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Title: Sechs Jahre in Surinam - Bilder aus dem militärischen Leben dieser Colonie und - Skizzen zur Kenntniss seiner socialen und - naturwissenschaftlichen Verhältnisse
Author: Kappler, August
Language: German
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  SECHS JAHRE IN SURINAM

  ODER

  BILDER AUS DEM MILITÄRISCHEN LEBEN
  DIESER COLONIE,

  UND

  SKIZZEN ZUR KENNTNISS SEINER SOCIALEN UND
  NATURWISSENSCHAFTLICHEN VERHÄLTNISSE

  VON

  A. KAPPLER,
  früher in holländischen Militärdiensten.

  STUTTGART.
  E. SCHWEIZERBART'SCHE VERLAGSHANDLUNG UND DRUCKEREI.
  1854.



  MEINEM VEREHRTEN COMMANDANTEN,
  DEM PENSIONIRTEN MAJOR
  HERRN C. B. KRAYENHOFF VAN WICKERA
  IN PARAMARIBO,
  GEWIDMET.



VORWORT.


Das Interesse, welches in neuester Zeit das holländische und französische
_Guyana_ bei Manchem erregt, die verschiedenen Meinungen, welche
über Sklaverei herrschen und das schlechte Prädicat hinsichtlich des
Gesundheits-Zustandes beider Colonien ermuthigten mich, die Erfahrungen und
Erlebnisse während eines sechsjährigen Aufenthaltes in Surinam auf diesem
Wege mitzutheilen.

Diese gehören zwar nicht der jüngsten Zeit an; denn obwohl ich Surinam seit
siebenzehn Jahren bewohne, so habe ich doch den militärischen Stand schon
seit eilf Jahren verlassen, und meine jetzigen Verhältnisse, obwohl manches
Unterhaltende darbietend, können keine weiteren Bemerkungen über die Natur
und lokalen Beziehungen, welche dieselben geblieben sind, gestatten.

Es gibt manche Reisebeschreibungen über Surinam, aber keiner der
Schriftsteller, _Stedman_ etwa ausgenommen, hat sich in Lagen befunden,
wie ich, hat die Hitze der Tropen und ihre Regengüsse wie ich gefühlt,
von Mosquittos geplagt, lange Nächte durchgewacht oder am bescheidenen
Soldatentische mitgegessen, daher bei dem reizenden Bilde, das die Natur
zwischen den Wendekreisen liefert, die Schattenseite übersehen, oder
wenigstens nicht aus Erfahrung beschrieben. Trotz den Berichten der
Reisenden, die der Wahrheit gemäss sich über diese Colonien günstig
äusserten, blieben Surinam und Cayenne verrufene Länder. Man glaubte,
dass die heisse Luft in den Sümpfen Guyana's nur Mosquittos und Reptilien
ausbrüte, und Epidemien und Fieber ununterbrochen aufeinander folgen, und
der Ruf der Sklaverei, unter der die armen Schwarzen seufzten, wirkte noch
unheimlicher auf die Phantasie, die so häufig das Wahre und Wahrscheinliche
verwirft, um sich am Mährchenhaften und Unglaublichen anzuklammern.
Dazu kamen noch manchmal die übertriebenen Berichte von katholischen und
protestantischen Missionären, die im Interesse ihrer Congregationen die
Zustände schilderten, oder ihre Leistungen ausschmückten, um fromme Seelen
zum Abscheu und zu Beiträgen zu bewegen; kurz man schauderte vor beiden
Colonien, nur Erbschafts-Candidaten schlossen sie in ihr Gebet ein.

Ich habe beim Niederschreiben dieser Blätter mich blos meiner und nicht
anderer Erfahrungen bedient, sie sind aber genau und wahr und ich
glaube den Zweck, durch diese Skizzen zur Kenntniss der socialen und
naturwissenschaftlichen Verhältnisse Surinam's beizutragen, damit zu
erreichen.

  _Stuttgart_, im Juni 1853.

  A. Kappler.



Erster Abschnitt.

  Ursachen der Abreise. Anwerbung in Amsterdam. Ankunft und Aufenthalt
  in Harderwyk. Einschiffung in Hellevoetsluis. Lebensweise an Bord.
  Strafexecution. Abreise. Beschäftigungen während der Ueberfahrt.
  Seepolypen. Anblick des Landes. Einfahrt in den Surinam. Ausschiffung
  und Aufenthalt auf Forteress Amsterdam. Der Mangobaum.


Ohne eine vorherrschende Neigung für das eine oder andere Fach, das meine
bewegliche Individualität besonders angezogen hätte, wählte ich in meinem
vierzehnten Jahre das des Handelstandes, wiewohl ich ohne alles Vermögen
blos die Aussicht hatte, in ewig subalterner Rolle mein Leben lang hinterm
Ladentische fungiren zu müssen, wenn nicht das zweifelhafte Glück mir zur
Selbstständigkeit verhülfe.

Durch den Tod meines Lehrherrn musste ich St. verlassen, und, da meine
Lehrzeit noch nicht beendigt war, im Laden eines Specereihändlers in einem
kleinen Landstädtchen vollends ausstudiren.

Es war auch in der That ein Studium, mir die neuen Verhältnisse eigen zu
machen: kaum graute der Morgen, als man zum Verkaufe von Tabak, Zucker und
Kaffee das Bett verlassen musste, und regelmässig beschien die aufgehende
Sonne Haufen frisch gepappter Tüten verschiedenen Kalibers. Zimmt stossen
und Pfeffer mahlen waren kleine Intermezzo's im Ciklus der täglichen
Geschäfte, und mit dem Behängen der Fenster mit baumwollenen Tüchern,
prächtigen Pfeifen und Rauchtabak-Etiquetten für den kommenden Sonntag
schloss die Woche.

Die wenigen Stunden, welche ich des Sonntags für mich verwenden durfte,
verlief ich einsam in den nahen Wäldern, oder erkletterte die uralten
Thürme der Stadtmauer, um die häuslichen Einrichtungen der dort
privatisirenden Eulen zu inspiciren.

Mein Principal, der die Lungenschwindsucht hatte, und desshalb nicht
immer bei rosenfarbener Laune war, wünschte mich, wenn ich nicht immer den
Ehrgeiz, den ein mittelloser Lehrjunge vor seinem Lehrherrn zeigen muss,
zur Schau trug, oder den Tabak mit einer gewissen Nonchalance abwog, in's
Pfefferland, welch' frommem Wunsche ich denn endlich auch noch nachkam.

Als meine Lehrzeit vorüber war, bekam ich als Commis eine Stelle in der
bedeutenden Handelsstadt H. Hier erst zeigte sich mir der Handel von seiner
ehrwürdigen und grossartigen Seite. Bedeutende Kaufleute hatten hier selbst
mehrere Commis, und für Lehrjungen war H. die wahre Akademie des Handels.
Aber der Widerwillen an meinem Berufe hatte schon zu tief bei mir Wurzel
gefasst, als dass ich in dem erweiterten Handelskreise an merkantilischen
Kenntnissen noch hätte profitiren können. Ohne ein festes Wollen und Ziel
war mir die freie Natur das Liebste, nichts widerlicher als die dumpfige
Ladenluft und der gellende Ton der Thürglocke.

Ich beschloss endlich, mein Glück in der weiten Welt zu suchen und in
Griechenland, wohin sich in dieser Zeit jeder desperate Kopf anwerben
liess, mich unter das Militär aufnehmen zu lassen. Mit diesem Vorsatze und
sehr wenig Geld verliess ich am 1. März 1835 H. und sagte im Stillen
meinen Oefen und Kacheln, sowie allen Ladenzöglingen der guten Stadt ein
herzliches Lebewohl.

Es ist hier nicht der Platz, die Abenteuer dieser Reise zu erzählen. Ohne
Pass konnte ich nicht Mitglied der griechischen Legionen werden, und musste
desswegen mit hängendem Kopfe wieder in die Heimath zurückkehren.

Ich richtete nun meinen Blick auf _Ostindien_, dessen Gewürze ich mit so
grossem Widerwillen zerstossen und zermahlen hatte, und beschloss, das
Pfefferland zu suchen, wohin mich mein griesgrämiger Lehrherr gewünscht
hatte.

Nichts stellte sich jetzt mehr meiner Abreise entgegen. Die Meinigen hatten
einsehen lernen, dass von mir nicht viel mehr zu erwarten sey, besorgten
mir einen Pass und bescheidenes Reisegeld, um in Holland mich anwerben
lassen zu können, und so verliess ich abermals am 14. Juli 1835 meine
Vaterstadt, um nach dem Norden zu pilgern, da man mich im Osten nicht haben
wollte.

Durch die Schnelligkeit meiner Füsse und des Dampfbootes war ich bereits
am zweiten Tage in der Grenzstadt Nymwegen. Wie fremd und neu war mir alles
hier; wie bewunderte ich die Reinlichkeit und Eleganz selbst der kleinsten
Dörfer Hollands! Welcher Unterschied zwischen den Landstädtchen und
Dörfern Süddeutschlands, wo ein Misthaufen an den andern stösst, und man
im Schmutze der Strassen beinahe versinkt! -- Hier sieht man bei jedem
Schritte den Wohlstand des Landes; dasselbe ist zwar eben und arm
an malerischen Partien; aber der wohlangebaute Boden, die kolossalen
Wasserwerke und gemeinnützigen Bauten, die herrlich angelegten Wege und
Kanäle ersetzen dem Besuchenden reichlich den Mangel an pittoresken Scenen.

Hätte meine Börse, die mich in Holland nicht mehr sehr drückte,
es zugelassen, ich hätte wahrscheinlich nicht so geeilt, unter den
Commandostab der Corporale zu kommen. So aber war ich genöthigt, mich in
Amsterdam anwerben zu lassen, und nach wenigen Umständen trat ich ohne
Handgeld unter die holländischen Kolonialtruppen.

Das Depot dieses Corps lag in der kleinen Stadt Harderwyk, an den Ufern
der Zuydersee, wohin ich mit dem Botenschiffe am 27. Juli abfuhr. Mit den
wenigen Cents, welche mir übrig geblieben waren, ging ich so glücklich und
zufrieden an Bord, als hätte ich eine reiche Erbschaft zu holen.
Einige Juden und Fischer lagen im Raume umher und sprachen fleissig dem
mitgebrachten Genever zu, oder schnarchten, bis wir um 2 Uhr des Nachts am
Brückenkopfe der Stadt landeten.

Ich konnte kaum den Tag erwarten, an dem ich meine militärische Laufbahn
antreten sollte, und befand mich schon frühe an den Ufern der Zuydersee, wo
ich einige Haufen Menschen erblickte, die man in ihren groben, grauen Hosen
und Wämsern für Zuchthauseleven zu halten nicht abgeneigt war. Es waren
aber Soldaten, die ohne Waffen erst das Gehen und Stehen nach dem Takte
zu erlernen hatten, und ich erfuhr, dass meiner eine eben so zierliche
Kleidung harre. Die weitere Beschreibung der Lebensart dieser Colonialen
war ebenso wenig einladend als ihre Kleidung, und mein Enthusiasmus für die
Sache war dadurch beinahe am Sinken. Aber -- =tu l'as voulu=, dachte ich,
und liess mich beim Commandanten melden.

Der Colonel, Commandant des Depots, war ein freundlicher Mann, und ganz
geschickt, den Eindruck, den die schlechte Uniform seines Corps auf die
Neuankommenden machte, zu verscheuchen. Er war ein Schweizer und sprach
deutsch mit mir. Nachdem er meine Papiere durchgelesen hatte, wurde ich
nach der Kaserne gebracht, wo ein Haufen Neugieriger mich umringte, und aus
meiner Kleidung Folgerungen machte, wer und woher ich wäre.

Der grössere Theil meiner neuen Kameraden waren Deutsche, und zwar aus
allen Theilen des gemeinschaftlichen Vaterlandes: Hannoveraner, Hessen,
Sachsen, von der polnischen Grenze, Preussen und Oesterreicher; man hörte
alle Dialecte, und obgleich, wie ich mich eben ausdrückte, alle diese
Herren der Kleidung nach genau den Sträflingen gleich sahen, so war
man doch in ganz nobler Gesellschaft; denn man fand Grafen und Barone,
weggelaufene Doctoren, bankerotte Kaufleute, entlassene Officiere und
Schauspieler, welche kein anderes Engagement hatten finden können, ja
selbst einen katholischen Geistlichen, Alle entschlossen, der Fortuna, die
ihnen in Europa nicht lächeln wollte, in Ost- oder Westindien freundliche
Blicke abzulocken.

Ein Landsmann, der früher Officier war und aus einer sehr angesehenen
Familie Württembergs stammte, aber durch Ausschweifungen und Liebe zum
Trunk genöthigt wurde, dort seine Entlassung zu nehmen, besorgte mir einen
Kessel mit Suppe, der ich mit grossem Appetite zusprach. Er war vor Kurzem
erst angekommen, und konnte sich in die neue Lebensweise nicht recht fügen.
Ausser dem Genever fand er Alles abscheulich.

Am folgenden Tage wurde ich gekleidet, wobei sich ein Jude einfand, der
meine abgelegten Kleider kaufen wollte, sie aber so nieder anschlug, dass
ich ihm keine Antwort gab. Da jedoch der Fourier, der sicher jedesmal
etwas profitirte, Schwierigkeit machte, das abgelegte Zeug in die Kaserne
zurückzunehmen, so liess ich dem Schurken Alles für ein Spottgeld. Jetzt
ging es an's Exerciren, wobei ich mir schrecklich viele Mühe gab, die
sanften Erklärungen der Corporale zu begreifen, da ich der holländischen
Sprache nicht mächtig war.

Unsere Lebensweise war nun folgende: des Morgens 5 Uhr schlug's Reveille,
wobei durch die Corporale das Brod ausgetheilt wurde; um 6 Uhr begann das
Exerciren, das bis 9 Uhr dauerte, um 10 Uhr war Apell, hernach ass man eine
wohlschmeckende, kräftige Suppe, worauf von 1-4 Uhr wieder exercirt wurde.
Um 4 Uhr war abermals Apell, wobei jedesmal ein geputztes Waffen- oder
Kleidungsstück zur Inspection gebracht werden musste. Hierauf kam ein
Gericht von Erdäpfeln, Radatoe genannt, zum Mittagsmahl. Nachdem man kaum
den Löffel abgewischt hatte, rief die Trommel abermals zum Exerciren, das
mit der Nacht endigte. Weiber mit Kaffee, Butter, Käse, Schweinsklauen
und andern Bäckereien hatten indess ihren Einzug in den Hof der Kaserne
gehalten; sie schenkten Kaffee, für 1 Cent die Tasse. Branntwein oder
Liqueurs durften nicht in die Kaserne gebracht werden, desshalb waren
auch unsere Soirées, in deren Mitte die Kaffeefrau mit ihren Delicatessen
präsidirte, sehr friedsam und unterhaltend. Man sang, erzählte und lebte um
ein paar Cents ganz köstlich, bis der Zapfenstreich dem Wohlleben ein Ende
machte.

Diese neue Lebensweise war mir natürlich ungewohnt; doch fand ich mich
schneller darein, als ich selber geglaubt hatte. Ich that mein Möglichstes,
um exerciren zu lernen und meine Waffen und Kleider in Ordnung zu halten.
An freien Tagen ging ich mit Kameraden in die Stadt, die wir aber nicht
verlassen durften. Ueberall standen Schildwachen, um die Vögel im Käfige
zu halten und der Desertion vorzubeugen. Dessen ungeachtet entschlüpften
Manche, meistens Deutsche, welchen ihr jetziger Stand um so unerträglicher
war, je weniger sie ihre früheren Verhältnisse vergessen konnten.

Die Stadt _Harderwyk_, früher der Sitz einer Universität, ist ein kleiner,
unbedeutender Platz an der Zuydersee; sie mag etwa 5-6000 Einwohner
zählen. Die Hauptbeschäftigung derselben ist der Fischfang, und eine nicht
unbedeutende Quelle ist das Dépot der 1. Division Nr. 33 der Landmacht,
nämlich der Sammelplatz der für die Colonien Hollands bestimmten Truppen.
Der jährliche Bedarf für die Colonien ist unbestimmt; er beläuft sich
zuweilen für Ostindien auf circa 1500, für Surinam und Curacao auf 150-200
Mann, und wenige für das Fort St. Georg d'Elmina in Afrika. Alle
diese Glücksadspiranten verzehren ihren Sold und das Geld, welches sie
mitbringen, oder von Hause erhalten, in den Geneverkrügen des Städtchens,
deren es gar viele gibt, oder lassen dasselbe in den Händen von
Freudenmädchen, die ebenfalls in Menge sich hier aufhalten.

Unsere Kaserne hiess Oranje Gelderland; sie vereinigte in sich alle, welche
für die Colonien bestimmt waren, und welche aus denselben als unbrauchbar,
oder mit Abschied zurückkamen. Der erstere Theil bestand theils aus
belgischen Deserteuren oder aus entlassenen Dieben vom Zuchthause in
Leyden, auch aus sogen. Strafdivisionären (Menschen, die bei keinem
Regimente zu gebrauchen sind, desswegen nach den Strafdivisionen, bei
welchen es Prügel regnet, übergesendet werden, und nur durch das einzige
Mittel, für die Colonien sich freiwillig zu engagiren, davon loskommen),
und endlich aus Deutschen aller Art, von welchen die meisten durch das eine
oder andere Unglück zu diesem Schritte genöthigt waren. Sie haben zwar im
Allgemeinen vor den oben erwähnten Belgiern und Holländern den Vortheil
einer grösseren Bildung voraus; aber diese gewährt nicht immer den
einer grösseren Moralität. Viele wissen sich durch Geschmeidigkeit und
Unterwürfigkeit beliebt zu machen, und machen ihr Glück. Klagen über
schlechte Behandlung sind selten gerecht. Man findet in der ganzen Armee
sehr viele Deutsche, die sehr ansehnliche Chargen bekleiden, und man muss
sich im Gegentheil wundern, dass man Fremdlinge nicht zurücksetzt, da man
mit einheimischen Cadetten und Adspiranten selbst überladen ist.

So wenig Anziehendes der Charakter der nach den Colonien abgehenden Truppen
im Allgemeinen auch hat, so ist er doch in moralischer Hinsicht unendlich
besser als derjenigen, welche aus den Colonien zurückkommen. An Körper
häufig Krüppel, und durch den Genuss des Branntweins an Geist so
geschwächt, dass man gar keine gute Eigenschaft mehr hoffen kann, warten
diese Leute auf ihren Abschied, ihre Pension oder Gnadengelder, womit sie
in wohlfeilen Plätzen Hollands sich bei Bauern in Kost und Wohnung begeben,
aber selten ein hohes Alter erreichen, da Klima und Lebensweise ihrem
gebrechlichen Körper nicht zusagen. Es kamen während meiner Anwesenheit
in Harderwyk einige Transporte aus Ostindien. Die Meisten hatten ihre
Habseligkeiten in den ersten Häfen bereits verkauft, und zitterten bei
jedem rauhen Winde wie Espenlaub. Doch meine erste Rückreise aus Surinam,
die ich später ausführlicher beschreiben werde, wird ein wahres Bild aller
aus Ost- oder Westindien zurückkehrenden Truppen abgeben.

Es waren seit meiner Ankunft schon mehrere Transporte abgereist, und jedem
hatte ich sehnsüchtig nachgeblickt; aber die Reihe sollte so schnell noch
nicht an mich kommen, da man sich beeilte, die Belgier und Sträflinge
zuerst auf's Wasser zu bringen.

Es nahete der Winter mit raschen Schritten, und beim Erdäpfelschälen, dem
sich keiner entziehen durfte, gab es kalte Finger. Ich befürchtete
jetzt sehr, die kalte Jahreszeit in Holland zubringen zu müssen. Diesem
vorzubeugen, bat ich den Kapitän meiner Compagnie, einen freundlichen,
wohlwollenden Mann, mich bei dem nach Surinam abgehenden Transporte
einzuschreiben. Zwei Tage später, am 3. November lieferte ich meine Waffen
ein und machte mich reisefertig.

Den 4. November 1835 verliessen wir Harderwyk. Es war ein heller, kalter
Tag, und unser Detachement, das aus 60 Mann bestand, war im Kasernenhofe
angetreten. Wir waren mit unsern Ranzen bepackt, und in den offenen
Feldkessel erhielten wir beim Abmarschiren das gewöhnliche Viaticum, ein
Pfund Brod und gebratenes Fleisch.

Der Chef übergab uns einem in Urlaub gewesenen und nach Surinam
zurückkehrenden Officier der Artillerie. Voraus die Musik des Depots,
begleitet von allen Gassenjungen und dem Pöbel Harderwyks, zogen wir
wohlgemuth zum Seethor hinaus, wo eine Barke lag, die uns nach Amsterdam
bringen sollte.

Dass Viele unseres Detachements betrunken waren, lässt sich denken; auch
brachten Manche, obwohl zuvor scharf visitirt ward, noch Branntwein an
Bord, so dass es die ganze Nacht durch Händel und Schlägereien gab, und an
Schlaf nicht zu denken war. Der Lieutenant, der bei diesem wilden Haufen
doch nichts machen konnte, zog sich in die Kajüte zurück. In dem kleinen
Raume, in welchem wir eingepfercht waren, herrschte eine Hitze und übler
Geruch zum Ersticken, so dass ich die kalte Luft des Verdecks vorzog.
Bereits gegen 5 Uhr Abends sahen wir die vielen Thürme Amsterdams, blieben
aber die Nacht über vor dieser Stadt liegen.

Den 5. gegen Mittag fuhren wir in einem geräumigen Schiffe, das durch
Pferde gezogen wurde, über Haarlem, Rotterdam, Gouda, wo wir den 8.
ankamen, und das zu unserer Ueberfahrt bestimmte Transportschiff Prinz
Willem Frederik Hendrik lag. Den folgenden Tag wurden wir eingeschifft.
Die Reinlichkeit, die Sorgfalt, womit jeder Raum benützt wird, ist
bewundernswürdig, und es schien mir unmöglich, dass eine solche Menge
Menschen darin logiren könne, ohne wie Häringe aufeinandergehäuft zu
seyn. Die Matrosen, deren etwa 50 an Bord waren, befanden sich von uns
abgesondert, wiewohl auf gleiche Weise eingetheilt. Man schied uns in 6
Backe, wovon je 3 auf jeder Seite des Schiffs waren. Jeder Back bestand aus
10 Mann, die zusammen eine Tafel, welche mit Tauen am Verdeck hing,
zwei Bänke, eine Lampe und eine grosse Kiste, worin die tägliche Ration
aufbewahrt wurde, zum Gebrauche hatten. Bei unserem Detachement befand sich
bloss ein Sergeant und ein Korporal, die unter die 60 Mann vertheilt
waren. Bei jedem Back wurde ein Backmeister gewählt, der für Ordnung und
Reinlichkeit zu sorgen hatte, und während der ganzen Reise dieses Amt
bekleidete. Ausser ihm hatte noch eine andere Person ein Amt, das die
übrigen 9 Mann abwechslungsweise versahen, und zwar ein sehr lästiges,
nämlich das des Essenholens, Aufwaschens, Rationvertheilens u. s. w. Der
damit Geplagte hiess mit seinem Amtstitel: »Söhnchen«. Die Kost bestand des
Morgens aus Grütze, die man mit Butter vermischte; voraus ging ein Schnaps
(Orlam), vom Bottelier des Schiffes ausgetheilt. Um 11 Uhr genoss man
abermals einen Schnaps, und um 12 Uhr Erbsen mit Speck oder gesalzenem
Fleische. Das Essen wurde durch das Söhnchen in einem Back oder hölzernen
Kübel geholt. Der Speck wurde durch denselben in 10 Portionen geschnitten,
und durch einen, der die Augen davon abwenden musste, jedes Stück der Reihe
nach ausgetheilt, um Parteilichkeit zu vermeiden. Es ass nun Jeder aus dem
Backe, wobei es manchmal heftige Streitigkeiten gab, weil die einen gern
Essig, die andern keinen darin haben wollten, und Teller nicht vorhanden
waren, um die Erbsen zu theilen. Nach dem Essen musste das Söhnchen den
Kübel und die Löffel reinigen, die Tafel und den Boden aufwaschen und alle
häuslichen Geschäfte verrichten. Bei stürmischem Wetter passirte es später
manchmal, dass das Söhnchen mit den Erbsen die Treppe herabfiel, und die
unten Stehenden die heisse Brühe auf's Gesicht und die Kleider bekamen,
wobei es dann manches Donnerwetter absetzte.

Wir waren zu unsern Dienstverrichtungen auf dem Schiffe in zwei Theile
abgetheilt, nämlich in die Steuer- und Backbordseite. Es werden so die zwei
Seiten des Schiffes genannt, von welchen, wenn man vom Hintertheile des
Schiffes nach vornen sieht, die rechte Steuer- und die andere Backbord ist.
Die eine Hälfte unserer Mannschaft war auf dieser, die andere auf
jener Seite. Während der ganzen Reise musste die Mannschaft einer Seite
abwechslungsweise sich auf dem Verdecke befinden. Ob es nun regnete oder
stürmte, kalt oder warm war, von den dreissig Männern, welche diese Wache
hatten, durfte keiner sich im Zwischendeck befinden. Die Ablösung fand
je nach vier Stunden statt, welchen Zeitraum man eine Wache nannte, deren
sechs ein Etmaal oder einen Tag ausmachen. Die Zeit, nach welcher man die
Wachen austheilt, wird durch ½ Stundenglas dadurch angezeigt, dass man
z. B. um ½1 Uhr einmal, um 1 Uhr zweimal, um ½2 Uhr dreimal, um 4 Uhr
achtmal an die Glocke schlägt, was man Glasen nennt. Erhält man auf die
Frage, wie spät es ist, zur Antwort: 3 Glasen, so weiss man, dass es ½2,
½6 oder ½10 Uhr ist. Das Kommando an Bord geht durch Pfeifen; jeder
Unterofficier des Schiffes führt eine solche bei sich. Die Signale, welche
dadurch gegeben werden, beziehen sich meist auf die Arbeiten der Matrosen;
jedoch wurde auch zum Essen und zum Schnaps gepfiffen. Ausser dem gekochten
Essen, das immer aus Grütze und Erbsen bestand, bekam man wöchentlich
zweimal Zwieback, Käse und Butter; auch wurde jeden Abend warmes Wasser,
Theewasser genannt, ausgetheilt. Dieses brauchte jeder nach Belieben;
ich brockte in das meinige Zwieback, Käse, Butter und Speck, den ich vom
Mittagessen übrig hatte, und Zwiebel, die man von der Frau des Schiffers
kaufen konnte, und hatte somit die herrlichste Suppe, die man unter solchen
Umständen bereiten konnte. Mit anbrechender Dunkelheit wurden die Lampen
angezündet, und die, welche die Wache hatten, spielten Lotto oder Domino,
oder vertrieben sich auf andere Weise die Zeit. Abends 8 Uhr hing man die
Hängematten auf, die den Tag über in der Verschanzung aufgehoben wurden,
und legte sich schlafen, während die wachthabende Hälfte ungeduldig auf
dem Deck herumtrippelte, bis auch die Reihe an sie kam, in die warmen
Hängematten zu liegen.

Es ist aber nichts Leichtes, in einem so engen Raume mit so vielen Menschen
zu schlafen, und deren Ausdünstung, wie die von Thee, Käse und andern
Ingredienzien, erträglich zu finden, dabei abgerechnet das Geräusch von
etwa 60 Menschen überm Kopfe, das Geknarre der Hängematten, die immer gegen
einander anstossen, das Geseufze der Masten, das Klirren der Ankerketten
und das Schlagen der Wellen von aussen.

Wir blieben nach unserer Einschiffung noch 8 Tage auf der Rhede von
Hellevoetsluis und segelten den 17. November ab. Kaum waren wir zwei
Stunden vom Hafen entfernt, so lief das Schiff durch Unvorsichtigkeit des
Lootsen auf eine Bank; das Steuerruder hackte aus und nahm noch sonstigen
Schaden. Man that einige Schüsse, auf welche sogleich mehrere Kanonierboote
herbeieilten, um uns beizustehen. Durch das Dampfboot Curacao wurden wir
Nachmittags nach dem Hafen zurückgeschleppt. Da unser Schiff ins trockene
Dock gebracht und ausgebessert werden musste, so wurden wir auf so lange in
eine leerstehende Kaserne einquartirt.

Hier blieben wir nun ohne alle Beschäftigung vierzehn Tage und erhielten
unser Essen vom Schiffe, an dem anhaltend gearbeitet wurde; übrigens war
uns alle Freiheit gestattet. Wir durchliefen jeden Tag Hellevoetsluis und
die Umgegend, wiewohl ohne Geld, da uns kein Cent Sold ausbezahlt wurde.

Viele verkauften ihre Kleider, um sich mit den Dirnen des Städtchens
belustigen zu können, oder versoffen das Ihrige im Genever; Manche lagen,
weil es sehr kalt war, den ganzen Tag im Bette; auch verging kein Tag,
an dem nicht mörderische Prügeleien und dergl. vorgefallen wären. Der
Detachements-Commandant, der seine Wohnung auf dem Schiffe hatte, wusste
sich nicht zu helfen, Sergeant und Korporal wurden von dem zügellosen
Volke nicht beachtet. Indessen kam vom Ministerium der Colonien, das unsere
Geldlosigkeit rührte, eine Vergütung von 2 fl. 50 kr. per Mann, welche
denjenigen ausbezahlt wurde, die ihre Kleidungsstücke nicht verkauft
hatten. Die Andern aber waren bis zur Abreise unter Schloss und Riegel.
Jetzt ging es wieder lustig her; doch in kurzer Zeit herrschte wieder
Mangel, wie zuvor, und zu abermaligen Gratificationen war der hartherzige
Minister nicht geneigt.

Einer unserer Kameraden hatte ein chinesisches Schattenspiel gemacht, womit
er des Abends Vorstellungen gab, die von Soldaten, Matrosen und Dirnen des
Städtchens fleissig besucht wurden, und wobei unter dem Publikum manche
Scene vorfiel, die wohl in dichten Schatten gehüllt zu werden verdient.

Am 2. December kamen wir abermals an Bord. Zugleich wurden unter
militärischer Bedeckung diejenigen unseres Transportes auf's Schiff
gebracht, welche ihre Kleidungsstücke verkauft oder sonstige Fehler
begangen hatten. Im Kreise der Officiere und der Equipage des Schiffes
wurden uns nun die Kriegsartikel für die Marine vorgelesen, in welchen
von Kielholen, Raafallen, Aufhängen u. s. w. die Rede war. Mit donnernder
Stimme hielt uns der erste Officier unsere schlechte Aufführung vor; auch
liess er sogleich einige, die dagegen etwas einzuwenden hatten, an die
Kanonen festketten. Nachdem dieses geschehen war, wurden acht Matrosen
vorgeführt, die während der Ausbesserung des Schiffes von Bord weggelaufen
waren und den Schiffer beim Marinegericht in Rotterdam verklagt hatten.
Dort fanden sie, wie es schien, kein Recht und wurden wieder an Bord
gesendet.

Die Officiere alle und der Schiffsdoctor waren in Uniform auf dem Halbdeck,
und von den Matrosen und Soldaten durfte keiner das Verdeck verlassen, wo
nun ein Exempel für uns alle statuirt werden sollte. Wir Soldaten standen
voll banger Erwartung da; denn man sah an dem fröhlichen Gesichte unseres
Detachements-Commandanten, der immer lachte, wenn ein armer Schelm
geprügelt wurde, dass tüchtig eingebrockt werden sollte. Der
Schiffscommandant begann endlich den Delinquenten ihr Verbrechen
vorzuhalten, und -- das war der langen Rede kurzer Sinn -- dass er Gnade
vor Recht ergehen lassen, und sie desshalb nicht vor den Kriegsrath
stellen, sondern mit einer kleinen Ermahnung abstrafen wolle. Es war
bereits eine Lucke an der Wand aufgestellt, auf welche die Hauptperson des
Complotts auf den Bauch gelegt und festgebunden wurde.

Der Schiffer (erster Unterofficier), den sie verklagen wollten, und der
Schieman (ebenfalls ein Unterofficier), jeder mit einem fingerdicken
und ellenlangen Theertau in der Hand, warteten nur auf das Zeichen des
Commandanten, um der vorausgegangenen Ermahnung den gehörigen Nachdruck
zu geben. Sie schlugen nun auch auf den armen Kerl, der in den rührendsten
Ausdrücken um Gnade bat, so los, dass er zuletzt, seiner Sinne beraubt, wie
todt dahing. Der Commandant liess den Doctor nachsehen, ob man noch etwas
beifügen könne, was der menschenfreundliche Mann, nachdem er den Mund und
die Augen des Schächers untersucht hatte, bejahte. Man schlug desshalb aufs
Neue auf ihn los. Nachdem er sein Maas erhalten hatte, und man die Taue,
womit er angebunden war, losmachte, fiel er gefühllos, wie ein Sack, zu
Boden. Hierauf kam die Reihe an den zweiten und die übrigen; der erste
hatte übrigens das Fett von der Suppe erhalten. Mir standen bei dieser
Prügelei die Haare zu Berg, und nie hat eine derartige Scene solchen
Eindruck wieder auf mich gemacht. Zwar war es mir in der ersten Zeit in
Surinam unmöglich, das Peitschen und die Schläge der Neger gleichgiltig
anzusehen, und kaum konnte ich mich der Thränen enthalten, wenn diese
nackten Schwarzen, manchmal wegen unbedeutender Vergehen, mit den zähen
Zweigen der Tamarinde so geschlagen wurden, dass ihr Blut den Boden färbte.
Es empörte mich, wenn ein solcher Neger nach der Abstrafung, blutig und mit
Schwielen bedeckt, noch von den Soldaten verhöhnt wurde. Wenn sich nun
auch dieses Gefühl bei mir gerade nicht verlor, so ist es doch durch die
Gewohnheit abgestumpft, und ich habe leider die Ueberzeugung, dass,
wo Sklaverei ist, der Stock nicht fehlen darf; Mässigung aber und
Menschenliebe dürfen weder dem Seeofficier noch dem Pflanzer fremd seyn,
und nur im äussersten Falle wäre dieses Mittel zu gebrauchen! Wir gingen
den 10. Dec. des Abends abermals unter Segel, und sahen bereits am Morgen
die Kreideberge Englands vor uns liegen. Da der Wind ungünstig war, ankerte
man vor der Stadt Deal. Das Wetter war kalt aber schön; Dampfschiffe und
Fischerboote fuhren an uns vorüber, und eine Menge Schiffe lagen ebenfalls
hier, um mit günstigem Winde den Canal zu passiren. Nach vier Tagen änderte
sich der Wind, und wir kamen in den Canal. Die Seekrankheit plagte mich
wenig, was vielleicht die kalte Luft verursachte. Die vielen Schiffe und
Dampfboote, die uns begegneten, die herrlichen Ufer Englands mit ihren
hohen, weissen Kreidebergen, waren besonders für uns Süddeutsche von
besonderem Interesse.

Nach drei Tagen waren wir im atlantischen Ocean. Unser Leben war sehr
einförmig, und nur an der wärmeren Luft fühlten wir, dass wir nicht mehr
im kalten Norden waren. Das Eis unseres Wasserfasses verschwand und heftige
Regenschauer durchnässten uns zuweilen. Es war am Christabende, als mehrere
von uns sich vor einem Regenguss in die, zwischen den zwei Masten stehende,
und mit einem andern Boote bedeckte Schaluppe versteckten. Da ich der
Letzte war, der in dem bereits vollgepfropften Boote eine Zuflucht suchen
wollte, so mussten meine Füsse, für die ich keinen Platz mehr fand,
ausserhalb desselben bleiben. Ich dachte eben an die Freuden dieses Abends
im Vaterlande, verglich im Stillen den Geschmack der Lebkuchen mit dem des
harten Zwiebacks, an dem ich noch kurz zuvor die Zähne gewetzt hatte, und
bemerkte vor lauter Rührung nicht, wie mir Jemand in der Dunkelheit meine
Füsse untersuchte. Plötzlich wurde aber eine wahre Sündfluth von Seewasser
unter grässlichen Flüchen über mich ausgeschüttet, so dass ich eiligst die
Flucht ergriff und meine Mütze dabei verlor. Der Schieman hatte meine Füsse
bemerkt, und mich in diesem unerlaubten Asyle freigebig mit einigen Eimern
Seewasser traktirt. Ich war bis aufs Hemd durchnässt und zitterte die noch
übrigen zwei Stunden wie ein Rohr.

Anfangs Januar hatten wir die Höhe von Madeira erreicht. Jetzt sah man
(denn nach einigen Tagen hatten wir den Passatwind) fliegende Fische
in Menge, von welchen bisweilen einige des Nachts auf das Verdeck
niederfielen; auch trieb von Zeit zu Zeit eine prächtige rothe Polypenart
an uns vorbei, welche die Matrosen Portugiesisches Kriegsschiff nannten.
Das herrlichste Wetter begünstigte unsere Fahrt, und ich blieb, wie die
meisten von uns, Tag und Nacht auf dem Verdecke, weil die Luft im Raume,
obgleich man sie durch Windsäcke verbesserte, warm und übelriechend war.
Man brachte die Tage mit Lottospielen zu, und bis in die tiefe Nacht hinein
wurde gesungen und erzählt. Der Mond glänzte am wolkenlosen Himmel, und
die Sterne schienen mit mehr Glanz zu funkeln. Alles ging seinen geregelten
Gang, durch nichts unterbrochen, als durch kleine Strafexecutionen an
Matrosen, denen der Schieman einige aufzuzählen hatte.

Bei uns Soldaten war dergleichen noch nicht vorgefallen; denn es gab keine
Excesse, weil kein Branntwein zu bekommen war. Eines Tages aber bekamen
einige Soldaten aus der Hefe von Hollands Pöbel Streit mit einander; sie
packten sich an den Ohren, und balgten sich zwischen den Kanonen auf dem
Verdecke. Der Commandant des Schiffes, der diess zufällig mit angesehen
hatte, liess das ganze Detachement auf das Verdeck pfeifen. Hierauf mussten
die Kampflustigen vortreten, und jeder bekam ein Tau mit der Anweisung,
einander tüchtig das Fell zu gerben. Die Versicherung, dass, wenn sie ihre
Sache nicht gut machen, der Schieman das Fehlende beifügen würde, wirkte;
denn wie zwei erboste Hähne stürzten die Kerls aufeinander los; aber,
ungewohnt mit Tauen zu fechten, warfen sie diese weg und bläuten einander
mit den Fäusten durch. Das Gelächter wollte kein Ende nehmen, und an diesem
Intermezzo hatte besonders unser Detachements-Commandant seine herzlichste
Freude.

Ehe wir den Passat erreichten, hatten wir immer Wasser zur Genüge gehabt,
und jeder durfte aus dem Wasserfasse nach Belieben trinken. Kaum waren wir
aber in der wärmeren Zone, so wurde uns das Wasser in Rationen ausgetheilt.
Diese bestanden auf den Tag in einer Flasche für den Mann; sie wurden
zusammen in einem Fässchen aufbewahrt, aus welchem man gemeinschaftlich
unter Vorsitz des Backmeisters den Durst löschte. Das Söhnchen vertheilte
an jeden den Labetrunk im Deckel einer Marmitte und hatte zugleich die
Aufsicht, dass keiner naschte. Wie vielen Durst litt ich da! Fleisch, Speck
und Käse, was ich alles gerne ass, vertauschte ich gegen Wasser, und häufig
bestürmte ich den schwarzen Koch mit Bitten um etwas Wasser, was mir auch
der gutherzige Neger, wiewohl unter grässlichen Flüchen und Verwünschungen,
häufig gab.

Die Hitze nahm täglich zu. Man zog die schwere Ankerkette, die, seit
wir auf dem Ocean waren, im Zwischendeck aufbewahrt worden war, hervor,
befestigte den Anker, und erwartete in ein paar Tagen das Land.

Des Meeres herrliches Indigoblau wurde heller und grünlich; es fielen
einigemal schwere Regengüsse. Am 18. Januar 1836 sahen wir endlich die
Küste von _Guyana_ vor uns liegen, ein langer Streifen dunkler Wälder, der
auf dem Wasser sich ausdehnte, und weder Berge noch Hügel bemerken liess.

Allmählig konnte man die Bäume aus der grünen Masse unterscheiden;
Wohlgerüche von blühenden Gewächsen wehten uns an; Schmetterlinge kamen
aufs Schiff geflogen; Schwärme von rothen Ibisen, hier Flamingos genannt,
deren Gefieder vom herrlichsten Scharlachroth ist, zogen über uns hin, und
von Zeit zu Zeit tauchte ein grosser Fisch aus den trüben Meereswellen, um
frische Luft zu schöpfen.

Wir sahen die nationale Flagge des Postens _Oranje_ uns entgegenwehen, und
gegen 2 Uhr kamen wir in die Mündung des _Surinamstroms_. Jetzt erst sahen
wir die für uns neue Welt näher, denn auf der See waren wir wohl 1½ Meilen
vom Lande entfernt geblieben, weil bedeutende Sand- und Schlammbänke längs
der Küste sich hinziehen. Alles war eben und von ungeheurem Wald bedeckt,
dessen Grün sich so frisch und lebhaft ausnahm, dass selbst dasjenige der
jungen Blätter der europäischen Bäume jenem an Glanz nachsteht. Zwischen
diesen Waldungen lag eine freundliche Plantage, deren Zuckerfelder die Ufer
begrenzten. Die weissen Häuser, die Mühlen mit ihren hohen Schornsteinen
waren unter Palmen und andern uns fremden Gewächsen versteckt. Der
Reichthum der üppigen Tropennatur lag vor uns ausgebreitet; wie schön
erschien mir dieses Land! Im Winter hatten wir die traurigen Dünen Hollands
verlassen, und jetzt waren wir im Lande des ewigen Sommers. Nie werde ich
auch den Augenblick meiner ersten Landung vergessen! -- Je weiter wir den
Strom aufwärts fuhren, desto belebter wurde die Scene. Schöne, lebhaft
gefärbte und von nackten Schwarzen geruderte Barken fuhren über den
majestätischen Strom. Man ankerte bei Forteress Neu-Amsterdam, das an der
Mündung des Comewyne in den Surinam liegt und die Einfahrt der Schiffe in
diese beiden Ströme wehren kann. Auf der andern Seite des Surinam, dem Fort
gegenüber, liegt die Redoute Puomerend und an dem Comewyne das Fort Leyden.
Der Surinam ist bei Forteress Neu-Amsterdam etwa eine Viertelstunde breit,
und beide Ströme sind, so weit das Auge reicht, mit den schönsten Zucker-
und Caffepflanzungen eingefasst.

Wegen des gelben Fiebers, das gerade in Paramaribo herrschte, und schon
viele Menschen weggerafft hatte, beschloss das Gouvernement, so nöthig man
uns auch für den Garnisonsdienst in der Stadt hätte brauchen können, uns so
lange in dem gesünderen Forteresse zu lassen, bis die Krankheit aufgehört
hatte. Wir wurden demnach gegen 6 Uhr ausgeschifft.

Die ganze Besatzung des Forts war zusammengelaufen, uns zu empfangen.
Jeder fand einen Freund, Bekannten oder Landsmann unter dem Haufen, und
des Fragens und Staunens war kein Ende. Auch die ganze weibliche
Einwohnerschaft des Forts versammelte sich. Schwarze und farbige hässliche
Weiber mit langen, schlaffen Brüsten überhäuften uns mit Gunstbezeugungen
und bezeugten Lust nach den von uns mitgebrachten Stücken Käse und
Zwieback. -- Man brachte uns, als es schon dunkel war, durch eine Allee von
Tamarinden und Mangos in das Fort, und nach der für uns bestimmten Kaserne,
welche ganz das Aussehen eines Pferdestalles hatte. Durch den ganzen Saal
liefen etwa vier Fuss über dem Boden Stangen, sogenannte Klabayen, an
welche man des Abends die Hängematten befestigte, die den Tag über an
denselben aufgerollt waren. Fünfzig Schritte von der Kaserne entfernt war
eine Schenke, wo Branntwein, Rum und Wein zu bekommen war. Dahin stürmten
nun diejenigen, welche noch Geld hatten, um ihre Ankunft auf übliche Weise
zu feiern, oder die sich von Bekannten traktiren liessen.

Der Lärm und der Spectakel in der Schenke waren abscheulich, endigten
jedoch mit dem Zapfenstreich, mit welchem sich jeder nach seiner Hängematte
zu begeben hatte. Die Besoffenen lagen unter Tischen und Bänken. An Ruhe
und Stille war nicht zu denken; denn die ganze Nacht durch dauerten die
Zänkereien um die schönen Damen, welche aus allzugrosser Zärtlichkeit Jedem
angehören wollten, und deren Sprache keiner verstand, die Lamentationen
und Misereres der Besoffenen, und die Flüche derer, welche die Köpfe an
die ihnen ungewohnten Klabayen stiessen; dabei peinigte uns eine Unzahl
von Mosquittos, welche vorzüglich die Neuankommenden anfallen und eben so
lästig durch ihr Gesumme als durch ihre Stiche werden.

Ich sass die Hälfte der Nacht vor der Kaserne und bewunderte die Tausende
von Feuerfliegen, welche viel heller sind als die in Europa, und das
feuchte Gras durchschwärmen; wären auch nicht die Mosquittos die Ursache
unseres Wachens gewesen, so hätten mich doch die Scenen des Tages wachend
erhalten, und kaum graute der Morgen, als ich wieder ins Freie ging, wo mir
Alles fremd war.

Eine herrliche Allee von Königspalmen fasste den Mittelweg des Fortes
ein; ihre federbuschartigen Gipfel berührten sich beinahe und bildeten ein
prachtvolles Gewölbe. Eine andere Allee bestand aus dichtbelaubten Bäumen,
die grosse, eiförmige Früchte von einladendem Geruche trugen.

Obwohl ich sie nicht kannte, ass ich doch einige und fand sie vortrefflich.
Es waren Mangos (Mangifera indica), die um diese Zeit reif sind und
zuweilen zwei Ernten jährlich geben. Ihre Frucht hat die Grösse eines
Gänseeies, ist auf der einen Seite meist etwas eingedrückt, reif gelb,
und wie die Blätter des Baumes von terpentinartigem Geruche. Die Haut wird
abgezogen und das gelbe faserige Fleisch vom Steine, der etwas platt, aber
beinahe so lange wie die Frucht ist, abgesogen. Es schmeckt sehr süss und
angenehm und lässt sich mit keiner europäischen Frucht vergleichen; die
Fasern des Fleisches setzen sich gerne zwischen die Zähne. Der Mangobaum
wird grösser als der grösste Apfel- oder Birnbaum und trägt von seinem
vierten Jahr an Früchte, in günstigen Jahreszeiten in unglaublicher Menge.
Auf den Pflanzungen, wo sich häufig ganze Alleen davon vorfinden, mästet
man mit den Früchten, die auch einen feinen Branntwein geben, die Schweine.

Allmählig wurde es im Fort lebhaft. Die Neger, lauter Sclaven in Ketten,
welche von ihren Plantagen wegliefen und wieder eingefangen wurden, gingen
zu ihrer Arbeit. Sie müssen eine bestimmte Zeit von Jahren hier an den
Festungswerken arbeiten, um nachher, wenn ihre Strafzeit aus ist, wieder
auf ihre Pflanzungen zurückgeschickt zu werden. Sie gehen, wie die meisten
Sclaven, beinahe nackt, woran ein Neuangekommener den meisten Anstoss
nimmt. Die Kleidung aber, an welche sie nie gewöhnt sind, die ihnen auch
in diesem Klima von geringem Nutzen ist, wird fast gar nicht von ihnen
gebraucht, auch wenn sie eine solche haben. Ich sah diese Unglücklichen
mit grossem Mitleid, und hätte sie, wäre es in dieser Zeit in meiner Macht
gestanden, stante pede losgelassen.

Eine Negerin, die ebenfalls in Ketten in der Nähe unserer Kaserne
arbeitete, hatte ihrem kleinen, etwa ¾ Jahr alten Kinde einen Strick um den
Hals gemacht und auf dessen Ende einen Stein gelegt, dass es nicht zu weit
herumkriechen konnte. Sie frug mich, als sie mein Mitleid für das arme
Geschöpf sah, spasshafterweise, ob ich es kaufen wolle, und verlangte
30 fl. dafür. Mein ganzer Reichthum bestand aber blos aus 10 fl., dem
während der Reise verdienten Sold, der uns am ersten Morgen ausbezahlt
worden war, und so musste ich zur grossen Belustigung meiner Kameraden, die
wohl wussten, dass die Negerin ihr Kind nicht verkaufen konnte, bedauern,
diesen so vortheilhaften Handel aufgeben zu müssen.

Das Geld, das wir erhalten hatten, wurde von den meisten in der Schenke
durchgebracht. Andere kauften Hemden und Hosen, um daran keinen Mangel zu
haben.

Von den benachbarten Pflanzungen brachte man täglich die
verschiedenartigsten Früchte in das Fort, und ich verwendete einen grossen
Theil meiner Baarschaft daran. Da es nicht erlaubt war, aus dem Fort zu
gehen, so kletterten wir über Gräben und Pallisaden, um die benachbarten
Plantagen zu besuchen. Meine Neugierde kannte keine Grenzen.

Den ersten Ausflug machte ich mit einigen Kameraden auf die Zuckerpflanzung
Soelen, die am Comewyne etwa eine halbe Stunde von Forteress liegt.

Bei jedem Schritte überraschte mich etwas Neues, Niegesehenes; bald waren
es Krabben, die in den Löchern des Dammes ihre Schlupfwinkel hatten und
ihre Scheeren drohend aufhoben, wenn man ihnen zu nahe kam, bald grosse
Eidechsen, bald prächtige Schmetterlinge; besonders auch die Menge von
Aasgeyern, die gar nicht scheu waren, überall herumsassen und kaum aus dem
Wege gingen, oder in ungeheurer Höhe, scheinbar ohne alle Bewegung, in der
blauen Luft herumkreisten.

Durch die Bananenfelder, welche die Kost für die Neger des Fortes liefern,
kamen wir bald in einen schönen, breiten Waldweg, wo ein mit Blüthen
übersäeter Cactus grandiflorus(?) stand, der den herrlichsten Geruch
aushauchte.

In der Entfernung sah man die weissen Gebäude der Pflanzung Soelen liegen,
zu der eine breite Allee von Apfelsinen und Pompelmusen führte. Diese Bäume
hingen voll von reifen Früchten, und wir brachen ab, so viel wir zu tragen
im Stande waren. Wir besahen das Kochhaus und die Mühle, die uns aber wenig
interessirten, und verliessen, mit Früchten beladen, den Platz.

Es kann seyn, dass der häufige Genuss von Südfrüchten den Neuankommenden
schädlich ist; bei mir schien diess aber nicht der Fall zu seyn; denn
obschon ich zuweilen mehr als 20 Apfelsinen täglich ass, blieb ich doch
stets gesund. Ich lebte während meines Aufenthaltes auf Forteress beinahe
ganz von Früchten, Zucker und Eiern, während Mancher, der mir in der
besten Absicht dieses abrieth, gerade an der entgegengesetzten Lebensweise
unterlag.

Unsere Ausbeute von Früchten munterte unsere Kameraden zu ähnlichen
Excursionen auf, bis diese endlich zu den Ohren des Kommandanten kamen und
strenge verboten wurden.



Zweiter Abschnitt.

  Ankunft in Paramaribo. Das Fort Zelandia. Die Stadt. Oeffentliche
  Gebäude. Inneres der Privathäuser. Kaufleute und Kaufläden. Gewichte,
  Maase, Geld. Lebensweise der Militärs und Einwohner. Die Jugend. Die
  Pflanzungen. Holzfällereien. Leben auf den Pflanzungen. Die Verwalter
  oder Direktoren. Die Blankofficiere. Die Negersklaven, ihre Arbeiten
  und Behandlung. Religion. Einfluss der Herrnhuter. Tänze. Krankheiten.


Den 1. Februar 1836 wurden wir in einem Matrosenpont[1] nach unserem
Bestimmungsorte, dem Forte _Zelandia_, gebracht. Schöne Zucker- und
Kaffeepflanzungen säumten auf beiden Seiten den breiten Strom, der vor
der Stadt sich plötzlich südwestlich dreht und eine grosse Bucht (Hafen)
bildet.

Eine Menge Landhäuser, an welche noch die letzten Pflanzungen grenzen,
machen die Vorstadt Combé aus.

Auf der Ecke, welche durch die schnelle Krümmung des Flusses entsteht,
steht das Fort Zelandia auf einem Muschelfelsen. Es hat nur wenige
Batterien, ist unregelmässig gebaut und von der Stadt durch den
Gouvernements-Platz und einen etwa 60' breiten Graben, der sein Wasser
aus dem Strom erhält, geschieden. Eine grosse Kaserne von Backsteinen, das
Quartier vom Bataillon Jagers Nr. 27, erinnert an die guten und reichen
Tage der Colonie, in welchen man noch so solid bauen konnte. Die Officiere
haben seit dem Jahr 1839, in welchem ein grosses hölzernes Gebäude, das sie
gemeinschaftlich bewohnten, niedergerissen wurde, eigene, nette Häuser, die
nach _einer_ Form in demselben Jahr erbaut wurden. Im Forte selbst steht
das Binnenfort, mehrere steinerne Gebäude, die, mit einer Mauer umgeben,
einen kleinen Platz einschliessen, wo die verschiedenen Gefängnisse für
Militär- und Civilverbrecher, sowie auch für die bösen Schuldner sind,
die ihre Creditoren nicht zahlen wollen oder können. Auf dem Platze
selbst werden die Neger, welche man nachdrücklich züchtigen will, durch
Peitschenhiebe oder Stockschläge abgestraft.

Ausser der Kaserne für die hier garnisonirende Artillerie ist im
Binnenfort das Pulvermagazin und ein Signalposten, der durch den auf der
gegenüberliegenden Seite des Stromes sich befindlichen Telegraphen der
Pflanzung Jagdlust mit dem Forte Amsterdam correspondirt, wodurch man die
Ankunft der Schiffe in der Mündung des Stromes sogleich erfährt.

Die Stadt selbst, welche etwa 100 Schritte von der Barrière des Fortes
anfängt, ist ganz ohne Mauern und besteht grösstentheils aus breiten
Strassen, welche zwar ungepflastert sind, aber, da sie aus Muschelsand
bestehen, auch bei den heftigsten Regengüssen nach ein paar Stunden wieder
trocknen; die meisten sind auf beiden Seiten mit Orangebäumen bepflanzt.

In den längs des Stromes oder nahe bei demselben laufenden Strassen sind
die Häuser enge bei einander, und nur selten durch Gärten von einander
geschieden. Mit Ausnahme weniger, von Backsteinen aufgeführter Häuser sind
alle von Holz; sie ruhen auf einem 1-2' hohen, von Backsteinen aufgeführten
Gemäuer. Läden und Thüren werden grün bemalt, das andere aber ist
perlenfarbig angestrichen. Sie sind mit Schindeln (Singels) aus
inländischem, hartem Holze bedeckt; jedoch muss seit dem grossen Brande
im Jahr 1832 jedes neue Haus mit Ziegeln oder Schiefer bedeckt werden.
Glasfenster sind wegen der Hitze wenig im Gebrauche; man hat dafür
Jalousien oder Sassineten von Gaze.

In den entfernteren Stadttheilen ist beinahe bei jedem Hause ein Garten,
von dem man aber meistens wenig Gebrauch macht; diese Gärten sind mit
einander durch Hecken von Limonen verbunden. -- Küchen und Abtritte sind
vom Wohnhause abgesonderte Gebäude; meistens befinden sich auch noch Häuser
für Sclaven, sowie Magazine auf dem Hofe. Jedes Haus hat zwei Thüren an der
Strasse; die eigentliche Hausthüre ist für Weisse, die andere, Negerpoort,
an welche man durch den Hof gelangt, für Sclaven und ärmere Leute bestimmt.

Verschiedene Canäle, welche ihr Wasser aus dem Strom erhalten,
durchschneiden die Stadt. Zwei Vorstädte heissen Combé und die Freicolonie,
welche letztere meistens von freien Farbigen bewohnt wird, die, als sehr
faul, auch sehr ärmlich leben.

Oeffentliche Gebäude und Privathäuser zeichnen sich mehr durch Zierlichkeit
als durch imposante Bauart aus. Das Gouvernement liegt zwischen der Stadt
und dem Forte an einem grossen, mit Rasen bedeckten Platze »het plein«.
Es ist ein grosses, stattliches, von Holz aufgeführtes Gebäude, das eine
schöne Aussicht auf den Fluss gewährt. Sein früher verwahrloster Garten ist
jetzt (1850) sehr gut unterhalten und dient als Probeschule für tropische
Pflanzen. Eine herrliche, dreifache Allee von hohen Tamarindenbäumen zieht
sich längs desselben bis an den Wallgraben des Fortes hin. Ein
angenehmerer Spaziergang in der Hitze des Tages lässt sich nicht denken;
dessenungeachtet macht aber Niemand Gebrauch davon.

Nahe beim Gouvernement ist das, mit grossen Kosten aus Backsteinen
gebaute, im Jahr 1839 vollendete Controlgebäude, in welchem verschiedene
Verwaltungs-Bureaux sich befinden. Von seinem, mit einem Uhrwerk versehenen
Thurme geniesst man eine herrliche Aussicht über die ganze Stadt und die
umliegenden Pflanzungen. In zwei anderen Gebäuden, welche der Schreibekunst
gewidmet sind, befinden sich die Bureaux der Justiz und Waisenverwaltung.

Paramaribo hat eine lutherische und eine reformirte Kirche; beide sind
hübsch und einfach, werden aber, was die gefällige Bauart betrifft, von
der im Jahr 1838 vollendeten hochdeutschen Judensynagoge bei weitem
übertroffen. Die katholische Kirche ist klein, doch sehr zierlich; das
einfache Herrnhuter Bethaus ist mit Palmen und tropischen Gewächsen
umgeben. Zwei Freimaurerlogen, ein Komödienhaus, die portugiesische
Judensynagoge, das Hospital und das Zoll- oder Waaghaus mögen die Liste der
öffentlichen Gebäude beschliessen.

Das Innere der Privathäuser ist fast bei allen angesehenen Familien
auf gleiche Weise angeordnet. Grosse Spiegel, Kupferstiche, Hänge- und
Wandlampen, und unter den Möbeln ein mit Glas, Silber und Porzellan
überladenes Sideboart werden beinahe in jedem Hause angetroffen. In
jedem Schlafzimmer steht ein grosses, mit Gaze umhangenes, aus kostbarem,
inländischem Holze schön gedrechseltes Bett, Ledikant, auf dem Berge von
Kissen aufgestapelt sind. Dieses Bett ist blos ein Prunkstück, das wenig
benützt wird, weil man der Kühlung wegen auf Matten und Matrazen schläft,
die den Tag über verborgen werden. Häufig bedient man sich auch feiner,
baumwollener Hängematten.

Die Zimmer werden reinlich gehalten und häufig mit Orangensaft gewaschen,
was bei dem vielen Ungeziefer, das sich in den Ritzen verbirgt, auch sehr
nöthig ist.

Beinahe alle Häuser haben Brunnen, deren Wasser aber in den langen
Trockenzeiten zuweilen brack schmeckt; nur grössere Gebäude haben
Wasserbehälter.

Eigentliche Spaziergänge, oder für den öffentlichen Gebrauch eingerichtete
Gärten hat die Stadt nicht; doch bieten ihre Umgebungen, die unter den
schönsten Pflanzen einer tropischen Vegetation versteckten Landhäuser,
prächtige Partien dar. In der Stadt befinden sich zwei Kirchhöfe und sechs
ausserhalb derselben, also im Ganzen acht, die einer gleichen Anzahl
von Apotheken entsprechen, somit hinsichtlich der Bevölkerung kein
vortheilhaftes Zeugniss für die Gesundheit Paramaribos geben[2]. Der Markt
ist unter einer Reihe von Tamarindenbäumen an der Wasserseite, wo man
Fische, die an üblem Geruch mit den sie verkaufenden und schwitzenden
Negerinnen wetteifern, nebst allen inländischen Lebensmitteln zum Verkaufe
vorfindet. Lebensmittel und andere Waaren werden auch sonst noch an vielen
Plätzen der Stadt verkauft. Alles wird unter beständigem Geschnatter
feilgeboten, und der Fremdling sieht hier unter Anderem auch Leckereien,
die man im Vaterlande mit Abscheu zurückweisen würde.

Zwar mehr europäisch, doch nicht weniger interessant sind die Kaufläden,
deren Zahl besonders am Strome Legion ist. Da findet man kein Haus, in
welchem man nicht etwas feilbietet.

Man trifft in _einem_ Laden eine Auswahl der verschiedenartigsten Dinge,
welche man in Europa nur bei 100 Künstlern, Kaufleuten oder Handwerkern
bekommen könnte; denn man verkauft in demselben Laden Bücher, Schuhwichse,
Bijouterie, Schinken, Parfümerien, Thee, Ziegelsteine, Mehl, Schuhe,
Kleider und Uhren. Es gibt nichts, womit ein Kaufmann hier nicht handelte.
Die meisten Lebensmittel kommen gesalzen oder geräuchert aus Holland
und Nord-Amerika; Fleisch, Speck, Erdäpfel u. s. w. kauft man hier beim
Kaufmann, bei welchem man natürlich auf grosse Sachkenntniss nicht rechnen
darf. In Europa würde Niemand zum Kaufmann gehen, ohne von dessen Waaren
etwas zu bedürfen. Hier ist es ganz anders. Man kommt in den Laden, liest
die Zeitung, trinkt ein Gläschen Genever, das der Kaufmann präsentiren
lässt, und geht dann, ohne für einen Cent gekauft zu haben. Diess lässt
sich auch der Kaufmann gerne gefallen; denn diese viel besuchten Läden
ziehen die andern Käufer an. Man kauft meistens auf Credit; wer innerhalb
sechs Monaten bezahlt, ist ein guter Kunde. Die andern werden nach Verlauf
dieser Zeit erst mündlich, dann schriftlich an ihre Schuld erinnert,
endlich durch Läufer (meist Juden, welche die Taschen mit Rechnungen
vollgepropft, im Dienste der Kaufleute die ganze Stadt durchrennen),
dringend ersucht und wenn diess nichts hilft, verklagt.

Die letzteren Kunden sind die häufigsten; denn gar viele leben ohne zu
denken, und kaufen ohne bezahlen zu können.

Der Detailhandel wird durch Krämer, hier Vetwariers oder Schmuggler
genannt, getrieben; diese verkaufen im Kleinen an solche, welche keinen
ganzen Schinken, kein ganzes Fässchen Fleisch oder Butter kaufen können,
und also für jede Mahlzeit besonders sorgen müssen. Hier wird übrigens
nichts geborgt; die Zahl dieser Krämer ist ebenfalls bedeutend. Nur wer
die Gourmandise und den ungeheuren Luxus für die Tafel u. s. w. kennt, kann
einigermassen begreifen, dass sich diese Masse von sogenannten Kaufleuten
noch nicht unter einander aufgezehrt haben.

In den Maasen und Gewichten der Colonie herrscht grosse Unordnung. Artikel,
welche aus Nord-Amerika kommen, wie: gesalzenes Fleisch, Fische, Speck,
Saife, Lichter, Mehl u. s. w. werden nach amerikanischen Gewichten
verkauft; tannene Bretter ebenfalls daher, nach dem englischen Maase.

Holländische Erzeugnisse berechnet man nach dem alten Amsterdamer Pfunde,
dem Halb-Kilogramme, die Längenmaase nach dem rheinischen Fusse, und
Flüssigkeiten nach dem englischen Gallon.

Was nach Holland verschickt und verladen wird, geht nach dem neuen
holländischen Maas und Gewicht, in dem die Regierung ebenfalls ihre
Bedürfnisse ausschreibt. Es kommt auf diese Weise mancher Irrthum vor.

Jede grössere Haushaltung kauft ihren Bedarf an gesalzenen oder
geräucherten Lebensmitteln, an Saife, Lichter, Oel u. s. w. im Grossen,
d. h. in ganzen Fässern, Kisten und dergl., die in einem stereotypen
Gewicht in den Handel kommen, und daher nie nachgewogen werden. So enthält
ein Fässchen Butter 14 Pfund, Speck 40 Pfund, Fleisch 180 Pfund u. s. w.
und man verlässt sich dabei ganz auf die Aussage des Kaufmanns. Auf dem
Markte selbst wird blos nach dem Augenmaase gekauft; die Fische nach der
Frische, Grösse und Qualität; Reis, Mais, Bohnen u. s. w. in Calabasschalen
zu festbestimmten Preisen und nach sehr variablen Gewichten.

In Cayenne herrscht in dieser Beziehung viel mehr Ordnung; man hat dort
eine Fleisch- und Fischhalle. Alles wird nach französischem Maase und
Gewicht gekauft und mit französischem Gelde bezahlt.

In Surinam rechnet man nach dem französischen Münzfusse, mit Banknoten von
fl. 250.-- bis auf 10 niederländische Cents.

Als kleinere Scheidemünze circuliren eine Menge Cents. Das Papiergeld,
das manchmal 30% unter seinem Nominalwerth stand, ist im Jahr 1847 ganz
abgeschafft und durch holländisches Silbergeld ersetzt worden. Ausserdem
sind eine Menge mexikanischer Piaster, französische Fünffranken und
Doublonen im Umlauf.

Ehe ich es wage, meine Meinung über die weiteren Einwohner und deren
Lebensweise auszusprechen, will ich zuerst eine kleine Schilderung unseres
Soldatenlebens geben, wobei ich glaube Jedermann davon überzeugen zu
können, dass wir vom Luxus der übrigen Stände ausgeschlossen sind.

Des Lebens erstes Bedürfniss, die Nahrung, ist fürs heisse Clima klüglich
berechnet, d. h. wenig und mager. Ausser einem Pfunde guten, weissen Brodes
wird eine, aus 5/14 Pfund Reis und 3/7 Pfund gesalzenem Fleische bereitete
Suppe vorgesetzt, deren Einfluss auf die Körperkräfte man nur dann
beurtheilen kann, wenn man sie selbst gegessen hat.

Des Mittags sind Bananen, die vom Solde eingekauft und mit 1/14 Pfund
Speckfett übergossen werden, die Hauptkost. Ueberdiess wurde jeden Morgen
ein Schnaps ausgetheilt, welchen die Meisten allem Uebrigen vorzogen.
Der monatliche Sold des Soldaten bestand aus circa 10 Gulden, wovon aber
verschiedene Abzüge gemacht wurden, so dass wenig genug übrig blieb.

Die Dienstverrichtungen in der Garnison waren jedoch grösstentheils eben so
leicht und bequem eingerichtet, als Nahrung und Kleidung spärlich berechnet
waren. Die viele freie Zeit, welche der Soldat hatte, und der Mangel an
anständigen Vergnügungen trug nicht wenig zu seiner Demoralisation bei.
Mancher Ankömmling ergibt sich aus langer Weile oder durch schlechte
Gesellschaft verleitet, dem Trunke, den man zu grösserer Bequemlichkeit im
Forte haben konnte.

Leider ist die bei weitem grössere Hälfte des Corps diesem Laster ergeben,
und da der Preis des Genevers für die Bedürfnisse des Soldaten zu hoch ist,
so ersetzt der wohlfeile Zuckerbranntwein, hier Dram genannt, denselben.
Es ist merkwürdig, zu welcher Fertigkeit es Einzelne im Trinken gebracht
haben; denn es gibt Manche (auch der Civilstand hat solche Matadoren), bei
welchen zwei Flaschen täglich ihre Sinne noch nicht umnebeln. Diess ist die
Ursache, warum der Soldat bei allen Einwohnern der Colonie in Misscredit
steht, und ungeachtet seiner weissen Farbe selbst von Negern nicht geachtet
wird. Man muss zwar gestehen, dass dieses Laster nicht blos unter den
Soldaten herrscht, die freilich die Folgen ihrer Excesse nie so zu
verheimlichen im Stande sind, wie die Bewohner der Stadt oder der
Pflanzungen, die ihren Rausch in den Hängematten =à leur aise= ausschlafen
können; aber so viel ist sicher, dass die Hälfte der Truppen Trunkenbolde
sind, wenn man der täglichen Erfahrung trauen darf. Die meisten Militärs
haben Weiber; denn die Liebe und der Wein, der aber hier durch Dram ersetzt
wird, spielen im Militärleben die Hauptrolle. Weiber sind es freilich,
aber keine Frauen; denn man hält das Band der Ehe für zu drückend, und
die Gewohnheit des Landes, unverheirathet leben zu können, ist zu
verführerisch, als dass man diess für eine Schande halten würde. Sieben
Achtel der ganzen älteren männlichen Bevölkerung Surinams haben solche
Maitressen, und unter 25 Kindern ist kaum eines ehlich geboren. Man
begreift leicht, dass der Soldat das Geldstück nicht aus der Münze bekommt,
und eine surinamische Missin muss schon ziemlich abgenützt seyn, wenn
sie sich von den Abfällen des dürftigen Soldatentisches nähren muss; die
meisten dieser farbigen Damen sind aber schlechte Haushälterinnen.

Kinder aus solchen Verbindungen der niederen Volksklasse und der Soldaten
wachsen auf, wie die Lilien auf dem Felde, d. h. es bekümmert sich kein
Mensch um sie.

Bei allen obscönen Scenen gegenwärtig gilt hier von ihnen mit vollem
Rechte: =Il n'y a plus d'enfants=; sie erhalten wenig oder keinen
Unterricht, und herangewachsen bringen sie es selten zu einer ordentlichen
Existenz.

Von den Officieren waren viele in alten Zeiten auf diese surinamische Weise
verheirathet, und wurden von ihren =quasi= Frauen nach allen Posten
der Colonie begleitet, wo sie die Haushaltung ihrer Männer führten. Ein
Officier, obgleich sein Gehalt denjenigen seines Ranges in Holland um ein
Drittel übersteigt, kann bei den theuren Lebensbedürfnissen, so sparsam
er es auch anlegen mag, in Garnison wenig oder nichts für die Zukunft
erübrigen. Es ist desshalb für jeden vortheilhaft, nach den Militärposten
detachirt zu werden, wo man Gelegenheit hat, die Finanzen zu verbessern,
da die Lebensmittel meist wohlfeiler sind, Wald und Flüsse überflüssig Wild
und Fische liefern, und mancher erlaubte Vortheil sich darbietet.

Es bestand unsere ganze Macht aus einem halben Bataillon Jäger, von
ungefähr 500 Mann, einer Compagnie Artillerie und einer Compagnie schwarzer
Soldaten. Die Garnison zu Paramaribo betrug beinahe 250 Mann, während der
Rest auf den verschiedenen Posten im Lande oder an der Seeküste detachirt
war, um 45,000 Negersclaven, im Falle sie rebelliren würden, im Zaume
zu halten. Dass diess noch nicht geschah, ist ein Beweis von der guten
Gesinnung der Neger, und widerspricht der Meinung von der grausamen
Behandlung der Sclaven durch die Holländer gänzlich.

Die Einwohner der Stadt bestehen aus Europäern, weissen Eingebornen,
farbigen Freien, und einer bei weitem grösseren Anzahl Sclaven[3].

Die Reichen sind, wie meistens überall, die Angesehensten; bei ihnen wird
auch auf die Farbe so genau nicht gesehen, obschon die meisten bedeutenden
Aemter durch Europäer besetzt sind. Der Kastengeist, der in früheren Zeiten
so manchem mittelmässigen Kopfe, wenn er nur weiss war, Ehre und Reichthum
verschaffte, hat sich bedeutend vermindert, und das Interesse oder vielmehr
die nicht mehr so günstigen Zeiten haben dieses Vorurtheil so ziemlich auf
die Seite geschafft.

Eine grosse Anzahl von Juden, welche wohl die Hälfte der weissen
Bevölkerung ausmacht, und von denen viele im Besitze ansehnlicher
Pflanzungen sind, hat sich seit den frühesten Zeiten der Colonie hier
eingenistet und treiben meistens Handel.

Handwerke werden beinahe ausschliesslich durch die farbige Race betrieben;
Sclaven dienen dabei als Gesellen, und schlechte und langsame Arbeit muss
theuer bezahlt werden.

Ueber das Leben der höheren Stände kann ich aus Erfahrung nur wenig mich
aussprechen, da mir meine Verhältnisse als Militär den Zutritt nicht
gestatteten. Aber so viel ist gewiss, dass unter den höheren und reicheren
Ständen nicht immer grosse Bildung herrscht, und Lectüre, Literatur und
feinere gesellige Vergnügungen hier nicht überall zu Hause sind.

Nach den höchsten Beamten der Colonie stehen die Administratoren der
Pflanzungen in grossem Ansehen. Da die meisten Eigenthümer von Pflanzungen
sich in Europa aufhalten, so werden diese durch Administratoren verwaltet.
Diese wohnen in Paramaribo, und haben die Leitung von verschiedenen,
manchmal wohl 30 Pflanzungen unter sich. Weil ihnen nun von allen
Einkünften gewisse Procente zukommen, und erstere bei einer Pflanzung
manchmal mehr als 5000 fl. betragen, so muss man sich über ein solches
Einkommen wundern, dessen Erwerb immerhin ein Mittagsschläfchen von 2-3
Stunden erlaubt. Weil nun auch viele Leute von diesen Herren abhängig sind,
so stehen sie überall in der höchsten Achtung.

Die Lebensweise der Bewohner Paramaribo's bietet wenig Veränderung dar, und
beschränkt sich hauptsächlich auf eine gute Tafel und andere körperliche
Genüsse. Ausser der Tafel, welche mit allem Köstlichen aus Surinam, Holland
und Nord-Amerika besetzt ist, besteht der grösste Luxus in Sclaven; denn
je mehr man deren zur Bedienung im Hause hat, desto vornehmer ist die
Haushaltung; dabei ist es gleichgültig, ob dieses Gesinde arbeitet oder
nicht. Eine Familie, welche 2-3 Kinder hat, kann ohne 6-8 Dienstboten nicht
wohl leben, welche man für Küche, Wäsche und Bedienung als unumgänglich
nothwendig erachtet. Hat man Gärten oder Pferde, so ist natürlich noch ein
Gärtner und ein Stallknecht nöthig. Wenn man nun die Kost für all dieses
Gesindel kaufen muss (was aber bei Plantagenbesitzern oder Administratoren
nicht der Fall ist), so erfordert eine solche Haushaltung ein enormes
Einkommen, da die jährlichen Ausgaben sich bald auf 6000 fl. belaufen[4].

Wie ich bereits oben bemerkte, sind Heirathen nach europäischem Begriffe
hier eben nicht sehr in der Mode; denn freie Haushälterinnen oder
Concubinen ersetzen beinahe überall die Hausfrauen, was durchaus keine
Schande ist. Kinder aus diesen Verbindungen werden zwar nicht vor Gericht,
doch sonst wie rechtmässige behandelt, und führen den Namen der Mutter.

Sparsamkeit und Ordnung sucht man in diesen Haushaltungen meistens
vergeblich; denn wenn auch der Mann kein Verschwender ist, so weiss doch
seine Frau das Geld so anzuwenden, dass von Glück zu sagen ist, wenn die
Einkünfte die Ausgaben decken. Meistens essen diese Haushälterinnen allein
oder laden Freundinnen (Maatjes) ein. Bei den mittleren und niederen,
freien Ständen, die vom Handwerk oder Nichtsthun leben, ist natürlich
das Wohlleben in weit geringerem Grade zu finden, und gar viele wissen
am Abende nicht, wovon sie am Morgen leben sollen, obgleich die wenigen
Bedürfnisse mit ein paar Stunden Arbeit gar leicht zu bestreiten sind.
Aber es herrscht auch unter den Eingebornen eine wirklich diogenische
Genügsamkeit, wenn kein Kaufmann mehr borgen will.

Nach dem Vorbild der Eltern bildet sich die Jugend, und nirgends wird wohl
die Erziehung so vernachlässigt seyn, als hier unter den niederen Ständen.
Nicht, dass es keine Schulen gäbe oder Anstalten, um arme Kinder zu
unterrichten, -- für beides ist gesorgt, aber den meisten Eltern ist es
gleichgültig wie ihre Kinder mit der Zeit haushalten und bekümmern sich
weder um ihre Spiele noch sonstigen Beschäftigungen.

Besitzt nun auch die Jugend noch so viel Beweglichkeit, um keine
Mittagsruhe in den Hängematten zu halten, so wird doch die Zeit nicht
besser angewendet, als um Vögel zu fangen, oder mit der Flinte in den Wald
zu schlendern. Ernste und anstrengende Arbeiten sind den meisten Creolen
ein Gräuel. -- Da im täglichen Umgange unter den Eingebornen blos
neger-englisch gesprochen wird, und ausser der Schulzeit die Kinder sich
wenig mit Lesen und Schreiben beschäftigen, so findet man nur sehr Wenige,
welche correct holländisch schreiben oder richtig sprechen können. Die
Geographie _Hollands_ lernen Alle vollständig und sie kennen jeden Fluss
oder jeden noch so unbedeutenden Flecken dieses Landes, das die Wenigsten
unter ihnen je zu sehen bekommen, aber um die Kenntniss der Producte,
der Lage und sonstigen Verhältnisse ihres eigenen so reichen Vaterlandes
bekümmern sie sich nicht. Diess mag wohl auch eine der Ursachen seyn, dass
Landbau und Industrie so vernachlässigt sind.

Ehe ich nun zur Erzählung meines einförmigen Garnisonslebens und der
kleinen Vorfälle im Laufe meiner Dienstzeit zurückkehre, will ich, um
den Zusammenhang nicht zu unterbrechen, die Sitten und Gebräuche auf den
Pflanzungen, soweit ich sie während meines langjährigen Aufenthalts habe
kennen lernen, schildern[5].

Die Pflanzungen, welche den Reichthum des Landes hervorbringen, liegen alle
längs der vielen Flüsse und Kreeken, welche die Colonie in allen Richtungen
durchschneiden und den Transport der Producte erleichtern.

Da das Land, soweit die Pflanzungen reichen, überall nieder ist, und diese
manchmal unterm Niveau des höchsten Wassers stehen, so war bei der Anlage
derselben eine dauerhafte Eindämmung, Anlage von Schleussen u. s. w.
nöthig, lauter Arbeiten, deren Kostspieligkeit und Mühe sich wohl keine
anderen, als holländische Ansiedler unterzogen haben würden, und die auch
in der Folgezeit durch die ungeheure Fruchtbarkeit reichlich vergütet
wurden.

Das Hauptproduct war und ist jetzt noch Zucker. Die Pflanzungen hievon sind
desshalb hinsichtlich der Anzahl von Negern auch die bedeutendsten, denn
sie haben 100-400 Sclaven.

Ich übergehe die allgemein bekannte Anpflanzung dieses sowie der anderen
Producte, und füge blos bei, dass die Arbeiten auf einer Zuckerpflanzung
beschwerlicher für die Neger sind, als auf einer anderen, da besonders bei
den Wassermühlen die Sclaven Tag und Nacht arbeiten müssen, weil solche
Werke nur mit den Springfluthen des vollen und neuen Mondes in Gang
gebracht werden können.

Die Dampfmaschinen, welche immer mehr in Gebrauch kommen, erlauben zwar
den Negern ihre Nachtruhe, erfordern aber viele Mühe und Kosten, weil
zur Feuerung der Maschine eine Menge Holz oder Steinkohlen nöthig ist.
Erfahrene Directoren ziehen ein gutes Wasserwerk jeder Dampfmaschine vor.
Das andere Product, das aber immer mehr in Abnahme kommt, ist Caffee. Auf
diesen Pflanzungen sind 40-200 Sclaven, welche ein ungleich besseres Leben
als die auf den Zuckerpflanzungen führen, indem ihre tägliche Nahrung, die
in Bananen besteht, immer reichlich vorhanden ist.

Im Schatten dieser Bananen stehen die Caffeebäume; eine Caffeepflanzung
liefert meistens Bananen nach den Zuckerpflanzungen, auf welchen diese
nicht in hinreichender Menge angepflanzt werden, wesshalb das Fehlende für
die Sclaven angekauft werden muss.

Das dritte bedeutende Product ist Baumwolle, welche in den Ländereien,
die in der Nähe der See liegen, vortrefflich gedeiht. Auch hier hat man
Pflanzungen von 300 Sclaven.

Die Zubereitung dieses Products wurde in der letzten Zeit bedeutend
vervollkommnet, und das langweilige Geschäft, den Cattun von den Körnern
zu scheiden, wird jetzt auf mehreren Pflanzungen durch kleine Dampfmühlen
verrichtet, die im Stande sind, mit der Hülfe von fünf Personen täglich bei
2000 Pfund Baumwolle rein zu mahlen, eine Arbeit, die auf gewöhnlichem Wege
eine Menge Neger beschäftigen würde.

Cacao und Indigo sind von weniger Bedeutung, da blos noch kleine
Pflanzungen davon existiren.

In den höher liegenden Gegenden sind die Holzgründe, welche für den
inländischen Gebrauch Balken und Bretter liefern. Es sind davon etwa 25
im Lande, welche 2400 Neger beschäftigen. Da das Holz, welches auf diesen
Etablissements bearbeitet wird, nicht als Ausfuhrproduct betrachtet werden
kann, und diese desshalb weniger bekannt sind, so halte ich es für nöthig,
noch einige Details darüber beizufügen.

Diese Niederlassungen befinden sich, wie schon gesagt wurde, im höher
liegenden Lande, wo keine Productpflanzungen mehr sind und der Urwald mit
seinen colossalen Bäumen vor den Palmen- und Mangowäldern des niederen
Landes vorherrscht. Sie enthalten meist nur wenige Sclaven (mit Ausnahme
von zwei, welche gegen 300 zählen), aber ein desto grösseres Territorium,
was natürlich bei dem langsamen Wachsthum der Bäume sich von selbst
versteht. Es gibt Pflanzungen, welche 12 holländische Meilen im Umkreise
haben, die jedoch noch keine 50 Sclaven zählen. Die Bearbeitung des Holzes
ist für dieselben die leichteste und angenehmste Arbeit, weil ihnen
diese festgesetzt ist, und sie im Stande sind, mit etwas Fleiss 1-2 Tage
wöchentlich für sich selbst zu erübrigen. Häufig sind die Arbeitsplätze
mehrere Stunden von der Pflanzung entfernt, und die Neger gehen jeden
Montag mit Lebensmitteln für die ganze Woche dahin. Gesunde und starke
Männer werden zum Sägen verwendet; andere jüngere Männer müssen den
gefallenen Baum auf ein Gerüst, das man Barbacot nennt, aufsetzen; zu
diesem nimmt man das Holz der Cumu-Palmen und anderer, leicht fällbarer
Bäume, oder man macht ein solches aus starken Sparren, die mit Lianen
dauerhaft zusammengebunden werden, und worauf nun drei oder mehr Männer, je
nach der Grösse des Blockes, denselben aufsetzen. Die zum Sägen bestimmten
Bäume werden im Neumond gefällt, weil man meint, dass das Holz alsdann
weniger reisse. Man nimmt an, dass zwei Neger täglich 60 lange und 1'
breite Bretter sägen, was auch für sie ganz leicht geht. Diese Bretter
werden von Weibern auf dem Kopfe nach dem Holzgrunde oder dahin gebracht,
wo eine Kreek oder ein Fluss den Weitertransport erleichtert. Viereckiges
Bauholz wird von Ochsen gezogen, was aber bei den schlechten Wegen und
überall hervorragenden Baumwurzeln sehr langsam von statten geht.

