzung selbst schon
auf's Lebensgefährlichste Erkrankte hätte gerettet haben müssen,
oder auch nur höchst wahrscheinlich gerettet haben würde, allein sie
durften die hervorgehobenen Mängel nicht unberücksichtigt lassen bei
ihrer Beurtheilung des Falles und dem ihnen vorgelegten gesetzlichen
Beurtheilungs-Maassstabe, da wenigstens eine Möglichkeit der
Lebensrettung bei einer genauern Würdigung des Krankheitsfalles nicht
in Abrede zu stellen ist, und, wie wir nachgewiesen, eine ~andere~
Anwendung der drei Fragen hier gar nicht statthaft ist.«

In den beiden folgenden und letzten Fällen aus dieser Rubrik wurde
weder ich, noch soll es der Leser ferner in dieser Centurie werden,
behelligt durch diese Lethalitätsfragen.


48. Fall.

~Angeblich tödtliche Misshandlungen.~

Ein Arrestant sollte von seinem Mitgefangenen gemisshandelt, und der
Tod eine Folge dieser Misshandlungen gewesen sein. Die Leiche zeigte
äusserlich nur Narben früherer chirurgischer Heilmittel, aber Nichts,
was auf eine Gewaltthätigkeit hätte schliessen lassen können. Das
Gehirn bot eine gewisse Blutfülle, sonst keine Abnormität dar. In der
Brust war die rechte Lunge roth hepatisirt, die linke normal. Die Leber
zeigte sich sehr gross; der Gallengang war durch ein Faserstoffgerinsel
verschlossen, dergleichen sich auch in der Gallenblase vorfanden,
die vollkommen gallenleer war, aber eine Menge kleiner Gallensteine
enthielt, und deren Wände hypertrophisch waren. Das Merkwürdigste war
der Befund in der Milz. Sie war 11 Zoll lang, 6 Zoll breit, 3 Zoll
dick, und wog 3 Pfund 18 Loth Civil-Gewicht. Ihre Substanz glich einer
frischen Schlackwurst. Nieren und _Vena cava_ waren höchst auffallend
blutreich. -- Es musste geurtheilt werden, dass dem _Denatus_ kurz vor
dem Tode Misshandlungen nicht zugefügt worden, und dass, wenn dies
früher der Fall gewesen sein sollte, dieselben keinen Einfluss auf
dessen Tod gehabt haben könnten.

Aehnlich war der Zusammenhang im


49. Fall.

~Angeblich tödtliche Misshandlungen.~

Ein 12jähriger geistesschwacher Knabe sollte tödtlich gemisshandelt
worden sein. Fast die ganze rechte Hälfte des Kopfes der Leiche war
roth und geschwollen, und eben so geröthet, aber nicht geschwollen,
war der Nacken. Sugillationen fanden sich bei Einschnitten in diese
Stellen nicht, wohl aber an zwei Stellen in der Kopfschwarte. _Oedema
pedum_ und _decubitus_ deuteten auf vorausgegangene längere Krankheit.
Von eigentlichen Verletzungen fand sich äusserlich Nichts. Im Gehirn
war der linke _Thalamus nerv. optic._ theilweise breiig erweicht. Die
übrigen Befunde waren die normalen. Das Gutachten ging dahin, dass
der Knabe an innerer Krankheit, höchstwahrscheinlich Hirnerweichung,
gestorben sei, dass aber nicht mit Gewissheit bestimmt werden könne, ob
demselben während des Lebens Misshandlungen zugefügt worden.



C. Tödtungen durch Erstickung und Schlagfluss mit Einschluss der
Erhängten und Erdrosselten.


Wenn, allerdings mit Ausschluss der hierher gehörigen Fälle, die weiter
unten in den Rubriken betreffend den Ertrinkungstod und die Todesarten
Neugeborner erwähnt werden sollen, auch in dieser Centurie ~nur~ elf
mal Erstickung und Schlagfluss als Todesursache vorkam, so habe ich
bereits im ersten Hundert (S. 76) angeführt, wie die Lage unserer
Gesetzgebung es erklärt, dass die thatsächlich häufigsten unter allen
gewaltsamen Todesarten verhältnissmässig so selten zur Cognition
der Gerichtsärzte kommen. Nicht anders nämlich geschieht dies, als
wenn die Schuld eines Dritten an dem Tode erwiesen, oder wenigstens
muthmaasslich vorhanden ist. Eine grosse Anzahl von Selbstmördern
haben wir hier, wo eine eigene, gut eingerichtete Todtenschau-Anstalt
(_morgue_) im amtlichen Obductionslokale besteht, fortwährend
ausseramtlich zu besichtigen und zu untersuchen Gelegenheit; diese
reiche Quelle der Belehrung entgeht aber leider! wohl den meisten
unserer Collegen in den Provinzen. Solche Fälle indess aus dieser
Rubrik, welche zu amtlichem Einschreiten Veranlassung geben, bieten
dafür dann auch meistens ein erhöhtes Interesse dar, wie es der
folgenden Reihe nicht abzusprechen sein dürfte, in welcher wir dreier
Mordthaten und zweier zweifelhafter Morde zu erwähnen haben.


50. Fall.

~Mord durch Erstickung.~

Eine 68 Jahre alte, sehr reiche Frau lebte ganz allein in einem sehr
zahlreich bewohnten, stets offenem Hause in einer der verkehrreichsten
Strassen Berlins, nur bedient von einer, täglich Morgens zu ihr
kommenden Aufwärterin. Am 29. October 18-- wurde diese alte Frau
todt, mit Bettstücken ganz bepackt, in ihrem Bette, und in den
Zimmern die erschütterndsten und unzweideutigsten Beweise eines an
ihr verübten Raubmordes vorgefunden. Kisten und Kasten, Schränke
und andere Behälter standen geöffnet und ihres Inhaltes beraubt,
überall umher, Papiere waren in den Zimmern verstreut, und nebenan
in einer dunkeln Schlafkammer lag die Leiche, die wir, unmittelbar
nach dem Auffinden, d. h., wie sich aus der langen Untersuchung mit
höchster Wahrscheinlichkeit ergab, etwa 30 Stunden nach dem Tode,
in folgendem Zustande antrafen. Die Verwesung war (bei der ziemlich
hohen Temperatur) bereits so vorgeschritten, dass der ganze Kopf
schwarzgrün erschien. Die Augen, mit stark gerötheter Bindehaut,
prominirten, und die etwas angeschwollene Zunge ragte drei bis vier
Linien zwischen den Lippen hervor. Am Halse wie auf der halb entblösst
gefundenen Brust zeigte sich bereits an vielen Stellen Ablösung
der _Epidermis_ aus Fäulniss. Ausserdem liessen sich an der linken
Halsseite an mehreren Stellen frische Zerkratzungen wahrnehmen. Zwei
bis drei Flecke an diesem Theile zeichneten sich in der Verwesungsfarbe
durch dunkle Röthe aus und gaben die vorläufige Vermuthung, dass hier
Fingerdruck eingewirkt habe. Nach einer Strangulationsmarke, die unter
den obwaltenden Umständen schwer zu finden gewesen sein würde, ward
sehr genau, jedoch vergeblich, geforscht. Beide Hände waren auf dem
Rücken mit einem gewöhnlichen Handtuche, das wir in diesem Augenblick
zu lösen nicht befugt waren, ~sehr~ fest zusammengeknebelt. Um die
Unterschenkel war über Strümpfen und Unterröcken ebenfalls ein Stück
Cattun festgeschlungen. Diese Lage der Leiche liess sogleich mit
Wahrscheinlichkeit auf ~mehrere~ Verbrecher schliessen.

Die gerichtliche Obduction geschah erst am folgenden Tage. Die
Verwesung war nun bereits auf's Höchste gestiegen, namentlich waren die
Gesichtszüge durchaus unkenntlich geworden, und die Brüste erhoben sich
wie zwei ganz aufgeblasene Rindsblasen, ein mir ganz neues Ergebniss
der Fäulniss. Die sehr angeschwollene Zunge ragte heute zwei Zoll aus
dem Munde hervor, und war schwarzgrün. »In der rothbraunen Farbe des
Halses lassen sich links in der Mitte des Schlüsselbeins und einen Zoll
vom Acromion entfernt zwei ovale, _resp._ einen halben und ein Drittel
Zoll lange schwarze Flecke erkennen, welche härtlich zu schneiden
sind, und noch eine geringe Sugillation wahrnehmen lassen. An beiden
Handgelenken ist von einer Strangmarke Nichts zu entdecken; jedoch
zeigt sich auf dem Ballen der linken Hand eine unregelmässig rundliche,
zollgrosse, sugillirte Stelle von bläulicher Farbe. Der Rand der Lippen
erscheint zwar schwarzblau, jedoch nicht sugillirt.« Fremde Körper
befanden sich in der Mundhöhle nicht. Die _Sinus_ und Venen in der
Schädelhöhle und im Gehirn waren ~blutleer~, nirgends ein Extravasat
oder sonstige Anomalie. -- Den Befund in der Brusthöhle entnehme ich
wieder wörtlich dem Obductions-Protokolle: »Luftröhre und Kehlkopf,
ihrer ganzen Länge nach aufgeschnitten, sind vollkommen unverletzt,
und erscheint ihre Schleimhaut dunkelroth-bräunlich gefärbt. Die noch
warmen Lungen sind gesund, und enthalten eine nur ~geringe Blutmenge~.
Im linken Brustfellsack zeigt sich ein Loth Blutwasser. Im Herzbeutel
findet sich nur wenige wässrige Flüssigkeit. Das ziemlich grosse Herz
ist ungewöhnlich fett, und in seinen sämmtlichen Höhlen ~vollkommen
blutleer~. Auch die Halsvenen sind vollkommen blutleer, ebenso wie
die grossen Venen der Brusthöhle. Mund und Rachenhöhle bieten nichts
Auffallendes.« Auch die ganze Bauchhöhle zeigte eine auffallende
Wärme, und alle ihre Organe waren stark verwest. Die blutreiche Leber
war schon mit Fäulnissblasen besetzt, die Milz und selbst die Nieren
breiartig, alle übrigen Baucheingeweide blutleer, und nur die _Vena
cava_ enthielt noch »viel und zwar ~dunkles und flüssiges~ Blut«.

Auch hier also wieder, wie so häufig in der gerichtsärztlichen Praxis,
namentlich bei Wasserleichen, und worauf ich schon früher beim
Ertrinkungstode aufmerksam gemacht habe[10], Erstickungstod, ohne dass
dessen wesentlichste Kriterien aufgefunden und nachgewiesen werden
können, da sie der Verwesungsprocess verwischt hat. Unzweifelhaft
war doch in diesem Falle, wie alle Umstände erwiesen, Erstickung
die Todesart der Ermordeten gewesen. Aber das Blut war zum grössten
Theile überall verdunstet, daher nichts weniger als jene sonst
charakteristische suffocatorische Hyperämie in den Lungen und im
rechten Herzen, da vielmehr jene nur (noch) eine »geringe Blutmenge«
enthielten, und das Herz in allen Höhlen (schon) »vollkommen blutleer«
war; nichts weniger als die, bei Erstickten, wenn nicht constante, so
doch sehr häufige secundäre Hyperämie im Gehirn, das auch hier vielmehr
(schon) blutleer war. Aus eben diesem Grunde lassen sich in allen
solchen Fällen, und liessen sich auch hier nicht aus der Beschaffenheit
des Kehlkopfes und der Luftröhre Beweise für den suffocatorischen
Tod entnehmen, da der weisse oder blutige Schaum, das Gemenge von
Luft, Bronchialschleim und Blut, der jede Art des Erstickungstodes
charakterisirt, gleichfalls durch den Verwesungsprocess früh
verdunstet, und auch hier verdunstet war. Endlich kann ich wiederholt
nicht genug darauf aufmerksam machen, dass man sich in Betreff des
höchst wichtigen Zeichens, der Färbung der Schleimhaut der Luftröhre
bei Erstickten, nicht durch den Verwesungsprocess täuschen lasse. Bei
ganz frischen Leichen von Erstickten fehlt ~niemals~, ich glaube dies
behaupten zu dürfen, und ist jederzeit nachweisbar eine allerdings
mehr oder weniger starke Anfüllung der feinsten Venen der Tracheal-
und Laryngeal-Schleimhaut, welche dann ein hellroth-geädertes Ansehen
zeigt. Aber -- ich erinnere mich nicht, dies schon irgend erwähnt
gefunden zu haben -- ~die Luftröhre ist dasjenige innere Organ, das am
frühesten von der Verwesung ergriffen wird~ (s. unten die Corollarien),
und zeigt sie dann in allen Fällen eine kirschbraunrothe Färbung,
die also lediglich der Fäulniss, keinesweges etwanigen Stasen oder
hyperämischer Congestion beizumessen ist, und diese, wo sie etwa
vorhanden gewesen, vollkommen verdeckt und unkenntlich macht.

Auf den vorliegenden Fall zurückzukommen, hat der obige Auszug aus
dem Obductions-Protokoll gezeigt, in welchem hohen Grade die Leiche
bereits in Verwesung vorgeschritten war, und wie deshalb auch hier
die wesentlichsten Merkmale zur gerichtsärztlichen Feststellung des
Thatbestandes des muthmaasslichen Erstickungstodes verwischt waren.
Nichts desto weniger nahmen wir keinen Anstand, denselben als gewiss
anzunehmen, und fügen, mit Uebergehung derjenigen Sätze, die das hier
soeben Ausgeführte in Anwendung auf den concreten Fall mittheilten,
auszugsweise die betreffenden Stellen aus dem Obductions-Berichte hier
an: »Denn einmal ist zunächst so viel gewiss, dass die _N. N._, welche
ihr Sohn noch am 27. October Abends ganz gesund verlassen hatte, keines
~andern~ Todes als durch Erstickung gestorben, da die Section auch
nicht einmal eine Andeutung, geschweige eine Gewissheit eines andern
Todes geliefert hat. Sodann haben sich aber trotz der Verwesung noch
einige Resultate ergeben, die gerade dem Erstickungstode eigenthümlich
sind. Wir meinen die zwei Zoll hervorragende und geschwollene Zunge,
die noch warmen Lungen, die auffallend hohe Temperatur in der
Bauchhöhle, der Blutreichthum der Leber, und die starke Anfüllung der
untern Hohlader mit dem, der Erstickung so eigenthümlichen dunkeln und
flüssigem Blute. -- Aber auch die Veranlassung zu einem Erstickungstode
hat die Untersuchung der Leiche nachgewiesen. Wir rechnen hierhin die
Lage, in welcher dieselbe auch von uns selbst aufgefunden worden, d.
h. die Hände auf dem Rücken festgeknebelt, die Unterschenkel über den
Kleidern zusammengebunden, der Kopf in die Kopfkissen hineingedrückt,
Umstände, die eine gewaltsame Behandlung des Körpers nachweisen, und
zweitens und namentlich die im Obductions-Protokoll geschilderten
beiden Flecke am Halse, welche, trotz des hohen Verwesungsgrades, da
sie noch hart zu schneiden waren, und selbst bei Einschnitten noch
eine, wenn auch geringe Sugillation nachwiesen, deutlich auf eine
äussere Gewalt, die hier eingewirkt, höchst wahrscheinlich Druck durch
zwei Finger, zurückschliessen lassen. Ob nun eine solche örtliche
Gewalt den Erstickungstod bewirkte, wozu dieselbe, wie allgemein
bekannt, sehr füglich ausreichte, oder ob die Kissen, in welche der
Kopf der Leiche versenkt gefunden, die Suffocation veranlasst haben,
was um so möglicher geschehen konnte, als angenommen werden muss, dass
die Gemisshandelte bereits durch jenen Druck auf den Hals asphyctisch
geworden, muss nach den blossen Ergebnissen der Leichenöffnung dahin
gestellt bleiben.«

Zur Ergänzung des tragischen Falles erwähne ich, dass drei des Mordes
verdächtige Individuen, ein Mann und zwei Weiber, auf die Anklagebank
kamen, aber wegen mangelnden Beweises, obgleich die gewichtigsten
Gründe für ihre gemeinschaftliche Thäterschaft sprachen, nur wegen der
ihnen nachgewiesenen »Theilnahme an den Vortheilen eines Raubmordes« zu
langwierigen Zuchthausstrafen verurtheilt worden sind.


51. Fall.

~Erstickungstod aus innern Ursachen.~

Kein besonderes Interesse bot folgender Fall. Ein 40jähriger
Schiffssteuermann war, nach der Aussage des zweiten Schiffers, der
mit ihm auf dem Kahne zusammen und allein gewesen war, angeblich todt
umgefallen. Da die Angabe etwas verdächtig erschien, so wurde die
gerichtliche Obduction verfügt. Wir fanden sehr exquisite Zeichen des
Erstickungstodes: strotzende Anfüllung der Lungen (Lungen-Apoplexie),
des rechten Herzens und seiner Kranzvenen mit dunkelm ganz flüssigem
Blute, röthlichen Schaum in der schon verwesungsbräunlich gefärbten
Luftröhre, und nur mässige Anfüllung der Hirnvenen und _Sinus_. Und
da keine Spur einer Verletzung oder sonstigen äussern Gewalt am
Leichnam zu finden war, so mussten wir Tod durch Erstickung aus innern
Ursachen annehmen. Rein medicinisch war es allerdings ungewöhnlich,
einen kräftigen, organisch ganz gesunden Mann so plötzlich aus
rein innern Ursachen suffocatorisch sterben zu sehen. Vielleicht
mochte die grosse Hitze eines Augusttages, verbunden mit heftigen,
körperlichen Anstrengungen beim Rudern und Steuern, vielleicht auch
bei Mitwirkung von Branntweingenuss, Veranlassung gegeben haben.
Doch konnte dies Alles für den Richter nicht mehr von Interesse
sein, nachdem die Erklärung abgegeben war: dass eben der Tod nur aus
innern Ursachen erfolgt war, und hüteten wir uns um deswillen wohl,
jenen muthmaasslichen Veranlassungen im vorläufigen Gutachten -- ein
motivirtes wurde später nicht gefordert -- Erwähnung zu thun. Der
gerichtliche Arzt hat nicht selten Fälle wie den vorliegenden zu
behandeln. Aus meinen amtlichen Stellungen ist mir bekannt, wie oft
dergleichen Fälle, ~gerade weil sie zu einfach scheinen~, von den
forensischen Aerzten zum Nachtheil der Sache und ihrer selbst unrichtig
aufgefasst werden.


52. Fall.

~Nothzucht und Mord durch Strangulation.~

Ein seltenes Doppelverbrechen gab zu folgendem Obductionsfalle
Veranlassung, dessen Begutachtung, wie man ersehen wird, gewiss
nicht zu den leichtesten gehörte. Man fand im Mai 18-- in einem
Zimmer einer der belebtesten Strassen Berlins zwei Leichen, eine
männliche und eine weibliche. Letztere war die eines 17jährigen
Mädchens, welches angeblich genothzüchtigt und nachher erdrosselt
worden sein sollte. Neben dieser Leiche lag die des Arbeitsmannes
_N._, des muthmaasslichen Doppelverbrechers, mit abgeschossenem
Kopfe, welche Leiche nicht obducirt worden ist, und von der wir nur
bemerken müssen, dass sich am _Penis_ weder Spuren von Saamenerguss,
noch sonst etwas Beachtungswerthes vorgefunden hat. Die weibliche
Leiche ergab an wesentlichen Obductionsbefunden folgende: Die Farbe
des Körpers war die gewöhnliche Leichenfarbe; am Rücken zeigten sich
bereits grüne Verwesungsflecke. Die etwas angeschwollene Zunge ragte
zwei Linien weit vor den Zähnen hervor; fremde Körper waren weder
im Munde, noch in den übrigen natürlichen Höhlen; aus dem After war
Koth ausgeflossen; aus der _Vagina_ liess sich durch gelinden Druck
ein weisslicher Schleim entleeren, welcher, mikroskopisch untersucht,
~nichts Anderes~ als _Epithelium_-Trümmer bemerkbar machte. »Auf der
rechten Seite des Halses, dicht unter dem Unterkieferrande, befindet
sich eine braungelbe, (mit Unterbrechung von 1/3 Zoll) vier und einen
halben Zoll lange, einen halben Zoll messende Marke, welche unter
dem Unterkieferwinkel endet. An ihrem Ende zeigt sich eine ebenso
braungelbe, schräg nach unten verlaufende, 3/4 Zoll lange Marke,
und endlich befindet sich gegen den Nacken hin eine eben solche,
einen halben Zoll lange Marke. Wiederholte Einschnitte in diese
Stellen ergeben keine Sugillation. An der linken Halsseite, vom
Unterkieferwinkel nach dem Nacken, zeigen sich zwei parallel über
einander verlaufende, drei Zoll lange, einen Viertel Zoll breite,
rothbläuliche Streifen, die ebenso wenig, wie die zuvor geschilderten,
eine Furche bilden. Einschnitte in diese nicht hart zu schneidenden
Stellen ergeben gleichfalls keine Sugillation.« Gesicht und Lippen der
Leiche waren bleich, nicht geschwollen, die Augen nicht prominirend,
die Scheide nicht klaffend, ihr Eingang noch geschlossen durch das sehr
erweiterte kreisförmige _Hymen_, an dessen obern und untern Segmenten
kleine Einrisse deutlich sichtbar. Die Schleimhaut der kleinen Labien
war hellroth gefärbt, Einschnitte ergaben aber keine Blutunterlaufung.
Der ganze Rand des _Hymen_ war graugelblich verfärbt von beginnender
Verwesung. Frisches oder angetrocknetes Blut zeigte sich an oder in den
Genitalien nicht. Verletzungen, ausser den geschilderten am Halse,
waren überall an der Leiche nicht wahrnehmbar. -- Kopf: die harte
Hirnhaut war wenig, die _pia mater_ »in nicht gewöhnlichem Maasse«
blutreich, sämmtliche _Sinus_ fast blutleer. Beide Gehirne normal und
ziemlich, wenn auch nicht ungewöhnlich, blutreich. Brust: »Kehlkopf und
Luftröhre sind unverletzt; letztere, in ihrer ganzen Länge geöffnet,
zeigt ~keinen~ Inhalt und eine dunkelbraunrothe« (Verwesungs-) »Färbung
ihrer Schleimhaut.« In beiden Pleurasäcken 2-3 Unzen eines dunkeln,
flüssigen Blutes. »Die Lungen zeichnen sich nicht durch eigenthümliche
Färbung aus, sind knisternd und gesund, und ist auch ihr Blutgehalt
~kein~ ungewöhnlicher.« Die Substanz des Herzens ist welk, seine
Kranzadern »und seine sämmtlichen Höhlen sind blutleer«. Ebenso zeigen
sich die grossen Venenstämme ~blutleer~. Bauch: Hier heben wir aus dem
Protokoll nur hervor, dass die Leber bleich war, der Magen vollkommen
ausgestopft mit Kartoffelbrei, die Nieren ~nicht~ blutreich (wie ich
sie bei Erstickten zu finden pflege, vgl. 1. Hundert, S. 78 und 81),
der Darmkanal bleich, nirgends Stasen zeigend, die Blase leer, die
_Vena cava_ blutleer, der _Uterus_ jungfräulich, beide Ovarien, von
Wallnussgrösse, Hydatiden enthaltend (bei einer 17jährigen Jungfer!).
Nach einem vorgelegten ärztlichen Atteste sollte die Leiche mit
geknebelten Händen und mit einem Strick um den Leib gefunden worden
sein; Spuren solcher Gewalt waren aber an der Leiche durchaus nicht
wahrnehmbar.

Wir glaubten die Todesart der Gemordeten am besten durch den negativen
Beweis feststellen zu können, und äusserten uns im summarischen
Gutachten am Schlusse des Obductions-Protokolles wörtlich dahin: »1)
dass weder Erstickung noch Blutschlagfluss die Ursache des Todes der
_Denata_ gewesen; 2) dass ebenso wenig eine innere organische Krankheit
denselben herbeigeführt habe; 3) dass auch für eine Vergiftung kein
einziges der vorgefundenen Ergebnisse spreche; 4) dass trotz der
allgemeinen Blutleere, bei dem Mangel einer bedingenden Verletzung,
auch die Annahme eines Verblutungstodes auszuschliessen; 5) dass
folglich ein ~Nervenschlag~ als Ursache des Todes anzunehmen sei;
6) dass die Verletzungen am Halse sich so verhalten haben, wie sich
dieselben in der grossen Mehrzahl aller Fälle bei lebendig Erhängten
oder Erdrosselten zu verhalten pflegen[11], und dass demnach 7) unter
Berücksichtigung alles Vorstehenden und ~des~ Umstandes, dass der
Erhängungs- und Erdrosselungstod in nicht seltenen Fällen den Tod
durch Nervenschlag herbeiführt, angenommen werden muss: dass _Denata_
durch Erdrosselung ihren Tod gefunden habe; 8) dass die muthmaasslich
vor dem Tode geschehene Nothzüchtigung derselben aus den Ergebnissen
der Obduction nicht mit Sicherheit erhellt, dass eine vollständige
Immission gewiss nicht erfolgt ist, dass jedoch unzüchtige Berührungen
der Geschlechtstheile kürzere Zeit vor dem Tode allerdings als
wahrscheinlich erfolgt anzunehmen sind.«

Der Fall ist hiernach nicht weiter gerichtlich verfolgt worden.


53. Fall.

~Tod durch Schlagfluss nach einer Balgerei.~

Der 40jährige Webergeselle _W._ war zwei Tage nach einer Balgerei nach
dreistündiger Krankheit gestorben. Die Section ergab Schlagfluss,
wirkliche Hirn-Hämorrhagie, nämlich ein drei Zoll grosses, rundes,
liniendickes Extravasat von geronnenem Blute auf der linken Hemisphäre.
An äussern Spuren von Misshandlungen u. s. w. fand sich Nichts, als
einige unbedeutende Zerkratzungen an der Nase und rechten Backe. Es
musste angenommen werden, dass die Ursache des tödtlichen Schlagflusses
aus der Obduction sich nicht ergeben habe, dass aber die zwei Tage
vorher Statt gehabte Balgerei ~nicht~ die Veranlassung dazu gewesen,
was sich um so mehr rechtfertigte, als mitgetheilt ward, dass _denatus_
nach der Rauferei und bis wenige Stunden vor seinem Tode ganz
vollkommen gesund geblieben war, dass er aber seit Jahren epileptisch
und fast immer betrunken gewesen sei. Dass diese Momente eine endliche
tödtliche Hirnblutung erzeugen konnten, bedarf hier keiner weitern
Ausführung.


54. Fall.

~Selbstmord durch Erhängen.~

Auch dieser, wie der nachfolgende Fall von Strangulationstod bestätigen
wieder die jetzt wohl nirgends mehr bezweifelte Behauptung, dass die
Strangmarke bei unzweifelhaft lebendig Erhängten oder Erdrosselten
~in der Regel~ nicht, und nur in seltenen Fällen sich sugillirt
zeigt. Eine noch sehr rüstige, höchst fette, 70jährige Frau hatte
sich in der Nacht erhängt. Der herbeigerufene Arzt fand Bedenken, den
Todtenschein zu ertheilen, und so wurde die gerichtliche Obduction
veranlasst, welche apoplectische Congestion, zumal in sämmtlichen
_Sinus_, aber keine Erstickung als Todesursache ergab; denn die Lungen
waren bleich und blutarm, wie das rechte Herz, das linke war ganz
leer, die grossen Venenstämme sehr blutarm, die Luftröhre bleich und
leer. Aber der Kopf war ganz blauroth, die Lippen stark sugillirt,
und die etwas geschwollene Zunge überragte die Zähne. Was nun die
Strangulationsmarke betrifft, so zeigte sich eine rings um den ganzen
Hals laufende Furche, was sehr selten ist, da in den meisten Fällen die
Rinne unterbrochen erscheint. An der rechten Halsseite war dieselbe
in der Länge eines Zolles bläulich, sehr schwach sugillirt und weich
zu schneiden; dagegen erschien sie am Nacken in der auffallenden
Breite von drei Viertel Zollen und, wie gewöhnlich, mumificirt, d.
h. schmutzig-gelbbraun, pergamentartig zu schneiden und unsugillirt.
Der Fall giebt einen neuen sichern Beweis der Irrigkeit der früher
aufgestellten Behauptung, dass die verschiedene Beschaffenheit der
Strangulationsmarke bedingt sei durch die verschiedenen Stoffe der
Strangwerkzeuge, da wir hier an demselben Individuum, also durch
ein und dasselbe Strangulations-Instrument, theilweise eine weiche,
bläuliche, theilweise eine pergamentartige, mumificirte Rinne gebildet
sehen.


55. Fall.

~Zweifelhafter Selbstmord durch Herzbeutelwunde und Erhängen.~

Man hatte eine 34 Jahre alte, als schwermüthig bekannte und in
unglücklichen Verhältnissen lebende Jungfer in ihrer von innen
verriegelten Stube am Fenster erhängt gefunden. Obgleich, wie man
sieht, diese Umstände für Selbstmord sprachen, so erschien es doch
auffallend, dass sich an der Brust der Leiche zwei Wunden zeigten,
und dass auf dem Tische ein Waschbecken mit blutigem Wasser stand,
und daneben ein blutiger Schwamm lag. Die Zweifel zu lösen wurde
die Obduction verfügt. Die von oben nach unten verlaufenden Wunden
an der linken Brustseite waren zwischen der siebenten und achten
Rippe eingedrungen, und hatten scharfe, nicht sugillirte Ränder.
Ihrer Lage entsprechend fanden sich im _Pericardium_ zwei fast
ganz gleich grosse, d. h. 3/4 Zoll lange, scharf geränderte, nicht
sugillirte Verletzungen; ein ungewöhnlicher Erguss in den Herzbeutel
fand sich nicht. An der Spitze der dünnen Fettschicht, die das Herz
umkleidete, sah man deutlich eine viertelzolllange, scharf geränderte
Trennung der Fettschicht. Wie wenig fehlte sonach, um den schnellsten
Tod zu veranlassen! Er war aber nicht dadurch, sondern durch das
Erhängen bewirkt worden. Die, wie gewöhnlich, schmutzig gelbbraune,
pergamentartig zu schneidende, durchaus unsugillirte Strangmarke
lief, mit einer Unterbrechung von zwei Zollen, um den ganzen Hals.
Auf der linken Seite war sie nur zwei Linien breit und tief, auf
der vordern Halsfläche dagegen einen Viertel Zoll und an einzelnen
Stellen sogar einen halben Zoll breit, aber überall ganz flach. Diese
Beschaffenheit war, im Vergleich zu dem benutzten Werkzeug, sehr
interessant. Letzteres war ein wollener Shawl, also weich und breit,
hatte aber gehäkelte und dadurch ziemlich scharfe und harte Ränder.
Von der äussern Besichtigung führe ich noch die Lage der Zunge hinter
den Zähnen, die anfangende Verwesung, die jungfräuliche Beschaffenheit
der Genitalien und den Befund an, dass die rechte Hand etwas mit
angetrocknetem Blute befleckt war. Das Herz war fast blutleer, die
gesunden Lungen blutarm, die Luftröhre leer und bleich, das Blut im
Körper nicht ungewöhnlich flüssig, gewiss also kein Erstickungstod
vorliegend. Aber auch das Gehirn und seine Meningen waren, wie die
_Sinus_, eher blutarm als apoplectisch gefüllt. Der Unterleib ergab
gar nichts Ungewöhnliches. Wir sehen hier sonach den nicht häufigen
Fall, wo Strangulation durch reine Nervenlähmung tödtet, an welcher
die ganze körperliche und geistige Beschaffenheit des Individuums
und namentlich die vorangegangene, schwere Verwundung ihren Antheil
gehabt haben mögen. Dass mit dem vorgelegten Shawl und Tischmesser,
das scharf und spitz und mit trocknem Blute befleckt war, die
vorgefundenen Verletzungen hatten bewirkt werden können, mussten wir
natürlich unzweifelhaft annehmen. Wir nahmen aber auch keinen Anstand,
den ~Selbst~mord zu constatiren. Die von innen verriegelte Thüre
war allerdings, da sie kein gerichtsärztliches Moment, als Beweis
nicht zu benutzen. Das Blut an der rechten Hand aber, die Direction
der Brustwunden von oben nach unten, der Umstand, dass eine grosse
Uebermacht dazu gehört, um einen lebenden, besinnlichen, erwachsenen,
nur mässig kräftigen Menschen gewaltsam aufzuhängen, dass aber von
dergleichen angethaner Gewalt nicht die geringste Spur gefunden worden,
während nicht angenommen werden konnte, dass die Person etwa erst
nach dem Tode aufgehängt worden sei, da die Herzbeutelwunde sie wohl
hätte tödten können, aber sie doch nicht getödtet hatte, rechtfertigte
unsern Ausspruch. Wenn wir auf Befragen noch äusserten, dass _Denata_,
nachdem sie sich die Brustwunden beigebracht, sehr füglich sich noch
habe waschen und dann aufhängen können, so wird dies nicht bestritten
werden wollen. Der Fall giebt aber einen neuen Beweis zu den so
vielen ältern, für die Zähigkeit des Vorsatzes bei Selbstmördern,
wofür der ziemlich ähnliche 20. Fall in der ersten Centurie (erst
ein Erschiessungsversuch, dann Ertränken) gleichfalls einen Beleg
lieferte[12].


