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Title: Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. - Neunter Band: enthaltend Kapitel 17 und 18.
Author: Macaulay, Thomas Babington Macaulay, Baron
Language: German
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  | Anmerkungen zur Transkription                                |
  |                                                              |
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  | Eine Liste der Änderungen befindet sich am Ende des Buchs.   |
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                      Thomas Babington Macaulay’s



                        Geschichte von England
                               seit der
                 Thronbesteigung Jakob’s des Zweiten.

                          Aus dem Englischen.

                     Vollständige und wohlfeilste
                         +Stereotyp-Ausgabe.+

                             Neunter Band:
                     enthaltend Kapitel 17 und 18.

                            Leipzig, 1856.

                           G. H. Friedlein.



Siebzehntes Kapitel.

Wilhelm und Marie.



Inhalt.

                                                                   Seite
  Wilhelm’s Reise nach Holland                                         5
  Wilhelm’s Einzug in den Haag                                         6
  Kongreß im Haag                                                      8
  Wilhelm sein eigner Minister des Auswärtigen                        10
  Wilhelm erlangt eine Toleranz für die Waldenser                     12
  Mängel, welche in der Natur der Coalitionen liegen                  12
  Belagerung und Fall von Mons                                        13
  Wilhelm kehrt nach England zurück. Prozesse Preston’s und Ashton’s  14
  Ashton’s Hinrichtung                                                16
  Preston’s Unschlüssigkeit und seine Geständnisse                    16
  Nachsicht gegen die Verschwörer. Clarendon                          18
  Dartmouth                                                           18
  Turner                                                              19
  Penn                                                                19
  Tod Georg Fox’; sein Character                                      20
  Unterredung zwischen Penn und Sidney                                24
  Preston begnadigt                                                   25
  Freude der Jakobiten über den Fall von Mons                         26
  Die erledigten Bisthümer werden besetzt                             26
  Tillotson, Erzbischof von Canterbury                                27
  Benehmen Sancroft’s                                                 29
  Uneinigkeit zwischen Sancroft und Ken                               30
  Sancroft’s Haß gegen die Landeskirche. Er bestimmt die
    bischöfliche Succession unter den Eidverweigerern                 31
  Die neuen Bischöfe                                                  32
  Sherlock Dechant von St. Paul                                       33
  Verrätherei einiger Diener Wilhelm’s                                38
  Russell                                                             40
  Godolphin                                                           41
  Marlborough                                                         42
  Wilhelm kehrt auf den Continent zurück                              45
  Der Feldzug von 1691 in Flandern                                    46
  Der Krieg in Irland                                                 48
  Zustand des englischen Theils von Irland                            48
  Zustand des Theiles von Irland, welcher Jakob unterthan war         51
  Uneinigkeiten unter den Irländern in Limerick                       52
  Rückkehr Tyrconnels nach Irland                                     54
  Ankunft einer französischen Flotte in Limerick; Saint-Ruth          55
  Die Engländer rücken ins Feld                                       56
  Fall von Ballymore                                                  56
  Belagerung und Fall von Athlone                                     57
  Rückzug der irischen Armee                                          61
  Saint-Ruth beschließt eine Schlacht zu wagen                        62
  Schlacht bei Aghrim                                                 64
  Fall von Galway                                                     66
  Tyrconnel’s Tod                                                     68
  Zweite Belagerung von Limerick                                      68
  Die Irländer wollen kapituliren                                     70
  Unterhandlungen zwischen den irischen Generälen und den Belagerern  71
  Die Kapitulation von Limerick                                       73
  Die irischen Truppen werden aufgefordert, zwischen ihrem
    Vaterlande und Frankreich zu wählen                               75
  Die Mehrzahl der irischen Truppen erklärt sich für den
    Freiwilligendienst in Frankreich                                  75
  Viele von den Irländern, die sich für Frankreich erklärt hatten,
    desertiren                                                        76
  Die letzte Division der irischen Armee segelt von Cork nach
    Frankreich ab                                                     78
  Zustand Irland’s nach dem Kriege                                    78


[_Wilhelm’s Reise nach Holland._] Am 18. Jan. 1691 schiffte sich der
König, nachdem seine Abreise durch widrige Winde um einige Tage
verzögert worden war, in Gravesend ein. Vier Yachten waren für ihn und
sein Gefolge ausgerüstet worden. Unter seinen Begleitern waren Norfolk,
Ormond, Devonshire, Dorset, Portland, Monmouth, Zulestein und der
Bischof von London, und zwei ausgezeichnete Admiräle, Cloudesley Shovel
und Georg Rooke, befehligten die Kriegsschiffe, welche den Convoi
bildeten. Die Ueberfahrt war langweilig und unangenehm. Auf der Höhe der
Godwin-Sandbänke wurde das Geschwader viele Stunden durch eine
Windstille aufgehalten, und erst am fünften Tage zeigte das Senkblei an,
daß man sich der holländischen Küste näherte. Der Seenebel war jedoch so
dicht, daß sich das Land nicht erkennen ließ, und man hielt es nicht für
gerathen, in der Dunkelheit weiter zu fahren. Der Seereise überdrüssig
und von Sehnsucht nach seinem geliebten Vaterlande erfüllt, beschloß
Wilhelm in einem offenen Boote zu landen. Die ihn begleitenden Edelleute
versuchten ihn von dem Vorhaben abzubringen, ein so kostbares Leben zu
gefährden; als sie aber sahen, daß sein Entschluß fest stand, drangen
sie darauf, die Gefahr mit ihm zu theilen. Es zeigte sich bald, daß
diese Gefahr ernster war als sie erwartet hatten. Man hatte geglaubt,
daß die Gesellschaft in einer Stunde das Ufer erreichen werde; aber
große Massen Treibeis erschwerten das Fortkommen des Bootes, die
Dunkelheit brach herein, der Nebel wurde dichter und die Wogen
durchnäßten den König und seine Begleiter. Einmal stieß das Fahrzeug auf
eine Sandbank und wurde nur mit großer Mühe wieder flott gemacht. Auch
die kühnsten Seeleute konnten sich einiger Besorgniß nicht erwehren.
Wilhelm aber blieb die ganze Nacht durch eben so ruhig, als ob er sich
im Drawingroom zu Kensington befunden hätte. „Schämt Euch,” sagte er zu
einem der verzagenden Matrosen, „fürchtet Ihr in meiner Gesellschaft den
Tod?” Ein verwegener holländischer Seemann sprang ins Meer und schwamm
und watete durch Brandung, Eis und Schlamm ans Land. Hier schoß er ein
Gewehr ab und zündete ein Feuer an, zum Zeichen daß er in Sicherheit
war. Keiner von seinen Mitpassagieren hielt es jedoch für gerathen,
seinem Beispiele zu folgen. Sie lagen auf- und abtreibend im Angesicht
des Feuers, das er angezündet hatte, bis der erste matte Schimmer eines
Januarmorgens sie erkennen ließ, daß sie sich dicht bei der Insel Goree
befanden. Ganz erstarrt von der Kälte und mit Eisklumpen bedeckt,
landete der König mit seinen Lords, um sich zu erwärmen und
auszuruhen.[1]

Nachdem Wilhelm einige Stunden in der Hütte eines Landmanns geruht
hatte, reiste er weiter nach dem Haag. Dort wurde er mit Ungeduld
erwartet, denn obgleich die Flotte, die ihn brachte, am Ufer nicht
sichtbar war, so waren doch die königlichen Salutschüsse durch den Nebel
gehört worden und hatten der ganzen Küste seine Ankunft verkündet. Viele
Tausende waren bei Honslaerdyk versammelt, um ihn mit einem Jubel zu
bewillkommnen, der aus ihren Herzen kam und den Weg zu seinem Herzen
fand. Es war einer der wenigen Freudentage in einem wohl nützlichen und
ruhmvollen, doch keineswegs glücklichen Leben. Nachdem der Verbannte
über zwei Jahre in einem fremden Lande zugebracht, stand er jetzt wieder
auf seinem heimathlichen Boden, hörte wieder die Sprache seiner Kindheit
und sah die Scenerie und Architektur wieder, die in seinem Geiste
unzertrennlich mit den Jugenderinnerungen und Heimathsgefühlen verknüpft
waren; die kahlen Dämme von Sand, Muscheln und Steinen, an denen sich
die Wogen des deutschen Oceans brachen; die endlosen, von Gräben
durchschnittenen Wiesen; die schnurgeraden Kanäle und die freundlich
angestrichenen, mit zierlichen Figuren und Inschriften geschmückten
Landhäuser. Er hatte viele langweilige Monate unter einem Volke gelebt,
das ihn nicht liebte, das ihn nicht verstand und das nie vergessen
konnte, daß er ein Ausländer war. Selbst diejenigen Engländer, die ihm
am treuesten dienten, dienten ihm ohne Begeisterung, ohne persönliche
Zuneigung und nur aus amtlichem Pflichtgefühl. Im Stillen bedauerten sie
es, daß ihnen keine andre Wahl blieb, als zwischen einem englischen
Tyrannen und einem holländischen Befreier. Hier war Alles anders.
Wilhelm befand sich unter einer Bevölkerung, von der er angebetet wurde,
wie Elisabeth angebetet worden war, als sie bei Tilbury durch die Reihen
ihrer Armee ritt, wie Karl II. angebetet worden war, als er in Dover
landete. Allerdings waren die alten Feinde des Hauses Oranien während
der Abwesenheit des Statthalters nicht müßig gewesen, und es war, wenn
auch nicht laut, doch leise gegen ihn gemurrt worden. Er habe, sagte
man, sein Vaterland um seines neuen Königreichs willen vernachlässigt.
Ueberall wo das Ansehen der englischen Flagge, der Aufschwung des
englischen Handels im Spiele gewesen sei, habe er vergessen, daß er ein
Holländer war. Sobald man aber sein wohlbekanntes Gesicht wieder sah,
war alle Eifersucht, alle Kälte verschwunden. Es war nicht ein Bauer,
nicht ein Fischer, nicht ein Handwerker unter den Volksmassen, welche
die Straße von Honslaerdyk nach dem Haag bedeckten, dessen Herz sich
nicht stolz gehoben hätte bei dem Gedanken, daß der erste Minister
Holland’s ein großer König geworden war, daß er die Engländer befreit
und die Irländer besiegt hatte. Es würde Tollkühnheit gewesen sein, wenn
Wilhelm von Hampton Court nach Westminster ohne Eskorte gefahren wäre;
in seinem eignen Lande aber brauchte er keine Schwerter und Karabiner zu
seinem Schutze. „Haltet die Leute nicht zurück,” rief er aus, „laßt sie
nahe zu mir herankommen, sie sind alle meine guten Freunde.”