Die Holzetablissements, welche schon seit so vielen Jahren betrieben
werden, hieben natürlich dasjenige Holz, das in der Nähe der Flüsse oder
Kreeken stand, zuerst weg, und haben desshalb, je tiefer sie landeinwärts
dringen, um so schwierigeren Transport. Es denkt natürlich Niemand daran,
die ausgehauenen nützlichen Hölzer durch Stecklinge nachzupflanzen, was mit
wenig Mühe und Kosten geschehen könnte. Man denkt eben wie überall: =Après
moi le déluge= -- und das ist eben der Grund davon, dass die edlen, feinen
Holzarten so theuer und in grossen Dimensionen so mühsam zu bekommen sind.
Es können diese Etablissements durchaus nicht concurriren mit dem Verkaufe
des Holzes, das die Buschneger aus den noch nicht ausgegebenen Waldungen
des unbewohnten Landes bringen, und zu niedrigen Preisen verkaufen.
Ausserdem dass die Buschneger nicht die mindeste Abgabe an das Land
bezahlen, während die Eigenthümer der Holzgründe mit Kopf- und Ackergeldern
besteuert, und den Wechselfällen des Sklavenbesitzes ausgesetzt sind,
fällen jene ihr Holz noch an Stellen, wo es, so zu sagen, ins Wasser fällt,
so dass ihnen der Weitertransport keine Mühe macht. Es ist desshalb auch
zu begreifen, dass die Eigenthümer der Holzgründe ihre Rechnung bei diesem
Handel nicht finden; aber das Gesetz, dass die Neger nur mit ihrem
Willen von den Pflanzungen verkauft oder versetzt werden können, und die
Widerspenstigkeit, ein anderes Product anzupflanzen, das dem Eigenthümer
mehr Nutzen bringen, ihnen aber mehr Mühe verursachen würde, macht die
meisten Eigenthümer zu armen Leuten.

Die Neger dieser Pflanzungen haben vor allen das beste Leben; sie
gebrauchen die viele freie Zeit, welche sie erübrigen, zur Anpflanzung
von Erdfrüchten, die sie in Paramaribo verkaufen. Sie erhalten von ihren
Eigenthümern bloss sogenannte Switti Moffo, d. i. gesalzenes Fleisch oder
gesalzene Fische; es werden ihnen aber jährlich in der Trockenzeit eine
gewisse Anzahl Tage freigegeben, in denen sie Wald fällen, verbrennen und
den Boden reinigen, und Erdfrüchte, die meistens aus Mais, Reis, Toryers,
Cassave u. s. w. bestehen, pflanzen. Sie ziehen überdiess Schweine und
Federvieh und leben in mancher Hinsicht besser, als der von allen Sorgen
gedrückte und ärmere europäische Landmann.

Alle Pflanzungen stehen unter der Aufsicht und Leitung eines Directors, der
auf der Pflanzung wohnt und von den Eigenthümern oder Administratoren des
Effektes angestellt und diesen verantwortlich ist[6].

Die Einkünfte des Directors richten sich nach der Grösse des Effektes
und seiner Revenüen, und belaufen sich auf den grössten Zuckerpflanzungen
manchmal auf 3000 fl. Ausser der Besoldung, die im Durchschnitt auf
1200 fl. angeschlagen werden kann, haben viele noch sichere Procente von
Producten der Pflanzung, als: Zucker, Caffee, Cattun, Melassin und Dram;
sie ziehen auch eine Menge Schweine und Federvieh, die von den Bananen
der Pflanzung gefüttert werden. (Ich kenne Directoren, die über 1000 fl.
jährlich reinen Gewinn von ihren Schweinen haben.) Sie sind auch
unumschränkte Herren auf der Pflanzung. Verstehen sie nun, sich der Gunst
des Administrators zu versichern, und sind sie in ihrem Fache als tüchtige
Männer bekannt, so ist ein solcher Director wirklich eine beneidenswerthe
Person. Geräumige Gebäude sind ihre Wohnungen, eine Menge Dienstboten
führen die Haushaltung; ein Jäger, Fischer und Gärtner sorgen für die
Bedürfnisse der Tafel, und alle diese fliegen auf den Wink herbei. Die
Bequemlichkeit dieser Herren, besonders der farbigen Directoren, ist daher
manchmal eckelerregend, so z. B. wäre es eine grosse Erniedrigung, selbst
eine Pfeife anzuzünden, ein Glas Wasser einzuschenken oder die Schuhe
auszuziehen. Ich kannte mehrere dieser Herren, besonders auf Holzgründen,
die des Morgens um 6 Uhr aufstanden, dem Bastian der Neger ihre Befehle
ertheilten, dann Caffee tranken, bis 12 Uhr nichts thaten, gut assen,
nachher sogleich von den Beschwerden der Tafel in der Hängematte ausruhten,
und sich da von einem hübschen Negermädchen den Kopf kratzen liessen, bis
ihnen die Augen zufielen. Um 5 Uhr standen sie auf, wuschen sich, assen von
7-8 Uhr, legten sich um 9 Uhr mit ihren Concubinen in's Bett und verdienten
dabei 12-1500 fl. jährlich. Dieses ist nicht übertrieben; doch kenne ich
keinen Europäer, der es bis jetzt zu diesem Grade von Faulheit gebracht
hatte.

Ein Director, der seinen Pflichten nachkommen will, wird aber auch nie auf
solche Weise vegetiren. Die Behandlung der Neger erfordert, besonders in
der jetzigen Zeit, sehr viel Umsicht und kaltes Blut, sowie eine grosse
Erfahrung und eine, wenigstens auch nur oberflächliche, medicinische
Kenntniss, um ihre angeblichen Krankheiten, die sie manchmal vorschützen,
um sich der Arbeit zu entziehen, oder ihre wirklichen Krankheiten und
Gebrechen beurtheilen zu können. Ihre mannigfaltigen Betrügereien, ihr
Aberglauben und ihre Fetische können nicht immer auf eine Weise bestraft
werden, wie sie es verdienen; kurz, es gehört viel dazu, sie zum Vortheil
ihres Besitzers so zu behandeln, dass die Furcht, die doch hier nur den
Gehorsam bedingt, unter ihnen herrscht, und ihre Fehler doch mit Nachsicht
gerügt werden. Und es ist nicht allein Menschen- oder Negerkenntniss,
die dem Director nicht fehlen darf, sondern er muss auch in technischer
Beziehung eine gute Schule genossen haben; denn er muss seine Meinung
beim Zimmern von Gebäuden, beim Mauern von Oefen, beim Schmieden im
Maschinenwerk, kurz überall äussern können, weil Alles unter seiner Leitung
und Aufsicht geschieht. Die Bearbeitung seines Products ist ihm ganz allein
überlassen, und es liegt desshalb eine schwere Verantwortung auf ihm.

Das Leben auf der Pflanzung ist beinahe überall das gleiche.

Der Director steht um ½6 Uhr auf, kleidet sich in eine grobe leinene Hose
und ein Wamms, und kommt auf die Gallerie, die auf den meisten Pflanzungen
sich auf einer oder beiden Seiten des Hauses hinzieht. Bereits warten unter
derselben die schwarzen Aufseher der Sclaven, Bastians, die als Zeichen
ihres Ranges eine Peitsche führen. Es sind deren 2-4. Sie erstatten dem
Director Bericht über die Arbeiten des vorigen Tages, bezeichnen die Faulen
oder die, welche Strafe verdient haben, und vernehmen die Befehle für die
Arbeiten des Tages. Die, welche Prügel verdient haben, empfangen sie nun
vor der Thüre, während der Director seinen Caffee trinkt.

Sind die Arbeiten geregelt, so erscheinen die Kranken mit dem Dresneger
oder Doctor. Man sieht da allerlei jämmerliche Gesichter und hört manches
Aechzen, was man aber nicht immer für baare Münze annehmen darf. Die
wirklich Kranken kommen ins Krankenhaus, die andern werden weggejagt und
müssen an ihre Arbeit. Zu gleicher Zeit macht auch der Blank-Officier
oder weisse Aufseher, der seinen Caffee in seiner bescheidenen Kammer
eingeschluckt hat, seinen Rapport, erhält seine Befehle und geht in die
Aecker, die Arbeit der Neger anzusehen, oder in die Mühle, wenn da gemahlen
wird. Der Director geht nun, nachdem er die Befehle für seine Haushaltung
(denn nur wenige sind verheirathet) gegeben hat, mit seinem Jungen
(Voeteboy), der Tabak, Flinten, häufig auch eine Herzensstärkung tragen
muss, versehen mit einem langen, sogenannten Tasstocke, ins Feld, wo er
ebenfalls die Arbeiten besichtigt und untersucht. Der lange Stock dient
ihm dazu, um über die Gräben, welche die verschiedenen Beete und Aecker
absondern, zu springen. Ueber breite Gräben (Vaartrenzen), in welchen
man das Product in kleinen Ponten nach den Gebäuden führt, gehen Brücken.
Meistens dauert eine solche Promenade 1½-2 Stunden, von welcher man,
besonders während der Regenzeit, von unten bis oben beschmutzt nach Hause
kommt. Hat er sich umgekleidet, so wird ein Schnaps eingenommen, um den
Appetit zur Tafel zu reizen, der aber bei einem noch nicht recht kommen
will, und meistens durch mehrere aufeinander folgende geweckt werden muss.

Gegen eilf Uhr bringt die Creolen-Mamma, eine alte Negerin, welche die
Aufsicht über die Kinder der Pflanzung führt, dieselben vor die Thüre.
Mädchen und Knaben sind ganz nackt und kommen so eben aus dem Bade. Sie
stellen sich nach der Grösse: Bengels von 13-14 Jahren oben an, und ganz
kleine, mit dicken, vollgegessenen Bäuchen, unten.

Auf ein gegebenes Zeichen der Negerin strecken alle die Hände empor,
klatschen und rufen: =Odi Masra, Odi Missi, fai Masra dan, fai Missi dan!=
(Guten Tag Herr, guten Tag Frau! Wie gehts Herr? Wie gehts Frau?) und
dergleichen Narrheiten, die jeder Director nach seiner eigenen Phantasie
papageienartig sich vorplaudern lässt. Hierauf marschirt die Creolen-Mamma
mit ihrer Heerde ab.

Um zwölf Uhr wird gegessen, wobei der Blankofficier, wenn keine Gäste
da sind, allein mit dem Director isst. Es werden meistens mehrere Arten
Fleisch und Fische mit Erdfrüchten und scharfen Saucen, aber wenige Gemüse
aufgetragen.

Häufig findet man bei der Mittagstafel einen alten, russigen, irdenen
Topf, der mit Ueberbleibseln von Fleisch und Fischen, in einer fürchterlich
gepfefferten Sauce, auf einem weissen Teller den Liebhabern präsentirt
wird. Man nennt diese Töpfe Pfeffertöpfe[7]; sie waren besonders früher
sehr in der Mode. Nach dem Essen hält der Director eine Siesta bis gegen
4 Uhr. Ihn in dieser Ruhe zu stören, ist nur in besonders dringenden Fällen
erlaubt, sonst würde er ein sehr schiefes Gesicht dazu machen. Des Abends
6 Uhr kommen wieder die Bastians und Feldneger, welche dann einen Schnaps,
Dram, erhalten, vor die Thüre, und auch der Blankofficier macht mit dem
Hute in der Hand seine Aufwartung. Auch er erhält seinen Schluck Genever;
nachher zieht er sich, wenn ihn nicht der Director zum Gespräche zu sich
einladet, was aber sehr selten geschieht, in sein Kämmerlein zurück, bis
ihn gegen 8 Uhr der Voeteboy zum Abendessen abruft.

Ist der Director ein gebildeter Mann, so findet er in der vielen freien
Zeit Unterhaltung in der Lectüre; denn häufig leben die Directoren der
Nachbarschaft unter sich auf gespanntem Fusse, was wirklich zu verwundern
ist; denn sie sind desswegen meist allein und blos auf die Gesellschaft
ihrer Haushälterinnen beschränkt, die gerade nicht besonders unterhaltend
sind. Diese Einsamkeit und das Bedürfniss, die Zeit zu tödten, ist die
Hauptursache der unmässigen Consumtion von starken Getränken, und es
ist unglaublich, welche Quantitäten von Genever, Rum und Branntwein hier
jährlich verbraucht werden.

Die Gastfreundschaft auf den Pflanzungen ist sehr gross. Da keine Wege im
Lande sind, so reist man überall zu Wasser in geräumigen Barken, und zwar
die Flüsse aufwärts mit der Fluth, abwärts mit der Ebbe[8].

Wirthshäuser findet man nirgends. Erlaubt das Getey (Ebbe oder Fluth)
nicht, weiter zu fahren, oder will man ausruhen, so hält man an der
ersten besten Pflanzung und wird, sey man bekannt oder nicht, mit aller
Freundlichkeit empfangen. Man erhält Zimmer, übernachtet oder zieht weiter,
wie man es für gut findet. An Bezahlung ist natürlich nicht zu denken, und
Trinkgelder sind gar nicht Mode.

So ist also das Leben auf den Pflanzungen mehr oder weniger gesellig, je
nachdem Gäste kommen, oder die Directoren der Nachbarschaft sich gut mit
einander vertragen können.

Viele Bewohner der Stadt bringen die Trockenzeiten auf den Pflanzungen zu,
und mancher Pflastertreter sucht die eine oder andere heim.

Dass die Langeweile die Plantagenbewohner manchmal zu tausend Narrheiten
verleitet, lässt sich denken. Pasquillen und Scherze sind immer im Umlauf
und endigen manchmal auf kostspielige Weise, besonders wenn sich die Justiz
darein legen muss. Mancher Director hat sich schon ein hübsches Vermögen
erworben, und viele besitzen Häuser in Paramaribo; andere aber verbrauchen
ihren Gehalt mit feinen Speisen und Getränken, oder in Amours und sind,
wenn sie ihre Stelle verlieren, gar bemitleidenswerthe Geschöpfe. Sie leben
fast alle mit Haushälterinnen, die entweder Freie (Missi) sind, oder
die sie sich unter den hübschen Mädchen der Pflanzung aussuchen. Unter
letzteren Verhältnissen sind die Kinder Sclaven, es sey denn, dass sie von
ihrem Vater losgekauft werden, was manchmal mit vielen Schwierigkeiten und
Kosten verbunden ist.

Die zweite weisse Person auf der Pflanzung ist der Blankofficier, deren
grössere Effecte 2-3, kleinere nur einen haben. Ihr Gehalt ist gering und
beträgt selten über 250 fl. Es sind diess meist junge Leute, die aus Europa
kommen, um ihr Glück zu machen, und die, wenn sie Protection haben und sich
gut betragen, in 3-4 Jahren es ebenfalls zu einer Directorstelle bringen
können. Ihr Anfang ist aber schwer, denn sie werden von den meisten
Directoren wie eine Art niederer Geschöpfe behandelt und selten mit einem
Wort beehrt. Sie sind in ihren Freistunden ganz sich selbst überlassen und
bringen in manchmal erbärmlichen Wohnungen ihre Abende zu.

Man denke sich, wie es einem gebildeten, jungen Menschen zu Muthe seyn
muss, wenn er, unbekannt mit den Gebräuchen und der Negersprache, seine
Lehrzeit auf einer Pflanzung beginnt, wo ihn der Director kaum eines
Grusses würdigt, und ihm eine miserable Kammer angewiesen wird, in welcher
er keine andere Gesellschaft findet, als Millionen von Mosquittos, oder
Klumpen von Fledermäusen, die in den Dachsparren zwitschernd ihre Bemerkung
über ihn zu machen scheinen.

Ich komme nun zu den Sclaven der Pflanzungen, welche die Hauptbevölkerung
des Landes ausmachen.

Da seit 24 Jahren keine mehr aus Afrika eingeführt wurden, so besteht die
Mehrzahl derselben aus hier Gebornen oder Creolen. Diese letzteren, welche
von Jugend auf an das Effect und dessen Eigenthümer oder Verwalter gewöhnt
sind, werden den Afrikanern bei weitem vorgezogen; sie bilden auch meistens
grosse Familien, welche nie von der Pflanzung verkauft werden.

Man theilt die Plantagensclaven in vier Classen: 1) In Feldsclaven, die zur
Cultur bestimmt sind; 2) in Haussclaven, die das Hauswesen, Tafel, Küche
u. s. w. besorgen; 3) in Creolen: kleine Kinder, die noch keine Arbeit
verrichten können, und 4) in Malenkers: Alte und Kranke, die zu keiner
Arbeit mehr fähig sind. Wenn daher eine Pflanzung unter 200 Köpfen 75-80
Feldsclaven besitzt, so ist diess schon ein sehr vortheilhafter Staat. Die
Feldsclaven haben natürlich bei weitem die schwerere Arbeit, während die
Haussclaven, von denen z. B. zwei für die Küche, zwei für die Wäsche, einer
zum Nähen, einer und zwei Voeteboys zum Dienste eines einzelnen Mannes
angestellt sind, den grössten Theil des Tages unbeschäftigt herumliegen.
Ein Jäger, ein Fischer, sowie auf manchen Pflanzungen ein Gärtner, haben
mehr Arbeit.

Der Schweine- und Kühehirt, ein Weib, das für die Hühner zu sorgen hat,
und ein Wächter des Kostgrundes sind meistens alte Leute, welche zu keiner
andern Arbeit mehr gebraucht werden können[9].

Die Feldsclaven gehen des Morgens um 6 oder 7 Uhr in die Aecker an ihre
Arbeit, und kehren des Abends, oder wenn sie das, was ihnen auf den meisten
Pflanzungen vorgeschrieben wird, vollendet haben, nach Hause zurück. Des
Sonntags wird nichts gearbeitet, muss es aber geschehen, wie diess häufig
auf den Zuckerpflanzungen der Fall ist, so wird den Sclaven ein anderer Tag
für den Sonntag gegeben.

Die Negerhäuser sind ganz in der Nähe der Mühle oder der Fabrikgebäude,
und bilden, wenn die Pflanzung bedeutend ist, ganze Dörfer. Auf manchen
Pflanzungen sind sie von Brettern gebaut und mit Schindeln bedeckt, auf
den meisten aber mit den Latten der Pinapalme beschlagen und mit Blättern
dieser Palme bedeckt. Um die Häuser, welche regelmässige Strassen bilden,
pflanzen die Neger spanischen Pfeffer, Calebasbäume u. s. w.; dabei wimmelt
es von Federvieh und Schweinen.

Die Nahrung erhalten die Neger auf allen Pflanzungen, die Holzgründe
ausgenommen, vom Effekte selbst. Sie soll nach dem Gesetze in zwei Bündeln
Bananen und 3 Pfund gesalzenen Fischen wöchentlich bestehen. Erwachsene
Neger erhalten dazu noch Tabak, Pfeifen, und täglich einen Schnaps, Dram;
Weiber dagegen Melassin. Bananen werden auf den Pflanzungen jeden Sonntag
Morgen ausgetheilt; Fische u. s. w. aber viertel- oder halbjährlich. Es
ist aber kaum möglich, ihnen das Stehlen von Bananen in den Kostäckern,
von Zucker oder Melassin im Kochhause, von Producten aus den Caffee- oder
Cattunlogen dieser Effekte zu verwehren. Das Gestohlene verbrauchen sie
entweder selbst oder vertauschen es bei Sclaven anderer Pflanzungen, oder
bringen es gelegenheitlich nach Paramaribo, wo sich stets Liebhaber dafür
finden[10]. Kleidungsstücke und andere Bedürfnisse, als: Töpfe, Cassavo,
Platten, Messer, Scheeren u. s. w. werden zu bestimmten Zeiten von
den Eigenthümern der Pflanzungen aus Holland gesandt, oder mit deren
Genehmigung hier im Lande angekauft, und es werden diese Sachen durch den
Director, der für sich selbst eine Menge Küchen-, Tafelgeräthe u. s. w.
erhält, familienweise ausgetheilt. Der Werth der Sendung beträgt manchmal
bei 4000 fl.

Auf allen wohlgeordneten Pflanzungen ist für die Neger auf eine Weise
gesorgt, die dieser Menschenrace die Sclaverei sehr erträglich macht, und
ganz verschieden ist von den Vorstellungen, die man in Europa gewöhnlich
vom Zustande der Sclaven sich macht.

Ihre Arbeit ist nicht übertrieben und dauert, wenn der Neger fleissig
ist, nicht über neun Stunden täglich. Nahrung und Kleidung haben sie
hinlänglich, und im Alter werden sie auf den Pflanzungen unterhalten.
Wie ganz anders ist das Leben der ärmeren Taglöhner in Europa, die bei
beschwerlicherer Arbeit zufrieden sind, wenn sie die Bedürfnisse ihrer
Familie befriedigen können, und die bei Krankheit und Unglücksfällen keine
andere Zuflucht haben, als den Bettelstab!

Die Religion der Neger, wenn man ein Gemisch von Aberglauben und Unsinn so
nennen darf, ist die ihrer ursprünglichen Heimath, der Fetischismus.
Jedes einzelne Individuum hat, so zu sagen, seine eigene Gottheit, und
verpflichtet sich, dieser zu Ehren, von irgend einer Speise sich zu
enthalten. Schnüre, Corallen, geschnitzte Holzstückchen, oder was ihnen
gerade einfällt, werden um den Hals, Arm oder die Füsse getragen, und sind
Amulette, welche sie beschützen. Man nennt diese Narrheiten Obia's. Beinahe
alle Neger verehren den Seidewollenbaum und opfern demselben; schwer
verbotene Tänze stehen damit in Beziehung.

Es hat auf allen Pflanzungen sogenannte Bukumann's oder Zauberer, welche
die Zukunft vorher wissen, und in der Bereitung von inländischen Arzneien
oder als Giftmischer sich auszeichnen. Mancher verhasste Director hat schon
durch diese sein Leben eingebüsst, und man hat Beispiele, dass schon auf
Pflanzungen eine Menge Sclaven hinwegstarben, die vergiftet wurden, um
deren Eigenthümern Schaden zu bringen. Die Gifte sind alle aus Vegetabilien
gezogen, und lassen daher wenig Spur zurück.

Die Jugend wächst natürlich auf den Pflanzungen wie das liebe Vieh auf;
blos auf zwei oder drei derselben werden die Kinder unterrichtet. Beinahe
alle werden von den Herrnhutern[11], welche in Paramaribo eine bedeutende
Niederlassung haben, von Zeit zu Zeit besucht, und den Sclaven werden
alsdann einige Kapitel der Bibel in der neger-englischen Sprache vorgelesen
und ausgelegt. Will man aber, dass die Neger die Kirche besuchen sollen, so
muss die Arbeit des ganzen Tages nachgelassen werden, was für die Pflanzung
ein grosser Schaden ist. Die Predigten der guten Leute mögen aber nicht so
fasslich seyn, so dass der Nutzen in moralischer Beziehung nicht sehr gross
ist, besonders da blos alle paar Monate solche Vorlesungen gehalten werden,
bei welchen meistens die Hälfte gedankenlos zuhört, und so das Gehörte sehr
leicht vergisst.

Die Herrnhuter, die in Paramaribo als Schuster, Schneider, Bäcker,
Kaufleute u. s. w. sich nähren, verlassen tourweise ihre Arbeit und
besuchen in geräumigen Tentfahrzeugen zu obigem Zwecke die Pflanzungen,
auf welchen man sie überall mit der grössten Gastfreundschaft aufnimmt und
bewirthet, wiewohl die wenigsten Directoren, denen in der Regel die Arbeit
mehr am Herzen liegt, als das Seelenheil ihrer Sclaven, sie gerne sehen.
Haben sie die ihnen vorgeschriebene Anzahl von Pflanzungen besucht, so
fahren sie wieder zur Stadt zurück und versehen ihre Geschäfte.

Die grösste Glückseligkeit nach dem Nichtsthun ist für die Neger der Tanz.
Sie haben viele Tänze, die ich nicht namentlich kenne, und von welchen
wieder manche in genauem Verbande mit ihrem Fetischismus stehen und von
der Regierung strenge verboten sind. Es gibt häufig in den Negerhütten
der Pflanzungen Sonntags kleine Tanzparthien, die gewöhnlich noch vor
Mitternacht enden, und zu welchen sich blos einige Familien, jedoch nicht
ohne Erlaubniss des Directors versammeln. Die Musik besteht dann blos in
dem Schall einer Trommel (ein ausgehöhltes rundes Stück Holz, über welches
eine Schweins- oder Hirschhaut gespannt ist), und dem Klang aus einigen
alten Schaufeln oder dergleichen, auf die mit Eisenstücken taktmässig
geschlagen wird.

Mit viel mehr Feierlichkeit werden die Tänze begangen, welche man an
gewissen Jahrstagen zum Andenken an Verstorbene hält. Da werden Kuchen
gebacken, Schweine und Hühner geschlachtet, und dem Todten wird ebenfalls
ein guter Theil auf das Grab gebracht. Dabei kommen alle Kleidungsstücke,
die sie sonst nie gebrauchen, zum Vorschein, und man sieht dann besonders
unter den Männern groteske Gestalten. Die Haupttänze aber, zu welchen
den Sclaven mehrere Tage freigegeben werden, sind am Neujahr, und zwar
gewöhnlich im oder am Wohnhause des Directors, wobei die Männer mit Dram,
die Weiber aber mit Wein oder schlechtem Liqueur bewirthet werden.

Gewöhnlich hat der Director Gäste bei sich, und es werden da oft
Bacchanalien gehalten, dass es einem graust.

In Paramaribo finden um diese Zeit alle Abende solche Tanzparthien statt,
die meistens unter Zelten bei guter Beleuchtung abgehalten werden. Die
Eigenthümer von Sclaven lassen sich's um diese Zeit nicht wenig kosten,
ihren Sclaven Vergnügen zu machen; Backwerk, Wein und Liqueur findet man
bei diesen Parthien im Ueberfluss. Die Mädchen sind dabei nicht selten
mit den Kleidern und Schmucksachen ihrer Haushälterinnen bekleidet, und
es herrscht eine Pracht, dass man sich verwundert. Es haben aber auch die
Haussclaven selbst gute Kleidungsstücke, die blos an diesen Tagen gebraucht
werden. Es ist in der That ein prächtiger Anblick, diese in allen Farben
aufgeputzte, von ächtem und falschem Gold und Juwelen glänzende, singende
Masse in immerwährender Bewegung beim Scheine einer Menge Lampen, und beim
Lärmen einer abominabeln Musik zu sehen, und man glaubt sich ins Morgenland
versetzt. Die Tänze lassen sich freilich nicht mit unsern vergleichen, weil
bei den meisten gesungen wird; es sind die Verse, die einige Dutzendmale
im Chor wiederholt werden, und wegen ihres satyrischen Inhalts viel Lachen
erregen. Der Tänzer oder die Tänzerin, welche solche improvisiren, tanzen
um einander in immer kreisförmiger Bewegung, während der Chor sich nur auf
den Füssen wiegt und mit dem Oberleibe bewegt, dabei aber nach dem Takte
in die Hände klatscht oder mit Castagnetten die Musik begleitet.
(Diese Castagnetten sind dreieckige, holzichte Schalen oder Nüsse
einer Euphorbiacee). Häufig tanzt aber Alles, indem sich jedes einzelne
Individuum kreisförmig durch den ganzen Raum dreht, ohne an den andern
anzustossen. Der Anblick dieses Tanzes erregte mir stets Schwindel, und ich
konnte es nie lange dabei aushalten.

Ich will nur noch kurz zum Schlusse etwas über die hier herrschenden
Krankheiten beifügen, die ich freilich nur als Laie, nicht als Arzt
beschreiben kann.

Die häufigsten Krankheiten, denen der Europäer wie der Creole unterworfen
ist, und die unter Buschnegern und Indianern gleich stark grassiren, sind
Wechselfieber, welche, wenn der Patient nicht gleich in geschickte
Hände kommt, Monate und Jahre lang anhalten. Es ist gewöhnlich die erste
Krankheit der Neuangekommenen oder das Aklimatisationsfieber. Gallenfieber
sind ebenfalls häufig und machen ganz kurzen Prozess. Eine andere häufige
Krankheit höchst beschwerlicher Art ist der sogenannte Kuk oder Kuchen,
eine Anschwellung der Milz. Man fühlt sich dabei immer ermattet, hat kurzen
Athem, unruhigen Schlaf und ist ausserordentlich reizbar. Dieses Unwohlsein
dauert manchmal Jahre lang. Meistens befolgt man dagegen den Rath
eines inländischen Quacksalbers, der stark abführende Mittel gibt. Die
Wassersucht ist ebenfalls nicht selten, zeigt sich aber meist nur bei
Individuen, welche dem Trunke ergeben sind.

Die Hauptkrankheit, die fürchterlichste von allen, weil sie zugleich die
anstrengendste ist, ist die Lepra. Bei den von ihr Befallenen zeigen sich
zuerst weissfarbige Flecken auf der Haut. Die Ohren, Nasen, Augenlieder
u. s. w. schwellen auf; es zeigen sich Beulen im Gesichte und am Körper,
welche manchmal aufbrechen; Finger, Zehen, Ohren, Nase oder einzelne
Glieder fallen ohne Schmerzen ab; das Gesicht verzerrt sich aufs
Scheusslichste und verräth nichts Menschliches mehr. Die meisten Kranken
sind dabei innerlich gesund, können arbeiten und dabei selbst alt werden,
während bei anderen die Krankheit schnellere Fortschritte macht.

Die damit Behafteten, seyen sie Freie oder Sclaven, werden, sobald die
Behörde davon unterrichtet ist, nach einem, dem Lande gehörigen und eigens
dazu bestimmten Etablissement, Batavia, abgesandt, wo sie, entfernt von der
übrigen Welt, auf Kosten des Landes so lange verpflegt werden, bis der
Tod sie von ihren Leiden erlöst. Noch nie ist ein Kranker von dieser Qual
befreit worden, obgleich man neuerdings in Para in Brasilien Versuche mit
dem Safte der Hura crepitans machte, die befriedigend ausgefallen seyn
sollen. Leute von Vermögen oder höheren Ranges, welche davon befallen
werden, leben einsam in ihren Häusern, oder reisen nach Europa, wo ihnen
aber ebenfalls nicht geholfen werden kann.

Das Etablissement _Batavia_, das am Copenamstrom liegt, ist der Leitung
des katholischen Präfecten anvertraut, hat eine hübsche Kirche und einen
Priester, der die Kranken tröstet und lehrt, wobei er sich jeglicher
Gefahr aussetzt. Die Zahl dieser Unglücklichen beläuft sich dort auf circa
700[12].

In Paramaribo befinden sich heimlich viele Leprosen, die von ihren Familien
versteckt gehalten werden, wodurch diese entsetzliche Krankheit immer mehr
verbreitet wird, was auch in der Nachbar-Colonie Cayenne der Fall ist, wo
viel weniger auf Absonderung gesehen wird. Eine andere Krankheit, genau mit
dieser verwandt, aber nicht ansteckend, ist die Elephantiasis. Es schwellen
dabei die Beine, oder oft nur ein Fuss auf fürchterliche Weise an, und
erhalten ganz das Aussehen von Elephantenfüssen. Häufig kommen noch
Auswüchse und Knollen dazu, und eine rauhe, chagrinartige Haut überzieht
das Ganze. Die Zahl der davon Angesteckten ist sehr gross, und besonders
bei der Sclavenbevölkerung, die sich nicht so gut bekleiden kann, ins Auge
fallend. Man sieht häufig Kinder von zehn Jahren mit solchen Klumpfüssen,
die meistens bis zum Knie eine unförmliche Dicke haben. Auch dagegen hat
man kein Mittel.

Ausser den angeführten ist noch eine andere Hautkrankheit nicht selten,
die Jaws, eine Art Krätze, bei welcher sich einzelne runde Flecken auf dem
Leibe zeigen, die aufbrechen. Auch sie ist eine langwierige, ansteckende
Krankheit, zu deren Heilung Monate erfordert werden.



Dritter Abschnitt.

  Geschichtliche Bemerkungen im Allgemeinen. Ursache des Verfalles des
  Wohlstandes der Colonie Surinam. Beschreibung des Landes. Gränzen.
  Ströme: Marowyne, Comewyne, Cottica, Surinam, Saramacca, Coppename,
  Correntin.


Für Manchen wird es nun von Interesse seyn, hier eine kurze Geschichte der
Colonie Surinam zu finden. Ich hatte zwar im Sinne, dieselbe zu übergehen,
weil ich mich nicht mündlicher Ueberlieferungen oder Auszüge aus früheren
Schriften bedienen, sondern mich blos auf die Erzählung meiner
Erlebnisse beschränken wollte; allein ich halte nun doch für nöthig, eine
oberflächliche historische Skizze des Landes zu geben, damit ich in der
Folge ohne weitere Erläuterungen bei der Beschreibung meiner ferneren
Abentheuer verweilen kann.

Es ist hinlänglich bekannt, dass bei der Entdeckung von America _Guyana_
und die umliegenden Länder von verschiedenen Indianerstämmen bewohnt waren,
unter denen sich die _Caraïben_ durch ihre Menge und ihren kühnen Charakter
besonders auszeichneten.

Gegen die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts, nachdem man das Innere des
Landes fruchtlos nach Gold durchforscht hatte, setzten sich europäische
Pflanzer an dem Küstenlande fest, um diejenigen Produkte anzubauen, die man
auf gefährlichem Wege nur allein aus Ostindien hatte beziehen können. Durch
die Fruchtbarkeit des Bodens und die leichte Fahrt ermuthigt, zogen
viele unternehmende Europäer nach dem neuen Lande, und im Laufe weniger
Jahrzehnte bildeten sich französische, englische und holländische
Niederlassungen.

Da die Indianer zur Arbeit nicht kräftig genug waren, so entstand der
Sclavenhandel, indem von den Regierungen ermächtigte Schiffe bei den
kleinen Fürsten in Afrika, die in immerwährenden Zwisten miteinander
lebten, für Tauschartikel die gegenseitig gemachten Kriegsgefangenen
kauften und dieselben nach Amerika brachten, wo man sie zur Feldarbeit
verwendete. Da der Ankauf eines Sklaven nicht viel kostete, und man sich
mit dieser Waare immer versehen konnte, so lockte der Gewinn manchen
unternehmenden Mann nach dem heissen und feuchten Küstenstriche, und es
bildeten sich Vereinigungen (Maatschappye) von beträchtlichem Kapital, um
den Unternehmern, die ihr Leben dabei wagten, kräftig beizustehen.

_Surinam_ selbst wurde zuerst von den Engländern in Besitz genommen, die
sich am Surinamstrom festsetzten und die Stadt Paramaribo anlegten. Erst im
Jahre 1667 wurde die Colonie durch Vertrag an die Holländer abgetreten[1].

Bei dem Fleisse dieser Ansiedler und der grossen Fruchtbarkeit des Bodens
hätte Surinam gewiss der Maatschappy grosse Vortheile abgeworfen, wenn
die noch im Werden begriffene Colonie zweckmässig organisirt und gegen
Eingriffe von Aussen beschützt gewesen wäre. Die vielen Kriege der
Franzosen und Engländer mit den Generalstaaten, in welchen von ersteren
die Colonien der Holländer überfallen, und mit kaum zu erschwingenden
Contributionen beschwert wurden, so wie die Wegnahme der mit den
Erzeugnissen der Kolonie geladenen Schiffe machte, dass, ungeachtet aller
Bemühungen, die Vortheile des Mutterlandes sehr unbedeutend waren. Erst
nach beendigten Kriegen erhob sich Surinam; sein Reichthum übertraf den
jeder andern Colonie, und unterlag keinem innerlichen Zwiespalt, und
keinem Aufruhr rebellischer Sclaven, wie viele Kosten auch die im Laufe des
vergangenen Jahrhunderts geführten Feldzüge gegen jene verursachten. Den
empfindlichsten Stoss erhielt der Wohlstand durch das Verbot der Einfuhr
von Sclaven im Jahre 1824. Durch die Verminderung der Arbeitskräfte, die
von Aussen nicht mehr ersetzt werden können, eilt die Colonie mit raschen
Schritten ihrem Untergange entgegen. Viele einst so blühende Pflanzungen
sind verlassen; ihre Zucker- und Caffeefelder, einst mit so vieler Mühe
bepflanzt und unterhalten, sind jetzt mit baumhohem Gesträuche bedeckt; die
schönen Alleen von Königspalmen oder hohen Tamarindenbäumen, die nach den
Wohnhäusern der Pflanzungen leiteten, ragen jetzt einsam aus dem Gebüsche
wildwachsender Pflanzen hervor, und der Landungsplatz, wo schön gefärbte
Barken an- und abfuhren, liegt öde und verlassen.

Der grosse Landstrich, der umschlungen von den zwei grössten Flüssen
Amerika's, dem Amazonenfluss und dem Orinoko, vom 0. Grade südlicher bis 9°
nördlicher Breite und vom 49. bis 67° westlicher Länge von Greenwich sich
ausbreitet, dessen Ost- und Nordküste der atlantische Ocean ist, der im
Süden durch Brasilien, im Westen aber durch die Republik Columbia begrenzt
wird, und dessen Küstenländer schon seit zwei Jahrhunderten Europa die
köstlichen Erzeugnisse ihres milden Bodens zusenden, wird ins englische,
holländische, französische und portugiesische Guyana eingetheilt.

Durchschnitten von grossen, schiffbaren Strömen und zahllosen, natürlichen
Canälen, die untereinander in Verbindung stehen, macht es seine
geographische Lage und ausserordentliche Fruchtbarkeit des Bodens zum
wahren Eldorado, das seine Schätze über der Erde und mit weniger Gefahr
bietet, als das in seinem Innern geträumte Goldland.

Auf seiner 7000 Quadratmeilen grossen Oberfläche leben sparsam verbreitet
die Ueberreste mehrerer indianischer Stämme, die, roh und wild, die Bildung
nicht mehr besitzen, die ihre Vorfahren gehabt zu haben scheinen.
Viele dieser Stämme, so wie der grösste Theil des Innern, sind uns noch
unbekannt, und nur durch Aussagen anderer und befreundeter Indianer, die
das Binnenland bereisen, oder der Buschneger, welche mit jenen Stämmen
Handelsverbindungen unterhalten, wissen wir, wie ungeräumt auch die
Berichte über sie seyn mögen, dass sie existiren.

Wie schwierig und mit wie vielen Gefahren verknüpft Reisen ins Innere
eines so wenig bevölkerten Landes auch sein mögen, so bleiben sie doch noch
ausführbar, wenn blos Hindernisse zu besiegen sind, die die Natur in den
Weg legt; wenn aber hiemit noch die Unwilligkeit und der Widerstand roher
Völker sich verbindet, die den wissenschaftlichen Zweck solcher Reisen
nicht verstehen, durch abergläubische Vorurtheile sich feindlich zeigen,
oder ihre Handelsverbindungen mit den Völkern des Inlandes beeinträchtigt
glauben, so kann man begreifen, dass, während die Welt in allen Richtungen
durchreist wird, das Innere von Guyana noch grösstentheils eine terra
incognita ist. Die bestbebaute, älteste und blühendste seiner Colonien,
Surinam, ist in wissenschaftlicher Beziehung noch die unbekannteste. Ob nun
dieses dem Materialismus, der blos die Speicher der Amsterdamer Kaufleute
füllt, zuzuschreiben, oder in andern Verhältnissen zu suchen sey, wage ich
nicht auseinander zu setzen.

Die Colonie Surinam liegt zwischen dem 3. und 6. Grade nördlicher Breite,
und 53. bis 56° westlicher Länge von Greenwich. Im Osten grenzt es an das
französische Guyana, von dem es durch den Maroni oder Marowyne getrennt
ist, im Westen scheidet es der Correntin von der früheren holländischen,
jetzt englischen Besitzung Berbice, im Süden, wo dessen Grenze noch nicht
einmal richtig bestimmt ist, stösst es an die gebirgigen Savannen, die
die Wasserscheide der in den Amazonenstrom fliessenden Flüsse und der nach
Norden zu mündenden Gewässer ausmacht. Im Norden bespült der atlantische
Ocean seine Küste.

Die Hauptströme sind der Maroni, Surinam, Saramacca, Coppename und
Correntin, wiewohl noch eine Menge anderer Flüsse das Land bewässern, und
in allen Richtungen durchschneiden.

Alle diese Flüsse stehen durch natürliche Kanäle, hier Kreeks genannt, mit
einander in Verbindung, so dass man aus dem Correntin in den, 56 Stunden
(in gerader Linie) östlicher gelegenen, Maroni kommen kann, ohne sich den
Beschwerlichkeiten einer Seereise aussetzen zu müssen.

Die ganze Küste Surinams ist eben und angeschwemmtes Land, das, bedeckt mit
Bäumen und niederem Gesträuche, mit jeder hohen Fluth unter Wasser kommt,
und Veränderungen erleidet.

Durch diese niedrige Beschaffenheit des Bodens erstrecken sich die Bänke,
die eigentlich blos eine Fortsetzung der Küste bilden, meilenweit in das
Meer; sie bestehen aus einem weichen Schlamm, den Alluvionen der Flüsse,
und sind also meist vegetabilischen Ursprungs.

Parallel mit der Seeküste ziehen sich Sandritzen oder Muschelbänke, die
bisweilen sich bis an das Meer ausdehnen, und auf denen eine manchfaltige
und üppige Vegetation, der des Inlandes ähnlich, herrscht. Sie sind höher,
als der umliegende sumpfige Boden, von geringer Breite, aber manchmal
bedeutender Länge, und scheinen die zurückgewichenen Meeresufer einer
früheren Periode gewesen zu seyn. Diese Ritzen sind mit Hochwald bedeckt,
in dem der Copalbaum (Hymenaea courbaril), die Weihrauchbäume, die Awara-
und Cumu-Palmen und der indianische Pflaumenbaum (Spondias?) vorkommen.

Hinter diesen Ritzen dehnen sich grosse Süsswassersümpfe aus, die in
den Regenzeiten beinahe undurchdringlich sind. Stundenlange Wälder der
Mauritien-Palme (Mauritia flexuosa) und grosse Flächen des baumartigen
Arons (Calladium arbor.) bedecken hier das Land; nur in heissen Sommern
trocknen diese Sümpfe aus.

Der Seestrand selbst bietet dem Auge überall eine einförmige, traurige
Scene dar: Tausende von abgestorbenen, entwurzelten und angeschwemmten
Bäumen liegen in allen Richtungen umher; der Boden, ein weicher Schlamm, in
dem man bis an die Kniee einsinkt, ist von Millionen Krabben durchlöchert,
und in dem Gebüsche, mit welchem diese traurige Küste bewachsen ist,
hausen Schwärme von Mosquittos und anderen stechenden Mücken. Schaaren von
Wasservögeln aller Art finden zur Zeit der Ebbe in ungestörter Ruhe hier
reichliche Nahrung, während bei der Fluthzeit Hai- und andere Raubfische
in den von Wasser bedeckten Gebüschen umherirren. Eben so niedrig sind die
Mündungen der Ströme, deren Ufer aber durch Waldungen von Mangrove-Bäumen,
welche durch ihre Wurzeln und Schösslinge undurchdringliche Verschanzungen
bilden, vor der Gewalt der Brandungen geschützt sind.

Je weiter man sich von der See entfernt, um so mehr verändert sich die
Scene. Die Ufer schmücken sich mit anderen Gewächsen; grössere Bäume treten
aus dem niedrigern Gebüsche hervor; die schlanke Pinapalme, das sichere
Zeichen eines fruchtbaren Bodens, zeigt sich in Menge. Schling- und
Schmarotzerpflanzen bedecken die Bäume und winden sich guirlandenartig von
Zweig zu Zweig. Das Ufer, bewachsen mit stachlichten Papilionaceen, ist
nicht sichtbar vor der Masse von Laubwerk, das bis weithinein ins Wasser
hängt. Etwa 8-10 Stunden von der Meeresküste ab, da wo das Flusswasser
rein, und nicht mehr vom Salze der See getrübt die schon höheren Ufer
bespült, prangt der Grünhart mit seinen gelben Blumen. Die Heliconien
entfalten ihre riesenartigen Blätter und die prächtige Maripapalme
(Maximiliana regia) ragt aus dem dunkeln Laubgewölbe empor.

Doch ist Alles noch eben; nur selten unterbrechen kleine bewaldete Hügel
die Fläche. Ueberall in allen Strömen herrscht dasselbe Bild der üppigsten
Vegetation, und das klare, schwarze Wasser spiegelt die Landschaft herrlich
zurück. -- Nur wo Hügel den Lauf der Flüsse bestimmen, wo Felsen und
Klippen diesen einengen, und den Transport von Produkten gefährden würden,
ist auch die Grenze der Cultur, und die Pforte zum unbekannten Lande.

Der östliche Grenzstrom der Colonie, die Marowyne, Maroni oder indianisch
Marauni, ein grosser, an seiner Mündung eine Stunde breiter Strom, ist
durch die Menge von Sandbänken beinahe nicht befahrbar. Es mag diese
gefährliche Einfahrt die Ursache davon seyn, dass, obwohl seine Ufer höher
und ebenso fruchtbar, ja gesünder als die des Surinam sind, sie gleichwohl
noch ganz unbebaut sind, und nur in der Nähe der See von Indianern, und
im Innern waldiger Gebirge von den Aucaner-Buschnegern bewohnt werden.
Die Mündung desselben hat nicht die einförmigen Mangrovegebüsche, wie
die andern Ströme, sondern hohe Sandritzen, auf denen eine überaus üppige
Vegetation von Palmen, Cactus, Weihrauch- und Copalbäumen, und Caschu's
(Anacardium occidentale L.) sich längs den Ufern der See hinzieht. Ein
kleiner Militärposten auf der holländischen Seite liess beim Vorübersegeln
von Schiffen die holländische Flagge wehen.

Ohne Bucht oder Krümmung zieht sich der stattliche Strom in gleicher Breite
drei Stunden aufwärts, wo er sich bei einer Gruppe von fünf niedrigen, mit
Palmen und andern Nutzhölzern dicht bewaldeten Inseln südwestlich wendet.

Das Land auf beiden Seiten des Flusses ist meist über dem Niveau der
höchsten Meeresfluth gelegen, und ein mit schwarzer Erde vermischter Sand,
der dem Anbau der Maniok-Wurzel (jatropha) besonders günstig ist. Etwa eine
Stunde den Fluss aufwärts, vom Posten Prinz Willem Frederik, zieht sich ein
Riff von sehr eisenhaltigen Felsen weit in das Flussbett. An der Ecke des
sandigen Strandes, die die Mündung des Stromes auf dem rechten Ufer bildet,
findet man häufig helle krystallartige, abgerundete Steine, die sehr
hart, und geschliffen wasserhell und glänzend sind; man nennt sie
Marowyne-Diamanten. Sie sind aber nichts als Topase, und selten wird einer
gefunden, der von einigem Werthe wäre.

Von den ersten Inseln, die von Sandbänken umringt und von untiefen Canälen
durchschnitten sind, schifft man den Fluss in einer wenigstens zehn Stunden
langen Bucht südwestlich hinauf. Eine Menge Inseln, theils niedrig und mit
Palmen bewachsen, theils hoch und steinig, und mit Hochwald bedeckt, bilden
prächtige Gruppen auf der weiten Wasserfläche. Die Ufer sind höher, an
manchen Stellen hügelig und dicht bewaldet, und malerisch erheben sich an
steilen Stellen kleine Indianerdörfer, deren Hütten halb versteckt sind
unter Bananen und Papaia- (Carica-) Bäumen und Baumwollensträuchern. Grosse
Sandbänke ragen mitten aus dem Flusse, es zeigen sich Klippen und
kleine Cascaden. Das Wasser ist besonders in den trockenen Jahreszeiten
krystallhell, und man kann bei zwölf Fuss Tiefe die Steine des Bodens
sehen. Aus der Ferne erblickt man die hohen Gebirge des Inlandes gleich
blauen Wolken. So nähert man sich, indem man bei den unmerklichen
Krümmungen des Stromes stets eine Fernsicht von drei bis vier Stunden vor
sich hat, dem 16 Stunden von der Mündung entfernten Militärposten _Armina_.

Der Fluss, der plötzlich einen Halbzirkel von Südost nach Nordwest bildet,
stürzt über zahllose Cascaden, Klippen und Sandbänke braussend herab.
Ungeheure Granitblöcke liegen in seinem Bette; sie sind mit stachlichten
Palmen und einer wohlriechenden Guiaba (Psidium aromaticum) bewachsen. Am
französischen Ufer, das eine ununterbrochene Hügelkette bildet, ergiesst
sich der kleine Fluss Armina, der dem holländischen Posten seinen Namen
gab, in den Strom. In den Trockenzeiten steigt die Meeresfluth bis
unterhalb der ersten Fälle, wo bei einer Länge von etwa 80 Fuss der Fluss
6 Fuss hoch herabstürzt. Bis unterhalb dieser Fälle kann man mit grossen
Booten kommen, doch ist bei den starken Strömungen viel Vorsicht nöthig,
um nicht auf die unter dem Wasser verborgenen Klippen zu stossen. Fahren in
den Trockenzeiten Buschneger oder Indianer den Fluss hinauf, so laden sie
unterhalb der Fälle ihre Canots aus, und tragen ihre sieben Sachen auf dem
Kopfe über die Klippen. Die leeren Canots werden mit Tauen heraufgezogen,
und oben wieder eingeladen.

In den Regenzeiten aber, wo der Strom durch den ungeheuren Wasserzuwachs
aus dem Innern angeschwollen ist, sind beinahe alle Klippen unter Wasser,
und die Boote werden aus Leibeskräften gegen die Strömungen gerudert.

Der Unterschied zwischen dem hohen Wasserstande der Regen- und dem
niedrigsten der Trockenzeit mag bei Armina wohl 20 Fuss betragen, wird
aber, je höher man den Fluss hinaufsteigt, um so beträchtlicher.

Aus beiden Ufern vermehren beträchtliche Kreeken oder kleine Flüsse, die
meist aus den Sümpfen des Inlandes entstehen, die Wassermasse des Flusses
bedeutend. Auf der französischen Seite findet man nahe an der Mündung
die grosse Waragama, oder Seekuhkreek; weiter aufwärts die Maipuribi oder
Tapirkreek. Ihnen folgt die Balete; vier Stunden unterhalb Armina fliesst
der Siparawinifluss in den Strom. Dieser, den man in den Regenzeiten Tage
lang aufwärts fahren kann, kommt aus dem Südosten, und scheint in geringer
Entfernung von der Lava zu entspringen. Indianer haben mich versichert,
diesen Fluss vier Tagereisen aufwärts gefahren zu seyn, und bei Nacht in
südlicher Richtung ganz deutlich den Klang von Negertrommeln und Schiessen
gehört zu haben. Man kann daraus abnehmen, dass diese Indianer sich in der
Nähe des Aufenthaltes von Boninegern befanden, welche die Ufer der Lava
etwa unter dem dritten Breitegrad bewohnen. Auf die Siparawini
folgt, unterhalb Armina, die Ruarua und auf diese die Armina. Auf der
holländischen Seite sind bis Armina die Kreeken weniger bedeutend, weil
das, zwischen der Marowyne und dem Cottica gelegene Land sich nach Westen
zu mehr abflacht, wesswegen auch die Waldwasser und Entleerungen der Sümpfe
nach Westen zu fliessen.

Drei Stunden von der Mündung der Marowyne ist am holländischen Ufer die
kaum bemerkbare Wanekreek, die in einem Sumpfe entspringt, der sein Wasser
gleichzeitig nach der Marowyne und dem Courmotibo sendet; da dieser in die
Cottica fliesst, und diese wieder in die Comewyne mündet, so kann man
in den Regenzeiten, wo die Sümpfe 4-5 Fuss Wasser haben, mit kleineren
Fahrzeugen in fünf bis sechs Tagen Paramaribo erreichen. In der Trockenzeit
aber sind diese Moräste ausgetrocknet, und es besteht dann keine andere
Verbindung als über See. Die weiteren bedeutenderen Kreeken sind die
Aramatta, Maturi und Aroarica, die man aber blos einige Stunden aufwärts
fahren kann.

Die Marowyne, die durch Hügel eingeengt bei Armina blos ¼ Stunde breit ist,
dehnt sich oberhalb dieses Postens bedeutend aus. Ihr Bett, mit Klippen,
Sandbänken und Inseln erfüllt, zieht sich mit wenig Buchten beinahe
südlich. 4-500 Fuss hohe, stark bewaldete Hügel liegen dicht am Strome.
Vier Tagreisen oberhalb Armina, unter 3° 40' nördl. Breite, und etwa 25
Stunden oberhalb dieses Postens theilt sich die Marowyne, nachdem sie
mehrere bedeutende Wasserfälle bildete, in zwei Arme, deren einer aus
Südosten strömt und Lava heisst, während der andere, aus dem Süden
kommende, Tapanahoni genannt wird. Auf der Ecke, welche durch die
Vereinigung beider Ströme entsteht, wohnen die Nachkommen der im Jahre 1806
von verschiedenen Militärposten weggelaufenen Guides (Negersoldaten),
die, nachdem sie zuvor ihre Officiere ermordet hatten, nach diesem
unzugänglichen Felsenneste flüchteten, und mit Mädchen der Boni- und
Aucaner-Buschneger sich verbanden. An diesem Platze, der durch seine
natürliche Lage geschützt, mit Felsen und Klippen umgeben ist, ist ein
bedeutender Wasserfall, Singa De De, und in der Lava das Ende der mehrere
Stunden langen Cascaden »Itepuou«. Am Ufer der Lava wohnen die Boni-Neger,
ebenfalls Abkömmlinge früher von den Pflanzungen entlaufener Sclaven,
die aber mit der Regierung nicht befreundet sind, und nur durch die
Aucaner-Buschneger, für welche sie Canots verfertigen, mit Geräthschaften,
Tüchern u. s. w. versehen werden. Die Lava, ein breiter, aber nicht sehr
tiefer Strom, steht in Verbindung mit dem Camopy, der in den Oyapok mündet,
und es kommt also auch hier die merkwürdige Gabeltheilung der Gewässer vor,
die sich beim Orinoco und Amazonenstrom in viel bedeutenderem Maase zeigt.

Der Tapanahoni, der viel tiefer ist, und weniger Klippen haben soll,
entspringt wahrscheinlich in der Nähe des Aequators, und kann als die
eigentliche Marowyne betrachtet werden[2].

Die Seeküste westwärts der Marowyne besteht bis zu dem 14 Stunden
entfernten Posten Oranje beinahe ganz aus ungeheuren Morästen, die mit
der Fluth unter Wasser gesetzt werden, und in denen nur Gesträuche und
unbedeutende Bäume wachsen.

Millionen von Wasservögeln, als: Flamingos, rothe Ibise, weisse und blaue
Reiher, Löffelgänse, Jabirus, Enten und Schnepfen finden da ihre Nahrung,
und nisten theilweise. Auf den höheren Stellen findet man viele Hirsche
(Cervus mexicanus) und Krebshunde (Procion cancrivorus), und nur selten
verirren sich ausser dem Jaguar andere Vierfüsser dahin.

Grosse Sandritzen durchziehen diese Moräste und dienen seit undenklichen
Jahren weggelaufenen Negern, die in kleinen Dörfern leben, und in dem
äusserst fruchtbaren Boden alle Arten Erdfrüchte im Ueberflusse ziehen,
auch Wild, Fische und Federvieh in Menge haben, zum Schlupfwinkel[3].

Vom Posten Oranje bis zur Mündung der Motkreek, einem Arme der
Cottica, rechnet man vier Stunden und von da bis zu den Ausflüssen des
Matappica-Canals ebenfalls vier. Eine Stunde weiter mündet ein anderer Arm
der Matappica, die Warappa-Kreek, in die See. Von letzterer Kreek bis
an die Mündung des Surinam sieht man keine Spur von Cultur.
Uebereinandergestürzte Bäume, durch die Kraft der Brandung ausgerissen,
bedecken den Seestrand, und aus dem sumpfigen Innern ragen trockene,
halbverkohlte Bäume hervor, die traurigen Ueberreste früherer, durch das
Feuer verzehrter Wälder.

An der sechs Stunden von der Warappa-Kreek entfernten Mündung des Surinam,
Braamspunt genannt, verliert sich der sandige Seestrand in grossen
Schlammbänken, und die Ufer dieses Stromes werden durch Waldungen von
Mangrovebäumen, deren zahllose Wurzeln und Schösslinge ein beinahe
undurchdringliches Bollwerk bilden, gegen die Gewalt der Brandung
geschützt.

Der Ausfluss des Surinam ist etwa eine halbe Stunde breit. Das Fahrwasser
in denselben wird den Schiffen durch drei an den Ecken der Bänke liegende
eiserne Buien angewiesen. Eine grosse Kreek, die Jonkermans-Kreek, mündet
sich eine Stunde von der Mündung auf dem östlichen Ufer, und etwas weiter
liegt die schöne und fruchtbare Zuckerpflanzung Resolutie. Zwei Stunden
von Braamspunt verbindet sich die von Osten her kommende Comewyne, ein
stattlicher, beinahe ebenso breiter Fluss, mit dem Surinam. Auf der
südlichen Ecke, wo beide Ströme zusammenfliessen, liegt das stark
befestigte Fort New-Amsterdam, das mit seinen Geschützen beide Ströme
bestreichen kann. Zwei kleine Redouten, Purmerend und Leyden, die gegenüber
dem Forte auf dem westlichen Ufer des Surinam und dem nördlichen der
Comewyne lagen, sind jetzt verlassen.

Auf beiden Seiten der prächtigen Comewyne, die ohne bedeutende Buchten
bis zu dem fünf Stunden von Forteress-Amsterdam entfernt liegenden Posten
Sommelsdyk in östlicher Richtung ausläuft, liegen die schönsten und
reichsten Zucker- und Caffeepflanzungen der Colonie. Die freundlichen,
weissen Gebäude der Pflanzungen, die Zuckermühlen mit ihren hohen
Schornsteinen, die Alleen von Palmen, Tamarinden- und anderen südlichen
Obstbäumen, an welche grosse Zuckerrohr-Felder grenzen, oder die unter
dem Schutze der Bananen versteckten Caffeebäume mit ihren saftigen,
dunkelgrünen Blättern, dabei die hohen, dunkeln Wälder des Hintergrundes
gewähren einen prachtvollen Anblick. Ehe man das Fort Sommelsdyk erreicht,
ergiesst sich auf dem rechten Ufer die Matappica-Kreek in den Fluss. Sie
theilt sich in mehrere Arme, und in zwei in die See mündende Canäle,
die kleine Matappica und die Warappa-Kreek. Zucker-, Caffee- und
Baumwollen-Pflanzungen liegen hier so nahe beieinander, dass aller Wald
ausgerottet ist: man würde in einer reichen Gegend Hollands zu reisen
glauben, wenn nicht die tropischen Gewächse und die nackten Neger die
Illusion stören würden.

Bei Sommelsdyk theilt sich der Fluss; der südöstlich auslaufende heisst
die obere Comewyne; man fährt sie in vielen Krümmungen etwa 15 Stunden
weit aufwärts, wo sie sich nahe bei dem verlassenen Posten Oranjebo in vier
bedeutende Kreeken, Peninica, Tampati, Mapana und Comewyne vertheilt. Das
Befahren dieser Gewässer, an denen früher viele bedeutende Pflanzungen
lagen, ist sehr mühsam, da übereinander gefallene Bäume und Felsen den
Weg versperren. Das Land ist hier hügelig, auf seiner westlichen Seite
unterbrochen durch grosse Sandsavannen, die von hier an sich bis an den
Essequibo im brittischen Guyana erstrecken, und den Scheidegürtel machen
zwischen dem ebenen bewaldeten Küstenlande und den bergigen Waldungen des
Innern.

Die Kreeken und Sümpfe des obern Comewyne sind sehr fischreich, und der
köstliche Haimura kommt hier in Menge vor.

Die Cottica läuft in grossen Krümmungen stets parallel mit der Seeküste,
und hat auf eine Länge von acht Stunden Zucker- und Caffeepflanzungen. Das
umliegende Land ist niedrig, ja bedeutend unter dem Niveau des höchsten
Wassers, und nur gute Dämme und Schleussen halten das unruhige Element im
Zaume. Auch in sie münden bedeutende Kreeken: von Süden die Perica, an der
viele und bedeutende Pflanzungen liegen, und die früher durch einen Canal,
die Bottelskreek, mit der oberen Comewyne sich verband.

Von Norden fliesst die Motkreek in die Cottica, an der nur noch zwei
Baumwollen-Pflanzungen liegen; sie mündet durch einen Canal in die See.

Nach einem mit der Küste parallelen Laufe von 16 Stunden wendet die Cottica
sich südlich, und verliert sich in Sümpfen in der Nähe der oberen Comewyne.
An der Stelle, wo sie ihren Lauf verändert, fliesst eine schöne und grosse
Kreek, die Courmotibo, aus Südosten in sie, und mit dieser vereinigt sich
zehn Stunden aufwärts die Wanekreek, oder der Ausfluss der Sümpfe, die ihr
Wasser nach dem Surinam und der Marowyne senden.

Die Ufer der Cottica und Courmotibo sind meistens nieder, mit Mauritien-
und andern Palmen bewachsen, nur im obern Lande werden die Ufer hügelig.
Ein Theil der Aucaner-Buschneger bewohnt beide Flüsse; sie bearbeiten das
Holz der umliegenden Wälder, und verkaufen es in der Colonie. Der Surinam
kann, obwohl er an Grösse der Marowyne und dem Correntin nachsteht, wegen
den vielen Pflanzungen, die an ihm liegen, als der Hauptfluss des Landes
angesehen werden.

Seine Ländereien, schon seit so vielen Jahren bebaut, stehen aber an
Fruchtbarkeit denen des Comewyne und besonders der Nickerie-Distrikte nach.

Von Forteress-Amsterdam aus zieht er sich in einem Halbzirkel nach der
Bucht, an welche die Stadt Paramaribo gebaut ist. Sein Lauf zieht sich
unter vielen bedeutenden Krümmungen südlich. Eine Stunde von Paramaribo
empfängt er die aus Südwesten strömende Parakreek, an der drei
Zuckerpflanzungen und verschiedene Holzgründe liegen. Dieser gegenüber
mündet sich am östlichen Ufer die Pauluskreek, deren Pflanzungen jetzt bis
auf eine verlassen sind. Zehn Stunden von der Stadt liegt ebenfalls auf
dem östlichen Ufer das Dorf »Juden-Savanne«. Die Ufer werden von hier an
bergig, sind mit dem herrlichsten Urwalde bedeckt, während landeinwärts
grosse Savannen sich ausdehnen. Die Pflanzungen, meist verarmte Holzgründe,
zeigen sich sparsamer, und die wilde Natur behält die Oberhand.

Fünf Stunden oberhalb des Judendorfes fliesst von der westlichen Seite die
bedeutende Mareschalls-Kreek in den Surinam, deren viele Holzgründe schon
längst verlassen sind. Durch diese Kreek kann man in die obere Saramacca
gelangen, was übrigens, da sich in der Umgegend viele weggelaufene Sclaven
aufhalten, noch Niemand unternommen hat. Vier Stunden weiter liegt der
ansehnliche Holzgrund Bergen-Daal am Fusse eines etwa 200 Fuss hohen
nackten Gebirges. In den Trockenzeiten ist der Strom sehr seicht, und
manchmal stellenweise nicht über zwei Fuss tief, so dass die Verbindung mit
Paramaribo sehr schwierig ist.

Vier Stunden weiter ist die unbedeutende Pflanzung und der Posten Victoria.
Der Strom, durch ein hohes Ufer eingezwängt, ist höchstens 200 Fuss breit
und voll Klippen und Sandbänken. Dicht bewaldete Hügel und Berge umgeben
ihn an beiden Seiten; nach weiteren drei Stunden fliesst aus Osten die
bedeutende Sarakreek in den Surinam, der jetzt wieder breit und ausgedehnt
mit Klippen, Inseln und Sandbänken bedeckt ist. Der Charakter der Umgegend
ist ganz der der obern Marowyne, wiewohl der Fluss bedeutend kleiner, und
die Scene desshalb nicht so grossartig ist. An der Sarakreek und in der
Nähe derselben haben sich ebenfalls Aucaner niedergelassen. Diese Kreek
läuft südöstlich weit landeinwärts, und die Buschneger kommen durch
dieselbe nach acht Tagen, nachdem sie aber einige Tage über Land reisen, an
die Dörfer ihres Stammes am obern Tapanahoni.

Vier Tagreisen über Victoria und zwischen dem dritten und vierten Grade
liegen die Dörfer der Saramaccaner Buschneger. Wie in der obern Marowyne,
so hindern in der Trockenzeit eine Menge Klippen und Bänke die Fahrt.
Dagegen ist im Innern der Wasserstand stellenweise in grossen Regenzeiten
bei 50 Fuss höher, als in der trockenen Jahreszeit, und die Schnelligkeit
der Strömungen ausserordentlich. Fallen heftige Regen im obern Lande, so
kann in einer Nacht das Wasser um acht Fuss anschwellen, wie ich es
selbst auf dem Posten Victoria gesehen habe. Das letzte Dorf der
Saramaccaner-Buschneger, Mongo (Berg), kann 40 bis 50 Stunden von Victoria,
und der Höhe der Wasserfälle nach zu urtheilen, 500 Fuss höher als Victoria
liegen. Auch sie haben über die bewaldeten Gebirge einen Weg zu den
Aucanern am Tapanahoni, so wie eine andere Verbindung mit den Matuari-
und Becu-Musiuga-Buschnegern, die den obern Saramacca bewohnen. Auf
alten Karten findet man die Lage eines Salzberges angegeben, der aber
wahrscheinlich blos in der Phantasie existirt, weil die Buschneger mit
vieler Mühe ihr Salz von Paramaribo holen, und in Ermanglung desselben die
Asche der Pinapalme auslaugen, welche Soda ähnliche Substanz ihnen das Salz
ersetzen muss.

Sieben Stunden westlich von Surinam ergiessen sich die Saramacca und
Coppename in die See. Beide machen durch weit auslaufende Schlammbänke die
Einfahrt mühsam. Ihre Wandungen sind nieder und mit Gesträuch bewachsen.
Die Saramacca wurde erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
angebaut und steht durch den bei Paramaribo mündenden vier Stunden langen
Wanicakanal mit dem Surinam in Verbindung. Die Erzeugnisse der Pflanzungen
an der Saramacca, meist Zucker und Kaffee, werden auf diesem Wege nach
Paramaribo gebracht, wiewohl kleinere nicht tiefgehende Schiffe ihre Ladung
manchmal selbst in Saramacca einnehmen.

Wenig kleiner als der Surinam läuft die Saramacca in den langweiligsten
Krümmungen südlich; diese hat oberhalb des Wanicakanals nur wenige
unbedeutende Holzgründe an ihren Ufern. Eine Menge Kreeken, die ihren
Ursprung in den Savannen nehmen, fliessen von beiden Seiten in den Fluss.
Der letzte bewohnte Platz, ein früherer Militärposten, Saron, und in alten
Zeiten eine Station der Herrnhuter Missionäre, liegt etwa 18 Stunden von
der See ab, was aber durch die bedeutenden Krümmungen wohl eine Reise von
30 Stunden erfordert.

Von Saron führt ein Weg von acht Stunden durch Savannen und Wälder nach der
Pflanzung Berlin am obern Para, von wo ein anderer Communicationsweg von 13
Stunden bis nach Paramaribo geht.

Etwa fünf Stunden über Saron liegt am Flusse ein göttlich verehrter
Hügel, den die Buschneger im Vorbeifahren mit Flaggen und bunten Tüchern
schmücken, und dabei nie versäumen, ihre Opfer darzubringen. Etwas
weiter findet man die Mindrinetti- (Mitternacht-) Kreek, die durch die
Mareschalls-Kreek den Surinam mit der Saramacca verbindet.

Fünf Tagreisen von Saron wohnen die Becu-Musinga- und Matuari-Neger, 5-600
an der Zahl. Ihren Aussagen nach müssen die Gebirge und Wasserfälle um
vieles höher, als die der andern Flüsse, und die Savannen des Inlandes
nicht so entfernt seyn. Die Coppenami, welche mit der Saramacca in die
See fliesst, kommt ebenfalls aus dem Süden, und hat an ihren reichen
und schönen Ufern blos das Leprosen-Etablissement Batavia, das etwa zwei
Stunden von der See entfernt ist. Sechs Stunden weiter liegt die dem
Gouvernement gehörende Holzsägerei Andresen, wo durch Sclaven feine Bau-
und Möbelhölzer bearbeitet und nach den Antillen verkauft werden. Bei
Batavia fliesst die grosse und sehr fischreiche Cusuwini-Kreek, die beinahe
parallel mit der Saramacca in den wunderlichsten Krümmungen von Süden
kommt, in die Coppenami. Mehrere grosse Kreeken, theilweise von Indianern
bewohnt, münden in den Coppenami, dessen weiterer Lauf und Ursprung nicht
bekannt ist.

Die Seeküste zwischen dem Coppenami und dem westlichen Gränzfluss Correntin
wird in zwei Distrikte eingetheilt: Ober- und Nieder-Nickerie. Das niedrige
Land ist dem Anbau der Baumwolle besonders günstig, und erst im Anfang
dieses Jahrhunderts in Cultur gebracht. Der Oberdistrikt fängt etwa
sechs Stunden westlich von der Coppenami an, und besteht aus einer Anzahl
Pflanzungen, die längs der Seeküste liegen, und durch einen vier Stunden
langen Fahrweg mit einander verbunden sind. Die Erzeugnisse werden mit
Küstenfahrzeugen abgeholt und zum Weiterversenden nach der Stadt gebracht,
was sehr schwierig ist. Der Boden ist ungemein fruchtbar, nur leidet dieser
District, da er an keiner Kreek gelegen ist, in den Trockenzeiten manchmal
grossen Mangel an Trinkwasser, das man aus den weiter abgelegenen Sümpfen
manchmal 2-3 Stunden weit auf dem Kopfe herbeischleppen muss. Neun Stunden
westlich vom Oberdistrikt und von diesem durch grosse Sümpfe abgeschieden,
fängt der Niederdistrikt an, an dessen Seeküste sich ebenfalls verschiedene
Baumwollen-Pflanzungen befinden. Auf der Landspitze, die durch die Mündung
der Nickerie-Kreek gebildet wird, ist ein bedeutender Militärposten der
Sitz des Landdrostes und verschiedener Kaufleute und Handwerker.
Dieses kleine Dörfchen, das aus zwei Strassen besteht, führt den Namen
New-Rotterdam. An der Nickerie-Kreek, die durch die Waiambo mit der
Coppenami in Verbindung steht, liegen verschiedene Zucker- und einige
Kaffeepflanzungen, deren Erzeugnisse durch holländische oder amerikanische
Schiffe direct abgeholt werden.

Die letzte Pflanzung Krabbehoek ist ungefähr sechs Stunden von der Mündung
entfernt, und die ganze bedeutende Kreek, so wie die in sie mündende
Maratacca nur spärlich von Indianern bewohnt.

Die Correntin strömt, an ihrer Mündung mit der Nickerie-Kreek vereinigt,
hier in die See. Beider Breite beträgt vom Posten Nickerie bis an das linke
Ufer des Correntin etwa drei Stunden. Auf der englischen Seite sind zwei
Zuckerpflanzungen, Mary's-hope und Skeldon. Die holländische ist aber
gänzlich unbewohnt. Die Maratacca soll nach Aussage der Indianer mit der
Correntin in Verbindung stehen.

Der Ursprung dieses grossen Stromes ist ganz unbekannt, vermuthlich
entspringt auch er in den waldigen Gebirgen am Aequator. _Richard
Schomburgh_ hat diesen Strom befahren und hieroglyphenartige Schriftzeichen
in den Felsen eingehauen entdeckt, woraus man schliessen kann, dass die
Bewohner der Vorzeit den jetzigen an Bildung voraus waren. Im Correntin,
bei den früheren Herrnhuterstationen Semira und Oreala, findet man einen
weissen Thon, der der Kreide sehr ähnlich kommt, und im Flussbette einen
rothen jaspisartigen Stein, der eine vortreffliche Politur annimmt, und den
die Caraibenweiber zum Poliren ihrer Töpfe gebrauchen.



Vierter Abschnitt.

  Beschäftigungen in Garnison. Abreise nach dem Posten Mauritzburg.
  Reiseabentheuer. Posten Gelderland und Dorf Judensavanne. Die
  Mauritienpalme. Termitennester. Posten Gouverneurslust. Markette.
  Mauritzburg. Kurzer Aufenthalt daselbst. Abmarsch nach Nepheusburg.
  Beschäftigungen. Die Cumupalme. Bienen. Ameisen. Thiere der Umgebung.
  Der Bananenvogel. Natürliche Abendconzerte. Brokkodjokko. Fund eines
  jungen Tigers. Bau des Hauses. Die Capasischlange. Affen. Urlaub und
  Abreise nach Armina. Der Posten Oranjebo. Fang des Haimurafisches.
  Leuchtkäfer. Kwattas. Posten Armina. Fruchtbarkeit desselben. Der
  Cottontree. Fledermäuse. Zurückkunft auf Nepheusburg. Ueberfluss an
  Fischen. Vampyre. Avancement.


So leicht der Garnisonsdienst auch war, und so viel freie Zeit wir auch
hatten, um in der Stadt und Umgegend herumzuschwärmen, so sehnte ich mich
doch recht herzlich nach noch grösserer Freiheit. Die Erzählungen
meiner Kameraden von der Lebensweise auf den Militärposten, von Jagd und
Fischerei, hatten meine Phantasie so sehr aufgeregt, dass ich das Ende des
Jahres 1836, zu welcher Zeit die Posten abgelöst wurden, und nun auch die
Reihe an mich kommen sollte, kaum erwarten konnte.

Das Maschinenmässige des Dienstes, so gliederpuppenartig es auch ist,
hatte für mich bei weitem das Langweilige nicht, als für die meisten meiner
Kameraden. Nie kam mir, wenn ich Schildwache war, Schlaf in die Augen; denn
immer gab es etwas bei Tag oder bei Nacht, das meine Sinne beschäftigte.
Bei Tage unterhielten mich die Colibris, die in den Tamarindenbäumen,
unter denen ich mit meinem Gewehr hin- und herspazierte, pfeilschnell
herumschwirrten, oder die Aasgeyer, welche vor der Küchenthüre lauerten,
und, wenn der Koch nicht auf seiner Hut war, sich selbst ein Stück Fleisch
vom Tisch nahmen und damit aufs Dach der Kaserne flüchteten; bei Nacht war
es das Spiel Tausender von Feuerfliegen, die in allen Richtungen über die
Savannen und Gärten flogen, oder die Musik unzähliger Kröten, welche in den
Gräben sich aufhielten; oder das Schwirren enormer Fledermäuse, welche auf
Insekten Jagd machten.

Die Hälfte unseres Corps waren Deutsche; und man sah viele sehr gebildete
Männer, die in bedeutend besseren Verhältnissen in ihrem Vaterland gelebt
hatten, hier Schildwache stehen. Aber die meisten waren unerträgliche
Trunkenbolde, die aus Verdruss oder Langeweile ihre Grillen im Schnapse
ersäuften und jeden Cent, der ihnen beim sparsamen Solde übrig blieb, in
die Kneipe trugen. Die Natur zog keinen an, für ihre Genüsse hatte keiner
Gefühl. Desshalb war ich auf meinen Wanderungen auch immer allein, und die
hier so ergiebige Insektenjagd hielt mich entfernt von Gesellschaften
und lustigen Parthien, zu welchen ich nie Neigung fühlte. Da wir immer in
weissen Hosen, in Uniform und bewaffnet ausgehen mussten, so führte ich im
Tschako ein Kistchen und Hosen mit, auf dem Rücken stak unterm Wamms mein
Schmetterlingsnetz, und auf der Brust trug ich eine alte Mütze. Ausserhalb
der Stadt legte ich meine guten Kleider ab und gab sie in bekannten Häusern
in Verwahrung; dann zog ich mit Netz und Säbel bewaffnet in den Wald. Es
war eine glückliche Zeit; denn auf jeder Wanderung entdeckte ich neue, mir
unbekannte Specien. Kam ich dann Abends mit meinem Fang nach Hause, so fand
ich das delicate, für mich bewahrte Essen, und die kalten Bananen, mit 1/14
Pfund Speckfett übergossen, schmeckten vortrefflich.

Ich genoss stets der besten Gesundheit, wozu freilich mein diätes Leben
viel beitrug.

Endlich, obwohl die Zeit mir schnell verging, wurde ich beordert, mich
reisefertig zu halten, um nach den so gepriesenen Posten abzugehen.

Eine Pont vom Posten Gelderland, welche die Lebensmittel auf drei Monate
abzuholen hatte, sollte mich mit fünf andern Soldaten mitnehmen. Wir
kauften uns desshalb beim Sergeant-Major der Compagnie, welcher den
Soldaten verkaufen durfte, was sie nöthig hatten, Seife, Speck, Hosenzeug,
kurz dasjenige ein, was wir auf dem Posten nöthig zu haben glaubten.

Den Betrag dieser Gegenstände, die nicht sehr wohlfeil geliefert werden,
zieht der Sergeant-Major von dem Solde ab, der den Soldaten jeden Monat
nach den Posten geschickt wird.

Fast immer ist eine solche Abreise die Veranlassung zu einem Trinkgelage,
das der Abreisende seinen Kameraden gibt. Fehlt es ihm, was beinahe immer
der Fall ist, an Geld, um Branntwein zu kaufen, so werden die noch nicht
bezahlten, theuren Waaren des Sergeant-Majors um Spottpreise verkauft und
der Erlös vertrunken.

So treten denn die Meisten mit nacktem Leib, ohne Sold, arm und voll
Schulden die Reise nach dem Bestimmungsorte an, um dort so lange Mangel zu
leiden, bis sich der Sergeant-Major bezahlt gemacht hat. Diess war auch
bei meinen Kameraden der Fall, von welchen zwei in die Pont getragen werden
mussten. Sie war mit Kisten und Fässern so vollgepfropft, dass man beinahe
keinen Fuss vorsetzen konnte.

Der Kommandant über uns und das Fahrzeug war ein Sergeant, der auf dem
Hauptposten detachirt lag. Ausserdem machte die Frau eines Corporals, der
auf dem Posten Gelderland eine Herberge hatte, die Reise mit. Sie hatte
unter andern Dingen zwei Kisten Genever eingekauft, die ebenfalls im
Fahrzeuge waren. Für uns Soldaten blieben blos zwei Plätze übrig, um zwei
Hängematten zu hängen; denn der meiste Raum wurde von dem Sergeanten
und der Frau eingenommen, welche die Nacht bequem in ihren Hängematten
durchbrachten. Ich war seit einigen Wochen mit einem Hautausschlag, dem
sogenannten rothen Hunde, so geplagt, dass mein Leib wie Eine Wunde aussah,
und meine Kleider mir überall anklebten. Es war desshalb beim Liegen auf
den Fässern an keinen Schlaf bei mir zu denken, und das Krähen der Hähne
auf den Plantagen, an welchen wir vorbeifuhren, mir eine erwünschte Musik.

Kaum erhellte der anbrechende Tag das Chaos unseres Nachtlagers, als ein
Zetergeschrei der Corporalsfrau uns Alle ermunterte.

In der Dunkelheit der Nacht hatte nämlich ein Durstiger einen ihr
gehörenden Kelder (Kiste) Genever erbrochen und zwei Flaschen von diesem
Lebenswasser gestohlen. Eine grosse Untersuchung ihrerseits und unser
fürchterliches Raisonniren zauberten die fehlenden Flaschen nicht herbei.
Ihr Verdacht fiel auf einen alten Soldaten, der schon seit ein paar Tagen
nicht nüchtern geworden war und eben vom Boden der Pont aufstand, wo er die
Nacht zugebracht hatte. Die Frau, welche schon seit 16 Jahren in Ostindien
gedient hatte, und ihre Zunge zu gebrauchen wusste, beschuldigte unter
argen Scheltworten den armen Kerl des Diebstahls. Da es ihm nun nicht
möglich war, mit nüchternem Magen gegen eine solche Fluth von Ehrennamen,
mit welchen sie ihn überhäufte, zu protestiren, so wirkten gekränktes
Ehrgefühl, Alteration und Katzenjammer dermasen auf seine Sinne ein,
dass ein Anfall von Epilepsie erfolgte, und wir kaum im Stande waren, ihn
festzuhalten.

Heulend betheuerte er, als er sich ein wenig erholt hatte, seine Unschuld;
er zerschlug sich die Brust, welche so haarig, als das Fell eines Bären
war, und rief seine verstorbene Mutter zum Zeugen seiner Unschuld auf. Uns
standen vor Rührung Thränen in den Augen.

Gegen Mittag, nachdem alle Geister beruhigt waren, hielten wir an einer
Zuckerpflanzung, auf welcher der Sergeant und die Frau beim Director
assen, während wir in der Mühle unser Essen bereiteten, zu welchem uns
der Director einen Busch Bananen und eine Flasche Rum sandte. Da wir der
Meinung waren, wir würden des andern Morgens auf Gelderland ankommen, und
uns auf die Gastfreundschaft der dortigen Kameraden verliessen, so warfen
wir unsere sämmtliche Ration an Fleisch und Speck in den Topf.

Mit anbrechender Nacht fuhren wir weiter, hatten aber am zweiten Mittag
den Posten noch nicht erreicht. Die Ebbe trat ein, und an einem armseligen
Holzgrunde mussten wir die Fluth erwarten.