56. Fall.

~Zweifelhafter Selbstmord durch Erhängen.~

War aber auch in folgendem merkwürdigen Falle der Nichtmord mit
solcher Gewissheit, wie im vorhergehenden, anzunehmen? Ich nenne den
Fall merkwürdig, weil er der ~Einzige~ unter so vielen bis heute mir
vorgekommenen ist, von ~Erhängung in vollkommen auf dem Fussboden
stehender Stellung des Strangulirten~. Die Möglichkeit eines solchen
Vorganges kannte man namentlich aus der meisterhaften Abhandlung des
verstorbenen _Marc_ im 5. Bande der _Annales d'Hygiène publique_ und
den Abbildungen von erhängt gefundenen Selbstmördern in Fig. 1., 2.,
3., 4. und 7., in welchen Fällen sämmtlich entweder Ein Fuss oder beide
mehr oder weniger ganz und platt den Boden berührten.

Der Arbeitsmann _B._, der mit seiner 43jährigen Frau in sehr
unglücklicher Ehe lebte, hatte, nach einer sehr stürmischen Scene
später nach Hause zurückkehrend, angeblich die Frau am Fensterriegel
erhängt gefunden. Sie ~stand~ mit ~beiden Füssen~ auf dem Fussboden
~platt auf~, und hing, mit zur Seite gebeugtem Kopfe, in einem
baumwollenen Halstuch, das in einen einfachen Knoten geschürzt
war. Kopf und Gesicht der Leiche waren bleich, die Augen nicht
prominirend, die Zunge zwischen den Zähnen eingeklemmt. An und in den
contrahirten Händen, wie sonst am Körper, fand sich nichts Fremdartiges
oder Auffallendes. Um den Hals zwischen Zungenbein und Kehlkopf
herumgehend, aber den ganzen hintern Halstheil freilassend, verlief
eine viertelzollbreite, flache, schmutzigbräunliche, lederharte,
unsugillirte Marke. Die Lungen waren mit einem ganz flüssigen Blute
strotzend, wie die grossen Venenstämme, angefüllt, und reichlich (aber
ohne Ueberfüllung) enthielten das rechte Herz und die Kranzvenen Blut.
Kehlkopf und Luftröhre waren innerlich ~leer und bleich~. Die Kopfhöhle
ergab nicht nur keine Hyperämie, sondern vielmehr das Gegentheil. Im
Unterleibe aber waren die Leber, und ganz besonders auch hier wieder
die Nieren sehr blutreich, die Blase leer, der Mastdarm etwas Koth
enthaltend, der übrige Befund unerheblich. Wir mussten annehmen:
1) dass _Denata_ durch Lungenapoplexie ihren Tod gefunden habe, 2)
dass dieser durch Strangulation bewirkt worden, und 3) dass aus der
Section allein die Frage vom Mord oder Selbstmord nicht mit einiger
Gewissheit beantwortet werden könne, dass jedoch die Unmöglichkeit des
Selbstmordes daraus keinesweges erhelle. Weiter glaubten wir nicht
gehen zu dürfen. Denn der Fall war eben, wie gesagt, ein sehr wenig
gewöhnlicher, und hier nicht, wie bei wirklich (in der Luft) Hängenden,
eine so grosse Uebermacht eines Dritten als nothwendig vorauszusetzen.
Die Möglichkeit, dass der, als sehr roh bekannte Ehemann die viel
schwächere Frau im Streite an das Fenster bloss ~gedrängt~, und sie
hier, wo sie gegen die Fensterwand fixirt war, rasch mit ihrem Halstuch
an den Riegel angeknüpft gehabt haben könnte, musste doch immerhin
bestehen bleiben.


57. Fall.

~Erstickung aus innern Ursachen.~

Eine 24jährige, unterhaltene Person war von ihrem Liebhaber angeblich
todt in ihrem Bette gefunden worden. Der Verdacht, dass sie schwanger
und vergiftet sei, wurde durch einige Umstände begründet. Die
Schwangerschaft bestätigte sich nicht. Die äussern Geschlechtstheile
nicht, wohl aber die innern waren jungfräulich. Als Ursache des
Todes ergab sich Erstickung, die sich namentlich hier durch ein
kirschrothes, wasserflüssiges Blut, strotzende Blutfülle der Nieren und
des rechten Herzens kundthat; aber von einer gewaltsamen Veranlassung
zur Suffocation war an und in der Leiche keine Spur zu finden. Unter
den obwaltenden Umständen musste aber auch die chemische Analyse der
Darmcontenta vorgenommen werden. Eine Untersuchung auf Pflanzengifte
war freilich unthunlich geworden bei dem hohen Verwesungsgrade
des Magens, _Oesophagus_ und _Duodenum_, die, Behufs der Analyse,
exenterirt worden waren; die Untersuchung wurde daher auf Metallgifte
beschränkt. Die nicht sauer reagirenden Eingeweide wurden zerschnitten,
mit einer Mischung aus 24 Gr. chlorsaurem Kali, 1 Loth reiner Salzsäure
und der hinreichenden Menge destillirten Wassers übergossen, und die
breiige Masse, unter Ersatz des verdampfenden Wassers, eine halbe
Stunde lang gekocht; dann wurden die grössern Stücke durch Coliren
entfernt, und nach Zusatz von 12 Gran chlorsaurem Kali das Erhitzen
fortgesetzt, bis aller Chlorgeruch verschwunden war. Nach vollständigem
Erkalten wurde filtrirt, der gelbliche pulvrige Rückstand (A) mit
Aetz-Ammoniakflüssigkeit übergossen, und unter öfterem Umschütteln bei
Seite gestellt. Ein Theil des klaren, weingelben Filtrats wurde mit
zwei Theilen frischen und klaren Schwefelwasserstoff-Wassers gemischt;
es entstand nicht der geringste Niederschlag, weshalb das übrige
Filtrat mit Aetz-Ammoniak übersättigt, und Schwefelwasserstoff-Ammoniak
zugesetzt wurde. Den entstandenen voluminösen schwarzgrauen
Niederschlag liessen wir sich absetzen, wuschen ihn wiederholt mit
destillirtem Wasser, und lösten ihn in Chlor-Wasserstoffsäure. Das
Filtrat wurde unter Zusatz von Salpetersäure anhaltend gekocht, und
nach dem Erkalten Aetz-Ammoniak im Ueberschuss zugesetzt. Es entstand
eine weissliche Fällung, welche durch Filtriren abgesondert wurde.
In der abfiltrirten Flüssigkeit erzeugte Schwefelwasserstoff-Wasser
keinen Niederschlag. Die von dem Rückstand der ersten Lösung
(A) abfiltrirte Aetz-Ammoniakflüssigkeit gab durch Zusatz von
Schwefelwasserstoff-Ammoniak ebenfalls keinen Niederschlag. Hiernach
konnte mit Gewissheit die Abwesenheit jedes metallischen Giftes in der
Leiche behauptet werden.


58. Fall.

~Tödtung durch Erdrosselung. Zweifelhafter Selbstmord.~

Nachstehend haben wir in der Reihe dieser Fälle zu gedenken des
ungemein merkwürdigen Falles, den ich bereits in seiner ganzen
Ausführlichkeit unter dem Titel: »Hat sich die verehelichte _Claasen_
selbst erdrosselt, oder ist sie strangulirt worden?« in Nr. 4., Jahrg.
1849, meiner »Wochenschrift« veröffentlicht habe, und hier nun nur in
seinen wesentlichsten Theilen wiedergeben kann. Die Frage von Mord oder
Selbstmord war hier gewiss ungemein schwierig zu entscheiden, denn es
lagen fast ebenso viele Beweise für die Schuld, wie für die Unschuld
des angeklagten Ehemannes der Erdrosselten vor, und wir unsererseits
mussten, freilich wie in allen Fällen, Sorge tragen, uns rein an den
~medicinisch~-forensischen Thatbestand zu halten, und uns durch
die nicht wissenschaftlichen Beweismittel nicht blenden zu lassen.

Die Tischlerfrau _Claasen_ war Nachts in der Werkstatt neben der
Hobelbank halb schräg nach der Seite und dem Rücken ~auf dem
Fussboden liegend~ todt gefunden worden. Sie war vollständig, und
zwar schwarz, angezogen, und hatte einen Bindfaden mehrfach um den Hals
geschlungen, der auf der linken Seite fest zugeknotet war. In ihrem
Gürtel steckten zwei beschriebene und mit ihrer Namensunterschrift
versehene Blätter, in welchen sie ihren Entschluss verkündet, sich
das Leben zu nehmen, und mehrere Male wiederholt: »mein Mann ist
unschuldig«. Die Kleider waren glatt und ordentlich, das Haar aber
hing zerzaust am Kopfe. Der anwesende Ehemann war stark angetrunken,
und so wenig bestürzt, dass er bald darauf neben der Leiche Kaffee und
Brod verzehrte. Er behauptete (und zwar bis zum Schlusse der ganzen
Untersuchung) vollkommen schuldlos am Tode zu sein. Seine 7jährige
Tochter aber sagte aus: ihr Vater habe die Mutter am Halse gepackt,
sie aus der Stube in die Werkstatt, dann in die Kammer gezogen, und
habe dann einen Bindfaden geholt, mit welchem er wieder in die Kammer
gegangen sei, deren Thür er nun zugemacht. Nun sei er den Tag über
wiederholt fortgegangen und zurückgekehrt, und habe auch den Kindern
gedroht, sie todtzuschlagen, wenn sie etwas sagten. Zuletzt Abends
habe er die Mutter in die Werkstatt geschleppt, und sie da neben die
Hobelbank gelegt. Dann habe er das kleinste Töchterchen ergriffen, ihr
eine Schnur um den Hals gelegt, und sei wieder fortgegangen, worauf
sie der Schwester die Schnur gelöst habe.

Die wesentlichsten Leichenbefunde bei der Obduction, die fünf Tage
nach dem Ableben der _Claasen_ (aber im December) von uns verrichtet
wurde, waren: Lage der Zunge hinter den Zähnen, hellgrüne Farbe des
Bauches, Abwesenheit jeder Spur von Verletzungen, auffallend blaurothe
Färbung der Scheide, flüssiger Koth am After, blauröthliche Färbung
des ganzen Gesichts und der Ohren, dunkle Röthe beider Lippen mit
einzelnen kleinen Hautabschilferungen. »Rings um den ganzen Hals läuft
eine parallel laufende, doppelte, eine Linie tiefe Rinne, die überall
bis zu den Dornfortsätzen der Halswirbel sichtbar ist.« Diese Rinne
war am vorderen Halstheile braunroth, hart, unsugillirt, an andern
Stellen ganz bleich und weich zu schneiden. An keiner Stelle fand
sich Sugillation. Dicht unter dem Unterkieferwinkel rechts zeigte
sich in der Rinne ein rundlicher erbsengrosser, rötherer Fleck mit
ganz unverletzter Haut, weich und unsugillirt. Die Lungen dunkler
als gewöhnlich, und strotzend mit dunkelm, flüssig schäumendem Blute
angefüllt. Rechtes Herz und Kranzadern, sowie die grossen Bruststämme,
ebenfalls stark gefüllt, im linken Ventrikel nur ein halber Esslöffel
desselben Blutes. Kehlkopf und Luftröhre vollkommen unverletzt und
leer, aber ihre Schleimhaut »deutlich und ungewöhnlich injicirt«. Im
Kopfe fand sich eine stark ausgesprochene Hyperämie, welche auch noch
in den Nieren und grossen Venen des Unterleibes gefunden wurde. Es war
sonach unzweifelhaft, dass _denata_ durch Stick- und Schlagfluss, d.
h. durch plötzliche Hemmung der Circulation, ihren Tod gefunden hatte,
deren Erscheinungen in der Leiche ganz ungewöhnlich stark ausgeprägt
waren, wie wir es in dem Maasse kaum je gesehen. Wir nahmen zunächst
an, dass ein so exquisiter Stick- und Schlagfluss schon an sich auf
eine gewaltsame Todesart hindeute, und beantworteten die vorgelegte
Frage: ob die um den Hals gefundene Schnur ein geeignetes Werkzeug
gewesen, um den Tod der _Claasen_ zu bewirken? natürlich bejahend,
da ~jedes~ strangulirende und ~fest~ umgelegte Band den Tod bewirken
~könne~? Dagegen standen wir nicht an, zu behaupten, dass die Schnur
den Tod hier nicht bewirkt ~habe~, sondern, dass sie der _Claasen_
erst ~nach ihrem Tode~ umgelegt worden. Der Bindfaden war 16 Zoll
lang, und konnte den Hals nicht sehr fest eingeschnürt haben, vielmehr
musste eine weit heftigere Gewalt vorausgesetzt werden, als welche z.
B. ein rascher Druck mit einer kräftigen oder mit zwei Männerhänden
angenommen werden könne. Der Mangel von Reactionsspuren am Halse dürfe
nicht als Gegenbeweis aufgestellt werden, da oft die allererheblichsten
Insultationen wohl die entsprechenden inneren Verletzungen verursachen,
aber nicht eine Spur von Reaction auf der Oberfläche der Leiche
sichtbar werden lassen.[13] Eben so könne es nicht auffallen, dass
die Ermordete nicht geschrieen haben sollte, da sie, wie constatirt,
eine kranke Person, der Mann ein höchst kräftiger, grosser und roher
Mensch war, und hier Tödtung und Tod fast zusammenfallen mussten. Wir
beleuchteten nunmehr die Beschaffenheit der Strangulationsmarke am
Halse und zeigten, dass, wie (nach unseren eigenen und den Pariser
Versuchen) kurze Zeit nach dem Tode eine Strangmarke noch künstlich
producirt werden kann, die von solchen, wie sie sehr häufig bei lebend
Erdrosselten gefunden wird, gar nicht zu unterscheiden ist, so
namentlich aber auch gerade hier der grösste Theil der vorgefundenen
Strangrinne, wie oben beschrieben, nämlich die ganz weissen und weichen
Stellen, sich vollends so verhalten habe, wie bei erst nach dem Tode
gemachten Strangvertiefungen, dies Alles folglich nur die Annahme
bestätige, dass der Tod der _Claasen_ auf andere Art als durch den
Bindfaden erfolgt, und dieser ihr erst nach dem Tode umgelegt war,
muthmaasslich, um den Selbstmord wahrscheinlicher zu machen. Hiermit
war eigentlich schon die dritte uns vorgelegte, die Hauptfrage, den
etwanigen Selbstmord betreffend, erledigt. »Es mag indess«, sagten wir
weiter, »nicht überflüssig sein, noch folgende Data, die ~gegen~ die
Annahme einer Selbstentleibung sprechen, anzuführen, wobei wir Momente,
wie die verdächtigen Scripten im Gürtel und andere, als nicht vor unser
Forum gehörig, beseitigen.[14]«

»Der Knoten, der am hintern Theil der Schnur befindlich, ist
schlingenartig und sorgfältig geschürzt, und auch am vorderen Knoten
ist eine gewisse Sorgfalt nicht zu verkennen. Es ist nichts weniger
als wahrscheinlich, dass ein Selbstmörder sein Strangwerkzeug auf
diese ganz ungewöhnliche Weise vorbereiten, _resp._ schliessen sollte,
wie es überhaupt nicht abzusehen, warum die _Claasen_, wenn sie ihren
Tod durch Strangulation beschlossen gehabt, nicht die leichte und
alltägliche Todesart durch Erhängen gewählt haben sollte, weshalb ja
eben Selbsterwürgungen zu den seltensten Todesarten gehören. Wohl aber
spricht abermals die Präparation dieser Schnur dafür, dass dieselbe
erst nach vollendeter That und mit einem gewissen Zeitaufwande
bereitet worden. Und was endlich die Lage betrifft, in der die Leiche
gefunden worden, so ist es nicht schwer, die positive Unmöglichkeit
darzuthun, dass die Aussage des Angeschuldigten, dass er _denata_ so,
wie sie neben der Hobelbank todt gefunden worden, als selbsterdrosselt
aufgefunden habe, in der Wahrheit beruhen könne. Einmal nämlich ist
gar nicht abzusehen, was die _Claasen_ veranlasst haben konnte, wenn
sie ihren Tod durch Selbsterdrosselung beschlossen, dies nicht in der
Wohnstube auf dem Bette, auf welchem sie den ganzen Nachmittag gelegen
hatte, zu thun, sondern dies zu verlassen und sich auf die Dielen der
Werkstatt niederzulegen. Sodann aber wurde sie »»halb schräge nach der
Seite liegend, den Kopf etwas auf den rechten Arm gelegt««, gefunden,
und glauben wir nicht zu weit zu gehen, wenn wir behaupten, dass
kein Beispiel in den Annalen der forensischen Wissenschaft existirt,
das eine ähnliche Lage nach einer absichtlichen Selbsterdrosselung
nachgewiesen hätte. Vielmehr wird auch durch diese Lage wieder die
Aussage des siebenjährigen Kindes bestätigt, dass dieselbe erst nach
dem Tode der _denata_ durch Hinausschleppen der Leiche nach der
Werkstatt herbeigeführt worden«.

Nachdem ich meinerseits natürlich diese wohlerwogenen Gründe auch im
spätern öffentlichen Audienz-Termine festhielt, trat unerwarteter Weise
mein Gehülfe bei der Obduction, der _Chirurg. for._, obgleich derselbe
den Obductionsbericht vorschriftsmässig mit unterschrieben hatte,
zurück, und erklärte, dass er sich doch nicht getraue, den Selbstmord
mit Gewissheit anzunehmen. Nun musste ein schiedsrichterliches
_Superarbitrium_ eingeholt werden, zuerst vom Medicinal-Collegium
der Provinz, und, nachdem dies nicht angenommen worden war, sodann
von der wissenschaftlichen Deputation im Ministerio. Beide Gutachten
hatten zwar nicht, wie ich, mit Gewissheit, aber mit mehr oder weniger
Wahrscheinlichkeit gleichfalls den Mord angenommen. Der Angeschuldigte
wurde zu lebenslänglicher Strafarbeit verurtheilt.

Leser, die sich für viele (nicht ärztliche) höchst interessante
Intercedenzpunkte dieses merkwürdigen Criminalfalles interessiren, wie
z. B. dass zwei Handschrifts-Experten die Schriftstücke in den Kleidern
der Leiche für die Handschrift der _denata_, zwei Andere sie für die
Handschrift des Angeschuldigten erklärt hatten (!) u. s. w., finden
dieselben a. a. O. meiner »Wochenschrift«. Ich übergehe sie hier, um
nicht die Gränzen dieser Schrift zu weit auszudehnen.


59. Fall.

~Selbsterwürgung.~

Hatte ich im vorigen Falle behauptet, dass Selbsterdrosselung zu
den seltensten Todesarten gehöre, und war mir selbst niemals ein
unzweifelhafter Fall der Art vorgekommen, so konnte ich nur auf's
Höchste überrascht sein, als mir wenige Monate nach dem obigen
_Claasen_'schen folgendes ganz unzweifelhafte, und deshalb gewiss
höchst lehrreiche Beispiel einer solchen ~Selbsterwürgung und zwar in
liegender Stellung~ amtlich vorkam.

In einer April-Nacht hörte die Stieftochter der Wittwe _L._ dieselbe
aufstehen und nach der anstossenden Küche gehen. Sie schlief aber
wieder ein und war erstaunt, am andern Morgen das Bett der Mutter leer
und diese als Leiche in der Küche liegend zu finden. Sie lag auf Lappen
und Wäsche ganz ausgestreckt auf dem Fussboden der Küche hart an der
Ausgangsthür, die ~von innen~ verschlossen und verriegelt gefunden
wurde, und zu welcher Küche doch kein anderer Eingang als dieser und
der durch die Schlafkammer führte. Auf einem Schemel neben der Leiche
lagen ein Brod- und ein Federmesser, beide mit Blut etwas befleckt.
Die Leiche hatte einen oberflächlichen Schnitt am ~linken~ Handgelenk,
und einen eben solchen am ~linken~ Ellenbogengelenk. Um ihren Hals war
ein dünner Bindfaden dreimal herumgeschlungen und sehr fest zugezogen
und ~vorn am Kehlkopf~ mit einer einfachen Schleife fest zugebunden.
Bei der Obduction fiel uns eine bläuliche Röthe der Vaginalschleimhaut
auf. Die Schnittwunde am linken Handgelenk verlief ganz horizontal,
die am Ellenbogengelenk (3/4" lang) von oben nach unten und von innen
nach aussen, was natürlich sogleich die Vermuthung auf Selbstverletzung
geben musste. Am Halse fand sich eine dreifache, weisse, flache,
weich zu schneidende Rinne, die nur an einzelnen Stellen schwach
bläulich gefärbt erschien, aber nirgends bei Einschnitten Sugillation
zeigte. Sie verlief über dem Kehlkopf, aber nur Eine Rinne liess sich
ohne Unterbrechung rings um den ganzen Hals laufend verfolgen. Die
Beschaffenheit ~dieser~ Strangulationsmarke, die ganz unzweifelhaft
bei einer noch lebenden, und durch die Strangulation erst getödteten
Person erzeugt worden war, beweist abermals sehr eindringlich, wie
vorsichtig man bei der Beurtheilung der Strangrinnen sein muss. Ich
würde es bei einer Physicats-Prüfung keinem Candidaten als Fehler
angerechnet haben, wenn er diese weiche, nur linienbreite, schwach
vertiefte, weisse, hier und da schwach bläulich tingirte, nirgend
sugillirte (und dennoch auch nicht braun-lederartige) Marke für eine
solche erklärt hätte, die erst durch Einschnüren des Halses nach
dem Tode erzeugt worden. -- Die _causa mortis_ der Wittwe _L._ war
Erstickung. Beide Lungen strotzten nicht nur von dunkelm, flüssigem
Blute, sondern wir hatten auch die seltene Gelegenheit, hier die
Pleura-Apoplexie, d. h. die flohstichähnlichen Extravasate unter der
Lungenpleura bei einem Erwachsenen zu sehen, auf deren Vorhandensein
bei kleinen Kindern, die den Erstickungstod gestorben, ich in der
früheren Centurie[15] zuerst aufmerksam gemacht habe. Die Kranzadern
des Herzens waren stark gefüllt, das Herz selbst aber, sogar das
rechte, enthielt nicht auffallend viel Blut. Insufficienz der Klappen,
die sich fand, war bei der Frage vom muthmaasslichen Selbstmorde nicht
ganz ohne Bedeutung. Die Trachealschleimhaut war auffallend roth
injicirt und ganz mit blutigem Schaum bedeckt. Die Jugularen enthielten
nur wenig Blut. Das Gehirn zeigte keine apoplectische Congestion, aber
der Erstickungstod documentirte sich in diesem Falle mehr, wie in
vielen andern, noch durch die höchst auffallende Hyperämie der Leber,
der Mesenterialvenen, beider Nieren und der _V. cava_, die sämmtlich
mit dem dunkel-flüssigen Blute des suffocatorischen Sterbens strotzend
gefüllt waren.


60. Fall.

~Mord durch Erdrosselung.~

Am zweiten Pfingstfeiertage 18-- Morgens um 11 Uhr, also wieder am
hellen Tage (!), fand der Hausbesitzer _L._, als er aus der Kirche
nach Hause kam, und in die, zu seiner Verwunderung offen stehende
Stubenthür eintrat, seine Frau todt am Fussboden, und zwar mit einem
um den Hals geschlungenen Strick an einen Bettfuss angebunden! Auf
der Stirn zeigte sich eine frische Wunde, und es konnte kein Zweifel
darüber obwalten, dass die Frau überfallen, durch einen Schlag auf
den Kopf betäubt, zur Erde geworfen und erdrosselt worden sei.
Die Strangmarke verlief vom rechten Zitzenfortsatz bis zum linken
über dem Zungenbein, jedoch mit Unterbrechungen. Sie war flach, 3
Linien breit, schmutzig bräunlich-roth, hart zu schneiden, jedoch
unsugillirt, wie die gewöhnlichen Strangrinnen. Die Schädelknochen
waren unverletzt, aber die Blutüberfüllung in der Schädelhöhle sehr
sichtbar. Die eigentlichen Suffocations-Befunde waren ziemlich
genau wie im vorigen Falle, natürlich, da beide Fälle Erdrosselte
betrafen. Die altverwachsenen Lungen strotzten von wasserflüssigem
Blute, welches auch das rechte Herz ganz ausfüllte, während das
linke leer war. Die Luftröhren-Schleimhaut, stark injicirt, war mit
fettigen Speisepartikelchen bedeckt, die natürlich im Todesmomente
durch krampfhafte Schlingbewegungen und _ructus_ hineingekommen sein
mussten, wie sich dieselben Stoffe auch im _Oesophagus_ befanden und
der Magen halb angefüllt davon war. Die Jugularen waren auch hier nicht
überfüllt. Im Unterleibe fand sich auch hier wieder jene auffallende
Hyperämie der Nieren, die meine frühere Behauptung von dem Werthe
dieses Zeugnisses für den Erstickungstod abermals bestätigte, und die
Anfüllung der _Cava_ mit dem schwarzflüssigen Blute, während Leber
und Netze hier nicht besonders blutreich waren. Die Beurtheilung des
Falles war, wie man sieht, sehr leicht. Es musste angenommen werden,
dass _denata_ an Stick- und Schlagfluss ihren Tod gefunden habe,
dass Strangulation die Ursache ihres Todes gewesen, und dass die
oberflächliche Stirnwunde am Tode keinen Antheil gehabt. -- Der Mörder
wurde leider! auch in diesem Falle nicht entdeckt.



D. Ertrinkungstod.


Seit den Bemerkungen, die ich in Betreff des Ertrinkungstodes in
der ersten Centurie (S. 87 u. f.) gemacht, und die meine immer
fortgesetzten Beobachtungen bis heute nur bestätigt haben, ist eine
sehr treffliche Arbeit über diese Todesart von Dr. _Kanzler_[16]
erschienen, die den wichtigen Gegenstand mit grösstem Fleiss und
mit Scharfsinn behandelt, und die die Beachtung des Gerichtsarztes
in hohem Grade verdient. Herr _Kanzler_ hat nicht nur eine fast
vollständige Compilation der von den Schriftstellern vorgetragenen
Meinungen und mitgetheilten Beobachtungen geliefert, sondern auch
eine Reihe von Versuchen an Thieren angestellt. Leider! aber ist das
Ergebniss seiner Forschungen nur die Bestätigung des auch von mir,
wie von Andern, früher aufgestellten Satzes: dass es ein absolut
Zuverlässiges, constantes und für sich allein beweisendes Kennzeichen
des Ertrinkungstodes nicht gebe. Dies allein wurde nun freilich an sich
eine sehr erhebliche Schwierigkeit für die Begutachtung zweifelhafter
Fälle nicht bedingen, da bekanntlich, wie am Krankenbette, so auch
am forensischen Sectionstisch überhaupt selten oder nie aus Einem
Zeichen »für sich allein« ein Beweis entnommen werden, vielmehr die
Summe aller Zeichen erst den Beweis oder Thatbestand herstellen
kann. Und in dieser Beziehung muss ich auch jetzt wiederholen, dass
aus der ~Summe~ aller betreffenden Leichenbefunde, wenn sie sich
deutlich nachweisbar vorfinden, d. h. namentlich, wenn sie nicht durch
den Verwesungsprocess alterirt sind, allerdings selbst _in foro_
~angenommen~ werden kann, dass ein Mensch den Tod im Wasser gefunden,
_resp._ nicht gefunden, dass er lebend oder nicht lebend hineingekommen
sei.[17] Ich kann jetzt zu den früher namhaft gemachten noch einen
andern wichtigen Leichenbefund hinzufügen, dessen Richtigkeit ich
noch durch fortgesetzte Beobachtungen prüfen wollte, und worüber
ich gegenwärtig mit mir in's Klare gekommen bin, ich meine den ganz
eigenthümlichen ~Verlauf~, den der ~Verwesungsprocess im Leichnam
wirklich Ertrunkener~ nimmt, und auf welchen _Orfila_, _Lesueur_
und _Dévergie_ zuerst aufmerksam gemacht haben. Man findet in der
_Kanzler_'schen Abhandlung[18] die deutschen Citate aus diesen
sorgsamen und erfahrenen Schriftstellern zugleich mit der richtigen
Bemerkung, dass diese Beobachtung bisher in Deutschland (auch in
den neuesten Handbüchern der gerichtlichen Medicin) keine Beachtung
gefunden hat. Sie betrifft den Umstand, dass bei im Wasser Gestorbenen
die ~Fäulniss von oben beginnt~. Ich abstrahire von der Schilderung der
genannten französischen Gerichtsärzte, und will, wie überall in diesen
Blättern, nur meine eigenen nur etwas davon abweichenden Wahrnehmungen
mittheilen.