[_Wilhelm’s Einzug in den Haag._] Er erfuhr bald, daß glänzende
Vorbereitungen zu seinem Empfange im Haag getroffen wurden. Zuerst
schalt er darüber und machte Einwendungen. Er hasse, sagte er, alles
Geräusch und Schaugepränge. Die nothwendigen Kosten des Kriegs seien
ohnehin schwer genug. Er hoffe, daß seine lieben Mitbürger ihn als
einen unter ihnen gebornen und erzogenen Nachbar betrachten und ihm
nicht ein so schlechtes Compliment machen würden, ihn ceremoniös zu
behandeln. Aber alle seine Vorstellungen waren vergebens. So einfach
und sparsam die Holländer in ihrer gewöhnlichen Lebensweise sind,
bei dieser Gelegenheit hatten sie sich vorgenommen, ihrem erlauchten
Landsmanne einen seinem Range und seinen Verdiensten entsprechenden
Empfang zu bereiten, und er sah wohl, daß er sich fügen mußte. Am Tage
seines Triumphzuges war der Zusammenfluß von Menschen ungeheuer. Alle
Wagen und Pferde der Provinz waren nicht hinreichend, um die Masse
Derer zu befördern, welche zu dem Schauspiele herbeiströmten. Viele
Tausende kamen zu Schlitten oder mit Schlittschuhen auf den zugefrornen
Kanälen von Amsterdam, Rotterdam, Leyden, Haarlem und Delft. Am Morgen
des 26. Januar um zehn Uhr gab die große Glocke auf dem Rathhause das
Signal. Sechzehnhundert wohlhabende Bürger, wohl bewaffnet und in die
schönsten Anzüge gekleidet, die sie in den Tiefen ihrer Garderoben
hatten finden können, hielten Ordnung in den mit Menschen gefüllten
Straßen. Balkons und Gerüste, von Immergrün umrankt und mit Teppichen
behangen, verbargen die Fenster. Der königliche Wagen, begleitet von
einem Heere von Hellebardieren und Läufern und gefolgt von einem langen
Zuge von Equipagen, fuhr durch zahllose mit Schnitzwerk und Malerei
reich verzierte Triumphbögen unter dem endlosen Rufe: „Lange lebe der
König, unser Statthalter!” Die Vorderseite des Rathhauses und der ganze
Umkreis des Marktplatzes prangten im glänzendsten Farbenschmucke.
Bürgerkronen, Trophäen, Embleme der Künste, der Wissenschaften, des
Handels und des Ackerbaues zeigten sich allenthalben. An einer Stelle
sah Wilhelm die glorreichen Thaten seiner Ahnen abgebildet. Da war
der schweigsame Prinz, der Gründer der batavischen Republik, wie
er mit seinen Kriegern über die Maas ging. Da war der ungestümere
Moritz, wie er den Angriff bei Nieuport leitete. Ein wenig weiter hin
konnte der Held die ereignißvolle Geschichte seines eignen Lebens
verfolgen. Er sah sich als Kind auf dem Schooße seiner verwittweten
Mutter; dann am Altare mit Mariens Hand in der seinigen; dann wie er
in Torbay landete; dann wie er durch den Boyne schwamm. Zuletzt kam
ein von Eis und Brandung umgebenes Boot, über welchem ganz passend in
der majestätischen Sprache Rom’s die Worte des großen Römers: „Was
fürchtest Du? Du hast Cäsar an Bord,” geschrieben standen. Die Aufgabe,
die lateinischen Mottos zu liefern, war zwei Männern übertragen worden,
welche bis zum Erscheinen Bentley’s unter den klassischen Gelehrten der
damaligen Zeit die erste Stelle einnahmen. Spanheim, der als Kenner der
römischen Münzen unerreicht dastand, ahmte nicht ohne Glück die edle
Kürze der alten Umschriften nach, die er fleißig studirt hatte, und er
wurde unterstützt durch Grävius, der damals in Utrecht einen Lehrstuhl
inne hatte und dessen wohlverdienter Ruf Massen von Studirenden aus
allen Theilen des protestantischen Europa an diese Universität zog.[2]
Als die Nacht hereinbrach, wurden auf dem großen Teiche, der die Mauern
des Bundespalastes bespülte, Feuerwerke abgebrannt. Dieser Teich war
jetzt so hart wie Marmor, und die Holländer rühmten sich, daß die
Welt, selbst auf der Terrasse von Versailles, nie etwas Prächtigeres
gesehen habe als den Effect der zahllosen Feuergarben, die der glatte
Eisspiegel zurückwarf.[3] Die englischen Lords beglückwünschten ihren
Gebieter wegen seiner großen Popularität. „Ja,” sagte er, „aber ich bin
nicht der Liebling. Der Jubel würde ungleich größer gewesen sein, wenn
Marie bei mir gewesen wäre.”

Wenige Stunden nach seinem triumphirenden Einzuge wohnte der König einer
Sitzung der Generalstaaten bei. Sein letztes Erscheinen in ihrer Mitte
hatte an dem Tage stattgefunden, an welchem er sich nach England
einschiffte. Er hatte damals unter dem lauten Schluchzen und Weinen
dieser ernsten Senatoren ihnen für die Güte gedankt, mit der sie über
seine Kindheit gewacht, seinen jugendlichen Geist gebildet und in
reiferen Jahren seine Autorität unterstützt, und er hatte seine geliebte
Gemahlin feierlich ihrer Obhut empfohlen. Jetzt kehrte er zu ihnen
zurück als der König dreier Reiche, als das Haupt der größten Coalition,
die Europa seit hundertachtzig Jahren gesehen hatte, und man hörte
nichts als Beifall und Glückwünsche im Saale.[4]


[_Congreß im Haag._] Inzwischen bewegten sich durch die Straßen des
Haag die Equipagen und Gefolge der Fürsten und Gesandten, welche zu dem
großen Congresse strömten. Zuerst erschien der ehrgeizige und
prachtliebende Friedrich, Kurfürst von Brandenburg, der einige Jahre
später den Titel König von Preußen annahm. Dann kamen der junge Kurfürst
von Bayern, der Regent von Würtemberg, die Landgrafen von Hessen-Kassel
und Hessen-Darmstadt und eine lange Reihe souverainer Fürsten aus den
erlauchten Häusern Braunschweig, Sachsen, Holstein und Nassau. Der
Marquis von Gastanaga, Gouverneur der spanischen Niederlande, kam vom
viceköniglichen Hofe zu Brüssel zu der Versammlung. Außerordentliche
Gesandte waren vom Kaiser, von der Königin von Spanien, Polen, Dänemark
und Schweden und vom Herzoge von Savoyen geschickt. Die Stadt und
Umgegend bot kaum Räumlichkeiten genug zur Aufnahme der englischen Lords
und Gentlemen und der deutschen Grafen und Barone, welche Neugierde oder
Amtspflicht an den Versammlungsort geführt hatten. Die ernste Hauptstadt
der sparsamsten und betriebsamsten Nation der Welt war so heiter wie
Venedig zur Carnevalszeit. Die durch jene majestätischen Linden und
Ulmen, in deren Mitte die Villa des Prinzen von Oranien liegt, führenden
Alleen strotzten von den Federbüschen, den Ordenssternen, den wallenden
Perrücken, den gestickten Röcken und den vergoldeten Degengefäßen
eleganter Cavaliere aus London, Berlin und Wien. Unter die Edelleute
waren jedoch auch Gauner gemischt, nicht minder prächtig gekleidet als
jene. Des Abends waren die Hazardspieltische belagert und das Theater
bis unter das Dach gefüllt. Fürstliche Bankets drängten sich in rascher
Aufeinanderfolge. Die Speisen wurden in goldenen Schüsseln aufgetragen
und nach der alten teutonischen Sitte, mit welcher Shakespeare seine
Landsleute bekannt gemacht hat, ertönten die Pauken und Trompeten so oft
einer der großen Fürsten eine Gesundheit ausbrachte. Einige englische
Lords, insbesondere Devonshire, gaben Feste, welche mit denen der
Souveraine wetteiferten. Es wurde bemerkt, daß die deutschen Potentaten,
welche im allgemeinen bezüglich der Etikette streitsüchtig und peinlich
waren, sich bei dieser Gelegenheit ohne alle Förmlichkeit versammelten
und ihren Hang zu genealogischen und heraldischen Controversen vergessen
zu haben schienen. Die Liebe zum Wein aber, welche damals ein
characteristischer Zug ihrer Nation war, hatten sie nicht vergessen. An
der Tafel des Kurfürsten von Brandenburg erregte der gravitätische Ernst
der holländischen Staatsmänner, die in ihrer Nüchternheit durch Citate
aus Grotius und Puffendorf den Unsinn widerlegten, den die berauschten
Edlen des Reichs hervorstammelten, große Heiterkeit. Einer dieser Edlen
leerte so viele Humpen, daß er in das Torffeuer taumelte, aus dem er
erst wieder herausgezogen wurde, als sein schöner Sammetrock verbrannt
war.[5]