Jetzt bereute man es, den Tag zuvor so flott gelebt zu haben. Mit vieler
Mühe bekamen wir einen Busch Bananen, wozu die mitleidige Corporalsfrau
einen Häring beifügte, an welchem sich keiner den Magen überlud, da wir ihn
unter sechs theilen mussten. Endlich in der Frühe landeten wir am ersehnten
Posten, wo unsere Kameraden, so wenig sie auch für sich hatten, doch ihr
Essen mit uns theilten.

Der Posten Gelderland, oder richtiger die Judensavanne (zehn Stunden von
Paramaribo entfernt), ist der erste Platz, wo sich das Land bedeutend
erhöht und die Einförmigkeit der Ebenen durch Sandhügel unterbrochen wird.
Auf einem, etwa 70-80' über den gewöhnlichen Wasserspiegel des Surinam
erhabenen Hügel liegt ein sehr in Verfall gerathenes Dorf: der Portug,
Judengemeinde, dessen aus Backsteinen gebaute Synagoge von früherem
Wohlstand zeugt. Das Dorf war von mehr als 200 Familien bewohnt, jetzt aber
leben nur noch einige in alten, halbverfallenen Häusern von den Wohlthaten
ihrer Glaubensgenossen in Paramaribo, und dem Nutzen einiger Kühe, die in
den dürren Savannen ein spärliches Futter finden. Das hohe Alter dieser
Menschen, deren einige tief in den achtziger Jahren sind, ist eine Folge
ihrer einfachen Lebensweise und der gesunden Lage ihres Orts.

Der Posten und die Wohnung des Kommandanten liegen im Thale am Strom. In
einer Schlucht des Hügels entspringt eine Wasserquelle dem Felsen,
welche einen Sumpf bildet, der mit der üppigsten Vegetation bedeckt
ist. Baumfarnen, viele Arten Melastomen und Aroideen, durchschlungen von
schönen, blühenden Lianen, wachsen an den Felsen herauf, während am Rande
der Savanne zahllose Bromeliaceen undurchdringliche Büsche bilden. Der
blendend weisse Sand der Savannen bildet einen mächtigen Contrast mit den
dunkeln Wäldern, die sie umsäumen, und schmerzt das Auge ebensosehr, als
er durch seine Hitze dem Wanderer beschwerlich ist, der an schwülen Tagen
darin marschiren muss.

Oben auf dem Hügel sieht man in südwestlicher Richtung ein hohes, blaues
Gebirge sich über den dunkeln Waldungen ausdehnen. Eine Insel im Flusse
verbirgt zur Hälfte einen kleinen Wachposten, der an der jenseitigen Seite
sich befindet. Einige Caraibendörfer lagen zerstreut in den benachbarten
Savannen.

Ich und ein anderer Soldat waren nach dem Hauptposten Mauritzburg bestimmt,
und wir mussten, ohne auf Gelderland verweilen zu dürfen, dahin abgehen[1].

Der rechte Flügel des Cordonwegs, der in einer achtstündigen Entfernung von
den Ufern des Surinam nach dem obern Comowyne sich hinzieht, wurde um
das Jahr 1770 desswegen angelegt, um die Colonie vor den Einfällen der
Buschneger zu bewahren, und dem Weglaufen der Sklaven vorzubeugen. Mehrere
grosse Posten und viele kleine Pikete zogen sich längs desselben hin, und
waren mit vielen Truppen besetzt. Die meisten sind übrigens eingegangen,
und bloss Gelderland am Surinam, Mauritzburg am Casawinika und Imotappie am
obern Comowyne bestanden noch und waren unter dem Commando von Officieren.

Zwei kleine dazwischen gelegene Posten dienten zur Beförderung von Briefen.

Der Weg geht grossentheils durch Savannen, in welchen man alles Schattens
beraubt ist und eine erstickende Hitze herrscht; nur in Niederungen, wo
Bäche und Wasser sich sammeln, ist Hochwald und üppige Vegetation. Die
Savannen gewähren einen wunderbaren Anblick. Grosse, stundenlange Flächen
sind mit niederem Strauchwerk und falbem Grase bedeckt, und gestatten
dem Auge eine ungeheure Uebersicht. Einzeln und gruppenweis stehende
Mauritzenpalmen geben durch ihr mattes Grün und ihre welken Blätter einen
melancholischen Anblick. Der Saum der Savannen besteht fast ganz aus diesen
Bäumen, in denen Schwärme von Raben und Papageyen nisten.

Die Mauritza (Mauritia flexuosa) ist die höchste der surinamischen Palmen
und besonders auf Savannen und sandigen, feuchten Plätzen in ungeheurer
Anzahl zu finden. Etwa ein Dutzend Blätter, die sich am Ende des Stiels
fächerförmig ausbreiten, und gegen 18' lang sind, zieren ihren Gipfel. Ihre
Höhe beträgt manchmal über 100'. Sie liefert den Indianern viele Dinge
zu ihrem Lebensunterhalt: die Blätter werden gespalten und zu Tauen
und Bindfäden verarbeitet; das Mark der Stiele reihenweise mit den aus
Blattfasern gedrehten Schnüren zusammengebunden, gibt leichte und sehr
zweckmässige Segel.

Ehe die Blüthentrosse sich öffnet, läuft aus einem, zu diesem Zweck unten
in den Baum gemachten Einschnitt eine Menge süssen Saftes, welchen die
Arowaken wie Wein trinken. Wenn der Stamm umgehauen und ein, etwa 4' langes
Loch hinein gemacht ist, wird das Mark desselben von den Larven eines
grossen Rüsselkäfers (Curculio palmarum), welche Cabbiswürmer genannt
und für eine grosse Leckerei gehalten werden, zernagt gefunden. Sie sind
fingerslang, daumendick, nankinfarbig, fühlen sich fett an, und haben einen
braunglänzenden harten Kopf. In Butter gebacken und mit Pfeffer bestreut
gehören sie gewiss zu den feinsten Delicatessen Surinams.

Die Früchte dieser Palmen sind von der Grösse eines mittelmässigen Apfels,
braun von Farbe, zierlich wie ein noch nicht reifer Tannenzapfen geformt,
und sitzen zu Hunderten an der Blüthentrosse. Sie wachsen manchmal in
solcher Menge am Stamm, dass ich das Gewicht mancher Rispe zu 400 Pfund
schätze. Die Indianer essen diese Früchte, obwohl sie nicht besonders gut
schmecken.

In den Savannen sind viele Termitennester, die in kleinen, spitzigen Kegeln
aus der Erde steigen, jedoch nie über 4' hoch sind. Hier nennt man diese
kleinen, den Ameisen ähnlichen Insekten, deren Hinterleib weisslich und
weich, der Kopf aber mit scharfen Zangen bewaffnet ist, Holzläuse. Sie
leben gesellig wie die Ameisen und in solcher Anzahl, dass sie dieselben an
Menge noch zu übertreffen scheinen. In den Wäldern findet man ihre Nester
beinahe an jedem Baum und zuweilen so gross, dass alte Bäume unter ihrer
Last erliegen. In alten Häusern, wo sie ihre centnerschweren Nester, welche
oft zwei bis drei Fuss im Durchmesser haben, ans Gebälke bauen, sind sie
eine grosse Plage. Die Nester bestehen aus zernagtem Holz oder Erde; das
Material hiezu wird manchmal weit hergeholt. Nichts ist vor ihnen sicher,
und man hat Beispiele davon, dass Kleidungsstücke, welche in einem
verschlossenen Koffer waren, in einer Nacht total aufgefressen wurden. Man
bekommt sie aber nie zu sehen, weil sie bei ihren Raubzügen von zernagtem
Holze oder Erde einen Gang bilden, der nach bestimmten Orten hinleitet.
Bäume, Balken und dergleichen werden auch nur von innen ausgefressen,
so dass man von aussen nichts bemerkt, obwohl diess bis zur Dicke eines
Kartenblatts geschieht. Sie sind immer thätig und arbeiten Tag und Nacht
an ihren Nestern, in welche, wenn sie verlassen werden, die Sabacarra (eine
grosse Eidechse) häufig ihre Eier legen. Hühner werden von ihnen fett.

Tiger, Ameisenfresser und Hirsche sind die Bewohner der Savannen, und
in den sie begrenzenden Wäldern sind Armadille und Kaninchen, sowie
hühnerartige Vögel, als Powisen und Agamis, sehr häufig.

An manchen Stellen, wiewohl selten, findet man die Agave americana mit
ihren manchmal 30' hohen Blüthenstengeln. Man macht von dieser nützlichen
Pflanze keinen Gebrauch; nur Buschneger und Sklaven gebrauchen zuweilen
ihre dicken Blätter als Seife, wesshalb man sie hier Ingisopo nennt.

Auf dem 2½ Stunden von Gelderland entfernten kleinen Posten Frederiksdorp
blieben wir während der grössten Hitze des Tages. Drei Soldaten, zwei
weisse und ein schwarzer, sind die ganze Besatzung. Sie müssen wechselweise
die von Mauritzburg und Gelderland kommenden Briefe nach beiden Posten
besorgen und ihren Lebensunterhalt von ersterem Posten auf dem Rücken
herbeitragen; sonst lebt jeder nach seiner Weise. Manchmal passirt in 14
Tagen kein Mensch diesen Posten.

Das Land ist unfruchtbar und bringt nichts hervor; dennoch hielten diese
Menschen wohl 100 Hühner auf dem Posten, die sich beinahe allein von
Termiten und Heuschrecken nährten.

Zwei kleine Stunden weiter befindet sich der Posten Mauritzburg, an welchem
wir Abends 5 Uhr ankamen. Dieser liegt in einer weiten, sumpfigen Savanne,
und besteht eigentlich aus drei Plätzen, von welchen der erstere Wohnort
des kommandirenden Officiers ist und Gouverneurslust heisst. Durch
Citronenhecken ist er von dem andern, einem nahe gelegenen einzelstehenden
Haus, »Markette«, abgesondert, in welchem die weissen Verbrecher der
Colonie aufgehoben werden. Der dritte, eine Viertelstunde davon abgelegene
heisst Mauritzburg, wo sich die Kaserne und Bäckerei, das Hospital und
die Magazine befinden. In der Mitte des Weges führt eine Brücke über die
Casiwinika, welche aus nahe gelegenen Sümpfen entsteht und in die obere
Comowyne sich ergiesst. Unterhalb des Postens liegen an ihr zwei armselige
Holzgründe, und auf den Savannen zwei Arowakendörfer. Etliche zwanzig Kühe
waiden auf den Savannen und versehen die Haushaltung des Commandanten
mit Milch. Ein Pferd ist zu seinem Dienste, und ein, von drei Mauleseln
gezogener Wagen zum Transport der Kranken bestimmt, welche von den
andern Posten, wo sich keine Aerzte befinden, abgeholt, und bei erlangter
Gesundheit wieder zurückgebracht werden. Ein zweckwidrigerer Transport
lässt sich nicht leicht auffinden; denn das Gerüttel auf den manchmal
abscheulichen Wegen ist selbst für Gesunde unausstehlich, und für Kranke
entweder eine Parforcecur, oder wenigstes ein Mittel, um sie noch kränker
zu machen. Im Blockhause werden sowohl Civil- als Militärverbrecher
verwahrt und zur Unterhaltung der Wege und Posten angehalten. Doch wird ihr
Loos durch gutes Betragen sehr erleichtert.

Ich wurde schnell mit der Umgegend bekannt. Der Dienst war leicht und
angenehm und alles lebte im Frieden, weil der allgemeine Friedensstörer,
der Branntwein, nicht zu bekommen war.

Doch schon nach 14 Tagen wurde ich nach dem zwei kleine Stunden entfernt
liegenden Posten Nepheusburg detachirt, um einen der zwei blanken (weissen)
Soldaten, der nach der Stadt musste, abzulösen.

Dieser kleine, nur von zwei Weissen und einem Schwarzen besetzte Posten
hat denselben Zweck, wie der, an der andern Seite sich befindliche
(Frederiksdorp), und liegt in einer morastigen Gegend mitten im Walde.
Ein grosses Haus, das einzustürzen drohte, war unsere Wohnung, und in den
Regenzeiten schwammen Buschfische beinahe vor die Thüre.

Vor Gras und Strauchwerk sah man den Posten erst, wenn man sich ihm auf
15 Schritte genähert hatte. Früher, als die Besatzung stärker war, wurden
bedeutende Gärten und Aecker unterhalten, und davon die andern Posten mit
Gemüse versehen; denn der Boden ist sehr fruchtbar und ergiebig.

Apfelsinen-, Orangen-, Citronen- und Sauersackbäume waren hier in Menge.
Ich, mein weisser und schwarzer Kamerad hatten gleichviel zu sagen, und es
brachte desshalb jeder den Tag nach seiner Weise zu.

So angenehm auch das Nichtsthun Jedem war, waren es doch ein paar Dinge,
die zu diesem Schlaraffenleben gerade nicht passen wollten, z. B. das
Uebertragen der Briefe, welches von uns wechselweise, oft mitten in der
Nacht, oder beim heftigsten Regen besorgt werden musste. Ferner war man
genöthigt, die Lebensmittel in Mauritzburg zu holen, was jede Woche zweimal
geschah. Hiezu bedienten wir uns eines aus Palmblättern geflochtenen
Tragkorbs, Balatta genannt, den ich gar oft, mit zwei Boschen Bananen und
zwölf Pfund Brod befrachtet, durch Dick und Dünn trug, oder bei brennender
Hitze nach Hause schleppte. Unsere Kleidung war daher auch diesem Geschäfte
angemessen. Schuhe wurden beinahe nie gebraucht, da sie leicht im Koth
stecken blieben, und die Hosen wurden durch das Schneidgras so zerfetzt,
dass sie wie mit Spitzen besetzt aussahen. Das Hemd zog ich blos an, wenn
ich mich dem Posten Mauritzburg näherte, oder wenn wir Besuch erhielten,
was jedoch wenig der Fall war. Daher sah auch meine Haut so braun aus, wie
die eines Mulatten. Doch hatten diese Beschwerden auch ihre guten Seiten.

Auf den Wegen nach beiden Posten fing ich manches schöne Insekt, und beim
Nachhausekommen fand ich stets eine Schüssel Bananen, welche von meinen
Kameraden gekocht waren, und wobei mir das Herz im Leib lachte. Besonders
schlecht war der Weg nach dem Posten Imotappie. An beiden Seiten desselben,
der etwa 50' breit ist, sind zwei tiefe Gräben, in denen sich die
Waldwasser sammeln, die bei anhaltendem Regen austreten und den Weg
überschwemmen. Breites, schneidendes Gras, das bei der üppigen Vegetation
wohl 12' hoch wächst, bedeckt den ganzen Weg so dicht, dass man kaum
einen Schritt voraussehen kann. Es ist überhaupt nicht möglich, die
Mühseligkeiten dieser, obwohl nur zwei Stunden langen Strecke zu
beschreiben; oft watet man bis um die Kniee im Morast; beinahe jeden
Augenblick wird man ins Gesicht, in die Füsse oder Hände geschnitten; dabei
erfrischt kein Windzug in dieser drückenden Schwüle. Der ganze Cordonweg
wird alljährlich durch Plantagen-Neger, welche das Gouvernement bezahlt,
abgemäht und ausgebessert; aber dennoch kann man die Einflüsse der
Witterung nicht unterdrücken.

Einige Tage nach meiner Ankunft bereitete mein Kamerad einen mir noch
unbekannten Trank aus einer Palmenart, den ich zwar noch nicht gekostet,
aber schon oft hatte rühmen hören; man nennt ihn Cumu.

Eine, etwa 60' hohe Palme (Oenocarpus Comon. Aube), welche der Königspalme
ähnlich ist und in sandigen Wäldern wächst, treibt eine über 3' lange
Traube in Gestalt eines Pferdschweifes, an deren Stielen oder Schnüren
Tausende von Beeren sitzen, welche so gross wie eine Flintenkugel und von
dunkelbrauner Farbe sind. Die Frucht ist eigentlich nur ein runder, harter,
von einer fleischigen Haut überzogener Stein. Sie wird von Vögeln und Affen
sehr gerne gefressen, und ist ein vortreffliches Futter für die Schweine.

Die Beeren werden in warmem Wasser eingeweicht, und dadurch wird in einer
Viertelstunde das Fleisch so weich, dass es sich vom Stein durch Drücken
abschälen lässt. Durch fortwährendes Drücken der Steine im Wasser wird
dasselbe dick, chocoladfarbig, und man lässt es, wenn kein Fleisch mehr
an den Steinen sitzt, durch ein indianisches Sieb, Menari, laufen, wodurch
Haut und Steine zurückbleiben. Mit etwas Zucker vermischt ist der Trank
fertig, gesund, nahrhaft, und mit dem Rahm der Milch zu vergleichen.
Die breiartige, von den Steinen abgeriebene Masse wird von den Indianern
ausgepresst, worauf sich auf der Oberfläche der erhaltenen Brühe ein
klares, gelbes Oel zeigt, das gereinigt gut zum Bereiten der Speisen dienen
könnte, von den Indianern aber zum Einschmieren der Haare verwendet wird.

Um die Frucht zu bekommen, wird der Baum umgehauen; die meisten haben bloss
eine, manche zwei, aber selten drei Trossen und vom December bis Junius
Frucht. Sie wachsen, wie alle Palmen, schnell, haben aussen hartes Holz,
innen eine markige Substanz, die schnell voll Cabbiswürmern, essbaren
Larven, ist.

Den Werth dieses Trankes lernte ich erst schätzen, als einmal auf
Mauritzburg die Bananen unglücklicher Weise fehlten, und die dortige
Besatzung von Reis, Mais und Maniok leben musste.

In dieser Zeit des Mangels assen wir bloss all ander Tage, und in der
Zwischenzeit wurde von Cumu gelebt; Mais assen wir bloss zweimal, weil
viele süsse Bataten (Convolvula batata) auf dem Posten wuchsen, die zwar
hart und faserig, aber doch besser als Gänsekost waren.

Mein Aufenthalt in dieser Einöde gab mir manchfache Gelegenheit,
Naturmerkwürdigkeiten mancherlei Art zu beobachten.

Im Gemäuer, auf dem unser baufälliges Haus ruhte, befand sich ein
Bienennest von inländischen sogenannten Honig-Waschiwaschis. Sie gleichen
in der Gestalt ganz den Bienen, sind aber schwarz, nur halb so gross und
stechen nicht. Sie leben meistens in hohlen Bäumen oder in den von Termiten
verlassenen Nestern, manchmal in so grosser Menge, dass ein Nest zwei
europäische Bienenkörbe übertrifft. Ihr Honig, der klar, säuerlich und
von vortrefflichem Geschmack ist, befindet sich nicht in Waben, sondern in
runden, aus Wachs verfertigten Blasen, welche klumpenweise zusammenhängen,
während die Waben, welche aus einer gelben und schmierigen Substanz
bestehen, und geschmolzen nicht die geringste Aehnlichkeit mit Wachs haben,
zum Aufenthalt der Jungen dienen. In Savannen, wo viele Blumen wachsen,
findet man sehr viele Bienen, welche auch vorzugsweise die Blüthe der
Palmen lieben.

Das schwarze Wachs wird von den Indianern zum Verpichen ihrer Corjaalen und
zu Wachslichtern gebraucht; den meisten Honig findet man um die Zeit des
Vollmondes. Man findet dreierlei verschiedene Arten Bienen von gleicher
Grösse, nämlich zwei schwarze und eine gelbliche. Ob sie sich in der
Lebensart von einander unterscheiden, weiss ich nicht. Sie vertheidigen
ihre Wohnungen sehr tapfer, setzen sich in Haare und Kleider und beissen
wacker darauf los.

Um die verschiedenen Arten Ameisen, welche ich sah, richtig zu beschreiben,
musste ich die Erfahrung vieler Jahre haben, da sowohl ihre Anzahl als ihre
Verschiedenheit unbeschreiblich gross ist.

Die merkwürdigsten sind ohne Zweifel die Wander-Ameisen, die zu sehen ich
nur einmal Gelegenheit hatte. Sie waren eines Morgens in ungeheurer
Menge in der Kaserne in allen Löchern und Ritzen verbreitet; nicht ein
Tausendfuss, Kackerlack oder Scorpion, wie flink sie auch sein mochten,
entkam diesen mörderischen Insekten. Was sie einmal fassten, hielten sie so
fest, dass sie sich lieber den Kopf abreissen liessen, als es loszulassen.
Zu Zwanzigen hingen sie an einem Tausendfuss, und bissen ihm seine
Füsse ab. Unter dem Dach hatten sie ihr Hauptquartier, wohin sie auf den
Seitenbrettern der Treppe liefen und sich in einer Ecke an einen Balken wie
ein Bienenschwarm anhingen, welcher Klumpen wohl 2' lang und 1' dick war.
Die immer auf- und abmarschirenden Ameisen trugen übrigens nichts in ihr
Nest, sondern frassen wahrscheinlich Alles gleich auf. Sie schienen viele
Anführer zu haben, die sich durch ungeheuer dicke Köpfe und gewaltige
Fresszangen auszeichneten. Der ganze Haufen blieb zwei Tage auf dem Posten
und verschwand eben so schnell, als er gekommen war. Eine andere Art von
derselben Grösse, doch braunrother Farbe, nennt man Cassave-Ameisen. So
nützlich die vorigen sind, da sie die Häuser vom Ungeziefer reinigen, so
schädlich sind diese, weil sie oft in einem Tage einen Acker total kahl
fressen können. Sie leben gemeinschaftlich in Nestern unter der Erde. Man
erkennt diese an kleinen Hügeln, welche manchmal bei einer Höhe von 6' oft
20 Schritte im Umkreise haben. Die einzelnen Nester sind von der Grösse
eines Kopfes, und von einer aschfarbenen, leicht zu zerreibenden,
blätterartig auf einander liegenden Substanz zusammengestellt. Junge und
Eier sind nicht in den Waben, sondern in den unregelmässigen Zellen der
Zwischenräume. In der Mitte findet man Blätter, Körner und Knospen, die sie
zusammentragen, und in Ruhe zum Nahrungsbrei für die Jungen zernagen. Alle
diese einzelnen Nester stehen durch Gänge mit einander in Verbindung, und
es befinden sich manchmal 200 an der Zahl in verschiedener Tiefe, 1-6 Fuss
unter dem Boden, so dass man tagelang arbeiten muss, um ein solches Nest
auszurotten. Dabei vertheidigen sich die mit grossen, scharfen Zangen
bewaffneten Ameisen aufs Hartnäckigste, beissen aufs Grimmigste in Hände
und Füsse und lassen sich lieber den Kopf abreissen, ehe sie loslassen.

Zu diesen gemeinschaftlichen Nestern führen über der Erde regelmässige,
einen halben Fuss breite Wege von wenigstens einer Viertelstunde Länge nach
dem Platze, wo sie ihre Verheerungen anrichten. Diese Wege sind von Gras
und allen Blättchen gereinigt, damit die mit Raub beladenen Insekten nicht
gehindert sind. Ihr Fleiss, sowie ihre bei der Arbeit beobachtete Ordnung
und Ueberlegung sind bewundernswürdig.

Ein Baum wird bloss von einer Seite bestiegen, worauf sie sich in die
Blätter vertheilen und mit ihren Zangen so grosse Stücke abschneiden, als
sie zu tragen vermögen. Ist das Blättchen abgesägt, so wird es mit der
Fresszange gehalten und mit den Vorderfüssen so gerückt, dass es aufrecht
zu stehen kommt; hierauf wird schwankend unter der Last der Rückweg
angetreten. Es kostet viele Mühe, den Baum hinabzukommen; sie lassen aber
dessenungeachtet ihr Blättchen nicht fahren, und treten unverdrossen den
manchmal eine Viertelstunde langen Rückweg an. Wenn der Weg übers Wasser
geht, klettern sie an Bäumen hinauf, um durch die Zweige auf andere, an
der Ueberseite sich befindliche Bäume zu kommen und ihren Weg fortsetzen
zu können. Im Innern des Landes halten sie sich sehr häufig auf. Sie haben
kein bestimmtes Futter, sondern tragen Mais, Cassaven, Orangen, Mangos und
Blätter verschiedener wilder Bäume weg.

Im December fliegen die Weibchen in grosser Anzahl umher. Sie sind viel
grösser, als die Männchen und haben einen dicken Leib. Ihre Flügel sind
ihnen mehr zur Last als zur Hülfe gegeben, weil sie leicht abbrechen,
und das nun hilflose Geschöpf von allerlei Vögeln aufgefressen wird. Die
Buschneger fangen sie in Masse und essen den dicken Leib gebacken oder
geröstet. Sie schmecken ungemein angenehm; doch braucht man viel, um satt
zu werden.

Diese Ameisen sind eine furchtbare Plage für den Landbau; man umgibt
desswegen im niedern Lande ihre Hügel mit Gräben, in welchen das Wasser
sich sammelt und so die Nester durchdringt, im höhern aber ist Ausgraben
schlechterdings nöthig.

Indianer und Neger glauben, dass sich die blinde Schlange, eine wurmförmige
Eidechse (Coecilia --?) in den untersten Nestern aufhalte und von den
Ameisen gefüttert werde.

Andere Ameisen erregen durch ihren Biss ein heftiges Brennen auf der Haut.
Sie sind meistens so klein, dass man sie erst dann bemerkt, wenn man
sie fühlt. Diese sind in den Häusern die lästigsten, weil sie an alle
Esswaaren, sie seyen gesalzen oder süss, gehen, so dass man sie kaum vor
diesen Thieren sichern kann.

Ausser Ameisen und Holzläusen hatten einige hundert Fledermäuse den Giebel
in verjährtem Besitz, und belästigten uns durch den immerherabfallenden
Unrath, noch mehr aber durch ihr unaufhörliches Gezwitscher, und so wenig
Gesellschaft wir auch von Menschen hatten, um so mehr war unsere Einöde von
Thieren aller Art belebt. Kaum graute der Morgen, als im nahen Busch die
Wakagos (Ortalida paragua), hühnerartige, bräunliche Vögel mit langem
Schwanze, ihr gellendes Geschrei anhoben. Raben und Papageien, die im
Mauritzenwäldchen, das an's Haus stiess, nisteten, schrieen uns den ganzen
Tag die Ohren voll.

In einer Citronenhecke hingen einige Dutzende, drei Fuss lange, sackförmige
Nester von Bananenvögeln (Cassicus), die gar nicht wild sind und gern
in der Nähe der Menschen wohnen. Diese Vögel, wahre Affen unter den
Luftbewohnern, ahmen alle möglichen Stimmen nach; bald schreien sie wie
Hühner, bald wie Affen, verdrehen dabei ihre Augen und machen tausenderlei
Possen. Sie sind immer in Truppen beieinander, und bauen ihre Nester immer
an's Ende von meist dornigen Zweigen, wobei sie diejenigen vorziehen, an
welchen grosse Wespen sich angesiedelt haben. Es herrscht zwischen beiden
so ungleichen Thierarten eine merkwürdige Freundschaft; denn ich habe
häufig bemerkt, dass, wenn die Vögel beim Durchfliegen ihre Nester auch
berührten, sich diese Insekten nicht darum bekümmern, es aber einen
Menschen, der diess zu thun wagen würde, schwer büssen lassen würden.

Der Bananenvogel hat die Grösse einer Amsel; er ist schwarz, hat jedoch
einen goldgelben Schwanz und Rücken, einen weissen Schnabel und hellblaue
Augen.

Eine andere Art derselben Grösse ist statt gelb brennendroth, lebt aber
ebenso. Die Nester sind sehr merkwürdig und bilden einen zwei bis drei Fuss
langen Sack, dessen Oeffnung aber wie ein Backofen überwölbt ist; sie sind
netzartig, mit einer Art Gras überflochten und elastisch. Pfefferfrasse
sind ebenfalls sehr häufig; sie sitzen gegen Abend auf den höchsten
Bäumen, wo sie sich bald nach dieser, bald nach jener Seite wenden und ihre
gellende Stimme erschallen lassen.

Doch all diess Geschrei ist nichts gegen das Concert, das in der Regenzeit
des Nachts ertönt, und keine Feder ist im Stande, davon eine richtige Idee
zu geben.

Kaum ist die Sonne untergegangen, so ertönen in den, den Posten umgebenden
Orangen- und Sauersackbäumen grässlich schnarrende Töne von grossen
Laubfröschen, accompagnirt von dem tiefen Bass einer ungeheuren Kröte, die
auch im Sumpfe sich ihres Lebens freut und ihren feierlichen Gesang durch
ein schallendes Gelächter oder Pausen endigt. Kleine Kröten, die in den
Gräben zu Hunderten sitzen, quacken unaufhörlich im höchsten Diskant, und
Legionen Scheerenschleifer (Cicaden), die im Wald herumschwärmen und die
man ¼ Stunde weit hören kann, ersetzen den Chor. Von Zeit zu Zeit ertönt
aus der Ferne der melancholische Gesang einer Nachtschwalbe (Caprimulgus
lud.), der sechs Töne der abwärts gehenden Scala umfasst, oder der kleinen
Eule, »Urukuku«, nach ihrem Rufe so genannt. Zählt man noch hiezu die
lieblichen Stimmen von einigen Brüllaffen, deren Geschrei selbst das
Gebrüll eines Löwen übertönt, so ist ein Orchester besetzt, wie man kein
zweites in der Welt finden wird.

Ich bin später noch auf andern Posten gelegen und habe viele Plätze
besucht, aber den Lärm von Nepheusburg habe ich nie wieder gefunden; denn
seine niedrige, ganz von Gebüsch umgebene Lage begünstigt diese Schreier.

Etwa einen Monat nach meiner Ankunft auf dem Posten wurde unser schwarzer
Kamerad abgelöst, und ein anderer kam an seinen Platz. Dieser hiess
Liverpool, sein Neger- oder gewöhnlicher Name aber war Brokkodjokko.
Er galt für einen grossen Wisiman (Zauberer), guten Jäger und grossen
Trunkenbold. Die beiden letzteren Eigenschaften besass er gewiss, von
ersterer aber sah ich nie etwas. Er ging häufig auf die Jagd, war nicht so
geizig, wie sein Vorgänger, liess es nie an Cumu fehlen, und war um einen
Schnaps zu Manchem bereit. Ich verstand sehr wenig, beinahe nichts von der
neger-englischen Sprache, und unser Diskours musste häufig pantomimisch
geführt werden.

Mein blanker Kamerad wurde ebenfalls abgelöst und nicht ersetzt. So war ich
denn nun allein mit meinem Schwarzen und es vergingen desshalb Tage, ohne
dass ein Wort über meine Lippen kam. Ich führte, seitdem ich allein war,
meine eigene Menage, und mein Frühstück bestand aus Buschthee (Blätter
eines Heliotrops) oder Cumu, wozu geröstete Bananen oder Brod mit in
heisser Asche gebratenen Buschfischen genossen wurde. Des Mittags kochte
ich die Universalkost, Bananen, entweder ganz, mit Speck, oder zerschnitten
und im Wasser zu einer Art Brei gekocht, mit Fleisch oder Fischen. Das
Abendessen bestand aus den Ueberbleibseln der Mittagskost. Dies war mein
Küchenzettel für alle Tage der Woche, die ausgenommen, an welchen ich nach
Mauritzburg musste, oder Brokkodjokko etwas schoss. Affen und Faulthiere
brachte er häufig nach Hause, und Abomas (Riesenschlangen) wurden gut
geräuchert, und mit grossem Appetit verspeist. Obwohl Soldat, war ich doch
im Besitz einer uneingeschränkten Freiheit, nie jagte mich die Ladenglocke,
die ich so oft verwünscht, von meinem frugalen Mahle auf. Der Insektenfang
und die Fischerei beschäftigten mich den ganzen Tag. Die freie Luft und das
kalte Wasser des Kreek erhielten mich gesund und munter, und jetzt noch,
nach 15 Jahren, denke ich sehr gerne an jenes freie, sorgenlose Leben
zurück.

Die Regenzeit hatte Anfangs Juni ihren höchsten Grad erreicht, und der Weg
nach Imotappie glich seiner ganzen Länge nach einem grossen Sumpfe. Des
Tages zweimal untersuchte ich auf demselben meine Maschoas, deren letzte
eine Viertelstunde vom Posten entfernt war[2]. Häufig sah ich ganze Truppen
von Fischottern, hier Wasserhunde genannt, welche in den Kreeken Fische
fingen. Sie gleichen an Gestalt und Grösse den europäischen; ihr Fell ist
äusserst fein, oben graubraun, unten gelb. Obwohl sehr neugierig, sind
sie doch äusserst schlau, und man bekommt sie nur selten, weil sie gleich
untertauchen.

Eines Tages sah ich, als ich das Gras auseinanderschob, um durchzukommen,
einen grossen Tapir vor mir auf dem Wege stehen, der, nicht weniger
erschrocken als ich, in die Kreek sprang und mich über und über bespritzte.

Einige Zeit lang jagte Brokkodjokko sehr unglücklich; er schrieb sein
Missgeschick der Schwangerschaft eines seiner Weiber zu. Dieser wunderbare
Glaube herrscht unter den Negern und Eingebornen allgemein. Kaum war auch
sein Weib, eine Sklavin des Holzgrundes Copie, niedergekommen, so brachte
er den ersten Pakir mit nach Hause. Es war ein grosses, gegen 60 Pfund
schweres Thier, von dessen Fleische wir mehrere Tage lang gut lebten.
Vieles davon räucherte er, und versah mit diesem die Kindbetterin.

Nachdem er wieder die ganze Woche nichts geschossen hatte, ging er Freitags
darauf mit der Versicherung in den Busch, abermals einen Pakir zu bringen,
den er nur heute, sonst nie schiessen werde. Gegen 11 Uhr schleppte er
wirklich einen, der den ersten noch an Grösse übertraf, nach Hause. Es war
mir diess unbegreiflich, da ohne Hunde selten Pakire geschossen werden.
Sein Versprechen konnte wohl für Prahlerei gehalten werden, das der Zufall
in Erfüllung gehen liess. Doch wunderbar ist es, dass er den dritten
Freitag nach abermaliger Voraussage den dritten heimbrachte. Aufschlüsse
über die Art und Weise seiner Jagdkunst erhielt ich nie; das einzige, was
ich sah, war die Unterhaltung mit seinen Obias, deren er am Leibe und in
seinem Pakara verschiedene hatte.

Er war ein wunderlicher, von Aberglauben vollgepropfter Kerl, übrigens
ein guter Christ; unter Anderem verstand er auch das Schneiden gegen den
Schlangenbiss. Sein Treff verpflichtete ihn, kein Schildkrötenfleisch zu
essen.

Anfangs Juni an einem Sonntage musste ich Briefe nach Imotappie bringen.
Der Weg war schlecht, und überdiess hatte ich noch 36 Pack Patronen bei
mir, die für die Besatzung dieses Postens bestimmt waren. Ein Fuss langer,
alter Hauer war meine einzige Waffe. Schon hatte ich die Hälfte des Weges
zurückgelegt, als ich auf einem etwas trockenen Platze einen ganz jungen
Tiger von der Grösse einer Katze liegen sah, der, sobald er mich erblickte,
sich auf den Rücken legte, und nach Katzenart mit den Pfoten um sich
schlug. Ich steckte ihn in meine Mütze, welche ohne Futter einen grossen
Sack bildete. Ausser mir vor Freude, dachte ich gar nicht an die Gefahr,
von seiner Mutter, die sicher in der Nähe war, aufgespürt zu werden.
An Vertheidigung wäre nicht zu denken gewesen; denn obgleich der Jaguar
niemals Menschen angreift, hätte er mich doch in diesem Falle zerrissen.
Daran zu denken, hatte ich aber keine Zeit. Ohne Kopfbedeckung und nur mit
dem Thierchen beschäftigt, das unaufhörlich schrie und miaute, lief ich aus
Leibeskräften, um so schnell als möglich nach Imotappie zu kommen. Ich kam
daselbst so erhitzt an, dass ich keinen Laut von mir geben konnte.

Der Lieutenant, dem ich meine Briefe übergab, sowie alle umstehenden
Soldaten des Postens, wunderten sich theils über das niedliche Thier,
theils über meine Kühnheit, es mitgenommen zu haben. Man rieth mir, es zu
tödten und erst den andern Morgen nach meinem Posten zurückzukehren, um
nicht der Alten, die das Junge suchen werde, in die Klauen zu fallen;
allein ich schämte mich, Furcht zu verrathen und trat Nachmittags gegen
2 Uhr den Rückweg an. Ich setzte den jungen Jaguar, der immer noch schrie,
in den Batatta, worin ich die Patronen gebracht hatte, und lief so schnell,
als es der schlechte Weg erlaubte. Doch schon beim Anfange des Weges
bereute ich es, mich so unnöthig in solche Gefahr begeben zu haben. Das
kleinste Geräusch im Busche trieb mir die Haare in die Höhe, und ich
bekenne, dass ich nie herzlicher gebetet habe, als wie ich mich der Stelle
näherte, wo ich den kleinen Schreier gefunden hatte. Glücklich erreichte
ich mein Haus, wo Brokkodjokko, nichts vermuthend, mir den Batatta abnahm,
dann aber, als er des Tigers ansichtig wurde, wie ein Narr vor Freude in
der Kammer herumsprang und mich mit Lobeserhebungen überhäufte. Er wollte
sogleich nach Mauritzburg, um das Wunder zu erzählen und die Briefe zu
überbringen.

Ich schlachtete alsbald einen Hahn, von welchem mein kleiner Gast etwa den
vierten Theil frass.

Am andern Morgen fand ich rund um das Haus die Fussspuren eines grossen
Jaguars, der verschiedene Male um dasselbe gelaufen seyn musste. Doch,
obwohl Brokkodjokko mit schwergeladenem Gewehr die Umgegend durchstreifte,
konnte er ihn nicht mehr finden.

Denselben Tag waren 10 Zimmerneger unter der Leitung eines gleichfalls
schwarzen Meisters angekommen, um aus dem alten Hause ein kleineres neues
zu machen, freilich so wohlfeil als möglich. Dieses sollte, 18' im Quadrat,
unten und oben eine Kammer enthalten und 27' im Giebel hoch seyn. Unter das
Dach der Küche, das ohne alle Seitenwände blos auf vier 12' hohen Pfosten
ruhte, wurden Bretter gelegt, um mir indessen zur Wohnung zu dienen, die
man vermittelst einer Leiter bestieg. Sie war gerade so lang, dass man eine
Hängematte hängen, und so hoch, dass man in der Mitte etwas gebückt stehen
konnte; dabei wimmelte es von Fledermäusen, die Jahre lang diess Haus in
ungestörter Ruhe besessen hatten, und hundertmal von mir verjagt, immer
wieder zurückkamen. (Hier habe ich die zwei grössten Tausendfüsse gefangen,
die über 10" lang waren.) Fenster gab es nicht, auch hatte ich sie nicht
nöthig, da ich mich meistens unter dem Hause im Freien aufhielt.

Der Guide schlief in dem Schuppen, den die Zimmerneger für sich
aufgerichtet hatten. Ich war also mit meinem Tiger, der schon den zweiten
Tag viel von seiner Wildheit verloren hatte, und sich ganz wie eine junge
Katze betrug, des Nachts allein. Seine Stimme war rauher und sein Gang
unbeholfener als bei einer Katze. Alle zwei Tage schlachtete ich ein Huhn
für ihn, da er durchaus nichts anderes fressen wollte. Er hielt sich stets
in meiner Nähe auf und spielte mit dem kleinen Hund des Guide wie mit
seines Gleichen.

Eilf Morgen hintereinander sahen wir die Spuren des Alten, der ums Haus
herumschlich und sich sogar in den Kamp der Zimmerneger wagte, wo er einen
Neger, der Bananen röstete, so erschreckte, dass dieser ein Zetergeschrei
erhob, und Alles mit Aexten und Hauern bewaffnet herbeieilte. Da ich etwa
50 Schritte davon entfernt allein schlief, so hielt ich es für rathsam,
jede Nacht die Leiter heraufzuziehen, und mich so auf diese Weise förmlich
zu verschanzen. Weder der Wachsamkeit Brokkodjokkos, noch der Zimmerneger
gelang es, auf den Tiger schiessen zu können, der endlich von
selbst wegblieb. Fünf Wochen lang hatte ich den jungen Tiger beinahe
ausschliesslich mit Hühnern gefüttert; als diese zu Ende waren, musste ich
ihm abgezogene Fledermäuse vorsetzen. Er frass sie zwar, doch bekamen sie
ihm so schlecht, dass er vier Tage nachher starb. Für seinen Kopf bekam ich
acht Gulden Schussgeld vom Gouvernement.

Am Zimmermeister, der holländisch sprach, hatte ich nun wieder einen
Gesellschafter. Seine Neger besuchten frühe, ehe ich aufstand, meine
Maschoas und stahlen die Fische. Dagegen konnte ich nichts thun, als ihnen
zuvorzukommen; desswegen lief ich häufig, noch ehe der Tag anbrach, dahin,
um nicht bestohlen zu werden.

Der Bau des Hauses wurde wenig gefördert; denn Meister und Gesellen machten
es sich so gemächlich als möglich. Vieles Holz zu Balken musste aus dem
Walde geholt werden.

Dabei geschah es einmal, dass die Neger eine 14' lange Capassischlange
(Trigonocephalus rhombeatus) tödteten und nach Hause brachten[3]. Es
ist diess die giftigste der einheimischen Schlangen, die mit der
Klapperschlange in der Zeichnung und Farbe grosse Aehnlichkeit hat, doch
bedeutend länger und im Verhältniss nicht so dick ist. Sie ist braun,
hat grosse, viereckige, schwarze Flecken und Schuppen, welche oben einen
erhöhten Kiel oder Rücken haben. Ihr Unterleib ist gelblich, die Giftzähne
sind wohl 1½" lang. Der Tod soll manchmal augenblicklich auf ihren Biss
erfolgen, Blut aus allen Poren und Oeffnungen des Körpers fliessen, und der
getödtete Körper von keinem Aasvogel gefressen werden. Aus der Haut machte
ich eine Mütze, den Kopf aber hatte Brokkodjokko abgeschnitten, um ihn zu
dörren. Getrocknet und ganz zu Pulver gestossen, wird er noch mit Asche von
gewissen Pflanzen vermengt und alsdann in die Schnitte gerieben, die vor
dem Biss der Schlangen sichern sollen; darin war nun Brokkodjokko Meister.
Er hing den Kopf über den Rauch, doch so nieder, dass ihn sein kleiner Hund
erreichen konnte. Dieser, nicht so gelehrt wie sein Herr, wollte den
Kopf fressen und blieb unglücklicherweise in den Zähnen des bereits
halbgeräucherten Kopfes hängen. Er hing nun wie ein Fisch in der Angel; auf
sein klägliches Geschrei eilten wir sogleich herbei, um ihn loszumachen. Er
hatte eine kaum bemerkbare Wunde, aus welcher nicht einmal Blut floss,
und doch war er nach einer halben Stunde todt; der todte Kopf hatte ihn
getödtet.

Auf meinen Märschen nach Mauritzburg oder Imotappie sah ich stets eine
Menge Affen, die sich in grossen Truppen hier aufhalten. Nie ging ich nach
einem dieser Posten, ohne Hunderte von sogenannten Mungi-Mungis (Simia
sciurea) zu finden, die auf den Bäumen herumgaukeln und sich unter tausend
Fratzen entfernen, wenn sie Jemand erblicken. Sie sind die niedlichsten
Affen Surinams, nicht viel grösser als ein Eichhörnchen, grünlichgrau, mit
weissem Bauche und orangegelben Händen. Ihr rundes Köpfchen hat ein weisses
Gesicht, einen schwarzen Mund und grosse, dunkelbraune, freundliche Augen.
Der kurzhaarige Schwanz, dessen Ende schwarz ist, ist länger, als der
Leib. Sitzt das Thierchen, so hält es ihn über den Rücken geschlagen. Diese
zärtlichen Thierchen leben von Früchten und Insekten, und sind schwer nach
Europa zu bringen.

Eines Morgens ging ich nach Mauritzburg. Als ich auf einem Platze ankam,
wo sehr viele Ananas stehen, hörte ich ein mörderisches Geschrei von Affen,
die, wie es schien, Händel mit einander hatten. Ich war neugierig, die
Ursache zu wissen, legte desswegen meine Batatta auf die Erde und schlich
in den Busch. Hier sah ich, wie sich etwa 20 Affen von der Art, welche man
Kesi-Kesi (Cebus niger) nennt, und die von der Grösse einer Katze sind, um
eine grosse, reife Ananas, welche sie gefunden und abgerissen hatten, auf
dem Boden herum balgten. Sie war zu gross, um auf die Bäume geschleppt
werden zu können, und zu stachlicht, um sie so =stante pede= aufzufressen.
Ich trat hervor, und blitzschnell flogen alle auf die Bäume, von wo aus sie
mit Verwunderung zusahen, wie ich ihre Ananas mitnahm und aufass.

Etwa hundert Schritte von der Kaserne stand am Rande des Waldes ein sehr
hoher Baum, der, von keinen Lianen umgeben, in einer Höhe von etwa 60'
seine ersten Aeste ausbreitete. An die äussersten Zweige hatten seit langer
Zeit grosse, schwarze Ameisen ihre Nester angehängt, die aus einer gelben,
schwammigen Substanz bestehen, welche man als Zunder gebraucht und in
Paramaribo in kleinen Ballen verkauft. Die Quantität dieser Nester mochte
wohl 6 Simri betragen haben. Viele Neger hatten schon versucht den Baum
zu fällen, hatten dieses aber, seiner vielen Ausläufer und seines harten
Holzes wegen, gehen lassen. Das Hinaufklettern hatte noch keiner versucht,
weil diess eine reine Unmöglichkeit zu seyn schien.

Der Kommandant des Flügels hatte mir nun zur Säuberung des Postens zwei
Neger gesendet, die einige Tage hier verweilten, und deren Arbeit ich
nachzusehen hatte.

Eines Morgens ging ich mit der Flinte in den Wald und sah über mir auf dem
genannten Baum etwas Schwarzes, das halb sichtbar durch die Blätter in den
Bäumen herumkletterte. Ich hielt es für einen Kwatta (grosser schwarzer
Affe, Ateles coaita) und legte darauf an, als eine klägliche Stimme mich
bat, nicht zu schiessen. Ich erkannte nun einen der zwei Neger, welcher
den Zunder herunterholen wollte. Mit seinem Hauer hieb er die Aeste, welche
Nester trugen, ab, und kam mit denselben auf den Posten. Wie der zwischen
60 und 70 Jahren alte Neger auf den Baum gekommen war, erfuhr ich nie; er
ertrank auch kurze Zeit nachher in der Casawinika.

Ein guter Freund, der auf dem Posten Armina lag, hatte mir schon vieles
Schöne von diesem Platze geschrieben und den Wunsch in mir erregt, ihn zu
besuchen. Es war der äusserste Posten des Landes, welcher einsam an der
Buschnegergrenze am Marowyne lag. Eine Patrouille von schwarzen Soldaten
ging jeden Monat dahin ab, um den Sold zu bringen und die Militärrapporte
zu holen. Man sprach viel von dem mühsamen Weg, der durch grosse Moräste
und tiefe Kreeken und über 72 Berge führen sollte, daher besonders in der
Regenzeit schwierig sey. Aus diesem Grunde werden nur Guiden zu diesen
Patrouillen gebraucht, und nur in besonderen Fällen macht ein Blanker die
Reise mit. Mein Kommandant erlaubte mir aber, statt eines Guiden dahin
gehen zu dürfen, worauf ich für acht Tage, denn so lang dauerte die Reise,
Lebensmittel erhielt. Diese bestanden in 8 Pfund Zwieback, 4 Pfund Speck,
4 Pfund Fleisch und 8 Pfund Reis, wozu ich noch Caffee, eine Flasche Zucker
und Cacao beifügte. Ein Ränzel mit Kleidungsstücken, ein blechener Topf zum
Kochen, ein Kistchen und Netz zum Schmetterlingsfang, ein Gewehr und ein
Hauer mussten ebenfalls mitgenommen werden. Als diese Wirthschaft auf
meinem Rücken rangirt war, schien es mir selbst unmöglich, so weit kommen
zu können.

Für die Dauer meiner Reise wurde ein anderer Soldat nach meinem Posten
gesandt.

Erst gegen 11 Uhr verliess ich Mauritzburg in Begleitung zweier Guiden, und
zog abwechselnd durch Savannen und Hochwald nach dem sechs Stunden weiter
entfernten Posten Oranjebo. Unterwegs findet man weder einen Posten, noch
eine Pflanzung. Etwa noch eine Stunde vom Posten entfernt, kamen wir gegen
Abend an zwei Moräste, durch welche man bis an die Hüften nicht bloss im
Wasser, sondern in einem Brei von stinkendem Schlamm marschiren musste.
Gegen 7 Uhr kamen wir auf dem Posten an, wo mich meine Kameraden durch ihre
Gastfreundschaft für die Mühseligkeiten meiner Reise entschädigten.

Oranjebo, am obern Comowyne, liegt gerade über dem Fussweg nach Armina, und
dient, da es seiner geringen Besatzung wegen, die nur aus einem Korporal
und 5 Mann besteht, doch nicht als Vertheidigungsposten zu betrachten
ist, blos dazu, die Patrouillen über den Fluss zu setzen. Es liegt keine
Pflanzung in der Nähe, und der nächste Posten Imotappie, wo sie ihre
Lebensmittel holen, ist vier Stunden entfernt. Fische und Wild sind im
Ueberfluss vorhanden, und der obere Comowyne ist wegen seiner köstlichen
Haimuras bekannt, eines 10 und mehr Pfund schweren Schuppenfisches, der
sehr theuer bezahlt wird. Man fängt sie in zuckerhutförmigen Körben,
durch die ein elastischer Stab läuft, der einen, am untern, breitern Ende
befestigten Deckel aufgespannt hält. Ein Frosch oder ein Stück Fleisch ist
daran befestigt, und so wie der Fisch hineingeräth, fällt der Deckel zu.
Der Korb wird unter Sträucher in's Wasser gesetzt und jeden Morgen nach ihm
gesehen. Ein Soldat beschäftigte sich ausschließlich mit diesem Fang, und
hatte stets einen Vorrath von Fischen.

Des andern Morgens um 7 Uhr betraten wir das jenseitige Ufer und kamen nach
einer Stunde an eine grosse, stets unter Wasser stehende Savanne, welche
mit Binsen und einzeln stehenden Mauritzen bedeckt war, in denen Legionen
Papageien nisteten. Beinahe eine Stunde zogen wir, bis zur Hüfte im Wasser,
über diesen Sumpf, welcher von der in der Regenzeit überströmenden Peninika
und dem Tempati gebildet wird, und selbst in langen Trockenzeiten nicht
austrocknet.

Durch eine Sandsavanne voll niederen Buschwerks war der Weg beinahe nicht
zu finden, und nur an abgebrochenen Zweigen erkannten meine Schwarzen den
Pfad. Dieser ging, wiewohl in steten Krümmungen sich hinziehend, doch stets
südöstlich und von nun an durch einen Hochwald, der so dicht war, dass wir
die Sonne nicht sehen konnten. Allmählich erhöhte sich das Land, und
wir kamen über Hügel, an deren Fuss sich immer eine Kreek oder ein Sumpf
befand.

Oft nöthigten uns umgefallene, ungeheure Bäume, sie zu umgehen oder über
sie zu klettern. Ueber tiefe und reissende Kreeks lagen manchmal blos
armsdicke Stangen, über welche man seiltänzerartig balanciren musste.
Wir fanden zwei grosse Schildkröten, die wir zur Abendmahlzeit mitnahmen.
Abends 5 Uhr kamen wir an einige, aus Palmblättern verfertigte Hütten oder
Kampen, die zum Nachtlager von früheren Patrouillen gemacht worden waren.
Hier hielten wir an, um zu übernachten. Bald brannte ein lustiges
Feuer; die Schildkröten wurden geschlachtet; Bananen, welche die Guiden
mitgebracht hatten, gekocht und in Schildkrötenbast, Tum Tum (Pudding von
Bananen), gestampft. Es war diess eine herrliche Mahlzeit.

Zur Lagerstätte (die Guiden hatten ihre Hängematten bei sich) schnitt ich
eine Menge Blätter ab und machte neben das Feuer mein Lager. Man band
die Gewehre zusammen, und jeder legte sich schlafen, so unbesorgt, als
zu Hause. An das Feuer kam eine Menge grosser, leuchtender Käfer (Elater
noctilucus) brummend geflogen, von denen ich ein Dutzend fing und mit nach
Mauritzburg nahm. Sie sind etwa 1¼" lang und olivenbraun; der Brustschild
ist oben mit zwei bleichgelben, runden, an jeder Seite wie Augen
aussehenden und etwas erhabenen Flecken besetzt, deren Licht so stark
ist, dass man es selbst im hellen Sonnenschein bemerken kann. Die feinste
Schrift lässt sich lesen, wenn man mit dem Insekte über das Gedruckte
fährt, mehrere zusammen in ein Fläschchen gethan, machen ziemlich helle. Im
Fluge zeigt sich ausser den Augen noch ein starkes, rothes Licht unter
den Flügeln auf dem Rücken, das von den mittelsten Ringen herrührt und im
Laufen bedeckt ist. Das Licht der Augenflecken kann der Käfer vermindern
oder vermehren.

Die Nacht war ziemlich kalt, so dass mir ein warmer Caffee, der schnell
bereitet war, gut bekam. In der Hütte liessen wir einen Theil unserer
Provision für die Rückreise, und zogen nach beendigtem Frühstück weiter.

Beim Herabsteigen eines ziemlich hohen Bergs wurden wir auf einem wenig
belaubten, hohen Baume zwei Kwattas (Ateles coita) gewahr, die sich in
der Morgensonne wärmten. Der eine erblickte uns, ergriff den andern beim
Schwanze und machte ihn auf uns aufmerksam. Sie sahen uns bedächtig an
und machten sich erst, als ein Guide auf sie anlegte, mit einem
verwunderungsvollen O! O! aus dem Staube.

Das Land wurde nun immer höher. Mittags kamen wir an den sogenannten rothen
Berg, der auf der einen Seite sehr steil, beinahe lothrecht ist und durch
Klettern erstiegen werden muss. Er kann etwa 150' hoch seyn. Auf seinem
Gipfel befinden sich mehrere grosse Bäume, in welche man gewöhnlich den
Namen einschneidet, um die Heldenthat, diesen Berg erstiegen zu haben, zu
verewigen.

Eine klare, eiskalte Kreek fliesst an seinem Fusse. Abends 5 Uhr hörten wir
das Brausen der Marowyne, die über zahllose Klippen cascadenweise stürzt.

Unsere Abendmahlzeit bestand wieder in Schildkröten, deren es in dieser
Gegend sehr viele gibt. Die Nacht ward ebenfalls im Kampe zugebracht. Gegen
9 Uhr des andern Morgens sahen wir von einer Anhöhe aus den prächtigen
Strom mit seinen Inselchen und Klippen, sowie den Posten in einem Walde von
Bananenbäumen vor uns liegen. Ungesehen kamen wir in den Bananengrund, wo
wir drei Schüsse, das Zeichen der Patrouille, abfeuerten. Alles stürzte uns
entgegen; denn Jedermann verlangte nach Neuigkeiten, deren man auf diesem
so einsamen und abgelegenen Posten so wenig erfährt. Mein Freund aber, um
dessenwillen ich die Reise gemacht hatte, war vor 14 Tagen gestorben.

Der Posten, von einem Lieutenant commandirt, bestand etwa aus 24 Mann,
8 zum Transport der Lebensmittel bestimmte Neger ausgenommen. Auch ein
Hospital und ein Doctor befanden sich hier. Alle Gebäude, meistens
aus Pinapalmen (Oenocarpus?) errichtete Hütten, unter denen bloss das
Kommandantenhaus aus Brettern besteht, waren von Pallisaden umgeben, und
umschlossen einen viereckigen Platz, um welchen gut erhaltene Hecken von
Lianen sich zogen, und in dessen Mitte ein Flaggenstock und Sonnenweiser
standen.

Die Kaserne war höchst baufällig, hatte nicht einmal einen Fussboden, und
war auch desshalb, wenn der Strom austrat, nicht bewohnbar.

Das Land ist ausserordentlich fruchtbar, und die Gärten der Soldaten, deren
jeder einen hatte, lieferten Gemüse und Feldfrüchte im Ueberfluss.

Nie kann hier unter der Leitung eines verständigen Kommandanten Mangel
eintreten, und der jetzige hatte sein Möglichstes gethan, um durch Zwang
und gute Worte die Leute seines Detachements zu ihrem eigenen Wohl zur
Arbeit anzuhalten. Mit Fischen und Wild wurde man täglich von Buschnegern
und Indianern versorgt, welche Salz dafür eintauschten.

Der Posten ist ungeachtet seiner schönen Lage als sehr ungesund bekannt;
es starben auch in selbigem Jahre von der Besatzung, die 16 Mann betrug,
sieben; doch herrscht diese Sterblichkeit nicht jedes Jahr, auch getraue
ich mir nicht, sie allein dem Klima zuzuschreiben.

Gemeiniglich werden nach solchen weit abgelegenen Posten die
unbrauchbarsten und schlechtesten der Compagnie gesandt, deren Gesundheit
durch langes Saufen zerrüttet ist, und die sich nun an eine Lebensweise
gewöhnen müssen, bei welcher man nicht immer Branntwein haben kann.
Manchmal kaufen sie heimlich von Buschnegern grosse Krüge Dram, den diese
von Paramaribo mitbringen und sich theuer zahlen lassen. Diesen trinken sie
dann um so gieriger, je länger sie ihren Lieblingstrank entbehren mussten.

Die Nächte sind kühl, die Tage aber drückend heiss, weil die vielen Felsen
eine grosse Hitze zurückwerfen. Ich besuchte den eine Viertelstunde vom
Posten entfernten, in der ganzen Colonie seiner Grösse wegen bekannten
Mama- oder Cattantreebaum (Bombax ceiba), den grossen Abgott der
Aucaner-Buschneger, zu welchem ein durch den Wald gehauener Weg führte. Der
etwa 80' hohe Stamm dieses prächtigen Baumes hat gegen 8' Durchmesser, und
bildet mit seinen Ausläufern oder Sprossen, die bis zu einer Höhe von 10'
gehen, grosse Kammern, worin sich verschiedene Personen verbergen können.
Er ist ganz mit stumpfen Stacheln bedeckt. Das Eigenthümliche dieser Bäume
ist, dass sie nicht alle Jahre blühen und in der Blüthezeit keine Blätter
haben. Die Frucht ist von der Grösse eines Gänseeies und enthält eine Menge
der feinsten, hellbraunen Seide, die, in die Hülle dicht gepresst, viele
schwarze Samenkörner umgibt. Blätterlos, nur mit seinen Früchten behangen,
steht der Baum des Abends da; knallend öffnen sich die Früchte meistens in
Einer Nacht, zerstreuen ihren Inhalt in grossen Flocken, und des Morgens
steht dieser Riese des Pflanzenreichs in einem seidenen Mantel, der von
allen Zweigen niederhängt und einen wundervollen Anblick gewährt. Die
Colibris machen hauptsächlich mit dieser Seide ihre Nester. Sind die
Früchte abgefallen, so kommen die Blätter zum Vorschein. Das Holz ist weich
und schwammig und desshalb nicht brauchbar.

Dieser Baum also wurde von den Aucaner-Buschnegern verehrt. Wenn sie von
ihren Dörfern kamen, so opferten sie Fleisch und Fische; kamen sie dagegen
von Paramaribo, so wurde er mit Wein oder Dram tractirt. Die Soldaten des
Postens halfen gleich nach dem Abgange der Neger dem Gott von seinen
Eiern und Getränken; Flaschen, Teller und Brabis (Buschnegerschüsseln von
gebranntem Thon) aber lagen haufenweise in den Kammern des Baumes, und
drei, ebenfalls enorme Cottontrees standen in einiger Entfernung.

Ausser diesem Abgotte, der seinen bleibenden Tempel hier hatte, zeigte sich
zuweilen auf Armina eine Göttin höchsten Ranges, die sogenannte Wassermama.
Man hatte sie einigemale auf dem Felsen sitzen sehen, doch konnte ich auch
von denen, die sie gesehen haben wollten, nichts über ihre Gestalt und
Farbe hören.

Man glaubt, dass der Manati die Veranlassung zur Fabel von Meermenschen
gebe; doch hier wenigstens kann diess nicht der Fall seyn, da ein so
schwerfälliges Thier nicht bis an die Klippen des obern Marowyne kommen
kann.

Merkwürdig ist die Menge von Fledermäusen, die sich in den Häusern des
Postens aufhalten. Gegen Sonnenuntergang sieht man Wolken derselben aus
ihren Schlupfwinkeln nach der französischen Seite ziehen, und die Soldaten
sind genöthigt, die ganze Nacht hindurch Licht zu brennen, um nicht
gebissen zu werden. Diess ist die einzige Plage, welcher man hier
ausgesetzt ist.

Den dritten Tag nach unserer Ankunft verliessen wir Armina wieder.
Mein Jagdgewehr hatte ich verkauft. Statt desselben hingen zwei Käfige
(Koerikoeri) aus Varimbo, einer Art indianischen Rohrs, mit einem sehr
zahmen Pfefferfrass und einem Papagey nebst einem Affen an meinem Ränzel
festgebunden. Letzterer schrie immerwährend und erfasste jeden Zweig, den
er bekommen konnte. Der Tucan, dessen langer Schnabel in dem kleinen Käfige
nicht Platz genug hatte, starb nach ein paar Stunden.

Abends assen wir ein Fricassee von einem Leguan, den ich von Armina
mitgenommen hatte.

Hier hörte ich im Kampe die Stimme eines Vogels, der, wie ich mehrere
Jahre nachher sah, von der Grösse einer Taube und braunroth ist, und einen
nackten kahlen Kopf hat. Ich kann sie nur mit dem Tone einer verstimmten
Posaune vergleichen; sie ist auch so laut, dass sie am jüngsten
Gericht leicht die Todten erwecken könnte. Die Indianer nennen ihn Kwau
(Gymnocephalus calvus); er gehört in das Geschlecht der Fliegenschnapper.

Den zweiten Tag waren wir so nahe bei Oranjebo, dass wir sehr leicht noch
vor Nacht hätten den Posten erreichen können; diess wollten übrigens die
Guiden nicht, welche nicht gerne mehr thaten, als ihnen vorgeschrieben war.

Am vierten Tag war ich wieder auf meinem Posten zurück. Die Sümpfe
verminderten sich in der Umgegend von Tag zu Tag, und es war nicht möglich,
die Fische, welche ich in meinen Maschoas fing, aufzuessen. Täglich bekam
ich Besuche von Kameraden anderer Posten, welche hier Fische fangen und
essen wollten. Diese hatten sich aus dem Walde, wo Alles eingetrocknet
war, in die Gräben, welche längs des Cordons hinliefen, zurückgezogen. Sie
verbargen sich hier unter den Blättern von Wasserlilien, oder im Schlamme.
Mit scharfen Hauern (Säbeln) wateten wir in die Gräben und schlugen die
Stöcke und Blätter ab, um die darunter befindlichen Fische zu treffen.
Jeder hatte seinen eigenen Distrikt, damit wir uns nicht gegenseitig
verwundeten.

War alles klein gehauen, so durchsuchte man mit den Händen den Graben, und
warf die verwundeten Fische ans Ufer. Ein alter Soldat, der mich besuchte,
zog auf diese Weise eine etwa 3' lange Schlange hervor, die er für einen
Aal hielt, und auch seinen Irrthum nicht bälder bemerkte, bis sie ihn in
den Arm gebissen hatte. Glücklicherweise war auch Brokkodjokko hier, der in
seiner Jagdtasche stets seine Zaubermittel mit sich führte, und jetzt mit
wichtiger Miene sein schwarzes Pulver in die Wunde rieb. Der Biss hatte
keine Folgen, vielleicht weil er unterm Wasser geschah[4].

Im Oktober und November fingen wir eine unglaubliche Menge der köstlichsten
Fische. Alle Kreeken waren eingetrocknet, und ihre Bewohner zogen sich nach
den Plätzen oder Löchern hin, wo noch etwas Wasser stehen geblieben war.
Hier sah man sie manchmal zu Tausenden ihre Köpfe aus dem Wasser strecken,
dabei sich so viel wie möglich sortenweise abgesondert halten, so dass man,
wie in einem Fischhause, von jeder Art die schönsten und besten aussuchen
konnte. Doch war diess ein schlimmes Geschäft, welches man nackt verrichten
musste, und nach welchem man ein paar Stunden zur Reinigung brauchte. Der
üble Geruch faulender Fische, welche schuhhoch längs der Gräben lagen,
war unausstehlich, und Schaaren von Aasvögeln hielten hier immerwährend
Mahlzeiten.

Hier sah ich unter den gemeinen Geyern einige Dutzende sogenannter
Geyerkönige (Vultur papa), die sich durch ihre Schönheit vor den andern
auszeichnen, auch im Fressen den Vorrang haben. Nie sah ich diese Vögel in
solcher Anzahl, da sie sonst selten und nur einzeln gesehen werden.

Wir hatten 11 grosse Barbacats (von hölzernen Stäben verfertigte Roste)
auf dem Posten errichtet, über welchen über 1000 Fische zum Räuchern lagen,
obgleich wir kleine und schlechte nicht genommen hatten.

In dieser Zeit des Ueberflusses thaten auch die Zimmerneger ihr
Möglichstes, um Fische zu fangen, und liessen Axt und Säge so lange ruhen.
So kam es, dass erst in der Mitte Novembers ein Haus fertig wurde, das
vier europäische Zimmerleute in drei Wochen, dazu noch besser und solider,
aufgeführt hätten, als diese eilf Schlingel in vier Monaten.

Noch ehe ich meine neue Wohnung bezog, wurde ich, was anderswo noch nie
geschehen war, von einer Fledermaus gebissen. Ich wachte Nachts auf und
fühlte, dass ich über und über nass war. Um die Ursache zu entdecken,
machte ich Licht und fand zu meinem grössten Erstaunen, dass Hemd und
Hängematte von Blut trieften. Dieses rann mir, ohne dass ich den mindesten
Schmerz fühlte, aus der Nasenspitze, wo ein linsengrosses Stückchen
abgebissen war. Man hatte sonst nie Vampyrs auf Nepheusburg bemerkt, und
wahrscheinlich wurden sie durch die Ausdünstung der Neger herbeigezogen.
Meine Hühner wurden in der Folge jede Nacht gebissen, und wie sorgfältig
ich auch ihren Stall schloss, fand ich doch jeden Morgen neues Blut, das
aus Hals, Füssen und Kamm tropfte. Sie wurden dadurch so geschwächt, dass
sie nicht mehr auf ihren Stöcken sitzen konnten. Aniswiriwiri, Blätter
einer nach Anis riechenden Staude, zum Geschlecht des Pipers gehörend,
halfen auch nicht, wiewohl die Fledermäuse deren Geruch nicht ertragen
können.

Auf vielen Pflanzungen werden Pferde und Vieh so von Fledermäusen gebissen,
dass sie mager werden und sterben. Der Geruch eines Bocks, den man im
Pferdestall hält, soll sie ebenfalls verscheuchen. Zur kleinsten Oeffnung
kriechen diese Thiere hinein, und wo ihnen der Raum nicht zu fliegen
gestattet, da kriechen sie.

Das Haus war endlich fertig und stund mitten auf dem Wege, gewährte
daher die Aussicht nach beiden Seiten des Cordons, und war desshalb viel
zweckmässiger, als das frühere.

Der Zimmermeister mit seinen Gesellen hatte uns verlassen, und an die
Stelle lärmender Arbeit traten wieder Einsamkeit und Stille.

Um diese Zeit ging eine Buschpatrouille aus der obern Comewyne-Division in
die Sümpfe und Wälder an der Tampati und dem Peninika-Kreek, wo, wie man
erfahren hatte, ein Dorf von weggelaufenen Sclaven bestand. Alles ward
geheim gehalten, und ausser dem Commandanten der Patrouille wusste Niemand,
wohin es gehen sollte.

Einige Tage nach deren Zurückkunft sass ich gegen 8 Uhr Abends in meiner
Kammer und las, als ich Brokkodjokko, der Bananen röstete, laut »Wer da?«
rufen hörte. Neugierig zu wissen, wer so spät noch ankäme, öffnete ich den
Laden und sah etwa 50 Schritte vom Hause entfernt eine in Weiss gekleidete
Person. Unbeweglich stand dieselbe, und auf meine Aufforderung, sich
erkennen zu geben, folgte keine Antwort.

Brokkodjokko hatte indessen geladen und schoss, worauf diese räthselhafte
Erscheinung verschwand.

Zugleich hörten wir von verschiedenen Seiten des Waldes Negersignale, ein
lautes Hoh, um sich einander zu erkennen zu geben. Ich dachte sogleich an
die Patrouille und schloss, dass es durch sie verjagte Wegläufer wären, die
des Weges unkundig den Posten passiren wollten. Wir luden unsere Gewehre,
verschlossen das Haus und wachten die ganze Nacht; doch liess sich nichts
sehen noch hören. Des Morgens berichtete ich den Vorfall dem Commandanten,
worauf der Posten um einen Mann verstärkt wurde. Doch nicht lange mehr
durfte ich mich der nun grösseren Sicherheit erfreuen, denn gegen das
Ende des Jahrs kündete mir Brokkodjokko, der Lebensmittel von Mauritzburg
brachte, mit Freudengeschrei an, dass ich zum Vicecorporal ernannt wäre. So
stand ich endlich auf der Leiter zur höchsten Macht!



Fünfter Abschnitt.

  Versetzung nach Mauritzburg. Gürtelthiere. Arowak-Indianer, Vanille.
  Schlangen und Mittel gegen den Biss. Aberglauben. Gefangene Sträflinge.
  Abreise von Mauritzburg. Ueberschwemmung. Post L'Esperance. Gewitter.
  Ankunft in Paramaribo. Militärischer Dienst. Abreise nach Nickerie.
  Reisegenossen, Post Poelepantje, Bakramasango, Uitkyk, Groningen,
  projektirte Stadt Columbia, Nassau, de Hoop. Ein unglücklicher Doktor.
  Das Holzetablissement Andresen. Zitteraal. Bivouac. Besuch bei einer
  Arowakenfamilie im Waiambo. Post Maratacca. Ein zänkisches Weib.
  Pflanzung Botanybai. Der Posten Nickerie und seine Umgebung.
  Militärischer Dienst. Ein spekulativer Jude. Pflanzung the Nursery.
  Waterloo. Mangel an Trinkwasser. Ueberfluss an Fischen. Der Kwikwi, der
  Kaiman, die Beutelratte. Jagden auf Wasservögel. Wachtdienst auf dem
  Beschermer. Fertigkeit der Indianer im Schwimmen. Buschpatrouille nach
  der Nauwaykreek. Die Boa. Der Prediger. Reise nach den Savannendörfern
  des Maratacca. Eine leuchtende Pflanze. Die Savannen. Die Awara-Palme.
  Ein weggelaufener Neger. Abreise nach Paramaribo. Der Posten Alsimo.


Ich hatte dieses Avancement der Empfehlung des Kommandanten zu verdanken,
dessen Gunst ich besass und der im Laufe meiner Dienstzeit, wie noch
später, mir viele Beweise seines Wohlwollens gab. Sein uneigennütziger,
männlicher Charakter flösste jedem Untergebenen die Achtung vor ihm ein,
welche der Soldat seinem Vorgesetzten schuldig ist.

Dienst und Ordnung waren auf dem ihm untergebenen Posten die Hauptsache.
Alle Völlerei wurde aufs Strengste bestraft, dagegen aber dem, der seinen
Pflichten nachkam, so viel Freiheit und Vergünstigung, als nur möglich war,
gewährt. Nie waren vor der Zeit seines Kommando's die Wege und Posten in so
gutem Zustande; denn die Neger, welche das Gouvernement zu diesem Zweck
auf den Posten hielt, wurden nur _dazu_ und nie zu seinem eigenen Vortheile
verwendet.

Es befand sich weder ein Kaufladen, noch eine Herberge auf dem Posten, und
der Soldat, der von da in die Garnison zurückkehrte, hatte Kleidung und
Geld, und konnte während der magern Garnisonszeit sich damit gütlich thun.

Ich verliess Nepheusburg den 1. Januar 1838 und kam nun auf Mauritzburg
zurück, wo ich unter den drei Korporalen der jüngste war.

Es fiel mir Anfangs schwer, mich in meine neue Lage zu schicken, die
freilich von der freien, unordentlichen Lebensweise auf Nepheusburg sehr
verschieden war. Meine Füsse, die so lange Zeit ans Barfussgehen gewöhnt
waren, durfte ich jetzt nicht mehr ohne Schuhe sehen lassen, und ohne Hemd
zu gehen wäre ein Criminalverbrechen gewesen.

Dessenungeachtet hatte ich überflüssig Zeit, um in den umliegenden Wäldern
und Savannen nach Insekten zu jagen, und Bücher, welche mir der Commandant
und der Doktor liehen, verscheuchten die Langeweile, wenn der Regen meine
Wanderungen verhinderte. Einige Soldaten des Postens, die im Besitze eines
zur Jagd von kleinem Wilde abgerichteten Hundes waren, brachten häufig
Schildkröten, Armadille und Kaninchen nach Hause, die in den Waldungen
der Umgegend sehr zahlreich sind. Von Armadillen, wovon das gemeine hier
Capassi (Dasypus novemcinctus) genannt, häufig in sandigem Lande vorkommt,
wo es sich in Höhlen unter der Erde aufhält, habe ich verschiedene Arten
kennen lernen. Es sind dumme, nächtliche Thiere, die den Tag über wenig
ihre Höhlen verlassen, und von Würmern und Insekten leben, die sie beim
Wühlen finden.

Sie werden sehr fett, und man findet sie häufig 25 Pfund schwer. Ihr
Fleisch ist weiss und mürbe, hat aber einen starken Moschusgeruch, den
man ihm benimmt, wenn man es über Nacht im Salz- und Citronenwasser stehen
lässt. Es wird beinahe allgemein gegessen.

Die zweite, sehr seltene Art ist Dasypus unicinctus. Dieses Thier ist
kleiner als das vorige, etwa 1' lang und ½' breit. Der bloss mit einer
starken, warzigen Haut bedeckte Schwanz ist spärlich behaart, hat aber am
letzten Drittel Hornblättchen und von der Wurzel an 9" Länge. Der 3" lange
und 2" breite Kopf ist oben mit 36 hornigen Plättchen bepanzert. Es hat 1½"
lange und ebenso breite Ohren, 5 Krallen an den Vorder- und Hinterfüssen,
von welchen die mittelste der ersteren 2" lang ist. Im Ganzen gleicht es
viel dem grossen Gürtelthier, dessen Lebensart es auch hat. Die Indianer
nennen es Katuberu, essen es übrigens nicht.

Das dritte endlich ist das grosse oder Riesengürtelthier (Dasypus gigas),
von den Indianern Manuraima genannt. Es ist sehr selten und hält sich,
wie die andern, in Höhlen sandiger Wälder auf. Ich habe dieses Thier bloss
einmal bekommen, vergass aber, es zu beschreiben. Es kann gegen 80 Pfund
schwer und, den Schwanz mitgerechnet, bei 6' lang werden; die Höhe beträgt
dann etwa 20". Es ist ausserordentlich stark und obgleich es nicht beisst,
noch sich sonst vertheidigt, so gräbt es sich doch so schnell ein, und hat
so viele Gänge unter dem Boden, dass es kaum möglich ist, ihm nachzukommen.
Seine Nahrung besteht ebenfalls in Würmern; man sagt aber, dass es sich
auch von Aas nähre. Sein Fleisch ist ungemein fett und gut zu essen, wenn
man ihm den starken Moschusgeruch genommen hat. Der Nagel der mittelsten
Vorderzehe ist bei 6" lang.

Die Indianer, welche sich in der Nähe des Postens angesiedelt hatten, waren
bald meine Freunde, und ich begleitete sie häufig auf ihren Jagdzügen.
Ihre Hütten waren auf einer grossen Savanne am Rande des Waldes, in dem
ein kleiner Bach floss, der ihnen Wasser und Fische gab. Sie gehörten zum
Stamme der Arowaken, waren sehr faul, und zogen, wenn ihr Vorrath von
Dram und andern Plantage-Produkten zu Ende war, nach den Pflanzungen der
Comowyne, wo sie neuen bettelten.

Auf diesen Savannen finden sich viele wilde Ananas und in den Gebüschen
eine Menge Vanille, deren schöne, hellgrüne, lederartige Blätter
guirlandenartig von den Bäumen herabhängen und sich so verbreiten,
dass eine Pflanze manchmal 20 Bäume bedeckt. Die Ranke, deren Blätter
abwechselnd stehen, ist rund, fleischig, etwa daumendick und klammert sich
mit kleinen Häkchen am Stamme an.

Die Blätter dieser Vanille sind länglich, oval zugespitzt, 10" lang, 4"
breit und 1/8" dick. Die Blüthen sind gross, gelb und ohne Geruch, fallen
häufig ab, so dass von 100 kaum 20 Früchte geben. Die Frucht selbst ist
eine 7-8" lange, 1" dicke, dreieckig abgerundete Schale. Sie gleicht viel
einer jungen Banane und wird unreif abgenommen, um das Aufspringen zu
verhüten, sie ist mit feinen, schwarzen Körnern angefüllt, welche die
wohlriechende Substanz ausmachen. Obgleich diese Vanille an Geruch und
Kraft die gebräuchliche übertrifft, so ist sie doch kein Handelsartikel,
und da sie schwer zu bekommen ist, auch nirgends angepflanzt wird, so wird
sie wahrscheinlich es auch nie werden.

Eine andere Art von Vanille, mit breiteren, nicht so fleischigen Blättern,
die an den Kreeken und Flüssen des höheren Landes wächst, liefert eine 7-8"
lange und ½" breite, runde Schote von ebenfalls herrlichem Geruch.

Eine dritte endlich hat schon kleine, mehr herzförmige, fleischige Blätter
und eine fingerslange, runde Schote.

Eine kleine halbe Stunde unterhalb des Postens liegt an der Cassawinika der
kleine Holzgrund Copie, dessen Eigenthümer als Schlangenbeschwörer in der
Umgegend bekannt war. Sie geniessen bei ihm zwar keinen Tanzunterricht,
auch nimmt er sie nicht in die Hände, aber, was noch viel wunderbarer
klingt, er pfeift sie stundenweit herbei. Gesehen habe ich diess zwar
nicht, man führt aber so viele Thatsachen an, dass man es ungesehen
glauben muss. Die Schlangen eilen auf den Pfiff herbei, was bei den meisten
giftigen, die ein ziemlich bedeutendes Embonpoint haben, nicht sehr schnell
gehen kann, und kommen, so sagt man, todtmatt zu des Meisters Füssen an.
Man kann sie alsdann leicht tödten. Es wimmelt übrigens in der Umgegend von
Schlangen und manche Ente wurde eine Beute derselben.

Ich halte Alles, was man von dergleichen Mysterien erzählt, für Fabel, und
auch das Schneiden gegen Schlangenbiss, woran so allgemein geglaubt wird,
ist gewiss nichts weiter als Charlatanerie.

Während der langen Zeit meines Aufenthaltes in Surinam habe ich hinlänglich
Gelegenheit gehabt, die meisten Schlangenarten kennen zu lernen, und ich
bin davon überzeugt, dass, zum Glück der Bewohner, unter allen Schlangen
bloss höchstens zehn Procent giftig sind. Die ungiftigen halten sich
entweder im Wasser oder auf Bäumen auf, sind lang und schlank, mit langem,
geisselartigem Schwanz versehen, rasch in ihren Bewegungen und ergreifen
sogleich die Flucht. Sie sind beinahe alle von lebhaften Farben; zuweilen,
wie die Corallenschlange, prächtig roth, gelb oder blau oder grün, wie die
Papageienschlange.

Beinahe alle lieben die Sonne und liegen in den Zweigen der Bäume. Häufig
kommen sie in die Häuser, wo sie unter den Cingeln (Sokeln) nach Insekten,
Fröschen und Eidechsen jagen.

Es sind überhaupt hübsche und reinliche Thiere, die in jeder Beziehung
nützen. Die Aboma- oder Riesenschlangen sind eben so wenig giftig,
werden aber dadurch schädlich, dass sie den Enten und anderem Federvieh
nachstellen.

Man kennt zwei Arten derselben, wovon die erstere oben dunkelgrau, mit
schwarzen, herzförmigen Flecken geziert ist; die untere Seite dagegen ist
blassgelb und am After befinden sich zwei Haken. Sie lebt im Wasser, und
man trifft sie meistens am Ufer der Flüsse, wo sie in den Zweigen der
Bäume, zu Klumpen zusammengerollt, tagelang liegt. Diese Schlangen
erreichen zuweilen eine furchtbare Länge, und es soll im Jahr 1834 auf
Victoria eine von 44' Länge geschossen worden seyn, was ich jedoch nicht
verbürgen kann.

Die andere Art ist die Hochlands-Aboma (Boa canina), hier Papaschlange
genannt, ein Abgott vieler Neger. Es ist nicht leicht ein schöner und
regelmässiger gezeichnetes Thier zu finden. Sechseckige, hellbraune Flecken
laufen auf dem Rücken hin bis zum After, während auf den Seiten braunrothe,
aschgraue, schwarze und weisse Flecken abwechseln. In der Sonne schillert
alles in Regenbogenfarben. Ihre Länge beträgt etwa 12' und ihre Dicke kommt
der eines starken Menschenschenkels gleich.

Die giftigen Schlangen sind besonders daran zu erkennen, dass sie meist
kurz und dick sind, auch einen kurzen, runden Schwanz haben. Sie haben
einen flachen, beinahe dreieckigen Kopf und eine dunkle, wenig ins
Auge fallende, meist braune oder schwärzliche, schmutziggelbe oder
schwarzgefleckte Farbe. Die meisten haben sogenannte Kielschuppen. Meist
liegen sie träge in Löchern von Bäumen, an feuchten, dunklen Orten und
lassen sich lange reizen, ja sogar treten und schlagen, ehe sie beissen.
Ueberhaupt scheinen sie ihre tödtliche Waffe nicht gerne zu gebrauchen, und
die ihnen nachgesagte Falschheit oder List sind Prädikate, welche man mit
demselben Recht jedem anderen Thiere beilegen könnte. Hat nun einer, der
gegen den Schlangenbiss geschnitten ist, die feste Ueberzeugung, dass ihn
keine Schlange beisse, so ist es ihm gar leicht möglich, dieses träge Thier
zu fassen, ohne gebissen zu werden. Diess könnte auch ein Jeder thun,
ohne geschnitten zu seyn, und ich bezweifle, ob ein Geschnittener, wenn er
gebissen wird, mit heiler Haut davonkommt.