Schon bei ganz frischen Leichen Ertrunkener, d. h. bei solchen, die nur
einen bis einige Tage im Wasser gelegen hatten, und nun der Luft eben
so lange Zeit ausgesetzt gewesen sind, wird man finden, dass, während
der übrige Körper noch die gewöhnliche Leichenfarbe hat, ~zuerst~
Gesicht und Kopf, dann der Hals, dann die Brust etwa bis zur Mitte, ein
ziegelrothes Ansehn bekommen. Einschnitte in solche Stellen ergeben
keine Sugillation. Bald zeigen sich in dieser Röthe blaugrüne Flecke,
meist zuerst an Schläfen, Ohren und Nacken, dann auch im Gesicht und
später an Hals und Brust. Diese Flecke fliessen, je länger die Leichen
im Wasser gelegen haben, desto mehr zusammen, und im Sommer schon nach
acht bis zwölf, im Winter nach zwölf bis vierzehn Tagen ist der ganze
Kopf, der Hals, immer aber noch später die Brust schmutziggrün, mit
dunkelrother Zwischenfärbung, wofür _Dévergie_ die, meines Erachtens
nicht ganz passende, Bezeichnung »bräunlich« (_brunâtre_) brauchte. Es
ist nichts Seltenes, Wasserleichen zu sehen, deren Kopf bereits diese
Verwesungsfarbe zeigt, während der übrige Körper, namentlich Bauch
und Extremitäten, noch die gewöhnliche Leichenfarbe haben. Woher bei
dieser Todesart dieser umgekehrte Gang des Verwesungsprocesses, und ob
derselbe namentlich davon herrührt, dass so lange die Leiche im Wasser
schwimmt, der Kopf stets unter der Wasserfläche bleibt, das sei der
beliebigen Erklärung überlassen. Die Thatsache wird Niemand bestreiten,
der viele Beobachtungen an Leichen wirklich ertrunkener Menschen
gemacht hat. Immer nun geht bei _resp._ gleichen Temperaturgraden der
Luft der Fäulnissprocess im Wasser, wie dies wohl allbekannt, rascher
von Statten als unter andern Umständen, und nach mehrern Wochen ihres
Verweilens im Wasser sieht man schon die ganze Leiche hoch verwest,
aufgeschwollen, die Epidermis blasenartig aufgetrieben oder abgelöst,
die Gesichtszüge ganz unkenntlich, den Körper grün, später graugrün
gefärbt, die Nägel an einzelnen Fingern und Zehen abgelöst, das
_scrotum_ unförmlich aufgetrieben, und das sind dann die Fälle, die
ich schon früher bezeichnet habe, wo alle Zeichen des Ertrinkungstodes
verwischt und verschwunden sind, und wo der Thatbestand gar nicht mehr
mit einiger Sicherheit festzustellen ist. Merkwürdig und bemerkenswerth
aber bleibt dieser eigenthümliche Verlauf des Verwesungsprocesses bei
Ertrunkenen, den ich für ein wirkliches vorläufiges Indicium des Todes
durch Ertrinken schon bei der äussern Besichtigung der Leiche um so
mehr erklären muss, als dieser Gang der Putrefaction bei keiner andern
Todesart vorkommt. Nur allein tödtlich gewordene Schusswunden haben
das Eigenthümliche, dass ihre nächsten Umgebungen sehr früh nach dem
Tode zu verwesen beginnen, und man wird deshalb bei durch den Kopf
Geschossenen gleichfalls wohl auch immer diesen Theil zuerst von der
Verwesung ergriffen sehen, was aber begreiflich den Werth des hier
besprochenen Zeichens nicht schmälert.[19]

Noch auf ein anderes, meines Wissens noch nicht geschildertes Zeichen
des wirklichen Ertrinkungstodes kann ich bei dieser Gelegenheit
aufmerksam machen, auf das ~Zusammengezogensein des _Penis_~ nämlich
bei lebendig in's Wasser gerathenen und darin ertrunkenen Männern. Ich
habe dies noch bei keiner dergleichen Leichen vermisst, und andrerseits
Gleiches so beständig nach keiner andern Todesart gefunden. Auch
bei den colossalsten Männergestalten findet man dies Glied kurz und
zurückgezogen, und selbst der spätere Verwesungsprocess, der dasselbe
bekanntlich bedeutend aufschwellt, lässt doch immer noch die geringe
Längenausdehnung des Organs deutlich wahrnehmen.

Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes kann ich nicht unterlassen,
die Schlusssätze, zu denen _Kanzler_ nach seinen Untersuchungen
gelangt ist, hier mit einigen kritischen Bemerkungen mitzutheilen,
die ich aus einer grossen Anzahl vor mir liegender eigener amtlicher
und ausseramtlicher Obductions-Protokolle nicht nur, sondern auch
aus einer erheblichen Zahl höchst sorgsamer Protokolle aus der
vormaligen Physicats-Verwaltung meines Freundes und Collegen, des Geh.
Ober-Medicinal-Raths _Barez_, entnehme, die derselbe mir gütig zur
Untersuchung und Benutzung gestattet hat.

_Kanzler_ behauptet:

1) »Die Hyperämie des Hirns und seiner Häute erreicht bei Ertrunkenen
selten einen erheblichen Grad und steigert sich niemals bis zu blutigen
Extravasaten.«

Es fragt sich, was man einen »erheblichen Grad« von Blutfülle
nennt. Dass Ertrinkende häufig rein hyperämisch-apoplectisch,
dass sie noch weit häufiger, d. h. in der Mehrzahl aller Fälle,
apoplectisch-suffocatorisch, und nur in den seltensten Fällen an
plötzlicher centraler Nervenparalyse (_Apopl. nerv._) sterben, ist
ganz gewiss, weshalb es auch gewiss ist, dass man in der Mehrzahl
aller Fälle -- immer mit Ausschluss der etwa schon vorhandenen hohen
Fäulnissgrade -- allerdings eine deutlich wahrnehmbare Hyperämie im
Gehirn, und namentlich in den beiden blutführenden Hirnhäuten findet.
Hirnhämorrhagie kommt allerdings kaum vor, wenn ich auch nicht sagen
kann: »niemals«, wie folgender Fall beweist. Ein dreissigjähriger Mann
war (allerdings freilich) ~betrunken~ in einen Morast gefallen und
darin ertrunken. Die morastige Flüssigkeit fand sich in der Luftröhre,
wie alle übrigen bezüglichen Zeichen des Ertrinkungstodes. Die Meningen
strotzten von Blut und unter der _dura mater_ fand sich ein im
Durchmesser ein Zoll grosses Extravasat.

2) »Der Kehldeckel steht, wenn man vor dem Eintritt der Fäulniss
obducirt, immer gerade in die Höhe gerichtet, die Thiere mögen ertränkt
oder auf irgend eine andre Weise getödtet sein.«

An Thieren habe ich keine Versuche gemacht. Bei Menschen hat der Stand
des Kehlkopfes keinen diagnostischen Werth. Es ist eben so oft das
Gegentheil vom Kehlkopf behauptet worden, und mit Recht, denn man
findet in den Leichen wirklich Beides, aber wohl und ganz unabhängig
vom Ertrinkungstode, nämlich bedingt und modificirt -- durch die
Manipulation der Leiche und ihres Halses beim Eröffnen der Luftröhre
und des Kehlkopfes.

3) »Das Zwerchfell ist bei Ertrunkenen immer hoch nach der Brust
gewölbt.«

Ein Zeichen, wie dies, das ganz ~von der Fäulniss~ abhängt,
kann dem Practiker keinen diagnostischen Anhalt geben. Je weiter die
Fäulniss vorgeschritten, je mehr die Därme von Gas aufgetrieben sind,
desto höher wird das Zwerchfell hinaufgedrängt werden, und umgekehrt.

4) »Eine grössere Erhebung des Unterleibes findet nicht Statt, wohl
aber eine etwas grössere Ausdehnung des Thorax, welche indess sehr
wenig bemerklich ist.«

Dass bei ganz frischen Wasserleichen der Unterleib noch nicht durch
Verwesung erhoben ist, wenn auch der Kopf schon ihre Angriffe
nachweist, ist oben bemerkt worden. Später erhebt sich aber allerdings
der Unterleib. Eine grössere Ausdehnung des Thorax ist mir nie
aufgefallen, und auch in der That bei unbekannten Leichen sehr schwer
nachzuweisen, da man den Bau der Brust im Leben des Menschen nicht
gekannt hat.

5) »Die Urinblase ist bei Ertrunkenen immer mehr oder weniger gefüllt,
und niemals vollkommen leer.«

Ein Satz, den ich entschieden bestreiten muss, da ich in der Hälfte
aller Fälle die Blase Ertrunkener leer gefunden habe. _Kanzler_ selbst
räumt übrigens an einer früheren Stelle[20] mit grösstem Rechte ein,
dass die Beschaffenheit der Blase für eins der werthlosesten Zeichen
erklärt werden müsse, und deutet eben so richtig darauf hin, dass ihr
Leer- oder Angefülltsein lediglich davon abhängt, ob ein Individuum
kurz vor dem Sturz in's Wasser zufällig Urin gelassen hat oder nicht.
Eben deshalb kann aber dann auch nicht behauptet werden, dass die Blase
in solchen Leichen »niemals« leer gefunden werde.

6) »Die Injection einer farbigen Flüssigkeit in die Lungen, um daraus
zu erkennen, ob ein Individuum dem Wasser todt oder lebendig übergeben
worden sei, zeigt sich in der Praxis gänzlich unbrauchbar.«

7) »Das zu demselben Behuf vorgeschlagene Lufteinblasen erfüllt seinen
Zweck ebenfalls nicht.«

8) »Die Lungen Ertrunkener haben immer etwas Aufgetriebenes, Volleres,
Voluminöseres, und umschliessen das Herz dichter.«

Diesen drei Sätzen muss ich vollkommen zustimmen, und namentlich ist
der letzte, als wirklich diagnostischer, von Wichtigkeit. Dergleichen
Lungen haben eine ganz eigenthümliche Fülle, die schwer zu beschreiben.
Sie sind wie aufgeblasen, und füllen die Brusthöhle gern ganz und
gar aus, wie man es sonst nirgends, namentlich auch nicht beim bloss
pathologischen Lungenoedem in den Cadavern sieht. Es ist nicht bloss
die, in den meisten Fällen sich bekanntlich vorfindende übermässige
Blutfülle der Lungen, die sie so schwammartig auftreibt, denn auch in
jenen Fällen, wo Blut- oder Nervenschlag den Ertrinkenden tödtete und
wo man nur die gewöhnliche Blutmenge in den Lungen findet, haben sie
dies charakteristische, ich möchte sagen: Hyper-Volumen.

9) »Ertrinkende schlucken jedesmal Wasser, wenn auch meistens keine
grosse Menge.«

Abgesehen von der Möglichkeit eines auch nur zufälligen Befundes von
Wasser, ja von vielem Wasser im Magen von Ertrunkenen, wofür ich im
56. Falle der ersten Centurie ein Beispiel erzählt, habe ich mich
je länger, desto mehr von der Richtigkeit dieser alten Behauptung
überzeugt. Wenn dieser Befund von Wasser im Magen geleugnet worden, so
lag, glaube ich, eine hier sehr leicht mögliche Täuschung zu Grunde,
auf die gleichfalls erst eine längere Praxis aufmerksam macht, ich
meine den Umstand, dass, wenn man, wie so gewöhnlich, Speisebrei im
Magen findet, zumal wenn der Brei nicht sehr flüssig ist, allerdings
gar nicht zu bestimmen, wie viel (im Todeskampf verschlucktes) Wasser
demselben beigemischt worden ist. Dagegen sind die Fälle ungemein
häufig, wo der Speisebrei wasserdünn ist, oder wo man selbst gar keine
Speisereste, und nur, wenn auch weniges, Wasser im Magen findet. In
allen diesen Fällen ein zufälliges, vorheriges Trinken anzunehmen,
verbietet die Logik, denn man müsste fragen, warum man nicht eben
so häufig nach allen andern gewaltsamen Todesarten, bei Erhängten,
Erschossenen u. s. w. gleichfalls wasserdünnen Speisebrei oder Wasser
im Magen findet, was keinesweges der Fall ist. Wie aber, wenn der Kopf
des Ertrinkenden eingehüllt war, und er folglich nicht Wasser schlucken
~konnte~? Siehe den gleich folgenden 61. Fall!

10) »Niemals gelangt bei todt in's Wasser Geworfenen eine Spur von
Ertränkungsflüssigkeit in den Magen.«

Ich habe hierüber weder Versuche angestellt, noch Erfahrungen im
grössern Maassstabe gemacht, bin aber, nach den Gründen, die für den
Satz angeführt sind, von der Richtigkeit desselben überzeugt. In einem,
hier unten mitzutheilenden derartigen Falle fanden wir den Magen »leer«.

11) »Das Blut Ertrunkener ist kirschroth und in hohem Grade flüssig.«

Ein niemals fehlendes Kriterium. Dass es aber auch bei andern
Suffocationen, nach narcotischen Vergiftungen, nach Blitzschlag
beobachtet wird, ist allgemein bekannt.

12) »Jeder Ertrinkende athmet Ertränkungsflüssigkeit ein, welche
sich fast immer als flüssiger Schaum und nur höchst selten als bloss
wässriges Fluidum vorfindet.«

So lange die Verwesung dies hochwichtige Kennzeichen nicht verwischt
hat, fehlt es in keinem Falle. Es kommt, um es genauer zu schildern,
in sehr verschiedenen Abstufungen vor. Bald sieht man nur einzelne
Perlbläschen in der Luftröhre, bald ist ihre ganze Schleimhaut damit
besetzt, bald ist der Schaum, und zwar gewöhnlich, weiss und klar,
bald etwas blutig, und in seltenern Fällen endlich sah ich den ganzen
Kanal der _Trachea_ und der Bronchien vollkommen ausgestopft mit einem
weissen »Gischt«.

13) »Nach dem Tode dringt Ertränkungsflüssigkeit nur unter künstlicher
Beihülfe und unter sehr begünstigenden Umständen in die Luftwege ein,
und dieselbe ist dann niemals schaumig.«

Die _Kanzler_'schen Versuche beweisen die Richtigkeit dieses Satzes.

Von gerichtlichen Fällen, den zweifelhaften Ertrinkungstod betreffend,
kamen in dieser Centurie folgende vor.


61. Fall.

~Mord des eigenen Kindes durch Ertränken.~

Dieser oben in Bezug genommene Fall gehörte nicht zu den alltäglichen;
als Verbrechen so wenig, wie als forensisch-medicinischer Fall. Wie
viel Bedenken er auch darbot, und wie folgenschwer auch unser Ausspruch
werden musste, so konnten wir nach gehöriger Combination aller in
Betracht kommender Umstände dennoch kein anderes Urtheil fällen, als
wir gethan.

Am 26. August 18-- wurde in einem Teiche im Thiergarten der Leichnam
eines Kindes im Wasser so gefunden, dass dessen Rücken über dem
Wasser sichtbar war, der Kopf aber unter dem Wasser lag. Das Kind
war nackt, der Kopf aber mit einem bunten Tuche umhüllt, das unter
dem Kinn am Halse zugeknüpft war, jedoch keinesfalls so fest, dass
eine Strangulationsmarke am Halse sichtbar gewesen wäre. Die Mutter
wurde in der Person der unverehelichten _G._ ermittelt, die aber jede
Wissenschaft vom Tode des Kindes leugnete und vielmehr behauptete,
dass ihr dasselbe auf der Strasse abhanden gekommen sei. Das Kind
war 2-1/2 Jahre alt. Die Zunge lag hinter den Zähnen. Die Farbe
war die gewöhnliche Leichenfarbe; sehr deutlich war eine Gänsehaut
auf der ganzen rechten Körperseite und auf dem linken Oberschenkel
wahrnehmbar. Die _dura_ und _pia mater_, die Hirnsubstanz und die
sämmtlichen _Sinus_ waren sehr blutreich, ja letztere mit sehr dunkelm
und flüssigem Blute ganz überfüllt. Gar keine Hyperämie dagegen
fand sich in den Brustorganen; die Lungen, die die Brusthöhle ganz
ausfüllten, waren eher bleich, als dunkel gefärbt, und enthielten nur
eine ziemliche Menge eines dunkeln, flüssigen Blutes. Gleiches war in
Betreff der Jugularen und der grossen Bruststämme der Fall, während
das Herz sogar in den rechten Höhlen nur einen halben Theelöffel, in
den linken nur einige Tropfen Blut hatte. Hiernach war zu erwarten
und fand sich auch, dass Kehlkopf und Luftröhre vollkommen leer und
normal beschaffen waren. Nur mässig blutreich waren die Leber und die
Nieren, während die _V. cava_ stark gefüllt erschien. Die Harnblase
war ~leer~ (s. oben S. 111 _sub_ Nr. 5.). Die übrigen Bauchorgane
boten Nichts zu bemerken. Der gesunde Magen war mit Kartoffelbrei fast
ganz gefüllt. Wasser, etwa beim Ertrinken verschluckt, konnte hier
nicht erwartet werden, da ja dem Kinde durch Einwickelung des ganzen
Kopfes die Möglichkeit genommen gewesen war, noch unter dem Wasser zu
schlucken, und dasselbe in den Magen einzuziehen. Man sieht, welche
tausendfältige Combinationen im forensischen Leben vorkommen, an welche
die blosse wissenschaftliche Deduction und Speculation gar nicht denkt!
Es ist gewiss interessant, dass ich diesem Falle im folgenden sogar
gleich einen zweiten anreihen kann, in welchem ebenfalls eine Leiche
mit umwickeltem Kopfe aus dem Wasser gezogen wurde, wenn auch hier der
Zusammenhang ein ganz anderer war.

Dass Schlagfluss, nicht Erstickung, den Tod des Kindes veranlasst
hatte, war so zweifellos, dass wir hier nicht weiter dabei zu verweilen
haben. Nachdem wir aber im Obductions-Berichte, zur Erörterung der
Frage: ob dieser Schlagfluss im Wasser entstanden, d. h. mit andern
Worten: ob das Kind lebend in's Wasser gekommen sei? zunächst dem
Richter bemerkt hatten, dass Ertrinkende auch am Schlagfluss sterben,
wenngleich diese Todesart hier seltener als die durch Suffocation
sei, fuhr der Bericht fort: »nun ist es zwar allgemein bekannt, dass
Blutschlagfluss plötzlich bei ganz Gesunden entstehen kann, und es
könnte sonach auch das Kind der Inculpatin von einem Schlagfluss
plötzlich befallen und getödtet worden, und erst als Leiche in das
Wasser gekommen sein. Allein bei der zugegebenen Möglichkeit sprechen
doch Gründe für die hohe Unwahrscheinlichkeit einer solchen Annahme.
Das Kind war bis zum Augenblicke seines Verschwindens gesund und
auf den Beinen, und war mit der Inculpatin ausgegangen, und unter
diesen Umständen, zumal bei einem Kinde von drittehalb Jahren,
würde das plötzliche Entstehen eines tödtlichen Schlagflusses zu
den allergrössten Seltenheiten gehören. Dazu kommt, dass hierbei
kaum erklärlich wäre, warum der ~Leiche~ der Kopf vor dem Versenken
in's Wasser verhüllt worden wäre, während die Annahme nahe liegt,
dass der Thäter, wenn er das noch ~lebende~ Kind in's Wasser zu
werfen beabsichtigte, sich selbst durch Umhüllen des Kopfes des
Kindes die That weniger furchtbar machen wollte. Ganz vorzüglich
aber für die Annahme, dass das Kind lebend in den Teich gekommen,
sprechen die Flüssigkeit des Blutes, die Eines der, wenn auch nicht
ausschliesslichen, Zeichen des Ertrinkungstodes ist, und die Gänsehaut,
welche am Körper sehr deutlich wahrgenommen wurde. Selbstredend konnte
und kann dieselbe bei einer ~Leiche~ nicht mehr entstehen, da sie zu
ihrer Bildung ein Haut~leben~ voraussetzt, und andererseits ist nicht
abzusehen, wie das Kind diese Gänsehaut bekommen haben sollte ohne den
plötzlichen Eindruck des Wassers auf die nackte und lebende Haut.«
Hierauf nahmen wir keinen Anstand zu behaupten: dass das Kind durch
Ertränken seinen Tod gefunden habe.

Die Angeschuldigte wurde wegen mangelnden Beweises des ~subjectiven~
Thatbestandes von der Anklage entbunden.


62. Fall.

~Mord oder Ertrinken?~

Im April 1848 wurde aus der Spree die Leiche eines Unbekannten gezogen,
der bald darauf als die Leiche eines Schiffsherrn recognoscirt
ward, welcher am Abend des: sage achtzehnten März 1848 von seinem
Gefässe verschwunden und seitdem vermisst worden war. Es entstand
ein sehr gegründeter Verdacht eines an dem Manne verübten Raubmordes
gegen seinen Knecht, welcher am Morgen des 18. März, wo noch kein
Mensch in Berlin den Ausgang des furchtbaren Tages ahnen konnte,
eine bedeutende Summe für seinen Herrn eincassirt hatte, die aus dem
erbrochenen Schranke auf dem Schiffe fehlte, und noch zum Theil,
mit Kleidungsstücken des _Denatus_ bei dem Knechte gefunden worden
war, der indess hartnäckig leugnete. Es lag für die Anklage die
Annahme nahe, dass der Knecht am Abend des 18. März, wo das Feuer
des Strassenaufruhrs in Berlin wüthete, die allgemeine Anarchie
und Verwirrung benutzt habe, um einen Raubmord auszuführen, dessen
Nichtentdeckung er in jener Zeit hoffen konnte. Wir kehren indess
zur Obduction zurück, bei welcher wir natürlich von diesen spätern
Ermittelungen noch keine Ahnung haben konnten. Der aus dem Wasser
gezogenen Leiche waren ein dicker, brauntuchener Ueberrock, ein
Handtuch und mehrere Lappen um den Kopf gewickelt, und diese mit
einem Stricke um den Hals zusammengeschnürt gewesen, und auch die
Unterschenkel waren mit einem Bindfaden zusammengebunden gefunden
worden. Der Körper war bereits graugrün, also im höchsten Grade
verwest. Die blaugrüne, geschwollene Zunge ragte über den zahnlosen
Kiefern hervor. Eine Strangmarke konnte am Halse nicht entdeckt
werden. Wohl aber fanden sich erhebliche ~Kopfverletzungen~, eine
in dreieckiger Gestalt mit stumpfen, zerrissenen Rändern über jedem
Augenbrauenbogen, und eine zolllange mit scharfen Rändern auf dem
rechten _os bregmatis_, und wenigstens in zwei dieser Wunden konnte
durch Einschnitte noch deutlich Sugillation nachgewiesen werden. Und
als nun die mit halbcoagulirtem Blute bedeckte _Galea_ zurückgeschlagen
war, ergab sich -- eine förmliche Zertrümmerung des ganzen Schädels,
an welcher auch die _basis cranii_ Theil nahm! Das Gehirn, wie immer
bei so hoher Verwesung, ein blutiger Brei, konnte nicht mehr untersucht
werden. Die Lungen, zumal die rechte, waren mit einem schwarzen, nicht
sehr flüssigen Blute strotzend angefüllt; Luftröhre und Kehlkopf von
Verwesung schwarzblau gefärbt und leer; vollkommen blutleer das Herz,
wie die grossen Bruststämme; der Magen leer, wie die Harnblase; fast
blutleer, wie natürlich bei diesem Fäulnissgrade, war auch die _V.
cava_, und im Uebrigen, ausser der hohen Verwesung aller Organe, im
Unterleibe nichts Bemerkenswerthes. Die Begutachtung war, wie man
sieht, sehr leicht. Was einen Selbstmörder hätte veranlassen können,
sich vor dem Sturz in's Wasser so Kopf und Beine zu umhüllen und
einzuschnüren, wenn dies überhaupt möglich war, war ebenso wenig
abzusehen, als warum Dritte, die ihn einfach hätten in's Wasser werfen
wollen, vor dem Ertränken so verfahren sein sollten. Die Zeichen des
Ertränkungstodes hatten allerdings gefehlt, und hätten, auch wenn
der Mann den Tod im Wasser gestorben wäre, bei so hoher Putrescenz
gar nicht mehr gefunden werden können -- wie ich schon früher (1.
Hundert, S. 88) gezeigt habe -- aber es war leicht nachzuweisen, dass
der Schiffer gar nicht ertrunken, sondern durch die fürchterlichen
Kopfverletzungen getödtet, und erst nachher so verhüllt und in's
Wasser geworfen worden war, da die noch gefundenen Sugillationen
und Blutcoagula nicht nur bewiesen, dass die Verletzungen dem noch
Lebenden zugefügt worden sein mussten, sondern auch ~die~ etwanige
Annahme gar nicht statthaft war, dass die Verletzungen erst bei der
Leiche im Wasser zufällig entstanden gewesen. Denn so erhebliche
Kopfverletzungen, namentlich Sprengungen in der Schädelbasis, setzen
~immer~ nothwendig eine höchst energische Gewaltthätigkeit durch
stumpfe Werkzeuge voraus -- wir nahmen beispielsweise Beil, Hammer,
Knüttel u. s. w. an -- wie sie unter Wasser, etwa durch Ruder, Steine,
durch Anschwimmen an Pfähle u. dgl. gar nicht wirksam werden kann.
Hiernach musste -- abgesehen von den damals noch geltenden gesetzlichen
Lethalitätsfragen -- angenommen werden, dass _denatus_ nicht ertrunken,
sondern durch (absolut lethale) Kopfverletzungen getödtet worden
und erst als Leiche in das Wasser gekommen sei, und dass diese
Kopfverletzungen mit erheblicher Kraft und mit einem stumpfen Werkzeuge
zugefügt worden.

So weit das hierher Gehörige, dem man folgenden Zusatz gestatten
wolle. Alle Welt war von der Schuld des Angeklagten überzeugt, und
doch erging das Erkenntniss und musste ergehen: »des Raubmordes nicht
schuldig«! Es blieb nämlich die Identität der Leiche zweifelhaft, wie
sich erst im Audienz-Termine ergab. Die Wittwe des Gemordeten, in
einer kleinen Provinzialstadt wohnhaft, war zu dem Termine geladen
worden, und sollte nun nachträglich -- bei Auffindung der Leiche war
sie nicht zur Recognition citirt worden, und konnte es auch nicht,
da damals die Leiche noch ganz unbekannt war -- nach den vorgelegten
Kleidungsstücken und der Schilderung des Aeussern der Leiche nach
unserm Obductions-Protokoll die Identität feststellen. Sie erkannte
die Kleidungsstücke, aber befragt über die Farbe und Beschaffenheit
der Haare, Augen, der Zähne ihres Ehemannes u. s. w., äusserte sich
die sehr geistesarme Frau ganz unbestimmt und schwankend. So blieb,
wie gesagt, zweifelhaft, ob der Ermordete wirklich der Schiffer _K._
gewesen, und damit fiel der Beweis, dass der angeschuldigte Knecht
desselben ~ihn~, seinen Herrn, ermordet habe.


63. Fall.

~Ertrinken.~

Eine unbekannte Leiche war im Wasser gefunden worden. Obgleich
die Fäulniss (Ende April) schon weit vorgeschritten, so dass, wie
gewöhnlich, die Luftröhrenschleimhaut schon dunkelbraunroth gefärbt
war, so konnte doch der Ertrinkungstod noch festgestellt werden.
Derselbe war, ohne Beimischung von Apoplexie, rein suffocatorisch
erfolgt. Sehr viel blutiger Schaum erfüllte die Luftröhre, sehr viel
dunkles, wasserflüssiges Blut die Lungen, und, mit Blutcoagulis
gemischt, das rechte Herz, während das linke leer war; sehr blutreich
ferner erschienen die Nieren und im Magen fand sich, ausser einigen
Kartoffelresten, ein Esslöffel voll helles, klares Wasser.



E. Zweifelhafte Leben und Todesarten von Neugebornen.


Genau der vierte Theil aller Obductionen in dieser Centurie betraf
wieder Neugeborne, ein Verhältniss, das sich auch im ersten Hundert
fast ganz gleichmässig gestaltete, und das wir auch später sich
wiederholen sehen werden. Bedenkt man, dass jetzt fast das sechste
in Berlin geborne Kind ein uneheliches, wobei die sehr häufig zur
gerichtsärztlichen Cognition kommenden vorzeitigen Leibesfrüchte, die
nicht als geboren in die statistischen Tabellen kommen, nicht einmal
mitgerechnet sind, erwägt man ferner, dass wir kein Findelhaus haben,
so kann die grosse Anzahl der alljährlich vorkommenden Fälle von
in den Strassen, im Wasser, Abtritt u. s. w. aufgefundenen Leichen
von Neugebornen nicht auffallen. Was nun hierbei die Thätigkeit des
Gerichtsarztes betrifft, so ist gegenwärtig, nach dem Erscheinen des
neuen Strafgesetzbuches, zunächst Eine, sehr wichtige Abweichung
von den früheren Bestimmungen hervorzuheben. Der 20. Titel Th. II.
des Allg. Landrechts sprach überall von »vollständigen«, reifen,
ausgetragenen, oder »über dreissig Wochen alten« Kindern. Nichts von
alledem findet sich im jetzigen Strafgesetzbuche, dessen §. 180. ganz
einfach bestimmt: »eine Mutter, welche ihr uneheliches Kind in oder
gleich nach der Geburt vorsätzlich tödtet, wird wegen Kindesmordes mit
Zuchthaus von fünf bis zu zwanzig Jahren bestraft«, und auch die §§.
181. und 182. sprechen nur von »Früchten« und »Leibesfrüchten«, ohne
irgend eine Altersbestimmung hinzuzufügen. Unser Strafrecht kennt also
keine reife und lebensfähige, keine unreife und nicht lebensfähige
Kinder mehr, eine wissenschaftlich-criminalrechtliche Ansicht, über
die wir kein Urtheil abzugeben haben. Aber bei solchen gesetzlichen
Bestimmungen, nach welchen für den Richter Kind Kind ist, sei es neun
Wochen oder neun Monate alt, kann die Frage aufgeworfen werden: ob es
denn jetzt noch bei gerichtlichen Obductionen Neugeborner erforderlich,
nach allen Zeichen der Reife und Lebensfähigkeit zu forschen, und
dieselben in's Obductions-Protokoll aufzunehmen? Meines Erachtens
allerdings. Denn abgesehen davon, dass das »Regulativ«, das noch zu
Recht besteht, die Beachtung jener Zeichen vorschreibt, so bezieht sich
das Strafgesetzbuch doch eben überall nur auf Criminalfälle. Wie aber
überhaupt im Augenblicke der gerichtlichen Obduction die gesammten
möglichen Folgen derselben niemals zu übersehen sind, so kann man
namentlich bei der eines Neugebornen nicht wissen, ob nicht und welche
civilrechtliche Fragen später in Betreff dieses Kindes aufgeworfen
werden können, für die dann die Frage vom erreichten Lebensalter der
Leibesfrucht von grosser Wichtigkeit werden kann, wie mir selbst Fälle
der Art vorgekommen sind. Endlich ist zu erwägen, dass die Hauptfrage:
ob das Kind in und nach der Geburt gelebt hatte? natürlich durch das
neue Strafgesetz ganz unberührt bleibt, und dass, um Leben anzunehmen,
immer zuerst Lebensfähigkeit erwiesen werden muss, deren Zeichen also
als Unterlage des Beweises in die Obductions-Verhandlungen nach wie vor
aufzunehmen sein werden.