Doch inmitten dieser festlichen Gelage wurden die Geschäfte nicht
vernachlässigt. Es wurde eine förmliche Sitzung des Congresses unter
Wilhelm’s Präsidium gehalten, worin er in einer kurzen und würdevollen
Ansprache, welche rasch die Runde durch ganz Europa machte, die
Nothwendigkeit festen Zusammenhaltens und energischer Anstrengung
auseinandersetzte. Die tiefe Ehrerbietung, mit der ihn die glänzende
Versammlung anhörte, erweckte den bitteren Neid und Aerger seiner Feinde
in England wie in Frankreich. Die deutschen Potentaten wurden heftig
getadelt, daß sie einem Emporkömmlinge den Vorrang einräumten. Die
Vornehmsten unter ihnen bezeigten ihm aber auch in der That eine solche
Achtung, wie sie sie kaum der kaiserlichen Majestät gezollt haben
würden; sie mischten sich unter die in seinem Vorzimmer harrende Menge
und benahmen sich an seiner Tafel so ehrfurchtsvoll wie irgend ein
dienstthuender englischer Lord. Auf einer Carricatur sind die
verbündeten Fürsten als Bären mit Maulkörben dargestellt, einige mit
Kronen, andere mit Staatsmützen auf dem Kopfe. Wilhelm hält sie alle an
einer Kette und läßt sie tanzen. Auf einer andren Carricatur sah man ihn
bequem in einem Armstuhl hingestreckt, die Füße auf einem Kissen und den
Hut auf dem Kopfe, während die Kurfürsten von Brandenburg und Bayern
entblößten Hauptes auf niedrigen Sesseln zu seiner Rechten und Linken
saßen; die Schaar der Landgrafen und souverainen Herzöge stand in
bescheidener Entfernung, und Gastanaga, der unwürdige Nachfolger Alva’s,
erwartete mit gebeugtem Knie die Befehle des ketzerischen Tyrannen.[6]


[_Wilhelm sein eigner Minister des Auswärtigen._] Es wurde bald auf
höheren Befehl angekündigt, daß noch vor Beginn des Sommers
zweihundertzwanzigtausend Mann gegen Frankreich im Felde stehen
würden.[7] Das Contingent, das jede der verbündeten Mächte zu stellen
hatte, wurde bekannt gemacht. Diejenigen Angelegenheiten aber, über
welche eine öffentliche Erklärung abzugeben nicht zweckmäßig gewesen
wäre, wurden zwischen dem Könige von England und seinen Bundesgenossen
privatim besprochen. Bei dieser wie bei jeder andren wichtigen
Gelegenheit während der ganzen Dauer seiner Regierung war er sein eigner
Minister des Auswärtigen. Um der Form willen war es nothwendig, daß ihm
ein Staatssekretär zur Seite stand, und daher hatte Nottingham ihn nach
Holland begleitet. Aber wenn auch Nottingham in allen die innere
Verwaltung England’s betreffenden Dingen das Vertrauen seines Gebieters
in hohem Grade besaß, so erfuhr er doch von den Geschäften des
Congresses wenig mehr als was er in den Zeitungen las.

Dieses Verfahren würde jetzt für höchst verfassungswidrig angesehen
werden, und viele Schriftsteller, welche den Maßstab ihres Jahrhunderts
an die Transactionen einer früheren Zeit legten, haben Wilhelm deshalb,
weil er ohne den Rath seiner Minister handelte, und seine Minister, weil
sie es sich gefallen ließen, über Angelegenheiten, bei denen die Ehre
der Krone und das Wohl der Nation stark betheiligt waren, in Unkenntniß
zu bleiben, streng getadelt. Man darf jedoch wohl mit Gewißheit
annehmen, daß das was die rechtschaffensten und achtbarsten Männer
beider Parteien, z. B. Nottingham unter den Tories und Somers unter den
Whigs, nicht allein thaten, sondern auch öffentlich eingestanden, nicht
ganz unverantwortlich gewesen sein kann; und eine genügende
Entschuldigung ist nicht schwer zu finden.

Die Lehre, daß der Souverain nicht verantwortlich ist, ist
unzweifelhaft so alt wie irgend ein andrer Theil unsrer Verfassung.
Nicht minder uralt ist die Lehre, daß seine Minister verantwortlich
sind. Daß da wo keine Verantwortlichkeit ist, keine sichere Gewähr gegen
schlechte Verwaltung sein kann, ist ein Satz, den zu unsrer Zeit und in
unsrem Lande Wenige bestreiten werden. Aus diesen drei Vordersätzen
folgt ganz natürlich, daß die Verwaltung dann am besten geleitet zu
werden verspricht, wenn der Souverain keinen öffentlichen Act ohne die
Beihülfe und Vermittelung eines Ministers vollzieht. Diese Folgerung ist
durchaus richtig. Aber wir müssen bedenken, daß Regierungen anders
construirt sind als Schlußfolgerungen. In der Logik kann nur ein
Dummkopf die Vordersätze zugeben und den daraus hervorgehenden Schluß in
Abrede stellen. In der Praxis aber sehen wir, daß große und aufgeklärte
Staatsgesellschaften oftmals viele Generationen hindurch darin beharren,
Grundsätze aufzustellen, und doch nicht nach diesen Grundsätzen handeln
wollen. Es darf bezweifelt werden, ob irgend ein Staatswesen, das jemals
thatsächlich existirt hat, der reinen Idee dieses Staatswesens genau
entsprochen hat. Nach der reinen Idee des constitutionellen Königthums
herrscht der Fürst, regiert aber nicht, und das constitutionelle
Königthum, wie es jetzt in England besteht, kommt der reinen Idee näher
als in irgend einem andren Lande. Es würde jedoch ein großer Irrthum
sein, wollte man glauben, daß unsere Fürsten bloß herrschen und niemals
regieren. Im 17. Jahrhundert hielten es die Whigs sowohl wie die Tories
nicht allein für das Recht, sondern für die Pflicht des ersten
Staatsbeamten, zu regieren. Alle Parteien tadelten Karl II. einstimmig,
daß er nicht sein Premierminister war; alle Parteien lobten Jakob
einstimmig, daß er sein eigner Marineminister war, und alle Parteien
fanden es natürlich und vernünftig, daß Wilhelm sein eigner
Staatssekretär des Auswärtigen war.

Man wird bemerken, daß selbst die Tüchtigsten und Kenntnißreichsten
unter Denen, welche die Art und Weise tadelten, wie damals
Unterhandlungen geleitet wurden, mit sich selbst nicht recht
einig sind. Denn während sie Wilhelm tadeln, daß er sein eigner
bevollmächtigter Minister im Haag war, loben sie ihn, daß er sein
eigner Oberbefehlshaber in Irland war. Doch wo ist im Prinzip ein
Unterschied zwischen den beiden Fällen? Gewiß wird jeder Grund der
angeführt werden kann, um zu beweisen, daß er die Verfassung verletzte,
als er aus eigner Machtvollkommenheit mit dem Kaiser und dem Kurfürsten
von Brandenburg Verträge schloß, auch eben so beweisen, daß er die
Verfassung verletzte, als er aus eigner Machtvollkommenheit einer
Colonne befahl, bei Oldbridge ins Wasser zu gehen, einer andren, die
Brücke von Slane zu passiren. Wenn die Verfassung ihm das Recht gab,
die Streitkräfte des Staats zu commandiren, so gab sie ihm auch das
Recht die auswärtigen Angelegenheiten des Staats zu leiten. Nach
welchem Prinzipe kann man also behaupten, daß es ihm frei stand,
die erste Befugniß auszuüben, ohne Jemanden zu fragen, daß er aber
verpflichtet war, die letztere Befugniß nur in Uebereinstimmung
mit dem Rathe eines Ministers auszuüben? Will man etwa sagen, ein
diplomatischer Fehler könne dem Lande voraussichtlich mehr schaden als
ein strategischer Fehler? Gewiß nicht. Es läßt sich kaum denken, daß
ein Mißgriff, den Wilhelm im Haag begehen konnte, den öffentlichen
Interessen hätte nachtheiliger werden können als eine Niederlage am
Boyne. Oder wird man sagen, daß mehr Grund vorhanden gewesen sei, in
seine militärische Geschicklichkeit Vertrauen zu setzen, als in seine
diplomatische? Sicherlich nicht. Er zeigte im Kriege einige große
moralische und geistige Eigenschaften, als Taktiker aber stand er auf
keiner hohen Stufe, und von seinen zahlreichen Feldzügen waren nur zwei
entschieden glücklich. In den Talenten eines Diplomaten hingegen ist er
nie übertroffen worden. Er kannte die Interessen und Gesinnungen der
festländischen Höfe besser als sein ganzer Staatsrath zusammengenommen.
Einige seiner Minister waren unstreitig sehr geschickte Männer,
vortreffliche Redner im Hause der Lords, und genaue Kenner aller
Verhältnisse unsrer Insel. Aber bei den Verhandlungen des Congresses
würden Caermarthen und Nottingham ihm eben so weit nachstehend
erfunden worden sein, wie er sich bei einer parlamentarischen Debatte
über eine englische Angelegenheit ihnen nachstehend erwiesen haben
würde. Die Koalition gegen Frankreich war sein Werk. Er allein hatte
die Theile des großen Ganzen zusammengefügt und er allein konnte
sie zusammenhalten. Hätte er diese große und complicirte Maschine
den Händen irgend eines seiner Unterthanen anvertraut, so würde sie
augenblicklich in Stücke zerfallen sein.