Unter den weissen Gefangenen im Blockhause war einer, der, obgleich im
Sklavenkittel, durch seine Unterhaltung mich für alle Gesellschaft meiner
Kameraden entschädigte. Er hiess _Alexander Bariteaud_ und war ein geborner
Franzose. Als Capitän unter _Napoleon_, hatte er den Dienst verlassen und
war Befehlshaber einer Caper-Goelette im Dienst von Buenos Ayres
geworden. An der Küste von Guinea nahm er ein grosses, zum Sklavenhandel
ausgerüstetes, brasilianisches Schiff, dessen Equipage er, wie man sagte,
in eine Schaluppe aussetzte und mit der Prise nach den Antillen segelte,
wo er eine holländische Brigg traf, der er sich ergab, und die nun beide
Schiffe nach Surinam brachte.

Nach langem Prozesse, in welchem die Landjustiz eine von der der Marine
verschiedene Meinung äusserte, wurde er, wie seine zwei Offiziere, als
Seeräuber behandelt und zu zwanzigjähriger Festungsarbeit verurtheilt.
Die Equipage, welche aus etwa 40 Mann von allerlei Nationen bestand,
wurde freigegeben. Der Schooner und die Prise wurden auf Rechnung des
holländischen Gouvernements verkauft.

Schon sieben Jahre hatte er in der Gefangenschaft zugebracht, war auch
von allen Kommandanten schonend behandelt worden. Obschon seine Haare
bleichten, blieb doch sein Sinn fest und Unterwürfigkeit war ihm fremd.

Da er vielseitig gebildet war, so waren auch die Erzählungen seiner
Abenteuer höchst interessant. Auch in Handarbeiten, als Nähen,
Strohflechten, Formschneiden u. s. w. war er vollkommener Meister.
Holländisch wollte er nie lernen; wir sprachen desshalb immer französisch,
und zugleich unterrichtete er mich im Englischen, wozu Popes Homer-Lexicon
und Dictionair diente.

Mein Aufenthalt auf Mauritzburg dauerte nur fünf Monate; denn Anfangs Juni
wurde ich abgelöst, um in die Garnison zurückzukehren.

Diess war nun wieder nicht nach meinem Sinn; doch hatte ich lange genug
auf Posten gelegen, um darüber nicht mit Recht unzufrieden seyn zu können.
Ausser mir wurden auch ein Corporal und sieben Mann dazu bestimmt, mit mir
nach Paramaribo zurückzukehren. Es war gerade in der grossen Regenzeit. In
Folge der heftigen Regengüsse, welche verschiedene Tage lang andauerten,
war die Cassawinika so angeschwollen, dass die ganze Ebene von Mauritzburg
bis Gouverneurslust einem See glich. Der Cordonweg zwischen beiden Posten
war 2' tief unter Wasser, und nur der obere Theil der Cassawinikabrücke
ragte noch als erhabener Punkt hervor.

Die Pont, welche uns nach Paramaribo bringen sollte, lag bei der Brücke und
wir mussten desshalb bis um die Hüfte im Wasser marschiren, wobei man die
Brücke immer im Auge zu behalten hatte, um nicht in die längs des Weges
laufenden tiefen Gräben zu fallen, in welchen das Wasser über 10' tief
stand. Aus Missverstand oder aus allzugrossem Diensteifer hatte der
Sergeant des Postens befohlen, dass wir bewaffnet und in Uniform dahin
marschiren sollten. Dieser Befehl war aber durchaus nicht nach unserem
Geschmacke; denn einige Tage zuvor hatten wir allen unsern militärischen
Putz gereinigt, um bei unserer Ankunft in der Garnison Alles in Ordnung
zu haben. Dagegen half natürlich kein Schelten und Fluchen. Man nahm das
Wohlverpackte wieder aus den Kisten und trat Morgens 9 Uhr den Marsch nach
der Brücke an.

Der Regen fiel in Strömen herab und das Wasser eilte mit reissender
Schnelligkeit nach der Kreek. Der Kommandant, der uns durch das Fernrohr so
aufgeputzt durch das Wasser marschiren sah, ahnte die Sotise des Sergeanten
und kam zu Fusse von der andern Seite her an die Brücke, weil sein Pferd
nicht durch das Wasser wollte. Der Sergeant war zu Hause geblieben, weil er
nasse Füsse scheute und musste geholt werden. Er bekam eine derbe Nase,
zu welcher wir von der Pont aus ein Hurrah beifügten, und dann unter
schrecklichem Regen abzogen.

Pfeilschnell ging es auf der Cassawinika hin, die in den vielen Krümmungen
nordöstlich nach der Comowyne läuft.

Vor 2 Uhr befanden wir uns bereits auf dem Posten l'Espérance, der an der
Ueberseite der Comowyne, oberhalb der Mündung der Cassawinika, liegt. Hier
wurden wir von einem Sergeanten erwartet, der uns nach der Stadt bringen
musste. Wir verliessen mit anbrechender Nacht den Posten und hielten
des andern Mittags bei beginnender Fluth an der jetzt verlassenen
Caffeepflanzung Bergerac. Ein heftiges Gewitter nöthigte uns, in der Pont
zu bleiben; denn der Regen stürzte, wie aus Eimern geschüttet, vom Himmel.

Plötzlich erfolgte ein Donnerschlag, der so heftig war, dass uns Hören
und Sehen verging. Der Blitz hatte kaum fünf Schritte von uns ins Wasser
geschlagen. Zugleich sahen wir, dass der vordere Giebel des Caffeemagazins,
sowie das Dach der Mühle durch die Gewalt der Blitze zertrümmert waren.

Im oberen Stockwerk, aber glücklicherweise auf der andern Seite, waren
etwa 15 Kinder mit Caffeeschäufeln beschäftigt, so dass keines von ihnen
beschädigt wurde.

Als der Regen aufhörte, besichtigten wir den Schaden. Ein sehr pfiffiger
Soldat suchte eifrig den Donnerkeil, der das Gebäude sollte getroffen
haben. Er griff desswegen in alle Krötenlöcher, die er in der Nähe
desselben antraf und fand endlich zu unsrer grossen Belustigung in einem
derselben einen grossen eisernen Thürangel, den er endlich, aber erst nach
genauer Untersuchung, für einen solchen erklärte.

Gegen Mittag des andern Tages überfiel uns im Surinam ein so heftiger
Sturm, dass wir in grosser Gefahr waren, zu sinken; denn die plumpen,
platten Ponten füllen sich bei starkem Wellenschlag leicht mit Wasser.

Aber auch hier begünstigte uns das Glück. Wir erreichten das jenseitige
Ufer des Stroms und hielten uns an den Zweigen, bis der Sturm sich gelegt
hatte.

Mittags 3 Uhr waren wir am Orte unserer Bestimmung, in Paramaribo,
angekommen. Hier erwartete mich nun wieder ein ganz anderes Leben als das,
welches ich bisher geführt hatte.

Es waren nur wenige Corporale in der Stadt und desshalb der Dienst ziemlich
schwer. Wir mussten jeden andern Tag auf die Wache und wurden, besonders
bei der jetzigen Regenzeit, zuweilen bis auf die Haut durchnässt, was keine
Kleinigkeit war.

Kaum von der Wache in die Compagnie zurückgekommen, bekam man den Dienst
der Woche, bei welchem man für Alles zu sorgen hatte, was Reinlichkeit und
Ordnung betraf, wenn man sich nicht die grässlichen Flüche der Sergeanten
auf den Hals laden wollte. Kurz, es gibt keine geplagtere Charge bei dem
Militär, als den Korporal, der mit den Soldaten sich nicht gemein machen
darf und doch von den Unteroffizieren entfernt gehalten wird. Es ist dieser
Rang so ziemlich analog dem der Blankoffiziere und ein trauriges Mittelding
zwischen Seyn und Nichtseyn.

Zum Glück dauerte mein Aufenthalt in der Garnison nicht lange; denn gegen
die Mitte Augusts 1838 erhielt ich den Befehl, mich mit einem bereit
liegenden Tentboote nach dem Posten Nickerie zu begeben.

Mein Kommandant auf Mauritzburg war zum Landdrost des Niederdistrikts
Nickerie ernannt und hatte die Güte, mich dahin kommen zu lassen.

Ein Sergeant, der auf Urlaub in der Stadt gewesen war, kehrte mit dem Boote
nach dem Posten zurück. Die Wittwe eines kürzlich verstorbenen Offiziers
benützte ebenfalls diese Gelegenheit, um einer Freundin, die auf einer
Pflanzung am Coppename wohnte, einen Besuch abzustatten. Die Bagage
dieser Dame nahm den grössten Theil des Tentes ein, und ihre Hut- und
Haubenschachteln bildeten kleine Pyramiden, welche an die Decke stiessen.

Gerudert von acht kräftigen Indianern, fuhren wir Abends 4 Uhr von
Paramaribo ab.

Ein Schiff, das nach den Nickeries geht, macht die Reise dahin meistens
in einem Tag, weil Strom und Wind gleich günstig sind. Ein Boot aber, das
durchs Innere geht und alle Krümmungen verschiedener Flüsse und Kreeken zu
passiren hat, braucht 8-10 Tage zur Reise.

Wir kamen nach den letzten Häusern der Stadt in den Wanika-Kanal, an
welchem ½ Stunde von Paramaribo der Invalidenposten Poelepantje (deutsch:
zieh deinen Unterrock aus) liegt.

Bei dunkler Nacht erreichten wir den Invalidenposten Bakra Masango, der,
rings umgeben von Sümpfen, am Canale liegt. Myriaden Mosquittos machen
diesen Platz zu einer wahren Hölle.

Es ist hier die Wasserscheide des Kanals, der seinen Zufluss aus dem
Surinam und dem Saramanka erhält, und wir mussten eine Stunde warten, ehe
die Ebbe in dem Canale eintrat.

Mit anbrechendem Tage kamen wir in die Saramacca und blieben auf dem Posten
Uytkyk, der an der Mündung des Canals liegt, einige Stunden. Es sind hier
10 Mann unter dem Kommando eines Sergeanten. Die Plantagen in der Nähe
bieten hinlänglich Gelegenheit, sich mit Erdfrüchten, Zucker, Caffee
u. s. w. zu versehen.

Wir fuhren mit dem Abletzen der Ebbe bis auf den ½ Stunde weiter entfernten
Posten Groningen. Dieser Platz, wie Paramaribo, auf einer hohen Sandritze
gelegen, war zu einer Stadt bestimmt, welche den Namen Columbia erhalten
und als Stapelplatz für die Erzeugnisse der Saramacca dienen sollte.
Es sind einige Strassen vorhanden, welche, wie die von Paramaribo, mit
Orangebäumen besetzt sind. Die Hauptsache aber, nämlich Häuser, sucht man
vergebens.

Das Land ist ziemlich hoch, und grosse Klippen, die aus
zusammengetrockneten Muscheln bestehen, werden zu Bausteinen bearbeitet und
dienen in Paramaribo zu Fundamenten von Schutzmauern gegen das Abspülen.

Eine Quelle eiskalten Wassers strömt aus diesen Klippen. Gegenüber dem
Posten ist das Land in verschiedene gleichgrosse Stücke eingetheilt, welche
denjenigen gegeben wurden, die sich dort anzusiedeln gedachten. Zugleich
unterstützte das Gouvernement die Unternehmer mit Werkzeugen und
Lebensmitteln. Aber, da Fleiss und Industrie hier nicht zu Hause sind, so
konnte man sich keines guten Erfolges erfreuen.

Nachdem wir die halbe Nacht durch gefahren waren, kamen wir am Morgen auf
einer Caffeepflanzung, Huwelykszorg, an, wo wir mit aller Freundlichkeit
bewirthet wurden.

Gegen Mittag waren wir auf dem Posten Nassau, an der Mündung des Flusses
gelegen.

Einzelne rothe Ibise, hier Flamingos genannt, spazierten längs des
schlammigen Ufers, in dem man bis um den Leib einsinken würde, wenn man auf
dem schmalen Baum, der zur Landung dient, fehl träte.

Ich sah hier einen Neger, der am Strande auf eben diesem schlammigen Ufer
Krabben fing. Ein etwa 2' langes Brett, das er sich um den Fuss gebunden
hatte und worauf er kniete, hinderte das Einsinken, und indem er sich
mit dem freien Fuss fortstiess, schnellte er mit grosser Geschwindigkeit
weiter.

Der Posten Nassau, ebenfalls im niedern Sumpfland angelegt, ist wegen
der Seewinde gesund und hat Ueberfluss an Fischen und Wild, sowie an
Lebensmitteln, welche man von den umliegenden Pflanzungen bekommen kann.
Diess ist der Grund davon, dass alle Soldaten, ungeachtet der vielen
Mosquittos, gerne hier sind. Es befanden sich hier 12 Mann unter dem
Kommando eines Sergeanten. Wir wurden sehr freudig aufgenommen, hatten
aber Gelegenheit, bald zu bemerken, dass der grösste Theil der Soldaten
betrunken war. Der monatliche Sold war Tags zuvor ausbezahlt worden und man
konnte desshalb aufs Neue wieder beim Sergeanten borgen, der eine kleine
Herberge hatte, von welcher er selbst ein guter Kunde zu seyn schien.

Die beiden Sergeanten fuhren, um den Tag lustig zubringen zu können, nach
einer naheliegenden Pflanzung und überliessen mir die Sorge für meine
Reisegefährten, der ich sehr gerne enthoben gewesen wäre.

Es war nun drollig, mit anzusehen und anzuhören, wie die Soldaten des
Postens der guten Frau ihr Leid bezeugten über den Tod ihres Mannes (eines
zweiten Lieutenants der Colonie, der an einem Delirium gestorben war
und seine Frau aufs Aergste misshandelt hatte) und welche Bonmots und
Galanterien sie dabei mit einfliessen liessen.

Gesang, Händel und Schlägereien dauerten den ganzen Mittag fort und als die
Nacht anbrach, trieben uns die Mosquittos ins Haus zurück, wo man, um das
lästige Ungeziefer zu verscheuchen, einen Rauch machen musste, dass man
beinahe erstickte.

So sass ich nun in der Stube des Sergeanten mit meiner Anvertrauten und
den zwei Korporalen des Postens, die, um der Frau Zeichen ihrer Achtung zu
geben, die Tugenden ihres seligen Mannes herausstrichen, den die Geplagte
wahrscheinlich hundertmal zum Teufel gewünscht hatte.

In Folge der zwei Nächte, welche ich auf der Reise schlaflos zugebracht
hatte, fühlte ich das Bedürfniss nach Ruhe und ich wurde um so schläfriger,
je mehr mir das Gespräch meiner zwei betrunkenen Kameraden in den Ohren
klang.

Meine Hängematte war oben auf der Bühne, wo einige grosse Rauchtöpfe
die Mosquittos verscheucht hatten und ich wünschte, dass die Ankunft der
Sergeanten erfolgte, um mich schlafen legen zu können. Die Frau aber,
welche mehr Erfahrung hatte, befürchtete, dass die Sergeanten nicht
nach Hause kommen würden. Unbemerkt schlich ich nach oben, wo mich ein
herrlicher Schlaf erquickte.

Des Morgens sah ich Madame S. auf einer Bank am Wachtfeuer liegen,
zugedeckt mit den Mänteln der wachthabenden Soldaten und jämmerlich
zugerichtet von den Mosquittos.

Die Sergeanten waren um Mitternacht sehr lustig nach Hause gekommen und
sie suchte, um allen Beileidsbezeugungen zu entgehen, ein Plätzchen am
Wachtfeuer.

Wir verliessen gegen Mittag den Posten, um noch mit dem letzten Wasser der
Ebbe die Mündung des Copename zu erreichen.

Es war schönes, helles Wetter und die weissen Häuser des
Leprosen-Etablissements blickten uns freundlich aus dem dunkeln Wald
entgegen.

Es war Springzeit[1] und unsere Ruderer, die ihr Möglichstes thaten, wurden
durch die rasch anschwellende Fluth begünstigt.

Das Boot flog wie ein Pfeil dahin und gegen 8 Uhr hatten wir den Kostgrund
De Hoop, ein dem Lande gehöriges Etablissement, wo die Bananen für die
Neger der ebenfalls dem Gouvernement gehörenden Holzfällerei Andresen
gepflanzt werden, erreicht.

Hier blieb unsere Reisegefährtin; wir aber setzten, nachdem wir etwas
gegessen hatten, unsere Reise fort.

Der Director dieses Platzes, ein Schotte, nahm sich kurze Zeit nachher,
einer sonderbaren Ursache wegen, das Leben. Ein Negermädchen dieses Ortes
war durch eigene Nachlässigkeit sehr mit Siccas oder Sandflöhen (Pulex
penetrans) geplagt, von welchen sich ganze Regimenter in ihren Füssen
angesiedelt hatten, wesshalb sie zur Arbeit untauglich war. Der Director,
obwohl er von der Heilkunde blutwenig wissen mochte, beschloss dennoch,
das Mädchen zu kuriren. Die Geplagte musste ihre Füsse in einen Kübel voll
siedenden Wassers stellen. Die Flöhe starben sogleich, das Mädchen war
aber auch am andern Tage eine Leiche. Da er nun kein Doctorpatent hatte
und desswegen zum Heilen auf diese Weise nicht befugt war, so wurde er vom
Gouvernement nach Paramaribo gefordert, um sich desshalb zu vertheidigen.
An Bord des Fahrzeuges de Beschermer, das ihn dahin bringen sollte, schnitt
er sich den Hals ab.

Mit Tagesanbruch waren wir am Holzgrunde Andresen, der nahe an der Mündung
der grossen Vaiambokreek, durch welche unsere Reise gehen musste, liegt.

Der Strom ist hier bedeutend schmäler, als weiter unten, und der schönste
Hochwald ziert seine Ufer. Schwarzes, klares Wasser füllte sein Bett, das
durch die häufigen Regen übervoll war.

Der Anblick dieses Etablissements war für uns ein sonderbarer und
ungewohnter. Wir sahen einen halb ausgehauenen Wald, in dem die Negerhütten
zerstreut und ohne Ordnung umherstanden. Ebenso war das Haus des Directors
blos aus rohen, ungehobelten Brettern zusammengesetzt; einige andere
Gebäude derselben Art dienten zu Magazinen und zu Wohnungen der
Blankoffiziere. Das Effect war noch nicht lange angelegt und desshalb Alles
erst im Werden begriffen. Das Holz, welches man hier fällt, wird meist
durch englische Schiffe abgeholt und zum Maschinenbau auf den Antillen
verwendet.

Später wurde mit ungeheuren Kosten eine Dampfsägmühle errichtet, die auf
einem eigens dazu eingerichteten flachen Fahrzeuge dahin gefahren werden
konnte, wo man das Holz vom Wald an den Strom schleppte, es dann sogleich
aufnahm und zu Brettern sägte. Diese Maschine war aber, wie es scheint,
für den Debit des Holzes zu grossartig und ist desshalb jetzt ausser
Thätigkeit.

Einer der blanken Aufseher hatte denselben Morgen einen kleinen Zitteraal
gefangen[2]. Ich bekam von diesem, etwa 1' langen und fingerdicken
Thierchen, einen solchen Schlag, dass ich wohl noch zwei Stunden nachher
das prickelnde Gefühl am Arme hatte.

Nach dem Mittagessen fuhren wir in die Vaiambo, welche die Copename mit der
Nickerie verbindet. Es sollten nun vier Tage vergehen, ehe wir wieder einen
von Weissen bewohnten Ort fänden.

Nur Indianerdörfer der Arowaken liegen unterwegs und zwar nicht am Wasser,
sondern in den Savannen, die sich ungefähr ¼ Stunde von den Ufern der
Kreeken befinden und wohin kleine, kaum bemerkbare Wege führen.

Des Abends schliefen wir im Boote, während die Indianer ihre Hängematten an
Bäumen befestigten und unter grosser Fröhlichkeit ihr Essen bereiteten, das
aus Bananen und gesalzenem Fisch bestand. Ein solches Bivouac im Walde hat
besonders im Innern des Landes, wo man vor Mosquittos gesichert ist, einen
ganz eigenen Reiz. Man liegt so bequem in der Hängematte, erwärmt vom
Feuer, das man unter sich brennen hat. Der stille Wald, aus dem nur
manchmal sich die klagenden Töne der Nachtvögel hören lassen, verbirgt
beinahe ganz das Licht der Sterne. Grosse Feuerfliegen schwärmen durch die
Gebüsche und Fledermäuse schwirren rechts und links vorbei. Zuweilen
hört man aus der Ferne das Gebrüll der Brüllaffen oder wird die
Stille unterbrochen durch den Fall alter, verfaulter Bäume, die mit
donnerähnlichem Getöse alle kleinen, unter ihnen stehenden Bäume und
Gesträuche niederreissen. Ehe der Morgen tagt, ertönen schon die gellenden
Stimmen der Wackagos (Ortalida parragua) und die flötenartigen Töne der
kleinen Anamu (Tinamus variegatus).

Jetzt wird eine Tasse heissen Caffees, nebst einem Stück Zwieback mit dem
besten Appetit in der Hängematte genossen, während die Indianer sich mit
Bananen begnügen, die sie an ihrem halberloschenen Feuer rösten.

In weniger als zwei Minuten ist die ganze Wirthschaft wieder im Boote, und
nur die Ueberreste des verbrannten Holzes und die versengten Blätter des
Bodens zeigen dem Vorübergehenden die Stelle eines Lagerplatzes an.

Am andern Tag machten uns die Indianer, während wir unser Mittagessen
kochten, auf ein grosses Dorf aufmerksam, das eine halbe Stunde von hier
entfernt in der Savanne liegen sollte. Während das Essen kochte, ging ich
durch den Wald dahin und hatte bald die ersten Hütten erreicht, in denen
aber, ausser einigen gezähmten Waldvögeln, Niemand zu sehen war. In den
hintersten Hütten aber hörte ich Geräusch und Stimmen und fand auch eine
Arowakenfamilie in der grössten Einigkeit in ihren Hängematten liegend und
ihren Lieblingstrank, den Casiri, schlürfend[3].

Kaum hatten mich die Kinder erblickt, so erhoben sie ein Zetergeschrei und
wollten sich lange nicht beruhigen lassen. Auch zwei Affen, denen ich eben
so fremd war, hielten zu ihrer Partie, schrieen und fletschten die Zähne
auf alle Weise, während die Weiber einige schattenähnliche Hunde, die
wüthend bellten, zurückhielten und ihnen mit Mauritzenfasern das Maul
zubanden.

Da die Indianer nur wenig nach der Stadt kommen und Weisse ebenso
wenig Visiten bei ihnen machen, so war mein Besuch freilich ein sehr
unerwarteter. Man bot mir Casiri an und eine grosse hohle, damit gefüllte
Calabasse (Gotto) wurde nun zum Geschenk für ihre Freunde, die ihr Essen
kochten und eben nicht sehr eilten, sie zu besuchen, mitgenommen. Die ganze
Familie begleitete mich zum Landungsplatze zurück, wo ich sie mit Dram
tractirte und wir als die besten Freunde von einander schieden.

Aus der Vaiambo, die südlich läuft, kommt man nach zwei Tagen in die
Aracacouakreek, eine kleine aber tiefe Kreek, wo die Ruderstangen nicht
Platz hatten und das Boot pagait wurde[4].

Die grossen Krümmungen, welche diese Kreeken machen, verlängern den Weg
bedeutend; denn die Nickerie ist über die See höchstens 30 Stunden von
Paramaribo entfernt.

Oben in der Aracacouakreek wurden wir bei hellem Tage plötzlich von
Schwärmen Mosquittos angefallen, die klein und mager und sehr gierig nach
unserem Blute waren. Wir mussten Rauch im Boote unterhalten, um diese
lästigen Gäste los zu werden. Man findet dieses Ungeziefer im obern Lande
manchmal stellenweise und selbst die Buschneger, die wohl 60 Stunden von
der Küste entfernt wohnen, klagen darüber.

Aus der Aracacouakreek kommt man in die Nickerie, eine schöne und tiefe
Kreek, die wohl den Namen Fluss verdiente. An ihren Ufern findet man
hauptsächlich viele Maripapalmen (Maximiliana regia), die hier ganze Wälder
bilden, während sie in andern Theilen des Landes zwar auch häufig, aber nur
einzelnstehend vorkommen.

Den 25. August erreichten wir mit anbrechendem Tage den indianischen
Posten an der Mündung der Maratacca. Die Indianer dieses Postens, sowie der
Dörfer, welche in den Savannen und am Maratacca liegen, sind meist Waraus,
weniger Arowaken und stehen im Dienste des Gouvernements, das an sie
Lebensmittel und Geschenke austheilt, wofür sie verpflichtet sind, als
Ruderer mit den Booten nach Paramaribo zu gehen, etwaige Patrouillen zu
machen u. s. w. Auch sind auf dem Wachtschiffe immer einige derselben. Sie
sind übrigens sehr launisch und laufen, wenn ihnen etwas nicht ansteht,
nach ihren Dörfern zurück.

Unsere Indianer, die hier zu Hause waren, machten nun im Boote ihre
Toilette, um mit Anstand wieder vor den Ihrigen zu erscheinen. Ihr Haar
beschmierten sie mit einer Mischung von Palmöl und Roccu (Bixa ovellana),
wodurch dasselbe zinnoberroth gefärbt wurde. Weisse Flaumfedern aus der
Brust von Raubvögeln wurden in diese teigartige Pomade eingedrückt. Das
Gesicht ward mit einem wohlriechenden Harze Aracasiri mittelst eines
zugespitzten Hölzchens tätowirt und alle ihre Kostbarkeiten an Affen- und
Pakirzähnen, Glaskorallen und Federschmuck wurden umgehängt.

Wir stiegen ans Land. Die meisten Indianer lagen noch in der Hängematte,
obgleich es heller Tag war: denn den Tag zuvor war des Königs Geburtstag,
an dem sie einige grosse Krüge Dram vom Landdroste bekommen hatten und sie
schliefen nun den Katzenjammer von gestern aus.

Ein alter Mulatte vom Eiland Granada ist als Posthalter hier angestellt.
Seine Eitelkeit schuf sich eine eigene Uniform, indem er abgetragene
Kleidungsstücke von Offizieren kaufte, in welchen er stets ausging, wenn er
den Posten oder die Pflanzungen besuchte. Er war übrigens nicht zu Hause,
sondern wohnte den Lustbarkeiten auf dem Posten bei.

Nach und nach sah man das Völkchen sich aus seinen Hängematten erheben,
worauf das Erste war, nachzusehen, ob nicht noch etwas in der Flasche übrig
wäre.

Es dauerte auch kaum eine Stunde, so waren alle wieder betrunken und auch
unsere Indianer lagen mit all' ihrem Putze im Grase herum.

Ein hübsches Weib sass in ihrer Hütte beim Feuer und kochte aus reifen
Bananen einen Brei für ihr Kind, das in einer kleinen Hängematte ihr um die
Brust hing. Ihr Mann lag betrunken am Boden. Sey es nun, dass das Weib sich
über die Trunkenheit ihres Mannes ärgerte (was ich aber nicht glaube) oder
durch andere Ursachen erhitzt war, kurz, sie sprach mit einem Zorne und
einer Geläufigkeit gegen den besinnungslosen, geduldigen Ehegatten, dass
sie die beste Amsterdamer Fischdame beschämen würde. Unterdessen hatte sie
die reifen Bananen aus dem Topfe genommen und in einer grossen, mit heissem
Wasser gefüllten Kalabasse mittelst einer grünen Banane zerquetscht.
Wie nun durch Gleichgültigkeit und Schweigen hitzige und streitsüchtige
Personen nur noch erboster werden, so war diess auch bei ihr der Fall; denn
sie sprang plötzlich rasch und unter immerwährendem Schimpfen, das für mich
natürlich unverständlich war, auf, ergriff ein brennendes Stück Holz,
mit welchem sie ohne Zweifel den armen Mann schrecklich würde zugerichtet
haben, wenn nicht einige dabei stehende und weniger besoffene Indianer
dessen Partei ergriffen und die Frau zurückgehalten hätten. Während sie mit
diesen rang, glitt sie auf der schlüpfrigen Schaale einer reifen Banane aus
und fiel mit ihrem nicht unansehnlichen Hintern in die Kalabasse, worin
der für ihr Kind bestimmte heisse Brei war, welcher nun über ihr
zusammenspritzte. Sie erhob ein Jammergeschrei und eilte sogleich mit dem
verbrannten Podex zur Abkühlung ins Wasser. Es war diess eine Scene zum
Todtlachen.

Gegen Mittag fuhren wir weiter und sahen gegen 4 Uhr die erste oder
vielmehr letzte Pflanzung Krabbehoek.

Auf der Pflanzung Botanybai erwarteten wir die Ebbe. Der Eigenthümer war
abwesend und wir trafen nur zwei junge Mulattinnen, Schwestern seiner Frau,
zu Hause. Sie luden uns jedoch nicht ein, in das Haus zu kommen, sondern
man liess uns den mosquittenreichen Abend unter den Negern der Pflanzung
am Landungsplatze zubringen, wo wir unser Abendessen kochten. Ob diess
aus Furcht vor unsern grünen Röcken oder aus Verachtung des Militärstandes
geschah, weiss ich nicht; denn viele solcher Damen sind am Ende ihrer
Glanzperiode herzlich froh, wenn sie sich mit Leuten aus dem Militärstande
verbinden können. Es war diess das erste Mal, dass ich auf solche Weise
behandelt wurde und ich habe während der Zeit meines Aufenthaltes auf
Nickerie vielfache Beweise des Wohlwollens von den Pflanzern dieses
Districts bekommen, so dass Obiges als eine seltene Ausnahme anzusehen ist.

Abends um 10 Uhr hatten wir nach achttägiger Fahrt den Posten erreicht.

Nickerie oder Nickeriepunt ist der Grenzposten gegen Westen zwischen
Surinam und der englischen Kolonie Berbice. Da mehrere Pflanzungen in
seiner Nähe liegen, so ist er von ungleich grösserer Wichtigkeit, als der,
von allen Pflanzungen weit entfernte Posten Prinz Willem Frederik, der an
der Grenze von Französisch-Guyana liegt.

Er ist auch desswegen mit 60 Mann besetzt, um die Neger am Entfliehen nach
der andern Seite der Correntin, wo sie frei sind, zu verhindern. Der Posten
liegt auf einer Sandritze, die sich mehrere Stunden östlich ausdehnt.

Ausser einer grossen Kaserne, den drei Offizierswohnungen, dem Hospital,
der Bäckerei u. s. w. befinden sich hier auch eine Kirche und mehrere
Privathäuser. Die Lage des Postens ist eine sehr gesunde, nur fehlt es an
gutem Trinkwasser, auch ist an Mosquittos kein Mangel.

An einem etwa drei Stunden langen Fahrweg, der sich von Osten nach
Westen längs der Küste hinzieht, liegen verschiedene jetzt verlassene
Baumwollenpflanzungen. Ein gegrabener Canal von etwa 3' Tiefe, der längs
dieses Weges läuft, dient zum Transport der Baumwolle nach dem Posten, wo
sie auf die Schiffe verladen wird. Auch werden die Lebensmittel für
diese Pflanzungen, die auf eigenen, weiter aufwärts an der Nickeriekreek
gelegenen Kostgründen gebaut werden, auf diesem Canale dahin gebracht.

An der Kreek befinden sich noch ausser diesen Kostäckern drei grosse
Zucker- und zwei Kaffeepflanzungen.

Das Land längs der Seeküste besteht aus grossen morastigen Savannen, die
bis an den obern District reichen und durch jede Springfluth unter Wasser
gesetzt werden.

Obgleich die Entfernung zwischen dem Ober- und Niederdistrikt kaum neun
Stunden beträgt, so ist es doch höchst mühsam und gefährlich, dahin zu
gelangen, da am Ufer der See weicher Schlamm und Mangel an süssem Wasser,
im Innern aber die Moräste den Marsch sehr erschweren.

Ebenso ist die Küste längs des Ufers der Correntin; grosse Sümpfe, mit
Binsen und dornigen Bäumen bewachsen, bedecken die Fläche zwischen diesem
Strome und der Nickeriekreek.

Dessenungeachtet entflohen schon viele Sklaven, die durch diese Sümpfe bis
zum holländischen Ufer der Correntin durchdrangen. Hier verfertigten sie
Flösse, auf welchen sie sich zur Fluthzeit nach dem englischen Ufer treiben
liessen. Kluge Massregeln haben indess in der Folge solche Fluchtversuche
verhindert.

Die grosse Fruchtbarkeit des Niederdistrikts gibt den Pflanzungen ein
höchst blühendes Aussehen. Auch die Gebäude und Maschinen befinden sich im
besten Zustande und Alles ist zum Nutzen und zur Bequemlichkeit des Lebens
eingerichtet, weil die Eigenthümer immer anwesend sind und ihre Effecte
selbst verwalten.

Der mir günstige Kommandant, der, wie bereits gesagt wurde, Landdrost des
Distrikts war, gab mir ein kleines Zimmer in der Kaserne, eine Wohlthat,
die ich erst recht empfand, als ich mich =à mon aise= eingerichtet hatte.
Der frühere kränkliche Kommandant liess die beiden Sergeanten machen, was
sie wollten, und diese errichteten zu ihrem grossen Vortheil eine Herberge,
wo jeder nach Herzenslust trinken konnte, so lange er Geld oder Credit
hatte. Der Militärdienst war ihnen Nebensache, daher kam es auch, dass
sechs Neger unter den Augen der betrunkenen Schildwache des Nachts das
Boot des Postens losmachten und nach Berbice fuhren. Dieses fand man
durchlöchert an der englischen Seite. Die Neger aber hatten keine Lust
zurückzukehren, und liessen ihren früheren Direktor herzlich grüssen.

Grosse Trunkenbolde, die wie die Vielfrasse nicht satt werden konnten,
verkauften das Wenige, das sie hatten, um bei den Sergeanten trinken zu
können und liefen lieber zerlumpt auf dem Posten herum. Es war beinahe
keiner, der nicht tief in Schulden steckte. Daher war es leicht möglich,
dass einer der Sergeanten, der zwei Jahre dieses einträgliche Geschäft
betrieben hatte, 4000 Gulden gewinnen konnte, was er selbst äusserte.
Dieser Handel wurde gleich bei der Ankunft des Kommandanten aufs
Strengste untersagt und eine Disciplin eingeführt, durch welche nicht nur
Pünktlichkeit des Dienstes bezweckt, sondern auch das Wohl des Soldaten
gefördert wurde.

Freilich war Manchem das Neue ungewohnt und nicht willkommen; aber die
Störrigen kamen haufenweise ins Loch, wo sie einsehen lernten, dass
Nachgeben besser sey, als Raisonniren.

Zwei Boote auf der Nickeriekreek und ein Häuschen auf der andern Seite
derselben waren des Nachts von Schildwachen besetzt, die jede halbe Stunde
ihre Wachsamkeit durch ein Feldgeschrei anzeigen mussten. Ausser den zwei
Schildwachen auf dem Posten befanden sich noch fünf Mann und ein Korporal
an Bord eines Schooners, der zu gleichem Zwecke eine halbe Stunde vom
Posten entfernt vor Anker lag. Auf diese Weise konnte also ein Neger zu
Wasser nicht leicht entschlüpfen.

Kurze Zeit nach meiner Ankunft wurde mir die Verwaltung der Menage des
Detachements übertragen. Ich hatte jetzt des Morgens die Ration Genever
auszutheilen und musste die Lebensmittel, als Bananen u. s. w. auf den
Plantagen einkaufen. Als die Sergeanten keinen Schnaps mehr verkaufen
durften und den wenigen Bürgern bei schwerer Strafe untersagt war, solchen
auszuschenken, war ungemeine Betrübniss unter der nassen Gemeinde des
Postens. Es kauften nun die Liebhaber desselben, welche an einer Ration
nicht genug hatten, die ihrer Kameraden, welche das Geld dem Genever
vorzogen. Dadurch gab es nun wieder manchen Betrunkenen, wesswegen der
Kommandant endlich befahl, dass jeder vor meinen Augen seine Ration
austrinken musste und dieselbe nicht mehr in Fläschchen empfangen durfte.
Es war nun beim Detachement ein deutscher Jude, der aus grosser Sparsamkeit
seine Ration stets verkauft hatte, eine geschenkte aber ohne Scheu
hinunterschluckte. Er wollte nun schlechterdings seine Ration nicht missen,
noch weniger des Gewinns, welchen ihm dieselbe bisher eingebracht hatte,
entbehren. Der Schlaue nahm desshalb seine Ration in den Mund und spuckte
dieselbe von mir entfernt heimlich in ein Fläschchen aus, das er seinem
Kunden, einem geschickten Schneider des Detachements, überbrachte.

Jeden Samstag musste ich auf der etwa vier Stunden entfernten Pflanzung
Botanybai die nöthigen Bananen fürs Detachement einkaufen. Ein offenes, von
drei Mann gerudertes Boot war hiezu bestimmt. Ich fuhr nun, je nachdem die
Fluth eintrat, manchmal des Nachts, oft aber auch in der glühenden Hitze
des Tages dahin.

Besonders freundlich wurde ich auf der Zuckerplantage The Nursery
empfangen, wesswegen ich nie versäumte, dort anzukommen. Die Frau des
Hauses beschenkte mich jedesmal mit Früchten aller Art, und für einige
Pfunde Brod, welche sie sodann unter die Negerkinder austheilte, bekam ich
jedesmal von ihr ein kleines Fässchen Zucker, so dass ich das manchmal
so schlechte Wasser des Postens immer als Limonade trinken konnte. Die
Pflanzung selbst ist eine der schönsten im Lande und ich glaube, dass die
grosse Fruchtbarkeit des Bodens und die gute Gesinnung der Neger sie zu
einer der einträglichsten machen. Gebäude, Gärten und Negerhäuser sind
zweckmässig und mit Geschmack angelegt. In einem Theile des prächtigen
Kochhauses befindet sich die Dampfmaschine, welche den Saft auspresst und
denselben in das zweite Stockwerk hinaufpumpt, wo in einem geräumigen Saale
zwei Reihen Kessel stehen, in denen der Likker (ausgepresste Saft) gekocht
und zu Zucker gemacht wird. Dieser wird im untern Raume aufbewahrt. Ein
langer Kanal, dem entlang die Zuckerfelder liegen, führt vom Kochhause
nach dem etwa zehn Minuten entfernten Landungsplatz, wo ein kleines
Sommerhäuschen in die Nickeriekreek hineingebaut ist.

Die Schiffe legen hart an diesem Häuschen an. Die Zuckerfässer werden
nun mittelst einer Winde aus dem innern Kanal ins Häuschen und von da ins
Schiff gehoben. Hinter der Mühle sind die Gebäude für die Fabrikation des
Rums, sowie die Traslogen, in welche das ausgepresste Rohr zum Feuern der
Kessel hineingeworfen wird.

Ein anderer Kanal trennt das höchst elegante und in einem Garten stehende
Wohnhaus von den Fabrikgebäuden und andere Kanäle scheiden es wieder
vom Dorfe der Neger, das drei Strassen bildet, die mit Kokos- und
Pomme-de-Cythere-Bäumen besetzt sind. Die Negerhäuser sind von Pina und
theilweise von Brettern dauerhaft aufgeführt, auch jedes mit einem Gärtchen
versehen.

Unmittelbar an dieser Pflanzung liegt die grosse Zuckerpflanzung Waterloo,
deren Eigenthümer einer jener sonderbaren Menschen war, die bei ungeheurem
Reichthum stets noch mehr zu erlangen streben. Hoch in Jahren, Eigenthümer
von drei schönen Pflanzungen mit mehr als 700 Sklaven, lebte dieser Mann
einsam auf seiner Pflanzung, ohne Frau und Kinder. Eine Mulattin, die er
mit einer seiner Negerinnen gezeugt hatte, war selbst auch Sklavin und
versah sein Hauswesen. Ich kam manchmal zu ihm; er war in der Folge sehr
für mich eingenommen und wollte mich sogar vom Militär loskaufen und auf
seiner Plantage als Blankoffizier mit 500 fl. Gehalt anstellen. Doch
ich hatte keine Neigung fürs Pflanzerleben und war mit meiner Lage
zufrieden[5].

Ungeachtet die Mosquittos auf Nickerie für eine grosse Plage anzusehen
sind, so ist doch der Mangel an Trinkwasser in den Trockenzeiten ein noch
ärgeres Uebel. Ein grosser eiserner Behälter, in welchem das Regenwasser
sich sammelt, befriedigt nur auf kurze Zeit das Bedürfniss des
Detachements. Wenn es aber einige Zeit nicht regnete und die Cisterne leer
war, so musste man in Fässern Flusswasser aus dem oberen Nickerie und zwar
oft zwölf Stunden weit herbeischaffen. Bleibt die Pont, welche mit etwa
dreissig Fässern beladen ist, über die bestimmte Zeit aus, so ist die Noth
sehr gross und ich habe selbst bei einer solchen Gelegenheit auf einer
anderen Pflanzung für eine Calabasse Sumpfwasser ein Sacktuch gegeben, das
ich Tags zuvor um 1 fl. 25 kr. gekauft hatte. Das Wasser wurde jeden Morgen
durch den Corporal der Wache an den Koch und die Soldaten ausgetheilt.
Diese Austheilung fand unter einem Gedränge von Kühen, Schafen, Schweinen
und Federvieh statt, die sich um die herunterfallenden Tropfen stritten.
Die Enten aber flogen auf die Fässer und streckten ihre langen Hälse zu
den Spontenlöchern hinein, um ihren Durst zu löschen. Es hatte seit acht
Monaten nicht geregnet, so dass alle Pflanzen durch die Trockenheit Noth
litten. Wie sehr alsdann ein plötzlicher Regen erquickt, und wie wenig
man die Mühe scheut, das kostbare Wasser in allerlei Gefässen aufzufangen,
lässt sich nicht beschreiben.

Gewöhnlich haben die Seeposten Ueberfluss an Wild und Fischen, was auch
hier der Fall war. Auf einer grossen Bank, die sich bei dem Posten weit
in die See erstreckte, gebraucht man zum Fang der Seefische ein etwa 100'
langes und 6' hohes Netz; mit aufsteigender Fluth liefen zwei Männer mit
dem einen Ende bis um den Hals ins Wasser, während zwei andere mit
dem andern Ende ganz nahe und langsam am Lande marschirten. Plötzlich
schwenkten die äussersten dem Lande zu, und die Fische fingen sich in einem
grossen, in der Mitte des Netzes angebrachten Sacke. Zog man sie ans
Land, so sah man ein Gewimmel von den wunderlichsten Gestalten. Rochen
mit ungeheuren, stachlichten Schwänzen, Hai- und Sägefische, und den
sonderbaren Hammerfisch sah man mit allerlei Arten von Welsen, die im
süssen und salzigen Wasser vorherrschen, beisammen.

Hatte man so einige Stunden gefischt, so wurde die Beute getheilt und von
jedem auf beliebige Weise zurecht gemacht.

Auf andere Weise wurde das Fischen in den Gräben der Cattunfelder
betrieben. Hier fängt man mit 6' breiten und eben so langen Netzen, welche
die Neger aus Cattun stricken, eine Menge Kwikwi, welche an Güte und Grösse
die der übrigen Colonien übertreffen[6]. Die Suppen von diesen Fischen
gehören zu den Leckereien Guyana's. Wir brachten stets von diesen
Fischpartien so reichlichen Fang nach Hause, dass wir ihn kaum schleppen
konnten. Häufig fing man auch in den Gräben junge Kaimans, die ebenfalls
auf ihre Manier fischten und durch gewaltige Schläge mit dem Schwanze uns
zuweilen grossen Schrecken einjagten.

Man findet den Kaiman (Alligator sclerops) überall sehr häufig und zwar
immer im Wasser, aus welchem er die Hälfte seines Kopfes streckt. Nie habe
ich einen gesehen, der über 6' lang gewesen wäre, schon solche von dieser
Länge sind sehr selten. Weibchen von 4', die jedoch noch lange nicht
ausgewachsen sind, legen Eier an den Ufern der Flüsse und Kreeken in
angeschwemmtes Reisach, sowie an feuchte Plätze. Diese Eier sind etwas
grösser, als Hühnereier, an beiden Enden gleich abgerundet, schmutzig
weiss, und mit einer porösen Kruste überzogen.

Die Indianer essen das Fleisch und die Eier sehr gerne; auch die Franzosen
sind grosse Freunde von ersterem. Einmal brachte man mir ein weibliches
Beutelthier (Didelphis tricolor). Es war von der Grösse eines
Eichhörnchens, hatte einen spitzigen Kopf, grosse nackte Ohren, grosse,
schwarze, wie bei den Ratten hervorstehende Augen und einen langen, nackten
Wickelschwanz. Es hatte eine bräunliche Farbe, über jedem Auge einen
schwarzen Flecken; Brust und Bauch jedoch waren ockergelb. Ich sperrte es
in einen Käfig, in welchem man es beobachten konnte, ohne von ihm gesehen
zu werden. Als Nahrung gab ich ihm Wasser und gekochte Fische. Des andern
Tages fand ich ein Junges von der Grösse einer Maus, das nach Herzenslust
mit seiner Mutter frass. Nach und nach erschienen noch drei, die alle den
Tag zuvor im dichtverschlossenen Beutel der Mutter verborgen gewesen waren.

Es war allerliebst, die Spässe dieser Thierchen zu sehen, unter welchen
sie sich um die Mutter herumtrieben, aber beim geringsten Geräusche in den
Beutel flüchteten. In Folge der reichlichen Nahrung wurden die Jungen bald
gross, so dass zuletzt die Mutter nicht mehr alle vier beherbergen konnte,
und eines, zwei und zuletzt drei dieses Schutzes entbehren mussten; doch
schlangen die Aussenbleibenden ihre Schwänzchen um die Mutter.

Das Wasser schlappten sie wie die Hunde, frassen auch wie diese; doch
gebrauchten sie häufig die Vorderpfoten, wie die Affen. Sie wurden nie
zahm; sondern zischten und pfeuchten, wenn man sich dem Käfig näherte. Sie
haben ein ungemein zähes Leben; denn sie wehren sich noch, wenn schon Hirn
und Eingeweide herausgenommen sind. Nach und nach entschlüpften mir alle.

Ebenso reichlich, doch mühsamer ist die Jagd auf die Wasservögel.

In den zwei ersten Monaten der Trockenzeit, wenn das Wasser der grossen,
morastigen Savannen, welche hinter den Cattunpflanzungen liegen,
eintrocknet, versammelt sich dort eine unglaubliche Menge von Wasservögeln,
welche alle reichliche Nahrung finden und um diese Zeit am fettesten sind.
Da diese Savannen über drei Stunden weit vom Posten entfernt liegen, und
dort kein Trinkwasser zu finden ist, so fand sich blos _ein_ Soldat beim
Detachement, der die Mühe dieser Jagd nicht scheute und viel Geld durch
den Verkauf seiner Beute erwarb. Ich war neugierig, auch diese Art der Jagd
kennen zu lernen und begleitete ihn eines Tages.

Des Abends verliessen wir den Posten und übernachteten auf der Pflanzung
Providence. Mit Sonnenaufgang waren wir auf dem Damme, der die Ländereien
dieser Pflanzung von der Savanne trennt. Von dieser lässt sich kein
reizendes Bild entwerfen. Eine grosse, stundenweite Ebene dehnt sich nach
allen Seiten aus. Sie ist theilweise mit falbem Grase, Schilf und niederem
Gesträuche bedeckt, über welches einzelne ganz trockene und halbverbrannte
Baumstämme hervorragen, welche traurige Ueberreste eines schrecklichen
Waldbrandes sind, welcher vor mehreren Jahren vom Ober- bis Niederdistrict
um sich griff. An manchen Stellen hauchen Pfützen den widerlichsten Geruch
von abgestandenen Krebsen und Fischen aus, deren Ueberreste überall herum
liegen, während man an andern Stellen bis um die Knie in teigartigem
Schlamme watet. Dabei leidet man sehr von der glühenden Hitze, und im
Schatten von den Stichen unzähliger Mosquittos. So arm sich auch die
Vegetation in diesen Sümpfen zeigt, um so belebter sind dieselben von
Thieren. Grosse, weisse Reiher (Ardea alba), hier Sabaccu genannt, rothe
Ibise, Schnepfen und Enten sind in unzählbaren Schaaren hier versammelt,
während auf dem Boden die Fusstapfen vom Krebshunde (Procion cancrivorus),
dem Hirsche (Cervus rufus), dem Jaguar und den Beutelthieren den Beweis
dafür geben, dass auch vierfüssige Thiere hier ihrer Nahrung nachgehen.

Wir marschirten wohl eine halbe Stunde über Pfützen und gestürzte
Baumstämme in grösster Stille, als wir auf einmal, als wir um die Ecke
eines kleinen Busches kamen, die ganze Fläche, so weit das Auge reichte,
mit Reihern wie beschneit sahen. Der Lärm der Stimmen so vieler Tausende
ist betäubend, und mit einem donnerähnlichen Geräusche flogen sie auf, als
wir näher kamen.

Ihrer Magerkeit wegen werden sie wenig geschossen, doch sind ihre Federn zu
Betten sehr brauchbar. Es zeigte sich auch ein Häufchen rother Ibise, deren
17 mit einem Schuss getödtet wurden. Mit Verwunderung musste ich sehen, wie
mein Kamerad eine Anzahl Schnepfen, die zerstreut herum liefen, zusammen
lockte. Sie kamen, obwohl sie ihn sehr gut sahen, auf einen leisen,
eigenthümlichen Pfiff dicht zusammen und waren so leicht in Haufen zu
schiessen. Es fielen über 40 auf einen Schuss. Sie hatten die Grösse
einer Taube und waren äusserst fett und delicat. Man nennt diese Art hier
Pluviere[7].

Weiter landeinwärts stiessen wir auf grosse Flüge wilder Enten, von welchen
mein Jagdgefährte ebenfalls einige Dutzende schoss.

Man findet hier vier Arten derselben, von welchen eine der grössten, die
Moschusente, wohl 12 Pfund schwer wird[8]. Die andern sind viel kleiner,
als die gewöhnliche Hausente, doch haben sie höhere Beine und fliegen immer
in grossen Zügen unter immerwährendem Gepfeife, während die Moschusente nur
in kleinen Truppen oder paarweise getroffen wird. Alle nisten in Sümpfen
auf den Boden. Nachdem noch einige, beinahe mannshohe, storchartige Vögel
mit langem dickem Schnabel (Negerköpfe genannt) geschossen waren, traten
wir gegen Mittag den Rückweg an. Es war uns beiden nicht möglich, diese
Menge Wild weiter, als auf den Damm zu tragen. Mein Gefährte holte
desswegen einen Neger auf der Pflanzung Providence, der uns die Beute nach
dem Posten bringen half.

Nachdem ich meine Portion bekommen hatte, verkaufte mein Kamerad den Rest
an das Detachement und die Bürger. Ich habe noch einigemal allein diese
Savanne besucht, hatte aber zu wenig Geschicklichkeit und Geduld, um grosse
Beute zu machen, und konnte ganz leicht ohne Neger dieselbe nach Hause
bringen.

Wir waren unserer sechs Korporale auf dem Posten, von welchen immer einer
abwechslungsweise sich an Bord des Kolonialschooners befand, und alle 8
Tage von einem andern abgelöst wurde.

Die Reihe kam nun auch an mich, obschon ich eben kein Verlangen darnach
hatte; denn es ist sehr unangenehm, in dem kleinen Raume des Schooners mit
Negern und Indianern logiren zu müssen, die Ausdünstungen dieser Leute und
den Geruch von Thee und Schiffsprovision immer in der Nase zu haben. Ausser
dem Kapitän und Steuermann waren 6 Soldaten, 6 Neger und 8 Indianer an
Bord.

Durch das immerwährende Schaukeln des Fahrzeuges, das jedoch vor Anker lag,
litt ich beständig an der Seekrankheit. Beschäftigung hatten wir natürlich
keine. Die Soldaten schliefen oder spielten den Tag über, die Neger
thaten dasselbe, und die Indianer lagen in ihren Hängematten, wo sie
sich gegenseitig das im Gesicht und am Leibe keimende Haar mit zwei
Muschelschalen herauszogen. Den Tag über schützte uns ein über das Fahrzeug
ausgespanntes Segeltuch vor den Strahlen der Sonne und in der Kühlung
schöner Abende erfreuten wir uns durch gegenseitiges Erzählen.

Die Indianer waren lauter junge Kerls, welche uns viel Spass machten.
Eines Tages hatte ich Gelegenheit, ihre Geschicklichkeit im Schwimmen zu
bewundern. Der Kapitän war mit ihnen auf dem Posten gewesen, von welchem
sie betrunken zurückkamen.

Zwei von ihnen bekamen mit einander Händel, und der eine verlangte vom
Kapitän, nach dem Posten zurückgebracht zu werden, weil er nicht mehr bei
seinen Kameraden bleiben wolle. Man lachte natürlich über seine Forderung.
Er aber packte Hängematte, Pfeife, Bogen und Pfeile zusammen, kletterte
damit auf der Ankerkette bis in die See und schwamm plötzlich dem Lande zu.
Es war gerade die Zeit der Ebbe, und der Kapitän befürchtete desswegen, der
Strom möchte den närrischen Kerl weit in die See treiben, oder er könnte
von einem Haifisch gefressen werden, und liess ihm durch den Steuermann
und zwei Matrosen nachrudern, um ihn aufzufangen. Der Schwimmer merkte aber
kaum deren Absicht, als er untertauchte und ihnen so immer entkam, wenn
sie ihn schon zu haben glaubten. Plötzlich verschwand er wieder, und wir
glaubten, er sey verunglückt; aber bald sahen wir ihn ganz mit Schlamm
bedeckt, jedoch mit allen seinen Siebensachen, ans Land steigen. Er lief
nun, so schnell als er konnte, nach dem Wachthäuschen, von wo aus er über
die Nickerie schwamm, die hier so breit ist, als der Rhein. Des andern
Tages kam er wieder nüchtern zurück.

Ich machte verschiedene Male mit dem Kapitän kleine Reischen nach der
Correntin und ihren Inseln, und unsere Indianer, welche bei dieser
Gelegenheit auf die Jagd gingen, brachten immer etwas mit.

Dreimal war ich an Bord dieses Schooners, der Beschermer hiess, detachirt
und wir waren herzlich froh, als eine kleine Kriegsbrigg denselben ablöste
und dort keine Wache mehr zu besetzen war. Weil durch die vielen Wachen auf
dem Posten und dem vor der Mündung der Kreek liegenden Schooner den Sclaven
des Distrikts das Entfliehen zu Wasser, wenn auch nicht ganz unmöglich
gemacht, so doch sehr erschwert wurde, so versuchten einige zu Fusse nach
dem Correntin zu entkommen.

Anfangs November erhielten wir die Nachricht, dass zwei Neger von
der Pflanzung Waterloo auf diesem Wege entlaufen wären. Man löste
augenblicklich zwei Kanonenschüsse als Zeichen für den Schooner, der
sogleich eine Schaluppe nach dem Posten sandte. Drei Patrouillen wurden
alsbald beordert, den Flüchtigen nachzusetzen. Sechs Mann mussten sich
sogleich zu Wasser nach der Nannaykreek begeben, welche auf holländischer
Seite ist und oberhalb der ersten Insel in den Correntin mündet. Sie
blieben dort als Stationsposten. Drei andere mussten mit dem grossen Boote
des Postens immerwährend längs der Küste kreuzen, und vier Mann sollten
unter dem Commando eines Korporals durch die Sümpfe nach dem Correntin
zu kommen suchen, wo sie sich mit dem Detachement an der Nannaykreek
vereinigen mussten.

Da ich noch nie eine Buschpatrouille mitgemacht hatte, so bat ich den
Commandanten, mich mit der letzteren gehen zu lassen. Wir fuhren nun gegen
5 Uhr Abends nach der Pflanzung Margarethenburg, von welcher aus wir den
andern Morgen unsere Reise durch die Sümpfe antreten sollten. Wir hatten
Lebensmittel auf vier Tage und waren mit Gewehren und Säbeln bewaffnet. Als
Schlafplatz wies man uns eine Kammer an, in die wir ohne Licht eintraten,
um die Mosquittos nicht anzulocken. Unausgeschälter Kaffee lag einige Fuss
hoch auf dem Boden. Wir tappten im Finstern herum und machten uns unser
Nachtlager zurecht. Die Soldaten vergruben sich unter den Kaffee, um von
den Mosquittos nicht geplagt zu werden. Ich fand zufälligerweise in einer
Ecke einen Haufen Leinwand, welche ich auf dem Kaffee ausbreitete und mich
damit bedeckte.

Mit anbrechendem Tage machten wir uns reisefertig. Jetzt erst bemerkte ich
mit Schrecken, dass ich zu meiner Lagerstätte die frischgewaschenen Hemden
des Pflanzers benützt hatte, welche man den andern Tag bügeln wollte, und
die durch meine, mit Oel eingeschmierten Schuhe freilich nicht weisser
geworden waren.

Der Bastian der Pflanzung brachte uns auf den äussersten Damm derselben,
von dem aus ein unabsehbarer, mit Binsen bewachsener Morast sich ausdehnte,
den wir nun in südwestlicher Richtung durchwaten sollten. Wir marschirten
auch meistens bis um die Kniee im Schlamme durch den Schilf, der so dicht
wie Waizen stand und wohl 12' hoch war. Millionen Ameisen kletterten
daran herum und fielen uns auf den Leib, wo sie ein unerträgliches Jucken
verursachten. Abwechslungsweise musste einer von uns der vorderste seyn,
mit dem Hauer den Schilf abhauen, oder, wenn derselbe zu dicht stand, auf
den Boden drücken, um uns einen Weg zu bahnen. Man kann sich denken,
wie beschwerlich und ermüdend ein solcher Marsch ist, und wie langsam es
voranging.

Gegen Mittag erreichten wir eine Sandritze, die wohl 4' höher als der Sumpf
mit Hochwald bedeckt war, und wo wir einige reife Papayas (Früchte des
Melonenbaumes) fanden. Ich kletterte auf einen der äussersten Bäume, um
mich in der Gegend umzusehen, und fand dass der Hochwald, wo wir wenigstens
trockenen Fuss zu haben glaubten, wohl noch vier Stunden entfernt war.

Bisher waren wir immer südwestlich gegangen, in welcher Richtung die
Nannaykreek liegen musste; aber jetzt weigerten sich meine Soldaten
einstimmig, mir in dieser Richtung weiter zu folgen, weil nach Westen zu
der Hochwald bedeutend bälder zu erreichen war. Wir verliessen desshalb die
Ritze wieder und setzten unsern Marsch im Sumpfe fort. An manchen Stellen
war dieser mit Bäumen bewachsen, welche über und über mit Stacheln
bedeckt sind. Sie haben rothe Schmetterlingsblüthen und werden auf
vielen Caffeeplantagen reihenweise gepflanzt, um unter ihrem Schatten
das Wachsthum der Caffeebäume, welche die Sonne nicht ertragen können, zu
fördern. In derselben Gegend werden kleine, etwa 8' hohe Palmen getroffen,
welche ebenfalls mit 4" langen, nadelscharfen Stacheln besetzt sind. Sie
standen manchmal so dicht, dass man sich durch sie einen Weg hauen musste,
und dann doch noch von allen Seiten gestochen wurde. Unsere Hosen und
Hemden, von welchen wir freilich nicht die besten mitgenommen hatten,
wurden zu Fetzen zerrissen.

Ausser einer grossen Abomaschlange, die ihren Kopf aus dem Wasser
herausstreckte, und einigen Raubvögeln, welche auf alten, abgebrannten, von
Termiten ausgefressenen Bäumen sassen, sahen wir kein Wild.

Abends 6 Uhr hatten wir den Hochwald noch nicht erreicht, und wir waren
genöthigt, im Sumpfe unser Nachtquartier zu nehmen. Wir hieben desshalb
bei einem alten trockenen Baume mit unsern Hauern einen ungeheuren Haufen
Schilf ab, um eine trockene Lagerstätte zu haben, und liessen den Baum,
der vom ersten Hieb eines Hauers stürzte, darauf fallen. Bald loderte
ein lustiges Feuer empor, an dem wir Speck und Bananen rösteten, und
Trinkwasser gab uns der Sumpf genug. Müde vom Marsche des Tages, legten wir
uns um das Feuer, und wir schliefen, nachdem wir unsere Gewehre um den Leib
geschnallt hatten, bald so gut, als in der Hängematte, ungeachtet aller
Ameisen und Termiten des Baumes, die sich an uns hinauf flüchteten.

Mit anbrechendem Tag verliessen wir unsern Bivouac und wanderten weiter.
Allmählig wurde der Sumpf trockener und an die Stelle des Schilfes traten
Gesträuche und Gras. Wir füllten unsere Feldflaschen zum letztenmal aus dem
Sumpfe, tranken noch zum Ueberfluss so viel, als wir verschlucken konnten
und marschirten im Gesträuche, durch welches man noch immer mit dem Säbel
den Weg bahnen musste, dem Hochwalde zu.

Wir hörten jetzt deutlich die Brandung der See.

Plötzlich hieb der Vorderste in ein Nest blauer Capassi-Marabonsen[9].
(Diess sind grosse blaue Hornisse, deren Nester manchmal zwei Fuss lang
sind, und an der Aussenseite wie von Ringen umgeben scheinen, die einige
Aehnlichkeit mit der Schaale des Armadills (Capassi) haben, daher ihr
Name.) Er sah die Gefahr, warf sich auf den Boden und versteckte sein
Gesicht so gut als möglich. Ich war unmittelbar hinter ihm und bekam von
den erzürnten Insekten fünf bis sechs Stiche in Gesicht und Schulter, dass
ich vor Schmerz meinte, rasend zu werden.

Die verletzten Theile schwollen fürchterlich an; doch entstand
glücklicherweise kein Fieber, und Schmerz und Geschwulst verminderten sich
durch Reiben mit Genever.

Wir waren nun endlich im Hochwald, der das Ufer des Correntin in einer
Breite von etwa einer Viertelstunde umzog. Unzählige Krabbenlöcher befanden
sich im Boden, der aus einem lehmartigen Schlamme bestand, in welchem man
manchmal bis um die Kniee einsank. Oft blieben unsere Schuhe darin stecken,
und es kostete viele Mühe, sie wieder herauszuziehen.

Wir erreichten den Strand, und es zeigte sich nun, was ich vorausgesagt
hatte, dass wir durch unser, zu viel nach Westen gerichtetes Marschiren
viel zu weit entfernt vom Orte unserer Bestimmung herausgekommen waren. Wir
sahen die Schornsteine von Maryshope an der andern Seite des Flusses,
und weit, weit entfernt die Papageyeninsel, die in der Gegend lag, wo die
Mündung der Nannaykreek sich befand.

Auf einer Sandbank kletterten wir über Tausende von abgeschälten Bäumen,
die uns den Weg versperrten, und marschirten nach Süden. Es herrschte
eine glühende Hitze, desshalb stellte sich bald der Durst ein, der nicht
gelöscht werden konnte, weil unser Wasser schon ausgetrunken war. Alle
Baumblätter waren in Folge der lange anhaltenden Trockenzeit wie mit einem
Reifen von Salz überzogen, und das Stromwasser war so salzig, wie das des
todten Meeres. Den noch übrigen Genever theilte ich löffelweise aus, um den
Mund befeuchten zu können.

Abends 5 Uhr kamen wir an das Ende der Sandbank und mussten nun wieder
unsere Reise im Schlamme fortsetzen. Aber die aufsteigende Fluth trieb uns
bald wieder in den Wald zurück, wo wir genöthigt waren, unser Nachtlager
aufzuschlagen.

Muthlos und beinahe ausser Stand, ein Wort zu sprechen, durchliefen wir
den Wald nach einem Tröpfchen Wasser, bis die anbrechende Dunkelheit uns
am weitern Suchen hinderte. Mit einem Löffel schöpfte ich aus allen
Krabbenlöchern, aber das Wasser in denselben war ungeniessbar, und
das wenige, welches wir in einem hohlen Baume gefunden hatten, erregte
augenblicklich heftiges Erbrechen und Durchfall. Um uns vor den Mosquittos
zu schützen, machten wir vier Feuer an, in deren Mitte wir unsern
Schlafplatz anlegten. An's Essen dachte Niemand.

Ich erinnerte mich, früher gelesen zu haben, dass man in Holland am Rande
der See Cisternen graben kann, die ein gutes trinkbares Wasser geben,
wenn sie tiefer, als die niederste Ebbe, und höher, als die höchste Fluth
angelegt sind.

Obgleich ich nun voraussah, dass, wenn man diess hier anwenden wollte,
man 15-18' tief graben müsse, so wollte ich doch das unmöglich Scheinende
wagen, wenn wir gleich mit keinen Werkzeugen versehen waren. Auf die Hilfe
der Soldaten durfte ich hiebei nicht rechnen, da sie es lächerlich fanden,
sich für nichts zu plagen. Ich schnitt nun mit meinem Messer alle Wurzeln
in einem Kreise von etwa 3' Durchmesser aus dem Boden, wühlte die Erde
heraus, was nicht besonders schwer ging und traf auf eine Lage lehmartigen,
harten Schlammes, der etwa 3' tief war und schnell sich herausschaffen
liess. Jetzt fand ich Sand, und bei einer Tiefe von etwa 5' quoll mir
Wasser entgegen, das süss und trinkbar war. Da die Soldaten den Erfolg
meiner Mühe sahen, halfen sie mir nun auch. Der Sand wurde in Mützen
herausgeschafft, wobei sich die oben Befindlichen auf den Bauch legen
mussten, um ihn aus meinen Händen zu nehmen. Ich stieg nun aus meinem
Loche, liess das Wasser sich sammeln und die Unreinigkeiten sich setzen.
Hierauf reinigte ich mich selbst im Strome, und erquickte mich sodann mit
den Uebrigen am Wasser unserer Quelle. Diess war freilich nicht so gut,
wie das Regenwasser, aber sehr klar und trinkbar. Hiezu zogen wir noch den
übrigen Vorrath von Bananen und Speck hervor und speisten nach Herzenslust.

Die hell brennenden Feuer und ein günstiger Seewind trieben die Mosquittos
von uns weg, und wir schliefen, unbekümmert um den Rest des Weges, den
wir den folgenden Tag noch zurückzulegen hatten, als gegen Mitternacht ein
Trupp Brüllaffen auf den Bäumen über uns ein höllisches Geschrei anhuben
und wir erschrocken aus dem Schlafe fuhren. Wir fachten nun die beinahe
erloschenen Feuer wieder an, deren Schein diese unwillkommenen Ruhestörer
in eilige Flucht trieb.

Des Morgens, nachdem wir statt des Kaffees uns mit Wasser erfrischt, und
auch unsere Feldflaschen damit gefüllt hatten, verliessen wir mit schwerem
Herzen unser Lager und marschirten durch Dick und Dünn weiter. Eine
Sandritze, die einige Schritte längs des Ufers hin sich erstreckte,
erleichterte uns Anfangs den Marsch, obgleich wir uns bei jedem Schritte
durch Lianen und stachlichte Palmen winden mussten. Ich fand hier eine
grosse Schildkröte, die ich mit dem Säbel aufhieb, um wenigstens das
Fleisch im Brodsack mitnehmen zu können, da sie zum Tragen zu schwer war.
Der Wald wurde immer dichter, und die Fluth erlaubte uns nicht, längs
des Strandes zu marschiren. Jeder Schritt, den wir durch diese Wildniss
machten, kostete vorher fünf Minuten Arbeit mit dem Säbel.

Wir waren auf drei Seiten von Lianen umgeben, die von der Dicke eines
Bindfadens, bis zu der eines Ankertaus sich vorfanden, alle Gesträuche und
Bäume umstrickten, und auf der vierten rollten die Wellen der Fluth
durch die Wurzeln des Gesträuches, sodass wir von Zeit zu Zeit von
dem schmutzigen Wasser über und über bespritzt wurden. Wir machten, so
unglaublich diess auch scheint, wohl einige 100 Schritte auf den Zweigen
und Luftwurzeln der Bäume, ohne den Boden zu berühren, ja manchmal
waren wir 15' über ihm, und es kostete uns keine kleine Mühe, das Gewehr
nachzuziehen.

In die Länge auf diese Affenart zu reisen, war unmöglich; wir beschlossen
desshalb, die Ebbe abzuwarten, und dann entweder zurückzukehren, oder
weiter zu reisen, wenn der Strand nicht aus zu weichem Schlamme bestände.
Wir blieben so in den Zweigen sitzen und erblickten glücklicherweise bald
ein Boot, das den Correntin aufwärts fuhr.

Ein Hemd, das ehemals weiss gewesen war, wurde an einen Stock gebunden
und mit diesem geweht, auch waren wir so glücklich, unsern, mit Schlamm
bedeckten Gewehren zwei Schüsse zu entlocken, worauf die Mannschaft des
Bootes, die aus vier, nach der Nannaykreek bestimmten Indianern bestand,
uns bemerkte und aufnahm. Kaum sassen wir im Boote, so wusch ein gewaltiger
Platzregen, der erste nach vielen Monaten, uns allen Schlamm vom Leib.

Die zwei weggelaufenen Neger hatten beinahe den gleichen Weg, wie wir, nach
dem Correntin eingeschlagen, und, nachdem sie den Strand erreicht hatten,
eines unserer kreuzenden Boote angerufen, in der Meinung, es sey ein
englisches von der gegenüberliegenden Pflanzung.

Man nahm sie auch willig ein, und sie konnten bald ihren Irrthum
wahrnehmen, weil man auf ihre Bitte, sie nach dem jenseitigen Ufer zu
führen, dem Posten Nickerie zusteuerte.

In der Nannaykreek trafen wir nun das unserer harrende Detachement.

Eine volle Schüssel warmer Bananen und das Fleisch der Schildkröte wurde in
Gemeinschaft verzehrt, und des Abends fuhren wir in drei Stunden nach
dem Posten zurück, während uns diese Entfernung einen dreitägigen, höchst
schwierigen Marsch gekostet hatte.

Wenige Tage nach meiner Zurückkunft von dieser ermüdenden Expedition fuhr
ich mit der Wasserpont, welche während der Trockenzeit alle acht oder
zehn Tage nach dem obern Nickerie fuhr, um süsses Flusswasser für das
Detachement zu holen. Das Fahrzeug war ohne Dach und hatte etwa 30 Fässer
geladen, die oberhalb der Mündung der Maratacca, wenn die Zeit der Ebbe
beinahe vorüber, somit das Wasser am reinsten war, gefüllt wurden.

Wir waren am Abend des dritten Tages auf der Heimreise begriffen und nahe
bei der Pflanzung Krabbahoek, als die Neger mich auf eine grosse Schlange
aufmerksam machten, die im Schlamme am Ufer lag. Ich sah anfangs nichts,
als einen mit Schlamm und angeschwemmtem Laube bedeckten, unförmlichen
Haufen, und erst, als der Steuermann mit der Ruderstange hineinstiess,
konnte man die gefleckte Haut des Thieres unterscheiden. Ein Stoss, wie der
mit dem Ruder geführte, hätte einem Menschen sicher alle Rippen im Leibe
gebrochen; das Ungethüm schien ihn aber nicht gefühlt zu haben. Ich war
desswegen der Meinung, es sey todt und von der Fluth angeschwemmt, und
wollte es in das Fahrzeug ziehen. Die Neger aber versicherten mich, dass
das Thier weder krank noch todt wäre, und ein Schuss nach ihm mich schon
von seiner Activität überzeugen würde. Desshalb schoss ich mit leichtem
Hagel auf Gerathewohl in den Klumpen, worauf sich der Kopf aus der Mitte
des verschlungenen Körpers hob und auf eine andere Seite legte. Jetzt
fuhren wir so nahe als möglich an's Ufer, und ich schoss in einer
Entfernung von kaum drei Schritten abermals. Mit einer Schnelligkeit, die
man einem so trägen Thiere nicht zutrauen sollte, schoss jetzt die Schlange
wohl 12' in die Höhe, um mit offenem Rachen auf mich hereinzustürzen.

Dieser Angriff kam mir so unerwartet, dass ich über Hals und Kopf in's
Fahrzeug fiel, während der Steuermann, ein baumstarker Neger, das wüthende
Thier mit der Ruderstange anfiel, das endlich in seiner blinden Wuth sich
um diese schlang und in das eisenharte Holz biss.

Ich hatte mich unterdessen wieder von meinem Schrecken erholt und mein
Gewehr zum drittenmal geladen. Den Lauf desselben setzte ich jetzt der
Schlange auf den Kopf, die nun auch auf den Schuss sogleich todt war.

Wir zogen sie nun mit vereinten Kräften ins Fahrzeug, wo ich ihr auf
dringendes Bitten der Neger den Kopf und Schwanz abhieb. Des Morgens
schleppten wir sie an's Land und an die Kaserne, wozu sechs Mann nöthig
waren; denn sie mass ohne Kopf und Schwanz 26' und hatte die Dicke eines
mässigen Mannsleibes. Ich war der Meinung, dass ihre Trägheit Folge eines
tüchtigen Frasses sey, in welcher mich die unverhältnissmässige Dicke des
Körpers bestärkte. Wie erstaunt waren wir daher, als man den Magen ganz
leer fand, jedoch 78 Blasen von der Grösse eines Gänseeies herausholte,
deren jedes eine 1½' lange Schlange enthielt, und die alle wie ein
Paternoster aneinandergereiht, in einem Darm sich befanden. Sie war sonst
sehr mager; denn das ausgebratene Fett betrug blos zwei Pinten. Um die Haut
abziehen zu können, zogen wir sie mit vieler Mühe an dem Balken der Kaserne
hinauf, der etwa 20' über dem Boden war. Einer kletterte dann, so »=à la
Stedman=« an der Schlange empor, um das Fell abzulösen. Vom Fleische nahm
ich einige Stücke, die als Beefsteaks und Ragout behandelt wurden.
Hiezu fanden sich aber wenig Liebhaber, wiewohl das Fleisch weiss
und wohlschmeckend war. Den Rest warfen wir auf die Sandbank, wo mit
aufsteigender Fluth die Haifische ihr Gaudium daran hatten. Die Haut hatte
ich an der Aussenseite der Kaserne aufgenagelt; sie schrumpfte aber so
zusammen, dass sie zu nichts mehr brauchbar war.

Der Militärdienst des Postens war ziemlich strenge und ermüdender, als der
in Paramaribo. Besonders litten wir Korporale darunter, da wir nur zwei,
höchstens drei Nächte frei hatten, und auf der Wache, besonders wenn der
Wind weniger stark wehte, und die Mosquittos freies Spiel hatten, keinen
Augenblick schlafen konnten.

Die Wachstube glich an Schwärze einem Schornstein; denn nur durch Rauch
konnte man das höllische Ungeziefer verjagen. Auf Spaziergängen war man
beständig in Wolken dieser lästigen Insekten eingehüllt, und stille zu
stehen war gar nicht möglich.

Auf dem Posten war eine kleine Kirche, an welcher ein protestantischer
Missionär angestellt war, der den Negern das Wort Gottes an's Herz zu legen
hatte. Auch wir Soldaten mussten manchmal die Kirche besuchen, und
jeden Sonntag hatte der Korporal der Wache den Befehl des Landdrostes zu
überbringen, welcher bestimmte, ob Predigt für die Soldaten seyn sollte,
oder nicht. Es war meistens keine für uns abzuhalten; dem guten Pfarrer
fiel jedesmal ein Stein vom Herzen, wenn der Korporal die Nachricht
brachte, und ein guter Schnaps war jedesmal die Belohnung des Ueberbringers
dieser Nachricht. Wenn Kirche war, so studirte sich der gute Mann halbtodt,
um uns mit lehrreichen Geschichten zu unterhalten. Kaiser Nero und andere
stockblinde Heiden spielten desshalb in seinen Vorträgen immer grosse
Rollen, und die ungezogene Gemeinde lachte zuweilen überlaut.

In den ersten Monaten des Jahrs 1839 kam an die Stelle des wachhabenden
Schooners eine kleine Kriegsbrigg, und in das einförmige Leben der Bewohner
auf Nickerie kam dadurch einige Abwechslung.

Die Seeofficiere besuchten häufig den Posten und die Pflanzungen, und man
hörte von Bällen und Soirées.

Ich hatte längst gewünscht, die Dörfer der Indianer an der obern Maratacca
besuchen zu können, und bekam durch die Güte meines Kommandanten, der
beim Gouvernement um seine Entlassung als Landdrost gebeten und diese auch
erhalten hatte, die Erlaubniss dazu. Da er die Reise zur Stadt durch
das Innere machte, so benützte ich diese Gelegenheit, mit ihm bis an den
indianischen Posten an der Maratacca zu fahren.

Wir verliessen den Posten zu Ende Mai's unter einem heftigen Regenguss, und
kamen mit anbrechendem Tage bei den Indianern an.

Der Kommandant setzte seine Reise weiter fort, und ich miethete einige
Indianer, die mich nach den höherliegenden Dörfern bringen sollten.
François, der Posthalter wollte mich selbst dahin begleiten, und wir fuhren
gegen Mittag auf einer kleinen Corjaal in die Maratacca. In Folge heftigen
Regens war der Wasserstand ungemein hoch, und nur wenige Fluth begünstigte
uns.

Wir hatten sechs kräftige Indianer, die unter immerwährenden Scherzen aus
Leibeskräften ruderten. Es war ein trüber, regnerischer Abend, und wir Alle
waren froh, als wir den Werkplatz einiger Zimmerneger, die hier Bretter
sägten, erreicht hatten.

In der Hütte dieser Leute hingen wir unsere Hängematten auf und schliefen
einige Stunden, bis der Mond aufgegangen war. Der Regen hatte aufgehört und
der Himmel war mit Sternen bedeckt. Todesstille herrschte um uns her, und
nur Laubfrösche quackten in verschiedenen Melodieen auf den Bäumen.

Um einen grossen Umweg, den die Maratacca bildet, abzuschneiden, fuhren die
Indianer durch eine, höchstens 4' breite Oeffnung, die mir am hellen Tage
entgangen seyn würde, in einen kleinen Kanal. Da manchmal Bäume über ihn
gefallen waren, so musste man sich oft platt in die Corjaal legen, um den
Kopf nicht anzustossen.

Der Mond bildete nur eine schmale Sichel, und auf allen Seiten umgab uns
der dichteste Hochwald; desswegen war es hier stockfinster. Hier sah ich
Sträucher leuchtender Pflanzen an dem etwas hohen Ufer. Diese waren 2-2½'
hoch, an Gestalt so ziemlich der Asclepias carrasaviva ähnlich, und hatten
lange, spitzige Blätter. Ihr Glanz war bei weitem nicht so stark, wie der
der Feuerfliegen, und hatte etwas bläulich Phosphorartiges; doch konnte
man alle Umrisse deutlich unterscheiden. Weil ich ganz der botanischen
Kenntnisse entbehrte, habe ich vergessen, ein Exemplar dieser so
merkwürdigen Pflanze mitzunehmen.

Mit anbrechendem Tag kamen wir wieder in die Maratacca. Das Land erhöhte
sich allmählig, und der schönste Hochwald säumte die Ufer der Kreek, die in
den wunderlichsten Krümmungen sich südwestlich zog.

Regenschauer durchnässten uns auch heute, wie überhaupt in dieser Beziehung
der Monat Mai der schlimmste des Jahres ist.

Wir fanden gegen Mittag eine kleine Hütte, die von einer Arowackenfamilie
bewohnt war. Das Mittagessen wurde hier gekocht, und ich überdiess mit
Cumu tractirt, den man in Ermanglung von Zucker mit dem süssen Mehl der
Lokus-Bohne gewürzt hatte[10]. Die halbe Nacht brachten wir wieder in
einigen leerstehenden Hütten zu, und vor Tagesanbruch kamen wir an den
Landungsplatz der Savannendörfer.

Wir hatten vom Nachtlager Feuer mitgebracht, und es loderte desshalb bald
eine kräftige Flamme auf, um die wir im Kreise herumsassen und den Tag
erwarteten. Unsere Indianer gaben mit ihren Pfeifen ein Concert, um ihre
Ankunft ihren Freunden mitzutheilen.

Die Maratacca mochte hier etwa 60' breit seyn. Ihre Ufer waren hügelig und
mit Hochwald bewachsen, hinter dem unabsehbare Savannen, wahrscheinlich
bis zur Correntin, sich erstreckten. Das Durchwaten der Kreek ist in
der Trockenzeit leicht. Nach der Aussage der Indianer soll sie mit der
Correntin in Verbindung stehen; wenn diess der Fall ist, so bin ich davon
überzeugt, dass der Zusammenfluss nicht weit entfernt von hier stattfindet.
Jedenfalls wird die Entfernung der Savannendörfer vom rechten Ufer des
Correntins nicht über zehn Stunden betragen, was in sofern von Wichtigkeit
ist, als viele Plantagenneger an der Maratacca arbeiten, und durch diese
Kreek, oder die Savannen derselben einen leichten, gefahrlosen Weg nach der
englischen Colonie hätten.

Mit anbrechendem Tage fanden sich mehrere Indianer ein, welche unserem Dram
fleissig zusprachen und uns dann nach ihren Dörfern begleiteten. Am Wege
dahin waren grosse Cassavefelder, die sich bis an die Savannen erstreckten.
Nachdem wir etwa zehn Minuten gegangen waren, öffnete sich der Wald, und
eine grosse Savanne lag vor uns, die stellenweise sich sanft erhob und
stundenweit nach Westen auszudehnen schien.

Wie in den Savannen der Casawinika und Saramacca die Mauritzenpalmen
vorherrschen, weil der mehr ebene Boden die Feuchtigkeit, welche diese
so sehr lieben, besser bewahrt, so waren hier die Awarrenpalmen ungemein
zahlreich. Man fand sie hier von einer Höhe, die sie anderswo nie
erreichten, sowohl am Rande der Wälder zerstreut, als in kleinen
malerischen Gruppen beieinanderstehend.

Aus dem Hochwald, der diese Flächen umzog, blickten die brennenden
Blumen des Grünhart hervor, und tausenderlei Blüthen schmückten das grüne
Laubwerk, das in Folge der häufigen Regen eine herrliche Frische zeigte.
Selbst Gras und Blumen, welche den sandigen, sonst unfruchtbaren Boden
schmückten, prangten in voller Blüthe, während in den Trockenzeiten, welche
Alles dürr und verwelken machen, dem Auge ein unfreundliches Bild sich
darbietet. Unter Bananen-, Papayas- und Awarrabäumen fanden wir die Dörfer
der Indianer versteckt. Zwei derselben waren von Waraus, und das dritte,
weiter entfernte von Arowacken bewohnt; und sie zählten zusammen etwa 200
Bewohner.