Als Ergänzungen zu den im ersten Hundert gelieferten allgemeinen
Bemerkungen über Neugeborne mögen folgende hier ihre Stelle finden.

Je mehr und länger ich die Athemprobe anstelle, desto mehr habe ich
mich überzeugt, ein wie wenig sicheres Kriterium derselben die ~Farbe
der Lungen~ bietet. Allerdings ist es im Allgemeinen und für eine
grosse Verhältnisszahl von Fällen, ich sage aber nicht einmal für die
Mehrzahl, richtig, dass die Lungen eines lebend gewesenen Neugebornen
hellbläulich-rosenroth-marmorirt, die eines Todtgebornen leberbraun
erscheinen. Aber wie viele Farbenschattirungen kommen bei den erstern
vor! Es ist gar nichts Seltenes, beim Oeffnen des Thorax Lungen zu
finden, welche vollkommen leberfarbig sind, höchstens hier und da an
einzelnen Stellen, zumal nach den Rändern hin, ~etwas~ heller gefärbt
erscheinen, an denen aber keine Spur einer Marmorirung zu finden. Auch
bei grösserer Erfahrung ist man dann geneigt, zunächst an Nichtleben
nach der Geburt zu denken, während das sorgfältig angestellte
Gesammt-Experiment dann später mit Sicherheit das Statt gehabte Athmen
nachweist. Ich kann nicht zugeben, dass man einen solchen Befund,
wie behauptet worden, nur allein nach dem Tode durch Erstickung
vorfinde, vielmehr zeigt er sich auch schon bei blossen hyperämischen
Zuständen der Lungen, so wie immer in den, allerdings seltenen Fällen
von plastischer Exsudation nach Pneumonie. Ich rede nicht von der
Farbe bei bereits verwesten Lungen, die je weiter hin desto mehr
eine schwärzliche wird, das Kind mag gelebt haben oder nicht. Und
so kann ein erfahrungsgemäss richtiges Urtheil betreffend dieses
Eine Zeichen der Athemprobe nur dahin gehen: ~dass allerdings eine
hellbläulich-rosenroth-marmorirte Farbe der Lungen auf Geathmethaben
des Kindes deutet, aber keinesweges die Abwesenheit dieser Färbung
auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit auf das Gegentheil~. Ich
erwähne in Beziehung hierauf noch einer Thesis, die vor etwa dreissig
Jahren die wissenschaftliche Deputation in einem Gutachten, dessen
Verfasser kein Geringerer als _C. A. Rudolphi_ war, ausgesprochen
hat, des Satzes nämlich: dass durch ein ~gelungenes~ künstliches
Lufteinblasen todtgebornen Lungen eine Färbung gegeben werden könne,
die sie von geathmet habenden nicht unterscheiden lasse. Unzählige
Male habe ich zur Belehrung meiner Zuhörer dies Experiment und zwar,
wo natürlich das Gelingen nicht ausbleiben kann, so angestellt, dass
ich einen _Tubulus_ in die Luftröhre der Leichen von unzweifelhaft
Todtgebornen einbrachte, und nun einblies. Bei der ersten besten
Leiche dieser Art kann nun Jeder sich überzeugen, wie augenblicklich
die dunkelbraunen, compakten Lungen nicht nur aufgelockert, sondern
schön hellzinnoberroth gefärbt werden. Aber -- vergebens forscht
man nach blaumarmorirten Flecken in dieser Röthe, und schon dadurch
unterscheiden sich dergleichen Lungen von denen, die durch lebendige
Respiration erfüllt gewesen waren, abgesehen vom mangelnden Blutgehalt,
den kein Lufteinblasen ergänzen kann. Ich erwähne dies hier lediglich
zur Ergänzung der Kritik über die Farbe der Lungen im Allgemeinen,
nicht zur Kritik des etwanigen Verdachtes vom künstlichen Lufteinblasen
überhaupt, das _in foro_ geradezu als nichtexistirend angenommen werden
kann, und worüber ich nur früher[21] Gesagtes wiederholen könnte.

Wie so Vieles sich, zumal bei Leichen, in der Natur anders
gestaltet zeigt, als auf dem Papier, so auch die ~Beschaffenheit
der Nabelschnurränder~, in Beziehung auf die zur Zeit der Obduction
unbekannte Art und Weise der Trennung des Stranges. Wie ungemein
wichtig die Entscheidung der Frage Seitens der Obducenten werden kann:
ob die Nabelschnur zerrissen oder zerschnitten worden? ja wie sogar das
Leben einer Angeschuldigten von ~dieser~ Frage abhängen kann, hat der
denkwürdige 10. Fall im 1. Hundert bewiesen. Nun ist es zuzugeben, dass
es wieder im Allgemeinen vollkommen richtig ist, dass die Ränder einer
abgeschnittenen Nabelschnur scharf und glatt, und richtig zumal, dass
die einer abgerissenen zackig, ungleich, gezähnt, unregelmässig sind.
Aber wenn ein stumpfes Messer zum Trennen gebraucht worden, und die
Nabelschnur gleichsam halb durchsäbelt, halb zerrissen worden war, dann
kann es bei der Obduction ~sehr~ schwierig werden, über die Art der
Trennung zu entscheiden, und ich bitte auf gewissenhafte Gerichtsärzte
nicht den Stein zu werfen, wenn sie etwa in einem Falle dieser Art gar
keine Gewissheit geben, wie ich andererseits noch weniger erfahrene
Gerichtsärzte durch diese Bemerkungen aufmerksam gemacht haben möchte.

Mehr einen geringen physiologischen, als einen forensischen Werth hat
eine Beobachtung über das ~Wollhaar~. Es wächst bekanntlich erst im
sechsten Fötusmonat, und bei jüngern Früchten findet man es nie. Ebenso
bekannt ist es, dass es bei Reifgebornen von der Epidermis verschwunden
ist. Aber Reste davon sieht man dennoch fast bei ~jedem~ vollständig
ausgetragenen Kinde, namentlich sicher auf beiden Schultern, sehr
häufig aber auch auf beiden Oberextremitäten. Man folgere deshalb
aus diesem Befund im Einzelfalle nicht etwa, dass das Kind nicht
vollständig reif gewesen sei.

Die vorgekommenen Fälle aus dieser Centurie nun waren folgende.


64. Fall.

~Zweifelhaftes Athmen.~

In den hier zunächst zusammengestellten sechs Fällen war überall die
Fäulniss der kleinen Leichen schon mehr oder weniger vorgeschritten,
und dadurch das Ergebniss der Athemprobe unsicher gemacht, oder
wenigstens das Urtheil erschwert. -- Im Schifffahrtskanal war ein
ganz verwestes weibliches Kind gefunden worden. Es war 16 Zoll lang
und 3 Pfund 15 Loth schwer, und wurde von uns als eine achtmonatliche
Frucht erklärt. Verletzungen waren nicht vorhanden. An der rechten
Lunge fanden sich Fäulnissbläschen, an der linken nicht; jene schwamm,
diese sank. Zerschnitten schwammen aber ~nur~ vier Stückchen der rechten
Lunge, während alle übrigen Stücke derselben gleichfalls untersanken.
Knisterndes Geräusch und blutiger Schaum waren bei Einschnitten in
die Substanz beider Lungen nicht wahrzunehmen. Die Farbe derselben
war bräunlich-roth, ohne Marmorirung. Die allgemeine Blutleere im
Körper war durch den hohen Verwesungsgrad leicht erklärlich. Es wurde
angenommen, dass das Kind »höchst wahrscheinlich« nicht gelebt gehabt.


65. Fall.

~Sinken der Lunge einer verwesten Leiche.~

Dieser Fall, wie der folgende, waren zwei von denen, in welchen,
wie ich früher behauptet habe, die ~negative~ Beweiskraft der
Athemprobe sich noch bewährt, und wovon wir im 67. und 68. Falle des
ersten Hundert bereits Beispiele angeführt haben. Eine reife, ganz
verweste, und schon graugrün gefärbte Frucht war im Wasser gefunden
worden. Alle Organe, auch die Lungen, waren mit Fäulnissblasen besetzt,
dennoch sanken die dunkelbraunen Lungen ganz, wie getheilt und endlich
zerschnitten vollständig unter, und wir nahmen, trotz des hohen
Verwesungsgrades, wie in allen solchen Fällen, keinen Anstand, eine
Todtgeburt hier anzunehmen, da eine andere Erklärung unter solchen
Umständen gar nicht möglich ist.


66. Fall.

~Sinken der Lungen. Schwimmen des Herzens und der Leber.~

Ganz ähnlich dem vorigen war dieser Fall. In der reifen, weiblichen,
schon ganz schwarzgrünen Kindesleiche waren die Lungen noch wohl
erhalten, braun und compakt. Sie sanken durchweg, ~während das mit
Luftblasen stark besetzte Herz und die ganz verweste Leber schwammen~.
Werden die Gegner der Athemprobe aus der _Henke_'schen Schule uns
tadeln, wenn wir in diesem eclatanten Falle mit Bestimmtheit die
Todtgeburt annahmen? Beiläufig erwähne ich als neue Bestätigung meiner
frühern Beobachtungen und Behauptung, dass auch in dieser so höchst
verwesten Leiche die Gebärmutter noch durchaus wohl erhalten war.


67. Fall.

~Schwimmen der Lungen, der Leber und des Herzens.~

Nicht weniger lehrreich als der vorige war dieser Fall eines, auf
der Strasse todt gefundenen, reifen, männlichen Neugebornen. Höchste
Verwesung. Lungen rosenroth-blau-gefleckt, mit Fäulnissblasen reich an
der Pleura besetzt. Sie füllen die Brusthöhle ganz aus und schwimmen
vollständig. Aber auch das Herz und die Leber schwimmen bei ihrer
weit vorgeschrittenen Verwesung. Trotz derselben wurde, da die
Farbe der Lungen und ihre Ausdehnung dafür sprachen, mit »höchster
Wahrscheinlichkeit« angenommen, dass das Kind gelebt gehabt habe.


68. Fall.

~Zweifelhaftes Athmen.~

Auch dieses, ein reifes weibliches Kind, war im Wasser gefunden worden,
und auch hier war die Verwesung bereits bis zur graugrünen Färbung der
Leiche vorgeschritten; aber der Fall gestaltete sich ganz anders, als
die beiden oben _sub_ 64. und 65. erzählten. Die Farbe der rechten
Lunge war eine rosenroth-marmorirte, die der linken eine braunrothe!
Beide waren mit Fäulnissblasen besetzt, ~beide~, auch die dunkle
linke, schwammen ganz und zertheilt vollständig. Knisterndes Geräusch
und schäumiges Blut waren bei Einschnitten nicht bemerkbar, letzteres
aus dem hohen Verwesungsgrade wieder leicht zu erklären. In Luftröhre,
Magen und Lungen fand sich kein Wasser. Die Harnblase war leer, der
Dick- und Mastdarm strotzend voll Kindspech. Es musste nach diesem
interessanten und nicht gewöhnlichen Befunde angenommen werden, »dass
das Kind, wahrscheinlich eine kurze Zeit, geathmet gehabt hätte, dass
aber über die Todesart nach den Resultaten der Obduction gar nichts
bestimmt werden könne«.


69. Fall.

~Zweifelhaftes Athmen.~

Das männliche, vollkommen verweste Kind, dessen Kopfknochen bereits
zerplatzt waren, war in der Spree gefunden worden. Die Lungen waren
aber ganz gut conservirt. Sie füllten die Höhle vollkommen aus, waren
beide rosenroth-blau marmorirt, beide mit Fäulnissblasen stark besetzt,
und schwammen beide vollständig. Aber auch die _Thymus_ schwamm, das
(leere) Herz jedoch nicht. In diesem Falle machte sich bei Einschnitten
in die Lungen noch knisterndes Geräusch und eine geringfügige Menge
blutigen Schaumes bemerkbar. Wegen des bemerkbaren Verwesungsprocesses
in den Lungen konnte auch in diesem Falle das Leben des Kindes nur
als »~höchst~ wahrscheinlich« angenommen werden, während jede
Bestimmung über die Todesart natürlich zurückgehalten werden musste.


70. Fall.

~Höchste Verwesung. Keine Athemprobe.~

In diesem Falle konnte nur noch die Reife des männlichen Kindes
constatirt werden, und die Athemprobe musste unterbleiben, da die
Verwesung nicht nur den Kopf bereits zum nackten Schädel umgewandelt,
sondern auch namentlich die Lungen durchweg so angegriffen hatte, dass
sie musartig erweicht gefunden wurden.


71. Fall.

~Todtgeburt. Zweifelhafte Spätgeburt.~

Ein nicht in Betreff der Athemprobe, wohl aber zur Lehre von der
~Spätgeburt~ gewiss höchst interessanter, und nicht weniger scandalöser
Fall, als der bekannte bei _Louis sur les naissances tardives_. Man
höre, wie weit die Frechheit gehen kann! Ein ~zweiundachtzigjähriger~
ehemaliger Subalternbeamter hatte in seinen letzten Lebensjahren an
Carcinom der Blase und ~beider Hoden~ gelitten, und war endlich, nach
Jahre langen Leiden, am 22. August 18--, allgemein wassersüchtig,
gestorben. Er hatte ziemlich allein dagestanden, denn eine
verheirathete Tochter aus seiner frühern Ehe lebte auswärts. Aus
Dankbarkeit hatte er seine treue Pflegerin, seine Köchin, ein halbes
Jahr vor seinem Tode geheirathet. Die junge Wittwe trat nun im Januar,
fünf Monate nach dem Tode ihres Gatten, mit der Erklärung auf, dass
sie seit sechs Monaten schwanger sei (!!), und gebar am 1. Juni ein
Mädchen, dessen Legitimität sehr begreiflich von der inzwischen nach
Berlin zurückgekehrten ehelichen Tochter des Verstorbenen angefochten
wurde. Das Gewicht der uns vorgelegten Leiche betrug 7-1/2 Pfund,
ihre Länge 20 Zoll, der queere Durchmesser des Kopfes 3-1/4 Zoll,
der gerade 4 Zoll, der diagonale 5 Zoll, der Schulterdurchmesser
5 Zoll, der queere Durchmesser der Brust 4 Zoll, ihr gerader 3
Zoll, und der Hüftendurchmesser 3 Zoll, und wir mussten nach diesen
Zahlenverhältnissen, die, wie man sieht, die vollkommen normalen der
vierzigwöchigen Leibesfrucht darstellen, zunächst ~die~ Frage, die
uns vorgelegt ward: ~ob dies Kind elf Monate alt sei~? verneinen. Was
nun Leben und Tod des Kindes betraf, so ergab sich, dass nur zwei
Stückchen des untern Lappens der rechten Lunge hellröthlich aussahen
und schwammen, während alle übrigen Kriterien für Todtgeburt sprachen.
Wir nahmen an, dass bei dem Kinde noch in der Geburt ein Versuch zum
Athmen Statt gehabt habe, dass dasselbe aber schon in der Geburt
abgestorben, und todtgeboren worden sei. Diese Annahme wurde später
durch den Geburtshelfer bestätigt, indem derselbe erklärte, dass das
Kind in der Wendung apoplectisch gestorben, und todt geboren worden
sei. -- Der Fall giebt, wie der _Louis_'sche, einen lehrreichen Beweis
dafür, wie wichtig es in Fällen zweifelhafter Spätgeburt sei, auf die
Zeugungsfähigkeit des angeblichen Vaters zur Zeit der angeblichen
Schwängerung zurückzugehen. ~Dieser~ Mann, wie er oben geschildert
worden, sollte vier Wochen vor seinem Tode zeugungsfähig gewesen sein!!


72. Fall.

~Todtgeburt.~

Der Fall bot kein Interesse. Bei der an dem 30 Wochen alten weiblichen
Kinde, das von einer Wittwe heimlich geboren worden war, angestellten
Athemprobe sanken die Lungen, welche leberbraun und compakt waren,
vollständig unter, und weder blutiger Schaum noch knisterndes Geräusch
war bei Lungeneinschnitten wahrnehmbar. Der Thorax war flach, und die
Annahme der Todtgeburt auch bei dieser Frucht konnte keinem Zweifel
unterliegen.


73. Fall.

~Geronnenes Blut bei einem todtgebornen Kinde.~

Das aufgefundene männliche Kind war am Kopf schon schwarzgrau, am
übrigen Körper grün von Verwesung; die Lungen waren aber auch hier
noch sehr frisch. Sie wogen mit dem Herzen 4-1/2 und ohne Herz nur
3 Loth, was schon auf Todtgeburt schliessen liess. Dabei aber war
das weite Hinabragen des Zwerchfelles in die Bauchhöhle auffallend,
wenngleich ich bei dieser Gelegenheit über den ~Stand des Zwerchfelles~
bemerken muss, dass zwar in der Regel vor dem Statt gehabten Athmen
das Zwerchfell zwischen der 4ten und 5ten Rippe, bei lebend gebornen
Kindern aber zwischen der 6ten und 7ten steht, dass aber in nicht gar
zu seltenen Fällen fast das umgekehrte Verhältniss gefunden wird,
indem namentlich bei starken Gasansammlungen in den Därmen das
Zwerchfell leicht (auch bei lebend gewesenen Kindern) in die Brusthöhle
hinaufgedrängt wird, und dann wie bei Todtgebornen erscheint. -- Bei
dem Kinde dieses Falles waren ferner die Lungen hellbraun und füllten
die Brust wenig aus. Der hellröthlich gestreifte Rand des untern
Lappens der rechten Lunge aber liess Athmung vermuthen. Die genau
angestellte Athemprobe bestätigte indess diese Vermuthung nicht.
Das Kind war unzweifelhaft todtgeboren. Nichtsdestoweniger war die
Nabelschnur von ~geronnenem~ Blute strotzend angefüllt, ein neuer
Beweis, wie wenig Werth auf das Kriterium der Sugillationen für die
Athemprobe zu legen ist.


74. Fall.

~Bestimmung des Alters einer in Fettwachs übergegangenen Frucht.~

Ein nicht gewöhnlicher Fall! Die unverehelichte _L._ hatte heimlich
geboren, und das Kind beseitigt. Sie räumte ein, schon früher einmal
und dann auch jetzt, d. h. vor etwa 3 Wochen, ein Kind geboren zu
haben, das jedoch nicht älter als 3 bis 4 Monate alt gewesen sei.
Ich hatte die Wahrheit dieser Aussage durch Exploration der _L._
festzustellen, was, wie man sieht, seine Schwierigkeiten hatte, da
schon eine frühere Entbindung vorangegangen war. Die Brüste zeigten
noch Tropfen einer ~fetten~ Milch. Die bekannte runzlich-fleckigte
Beschaffenheit der Bauchhaut konnte für die vorliegende Frage nichts
beweisen. Von Lochien fand sich noch eine schwache Andeutung, aber
der Muttermund, welcher Einrisse hatte, war noch jetzt von der
Grösse eines Silbergroschens geöffnet. Nach diesem Befunde musste
ich urtheilen, dass die _L._ allerdings vor einigen Wochen geboren
habe, dass aber aus der fetten Beschaffenheit der Milch, und aus der
noch jetzt nicht völlig erfolgten Schliessung des _Os uteri_ mit
höchster Wahrscheinlichkeit zu folgern sei, dass das geborne Kind
mehr als 4 Monate alt gewesen sein müsse. Kurze Zeit darauf wurde
das Kind in dem Keller verscharrt gefunden und uns zur Obduction
übergeben. Es war bereits ganz in Auflösung und theilweise sogar schon
in Fettwachsbildung übergegangen, alle Höhlen waren geöffnet, die
auseinandergefallenen Schädelknochen lagen neben der Leiche, das Gehirn
war ausgeflossen. Aber nach der Beschaffenheit der wohl erhaltenen
linken Ober- und Unter-Extremität, welche letztere 8 Zoll lang und noch
sehr feist und gerundet war, nach dem Gewichte der Frucht, das, trotz
der Verwesung, aber mit der noch anklebenden Erde, noch 7 Pfund betrug,
nach der Länge endlich, die, so weit sie noch festzustellen war,
annähernd 19 Zoll betrug, mussten wir urtheilen, dass die Frucht gewiss
über 4 Monate alt, und dass sie höchst wahrscheinlich sogar reif, oder
wenigstens der Reife nahe gewesen sei. So wurde durch den Leichenbefund
auch unser Urtheil über die Untersuchung der Mutter bestätigt.


75. Fall.

~Die Farbe der Lungen ein unsicheres Zeichen.~

Einen abermaligen Beweis dieser bereits oben (S. 123) ausgeführten
Thesis lieferte der Fall einer männlichen, noch ganz frischen
Leibesfrucht von acht Monaten. Die festen, die Höhle nicht ganz
ausfüllenden Lungen, an denen keine Spur von Verwesung sichtbar, waren
braunroth, und nur hier und da zeigten sich an der Peripherie einzelne
heller röthliche Flecke. Nichtsdestoweniger schwammen sie auf das
Vollständigste, d. h. natürlich auch in den kleinsten Stücken! Die
Todesursache war Apoplexie gewesen, die höchst wahrscheinlich bald nach
der Geburt eingetreten war.


76. Fall.

~Ein ähnlicher Fall~

betraf ein reifes Kind weiblichen Geschlechtes. Die Lungen, die mit
dem Herzen 5, ohne dasselbe 3 Loth wogen, sahen »ziemlich braun« aus,
und nur die Spitzen beider Lungen waren heller und röthlich. Aber die
Schwimm- wie die gesammte Athemprobe erwiesen unzweifelhaft das Statt
gehabte Athmungsleben. Auch bei diesem Kinde war Apoplexie aus innern
Ursachen die Todesursache gewesen.


77. Fall.

~Tödtlicher Sturz des Neugebornen.~

Auch in dieser Centurie, wie in der früheren (s. 62. Fall), kam Ein
Fall vor, in welchem die Frage vom Sturz des Kindeskopfes auf den
Boden zu entscheiden war. Die uneheliche, ~erstgebärende~ Mutter
hatte ~stehend~ im Zimmer Kind und Mutterkuchen zugleich geboren. Das
männliche Kind war 7 Pfund schwer, 19 Zoll lang, und bot auch alle
übrigen Zeichen der Reife dar. Auf der _Galea aponeurotica_ fand sich
ein liniendickes Extravasat von geronnenem Blute, und die Todesursache
des Kindes, das, nach der Athemprobe zu schliessen, gelebt hatte, ergab
sich sehr deutlich als apoplectische Gehirnhyperämie. Wir behaupteten
hiernach die Reife und das Leben des Kindes, und nahmen ferner an,
dass der Hergang bei der Geburt desselben die Todesart vollkommen
erkläre, wonach die weitere Untersuchung wegen Kindermordes unterblieb.
Dass der Sturz des Kindes mit dem Kopfe auf eine harte Unterlage
dasselbe tödten ~könne~ und nicht selten tödte, ist wohl jetzt ebenso
allgemein angenommen, als der Satz, dass ein solcher Hergang das Kind
nicht nothwendig tödten ~müsse~, wofür ich selbst, wie erfahrene
Geburtshelfer in der Privatpraxis, in der privatärztlichen wie in der
gerichtlichen Praxis mehrere Beispiele erlebt habe.


78. Fall.

~Resultate einer schweren Zangengeburt.~

Sie waren in folgendem Falle, der aus mir unbekannten Gründen zu
meiner amtlichen Cognition kam, sehr auffallend ausgesprochen. Es
stand fest, dass der reife Knabe durch eine schwere Zangengeburt
geboren und an Schlagfluss gleich darauf gestorben war. Die Spuren
der Zange waren, wie gewöhnlich in solchen Fällen, sehr deutlich an
der Leiche wahrnehmbar. Auf der Stirn und an der Nasenwurzel fanden
sich abgeschundene, lederartig harte Hautstellen, und auch auf der
Hinterhaupts-Protuberanz ein ganz gleicher Fleck. Unter der _Galea_
Extravasate, die Gefässe der _pia mater_ sehr angefüllt, und die ganze
_Basis cranii_, was selten genug ist, mit einer liniendicken Schicht
dunkeln dickflüssigen Blutes bedeckt. Die Lungen wogen mit dem Herzen
6-1/2, ohne dasselbe 4-1/2 Loth. Die Farbe derselben war, und zwar
die der rechten, hellbraun mit röthlichen Flecken, die der linken
dunkelbraun und ungefleckt. Die rechte Lunge zeigte bei Einschnitten
ein schwaches Knistern und wenigen blutigen Schaum, die linke ergab
Nichts dergleichen. Die rechte schwamm bis auf drei kleine sinkende
Stückchen vollkommen, und ergab kleine Perlbläschen beim Ausdrücken
unter Wasser, die linke sank vollständig. Offenbar hatte sonach nur die
rechte Lunge allein zu athmen angefangen.


79. Fall.

~Erstickungstod. Sinken Einer Lunge.~

Der sehr interessante Fall erfordert eine etwas ausführlichere
Mittheilung. In der Nacht vom 12ten bis 13ten November starb ohne
erhebliche vorangegangene Krankheit das am 10ten _ej._ früh 2 Uhr
geborne, also ~zwei Tage alte~ Kind der verehelichten _H._, welches
sie zu sich in's Bett genommen hatte. Um 7 Uhr Abends hatte eine
Zeugin das Kind, ein Mädchen, noch lebend aus dem Bette der Mutter
genommen, wobei sie dasselbe so heiser fand, dass es »keine Stimme zum
Schreien hatte«. Die Mutter gab an, dass sie es Nachts wieder zu sich
in's Bett genommen, und zwar, um es rascher zu erwärmen, es in ihren
Arm und ganz dicht an den Körper gelegt habe. Um 5 Uhr früh fand sie
das Kind todt. Die gerichtliche Obduction hat folgende wesentliche
Ergebnisse geliefert. Das Kind, reif geboren, hatte die gewöhnliche
Leichenfarbe, und am Unterleibe war anfangende Verwesung bereits
sichtbar. Die Augen prominirten nicht, und die Zunge lag ~hinter~ den
Kiefern, also nicht eingeklemmt, eine neue Bestätigung meiner frühern
Beobachtungen und meiner Behauptung von der Unzuverlässigkeit dieses
Zeichens beim Erstickungstode[22]. Beide Lippen waren schwarzblau,
hart zu schneiden, und zeigten eine geringe Sugillation. Anderweitige
äussere Verletzungen waren nicht wahrzunehmen. Das Zwerchfell stand
hoch, zwischen der 4ten und 5ten Rippe. Ausser einer starken Anfüllung
der _V. cava_ bot die Bauchhöhle nichts Auffallendes dar. In der
Brust füllten beide Lungen die Brusthöhle aus. Ihre Farbe war eine
hellbräunlich-rothe, und durchweg ziemlich dieselbe. Sie wogen mit
dem Herzen nicht weniger als ~acht~ Loth. Der _Liquor Pericardii_
war blutig. Bei genauer Besichtigung der Lungen zeigten sich nunmehr
jene hirsekorngrossen, den Petechien ganz ähnlichen, schwarzblauen
Sugillationen in der Pleura, mit denen auch das, in seinen Kranzadern
strotzende (zwei Loth schwere) Herz auf seiner ~ganzen~ Oberfläche
besetzt war, wie ich sie früher bei erstickten kleinen Kindern entdeckt
habe, und deren sich die Leser der ersten Centurie erinnern[23]. Im
vorliegenden Falle waren diese Petechial-Sugillationen so zahlreich,
wie ich sie nie früher gesehen. -- Die Lungen, mit dem Herzen noch
verbunden, schwammen zwar, zeigten jedoch eine Neigung zum Sinken. Vom
Herzen getrennt, ~schwamm die linke Lunge vollständig, bis in ihre
kleinsten Stückchen, während die rechte Lunge vollständig untersank~,
und, wie sich später ergab, nur Ein bohnengrosses Stück derselben
sich auf dem Wasser schwimmend erhielt. Einschnitte in beide Lungen
hatten schon vorher zischendes Geräusch, und eine grosse und ganz
ungewöhnliche Menge eines dunkeln, schäumenden Blutes ergeben. Die
unter Wasser gedrückten eingeschnittenen Partieen liessen aus der
linken Lunge perlende Luftbläschen emporsteigen, aus der rechten nicht.
Die Luftröhre war leer, und ihre Schleimhaut leicht injicirt. Das
Herz hatte in ~beiden~ Hälften, vorzugsweise aber allerdings in der
rechten, dunkles und ~geronnenes~ Blut. Im Kopfe fand sich nur in den
Gefässen der _pia mater_ und in den _Sinus_ eine sichtliche Hyperämie.
Das Gutachten konnte nicht zweifelhaft sein. Der Erstickungstod lag,
bei Abwesenheit jeder andern Todesart, klar vor, und es war um so mehr
anzunehmen, dass er auf die, von der Mutter angegebene Weise wirklich
erfolgt war, als der behandelnde Arzt das Kind »als von Hause aus mit
einer gewissen Brustschwäche behaftet«, als ferner die Zeugin _G._,
wie bemerkt, es am Abend vor dem Tode so ungewöhnlich heiser gefunden
hatte, und als endlich der Sectionsbefund an den Lippen darauf hinwies,
dass hier ein Druck stattgefunden haben musste, und zwar gewiss durch
die Brust der säugenden Mutter, an welcher das Kind liegend und
saugend den Tod durch Luftmangel gestorben war, wie dies in vielen
andern Fällen ebenmässig vorgekommen ist. Aber für die Lehre von der
Athemprobe ist der Fall, wenn auch keinesweges neu und unerhört,
dennoch gewiss denkwürdig.


80. Fall.

~Sinken Einer, Schwimmen der andern Lunge.~

Wie die Ueberschrift zeigt, ein dem vorigen ähnlicher Fall, nur
dass hier das theilweise Schwimmen einen andern Grund hatte. Ein
reifes männliches Kind war mit einer ~vierfachen~ Umschlingung der
noch ganz frischen, nicht weniger als ~dreiunddreissig~ Zoll langen
Nabelschnur, die nicht unterbunden und abgerissen war, in einem Hause
todt gefunden worden. Am Halse war von einer Rinne gar Nichts, und
nur am Nacken ein 2 Zoll langer, 3 Linien breiter, weisslicher, nicht
eingefurchter Streifen bemerkbar; aber an der rechten Seite des Halses
fanden sich nebeneinander fünf bis sechs erbsengrosse, hellrothe,
weich zu schneidende Flecke ohne Sugillation, recht eigentliche
kleine Excoriationen. Am linken Unterkieferwinkel fand sich eine
groschengrosse, blaue, wirklich sugillirte Stelle und auf der linken
Backe eine Abschilferung der _Epidermis_, wie von einem Nagel gekratzt.
Die rechte Lunge war hellbraunroth, lag zurückgezogen in der Höhle und
zeigte bis in ihre kleinsten Partikeln keine Schwimmfähigkeit; die
linke dagegen bedeckte den Herzbeutel fast ganz, war hellrosenroth,
gefleckt, schwamm vollständig bis in ihre kleinsten Stückchen, und
zeigte auch bei Einschnitten knisterndes Geräusch und blutigen Schaum,
was bei der rechten durchaus nicht der Fall war. In der Schädelhöhle
fanden wir Hyperämie, und sogar -- ohne dass eine Spur einer äussern
Verletzung am Kopfe sichtbar gewesen wäre -- die _Basis cranii_ mit
einem syrupsartigen Extravasat bedeckt. Das Kind hatte sonach gelebt,
und zwar mit der ~linken~ Lunge zu athmen begonnen. Unser Gutachten
erging dahin: dass das Kind reif gewesen, dass es eine kurze Zeit
gelebt habe, am Schlagfluss gestorben sei, dass diese Todesart höchst
wahrscheinlich durch die Umschlingung der Nabelschnur bedingt worden,
dass eine andere und gewaltthätige Veranlassung des Schlagflusses
»minder wahrscheinlich« sei, und dass die kleinen Verletzungen am
linken Unterkieferwinkel und an der linken Backe muthmaasslich von der
Selbsthülfe der gebärenden Mutter herrührten. Merkwürdig bleibt, wie
bei dem jedenfalls doch nur kurzem Leben des Kindes die Eine Lunge sich
so vollständig mit Luft erfüllt gehabt hatte, wie denn auch dieser Fall
wieder einen neuen Beweis von der Trefflichkeit der Athemprobe giebt.