Es mußte allerdings auch Einiges geschehen, was keiner seiner
Unterthanen zu thun gewagt haben würde. Der Papst Alexander war
factisch, wenn auch nicht nominell, einer der Verbündeten; es war von
höchster Wichtigkeit, ihn zum Freunde zu haben, und doch war die
Stimmung der englischen Nation von der Art, daß ein englischer Minister
sich wohl scheuen konnte, mit dem Vatikan in directem oder indirectem
Verkehr zu stehen. Die Staatssekretäre waren ganz froh, daß sie eine so
delikate und gefährliche Sache ihrem Gebieter überlassen und mit gutem
Gewissen versichern konnten, daß niemals eine einzige Zeile, gegen
welche der intoleranteste Protestant etwas hätte einwenden können, aus
ihrem Bureaux hervorgegangen sei.


[_Wilhelm erlangt eine Toleranz für die Waldenser._] Man darf jedoch
nicht glauben, daß Wilhelm je vergaß, daß die Beschützung des
reformirten Glaubens seine specielle, seine erbliche Mission war. Er
wendete seinen Einfluß auf die katholischen Fürsten beständig und
nachdrücklich zu Gunsten ihrer protestantischen Unterthanen an. Im
Frühjahr 1691 wurden die lange und grausam verfolgten und ihres Lebens
überdrüssigen waldensischen Hirten durch frohe Botschaften überrascht.
Diejenigen, welche wegen Ketzerei im Gefängniß schmachteten, kehrten in
ihre Heimath zurück. Kinder die ihren Eltern entrissen worden waren, um
von Priestern erzogen zu werden, wurden ihren Angehörigen zurückgegeben.
Gemeinden, die sich bisher nur heimlich und mit der größten Gefahr
hatten versammeln können, verehrten jetzt Gott am hellen Tage, ohne von
Jemandem belästigt zu werden. Diese einfachen Gebirgsbewohner erfuhren
wahrscheinlich niemals, daß ihr Schicksal im Haag besprochen worden war
und daß sie ihr häusliches Glück und den ungestörten Besuch ihrer
bescheidenen Tempel dem Einflusse verdankten, den Wilhelm auf den Herzog
von Savoyen ausübte.[8]


[_Mängel, welche in der Natur der Coalitionen liegen._] Keine
Coalition, deren Andenken die Geschichte uns aufbewahrt, hat ein
geschickteres Oberhaupt gehabt als Wilhelm es war. Aber selbst Wilhelm
kämpfte oft vergebens gegen die Mängel an, welche allen Coalitionen von
Natur eigen sind. Kein Unternehmen, das ein herzliches und dauerndes
Zusammenwirken vieler unabhängiger Staaten erfordert, verspricht einen
gedeihlichen Fortgang. Eifersüchteleien entstehen unvermeidlich;
Streitigkeiten erzeugen neue Streitigkeiten. Jeder Bundesgenosse fühlt
sich versucht, einen Theil der Last, die er selbst tragen sollte, auf
Andere zu wälzen. Kaum Einer stellt ehrlich das versprochene Contingent,
kaum Einer hält pünktlich den bestimmten Tag ein. Aber vielleicht keine
Coalition, welche je existirt hat, war in so fortwährender Gefahr der
Auflösung als die, welche Wilhelm mit unendlicher Mühe gebildet hatte.
Die lange Liste der Potentaten, die in Person oder durch Bevollmächtigte
vertreten, im Haag zusammenkamen, nahm sich in den Zeitungen
vortrefflich aus. Die Masse der von bunten Garden und Lakaien umgebenen
fürstlichen Equipagen gewährte unter den Linden des Voorhout einen ganz
prächtigen Anblick. Aber gerade die Umstände, welche den Congreß
glänzender machten als andere Congresse, machten die Conföderation
schwächer als andere Conföderationen. Je zahlreicher die Alliirten, um
so zahlreicher waren die Gefahren, welche der Allianz drohten. Es war
unmöglich, daß zwanzig Regierungen, welche durch Rang-, Gebiets-,
Handels- oder Religionsstreitigkeiten veruneinigt waren, lange in
vollkommener Harmonie zusammenhandeln konnten. Daß sie mehrere Jahre
lang wenigstens in unvollkommener Harmonie zusammenhandelten, ist
lediglich der Klugheit, Geduld und Festigkeit Wilhelm’s zuzuschreiben.

Die Lage seines mächtigen Feindes war eine ganz andre. Die Hülfsquellen
der französischen Monarchie kamen zwar den vereinten Hülfsquellen
England’s, Holland’s, des Hauses Oesterreich und des deutschen Reichs
nicht gleich, waren aber doch sehr achtunggebietend, denn sie waren alle
in einer Hand vereinigt und standen alle unter der unumschränkten
Leitung eines einzigen Geistes. Ludwig konnte mit zwei Worten soviel
erreichen als Wilhelm kaum durch zweimonatliche Unterhandlungen in
Berlin, München, Brüssel, Turin und Wien zu Stande bringen konnte.
Deshalb war Frankreich in effectiver Stärke allen gegen dasselbe
verbündeten Staaten zusammen gewachsen. Denn in der politischen Welt
kann, wie in der natürlichen Welt, zwischen zwei ungleichen Körpern eine
Gleichheit der Wirkung stattfinden, wenn der an Gewicht geringere Körper
an Geschwindigkeit überlegen ist.

Dies zeigte sich bald in augenfälliger Weise. Im März trennten sich die
im Haag versammelt gewesenen Fürsten und Gesandten, und kaum waren sie
auseinandergegangen, so wurden alle ihre Pläne durch eine kühne und
geschickte Bewegung des Feindes über den Haufen geworfen.


[_Belagerung und Fall von Mons._] Ludwig sah wohl ein, daß die
Zusammenkunft des Congresses einen großen Eindruck auf die öffentliche
Meinung in Europa machen werde. Diesen Eindruck beschloß er durch einen
plötzlichen und furchtbaren Schlag zu zerstören. Während seine Feinde
die Zahl der Truppen, welche jeder von ihnen stellen sollte,
festsetzten, ließ er zahlreiche Divisionen seiner Armee von weit
entfernten Punkten gegen Mons marschiren, das eine der wichtigsten, wenn
nicht die wichtigste der Festungen war, welche die spanischen
Niederlande vertheidigten. Sein Vorhaben wurde erst entdeckt, als es
fast schon ausgeführt war. Wilhelm, der sich auf einige Tage nach Loo
zurückgezogen hatte, erfuhr mit Erstaunen und mit größtem Verdrusse, daß
sich Cavallerie, Infanterie, Artillerie und Pontons auf verschiedenen
convergirenden Straßen der dem Verderben geweihten Stadt rasch näherten.
Es waren hunderttausend Mann zusammengezogen worden, und Louvois, im
Verwaltungsfache der Erste seiner Zeit, hatte reichlich für alle
Kriegsbedürfnisse gesorgt. Das Commando führte Luxemburg, der erste der
lebenden Generäle, und die wissenschaftlichen Operationen leitete
Vauban, der erste der lebenden Ingenieurs. Damit nichts fehlte, um in
allen Reihen eines tapferen und loyalen Heeres einen edlen Wetteifer zu
entzünden, war der große König selbst von Versailles nach dem Lager
abgereist. Wilhelm hatte indessen noch eine schwache Hoffnung, daß es
möglich sein könne, die Belagerung aufzuheben. Er eilte nach dem Haag,
setzte alle Truppen der Generalstaaten in Bewegung und schickte Eilboten
an die deutschen Fürsten. Schon drei Wochen nachdem er die erste Kunde
von der drohenden Gefahr erhalten, stand er an der Spitze von
funfzigtausend Mann Truppen verschiedener Nationen in der Nähe der
belagerten Stadt. Eine an Zahl überlegene, von einem Feldherrn wie
Luxemburg befehligte Armee anzugreifen, war ein kühnes, fast
verzweifeltes Unternehmen. Wilhelm aber war so entschieden der Meinung,
daß der Fall von Mons ein fast nicht wieder gutzumachendes Unglück und
eine unauslöschliche Schmach sein würde, daß er sich entschloß, sein
Heil zu versuchen. Er war überzeugt, daß der Ausgang der Belagerung die
Politik der Höfe von Stockholm und Kopenhagen bestimmen werde. Diese
beiden Höfe schienen seit Kurzem geneigt, der Coalition beizutreten;
wenn aber Mons fiel, blieben sie gewiß neutral oder wurden vielleicht
gar Feinde. „Es ist ein großes Wagniß,” schrieb er an Heinsius, „doch
bin ich nicht ohne Hoffnung. Ich werde thun was möglich ist, der Ausgang
liegt in Gottes Hand.” An dem nämlichen Tage, an welchem dieser Brief
geschrieben wurde, fiel Mons. Die Belagerung war energisch betrieben
worden. Ludwig selbst war, obgleich am Podagra leidend, mit dem
Beispiele körperlicher Anstrengung vorangegangen. Seine Haustruppen, das
schönste Soldatencorps in Europa, hatten unter seinen Augen sich selbst
übertroffen. Die jungen Cavaliere seines Hofes hatten seinen Blick auf
sich zu lenken gesucht, indem sie sich dem heftigsten Feuer mit der
nämlichen sorglosen Heiterkeit aussetzten, mit der sie gewohnt waren,
ihre eleganten Gestalten bei seinen Ballfesten zu zeigen. Seine
verwundeten Soldaten waren entzückt über die herablassende
Leutseligkeit, mit der er zwischen ihren Betten umherging, den Chirurgen
beim Verbinden der Wunden zusah und zum Frühstück einen Napf
Hospitalsuppe aß. Während bei den Belagerern Alles Gehorsam und
Begeisterung war, herrschte unter den Belagerten Uneinigkeit und Angst.
Die französischen Vorpostenlinien versahen ihren Dienst so gut, daß kein
von Wilhelm abgesandter Bote im Stande war, sich durchzuschleichen. Die
Garnison wußte daher nicht, daß Entsatz in ihrer Nähe war. Die Bürger
schauderten bei der Aussicht auf die entsetzlichen Drangsale, denen mit
Sturm genommene Städte preisgegeben sind. In den Straßen regnete es
Bomben und glühende Kanonenkugeln, und die Stadt gerieth an zehn
verschiedenen Stellen zugleich in Brand. Die friedlichen Bewohner fanden
in dem Uebermaaß ihrer Angst einen ungewöhnlichen Muth und erhoben sich
gegen die Soldaten. Von diesem Augenblicke an war jeder Widerstand
unmöglich, und es wurde daher eine Kapitulation geschlossen. Dann
kehrten die Armeen in ihre Quartiere zurück und die militärischen
Operationen ruhten einige Wochen; Ludwig kehrte im Triumph nach
Versailles zurück und Wilhelm machte England, wo seine Anwesenheit
dringend nöthig war, einen kurzen Besuch.[9]