Wir wurden vom Oberhaupt dieser Dörfer, der als Zeichen seiner Würde einen
Stock mit grossem, silbernem Knopf erhielt, aufs Beste empfangen, und mit
Cassave und Ananas (mehr hatte er nicht) bewirthet, wogegen ich den Rest
meines Drames mit ihm theilte.

Die Merkwürdigkeiten des Platzes waren bald besehen, und bestanden, die
schöne Lage ausgenommen, in nichts Besonderem, wodurch er sich vor andern
Indianerdörfern ausgezeichnet hätte. Es war Alles mit dem Reiben von
Cassave und Ananas, sowie mit der Bereitung eines Trankes, den man
Casiri nennt, beschäftigt; denn in ein paar Tagen sollte ein grosser Tanz
stattfinden, und die Corjaal, nebst den Trögen, worin die Leckerei bereitet
wurde, standen bereits in der grössten Hütte. Die Sitzbänke sind aus
Cederblöcken geschnitzt und sehr massiv. Ihre Enden stellten Kaimans- und
Käferköpfe vor, und waren blau und roth bemalt. Es wurde mir hier ein Trank
gereicht, der aus den reifen Früchten der Awarra bereitet war und sehr
angenehm schmeckte[11]. Die reifen Früchte der Awarra werden einige Tage in
die Erde eingegraben, wodurch ihr Fleisch mürbe und weich wird, so dass
es sich in einem grossen Troge leicht von den Steinen abstampfen lässt. Es
wird dieses sodann in einen Kurikuri, einen Korb, der aus dem Baste einer
rohrartigen Pflanze, Warimbo genannt, gemacht ist, und der vorher dicht mit
Heliconienblättern belegt wird, eingedrückt, und sodann im kalten
Wasser der Kreek, das nicht durch die Blätter dringen kann, einige Tage
ausgesetzt, wodurch die ölige Substanz, die in dem faserigen Fleische
sitzt, mehr flüssig gemacht wird.

Eine Handvoll dieser Masse in eine Kalabas voll Wasser ausgedrückt, färbt
dieses mennigroth, macht es fett und angenehm säuerlich süss. Mit Zucker
vermischt, ist es wirklich ein köstlicher Trank, und ich ziehe ihn dann
selbst dem Cumu vor.

Das Völkchen schien im Ueberfluss zu leben; denn Cassavebrod war in Menge
vorhanden, und die Felder befanden sich im besten Zustand. Nur Schade,
dass dieses Wohlleben nur temporär ist und gar häufig Zeiten eintreten, in
welchen Awarra, Maripa und andere Waldfrüchte den hungrigen Magen stopfen
müssen, und zwar nur desshalb, weil die Leute zum Pflanzen zu faul
waren. Die Waraus besonders sind als Faullenzer bekannt; doch sind solche
Hungerzeiten bei den Caraiben ebenfalls nicht selten.

Ich habe hier eine merkwürdige Art von Begrüssung wahrgenommen, die ich,
wenn ich auch den Sinn der Worte nicht begriff, wenigstens doch sehr
zeitraubend fand. Der Neuangekommene wird gewöhnlich mit Essen oder einem
Tranke traktirt, und bedankt sich dann zuerst bei dem Oberhaupt der Hütte
in höchst weinerlichem Tone, worauf derselbe nichts anders als »Wan«
erwidert. Hierauf bedankt er sich bei jedem andern männlichen Bewohner
besonders, und bekommt ebenfalls nichts als »Wan« zur Antwort. Ist nun
Niemand mehr zu becomplimentiren, so bedankt man sich ganz auf dieselbe
Weise bei dem Fremden für seinen Besuch, der dann auch die bekannte Formel
gegen jeden gebraucht.

Die Caraiben sind bei weitem nicht so ceremoniös, und bedanken sich blos im
Allgemeinen und beim Empfang der Speisen mit Jo.

Im Hause meines Wirthes sah ich ein paar Frauen, die wohl hundert Jahre alt
seyn mochten. Sie spannen Baumwolle und sassen in ihren Hängematten,
die sie nie verliessen. Sie waren beinahe blind; desswegen musste das
Feuerchen, das unter ihren Hängematten brannte, von Kindern unterhalten
werden. Ihre Haare waren trotz ihres hohen Alters kohlschwarz und dicht.

Beinahe in jeder Hütte fand man Hunde, die bei unserer Ankunft immer
ein schreckliches Gebell erhoben, in welches Affen, Papageyen und andere
gezähmte Thiere miteinstimmten. Am auffallendsten sind die Hühner, die
beinahe noch einmal so gross als die gewöhnlichen, in Menge vorhanden,
und desshalb wohlfeil zu bekommen waren. Auf den Plantagen leben sie nicht
lange, geben auch keine ihnen gleiche Zucht.

Mit einem Affen, Hühnern und Ananassen reichlich versehen, trat ich die
Rückreise an, und war am achten Tag wieder auf meinem Posten.

Mein Kommandant hatte mir bei seiner Abreise das Versprechen gegeben, mich
so bald als möglich nach Paramaribo kommen zu lassen, weil er wusste,
dass ich auf Nickerie wenig Vergnügen hatte; denn der Umgang mit meinen
Kameraden hatte für mich wenig Angenehmes, und das Herumschwärmen nach
Insekten im Busch und Wald war hier unmöglich. Mit grosser Ungeduld sah ich
der Zeit meiner Abberufung entgegen. Ein Ereigniss aber, das ich kurz hier
anführe, um zu beweisen, wie listig manche Neger sind, und wie schwer
es hält, sie vor Desertion zu hüten, wenn sie sich dieselbe in den Kopf
gesetzt haben, verzögerte meine Abreise.

Mehrere Monate vorher, ehe ich den Posten verliess, kam ein
Gouvernementsbrief an den Landdrost, welcher die Nachricht enthielt, dass
ein berüchtigter Wegläufer sich in den Wäldern zwischen dem Ober- und
Niederdistrikt aufhalten müsse. Dieser war nämlich schon vor längerer Zeit
von einer Pflanzung an der Hoerhelena-Kreek in einem Corjaal entwischt
und hatte sich zur Nachtzeit nach Paramaribo begeben. Dort liess er sein
Fahrzeug wegtreiben und stahl in den Aeckern im Umkreise der Stadt seinen
Lebensunterhalt. Da er aber hier der Gefahr sich aussetzte, gefangen zu
werden, beschloss er, sich nach dem Niederdistrikt zu begeben, weil er dort
früher gearbeitet hatte und desshalb bekannt war. Zu diesem Zweck stahl er
in der Saramakka, wohin er sich zu Fuss begab, aufs Neue eine Corjaal,
fuhr blos bei dunkler Nacht diesen Strom abwärts, passirte so ungesehen die
Militärposten und das Wachtschiff und kam glücklich in die See. Während er
aber nahe am Oberdistrikt den Tag über seine Corjaal in einer kleinen Kreek
verbergen wollte, wurde er von Fischernegern einer nahegelegenen Pflanzung
entdeckt, gefangen genommen und nach dem Posten Coroni gebracht. Dort
wusste er sich unter den Augen einer Schildwache seiner Ketten zu
entledigen, und es gelang ihm, zu entkommen, ohne dass man ihn sogleich
vermisste. Ein altes Hemd und ein gesalzener Fisch wurden von ihm noch aus
der Küche der Soldaten mitgenommen.

Die Schildwache, unter deren Aufsicht er stand, wurde in Folge seiner
Flucht in Paramaribo zu fünf Jahren Festungsarbeit verurtheilt.

Fruchtlos wurden von uns Patrouillen nach ihm ausgesandt. Endlich
entdeckte man ihn hinter den Kostäckern der Pflanzung Nursery, wo er sich
verproviantirte. Er hatte im Walde ein kleines Hüttchen gebaut, das er
so lange zu bewohnen gedachte, bis sich eine günstige Gelegenheit zum
Entkommen nach der englischen Colonie zeigen würde. Mit Stricken und
Ketten gefesselt wurde er nach dem Posten gebracht, wo ihm die besten Eisen
angelegt wurden. Den Tag über wurde ihm eine Schildwache beigegeben,
unter deren Aufsicht er den Platz vom Grase säubern musste, und des Nachts
schloss man ihn in die Arrestkammer. Man wartete nun auf eine günstige
Gelegenheit, um ihn nach Paramaribo zu bringen.

Inzwischen wurde der Kerl krank und so schwach, dass man ihm die Ketten
abnehmen musste. Er stöhnte und jammerte so erbärmlich, dass man ihn seinem
Ende nahe glaubte, und bat daher den wachhabenden Corporal um Gotteswillen,
ihn doch aus der Arrestkammer, wo ohne Feuer die Mosquittos freies Spiel
hatten, zu nehmen und in der Wachtstube in den Block zu schliessen, was der
gutmüthige Corporal auch that. Scheinbar halb todt brachte man ihn aus dem
Arrest und schloss seine Füsse in den Block.

Kaum war es dunkel, so brach er mit einem alten Stück Eisen, das er in
seinem Kamis (Binde um den Leib) versteckt hatte, das Charnier des Blockes
auf und lief ganz still weg. Man schlug nun Allarm, und der ganze Posten
machte sich auf die Beine, um dem Entlaufenen, dessen Krankheit blos eine
geheuchelte war, nachzusetzen, aber ohne Erfolg.

Zwei Tage hernach kam meine Ablösung aus Paramaribo. Diese trat aber an
die Stelle des Corporals, dem der Neger entschlüpft war, und der nun nach
Paramaribo vor den Kriegsrath geschickt wurde. So musste ich denn zu meinem
grossen Aerger noch bleiben. Hiezu kam noch der angenehme Auftrag, auf
den Plantagen die abermalige Flucht des gefährlichen Kerls anzuzeigen, bei
welcher Gelegenheit ich gar manches bittere Wort über die Wachsamkeit von
60 Mann hören musste.

Sechs Wochen später wurde der Entlaufene beinahe auf demselben Flecke, wo
er zuerst gefangen ward, wieder arretirt und unter grossem Jubel nach
dem Posten gebracht. Dass man jetzt alle Vorsicht gebrauchte, lässt sich
denken. Geschlossen musste er unter der Gallerie des Wachthauses sitzen, wo
ihn die Schildwache beständig zu beobachten hatte.

Aber auch hier wäre er beinahe wieder entwischt; denn er benützte den
Augenblick, wo die Schildwache um das gegenüberliegende Hospital ging, um
in die Wachtstube zu kriechen, wo er aus der unverschlossenen Schublade den
Schlüssel seiner Fesseln holte.

Als die Schildwache von ihrer, kaum eine Minute dauernden Wanderung
zurückgekommen war, sass er wieder ruhig an seinem Platze. Kaum drehte ihm
diese von Neuem den Rücken, so schloss er behend seine Fesseln auf, legte
diese zum Spott auf den Tisch und lief weg. Glücklicherweise sah diess aber
die Schildwache, und er wurde bald wieder eingeholt, weil er einige Tage
krumm geschlossen gesessen hatte und in Folge davon nicht so schnell laufen
konnte.

Dass es nun neue Hiebe regnete, und die ganze Wachmannschaft ihre Wuth
an ihm ausliess, versteht sich von selbst. Der Landdrost aber, der des
gefährlichen Kerls sich gerne entledigt hätte, hatte im Sinn, ihn unter
meiner Aufsicht mit dem Tentboot auf der Nickerie und Saramacca nach der
Stadt zu schicken. Glücklicherweise kam aber zwei Tage später ein Schooner,
auf welchem ich mit zwei Soldaten und dem Gefangenen, nebst 26 Kühen,
welche der Kapitän des Schooners mitnahm, Nickerie verliess.

Wir kamen nach einer siebentägigen, stürmischen Fahrt, während welcher
fünf unserer vierfüssigen Reisegefährten starben, den 5. September 1839 in
Paramaribo an.

Es ging nun alles wieder seinen alten, maschinenmässigen Gang: Wache,
Exerciren und Compagniedienst wechselten wie früher; zuweilen fand ich auch
einen freien Tag, den ich zum Besuch der umliegenden Wälder benützte.

Zu Ende Octobers wurde ich abermals detachirt und kam nun an den
Seeposten Alsimo, der bei der Pflanzung gleichen Namens an der Mündung der
Warappakreek liegt.

Dieser Posten wurde von einem Sergeanten kommandirt, und die sechs Soldaten
hatten die leichtesten Dienste.

Lebensmittel gab es hier in Menge; nur musste man das Regenwasser
anderthalb Stunden weit herbeiholen, obgleich auf der Pflanzung in grossen
Wasserbehältern solches im Ueberfluss war. Das Detachement lebte aber
in grosser Feindschaft mit dem Director derselben, der sogar behauptete,
Sergeant und Soldaten seyen seinen Hühnerställen gefährlicher, als
Tigerkatzen und Awaris (Beutelratzen).

Diese Behauptung war freilich nicht ganz ungegründet; denn manche Ente und
mancher Truthahn, welche sich erfrechten, das herumliegende Welschkorn in
der Kaserne aufzupicken, kehrte nicht mehr nach der Plantage zurück.

Eine alte Negerin der Pflanzung, welche die Aufsicht über das Federvieh
hatte, bekam dann regelmässig eine Tracht Schläge. Der Director liess sogar
nach Federn im Umkreise der Kaserne suchen, um seine Anklagen beweisen zu
können; aber die Soldaten waren so klug, und sandten sie mit der Ebbe in
die See.

Nach sechs Wochen langweiligen Aufenthalts wurde ich zu meiner grossen
Freude wieder abgelöst und nach dem Hauptquartier versetzt.



Sechster Abschnitt.

  Abreise nach der Marowyne. Seekrankheit. Haferey. Posten Prinz Willem
  Frederik. Erste Beschäftigungen. Umgebung des Postens. Stranden der
  Catharina Jakoba. Raubsucht der Matrosen. Ueberfluss auf dem Posten.
  Interessante Soirée. Abholen der Güter von Bord. Brodtrunkenheit
  der Soldaten und Matrosen. Ankunft des Kommandanten. Das Wrak. Ein
  Possenreisser. Abfahrt der Soldaten nach Armina. Kriegsmatrosen und
  Arowack-Indianer. Nachtbilder in der Bäckerei. Lebensweise, Sitten und
  Gebräuche der Caraiben. Zurückkunft des Schooners. Die Haushälterin.
  Wohlfeiler Tabak. Seeschildkröten. Mosquittosplage. Bremsen. Arbeiten
  am Wrak. Reise nach Armina. Leben der Soldaten dort. Handel. Kauf des
  Wraks. Fahrt nach dem Kloster Mana. Die Aebtissin. Das Etablissement
  Mana. Bevölkerung. Reinlichkeitssinn. Bereitung des Tapioca. Weitere
  Arbeiten am Wrack. Verkauf desselben. Besuch auf Mana. M's. Streit mit
  der Aebtissin. Der Rokou oder Orleanbaum. Gefahr auf der Zurückreise.
  Muschelfang. Die Seekuhkreek. Traurige Nachricht. M's. Abreise.
  Die Chika oder Sandfloh. Der Mosquittoswurm. Vampyre. Schlangen.
  Klapperschlange. Streit mit einem Indianer. Besuch der französischen
  Leproserie. Bau neuer Häuser auf dem Posten. Der Geelbakker. Krankheit.
  Die Pompaschlange. Zurückreise nach Paramaribo.


Ich hatte nun von 4 Dienstjahren 2½ Jahre auf Posten zugebracht und glaubte
desshalb, beim Anfang des Jahres 1840, wenn die Posten gewöhnlich abgelöst
werden, in Garnison bleiben zu dürfen.

Diess war aber nicht der Fall, denn ich wurde nach dem entlegenen Posten
Armina, dessen sämmtliche Wachmannschaft abgelöst wurde, beordert.

Unser Detachement bestand aus dem Kommandanten, einem zweiten Lieutenant
der Colonial-Guiden, einem Sergeanten, einem Korporal, 10 Jägern und 3
Kanonieren. Die Haushälterin des Sergeanten (eine Mulattin mit ihrem Kind)
vermehrte die Gesellschaft. Ausserdem waren noch 10 Matrosen von allen
Farben, sowie ein Kapitän, an Bord.

Es war der Schooner Beschermer, der früher auf Nickerie als Wachtschiff
gedient hatte und ganz besonders darin geschickt war, die zur Seekrankheit
geneigten Constitutionen so krank und elend, als möglich, zu machen.

Die für den Posten bestimmten Lebensmittel und das Gepäck der Offiziere
füllten den Raum des an sich schon kleinen Fahrzeuges so an, dass es
unmöglich war, einen Fuss auf das Verdeck zu setzen. Selbst für unsere
Kisten fand sich kein Platz mehr und sie mussten desshalb auf dem Verdeck
stehen bleiben.

Es war Ende Januars, als wir Paramaribo verliessen und noch war die Mündung
des Flusses noch nicht erreicht, als schon die meisten von uns, und ich
wohl am ärgsten, von der Seekrankheit befallen waren. Man hörte nichts als
Klagen und Stöhnen, und einer fiel über den andern. An Essen und Trinken
war bei mir wenigstens nicht zu denken und immerwährendes Erbrechen
schwächte mich so, dass selbst der Lieutenant, der sonst nicht viel weggab,
mir eine Tasse Kaffee anbot.

Glücklicherweise währte die Reise nicht lange; denn schon am Morgen des
vierten Tages lagen wir in der Mündung der Marowyne vor Anker.

Kaum hörte man das Brausen der Fluth an den vielen Sandbänken, welche
diesen Strom so gefährlich machen, als der Kapitän die Anker lichten liess
und unter beständigem Looden hineinsegelte.

Noch hatten wir drei Faden Wasser, als kaum eine Minute später der Schooner
mit solcher Gewalt an eine Bank stiess, dass wir Alle zu Boden stürzten.

Jetzt folgte Stoss auf Stoss, so dass das Steuerruder losriss und der lose
Kiel sich ablöste. Die Sache sah sehr gefährlich aus, denn es zeigte sich
ein bedeutender Leck. Anhaltend musste man pumpen; überhaupt wurden alle
erdenklichen Mittel angewendet, um das Fahrzeug wieder flott zu machen.

Obgleich die Sache weniger lebensgefährlich war, weil in den zwei Booten
des Schooners wir uns Alle leicht hätten retten können, so stand doch die
Ladung auf dem Spiel.

Der sonst so bedächtige Kapitän hatte den Kopf ganz verloren; doch wurde
das Fahrzeug bei aufsteigender Fluth wieder von selbst flott und unter
immerwährendem Pumpen erreichten wir glücklich den Posten Prinz Willem
Frederik, der von Ferne einem halbverfallenen Indianerdorfe nicht unähnlich
sah.

Abends 5 Uhr betraten wir mit unsern Habseligkeiten das Land, wo wir den
Kommandanten und den Doctor von Armina trafen. Sogleich traf man Anstalten,
um den Schooner auszuladen und wir waren beinahe die ganze Nacht damit
beschäftigt, Fleisch-, Mehl- und Salzfässer nach dem Posten zu rollen. An
Schlaf war bei der Unzahl von Mosquittos gar nicht zu denken.

Der Posten selbst war wirklich noch tausend Mal schlechter, als er, vom
Strande aus gesehen, schien; denn er bestand nur aus drei Hütten, von
welchen die erste, am Strome stehende, grossartig Kommandanten-Wohnung
genannt wurde. Eine andere hiess Kaserne, diese lehnte sich unter einem
Winkel von beinahe 40° an die Bäckerei an, welche eine entgegengesetzte
Richtung angenommen hatte. Alle drei waren aus Pallisaden gebaut, mit
Pinablättern gedeckt und so gut gegen Regen und Mosquittos verwahrt, dass,
wenn Thüren und Fenster geschlossen waren, die Ziegen durch die Lücken der
fehlenden Palissaden ins Haus kommen konnten. Beim Regen blieb kaum ein
Plätzchen übrig, um die Gewehre trocken zu halten, und bei heftigem Winde
flüchtete man aus guten Gründen ins Freie.

Ein weites Feld für einen wirksamen Geist, dachte ich, als der
kommandirende Korporal, den ich ablösen musste, mir einige Tage später
nebst dem Inventarium den Posten übergab und mit wichtiger Miene, als
gäbe er Juwelen weg, die alten Schaufeln, Rechen u. s. w. zustellte.
Die Geräthschaften waren überhaupt so alt und abgenutzt, dass man in der
Amsterdamer Judenbrenstrasse keine schlechteren finden wird.

Die Soldaten, welche zur Ablösung des Postens Armina bestimmt waren, wurden
gleich am Tage nach unserer Ankunft im grossen Boote des Postens dahin
abgeschickt, und wir mussten dem Kapitän des Beschermers bei der Reparation
seines unglücklichen Fahrzeuges helfen. Da der als trefflicher Segler
bekannte Schooner ungemein spitz und tief gebaut war, der Leck aber unten
am Kiel sich befand, so kostete es keine geringe Mühe, das Fahrzeug so hoch
ans Land zu schaffen, dass man dem Schaden abhelfen konnte. Endlich war er
wieder so weit in Stand gesetzt, dass man die kleine Reise nach Paramaribo
mit ihm wagen konnte.

In den letzten Tagen des Januar schiffte sich der abgehende Offizier mit
seinen Untergebenen ein, und ich dankte Gott für die Erlösung von einer
Truppe, für welche es bei den schlechten Lokalitäten noch an Platz fehlte.

Zum Unglück stiess der Beschermer in der Mündung des Stromes abermals auf
eine Bank, verlor das Ruder und bekam einen solchen Leck, dass es nur
unter anhaltendem Pumpen möglich war, die Stadt zu erreichen, wo seine
Ausbesserung über 2000 fl. kostete.

Einen Tag nach der Abreise des Detachements machten sich auch der
Lieutenant und der Doctor auf den Weg nach dem Hauptposten. Ersterer lud
so viel als möglich in seine zwei Boote und segelte unter meinem herzlichen
Glückwunsch einer glücklichen Reise davon.

Ich bezog nun die Kommandanten-Wohnung, welche ebenfalls aus Pallisaden
bestund, doch in einem etwas besseren Zustand, als die Kaserne sich befand.

Zum Glück war eine hinreichende Menge von Nägeln und neuen Pallisaden
vorräthig, so dass ich mit Hülfe meiner 5 Soldaten mein Haus nothdürftig
ausbessern und wenigstens so weit herrichten konnte, dass die Ziegen nicht
mehr herein konnten.

Mein Geschäft auf dem Posten war ein sehr einfaches und geringes und die
Besatzung, welche aus einem Korporal und 5 Soldaten bestand, unter welchen
ein Bäcker war, hatte nichts zu thun, als für ihren Unterhalt zu sorgen.
Sah man auf der See ein Schiff in der Richtung nach Westen, so zog man die
holländische Flagge auf, und nahm sie wieder weg, wenn dasselbe passirt
war.

Ausserdem mussten die Lebensmittel, welche alle drei Monate auf einem
Schooner von Paramaribo aus hieher geschickt wurden, so lange verwahrt
werden, bis sie nach und nach vom Hauptposten Armina abgeholt wurden.
Dieser lag etwa achtzehn Stunden weiter landeinwärts, diente zur
Vertheidigung gegen die Buschneger und war mit 1 Offizier, 1 Sergeanten,
13 weissen und 6 schwarzen Soldaten besetzt. Ueberdiess waren noch etwa
8 Neger zum Unterhalt des Postens und zum Transport der Lebensmittel
bestimmt. Ein Doctor und ein Krankenwärter besorgten das Hospital.

So wenig wir nun auch auf unserem Posten zu thun hatten, so ärmlich wäre
unser Leben gewesen, wenn uns nicht bei jeder Gelegenheit von Armina
her Bananen geschickt worden wären; denn der Posten selbst war auf einer
Sandritze und der unfruchtbare Boden brachte nur wenige Awarapalmen hervor,
die ein undurchdringliches Gesträuch bildeten.

Hinter dem Posten waren Sümpfe, die nur in den grossen Trockenzeiten
zugänglich waren und längs des aus Sand bestehenden Seestrandes, auf
welchem man zur Zeit der Ebbe fünf Stunden westlich gehen konnte, zog
sich ein Saum von Hochwald hin, worin Cokus-, Haiawa- und andere Bäume des
Hochlandes gefunden wurden, hinter welchem Süsswassersümpfe, bewachsen mit
Schilf und Gras, parallel mit der Küste liefen. Längs des Strandes fand
man stellenweise ganze Gruppen von Cactuspflanzen (Cactus sexagonus), die
manchmal 25' hoch und über und über mit Stacheln bedeckt waren. Eine rothe,
faustgrosse Feige wuchs in Menge an ihr, diese war zwar süss von Geschmack,
aber zäh und selbst von den Indianern wenig beachtet.

Meine erste Arbeit nach der Ausbesserung meines Hauses war die Reparation
meines Bettes.

Es befand sich nämlich in meiner Kammer eine aus alten Brettern
zusammengenagelte Bettstelle, deren vier verlängerte Pfosten da waren, um
mit Gardinen behangen zu werden. Diese waren aus alten Hosen und Hemden
meiner Vorgänger zusammengeflickt und hatten so viel Löcher und Risse, als
Tage im Jahr sind, daher die Mosquittos freien Eingang hatten. Nach zwei
Tagen, welche ich mit Schneiden und Nähen zubrachte, war die Bettlade im
besten Zustand und es fehlte nichts mehr, als eine Art Strohsack, wenn ich
nicht auf den harten Brettern liegen wollte. Doch zu einem solchen fehlte
es an Zeug und ich musste mich bequemen, auf getrocknetem Gras und Laub
meine Nächte zu durchträumen.

Vom Lieutenant hatte ich auf Credit mehrere Ziegen gekauft, die sein
Vorgänger ihm zurückgelassen hatte, und so konnte ich nun meinen Caffee mit
Milch trinken; überdiess hatte ich noch einige Hühner. Auch meine fünf Mann
liessen sich, wenn kein Dram zu bekommen war, zu Manchem gebrauchen, und so
war ich in meiner neuen Lage sehr wohl zufrieden.

Der ganze, bedeutende Strom war ausser den beiden Militärposten bloss
von Indianern und weiter landeinwärts vom Hauptstamme der Buschneger, den
Aukanern, bewohnt. Ein ziemlich bedeutendes Caraibendorf lag bloss eine
Viertelstunde vom Posten entfernt, und die Bewohner desselben besuchten
mich beinahe täglich. Die Lebensweise, Sitten und Gebräuche dieser Menschen
werde ich später weitläufig beschreiben, um jetzt an ein Ereigniss zu
kommen, das eine bedeutende Rolle während meines Aufenthaltes auf dem
Posten Prinz Willem Frederik spielte, und aus dem ich einen bedeutenden
Vortheil hätte ziehen können. Wenn ich auch hier, wo durch Zufall das Glück
mir lächelte, nur so schüchtern zugriff und nicht nach dem Beispiel meines
Kommandanten, der mehr Routine hatte, mich richtete, so war diess gerade
nicht Folge einer übertriebenen Ehrlichkeit, sondern ich fürchtete mich
theils vor der Strafe, theils regte sich der Wunsch in mir, mich in dieser
Sache vortheilhaft auszuzeichnen.

Ich war nämlich seit der Abreise des Offiziers kaum acht Tage frei und ohne
Zwang auf meinem Posten, als wir am frühen Morgen des 7. Septembers das
Boot eines grossen Schiffes, das seit zwei Tagen in der Mündung des Stromes
vor Anker zu liegen schien, auf unsern Posten zukommen sahen. In diesem
befand sich der Kapitän desselben mit der ganzen Equipage, nebst zwei
Passagieren. Sie hatten ihr reichbeladenes, nach Paramaribo bestimmtes
Schiff, ein grosses holländisches Backschiff, Catharina Jakoba, das auf
einer Bank des Stromes gestrandet war, verlassen. Sie hatten vorher die
Rettung des Schiffes vergeblich versucht und dabei beide Anker verloren.
Kapitän und Passagiere, die über den Verlust ihrer hoch versicherten
Ladung getröstet schienen, sahen bald ein, dass wir in Ermangelung eines
Fahrzeuges nichts zur Rettung des Schiffes beitragen konnten. Doch gab
mir Ersterer die Erlaubniss, an Bord gehen zu dürfen und auf Rechnung der
Assecuranz, welche doch den ganzen Plunder, der zu 45,000 fl. versichert
war, bezahlen musste, abzuholen, was ich für gut fände.

Es war diess das erstemal, dass ich in einen solchen Fall kam, der mich um
so mehr in Verlegenheit brachte, als in meinen Instruktionen, in denen es
keineswegs an kleinlichen Clauseln fehlte, kein Wort über einen solchen
Fall vorgemerkt war. Ich fragte desshalb den Kapitän um Rath, dieser
übergab mir das Handelsgesetzbuch und überliess es mir, die betreffenden
Stellen herauszufinden. Bald war ich darüber im Reinen und ich erklärte dem
Kapitän, dass ich mit Hülfe der Indianer so viel als möglich von der Ladung
ans Land schaffen, davon ein Inventarium aufsetzen und diess dem Gouverneur
übersenden wolle; überdiess werde ich den Vorfall dem Kommandanten auf
Armina per Expressen anzeigen und innerhalb zwei Tagen einen Extrarapport
durch Indianer über See dem Gouverneur zuschicken. Hierauf wurde ich vom
Kapitän mit dem Inhalt der Ladung bekannt gemacht, welche, ausser einer
Menge feiner und ordinärer Lebensmittel, in Manufakturwaaren und über
1200 Kisten Genever bestand. Wegen der Menge der verschiedensten Weine
und geistiger Getränke konnte ich auf den Beistand der Soldaten, welche
Erztrunkenbolde waren, nicht rechnen: denn die Gegenstände, welche ich von
Bord abzuholen gedachte, mussten wegen Mangels an Raum unter freiem Himmel
aufbewahrt werden und waren somit jedem Angriff blossgestellt.

Ich sprach jedoch mit meinen fünf Mann, bat sie aufs Dringendste, sich
nicht zu betrinken, mir in Allem getreulich beizustehen, setzte ihnen auch
auseinander, welchen Vortheil wir aus diesem unglücklichen Zufall ziehen
könnten, und gebrauchte dabei alle Ueberredungskunst, die mir zu Gebot
stand. Hierauf erhielt ich von ihrer Seite das heiligste Versprechen, dass
sie sich lieber die Zunge abbeissen, als einen Schnaps trinken wollen, um
diese Vortheile doch ja nicht entschlüpfen zu lassen.

Die Matrosen waren gegen Mittag in ihrem Boote abgefahren, um, wie sie
vorgaben, ihre zurückgelassenen Kleidungsstücke abzuholen.

Voll vom Gedanken an Reichthum und Ehre, lief ich, wiewohl es beinahe
Hochwasser war, und ich stellenweise bis um den Hals in demselben gehen
musste, nach dem ersten Indianerdorf, um noch denselben Abend so viel
als möglich von dem Schiff abholen zu können. Es war aber gerade
Tanzunterhaltung im Dorfe und ein ganzes Boot stand voll Tapana zum Labsal
der Tanzenden in der grossen Hütte. Desswegen war es für heute nicht
möglich, weder durch Belohnung noch Drohung Corjaalen zu bekommen, weil sie
sich in ihrer Freude nicht stören lassen wollten. Doch versprach mir der
Kapitän des Dorfes, am andern Morgen mit wohlbemannten kleinen und grossen
Corjaalen zu kommen.

Schon glaubte ich, meinen Plan, noch diesen Tag an Bord zu gehen, aufgeben
zu müssen, als sich ein fremder Indianer anbot, mich in seinem kleinen
Corjaal, das kaum zwei Menschen fassen konnte, auf das Schiff, das wohl
eine Stunde seewärts vom Posten lag, zu bringen.

Glücklicherweise war es stilles Wetter und bei der Ebbe, die unterdessen
eingetreten war, gelangten wir schnell an Bord.

Es bemerkte mich kein Mensch; denn alle Matrosen waren unterm Verdecke, wo
Kisten und Ballen aufgeschlagen und aufgeschnitten wurden, um so viel als
möglich plündern zu können. Das war eine Haushaltung zum Entzücken! Hier
ward eine Kiste mit Leinwand, dort eine Porzellankiste erbrochen und was
den rohen Kerls nicht anstand, wurde in Scherben zerschlagen. Fässchen
Butter, die ihnen im Wege standen, wurden nicht auf die Seite gesetzt,
sondern muthwillig zertrümmert, so dass die schöne Butter, welche sonst für
die Soldaten meist nur ein Schauessen blieb, in allen Ecken herumspritzte.
Lampenballons, von welchen das Stück 4-5 fl. kostete, hatten, wie so
manches andere Werthvolle, dasselbe Schicksal.

Kaum hatte man mich erblickt, so wurde ich mit einem Hurrah empfangen
und vom Bootsmann mit einer diesen Leuten eigenen Höflichkeit zum Essen
eingeladen. Das Aufgetischte war freilich nichts Warmes, bestand aber doch
in Sachen, die nie auf dem Küchenzettel eines Korporals figuriren. Man
hatte nämlich eine Kiste voll blecherner, luftdicht verschlossener Büchsen
gefunden, welche gebratene Feldhühner, Gänse, Fleischspeisen, Salm und
andere Leckereien enthielten und man las mir, während ich mit einem alten
Messer eine Büchse Feldhühner öffnete, all' das Köstliche vor, wovon ich
Gebrauch machen könne, verbunden mit der Aufforderung, zu essen, bis mir
der Bauch berste. Zugleich holte der Küchenjunge weissen Zwieback und der
Steuermann öffnete eine Kiste mit feinem Rheinwein, wozu der dienstfertige
Bootsmann noch als Dessert eine grosse Flasche Confect beifügte, von
welchem man gerade eine Kiste gefunden hatte.

Nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass ich mit allem zu einem guten
Diner Nöthigen versehen war, gingen sie an ihre fernere Untersuchung,
während welcher ich bei schrecklichem Appetit, da ich seit dem Morgen
nichts mehr gegessen hatte, eine treffliche Mahlzeit hielt, obgleich Löffel
und Gabel mir dabei fehlten.

Wein trank ich wenig; denn ich hatte mir fest vorgenommen, mir in diesem
Wirrwarr meine fünf vollen Sinne zu erhalten.

Kaum war ich fertig, so gab man mir durch ein Freudengeschrei aus dem
untern Raum zu erkennen, dass man einen angenehmen Fund gethan habe. Dieser
bestand in einer Kiste seidener Tücher und Westenzeuge, wovon man mir mit
einem halben Dutzend Foulards ein Geschenk machte. Leider wurde mir dieses,
wie noch so manches Andere von Matrosen oder Soldaten aus meiner Kiste
gestohlen, und es blieb mir von allen diesen Kleinigkeiten am Ende beinahe
nichts übrig. Endlich hatten die Matrosen ihre Kisten vollgepfropft, an
Lebensmitteln und Getränken so viel mitgenommen, als man laden konnte und
segelten damit nach dem Posten, während meine ganze Ladung nur in drei
Fässchen Butter bestand, weil ich nicht mehr mitnehmen konnte.

Zu Hause traf ich schon Alle betrunken an, und Nachts sah ich Bacchanalien,
worüber ich erstaunte, obgleich ich doch schon manche solche Partie mit
angesehen hatte. Kapitän, Passagiere und Steuermänner logirten in meiner
Wohnung; die Matrosen aber, deren es etwa acht waren, bei den Soldaten in
einer Kammer von 16' Länge und 9' Breite, aus der die Kaserne bestand, in
welcher nun zwölf Personen campiren sollten. Ans Schlafen wurde natürlich
bei dem Ueberfluss an Genever nicht gedacht; denn jeder wollte diese
Gelegenheit benützen, um sich einmal wieder etwas zu gut zu thun. Alles
lagerte sich im Kreise um ein Licht, das alle Augenblicke auslöschte, weil
der Wind von allen Seiten durch die Wände blies. Endlich stellte man es in
eine leere Geneverkiste, wodurch die Hälfte der Gesellschaft sich immer
im Dunkeln befand. Zwei offene Kisten Genever und Branntwein, nebst acht
grossen Gläsern Confect, von deren einem ich schon auf dem Schiff gegessen
hatte, standen zur Verfügung der ehrbaren Gesellschaft.

Gesang und sittsame Erzählungen wechselten ab, und um diese Soirée noch
interessanter zu machen, zog sich einer der Soldaten nackt aus, theils
um die Gesellschaft durch allerlei gymnastische Sprünge und Stellungen
zu unterhalten, theils um den Schiffsjungen, die über Mosquittosstiche
klagten, zu zeigen, wie wenig er darauf achte. Ich liess sie machen, was
sie wollten, weil ich fest davon überzeugt war, dass ein Verbot nichts
helfen würde. In der Bäckerei sass ich die halbe Nacht, mit dem Schreiben
eines langen, ausführlichen Rapports an den General-Gouverneur beschäftigt,
was bei der Unzahl von Mosquittos, die in Legionen mich umschwärmten, keine
Kleinigkeit war. Meine Hände waren auch in Folge unzähliger Stiche so rauh,
wie ein Reibeisen geworden und das Papier war mit Blutflecken besäet. Zum
Glück war es jedoch nur das Concept, das ich bei Tag ins Reine schrieb. Es
war bereits nach Mitternacht, als ich in meine Wohnung mich zurückzog, um
da eine Schlafstelle zu suchen.

Der Lärm in der Kaserne war verstummt; denn die meisten lagen wie
bewusstlos am Boden und fühlten keine Mosquittosstiche mehr; nur die
Schiffsjungen, welche noch keine solche Säufer waren, liefen heulend und
fluchend umher.

Ich hatte mein Bett an den Schiffskapitän, einen schon bejahrten
Mann abgetreten; die zwei Passagiere hatten sich aus meiner und den
Schiffsflaggen eine Art Zelt über ihre Matratzen gemacht, die Steuerleute
aber und ich lagen auf dem Fussboden der Aussenkammer, wo es nicht möglich
war, vor dem Gesumse und den Stichen dieser diabolischen Insekten ein Auge
zu schliessen.

Mit Sehnsucht erwartete ich den Morgen. Plötzlich vernahm ich ein
jammervolles Angstgeschrei, das auf dem Platze erscholl, und eilte hinaus,
um die Ursache zu erfahren. Einer der Schiffsjungen, der noch nie in einem
Tropenlande gewesen war, kam mir zitternd entgegen und erzählte von einem
schrecklichen Thiere, das unter einem Stapel Bretter, worunter er sich
vor den Mosquittos habe verstecken wollen, sässe. Ich untersuchte nun den
Stapel und fand eine grosse Kröte, die durch ihren dumpfen Schrei den armen
Jungen so erschreckt hatte.

In der Frühe des andern Morgens kamen beinahe alle Indianer des Dorfes
mit ihren Corjaalen, von welchen die grösste, dem Kapitän der Indianer,
Christian, gehörig, wenigstens 50' Länge und 5' Breite hatte. Er selbst,
neugierig gemacht durch die Erzählungen des Indianers, der mich den vorigen
Tag aufs Schiff brachte, hatte seine drei Weiber mitgenommen, von welchen
die jüngste, kaum 16 Jahre alte, ihm besonders ans Herz gewachsen zu seyn
schien.

Wir kamen schnell an Bord, und jetzt sah ich erst, wie gräulich die
Matrosen den Abend zuvor hier gehaust hatten. Im Schiffsraum lag Alles
durcheinander, wie Heu und Stroh, und vor den Glas- und Porzellanscherben
war den Indianern besonders bange. Ich fand glücklicherweise einen Korb mit
Stiefeln und Schuhen, von welchen ich den Männern austheilte, die freilich
für ihre niedlichen Füsse die meisten zu gross fanden. Nun zog man ans
Licht, was mir von Bedeutung zu seyn schien, und es wurden so schnell als
möglich alle Corjaalen damit beladen. Es kostete wirklich keine geringe
Mühe, das Völkchen im Zaume zu halten und grössere Trunkenheit zu verhüten.

So verschiedene Getränke und Leckereien auch an Bord waren, so machte doch
nichts auf diese Menschen Eindruck; nur Genever, Zwieback und Stockfische
wurde von ihnen in Anspruch genommen.

Gleichgültig luden sie Alles, was ich ihnen bot, in ihre Corjaalen; nur
als ich zufälliger Weise einige grosse Schachteln mit seidenen Frauenhüten,
Blumen und Bändern fand, kamen Alle auf mich zu, mich darum zu bitten. Als
ich ihnen den Plunder, der doch nicht viel werth war, überliess, fielen
sie wie reissende Thiere darüber her, und die Vordersten, welche das Glück
hatten, mehrere zu bekommen, setzten sie übereinander auf, während die,
welche keine bekamen, sich nicht zufrieden geben wollten.

Mehrere blechene Büchsen voll sogenannter St. Nicolas-Kuchen, welche
allerlei Figuren, als Dampfboote, Thiere u. s. w. vorstellten und mit
kleinen Stückchen Schaumgold beklebt waren, erregten ihre Aufmerksamkeit
in ebenso hohem Grade und zwar nicht wegen seines feinen Geschmackes, denn
keiner wollte auch nur die Probe machen und davon essen, sondern wegen der
Figuren, die sie so drollig fanden. Sie machten Schnüre daran und
trugen sie so lange um den Hals, bis der Kuchen, von Schweiss und Wasser
durchnässt, als Brei an ihnen herabfloss. Man denke sich nun ein paar
Dutzend rothe, nackte Menschen in Stiefeln und Schuhen, mit stapelweise
übereinander gesetzten und mit Blumen garnirten Damenhüten, behangen mit
Colliers von Lebkuchen, die Masten und Schiffsleitern auf- und abklettern,
Kisten und Fässer einladen und die Flaschenzüge versetzen, so kann man
wirklich nichts Barockeres sich vorstellen.

Indessen wir Alle aus Kräften arbeiteten, sass das Oberhaupt mit seiner
Frau in der Kajüte und trank eine Flasche nach der andern aus. Die
mancherlei Getränke, welche sein junges Weibchen getrunken hatte,
verursachten ihr einen solchen Rausch, dass sie ohne Bewegung am Boden
lag, und mit starren Augen wie ein Schaf blöckte. Trostlos sass der total
betrunkene, alte Mann neben seiner Liebsten, unvermögend, ihr beizustehen.

Das Boot war unterdessen geladen und die Indianer drangen auf die Abreise,
weil die Fluth mit Gewalt heraufkam, und es gefährlich war, länger
zu verweilen. Nach manchem vergeblichen Versuche, die Frau wieder zur
Besinnung zu bringen, rieb ich ihr das Gesicht mit Eau de Cologne, von
welchem eine Kiste voll der schlechtesten Sorte sich an Bord befand. Es
mochte ihr vielleicht etwas davon in die Nase gekommen seyn, denn sie
fing an, schrecklich zu niesen und machte ein Gesicht, das mir so komisch
vorkam, als ihr mit Lebkuchen geschmücktes Volk.

Mit Mühe klomm endlich Christian in die Corjaal und empfing sein Weibchen
sanft in seinem Schoos. Wir hatten ihr ein Tau um den Leib gemacht und sie
wie ein Fass in die Corjaal gelassen.

Die See war unterdessen so ungestüm geworden, dass mir für die Ladung und
mein Leben bange war und das Jammern und Streiten der furchtsamen Weiber
war gar nicht geeignet, mir Muth einzuflössen. Die Corjaal war übermässig
geladen; denn ausser 400 Fässchen Butter, à 14 Pfd., 10 Fässern Madeira
im Werthe von 1200 fl., war noch eine Menge Wein und Lebensmittel,
Quincaillerie und Federbetten aufgethürmt. Dabei sassen mit Alt und Jung
gewiss 40 Personen darin. Endlich waren Alle eingestiegen und schon liess
man das Tau los, um abzufahren, als eine Welle das Brett (den Stern),
woran an grossen indianischen Corjaalen das Steuerruder befestigt ist,
herausschlug und das Wasser wie durch eine geöffnete Schleusse in die
Korjaal strömte. Ein Zetergeschrei der Weiber erfüllte die Luft. Schnell
aber hatte der Steuermann sich mit seinem Hintern in die Oeffnung gesetzt,
um das weitere Eindringen von Wasser zu verhüten, während ein anderer
Brett und Steuer wieder befestigte und die Risse mit Stücken seines Camises
ausstopfte, wodurch dem Schaden abgeholfen war. Ich dankte Gott, als ich zu
Hause ankam.

Hier wurde nun Alles in grösster Eile ausgeladen und am Strand
niedergelegt. Die Sorge für Weiterschaffung und Aufbewahrung des
Mitgebrachten wurde mir allein überlassen. Mit zwei Kisten Genever fuhr
mein Völkchen nach seinem Dörfchen, um sich da recht gütlich zu thun. Meine
Soldaten waren wieder in dulci jubilo und konnten sich kaum auf den Füssen
halten.

Die Matrosen schliefen, somit war ich genöthigt, Alles selbst zu thun.

Auf Brettern, welche ich in den Sand gelegt hatte, rollte ich die schweren
Fässer aufwärts in die Mitte des Platzes. Mit schweren Kisten formte
ich ein Carré, in dessen Mitte die kleineren Gegenstände, als Butter-,
Weinfässchen, Kisten u. s. w. niedergelegt wurden. Hierauf überdeckte
ich Alles mit Brettern, um den Regen und die Sonnenhitze abzuhalten. Es
herrschte nun ein Ueberfluss auf dem Posten, bei welchem die Soldaten weder
Maas noch Ziel kannten. Was sie nicht von den Matrosen bekommen konnten,
suchten sie von meinen mitgebrachten Waaren, über welche ich ein geregeltes
Inventarium führte, wegzunehmen. Sie assen und kochten gemeinschaftlich
mit den Matrosen, wobei die vielen, vom Schiffe abgeholten Lebensmittel die
besten Mahlzeiten gegeben hätten. In Folge des beständigen Trinkens aber
verwendete man keine besondere Sorgfalt auf die Küche. So wurde einmal ein
ganzes etwa 10 Pfd. schweres Fässchen gesalzener Bratwürste in den Topf
gethan; dadurch wurde das Essen so salzig, dass man es nicht mehr geniessen
konnte, und man vor Zorn den ganzen Frass zur Thüre hinauswarf, wo die
auflauernden Stinkvögel königlich schmausten, und wobei es lustig anzusehen
war, wie sie sich um die noch aneinandergereihten Bratwürste herumzerrten.

Den zweiten Tag fuhr ich mit so vielen Corjaalen, als aufzutreiben waren,
wieder an Bord, und weil da die grosse Corjaal von den zwei Passagieren,
welche den andern Tag nach Paramaribo fahren wollten, gemiethet wurde, so
fuhr ich des Abends abermals ans Schiff, um heute noch so viel als möglich
abzuholen.

Von jetzt an gebrauchte ich die Vorsicht, alle feineren Weine und theuren
Leckerbissen in der Vorkammer meines Hauses niederzulegen und so aus den
Klauen der Soldaten und Matrosen zu retten. Mit diesen hatte ich meine
liebe Noth; denn sie waren nicht mehr mit Genever und rothem Wein, von
welchem ein Fass offen dalag, so dass sie trinken konnten, so viel sie
wollten, zufrieden, sondern verlangten Rheinwein und Madeira, wovon ich
Fässer und Kisten im Hause aufbewahrte.

Da ich ihnen erklärte, dass ich nicht befugt sey, über diese Güter,
welche der Assecuranz gehörten, zu disponiren, und natürlich das Verlangte
verweigerte, so beschlossen sie, mich zu zwingen und das Haus zu stürmen.
Diess wäre nun gerade kein Hexenwerk gewesen; denn ausser dem alten und
kränklichen Kapitän und den zwei Passagieren befanden sich darin nur noch
die zwei Steuermänner, welche aber geheime Ursachen dazu hatten, auf Seiten
ihres Schiffsvolkes zu bleiben. Sie marschirten nun mit Aexten und Säbeln
bewaffnet, heran, und forderten mich noch einmal zur Herausgabe von
Rheinwein auf. Statt der Antwort lud ich meine zwei Gewehre und drohte, den
ersten, der über meine Schwelle käme, niederzuschiessen. Der Kapitän kramte
gegen sein Volk alle seine Beredtsamkeit aus und stellte ihnen vor, welchen
Strafen sie verfallen würden.

Sie zogen sich endlich unter allerlei bekannten Einladungen, die sie an
mich ergehen liessen, zurück, und tranken nun wieder Schiedams edlen Trank,
der ihnen kurz zuvor viel zu schlecht gewesen war.

Bei dieser Scene waren die Matrosen die Aergsten gewesen, und sie hatten
offenbar die Soldaten dazu aufgewiegelt.

Am dritten Tag kam Christian mit seiner Corjaal, um die beiden Passagiere
nach Paramaribo zu bringen. Ich setzte durch, dass auch zwei der
schlimmsten Matrosen, welchen ich nicht trauen konnte, mitgeschickt wurden.
Der Kapitän wollte noch einige Zeit bleiben, um das Schicksal seines
Schiffes abzuwarten.

Sonderbar schienen mir die Gesetze der Assecuranz zu seyn, weil er es nicht
wagte, etwas von Bord zu holen. Eine grosse Barkasse, mit welcher man
in 4-6 Tagen bei anhaltender Thätigkeit die ganze Ladung ausser den
Backsteinen, welche als Ballast dienten, leicht hatte retten können,
lag unbenützt am Strand, und so war ich genöthigt, ohne die mindeste
Hülfeleistung von Seiten des Schiffsvolks, die Sachen nach und nach ans
Land zu bringen.

Die Passagiere hatten meinen Rapport an den General-Gouverneur, dem ich ein
Inventarium über alle bis jetzt ans Land gebrachten Güter beigelegt hatte,
mitgenommen. Einen andern Rapport hatte ich den Tag zuvor dem Kommandanten
auf Armina durch Indianer zugeschickt.

Mir war nun nach der Abreise der zwei Passagiere und Matrosen wieder
leichter ums Herz, weil ich einerseits mich vor Revolutionen auf meinem
Posten gesichert glaubte, anderseits desswegen, weil ich wieder in meiner
eigenen Kammer logiren konnte.

Täglich fuhr ich mit Corjaalen an Bord; aber da diese nur klein waren, so
war auch das ans Land Gebrachte von geringer Bedeutung.

Da das Schiff auf seiner Sandbank jedem Wellenschlag zu trotzen schien, und
selbst nach sechs Tagen noch kein Leck an ihm zu bemerken war, so war
ich auch fest davon überzeugt, dass bei eifriger Arbeit Ladung und Schiff
hätten gerettet werden können.

Acht Tage nach dem Stranden des Schiffes kam mein Kommandant von Armina
in Begleitung des Doctors. Er war sogleich nach Empfang meines Schreibens
abgereist; denn die Sache lag ihm sehr am Herzen, und er bedauerte nur,
dass ich die armen Schiffbrüchigen nicht genugsam unterstützen konnte. Auch
von dem, auf dem Posten herrschenden Wirrwarr und Wohlleben war er durch
meinen Brief und den Ueberbringer desselben hinlänglich unterrichtet,
und er hatte desswegen ausser einigen Boschen Bananen nicht das Mindeste
mitgebracht, das zur Unterstützung der Armen hätte dienen können.

Der Doctor, welcher den Kommandanten begleitete, merkte so gut wie dieser,
dass es hier etwas zu verdienen gäbe. Seine Menschenfreundlichkeit war
also nicht der geringste Grund, diese Reise zu machen, bei welcher ihn der
Kommandant nur mit Widerwillen mitgenommen hatte, und blos desswegen, weil
er sich auf keine Weise zurückhalten liess. Ich machte sogleich nach der
Ankunft des Kommandanten ihm den pflichtschuldigen Rapport, zeigte ihm das
Inventarium, und gab ihm auch das Concept des, an den General-Gouverneur
abgesandten Briefes. Letzteren missbilligte er höchlich, weil ich als
Korporal nur an ihn zu rapportiren, und durch mein eigenmächtiges Handeln
mich eines unverantwortlichen Fehlers gegen die Disciplin schuldig gemacht
habe, wesswegen auch ohne Zweifel ein ernstlicher Verweis wegen eines
solchen gesetzwidrigen Schritts vom Gouvernement erfolgen werde. Ich machte
mir darüber keine Sorgen, weil ich wohl einsah, dass der Unzufriedenheit
des Lieutenants über meine Anmasung ganz andere Motive zu Grunde lagen, als
die eines Versehens gegen die Dienstordnung.

So unangenehm ihm mein eigenmächtiger Schritt auch war, so beruhigte er
sich doch wieder bei der Masse von Gegenständen, welche theils noch an
Bord sich befanden und zu bekommen waren, theils seit der Absendung meines
Inventariums durch mich wieder abgeholt worden waren.

Das gemeinschaftliche Interesse, welches wir bei der Sache hatten, hob
so ziemlich die Scheidewand auf, welche zwischen mir als Corporal und den
beiden Officieren bestand, und es herrschte eine Vertraulichkeit unter uns,
als wären wir aus _einem_ Teige gebacken.

Inzwischen fuhren die zwei Boote, welche der Kommandant mitgebracht hatte,
alle Tage an Bord und holten den grössten Theil der Güter ab.

Das Schiff sank später immer tiefer, so dass bei hoher Fluth die Wellen
manchmal darüber hinschlugen und den untern Raum bald mit Wasser ausgefüllt
hatten. Man war desshalb genöthigt, einige grosse Löcher hineinzuhauen,
damit das Wasser mit der Ebbe wieder herauslaufen konnte. Viele hundert
Körbe mit Erdäpfeln und Zwiebeln füllten den vordern Theil des Raumes aus,
wo ich sie gelassen hatte, weil sie mir von zu geringem Werth waren.

Diese waren nun dem Seewasser ausgesetzt und verfaulten mit unerträglichem
Geruche, von welchem wir selbst auf dem Posten die Nase voll hatten, wenn
der Wind nordöstlich wehte.

Einige Tage nach der Ankunft des Kommandanten wurden die Soldaten, welche
sich so schlecht betragen hatten, mit Ausnahme von einem, der mir zuweilen
noch ein wenig geholfen hatte, nach dem Posten Armina gesandt. Ihre Kisten
wurden zuvor auf dem Platze vom Kommandanten untersucht und ihnen Genever
und Branntwein abgenommen, weil auf der Reise dahin leicht ein Unglück
hätte entstehen können.

Nun war unter den Abgehenden ein junger Kerl, der durch fröhlichen Humor
und seine Possenstreiche Jedermann belustigte.

Der Lieutenant hatte, um seinem Respecte nichts zu vergeben, die
leuchtenden Zeichen seiner Würde auf seinen Schultern hangen, und war
gerade an der Kiste des Possenreissers beschäftigt, als dieser hinter dem
Rücken des Officiers eine abscheuliche Maske mit langen, grauen Bärten
aufsetzte, die er wahrscheinlich von einem Matrosen bekommen hatte. Doctor,
Kapitän und ich sahen dem Spasse zu, und die Neger, Indianer, Matrosen und
Soldaten, welche den Kommandanten umstanden, erwarteten begierig das Ende.

Endlich wandte sich dieser um, und vor ihm stand die gräuliche Gestalt des
Spassvogels, der sich überdiess noch höchst barock herausgeputzt hatte.

Entsetzt wich der Kommandant zuerst etliche Schritte zurück, verfolgte
denselben aber sogleich unter dem schallenden Gelächter der Umstehenden bis
in die Savannen.

Nachdem der Kapitän, die Matrosen und Soldaten abgereist waren, war ein
stilles, angenehmes Leben, bei welchem man Alles recht untersuchen konnte,
ohne gestört zu werden, an die Stelle lärmender Bewegung getreten.

Es waren vier Neger zurückgeblieben, welche mit mir oder dem Doctor täglich
an Bord fuhren. Bei unserer Zurückkunft überraschte uns der Kommandant, der
ein Meister in der Kochkunst war, mit den delicatesten Mahlzeiten, welche
aus dem Ueberflusse unter seiner Leitung bereitet wurden.

Das Boot kam endlich von Armina an und brachte drei schwarze und einen
weissen Soldaten.

Zugleich kam ein Schooner mit einem Gouvernementsbefehl an mich, worin mir
das Gouvernement seine besondere Zufriedenheit über die von mir getroffenen
Maasregeln bezeugte, und mir zugleich befohlen war, die geretteten Güter
mit dem Schooner abzuladen, an dessen Bord sich sechs Kriegsmatrosen
befanden, um dem Kapitän, einem alten, schlauen Engländer, dem solche
Affairen nichts Neues waren, beizustehen. Jetzt machte sich der Kommandant,
nachdem er noch so viel als möglich in seine zwei Boote gepackt hatte, mit
dem Doctor davon, über die Unmöglichkeit seufzend, dass man nicht das ganze
Schiff nach Armina transportiren könne.

Der Kapitän war nun vor der Hand damit beschäftigt, Schiffsartikel, als
Segel, Tauwerk u. s. w., seinem Schooner anzupassen, so dass dieses alte,
gichtbrüchige Fahrzeug bald ein gar stattliches Aussehen hatte und
alle seine Räume und Ecken für die Zukunft mit brauchbaren Gegenständen
ausgefüllt waren.

Die Kriegsmatrosen hatten während dieser Zeit freien Lauf und benützten
diese auch auf's Köstlichste. Am Tage ihrer Ankunft war gerade eine
indianische Arowackenfamilie bei mir auf Besuch gekommen. Es waren meistens
Weiber, welche der Schnaps angelockt hatte. Die Matrosen nahmen nun von
meinem Haufen, dessen Gegenstände verzeichnet waren, ein paar Kisten
Branntwein, und bald lag das ganze Völkchen besinnungslos auf der Savanne.
Es war gerade nicht nöthig, dass die Nacht ihren Schleier über diese Scene
warf; denn die Indianer waren so betrunken, wie ihre Weiber, dass sie die
Fehltritte derselben nicht bemerken konnten.

Ich hatte mich in mein Haus eingeschlossen und lag schon in tiefem Schlaf,
als ein höllisches Geschrei und Gepolter, das aus der Bäckerei zu kommen
schien, mich weckte. Mit dem Licht in der Hand lief ich sogleich hin, um
dieses Nachtstück zu beleuchten. Dort fanden sich zwei Matrosen mit zwei
indianischen Weibern, welche, um sich vor Mosquittosstichen zu schützen,
in's Bett des Bäckers gekrochen waren, das er gutmüthig ihnen abgetreten
hatte. Dieses, aus Mehlfassdauben zusammengenagelte, wurmstichige Möbel,
das schon seit Olim's Zeiten ein Bäcker dem andern überlieferte und blos
für einen Mann bestimmt war, brach unter seiner Last und fiel mit derselben
auf die, unter ihm liegenden Mehlfässer.

Diese (der Teufel hatte offenbar sein Spiel dabei) waren mit der
Schlafmaschine einige Schritte fortgerollt und stiessen an den Backofen an,
der, ebenfalls schon lange im schlechten Zustande, einige Risse bekam. Die
Matrosen und ihre Schönen waren bei dieser Rutschparthie mit heiler Haut
davon gekommen; dem Bäcker aber, der sich im Backtroge gebettet hatte,
fiel in Folge der Erschütterung der Deckel desselben auf den Kopf und
verursachte ihm einige Beulen.

Ich fand, als ich mit dem Lichte kam, noch Alle voll Bestürzung. Die
Indianerinnen schoben ihre Feigenblätter (Kwejus) wieder zurecht, und
die Matrosen tranken auf diesen Schrecken mit dem Bäcker einige Gläser
Branntwein.

Nach etwa vierzehntägigem Aufenthalt, während welcher Zeit der Kapitän
seine legale und nicht legale Arbeit verrichtet hatte, zog auch er mit
seinen Matrosen von dannen.

Jetzt hatte ich wenigstens einige Wochen vor Besuchen Ruhe, und wendete
diese Zeit zu häufigen Besuchen bei meinen Nachbarn, den Indianern, an, um
ihre Sitten und Gebräuche kennen zu lernen.

Sie gehören, wie die meisten der Indianer, zum Stamme der Caraiben; ihr
ganzes Dorf mochte etwa 100 Köpfe stark seyn. Das Oberhaupt, ein 55-60
Jahre alter Mann, hiess Christian. Er hatte von verschiedenen Weibern
wenigstens 12 Kinder, von welchen die meisten erwachsen und verheirathet
waren. Er stand bei allen Indianern als Piaiman, d. h. Doctor oder
Zauberer, in grossem Ansehen und wurde, wenn Jemand ernstlich krank war,
sogleich gerufen. Ich hatte später Gelegenheit, seine Beschwörungen mit
allen Zubereitungen in bester Form zu sehen.

Die Lebensweise der Caraiben ist im Allgemeinen von der der Arowacken
nicht sehr verschieden, nur sind diese sanfter von Character. Auch die
Gesichtszüge der Arowacken, besonders die der Frauen, sind feiner und
gefälliger und haben nicht den derben Ausdruck der Caraiben.

In Beziehung auf die Reinlichkeit ihrer Haushaltungen und ihres Körpers
sind die Caraiben viel pünktlicher, und obgleich beide Stämme in
Freundschaft mit einander leben, verachtet doch einer den andern. Die
Arowacken sind meist gute Jäger; dagegen scheinen die Caraiben den
Fischfang besser zu verstehen, auch sind letztere im Bau der Corjaalen und
in der Führung derselben bei stürmischem Wetter jenen überlegen.

Die Caraiben sind ein schöner, kräftiger Menschenschlag; die Männer sind
selten über 5½' hoch, die Weiber aber bedeutend kleiner. Sie tätowiren
sich nicht, bemalen aber zur Zeit ihrer Feste, und besonders, wenn sie von
Reisen zurückkommen, den Leib mit dem Safte einer Frucht (Taburiba), der
das Eigenthümliche hat, dass er sich durch nichts abwaschen oder
ausbeizen lässt, aber täglich blässer wird, und mit dem achten Tage ganz
verschwindet. Die Farbe dieses Saftes ist schwarz und wird mit einer
Federspule auf den Leib aufgetragen. Das Bemalen aber, dem sich Männer
und Weiber unterziehen, ist ein langweiliges Geschäft, das mehrere Stunden
dauert, weswegen man auch nur wenige so bemalte Indianer sieht. Die Meisten
begnügen sich damit, dass sie den Saft auf den Leib spritzen und denselben
mit der Frucht einreiben.

Die Haare werden mit einer Salbe von Rocou (Orlean) und Crapatöl
beschmiert, und diese besonders auf der Stirne beinahe fingersdick
aufgetragen. Die Füsse werden ebenfalls bis zu den Knieen roth gefärbt. Auf
dem Gesichte werden mit einer Farbe, Crawaru, vermischt mit dem angenehm
riechenden Harze (Arakasiri), Striche und Punkte angebracht. Federkronen,
Colliers von Affen-, Pakir-, oder Caimanzähnen vollenden den Putz.

Ihre Weiber sind von denen der Arowacken besonders leicht zu unterscheiden,
denn die Caraibinnen tragen statt des niedlichen Perlenschürzchens, das
deren einzige Bedeckung ist, ein langes, dunkelblaues Tuch, das durch einen
Gürtel von Affenhaaren (vom Stentor ursinus) befestigt ist, und durch die
Beine gezogen, zu demselben Zweck dient. Ihre schönen, schwarzen Haare sind
auf der Stirne glatt abgeschnitten, meistens los, aber auch oft in Zöpfe
gebunden. Die Unterlippe ist von einer grossen Stecknadel durchbohrt, deren
Spitze nach aussen gekehrt ist und als Waffe gegen unerlaubte Freiheit
dienen kann.

Manche caraibische Schöne trägt in ihren Ohrläppchen Pröpfe oder Knochen,
welche zuweilen daumendick sind. Das Auffallendste aber sind ihre Waden,
welche gleich kleinen Fässchen hervorstehen. Die starken baumwollenen, 3"
breiten Bänder, mit welchen das kleine Mädchen oberhalb der Knöchel und
unterhalb der Kniee gebunden wird, und die nie abgenommen werden,
hindern das natürliche Wachsthum und machen, dass die Waden so unförmlich
heraustreten.

Die jungen Mädchen sind, diesen Misswachs abgerechnet, niedliche Geschöpfe,
werden aber, wenn sie älter werden, übermässig breit, platt wie eine
Bratpfanne, und ihre Brüste, an welchen manchmal Kinder, Affen und
junge Hunde zugleich saugen, haben besonders in ihren späteren Jahren so
ziemliche Aehnlichkeit mit schweinenen Tabaksblasen.

Wie ganz anders ist dagegen eine junge Buschnegerin gestaltet! Welches
Ebenmaas, welche Fülle der Glieder! Die schwarze, atlasfeine Haut, die
üppigen Verhältnisse der Glieder würden einem Bildhauer das reinste Modell
eines schönen Weibes liefern. Nur Schade, dass diese schwarzen Schönheiten
einen Geruch um sich verbreiten =witch all the perfums of Arabia not can
sweeting=, eine Eigenschaft, welche die Indianer nicht besitzen.

In ihren häuslichen Verhältnissen findet zwischen den Caraiben und
Arowacken wenig Unterschied statt. Die Meisten begnügen sich mit Einem
Weibe. Man findet aber auch solche, die zwei, drei oder mehr Weiber haben,
von welchen jede eine besondere Hütte für sich und ihre Kinder hat. Kommt
nun ein Mann, der einen solchen Harem besitzt, nach Hause, so wird ihm von
seinen Weibern sein Essen vorgesetzt, das immer in Cassavebrod und einer,
aus zahllosen spanischen Pfeffern gekochten Sauce, nebst Wild und Fischen
besteht, wenn er solches mitbrachte. Jede dieser Weiber bringt ihr Essen
dem Mann, setzt es vor ihm nieder und entfernt sich sogleich wieder,
ohne ein Wort zu sprechen. Man kann desshalb aus der Anzahl der Schüsseln
errathen, wie viele Weiber ein Mann hat. Nach dem Essen nimmt jedes Weib
wieder ihre Schüssel weg und verzehrt den Ueberrest mit den Kindern in
ihrer Hütte.

In solchen polygamischen Ehen gibt es aber manchmal Mordspektakel, und die
Autorität des Mannes wird, wenn die Damen einmal in der Wuth sind, wenig
mehr beachtet. Ehliche Treue ist unter ihnen gar nicht zu finden, und es
geschieht häufig, dass ein Weib monatelang sich bei einem andern Indianer
aufhält, und nachher wieder zu ihrem Manne zurückkehrt. Ebenso ist es nicht
selten, dass Männer ihre Weiber und Kinder verlassen und sich an andern
Plätzen wieder ansiedeln.

Es gibt gewiss kein unbeständigeres Volk, als die Indianer. Der kleinste
Umstand kann ihre Laune ändern und machen, dass sie Aecker und Wohnungen,
selbst wenn diese erst neu angelegt sind, sowie ihre Familien verlassen,
und sich lieber mit unsäglicher Mühe an andern Plätzen wieder anbauen, die
ihnen bei weitem den Vortheil ihrer verlassenen Heimath nicht geben. Und
wie die Alten, so die Jungen!

Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Kinder von 10-12 Jahren von ihren Eltern
weglaufen, und nach andern, oft weit entfernten Dörfern, wo sie Bekannte
haben, gehen. Eine Hängematte, Pfeil und Bogen und vielleicht noch ein
altes Messer sind der ganze Reichthum eines solchen kleinen Vagabunden, der
aus jeder Eidechse, jedem Vogel oder Fisch, den sein Pfeil erreicht, seine
Mahlzeit zu bereiten weiss.

Eltern- und Kinderliebe gehört zu den Seltenheiten, und für Alte und Kranke
scheint man ganz gefühllos zu seyn. Selbst Mütter, deren Kinder des Nachts
aus ihrer Hängematte ins Feuer fielen und sich auf schauderhafte Weise
verbrannten, liessen diese armen Würmer ohne Hülfe wimmern und tanzten
ungerührt beim Tapanafeste in den Reihen der Uebrigen.

Solche Brandwunden kommen sehr häufig vor, weil die Indianer immer Feuer
unter der Hängematte haben, und manches Kind, das von der betrunkenen
Mutter wegkroch, ins Feuer fällt.

Die Dörfer sind ohne alle Symmetrie, meist dicht an einem Flusse oder einer
fahrbaren Kreek angelegt, und die Häuser stehen ohne alle Ordnung in die
Kreuz und Quer da, wo sie eben die Laune des Eigenthümers hinstellte.

Jede Familie hat ihre eigene Hütte, die so lange benützt wird, bis sich
kein Plätzchen mehr findet, an welchem die Hängematte vor Regen geschützt
ist. Der Bau dieser Hütten ist zweckmässig und sehr einfach. Zwei oder drei
etwa 8 Zoll dicke Pfosten von schönem, geradem Holze werden so weit von
einander in die Erde eingegraben, als die Hütte lang werden soll. Sie sind
10-12' hoch und tragen eine starke Querstange, die so lang ist, als das
Haus, und zum Tragen des Daches bestimmt ist. Vier Pfosten von etwa 4'
Höhe sind an vier Ecken in die Erde eingerammt, und tragen zwei mit der
Mittelstange parallel laufende Stangen von gleicher Länge. An dieses
Rahmenwerk wird eine gewisse Anzahl leichter Stangen mit Buschtau
festgebunden und im Gipfel des Hauses an die grosse Querstange befestigt.

Die Blätter der grossen Heliconie werden in der Mittelrippe zusammengelegt,
und ein Blatt neben das andere mit Lianen angereift.

Nachdem durch das Zusammenfügen vieler dieser grossen Blätter ein
ansehnliches Stück des Daches gemacht ist, wird dieses mit Sparren und
Stangen beschwert und bleibt so lange auf dem, zuvor sorgfältig gesäuberten
Boden liegen, bis die steifen Blätter etwas welk geworden sind und das
ganze Stück sich zusammenrollen lässt. Man befestigt sodann das eine Ende
am Giebelbalken mit starken Lianen, und entrollt die Decke. Diese Stücke
sind gerade so lang, als die Blätter breit sind, etwa 7-8' lang, und
es werden desshalb ihrer so viele verfertigt, als die Länge des Hauses
erfordert. An das erste wird das zweite, etwas über jenes, und so jedes
Stück gelegt, damit der Regen nicht eindringen kann.

Sind beide Seiten des Daches auf diese Weise gedeckt, so wird mit künstlich
zusammengeflochtenen Cumublättern der Giebel bedeckt.

Alles dieses wird mit Lianen ans Rahmwerk festgebunden. So leicht diese
Dächer auch sind, so undurchdringlich sind sie doch für den Regen. Eine
solche Hütte ist 2-3 Jahre in gutem Zustand, und wenn sie dem Winde nicht
zu sehr ausgesetzt ist, noch von längerer Dauer.

Fleissige Indianer pflegen auch noch ein Schlafgemach zu bauen. Die Hütte
wird dann bedeutend höher, und etwa 6' vom Boden sind über die ganze Breite
desselben sogenannte Pallisaden gelegt, die den Fussboden bilden.
Die Giebelseiten werden sorgfältig mit Tas oder andern Palmblättern
verschlossen, und nur auf einer Seite wird eine Oeffnung, welche die Thüre
vorstellt, gelassen, die des Nachts mit einer, ebenfalls aus Palmblättern
geflochtenen Decke verschlossen wird.

Zu diesem Schlafzimmer führt eine Treppe, welche aus einem Baumstamme roh
gearbeitet ist.

Auch hier hat jedes Individuum sein Feuerchen unter der Hängematte, und es
ist in der That unbegreiflich, dass nicht mehr Brandunglück entsteht. Die
Palissaden werden zu diesem Zwecke mit alten Scherben bedeckt, auf diese
wird etwas Erde geschüttet und hierauf das Feuer angemacht. Das Holz hiezu
schaffen die Weiber herbei, deren Aufgabe auch das Anmachen der Feuer ist.

Am frühen Morgen (denn mit anbrechendem Tage verlässt alles die Hängematte,
um sich im Strome zu waschen) reinigen die Weiber die Hütte, backen Brod
und kochen das Essen.

Die Männer gehen hierauf auf die Jagd, fischen manche Körbe, oder liegen
wieder in die Hängematte und bekümmern sich nicht im mindesten um die
Haushaltung.

Die Caraibinnen sind sehr geschickt im Verfertigen von Krügen, Töpfen und
grossen Trögen, worin Casiri und Tapana gebraut wird. Ebenso haben sie
eine grosse Geschicklichkeit in der Verfertigung von Hängematten. Die Töpfe
werden aus einem grauen oder röthlichen, sehr fetten Lehm gemacht, den
sie meist weit her holen. Dieser Lehm wird zuerst von allen Unreinigkeiten
gesäubert und mit dem Pulver der zu Kohlen verbrannten Rinde des
Kwepiebaumes vermischt und dann mit den Händen so lange gerieben, bis sich
alles gleichmässig vermengt hat. Die Werkzeuge zu dieser Töpferarbeit sind
sehr einfach und bestehen bloss aus einem Brettchen, auf welches das zu
Verfertigende gestellt wird, einigen Stücken Calabassen, die wie Löffel
oder Spatel gestaltet und zum Abkratzen des überflüssigen Thons, sowie zur
Glättung des Werks bestimmt sind, auch aus einer Calabasse mit Wasser, um
das Werk zu befeuchten.

Der Thon wird zu dünnen, langen Würstchen ausgerollt, auf dem Brettchen ein
runder Boden verfertigt, an den diese Würstchen angeklebt und immer in der
Runde mit dem Spatel bearbeitet werden. Ist die Arbeit fertig, so stellt
man sie an einem luftigen Ort zum Trocknen auf.

Die Schüsseln werden sodann von innen mit Orlean und einer Art Firniss von
Copal bestrichen, nachdem sie zuvor mit einem rothen, jaspisartigen Stein,
der in der Correntin oder dem Maho gefunden wird, geglättet wurden.

Sind die Töpfe oder Krüge trocken genug, so wird ein Feuer aus Baumrinde um
sie angemacht, und sie dann, wenn sie vortheilhaft ins Auge fallen sollen,
mit dem Safte eines Käfers, welcher braun färbt, bemalt.

Diese Wasserkrüge sind in der ganzen Colonie im Gebrauche, und es erhält
sich das Wasser auch sehr kühl in ihnen, weil sie porös sind und immer
schwitzen.

Eine andere bedeutende Beschäftigung ist die Verfertigung von Hängematten.

Cattun, den sie theils selbst um ihre Hütten pflanzen, theils von den
Plantagen eintauschen, wird in müssigen Stunden von ihnen gesponnen, und
dann, wenn eine hinreichende Quantität, etwa 10-15 Pfund Garn vorhanden
sind, der Webstuhl aufgeschlagen. An zwei aufrecht stehenden Pfosten
sind zwei andere so weit auseinander befestigt, als die halbe Länge der
Hängematte betragen soll. Um diese Pfosten wird nun der Zettel gewunden,
der Eintrag durch Aufhebung der Zettelfäden durchgeschoben und mit einem
harthölzernen, glatten Lineal festgeklopft.

Dass diese Arbeit sehr langsam fortschreitet, ist leicht begreiflich.
Diese Hängematten sind aber sehr dicht und warm, und werden mit 25-30 fl.
bezahlt. Die andern Hängematten werden aus Schnüren, welche aus den
Blättern der Mauritia geflochten sind, gewoben, gleichen aber einer Art
Netzwerk, und sind nicht dauerhaft.

Die Bebauung der Felder ist ebenfalls den Weibern überlassen. Die Männer
fällen zwar die schweren Bäume mit der Axt, aber die Weiber müssen das
kleinere Gesträuch mit den Hauern abschlagen. Nachdem nun alles in vier bis
sechs Wochen gut ausgetrocknet ist, steckt man den Haufen an der Windseite
in Brand. Was nicht verbrannte, wird in kleinere Stücke gehauen und wieder
angezündet, und das thut man so lange, bis man einen hinlänglichen Platz
zur Anpflanzung der Cassavestöcke hat. Auf einem solchen Acker sind bei
weitem nicht alle Bäume verbrannt, sehr viele liegen noch durcheinander
am Ort, wo sie gefällt wurden, und es ist desshalb eine Promenade in einem
indianischen Acker sehr ermüdend, weil man bald über Bäume klettern, bald
unter ihnen durchkriechen muss.

Beim Beginn der kleinen Regenzeit, Anfangs December, wird der Acker mit
Cassave oder Maniok bepflanzt. Die knotigen Zweige dieses Strauches werden
in 3-4 Fuss lange Stücke zerbrochen, und zwei oder drei derselben etliche
Zoll unter dem Boden kreuzweise übereinandergelegt und vergraben. In
einigen Tagen schon schlagen die Stöcke aus und wachsen sehr schnell, so
dass bei gutem Boden die Wurzeln oder Knollen in neun Monaten reif sind.
Mais und Ananas wird zwischen den Maniok hinein gepflanzt, auch Yamswurzeln
oder dergleichen, aber alles ohne die mindeste Ordnung.

Wird ein solcher Acker nicht fleissig gejätet, so findet man nach zwei
bis drei Monaten mehr Unkraut als Früchte darauf. Stachlichte Solaneen,
Brennnesseln und schneidende Grasarten überziehen den Boden und die
Gewächse, und ein Indianer nur kann sich in solcher Wildniss zurecht
finden.

Das Reinigen dieser Felder, ein nicht gar leichtes Geschäft, bleibt den
Weibern überlassen, welche auch die Wurzeln ausgraben und nach Hause
bringen. Die Körbe, in welchen diese Feldfrüchte, Holz und andere
Gegenstände getragen werden, hängen auf dem Rücken und sind mit einer
starken Liane um die Stirne befestigt.

Auf dem Kopfe wird nichts getragen, während die Neger die grössten Lasten
auf dem Kopfe schleppen.

Die Männer sind sehr geschickt im Verfertigen von Pagaals, einer Art
viereckiger Körbe, die aus der Rinde eines Rohres (Warimbo) gemacht werden.
In die Deckel dieser Körbe werden verschiedene Figuren eingeflochten. Da
sie sehr dicht geflochten sind und den Regen nicht durchlassen, so sind sie
überall im Gebrauche und der Haupthandelsartikel der Indianer.

Andere kleine Körbe, welche zur Aufbewahrung von Krabben, Maniokwurzeln
und dergleichen bestimmt sind, nennt man Kurikuri und sind ebenfalls
aus Warimbo geflochten. Bogen, Pfeile, Corjaals und Pagait werden
ausschliesslich von den Männern gemacht, die trotz ihrer unvollkommenen
Werkzeuge in der Verfertigung sehr behend sind.

Die Bogen werden aus 6' langen Stöcken eines harten Holzes, meist Letter
oder Konordeppi, geschnitzt. Sie haben in der Mitte etwa 1¼" Durchmesser,
sind halbrund und laufen von der Mitte aus allmählig spitzig zu. Die meist
schlaffe Bogensehne ist aus Bromelienflachs gedreht. Die etwa 3' langen
Pfeile werden aus einer Art Schilfrohr gemacht; am einen Ende sind zwei
durchschlitzte Federn, um den Flug zu regeln, am andern aber ist die, etwa
1½' lange, aus sehr hartem Holze gemachte Spitze. Pfeilspitzen für grössere
Fische sind von Eisen, und werden aus alten Reifen, zerbrochenen Hauern und
Messern gefeilt. Sie haben zwei Widerhaken und werden Tokosi genannt. Man
bindet sie an die hölzerne Verlängerung des Pfeils mit Bromelienflachs, den
man mit einer Pechart, Mani, dem Harze des Manibaumes (Symphonia coccinea)
bestreicht, Pfeile für Tiger, Pakire und grosses Wild sind ebenfalls von
Eisen, aber stärker, während die Pfeile für Vögel und kleinere Fische
verschiedene, auseinander laufende Spitzen von Palmholz haben.

Die Pfeile, welche beinahe so lange als die Bogen sind, werden mit
demselben in einer Hand getragen, während das Jagdmesser im Gürtel steckt.
Auf der Jagd gehen die Indianer so geräuschlos, dass man sie kaum hört,
und Gehör und Geruch sind so fein, dass sie beim geringsten Geräusch im
Gesträuch oder auf den Bäumen augenblicklich wissen, welches Thier dasselbe
verursachte. Ich habe diess mit Verwunderung manchmal beobachtet. Nie, wie
sehr ich auch meine Augen anstrengte, konnte ich die Fische bemerken, auf
welche sie schossen, und wenn auch nicht immer, doch meistens trafen.

Sehr selten ist es, dass ein Indianer ohne Beute von der Jagd nach Hause
geht. Findet er auch kein Wild, so bringt er doch Eidechsen, Anamueier
(vom Pesus serratus) oder Kabbiswürmer in seinem Jagdsacke, und er ist doch
nicht genöthigt, ohne Wild die unentbehrliche Pfeffersauce zu essen. Aber
meistens sind sie zum Jagen zu faul und bleiben tagelang zu Hause, wo sie
sich mit Kindereien beschäftigen und meistens in der Hängematte liegen.

Wie bei den Weibern die Verfertigung einer Hängematte vor allen andern
Beschäftigungen hervorgehoben zu werden verdient, so ist bei den Männern
der Bau einer Corjaal das wichtigste Geschäft, und Hängematten und
Corjaalen werden daher nur im dringenden Falle verfertigt.

Der Indianer, welcher sich entschlossen hat, eine Corjaal zu bauen, sucht
einen schönen, geraden, so dicht als möglich am Wasser stehenden Wanabaum.
In der Nähe desselben wird nun eine temporäre Hütte errichtet und der
Baum gefällt. Ist derselbe gesund, ohne Risse und Höhlungen, so wird das
tauglichste Stück in derjenigen Länge abgeschnitten, welche die Corjaal
erhalten soll. Die Werkzeuge, deren sie sich dabei bedienen, sind ein
Beil und eine Hohlaxt. Der Baum wird nun von aussen so zugehauen, wie die
Corjaal werden soll. Ist man mit der äussern oder untern Seite fertig, so
wird der ganzen Länge nach Holz heraus ausgehauen, und wenn eine genügende
Höhlung entstanden ist, Feuer darin angemacht. Nun sorgt man, dass die
Seiten der Corjaal, noch ehe sie auseinandergetrieben werden, die nöthige
Dicke erhalten. Ist diese Arbeit alle gethan, über welcher manchmal mehrere
Wochen, ja Monate hingehen, so werden die Seiten der Corjaal, welche bis
jetzt noch einer zugespitzten Walze gleicht, durch Stöcke, welche man quer
über hineinzwängt, auseinandergetrieben. Damit nun durch das gewaltsame
Auseinandertreiben der Seiten keine grossen Risse entstehen, wird in und
unter derselben immer Feuer unterhalten. Es werden nun immer längere Stöcke
hineingetrieben, so lange, bis die Corjaal ihre gehörige Weite hat. Diess
letztere Geschäft erfordert grosse Aufmerksamkeit und Sorgfalt; denn obwohl
alle Corjaalen dabei Risse erhalten, so kann ein Sachkundiger es doch so
einrichten, dass diese auf Stellen fallen, wo sie weniger nachtheilig sind.