81. Fall.

~Erfrierungstod des Neugebornen.~

Ende Januar 18-- bei sehr hoher Kälte gebar die unverehelichte _N._
des Nachts, nachdem sie der Schmerzen wegen das Bett verlassen hatte,
und auf einen Stuhl gesunken war, nach ihrer Angabe unter folgenden
Umständen einen Knaben. »Ganz in meiner Nähe«, sagte sie, »stand meine
Waschschüssel auf der Erde. Ich zog sie, um das Blut aufzufangen, zu
mir heran, als plötzlich, während ich auf der Stuhlkante sass, ein
Theil des Kindes aus meinem Geburtstheilen herausdrang. Ich fasste
nicht weiter hin, aber wahrscheinlich war es der Kopf. Ich blieb unter
den fürchterlichsten Schmerzen und fast besinnungslos mit voneinander
gespreitzten Beinen sitzen. Vielleicht nach einer Viertelstunde drang
der übrige Theil des Kindes durch die Geburtstheile. Es glitt zur
Erde. Nach einiger Zeit erholte ich mich, und sah nun das Kind auf
dem Rücken in der Waschschüssel liegen. Der Kopf lag unterwärts, und
die Beine lagen mir zugekehrt auf dem Rande der Waschschüssel. Es
war ganz kalt, und ich hielt das Kind für todt. Ich nahm ein altes
Hemde, breitete dieses auf der Wäsche im Wäschkorbe aus, und legte
das Kind darauf, ohne es weiter zuzudecken.« So wurde auch die noch
ganz frische Leiche gefunden, von der wir zunächst bemerken, dass
alle Zeichen der Reife an derselben wahrnehmbar waren. Das Zwerchfell
stand auch in diesem Falle wieder nicht tiefer, als zwischen der 4ten
und 5ten Rippe. Die Lungen füllten die Brusthöhle zu drei Vierteln
aus, hatten eine, wenigstens zum Theil schon hellröthlich marmorirte
Farbe, schwammen ganz vollständig, und ergaben bei Einschnitten
zischendes Geräusch und blutigen Schaum. Als Todesart ermittelte
sich Apoplexie, bewiesen durch dunkle Röthung des Gesichts und der
Lippen, grossen Blutreichthum der Schädelknochen, strotzende Anfüllung
sämmtlicher _Sinus_, wie der blutführenden Gehirnhäute, und endlich
durch die Abwesenheit der Zeichen irgend einer andern Todesart. »Bei
der Abwesenheit jeder Spur einer äussern Gewaltthätigkeit«, hiess es
nun weiter im Obductions-Bericht, »entsteht nur die Frage: wie dieser
Schlagfluss entstanden sein dürfte? Es erscheint diese Frage unschwer
zu beantworten, wenn man den oben geschilderten Hergang bei der Geburt
und die grosse Kälte erwägt, die in der Geburtsnacht des Kindes
geherrscht hatte. Es liegt nichts Erfahrungswidriges in der Aussage
der _N._, dass sie eine Zeit lang besinnungslos liegen geblieben sei.
Während dieser Zeit ward die Geburt vollendet, und fiel das Kind im
kalten Zimmer in die kalte Schüssel, in welcher es liegen blieb. Wenn
es mehr als wahrscheinlich ist, dass es jetzt, alsbald nach seinem
Hervortreten aus dem mütterlichen Schooss in die kalte Atmosphäre den
Erfrierungstod starb, der keine andere Leichenbefunde zu zeigen pflegt,
als gerade die bei dem Kinde gefundenen, wozu auch noch namentlich
die wahrgenommene gefrorene Beschaffenheit des Gehirns und der Lungen
zu rechnen, so steigert sich jene Wahrscheinlichkeit noch, wenn man
erwägt, dass die Annahme einer andern Ursache des Schlagflusses weit
weniger begründet werden könnte. Hiernach müssen wir urtheilen: 1) dass
das Kind ein reifes und lebensfähiges gewesen; 2) dass dasselbe nach
der Geburt gelebt hatte; 3) dass es an einem Schlagfluss bald nach der
Geburt verstorben sei, welcher 4) mit höchster Wahrscheinlichkeit als
bedingt durch die grosse Kälte, in welcher das Kind geboren wurde und
liegen blieb, anzunehmen ist.«


82. Fall.

~Schlagfluss angeblich durch zu starkes Wickeln.~

Eine andere Veranlassung zu dem tödtlichen Schlagfluss sollte in diesem
Falle stattgefunden haben. Das Kind, männlichen Geschlechtes, hatte
erwiesenermaassen drei Tage gelebt, wonach es ziemlich ungewöhnlich
war, die Nabelschnur schon ganz mumificirt und dem Abfallen ganz nahe
zu finden. Der Tod war durch Blutschlagfluss erfolgt, und es sollte
derselbe, wie die Anschuldigung lautete, durch zu starkes Einwickeln
des Kindes bedingt worden sein, was aber durch die Obduction, die am
ganzen Körper nicht die geringste Abnormität äusserlich wahrnehmen
liess, in keinerlei Weise festgestellt werden konnte.


83. Fall.

~Nabelschnur am Nabel getrennt.~

Die Athemprobe ergab, dass das reif geborne Mädchen, das man in einem
Hausflur gefunden hatte, todtgeboren worden war. Das einzige nicht
Gewöhnliche des Falles war, dass keine Spur einer Nabelschnur sichtbar,
da dieselbe hart am Nabel abgeschnitten gewesen war. Nachdem die
Todtgeburt festgestellt worden, konnte dieser Umstand indess natürlich
gerichtsärztlicher Seits nicht weiter von Erheblichkeit sein.


84. Fall.

~Zweifelhafte Todesart eines auf dem Abtritt gebornen Kindes.~

Am 9. März hörte ein Mann, als er eben auf den Abtritt gehen wollte,
aus der Grube herauf das Geschrei eines Kindes, und fand nun auch die
Abtrittsbrille rund herum mit frischem Blute besudelt, und Blutspuren,
die sich auf dem Hofe bis zur Kellerwohnung der unverehelichten _K._
verfolgen liessen. Von den zur Rettung des Kindes herbeigerufenen
Zeugen deponirte der Hauswirth, der das Kind ~lebend~ und anscheinend
gesund aus der Grube heraufholte, dass der Abtritt am Tage vorher
ausgeräumt worden war, und dass das Kind auf einer weichen, und
nicht flüssigen Substanz, und zwar auf dem Rücken gelegen habe, so
dass es nicht ertrinken konnte. Ein anderer Zeuge nannte die Masse
»Koth mit Stroh untermischt, fest, nicht flüssig«, und sagt, das Kind
sei »voller Blut« gewesen. Die als Mutter sofort ermittelte _K._
deponirte, sie sei von der Geburt, die sie noch entfernter geglaubt,
insofern überrascht worden, als sie einen Stuhl- und Urindrang
gefühlt, und auf dem Abtritt sitzend, sei mit der Nothdurft das Kind
»hervorgeplatzt«, wobei die Nabelschnur zerrissen und das Kind in den
Abtritt gefallen sei. Die Untersuchung hat ergeben, dass die Brille
10 Zoll im Durchmesser hatte, und so gross war, dass allerdings ein
Kind durchschiessen konnte. Das Kind starb zwei Tage später in der
Charité, ohne dass uns über die Krankheit etwas bekannt geworden wäre.
Das Kind ergab sich bei der gerichtlichen Obduction als ein reifes
männliches, bei dem es jedoch nicht unerheblich war, wahrzunehmen,
dass der ~Kopf etwas kleiner~ als gewöhnlich war, indem der gerade
Durchmesser nur 4, der queere nur 3 und der diagonale nur 4-1/2 Zoll
maassen. Von Verletzungen fand sich keine Spur. Als Todesursache ergab
sich ganz unzweifelhaft apoplectische Hyperämie. Was die Entstehung
des Schlagflusses betrifft, so äusserten wir, mit Rücksicht auf die
Fragen des Staatsanwalts: »eine Verbindung zwischen dem Tode des Kindes
und den Umständen, welche dessen Geburt begleitet haben, ist weder
aus den Ergebnissen der Leichenöffnung, noch aus den aktenmässigen
Ermittelungen nachzuweisen. Denn wenn der Fall oder das Werfen des
Kindes in den Abtritt die Ursache seines Todes, oder doch von Einfluss
auf denselben gewesen wäre, was an sich, zumal bei der Kälte, die am
Tage seiner Geburt herrschte, nicht unmöglich war, so hätte 1) sich
eine äussere Spur dieses Falles oder Wurfes, namentlich am Kopfe des
Kindes, erwarten lassen, welche indess nicht vorgefunden worden,
wobei noch zu berücksichtigen, dass das Kind ziemlich weich fiel, und
2) hauptsächlich würde der Tod des Kindes gerade durch den schnell
tödtlichen Blutschlagfluss, nicht, wie geschehen, erst zwei Tage
später, während welcher Zeit das Kind fortwährend unter ärztlicher
Aufsicht war, erfolgt sein.« Betreffend die Angabe der Mutter über
den Hergang der Geburt, mussten wir natürlich annehmen, was hier
keiner weitern Ausführung bedarf, dass dieselbe nach der allgemeinen
ärztlichen Erfahrung in allen ihren Theilen um so mehr als glaubwürdig
zu erachten sei, als die _K._ eine Mehrgebärende, und der Kopf des
Kindes kleiner als gewöhnlich gewesen war. (Das mütterliche Becken
haben wir nicht zu untersuchen gehabt.) Für die Annahme aber, dass das
Kind bei der Geburt nicht in den Abtritt gefallen, sondern erst nach
derselben in die Grube geworfen worden sei, lägen ärztlicherseits gar
keine Gründe vor. Hiernach lautete, mit Rücksicht auf die vorgelegten
Fragen, der _tenor_ unsers Gutachtens dahin: 1) dass das Kind _qu._ ein
reifes und lebensfähiges gewesen; 2) dass dasselbe an Blutschlagfluss
gestorben sei; 3) dass aus den Resultaten der Obduction eine äussere
und gewaltsame Veranlassung zu der tödtlichen Krankheit nicht erhelle;
4) dass eine Verbindung zwischen dem Tode des Kindes und den Umständen,
welche dessen Geburt begleitet haben, ~nicht~ nachzuweisen; 5) dass
~nicht~ anzunehmen, dass der Fall oder das Werfen des Kindes in den
Abtritt die Ursache seines Todes gewesen; 6) dass der von der _K._
geschilderte Hergang bei der Geburt überhaupt und nach Lage der Akten,
so wie mit Rücksicht auf die Localität des Abtritts und die Lage und
Beschaffenheit, in welcher das Kind vorgefunden wurde, wahrscheinlich
sei, und 7) dass Gründe für die Annahme nicht vorhanden, dass das
Kind nicht bei der Geburt in den Abtritt gefallen, sondern erst nach
derselben in die Grube geworfen worden sei. Es wurde hierauf kein
weiteres Verfahren gegen die _K._ wegen Kindermordes eingeleitet.


85.-88. Fall.

~Zweifelhaftes Leben Neugeborner.~

Ein neugeborner Knabe war an der Eisenbahn verscharrt, zwei weibliche
Neugeborne im Wasser, und ein männliches Kind im Rinnstein gefunden
worden. Sie waren sämmtlich, wie die Athemprobe ergab, todtgeboren,
und boten nichts Interessantes dar, weshalb wir sie hier summarisch
zusammenfassen.



F. Vergiftungen.


Eine der wichtigsten Differenzen zwischen den Bestimmungen des
vormaligen und des jetzigen Strafgesetzbuches für den Gerichtsarzt
betrifft den Thatbestand der tödtlichen Vergiftung. Während das frühere
Gesetz bestimmte: »die Vergiftung ist für vollzogen zu erachten, wenn
es gewiss ist, dass dem Entleibten Gift beigebracht worden, und ~es
wenigstens mit Wahrscheinlichkeit~ ausgemittelt werden kann, dass der
Tod eine wirkliche Folge des genossenen Giftes gewesen,« sagt das neue
Strafgesetzbuch §. 197.: »hat die Handlung« (d. h. nach demselben
Paragraphen die »vorsätzliche Beibringung von Gift oder andern Stoffen,
welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind« --) »~den Tod zur
Folge gehabt~, so tritt lebenslängliche Zuchthausstrafe ein«, wobei
zu bemerken, dass die angedrohten Strafen weit geringere sind, wenn
die Vergiftung gar keine erhebliche Wirkung, oder wenn sie nur eine
schwere Körperverletzung zur Folge gehabt hatte. Es ist hiernach
ganz klar, dass während früher der gerichtliche Arzt sich begnügen
konnte, nachzuweisen, dass ~wahrscheinlich~ der Tod in Folge der
Vergiftung herbeigeführt worden, diese Wahrscheinlichkeit jetzt nicht
mehr genügt, und der Arzt vielmehr dem Richter nachweisen soll, dass
~gewiss~ der Tod keiner andern Ursache, als eben dem ingerirten Gifte,
zuzuschreiben sei. Wenn der Arzt das aber eben nur immer könnte! Wie
oft sind die Krankheitserscheinungen am noch lebenden Vergifteten,
an sich bekanntlich schon ein unzuverlässiges, und meistens nur
ein, die andern Beweismittel unterstützendes Kriterium, gar nicht,
oder, was nicht werthvoller, ganz oberflächlich nur von Laien, wie
Hausgenossen u. dgl. beobachtet worden! Wie viele Gifte hinterlassen
gar keine, wie viele andere nur sehr zweideutige Spuren im Leichnam,
und wenn dann nun endlich die chemische Analyse, was bekanntlich aus
mehrfachen Gründen geschehen kann, den Gerichtsarzt auch noch in Stich
lässt, soll er dann, kann er dann mit amtseidlicher Ruhe sagen: die
Vergiftung hat hier (also mit Gewissheit) den Tod zur Folge gehabt,
oder auch nicht gehabt? Gewiss soll und kann er das nicht. Er sage nach
sorgfältiger Erwägung aller Umstände, was er weiss und verantworten
kann, nicht mehr noch weniger, z. B. dass es im vorliegenden Falle
nicht wahrscheinlich, wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich, dass eine
tödtliche Vergiftung stattgefunden habe, und ~sein~ Geschäft vor dem --
Schwurgericht ist zu Ende. Aber eben, woran ich bei dieser Gelegenheit
schon im ersten Hundert erinnert habe, weil das Verbrechen der
Vergiftung vom Schwurrichter abgeurteilt wird, kann aus dem unbestimmt
gebliebenen Ausspruch des Gerichtsarztes eine Verlegenheit in Betreff
der Entscheidung der Sache nicht erwachsen, -- welche Verlegenheit
_event._ nicht einmal durch Beschreiten des medicinisch-forensischen
Instanzenzuges in allen Fällen würde gehoben werden können, -- da die
subjective Ueberzeugung des Geschwornenrichters ja jetzt den Beweis
ergänzt.

Die diesmalige Centurie hat ~sieben~ Fälle von angeblichen
Vergiftungen geliefert, von denen Einer bereits oben (Fall 57) erwähnt
ist, und zwei erst weiter unten (Fall 93 u. 96) beleuchtet werden
sollen, da in diesen beiden Fällen zugleich eine Anschuldigung gegen
die betreffenden Medicinalpersonen vorlag, die die Veranlassung zur
Leichenuntersuchung ward. Die vier übrigen Fälle waren folgende.


89. Fall.

~Vergiftung durch Schwefelsäure.~

Am 9. Juni 18-- trank der 2-1/4 Jahre alte Knabe _S._ aus einer
Flasche käuflicher Schwefelsäure eine nicht ermittelte Menge,
bekam sogleich von der Mutter, die Lippen, Zunge und Schlund weiss
fand, Milch, die aber gekäst ausgebrochen wurde, sodann von einem
Wundarzte ein Brechmittel, wonach »eine schwarze Masse« entleert
wurde, kam hierauf in ärztliche Behandlung, über welche die Akten
nichts ergaben, und starb am 11. Juni, nach drei Tagen. Fünf Tage
nach geschehener Vergiftung geschah die Obduction, deren wesentliche
Ergebnisse folgende waren. Die Verwesung war weit vorgeschritten. Die
Zunge lag zwischen den Zähnen eingeklemmt -- ein neuer Beweis der
Richtigkeit meiner frühern Behauptung, betreffend die eingeklemmte
Zunge beim Erstickungstode[24]. -- Der Magen war im Ganzen bleich,
nur an der hintern Wand befand sich eine, einen halben Zoll grosse,
purpurrothe Stelle, welche sogleich beim vorsichtigsten Aufheben
einriss. An derselben Wand zeigte sich bei der innern Besichtigung
ein eirundes, zwei Zoll langes, einen Zoll breites, flaches Geschwür,
dessen Farbe sich nicht von der des Magens unterschied, d. h. eine
Erosion der Schleimhaut, wie man sie fast immer in solchen Fällen
von Schwefelsäurevergiftungen findet, in denen der Tod nicht schnell
erfolgte, sondern passende ärztliche Hülfe administrirt worden war. Die
Schleimhautfläche der Speiseröhre zeigte zahlreiche schwarze Punkte,
aber keine Erosion. Sonst war nur die allgemeine Blutleere im Leichnam
auffallend, die aber nichts Anderes als Product der hohen Verwesung
war. Die sorgfältige chemische Analyse der Leichen-Contenta wies
~keine freie, anorganische Säure~, also auch keine Schwefelsäure nach.
Nichtsdestoweniger nahmen wir keinen Anstand zu erklären: dass das Kind
an einer Verschwärung des Magens gestorben, und dass diese durch den
Genuss von käuflicher Schwefelsäure entstanden sei. Es sprachen dafür,
wie man einsieht, die charakteristische Verbrennung der Mundhöhlen- und
Rachen-Schleimhaut, das sofortige Erbrechen von gekäster Milch und von
»schwarzen Massen«, das, wie schon oben angeführt, in ähnlichen Fällen
ganz charakteristische Magengeschwür bei einem, bis zum Augenblick der
Vergiftung ganz gesunden Kinde, und es konnte das Nichtauffinden von
Schwefelsäure in der Leiche keinen Gegenbeweis liefern, da notorisch
das Kind ärztlich behandelt worden war, folglich sogenannte Gegengifte
erhalten hatte. Die (immer zu erwägende) ~Summe~ der Befunde liess
keine andere Annahme zu.


90. Fall.

~Vermuthete Vergiftung durch Wasserschierling.~

Ein 5jähriger Knabe war nach sehr kurzer Krankheit, über welche ich
nichts erfahren habe, Ende Aprils, angeblich durch Wasserschierling
vergiftet, gestorben. Am 1. Mai, drei Tage nach dem Tode, geschah die
gerichtliche Obduction, wobei es zunächst auffiel, dass bei einer
Lufttemperatur von +10-12° R. die Leiche noch frisch, und nur erst der
Bauch grünlich gefärbt war. Die Gelenke waren biegsam. Der blasse Magen
enthielt etwas röthlich flüssigen Brei und einige Flocken gekäster
Milch, sonst nichts Auffallendes, namentlich keine Pflanzenreste.
Der Dünndarm war von sichtlicher Gefässinjection geröthet, der
Dickdarm enthielt Koth. Leber und Nieren waren ziemlich stark mit
Blut angefüllt, das überall im Körper, namentlich auch in den grossen
Venenstämmen, sehr dunkel und flüssig war. Nirgends zeigten sich im
Magen und Darmtractus Ecchymosen. Die gesunden Lungen waren stark
blutgefüllt. Das rechte Herz enthielt etwas dunkelflüssiges Blut, das
linke war leer. In jedem Pleurasack ein Esslöffel voll Blutwasser. Die
Thymusdrüse noch sehr gross. Die Luftröhrenschleimhaut war röthlich
gefärbt. Die blutführenden Hirnhäute zeigten sich stark injicirt, die
_Sinus_ überfüllt, und auch das Gehirn war blutreicher als gewöhnlich.
Die chemische Untersuchung des Magens und seines Inhaltes ergab
Abwesenheit jeder schädlichen mineralischen Substanz, und in Betreff
der muthmaasslichen Vergiftung durch Wasserschierling wurde im Berichte
gesagt: »dass diese Vermuthung deshalb nicht zur Gewissheit, ja nicht
einmal zur Wahrscheinlichkeit erhoben werden könne, weil sich im Magen
keine erkennbaren Pflanzenreste vorgefunden hätten, und die Chemie kein
Mittel besitze, im thierischen Körper nach stattgefundener Verdauung
das Gift des Wasserschierlings nachzuweisen«.


91. Fall.

~Angebliche Vergiftung.~

Ein 2jähriger unehelicher Knabe, sogenanntes Haltekind, war plötzlich
gestorben. Der Verdacht einer Vergiftung wurde durch Obduction und
chemische Prüfung nicht bestätigt. Erstere ergab als Todesursache
apoplectische Hirncongestion und einen mit Mohrrübenbrei angefüllten
Magen; letztere zeigte nur unwägbare Spuren eines Kupfer- und eines
Zinksalzes, ohne Zweifel von früher gereicht gewesenen Arzneimitteln.


92. Fall.

~Angebliche Vergiftung.~

Ebenso wenig bestätigt wurde der Verdacht einer Vergiftung bei einem 47
Jahre alten, dem Trunke sehr ergebenen Manne, den man auf seinem Sopha
todt gefunden hatte. Der Körper war ganz gesund, und bei der Obduction
gar keine Todesursache zu ermitteln. Der Magen namentlich war ganz
leer und vollkommen normal. Ebenso wenig Aufschluss gab die chemische
Analyse desselben, die ein vollkommen negatives Resultat lieferte. Ohne
Zweifel hatte ein Nervenschlagfluss den Mann getödtet.



G. Anschuldigung von Kunstfehlern.


Todesfälle, angeblich durch Medicinalpfuscherei veranlasst, sind
in dieser Centurie gar nicht vorgekommen, wohl aber die vier
nachstehenden Fälle von Anschuldigung fahrlässiger Tödtung gegen
approbirte Medicinalpersonen, von denen Einer einen practischen Arzt,
zwei Fälle Hebammen, und einer einen Zahnarzt betrafen. Das neue
Strafgesetzbuch, das die Aerzte nicht geschont hat -- ich erinnere an
den merkwürdigen, hier aber nicht hergehörigen Paragraphen (200.),
wonach Medicinalpersonen, welche in Fällen einer dringenden Gefahr
(??) ohne hinreichende Ursache ihre Hülfe verweigern, bis zu 200
Thlr. Geldbusse bestraft werden sollen! -- hat in den §§. 198. u. ff.
wichtige Bestimmungen und scharfe Strafandrohungen aufgestellt, die im
Allgemeinen (wie im alten Landrecht) sich zwar auf die Fahrlässigkeit
überhaupt beziehen, worunter aber natürlich auch vorkommenden Falles
jede Fahrlässigkeit einer Medicinalperson zu subsumiren ist.

§. 198. »Wer durch Fahrlässigkeit einen Menschen körperlich verletzt,
oder an der Gesundheit beschädigt, soll mit Geldbusse von Zehn bis zu
Einhundert Thalern oder mit Gefängniss bis zu Einem Jahre bestraft
werden.

Diese Bestrafung soll nur auf den Antrag des Verletzten stattfinden,
insofern nicht eine schwere Körperverletzung vorliegt, oder die
Verletzung mit Uebertretung einer Amts- ~oder Berufspflicht~ verübt
worden ist.«

Hiernach kann also nicht nur, wie bisher, Jeder, der sich durch
eine Fahrlässigkeit seines Arztes »an seiner Gesundheit beschädigt
glaubt«, Klage gegen denselben erheben, sondern sogar auch ohne
Zuthun des Kranken, kann der öffentliche Ankläger (Staatsanwalt)
die Klage anstrengen, und den Arzt mindestens in eine peinliche
Untersuchung verwickeln, wenn er die Ueberzeugung gefasst hat, dass die
Gesundheitsverletzung »mit Uebertretung der Berufspflicht verübt worden
ist«.

Weit schärfer aber noch sind die Bestimmungen im §. 203.: »Wenn bei
einer vorsätzlich verübten Körperverletzung der Thäter die ihm vermöge
seines Amtes, ~Berufes oder Gewerbes~ obliegenden besondern Pflichten
übertreten hat, so soll derselbe zugleich auf eine bestimmte Zeit,
welche die Dauer von fünf Jahren nicht übersteigen darf, ~oder für
immer~ zu einem solchen Amte für unfähig, oder der ~Befugniss zur
selbstständigen Betreibung seiner Kunst oder seines Gewerbes verlustig
erklärt werden~.«

»Auch bei fahrlässig verübten Körperverletzungen kann der Thäter wegen
Vernachlässigung der besondern Amts-, Berufs- oder Gewerbspflichten,
wenn sich derselbe im Rückfalle befindet, zugleich auf eine bestimmte
Zeit, welche die Dauer von fünf Jahren nicht übersteigen darf, oder
für immer zu einem solchen Amte für unfähig, oder der Befugniss zur
selbstständigen Betreibung seiner Kunst oder seines Gewerbes verlustig
erklärt werden.«

Der Gesetzgeber hat also hier die »vorsätzlich« und die »fahrlässig«
verübte Körperverletzung einander gegenüber gestellt, eine Distinction,
von der wir nicht recht begreifen, wie sie gerade in den, den
Gerichtsarzt tangirenden Fällen in vielen Fällen wird festgehalten
werden können. Wenn eine chirurgische oder geburtshülfliche Operation
einen schädlichen Erfolg gehabt hat, war die »Körperverletzung« eine
vorsätzliche oder eine fahrlässige? Indess mag zugegeben werden,
dass ~diese~ Distinction lediglich in das Gebiet der richterlichen
Entscheidung falle, und dass der Arzt nur um den Thatbestand und
darüber gefragt werden werde, ob die angeschuldigte Medicinalperson
die besondern Berufspflichten übertreten habe? Ist ein Kunstfehler
im concreten Falle begangen worden? -- Ich habe schon in der frühern
Mittheilung die Schwierigkeiten hervorgehoben, die diese Frage
gerade in der gegenwärtigen Zeit der Medicin mit sich führt, in
welcher mit und nebeneinander die alte hippocratische Methode, die
neuste, vollkommen passive Therapie, die Zuckerstreukügelchen und
die Wassermedicin sich den Rang streitig zu machen suchen. Mehr als
je früher wird der Gerichtsarzt daher gegenwärtig, namentlich um
sein Gutachten dem Vertheidiger gegenüber aufrecht zu erhalten,
wenn dasselbe für den Angeschuldigten ungünstig ist, von allgemeinen
Grundsätzen absehen müssen, von denen ja überhaupt nur wenige leitend
sind, und sich an die Umstände des concreten, vorliegenden Falles zu
halten haben.

Was nun die hier zu erzählenden vier Fälle betrifft, so war die
Anschuldigung in den ersten dreien zu plump, um nicht ohne besondere
Schwierigkeit unsererseits zurückgewiesen werden zu müssen; desto
schwieriger war die Beurtheilung des letzten Falles, der eine angeblich
fahrlässige Tödtung durch Chloroformirung betraf, damals, zur Zeit
des erforderten Gutachtens, der erste thatsächliche Fall dieser Art
in Berlin (dem später leider! mehrere nachgefolgt sind!) und sogar,
meines Wissens, bis heute noch der Einzige, welcher in Deutschland
Veranlassung zu einer Anklage gegen den Arzt gegeben hat.


93. Fall.

~Angeblich fahrlässige Vergiftung durch den Arzt.~

Ein anderthalb Jahre alter Knabe sollte an »Halsbräune« gestorben,
aber nach der Denunciation des Vaters vom behandelnden Arzte
vergiftet worden sein, was dem Vater ein, kurz vor dem Tode noch
hinzugerufener zweiter Arzt (sehr collegialisch!!) versichert hatte.
Die Section ergab Broncho-Pneumonie. Das _lumen_ der Luftröhre und
alle Bronchialverzweigungen waren ganz mit dünnem, grünem Eiter
ausgefüllt. Die Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre war zwar
bleich, aber einzelne rosenrothe Gefässinjectionen waren deutlich darin
sichtbar. Die untern Lappen beider Lungen zeigten sich roth hepatisirt,
blutreich, fest, obgleich noch schwimmfähig. Das Gehirn war etwas
blutreich, alle übrigen Organe völlig gesund. Magen, _Duodenum_ und ein
Stück _Colon_ wurden für die chemische Untersuchung zurückbehalten,
nachdem sie vorschriftsmässig aufgeschnitten und untersucht worden
waren, aber hierbei gar nichts irgend Auffallendes gezeigt hatten.