[_Wilhelm kehrt nach England zurück. Prozesse Preston’s und
Ashton’s._] Er fand die Minister noch immer damit beschäftigt, die
Verzweigungen des Complots aufzufinden, das kurz vor seiner Abreise
entdeckt worden war. Zu Anfang des Januar waren Preston, Ashton und
Elliot vor die Old Bailey gestellt worden. In ihren Einwendungen
beanspruchten sie das Recht der abgesonderten Prozessirung, und die
Untersuchung mußte daher gegen jeden einzeln geführt werden. Das
Auditorium war zahlreich und glänzend, viele Peers waren anwesend. Der
Lordpräsident und die beiden Staatssekretäre wohnten der Verhandlung
bei, um zu beweisen, daß die dem Gerichtshof vorliegenden Papiere die
nämlichen wären, welche Billop nach Whitehall gebracht hatte. Eine
beträchtliche Anzahl Richter saßen auf der Bank und Holt präsidirte. Es
ist ein vollständiger Bericht über die Verhandlungen auf uns gekommen
und derselbe verdient aufmerksam studirt und mit den Berichten über
andere Prozesse, welche nicht lange vorher unter dem nämlichen Dache
stattgefunden hatten, verglichen zu werden. Der ganze Geist des
Tribunals hatte in wenigen Monaten eine so vollständige Umwandlung
erfahren, daß man hätte glauben sollen, sie könne nur das Werk von
Jahrhunderten sein. Zwölf Jahre früher hatten unglückliche Katholiken
unter der Anklage eines Verbrechens, das ihnen nie in den Sinn gekommen
war, vor der nämlichen Verhörsschranke gestanden. Die Kronzeugen
hatten ihre abscheulichen Erdichtungen unter dem Beifallsgemurmel der
Anwesenden wiederholt. Die Richter hatten die stupide Leichtgläubigkeit
und die wilden Leidenschaften des großen Haufens getheilt oder
doch sich gestellt, als ob sie dieselben theilten, hatten mit den
meineidigen Angebern lächelnde Blicke und Complimente gewechselt, die
von den Gefangenen mit schwacher Stimme hervorgestammelten Argumente
überschrien und sich nicht entblödet, bei Fällung des Todesurtheils
gemeine Witze über das Fegefeuer und die Messe zu machen. Sobald das
Abschlachten der Papisten vorüber war, hatte das Abschlachten der
Whigs begonnen, und die Richter waren an dieses neue Werk mit noch
größerer Barbarei gegangen. Diesen Skandalen hatte die Revolution
ein Ziel gesetzt. Wer nach Durchlesung der Prozesse Ireland’s und
Pickering’s, Grove’s und Berry’s, Sidney’s, Cornish’s und der Alice
Lisle zu den Prozessen Preston’s und Ashton’s übergeht, wird über
den Contrast erstaunen. Der Generalprokurator Somers führte die
Untersuchung mit einer Mäßigung und Humanität, von der seine Vorgänger
ihm kein Beispiel gegeben hatten. „Ich habe nie geglaubt,” sagte er,
„daß Jemand, der in Fällen dieser Art als Rechtsbeistand des Königs
fungirt, die Verpflichtung habe, das Verbrechen des Gefangenen in ein
schwärzeres Licht zu stellen oder die Beweisführung mit falschen Farben
auszuschmücken.”[10] Holt’s Benehmen war tadellos. Pollexfen, der älter
war als Holt und Somers, hatte noch ein wenig -- und ein wenig war
schon zu viel -- von dem Tone der schlechten Schule beibehalten, in der
er gebildet war. Aber obwohl er einigemal das strenge Decorum seiner
Stellung vergaß, kann man ihn doch keiner Verletzung der materiellen
Gerechtigkeit bezichtigen. Die Gefangenen selbst scheinen über die
Unparteilichkeit und Milde, mit der sie behandelt wurden, erstaunt
gewesen zu sein. „Ich versichere Ihnen,” sagte Holt zu Preston, „daß
ich die Jury nicht irreleiten, noch Eurer Lordschaft überhaupt im
entferntesten Unrecht thun werde.” -- „Ja, Mylord,” entgegnete Preston,
„ich sehe es deutlich genug, daß Eure Lordschaft dies nicht wollen.”
-- „Welches auch mein Schicksal sein mag,” sagte Ashton, „ich muß
bekennen, daß mein Prozeß mit Unparteilichkeit geführt worden ist.”

Die Angeklagten gewannen indeß nichts durch die Mäßigung des
Generalprokurators oder durch die Unparteilichkeit des Gerichtshofes,
denn die Beweise waren unumstößlich. Die Bedeutung der von Billop
aufgefangenen Papiere war so klar, daß auch der beschränkteste
Geschworne sie nicht mißverstehen konnte. Es war vollständig erwiesen,
daß ein Theil dieser Papiere von Preston’s Hand herrührte. Ein andrer
Theil war von Ashton’s Hand, aber dies konnten die Anwälte der Krone
nicht beweisen. Sie gründeten daher die Anklage gegen Ashton auf die
unbestreitbare Thatsache, daß das verrätherische Packet auf seiner Brust
gefunden worden war und daß er Aeußerungen gethan hatte, welche keinen
Sinn gehabt haben würden, wenn er nicht eine strafbare Kenntniß des
Inhalts gehabt hätte.[11]


[_Ashton’s Hinrichtung._] Preston und Ashton wurden Beide überführt und
zum Tode verurtheilt. Ashton wurde bald hingerichtet. Er hätte sein
Leben retten können, wenn er Enthüllungen gemacht hätte. Aber obgleich
er erklärte, daß, wenn man ihm seine Strafe erließe, er stets ein treuer
Unterthan Ihrer Majestäten sein würde, war er doch fest entschlossen,
die Namen seiner Mitschuldigen nicht zu nennen. In diesem Entschlusse
wurde er durch die eidverweigernden Geistlichen bestärkt, die ihn in
seiner Zelle besuchten. Durch sie hatte er sich auch wahrscheinlich dazu
bestimmen lassen, noch auf dem Schaffot den Sheriffs eine Erklärung
einzuhändigen, die er abgeschrieben und unterzeichnet, aber, wie man
hoffen darf, weder verfaßt, noch aufmerksam erwogen hatte. In diesem
Schriftstücke ließ man ihn sich über die Parteilichkeit seines Prozesses
beschweren, von dem er selbst öffentlich anerkannt hatte, daß er im
höchsten Grade unparteiisch geführt worden sei. Auch ließ man ihn auf
das Wort eines Sterbenden versichern, daß er den Inhalt der bei ihm
gefundenen Papiere nicht kenne. Unglücklicherweise erwies sich bei
genauer Untersuchung die Handschrift seiner Erklärung als genau
übereinstimmend mit der eines der wichtigsten von jenen Papieren. Er
starb mit männlicher Standhaftigkeit.[12]