Ist das letzte Geschäft gethan und das Boot so weit vollendet, dass es
in's Wasser gebracht werden kann, so wird ein Weg bis zu dem Fluss oder
der Kreek geebnet, runde Stöcke oder Rollen werden auf ihn gelegt, und dann
wird die Corjaal von einer gehörigen Anzahl Indianer in's Wasser geschafft.
Die Risse werden mit Bienenwachs oder Mani bestrichen, und Bänke,
Querstangen u. s. w. mit Lianen befestigt.

Hat nun eine Familie sich einen Vorrath von Schüsseln, Krügen, Pagaals
u. s. w. verfertigt, und ist sie im Besitze eines Boots, so wird eine Reise
nach Paramaribo oder den Pflanzungen unternommen. Da diese meist über See
geht, so werden an der Corjaal lange, dünne Bretter, die aus dem weichen
Holz des Trompetenbaumes (Cecraphia peltata) gehauen sind, an beiden
Seiten befestigt, um dieselbe dadurch ein wenig höher zu machen und die
überschlagenden Wellen abzuhalten. Diese Brettchen sind so lange als die
Corjaal und 6-12" breit, durch Lianen und Querhölzer an diese befestigt.
Die Fugen zwischen den Brettern und der Corjaal werden mit harzigen Fasern,
die man aus einer gewissen Baumrinde schabt, und welche die Stelle des mit
Theer getränkten Werges vertreten, ausgefüllt.

Segel werden verfertigt, indem man die Blattstiele der Mauritia trocknen
lässt, den äussern Bast abzieht und die markige Substanz mittelst eines
Bindfadens in ¼" dicke, 1½" breite und 4' bis 6' lange Latten schneidet.
Diese, mit Bindfaden aus Bromelienflachs so dicht als möglich aneinander
befestigt, geben ein gutes und leichtes Segel von beliebiger Länge, das man
leicht zusammenrollen kann.

Indessen der Mann für die Ausrüstung des Fahrzeuges sorgt, beschäftigen
sich die Weiber mit der Zubereitung von Kost und Getränke. Kassavekuchen
werden in Menge gebacken und in der Sonne getrocknet. Ausgepresster Maniok
(Madappi) wird in Körbe verpackt und mehrere Püllen (grosse steinerne
Krüge) werden mit Tapana und Cosiri gefüllt.

Eine Hauptsache aber darf bei einer Seereise nicht fehlen, das ist Sacura,
eine Art Mus, das aus gekautem Cassavebrod, gekochtem Yams und dergleichen
besteht. Man mengt hievon eine Hand voll unter eine Kalabas Wasser, das der
Indianer beinahe nie ohne Beimischung trinkt, und bereitet auf diese Weise
eine Art Suppe, welche zu kosten ich nie über's Herz bringen konnte.

Ist nun endlich die ganze Haushaltung: Menschen, Affen, Hunde, Papagayen,
Hühner und Schildkröten im Boote, so setzt sich der Eigenthümer desselben
gravitätisch an's Steuer, und die Männer blasen auf ihren Pfeifen, dass man
Ohrenweh bekommt; alsdann fährt man ab.

Da man die Zeit sehr wenig schätzt, so gehen solche Reisen manchmal sehr
langsam von statten. Ist es stilles Wetter, so schiessen die Männer auf
jeden auftauchenden Fisch, und an der ersten besten, günstigen Stelle wird
angehalten und gekocht. Da die Küste sehr nieder ist und mit jeder Fluth
überschwemmt wird, so sind sie häufig genöthigt, ihre Mahlzeiten im Boot
zu bereiten. Man holt dann grosse Stücke schlammigen Lehms aus dem Wasser,
breitet dieselbe in der Corjaal aus, und macht hierauf das Feuer an.

Manchmal werden auch in den niedrigen Zweigen der Parcagesträuche Holz und
Lehm so hoch aufgethürmt, dass sie das Wasser nicht erreichen kann; kommt
nun die Fluth, so geschieht es nicht selten, dass eine Welle Feuer und Topf
fortspült, und man mit hungrigem Magen weiter ziehen muss. Daraus macht
sich aber der Indianer nichts, und man muss sich darüber wundern, dass
Hunger und Durst ihn wenig aus seiner guten Laune bringen. Ich bin manchmal
mit Indianern gereist, die 12 Stunden hintereinander kräftig pagaiten,
während dieser Zeit nichts genossen, und doch immer lustig und aufgeräumt
waren. Bei den stärksten Drohungen würde ein Neger diess nicht thun, und
man findet selten Neger, welche eine Fluth (6 Stunden) rudern, ohne etwas
genossen zu haben.

Hat man nun die Pflanzungen erreicht, so wird beinahe Alles für Branntwein
vertauscht, und selten bringen sie nützliche Dinge, als: Zeuge, Beile,
Messer u. s. w. in ihre Heimath zurück. In Paramaribo verweilen sie bloss
einige Tage, begaffen das ihnen Ungewohnte ohne besondere Theilnahme und
laufen meist betrunken in der Stadt herum.

Mit Dram, Melassin und etwas Salz betreten sie den Rückweg, der, weil
ihnen nun Wind und Strömung entgegen sind, viel schwieriger ist, als die
Herreise. Hier hilft nun kein Segel, man muss pagaien und fährt desshalb
auch meist nach Mitternacht, wenn der Wind sich gelegt hat und die See
stiller ist. Den Tag über liegt man an einer ruhigen Stelle vor Anker,
d. h. an einem in den Boden befestigten Stock. Das Ankertau ist gedreht aus
dem Baste des zum Geschlecht der Hibiscus gehörigen Strauches Maho, der
am sandigen Ufer wächst; es entspricht seinem Zweck auf kürzere Zeit
vollkommen.

Ist man des Pagaiens müde, so laufen die Männer wohl halbe Tage lang im
Wasser und ziehen die Corjaal fort. Hat man das sandige Ufer der Mündung
erreicht, so wird bei Ebbe das Fahrzeug an einem langen Tau durch zwei oder
drei Männer gezogen, während einer am Steuer sitzt und dafür Sorge trägt,
dass das Fahrzeug sich nicht zu sehr dem Lande nähert.

Bei der Ankunft im Dorfe wird natürlich bestialisch getrunken; doch finden
sich noch immer einige im Dorfe, die abwechselnd nüchtern sind.

Man sieht dann allenthalben tolle Lustbarkeiten und Schlägereien, und es
ist für einen Nüchternen allerdings interessant, den Einfluss des Drams
auf die verschiedenen Gemüther zu beobachten. Man sieht häufig in derselben
Hütte die Weiber sich an den Haaren herumzerren und mit Feuerbränden das
Fell vergerben, Männer mit Hauern sich oft gefährliche Wunden schlagen,
total Betrunkene auf dem Boden liegen, und Halbbetrunkene in ihren
Hängematten ein Lied auf der Flöte herheulen.

Zu dieser Musik kommt noch das Geschrei der Betrunkenen (denn so stille und
geräuschlos der Indianer im nüchternen Zustand ist, so lärmend und polternd
macht ihn die Betrunkenheit), das Zetergeschrei der Kinder, das Gekreisch
der Papagayen, das Gekläff der Hunde, die aus einem Winkel in den andern
flüchten, und das Gewinsel der Affen. Da jedes männliche Individuum,
das die Reise mitmachte, seine Waaren selbst vertauscht und nichts
gemeinschaftlich hat, so traktirt nun auch jeder seine Freunde
insbesondere, so dass der Vorrath von Dram, sey er auch noch so gross, in
wenigen Tagen getrunken ist.

Im Rausche vorgekommene Injurien und Schlägereien werden, wenn sie auch von
noch so arger Art waren, nachher nicht mehr beachtet und bleiben vergessen
auf die einfache Entschuldigung hin: Ich war betrunken; damit ist allem
Processiren ein Ende gemacht.

Ein anderes Vergnügen eigenthümlicher Art sind ihre Tänze, bei welchen man
sie recht in ihrer Nationalität, unvermischt mit andern Sitten, beobachten
kann. Diese Tanz- oder vielmehr Trinkbelustigungen werden theils von
einzelnen Familien, die einen ziemlichen Vorrath an Cassave haben, oder vom
ganzen Dorfe, wobei dann jede Familie das Ihrige beiträgt, veranstaltet.
Ist der Tag, an welchem ein Tapanafest begangen werden soll, bestimmt,
so wird durch die Weiber eine hinlängliche Menge Maniokwurzeln vom Acker
geholt. Diese werden nun auf Brettchen, welche Simari heissen, und in
welche spitzige, harte Steinchen dicht nebeneinander eingeschlagen sind, so
dass sie die Stelle der Reibeisen vertreten, zerrieben[1].

Der hierdurch entstandene Brei wird in einem Madappi ausgepresst, und das
nun von seinem giftigen Safte befreite Mehl etwa zollhoch auf grossen,
runden, eisernen Platten, unter welchen ein Feuer brennt, ausgebreitet[2].
Das noch etwas feuchte Mehl klebt durch die Hitze zusammen und es entsteht
ein Kuchen, welcher umgedreht wird, wenn er auf der einen Seite gebacken
ist. Zum gewöhnlichen Gebrauch werden diese Kuchen bei mässigem Feuer
gebacken, um das Anbrennen zu verhüten; zum Tapanatranke aber werden
sie absichtlich der Hitze so lange ausgesetzt, bis sie auf beiden Seiten
verbrannt sind.

Der Saft der Maniokwurzel, der, wie ich schon früher bemerkte, giftig ist,
wird etwa auf die Hälfte eingekocht und dadurch unschädlich gemacht. Man
vermischt diese Brühe mit den schwarzgebrannten Broden und lässt das Ganze
ein bis zwei Tage lang gähren. Inzwischen haben nun die Männer in die beste
und grösste Hütte des Dorfes eine sauber gewaschene Corjaal gebracht, und
sie mit Wasser angefüllt, damit in ihr das köstliche Getränk gebraut werden
kann.

Es wird nun eine Menge Cassavebrod an Gross und Klein im Dorfe vertheilt,
und Alt und Jung ist damit beschäftigt, dasselbe zu kauen und in Kalabassen
auszuspucken, welche sie zu diesem Zweck bei sich haben. Sind diese voll,
so wird das appetitliche Mus in die Corjaal geleert, und von Neuem mit dem
Kauen fortgefahren, bis die ausgegebene Quantität zweimal die Kinnladen
des Volkes in Bewegung gesetzt hat, um als Trank noch zweimal dieselben zu
passiren.

Ist Alles fertig, so wird die Corjaal mit Palmblättern dicht verschlossen,
um so schnell als möglich die Gährung zu bewirken.

So eckelhaft auch diese Zubereitung ist, so angenehm und erfrischend
schmeckt der fertige Trank, der beinahe den Geschmack von saurer Rührmilch
hat, sich aber nicht lange hält, und in grosser Menge genossen ebenso
trunken macht, wie das Bier.

Am Morgen des Trinktages sind die Männer meistens mit der Ausbesserung
der Wege, welche zu ihrem Dorfe führen, oder mit der Verrichtung sonstiger
gemeinnütziger Arbeiten beschäftigt. Gegen Mittag beginnt das Fest.

Jedes hat sich hiezu nach seinem Geschmack und Vermögen herausgeputzt. Die
Männer sind, wie ich oben bemerkte, mit Rocou und Tapuriba bemalt und haben
ihre längsten und besten Camisen umhängen. Bogen und Pfeile, sowie eine
viereckige Keule aus hartem Holze, Abadou genannt, dürfen dabei nicht
fehlen. Hiezu kommen noch Colliers von Pakir-, Affen- oder Kaimanszähnen,
Federkronen in allen möglichen Farben und eine Unzahl Glasperlen.

Die Weiber und besonders die jungen Mädchen haben sich prächtig
herausgeputzt. Ihre Lippen stecken voll Nadeln, die kohlschwarzen Haare
sind sorgfältig gekämmt und anstatt der Pommade mit Capatöl beschmiert.
Rothe Flecken und Streifen geben den Gesichtern etwas tigerähnliches,
und der durch Tapouriba schwarzgefärbte Leib sticht grell gegen
die feuerfarbenen, mit Rocu gewichsten Waden ab. Dabei sind sie mit
Glaskorallen von allen Grössen und Farben behangen, und nicht selten zieren
sie ihren Hals mit Ketten, worin sich alle Arten Silbergeld eingefädelt
finden. Ich habe an einer solchen über 100 Franken gezählt.

An den Seiten der Hütte sind lange, plump aus Cedernholz geschnitzte Bänke
angebracht, deren Ende Krokodil- oder Tigerköpfe vorstellen. Auf diesen
Bänken nehmen nun die Familienhäupter Platz, und die Weiber kredenzen den
köstlichen Trank in Kalabassen oder irdenen Schüsseln. Mehrere Weiber und
Mädchen umfassen sich mit den Armen und bilden einen Halbkreis um den,
welchem sie den Trank bringen. Nach einem jämmerlichen Gesang biegen sie
taktmässig die Kniee und den Oberleib, ohne übrigens von der Stelle zu
kommen, und singen nun in einem wehklagenden Ton einige Dutzend Male
denselben Vers. Hat der damit Beehrte getrunken, so kommt die Reihe an
einen andern. Grosse Trommeln, mit Hirsch- oder Pakirfellen überzogen,
hängen an langen Schnüren von der Decke herab, und werden von jungen
Männern nach dem Takte ihrer Lieder, welche ganz dieselbe Melodie, wie die
der Weiber haben, geschlagen. Auch sie bewegen sich auf dieselbe Weise,
ohne vom Platze zu kommen.

Es ist unglaublich, welche Menge dieses Trankes bei einer solchen
Tanzparthie getrunken wird. Sowohl das damit angefüllte Boot, als auch
die Töpfe sind des Abends gewöhnlich ausgetrunken. Sind bei einem solchen
Gelage hundert Personen, die Kinder mitgerechnet, anwesend, so bin
ich überzeugt, dass mehr als zehn Fässer, je 320 Flaschen enthaltend,
verbraucht werden.

Hat der Indianer so viel getrunken, dass er die von den Weibern dargebotene
Schüssel nicht mehr leeren kann, so erbricht er sich, um aufs Neue trinken
zu können. Dieses Vomiren geschieht nicht heimlich; es gehört gewissermasen
zum Feste selbst; denn er erhebt sich nicht einmal von seinem Sitze. Der
Boden des Tanzhauses gleicht alsdann einer Pfütze, in welcher man bis um
die Knöchel im Tapana herumwatet.

Ausser den angeführten Tänzen sah ich bei dieser Gelegenheit einen
andern, welchen zwei Männer ausführen. Jeder hat ein aus Thon gemachtes,
rothbemaltes Blasinstrument, das zwei aufeinandergesetzten Trichtern
gleicht und auf beiden Seiten eine kleine Oeffnung hat, in welche
hineingeblasen wird. Unter den sonderbarsten Wendungen und Verdrehungen des
Körpers, indem sie sich bald entfernen, bald nähern, auf den Bauch legen,
oder auf allen Vieren herumlaufen, endigt sich diese Scene nach etwa einer
Viertelstunde unter dem Gelächter der Uebrigen.

Des Nachts ist zwar das Fest beendigt, aber am andern Morgen thut man sich
mit dem Ueberrest gütlich, wenn ein solcher noch vorhanden ist.

Einen andern Tanz sah ich mehrere Jahre nachher.

Der Piaiman _Thomas_ war auf einer Reise nach den Pflanzungen plötzlich
gestorben, und seine Wittwe gab zur Erinnerung ein Jahr nach seinem Tode
eine Tanzparthie.

Ich sah wohl im Hause derselben Cassave backen, Tapana und Casiri
zubereiten, aber weitere Vorbereitungen fanden nicht statt. Der Tag
wurde wie gewöhnlich beschlossen; einer nach dem andern legte sich in die
Hängematte, und man sah nirgends das mindeste Zeichen einer Festlichkeit.

In der grössten Hütte des Dorfes hingen die Hängematten der ledigen
Personen in die Kreuz und Quere, und nur beim Schein des Feuers, das unter
jeder brannte, konnte man sich zurechtfinden.

Auf einmal hörte ich aus einer Ecke der Hütte ein jämmerliches Geheul und
Wehklagen. Ich lief dahin und fand die Wittwe, welche wie eine Schildwache
unbeweglich stand und in der Hand Bogen und Pfeile, sowie einen alten
Strohhut ihres verstorbenen Mannes hatte. Mit einem Feuerbrand beleuchtete
ich sie auf allen Seiten, was sie aber keineswegs irre machte; denn sie
heulte ihren wehklagenden Gesang unter beständigem Schluchzen und einer
Fluth von Thränen.

Die Indianer erklärten mir den Inhalt ihrer Worte so: Es ist nicht gut,
dass du uns verlassen hast, dein Knabe ist noch zu jung, um für mich zu
jagen und Fische zu fangen u. s. w.[3].

Nachdem dieses Geheul beinahe eine halbe Stunde ohne Unterbrechung gedauert
hatte, trat eine kleine Pause ein, und in einer andern, ebenso dunkeln Ecke
erschien ein anderes altes Weib, das ein so jammervolles Geheul anhub, als
wäre der Verstorbene ihr Mann oder nächster Anverwandter gewesen. Nachdem
dieses Geheul ebenso lang, wie das der noch unbeweglich in ihrem
Winkel stehenden Wittwe gedauert hatte, heulten beide miteinander wie
Schlosshunde, so dass ich es beinahe nicht mehr in der Hütte aushalten
konnte. Da übrigens jedes Ding sein Ende hat, so war endlich auch der
Thränenquell beider Weiber gänzlich versiegt, und man schritt zu einem
neuen ganz besondern Tanze, zu welchem sich nach und nach mehrere Weiber
und Kinder eingefunden hatten. Alle bildeten einen Kreis, wobei sie sich
um den Hals schlangen; ein Lied wurde wieder auf ihre eigenthümliche Weise
angestimmt, die Kniee und der Oberleib hin- und hergebogen, und endlich
rasch hintereinander der Kreis umlaufen. Es herrschte hiebei eine tolle
Fröhlichkeit, und auch die Worte schienen nichts Trauriges zu enthalten,
obgleich ich den Sinn derselben nicht verstand.

Meiner selbst wurde in diesem Gesange mehrere Male gedacht; auch schloss
ich mich dem Kreise an und tanzte zur allgemeinen Belustigung mit. Während
des Tanzes, welcher beinahe bis zum Morgen währte, machte man Gebrauch von
den bereiteten Getränken.

In den Lebensmitteln vegetabilischer und animalischer Art, welche Gewässer
und Wälder liefern, sind die Caraiben nicht sehr wählerisch, indem sie
beinahe Alles, nur wenige Thiere ausgenommen, essen. Schlangen und grosse
Seeschildkröten sind zwar von ihrer Tafel verbannt; dagegen werden aber
wieder Pipa-Kröten, Laubfrösche, Wespenlarven, Ameisenweibchen, die
Larven verschiedener Rüsselkäfer, sowie die Käfer, welche die Blumen der
Wasserlilie zerfressen, und alle Arten Eier mit grossem Appetit verspeist.

Feinschmecker sind die Indianer eben nicht, und wenn sie auch gewisse
Gerichte vorziehen, so ist es ihnen ziemlich gleichgültig, ob z. B. das
Fleisch halb oder ganz gar, versalzen oder ohne Salz gekocht ist. Wenn
es nur den Magen füllt und mit den Zähnen zerrissen werden kann. Zu ihren
vorzüglichen Delicatessen gehört besonders der Leguan. Ich habe mich oft
darüber gewundert, wie sie dieses Thier auf den dichtbelaubtesten Bäumen
entdeckten und mich häufig geärgert, wenn sie meiner Bitten und Drohungen
ungeachtet Jagd auf dieses harmlose Thier machten, und dadurch die Reise
verzögerten, ungeachtet Fleisch und Fisch in Ueberfluss im Boote war.

Eine andere Leckerei sind Haifische, die an seichten Stellen der See
geschossen werden, und kleine Kaimans, welche entweder am Ufer der Flüsse
und Kreeken liegen, oder die Schnauze aus dem Wasser strecken. Die Indianer
bedienen sich beim Fischfang nie der Netze, sondern immer der Angeln; auch
schiessen sie die Fische, oder betäuben dieselbe mit dem Stinkholz, Nekko.

Kleine Fische werden auf gewöhnliche Weise mit Angelruthen gefangen;
grosse Fische aber mit Wurfleinen, etwa 100' langen, aus Bromelienflachs
geflochtenen, starken Schnüren, an deren Ende ein Stück Blei ist, und nahe
bei demselben drei bis vier kürzere Schnüre sind, an welchen die Angeln
sitzen.

Das Tau wird vom Boote oder Lande ausgeworfen, und das andere Ende so lange
in der Hand behalten, bis man merkt, dass ein Fisch angebissen hat. Eine
andere Art von Angeln sind die Springangeln, bei welchen ein starker,
elastischer Stock im Wasser befestigt wird, an welchem ein langes Tau
mit der Angel hängt. Dieser Stock wird nach unten gespannt und durch ein
klammerförmiges Hölzchen, das in der Mitte des Taues sitzt, in dieser
Spannung erhalten. Schnappt der Fisch nach der Angel, so springt die
Klammer los und der Stock schnellt in seine natürliche Lage zurück;
zugleich zieht er den Fisch halb aus dem Wasser. Oft findet daher der
Fischer blos die Köpfe, weil auf das Gezappel des Fisches die Kaimans und
besonders die gefrässigen Pirais herbeikommen, und so viel abbeissen, als
sie bekommen können. Die Art und Weise, wie der Fischfang mit Maschoas
betrieben wird, habe ich schon früher beschrieben, den mit Stinkholz aber
sah ich zuerst an der Marowyne. Die Indianer gebrauchen dreierlei mir
bekannte Pflanzen, durch deren Saft die Fische betäubt werden.

Die erste und gewöhnliche ist eine, im Hochwald wachsende, manchmal
schenkeldicke Liane, welche zum Geschlechte der Papilionaceen
(Lonchocarpus) gehört. Die zweite ist eine Syanthere, der Conamistrauch,
der um die Häuser gepflanzt wird, und dessen Blätter und Blüthen zu
einem Brei gestampft werden. Die dritte ist das Bäumchen Gunapalu, eine
Euphorbiacee mit herzförmig zugespitzten Blättern, die wahrscheinlich mit
den Jatrophas verwandt ist. Auch diese wird um die Häuser gepflanzt, und
ich bin nicht gewiss, ob sie hier einheimisch ist. Die sehr milchigen
Blätter und Zweige werden ebenfalls zerstampft, und wie die der Conami mit
dem Wasser vermischt.

Zur Zeit der Fluth, die sich in der untern Marowyne 8-10' erhebt, ziehen
die Flussfische in die Buchten und Kreeken, wo sie, bis die Ebbe eintritt,
ihrer Nahrung nachgehen, die theils in Baumfrüchten, welche ins Wasser
gefallen sind, theils in Würmern und andern Fischen besteht.

Will man nun mit Stinkholz, oder den zwei andern betäubenden Pflanzen
fischen, so wird, sobald die Fluth ihre grösste Höhe erreicht hat, eine
geschickte Kreek abgeschlossen, so dass den Fischen der Rückweg in den
Strom abgeschnitten ist. Diess geschieht mit einem sogenannten Paarl, der
aus etwa 8' hohen Stäben aus Palmblattstielen besteht, welche mit Lianen so
an einander befestigt sind, dass zwischen jedem Stab eine Oeffnung von etwa
1" Breite gebildet wird und eine Art spanischer Wand entsteht, durch welche
das Wasser ungehindert ablaufen kann.

Ist nun das Wasser bedeutend gefallen, so begeben sich einige Männer mit
grossen Stücken Stinkholz, das man zuvor durch Schlagen mit harten Stücken
Holz zerfetzt und locker gemacht hat, an das obere Ende der Kreek, wo man
durch beständiges Reiben und Schlagen im Wasser alle giftigen Theile der
Pflanze demselben mittheilt.

Nach wenigen Minuten bemerkt man bereits die Wirkungen an den
Wasserbewohnern. Kleine Fischchen schwimmen auf dem Bauche herum, Krabben
und Krebse suchen ans Land zu flüchten und wackeln wie besoffen hin und her
und es schnellt bald da, bald dort ein Fisch aus dem Wasser oder streckt
die Schnauze hervor.

Die ganze Mannschaft ist längs der Kreek vertheilt und schiesst mit Pfeilen
auf die auftauchenden. Weiber und Kinder waten im Schlamm umher, um die
berauschten Fische herauszuziehen. Alles, was Leben hat, stirbt in dem
vergifteten Wasser und wird eine Beute der Indianer. Diese sagen, dass in
einer solchen Kreek lange nicht mehr gefischt werden könne, weil sich der
giftige Geruch den im Wasser liegenden Baumstämmen und selbst dem Schlamme
mittheile, auch nur langsam wieder verliere.

Beim Fischen mit Conami und Gunapalu wird der Brei mit dem Wasser vermischt
und hat ganz denselben Erfolg. Das Fischen auf diese Weise heisst man
Ponsen; es ist jedenfalls sehr schädlich, weil auch eine Menge Laich und
Brut dadurch zu Grunde geht.

Beim Beginn der Regenzeit, wenn die Buschfische aus den Strömen und
grösseren Kreeken in kleinere Bäche und Sümpfe ziehen, dämmt man diese
gewöhnlich mit Paarls und Pinablättern ab.

Die dadurch in ihrem Lauf aufgehaltenen Fische suchen über das Hinderniss
wegzuspringen und fallen dabei in eine, zu diesem Zweck dahinter gelegte
Corjaal. Wenn die Fische recht im Zug sind, kann man des Morgens Hunderte
derselben in der Corjaal finden.

Ist der Fischfang so ergiebig, dass man auf mehrere Tage Vorrath hat,
so werden die Fische gebarbakot (geräuchert). Man nimmt dabei bloss die
Eingeweide heraus und legt sie ungesalzen auf eine Art Rost, der aus
Stöcken gemacht ist. Unter demselben unterhält man so lange Feuer, bis die
Fische gebraten und getrocknet sind. Ebendesswegen halten sie sich auch
bloss einige Tage und wimmeln häufig von Würmern, die aber dem Indianer
seinen Appetit nicht benehmen. In der Regenzeit (Mai, Juni) legen die
rothen Ibise, hier fälschlich Flamingos genannt, sowie andere reiherartige
Vögel ihre Eier in die Gebüsche am niederen Seestrande und brüten.

Eier und junge Vögel werden von den Indianern besonders geschätzt, und sie
scheuen daher die Reise nach den Legeplätzen nicht.

Zwei grosse Corjaalen meiner Nachbarn kamen eines Tages an den Posten, um
auf eine solche Eierexpedition auszugehen. Man gelobte mir, nachdem ich
die Mannschaft mit Branntwein erquickt hatte, auch einen Korb voll Eier
mitzubringen.

Wenige Tage nachher kamen beide Corjaalen wieder zurück, vollgeladen mit
Eiern und einer Menge junger, sehr mager aussehender Vögel. Ich bekam nun
etwa hundert von diesen Eiern, welche grün und schwärzlich gedupft und von
der Grösse kleiner Hühnereier waren. Sogleich machte ich mich daran, einen
Eierkuchen zu backen, fand aber zu meinem Verdruss, dass nur ein frisches
Ei dabei war. Alle übrigen waren entweder halbbebrütet und stinkend oder
enthielten schon beinahe reife Vögel, welche sich noch bewegten. Desshalb
glaubte ich, dass man wirklich dieses Geschenk für mich ausgelesen habe.
Da ich nun aber durchaus Eierkuchen essen wollte, so fuhr ich sogleich in
meiner Corjaal nach dem Dorfe, wo ich in jeder Hütte die Weiber mit dem
Kochen der Eier beschäftigt antraf. Diese waren aber ebenso, wie die
meinigen. In einer Brühe von stinkenden Dottern schwammen Vögel von allen
Brutprocessen, reichlich mit spanischem Pfeffer gewürzt, und dieses Mahl
wurde mit wahrem Heisshunger verzehrt.

Man würde bei einer solchen Lebensweise sich nicht verwundern, wenn
gefährliche Krankheiten entständen; es ist diess aber nicht der Fall, und
nur selten findet man kränkliche Personen.

Ausser den, mit den hier zu Lande herrschenden entsetzlichen Krankheiten,
als Lepra und Elephantiasis heimgesuchten Personen, findet man höchst
selten Gebrechliche, weder Krüppel noch Krumme, und wenn man an den nackten
Leibern Wunden oder Narben wahrnimmt, so sind es immer ehrenvolle
Zeichen eines Kampfes oder eines, in der Trunkenheit geschehenen Falles.
Zeitenweise kommt es vor, dass Dissenterie unter ihnen grassirt, auch
sind Wechselfieber häufig. Sie kennen übrigens eine Menge vegetabilischer
Arzneien, welche meist von guter Wirkung sind. Ist die Krankheit ernsterer
Natur, so wird ein geschickter Doctor oder Piaiman zu Rathe gezogen. Dem
Kranken wird in seiner Hütte eine Art Zelt aus Camisen und anderen Tüchern
zurechtgemacht und seine Hängematte darin aufgehangen. In einem andern
ähnlichen Zelte sitzt der Piaiman, der die unentbehrliche Maraka (eine
runde, hohle, kugelförmige Kalabas, durch deren Mitte ein Stock geht,
dessen oberes Ende mit Rabenfedern geziert ist, und welche runde
Quarzkörner oder Marowynesteine enthält), bei sich hat. Er bespricht sich
in seinem Zelte mit dem bösen Geiste, der die Krankheit verursacht. Sein
Gespräch ist bald flehend, bald drohend, jetzt brüllend, dann wieder mit
Schluchzen und Weinen vermischt.

Je schwerer die Krankheit ist, um so mehr gibt sich der Piaiman Mühe, durch
seine Drohungen dem Geiste Furcht einzujagen.

Man muss beinahe bezweifeln, dass _eine_ Person im Stande ist, so
verschiedene Stimmen nachahmen zu können; denn auf Alles, was der Piaiman
dem bösen Geiste vorsagt, antwortete er selbst mit veränderter Stimme.
Dabei tönt unaufhörlich die Maraca, deren Laut dem Gerassel von Erbsen in
einer trockenen Blase gleichkommt.

Das Piaien dauert Nächte lang ununterbrochen fort, nur dass von Zeit zu
Zeit der Doctor dem Kranken Tabaksrauch ins Gesicht bläst, oder seine
Beschwörungen an der Hängematte selbst vornimmt. Als Hauptgenesungsmittel
in äusserst schwierigen Fällen dient der Saft des Dakinibaumes, welcher
sehr selten zu seyn scheint. Um diesen zu bekommen, hat der Piaiman erst
die Erlaubniss der den Baum bewohnenden Geister nöthig, und erst nach
manchen Unterredungen mit ihnen haut er die Oeffnung, aus welcher der Saft
fliessen soll, in den Baum. Der Patient trinkt nun denselben als letztes
Mittel, und es versteht sich von selbst, dass bei einer so wichtigen
Kur der Piaiman die ganze Nacht bei dem Kranken zubringt und die Geister
beschwört. Diese schweigen aber auch nicht still, sondern lassen sich in
verschiedenen Stimmen, bald als Poweesen, Agamis, bald als Affen und Tiger
hören.

Diesen Kuren habe ich noch nie beigewohnt, aber schon manche Nacht auf den
Dörfern zugebracht, in der mich der Piaiman am Schlafen hinderte.

Auf Arzneien der Europäer setzen die Indianer wenig Vertrauen; sie
gebrauchen dieselben zuweilen, nehmen aber, wenn nicht gleich ein günstiger
Erfolg erzielt wird, sogleich ihre Zuflucht wieder zu ihren Hausmitteln.
Chinin übrigens, das so schnell vom Fieber hilft, hat ihnen grosse Achtung
eingeflösst. In dem Charakter des Indianers sind nicht viele Laster, aber
auch wenige Tugenden vereinigt. Der Hauptzug, den die Caraiben mit den
Arowacken gemeinschaftlich besitzen, ist Gleichgültigkeit. Der Augenblick
regiert ihn und sein Interesse berücksichtigt er nur dann, wenn seine Laune
hiezu gestimmt ist. Wie ein Kind wünscht er bald dieses, bald jenes zu
besitzen, und scheut keine Mühe, um in den Besitz desselben zu gelangen.
Vom Worthalten hat er keine Idee, und man kann sich desswegen nie auf ihn
verlassen. Ebenso wenig weiss er, was Wahrheit ist, und lügt, wenn es sein
Interesse erfordert.

Bei ihren wenigen Bedürfnissen achten sie auf ihr Eigenthum wenig; wenn sie
z. B. Monate lang sich damit abgemüht haben, ein langes Stück Salemporis
(blaugefärbter Baumwollenzeug) zu verdienen, so wird dieses entweder als
Segel gebraucht, wenn sie kein anderes haben, oder in Fetzen zerrissen, um
die Corjaalen damit zu stoppen.

Misstrauen hegen sie keines, verlassen Tage lang ihre Hütten, ohne ihr
Eigenthum zu verbergen; die Diebstähle kommen selten vor; doch sind
Getränke und Esswaaren vor ihnen nicht sicher, auch lassen sie wohl andere
Gegenstände, die ihnen anstehen, mitspazieren. Im Allgemeinen sind sie faul
und man findet desshalb wenige, die bemittelt sind.

Ihre Wanderlust ist sehr gross und wegen der unbedeutendsten Vorfälle
machen sie grosse Reisen. Früher pflegten sie aus dem Lande der Makusis am
Rupununi und Maho im Innern Guyana's Sklaven zu holen; doch scheint diess
nicht mehr vorzukommen. Ich kannte noch ein solches Sklavenmädchen, welches
Christian gehörte.

Ihre Leidenschaften sind, die Liebe zum Trunk ausgenommen, viel
gemässigter, als die der Nordamerikaner; daher bezweifle ich auch, dass die
Civilisation grosse Fortschritte bei ihnen machen wird.

Es wird freilich von uns gar nichts gethan, um sie auf eine höhere
Stufe sittlicher Bildung zu bringen. Aber auch bei unsern Nachbarn, den
Franzosen, welche sich die Bildung der Indianer sehr angelegen seyn und sie
in Schulen unterrichten lassen, bemerkt man keine grössere Fortschritte.
Der einzige Magnet, der sie anzieht, ist leider der Branntwein, und die
Schnapsflasche darf nie leer werden, wenn sie Dienste leisten sollen. Wer
ihnen einschenkt, ist ihr Freund. Für andere Dienste und Wohlthaten sind
sie gefühllos; Dankbarkeit ist ihnen fremd. Auch Beleidigungen werden
vergessen, und nie habe ich bemerkt, dass Händel oder Thätlichkeiten
vorfielen, wenn der allgemeine Friedensstörer, der Branntwein, die Gemüther
nicht erhitzt hatte.

Obgleich ihre Sinneswerkzeuge so ausgebildet und fein wie die der
Nordamerikaner seyn mögen, so scheinen sie diesen doch im Allgemeinen
nachzustehen, wozu freilich auch das milde Klima viel beiträgt, das bei so
leichter Mühe alle Bedürfnisse befriedigt, während der Nordamerikaner bei
ungleich rauherer Witterung sich alle Bedürfnisse erringen muss.

Mein Detachement, das aus dem Bäcker und zwei schwarzen Soldaten bestand,
wurde abermals abgelöst und durch vier Weisse ersetzt, zu welchen der
Bäcker den fünften ausmachte. Die Besatzung war desshalb wieder auf dem
alten Fusse.

Ich hatte mir bis jetzt alle Mühe gegeben, von den Indianern eine Corjaal
zu kaufen, um selbst kleine Wasserfahrten machen zu können. Sie hatten
aber, so viel ich auch um eine bot, keine überflüssige für mich. Endlich
fand ich zufälligerweise eine schöne, 18' lange Corjaal von Cedernholz, die
von irgend einem Indianerdorfe vom Strom mitgeführt und durch die Fluth
an den Strand war geworfen worden. Sie hatte ihrer ganzen Länge nach drei
ungeheure Risse, und es kostete desshalb viele Mühe, bis das Fahrzeug von
seinen Schäden kurirt war. Doch gelang diess nach zwei Tagen anhaltender
Arbeit vollkommen. Die Risse hatte ich durch mit Werg umwundene Stöcke
ausgefüllt, diese verpicht und darüber der ganzen Länge nach oben und unten
lange Streifen Eisenblech genagelt. Meine Probefahrt nach der andern Seite
des Flusses überzeugte mich von der Vortrefflichkeit meiner Arbeit.

Zu Ende März schrieb mir der Kommandant von Armina, dass der Schooner
abermals unterwegs sey, um den Rest der geretteten Güter abzuholen, und
dass er damit seine Frau (Haushälterin) erwarte. Zugleich ersuchte er mich,
diese Dame freundlich zu behandeln und ihn von ihrer Ankunft sogleich
in Kenntniss zu setzen. Ich hatte dieses Frauchen noch nie gesehen und
erwartete desshalb in ihr eine Mulattin oder Mestizin, welche meistens
die Haushaltung lediger Unteroffiziere führen, dieselben nach den Posten
begleiten und sich manchmal mehr Autorität anmasen, als eine rechtmässige
Frau.

Solche Missis verkauften (ich rede da von längstvergangenen
Zeiten) gewöhnlich auf den Posten Alles, was der Soldat in seiner
Junggesellenwirthschaft nöthig hat, als: Zucker, Caffee, Tabak, Butter,
Käse, Saife u. s. w. an denselben auf Credit. Der Betrag wurde aber, wenn
die Soldgelder von Paramaribo kamen, davon vom Kommandanten abgezogen.
Geht ein Fahrzeug nach der Stadt, so hat der mitgehende Corporal tausend
Commissionen in Paramaribo zu bestellen und ist er nicht eifrig genug, so
weiss die Missi es ihm später schon einzubrocken. Oft geht aber die Dame
selbst mit, um bekannte Pflanzungen heimzusuchen, und sich dort mit
Zucker, Caffee, Dram u. s. w. zu versehen und in der Stadt recht billig
einzukaufen. Der grösste Theil des Soldes wandert dann, besonders wenn sie
noch unter der Hand Schnaps verkauft, was aber der Kommandant natürlich
nicht wissen darf, in ihre Geldbüchse. Eine solche Dame dachte ich
ebenfalls auf dem Schooner zu finden, und fuhr aus grosser Galanterie
demselben entgegen.

Ich bewillkommte den Schatz meines Kommandanten auf negerenglisch, das ich
in dieser Zeit zum Entzücken schlecht sprach. Die Dame gab sich mir
aber sogleich als Holländerin zu erkennen, und enthob mich desshalb der
Verlegenheit, in der armseligen Creolensprache mich auszudrücken.

Sogleich schrieb ich an den Kommandanten, dass seine Haushälterin (welches
Wort ich aber bei reiflicher Erwägung zu anstössig fand und in Madame
umwandelte) nebst dem Doctor angekommen sey. Um die glückliche Ankunft dem
Lieutenant so schnell als möglich zu melden, sandte ich die ganze Besatzung
bis auf den Bäcker weg. Da ich aber bloss einen einzigen Pagai im
Vermögen hatte, so mussten drei der mitgehenden Soldaten bis zum nächsten
Arowackendorfe mit den Samenkapseln der Maripapalme rudern; dort konnten
sie von meiner Freundin, dem Oberhaupte des Dorfes, drei Pagais entlehnen.

Vier Tage später kam der Kommandant von Armina an, um seine Liebste
abzuholen. Diese hatte unter Anderem ein ungeheures Fass ordinären
Blättertabaks, von dem das Pfund 16-20 Cents kostet, mitgebracht, und das
Detachement konnte es für Geld in Rauch verwandeln. Leider hatte sie auch
Verschiedenes in Paramaribo gekauft, das durch den reichlichen Strandsegen
entbehrlich geworden war und desswegen dem Kommandanten manchen Seufzer
auspresste.

Das Fass Tabak, so erzählte die Haushälterin, wäge über 700 Pfd. und wenn
sie das Pfund zu 1 fl. 50 kr. verkaufe, so geschehe diess mehr den Soldaten
zu lieb, als des Nutzens wegen.

Kommandant, Doctor und Haushälterin segelten mit gutem Winde nach Armina
und ich hatte gottlob wieder längere Zeit vor derlei Besuchen Ruhe.

Der Schooner hatte den Rest der geretteten Güter eingeladen und es blieb
also nichts mehr übrig, als das Wrack, das sich bei der Fluth mit Wasser
füllte und in dem Haie, Lumpen und andere Raubfische die verfaulten
Kartoffel-, Zwiebel- und Käsereste durchschnoberten.

Jetzt war die Legezeit der grossen Seeschildkröten, die Nachts längs des
sandigen Seestrandes ihre schwerfälligen Promenaden ausführten und an dem
erhöhten Ufer, das über dem höchsten Wasserspiegel der Fluth lag, ihre Eier
verscharrten.

Meist beim Mondlicht und in der Zeit des ersten und letzten Viertels
kriechen diese schwerfälligen Thiere herauf, wühlen im Sand einen Platz von
manchmal 200□' um, graben dabei die dicksten Wurzeln und Gesträuche aus,
bis sie eine günstige Stelle gefunden haben.

Mit den Hinterfüssen wird sodann ein beinahe 2' tiefes und 8" weites Loch
gegraben, und in dieses etwa 100-200 runde, mit einer pergamentartigen Haut
überzogene Eier von der Grösse einer kleinen Billardkugel gelegt. Das Loch
wird mit Sand ausgefüllt und das Thier geht in die See zurück. Die Spur der
Füsse und des Schwanzes, welche durch das Auf- und Abkriechen entsteht, ist
tief im Sande eingegraben und wellenförmig.

Ueberrascht man eine Schildkröte beim Legen, so schnaubt und bläst sie,
setzt aber ihr Geschäft ruhig fort, es sey denn, dass man versucht, sie auf
den Rücken zu legen, in welchem Falle sie dann wüthend um sich schlägt.
Ein kräftiger Mann kann bei einiger Erfahrung leicht eine auf den Rücken
werfen, obschon sie manchmal gegen 500 Pfund schwer sind. Umgedreht
schlagen sie mit allen Vieren auf den Brustschild und wären wohl im
Stande, den Unvorsichtigen schwer zu verletzen. Man bindet ihnen sodann die
Vorderfüsse fest und ladet sie in die Corjaal.

Sie haben ein sehr zähes Leben und die Indianer, welche sie häufig zum
Verkauf nach den Pflanzungen bringen, lassen sie manchmal 14 Tage auf dem
Rücken liegen; es darf aber alsdann keine Sonne auf sie scheinen. Wenn
schon Herz und Eingeweide herausgenommen sind, so zappeln sie noch
stundenlang und das Schlachten derselben ist ein blutiges Gemetzel.

Gewöhnlich haben sie ausser den gelegten Eiern noch ganze Kübel voll
Dotter bei sich und viele sind so fett, dass man aus einer 2-3 Gallons Oel
ausschmelzen kann. Das Fett ist bekanntlich grün und das Fleisch liefert
die berühmten Schildkrötensuppen, die man in London und andern Seeplätzen
so theuer bezahlt. In Surinam ist es nicht geachtet und ich finde ebenfalls
nichts Leckeres daran; denn es ist grob und faserig und das Fett hat einen
eigenthümlichen, thranigen Geruch. Nur die Eier sind gut zu gebrauchen und
sie waren während der Legezeit eine Hauptspeise auf unserem Küchenzettel.
Das Weisse dieser Eier, das nie hart wird, wirft man weg.

Man kocht sie im Wasser mit Salz und isst ihren Dotter mit Pfeffer und
Zitronensaft; auch lassen sich gute Pfannenkuchen daraus backen.

Um sie längere Zeit aufzubewahren, räuchert man sie, wobei aber das Eiweiss
ganz eintrocknet. Die Begattungszeit fällt in den Februar; die Thiere
bleiben alsdann Tage lang aneinander hängen und werden so häufig durch
die Brandung auf den Strand geworfen, wodurch ihr angenehmes Geschäft
unterbrochen wird.

Die Indianer schwimmen, wenn sie zwei solche Liebende erblicken, mit
einem Strick auf sie zu und schieben den Vorderfuss des Männchens in eine
Schlaufe, was von diesem erst bemerkt wird, wenn man es ans Boot zieht,
wobei es dann unter wüthendem Gezappel seine Ehehälfte loslässt.

Die Männchen sind meistens fetter, als die Weibchen und haben dieselbe
Grösse; nur ist ihr Schwanz bei 2' lang. Sie gehen nie ans Land und werden
daher selten gefangen.

Die ersten Eier findet man in der Mitte Februars; im Mai werden die meisten
gelegt und zu Ende Juli kommen die Jungen heraus. Diese kriechen meist
Nachts in die See. Aus einem Nest kommen manchmal 30-40. Die anderen Eier
verderben. Sie haben übrigens viele Feinde und besonders sind die Aasgeier
auf sie erpicht. Auf der Stelle, wo eine Schildkröte gelegt hat, sticht
man mit einem Pfeil oder glatten Stabe auf dem umgewühlten Platze an
verschiedenen Stellen in den Sand. Findet man eine Stelle, wo der Pfeil
leicht und ohne Widerstand eindringt, so gräbt man nach und findet die
Eier.

Bereits sitzen auch mehrere Aasgeyer in der Nähe und warten nur, bis man
weg ist, um die mit dem Pfeil durchstochenen Eier, welche man liegen lässt,
zu fressen. Sobald sie damit fertig sind, fliegen sie voran zu einem neuen
Haufen, um auch da ihren Finderlohn wegzuschnappen.

Im Mai und Juni kommen kleinere Seeschildkröten von einer andern Gattung,
welche man Varana nennt, hervor. Diese werden bloss 80-100 Pfund schwer und
legen kleinere, aber schmackhaftere Eier. An mondhellen Abenden laufen sie
zu Dutzenden am Seestrande herum und, wie es scheint, nicht bloss um Eier
zu legen, sondern auch zu ihrem Vergnügen. Sie sind bei weitem nicht so
phlegmatisch, wie die grossen, lassen sich aber auch nicht so lange beim
Leben erhalten.

Zuweilen, aber sehr selten, kommt auch die Carettschildkröte ans Ufer. Sie
ist kleiner als die Riesenschildkröte und man erkennt ihre Spur am Zeichen
des Kopfes, den sie im Sande zu schleppen scheint.

Die Seeschildkröten werden ausser dem Menschen bloss von dem Jaguar
angegriffen, der mit seinen scharfen Krallen sie geschickt auszuhöhlen
weiss. Die zwei mir bekannten Arten leben von Tangen und Seegras.

Die sonderbare Matamatta (Chelys infibriata) ist in Surinam nicht zu Hause,
kommt aber häufig am Oyapok vor und wird von da nach Cayenne auf den Markt
gebracht.

Die grosse Regenzeit war angebrochen und obgleich an der See die Regengüsse
bedeutend schwächer sind, als im Innern des Landes, so war sie doch für
uns desswegen höchst unangenehm, weil in den gewöhnlich stillen Nächten
die Mosquittos in ungeheurer Menge alle lebenden Geschöpfe plagten. Wir
schleppten den Tag über grosse Stücke Holz, welche die See anspülte,
zusammen, und machten des Abends davon ein grosses Feuer, zu dem manchmal
mehrere Klafter verbraucht wurden. Um dieses lagerten wir uns so, dass der
Rauch uns bestrich, und meine Ziegen, welche sehr wohl merkten, was gegen
die Mosquittosstiche schütze, drängten sich so dicht als möglich an uns an.
Man unterhielt sich bei diesem Wachtfeuer mit Soldatengeschichten, die wohl
überall über denselben Leist geschlagen sind. Wenn das Feuer erlosch und
man zu schlafen versuchte, so ging's ans Fluchen und Lamentiren. Jedes
Mittel wurde versucht; ja einige gruben sich förmlich in den Sand ein und
liessen nur eine kleine Oeffnung zum Athemholen, bloss um einige Stunden
Ruhe zu geniessen.

War das Wetter hell, so liefen wir stundenweit längs des Seestrandes hin
und trieben unsere Spässe mit den Seeschildkröten. Manchmal sassen wir zu
dreien auf eine, welche dennoch mit uns in die See lief. Fanden wir eine
in der Nähe des Postens, so schlachteten wir sie zuweilen; mit weiter
entfernten aber gaben wir uns keine weitere Mühe.

Eines Abends sass ich in meiner Kammer; auf einmal hörte ich ein starkes
Klopfen an meiner Schwelle. Da auf meinen Ruf Niemand antwortete, so
öffnete ich die Thüre und fand eine grosse Seeschildkröte, welche damit
beschäftigt war, unter die Schwelle ein Nest zu graben. Ich wälzte sie auf
den Rücken und wir schlachteten sie am andern Morgen.

Kamen wir von unsern nächtlichen Promenaden nach Hause, so war man so matt
und müde, als hätten wir drei Tage lang nicht geschlafen. Der ganze Körper
war auf einem solchen Marsche in fortwährender Bewegung, und man war
gleichsam in einer Atmosphäre von Mosquittos, wo man immerwährend zu
klopfen und zu wehren hatte. An Ruhen oder Sitzen war nicht zu denken, und
wenn wir einen Augenblick ruhen wollten, so liefen wir gewöhnlich in die
See und streckten bloss den Kopf aus dem Wasser. Kam nun der Morgen, so
beeilte sich jeder, nach dem Frühstück die entbehrte Nachtruhe in der
Hängematte nachzuholen. Wir konnten aber weder bei Nacht noch bei Tag ruhig
schlafen; denn sobald es warm wurde, fand sich eine ganz besondere Art
dreieckiger Fliegen oder Bremsen ein, die in den übrigen Kolonien nicht
zu finden waren, und durch ihre Stiche die Schlafenden auf eine solche
unbarmherzige Weise weckten, dass diese oft den Posten und sich vor Zorn in
den Abgrund der Hölle wünschten.

Gegen das Ende des April kam unser Kommandant abermals, um die Lebensmittel
fürs zweite Quartal, welche alle Tage erwartet wurden, in Empfang zu
nehmen.

Fast zu gleicher Zeit kam aus Paramaribo ein Fischerboot mit vier Weissen,
welche bei der Auction, wobei die vom Schiffe abgeholten Güter verkauft
wurden, das Wrack um 100 fl. erstanden hatten. Sie kamen in Begleitung von
vier Negern, mit deren Hülfe sie Alles abbrechen und nach der Stadt zum
Verkauf bringen wollten. Sie hofften am Schiffsinventarium noch eine gute
Beute zu machen, fanden sich aber in ihren Erwartungen getäuscht.

Vierzehn Tage waren sie unterwegs gewesen, hatten durch Sturm und Regen
viel gelitten und kamen, von Allem entblösst, bei uns an.

Sie gingen nun mit Eifer ans Werk, untersuchten das Wrack und arbeiteten
in den Zeiten der Ebbe, um Alles, was an Kupfer, Blei u. s. w. noch von
einigem Werth war, auf den Posten zu bringen. Ihr Eifer erkaltete aber
schon nach einigen Tagen; denn ausserdem, dass der Regen sie an ihrer
Arbeit hinderte, sah man sie beinahe alle Tage betrunken und unter sich in
Streit und Schlägereien gerathen.

Des Nachts liessen ihnen die Mosquittos keine Ruhe, ihre Neger waren
abwechslungsweise krank; Bananen und Reis, was sie vom Kommandanten
erhalten hatten, war bald genug aufgezehrt und unsere kargen Rationen mit
diesen acht Menschen noch zu theilen, war nicht möglich. Der Lieutenant
beschloss desshalb, von Armina, wohin das Boot zurückgekehrt war, noch
einige Dutzend Boschen Bananen kommen zu lassen. Weil ich nun wünschte,
den Strom, welchen ich noch nie befahren hatte, zu sehen, so ging ich mit
meiner Corjaal, zwei Negern und einem Indianer, welchen ich auf eigene
Kosten mitnahm, dahin ab. Vorher aber rieth mir der Kommandant, seiner
Liebsten einige Dutzend Fläschchen Pomade und Riechwasser, welche er mit
seinen Luchsaugen in meiner Kiste entdeckt hatte, als Geschenk mitzunehmen,
obgleich sie weit über die Jahre hinaus war, in welchen diese Toilettmittel
mit Erfolg angewendet werden.

Mit einem Segel auf meiner leichten Corjaal, fuhr ich am zweiten Mai mit
gutem Winde ab und bald hatten wir die erste Inselgruppe, welche aus fünf
mit Hochwald und niedrigem Gesträuch bewachsenen Inseln besteht, erreicht,
und landeten am ersten Arowackendorf auf holländischer Seite, das Woman
Contry (Weiberdorf) genannt wurde.

Das Oberhaupt war eine alte Frau, Saantje, welche mich, nachdem ich ihr
eine Flasche Genever, den sie sehr liebte, gegeben hatte, mit Cosiri,
Cassave und Ananassen beschenkte.

Auf der andern Seite des Stromes lag ein Caraibendorf, dessen Oberhaupt
ebenfalls eine Frau war, welche Anna hiess.

Der Fluss, welcher oberhalb der ersten Insel sich auf die Hälfte seiner
früheren Breite vermindert und bloss noch eine halbe Stunde breit ist,
bildet beinahe ohne jede Krümmung eine acht Stunden lange Bucht, in welcher
eine Menge Inseln liegen und deren südliches Ende sich wieder ganz in
Wasser zu verlieren scheint.

Ein hoher Hügelzug ist aus der Ferne sichtbar; die beiderseitigen Ufer
sind mit den schönsten Bäumen geziert, deren verschiedene Blüthen gegen
das dunkle Grün der mannigfaltig geformten Blätter wunderschön abstechen.
Besonders fällt die herrliche Caracalla, caraibische Knopojorogorli
(Naranthea guianensis) mit ihren scharlachrothen, 1-2' langen,
ährenförmigen Blüthen ins Auge. In gleicher Farbe glänzen die Blüthentrosse
des Manibaumes (Symphonia coccinea), aus welchem die Indianer ein
pechartiges Harz zu gewinnen wissen.

Auf beiden Seiten sieht man mehrere Indianerdörfer; der Boden, auf dem sie
gebaut sind, ist meistens eine rothe, eisenhaltige Erde.

Wir übernachteten in einem dieser Dörfer, dessen Oberhaupt, Jan, sich
längere Zeit in Cayenne aufgehalten hatte und desswegen gebildeter als die
andern war.

Das immerwährende Klaffen der Hunde, denen ich fremd war und der Schall
der Trommeln, durch welchen der böse Geist Jorka sollte verscheucht werden,
liessen mich beinahe zu keinem Schlaf kommen. Man behauptet irgendwo,
die südamerikanischen Hunde bellen nicht. Ich habe davon zur Genüge das
Gegentheil erfahren; denn auf Buschneger- und Indianerdörfern sind die
Hunde bei der Ankunft eines Fremden nicht zum Schweigen zu bringen. In der
Frühe verliessen wir unser Nachtquartier und fuhren bis nach Kibido-County,
einem Karaibendorfe, das auf der Südspitze einer langen Insel liegt. Hier
kochten wir während eines heftigen Regens unser Mittagessen. Da die Fluth
auf dem durch häufige Regengüsse angeschwollenen Strome nicht mehr wirkte,
so miethete ich noch einen jungen Indianer.

Eine kleine Stunde weiter aufwärts liegt das letzte Caraibendorf. Hier
trafen wir eine Menge Buschneger, die von Armina gekommen waren und nach
Paramaribo gingen, und da ich ärgerliche Scenen befürchtete, so wollte ich
ungeachtet der Bitten meiner Neger und Indianer hier nicht übernachten,
wiewohl sie mich versicherten, dass in der Nähe kein Kamp mehr wäre und wir
desshalb im freien Walde übernachten müssten. Da ich dergleichen Ausreden
und Ausflüchte zu schätzen wusste, so liess ich mich nicht beschwatzen und
sie fuhren mit Widerwillen weiter.

Das Ufer beider Seiten erhebt sich steil und bildet kleine Berge, welche
sich ununterbrochen bis Armina hinziehen.

Der Abend brach an und das Geschrei der Papageyen, die meistens auf
den Strominseln schlafen und, wenn es zuvor geregnet hat, ein wahrhaft
höllisches Concert aufführen, war verstummt. Grosse Fledermäuse und
Nachtschwalben umflatterten uns, und in der Dämmerung konnte man nur noch
schwach die Umrisse einer kleinen Insel unterscheiden, auf welcher Hütten
stehen sollten und der wir nun voll Hoffnung zusteuerten.

Wir erreichten bei Dunkel die Mündung der Siparawini, welche von Osten her
in die Marowyne sich ergiesst und es kostete die angestrengtesten Kräfte
von uns Allen, die reissende Strömung dieser Kreek zu überwinden und ihr
südliches Ufer zu erreichen. Gerade vor dieser Mündung lag die kleine
Insel, auf welcher wir zu schlafen gedachten; aber zu unserem grössten
Verdruss fanden wir Alles unter Wasser stehend und bloss die Dächer ragten
daraus hervor.

Jetzt war guter Rath theuer und ich bereute nun, nicht im letzten Dorfe
geblieben zu seyn; denn eine Nacht, und wäre es auch die schönste,
so enggepresst in einer kleinen Corjaal sitzen zu müssen, die bei der
geringsten Bewegung rechts und links umzuschlagen droht, ist höchst
mühsam und beschwerlich. Die Nacht war wirklich herrlich, der Himmel voll
funkelnder Sterne und kein Lüftchen bewegte die Oberfläche des Wassers.

In dem dunkeln Wald sah man die grossen Leuchtkäfer, die sich im Innern
des Landes aufhalten und in ihrem rothen und grünen Lichte wie Irrlichter
herumschwärmen. Man hörte bloss das Gepfeife der Cicaden und zuweilen den
melancholischen, einer Tonleiter ähnlichen Gesang einer Nachtschwalbe.

Die Neger sangen aus Verdruss, und der ältere Indianer, welcher in
dieser Gegend nicht bekannt war und bei den Buschnegern unterwegs zu viel
getrunken hatte, fluchte in allen Sprachen. Der jüngere war total betrunken
und schlief.

Wegen der vielen Klippen, welche sich am Ufer des Stromes befinden, waren
wir genöthigt, in der Mitte desselben zu fahren; auch hatten wir alle
Hoffnung, noch unter Dach zu kommen, aufgegeben. Endlich hatte der Kleine
seinen Rausch ausgeschlafen; er betrachtete die Ufer, zu deren Erkennung
ein Paar Eulenaugen nöthig waren, und versicherte uns, dass nicht weit von
hier auf der holländischen Seite ein paar Hütten oder Kampen sich befänden.
Wir pagaiten munter darauf los und sahen bald durchs Gesträuch den Schein
von Feuer blinken. Der Kleine blies, worauf wir sogleich durch geblasene
Antwort erfuhren, dass zufälligerweise Indianer, welche nach Armina
wollten, ihr Nachtquartier hier aufgeschlagen haben.

Bald erreichten wir die Hütten, nachdem wir vorher wohl hundert Schritte
hatten durch den überschwemmten Wald fahren müssen. Ich war jetzt von
Herzen froh, traktirte reichlich mit Schnaps, wofür der beste Platz einer
Hängematte mir eingeräumt wurde.

So schliefen wir herrlich; mehrere aber wurden von Fledermäusen gebissen.

Des Morgens fuhren wir nun in Gesellschaft zusammen, immer das holländische
Ufer entlang, und hatten wegen der reissenden Strömung eine langsame und
beschwerliche Fahrt. Das Wetter war trübe. Gegen 10 Uhr erreichten wir
die Ecke, welche der Strom dadurch bildet, dass sein südwestlicher Lauf
plötzlich ein nordwestlicher wird.

Die grosse Bucht, an welcher der Posten liegt, lag vor uns. Die zahllosen
Klippen, Bänke und Inseln, welche dieselbe ausfüllen, waren alle
überschwemmt und während die vielen Cascaden und Fälle in der Trockenzeit
ein betäubendes Getöse verursachen, hörte man nun nichts, als das sachte
Murmeln des mit reissender Schnelligkeit dahinströmenden Wassers.

Etwas unterhalb ist der Landungsplatz der für den Posten bestimmten Güter
und ein breiter Weg führt in einer halben Stunde nach Armina. In der
Trockenzeit, wenn die Klippen bloss liegen und Cascaden und Wasserfälle
die Fahrt nach Armina hemmen, wird Alles hier ausgeladen und dann weiter
gerollt oder getragen. Jetzt war selbst der Weg überschwemmt und wir fuhren
bis zum Posten, den wir gegen Mittag erreichten.

Die Haushälterin empfing mich und meine Riechfläschchen sehr artig und
ich fand bei ihr einen kleinen Laden eingerichtet, in dem gar manche
Gegenstände zur Schau stunden, die man mir oder den Soldaten auf dem Posten
abgeschwatzt hatte.

Von allen Soldaten, die übrigens an jedem Kommandanten, und wäre es unser
Herrgott selbst, etwas auszusetzen haben, hörte ich klagen über den
hier herrschenden Handelsgeist; die den Soldaten unnöthigsten Dinge und
Leckereien, die allemal noch vom Strandsegen übrig waren, wurden auf
Krämerweise angepriesen. So wurden getrocknete Zwetschgen und Aepfel für
den Fall einer Krankheit für 2 fl. die Flasche den Soldaten angeschwatzt,
die natürlich der Käufer in einer halben Stunde mit dem besten Appetit
aufass. Ja man verkaufte selbst Nachtgeschirre, ein Luxusartikel, den
mancher erst bei dieser Gelegenheit gebrauchen lernte.

Man muss sich freilich wundern über den Leichtsinn der Soldaten, die für
solche unnöthige Bagatellen ihren Sold ausgeben, den der Kommandant jeden
Monat für seine gelieferten Waaren einstrich, während mancher im Besitze
eines Nachttopfes war, oder seinen Sold für holländische Leckereien oder
kölnisches Wasser, das einige nur desswegen kauften, um es als _Schnaps_
zu trinken, missen musste, und dabei beinahe keine Hosen hatte, um auf die
Wache zu ziehen.

Das ganze Detachement stand freilich auf einer sehr niederen moralischen
Bildungsstufe, und die Behandlungsweise des Kommandanten war nicht
geeignet, dieselbe zu heben.

Arbeit, auf welche der frühere Kommandant, das Gegentheil vom jetzigen, so
sehr gesehen hatte, wobei der Soldat Feldfrüchte aller Art im Ueberfluss
baute, seinen Sold sparen und seine Kiste mit Kleider füllen konnte, war
ganz aus der Mode gekommen; denn man konnte ja Alles bei dem Kommandanten
oder der Haushälterin kaufen. War nun ein leichtsinniger Kerl dem
Kommandanten seinen Sold von drei und vier Monaten voraus schuldig,
so wollte man natürlich nicht mehr borgen. Gleichwohl befürchtete man
unangenehme Raisonnements und schickte desswegen solche zur Gesundheit nach
meinem Posten, wo sie zerlumpt ankamen und bei ihrer kärglichen Ration
Noth gelitten haben würden, wenn ich ihnen nicht hätte Gelegenheit bieten
können, sie für Rechnung von Mana (davon später) etwas verdienen zu lassen.

Wegen der grossen Menge Vampyrs war man genöthigt, die ganze Nacht Licht
in der Kaserne brennen zu lassen. Die Kerzen hiezu, welche das Gouvernement
zum Dienste der Wachen liefert, verkaufte man dem Detachement, das
gemeinschaftlich diese Auslage bestritt, um von dem Ungeziefer nicht
gebissen zu werden. Daher war es kein Wunder, dass ein kleiner Aufruhr
ausbrach, der den Kommandanten nöthigte, vier der ärgsten zu Lande nach dem
Posten Gouverneurslust abzuschicken, wo sie vom Flügelkommandanten bestraft
wurden. Ich besuchte, da sich das Wetter etwas aufheiterte, den grossen
Mamabum und fuhr des andern Tages um 9 Uhr mit einigen Boschen Bananen von
Armina ab.

Mit reissender Schnelligkeit ging die Fahrt stromabwärts. Da das Wetter
hell war, so sah ich im Süden die Gebirge, welche am Tapanahoni liegen und
wie ein blauer Dunst über die Wälder hervorragten.

Nachts 9 Uhr kam ich, ganz durchnässt von heftigen Regengüssen, wieder auf
meinem Posten an.

Den 6. Mai kam der Schooner mit den erwünschten Lebensmitteln und der
Kommandant reiste, nachdem er diese in Empfang genommen hatte, wieder nach
Armina zurück.

Die vier Eigenthümer des Wracks luden alles Eisen, Kupfer, Tauwerk
u. s. w., was noch von einigem Werthe für sie war, auf den Schooner und
fuhren mit demselben nach Paramaribo ab. Mir boten sie das entmastete Wrack
zum Kaufe an und gleichsam zum Spass wurden wir um 8 fl. handelseinig.

Jetzt glaubte ich für einige Zeit Ruhe zu haben; denn die Lebensmittel
waren für sechs Monate zugleich gekommen und das geleerte Wrack konnte
meinen Kommandanten nicht mehr reizen, mich mit Extrabesuchen zu beehren.
Wiewohl ich das Wrack eigentlich nur zum Spasse gekauft hatte, hoffte ich
dennoch nach näherer Besichtigung Vortheil daraus zu ziehen.

Unter den Soldaten hatte ich einen alten Kupferschmied, der, obwohl ein
Erztrunkenbold, durch sein Handwerk doch von grossem Nutzen für mich war.

Gleich beim ersten Besuche an Bord fanden wir das Steuerruder, von dem
wir die metallenen Nägel und Ringe, sowie die grossen gegossenen Hacken
abschlugen. Blei und Eisen wurde ebenfalls nicht verachtet und um letzteres
zu bekommen, steckten wir das Vordertheil des Schiffes in Brand, wodurch
wir mehrere Centner Nägel und Stäbe erhielten, welche zu Hause gereinigt
wurden.

Täglich gingen wir zu Viere an Bord, arbeiteten während der Ebbe und fuhren
nach Hause, wenn das Wasser wieder zu hoch stieg. Dabei bekam jeder der
mir Helfenden 50 Cents und zwei Schnäpse für die Reise, und ich hatte alle
Ursache, mit ihrem Eifer zufrieden zu seyn.

Schon längst hatte ich gehört, dass auf der französischen Seite eines
benachbarten kleinen Flusses ein Etablissement und ein Nonnenkloster wären,
auch gleich in der ersten Zeit meines Hierseyns der Aebtissin geschrieben
und sie um die Erlaubniss gebeten, ihr meine Aufwartung machen zu dürfen.
Kurze Zeit darauf bekam ich auch eine förmliche Einladung, von welcher
ich Gebrauch gemacht hätte, wenn nicht die Menge von Waaren, welche ich zu
beaufsichtigen hatte, und die immerwährenden Besuche vom Kommandanten mich
davon abgehalten hätten. Da alle diese Schwierigkeiten beseitigt waren,
miethete ich zwei Indianer und fuhr in meiner kleinen Corjaal, die ich
mit einigen Fässchen Butter und anderen Kleinigkeiten zum Verkauf beladen
hatte, dahin ab.

Das Wetter war still und trübe und wir waren mit anbrechendem Tage an der
französischen Seite der Marowyne. Eine wohl drei Stunden lange Schlammbank,
die bei Ebbe trocken wird, erstreckt sich bis an die Mündung des Amanabo,
an dessen linkem Ufer zwei Stunden aufwärts das Etablissement sich
befindet. Vom rechten Ufer dieses Flusses aus erstreckt sich ebenfalls eine
Bank weit in die See und beide bilden auf diese Weise einen schmalen Canal,
durch welchen nicht tief gehende Schiffe einlaufen können. Wir fuhren ganz
nahe am Ufer, da man ungeachtet der Fluthzeit die Wirkung derselben beinahe
nicht verspürte. An beiden Seiten bildet der Mangrove einen schützenden
Wall gegen das Schlagen der Wellen und an seinen zahllosen Zweigen und
Ausläufern findet man bei der Ebbe eine Menge der köstlichsten Austern.
Aber man muss diesen Genuss durch die Stiche von Millionen Mosquittos
theuer erkaufen.

Etwa eine halbe Stunde flusseinwärts fuhren wir unter einem überhängenden
Baume durch, auf dem ein prächtiger Jaguar lag, den wir an seinem
herabhängenden Schwanze leicht in die Corjaal hätten ziehen können. Ohne
sich von der Stelle zu rühren, sah uns das schöne Thier aufmerksam an
und wir störten es auch nicht weiter, weil ich kein Gewehr hatte und die
Indianer bloss mit Fischpfeilen versehen waren. Erst nachdem wir uns etwa
50 Schritte entfernt hatten, verliess auch er seine Stelle. Endlich gegen
10 Uhr erblickten wir das Zuckerfeld des Klosters und kurz darauf stiegen
wir nahe am Jungfernzwinger ans Land.

Die Aebtissin und mehrere Herren kamen mir entgegen, empfingen mich wie
einen alten Bekannten und da man gerade am Essen sich befand, das ganz
klösterlich excellent war, so liess ich es mir köstlich schmecken.

=Ma chère mère=, so titulirte man die Aebtissin, war trotz ihres Alters
eine sehr lebhafte Dame, so dass ich anfangs Mühe hatte, ihre schnelle
Sprache zu begreifen und gehörig zu beantworten. Sie war die Stifterin
des Ordens des soeurs de St. Joseph de Cluny, einer Congregation, die aus
Nonnen besteht, welche sich meist dem weiblichen Unterrichte widmen und
theils in Frankreich selbst, theils in den französischen Besitzungen in
Ost- und Westindien und in Afrika zu diesem Zwecke sich aufhalten. Dieses
Etablissement hiess Mana und war früher von freien Negern bewohnt, die aber
meist durch Verrath und Krankheit weggerafft wurden.

Das französische Ministerium hatte diejenigen Neger, welche nach
Schliessung des Tractats wegen Abschaffung des Sklavenhandels noch aus
Afrika in Cayenne eingeführt wurden, frei erklärt, um sie aber von der
Sklavenbevölkerung zu trennen, nach dem abgelegenen Mana gebracht, wo sie
der Leitung dieser Madame _Javouhey_, Generaläbtissin, übergeben wurden.
Ansehnliche Summen waren zu diesem Zweck bewilligt worden und das
Etablissement Mana war gewissermaasen eine für sich selbst bestehende und
von Cayenne beinahe unabhängige Colonie. Die Neger, etwa 600-700 Köpfe
stark, bauten das Land und lieferten ihre Produkte, die in Erdfrüchten,
als: Reis und Maniok bestanden, ins Magazin des Klosters ab, wo man sie
ihnen theils mit Waaren, die sie nöthig hatten, theils mit Geld bezahlte.
Ein grosser Theil der männlichen Bevölkerung fällte für Rechnung der
Congregation Bau- und Möbelholz, das an den Ufern des Amanabo leicht und
von vorzüglicher Güte zu bekommen war.

Ausser der schwarzen Bevölkerung befanden sich hier mehrere weisse
Handwerker, ein Doctor, einige Intendanten, zwei Priester und etwa eilf
Nonnen. Letztere mussten verschiedene Geschäfte verrichten; einige waren
in der Kirche, andere im Hospital angestellt. Einige gaben den Kindern
Unterricht, während andere im Garten, in der Bäckerei oder Zuckermühle die
Aufsicht führten.

Das Kloster selbst hat bedeutende Aecker, die mit Zucker, Caffee, Bananen
u. s. w. bepflanzt sind und von den Negern unter Aufsicht der Damen
bearbeitet werden. Ein grosses Magazin, das mit Allem, was die Bevölkerung
betraf, reichlich versehen ist, zieht so zu sagen Alles an sich, was die
Neger verdienen und scheint der Congregation mehr abzuwerfen, als das ganze
Etablissement dem französischen Ministerium. Die Nonnen sind meist bejahrte
Damen und geborne Französinnen. Wiewohl sie in einer kirchlichen Uniform
stecken, denken sie doch tolerant und ich zweifle, ob man etwaige
Sünderinnen einmauern würde.

Ein Militär-Posten lag früher auf Mana, wurde aber eingezogen, weil Nonnen
und Soldaten nicht gut harmoniren konnten.

Das Etablissement liegt am linken Ufer des Flusses auf einer sandigen
Fläche, die bis an die Marowyne sich ausdehnt und grosse Sümpfe enthält,
die selbst in den grossen Trockenzeiten schwer zu passiren sind. Die Häuser
sind von Holz, und die Zwischenräume der Balken werden mit einem in Latten
gespaltenen und sehr biegsamen Holze (bois golette) verflochten, sodann mit
Lehm beworfen, auf welchen Kalk aufgetragen wird. Die Dächer sind wie in
Surinam mit Schindeln bedeckt. So zweckmässig diese Bauart auch ist,
so stehen doch die Häuser auf Mana den unsrigen an Zierlichkeit und
Bequemlichkeit bei weitem nach. Ein grosser Hauptfehler, den man einem so
gebildeten Volke gar nicht verzeihen kann, ist der Mangel an Abtritten. Man
geht ganz ungenirt ins Freie, legt ab, was man nicht mehr tragen will,
ob Leute in der Nähe sind oder nicht. Man denke sich nun die Verlegenheit
eines Fremden, der in einer so ungraziösen Sitzung von einer Klosterfrau
überrascht wird und doch aus Höflichkeit »bon jour ma soeur« sagen und mit
der Hand die Mütze ziehen muss! Selbst in Cayenne herrscht dieser Mangel;
doch hat man da eigene Kübel in der Küche, dem passendsten Orte, den man in
einem so heissen Klima hiezu auswählen kann! Auch das Innere der Häuser
ist sehr einfach und lässt sich mit dem der unsrigen nicht vergleichen.
Die Küche ist überall excellent und da man isst, was der liebe Gott für die
Flinte schickt und die lächerlichen Vorurtheile Surinams nicht kennt,
so fehlt es beinahe nie an frischem Fleisch. Affenfricassées und
Faulthiercarminaden werden von Jedem gegessen und sind wirklich excellente
Speisen. Die Mahlzeiten werden um 10 und 4 Uhr gehalten; Wein und Brod darf
dabei nicht fehlen.

So wie die gesammte Bevölkerung Surinams beinahe ausschliesslich von
Bananen lebt und diese jeder andern Kost vorzieht, so ist hier das Mehl des
Maniok, Qouak oder Tapioca genannt, das Hauptnahrungsmittel. Die Bereitung
dieser nährenden und sehr zweckmässigen Speise, die viele Aehnlichkeit mit
Sago hat, ist sehr einfach. Die Wurzel wird zerrieben und ausgepresst, die
noch etwas feuchte Masse zerbröckelt und durch ein Menari oder Sieb auf
eine kesselartig eingemauerte, heisse eiserne Platte gestreut, unter
welcher Feuer unterhalten wird. Dieses Mehl wird nun einige Male umgerührt,
um nicht festzubacken, und weggenommen, wenn es sich bräunt; dann wird
anderes an seine Stelle gethan. Um den Qouak zu essen, wird er mit
Fischbrühe oder andern Saucen befeuchtet, wodurch er wie das Cassavebrod
anquillt.

Ein Schooner, der ebenfalls den Schwestern gehört, bringt die Erzeugnisse
Manas monatlich nach Cayenne und holt dort alle anderen Lebensmittel und
Bedürfnisse ins Magazin.

Die von mir mitgebrachten Sachen hatte ich gegen Hemde und Hosen, die wir
alle sehr nöthig hatten, vertauscht.

Ein paar Backsteine und Ziegel, deren das Wrack noch 70,000 inne hatte,
zeigte ich zur Probe der Aebtissin, in der Hoffnung sie werde mir das Wrack
abkaufen. Hiezu schien sie auch nicht abgeneigt zu seyn; denn sie versprach
mir, einen Sachkundigen zu schicken, der untersuchen solle, ob sich die
Ziegel ausladen und transportiren liessen.

Abends 5 Uhr fuhr ich wieder ab. Das Wetter war trübe und kein Lüftchen
kräuselte die Oberfläche des Flusses, dessen Mündung wir schon mit
dem Dunkel erreichten. Der junge Indianer, den ich bei mir hatte, war
eingeschlafen und sein Vater steuerte. Es war so finster, dass wir das Land
nicht sahen, besonders auch, weil wir wegen der Bank weit von demselben
entfernt bleiben mussten. Erst am Sandgrund, über den wir fuhren, erkannten
wir, dass wir nahe an der Marowyne wären. Die Soldaten, welche mich
zurückerwarteten, hatten als Leuchte für mich ein grosses Feuer
unterhalten, das wie ein Stern über den breiten Strom schimmerte und
uns die Richtung zeigte. Wir konnten desshalb nicht irren und langten
wohlbehalten zu Hause an.

Gleich den andern Tag setzten wir unsere Arbeit am Wrack fort und
glücklicherweise gelang es uns, die Poort (eine Art Thüre von 3' Breite und
Höhe, wodurch man Holz und andere lange Stücke einladet und die, wenn das
Schiff geladen ist, sorgfältig verschlossen und verstopft wird) zu öffnen
und so mit der Corjaal ins Schiff selbst hineinfahren zu können.

Alles, was uns im Wege lag, wurde auf diesem Wege hinausgeschafft. Die
Rudera von unzähligen Kisten und Erdäpfelkörben, nebst leeren Fässern
bedeckten bald die umliegenden Sandbänke und wurden mit der Fluth in die
Nähe unseres Postens gespült, wo sie uns zur Unterhaltung von Wachtfeuern
dienten.

Wenige Tage nach meiner Zurückkunft von Mana kamen zwei Franzosen mit vier
Negern an, um im Auftrag der Aebtissin das Wrack zu besehen. Wir fuhren
zusammen dahin. Es war gerade sehr niedere Ebbe, daher die Zeit geschickt,
den Schlamm im Schiff zu durchsuchen. Einer der Soldaten, der ein
geschickter Taucher war, hatte ein schweres Fässchen entdeckt, das wir mit
Mühe aus dem Schlamm hervorholten. Es war ein werthvoller Fund; denn es
enthielt Nägel, die besonders auf Mana sehr gesucht waren. Unter dem ersten
lag ein zweites, und nach und nach brachten wir deren 17 ans Tageslicht,
von denen jedes 50 Pfund wog. Da wir nur einen kleinen Theil der gefundenen
Fässchen mitnehmen konnten, so legten wir die übrigen auf den höchsten
Theil des Wracks, die Cajütskappe, welche selbst bei einer Springfluth
nicht ganz unter Wasser gesetzt wurde.

Mittags reisten die Franzosen wieder nach Mana zurück, nachdem sie mich
versichert hatten, dass die Aebtissin mir das Wrack abkaufen werde. Diess
war in der That auch für sie höchst vortheilhaft; denn bei eifriger Arbeit
konnte man noch viele Bretter und Balken abbrechen und Steine und Kalk
waren bei niederer Ebbe ganz leicht zu bekommen. Weil nun überdiess um
diese Jahreszeit wenig Wind wehte, so war auch Alles leicht nach Mana zu
transportiren. Alles dieses sah die Aebtissin eben so gut ein, als ich,
und es währte desshalb auch keine zwei Tage, bis das Boot von Mana wieder
zurückkam. Mit diesem kamen der Neffe der Aebtissin und der Intendant
des Etablissements, um den Kauf mit mir abzuschliessen. Wir kamen dahin
überein, dass ich um die Summe von 500 Frcs. das Wrack an die Congregation
überliess, dass aber Alles, was ich bis jetzt abgeholt hatte, nicht im
Kaufe eingeschlossen sey, sondern noch besonders bezahlt werden müsse.
Einer der Herren, welche früher das Wrack untersucht hatten, blieb nun bei
mir, um die Arbeiten der Neger und den Transport zu beaufsichtigen.

Ich hatte nun wieder mit einem verständigen Manne zu thun, der mir um so
angenehmer war, als ich mich im Französischen tüchtig üben konnte. Hr. M.,
so hiess mein Gast, war ein Mann von 40 Jahren, sehr lebhaften Temperaments
und kein Weinverächter. Er war verheirathet, seine Familie blieb aber
auf Mana zurück. Es fand jetzt eine ununterbrochene Verbindung mit diesem
Platze statt.

Einige Neger waren beständig damit beschäftigt, bei der Ebbe die Backsteine
und Kalkfässer aus dem untern Raume aufs Verdeck zu bringen, während
grössere Boote sie nach Mana brachten. Alles, was von Metall am Wrack
war, wurde abgebrochen und sammt den noch brauchbaren Balken und Brettern
mitgenommen.

Da man bloss periodisch arbeiten konnte, so hatten die Leute viel freie
Zeit und ich fand an Hrn. M. einen angenehmen Gesellschafter. Leider
aber wurde ihm seine Arbeit durch viele unangenehme Nachrichten aus Mana
entleidet. Die Aebtissin, welcher die Arbeiten zu lange dauern mochten,
machte ihm Vorwürfe darüber, und Zeichen von Misstrauen, die sie
verschiedene Male gegeben hatte, erregten seinen Unwillen aufs Höchste.
Er beschloss desshalb, selbst nach Mana zu gehen, um sich persönlich zu
vertheidigen. Da ich weder Lieutenant noch Schooner zu erwarten hatte, so
entschloss ich mich, ihn dahin zu begleiten, und wir fuhren den 20. Juni,
an einem Sonntag, dahin ab.

Im Canot sass ausser ihm und mir noch ein Soldat meines Postens und ein
Neger.

Ermüdet und von der Sonne verbrannt, kamen wir Abends nach 6 Uhr auf Mana
an.

Die Aebtissin spazierte mit zwei Nonnen am Flusse auf und ab, und kam, als
sie unser Boot bemerkte, an den Landungsplatz, um uns zu bewillkommen. Kaum
aber hatte Hr. M. sie erblickt, als er, ohne ihren freundlichen Gruss zu
erwidern, seinen Pagaal aus dem Canot nahm und ihr denselben vor die
Füsse warf mit den Worten: Sehen sie nun selbst, ob etwas von dem Wracke
Gestohlenes darin ist. Die Dame, dadurch höchst indignirt, fasste sich
augenblicklich über diesen unerwarteten und brutalen Gegengruss und sagte:
Wenn Sie, Hr. M., auch meinen Rang nicht achten, so wären Sie doch meinem
Alter mehr Höflichkeit schuldig. So sprechend, grüsste sie mich freundlich,
und setzte dann ihren Spaziergang fort.