Der behandelnde Arzt, Dr. _X._, hatte die Diagnose auf Croup gestellt,
und auch auf dem Todtenscheine »häutige Bräune« als Todesursache
genannt. Er hatte am 1. und 2. December alle 10 Minuten anderthalb
Gran, zusammen an diesen beiden Tagen ~zwölf Gran Zinksulphat~, und
ausserdem am 2. December anderthalbgranweise in einer Stunde neun Gran,
sodann an demselben Tage noch Einmal neun Gran, zusammen ~achtzehn Gran
Kupfersulphat~ an Einem Tage gegeben. Das Kind war aber erst am 13.
December, also 11-12 Tage nach der angeblichen Vergiftung gestorben,
was sowohl in Betreff der anatomischen Beschaffenheit des Magens,
wie namentlich zur Würdigung des Ausfalls der chemischen Analyse
ein erheblicher Umstand war. Der Sachlage nach waren die genannten
Eingeweide auf einen Gehalt an Kupfer-, Zink- und Antimonsalzen zu
untersuchen (da auch im Verlaufe der Krankheit noch _Tart. stib._
gegeben worden war). Von den zerschnittenen und gemischten Eingeweiden
wurde zuerst der vierte Theil in Untersuchung genommen. Sie wurden
mit einer Mischung von 20 Theilen destillirten Wassers, 10 Theilen
Salzsäure und 1 Theil chlorsaurem Kali übergossen, und das Ganze
gekocht, bis sich die festen Theile zu einer ganz dünnen, fast klaren
Flüssigkeit aufgelöst hatten. Diese wurde colirt, nach Zusatz von
noch etwas chlorsaurem Kali so lange erhitzt, bis jeder Chlorgeruch
verschwunden war, und dann filtrirt. Nach dem Abkühlen wurde Ammoniak
bis zum geringen Vorwalten der Säure zugesetzt, und ein Strom von
Schwefelwasserstoffgas durch die ganz klare Flüssigkeit geleitet.
Weder sogleich, noch nachdem dieselbe bis zum Verschwinden jedes
Geruchs nach Schwefelwasserstoff an einen warmen Ort gestellt worden
war, schied sich ein Niederschlag von Schwefelmetallen ab, sondern nur
etwas Schwefel. Die nochmals filtrirte Flüssigkeit wurde mit Ammoniak
neutralisirt, und Schwefelwasserstoff-Ammoniak hinzugesetzt. Der
entstandene schwarze, voluminöse Niederschlag wurde in Königswasser
gelöst, und mit Ammoniak in Ueberschuss versetzt. Es erschien ein
gelblich-weisser Niederschlag, der abfiltrirt, und das Filtrat
mit Schwefelwasserstoff geprüft wurde, wobei sich keine Spur von
Schwefelzink zeigte. Der abfiltrirte gelblich-weisse Niederschlag ergab
sich bei näherer Prüfung als ein Gemenge von Eisenoxyd, phosphorsaurer
Kalkerde und Thonerde. -- Es wurden nun nochmals 2/4 der Eingeweide
auf gleiche Weise untersucht, das Resultat war aber dasselbe und
gleichfalls negativ. ~Die Eingeweide enthielten daher keine Spur von
Kupfer-, Zink- und Antimonsalzen.~

Der Fall bietet ein mehrfaches Interesse dar. Einmal zeigt er einen
neuen Belag dafür, wie selbst verhältnissmässig grössere Mengen
sogenannter Gifte -- die ingerirte Dosis war hier ganz genau bekannt!
-- in nicht gar langer Zeit so vollständig vom Körper ausgeschieden
werden können, dass die genaueste chemische Prüfung auch nicht ein
Atom derselben mehr in der Leiche zu entdecken vermag, obgleich es
sich hier obenein um »Gifte« handelte, die so leicht auffindbar
sind. Zweitens ist der Fall ein gewiss lehrreicher Beitrag zu der,
neuerlichst von _Paasch_[25] mit so gewichtigen Gründen angefochtenen
Lehre von den Kupfervergiftungen durch Speisen: denn es ist gewiss
ebenso unzweifelhaft, dass dieses Kind nicht an einer Kupfervergiftung
gestorben, als es wohl nicht bestritten werden kann, dass in solchen
Fällen, wo man bisher Grund zu der Annahme zu haben glaubte, dass
Menschen durch in Kupfer- oder schlecht verzinnten Kupfergeschirren
gekochte, oder erkaltete Speisen vergiftet worden seien, wohl selten
oder nie ein Mensch (hier ein anderthalbjähriges Kind) durch eine
solche Mahlzeit ~achtzehn~ Gran Kupfersalz ingerirt gehabt hatte!
Drittens endlich war der Fall interessant in der Beziehung, in welcher
seiner unter dieser Rubrik gedacht worden. Und bezüglich hierauf
äusserte ich mich gegen den Untersuchungsrichter gleich von vorn herein
bei Uebersendung des chemischen Berichtes: »wie der Leichenbefund
die von dem Dr. _X._ bei dem kranken Kinde gestellte Diagnose der
~wesentlichen Hauptsache~ nach bestätigt habe, indem dieser Befund
nachgewiesen, dass das Kind an einer Entzündung der Luftröhre gelitten,
zu welcher die »häutige Bräune« lediglich gehöre; und 2) dass der Dr.
_X._ in den, in den Akten befindlichen Recepten nur solche Heilmittel
verordnet habe, wie sie täglich von den Aerzten gegen die genannte
Krankheit angewandt würden, wobei, wenn er diese Mittel allerdings in
ungewöhnlich grossen Dosen verordnet, ihm sogar auch in Hinsicht auf
diese grossen Dosen medicinische Autoritäten zur Seite stehen würden,
wenn er sich deshalb zu verantworten haben sollte«.

Mit dieser meiner Erklärung fiel die Sache, und wurde eine Anklage
gegen den angeschuldigten »Vergifter« gar nicht weiter erhoben.


94. Fall.

~Angebliche Tödtung des Neugebornen bei der Geburt durch die Hebamme.~

Ein reifes Mädchen sollte todtgeboren, und die denuncirte Hebamme
deshalb Schuld an dessen Tode gewesen sein, weil sie angeblich bei der
Wendung auf den Kopf ein ~Handtuch~ um den Hals des Kindes gelegt,
und dasselbe dadurch erdrosselt haben sollte. Die Angeschuldigte
bestritt dies, und wollte nur das Handtuch um die Schulter des Kindes
gelegt gehabt haben, um diese besser fixiren zu können.

Am Halse der Leiche befand sich eine drei Linien breite, zwei Linien
tiefe, ~ringsum doppelt laufende~, ~weich~ zu schneidende, weisse,
nur an einzelnen Stellen dunkelrothe, und in diesen Stellen sugillirte
Strangmarke, also genau so beschaffen, wie ich sie schon früher[26]
als die Strangmarke von Umschlingung der Nabelschnur bei Neugebornen
geschildert habe. Die Lungen waren für eine Todtgeburt ungewöhnlich
schwer, denn sie wogen 6-3/4 Loth. Sie waren fest, hellbraun, nicht
marmorirt, lagen zurückgezogen, nur der mittlere Lappen der rechten
Lunge schwamm, ohne dass hier, wie sonst irgendwo in den Lungen,
blutiger Schaum oder zischendes Geräusch bei Einschnitten wahrnehmbar
gewesen wäre, was um so auffallender, da die Leiche ganz frisch und
keine Einwirkung von Fäulniss in den Lungen denkbar war. Ueber die
ganze Oberfläche des Gehirns war ein Blutextravasat ausgebreitet. Es
wurde geurtheilt: dass das Kind höchstwahrscheinlich noch in der Geburt
einige Athmungsversuche gemacht gehabt habe, und dann todtgeboren
worden sei; dass die Todesursache Blutschlagfluss gewesen; dass die
Strangmarke von einer Umschlingung der Nabelschnur (die auch die
Hebamme behauptet hatte) entstanden gewesen sei, und endlich, dass die
Ergebnisse der Obduction eine Schuld der Hebamme an dem Tode des Kindes
in keiner Weise nachgewiesen hätten.

Hiernach wurde auch gegen diese Angeschuldigte von einer förmlichen
Anklage Abstand genommen.


95. Fall.

~Tod der Kreissenden angeblich durch Schuld der Hebamme.~

Noch weit weniger Halt als im vorstehenden hatte die Anschuldigung
gegen eine andere Hebamme in diesem Falle. Eine 32jährige Frau war zu
früh entbunden worden, und unmittelbar darauf an Verblutung gestorben.
Die Obduction ergab diesen Tod ganz unzweifelhaft in der allgemeinen,
vollständigen Anhämie, woran nur, wie gewöhnlich, die Gehirnvenen
keinen Theil nahmen. Interessant war natürlich die Beschaffenheit des
_Uterus_ unmittelbar nach der Entbindung, von einem Kinde freilich,
das wir nur für ein achtmonatliches erklären mussten, da es nur 5
Pfund schwer, 18 Zoll lang war, seine Kopfdurchmesser, _resp._ der
queere nur 3, der gerade nur 3 und einen halben, und der diagonale
nur 4 Zoll lang waren u. s. w. Die ~Gebärmutter~ nun hatte 12 Zoll im
Längendurchmesser, 4 und einen halben Zoll Durchmesser im _fundus_,
und ihre Wände waren einen Zoll dick, und umschlossen noch etwas
Blutgerinsel. -- Was die Anschuldigung gegen die Hebamme betraf,
die natürlich bei der präcipitirt vor sich gegangenen Geburt, der
unmittelbar die tödtliche Verblutung gefolgt war, den Tod ebenso
wenig veranlasst haben, als im Stande gewesen sein konnte, denselben
abzuwehren, so beruhte die Denunciation rein auf Weibergeschwätz.
Unsererseits wurde die Angeschuldigte natürlich vollständig exculpirt,
und eine weitere Untersuchung dann auch hier nicht eingeleitet.


96. Fall.

~Tödtliches Chloroformiren bei einer Zahnoperation.~

Die Todesart durch Chloroform gehört, wie die durch die asiatische
Cholera, zu den »Errungenschaften« der neusten Zeit. Beide Todesarten
aber sind nicht nur neu, sondern auch, wohl eben deshalb, noch immer
sehr viel Dunkles darbietend. Der traurige folgende Fall war deswegen
und auch aus ~dem~ Grunde besonders interessant, weil er der erste war,
der in Deutschland ein gerichtsärztliches Gutachten veranlasst hat,
während in England bereits mehrfach die Jury sich mit solchen Fällen
zu befassen gehabt hat. Ich habe den Fall deshalb bald nachdem er mir
vorgekommen in meiner »Wochenschrift für die gesammte Heilkunde (1850,
S. 1 u. ff.)« ausführlich mit Zusammenstellung der bis dahin in beiden
Hemisphären bekannt gewordenen ähnlichen Fälle -- die sich leider! seit
jener Zeit nicht unerheblich gemehrt haben -- veröffentlicht, und werde
hier nur, dem Character dieser Sammlung entsprechend, das Wesentlichste
davon abermals mittheilen.

Behufs einer Zahnextraction, die er an einer bildschönen, jungen
Frau vorzunehmen hatte, goss der Zahnarzt _W._, seiner Angabe nach,
12-16 Tropfen Chloroform auf ein Stückchen Waschschwamm, deckte eine
Serviette darüber, und hielt es der Patientin unter die Nase, worauf
diese nach einigen Augenblicken »regungslos da sass«, aber bald wieder
erwachte. Der Operateur goss nun abermals 12-16 Tropfen auf das
Schwämmchen, und zum drittenmale bald darauf 4-5 Tropfen. Nach der
zweiten Anwendung bekam die Patientin _ructus_, und eine gelbliche
Flüssigkeit und weisser Schaum drangen aus dem Munde. Das Gesicht wurde
blau, der Körper streckte sich, wie bei einem Sterbenden, und die Frau
-- war und blieb todt.

Funfzig Stunden nach dem Tode unternahmen wir die gerichtliche
Obduction der Leiche, nachdem der Zahnarzt wegen »fahrlässiger
Tödtung« denuncirt worden war. Die Verwesung war schon auffallend
vorgeschritten. Im Kopfe war die geringe Blutmenge in den blutführenden
Meningen bemerkenswerth, und sahen wir deutlich in einigen grössern
Venenstämmen kleine Luftblasen. Das Gehirn zeigte sich nicht
ungewöhnlich blutreich; _Sinus transv._ ziemlich stark gefüllt, die
übrigen fast blutleer. Beide Lungen waren wenig blutgefüllt, und
das ~Blut war flüssig und gefärbt wie Kirschsaft~. Im Herzbeutel
nur das gewöhnliche Wasser; ~das Herz war ganz schlaff und platt
zusammengefallen~, seine Kranzadern und sämmtliche Höhlen vollkommen
blutleer. Kehlkopf und Luftröhre, im Innern von der Verwesung bereits
braunroth gefärbt, waren vollkommen leer und ohne Spur von blutigem
Schaum oder dergleichen. Die Leber blutleer, die Milz dagegen ziemlich
stark mit dem kirschsaftähnlichen Blute gefüllt, der Magen leer, seine
Schleimhaut blauröthlich, mit einzelnen dunkelblauen Inseln durchzogen.
Die Netze und Gekröse blutleer, die Därme von Verwesung, wie die
Nieren, schmutzig röthlich gefärbt, und enthielten letztere viel Blut
von der geschilderten Beschaffenheit. Die Harnblase war leer, und
vollkommen blutleer die _V. cava adscendens_.

In unserm Gutachten gaben wir zunächst die Schwierigkeiten an,
die die Beurtheilung eines solchen, und gerade dieses Falles
darbot: die Neuheit des Mittels, die Unbekanntschaft mit seiner
nähern Wirkungsweise, daher auch mit seiner besten Anwendungsart,
die Seltenheit der öffentlich bekannt gewordenen Todesfälle nach
Chloroformirungen, welche Fälle in allen Welttheilen damals noch die
Zahl von fünf bis sechs nicht überstieg. Dazu kam im vorliegenden Falle
der hohe Verwesungsgrad der Leiche, der überall alle Sections-Resultate
trübt und undeutlich macht. »Nichtsdestoweniger war es noch möglich,
mehrere Befunde in dieser Leiche wahrzunehmen, die mit denjenigen,
die man in der Mehrzahl der wenigen bisher in England, Frankreich und
Ost-Indien vorgekommenen Fälle gefunden, ziemlich genau übereinstimmen.
Hierhin gehören: die Beschaffenheit des Herzens, das hier ganz schlaff
und zusammengefallen lag, was bei einer so feisten, jungen und
gesunden Person um so mehr auffallen musste, und dessen Kranzadern
und sämmtliche Höhlen vollkommen blutleer waren, so dass es auch nach
unserm Falle scheint, dass plötzliche Herzlähmung die eigentliche
Todesursache bei der tödtlichen Wirkung des Chloroforms ist -- ferner
das Vorhandensein von Luft in einigen grössern Gehirnvenen, das
wenigstens in Einem der bekannten analogen Fälle auch gefunden worden,
wobei wir jedoch für den vorliegenden Fall wieder den Antheil, den die
Verwesung an diesem Befunde gehabt haben kann, zweifelhaft lassen
müssen -- ferner die sehr auffallende Beschaffenheit des Blutes, und
endlich der ziemlich hohe Grad von Blutleere im Leichnam, der auch
bereits anderweitig beobachtet worden, wobei jedoch abermals in Betreff
der _denata_ der hohe Fäulnissgrad der Leiche in Erwägung gezogen
werden muss, welcher in allen Leichen, je mehr er vorgeschritten,
desto mehr allgemeine Blutleere bedingt und wahrnehmen lässt. Wir
wollen hierzu noch bemerken, dass auch eine nachträglich veranstaltete
mikroskopische Untersuchung des Magens nichts Anderes ergeben hat,
als was man bei derselben, wenn man ihr einen bereits in Fäulniss
begriffenen Magen unterwirft, vorfindet, und dass ein Versuch, in dem
Blute der _denata_ das Chloroform nachzuweisen, wenn dies überhaupt
möglich, was noch nicht feststeht, gleichfalls kein Ergebniss liefern
konnte, weil auch das Blut bereits durch den Verwesungsprocess
alterirt und zersetzt war. Trotz aller dieser Bedenken ist nicht zu
bestreiten: 1) dass die _J._ ein Mittel durch Einathmung auf sich hat
einwirken lassen, das Thieren und Menschen auf demselben Wege den
Tod geben kann und gegeben hat; 2) dass dieselbe durchaus ganz auf
dieselbe Weise, mit ganz kurz dauernden Zuckungen und plötzlichem
Erlöschen der Lebenskräfte gestorben, wie alle bisher beobachteten
ähnlichen Unglücksfälle bei Menschen es ganz gleich gezeigt haben;
3) dass in ihrer Individualität Nichts lag, was anderweitig einen
solchen eigenthümlichen plötzlichen Tod erklären könnte. Nach diesen
Thatsachen scheint allerdings hier ein Causalzusammenhang zwischen
der Chloroformirung und dem darin erfolgten Tode vorzuliegen. Mit
Rücksicht aber auf die angedeuteten Schwierigkeiten können wir die
uns vorgelegte erste Frage gewissenhaft nur dahin beantworten: dass
die _J._ in Folge der von _W._ ausgeführten Chloroformirung höchst
wahrscheinlich ihren Tod gefunden.«

»Mit weit mehr Sicherheit schreiten wir zur Beantwortung der zweiten
Frage, betreffend die etwanige Fahrlässigkeit des Angeschuldigten bei
der Anwendung des Mittels.« -- Es wurde hiernächst ausgeführt, dass
dem _W._ ein Vergehen nicht zur Last fiele, wenn er als approbirter
Zahnarzt sich überhaupt des Chloroforms bei seinen Operationen bediene
und bedient habe, und dann im Gutachten fortgefahren: »Er würde sich
aber hiernach noch einer Fahrlässigkeit schuldig gemacht haben, wenn er
das Mittel »»nach den ihm zuzumuthenden allgemeinen und gewöhnlichen
Kenntnissen«« (Worte des damaligen Strafgesetzbuches) auf eine Art
und Weise angewandt hätte, von der er eine mögliche schädliche, wenn
nicht tödtliche Wirkung hätte befürchten können. Was hierbei zunächst
die von ihm gewählte Anwendungsweise betrifft, so ist dies die bis
jetzt bei weitem häufigste Art der Anwendung, und wenn Andere sich
eigener Inspirationsapparate bedient haben, so ist noch keinesweges
festgestellt, welche von beiden Methoden den Vorzug verdiene, vielmehr
wird auch hierüber noch vielfach gestritten, am wenigsten also ist
dem _W._ wegen der von ihm gewählten Anwendungsart irgend ein Vorwurf
zu machen. Wichtiger aber noch als dieser Punkt ist die Erwägung der
von _W._ angewandten Dosis des Mittels. Hierbei treten uns zunächst
zwei Umstände entgegen. Einmal unsere eigene Wahrnehmung an dem, uns
im Obductionstermine vorgezeigten versiegelten Fläschchen. Es würde
dasselbe, wenn gefüllt, etwa zwei Loth Chloroform enthalten haben,
enthielt aber etwa nur noch 1-1/2 Quentchen. Selbstredend können
wir aber hieraus Nichts folgern, da wir den ursprünglichen Inhalt
des Fläschchens, ehe _W._ noch zur Operation schritt, auch nicht
annähernd kennen. Erheblicher hiernach ist zweitens die Deposition des
sogleich hinzugerufenen Dr. _K._, welcher bei seinem Eintritt in's
Zimmer der eben Verstorbenen dasselbe so von Chloroformdunst erfüllt
fand, dass ihm bald der Kopf eingenommen und er genöthigt ward, das
Fenster zu öffnen, was jedenfalls auf eine grössere Menge der Luft im
Zimmer beigemischten Chloroforms schliessen lässt. Ob aber dieselbe
durch Verdunstung aus der, vom Dr. _K._ offen gefundenen Flasche
hineingelangt, oder ob durch irgend welchen Zufall Chloroform daraus
vergossen, und so von der Diele aus verdunstet war, auch darüber
lässt sich wieder gar Nichts bestimmen. So müssen wir denn bei der
eigenen Aussage des Angeschuldigten selbst stehen bleiben, wonach
derselbe das Erstemal etwa 12-16 Tropfen Chloroform, das zweitemal
wiederum 12-16 Tropfen, und das letztemal wieder 4-5 Tropfen auf das
kleine Schwämmchen, das jedenfalls bei seiner geringen Dimension keine
sehr erhebliche Menge des Mittels fassen konnte, aufgegossen haben
will. Nach allem aber, was bis jetzt über die Anwendungsweise des
Mittels erfahren und bekannt worden, müssen wir diese Quantitäten als
vorsichtig und bedachtsam gewählte erklären, welche unendlich oft von
Operateuren bedeutend überschritten worden, ohne dass eine nachtheilige
Wirkung danach entstand. Hiernach liegt überall kein genügender Grund
vor, um den _W._ bei seiner Verfahrungsweise einer Fahrlässigkeit zu
zeihen, und wir beantworten die zweite vorgelegte Frage dahin: dass
nach Lage der Akten der _W._ bei Anwendung des Chloroforms sich einer
Fahrlässigkeit ~nicht~ schuldig gemacht hat.«

Nach den zahlreichen Fällen, die ich seit jener Zeit in eigener, und
mehr noch in der klinischen Praxis meiner operirenden Herrn Collegen
hier gesehen, und in denen das Chloroform mit weit mehr, und in
einigen von mir beobachteten und ganz glücklich verlaufenen Fällen,
mit wahrhaft erschreckender Dreistigkeit angewandt worden, kann ich
das obige Gutachten auch heute noch nur vollkommen bestätigen. Am
angeführten Orte habe ich übrigens versucht, allgemeine Andeutungen
für die gerichtsärztliche Beurtheilung der Todesfälle in der
Chloroformirung aufzustellen, auf die ich indess hier verweisen muss.



H. Verbrennungen.


97. und 98. Fall.

~Verbrennung zweier Kinder.~

Ein Knabe von 6-3/4 Jahren und seine Schwester von drittehalb Jahren
waren in einem Brande, den angeblich die Mutter absichtlich in der
Stube, namentlich im Korbe, in welchem das jüngste Kind auf Federn und
Lumpen lag, angelegt hatte, umgekommen. Am Körper des jüngsten Kindes
zeigten sich überall Brandverletzungen. Schwarz verkohlt nämlich waren
die äussere Fläche der linken Oberextremität, die Geschlechtstheile,
_nates_ und die Fusszehen am rechten Fusse; braun und lederartig,
geröstet, die linke Gesichtshälfte, die linke Rumpfseite, und
endlich zeigte sich die niederere Stufe der Verbrennung, Ablösung
der Oberhaut, an der rechten Oberextremität, der linken Hand und an
beiden Oberschenkeln. Der Knabe dagegen hatte gar keine Brandwunden.
Beide Kinder waren, wie gewöhnlich bei Verbrennungen, an Erstickung
gestorben, wobei ich zunächst bemerke, dass auch in diesen beiden
Fällen wieder die Zunge ~hinter~ den Zähnen liegend, also nicht
eingeklemmt, gefunden wurde. Ganz vorzüglich ausgeprägt war in Beider
Luftröhren eine Anfüllung mit nicht sehr schaumigem, dunkel-schmutzigem
Schleim, in welchem deutlich schwarze Partikelchen (Kohle) sichtbar
waren. Beider Kinder Lungen, vorzüglich die rechten, waren mit dunkelm
und flüssigem Blute sehr überfüllt, ebenso, besonders bei dem Knaben,
die grossen Venenstämme der Brust- und Bauchhöhle. Das rechte Herz
enthielt bei diesem einen halben Esslöffel, bei dem Mädchen nur einen
halben Theelöffel eben solchen Blutes. Die Baucheingeweide waren bei
dem Mädchen gar nicht, bei dem Knaben aber die Leber und rechte Niere
hyperämisch. Beide Mägen strotzten von Aepfel- und Kartoffelbrei. Beide
Harnblasen waren leer. Die Dünndärme hatten nur bei dem Knaben ein
rosenröthliches (choleraähnliches) Ansehen, wie es sehr häufig nach dem
Erstickungstode vorkommt; die Dickdärme waren bei Beiden voll Koth. Das
Gehirn sah bei beiden Kindern eigenthümlich rosenroth auf seiner ganzen
Oberfläche aus, und auch seine Substanz war bei Beiden blutreicher als
gewöhnlich, was von den _Sinus_ nicht gesagt werden konnte. Beiläufig
bemerke ich, dass die Thymusdrüse bei dem fast siebenjährigen Knaben
noch wallnussgross war, und erinnere an die beiden Fälle S. 11 im
ersten Hundert vom Befunde dieses Organs bei einem sechs- und bei einem
funfzehnjährigen Knaben.


99. Fall.

~Tod in Folge einer Verbrennung.~

Ganz eigenthümlich war dieser Fall. Ein 2jähriges Mädchen war mit After
und Geschlechtstheilen auf ein heisses Plätteisen gefallen, und war
nach elftägigem Leiden gestorben. Die Schaamtheile fanden sich bis zum
_mons veneris_ hinauf, und nach unten und hinten bis zum Steissbein
braunroth, lederartig hart (geröstet), und der Scheidenkanal grauroth,
matschig, also gangränös. Der _Uterus_ hatte an der Gangrän keinen
Theil genommen, und innerlich war überhaupt nur die Flüssigkeit des
Blutes und die helle Röthe der Luftröhrenschleimhaut, auf der sich
sogar etwas röthlicher Schaum vorfand, sehr auffallend, da das Kind
noch 11 Tage gelebt hatte, und ein suffocatorischer Tod hiernach und
auch bei der bleichen Farbe und Blutarmuth der Lungen nicht anzunehmen
war. Wir mussten vielmehr im summarischen Gutachten annehmen, dass
das Kind an einer innern Krankheit gestorben war, die ohne Zweifel
mit den vorgefundenen Verletzungen im Zusammenhang gestanden, und
eine nähere Motivirung bis zur Kentniss der _anteacta_ und für den
Obductions-Bericht vorbehalten, der indess vom Gericht nicht erfordert
wurde.



I. Hungertod.

Wohl habe ich den merkwürdigen Fall einer fortgesetzten freiwilligen
Enthaltung von aller und jeder Nahrung bei einem körperlich und
geistig ganz Gesunden, ein absolutes, ~zehn Tage und Nächte~ hindurch
fortgesetztes Hungern erlebt, auf welche schreckliche Weise ein
verurtheilter Verbrecher sich den Tod geben wollte, und habe den Fall
früher bereits ausführlich bekannt gemacht[27]. Aber dieser Mensch
erreichte seinen Zweck nicht, fing am elften Tage wieder an, Nahrung
anzunehmen, und erholte sich sehr rasch. Aber auch anderweitig ist
mir niemals Gelegenheit geworden, die seltenste aller unnatürlichen
Todesarten, den Hungertod, in der Leiche beobachten zu können, denn
auch der unten folgende letzte Fall in dieser Centurie war nur ein
angeblicher Hungertod, und nur Einmal, vor siebenundzwanzig Jahren,
ist mir derselbe in den Akten vorgekommen, und hat mir, als damaligem
Mitgliede des hiesigen Provinzial-Medicinal-Collegii, Veranlassung
zu einem Gutachten gegeben. Der ebenso traurige, als seltene, ja
unerhörte Fall betraf eine Frau, welche ihr Arzt, ein zur inneren
Praxis nicht berechtigter Wundarzt (!), eine Inunctionskur hatte
brauchen lassen, und die derselbe so leichtsinnig geleitet hatte, dass
Verwachsungen der Kiefer entstanden, und die unglückliche Patientin den
eigentlichen und wirklichen Hungertod starb! Mein verehrter Freund und
College, Herr Geh. Ober-Medicinal-Rath Dr. _Barez_, hat, als damaliger
gerichtlicher Stadtphysikus von Berlin, die amtsärztliche Obduction der
Leiche ausgeführt, und mir freundlichst das Obductions-Protokoll zur
Mittheilung an diesem Ort auf meinen Wunsch eingehändigt. Die Section
ist mit der grössten Genauigkeit ausgeführt worden, und hat Folgendes
als die wesentlichsten Ergebnisse geliefert.

Der Leichnam war sehr abgezehrt. Der Unterkiefer ragte stark vor dem
Oberkiefer hervor, und konnte nur mit grosser Gewalt ein klein wenig
von demselben entfernt werden. Die meisten Zähne fehlten in beiden
Kiefern. Nachdem in den Mundwinkeln bis zu den Ohren eingeschnitten
war, zeigte es sich, dass im Unterkiefer noch sechs Backzähne vorhanden
waren, die aber nicht vertikal, sondern ~horizontal~ standen. Vier von
diesen Zähnen waren so locker, dass sie sich leicht ausziehen liessen.
Im Oberkiefer steckten noch vier Zähne, von denen drei gleichfalls
ganz locker waren. In der Gegend des dritten rechten Backzahns im
Unterkiefer war die Beinhaut und die Schleimhaut der Mundhöhle schwarz
von Farbe, und der obere Rand des Unterkiefers war, nachdem das Periost
abgeschabt worden, rauh anzufühlen. Der Ober- und Unterkiefer waren
rechts durch eine abnorme, feste und starke Membran verbunden. Links
war diese widernatürliche Verwachsung zwar auch vorhanden, aber weniger
beträchtlich. Die Zunge war mit den unter ihr liegenden Weichtheilen
völlig verwachsen, und bildete mit denselben nur Eine Masse, so dass
die Zungenspitze durchaus nicht in die Höhe gehoben werden konnte (!!).
Der vordere Theil der Zunge war einen Zoll lang von der Schleimhaut
entblösst, und das Muskelfleisch lag nackt da. Was nun die eigentliche
innere Besichtigung betrifft, so war der Magen so weit verengert,
dass sein _Lumen_ kaum dem des Colons gleich kam. Uebrigens war er
ganz normal beschaffen. Sein Inhalt bestand in einem Esslöffel voll
gelblich-trüber Flüssigkeit ohne auffallenden Geruch. Der Dünndarm
war gleichfalls so verengt, dass sein Durchmesser kaum die Hälfte des
gewöhnlichen betrug. Seine Farbe war die gewöhnliche, was auch von
den dicken Därmen gilt, die gleichfalls sehr verengt waren. Der ganze
Darmkanal war völlig leer. Die Leber war blass und missfarben, sehr
blutleer, und ihr Gewebe etwas härter als gewöhnlich, die Gallenblase
voll dunkler Galle. Die Milz war klein, welk, mürbe, blutleer, zum
Theil mit dem Bauchfell verwachsen. Die übrigen Unterleibsorgane waren
normal. In Brust- und Kopfhöhle war nur Anhämie hervorzuheben; das
wenige Blut im Herzen war schwarz und dickflüssig.

Das war also ein wirklicher Hungertod, und die Sections-Resultate
stimmen auch, wie man sieht, genau mit denjenigen überein, die von den
wenigen bekannt gewordenen Fällen berichtet worden sind. Beiläufig
bemerke ich, dass der fahrlässige Wundarzt zu Festungsstrafe und zum
gänzlichen Verluste des Rechtes zur Praxis verurtheilt worden ist.

Ganz anders gestaltete sich das Ergebniss der Leichenöffnung in unserm


100. Fall.

~Angeblicher Hungertod.~

Ein 48jähriger Schneidergeselle sollte angeblich erhungert sein. Der
Fall wurde sofort Stadtgespräch, und gab natürlich Veranlassung zu den
schönsten Humanitätsphrasen. Bei der gerichtlichen Obduction fanden wir
äusserlich einen allerdings sehr abgezehrten Leichnam, innerlich aber
Herzhypertrophie und Hypertrophie der Harnblasenwände als Todesursache,
und den Magen strotzend mit Kartoffelbrei angefüllt! Hiernach mussten
wir natürlich annehmen: dass _Denatus_ an einer innern Krankheit, nicht
aber den Hungertod gestorben sei.



Corollarien.


1. Was ist ein Leichnam?

Gewiss anscheinend eine sonderbare Frage, auf die ein Kind die Antwort
geben wird: ein (menschlicher) Leichnam ist der todte Körper eines
Menschen. Und dennoch ist mir ein Fall vorgekommen, in welchem das
einzuschlagende Strafverfahren von der Frage abhängig ward: was ist
ein Leichnam? und über welche Frage die Polizei-Obrigkeit und die
Staatsanwaltschaft ganz verschiedener Meinung waren. Der §. 186. des
Strafgesetzbuches bestimmt: »wer ohne Vorwissen der Behörde einen
~Leichnam~ beerdigt, oder bei Seite schafft, wird mit Geldbusse bis
zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniss bis zu sechs Monaten
bestraft. Die Strafe ist Gefängniss bis zu zwei Jahren, wenn eine
Mutter den ~Leichnam ihres unehelichen neugebornen Kindes~ ohne
Vorwissen der Behörde beerdigt oder bei Seite schafft.« Nun war eine
erst fünfmonatliche, folglich gewiss nicht lebensfähige Leibesfrucht im
Rinnstein gefunden worden, deren Mutter entdeckt wurde. Das war doch
wohl ein »Leichnam«, und deshalb wollte die Polizei-Obrigkeit aus §.
186. strafen. Die Staatsanwaltschaft aber wollte auf den Antrag nicht
eingehen, weil »was nicht gelebt hat und nicht leben konnte, auch kein
Leichnam geworden sein kann«. Dass ich, als Arzt, diese Rechtsdeduction
dahin gestellt sein lassend, mich dafür entschied, dass die Frucht, die
~gelebt, wenn auch nicht geathmet hatte~, als Leichnam anzuerkennen
sei, braucht nicht erwähnt zu werden. Durch zufällige Mittheilung habe
ich erfahren, dass in der Provinz Preussen in einem ganz gleichen Falle
unlängst ganz dieselbe Frage: was ist ein Leichnam? als juristische
Streitfrage gleichfalls aufgeworfen worden ist!