[_Preston’s Unschlüssigkeit und seine Geständnisse._] Elliot wurde
nicht zur Untersuchung gezogen. Die gegen ihn vorliegenden Beweise waren
nicht ganz so klar wie die, auf welche hin seine Genossen verurtheilt
worden waren, und überdies war er des Zornes der Regierung nicht werth.
Preston’s Schicksal war lange unentschieden. Die Jakobiten stellten sich
als ob sie fest überzeugt wären, daß die Regierung es nicht wagen würde,
sein Blut zu vergießen. Er sei, sagten sie, ein Günstling von Versailles
und sein Tod werde furchtbare Repressalien zur Folge haben. Sie
vertheilten in den Straßen London’s Papiere, in denen versichert wurde,
daß, wenn ihm ein Leid geschähe, Mountjoy und alle anderen angesehenen
Engländer, die als Gefangene in Frankreich lebten, gerädert werden
würden.[13] Diese lächerlichen Drohungen würden die Hinrichtung nicht um
einen einzigen Tag verzögert haben. Aber Die, welche Preston in ihrer
Gewalt hatten, waren nicht abgeneigt, ihn unter gewissen Bedingungen
frei ausgehen zu lassen. Er war in alle Geheimnisse der mißvergnügten
Partei eingeweiht und konnte höchst werthvolle Aufschlüsse geben. Er
wurde benachrichtigt, daß sein Schicksal in seiner Hand liege. Der Kampf
war lang und schwer. Auf der einen Seite Stolz, Gewissen und
Parteigeist, auf der andren die heftige Liebe zum Leben. Eine Zeit lang
schwankte er unschlüssig hin und her. Hörte er seine jakobitischen
Genossen, so stieg sein Muth; hörte er die Agenten der Regierung, so
sank ihm das Herz in der Brust. Wenn er des Abends gut gegessen und
seinen Claret getrunken hatte, fürchtete er nichts. Er wollte lieber wie
ein Mann sterben, als seinen Kopf durch eine Schurkerei retten. Aber
seine Stimmung war eine ganz andre, wenn er am folgenden Morgen
erwachte, wenn der Muth, den er aus Wein und Gesellschaft geschöpft,
verflogen, wenn er wieder allein war mit seinen Eisengittern und seinen
steinernen Mauern und wenn der Gedanke an den Block, das Beil und die
Sägespäne in ihm aufstieg. Eine Zeit lang setzte er regelmäßig jeden
Vormittag, während er nüchtern war, ein Bekenntniß auf, das er am Abend,
wenn er aufgeheitert war, wieder verbrannte.[14] Seine eidverweigernden
Freunde entwarfen den Plan, Sancroft zu einem Besuch im Tower zu
bewegen, wahrscheinlich in der Hoffnung, daß die Ermahnungen eines so
angesehenen Prälaten und eines so großen Heiligen die erschütterte
Standhaftigkeit des Gefangenen wieder kräftigen würden.[15] Ob dieser
Plan Erfolg gehabt haben würde, steht zu bezweifeln; er kam nicht zur
Ausführung, die verhängnißvolle Stunde rückte heran, und Preston’s
Festigkeit wich. Er bekannte sich für schuldig und nannte Clarendon,
Dartmouth, den Bischof von Ely und Wilhelm Penn als seine Complicen.
Außerdem gab er eine lange Liste von Personen, denen er selbst nichts
zur Last legen könne, die aber, wenn er Penn’s Versicherungen glauben
dürfe, mit König Jakob auf freundschaftlichem Fuße ständen. Unter diesen
Personen befanden sich Devonshire und Dorset.[16] Es ist nicht der
geringste Grund zu der Annahme vorhanden, daß einer von diesen beiden
vornehmen Edelleuten jemals direct oder indirect mit Saint-Germains
verkehrt habe. Doch kann man deshalb Penn nicht absichtlicher Unwahrheit
beschuldigen. Er war leichtgläubig und geschwätzig. Der Obersthofmeister
und der Lord Kammerherr hatten den Verdruß getheilt, mit welchem ihre
Partei die Hinneigung Wilhelm’s zu den Tories bemerkt, und
wahrscheinlich hatten sie diesen Verdruß unbesonnenerweise geäußert. Ein
so schwacher Mann wie Penn, der überall Jakobiten zu finden wünschte und
der stets geneigt war zu glauben was er wünschte, konnte leicht
Invectiven, zu deren Aeußerung der stolze und reizbare Devonshire nur zu
bereit war, und Sarkasmen, wie sie in Augenblicken übler Laune den
Lippen des witzigen Dorset nur zu leicht entschlüpften, eine falsche
Deutung geben. Caermarthen, ein Tory, und ein Tory, den die Whigs
unbarmherzig verfolgt hatten, war geneigt, diese leeren Gerüchte nach
Möglichkeit auszubeuten. Aber er wurde darin von seinem Gebieter nicht
ermuthigt, der unter allen großen Staatsmännern, von denen uns die
Geschichte erzählt, am wenigsten argwöhnisch war. Als Wilhelm nach
England zurückkam, wurde Preston vor ihn geführt und ihm geheißen das
Geständniß zu wiederholen, das er schon den Ministern abgelegt hatte.
Der König stand hinter dem Stuhle des Lord Präsidenten und hörte mit
ernster Miene zu, während Clarendon, Dartmouth, Turner und Penn genannt
wurden. Sobald aber der Gefangene von dem was er selbst bezeugen konnte,
zur Wiederholung der Geschichten überging, welche Penn ihm erzählt
hatte, berührte Wilhelm Caermarthen’s Schulter und sagte zu ihm:
„Mylord, wir haben nur zuviel schon gehört.”[17] Diese einsichtsvolle
Großmuth fand den verdienten Lohn. Devonshire und Dorset widmeten sich
von diesem Augenblicke an eifriger als je der Sache des Gebieters, der
trotz der Verleumdung, zu der ihre Unbesonnenheit vielleicht einigen
Grund geliefert hatte, nach wie vor Vertrauen in ihre Loyalität
setzte.[18]


[_Nachsicht gegen die Verschwörer. Clarendon._] Selbst Diejenigen,
welche unzweifelhaft strafbar waren, wurden im allgemeinen mit großer
Milde behandelt. Clarendon saß ungefähr sechs Monate im Tower. Seine
Schuld war vollkommen erwiesen, und eine Partei unter den Whigs
verlangte laut und ungestüm seinen Kopf. Er wurde jedoch durch die
dringenden Bitten seines Bruders Rochester, durch die Fürsprache des
menschenfreundlichen und edelmüthigen Burnet und durch Mariens Pietät
für das Andenken ihrer Mutter gerettet. Die Haft des Gefangenen war
nicht streng, und er durfte seine Freunde in seiner Zelle bewirthen. Als
endlich seine Gesundheit zu leiden begann, erhielt er die Erlaubniß,
unter Aufsicht eines Kerkermeisters aufs Land zu gehen; der Aufseher
wurde bald zurückgerufen und Clarendon benachrichtigt, daß man ihn nicht
behelligen werde, so lange er ein ruhiges Landleben führe.[19]


[_Dartmouth._] Dartmouth’s Verrath war von nicht gewöhnlicher Art. Er
war ein englischer Seemann, hatte den Anschlag gemacht, Portsmouth den
Franzosen zu überliefern und hatte sich erboten, das Commando eines
französischen Geschwaders gegen sein Vaterland zu übernehmen. Seine
Schuld wurde dadurch noch bedeutend erschwert, daß er einer der Ersten
gewesen war, welche Wilhelm und Marien den Huldigungseid geleistet
hatten. Er ward verhaftet und vor den Geheimen Rath gestellt. Eine von
ihm selbst geschriebene Erzählung dessen was dort vorging, ist uns
erhalten worden. In dieser Erzählung giebt er zu, daß er mit großer
Artigkeit und Rücksicht behandelt wurde. Er betheuerte mit Heftigkeit
seine Unschuld und erklärte, daß er nie mit Saint-Germains correspondirt
habe, daß er kein Günstling des dortigen Hofes sei und daß besonders
Marie von Modena einen alten Groll gegen ihn hege. „Mylords,” sagte er,
„ich bin ein Engländer und habe jederzeit, selbst als das Ansehen des
Hauses Bourbon hier am größten war, die Franzosen, Männer sowohl als
Frauen, gemieden. Ich würde eher den letzten Tropfen meines Blutes
hingeben, als Portsmouth in der Gewalt von Fremden sehen. Ich bin kein
solcher Thor, daß ich glauben könnte, König Ludwig wollte unser Land nur
für König Jakob erobern. Ich weiß gewiß, daß mir mit Grund nichts zur
Last gelegt werden kann als höchstens einige übereilte Aeußerungen bei
der Flasche.” Seine Versicherungen scheinen einigen Eindruck gemacht zu
haben, denn man gestattete ihm anfangs die sehr milde Haft unter der
Obhut des schwarzen Stabes. Im weiteren Verlaufe der Untersuchung jedoch
beschloß man ihn in den Tower zu schicken. Nach einer Haft von wenigen
Wochen starb er an einem Schlaganfall, aber er lebte noch lange genug,
um das Maß seiner Schande voll zu machen, indem er der neuen Regierung
seinen Degen anbot und in glühenden Worten die Hoffnung aussprach, daß
die Güte Gottes und Ihrer Majestäten ihm eine Gelegenheit geben möchte
zu beweisen wie sehr er die Franzosen hasse.[20]


[_Turner._] Turner schwebte in keiner ernsten Gefahr, denn die Regierung
war entschieden abgeneigt, einen von den Sieben, welche die denkwürdige
Petition unterzeichnet hatten, aufs Schaffot zu bringen. Es wurde
indessen ein Verhaftsbefehl gegen ihn erlassen, und seine Freunde hatten
wenig Hoffnung, daß er entkommen würde, denn er war im Besitz einer
Nase, die Niemand vergessen konnte, wenn er sie einmal gesehen, und es
half ihm nur wenig, daß er eine wallende Perrücke trug und sich den Bart
wachsen ließ. Die Verfolgung wurde jedoch wahrscheinlich nicht sehr
eifrig betrieben, denn nachdem er sich einige Wochen in England
verborgen gehalten, gelang es ihm über den Kanal zu entkommen, und er
blieb einige Zeit in Frankreich.[21]


[_Penn._] Auch gegen Penn wurde ein Verhaftsbefehl erlassen, und er
entging mit genauer Noth den Staatsboten. Gerade an dem Tage, an welchem
sie ausgeschickt wurden, um auf ihn zu fahnden, wohnte er einer großen
Feierlichkeit in der Nähe seines Wohnorts bei. Es war ein Ereigniß
eingetreten, das der Geschichtsschreiber, der sich das Ziel gesteckt
hat, das wirkliche Leben einer Nation darzustellen, nicht unerwähnt
lassen darf. Während London noch durch die Nachricht aufgeregt war, daß
ein Complot entdeckt worden sei, starb Georg Fox, der Gründer der
Quäkersecte.