Es that mir leid, Zeuge dieser Scene gewesen zu seyn, da ich eine traurige
Figur dabei spielte. Später erfuhr ich, dass dergleichen Complimente auf
Mana gar nichts Seltenes wären. M., der im Dienste der Aebtissin stand,
verständigte sich am andern Morgen wieder mit ihr.

Während er nun seine Geschäfte besorgte und die Aebtissin in der Frühmesse
war, ging ich ausserhalb des Dorfes in den Ländereien des Klosters umher.
Man hatte hier früher Rockou oder Orlean (bixa orelana) bereitet und eine
vierfache Allee dieser Bäume zog sich längs der Kartoffelfelder hin. Sie
standen eben in voller Pracht da, mit Blüthen und Früchten bedeckt. Etwa
10' hoch, gleichen sie vollkommen den Aprikosenbäumen. Ihre purpurrothen,
mit weichen Stacheln bedeckten Früchte und ihre grossen, weissen Blumen
nehmen sich wunderschön aus.

Im französischen Guyana bestehen noch viele Rockou-Pflanzungen und da die
Bereitung dieser Farbe einfach ist und wenige Maschinen und Manipulationen
dabei nöthig sind, so wäre es auch für unsere Colonie ein Culturzweig,
wobei kleinere Effecte besonders gut stehen würden.

Zucker und Caffee wird hier ebenfalls gepflanzt. Ersteres Produkt wird
auf einer kleinen, durch Maulesel getriebenen Mühle gemahlen und aus dem
Schaume Tafia (Zuckerbranntwein) destillirt.

Für die Caffeebäume scheint hier das rechte Land zu seyn, denn obwohl sie
ganz ohne Schatten waren und bei weitem nicht so gut angepflanzt schienen,
wie bei uns, brachen sie beinahe unter der Last ihrer Früchte. Der Reis
ist, wiewohl nicht so schön weiss, wie der unsrige, viel billiger und von
nahrhafterer Sorte.

Der Vormittag ging unter Besuchen und Einkäufen schnell vorbei und wir
verliessen gegen Mittag Mana wieder.

Von M. hatte ich einen hübschen Affen zum Geschenke erhalten und die
Aebtissin gab mir etwa zwanzig Ananas mit. Ueberdiess war die Corjaal mit
allerlei Waaren, als Hemden, Wein, Seife u. s. w. beladen. Da wir auf Wind
hofften, hatte ich meine Hängematte an einen kleinen Mast befestigt und
so gerüstet fuhren wir ab. Es blieb aber die Luft zu unserem Leidwesen
todtstille und die See war spiegelglatt. Durch Pagaien kamen wir jedoch
bald an die Mündung der Marowyne. Das Wetter war trübe und schwarze Wolken
hingen drohend im Osten. M. meinte, es wäre besser, mit der Ueberfahrt so
lange zu warten, bis das Ungewitter vorüber sey; aber da diess lange
zu dauern schien, so bestand ich auf alsbaldiger Abfahrt. Ein leichtes
Windchen schien uns sehr zu Statten zu kommen; die Hängematte wurde
desswegen gut befestigt und wir fuhren ab.

Rasch ging es vorwärts, während das Windchen bald zu einem Sturm anwuchs.
Grosse Wellen erhoben sich und pfeilschnell flog die Corjaal über den
Strom hin. Leider war aber der Mast zu schwach, um die Gewalt des Sturmes
auszuhalten. Er brach und im Nu überschütteten uns die Wellen, so dass das
leichte Fahrzeug sich umkehrte und wir mit allem Schwereren sanken.

Da ich nicht schwimmen konnte, so hatte ich den gewissen Tod vor Augen;
denn an Rettung vom Posten aus war bei diesem stürmischen Wetter nicht zu
denken. Statt aber, wie es sich in diesem kritischen Augenblick geziemt
hätte, auf mein geistiges Wohl bedacht zu seyn, erinnerte ich mich meines
zu Hause gelassenen Geldes, das etwa 200 fl. betragen mochte und ärgerte
mich darüber, welche Freude meine Soldaten bezeugen würden, wenn sie
meinen Tod vernähmen und sich in das Geld theilten. Solche Gedanken, in
der Todesgefahr gehegt, waren ein Beweis dafür, dass ich noch nicht für den
Himmel reif sey und glücklicherweise warf mich auch eine Welle wieder an
die Corjaal, die, ihres Inhalts entledigt, wegen ihrer grossen Leichtigkeit
nicht gesunken war. Ich klammerte mich daran fest und fand die Andern,
welche sich bereits beim Sinken an ihr festgehalten hatten.

Wir wurden von den Wellen schrecklich hin- und hergeworfen; doch glückte
es uns, die Corjaal umzukehren und über die Wölbung derselben hinüber zu
liegen. Jetzt hatten wir das Aergste überstanden und ich dachte nun auch
wieder an meine, von Mana mitgebrachten Waaren, von welchen der grösste
Theil um uns herumschwamm. In dieser Inspektion wurde ich durch einen
Schreckensruf M's. unterbrochen, der uns auf einen grossen Hai aufmerksam
machte, welcher in einiger Entfernung die Ananas auffrass. Er hätte
sehr leicht auch an uns kommen können, wurde aber zum Glück durch die
immerwährende Bewegung unserer Füsse verscheucht. Auch M's. kleinem Hunde,
der gleich uns herumschwamm und gerade einen Bissen für ihn ausgemacht
hätte, widerfuhr kein Leid.

Wir hatten etwa eine halbe Stunde in dieser Lage zugebracht und waren durch
die immerwährende Anstrengung, uns flott zu erhalten, todtmüde geworden,
als wir das grosse Boot von Mana auf uns zukommen sahen. Es war eine Stunde
nach uns von Mana abgefahren und gerade an der andern Seite angekommen, als
der Wind unser leichtes Fahrzeug umgekehrt hatte. In Folge des schnellen
Verschwindens unseres Segels ahnten die Neger unser Unglück. Bald sassen
wir gerettet im Boote und auch der grösste Theil der noch herumschwimmenden
Gegenstände wurde aufgefischt. Der erlittene Schaden war nicht sehr
bedeutend und nur der Affe, welcher an die Corjaal angebunden war, ertrank.

Während unserer Ueberfahrt hatte mein Aufwärter einen enormen Pfannenkuchen
von Schildkröteneiern auf das Feuer gethan, um uns bei unserer Ankunft
sogleich regaliren zu können. Da man aber unsern Schiffbruch bemerkte,
vergass man, die Pfanne vom Feuer zu nehmen und dieses Meisterstück
verbrannte zu Kohlen.

Alle halfen mir nun beim Trocknen und da unser Schaden sonst nicht
bedeutend war, so waren am Abend durch Wein und Genever wieder alle
Gemüther in eine fröhliche Stimmung versetzt.

Kleine Streitigkeiten, welche Hr. M. theils wegen der Arbeiten am Wrack,
theils wegen Familiensachen mit der Aebtissin hatte, wurden zwar stets
wieder beigelegt, machten ihn aber gleichgültig gegen das ihm aufgetragene
Geschäft.

Wenige Tage nach unserer gefährlichen Zurückreise von Mana hätte ich
beinahe durch eigene Schuld mein Leben verlieren können. Es erstreckten
sich nämlich vom Posten aus grosse, hohe Sandbänke tief in die See hinein.
Diese sind vom Posten selbst durch ein etwa 150 Schritte breites, bei
niederer Ebbe leicht zu durchwatendes Fahrwasser geschieden. Auf diesen
Bänken fand man bei niederem Wasser in Menge eine essbare Muschel, die
unterm Sand steckt und deren Daseyn man an zwei kleinen Löchern im Sande
bemerkt. Auf diese Sandbänke ging ich eines Morgens bei sehr niederem
Wasserstande, um Muscheln zu suchen. Ich fand deren eine solche Menge, dass
ich, um sie mitnehmen zu können, meine Hosen auszog, diese unten zuband und
dann damit anfüllte. Ganz in mein vortheilhaftes Geschäft vertieft, war ich
beinahe eine Viertelstunde vom Posten entfernt, als ich die Fluth bemerkte,
die in der Springzeit sehr schnell heraufkommt. Eilig lief ich nun mit
meinen Muscheln dem Posten zu, aber das Wasser war schon zu angewachsen,
um es durchwaten zu können. So befand ich mich denn in einer verzweifelten
Lage auf der Bank, denn auf dem Posten war kein Boot und ich konnte nicht
schwimmen. Das Wasser stieg immer höher und es ging mir auf der Bank
bereits um die Hüften, als ein Indianer, der in der Nähe des Postens
angelte, meine Noth bemerkte. Er rollte ein grosses angeschwemmtes Stück
Holz ins Wasser und schwamm mit demselben auf mich zu. Es war die
höchste Zeit, denn ich konnte weder vor- noch rückwärts. Ich legte meinen
Muschelsack auf das Stück Holz, klammerte mich an dieses an und der
Indianer schwamm mit der ganzen Ladung dem Posten zu. So war ich denn
wieder um eine Erfahrung reicher. An einem schönen Sonntagsmorgen fuhr ich
mit Hrn. M. nach der andern Seite der Marowyne, um auf ein an einer grossen
Kreek, die wir die Seekuhkreek nannten, gelegenes Indianerdorf zu kommen.
Diese Kreek, bloss eine Stunde von der See entfernt, hat an ihren Ufern
hohes, bergiges Land, und soll, wie man mir sagte, in einem grossen Sumpfe
ihren Ursprung nehmen.

Das Indianerdorf, etwa eine Viertelstunde von der Mündung der Kreek in die
Marowyne gelegen, bestand bloss aus zwei Hütten und lag auf einem etwa 50'
hohen Sandhügel, an dessen Fusse eine Quelle ihr reines, süsses Wasser mit
dem faulen, trüben Kreekwasser vermischte. Eine ungemein üppige Vegetation
ziert die Abhänge des Hügels; Maripa- und Cumu-Palmen mit grossen
Heliconien wachsen an den Seiten, während in den feuchten Niederungen
grosse Baumfarren und verschiedene Schlingpflanzen ein undurchdringliches
Dickicht bilden. Die Ufer der Kreek sind an beiden Seiten mit einer
stachlichten Papilionacee, hier Brandi Macca genannt, bewachsen, deren
Blätter und junge Zweige sehr gerne von dem Manati gefressen werden.
Diese Thiere halten sich desshalb sehr häufig in der Kreek auf, und werden
manchmal von den Indianern harpunirt. Das Gesträuch selbst ist so dicht
verworren und mit Dornen besetzt, dass beinahe keine Möglichkeit vorhanden
ist, sich da durchzuhauen.

Wir fuhren in Begleitung eines Indianers, den wir vom Dorfe mitnahmen,
weiter.

Nach einer etwa halbstündigen Fahrt theilte sich die Kreek in mehrere Arme,
und weiter aufwärts in eine Menge kleinerer Kreeken, die manchmal kleine
Inselchen bildeten, so dass es schwer war, in diesem Labyrinth sich zurecht
zu finden.

Die ganze Umgegend hatte hier ein desolates Aeussere und schien sich
jedem weitern Vordringen zu widersetzen. Die Seiten der Kreeken waren weit
landeinwärts mit der obenerwähnten, stachlichten Papilionacee besetzt, aus
denen eine Unzahl ganz mit Stacheln bedeckter Palmen hervorwuchs.

Nach einer etwa dreistündigen Fahrt weigerte sich der Indianer, weiter zu
fahren, da, wie er sich ausdrückte, ein böser Geist hier haushalte. Wir
kehrten desshalb zurück.

Bei der Mündung der Kreek fanden wir den Strom durch heftigen Wind
aufgeregt, und nur unter mühsamem, unausgesetztem Pagaien erreichten wir
die andere Seite.

Bei unserer Ankunft Abends 5 Uhr bemerkten wir durch das Fernrohr in der
Nähe der Mündung des Amanabo ein Fahrzeug; wegen der grossen Entfernung
waren nur die Spitzen der Masten sichtbar. Wir hielten es für das erwartete
Boot, das nach der Messe Mana musste verlassen haben. Da M. seine Frau mit
demselben erwartete, so zündeten wir Abends ein grosses Wachtfeuer an.
Es kam aber nichts. Auch Montag Morgens war noch nichts zu sehen, und wir
glaubten uns getäuscht zu haben. M. ging an seine Arbeit auf dem Wracke,
nachdem wir zuvor verabredet hatten, dass, wenn je das Boot noch käme, ich
die Flagge aufziehen wollte.

Gegen Mittag kamen etwa zwölf Indianer vom Nachbardorfe bei mir an und
setzten sich wie gewöhnlich auf Stühle und Kisten, ohne ein Wort zu
sprechen. Nachdem ich ihre Zungen erst durch einen Schnaps gelöst hatte,
fragte mich einer im gleichgültigsten Tone, ob ich schon wisse, dass das
Boot von Mana gestern Abend in Folge des Sturms umgeschlagen sey und alle
Neger ertrunken wären? Wir waren, so ergänzte er seine Hiobspost, an der
andern Seite mit dem Krabbenfang beschäftigt, und sahen das Boot aus dem
Amanabo kommen, und ehe es die Mündung der Marowyne erreichte, umschlagen.
Ja, ja, sie sind alle ersoffen, wiederholten die Uebrigen, um die Aussage
ihres Kameraden zu bekräftigen.

Wie bestürzt ich bei dieser Nachricht war, kann man sich kaum denken; denn
die acht Neger, welche gewöhnlich mit dem Boote kamen, waren brave Kerls
und Familienväter, und es konnte dazu noch M's. Frau, welche er erwartete,
dabei seyn. Ein hartes Stück Arbeit war nun, ihm diese Nachricht
mitzutheilen und das Gejammer dieses leidenschaftlichen Mannes anzuhören.
Ich zog eiligst die Flagge verkehrt auf, und kurze Zeit darauf kam M. an.
Er zeigte sich, wie ich erwartet hatte, ganz trostlos, und wir brachten den
Rest des Tages mit Seufzen und Stöhnen zu.

Noch ehe der Tag anbrach, verliess M. mit einigen Indianern den Posten, um
nach Mana zurückzukehren und dort die fatale Nachricht bekannt zu
machen, nachdem er mich noch dringend gebeten hatte, die Leichen dieser
Unglücklichen zu begraben, wenn sie an den Strand getrieben würden. Ich
versprach ihm dieses und ging, nachdem ich mein Frühstück getrunken hatte,
wozu es mir nicht an Appetit fehlte, denn ein guter Schlaf hatte meine
Traurigkeit sehr vermindert, und überdiess war mir die Sache zweifelhaft,
mit zwei Indianern den Seestrand entlang. Wir waren wohl anderthalb Stunden
fortgegangen, als wir in der Ferne eine Menge Aasgeyer um einen am Strande
liegenden, schwarzen Körper versammelt sahen.

Bis jetzt hegte ich noch immer die Hoffnung, die Indianer hätten sich
getäuscht; nun aber schien das Unglück sich gewiss ereignet zu haben, und
nicht lüstern nach dem traurigen Anblick, schickte ich die Indianer voraus,
während ich ihnen langsam folgte. Kaum waren sie bei dem todten Körper
angekommen, so erhoben sie ein Freudengeschrei: Tamanoa, Tamanoa! denn
wirklich war es die Leiche eines, wenigstens 8' langen Ameisenfressers
(Tamanoa) (Myrmecophaga jubata), der beim Schwimmen über den breiten Strom
seinen Tod gefunden hatte, und da angeschwemmt worden war. Die Indianer
beraubten ihn seiner Krallen, während die Aasgeyer in der Nähe ruhig
warteten, bis wir unsere Reise fortsetzten. Wir fanden auf dem weitern
Wege ebenfalls nicht die geringste Spur, und kehrten Abends mit einigen
geschossenen Vögeln nach Hause zurück.

Des andern Tages kamen die Indianer, welche M. nach Mana gebracht hatten,
mit der frohen Nachricht zurück, dass das gesehene Fahrzeug die von Cayenne
zurückkehrende Goelette des Klosters gewesen sey, und dass desshalb das
Boot gar nicht von Mana abgegangen wäre. M. blieb aber auf Mana.

Nun war ich wieder bei meinen Soldaten und Indianern allein. Die
Hauptbeschäftigung war, wie immer, Essen und Trinken, und die grösste
Sorge, wie man sich vor den Mosquittos schützen könne. Des Morgens ging
einer von uns den Seestrand entlang, um Schildkröteneier zum Frühstück zu
holen. Bereits stand der Topf auf dem Feuer, und man bestimmte für den Mann
eine Anzahl, die auch den Hungrigsten sättigen konnte. Man ass sie gekocht
mit Salz, Citronensaft und spanischem Pfeffer zum Caffee, wozu meine Ziegen
die Milch lieferten. Am Mittage paradirten auf der Tafel Fische, oder
Schildkrötenfleisch, oder irgend ein Wild, das die Indianer brachten.
Schildkrötenpfannenkuchen mit Caffee beschlossen den täglichen
Küchenzettel. Ich hatte jedoch immer Leckereien von Mana, und auch noch
vom Schiffe war das eine oder andere für magere Zeiten aufbewahrt. Nach
der Mittagsmahlzeit legte sich jeder schlafen, um neue Kraft auf den Abend
gegen die Anfälle der Mosquittos zu sammeln.

Ausser dieser Plage, die ohne Zweifel die grösste der Tropenländer ist,
gibt es noch andere, die ebenfalls viel zu schaffen machen.

Von den Sandflöhen oder Siccas habe ich schon früher gesprochen. Auch hier
fanden sie sich in grosser Menge; doch ist Reinlichkeit das beste Mittel
gegen sie[4].

Eine andere Plage, und eigentlich den Schmerzen nach die grösste, sind die
Mosquittenwürmer. Sie sind vermuthlich Larven einer grossen Fliege. Ich
hatte deren einmal fünf in meiner Haut. Man erkennt sie an kleinen, rothen
Punkten, die sich auf der Haut zeigen, und besonders wenn das Insekt sich
bewegt, an entsetzlichen Schmerzen. Allmählig wie das Thier wächst, wird
die Geschwulst grösser; es zeigt sich eine kleine Oeffnung, durch welche
das Thier Athem holt, das man nur durch starkes Zusammenpressen der Haut
heraustreiben kann. Manchmal aber nisten sie sich an Stellen ein, wo man
diess nicht thun kann, z. B. auf dem Kopfe, und erreichen dann wohl ¾"
Länge und die Dicke einer starken Federspule. Durch stundenlanges Anrauchen
mit Tabak bringt man sie ebenfalls heraus. Die Thiere werden am meisten von
ihnen geplagt: Kühe, Ziegen, Rehe, Hunde, Tiger u. s. w. haben sie manchmal
bei Dutzenden in der Haut sitzen, und junge Vögel, besonders Cassicus,
die doch in langen, wohlverschlossenen Nestern sitzen, sterben manchmal an
dieser Plage.

Während der Trockenzeit, wenn der Seewind wehte, waren wir von der grössten
Plage, den Mosquittos, ein wenig befreit; dann aber galt es, sich vor den
Fledermäusen in Acht zu nehmen. Beinahe jede Nacht wurde der eine oder
andere gebissen, und manchmal so stark, als hätte man zur Ader gelassen.
Sie wählen meistens die Zehen, nur selten die Finger oder das Gesicht.
Die Wunden, welche sie machen, sind zwar klein, heilen aber langsam. Einer
meiner Soldaten wurde acht Nächte hintereinander gebissen, und war durch
den Blutverlust so geschwächt, dass er beinahe nicht mehr gehen konnte.
Ich hatte ihm schon manchmal angerathen, Strümpfe aus alter Leinwand
zusammenzuflicken und seine Füsse damit zu bedecken, aber aus Faulheit
hatte er es stets unterlassen. Da ich ihm aber mit Arrest unter dem
Flaggenstock drohte, wenn er wieder gebissen würde, so nähte er sich solche
Strümpfe zusammen, und war von nun an nicht mehr von den Fledermäusen
geplagt. Auf Plätzen, die von blutsaugenden Fledermäusen häufig besucht
werden, ist es schwierig, Rindvieh, Pferde, Hühner u. s. w. zu halten. Die
Thiere magern ab und gehen bald zu Grunde. Ich habe alle Hühner, die nicht
im Hühnerhause schliefen, auf diese Weise verloren, während meine Enten und
einige zahme Poweesen nie davon gebissen wurden. Es ist übrigens nicht blos
_eine_ Art, sondern verschiedene grosse und kleine beissen, sie thun aber
diess blos zeitenweise.

Die kleinste, doch gefährlichste Plage waren die Schlangen, die man im
Palmdach der Kaserne, in Kisten und Fässern, oder im Hühnerstalle fand.
Meist waren es giftige, was um so mehr zu verwundern ist, da man sonst
überall vielmehr unschädliche und nur selten eine giftige sieht.

Ich schoss auf dem Posten mit einem Pfeile eine Klapperschlange, die bei
einer Länge von 5' armsdick war, 28 Junge im Leib, und eine Klapper mit 12
Ringen hatte.

Die Verbindung mit Mana war seit M's. Abreise nicht mehr so lebhaft; doch
kam noch jede Woche ein Boot, um so viel als möglich vom Wrack abzuholen.
Die Aebtissin hatte mich ersucht, Kalk, Steine und Ziegel durch die
Soldaten ausladen und ans Land bringen zu lassen, wofür jedem per Tag
1 Franc bezahlt wurde. So hatten wir nun wieder vollauf Arbeit, und die
Soldaten konnten sich Kleider und Weisszeug kaufen, obgleich sie von ihrem
Solde, den der Kommandant für verkaufte Waaren einsteckte, keinen Cent
bekamen.

Mit meinen rothen Nachbarn lebte ich in fortdauernder Freundschaft, und wir
besuchten einander gegenseitig beinahe alle Tage. Eines Tages kam Thomas,
der Piaiman oder Doctor, welcher als ein falscher, streitsüchtiger Mann
bekannt war, und schon zwei Weiber ermordet hatte, zu mir. Auch wir bekamen
Streit, wobei ich ihn von meinem Rechte dadurch überzeugte, dass ich ihn
mit einer Maulschelle beehrte, und zur Thüre hinauswarf. Er ging wider
Erwarten geduldig nach Hause, und ich mit drei Soldaten nach dem Wrack, um
Ziegelsteine und dergleichen abzuholen.

Als ich Abends zurückkam, fand ich die Thüre meines Magazins aufgebrochen,
und statt des Hängeschlosses mit einem alten Lappen zugebunden. Aus einer
offenstehenden Kiste waren zwei Flaschen Genever genommen worden.
Sogleich hielt ich Untersuchung in der Kaserne, und fand einen der zwei
zurückgebliebenen Soldaten betrunken in seiner Hängematte liegen. Ohne
weitere Untersuchung liess ich ihn unter den Flaggenstock tragen und
schloss ihn in Ermanglung einer Arrestkammer an denselben an. Umsonst
betheuerte er, als ihm am Abend die Mosquittos seinen Rausch vertrieben,
seine Unschuld, denn ich war zu sehr vom Gegentheil überzeugt.

Am andern Morgen aber kam der Sohn des Oberhauptes zu mir, und erzählte,
dass Thomas aus Rache über die ihm angethane Unbill mein Haus aufgebrochen,
Genever gestohlen, und mir überdiess noch schreckliche Rache geschworen
habe. Er habe sogar gedroht, mich mit Pfeilen todtschiessen zu wollen, wenn
ich mich wieder im Dorfe sehen lasse.

Auf diese unerwartete Nachricht hin liess ich sogleich meinen Arrestanten
los und vergütete ihm mit einem Schnapse, seine schlaflose Nacht. Ich nahm
mir nun vor, die Sache nicht kalt werden zu lassen, sondern den Dieb trotz
seiner Drohungen zu arretiren, um in Zukunft meinen Nachbarn Respect vor
fremdem Eigenthum einzuflössen.

Um die Sache noch ernster und drohender zu machen, zogen wir, das Erstemal
seit sechs Monaten, unsere Uniform an, und ich marschirte, nachdem wir den
Bäcker als Besatzung zurückgelassen hatten, mit meinen vier Soldaten dem
Dorfe zu. Unserem Anzug fehlte nichts, als Schuhe, sonst war unser Aufzug
tadelfrei und rein militärisch. Wie erstaunt waren daher die Indianer
ob unserer noch nie gesehenen Pracht, als sie uns durchs Dorf marschiren
sahen.

Thomas, der Unrath witterte, griff sogleich nach Pfeil und Bogen und nahm
den Abadu zur Hand. Während er von meinen vier Mann in seiner Hütte bewacht
wurde, sprach ich mit dem Oberhaupte und drang auf Auslieferung des Diebes,
der sich am Eigenthum des Gouvernements vergriffen hatte, und den ich,
da eine solche Frevelthat eclatant bestraft werden müsse, nach Paramaribo
senden wolle.

Das Oberhaupt bat mich, die Sache ruhen zu lassen, und versprach mir
Vergütung des Gestohlenen; die übrigen Indianer nahmen sich gar nichts um
die Sache an und der Piaiman kam endlich selbst, mich heulend um Verzeihung
bittend; er ging auch geduldig mit mir und wurde zur Strafe eine halbe
Stunde unter den Flaggenstock geschlossen, damit war die Sache abgemacht
und wir tranken hierauf neue Freundschaft, die auch bis an seinen Tod
im April 1844 währte. Meinen Genever bezahlte er mir mit zwei hübschen
Pagaalen.

Schon früher hatte ich mit Hrn. M. abgemacht, gelegenheitlich das
Leprosenetablissement des französischen Guyana's, welches nur etwa vier
Stunden von Mana entfernt ist, zu besuchen. In der Mitte Augusts fuhr ich
desshalb nach Mana und fand M. sogleich bereit, das Reischen mit mir zu
unternehmen.

Wir verliessen gegen Mittag das Dorf in meinem kleinen Canot in Begleitung
zweier Indianer. Eine kleine Viertelstunde von dem Dorfe entfernt
fuhren wir am linken Ufer des Amanabo in die Accarouanykreek, an der
das Etablissement liegt. Die hohen Ufer dieser Kreek, welche in grossen
Krümmungen von Süden kommt, sind mit prächtigem Hochwalde geziert, worin
die Neger von Mana grosse Cederstämme zu Brettern sägen.

Ausser der Leproserie ist sie aber nicht bewohnt. Ihr Ursprung scheint
in einem grossen Moraste zu seyn, der ein wahres Chaos von Sumpfpflanzen,
Palmen, riesenmässigen Arums bildet, und zwischen dem Amanabo und der
Marowyne liegt. Wahrscheinlich entspringt in ihm auch die Seekuhkreek, und
es liesse sich daher vielleicht mit wenigen Kosten ein Kanal bilden,
durch welchen man aus der Marowyne in den Manabo gelangen könnte, ohne den
manchmal so schwierigen Weg über die See machen zu müssen.

Ein durch den Wald gebahnter Weg, der eine grosse Krümmung der Kreek
abschneidet, brachte uns in kurzer Zeit nach dem Etablissement, während die
Indianer mit der Corjaal viel später ankamen.

Das Dorf der Unglücklichen liegt auf einem Hügel von etwa 80' Höhe, an
dessen Fusse die Accarouanykreek eine grosse, hufeisenförmige Bucht bildet.
Es besteht aus einigen Strassen, die sich winkelrecht durchschneiden, und
durch welche Alleen von Mangos nach dem Abhang des Hügels hin sich ziehen.
Diese Häuser sind wie die auf Mana gebaut; eine kleine Kapelle, welche
durch eine geistliche Schwester bedient wird, steht am Rande des Berges.
Man war gerade oben im Baue zweier Häuser begriffen, von welchen eines für
den Director, das andere der Nonne bestimmt war. Einstweilen aber logirten
beide friedlich zusammen in _einem_ Gebäude unten an der Kreek. Dieses
enthielt drei Zimmer, wovon die Eckzimmer vom Director und der Nonne
bewohnt, und allein durch das Speisezimmer (Salon) geschieden waren. Beide
empfingen uns sehr freundlich, und die Schwester bedauerte nur, dass man
uns aus Mangel an Fischen zum Abendessen keine Pimentade (Fischsuppe)
vorsetzen könne. Inzwischen war unsere Corjaal angekommen, und M.
präsentirte einen Kaiman, den die Indianer geschossen hatten, und der
wegen seiner Grösse uns die Fische reichlich ersetzen konnte. =Ma soeur=
verwunderte sich keineswegs über dieses seltsame Wildprät, sondern übergab
den Kaiman dem Kochneger, der die besten Stücke davon abschnitt, und den
Rest den Indianern zurückgab.

Bald wurde das Souper aufgetischt, und wir assen von dem Kaiman mit dem
grössten Appetit. Der Wein, welcher hiebei nicht gespart wurde, machte
gesprächig; und die Nonne machte die Honneurs der Tafel auf recht
liebenswürdige Weise. Nach dem Essen präsentirte sie auf Anis gesetzten
Tafia, den ich jedoch, weil ich nie dergleichen trank, nicht annahm.

Mein Gläschen war übrigens schon eingeschenkt, und die Nonne trank, indem
sie sich darüber verwunderte, dass ich als Soldat nicht trinke, das meinige
nebst dem ihrigen aus.

Nachts 11 Uhr verliessen wir L'Accarouany, und kamen um 3 Uhr Morgens auf
Mana an.

Als ich des Nachmittags auf meinem Posten ankam, traf ich blos zwei
Soldaten zu Hause an. Es waren Indianer aus Paramaribo zurückgekehrt, und
ihre Ankunft wurde auf dem Dorfe durch eine Trinkparthie gefeiert, bei der
sich wahrscheinlich ungeladen auch meine drei Jäger eingefunden hatten. Sie
waren dabei nicht so bescheiden, als ich den Abend zuvor auf L'Accarounay,
und kamen nicht sehr nüchtern, und mit einem Kruge des stinkenden
Lebenswassers auf dem Posten an. Zwei davon fielen glücklicherweise in
meine Hände, und mussten Quartier unter dem Flaggenstock nehmen; der dritte
aber lief mit dem Kruge in den Awarrawald und drohte, den Verräther, der
auf seinem Posten geblieben und pflichtgetreu mir diess erzählt hatte,
todtzuschiessen. Der arme Mann, der die Tücke seines Kameraden im
betrunkenen Zustand kannte, sprach kein Wort, sondern brachte die Nacht
in meinem Hühnerstall zu, wo ihn die oben sitzenden Hühner über und über
marmorirten. Des andern Morgens kam der Weggelaufene, welcher des Nachts
die unter dem Flaggenstock Sitzenden mit seinem Kruge gelabt hatte, ganz
nüchtern zu mir, und bat um Entschuldigung seines Fehltritts, sowie um
seinen Schnaps, der ihm von rechtswegen gebühre, da solcher ein probates
Mittel gegen jegliche Art von Katzenjammer wäre.

Einige Zeit nachher kam durch die Wanekreek eine Corjaal mit einem Weissen
und vier Negern, die vom Forte New-Amsterdam gesandt waren, uns andere
Häuser zu bauen.

Des erbärmlichen Zustandes unserer Wohnungen habe ich gleich Anfangs
gedacht, und auf die vielen Klagen und Bitten unseres Kommandanten hatte
sich endlich der Major des Genie oder Bauwesens erweichen lassen. Der
Weisse war ein Kanonier und liess sich Zimmermann nennen, verstand aber
so wenig von der Sache, wie drei seiner Untergebenen, während der
vierte einmal Handlanger bei einem Häuserbau gewesen seyn mochte und die
schwierige Sache leitete.

Man brach nun mein Haus zuerst ab, was eigentlich ein starker Wind hätte
thun können, und errichtete aus Brettern eine temporäre Hütte, welche ohne
Fussboden 20' lang und 8' breit war, und deren Gipfel ich in der Mitte mit
dem Kopfe berühren konnte. Die ganze Baracke hatte kein einziges Fenster
und war mit Brettern bedeckt, die mit einer Presailing (getheertem
Segeltuche) überhangen waren. Den Tag über herrschte eine Backofenhitze
darin, weil ausser der Thüre keine andere Oeffnung angebracht war. Man
arbeitete nun auf die gewöhnliche langsame Weise und hieb die nöthigen
Balken in der Umgegend. Die Zimmerneger fuhren beinahe jede Nacht in die
Mitte des Stromes, um den Mosquittos zu entfliehen und Fische zu angeln.
Manchmal brachten sie über 100 Pfund verschiedene Fische, von denen sich
besonders einer durch seine Farbe auszeichnete. Er gehört zum Geschlechte
der Welse, ist goldgelb, schuppenlos, und manchmal 50-60 Pfund schwer. Aus
dem Kopfe kocht man gute Suppen, und die Schwimmblase, die bei grossen
wohl ein Pfund und darüber schwer wird, gibt einen vortrefflichen Leim. Wir
nennen diesen Fisch Geelbakker, die Franzosen heissen ihn Majoran.

Ein anderer, etwas kleinerer Fisch, ebenfalls ein Wels, ist grau und
ungemein fett; er heisst bei den Arowacken Lau Lau, bei den Caraiben
Pasisi. Das Geschlecht der Welse ist im Süss- und Salzwasser vorherrschend,
und die Anzahl der Schuppenfische, wiewohl an Individuen reicher, ist an
Gattungen ärmer.

Anfangs Oktober war mein Haus fertig, kunstreich zusammengeflickt aus den
noch brauchbaren alten und einigen neuen Balken, die man in der Umgegend
gehauen hatte. Es war kleiner als das frühere, mit Palissaden beschlagen
und mit Pinablättern gedeckt. Auch hatte es einen Fussboden, und wurde
von mir, nachdem es mit einigen Flaschen Genever eingeweiht war, sogleich
bezogen. Man fing nun an der Kaserne an, deren Stützen man nur wegzuziehen
brauchte, um sie über den Haufen zu werfen. Die Soldaten zogen indessen in
meine Wohnung.

Wenige Tage nach unserem Einzug fühlte ich mich krank. Kolik,
Schlaflosigkeit und Mangel an Appetit hielten mich mehrere Tage im
Bett gefesselt, und weder meine, noch die von Mana geschickten Arzneien
verbesserten meinen Zustand. Meine Krankheit ward auf allen Dörfern
bekannt. So lag ich denn hoffnungslos auf meinem Lager, und Sterbegedanken,
die mich sonst noch nicht viel beunruhigt halten, erfüllten meine Seele.
Da besuchte mich etwa am achten Tage meines Uebelbefindens ein altes
caraibisches Weib, und erkundigte sich genau nach allen Umständen meiner
Krankheit. Sie versprach mir, am andern Morgen einen Trank zu bringen, der
Kopf und Magen wieder ins rechte Geleis bringen sollte.

Der Trank, den sie mir auch wirklich brachte, war ein Decoctum aus einer
Rinde, die einen bittern, aromatischen Geschmack hatte, und Aehnlichkeit
mit der Samarubo hat. Die Caraiben nennen sie Sibiru; der Baum wächst im
höhern Lande.

Kaum hatte ich diesen Trank, den sie mir in einer schmutzigen Calabasse
brachte, im Leibe, als meine Leibschmerzen nachliessen und ich in
einen, wohl fünf Stunden dauernden, erquickenden Schlaf fiel. Des Abends
verschlang ich mit wahrem Heisshunger den köstlichen Blaff, den mein
Aufwärter zubereitet hatte. Kurz gesagt, ich war vollkommen genesen und
erlangte in wenigen Tagen meine Kräfte wieder.

Dass ich das alte Weib freigebig belohnte, versteht sich von selbst; nie
ging sie an meiner Thüre vorüber, ohne dass ich ihr einen Labetrunk aus der
Schnapsflasche gereicht hätte.

Anfangs October stellte sich der Kommandant und der Doctor wieder bei mir
ein, um die Lebensmittel, welche man alle Tage erwartete, in Empfang zu
nehmen.

Wir lebten auf die gewohnte Weise; der Kommandant sorgte für das Essen,
dessen Zubereitung er meisterhaft verstand. Der Doctor und ich machten
kleine Ausflüge nach den benachbarten Indianerdörfern, oder gingen auf die
Jagd. Eines Morgens kamen zwei Indianer zu mir und erzählten, dass eine
schöne Papa- oder Abgottschlange nicht weit vom Posten in einer Awarapalme
verschlungen liege, und sich vielleicht lebendig fangen lassen würde.

Ich eilte schnell dahin und fand das wunderschöne Thier, das ruhig in den
stachlichten Blättern verschlungen dalag, und seinen Kopf hart an den Stamm
angeschmiegt hatte. Ihr Leib von der Dicke eines Mannsleibes, und ihre
Länge mochte 10-14' betragen. Ich stand eine Weile unentschlossen da und
liebäugelte mit der Schlange, die in träger Ruhe uns ganz gleichgültig
begaffte. Da ich auf die Hülfe der Indianer nicht rechnen konnte, so
war ich auf meine eigenen Kräfte angewiesen; aber der Wunsch, die schöne
Schlange lebend zu bekommen, siegte über meine Bedenklichkeiten.

Ich holte nun vom Posten ein neues, ziemlich starkes Seil, woraus ich eine
Schlinge machte. Aus der Schnur eines indianischen Bogens drehte ich eine
kleinere und steckte den Kopf der Schlange ganz behutsam darein. Um den
Stamm und den Leib befestigte ich die grosse Schlinge, welche mir ein
Indianer, jedoch mit grossem Widerwillen hielt. Jetzt zogen wir, und ich
fasste sogleich den Kopf, während der Leib sich langsam aus der Schlinge
zog und sich mir um den Arm wickelte. Unterdessen lief ich mit der Schlange
nach dem etwa 300 Schritte entfernten Posten, wo ein Guide mir das
Thier vom Arm und der Hand abwickelte, um welche beide sie sich so fest
geschlungen hatte, dass ich grosse Schmerzen empfand.

Ich warf sie nun in eine leere Weinkiste, wo sie einige Zeit betäubt lag.
Jetzt erst fing sie an zu zischen und liess sieben Stunden lang einen Ton
hören, der vollkommen dem Geräusche des aus einer Dampfmaschine strömenden
Dampfes glich.

Ich liess eine passendere Kiste von Cedernholz für sie machen, in welcher
man durch ein Gitter das Thier recht gut beobachten konnte, setzte die
Kiste nun unter die Gallerie und war glücklich bei dem Gedanken, so
wohlfeilen Kaufs in den Besitz eines so schönen Thieres gekommen zu seyn.
Wie gross war daher mein Schrecken, als man mich in der ersten Nacht
mit der Nachricht weckte, die Schlangenkiste wäre offen, und das Thier
entflohen. Ein Soldat, der ohne Zweifel über mein Glück neidisch war, hatte
die Kiste aufgemacht. Mein Jammer war gross! Aber ungeachtet alles Suchens
mit Lichtern und Laternen in der Savanne und am Strand, fand man keine Spur
von ihr. Auch als der Tag anbrach, und Kisten und Fässer weggerollt werden
konnten, fand man keine Spur, bis man sie zufällig im Giebel des Hauses
entdeckte, wo sie, in den Palmblättern verschlungen, ruhig dalag.

Bald darauf machte ich eine Reise nach Mana, wo ich gegen Mehl Seife und
Wein für den Kommandanten eintauschte. Es war diess die letzte, denn am 29.
Oktober kam der Schooner mit den Lebensmitteln und einem Korporal, der mich
ablösen sollte. Man hatte mich zum Fourier gemacht, und ich musste desshalb
in die Garnison zurück.

Schwerer, als von meinem Kommandanten, der mir wiederholt betheuerte, wie
leid ihm meine Abreise thue, fiel mir der Abschied von meinen Indianern.
Die Meisten derselben hatten sich am Ufer versammelt, und ich bekam noch
von den Weibern eine Menge Wasserkrüge als Geschenk.

Bepackt mit meinen sieben Sachen, worunter eine Schlange, ein Kwatta
und ein Eichhörnchen, bestieg ich den Schooner und verliess nicht ohne
heimliche Thränen die mir so liebe Marowyne. Fest stand mein Vorsatz, nach
Ablauf meiner Dienstzeit an ihren Ufern mich festzusetzen, um in reizender
Abgeschiedenheit, ganz unabhängig in der freien Natur leben zu können.

Ich habe jetzt, indem ich die Blätter überlese, und manche wahre Bemerkung
wegstrich, weil sie Anstoss hätte geben können, meinen Wunsch erreicht,
aber nach wie vielen Mühen und Gefahren, Entbehrungen und Missgeschicken!



Siebenter Abschnitt

  Ankunft in Paramaribo. Die Komödie »Thalia« und »Polyhymnia.«
  Vorstellung in letzterer. Huldigung des Königs. Militärische Ansprache.
  Dreiwöchentlicher Urlaub. Abreise nach dem obern Surinam. Aufenthalt
  auf der Judensavanne. Beschäftigungen. Abstecher nach Mauritzburg.
  Spinnenfang. Plantagen Worsteling Jakobs und Bergendaal. Der blaue
  Berg. Fahrt nach Victoria. Die Saramneen. Buschnegerdorf Tja Tja.
  Buschnegertanz. Abreise. Pflanzung Moria. Die Buschneger: ihr Ursprung.
  Frieden und Contracte mit der Regierung. Eintheilung in drei Stämme.
  Das Grossoberhaupt. Ihre Lebensweise und Gottesdienst. Aberglauben.
  Krankheiten. Bestrafung der Giftmischer. Handel mit den Weissen
  und ihresgleichen. Ende meiner Dienstzeit und Abreise nach Europa.
  Ueberfahrt. Ankunft in Holland.


Nach einer Reise von 24 Stunden landeten wir den 1. November in Paramaribo,
und es fiel mir wieder aufs Neue schwer, mich ans enge Joch des Dienstes zu
gewöhnen. Mein alter, mir wohlwollender Kommandant, welcher Kapitän meiner
Compagnie war, hatte mir auch dieses Avancement ausgewirkt. Meine Finanzen
und häusliche Einrichtung waren in guter Ordnung, und meine Lage und
Aussichten ganz vortheilhaft. Dessenungeachtet fühlte ich stets in der
Stadt den Mangel eines Freundes, der meine Freuden und Genüsse mitempfand,
und zur Heiterkeit und angenehmen Gesprächen nicht erst durch den
Geneverkrug gereizt werden musste. Auf den Posten hatte mich die freie
Natur entschädigt, aber jetzt wurde der Wunsch, meine Freunde und Familie
in Europa wiederzusehen, immer lebhafter. Es war aber noch ein langes,
langes Jahr, und desshalb jeder 9. eines Monats ein kleiner Festtag, der
die Zahl meiner Dienstmonate verminderte.

Während der Zeit meines Aufenthaltes an der Marowyne ward in der Stadt eine
hübsche Komödie, die Thalia genannt, durch Actien errichtet, welche jeden
Monat einmal das kunstliebende Publikum Paramaribo's in sich versammelte.
Die Schauspieler sind Dilettanten, angesehene Bürger von Paramaribo oder
Blanke. Meistens werden veraltete Kotzebue'sche Lust- oder Schauspiele
aufgeführt.

Nicht das Spiel, das mittelmässig ist oder von dem grössten Theil der
Zuschauer nicht beurtheilt werden kann, noch Decorationen oder Musik wären
hier für einen Fremden das Merkwürdige, sondern die Zuschauer selbst,
namentlich der weibliche Theil derselben. Von dem tiefsten Schwarz der
wohlbeleibten Negerdamen, bis ins Bleiche der europäischen Schönen sieht
man hier alle Nüancen aufgeputzt, nach oder über Vermögen mit Schmuck und
Juwelen verschwenderisch behangen. Manche dieser Schönen leidet lieber
Mangel, als dass sie diese Gelegenheit, wo sie sich zeigen kann, versäumt.

Die Preise der Plätze sind hoch, und das Parterre kostet als der niederste
fl. 2. 50 Cent. Concerte sind selten. Sie werden ebenfalls von Liebhabern
gegeben, und in ihnen verschiedene Instrumente meisterhaft gespielt.

Die Komödie Thalia, welche in der ersten Zeit häufig besucht wurde, spornte
den Ehrgeiz einiger unternehmenden Mulatten an, eine Gesellschaft unter dem
Namen Polyhymnia zu bilden, welche als Concurrent der Thalia bei niederen
Preisen die zahlreiche Klasse der Farbigen belustigen und erfreuen sollte.
Man eröffnete die Bühne mit einem Ziegler'schen Schauspiel: der Findling.
Eine sogenannte Houtloots, ein bretternes, etwa 80' langes, 12' hohes und
25' breites, früher zur Aufbewahrung von Brettern und Balken bestimmtes
Gebäude war nun zum Polyhymnias-Sitze provisorisch eingerichtet. Logen und
Gallerien konnten natürlich bei der geringen Höhe und Breite des Hauses
nicht angebracht werden. Man begnügte sich daher blos mit der Erhöhung des
Fussbodens, so dass die auf dem letzten Platze Stehenden ihre Köpfe an die
Decke stiessen. Dabei herrschte eine Hitze zum Ersticken.

Ganz Paramaribo strömte dahin; die Farbigen, um das Talent ihrer
Gleichsortigen zu bewundern, die Weissen, um jene zu persifliren; und
wie sehr man auch die Menschen aufeinanderstapelte, so mussten doch viele
abgewiesen werden. Eine zum Ganzen passende Musik wurde glücklicherweise
durch das Getöse der Zuschauer unhörbar gemacht.

Nach einem Prologe, der hierin _ein_ Geschick mit der Musik theilte, begann
der erste Akt. Die Rolle der Prima Donna ward bei dem Mangel einer Actrice
durch einen schlanken Mulattenjüngling gegeben; und jede neu auftretende
Person, der ehrwürdige, mit schneeweisser Halskrause versehene (Neger)
Pfarrer mit lautem Hurrah des fröhlichen Publikums begrüsst. Es war des
Applaudirens kein Ende, so dass die hinten Stehenden wenig sprechen hörten,
und nur an den ausdrucksvollen Pantomimen den Zusammenhang des Stücks
erriethen. Beim Schlusse fand das Quasi-Fräulein seine Mutter wieder, die
der Pfarrer verschleiert hereinführte. Sie schlug, um die wiedergefundene
Tochter zu umarmen, den Schleier zurück, worauf ein Gelächter erschallte,
dass man glauben sollte, das Haus stürze davon ein; denn die zärtliche
Mutter wurde von einem Neger gespielt, dessen Gesicht mit Locken sich zum
weissen Kleide und Blumenhut allerliebst ausnahm. Doch man sah und hörte
beim Schlusse vor Getümmel und Beifallrufen nichts mehr, und ging nach
Hause, ohne Reue, sein Geld weggegeben zu haben. Eine Restauration in der
Nähe des Tempels sorgte ihrerseits für gute Erfrischungen, und Mancher,
der auf den Bänken eingeschlafen war, fand sich bei seinem Erwachen unter
denselben.

Der Ruf der Polyhymnia war nun begründet, und diese Muse, zu langsilbig und
fremd für die Farbigen, wurde desshalb bei Verkürzung Pulehembi genannt,
welches Wort verdeutscht: »Zieh das Hemd aus« bedeutet. Der Reiz der
Neuheit war aber schon nach wenigen Vorstellungen verschwunden und die
Gesellschaft der Pulehembi löste sich auf.

Im Anfang des Jahres 1841 war die Huldigung für unsern König Wilhelm II.
Ein schöner, heiterer Tag begünstigte diese Festlichkeit. Würdevoll
und wohlklingend war die Rede, welche der General-Gouverneur bei dieser
Gelegenheit den versammelten Truppen hielt und sie verfehlte den Eindruck
nicht, den sie machen sollte. Den meisten Gefangenen wurde der Rest ihrer
Strafzeit geschenkt; auch _Alexander Bariteaud_ war in dieser Amnestie
mitbegriffen und verliess nach siebenjähriger Gefangenschaft Surinam.

Bei dieser Gelegenheit erinnerte ich mich einer andern militärischen
Ansprache, welche kurze Zeit nach meiner Ankunft in Surinam der älteste
Kapitän an das versammelte Bataillon und insbesondere an mehrere Soldaten
richtete, die wegen langjähriger Dienstzeit kupferne oder silberne
Medaillen mit oder ohne Geldgeschenk erhielten, die nun der Kapitän,
an welchen sie vom Kriegsministerium gesandt waren, vor der Front des
Bataillons auszutheilen hatte. Er trug das Geld und die Medaillen in seinen
Hosensäcken und lief damit die Front des Bataillons entlang, indem er an
die Betreffenden ihre Auszeichnung mit den Worten überreichte: Ihr bekommt
eine kupferne, Ihr eine silberne Medaille, Ihr bekommt dabei 6 fl.,
Ihr nichts u. s. w. Nachdem er alle ausgetheilt hatte, sprach er die
Beschenkten also an: Diess gibt Euch nun Euer König, weil Ihr ihm treu
gedient habt und damit Ihr auch ferner treu dienen sollt; aber wenn Ihr
sie putzt, d. h. glänzend reibt, so steck ich Euch 14 Tage ins Loch!
Eingerückt!

Mein Garnisonsleben war natürlich viel einförmiger, als das auf den mir so
lieben Posten, wo ich stets mein eigener Herr war, während hier so mancher
an mir meistern konnte. Doch war der Dienst leicht und ich wurde von meinen
Vorgesetzten stets wohlwollend behandelt. Die Sonntage, an welchen man
weder exerzirte, noch arbeitete, waren von mir meistens zur Insektenjagd in
der Umgegend benützt und ich kam so zu einer schönen Sammlung, die ich nach
Europa mitnehmen wollte.

Ich hatte nun im Laufe von 5 Jahren die entferntesten Posten der Colonie
besucht und schon längst war es mein Wunsch gewesen, das höhere Land am
Surinamstrome und die Dörfer der Buschneger zu sehen. Meine militärischen
Verhältnisse aber und noch mehr die, mit solchen Reisen verbundenen
Kosten, setzten, wenn ich sie auf eigene Rechnung unternommen hätte, grosse
Hindernisse in den Weg. Es kam mir daher die Einladung eines deutschen
Doctors, Hrn. H. in Paramaribo, der am oberen Surinam Pflanzen und
zoologische Gegenstände sammeln und mich zu seinem Begleiter haben wollte,
sehr erwünscht. Leicht erhielt ich einen dreiwöchigen Urlaub und wir
fuhren Mitte Augusts in einem sechsriemigen Tentboote dahin ab. Die langen,
lästigen Regengüsse der nassen Jahreszeit hatten aufgehört. Zwar war das
Land noch überschwemmt und der Strom in Folge der Menge Wasser aus dem
obern Lande reissend, doch schien uns ein heiterer Himmel zu begünstigen.

Mit anbrechender Nacht landeten wir auf einer Zuckerpflanzung, deren
Director ein Freund Hrn. H's. war und Allem aufbot, seinen Gast recht gut
zu bewirthen. Die Tafel war wohlbesetzt mit inländischen und europäischen
Früchten und Speisen. Wein war in Hülle und Fülle aufgetischt und sie
bildete desswegen einen mächtigen Contrast mit der Mittagstafel der
Unteroffiziere in Paramaribo, auf welcher als Krone der ausländischen
Speisen eine Schüssel graue Erbsen oder Sauerkraut prangte, deren Inhalt
mit klarem Brunnenwasser hinuntergespült wurde.

In der Frühe des andern Morgens setzten wir unsere Reise in einem andern
unbedeckten Boot fort, das mit Lebensmitteln, Rum für die Indianer und
Neger, Kisten zur Aufbewahrung von Naturalien, Gewehren u. s. w. so bepackt
wurde, dass uns beinahe kein Plätzchen zu freier Bewegung übrig blieb. Es
herrschte eine drückende Hitze; kein Lüftchen regte sich und selbst das
Stromwasser, in dem wir von Zeit zu Zeit Gesicht und Hände wuschen, war lau
und unangenehm. Nachdem Gesicht und Hände von der Sonnenhitze fürchterlich
verbrannt waren, landeten wir auf der Zuckerpflanzung Chatillon, auf
welcher auch von der bekannten Gastfreundschaft der Plantagenbewohner keine
Ausnahme gemacht wurde.

Des Abends fuhren wir weiter. Als die Sonne sank und die Luft milder wurde,
zog ein fürchterliches Gewitter heran. Der Regen floss in Strömen herab
und die heftigsten Donnerschläge folgten rasch aufeinander. Dabei herrschte
eine egyptische Finsterniss. Wir waren gerade in einer Gegend, wo wenige
Pflanzungen liegen und mussten desshalb geduldig das Ende des Gewitters
abwarten. Gegen Mitternacht erreichten wir die Judensavanne, wo wir in
einem leeren Hause, das man Hrn. H. zur Verfügung gestellt hatte, unsere
Hängematten aufhingen und bald in den Armen des Schlafes uns von den
Strapazen des Tages erholten.

Kaum war der Tag angebrochen, so erhob eine Negerin in dem angrenzenden
Hofe ein gräuliches Klagegeschrei, weil ihr in der Nacht eine Henne
gestohlen ward; sie verwünschte den Dieb unter allen nur möglichen Flüchen.
Gleichzeitig mit diesen Exclamationen erscholl aus dem nebenanstehenden
Hause der Schmerzensruf einer alten Jüdin, die an der Kolik litt, und kaum
öffneten wir die Läden unserer Zimmer, als schon einige Kranke Hrn. H.,
der als ein geschickter Doctor sehr gesucht war, besuchen wollten. Es waren
diese Besuche um so lästiger, als Hr. H. sich bloss mit der Natur hier
beschäftigen wollte und ihn nach keiner Praxis verlangte. Wir eilten
desshalb, um allen Besuchen vorzubeugen, in die Savannen. Die Vegetation
derselben war gerade in der schönsten Pracht und die Savannen, welche
einige Monate später so trocken und öde erschienen, waren mit den
herrlichsten Blumen und Sträuchern bedeckt. Ein Neger trug das zum Einlegen
nöthige Fliesspapier, nebst dem Schmetterlingsnetz und einer Flinte. Wir
verliessen den gewöhnlichen Pfad und kreuzten rechts und links durch die
wilden Ananas, die in dichten Gruppen unter dem niedrigen Gesträuch stehen
und besonders den nackten Negern und Indianern keine Rosen in den Weg
streuen. Wir erreichten bald ein Indianerdorf, das aus einigen Hütten
bestand, die von Caraiben bewohnt wurden. Kleine Kinder, welche spielten,
meldeten schreiend unsere Ankunft und die wenigen Indianer, welche zu Hause
waren, erkundigten sich hauptsächlich nach unserem Rumvorrath. Wir ruhten
hier ein wenig aus und assen Cassavebrod mit Ananas, da wir, durch die
freundschaftlichen Besuche der Juden verhindert, nur ein sehr mässiges
Frühstück genossen hatten. Mit Pflanzen beladen kehrten wir am Abend nach
unserem Hause zurück, begleitet von einem jungen Caraiben, den der Anblick
des vielen Rums, von welchem wir sechs grosse Krüge, jeder drei Gallonen
enthaltend, im Hause stehen hatten, so für uns einnahm, dass er sich
sogleich anbot, bei uns zu bleiben und uns seiner Freundschaft bis auf den
letzten Tropfen Rum versicherte.

Den folgenden Tag durchstreiften wir auf gleiche Weise die Umgegend und
wurden dabei von unserem Indianer an Plätze geführt, an die wir ohne Führer
nicht leicht hätten gelangen können. Ueberdiess schoss er mit stumpfen
Pfeilen Kolibris und andere kleine Vögel und ruderte, wenn die Reise zu
Wasser vor sich ging. Einer von Hrn. H's. Negern, ein guter Jäger, versah
die Küche mit Wildprät, indem er bald Pakire, Ameisenfresser oder Papageyen
und hühnerartige Vögel nach Hause brachte, die verspeist, skelettirt oder
ausgestopft wurden.

An jedem der folgenden Tage hatten wir Arbeit genug und sassen manchmal
noch bis Mitternacht beim Sortiren und Trocknen der Pflanzen.

Eines Morgens gingen wir in Begleitung eines jungen Negers durch die
endlosen Savannen, um an einen alten Judenkirchhof zu kommen, welcher
oberhalb des Dorfes am Strome lag. Die Savannen waren mit baumartigen
Sträuchern bewachsen, welche blauschwarze, süssliche Beeren trugen, die
man Schwarzbeeren (Blakabeeri) nennt und von den Eingebornen gerne gegessen
werden. Unter diesen Sträuchern stehen wilde Ananase in solcher Menge,
dass man sich mit dem Säbel den Weg bahnen muss. Eine Menge Orchideen,
mit langen Bulben und wohlriechenden Blumen bedeckt, wachsen zwischen den
krummen Aesten und Wurzeln der Sträucher. Wir irrten drei Stunden lang
durch den glühenden Sand, abgemattet von der Hitze, welche durch kein
Windchen gemildert wurde und konnten den verwünschten Kirchhof nicht
finden, obwohl er nur eine gute Viertelstunde vom Dorfe ab lag. Mit
Ananasen und den in der Erde wachsenden länglichen Früchten einer
Bromeliacee löschten wir unsern Durst; aber der herbe Saft dieser Früchte
machte uns das Zahnfleisch bluten und die Zähne so stumpf, dass wir am
andern Tag noch Mühe hatten, das Essen zu kauen.

Endlich erreichten wir den Wald, der in Schluchten und auf Hügeln den
Strom umsäumt und bemerkten, dass wir uns gänzlich verirrt hatten.
Abermals liefen wir eine gute Strecke, um einen Ausweg zu finden und den
langweiligen Rückweg durch die Savannen zu ersparen. Es war aber keine
Spur von einem Weg zu finden. Ungeheure, in Folge ihres Alters
umgesunkene Bäume, die auf ihrer halbverfaulten Rinde eine ganze Flora von
Wucherpflanzen trugen und zwischen deren Aesten ein, viele Klafter langes,
schneidendes Gras, Babunnefi (Affenmesser) üppig wuchs, lagen überall herum
und mussten durchkrochen oder überstiegen werden. Wir warfen den grössten
Theil der gesammelten Pflanzen wieder weg, da auch der Negerjunge zu
schwach war, um sie zu tragen.

Glücklich erreichten wir den Strom, dessen Ufer von lothrechten Felsen
gebildet werden und sahen dicht bei uns den Jagdneger, der mit den
Indianern von der Jagd zurückkam. An Lianen, die von den Bäumen
herabhingen, kletterten wir in die Corjaal und erreichten nun in wenigen
Minuten den Begräbnissplatz. Der Weg, welcher vom Strom dahin führt, ist
von hohen Bäumen überwölbt und mit Mimosen (Sinnpflanzen), die beinahe
Mannshöhe erreicht hatten und bei unserem Durchgange die Zweige ehrerbietig
neigten, dicht bewachsen. Der Ort selbst liegt auf einer kleinen Anhöhe in
der Mitte von Cumu-, Maripa- und Awara-Palmen, wird aber seit vielen Jahren
nicht mehr benützt, obgleich es hier so freundlich und still ist, dass man
nicht leicht ein passenderes Plätzchen finden könnte.

Nach sechstägigem Aufenthalt auf der Judensavanne ging ich mit dem
Negerjungen auf meinen alten Posten Mauritzburg, um auf den ihn umgebenden
Savannen eine Art Vogelspinne, die in der Erde lebt und sich dort häufig
aufhält, zu holen.

Ich besuchte meine alten Freunde, die Arowacken, von welchen ich, da sie
gerade ein Bienennest gefunden hatten, mit Honig tractirt wurde. Der
Junge trug eine mit Rum gefüllte Flasche, in welche ich die Spinnen werfen
wollte. Kaum war diese vom Familienvater Bakrafassi erspäht, so verlangte
er ganz natürlicherweise davon zu trinken. Ich erklärte ihm mit Bedauern,
dass ich diese zum Tödten der Spinnen nöthig hätte, worüber er sich
höchlich entsetzte. Doch solchen köstlichen Trank zu so profanem Zwecke
gebrauchen zu lassen, konnte er nicht übers Herz bringen und meinte, ich
könne die Spinnen am Leben lassen und doch in die Flasche thun. Als ich ihm
aber bemerkte, dass sie sich auf diese Weise auffressen würden, so rieth er
mir an, jede einzeln zu bewahren und verfertigte sogleich zu diesem Zweck
aus trockenen Parasalla-(Heliconia-)Blättern kleine nette Häuschen, die mit
einem Awarastachel geschlossen werden mussten. Ich überliess ihm nun
die Flasche mit der Herzensstärkung und wir gingen dann zusammen auf den
Spinnenfang. Diese Thiere halten sich in den Savannen und an Wassergräben
auf, haben etwa fusstiefe, runde Höhlen, die in schiefer Richtung nach
unten laufen und bis an die Oeffnung umsponnen sind, so dass weder Erde
noch sonst etwas hineinfallen kann. In dieser Höhle sitzt das Thier nahe am
Eingang und lauert auf die vorüberziehenden Passagiere, als Käfer, Grillen
und kleine Eidechsen, welche sie im Sprunge fängt und in ihre Höhle
schleppt. Unten in derselben befindet sich immer Wasser, worin vielleicht
die Beute erst ertränkt wird. Die Spinne selbst hat ausgespannt etwa 14" im
Umkreis, der Thorax ist von der Dicke eines Mannesdaumens und der Leib
von der Grösse eines Taubeneies; die acht Füsse und zwei Fangspitzen
sind schwarz und haben der Länge nach laufende, weissgelbe Streifen; die
rothbraunen Fresszangen sind beinahe ½" lang. (Im April 1841 erhielt ich
eine solche Spinne, die mit ausgespannten Füssen die Grösse eines grossen
Esstellers hatte und deren Hinterleib so gross wie ein Hühnerei war. Sie
war sehr wild und sprang auf mich los.)

Bakrafassi gab mir seinen Sohn Walekuleh zur Begleitung nach der
Judensavanne mit und wir traten des andern Morgens unsere Rückreise dahin
an.

Nach zehntägigem Aufenthalt verliessen wir die Judensavanne und fuhren in
Begleitung des Arowacken und Caraiben den Strom weiter aufwärts. Die beiden
Indianer, so ziemlich von gleichem Alter, doch verschiedenen Stammes,
waren bald die besten Freunde und da keiner des andern Sprache verstand, so
hielten sie ihren Diskurs im Negerenglisch, welches beide gleich schlecht
sprachen und uns damit sehr belustigten.

Die Pflanzungen oberhalb der Judensavanne sind klein und gering und liefern
keine Produkte. Bloss Zimmerholz und Bretter werden von hier aus zum
Verkaufe nach der Stadt gebracht.

Wir fuhren bis zu der dem Gouvernement gehörenden Pflanzung Worsteling
Jakobs, wo man früher die zu Fundamenten und Brustwehren nöthigen Steine
sprengte. Jetzt war sie der Wohnort zweier Herrnhuter Missionäre, die von
da aus Reisen nach den umliegenden Pflanzungen machten, um die Sklaven zu
bekehren. Die dieser Secte eigene Einfachheit und Reinlichkeit herrschte
hier im Hause, das, umgeben von Palmen und andern tropischen Gewächsen, am
Strome lag.

Eine mit Hochwald bedeckte Insel und mehrere Felsenblöcke, an denen sich
das Wasser schäumend brach, vollendeten das ländliche Bild. Wir wurden
freundlich aufgenommen und bewirthet und fuhren des andern Morgens weiter.
Die Meeresfluth hatte hier beim hohen Wasserstande gar keinen Einfluss mehr
und je höher wir den Fluss aufwärts fuhren, desto mühsamer wurde das Fahren
gegen denselben. Die einst zahlreichen und gut bebauten Niederlassungen
sind grösstentheils verfallen und mit Wald bedeckt, nur wenige
unansehnliche sahen wir im Laufe des Tages.

Durch Pflanzensammeln längs des blühenden Waldsaumes hatten wir uns so
verspätet, dass wir bei Anbruch der Nacht noch ziemlich weit von der
Pflanzung Bergendaal, wo wir verweilen wollten, entfernt waren. Es war eine
herrliche, kühle Nacht. Hr. H. und ich legten uns, so gut es anging, in der
Corjaal nieder, bedeckten das Gesicht, um dem Mondschein nicht ausgesetzt
zu seyn und schliefen, bis wir durch das höllische Gebell der Hunde auf
Bergendaal geweckt wurden. Es war 11 Uhr und Alles schlief schon auf der
Pflanzung. Der Director derselben, ein alter Mulatte, kam auf den Lärmen
der Hunde unter erzwungener Freundlichkeit herbei. Im Nu waren unsere
Hängematten aufgehängt und bald herrschte die vorige Stille wieder. Ich
hatte schon Vieles von dieser Pflanzung erzählen hören und stand desswegen
mit Tagesanbruch auf; denn ich war neugierig, sie zu sehen. Dieses
Vergnügen musste ich aber noch einige Stunden entbehren, bis der Nebel, der
Fluss und Berge einhüllte, sich verzogen hatte.

Die Pflanzung liegt am Fusse einer Hügelkette auf dem linken Ufer des
Flusses. Diese Hügelkette zieht sich südwestlich und dicht an ihr erhebt
sich am Flusse der sogenannte blaue, etwa 200' hohe Berg. An diesen Berg
angebaut befindet sich das schöne und geräumige Wohnhaus in einem Garten
von wohlriechenden Sträuchern. Mehrere Seitengebäude ziehen sich zwischen
dem Berge und Flusse hin. Das Negerdorf besteht aus netten hölzernen
Häusern, die mehrere Strassen bilden und überschattet von Kokosbäumen einen
freundlichen Anblick gewähren. Die Arbeiten der Sklaven, deren es etwa
dreihundert sind, sind sehr gering, und sie benützen ihre übrige freie Zeit
zum Anbau von Erdfrüchten, die sie mit den Ponten, welche Bretter nach der
Stadt bringen, zum Verkaufe dorthin senden. Schweine und Federvieh
ziehen sie in Menge und verschaffen sich desshalb auf diese Weise manche
Annehmlichkeiten, welche die Sklaven anderer Pflanzungen entbehren müssen.

Auf einer kleinen Anhöhe neben dem Dorfe steht eine hübsche Kirche.
Die Herrnhuter Missionäre haben beinahe alle Neger dieser Pflanzung zum
Christenthum bekehrt und es wird täglich Schule und Gottesdienst gehalten.
Diesem Geschäft unterzieht sich ein junger Neger, der von den Herrnhutern
dazu unterrichtet wurde. Alle 14 Tage kommt ein Missionär von Worsteling
Jakobs, dann ist grosser Buss- und Bettag. Dass aber bei diesem vielen
Beten viel weniger gearbeitet wird, als auf andern Pflanzungen, ist
ebenfalls wahr; denn Beten und Arbeiten ist für die Neger zu viel.

Als sich der Nebel verzogen hatte, bestieg ich den blauen Berg, von dessen
Höhe und Steilheit, sowie von der herrlichen Aussicht auf demselben ich
schon so viel hatte reden hören. Der Wald auf und an ihm ist gänzlich
ausgerodet und nur schlechtes, schneidendes Gras wächst auf der rothen und
eisenhaltigen Erde, aus der grosse Quarzblöcke hervorstehen. Seine Abhänge
sind sehr steil und von der Seite des Flusses mühsam zu erklimmen. Ein
kleines Häuschen steht auf seinem Gipfel, der wirklich eine überraschende
Aussicht gewährt. Ungeheure Waldungen bedecken das Land nach allen
Richtungen hin und ausser dem unten liegenden Negerdorfe ist auch nicht
_eine_ Spur menschlicher Cultur zu entdecken. Gegen NNW. und NO. breitet
sich der Wald flach wie ein ungeheurer Teppich in den herrlichsten Nüancen
von Grün aus, durch den der Surinam wie ein breites, silbernes Band sich
schlängelt. Nach SO., S. und SW. sieht man Hügel und Berge, über die im
fernen Horizont hohe, blaue Gebirge hervorragen. Einzelne Rauchsäulen,
welche man aus dieser grünen Masse aufsteigen sieht, erinnern daran, dass
das Land bewohnt ist. Auf dem Berge ist der Begräbnissplatz der Herrnhuter
Neger.

Die Waldungen sind hier an guten Holzarten reich, aber der Transport
(der des Zimmerholzes geschieht durch Ochsen und die Bretter müssen oft
stundenweit getragen werden) ist bei dem bergigen Terrain sehr mühsam. Vor
etwa hundert Jahren bildete sich in Holland eine Actiengesellschaft, welche
in dem bergigen Theile Surinams nach Mineralien forschen lassen wollte. Man
machte mit dem blauen Berge eine Probe und legte einen Stollen an, dessen
Oeffnung man noch jetzt sieht. Die Ausbeute war aber sehr gering und die
Bergleute wurden entweder von Krankheiten dahingerafft oder von den damals
rebellischen Buschnegern überfallen und ermordet, so dass der Sache schnell
ein Ende gemacht wurde. Ueberhaupt ist Bergendaal und noch mehr das weiter
landeinwärts liegende Victoria nicht gesund und mehrere Directoren, Creolen
aus Surinam, litten beständig am Wechselfieber. Hr. H., der sich immer mit
Botanisiren beschäftigte und dabei der Nässe zu sehr ausgesetzt hatte, litt
ebenfalls daran, wodurch er verhindert wurde, den Strom weiter aufwärts zu
fahren. Ich beschloss desshalb, allein nach dem noch vier Stunden weiter
aufwärts liegenden Posten Victoria, welcher die Grenze des bewohnten
Landes bildete, zu gehen, und trat, nachdem ich einige Tage auf Bergendaal
zugebracht hatte, die Reise dahin an. Vom Bastian der Pflanzung lieh ich
eine kleine Corjaal, die etwa 12' lang und 2' breit war, packte meine
Habseligkeiten in den Pagaal und verliess, von dem Arowacken begleitet,
Mittag um 1 Uhr Bergendaal. Der Strom, welcher nach Osten hin eine wohl
zwei Stunden lange Bucht bildet, war reissend und wir pagaiten desshalb
tüchtig darauf los, um noch vor der Nacht Victoria zu erreichen. Ein
starker Regenguss nöthigte uns aber, ein Obdach im Walde zu suchen, wo wir,
bedeckt von Heliconienblättern, wohl eine Stunde lang unbeweglich sassen,
bis der Regen nachliess. Weder ich noch der Indianer hatten je die
Reise gemacht und wir wussten desshalb, als der Abend anbrach und keine
menschliche Seele in dieser Wildniss sich zeigte, nicht, wie weit wir noch
zu fahren hatten.

Endlich um Sonnenuntergang waren wir am Ende der langen Bucht und der Strom
kam wieder aus S. Viele übereinander geschichtete Felsen trugen Bäume, an
denen mehrere Dutzende von den sackförmigen Nestern des rothen und gelben
Cassicus hingen. Diese Vögel, welche wir aus ihrer Ruhe aufstörten, erhuben
ein höllisches Geschrei. Die Breite des ganzen Stroms beträgt hier an
dieser Stelle, wo er durch Felsen und ein hohes Ufer eingezwängt ist, kaum
20 Klafter; dabei ist er so reissend, dass es uns beinahe unmöglich war,
aufwärts zu pagaien und wir unsere Hände voll Blasen bekamen. Todtmüde und
hungrig kamen wir nach 10 Uhr auf dem Posten an. Ich polterte an der Thüre
der Kaserne; denn ausser der Wache lag Alles in tiefem Schlaf. Die dadurch
Aufgeweckten fingen an zu fluchen und meinten, es seyen die Kühe der
Pflanzung, die zuweilen da Kurzweil zu treiben pflegten. Man öffnete und
war höchlich verwundert, mich zu sehen; denn einen Besuch von mir hatte
man gar nicht erwartet. Schnell wurde ein Feuer angemacht, an dem Kaffee
gekocht, Bananen mit Speck geröstet wurden und ich und mein Indianer hatten
bald die anstrengende Reise vergessen. Man hing meine Hängematte auf,
warnte mich vor den Fledermäusen und bald lagen wir in den Armen des
Schlafes.

Des Morgens kam auch der Kommandant des Postens, ein Sergeant, um mich
zu bewillkommnen. Hierauf ging ich mit einigen Soldaten nach dem etwa 200
Schritte entfernten Holzgrunde Victoria, wo ich vom Director desselben,
einem portugiesischen Israeliten, ebenfalls herzlich empfangen wurde.

Dieser Mann ist wegen der weiten Entfernung anderer Pflanzungen einzig auf
die Gesellschaft seiner Nachbarn, der Soldaten beschränkt, und da die ganze
Sklavenmacht blos aus ungefähr 40 Köpfen besteht, und in der Trockenzeit
wegen des niedrigen Wasserstandes alle Verbindung mit Paramaribo gehemmt
ist, so ist seine Stellung weder vortheilhaft noch angenehm. Er war
übrigens ein sehr gefälliger Mann, der mir in der Folge uneigennützig
manchen Dienst leistete.

Ein alter Soldat, der früher mit mir auf Mauritzburg gelegen hatte, liess
es sich besonders angelegen seyn, mich festlich zu bewirthen. Der Director
ward ebenfalls zu dem Essen eingeladen, das um zwölf Uhr in der Kaserne
aufgetragen werden sollte. Die Zeit bis dahin wurde von mir benützt, mich
in den Wäldern umzusehen.

Der Posten und die Pflanzung liegen auf einer grossen Savanne, die gegen
Osten von dem Fluss begrenzt, und auf allen Seiten von Hochwald umgeben
ist. Der Boden, sowie auch das umliegende Land ist hügelig und bildet Berge
und Thäler, die mit Hochwald bedeckt sind. In den Bergschluchten, worin das
Regenwasser abläuft, findet man stellenweise eine Menge Bohnerz, und die
Felsen sind wie auf Bergendaal sehr eisenhaltig. Die Wälder sind besonders
von Tapiren bevölkert, und Poweesen, Marai's und andere hühnerartige
Vögel halten sich in Menge hier auf. Häufig trifft man hier den schönen
Sonnenvogel (Ardea helios), der sich gern an kleinen, dichtbeschatteten
Kreeken aufhält.

An Fischen ist die Gegend arm; desto reichlicheren Stoff aber bietet dem
Botaniker die Pflanzenwelt dar. Die Ufer dieses Flusses sind besonders
reichlich mit dem Copaivabaum und verschiedenen Ingaarten bewachsen. In den
Wäldern findet man viele Palmen, als Murru Murru (Astrocaryon murru murru)
u. s. w., die im niedrigen Lande nicht vorkommen, und in den Bergschluchten
wuchern die interessantesten Arten von Farnen.

Ebenso reich ist hier die Gegend an Insekten, und ich fing Schmetterlinge,
welche ich auf andern Plätzen der Colonie nie sah.

Erst um 1 Uhr kam ich von meiner Wanderung zurück, und ich that den mir
vorgesetzten Leckerbissen alle Ehre an. Freilich gebrach es theilweise an
Tellern und Gabeln, aber die Hauptsache war das Essen, und man kann zur
Noth wohl jene Accessoirs missen.

Auf dem Posten befand sich zugleich der Secretär (Bylegger) der
Saramaccaner-Buschneger, ein Weisser, der von der Regierung beauftragt
ist, den nach der Stadt gehenden Buschnegern ihre Pässe auszufertigen, ihre
Anliegen schriftlich einzusenden, und die Beschlüsse der Regierung ihnen
wieder mündlich mitzutheilen. Da überhaupt ohne seine Erlaubniss Niemand
über den Posten hinausgehen durfte, so bat ich ihn um Erlaubniss, die vier
Stunden von Victoria abliegenden Dörfer der Buschneger an der Sarakreek
besuchen zu dürfen, und erhielt dieselbe auch ohne Schwierigkeit.

Am andern Tage, einem Sonntag, war ich mit meinem Indianer früh um 6 Uhr
reisefertig, und mit zwei Negern der Pflanzung, welche von mir gut bezahlt
wurden, fuhren wir ab. Die Corjaal, die für zwei Menschen nicht zu gross
war, musste nun vier Personen fassen, und war desshalb auch zum Sinken
geladen. Ich selbst sass bewegungslos da und wagte nicht zu pagaien, da wir
kaum zwei Finger breit Bord hatten. Alle Felsen und Sandbänke waren unter
Wasser, und nur die darauf wachsenden Gesträuche ragten aus demselben
hervor. Der Strom war überdiess reissend, und wegen der vielen verborgenen
Klippen höchst gefährlich zu befahren.

Zwei Buschneger, deren einer Kapitän eines Dorfes war, begegneten uns in
einer ziemlich grossen Corjaal, und da sie sahen, dass die meinige zu klein
war, so bot mir der Kapitän seine grössere an, und versprach, noch diesen
Abend, wenn er seine Geschäfte auf Victoria besorgt hätte, nach seinem
Dorfe zurückzukehren und die Corjaalen auszuwechseln. Ich machte von diesem
freundlichen Anerbieten Gebrauch und fuhr nun in der grösseren Corjaal auf
bequemere Weise weiter.

In der Trockenzeit ist der Fluss an vielen Stellen so seicht, dass man
kaum mit kleinen Corjaalen fahren kann. Grosse Sandbänke erstrecken sich
manchmal über seine ganze Breite, und lassen blos kleine Kanäle offen,
durch welche das Wasser mit grosser Schnelligkeit läuft. Auf den Felsen
wächst meistens eine Art Guiaba (Psidium aromaticum), deren Blätter
ungemein wohlriechend sind, und in den Felsenspalten hält sich den Tag
über eine besondere Art Nachtschwalbe auf, die ich ebenfalls häufig auf den
Felsen von Armina gesehen habe.

Nach einer sechs Stunden anhaltenden Fahrt kamen wir gegen Mittag in
die Nähe des ersten Dorfes Tja Tja, das auf einem Hügel gerade über der
Sarakreek liegt.

Meine Neger feuerten viermal zum Zeichen, dass ein Weisser bei ihnen wäre,
worauf das Echo an den Bergen und Felsen donnernd wiederhallte. Ich sprang
schnell ans Land, und ohne auf meine Neger zu warten den ziemlich steilen
Hügel hinauf. Oben am Eingang des Dorfes stand unter dem Bogen
einer wunderlich wie ein Korkzieher zusammengewachsenen Liane ein
rohgeschnitztes, hölzernes Götzenbild, dessen Augenhöhlen mit zwei rothen
Bohnen ausgefüllt waren.

Der Kapitän des Dorfes, durch die Schüsse von der Ankunft eines Weissen
unterrichtet, war eben mit dem Anziehen eines Hemdes beschäftigt. Es
war diess nun gerade ein neues, eben aus dem Laden gekommenes, dessen
Halskragen noch zugeknöpft war. Er hatte diess in der Eile übersehen
und konnte den Kopf nicht durchbringen, als ich vor seiner Hütte stand.
Gewaltig verstimmt, weil ich ihn so im Negligée sah, und ihm keine Zeit
zum Ankleiden gelassen hatte, machte er mir Vorwürfe darüber, und arbeitete
sich aus seinen Aermeln heraus. Ich versicherte ihn aber, dass ich ihn auch
ohne Hemd für den Kapitän angesehen hätte, was ihn beruhigte. Den Männern
theilte ich Schnaps, den Weibern aber Nähnadeln aus, welche ich zum
Aufstecken der Schmetterlinge mitgenommen hatte, und wurde von ihnen
mit Cassavebrod und Eiern beschenkt. Das ganze Dorf hatte sich um mich
versammelt, und drei Corjaalen mit Buschnegerweibern folgten der meinigen,
als ich nach der Norakreek überfuhr. Wiewohl man diese Kreek mehrere Tage
aufwärts fahren kann, so ist sie doch von geringer Breite, stellenweise von
Sandbänken und Felsen, und durch übergefallene Bäume versperrt.

Eine halbe Stunde vom Fluss entfernt liegt das Dorf Kreki, wo das Oberhaupt
dieser Aucanerabtheilung wohnt. Alle zu demselben führenden Pfade sind mit
Fetischen und hölzernen Puppen versehen, und grosse, mit beiden Enden in
die Erde gesteckte Stücke der oben erwähnten, wunderlich gedrehten Liane
bilden Bögen, unter denen jene Narrheiten angebracht sind. Das Oberhaupt
war ein stattlicher Neger, der ebenfalls seinen Staatsrock, d. h. einen
alten Schlafrock angezogen, und den silbernen Halsschild, das Zeichen
seines Ranges, umgehängt hatte. Er erwartete mich am Eingang.

Die Hütten stehen, wie auf den Indianerdörfern, kreuz und quer und ohne
alle Ordnung. Sie sind meist mit den dauerhaften Blättern der Taspalme
hübsch gedeckt, und die Seitenwände zierlich aus Pinablättern geflochten.
An Reinlichkeit übertreffen sie die indianischen weit. Nach jedem Essen
wird das Haus und der Platz vor demselben mit dem Blüthentross der
Pinapalme, der als Besen dient, gefegt; Töpfe und Geschirre werden
gewaschen, und die Calabassen mit Sand gescheuert. Auch sind hier, wie auf
allen Buschnegerdörfern, Apfelsinen-, Kokos- und Caffeebäume gepflanzt,
deren Fruchtbarkeit man durch angehängte Fetische, als getrocknete
Eidechsen, kleine hölzerne Puppen, zusammengebundene Vogelfedern und
dergleichen zu vermehren sucht. Der Caffee, der ohne sonderliche Pflege bei
den Buschnegern wächst, ist von guter Qualität und beweist, dass der Boden
im obern Lande ganz für dieses Produkt taugt.

Ein altes Weib mit schneeweissen Haaren, das seine Hütte nicht verlassen
konnte, liess mich bitten, sie zu besuchen. Ich traf sie umringt von einer
Truppe junger Mädchen und von wenigstens 20 Papageyen, die bei meinem
Eintritt unter greulichem Geschrei herumflatterten und im nahen Gebüsch
sich versteckten. Sie beschenkte mich mit einem Körbchen spanischem
Pfeffer, der Jahrelang zum Verpfeffern meiner Suppen gereicht hätte, und
ich vergalt ihre Freigebigkeit mit den letzten Nadeln, welche mir noch
übrig geblieben waren.

Nach nur kurzem Aufenthalte -- das Sehenswürdige war bald gesehen -- fuhren
wir nach dem am Surinam liegenden Dorfe Cassaveondro, dessen Oberhaupt
mir seine grösste Corjaal geliehen hatte, und von Victoria schon wieder
zurückgekommen war. Es fuhren mit mir ausser dem Indianer und den zwei
Plantagennegern noch acht Buschneger, jeder mit Gewehr und Hund, nach dem
Dorfe. Dadurch war auch diese Corjaal so geladen, dass sie jeden Augenblick
unterzusinken drohte. Unter vielem Lärmen und Gelächter wurde von Allen
gepagait, und mir war auf der sehr angeschwollenen und reissenden Kreek
nicht gut zu Muthe.