2. Die Haare bei Leichen Vergifteter,

namentlich nach narcotischen Vergiftungen, sollen sehr leicht ausgehen,
und man hat allgemein dies Zeichen als mitbeweisendes zur Feststellung
des Thatbestandes zweifelhafter Vergiftungen aufgeführt. Nun ist es
thatsächlich ganz richtig, dass, zumal nach narcotischen Vergiftungen,
die Haare an der Leiche so leicht ausgehen, dass bei dem losesten
Griff hinein man gleich einen Büschel in den Fingern behält. Ganz
irrig aber ist es, dies als ein diagnostisches Sections-Resultat für
Vergiftungen zu erklären, da es nichts Anderes ist, als ~Resultat der
Fäulniss~, die nur bekanntlich nach Vergiftungen, zumal narcotischen,
_caeteris paribus_ sehr schnell eintritt. Man kann sich bei ~jeder~
in vorgeschrittener Verwesung befindlichen Leiche von der Richtigkeit
dieser Behauptung überzeugen.


3. Der Ossificationsdefect am Kopfe Neugeborner

kommt gar nicht selten vor, und hat insofern diese Erscheinung eine
sehr wichtige forensische Bedeutung, als derselbe leicht täuschen, und
zur irrigen Annahme einer Schädelfractur aus äusserer Gewaltthätigkeit
verleiten kann, welche Annahme ihrerseits wieder, zumal vor einem
Geschworenengerichte, zu den traurigsten Folgen für eine, vielleicht
ganz unschuldige, Angeklagte führen kann. Ich habe bereits im ersten
Hundert S. 102 einen Fall dieser Art mitgetheilt, wie mir denn ähnliche
von Zeit zu Zeit fortwährend vorkommen. Bei einiger Aufmerksamkeit wird
man sich aber vor jener gefährlichen Täuschung hüten können. Zuerst
bemerke ich, dass bei reifen Kindern der Ossificationsdefect fast nur
an den beiden Scheitelbeinen vorkommt. Sodann findet man sehr häufig,
wenn man den betreffenden Knochen gegen das Licht hält, rings um die
verdächtige, offene Stelle die Knochenmasse noch in weiterm Umfange
defect, d. h. den Knochen papierdünn und durchscheinend, was natürlich
bei Fracturen nicht der Fall. Die verdächtige Oeffnung ferner ist beim
Defect gewöhnlich mit zickzackigen, strahlenförmigen Rändern versehen,
während bei Fracturen die Ränder ganz ungleich, deprimirt u. s. w.
sind. Endlich findet man bei Fissuren und Fracturen fast immer, wenn
auch nur ganz geringfügige Sugillation der Ränder in der beschädigten
Knochenstelle, beim angebornen Verknöcherungsmangel natürlich niemals.
Bei sorgsamer Erwägung dieser Merkmale kann ich versichern, in
zweifelhaften Fällen mich noch nie getäuscht zu haben.


4. Die Zeitfolge der Verwesung der innern Organe

ist ein Moment, das ich seit Jahren genau verfolgt habe, weil die
chronologischen Wirkungen des Fäulnissprocesses nicht nur an sich und
wissenschaftlich interessant sind, sondern auch in den mannigfachsten
Beziehungen zur gerichtlich-medicinischen Würdigung schwierigerer Fälle
stehen. Ich will deshalb im Folgenden meine jahrelang fortgesetzten
betreffenden Beobachtungen mittheilen, wobei ich ausdrücklich bemerke,
dass ich, um möglichst allgemein gültige Erfahrungsnormen aufzustellen,
aus meinen Notizen alle solche ausscheide, die sich auf Specialfälle,
wie namentlich auf durch Verletzungen beschädigte oder zerstörte Organe
beziehen.

1) Das am frühsten durch die Verwesung alterirte innere Organ ist die
~Luftröhre~ mit Einschluss des Kehlkopfes. Bei noch ganz frischen,
oder bei solchen Leichen, bei denen sich äusserlich am Unterleibe nur
erst einzelne grüne Flecke zu zeigen beginnen, die noch inselartig
getrennt von einander stehen, zeigt sich die Schleimhaut der _Trachea_
in ihrem ganzen Verlaufe noch todtenbleich, vorausgesetzt natürlich,
dass der Mensch nicht an Erstickung oder Laryngitis starb. Sobald aber
die Verwesung nur irgend weiter vorgeschritten ist, und meist schon bei
solchen Leichen, die im Uebrigen äusserlich noch frisch erscheinen,
bei denen aber schon der ganze Unterleib eine zusammenhängende grüne
Oberfläche darbietet, findet man, während ~alle~ übrigen innern
Organe noch keine Spur des Angegriffenseins von Verwesung zeigen,
bereits die Schleimhaut der Luftröhre verfärbt, und zwar schmutzig
kirschroth, eine Farbe, die sich dann mehr und mehr, je mehr der
allgemeine Zersetzungsprocess in der Leiche vorschreitet, zur
dunkel-braunrothen umwandelt. Ich habe zu viele Hunderte von Leichen
aus allen Lebensaltern -- und diese machen hier keinen Unterschied --
auf diesen Umstand hin sorgfältig untersucht, und niemals eine einzige
Ausnahme gefunden, um nicht die Behauptung aufstellen zu dürfen,
dass man geeigneten Falles aus diesem frühen Verwesen des genannten
Organs Schlüsse ziehen dürfe. Dies geschah vor einiger Zeit in einem
Falle, der der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen zum
Superarbitrium vorlag. Die Obducenten hatten in einem Falle von sehr
zweifelhafter Erstickung unter Anderm übersehen, die innere Fläche der
Luftröhre, sowie deren etwanigen Inhalt zu untersuchen. Die Deputation
konnte deshalb natürlich den Ausspruch derselben nicht für hinreichend
gerechtfertigt erklären, und machte ihre Gründe im Superarbitrium
geltend. Die betreffende Staatsanwaltschaft fand sich in Folge
desselben veranlasst, eine nachträgliche Erklärung der Obducenten, wie
über einige andere übersehene Punkte, so namentlich und vorzugsweise
über den eben genannten einzufordern, und dieselben gaben nunmehr aus
dem Gedächtnisse und nachdem eine längere Zeit nach der Obduction
verflossen war, zu Protokoll: dass die Luftröhre und der Kehlkopf leer,
und deren Schleimhaut blass gefunden worden seien. Nun aber ergab das
Obductions-Protokoll, dass die Leiche zur Zeit der Section bereits in
hohem Grade verwest, die Epidermis an vielen Stellen schon abgelöst
gewesen war u. s. w., und wir mussten im nachträglich eingeforderten
Obergutachten, auf Grund der hier mitgeteilten Erfahrungen, mit
Bestimmtheit erklären, dass hier ein Gedächtniss-Irrthum der Obducenten
obwalten müsse, indem ~niemals~ bei schon sehr verwesten Leichen die
Luftröhre noch unangegriffen von der Fäulniss gefunden würde, vielmehr
dies Organ dasjenige sei, das gerade am frühesten die Wirkungen
derselben zeige. Der Fall blieb sonach unentschieden, und zeigt, dass
die hier angeregte Frage keine müssige, sondern eine von entschieden
praktischer Wichtigkeit ist. -- Wie sehr dies frühe Verwesen der
Luftröhre die Beurtheilung des zweifelhaften Erstickungstodes im
Allgemeinen, namentlich des Ertrinkungstodes, erschwert, habe ich schon
früher gezeigt[28].

2) Sehr früh folgt auf die Verwesung der Luftröhre die des ~Gehirns~
bei Neugebornen und kleinen Kindern, etwa im ersten und zweiten
Lebensjahre, das bei noch ziemlich frischen Leichen sehr oft schon
so weich und weissbreiigt gefunden wird, dass man von einer genauern
Untersuchung desselben abstehen muss. Bei nur irgend schon weiter
putrefacirten Leichen kleiner Kinder aber findet man das Gehirn bereits
vollkommen verwest und aufgelöst, und es fliesst dasselbe bei der
Oeffnung des Kopfes als rosenröthlicher dünner Brei aus.

3) Länger als die Luftröhre, und als das Gehirn bei Kindern, widersteht
der ~Magen~, der aber, im Verhältniss zu den übrigen Organen, sehr
früh von der Verwesung ergriffen wird. Die ersten Spuren derselben
zeigen sich in inselartigen, schmutzig rothen, nicht umschriebenen,
ganz unregelmässigen, kleinern oder grössern Flecken im _fundus_, in
welchen man gewöhnlich einzelne blaurothe Venenstränge sieht, die die
röthlichen Flecke durchziehen. Bei zweifelhaften Vergiftungen ist es
besonders wichtig, diese Alteration zu kennen und zu beachten, um sich
dadurch nicht zu einem voreiligen Urtheil verleiten zu lassen. Je mehr
die Verwesung vorschreitet, desto mehr fliessen jene Flecke zusammen,
bis der ganze Magen die geschilderte Beschaffenheit angenommen hat.
Eine Ablösung der Schleimhaut von der _muscularis_, wie sie nach
Vergiftungen durch corrosive Gifte vorkommt, als blosses Product der
Fäulniss, ~habe ich niemals gesehen~.

4) Später als der Magen erliegen die ~Därme~, zuerst die dünnen,
der Verwesung, die sich auch ganz auf dieselbe, soeben beim Magen
beschriebene Weise verhält und vorschreitet. Wenn die Fäulniss des
Leichnams im Allgemeinen schon den höchsten Grad erreicht hat, wie z.
B. bei Leichen, die Monate lang im Wasser gelegen haben, dann sind
Magen und Darmkanal schwarzgrün, breiigt, und ihre Gewebe nicht mehr zu
erkennen.

5) Chronologisch folgt in der Mehrzahl der Fälle die ~Milz~, wenn
gleich unter Umständen, die mir unbekannt sind, dies Organ auch oft
schon früher als Magen und Darmkanal die ersten Spuren der Verwesung
zeigt. Die Milz wird dann weich, matschig, lässt sich leicht
zerdrücken, und wenn sie weiter in Putrefaction vorgeschritten, so wird
sie stahlblau-grün, und so weich, dass man mit dem Messerstiel sie
abschaben kann.

6) ~Netze und Gekröse~. Je fetter dieselben, desto leichter unterliegen
sie zwar der Fäulniss, doch widerstehen sie im Allgemeinen etwas
länger als die bisher aufgezählten Organe. Die Verwesung ist leicht in
ihnen an der schmutzigen Färbung zu erkennen, und kann zu bedenklichen
Verwechselungen keinen Anlass geben.

7) Erst nach allen diesen Eingeweiden beginnt die ~Leber~ zu verwesen,
die oft noch mehrere Wochen nach dem Tode fest und frisch und wie
gewöhnlich gefärbt ist. Die Verwesung beginnt auf ihrer convexen
Fläche. Die Leber verfärbt sich hier, wird schillernd grün, welche
Farbe vorschreitend später das ganze Organ zeigt, dann wird sie grau
und endlich fast schwarz. Mit dem Vorschreiten der Putrefaction
erweicht sich das Parenchym.

8) Länger noch als die Leber widersteht das ~Gehirn bei Erwachsenen~.
Die ersten Spuren der Verwesung zeigen sich auch im Gehirn, und zwar
meistentheils zuerst auf seiner Grundfläche, in einer hellgrünen
Färbung, die sich später mehr und mehr ausbreitet, und von der
Cortical- in die Mark-Substanz fortsetzt und verfolgen lässt. Die
auffallende Erscheinung des so frühen Verwesens des Gehirns bei kleinen
Kindern und des verhältnissmässig späten bei Erwachsenen erklärt sich
wohl aus der weichen und _resp._ festen Consistenz des Organs in beiden
Lebensaltern. Ehe vollends das Gehirn des Erwachsenen sich ganz in
jenen röthlichen Brei auflöst, den man so früh im kindlichen verwesten
Gehirn beobachtet, müssen mehrere Monate nach dem Tode verflossen
sein. Jedoch reichen schon 14 Tage bis 3 Wochen hin, um das Organ
so zu erweichen, dass eine genauere anatomische Untersuchung nicht
mehr möglich ist, was namentlich bei spät aufgefundenen Leichen von
Menschen, die muthmaasslich ertrunken oder erhängt waren, oder wo sonst
der Befund im Gehirn von Erheblichkeit sein musste, sehr störend ist.

9) Es folgen nunmehr in der Zeitfolge der Verwesung die spät faulenden
Organe, und unter ihnen zunächst das ~Herz~. Dieser straffe, derbe
Hohlmuskel widersteht sehr lange, und man wird es noch ganz frisch
finden, wenn Magen, Därme, Netze u. s. w. schon bedeutend in Verwesung
vorgeschritten sind. Allmählig erweicht sich dann das Herz, namentlich
zuerst die Trabekeln, dann aber auch die Wände, es wird matschig,
grünlich, zuletzt endlich graugrün, wie alle Organe.

10) Etwa in derselben Zeit mit dem Herzen, zuweilen schon früher,
beginnen die ~Lungen~ die Wirkung des Zersetzungsprocesses zu
zeigen. Bei Leichnamen, die äusserlich schon die höchsten Grade von
Putrefaction zeigen, wie Ablösung der Oberhaut, dunkelgrüne Färbung,
entschiedensten specifischen Geruch u. s. w., findet man sehr häufig
mit allen spät faulenden Eingeweiden auch die Lungen noch ganz wohl
erhalten. Bekanntlich bildet diese unbestreitbare Thatsache ein
wichtiges Argument gegen die Einwürfe der Theoretiker (_Henke_) in
Betreff der Beweiskraft der Athemprobe, namentlich des hydrostatischen
Experimentes. Denn wenn Lungen eines Neugebornen, dessen Leiche noch
frisch ist, oder selbst nur erst die frühsten Spuren der Verwesung,
wie grünliche Bauchdecken, zeigt, sich auf der Wasserfläche schwimmend
erhalten, so kann wohl vom Schreibtisch her, aber nicht nach den
Erfahrungen am Secirtisch, angenommen werden, dass sie möglicherweise
wegen Fäulniss schwimmen, denn niemals faulen die Lungen so früh. --
Die ersten Spuren der Verwesung in den Lungen zeigen sich in hirsekorn-
bis bohnengrossen Fäulnissblasen, die durch Gasansammlung unter der
_Pleura_ entstehen, und wirklich so leicht kenntlich sind, dass schon
darin ein ganz einfaches diagnostisches Zeichen der Fäulniss erkannt
werden muss, und auch in dieser Beziehung ein Schwimmen der Lungen
wegen Fäulniss unschwer als solches zu erkennen ist. Diese Blasen
stehen Anfangs einzeln; später bilden sich mehr und mehr, so dass man
dann ganze Lappen, namentlich auch vorzugsweise die untere Basis beider
untern Lungenlappen, dicht mit denselben besäet findet. Im weitern
Verlauf des Verwesungsprocesses werden die Lungen weich, dunkel,
zuletzt breiig und fast schwarz.

11) Erst nach den Lungen und dem Herzen werden die harten, festen
~Nieren~ von der Fäulniss ergriffen, die man niemals, so wenig wie
Eines der hier als spät faulend bezeichneten Organe, in einer frischen
oder nur halbverwesten Leiche putrid ergriffen finden wird. Noch
länger hält sich

12) die ~Harnblase~, die, gleichviel ob leer oder gefüllt, erst zu
faulen beginnt, wenn alle oben genannten Organe bereits in Verwesung
vorgeschritten sind.

13) Die ~Speiseröhre~ fault noch später, und hält sonach keinesweges in
Beziehung auf den Zersetzungsprocess gleichen Schritt mit dem übrigen
Theil des Darmkanals.

Von der Harnblase, der Speiseröhre und

14) dem ~_Pancreas_~ gilt der Satz, dass man eine schon ganz und gar
verweste Leiche vor sich haben muss, um auch diese Organe bereits vom
Fäulnissprocess ergriffen zu sehen. Aber auch sie, die man sämmtlich
nach Monaten nach dem Tode noch frisch oder ziemlich frisch findet,
werden endlich ergriffen, während

15) die ~Gebärmutter~ noch wohl conservirt gefunden wird. Ich habe
schon früher[29] diese Beobachtung mitgetheilt, und fortwährend
überzeuge ich mich von deren Richtigkeit. Der _Uterus_ unterliegt am
spätesten unter allen Weichgebilden dem Verwesungsprocesse. Wie wichtig
diese Thatsache in Betreff zweifelhafter Schwangerschaften, die zur
Zeit des Todes bestanden haben sollen, werden kann, dafür bitte ich den
denkwürdigen 57. Fall im ersten Hundert zu vergleichen, in welchem wir
in einer Leiche, die nur noch aus einem Fettwachsgebilde und zum Theil
aus den, aus ihren Verbindungen gelösten Knochen bestand, den _Uterus_
noch vollkommen frisch und derb fanden. Auch neugeborne weibliche
Früchte machen hierin keinen Unterschied. Gerade solche Leichen kommen
uns häufig in den höchsten Verwesungsstadien vor, was in der Natur
der Sache liegt, da in einer so grossen Stadt wie Berlin fortwährend
todtgeborne, oder bald nach der Geburt verstorbene, uneheliche
neugeborne Kinder, theils um die Geburt zu verheimlichen, theils um die
Kosten der Beerdigung zu ersparen, heimlich beseitigt und in Abtritte,
Cloaken, Rinnsteine geworfen, oder in Kellern, Gärten u. s. w.
beerdigt, und dann oft erst nach sehr langer Zeit aufgefunden werden.
Immer aber finden wir die Gebärmutter noch sichtlich erhalten, wenn
auch alle Eingeweide schon ganz durch Fäulniss unkenntlich geworden
sind.

Nach meinen Beobachtungen ist also die Reihenfolge, in welcher die
Weichgebilde von der Verwesung ergriffen werden, folgende:

     1) Luftröhre und Kehlkopf.
     2) Gehirn bei Neugebornen und kleinen Kindern.
     3) Magen.
     4) Darmkanal.
     5) Milz.
     6) Netze und Gekröse.
     7) Leber.
     8) Gehirn bei Erwachsenen.
     9) Herz.
    10) Lungen.
    11) Nieren.
    12) Harnblase.
    13) Speiseröhre.
    14) Bauchspeicheldrüse.
    15) Gebärmutter.


5. Wollhaare im Fötus-Meconium.

Ueber diese physiologisch wichtige, neuerlichst angeregte Frage haben
zwei meiner fleissigen Herrn Zuhörer in meinem forensischen _Practicum_
mikroskopische Versuche angestellt, die ich um so lieber hier
mittheile, als sie die Thatsache, dass der Fötus schlucke, ausser allem
Zweifel setzen. Denn ein etwaniges blosses passives Hinunterfliessen
der im Fruchtwasser schwimmenden abgelösten Wollhaare kann, nach den
Versuchen und Beobachtungen über den Ertrinkungstod bei Thieren und
Menschen, meiner Ueberzeugung nach, nicht angenommen werden.

I. Herr _Stud. med. Lebius_ hat das Meconium von zwei von uns
obducirten Neugebornen mikroskopisch untersucht. In beiden Fällen
fanden sich, ausser den gewöhnlichen Gemengtheilen des Meconiums
(losgestossenem Darmepithelium, durch Gallenfarbstoff grünlich gefärbt,
Gallenfettcrystalle, welche theils in vollständig ausgebildeten
rhombischen Tafeln mit dem für das Cholesterin charakteristischem
einspringenden Winkel, theils in noch nicht auscrystallisirten Formen
zur Anschauung kamen, endlich Schleim und Fett in geringer Menge) --
~eine grosse Menge~ feiner Wollhaare, die sich von den Haaren der
Erwachsenen besonders dadurch unterschieden, dass sich an ihnen eine
Markröhre nicht erkennen liess, und die daher nur durch einfache
Contoure begränzt waren. Es muss noch bemerkt werden, dass das Meconium
in beiden Fällen, um es von jeder fremden Beimischung frei zu erhalten,
mit dem betreffenden Darmstücke entnommen, und erst behufs und bei der
Untersuchung aus dem Darm genommen wurde.

II. Der hiesige praktische Arzt Herr _Dr. Schulz_ hat ~zehn~ Fälle
untersucht, fünf von obducirten Leichen und fünf von lebenden
Kindern. 1) Leiche eines reifen, weiblichen Kindes. Meconium reich an
Wollhaaren. 2) Eben solche Leiche, obducirt an demselben Tage; das
Meconium mässig reich an Wollhaar. 3) Leiche eines reifen männlichen
Kindes; das Kindspech enthielt wenig _Lanugo_. 4) In dieser Leiche
eines reifen weiblichen Kindes zeigte sich nur sparsam Wollhaar im
Darmkoth. 5) Leiche eines reifen männlichen Kindes mit sehr wenig
Wollhaar im Meconium. 6) Das Meconium von einem 6 Stunden alten Kinde
enthielt mässig _Lanugo_. 7) Ein 38 Stunden altes Kind hatte reichliche
Wollhaare im Koth; ebenso 8) ein vor 10 Minuten geborenes Kind. 9)
Ein Knabe; in den ersten 24 Stunden nach der Geburt enthielt das
Kindspech wenig Wollhaar, in den zweiten 24 Stunden mehr. Am dritten
Tage war der schon helle Darmkoth noch reicher damit versehen; am
vierten fanden sich weniger, zum Theil bereits in Auflösung begriffene
Wollhaare. Am siebenten Tage, an welchem Rhabarbersaft angewandt worden
war, wenige und meist aufgelöste Wollhaare; am achten und neunten
Tage nur noch Spuren davon. 10) Bei einem weiblichen Neugebornen
wurden bis zum fünften Tage die Excremente untersucht. Sie enthielten
täglich Wollhaare, jedoch in den zwei letzten Tagen schon in Auflösung
begriffene.

Bei ~allen~ zwölf hier aufgezählten Kindern ohne Ausnahme also sind
mehr oder weniger Wollhaare im Meconium gefunden worden. Kann man
hiernach nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass man sie im
Darmkoth ~jedes~ Fötus und Neugebornen finden werde?



Anhang.



I. Obductions-Protokoll,

betreffend

die Todesart des Pöhlmann'schen Kindes.

(Siehe 44. Fall. S. 59.)


    Verhandelt ~Berlin~, den 27. September 18--.

Zur Besichtigung und Obduction des am 24. September auf dem Wege nach
Stralau in einem Korbe gefundenen Kindes, hatten die Unterzeichneten
sich heute nach dem Obductionshause der Königl. Charité begeben,
woselbst sie antrafen:

    1) }
    2) } Zeugen;
    3) }
    4) den Geh. Medicinal-Rath u. s. w. Herrn Dr. _Casper_;
    5) den _Chir. forens._ Herrn _Wernecke_.

Es wurde hierauf zur Obduction des Leichnams geschritten, welche
Folgendes ergab:


A. Aeussere Besichtigung.

    1) Der männliche, 2 Fuss 7 Zoll lange, gegen 2 Jahre alte, ziemlich
    abgemagerte Körper hat nur sparsame blonde Haare, blaue Augen und
    noch nicht vollständig durchgebrochene Zähne, hinter welchen die
    Zunge liegt.

    2) Die allgemeine Farbe ist die gewöhnliche Leichenfarbe, und die
    Bauchdecken sind von der Verwesung grünlich gefärbt. Leichenstarre
    ist nicht vorhanden.

    3) Mit Ausnahme der Nase, an welcher sich etwas angetrockneter
    Schleim befindet, und der beiden Hände, an welchen etwas trockener
    Darmkoth sichtbar, ist der Körper sehr rein.

    4) Der After ist geschlossen und in ihm, wie in den übrigen
    natürlichen Höhlen, fremde Körper nicht zu entdecken.

    5) Hals und Geschlechtstheile sind natürlich beschaffen.

    6) Auf der Mitte des rechten Scheitelbeins zeigt sich ein
    unregelmässig rundlicher, silbergroschengrosser, braunrother, hart
    zu schneidender Fleck, der bei Einschnitten keine Sugillation
    ergiebt. Diagonal über dem Schuppentheil des rechten Schlafbeins
    von oben nach unten und von vorn nach hinten zeigt sich ein 1-1/2
    Zoll langer, 2 Linien breiter, blauer Streifen, in dessen Tiefe bei
    Einschnitten sich etwas sugillirtes Blut findet. Die Bedeckungen am
    Hinterkopfe erscheinen nicht verfärbt.

    7) Auf der ganzen linken Seite des Kopfes, sowie den ganzen Rücken
    entlang, zeigen sich mehr als 60 kleine, hirsekorngrosse, meist
    länglich gestaltete, blaue Fleckchen, die hart zu schneiden sind,
    und bei denen, mindestens den grössern, sich auch Sugillation in
    der Tiefe ergiebt. Grössere Flecke dieser Art zeigen sich auf der
    Stirn und auf der Mitte beider Becken; unter diesen Flecken sind
    einzelne bis zu 1/4 Zoll lang und 2 bis 3 Linien breit.

    8) Kleine Abschilferungen der Oberhaut finden sich auf der linken
    Seite des Halses gegen den Nacken zu.

    9) Am rechten Vorderarm, 1 Zoll vom Ellenbogengelenk entfernt,
    findet sich ein silbergroschengrosser ~bläulicher Fleck~,
    nicht hart zu schneiden, aber in der Tiefe Sugillation ergebend.
    Bei näherer Besichtigung findet sich, dass an allen Extremitäten,
    an der vordern wie hintern Fläche, ~zahllose Stellen~
    dieser Art vorhanden sind, die sich äusserlich nur durch
    eine schwachbläuliche Farbe von der allgemeinen Leichenfarbe
    unterscheiden, keine Abschilferung der Oberhaut ergeben, deshalb
    auch leicht zu schneiden sind, aber sämmtlich sugillirtes Blut bei
    Einschnitten zeigen.

    10) An der rechten Seite des Körpers, von der fünften Rippe
    anfangend bis zum Hüftbein hinunter, finden sich 17 bis 18 blaue,
    meist parallel laufende, 1 bis 3 Zoll lange, weich zu schneidende
    Streifen, die gleichfalls bei Einschnitten Sugillation ergeben.
    Zwei solcher, halbkreisförmiger Streifen laufen, 1 Zoll vom Nabel
    entfernt, rechts, über den Unterleib weg.

    11) Die Gegend des Kreuzbeins und beide _Nates_ zeigen eine
    bläuliche Färbung, und auch hier ergeben Einschnitte Sugillation in
    der Tiefe.

    12) Auf der linken Seite des Bauches, gerade über der obern Gräthe
    des Hüftbeinkammes, findet sich ein fast runder, braungrüner,
    hart zu schneidender Fleck, unter welchem sich jedoch keine
    Blutunterlaufung ergiebt. Ein ganz ähnlicher, und braunroth
    gefärbter Fleck mit Abschilferung der Oberhaut findet sich an der
    innern Seite des rechten Knies und auf dem linken Hüftbein, 1 Zoll
    vom Rande desselben entfernt.

    Sonst ist bei der äussern Besichtigung nichts zu bemerken.


B. Innere Besichtigung.


I. ~Eröffnung der Kopfhöhle.~

    13) Nach kunstgemässer Zurückschlagung der weichen Bedeckungen
    zeigen sich dieselben von innen an ihrer hintern Hälfte durchweg
    mit dunkelm Blut infiltrirt und nun entdeckt man bei genauer
    Besichtigung eine sternförmige Fissur, deren Mittelpunkt 3/4
    Zoll über der Protuberanz nach links hinüber anfängt und sich
    von hier in drei Strahlen oder unregelmässig zackigen Rissen
    durch das Hinterhaupt erstreckt. Der eine derselben setzt sich
    in unregelmässigem Zickzack noch 2 Zoll weit auf das rechte
    Scheitelbein fort, und ein zweiter, eben solcher, pflanzt sich bis
    in den Schuppentheil hinein, im Ganzen 2-1/2 Zoll weit fort. Ein
    dritter Spalt erstreckt sich im Hinterhaupte bis zum grossen Loch
    hinunter. Die Risse haben eine Dimension von höchstens 1/4 Linie
    und erscheinen roth vom unterliegenden Blute.

    14) Die Schädelknochen wurden hierauf abgesägt. Sie waren von
    gewöhnlicher Dicke, und mit Ausnahme des schon beschriebenen
    unverletzt, aber an den Sprungstellen in ihrer Diploe mit Blut
    infiltrirt.

    15) Ebenso unverletzt waren auch die Gehirnhäute.

    16) Das Gehirn, das den Schädel vollkommen ausfüllte, war in
    den Venen seiner Oberfläche sehr stark mit Blut gefüllt, ebenso
    blutreich war auch seine Substanz und die Venen der Grundfläche des
    Gehirns.

    17) In den Ventrikeln _resp._ in ihren Adergeflechten ist nichts
    Besonderes zu bemerken.

    18) Dasselbe gilt von der Brücke, dem verlängerten Marke und

    19) dem gesammten kleinen Gehirn, das nur ebenfalls sehr blutreich
    ist.

    20) Sämmtliche _Sinus_ strotzten von dunkelm, halb geronnenem Blute.

    21) Ein eben solches, nur flüssiges Blut in der Menge von 6
    Quentchen findet sich frei auf der Schädelgrundfläche.

    22) Die innere Besichtigung ergiebt ferner und bestätigt das oben
    Gesagte, dass der senkrechte Riss im Hinterhauptsbein sich bis zum
    grossen Loch hinunter erstreckt, so dass das Hinterhauptsbein in
    seinen beiden Hälften hin und her bewegt werden kann. Die Umgegend
    dieser Ränder zeigt sich mit Blut unterlaufen. Im Uebrigen ist die
    Schädelgrundfläche unverletzt.


II. ~Eröffnung der Brusthöhle.~

    23) Die Eingeweide befanden sich in ihrer natürlichen Lage; die
    Lungen sind in Beziehung der Farbe, Consistenz und des Blutgehalts,
    welcher nicht bedeutend ist, vollkommen normal.

    24) Ebenso natürlich und vollkommen leer beschaffen ist die
    Luftröhre. Die Thymusdrüse ist noch nicht ganz geschwunden.

    25) Vom natürlich beschaffenen Herzen ist nur zu erwähnen, dass
    dasselbe in seinen Kranzadern, wie in sämmtlichen Höhlen fast
    vollkommen blutleer ist. In dem Herzbeutel war die gewöhnliche
    Quantität Wasser enthalten.