[_Tod Georg Fox; sein Character._] Mehr als vierzig Jahre waren
verstrichen, seitdem Fox angefangen hatte, Visionen zu sehen und Teufel
auszutreiben.[22] Er war damals ein Jüngling von reinen Sitten und
ernstem Wandel, begabt mit einem eigensinnigen Temperament, mit der
Bildung eines Handwerksmannes und mit einem Verstande, der sich in der
unglücklichsten Verfassung von der Welt befand, und zwar deshalb, weil
er zu verworren war für die Freiheit und doch nicht verworren genug für
das Irrenhaus. Die Verhältnisse, in die er versetzt wurde, waren aber
auch von der Art, daß sie die Verkehrtheiten seines Geistes nothwendig
in der stärksten Form zum Ausbruch bringen mußten. Zu der Zeit als seine
Verstandeskräfte zu reifen begannen, kämpften Episkopalen,
Presbyterianer, Independenten und Baptisten um die Herrschaft und
widerlegten und schmähten einander in jedem Winkel des Reichs. Er
wanderte von Gemeinde zu Gemeinde, hörte Priester gegen Puritaner und
Puritaner gegen Priester haranguiren und wendete sich vergebens um
geistlichen Rath und Trost an Gelehrte beider Parteien. Ein jovialer
alter Geistlicher der anglikanischen Gemeinschaft rieth ihm Tabak zu
rauchen und Psalmen zu singen, ein andrer sagte ihm, er solle sich ein
wenig Blut abzapfen lassen.[23] Der junge Forscher wendete sich mit
Abscheu von diesen Rathgebern ab zu den Dissenters und fand auch in
ihnen blinde Führer.[24] Nach einiger Zeit gelangte er zu dem Schlusse,
daß kein menschliches Wesen befähigt sei, ihn in göttlichen Dingen zu
belehren und daß die Wahrheit ihm durch unmittelbare Inspiration vom
Himmel mitgetheilt worden sei. Aus dem Umstande, daß die Spaltung der
Sprachen in Babel begonnen und daß die Verfolger Christi eine
lateinische, griechische und hebräische Inschrift an das Kreuz setzten,
folgerte er, daß die Kenntniß der Sprachen, ganz besonders der
lateinischen, griechischen und hebräischen, einem christlichen
Geistlichen nutzlos sein müsse.[25] Er war allerdings so weit entfernt,
viele Sprachen zu verstehen, daß er gar keine verstand; die corrupteste
hebräische Stelle kann dem Ungelehrten nicht unverständlicher sein, als
sein Englisch oft dem scharfsinigsten und aufmerksamsten Leser ist.[26]
Eine der kostbaren Wahrheiten, welche diesem neuen Apostel auf
göttlichem Wege offenbart wurden, war, daß es Falschheit und
Schmeichelei sei, sich der zweiten Person im Plural, anstatt der zweiten
Person im Singular zu bedienen. Eine andre war, daß, wer vom Monat März
spreche, den blutdürstigen Gott Mars verehre, und wer vom Montag
spreche, dem Monde eine abgöttische Huldigung darbringe. Guten Morgen
und guten Tag sagen war höchst verwerflich, denn in diesen Phrasen lag
offenbar der Sinn, daß Gott auch schlechte Tage und schlechte Nächte
gemacht habe.[27] Ein Christ war verbunden, eher dem Tode
entgegenzugehen, als vor dem Vornehmsten der Menschen den Hut zu ziehen.
Als Fox aufgefordert wurde, zur Unterstützung dieses Dogmas eine
biblische Autorität anzuführen, citirte er die Stelle, wo geschrieben
steht, daß Shadrach, Mesach und Abednego mit den Hüten auf dem Kopfe in
den feurigen Ofen geworfen wurden, und wenn man seiner eigenen Erzählung
glauben darf, wußte der Oberrichter von England auf dieses Argument mit
nichts weiter zu antworten als mit dem Ausrufe: „Führt ihn ab,
Kerkermeister!”[28] Fox legte auch viel Werth auf das nicht minder
gewichtige Argument, daß die Türken ihren Vorgesetzten nie das entblößte
Haupt zeigen, und er fragte mit großer Lebhaftigkeit, ob Die, welche den
hehren Namen Christen trügen, die Türken an Tugend nicht übertreffen
müßten.[29] Das Verbeugen verbot er auf’s Strengste und schien es
wirklich als die Aeußerung eines satanischen Einflusses zu betrachten,
denn wie er bemerkte, wurde das Weise im Evangelium, das von einem
Krankeitsteufel besessen war, zusammengekrümmt, was aber sogleich
aufhörte, als göttliche Macht sie von der Tyrannei des Bösen befreit
hatte.[30] Seine Erklärungen der heiligen Schriften waren höchst
wunderlich. Stellen, welche alle Leser der Evangelien seit sechzehn
Jahrhunderten bildlich verstanden, legte er wörtlich aus, und andere
Stellen, die kein Mensch vor ihm anders als im wörtlichen Sinne
verstanden hatte, legte er bildlich aus. So leitete er aus den
rhetorischen Ausdrücken, welche bei Beleidigungen die Pflicht der Geduld
einschärfen, die Lehre ab, daß Selbstvertheidigung gegen Räuber und
Mörder unerlaubt sei. Dagegen erklärte er die einfachen und klaren
Gebote, mit Wasser zu taufen und zum Gedächtniß der Erlösung der
Menschheit Brot und Wein zu genießen, für allegorisch. Er zog lange von
Ort zu Ort und lehrte diese wunderliche Theologie, zitterte in seinen
Anfällen fanatischer Aufregung wie Espenlaub, drängte sich mit Gewalt in
die Kirchen, denen er den Spottnamen Thurmhäuser gab, unterbrach die
Gebete und Predigten durch Geschrei und Verhöhnungen[31] und peinigte
die Rectoren und Richter mit Episteln, welche große Aehnlichkeit mit
Parodien der erhabenen Oden hatten, in denen die hebräischen Propheten
die Drangsale von Babylon und Tyrus vorhersagten.[32] Er erlangte durch
diese Thaten bald ein großes Renommée. Sein sonderbares Gesicht, seine
sonderbare Sprache, sein unbeweglicher Hut und seine Lederhosen waren im
ganzen Lande bekannt, und er rühmte sich, daß, sobald sich das Gerücht
verbreitete: „der Mann mit den Lederhosen kommt,” heuchlerische
Professoren von Entsetzen ergriffen wurden und feile Priester ihm
eiligst aus dem Wege gingen.[33] Er wurde zu wiederholten Malen
eingesperrt, bald mit Recht, weil er den öffentlichen Gottesdienst
störte, bald mit Unrecht, bloß weil er Unsinn schwatzte. Indessen
sammelte er bald eine Anzahl Schüler um sich, von denen manche ihn an
Albernheit noch übertrafen. Er erzählt uns, daß einer seiner Freunde
nackend durch Skipton ging, die Wahrheit erklärend,[34] und daß ein
Andrer aus göttlicher Anregung mehrere Jahre hindurch nackend auf
Marktplätze und in die Häuser von Gentlemen und Geistlichen ging.[35]
Fox beklagt sich bitter, daß diese vom heiligen Geiste eingegebenen
frommen Handlungen von einer verkehrten Generation mit Rippenstößen,
Steinwürfen und Peitschenhieben belohnt wurden. Obgleich er aber den
Eifer der Dulder lobte, ging er doch nicht ganz so weit wie sie.
Zuweilen fühlte er allerdings das Bedürfniß, sich theilweis zu
entkleiden. So zog er einmal seine Schuhe aus und ging mit dem Ausrufe:
„Wehe der blutigen Stadt!” barfuß durch Lichfield.[36] Er scheint sich
jedoch nie für verpflichtet gehalten zu haben, vor dem Publikum ohne das
anständige Kleidungsstück zu erscheinen, dem seine volksthümliche
Bezeichnung entlehnt war.

Beurtheilen wir Georg Fox einfach nach seinen Thaten und Schriften, so
werden wir keinen Grund sehen, ihn in moralischer oder geistiger
Hinsicht über Ludwig Muggleton oder Johanna Southcote zu stellen. Allein
es würde höchst ungerecht sein, wollte man die Secte, die ihn als ihren
Gründer betrachtet, mit den Muggletonianern oder Southcotianern auf eine
Stufe stellen. Unter den Tausenden, die von seinem Fanatismus angesteckt
wurden, befanden sich einige Personen, deren Geistesgaben und Bildung
ganz andrer Art waren, als die seinigen. Robert Barclay war ein Mann von
bedeutenden Talenten und Kenntnissen. Wilhelm Penn, obwohl Barclay an
natürlichen und erworbenen Geistesvorzügen nachstehend, war ein
Gentleman und Gelehrter. Daß solche Männer Anhänger Georg Fox’ werden
konnten, wird Den nicht Wunder nehmen, der bedenkt, welche
scharfsinnigen und hochgebildeten Geister selbst in unsrer Zeit durch
die unbekannten Zungen getäuscht worden sind. Es ist ausgemacht, daß
keine noch so hohe geistige Begabung gegen Verirrungen dieser Art
schützt. In Bezug auf Gott und seine Wege vermag auch der gebildetste
menschliche Verstand wenig mehr zu ergründen als der ungebildetste. In
der Theologie ist in der That nur ein geringer Unterschied zwischen
Aristoteles und einem Kinde, zwischen Archimedes und einem nackten
Wilden. Es ist daher kein Wunder, wenn selbst einsichtsvolle Männer, des
Grübelns müde, von Ungewißheit gequält, von dem Drange beseelt, etwas zu
glauben, und doch gegen Alles Einwendungen erblickend, sich endlich
blindlings Lehrern in die Arme werfen, die sich mit festem und
zweifellosem Glauben für vom Himmel Gesandte halten. So sehen wir
oftmals forschende und ruhelose Köpfe sich vor ihrem eignen Skepticismus
in den Schooß einer Kirche flüchten, welche Anspruch auf Unfehlbarkeit
macht, und es über sich gewinnen eine Oblate anzubeten, nachdem sie an
der Existenz einer Gottheit gezweifelt haben. So kam es, daß auch Fox
einige Convertiten machte, die in Allem, außer in der Energie seiner
Ueberzeugungen, unendlich höher standen als er. Diese Convertiten
brachten seine rohen Lehren in eine den gesunden Verstand und den guten
Geschmack etwas weniger verletzende Form. Keine Behauptung, die er
aufgestellt, wurde zurückgenommen, keine unschickliche oder lächerliche
Handlung, die er verrichtet oder gebilligt, wurde verdammt; aber das
Absurdeste in seinen Theorien und Handlungen wurde gemildert oder
wenigstens dem Publikum nicht aufgedrängt; Alles was dem Auge annehmbar
gemacht werden konnte, wurde in das beste Gewand gekleidet; sein
Kauderwälsch wurde ins Englische übersetzt; seinen Phrasen wurde ein
Sinn untergelegt, den er nicht begriffen haben würde und sein System,
das auf diese Art so sehr verbessert worden, daß er es nicht wieder
erkannt haben würde, wurde durch zahlreiche Citate aus heidnischen
Philosophen und christlichen Kirchenvätern vertheidigt, deren Namen er
nie gehört hatte.[37] Gleichwohl legten Diejenigen, die seine Theologie
umgeformt, nach wie vor eine tiefe Ehrfurcht vor ihm an den Tag, die sie
auch ohne Zweifel wirklich empfanden, und seine unsinnigen Episteln
wurden fortwährend in den Quäkerversammlungen des ganzen Landes mit
Achtung aufgenommen und verlesen. Sein Tod machte ein Aufsehen, das sich
nicht auf seine Schüler beschränkte. Am Morgen des Leichenbegängnisses
versammelte sich eine große Menschenmenge vor dem Bethause in
Gracechurch Street. Von da wurde der Leichnam nach dem Gottesacker der
Seele unweit Bunhill Fields getragen. Mehrere Redner sprachen zu der
Menge, welche den Friedhof füllte. Unter den Jüngern, die den
ehrwürdigen Leichnam der Erde übergaben, bemerkte man Penn. Die
Ceremonie war kaum zu Ende, als er erfuhr, daß Verhaftsbefehle gegen ihn
erlassen waren. Er ergriff augenblicklich die Flucht und verbarg sich
viele Monate lang vor den Augen der Oeffentlichkeit.[38]