Das wilde Volk erblickte eine Wasserschildkröte, und man ruderte aus allen
Kräften, um dieses Thier, dem Pirais drei Füsse abgebissen hatten, zu
erreichen. Während sie die Schildkröte ins Boot zu ziehen suchten,
füllte sich dieses halb mit Wasser, und es wäre gewiss gesunken, wenn die
Buschneger nicht augenblicklich herausgesprungen wären. Doch diese waren
schnell bei der Hand, schöpften im Schwimmen das Wasser mit einer Calabasse
heraus, und stiegen mit grosser Kunstfertigkeit nach einander wieder ins
Boot. Dieser Unfall, der auch für mich von sehr üblen Folgen hätte seyn
können, machte nicht den mindesten Eindruck auf die Buschneger, die unter
gleicher Lustigkeit ihren Weg fortsetzten.

Bei unserer Ankunft auf Cassaveondro empfing uns beinahe das ganze Dorf
am Landungsplatz, und man veranstaltete augenblicklich mir zu Ehren einen
Tanz, der für die zwei Plantageneger um so grösseres Interesse hatte,
als einige aus der Stadt zurückgekommene Corjaalen mit Dram beladen am
Landungsplatz lagen. Alles versammelte sich in der Hütte des Kapitäns, wo
der Tanz vor sich gehen sollte und Männer, Weiber und Kinder sassen oder
lagen, wie es gerade der spärlich zugemessene Raum gestattete. Ein Mann
und eine Frau, die durch Gesang, sowie durch Klappern mit einer holzichten
Frucht ein schreckliches Getöse machten, drehten sich unter allerlei
gar oft unsittlichen Geberden herum. Ein ausgehöhlter, mit einem Fell
überspannter Baumstamm diente als Trommel und war das Hauptmusikinstrument.
Das Ganze unterschied sich in keiner Hinsicht von den Tänzen, welche man am
neuen Jahr oder bei andern Gelegenheiten auf den Pflanzungen sieht und die
mir jedesmal Kopfweh und Schwindel verursachten, wenn ich sie nur einige
Minuten lang ansah. Die einzige Abwechslung in dieser monotonen Parthie
brachte der Rum hervor, der Allen recht schmeckte und bald darauf das ganze
Ballpersonal betrunken machte.

So lange es noch Tag war, suchte ich in der Umgegend nach Insekten,
mit einbrechender Nacht ging ich ins Dorf zurück, wo ich, umgeben von
betrunkenen Negern, zwei höchst langweilige Stunden zubrachte. Mein
Indianer war ganz nüchtern geblieben, denn er war mit den Buschnegern nicht
bekannt, schien sie zu fürchten und verlangte so sehr wie ich nach dem
Posten zurückzukehren.

Jede Negerin, welche ihren Tanz beendigt hatte, sprach mich um Geld an, so
dass mich dieser Abend über 3 fl. Geschenke kostete. Endlich wurde in der
Tanzraserei eine Pause gemacht und ich äusserte meinen Wunsch, abzufahren.
Dazu hatten aber die Plantageneger wenig Lust und alle Buschneger
bestürmten mich mit Bitten, erst am nächsten Morgen meine Rückreise
anzutreten. Man bot mir Haus, Hängematte, ja sogar eine hübsche Negerin an
und stellte mir vor, wie gefährlich es sey, in einer so dunkeln Nacht mit
betrunkenen Negern und in einer so kleinen Corjaal über die vielen Klippen
des reissenden Stromes zu fahren, wo man ja selbst bei Tage mit der
grössten Behutsamkeit zu Werke gehen müsse. Ich beharrte aber auf meinem
Vorsatz, weil ich dem Director der Pflanzung Victoria versprochen hatte,
nicht über Nacht bleiben zu wollen. Da der Kapitän des Dorfes mich
entschlossen sah, abzureisen, so gab er, um Unglück zu verhüten,
den Plantagenegern, welche unter Schimpfen und Fluchen auf mich vom
Ballpersonal Abschied nahmen, eine kleine Corjaal. Man beschenkte mich
mit Apfelsinen, zwei Schildkröten und Cassave und unter immerwährendem
Schiessen fuhr ich mit dem Indianer in meiner, die Neger in der andern
Corjaal ab. Pfeilschnell flog das leichte Fahrzeug den Fluss hinab und
Punkt zehn Uhr hatten wir den Posten erreicht.

Am andern Morgen verliess ich Victoria und war in zwei Stunden auf
Bergendaal zurück. Hr. H., der immer noch am Fieber litt, erwartete mich,
um nach Paramaribo zurückzukehren. Wir fuhren noch denselben Nachmittag ab,
hatten aber noch keine halbe Stunde zurückgelegt, als der Regen, wie mit
Eimern geschüttet, vom Himmel herabstürzte und uns augenblicklich bis auf
die Haut durchnässte. Gleich stark regnete es zwei volle Stunden und da
in dieser menschenleeren Gegend kein Obdach zu finden war, so mussten wir
geduldig warten, bis es dem Himmel gefiel, seine Schleussen zu schliessen.
Wir waren beide, da wir unter so viel Bagage wie eingemauert sassen, so
kalt, als wären wir auf einer Reise nach Spitzbergen begriffen.

In einer solchen Lage ist ein guter Schluck Rum ganz zweckmässig und obwohl
ich sonst nie solchen trank, machte ich doch hier eine Ausnahme. Weil auch
einer unserer Neger das Fieber bekommen hatte, hielten wir, anstatt nach
der Judensavanne zu fahren, auf dem kleinen Kostgrunde Moria an, um hier
zu übernachten und unsere Effecten zu trocknen. Wie aus dem Wasser gezogen
betraten wir das Haus und baten die zwei Mulatten, welche den Platz
beaufsichtigten, um ein Zimmer für die Nacht. Gesellig und gastfrei, wie
diese Menschen im Allgemeinen sind, stellten sie uns sogleich das ganze
Haus zur Verfügung, entschuldigten sich aber, weil sie uns keinen Genever
noch andern Spiritus anbieten konnten, mit dem komischen Schlusse, dass sie
ganz auf dem Trockenen sässen. Das käme eben recht, meinte Hr. H., denn wir
wären lange genug im Nassen gesessen. Es wurde nun gekocht und gebraten und
bald sassen wir ganz behaglich um den dampfenden Topf. Hr. H. hatte Rum und
Branntwein im Ueberfluss bei sich; die beiden Herren machten sich dieses zu
Nutzen und leerten wohl ein Dutzend Gläschen miteinander, dass man zuletzt
recht gut sehen konnte, wie sie aufs Nasse kamen. Durch ihr unerträgliches
Geplauder nöthigten sie endlich Hrn. H., die Flaschen einzuschliessen und
das Licht auszublasen, so dass bald allgemeine Ruhe im Hause herrschte.

Am Mittag des andern Tages fuhren wir, nachdem Alles getrocknet war, nach
der Judensavanne zurück. Hier verliessen uns beide Indianer, welche in der
kurzen Zeit, die sie bei uns zubrachten, die besten Freunde geworden waren.
Walekuleh, der Arowack, kehrte nach seinem Dorfe auf den Savannen der
Casewinika zurück. Nachdem er von uns reichlich beschenkt worden war,
wanderte er mit seinen Siebensachen und mit seinem Freunde, dem Caraiben
Kwaku, der ihn halbwegs begleiten sollte, wohlgemuth den glühenden Sandweg
nach der Casewinika.

Am andern Abende waren beide Indianer wieder vor unserer Thüre; denn
Walekuleh, den sein Freund Kwaku nicht nur halbwegs, sondern ganz bis
in sein Dorf begleitet hatte, konnte es nicht übers Herz bringen, diesen
allein nach der Judensavanne zurückkehren zu lassen und hatte desshalb
seinerseits seinem Freunde das Geleite eben so weit zurückgegeben. Nach
dreitägigem Aufenthalt verliessen wir die Judensavanne und kamen nach
dreiwöchiger Abwesenheit wieder in Paramaribo an.

       *       *       *       *       *

Ehe ich diese Schrift schliesse, will ich noch einige Bemerkungen und
Notizen über die Buschneger beifügen, die, wiewohl kurz und oberflächlich,
doch einen richtigen Begriff über ihre Lebensart und ihre Verhältnisse zu
den übrigen Bewohnern der Colonie geben können.

Schon in der ersten Zeit der Colonie waren Sklaven von den Pflanzungen
weggelaufen und hatten sich an verschiedenen, meist unzugänglichen Plätzen
in grösserer oder kleinerer Anzahl eigene Dörfer angelegt und lebten
vom Ertrage ihrer Aecker, von Jagd und Fischerei, oder auch vom Raub
auf benachbarten Pflanzungen, mit deren Negern sie häufig in geheimem
Einverständnisse standen. Diese Weglauferei fand häufig bei den
neuangekauften Negern statt und nahm mit der Zeit so zu, dass die
Weggelaufenen nicht mehr damit zufrieden waren, versteckt in ihren Wäldern
leben zu können, sondern in grosser Anzahl auf den Pflanzungen einbrachen,
sie zerstörten, die Sklaven wegführten und die Weissen aufs Grausamste
ermordeten. Man war desshalb von Seiten der Regierung genöthigt,
kostspielige und meist nutzlose Kriege, Buschpatrouillen genannt, gegen
sie zu führen, die keinen andern Erfolg hatten, als dass man das Gesindel
weiter in die Wälder jagte, aus welchen sie nach kurzer Zeit wieder
aufs Neue zurückkehrten und ihr altes Unwesen trieben. Man war zwar so
glücklich, mehrere ihrer Dörfer zwischen der Saramacca und dem Surinam zu
entdecken, dieselben zu verbrennen und alle ihre Aecker zu vernichten; aber
diese Feldzüge kosteten, so reich auch das Land in jener Zeit war, dennoch
Summen, die in keinem Verhältnisse zu dem Errungenen standen und man kam
endlich darauf, dass es das Beste wäre, mit diesem Gesindel Frieden zu
schliessen, sie für unabhängig zu erklären und auf diese Weise die Ruhe
der Colonie zu sichern. Dazu waren sie geneigt und es wurde ein Vertrag
abgeschlossen, wobei ihnen das Gouvernement den innern und unbewohnten
Theil der Colonie einräumte, auch Erlaubniss gab, in gewisser Anzahl
Surinam zu besuchen und sich zu zeitweisen Geschenken, in Pulver, Gewehren,
Leinwand, Säbel, Messern u. s. w. bestehend, bereit erklärte.

Das Gouvernement wählte sodann aus ihrer Mitte ein Oberhaupt, sowie auch
mehrere Capitäne und es hielt unter ihnen einen Weissen als Posthalter,
der Pässe nach Paramaribo ausfertigen und etwaige Befehle des Gouvernements
ihnen verständlich machen musste, weil sie natürlich nicht lesen konnten.
Dagegen gaben sie einige aus ihrer Mitte als Unterpfänder des Friedens
nach Paramaribo, lieferten alle, nach Schluss des Vertrags zu ihnen
übergegangenen Sklaven aus und verpflichteten sich, im Falle eines Aufruhrs
auf Seiten der Kolonisten zu seyn.

Die Buschneger theilen sich in drei Stämme, welche nicht auf einmal,
sondern zu verschiedenen Zeiten, doch alle im Laufe des vergangenen
Jahrhunderts Frieden schlossen und den Namen: befriedigte Buschneger
(bevreedigde Boschnegers) führen. Alle Bewohner des innern Landes über den
Pflanzungen theilen sich in Aukaner, Saramaccaner und Bekou Moesinga- oder
Matuari-Neger. Der Stamm der Aukaner ist der bedeutendste von allen. Er
bewohnt das Land oberhalb der Zusammenflüsse der Lava und des Tapanahoni
am oberen Marowyne, zwischen dem dritten und vierten Grad nördlicher Breite
und etwa zwischen dem 54.-55.° östlicher Länge von Greenwich. Ein Theil
dieses Stammes hat sich aber in der Sarakreek am Surinamflusse unter dem
5.° festgesetzt, während ein anderer Theil die Ländereien am oberen Cottika
und Coermotiba unter 5-40° und 3-30° bewohnt. Der ganze Stamm wird nicht
viel über 3000 Köpfe zählen. Sie sind in 14 Dörfer eingetheilt, deren jedes
unter einem Oberhaupte oder Capitän steht, dessen Rangzeichen ein blaues,
mit silbernen Borten besetztes Wamms, ein Hut mit silberner Tresse und
Orangecocarde, ein Stock mit grossem, silbernem Knopfe, eine Kette mit
einem silbernen Halsschild, der mit dem holländischen Wappen verziert ist,
besteht. Das Oberhaupt über alle nennt man Granmann. Diess ist ein alter,
bei feierlichen Gelegenheiten mit einer Generalsuniform behangener
Neger, der aber in seinem Dorfe eben so nackt läuft und auf derselben
Bildungsstufe steht, wie seine Untergebenen.

Die Saramaccaner sind am obern Surinam verbreitet und an Zahl den Aucanern
ungefähr gleich. Sie stehen ebenfalls unter einem Oberhaupte und Capitäns
und haben theilweise den christlichen Glauben angenommen, in dem sie von
zwei Herrnhuter-Missionären, die bei ihnen wohnen, unterrichtet werden.
Die Kirche, welche aus gehauenen Cedernbrettern gebaut ist, steht auf
dem ersten Dorfe Jinjeh und wird ziemlich regelmässig von den Bekehrten
besucht. Nur darf ihnen diess nicht viele Mühe machen; denn eifrig sind sie
in ihrem Christenthum nicht. Es wurde im Jahre 1850 vom Gouvernement
der Versuch gemacht, den Herrnhuter-Missionären Eingang bei den
Aucaner-Buschnegern zu verschaffen, aber das Oberhaupt derselben
widersetzte sich mit allen seinen Capitäns dieser Neuerung und die
Missionäre mussten unverrichteter Sache wieder zurückkehren.

Der dritte Stamm sind die Matuari- oder Bekumusinga-Buschneger, deren Zahl
zu 600-700 geschätzt wird und die den obern Saramacca-Fluss bewohnen.

Die Buschneger, meistens ganz schwarz von Farbe, unterscheiden sich von den
Plantagenegern durch einen kräftigeren Körperbau und brutalere Manieren. In
ihren Dörfern gehen sie immer nackt mit einer um den Leib gebundenen Binde
(Camis). In der Stadt aber haben sie auch kurze Wämschen von farbigem
Cattun an; Hosen tragen sie dagegen selten und Schuhe gar nie. Ihre
wolligen Haare binden sie gerne in kleine Zöpfchen, die wie Hörner in die
Höhe stehen. Um Fuss und Handknöchel tragen sie meistens Ringe von starkem
Eisen oder Messingdrath und an den Fingern eine Menge Gardinenringe.
Ueberdiess sind bei den meisten Knie, Knöchel, Arme und Hals mit Fetischen,
hier Obias genannt, behangen, die ihre besondere Bedeutung haben und sie
vor dem einen oder andern Unfall schützen müssen. Diese Obias werden
aus allen möglichen Dingen zusammengestellt, z. B. aus Glasperlen,
Käferhörnern, Tigerzähnen, Papageyenfedern, Schnecken oder selbst hölzernen
Puppen und je toller die Zusammenstellung ist, desto kräftiger wirkt der
Obia.

So roh und ungesittet dieses Volk auch ist, so kann man ihm doch gesunden
Verstand und Urtheil nicht absprechen und eifrige Versuche, sie der
Civilisation näher zu bringen, würden wohl gelingen. Aber dazu gehörte ein
Mann mit eiserner Geduld, grosser Menschenliebe und Selbstaufopferung,
der, aufs kräftigste vom Gouvernement unterstützt, mit Feuereifer ihre
heidnischen Vorurtheile bekämpfte; ihnen sanftere Sitten einprägte, ohne
dabei ihr physisches Wohl aus dem Auge zu verlieren und, unabhängig von
einer handeltreibenden Congregation, nicht genöthigt wäre, auf deren
materiellen Vortheile bedacht zu seyn, wodurch er in den Augen seiner
Anvertrauten für eigennützig gelten könnte. Hiezu wäre wohl ein
katholischer Priester die tauglichste Person, ein Mann mit den Grundsätzen
des =Las Casas=. Auch die Ceremonien, Reliquien und Heiligenbilder der
katholischen Kirche würden bei den Buschnegern willigeren Eingang finden,
als der von allem äusseren Schmuck entblöste Herrnhuter Gottesdienst. Sie
wären einigermasen in ihren Augen (man verzeihe mir das Wort) ihren
eigenen Gebräuchen analog und würden mehr Vertrauen einflössen, als reiner
intellectueller Unterricht. Die Buschneger haben keinen wahren Begriff von
der Gottheit, obwohl sie ein höchstes Wesen anerkennen, das sie Gran Gado
nennen. Neben dieser Gottheit bestehen zwar noch eine Menge anderer als:
Ampoekoa, Buschgott, Toni, Wassergott und Geister oder Dämonen: Cromanti,
Wintin, Tigri Wintin, Wauwaen u. s. w. -- Sie lassen sich aber über die
Natur und das Bestehen ihrer Götter nicht viel ins Philosophiren ein,
sondern überlassen diess ihren Lukumans oder Sehern, die in grossem Ansehen
bei ihnen stehen und bei jeder Gelegenheit um Rath gefragt werden. Diese
sind auch die Verfertiger der Obias oder Fetische, welche gegen Krankheit,
Gift, Schlangen und dergl. schützen und Glück im Handel und auf der Jagd
verschaffen müssen. Auch Jagdhunde bekommen dergleichen Obias um Hals und
Füsse und sind alsdann probat. Ausser diesen Talismanen bereiten diese
Loekoemanns auch ein weisses Pulver zu demselben Zweck, das in Einschnitte
der Haut eingerieben werden muss. Sie sind natürlicherweise ebenfalls
Doctoren und ihre aus Kräutern, Wurzeln und Rinden zusammengesetzten und
unter Beschwörungsformeln zubereiteten Medicinen werden vor den Weissen
sehr geheim gehalten. Uebrigens setzen die Buschneger grosses Vertrauen
in die Heilmittel der Weissen und scheuen bei gefährlichen Krankheiten die
Reise nach Paramaribo nicht, wo sie auf Landeskosten verpflegt und geheilt
werden. Wird der Buschneger von seinem Loekoemann behandelt, so muss er
denselben vorausbezahlen. Ihre Krankheiten bestehen meist in syphilitischen
Hautausschlägen, Fiebern u. s. w., auch richtet die Lepra bedeutende
Verheerungen unter ihnen an.

So frei und unabhängig sie leben und so gering die Mühe auch ist, sich
ihren Lebensunterhalt zu verschaffen, nehmen sie dennoch bedeutend ab,
anstatt sich zu vermehren, was wohl eine Folge ihrer vielen Ausschweifungen
seyn wird.

Beinahe jede Familie hat eine Pflanze vor ihrer Wohnung, die sie ehrt
und anbetet und sorgfältig verpflegt, um ihr Wachsthum zu fördern. Im
Allgemeinen ist diess der Seidenwollenbaum. In jedem Dorfe sind auch Hütten
zum Aufenthaltsort ihrer Götter bestimmt. Man findet darin Figuren von
Schlangen, Schildkröten, Kaimans und dgl., die aus einem weissen Thon
(Pimpa) roh verfertigt sind. Grosse Kaimans, wie man sie im Innern findet
und Papa- oder Abgottschlangen (Boa canina) werden ebenfalls verehrt und
nie getödtet. Niemand unternimmt eine Reise, ohne vorher einen Kandu oder
Schildwache vor sein Haus gesetzt zu haben. Dieser Kandu besteht meistens
aus dem Blüthentrosse einer Palmenart, dem Horn einer Kuh, dem Stachel
eines Rochen, einem Termitennest oder einer Papageyenfeder, kurz, was sie
für gut finden, welche Stücke, an einem Stock befestigt, ihr Haus, Felder
oder sonstiges Eigenthum, da, wo der Kandu steht, sichern müssen. Die
Uebrigen, welche eine solche künstliche Schildwache sehen, werden es nie
wagen, den ihnen dadurch verbotenen Platz zu betreten oder an demselben gar
zu stehlen. Die am meisten gefürchteten Kandu's sind eine eiserne Schaufel,
deren Stiel recht im Boden steckt, Hobelspäne von einem Sarge und ein roth
gefärbtes Kuhhorn. Der Eigenthümer des Kandu glaubt, obgleich er denselben
aus den unbedeutendsten Sachen selbst zusammenstellte, so fest an den
Zauber, als die Uebrigen, und würde, wenn Jemand den Muth hätte, bei seinem
Kandu noch eine Kleinigkeit, als todte Käfer, Schildkrötenschaalen u. s. w.
als zweiten Kandu aufzuhängen, gewiss keinen Fuss mehr auf seinen eigenen
Acker setzen, aus Furcht vor dem mächtigeren.

Von einem Leben nach dem Tode haben sie keinen Begriff; doch glauben sie
an Gespenster von Menschen und Thieren, welche man Jorka nennt, und denen
Opfer gebracht werden. Im Besitze einer beinahe uneingeschränkten Freiheit
und im Genusse aller Erzeugnisse, welche der fruchtbare Boden des obern
Landes bei geringer Arbeit hervorbringt, sollte man meinen, dass ihre Lage
nichts zu wünschen übrig lasse. Aber Hass, Neid, Eifersucht und Misstrauen
herrschen auf jedem Dorfe und Vergiftungen und Todtschläge kommen sehr
häufig vor. Jeder etwas ungewöhnliche Todesfall wird dem Gift eines Feindes
zugeschrieben und wehe dann der verdächtigen Person!

In einem aus gut gehobelten Pinalatten verfertigten Sarge wird die Leiche
in schnellem Trab durchs ganze Dorf getragen und vor dem Hause, wo die
Träger in Folge des Einflusses eines Geistes stille halten, wird der
Bewohner desselben als der Thäter angesehen und des Mords beschuldigt.
Ein solcher wirklicher oder bloss vermeintlicher Giftmischer wird auf
furchtbare Weise misshandelt oder verbrannt. Der Verdächtige, dessen
Missethat nicht bewiesen werden kann, muss einen fürchterlichen Eid, Leba,
schwören, und wird, wenn er sich weigert, von den Aeltesten seines Dorfes
auf ein Brett gebunden, in den Wald gebracht und mit den Füssen an ein
Feuer gehalten, dessen Hitze ihm schnell das Geständniss auspresst oder ihn
auf immer zum Krüppel macht. Ist die Missethat bewiesen, so wird er lebend
von unten auf verbrannt oder, wenn man gnädig verfahren will, ihm mit einem
Beil oder einer Keule (Apatu) die Hirnschale zerschmettert.

Von dem Augenblick an, dass Jemand der Giftmischerei (Wisi) beschuldigt
ist, bis zum Tag der Bestrafung, an welchem es an Dram nicht fehlen darf,
bleibt der Beschuldigte in seinem Dorf auf freien Füssen und es würde, im
Fall er entflöhe, seine Familie für ihn büssen müssen. Offener Streit wird
nie bestraft, auch wenn einer auf dem Platze bleibt.

Ihre Heirathen gehen ohne weitere Ceremonien vor sich. Sind die Aeltern und
das Mädchen zufrieden, so ist die Sache abgemacht und die junge Frau zieht
zu ihrem Mann. Die Mädchen sind bereits im dreizehnten Jahre heirathslustig
und hängen sodann einen Lappen Kattun, den man Kwejo nennt, um, vorher aber
laufen sie nackt.

Vielweiberei ist gebräuchlich; die Meisten haben mehrere Weiber, sind
aber manchmal nicht damit zufrieden und verführen die Frauen Anderer, was
entsetzliche Händel zur Folge hat.

Die Frauen führen allein die Haushaltung, pflanzen die Aecker und säubern
dieselben. In ihrem Hauswesen sind sie sehr reinlich, waschen und putzen
den ganzen Tag, sind somit in diesem Stück ganz das Gegentheil der
Indianerinnen. Unter gewissen Umständen dürfen sie sich der Wohnung des
Mannes nicht nähern, sondern müssen ihre Wohnungen verlassen und eigene
Hütten beziehen, deren man in jedem Dorfe eine oder einige findet. Ein
besonderer Weg führt von diesen Hütten, welche man Kaaihäuser nennt, nach
dem Flusse, bloss um die Begegnung mit Männern zu verhüten, wodurch die
Obias an Kraft verlieren würden.

Ihre Staatswirthschaft ist sehr einfach; Gesetze und Advokaten sind ihnen
ganz fremd. Ueber jede Kleinigkeit, die sie nicht begreifen, über jeden
neuen Vorfall in der bewohnten Colonie werden Palavers oder sogenannte
Gruttus gehalten, zu welchen die Aeltesten und Kapitäne sich bei dem
Oberhaupte versammeln, wo man um die Wette streitet und schreit, so dass
man am Ende so weise nach Hause geht, als man gekommen ist.

In ihrem Umgange sind sie gegenseitig sehr höflich und tituliren einander
mit Herr und Madame, äffen überhaupt in Allem die Weissen nach. Unter sich
sind sie sehr gastfrei und geht einer in ein anderes Dorf, so findet er
überall freie Kost und Wohnung; doch bestehlen und betrügen sie einander
bei jeder Gelegenheit und sind eben so argwöhnisch gegen sich, als gegen
die Blanken.

Obgleich Faulheit ein Hauptzug ihres Charakters ist, in dem sie den
Indianern ziemlich gleichen, so haben sie doch bedeutend mehr Bedürfnisse,
als jene, und sind daher genöthigt, zu deren Anschaffung Dinge zu pflanzen
oder zu suchen, welche sie bei den Weissen austauschen können. Diese
Handelsartikel sind bei denen, welche weit im Innern wohnen und auf ihren
Reisen viele Wasserfälle zu passiren haben, meistens Tonkabohnen, die
Früchte der Dipterix odorata, Reis, Schildkröten oder Jagdhunde, welche
letztere sie von den Taruma- oder Barokotto-Indianern eintauschen, die
zwischen dem 56.-57. Längengrade in der Nähe des Aequators wohnen. Diese
Jagdhunde sind von mittlerer Grösse, kurzhaarig, meist weiss und schwarz
oder roth gefleckt. Sie haben einen langen Schwanz und stehende Ohren und
sind auf die verschiedenen Wildarten, als Tapire, Pingos, Pakire und Pakas
abgerichtet und werden sehr theuer bezahlt. Sie sind bissig und falsch,
vielen Krankheiten unterworfen und leben im niedern Lande nicht lang. Der
Haupterwerb der Buschneger aber ist der Holzhandel. Sie fällen und behauen
Bauholz in den unterhalb der Wasserfälle gelegenen Waldungen und bringen
dieses in sogenannten Kokrokos zum Verkaufe nach der Stadt oder den
Pflanzungen. Da die meisten Hölzer schwerer als das Wasser sind und in
demselben sinken, so werden die Balken mittelst zweier Querhölzer, die
über die Corjaal liegen, mit Lianen daran befestigt und auf diese Weise
geflösst, wobei die Corjaal also den Gewichtsunterschied des Holzes im
Wasser trägt. Da sie im Behauen des Holzes sehr geschickt und behend sind,
dasselbe nichts kostet und sie überdiess ans Land keine Abgaben bezahlen,
so kann man das Holz bedeutend wohlfeiler von ihnen bekommen, als es
die Holzgründe liefern können. Sie sind also für diese gefährliche
Concurrenten. Auf die Pflanzungen liefern sie ihr Holz gegen Dram,
Melassin, Zucker und Bananen und die Quantität dieser Produkte, welche sie
auf diese Weise jährlich ausführen, ist sehr beträchtlich.

Am Cottica beschäftigen sich schon seit vielen Jahren ungefähr 700
Aucaner-Buschneger allein mit diesem Holzhandel. Sie bauen keine
Feldfrüchte, weil sie einen Theil ihres Holzes gegen Bananen auf den
Pflanzungen austauschen, somit auf Kosten dieser leben, und wenn Misswachs
oder Theurung eintritt, eine sehr fühlbare Last für die Colonie sind. Die
Buschneger, welche den Landbau als ein erniedrigendes Geschäft ansehen und
ihn nur dann treiben, wenn ihnen kein anderes Mittel zur Gewinnung ihres
Unterhalts übrig bleibt, können an einem Tage durch Fällen und Bearbeiten
des Holzes so viel verdienen, dass sie auf 3-4 Wochen Lebensmittel auf den
Pflanzungen dafür erhalten können.

Ein Buschneger fällt und behaut ohne Mühe täglich 30 Cubikfuss, wodurch
er à 25 C. 7 fl. 50 kr. verdient. Mehrentheils arbeiten aber verschiedene
zusammen und helfen einander beim Umwälzen des Blockes und dessen
Herausziehen an das Wasser. Von diesem so leicht Erworbenen leben sie
unthätig so lange, bis neuer Mangel sie wieder zur Arbeit zwingt. Bietet
sich aber die Gelegenheit dar, einzeln oder im Einverständniss mit den
Plantagenegern Bananen oder andere Erdfrüchte oder überhaupt Brauchbares zu
stehlen, so ziehen sie diess der Arbeit vor; denn ein Hang zum Stehlen ist
dem Neger angeboren, wie den Katzen das Mausen, und weder Dankbarkeit und
Strafe, noch die liberalste Behandlung hält sie davon ab.

Haben sie ihre Bedürfnisse in Paramaribo oder auf den Pflanzungen
eingetauscht, so ziehen sie auf möglichst langsame Weise nach ihren
Dörfern zurück, wo dann die Manieren der Blanken und die unterwegs erlebten
Abentheuer reichlichen Stoff zu ihren Abendunterhaltungen geben.

Unter sich auf ihren Dörfern haben sie so wenig wie die Indianer Gewicht,
Maase oder Münzen. In der Colonie aber wird ihnen ihr Holz nach dem
allgemein üblichen rheinischen Fusse abgekauft. Sie berechnen ihre
verkauften Waaren nach dem vor längerer Zeit hier gebräuchlichen
surinamischen Kartengeld, von welchem der Gulden 32 Cents galt. Zehn
solcher Gulden, also 3 fl. 20 kr., machen eine Biggi Kaarte (grosse Karte);
8 Cents oder der vierte Theil eines solchen Guldens heisst Schilling.
Es ist besonders bei grossen Rechnungen äusserst schwierig, ihnen Alles
begreiflich zu machen und ihr Misstrauen mag freilich manchmal nicht
ungegründet seyn.

Ihre Zeitbestimmungen gehen wie bei den Indianern nach Nächten, d. h. wenn
man z. B. fragt, wie weit man etwa von Paramaribo entfernt sey, so erhält
man zur Antwort: man schläft 8, 12, 14 Nächte, ehe man dort ankommt. Ebenso
geben sie, wenn sie auf Reisen gehen, den Zurückbleibenden eine Schnur mit
so viel Knöpfen, als sie abwesend zu seyn gedenken. Man öffnet daran jede
Nacht einen Knopf und ist keiner mehr da, so erwartet man den Reisenden
zurück. Da sie aber ihre Zeit so gering anschlagen, so dehnen sie manchmal
die Reisen über den gegebenen Termin aus und wenn Hunger oder andere
Umstände sie nicht zur Heimreise nöthigen, so kommt es ihnen auf Wochen, ja
Monate nicht an.

Eine Leiche bleibt gewöhnlich drei bis sechs Tage über der Erde, während
welcher Zeit beständig Dram getrunken und geschossen wird. Ja manchmal wird
der Körper erst begraben, wenn die Fäulniss bereits so überhand genommen
hat, dass die faulende Jauche zum Sarge herausläuft.

       *       *       *       *       *

So war denn meine Dienstzeit bis auf zwei Monate geschwunden und ich
hatte in den verschiedenen Theilen der Colonie und unter verschiedenen
Verhältnissen stets einer guten Gesundheit mich erfreut. Das Fieber,
welches so häufig und unter so manchen Formen die Bewohner Surinams
heimsucht, hatte ich bis jetzt nur dem Namen nach gekannt und hielt es für
Weichlichkeit und Uebertreibung, wenn meine Kameraden, manchmal von ihm
gerüttelt, sich unter wollene Decken und Mäntel verkrochen. Aber kaum
war ich einige Tage von meiner Reise zurückgekommen, so erfasste mich der
schlimme Gast mit seiner ganzen Stärke und alle gebrauchten Hülfsmittel
konnten ihn nicht gänzlich vertreiben. Als um die Mitte Octobers die
Lebensmittel nach dem Posten Nickerie gebracht werden mussten, erbat ich
mir den Transport derselben, um auf der kleinen Seereise und dem mir so
bekannten Beschermer durch die Seekrankheit mich besser auspurgiren zu
lassen, als diess durch die Pillen und Tränke des militärischen Hospitals
geschah.

Scheinbar gesund kam ich am 9. November wieder in Paramaribo, gerade an dem
Tage, an welchem meine sechsjährige Dienstzeit beendigt war, an, und ich
hatte nun wie Herkules am Scheidewege zu wählen, ob ich meine militärische
Laufbahn fortwandeln oder in den Civilstand zurückkehren wolle. -- Ich
war lange unentschlossen, denn Surinam war mir theuer geworden und im
Vaterlande hatte ich keine Aussichten mehr. -- Im Militär-Stande, der mir
nicht missfiel, hatte ich Aussichten auf Beförderung und im Civilleben
hätte ich durch Einsammeln von Naturalien reichliches Auskommen finden
können. -- Ich beschloss endlich vorerst nach Europa zurückzukehren und
erhielt, durch die Gunst des General-Gouverneurs, einen Urlaub, nach
welchem es mir freistand, in Holland entweder mich aufs Neue zu engagiren
oder den Dienst zu verlassen.

Ich hatte eine hübsche Sammlung Schmetterlinge im Laufe verschiedener Jahre
zusammengebracht und gab dieselbe einem Kauffartheischiffe nach Amsterdam
mit, wo ich dieselben bei meiner Ankunft zu finden hoffte und verliess nun
am 25. November 1841 auf dem königlichen Dampfboote Curaçao, das uns
an Bord des Transportschiffes, welches in der Coppename Schiffsbauholz
einnahm, bringen sollte, Paramaribo. Zwölf Soldaten und ein
Bataillonsschneider aus Curaçao, die ihre Dienstzeit ebenfalls beendigt
hatten, machten die Reise mit. Der letztere, ein altes kränkliches
Männchen, hatte seine Frau und zwei erwachsene Töchter bei sich. Es regnete
am Tage unserer Abreise beständig, denn die kleine Regenzeit hatte sich
mit Heftigkeit eingestellt. -- Ich hatte bis tief in die Nacht geschrieben,
gepackt und die Schreibereien der Compagnie meinem Nachfolger übergeben und
mich dadurch zu sehr angestrengt; so kam es auch, dass, als ich kaum das
Dampfboot betreten hatte, mich ein heftiges Fieber überfiel, das bei der
Seekrankheit, die sich ebenfalls einstellte, und der Reue, Surinam zu
verlassen, mich in einen mitleidwerthen Zustand versetzte. Man umhüllte
mich mit Decken und ich lag die ganze Nacht abwechselnd in Frost und Hitze.
Den 26. kamen wir an Bord des Transportschiffes, zufälligerweise derselbe
Prinz Willem Frederik Hendrik, der mich vor sechs Jahren nach Surinam
gebracht hatte. Den 28. gingen wir unter Segel, und der Doctor, ein für
seine Kranken besorgter, menschenfreundlicher Mann, der seinem Stande Ehre
machte, nahm mich in seine Behandlung. Die Seekrankheit und das Fieber
setzten mir die ersten acht Tage sehr zu, doch erholte ich mich bald so
weit, dass ich wenigstens die Universalkost, Erbsen, Speck und Fleisch,
wieder schmackhaft fand. Der Schneider hatte mit seiner Familie ein kleines
abgesondertes Kajütchen, und ich lebte mit ihm in der besten Freundschaft.
Der Tag, den ich mit Lesen durchbrachte, wurde, wenn die See nicht zu
unruhig war, mit Lotto oder Domino beschlossen. -- Das Leben an Bord eines
Kriegsschiffes habe ich schon am Anfange erwähnt, nur war der Unterschied
mit meiner früheren Ueberfahrt der, dass Matrosen und Soldaten in der
besten Einigkeit lebten und es nie Streitigkeiten gab.

Die Hitze verminderte sich, je nördlicher wir kamen, und die Kälte war um
so empfindlicher für uns, da Keiner sich mit den für den Winter passenden
Kleidern versehen hatte, denn solche in Surinam zu bekommen, hält schwer,
da sie Niemand braucht. So liefen wir, als wir die Höhe Madeiras erreicht
hatten, schon frostig und zitternd herum und sahen mit Schaudern dem
europäischen Klima entgegen. Um diese Zeit hatte mir der Kommandant des
Schiffes verschiedene Schreibereien aufgetragen und ich arbeitete desshalb
den ganzen Tag im Longeroom, bis die Kälte das Schreiben im ungeheizten
Zimmer nicht mehr zuliess und der Kommandant mich in seine warme Kajüte
nahm.

Mein Fieber hatte sich auch wieder eingestellt, und obgleich ich genug
Pulver verschluckte, so verliess es mich doch nicht wieder.

Unsere Reise ging ziemlich schnell, denn schon am 2. Januar waren wir vor
dem Canal. Das Wetter war eisig kalt und obgleich ich mir ein wollenes Hemd
an Bord gekauft hatte und in zwei wollenen Decken eingewickelt des Nachts
in meiner Hängematte lag, so konnte ich doch vor Kälte keine Nacht vor
12 Uhr einschlafen und lag wie ein Igel zusammengeballt, nur beschäftigt,
meine eiskalten Füsse durch Reiben und Drücken zu erwärmen. -- Ebenso ging
es den Soldaten, die noch weniger als ich hatten, aber gesund waren. -- Man
blieb meistens unter dem Verdecke, wo zur Ventilation den ganzen Tag ein
Windsack uns mit so kaltem Hauche erfrischte, dass wir trotz des Verbotes
ihn verschiedene Male zuknöpften. Das Aergste bei der Kälte war aber, ein
gewisses natürliches Bedürfniss zu befriedigen. Der Ort dazu ist neben dem
Bugspriet, wo aller Wind sich versammelt und die Bewegung des Schiffes am
stärksten ist. -- Da hinaufzuklimmen und entblösst der ganzen Gewalt des
Windes preisgegeben, vom eiskalten Wasser bespritzt zu werden, war eine
Affaire, der sich selbst die Matrosen nicht gerne unterzogen und die wir
um so mehr fürchteten, als wir, wenn wir von den Wellen durchnässt waren,
keine anderen Kleider zum Wechseln hatten.

Die Frauen, welche sich seit der Kälte in ihrem Kajütchen eingeschlossen
hatten, mussten freilich diese Manöver nicht mitmachen, sondern hatten
einen dazu bestimmten Topf, den eine von ihnen jeden Abend zur grossen
Belustigung der Matrosen, die es dabei nicht an Glossen fehlen liessen,
über Bord ausleerten.

Nun war eines Morgens dieser Topf, bei einer starken Bewegung des Schiffes,
umgefallen, und hatte solch einen infernalischen Geruch zwischen der Decke
verbreitet, dass jedes sich beeilte, ungeachtet die Grütze auf der Tafel
stand, aufs Verdeck zu kommen, wo es dann ans Schimpfen und Fluchen ging.
Es war eine grosse Verlegenheit für die armen Frauenzimmer, die sich den
ganzen Tag nicht sehen liessen und also in der Atmosphäre ihres Topfes
beinahe erstickten.

Der Wind, der uns bis an den Canal immer günstig gewesen war, verliess uns
plötzlich und eine totale Windstille hielt uns 9 Tage lang wie angefesselt.
Eine Menge Schiffe von allen Nationen war hier zusammengekommen und harrte,
wie wir, auf günstigen Wind. -- Mit gutem Westwinde erblickten wir am 12.
Januar die englischen Küsten und pfeilschnell segelten wir durch den Canal.
Am 16. Januar ankerten wir im Nieuwe Diep, nach fünfzigtägiger Fahrt. Wie
öde und traurig zeigt sich im Winter die holländische Küste den aus dem
Süden Kommenden, wie verfroren sehen ihre Einwohner aus und wie kahl seine
Bäume.

Kaum war das Schiff im Hafen befestigt, als wir bestürmt wurden von
Neugierigen: Fleischer und Bäcker kamen an Bord, um sich in die Gunst des
Kommandanten zu empfehlen, Wirthe überreichten ihre Adressen, Waschweiber
holten schmutzige Wäsche und Juden handelten um Affen und Papageyen.

Ich ging mit meiner Marschordre nach dem Heldos (einem Flecken, der stark
befestigt ist), um die Befehle zur weiteren Reise abzuholen. Wir sollten
in kleinen Tagereisen auf Wägen nach dem Orte unserer Bestimmung,
dem langweiligen Harderwyk gebracht werden, da die Südersee und der
nord-holländische Canal noch dicht befroren waren.

Den 18. Januar verliessen wir auf zwei Wägen, die mit dem Hausrathe der
Schneiderfamilie vollgepackt waren, das Nieuwe Diep. -- Wir waren auf
eine Weise bekleidet, dass alle Leute uns neugierig anschauten. Bei jeder
Station, wo man die Pferde wechselte oder Nachtquartier bestellte, wurden
unsere Wägen von den Einwohnern umringt und wir wie fremde Thiere staunend
begafft. Zu unserer leichten Uniform und weissen Hosen stachen unsere
bleichen Gesichter wunderbar ab, und die Frauenzimmer, in grossblumigen
Zitz gekleidet und mit leichten Strohhüten auf dem Kopfe, zitterten vor
Kälte während dem Gelächter und den lieblosen Kritiken der Umstehenden.
Zwei Papageyen und ein indianischer Rabe gehörten ebenfalls zu unserer
Gesellschaft und zwei Töpfe mit rauchendem Torfe mussten unsere erstarrten
Füsse der Reihe nach erwärmen. Nach sieben sehr kleinen Tagereisen, wo wir
in Schagew, Alkmar, Haarlem, Amsterdam, Naarden und Amersford übernachtet
hatten, langten wir den 24. Januar wohlbehalten in Harderwyk an. -- Die
meisten meines Detachements schützten Krankheiten vor, um bis zum Frühjahr
im Hospital der Ruhe pflegen zu können; ich aber, wiewohl ich eine
ärztliche Behandlung höchst nöthig hatte, that meinen Dienst, der freilich
nicht sehr mühsam war. -- Ich erwartete immer das Schiff, mit dem ich meine
Insekten abgeschickt hatte, um dieselben sodann selbst nach Deutschland
mitnehmen zu können, aber statt derselben kam die traurige Nachricht vom
Stranden des Schiffes bei Dover an und meine schöne Sammlung war für
mich verloren. Ich hatte nach reiflicher Ueberlegung beschlossen, den
Militärdienst zu verlassen und mein Glück im Civilstand in Surinam zu
suchen, und krank an Körper, und traurig über meinen Verlust, verliess ich
am 1. März 1842 Holland, um vorerst meine Familie in Stuttgart zu besuchen.



Bemerkungen.


Zweiter Abschnitt (S. 22-50).

[1]: Matrosenponten oder Ponten nennt man viereckige, etwa 60' lange und
15' breite Fahrzeuge mit plattem Boden und einem Dache von Palmblättern.
Es werden damit von den Pflanzungen die Produkte, als: Zucker, Kaffee,
Melassin u. s. w. abgeholt und an Bord der Schiffe gebracht. Die
Eigenthümer dieser Ponten sind meistens Juden, die in der Stadt ansässig
sind. Die Miethe eines solchen Fahrzeuges mit 4 Rudernegern ist 10 fl. per
Tag. Ein Weisser oder freier Farbiger, die ihren Lebensunterhalt auf keine
andere Weise mehr verdienen können, führt darüber die Aufsicht und
hat seine Wohnung in einem kleinen Verschlage im Fahrzeug. Ausser dem
kärglichen Lohne, den er von dem Eigenthümer der Pont empfängt, lebt
er hauptsächlich von den Geschenken, die man ihm aus Mitleiden auf den
Pflanzungen reicht und vom Schleichhandel, den er mit den Negern treibt.

[2]: Das Auffallende, dass eine Stadt von höchstens 16,000 Einwohnern 8
Kirchhöfe hat, lässt sich dadurch erklären, dass jede Confession ihren
eigenen Ruheplatz besitzt. Der Orangers-Kirchhof, »Niemde Oranjetuin«, ist
nur für wohlhabende Protestanten, ein zweiter für weniger vermögende. Die
Katholiken haben einen, die Juden zwei, die Soldaten, Neger und Herrnhuter
jeder einen, die, die zwei ersten in der Stadt selbst befindlichen
ausgenommen, alle im Umkreise derselben liegen, wodurch bei der
Auferstehung kein Rangstreit vorkommen kann.

[3]: Die Bevölkerung Paramaribo's besteht aus etwa 2000 Weissen und 4500
freien Farbigen, also etwa 6000 freien Personen und die Sklaven aus etwa
9000, zusammen gegen 15,000 Menschen; durch den Abgang nach und die Ankunft
von den Pflanzungen wechselt diese Bevölkerung beständig.

[4]: Dass man sich in Surinam nicht nach dem Range, sondern nach dem
Vermögen einrichtet, ist sehr in die Augen fallend, und der Unterschied
besonders zwischen hier und Deutschland sehr gross.

Der Bürger und Handwerker in Europa, wenn er auch grosses Vermögen
besitzt, wird doch stets eine bürgerliche Haushaltung führen, die in keinem
Vergleiche steht zu der eines höheren Beamten, der blos von seinem Gehalte
leben kann. Hier findet unter den Reichen kein Unterschied statt. Ich
kannte einen Handwerker in Paramaribo, der, als er nach Europa abreiste,
zur Versteigerung seines Hausrathes ein Inventarium anfertigen liess, wo
blos sein Silberzeug mehrere Blattseiten füllte.

[5]: Die Vertheilung der Pflanzungen besteht in 8 Divisionen, die nach den
Flüssen, an welchen sie liegen, benannt sind. In jeder Division befindet
sich ein Hauptmann, Offiziere und Unteroffiziere, die entweder Eigenthümer,
Directoren oder Blankoffiziere sind und auf den Pflanzungen in ihren
Divisionen wohnen. -- Es sind blos zeitliche und unbesoldete Aemter, die
sie verlieren, wenn sie von den Pflanzungen abgehen oder nach anderen
ausserhalb ihres Distrikts liegenden versetzt werden. Der Hauptmann ist vom
Gouvernement beauftragt, alle vorkommenden Fälle, als Geburten, Todesfälle,
Weglaufen von Negern u. s. w. in seiner Division den betreffenden Behörden
in Paramaribo mitzuteilen. Auf den Nickerie-Distrikten werden diese Beamten
Landdroste genannt und beziehen, da sie in keinem particulären Dienste
stehen, einen lebenslänglichen Gehalt von der Regierung.

Die Sklavenbevölkerung der Pflanzungen wird nicht viel über 40,000
betragen, während die Weissen oder Freien, welche auf den Pflanzungen
wohnen, auf etwa 1000 Personen angeschlagen werden können.

[6]: Effect nennt man Alles, was zu einer Pflanzung, als: Boden, Gebäude,
Sklaven, Revenüen u. s. w. gehört.

[7]: Der giftige Saft der bittern Cassavewurzel (Jatropha Maniok) hat, wenn
er zu einem Syrop eingekocht ist, die Eigenschaft, das darein Gelegte, als
Fleisch und Fisch, zu conserviren. Es werden desshalb die Ueberreste
der Mahlzeit in einem irdenen Topfe in diesen Syrop »Cassiripo« genannt,
gethan, und mit spanischem Pfeffer (Copsicum) stark gewürzt. Vor jeder
Mahlzeit wird dieser Pfeffertopf auf das Feuer gesetzt und aufgewärmt.
Gereinigt oder geleert wird derselbe nie und man hat Beispiele von
Veteranen solcher Pfeffertöpfe, die zehn Jahre lang täglich auf die Tafel
kamen und nie leer wurden.

[8]: Man nennt diese Barken Tentboote und wenn sie kleiner sind
Tentcorjaalen. Die grösseren sind etwa 40 Fuss lang und 7 Fuss breit und
werden durch acht Neger gerudert. Zwei Drittheile der Länge werden durch
die Ruderneger eingenommen, auf dem letzten Drittheil befindet sich eine
bedeckte, mit Jalousien und Fenstern versehene Kajüte, in der sich an
beiden Seiten breite Bänke befinden, die mit Matrazzen bedeckt werden, auf
denen man sitzt oder liegt. Die Barken sind von innen und aussen hübsch
angestrichen und gefirnisst, manchmal mit Schnitzwerk und Vergoldungen
verziert und kosten nicht selten bei 3000 fl. Die Ruderer derselben sind,
besonders wenn sie höhere Beamte oder Eigenthümer von Pflanzungen führen,
meistens in Livrée gekleidet und eine grosse holländische Flagge weht vom
Hintertheil der Barke.

[9]: Die Kostäcker der Pflanzungen werden meistens blos von einem alten
Neger bewacht, der am Eingang in dieselben eine Hütte von Palmblättern
bewohnt. Einige Hühner sind sein ganzer Reichthum. Da nun häufig vorkommt,
dass fremde Neger der benachbarten Pflanzungen des Nachts in seinen ihm
zur Bewachung übergebenen Aeckern Bananen und Erdfrüchte stehlen, er selbst
aber zu alt ist, um dagegen etwas zu thun, so bedient sich mancher dieser
Wächter einer List, die den Dieben sehr übel bekommt. Er schnitzt aus
hartem Holze 3-4 Zoll lange Stifte, die sehr spitzig in ein Brettchen
eingeschlagen werden, so dass die Spitze etwa 3 Zoll hervorragt. Auf einem
Brettchen befinden sich manchmal zwanzig solcher Spitzen. Diese Brettchen
werden nun überall im Grase und an den Gräben versteckt, wo die Diebe
vorbeigehen oder darein springen müssen. In diesem Falle durchstechen sie
den Fuss, brechen ab und verursachen, besonders wenn nicht schnelle Hülfe
angewendet wird, meistens den Brand. Die weggelaufenen Sklaven
verstecken diese »Pennen« überall im Umkreise ihrer Schlupfwinkel, als
Vertheidigungsmittel vor Ueberfällen der Buschpatrouillen.

[10]: Wie gross die Dieberei der Neger ist, will ich blos durch Folgendes
zeigen. Eine Pflanzung in der Matappica-Kreek lieferte die jede Woche
nöthigen Bananen für den Posten Gouverneurslust, was etwa 80 bis 100 Busche
betrug und die in einer kleinen Pont durch drei Neger und einen Guiden auf
jener Pflanzung abgeholt wurden. Die Lieferungszeit war zu Ende und ich
wurde vom Kommandanten beauftragt, irgendwo auf einer andern Pflanzung
wieder einen neuen Akkord einzugehen. Es war im Monat Mai 1838, als ich
von Gouverneurslust nach der Matappica-Kreek reiste und auf der Pflanzung
Constantia, woher wir unsere Bananen bisher bezogen hatten, mich nach
andern Lieferanten erkundigte. Es befand sich da gerade ein Director, der
in der Nähe wohnte und mir versprach, den Akkord mit dem Posten einzugehen.
Er schickte auch sogleich durch seinen Voeteboy Befehl an den Bastian
seiner Pflanzung, die nöthige Anzahl Bananen abhauen zu lassen, bis wir
am Abende selbst kommen würden. Da ich nun den Mittag über auf Constantia
blieb, so liess ich meine Pont voraus nach jener Pflanzung Bruinendaal
gehen, um am Abend selbst zu Fusse mit dem Director dahin zu kommen.
Bei unserer Ankunft lag die benöthigte Anzahl Bananen bereits am
Landungsplatze, um, nachdem der Director sie nachgesehen hatte, in meine
Pont geladen zu werden. Als ich aber in dieses mit einem Pinadache bedeckte
Fahrzeug trat, fand ich bereits über hundert Busche Bananen, die, wie mir
der Guide offenherzig gestand, er von den Plantagenegern eingehandelt
hatte und mich um Gotteswillen bat, dem Director nichts davon zu sagen. Ich
unterliess es auch, weil ich befürchtete, dass mein eingegangener Akkord
dadurch zu Nichte gehen könne. Mit diesen Bananen wird dann auf den höher
gelegenen Pflanzungen wieder Handel getrieben und von den Sklaven der
Zuckereffecte Zucker, Likker oder Dram eingetauscht und letzteres auf dem
Posten zu Geld gemacht.

[11]: Die Hauptgemeinde der Herrnhuter ist aber in Paramaribo, wo in dem
grossen Bethause dieser Missionäre jeden Tag Schule gehalten und jeden
Freitag gepredigt wird. Wenn es ihnen auch nicht gelingt, allen Aberglauben
und heidnische Begriffe unter ihrer Gemeinde zu vertilgen, so muss man
doch bekennen, dass sie eifrig bemüht sind, denselben, die aus dem grössten
Theil der freien Neger und Farbigen, und einem grossen Theil der Sklaven
Paramaribo's besteht, Ordnung und häusliche Tugenden beizubringen und ihre
Sitten zu verbessern. Es sitzt im Neger leider zu wenig Geist und Energie,
um eine Religion anzunehmen, die er nicht begreifen kann; wenn ihm dieselbe
nicht dazu nützt, dass ihm seine Arbeit erleichtert wird, so wird er
trotz allen Belehrungen nie einen Werth auf sie legen. Dasselbe flaue
Christenthum findet man auch unter den französischen Negern, wo die
katholischen Priester dieselben mit dem grössten Eifer unterrichten und
keine noch so ekelhafte Krankheit scheuen, um sie zu besuchen und zu
unterrichten, und welchen Dank sie haben, wird man im Laufe dieser Skizzen
sehen.

Vernunft und gute Eigenschaften, wie sie der Weisse besitzt, kommen
beim Neger beinahe nie vor und Charaktere, wie der gute Onkel Tom, sind
Chimären. Man sehe die Neger in den nördlichen Staaten der Union, wo sie
schon seit Generationen frei sind und eben den Unterricht sich verschaffen
können, den der Weisse geniesst. Schwingen sie sich je über den Rang eines
Bedienten?

[12]: Und es ist nicht allein Gefahr, seine Gesundheit zu verlieren und ein
Opfer der Lepra zu werden, es ist der schlechte Charakter der Neger selbst,
der ihm am meisten droht. Erst im October 1851 wurde der Priester des
Etablissements Batavia, ein Mann, der auf diesem so abgesonderten Platze
unermüdet und eifrig in ihren physischen und moralischen Leiden ihnen
beistand, von einem dieser Elenden, weil er ihm, um der Trunkenheit
vorzubeugen, einen Krug Dram abgenommen hatte, aus Rache vergiftet.


Dritter Abschnitt (S. 50-67).

[1]: Paramaribo wurde in der Mitte des 17. Jahrhunderts durch Engländer
angelegt und bestand bei der Uebernahme der Colonie durch die Holländer nur
aus wenigen Häusern. Ueber den Ursprung ihres Namens ist man noch nicht
im Reinen. Man meint aber, dass ihm dieser zu Ehren des Lord _Porham_, der
unter König Karl dem Ersten von England Besitzungen hier hatte, gegeben
wurde. Die Indianer nennen die Stadt Pramorbo, was in ihrer Sprache
Blumenplatz bedeuten soll.

[2]: An den Ufern des Tapanahoni wohnen die Aucaner Buschneger, von denen
ich später reden werde. Wenn man ihren Aussagen Vertrauen schenken darf, so
kann man diesen Fluss noch vierzehn Tagereisen aufwärts fahren, worauf man
ihn verlässt und über Berge und Savannen zieht, deren Boden aus spitzigen
Steinen besteht, wesshalb sie sich mit aus Moos geflochtenen Schuhen
versehen. Nach einem dreitägigen Marsche kommen sie an die Dörfer der
Indianer, von welchen sie gegen Messer, Beile, Glasperlen u. s. w.
künstlich geflochtene Hängematten und vortreffliche Jagdhunde mitbringen,
welche letztere sie auf den Pflanzungen theuer verkaufen. Ich habe durch
Buschneger Arbeiten von diesen Indianern bekommen, deren Geschmack und
Schönheit ich bewunderte. Es waren Kronen und Schürzen von Federn, meist
des Tukans, der Arras und Cassicus und eines hier ganz unbekannten gelben
Papageyen. Haben die Buschneger ihre Waaren vertauscht, so helfen die
Indianer ihnen das Gekaufte bis an den Tapanahoni tragen, wobei die
Buschneger die Stärke dieser Indianer besonders rühmen. Sie sollen,
versichern die Buschneger, wenn sie ermattet sind, sich mit einer
Schneckenschale die Haut aufritzen und in das Blut ein weisses Pulver
reiben, wodurch ihre Kräfte sich sogleich wieder erneuern und sie ihre
Reise wieder fortsetzen können. (Etwas Aehnliches fand _Schomburgk_ auf
seinen Reisen im britischen Guyana.) Diese Indianer, welche die Buschneger
Acouri und Trio nennen, stehen wieder mit den weiter aufwärts wohnenden
Salmoës in Verbindung, welche letztere die Pflanzungen der Portugiesen am
Amazonenstrome besuchen. Es ist höchst wahrscheinlich, dass die Indianer,
mit welchen die Buschneger Handel treiben, die Taruma oder Barokotos sind,
die unterm Aequator und zwischen dem 57.-58. Längengrade von Greenwich
wohnen. Die Länge des Weges erklärt dieses, denn obwohl die Buschneger sehr
langsam reisen, wobei theilweise die Wasserfälle und Strömungen der inneren
Gewässer schuld sind, so müsste doch in kürzerer Zeit in jeder anderen
Richtung ein französisches oder portugiesisches Etablissement erreicht
werden.

[3]: Vor mehreren Jahren, ich glaube im Jahr 1832, ehe man einen
Communikationsweg nach dem Posten Armina aus der oberen Comowyne
angelegt hatte, ging jeden Monat regelmässig eine Patrouille, welche die
militärischen Papiere zu besorgen hatte, vom Posten Prinz Willem Frederik
nach Oranje. Es waren jedesmal drei Soldaten, die auf den Sandbänken längs
der Küste liefen, bis etwa halbwegs die schlammigen Ufer anfingen, die
bis zu dem Posten Oranje sich ausdehnen. Man schlug, wenn man an diese
Schlammbänke kam, den Weg landeinwärts ein, um eine Sandritze zu finden,
die ebenfalls bis an diesen Posten sich hinzieht. Dabei schlief man eine
Nacht im Walde und erreichte am andern Tage den Posten. Im Jahr 1832 nun
machte ein erst vor Kurzem aus Europa gekommener Korporal die Reise mit
und blieb, um ein natürliches Bedürfniss zu befriedigen, hinter seinen
Begleitern zurück. Da er nicht nachfolgte, so kehrten seine Kameraden
um, ihn zu suchen, fanden aber keine Spur mehr von ihm, und da sie keinen
Vorrath an Wasser hatten, so konnten sie ihre Nachforschungen nicht weiter
ausdehnen. -- Obwohl man sogleich von Oranje Soldaten aussandte, ihn
aufzusuchen, so war doch alle Mühe fruchtlos und man nahm an, dass er
verirrt und dem Durste erlegen sey. Ein Jahr darauf landeten Caraiben,
die aus Paramaribo nach der Marowyne zurückkehrten, bei stillem Wetter am
Seestrande und liessen, während sie Krabben fingen, ihre Weiber im Boote.
Plötzlich wurden die Weiber von Wegläufern überfallen, die ihnen ein junges
zehnjähriges Mädchen raubten, und ehe die Männer auf das Hülfegeschrei
der Weiber herbeieilen konnten, mit ihrer Beute flüchteten. Es kehrten nun
sogleich alle Indianer nach Paramaribo zurück und baten den Gouverneur,
eine Militär-Patrouille in diese Gegend machen zu lassen, wozu sie
ihre Hülfe anboten. Es wurde nun sogleich mit den Indianern eine starke
Militär-Patrouille ausgesandt, um das geraubte Kind zu finden und die
Dörfer der Wegläufer zu zerstören. Man fand auch ein bedeutendes, und es
glückte, mehrere Neger und Negerinnen lebend zu fangen. In einer der
Hütten fand man die Uniform des vermissten Korporals, sein Gewehr und
die Ueberbleibsel seiner goldenen Uhr, aus deren Gehäuse die Neger Ringe
gemacht hatten. Die Gefangenen erzählten auch ohne Scheue, dass sie den
unglücklichen Verirrten nahe bei ihren Dörfern gefunden, ihn geschlachtet
und gegessen hätten.


Vierter Abschnitt (S. 68-101).

[1]: Die Kordonwege sollten die Kolonie gegen die Ueberfälle von
weggelaufenen Sklaven und Buschnegern, die die Pflanzungen immer
beunruhigten, beschützen. Sie zogen sich, der rechte Flügel vom Surinam bis
an den Comowyne, der linke von da bis zur See. Die Wege waren ungefähr
80 Fuss breit und hatten, wenn sie durch Waldungen sich zogen, an beiden
Seiten 4 Fuss tiefe und 10 Fuss breite Gräben, in denen die Waldwasser sich
sammelten und die einen Abzug nach den Flüssen oder Kreeken hatten. Alle
Viertelstunden waren Wachthäuser und Pikete, die theils vom Hauptposten
besetzt wurden, theils eine bleibende Besatzung hatten. Das Feldgeschrei
durchlief in wenigen Minuten den Cordonweg von einem Ende bis zum andern.
Der Unterhalt der Wege, Gebäude und Besatzungen verursachte grosse Kosten.
Seit dem Frieden mit den Buschnegern wurden die Posten vermindert und kamen
immermehr in Verfall, bis endlich im Jahr 1844 beide Cordonwege verlassen
wurden und man jetzt beinahe die Spur nicht mehr davon entdecken kann.

[2]: Maschoas sind etwa 5 Fuss lange, aus Palmblattstielen gemachte und mit
Lianen verflochtene, spitz zulaufende Körbe oder vielmehr Schläuche, deren
Oeffnung etwa 9 Zoll Durchmesser hat. Die Palmstäbe stehen etwa ½ Zoll von
einander, so dass das Wasser durchlaufen kann. Um sie zu gebrauchen, dämmt
man mit Palmblättern und Stöcken ein Waldwasser oder den Abfluss eines
Sumpfes ab, so dass kein Fisch durchdringen kann. In diesen Damm werden nun
so viele Abzuglöcher gemacht, als man Maschoas setzen will und diese in
die Löcher gesteckt, so dass die weite Oeffnung des Maschoas dem Laufe des
Wassers entgegensteht. Fische, kleine Wasserschildkröten und dgl. gerathen
nun in diese Körbe, in deren spitz zulaufendem Ende sie stecken bleiben.
Jeden Morgen und Abend untersucht man dieselben und kann sich auf diese
Weise das ganze Jahr über mit Fischen versorgen.

[3]: Diese Schlange bekam ich im August 1842 lebendig und hatte sie mehrere
Wochen lang wohlverwahrt in einem Käfig. Sie frass durchaus nicht und wie
man sie auch plagte, so gebrauchte sie doch nie ihre tödtlichen Waffen. Als
ich eine Reise zu machen hatte, wollte Niemand dieses gefährliche Thier in
Bewahrung nehmen; ich tödtete es desshalb. Ein Neger packte sie beim Kopfe,
worauf ich ihr den Bauch aufschnitt. Sie wendete alle Kraft und Mühe, um
sich loszuringen und drehte ihre giftigen Zähne hin und her; als sie sich
nicht mehr zu helfen wusste, entledigte sie sich ihres Giftes, das wie ein
feiner Strahl aus den Rinnen ihrer Zähne auf meine Hand fiel. Das Gift war
hell und farblos.

[4]: In der Mitte der trockenen Zeit flogen wenigstens 6 Wochen lang eine
solche Menge gelber Tagschmetterlinge von der Grösse der Zitronfalter längs
des etwa 80 Fuss breiten Cordonweges, dass ich manchmal drei auf einen
Schlag mit dem Netze in der Luft fing. Der Schwarm kam etwa um 10 Uhr des
Vormittags an und dauerte ununterbrochen bis 3 Uhr Nachmittags. Sie flogen
in einem fort, ohne sich zu setzen, immer von Osten nach Westen, sowohl
dicht über der Erde, als bis auf eine Höhe von 50 Fuss. In den Waldungen
und über dieselben flogen nur wenige. Der Hauptschwarm blieb im Wege
selbst. Wo sie herkamen und hinzogen weiss ich nicht; die Raupen so vieler
Millionen aber müssen ganze Waldungen abgefressen haben. Ich habe noch
mehrere Male ähnliche Wanderzüge bemerkt. Man betrachtet sie als Vorzeichen
einer grossen Trockenzeit.


Fünfter Abschnitt (S. 102-149).

[1]: Drei Tage vor und nach neuem und vollem Monde steigt die Meeresfluth
bedeutend höher als in den Zwischenzeiten und während der Unterschied
zwischen hohem und niederem Wasser an den Flussmündungen bei den
gewöhnlichen (todten) Fluthen 6-7 Fuss beträgt, so steigt er in jenen auf
9-10. Die Fluth läuft dann gewöhnlich viel rascher und man wählt meistens
zum Reisen diese Zeit. Auch auf den Zuckerpflanzungen, welche keine
Dampfmaschinen haben, wird das Rohr in dieser Zeit gemahlen. Man öffnet
bei der Fluth die Schleusse des Mühlgrabens, durch welchen das Wasser des
Flusses diesen füllt. Hat das Wasser seine höchste Höhe erreicht, so
wird die Schleusse niedergelassen. Ist das Wasser im Flusse etwa 3 Fuss
gefallen, so öffnet man eine andere Schleusse, die vom Mühlgraben in die
Mühle führt, wodurch das ausströmende Wasser ein grosses, unterschlächtiges
Rad treibt, das die Walzen, welche das Rohr zerquetschen, in Bewegung
bringt. Die höchsten Springfluthen sind am Anfang April und September, wenn
die Sonne den Meridian, unter dem die Seeküste liegt, (6° nördl. Breite)
durchschneidet. Das Wasser steigt dann noch um 2 oder 3 Fuss höher und
setzt manchmal die halbe Stadt Paramaribo unter Wasser und überströmt
schlecht eingedämmte Pflanzungen.

[2]: Der Zitteraal (Gymnotus electricus) kommt im innern Lande, wo das
Wasser durch das Seewasser nicht mehr getrübt wird, häufig vor. Er erreicht
manchmal eine Länge von 7 Fuss und die Dicke eines Mannesarmes. Seine
elektrische Eigenschaft ist hinlänglich bekannt. Die Indianer schiessen
ihn mit Pfeilen und fangen ihn häufig mit Stinkholz (siehe Lebensweise der
Caraiben). Dieser Aal, der aus beinahe nichts, als Schwanz besteht, ist
sehr fett, sein Fleisch locker und wird bloss von den Eingebornen gegessen.
Sie werden leicht zahm und man kann sie dann in die Hand nehmen, ohne dass
sie Schläge ertheilen.

[3]: Ein gegohrenes Bier aus gekochten Erdfrüchten, dem man noch den Saft
von Ananas oder indianischen Pflaumen beimischt.

[4]: Pagaien nennt man schaufelförmige, etwa 5 Fuss hohe, aus hartem
Holze geschnitzte Ruder, die man in schmalen Kreeken oder engen Plätzen
gebraucht.

[5]: Hr. _James B._, der Eigenthümer dieser Pflanzung, ist im August
1841 auf derselben gestorben. Seinen Reichthum hatte er in vielen Legaten
theilweise selbst an seine Neger vertheilt. Die Tochter erhielt ein
bedeutendes Vermögen und kaufte kurze Zeit nach dem Tode ihres Vaters die
Freiheit. Nach dem ausdrücklichen Willen des Verstorbenen wurde ein grosses
Begräbnissmahl veranstaltet, bei dem der Todte im Sarge selbst präsidirte
und woran alle Honoratioren des Distriktes theilnahmen. Nach dem Essen
wurde die Leiche in einem in aller Eile auf ebener Erde aufgemauerten
viereckigen Behälter aus Backsteinen beigesetzt, wo zwischen der Mühle und
dem Kochhause die Sklaven sein Monument beständig im Auge haben.

[6]: Der Kwi Kwi (Callichys subulatus) ein 6-7 Zoll langer Fisch, zum
Geschlechte der Welse gehörend, ist über den ganzen Leib mit hornigen,
harten Schienen, wie mit einer Art Panzer, bedeckt. Der Kopf ist breit, der
Mund und die Augen sehr klein und unter dem Munde sind vier Fühlfäden oder
Bärtel, wie bei den Barben. Die Kiemenflossen werden bei ihm durch 1½ Zoll
lange krumme Hacken oder Knochen ersetzt, mit denen er kneipen kann;
eine ähnliche rechtstehende ist auf dem Rücken. Gefangen gibt er einen
trauernden Laut von sich, der durch das Reiben dieser Hacken und seiner
Panzer entsteht. Wenn die Sümpfe eintrocknen, so verkriecht er sich so
tief, wie möglich, ins feuchte Erdreich, bis die Regenzeit eintritt. Auch
erzählen die Indianer, dass er, wenn ein Sumpf austrockne, mehrere hundert
Schritte über Land krieche, um wasserreichere Stellen zu suchen, was ich
gerne glauben will.

[7]: Die Menge Schnepfen oder Strandläufer auf den Schlammbänken längs der
See und in den angrenzenden Morästen übersteigt allen Glauben. Man sieht
mit aufkommender Fluth Wolken dieser Vögel, die wirklich auf kurze Zeit die
Luft verdunkeln. Ein Schuss mit feinem Hagel schlägt manchmal 2-300 nieder.
Die kleinen, nicht viel grösser als eine Schwalbe, sind die zahlreichsten.
-- Ich ging einmal bei einbrechender Nacht vom Posten Oranje über eine
solche nur spärlich mit niederen Gesträuchen bedeckte Schlammbank, um zu
meinem Boote, das in einer kleinen Kreek am Meeresufer lag, zu kommen.
Es hatte sich auf dieser Bank ein Schwarm solcher kleiner Schnepfen zum
Schlafen gesetzt und war durch mich aus seiner Ruhe aufgejagt; der ganze
Schwarm flog ohne alle Ordnung auf und flatterte um mich herum. Hunderte
habe ich vielleicht zertreten und die Flügelschläge einer solchen Menge
Vögel verursachte eine Hitze und Beklommenheit, dass ich herzlich froh war,
als ich dieses Schnepfenheer im Rücken hatte. Die Indianer wissen ebenfalls
die Schnepfen durch leises Pfeifen zu locken. -- Ich konnte nie erfahren,
wo diese Vögel nisten; wahrscheinlich wohl auf den mehr südlicher liegenden
Inseln der Mündung des Amazonenstromes.

[8]: In der Trockenzeit des Jahres 1849 zeigten sich die Moschusenten in
unserer Kolonie und im französischen Guyana besonders zahlreich. Es wurden
in Paramaribo mehr zu Markte gebracht, als seit Menschengedenken geschah.
In der ganzen Kolonie herrschte dieser Ueberfluss. Dabei waren die Enten so
fett und schwer, dass sie einer Gans an Gewicht so ziemlich gleich kamen.
Die Indianer brachten mir viele, sowohl frisch als geräuchert. Auf Mana
liessen die Neger alle Arbeit liegen und schossen Enten, die man zuletzt
nicht mehr kaufen wollte. Dennoch ist die Moschusente bei uns kein Zugvogel
und ich kann mir bloss diese Menge dadurch erklären, dass vielleicht in
anderen Gegenden Südamerika's eine ungewöhnliche Regen- oder Trockenzeit
diese Vögel nöthigte, ihre Nahrung anderswo zu suchen.

[9]: Unter der Menge von Wespen-artigen Insekten, die, was Verschiedenheit
von Sorten und Anzahl betrifft, im Verhältniss zu Europa hier gewiss wie 25
zu 1 vorkommen, ist _eine_ Art besonders lästig und gefährlich. Man nennt
sie schlechtweg Marabonzen (die Franzosen nennen sie Mouche à drague). Sie
halten sich vornehmlich in Häusern auf, die wenig oder nicht bewohnt sind,
oder in den Zuckermühlen und machen ihr Nest aus verfaultem Holze, das sie
von den Schindeln abnagen. Es gleicht einer grauen Masse von Fliesspapier
und wird an den Dachsparren oder Gesimsen befestigt. Die Zellen öffnen sich
nach unten und haben keine äussere Schutzumgebung, wie die der Wespen,
auch keine Etagen. Die Wespe selbst nährt sich von Zucker, Blumensäften
und Früchten, ist von der Grösse einer Hornisse, braunroth, hat einen
schwerfälligen Flug und gibt einen angenehmen, aromatischen Geruch von
sich. Ihr Stich verursacht beinahe immer gefährliche Entzündungen und
Fieber. Wo sich diese Insekten eingenistet haben, sind sie eben so
schwierig zu vertreiben, als die durch ihren widerwärtigen Geruch und
Schmutz lästigen Fledermäuse.

[10]: Der Lokusbaum (Hymenaea courbaril) wächst meistens auf Sandritzen und
erreicht einen Durchmesser von manchmal 6 Fuss. Sein rothes, schweres
Holz nimmt eine herrliche Politur an und wird zu Meubles und Maschinen
verwendet. Am Stamme und an den Wurzeln findet man bei alten Bäumen in
grossen Klumpen den Copalgummi, der zu Firnissen verwandt wird. Die Frucht
ist eine manchmal 6 Zoll lange und 2 Zoll breite rothbraune Schote, die mit
einem trockenen, gelben, süssschmeckenden Mehle angefüllt ist, in dem
sich die harten braunen Bohnen befinden. Es hat den Geschmack des
Johannisbrodes.

[11]: Die Awara-Palme (Astrocaryou vulgare) wächst stets im Sandboden und
liefert dem Indianer Manches in seine Haushaltung. Der Baum wird manchmal
30 Fuss hoch, ist über und über mit 4 Zoll langen, sehr spitzen, schwarzen
Stacheln bedeckt und die Krone theilt sich in 12-15 etwa 25 Fuss lange
gefiederte Blätter. Die Blattstiele, so wie die Seiten der Blättchen, die
etwa 4 Fuss lang und 1 Zoll breit sind, sind ebenfalls dicht mit Stacheln
bedeckt, so dass man keinen Theil der Pflanze berühren kann, ohne sich zu
stechen. Die Samenkapsel ist etwa 3 Fuss lang und 1½ Fuss breit, oval und
braunroth von Farbe. Die Frucht, von der Grösse einer welschen Nuss, ist
mennigroth und besteht aus einem süssen, sehr fetten Fleische, das den
harten, schwarzen, runden Stein umgibt. Der Fruchttross enthält mehrere
Hunderte solcher Nüsse, die im Monat Februar reifen. Die Indianer stampfen
in einem hölzernen Mörser das Fleisch von den Steinen und pressen in einem
Madappi das rothe Oel aus, das sie zum Schmieren der Haare gebrauchen. Die
Früchte werden vom Wild gerne gefressen und die Schweine werden besonders
fett davon. -- Aus den noch nicht ganz entwickelten Blättern machen die
Indianer Fächer u. s. w.


Sechster Abschnitt (S. 150-233).

[1]: Diese Reibeisen, Simaris, werden von den Makusi-Indianern am obern
Rupumuni, im britischen Guyana verfertigt und von den Caraiben, die
manchmal Reisen dahin machen, durch Tausch erhalten.

[2]: Madappis sind 4 Fuss lange, 4 Zoll im Diameter haltende
cylinderförmige elastische Schläuche, die aus dem Baste einer Marantiacee
geflochten werden und haben oben eine Oeffnung, worin man das noch nasse
Cassave-Mehl schüttet und den Schlauch an einer Schleife aufhängt. Unten
ist derselbe zugebunden und es wird durch eine am Ende befindliche andere
Schleife ein Stock befestigt, auf den sich die Weiber setzen, wodurch sich
der Schlauch zusammenzieht und der Saft abfliesst.

[3]: Die Indianer geben nicht gerne Aufschluss über die Bedeutung ihrer
Gebräuche und Gesänge, und ihre sehr reichhaltige Sprache zu erlernen,
fällt sehr schwer, und es ist Niemand in der Kolonie, der ausser ihnen
dieselbe versteht.

[4]: Die Chike, auch Sicca genannt, ist ein kleines hellbraunes Insekt,
ganz von der Gestalt einer Floh, aber bloss halb so gross und hüpft ebenso,
aber nur nicht so weit. Sie hält sich sehr häufig in sandigen trockenen
Plätzen auf, kriecht Menschen, Hunden und Katzen unter die Nägel der Zehen
oder in die weicheren Theile des Fusses, wo sie sich ins Fleisch einfrisst.
Man bemerkt ihr Daseyn an einem leichten Jucken, und an der Stelle, wo das
Insekt sitzt, ist die Haut ein wenig entzündet, und man sieht dasselbe als
einen kleinen schwarzen Punkt im Fleische stecken. Man zieht es mit einer
Nadel heraus. Fühlt man es aber nicht und bleibt es im Fleische sitzen, so
geht eine wunderbare Vergrösserung mit ihm vor. Sein Leib schwillt an und
ist strotzend voll von Eiern, die nach und nach ihre natürliche Grösse
erhalten und dem kaum bemerkbaren Insekte die Grösse einer kleinen Erbse
geben. Wird es nun aus dem Fleische herausgenommen, so entsteht ein
ziemliches Loch, das besonders bei Leuten, welche barfuss laufen, sich
mit Sand und Unreinigkeiten füllt und manchmal bedeutende Geschwülste
verursacht. Ich selbst habe auf dem Posten Nepheusburg in der Trockenzeit
jeden Abend wohl 25 dieser Insekten, welche sich den Tag über eingebissen
hatten, herausgezogen. Nachlässige Leute, die zu faul sind, an ihren
Füssen nachzusehen und diese Flöhe in solcher Menge und Grösse bei sich
beherbergen, bekommen bedeutende Geschwüre und werden manchmal zur Arbeit
untauglich.



[Hinweise zur Transkription


Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, einschließlich
ungewöhnlicher und uneinheitlicher Schreibweisen, mit folgenden Ausnahmen,

  Seite 26:
  "lezteren" geändert in "letzteren"
  (Die letzteren Kunden sind die häufigsten)

  Seite 38:
  "technicher" geändert in "technischer"
  (auch in technischer Beziehung eine gute Schule genossen haben)

  Seite 55:
  "Meerresküste" geändert in "Meeresküste"
  (von der Meeresküste ab, da wo das Flusswasser rein)

  Seite 56:
  "Mauiok" geändert in "Maniok"
  (dem Anbau der Maniok-Wurzel (jatropha) besonders günstig ist)

  Seite 57/58:
  "Regen" geändert in "Regen-"
  (hohen Wasserstande der Regen- und dem niedrigsten der Trockenzeit)

  Seite 68:
  "dasselbst" geändert in "daselbst"
  (Mauritzburg. Kurzer Aufenthalt daselbst.)

  Seite 79:
  "Manick" geändert in "Maniok"
  (und die dortige Besatzung von Reis, Mais und Maniok leben musste)

  Seite 93:
  "maschiren" geändert in "marschiren"
  (in einem Brei von stinkendem Schlamm marschiren musste)

  Seite 94:
  "mitgebrachten" geändert in "mitgebracht"
  (Bananen, welche die Guiden mitgebracht hatten)

  Seite 113:
  "Mosquitos" vereinheitlicht zu "Mosquittos"
  (alle Soldaten, ungeachtet der vielen Mosquittos)

  Seite 115/116:
  "errrichtet" geändert in "errichtet"
  (wurde mit ungeheuren Kosten eine Dampfsägmühle errichtet)

  Seite 124:
  "Nickerikreek" vereinheitlicht zu "Nickeriekreek"
  (ein kleines Sommerhäuschen in die Nickeriekreek hineingebaut)

  Seite 147:
  "Schidwache" geändert in "Schildwache"
  (Die Schildwache, unter deren Aufsicht er stand)

  Seite 149:
  "anderhalb" geändert in "anderthalb"
  (musste man das Regenwasser anderthalb Stunden weit herbeiholen)

  Seite 159:
  "Apetit" geändert in "Appetit"
  (bei schrecklichem Appetit, da ich seit dem Morgen nichts mehr)

  Seite 168:
  ";" geändert in ","
  (vier Neger zurückgeblieben, welche mit mir)

  Seite 174:
  "'" eingefügt
  (Vier Pfosten von etwa 4' Höhe sind an vier Ecken)

  Seite 175:
  "Individium" geändert in "Individuum"
  (hier hat jedes Individuum sein Feuerchen unter der Hängematte)

  Seite 181:
  "Aussgepresster" geändert in "Ausgepresster"
  (Ausgepresster Maniok (Madappi) wird in Körbe verpackt)

  Seite 183:
  "Vergnüngen" geändert in "Vergnügen"
  (Ein anderes Vergnügen eigenthümlicher Art sind ihre Tänze)

  Seite 184:
  "diesselben" geändert in "dieselben"
  (um als Trank noch zweimal dieselben zu passiren)

  Seite 197:
  "Pagaai" vereinheitlicht zu "Pagai"
  (ich aber bloss einen einzigen Pagai im Vermögen hatte)

  Seite 198:
  "ief" geändert in "tief"
  (ist tief im Sande eingegraben und wellenförmig)

  Seite 198:
  "sie" eingefügt
  (welche sie häufig zum Verkauf nach den Pflanzungen bringen)

  Seite 210:
  "Ansehnliclhe" geändert in "Ansehnliche"
  (Ansehnliche Summen waren zu diesem Zweck bewilligt worden)

  Seite 210:
  "Maniko" geändert in "Maniok"
  (die in Erdfrüchten, als: Reis und Maniok bestanden)

  Seite 216:
  "Guiana" vereinheitlicht zu "Guyana"
  (Im französischen Guyana bestehen noch viele Rockou-Pflanzungen)

  Seite 226:
  "Pagalen" vereinheitlicht zu "Pagaalen"
  (Meinen Genever bezahlte er mir mit zwei hübschen Pagaalen)

  Seite 243:
  "Mach" geändert in "Nach"
  (Nach zehntägigem Aufenthalt verliessen wir die Judensavanne)

  Seite 250:
  "Casavebrod" vereinheitlicht zu "Cassavebrod"
  (wurde von ihnen mit Cassavebrod und Eiern beschenkt)

  Seite 257:
  "gänze" geändert in "ganze"
  (Der ganze Stamm wird nicht viel über 3000 Köpfe zählen)

  Seite 279:
  "Tode" geändert in "Todte"
  (bei dem der Todte im Sarge selbst präsidirte)

  Seite 282:
  "ensteht" geändert in "entsteht"
  (so entsteht ein ziemliches Loch)]





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