    26) Die grossen Blutadern dieser Höhle enthalten nur wenig Blut.

    Sonst ist bei dieser Höhle Nichts weiter zu bemerken.


III. ~Eröffnung der Bauchhöhle.~

    27) Nach kunstgemässer Entfernung der äussern Bedeckungen zeigen
    sich die Eingeweide in ihrer natürlichen Lage.

    Die Leber und die mässig angefüllte Gallenblase sind vollkommen
    gesund.

    28) Der natürlich beschaffene Magen ist zu 1/3 mit dünnem
    Kartoffelbrei angefüllt.

    29) Die Speiseröhre ist leer.

    30) An der Bauchspeicheldrüse, sowie

    31) an der sehr blutarmen Milz ist so wenig etwas zu bemerken, als

    32) an beiden Nieren.

    33) Die Harnblase ist natürlich beschaffen und leer.

    34) Von Netzen und Gekröse ist nur zu bemerken, dass in letzterm
    sich zahlreiche Scropheldrüsen befinden.

    35) Die Därme sind gesund beschaffen und leer.

    36) Die grossen Blutaderstämme dieser Höhle sind mässig mit
    halbgeronnenem Blute gefüllt.

Da sonst Nichts weiter zu bemerken war, so wurde die Obduction hiermit
geschlossen, und die Obducenten gaben ihr Urtheil dahin ab:

    1) dass das Kind an den oben _sub_ 13, 14, 21 und 22 beschriebenen
    Verletzungen gestorben sei;

    2) dass diese Verletzungen so beschaffen, dass dieselben in dem
    Alter des Verletzten nothwendig und unter allen Umständen für sich
    allein den Tod zur Folge haben mussten;

    3) auf Befragen, dass die geschilderten Kopfverletzungen durch
    Schläge mit der blossen Hand, oder mit der Faust, oder mit dem
    dicken Ende einer gewöhnlichen Ruthe nicht hervorgebracht sein
    können,

    4) auf Befragen, dass ein Fall des Kindes aus der Wiege
    vier Tage vor seinem Tode möglicherweise, aber nicht einmal
    wahrscheinlicherweise, die beregten Kopfverletzungen veranlasst
    haben kann, worüber sich Obducenten ein gewisseres Urtheil bis zur
    Kenntniss der _Anteacta_ vorbehalten müssen:

    5) bemerken Obducenten noch, dass aus der obigen Bejahung (_sub_ 2)
    der ersten Frage des §. 169. der Criminal-Ordnung die Verneinung
    der beiden übrigen logisch folgt.

        v.         g.           u.

    _Casper.                Wernecke._

        a.         u.           s.

    _Spaethen.              Dressel._



II. Besichtigungs-Protokoll,

betreffend

ausgegrabene Knochen eines neugebornen Kindes.


    Verhandelt ~Charlottenburg~, den 28. Mai 18--.

In Sachen, betreffend die Ermittelung der Todesart des Kindes, dessen
Gebeine am 16. d. M. im Garten des Kaufmanns _Peitzer_ vergraben
aufgefunden, verfügten sich heute die unterzeichneten Gerichtspersonen
nach dem Krankenhause, woselbst sie antrafen:

    u. s. w.

    Es war hierauf erschienen

    der Geheime Medicinal-Rath, Physikus Herr Dr. _Casper_.

Demselben wurde der Inhalt des Paketes, welches vorstehend recognoscirt
worden, zur Untersuchung übergeben, und derselbe aufgefordert, die
Besichtigung der aufgefundenen Gebeine und Substanzen vorzunehmen,
deren Inhalt und deren Beschaffenheit genau zu bemerken, und sich
gutachtlich darüber zu erklären:

    ob die aufgefundenen Gebeine und Substanzen zu dem Körper eines
    neugebornen, lebendig gewesenen, oder wie alten Kindes gehört, und
    vor wie langer Zeit ungefähr _event._ der Tod des Kindes erfolgt
    sein kann?

Es wurden endlich noch dem Herrn Geheimen Medicinal-Rathe _Casper_
diejenigen 8 Knochen vorgelegt, welche am 24. d. M. in Gegenwart
der Unterzeichneten durch den Knecht _Schulze_ an dem _qu._ Orte
aufgefunden worden, wie dies die Verhandlung vom 24. d. M. ergiebt.

Hierauf äusserte sich der Geheime Medicinal-Rath Herr Dr. _Casper_
gutachtlich wie folgt:

Die mir vorgelegten Substanzen bestehen

    _a_) in einem groben, linnenen, mit einer verrosteten Stecknadel
    zusammengesteckten Lappen, der anscheinend weiss gewesen, und durch
    den sichtlich darauf befindlichen Kalk vielfach zerfressen ist;

    _b_) aus grossen Mengen grösserer oder kleinerer, talgartiger,
    gelblich weisser, schmieriger, an der Flamme schmelzender
    Massen, die sich deutlich wie sogenanntes Fettwachs verhalten.
    Einzelne der nachher zu beschreibenden Knochen, namentlich die
    beiden Oberschenkelbeine, das Stirnbein, die Hüftbeine und
    Unterkieferbeine sind noch mehr oder weniger in diesem Fettwachs
    eingehüllt, wie es denn überhaupt eine lange und mühsame Arbeit war,

    _c_) die gefundenen Knochen _resp._ aus dem Sand, Kalk, Lappen und
    Fettwachs möglichst einzeln zu gewinnen.

    Dieselben bestehen in:

    1) einem dreifach zerspaltenen Scheitelbeine, an seinem grössten
    Durchmesser 3-1/2 Zoll lang _resp._ 2-3/4 Zoll breit, mit
    Fettwachs, Sand und Kalk verunreinigt;

    2) dem grössten Theile eines Hinterhauptbeins von dreieckiger
    Gestalt mit deutlicher äusserer Protuberanz, von seiner Basis bis
    zur Spitze 2-3/8 Zoll hoch und 2-1/2 Zoll breit;

    3) einem halbmondförmigen Fragment eines Scheitelbeins, 2 Zoll hoch
    und 2-1/2 Zoll breit, an welchem noch einzelne gleich weiter zu
    beschreibende Haare kleben;

    4) einem Stirnbein mit deutlich entwickeltem Höcker, vom
    Augenhöhlenfortsatze bis zur Spitze 2 Zoll hoch und ebenso breit;

    5) zwei Unterkieferbeinen, jede Hälfte 2 Zoll lang, Höhe in der
    Mitte 3/8 Zoll;

    6) einem unförmlichen, dünnen und flachen Knochenstückchen, was
    muthmaasslich dem Siebbeine angehörte;

    7) zwei Oberkieferbeinen, 13 Linien breit und 11 Linien hoch;

    8) einem vielfach zerrissenen, etwa 2-1/2 Zoll langen und 1 bis
    1-1/2 Zoll breiten, postpapierdicken Fetzen, der offenbar der
    sehnigten Schädelhaube angehörte, und an welchem sich sehr deutlich
    ziemlich viel hellblonde Haare von bis zu 3/4 Zoll Länge vorfinden;

    9) 5 Fragmenten von Wirbelbeinen, wovon 3 mit deutlichen
    Dornfortsätzen; mit einem scharfen Messer lassen sich die Körper
    derselben trennen, und wird das schwammige Gefüge deutlich sichtbar;

    10) einem bedeutenden Stück Fettwachs, woraus die beiden Hüftbeine
    entwickelt worden. Dieselben sehr deutlich erhalten sind _resp._ 15
    Linien hoch und 17 Linien breit;

    11) in der Nähe derselben lag im Fettwachse eingehüllt eine
    braungelbliche, schmierige Masse, bei näherer Untersuchung
    auf einem dünnen Häutchen aufliegend, die sogleich nicht nur
    dem Ansehen, sondern auch dem von allen Anwesenden anerkannten
    Kothgeruche nach, für Darmkoth -- Kindspech -- erklärt wurde;

    12) einem Oberarmbeine, 2-1/2 Zoll lang, an seinem unteren Ende
    5/8 Zoll, an seinem oberen 1/2 Zoll breit, mit dem Messer in der
    Mitte nicht zu zerschneiden; dicht am Knochen liess sich noch
    beim Abschaben ein braunrothes, gleichsam muskelartiges Gefüge
    wahrnehmen;

    13) dem linken Schlüsselbeine, 25 Linien lang, von festem Gefüge;

    14) dem linken Schulterblatte, 16 Linien lang, 1 Zoll in seinem
    grössten breiten Durchmesser; das _acromion_, deutlich vorhanden,
    ragt über dem Gelenktheile 2 Linien hervor;

    15) einem Fragmente vom rechten Schulterblatte mit deutlicher
    Gräthe;

    16) 12 Rippen, wovon die kleinste etwa 2 Zoll, die grösste 2-1/2
    Zoll lang ist; auch das Gefüge dieser Knochen ist so hart, dass
    sie sich mit dem Messer nicht zerschneiden lassen. Die Biegung der
    Rippen ist sehr stark;

    17) beiden Oberschenkeln, _resp._ 3 Zoll lang, am Pfannenende 1/2
    Zoll dick, in der Mitte 1/4 Zoll, im Durchmesser 1/4 Zoll, am
    Knieende 6/8 Zoll breit; das Gefüge am Körper ist sehr hart, die
    Trochanteren lassen sich deutlich wahrnehmen;

    18) zwei Schien- und zwei Wadenbeinen, die Schienbeine _resp._
    2-1/2 Zoll lang, an ihrem obern Ende einen halben, an ihrem untern
    5/8 Zoll breit, in der Mitte des Körpers 3 Linien breit; beide
    Wadenbeine genau 2-1/8 Zoll lang, am obern Ende 2-1/2 Linien, am
    unteren 3 Linien breit.

Nach obigem Befunde gebe ich mein Gutachten auf die mir vorgelegt
werdenden Fragen dahin ab:

    1) dass die untersuchten Knochen einem menschlichen Kinde angehört
    haben;

    2) dass ihre Configuration, Beschaffenheit und Dimensionen
    beweisen, dass das Kind jedenfalls ein lebensfähiges und höchst
    wahrscheinlich ein vollständig ausgetragenes gewesen sei;

    3) dass über das Leben desselben in oder nach der Geburt sich gar
    nichts, auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit bestimmen lässt;

    4) dass das Kind wahrscheinlich nicht länger als 1 bis 1-1/2 Jahre
    in der Erde gelegen habe.

       v.        g.           u.

              _Casper._

       a.        u.           s.

    _Kolk.                 Bredow._



Inhalts-Register.


(Die beigesetzten Zahlen beziehen sich auf die Seiten.)

    Aortenbogen, Schuss in denselben 28.

    Athemprobe 123. 126. 127. 128. 129. 138. 139.

    Axthiebe, tödtliche 43.


    Bajonett-Wunde, tödtliche 55.

    Balgerei, tödtliche 87.

    Bauchwunde, penetrirende 55.

    Blut, Farbe desselben bei Ertrunkenen 113.

    Blut, geronnenes, bei einem todtgebornen Kinde 133.

    Brüche der Extremitäten, tödtlich 16. 57. 69.

    Bruch von Halswirbeln 15.

    Bruch des Brustbeins 52.

    Bruch des Oberschenkels, tödtlich 16. 57.

    Bruch des Oberarms, tödtlich 57.

    Bruch des Unterschenkels, tödtlich 67.

    Bruch des Schaambeins 18.


    Chloroformirung, tödtliche 151.
    _Cruralis_, s. Schenkelschlagader 3.


    Dünndarm zerschossen 22.


    Erdrosselung 95. 101.

    Erfrierungstod des Neugebornen 141.

    Erhängung in vollkommen stehender Stellung 92.

    Erhängen 88.

    Erstickungstod eines zwei Tage alten Kindes 137.

    Erstickungstod 77-104.

    Erstickungstod aus innern Ursachen 83. 94.

    Ertrinkungstod 105-121.

    Ertrinkungstod, neues Zeichen desselben 109.


    Fall in einen Keller, tödtlich 50.

    Fall von einer Treppe, tödtlich 51.

    Fettwachsbildung 133.


    Gehirn, Ruptur desselben 14.

    Gehirneiterung nach Kopfverletzungen 37. 39. 43. 45. 46. 65.


    Haare, ihr Ausgehen bei Vergifteten 174.

    Halswirbel, Bruch desselben 15.

    Harnblase bei Ertrunkenen 111.

    Herz, Schusswunde in dasselbe 27. 30. 33. 35.

    Herzbeutelwunde 89.

    Hirnhämorrhagie, ob bei Ertrunkenen vorkommend? 110.

    Hohlvene, Schuss in dieselbe 28. 30.

    Hungertod, Fall, 169;
      angeblicher 172.


    Infanterie- und Kavalleriesäbel als tödtliche Werkzeuge 46.

    Kehldeckel, sein Stand bei Ertrunkenen 110.

    Knochen, ausgegrabene, eines Kindes;
      Protokoll darüber 193.

    Kopfschusswunde 21. 23.

    Kopfverletzungen 10. 14. 21. 23. 24. 25. 29. 32. 37-51. 59. 64. 118.

    Kugeln, ihre Eingangs- und Ausgangsöffnung schwer zu unterscheiden
    20.

    Kunstfehler der Medicinalpersonen, über dieselben 152.

    Kupfersulphat, grosse Dosen desselben 156.


    Leberhiebwunde, tödtliche 54.

    Leberrisse, wie sie vorkommen 12.

    Leichnam, was ist ein? 173.

    Lethalitätslehre 1.

    Luftröhre, verwest am frühesten 81.

    Luftröhre, Zerreissung derselben 15.

    Lunge, Schusswunde in dieselbe 27. 28. 29. 30. 31. 33.

    Lungen, ihr Ansehn bei Ertrunkenen 112.

    Lungen, Sinken Einer, Schwimmen der Andern 139.

    Lungen einer verwesten Leiche sinken 127. 128.

    Lungen, deren Farbe als Kriterium der Athemprobe 123. 134. 135.

    Lungen, Sinken Einer, bei einem zwei Tage alten Kinde 138.


    Meconium, enthält Wollhaare 183.

    Milz-Hypertrophie, merkwürdige 75.

    Misshandlungen, tödtliche 59. 75. 76.

    Mittelfleisch, Berstung desselben 11.

    Mord durch Erdrosselung 95. 104.

    Mord durch Erstickung 77.

    Mord durch Ertränken 114. 117.

    Mord durch Kopfverletzungen 39. 43.

    Mord durch Strangulation 84.


    Nabelschnur, Trennung derselben am Nabel 143.

    Nabelschnur, ihre Ränder 125.

    Netz und Dünndarm zerschossen 22.

    Neugeborne, zweifelhafte Leben und Todesarten derselben 121-146.

    Nothzucht und Mord 84.


    Obduction, Ursprung des Wortes 6.

    Obductions-Protokoll, ein ausführliches 186.

    Oberarm, tödtlicher Bruch desselben 57.

    Oberschenkel, tödtlicher Bruch desselben 57.

    Oberschenkelbruch, tödtlich 16.

    Ossificationsdefecte am Kopfe der Neugebornen 174;
      ihre Verwechselung mit Fracturen 175.


    _Penis_, Zusammengezogensein desselben als neues Zeichen des
    Ertrinkungstodes 109.


    Risse, tödtliche, s. Ruptur.

    Rückenmark, Verletzung desselben 52.

    Rückenmark, Schusswunde in dasselbe 26.

    Ruptur des Herzbeutels 50.

    Ruptur des Gehirns 14.

    Ruptur der Leber 12. 13. 50. 52. 53.

    Ruptur der Luft- und Speiseröhre 15.

    Ruptur der Milz 51.

    Ruptur des Rückenmarkes 52.


    Säbelhiebe, tödtliche 45. 46. 49.

    Schenkelschlagader, Schuss in dieselbe 31.

    Schuppentheil vom Schlafbein abgesprengt 10.

    Schusswunden, tödtliche, 19 Fälle 19.

    Schusterhammer, Tödtung durch denselben 39.

    Schwefelsäure, Vergiftung 149.

    Selbsterwürgung in liegender Stellung 101.

    Selbstmord durch Erhängen 88. 89. 92.

    Spätgeburt, zweifelhafte 130.

    Speiseröhre, Zerreissung derselben 15.

    Spitzkugeln, wie sie wirken 19.

    Strangmarke 89. 98.

    Strangmarke durch die Nabelschnur 159.

    Sturz, tödtlicher, des Neugebornen 135.

    Suffocation s. Erstickungstod.

    Sugillation, Fehlen derselben bei schweren innern Verletzungen 13.
    51. 54.


    Todtschlag durch Kopfverletzungen 59. 64.

    Todtschlag durch Säbelhiebe 45. 46. 49.

    Tödtlichkeit, s. Lethalitätslehre.

    Tödtung der Kreissenden, angeblich durch Schuld der Hebamme 150.

    Tödtung des Neugebornen, angebliche, durch die Hebamme 159.

    Trepanation 43.


    Ueberfahren, Tödtung durch dasselbe 10.

    Unterschenkel, tödtlicher Bruch desselben 69.


    _Vena cava_, Schuss in dieselbe 28. 30.

    _Vena poplitaea_, zerschossen 25.

    _Vena saphaena_, tödtliche Verblutung aus derselben 58.

    Verblutungstod 25. 27. 28. 29. 30. 31. 33. 35. 58.

    Verbrennung, tödtliche, zweier Kinder 167.

    Verbrennung durch ein Plätteisen, tödtlich 169.

    Vergiftungen, über dieselben 147.

    Vergiftung durch Schwefelsäure 149.

    Vergiftung durch Wasserschierling 150.

    Vergiftung, angebliche, durch den Arzt 155.

    Vergiftung durch Chloroform 161.

    Verletzungen, Tödtung durch dieselben 10.

    Verwesung, ihr chronologisches Vorschreiten in den innern Organen
    175.

    Verwesung macht den Beweis des Ertrinkungstodes schwierig 106.

    Verwesung, wie sie bei Wasserleichen chronologisch vorschreitet 107.


    Wasser im Magen bei Ertrunkenen 112.

    Wasser in den Bronchien bei Ertrunkenen 114.

    Wasserleichen, wie sie verwesen 107.

    Wasserschierling, angebliche Vergiftung durch denselben 150.

    Windmühlenflügel, tödtliche Schläge durch denselben 37.

    Wollhaar bei reifen Kindern 126.

    Wollhaare im Fötus-Meconium 183.


    Zangengeburt, Resultate einer schweren 136.

    Zinksulphat, grosse Dosen desselben 156.

    Züchtigungen, angeblich tödtliche 69.

    Zwerchfell, Schuss in dasselbe 29.

    Zwerchfell, dessen Stand bei Ertrunkenen 111.

    Zwerchfell, Stand desselben bei Neugebornen 132.



In demselben Verlage ist erschienen und in allen Buchhandlungen zu
haben:

    #Augustin,# _Geh. Med.-Rath etc. Dr. F. L._, die Königlich
    Preuss. Medicinal-Verfassung oder: Vollständige Darstellung aller,
    das Medicinalwesen und die med. Polizei in den Königl. Preuss.
    Staaten betreffenden Gesetze etc. 7. Bd., die Verordnungen,
    Einrichtungen etc. vom Jahre 1838 bis 1842 enthaltend. 8.

    2 Thlr. 26-1/4 Sgr.

    #Auswahl,# neue, medicinisch-gerichtlicher Gutachten der Königl.
    wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen. I. Lieferung,
    a. u. d. T.:

    ~Zur gerichtlichen Geburtshülfe.~ Eine Auswahl von
    Entscheidungen der Königl. wissenschaftlichen Deputation für
    das Medicinalwesen, mit Genehmigung des Herrn Ministers der
    geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten,
    herausgegeben von ~Jos. Herm. Schmidt~, Geh. Med.-Rath, Prof.
    Dr. etc. gr. 8. geh.

    1 Thlr. 12 Sgr.

    #Budd,# _Prof. Dr. G._, Die Krankheiten der Leber. Aus dem
    Englischen bearbeitet und mit Zusätzen versehen von Dr. ~Henoch~.
    gr. 8. Mit 2 Steindrucktafeln. broch.

    2 Thlr.

    #Bühring,# _Dr. Joh. Jul._, die Heilung der Eierstockgeschwülste.
    gr. 8. geh.

    20 Sgr.

    -- -- Die seitliche Rückgrats-Verkrümmung in ihren physiologischen
    und pathologischen Bedingungen und deren Heilung. Nebst erstem
    Jahresbericht aus dem orthopädischen Institut zu Berlin. Lex. 8.
    Mit 5 lith. Tafeln. geh.

    25 Sgr.

    -- -- Zur Pathologie und Therapie der Krankheiten des Hüftgelenks
    und ihrer Ausgänge. gr. 8. Mit 1 Steindrucktaf. geh.

    28 Sgr.

    #Busch,# _Geh. Med.-Rath Prof. Dr. D. W. H._, Lehrbuch der
    Geburtskunde. Ein Leitfaden bei akademischen Vorlesungen und bei
    dem Studium des Faches. Fünfte vermehrte und verbesserte Auflage.
    Mit 11 Holzschnitten. gr. 8. geh.

    3 Thlr. 15 Sgr.

    -- -- Atlas geburtshülflicher Abbildungen, mit Bezugnahme auf das
    Lehrbuch der Geburtskunde. 2te Auflage. 49 Steintafeln und Text.
    kl. 4. broch.

    2 Thlr. 20 Sgr.

    #Casper,# _Geh. Med.-Rath Prof. Dr. J. L._, der Entwurf des neuen
    Strafgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, vom ärztlichen
    Standpunkte erläutert. gr. 8. broch.

    10 Sgr.

    -- -- Gerichtliche Leichenöffnungen. Erstes Hundert. Dritte
    vermehrte und gänzlich umgearbeitete Auflage. gr. 8. geh.

    27 Sgr.

    #Damerow,# _Geh. Med.-Rath, Prof, Dr. H._, Zur Kritik des
    politischen und religiösen Wahnsinns.

    (Aus der »Zeitschrift für Psychiatrie« besonders abgedruckt.)

    gr. 8. geh.

    10 Sgr.

    #Friedberg,# _Dr. H._, Histologie des Blutes, mit besonderer
    Rücksicht auf die forensische Diagnostik. gr. 8. Mit 2 Tafeln.
    broch.

    28 Sgr.

    #Goeden,# _Med.-Rath, Dr. A._, die Carbonisation des Blutes als
    Heilmittel. gr. 8. geh.

    12 Sgr.

    #Heidenhain,# _Dr. Heinrich_, das Fieber an sich und das
    typhöse Fieber, physiologische, pathologische und terapeutische
    Untersuchungen. gr. 8. broch.

    1 Thlr. 25 Sgr.

    #Helfft,# _Dr. H._, Krampf und Lähmung der Kehlkopfs-Muskeln und
    die dadurch bedingten Krankheiten. gr. 8. geh.

    16 Sgr.

    #Henoch,# _Dr. Ed._, Klinik der Unterleibs-Krankheiten. I. Bd. gr.
    8. geh.

    (Der II. Band ist im Drucke.)

    1 Thlr. 20 Sgr.

    #Herzog,# _Med.-Rath Dr._, die Körperverletzungen, aus dem
    Gesichtspunkte der Preussischen Gesetze für Gerichtsärzte und
    Richter beleuchtet. gr. 8. geh.

    12 Sgr.

    #Lessing,# _Dr. M. B._, über die Unsicherheit der Erkenntniss
    des erloschenen Lebens. Nebst Vorschläge zur Abhülfe eines
    dringenden Bedürfnisses für Staat und Familie. 8.

    17-1/2 Sgr.

    #Löwenhardt,# _Dr. S. E._, Untersuchungen im Gebiete der
    gerichtlichen Arzneiwissenschaft, für Aerzte und Criminalisten. 1.
    Bd. gr. 8. geh.

    1 Thlr. 25 Sgr.

    #Magnus,# _Dr. A._, über das Flusswasser und die Cloaken
    grösserer Städte. In medicin.-polizeil. Hinsicht. 8.

    10 Sgr.

    #Mandt,# _Geh. Rath Dr. M. W._, practische Darstellung
    der wichtigsten ansteckenden Epidemien und Epizootien in ihrer
    Bedeutung für die medicinische Polizei. 8.

    2 Thlr.

    #Neumann#, _Kreis-Physikus Dr. A. C._, Handbuch der
    gerichtlichen Anatomie für Rechtsgelehrte, Polizeibeamte und
    Studirende, die an den Universitäten medicina forensis hören, sowie
    überhaupt für Jeden, welcher den wichtigen Bau des Menschen ohne
    Beihülfe von Leichen und anatomischen Abbildungen gründlich kennen
    lernen will. 8. broch.


    1 Thlr. 15 Sgr.

    #Nicolai,# _Med.-Rath Dr. G. H._, Handbuch der
    gerichtlichen Medicin nach dem gegenwärtigen Standpunkte dieser
    Wissenschaft, für Aerzte und Criminalisten. Nebst Formularen zu
    Obductions-Protokollen, sowie zu Abfassungen von Gutachten. 8.

    2 Thlr. 10 Sgr.

    #Regulativ# für das Verfahren bei den
    medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen menschlicher Leichname
    (Obduktionen). Herausgegeben von der Königl. wissenschaftlichen
    Deputation für das Medicinalwesen. 8. geh.

    2-1/2 Sgr.

    #Spinola,# _Dr. W. T. J._, Sammlung von thierärztlichen
    Gutachten, Berichten und Protokollen, nebst einer Anweisung der bei
    ihrer Anfertigung zu beobachtenden Formen und Regeln, in besonderer
    Beziehung auf die in den Königl. Preussischen Staaten geltenden
    Gesetze. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage. gr. 8. geh.

    1 Thlr. 10 Sgr.

    #Wollheim,# _Dr. H._, Versuch einer medicinischen Topographie
    und Statistik von Berlin. Mit einem Vorworte vom Geh. Med.-Rathe
    Dr. ~Casper~. gr. 8.

    2 Thlr. 26-1/4 Sgr.


Unter der Presse befindet sich:

                                  Zur
                      gerichtlichen Psychologie.
                    Eine Auswahl von Entscheidungen
                                  der
     Königl. wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen,
   mit Genehmigung des Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts-
                    und Medicinal-Angelegenheiten.

                           Herausgegeben von
                           Dr. K. W. Ideler,
                           Prof., Dir. etc.

      Zugleich als 2. Abth. der »_neuen Auswahl der medicinisch-
          gerichtlichen Gutachten etc._« ca. 22 Bogen gr. 8.


               Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin.



Fußnoten:


[Fußnote 1: Dritte Aufl. S. 26.]

[Fußnote 2: Vergl. den ungemein merkwürdigen Fall in meiner
Vierteljahrsschrift für gerichtliche und öffentliche Medicin, I. 2, S.
274: »Ueber Tätowirungen. Der Process _Schall_, eine _cause célèbre_.«]

[Fußnote 3: 1. Hundert, 3. Aufl. S. 154.]

[Fußnote 4: S. a. a. O. S. 152.]

[Fußnote 5: a. a. O. S. 154.]

[Fußnote 6: a. a. O. S. 151.]

[Fußnote 7: Vgl. »Kugeln im Leichnam« a. a. O. S. 156 und die unten
folgenden Fälle 21 u. 27.]

[Fußnote 8: Bekanntlich die wörtliche Fassung der ersten Frage des §.
169. der Crim.-Ordn.]

[Fußnote 9: D. h. Eiterung im grossen, im kleinen Gehirn und Bruch im
Stirnbein.]

[Fußnote 10: a. a. O. S. 88.]

[Fußnote 11: Wie ich dies nachgewiesen in den »Versuchen und
Beobachtungen über den Erhängungstod« (Denkwürdigkeiten zur med.
Statistik und Staatsarzneikunde. Berlin, 1846, S. 81 u. ff.)]

[Fußnote 12: Vor Kurzem ist uns in der wissenschaftlichen Deputation
für das Medicinalwesen bei einem erforderten Superarbitrium der Fall
eines jungen Frauenzimmers vorgekommen, die erst ihr Kind gemordet,
und dann unmittelbar darauf ~sieben~ (sämmtlich misslungene!)
Selbstmordversuche durch Erstechen, Erhängen und Ertränken gemacht
hatte.]

[Fußnote 13: 1. Hundert S. 152.]

[Fußnote 14: Diese Resignation ist später unserm Gutachten sehr zu
Statten gekommen, da das erkennende Gericht deshalb demselben den
Vorzug vor den später noch eingeholten Superarbitriis gab, weil
letztere »sich in Dinge eingelassen haben, die dem Gerichtshofe
anheimfallen müssen.« Ich führe dies wahrlich nicht im Geringsten als
Selbstlob an, sondern sehr absichtlich und vielmehr: als Warnung für
Gerichtsärzte, überall sich streng in den Gränzen ihrer Wissenschaft
zu halten. Nichts empfinden die Gerichts-Behörden verletzender, als
Uebergriffe der Techniker in ihr, der Juristen, Gebiet, und mit Recht.
Was soll man vollends von neuern Handbüchern über gerichtliche Medicin,
wie z. B. von dem _Schürmayer_'schen, sagen, die ganze Bogen reiner
Rechtsdeductionen, juristischer Definitionen u. s. w. zum Besten geben!
Mögen Mediciner dieselben immerhin lesen, nur aber sich wohl hüten,
davon für ihre Gutachten, schriftliche oder mündliche, _in foro_
~irgend wie~ Gebrauch zu machen.]

[Fußnote 15: a. a. O, S. 84.]

[Fußnote 16: S. meine »Vierteljahrsschrift für gerichtl. u. öffentl.
Medicin« II. S. 200 u. f.]

[Fußnote 17: Hiermit stimmt auch Alphonse Dévergie vollständig überein.
S. _Médec. légale._ Paris 1836. II. 1. S. 353.]

[Fußnote 18: a. a. O. S. 223.]

[Fußnote 19: Längere Zeit, nachdem Obiges niedergeschrieben, ist mir
die vortreffliche Abhandlung über den Ertrinkungstod des Grossh.
Hess. Physicus Herrn Dr. _Simeons_ in Mainz zugekommen, die man in
der »Viertelj.-Schrift« Bd. III. S. 289 u. f. abgedruckt findet. Der
Verfasser, den man aus dieser Arbeit allein als einen sehr geübten
forensischen Practiker kennen lernt, schildert darin S. 305 noch
ausführlicher als dies oben von mir geschehen, und ausserordentlich
naturgetreu die Stadien der Verwesung bei Wasserleichen, und erklärt
die Schwärzung des Kopfes aus der Einwirkung des Lichtes und der
Sonnenstrahlen auf denselben.]

[Fußnote 20: a. a. O. S. 215.]

[Fußnote 21: a. a. O. S. 99.]

[Fußnote 22: a. a. O. S. 155.]

[Fußnote 23: a. a. O. S. 84.]

[Fußnote 24: a. a. O. S. 155.]

[Fußnote 25: S. meine »Vierteljahrsschrift« I. S. 79 u. ff. und auch
ebendas. III. S. 280 u. ff.]

[Fußnote 26: a. a. O. S. 158.]

[Fußnote 27: S. meine »Wochenschrift« Jahrg. 1844 S. 361 u. ff.]

[Fußnote 28: a. a. O. S. 88.]

[Fußnote 29: a. a. O. S. 156.]





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