[_Unterredung zwischen Penn und Sidney._] Kurze Zeit nach seinem
Verschwinden erhielt Sidney eine sonderbare Mittheilung von ihm. Penn
bat um eine Unterredung, verlangte aber das Versprechen, daß er
unangefochten in sein Versteck zurückkehren dürfe. Sidney erhielt die
königliche Erlaubniß, unter dieser Bedingung die nöthige Veranstaltung
zu treffen. Penn kam an den ihm bezeichneten Ort und sprach ausführlich
zu seiner Vertheidigung. Er erklärte, daß er ein treuer Unterthan des
Königs Wilhelm und der Königin Marie sei und daß er, wenn ihm ein
Anschlag gegen sie bekannt wäre, denselben enthüllen würde. Er ging
diesmal von seinem Ja und Nein ab und betheuerte vor Gott, daß er von
keinem Complot wisse und daß er überhaupt gar nicht an die Existenz
eines Complots glaube, es sei denn, daß man die ehrgeizigen Projecte der
französischen Regierung so nennen wolle. Sidney, wahrscheinlich
erstaunt, einen Mann, der einen solchen Abscheu vor dem Lügen hatte, daß
er die gewöhnlichen Formen der Höflichkeit nicht beobachtete, und einen
solchen Abscheu vor Eiden, daß er vor Gericht das Evangelium nicht
küßte, etwas einer Lüge sehr Aehnliches sagen und mit etwas einem Eide
sehr Aehnlichen bekräftigen zu hören, fragte ihn, wie man sich die
Existenz der bei Ashton gefundenen Briefe und Notizen erklären solle,
wenn wirklich kein Complot bestehe. Dieser Frage wich Penn aus. „Wenn
ich nur mit dem Könige sprechen könnte,” sagte er, „so würde ich ihm
Alles offen gestehen. Ich würde ihm Vieles sagen, was ihm zu wissen
wichtig sein würde. Nur auf diese Weise kann ich ihm nützlich werden.
Ein Kronzeuge kann ich nicht sein, denn mein Gewissen erlaubt mir nicht
zu schwören.” Er versicherte Sidney, daß die gefährlichsten Feinde der
Regierung die unzufriedenen Whigs seien. „Die Jakobiten sind nicht
gefährlich, denn es ist kein Einziger unter ihnen, der gesunden Verstand
hat. Einige von Denen, die mit dem Könige aus Holland herübergekommen,
sind weit mehr zu fürchten.” Namen scheint Penn nicht genannt zu haben.
Man ließ ihn ungehindert wieder gehen und es wurden auch keine thätigen
Nachforschungen nach ihm angestellt. Er blieb noch einige Monate in
London verborgen, stahl sich dann nach der Küste von Sussex und entkam
nach Frankreich. Nachdem er ungefähr drei Jahre im Verborgenen
umhergestreift war, söhnte er sich durch Vermittelung einiger
hochgestellter Männer, die seine Fehler um seiner guten Eigenschaften
willen übersahen, mit der Regierung aus und wagte es wieder seine
geistlichen Functionen zu verrichten. Die Art und Weise jedoch, wie er
die gegen ihn geübte Milde vergalt, gereicht seinem Character nicht zu
großer Ehre. Kaum hatte er wieder angefangen, öffentlich über die
Unrechtmäßigkeit des Kriegs zu haranguiren, so schickte er eine
Botschaft ab, durch die er Jakob dringend aufforderte, mit
dreißigtausend Mann unverzüglich eine Landung in England zu
unternehmen.[39]


[_Preston begnadigt._] Es vergingen noch einige Monate, ehe Preston’s
Schicksal entschieden wurde. Nach wiederholten Aufschiebungen setzte die
Regierung, welche überzeugt war, daß er, obwohl er viel gesagt hatte,
noch mehr sagen könne, einen Tag zu seiner Hinrichtung fest und befahl
den Sheriffs, die Todesmaschinerie in Bereitschaft zu halten.[40] Er
erlangte jedoch einen abermaligen Aufschub und nach Verlauf einiger
Wochen erhielt er seine Begnadigung, die sich indeß nur auf sein Leben
erstreckte, sein Vermögen aber allen Consequenzen der Verurtheilung
unterwarf. Kaum war er in Freiheit gesetzt, so gab er neue Ursache zu
Aergerniß und Verdacht und wurde abermals verhaftet, verhört und
eingesperrt.[41] Endlich gestattete man ihm, sich, verfolgt von dem
Hohngeschrei und den Verwünschungen beider Parteien, auf ein einsames
Landhaus im nördlichen Bezirke von Yorkshire zurückzuziehen. Hier hatte
er wenigstens nicht die zornigen Blicke ehemaliger Parteigenossen zu
ertragen, die ihn einst für einen Mann von furchtlosem Muthe und
makelloser Ehre gehalten hatten, die aber jetzt erklärten, daß er im
besten Falle ein Feigling sei, und den Verdacht äußerten, daß er von
Anfang an ein Spion und Verführer gewesen.[42] Er verwendete den kurzen
und traurigen Rest seines Lebens dazu, den Trost des Boethius ins
Englische zu übersetzen. Die Uebersetzung erschien nach dem Tode des
Uebersetzers im Druck. Sie ist hauptsächlich wegen einiger völlig
mißlungener Versuche, unsren Versbau mit neuen Metren zu bereichern und
wegen der Anspielungen, mit denen die Vorrede angefüllt ist,
interessant. Unter einem dünnen Schleier bildlicher Redensarten legte
Preston dem Mitleid oder der Verachtung des Publikums seinen befleckten
Ruf und sein gebrochenes Herz dar. Er beklagte sich, daß das Tribunal,
das ihn zum Tode verurtheilt, milder gegen ihn gehandelt habe als seine
früheren Freunde, und daß Viele, die niemals durch Versuchungen wie die
seinigen geprüft worden seien, sich sehr wohlfeil den Ruf des Muthes
erworben hätten, indem sie über seine Aengstlichkeit gespöttelt und von
ferne Schrecken getrotzt, welche in der Nähe gesehen selbst einen
standhaften Geist besiegen müßten.


[_Freude der Jakobiten über den Fall von Mons._] Der Muth der Jakobiten,
der auf einige Zeit durch die Entdeckung des Preston’schen Complots
gebeugt worden war, wurde durch den Fall von Mons wieder aufgerichtet.
Die Freude der ganzen Partei war grenzenlos. Die eidverweigernden
Priester liefen zwischen Sam’s Kaffeehaus und Westminster Hall hin und
her, Ludwig preisend und über den kläglichen Ausgang der Berathungen des
Congresses lachend. Im Park zeigten die Mißvergnügten ihre stolzesten
Mienen und predigten mit ihrer lautesten Stimme Aufruhr. Der
Hervorragendste unter diesen Großsprechern war Sir Johann Fenwick, der
unter der vorigen Regierung in großer Gunst gestanden und ein hohes
militärisches Commando bekleidet hatte und jetzt ein unermüdlicher
Agitator und Verschwörer war. In seinem Freudentaumel vergaß er die
Artigkeit, die der Mann dem andren Geschlecht schuldig ist. Schon mehr
als einmal hatte er sich durch seine Impertinenz gegen die Königin
bemerkbar gemacht. Jetzt trat er ihr absichtlich in den Weg, wenn sie
ihre Erholungspromenade machte, und während Alles um ihn her das Haupt
entblößte und sich tief verbeugte, sah er sie starr an und drückte vor
ihren Augen den Hut tiefer über die Stirn. Die Beleidigung war nicht nur
roh, sondern feig, denn das Gesetz hatte keine Strafe für bloße
Impertinenz und der König war der einzige Gentleman und Offizier im
Königreiche, der seine Gemahlin nicht mit dem Degen gegen Insulten
schützen konnte. Die Königin konnte weiter nichts thun als den
Parkhütern befehlen, daß sie Sir John nicht wieder einließen. Lange nach
ihrem Tode kam eine Zeit, wo er Ursache hatte zu wünschen, daß er seine
Unverschämtheit gezügelt haben möchte. Er erhielt fühlbare Beweise, daß
er von allen Jakobiten, die verzweifeltsten Mörder nicht ausgenommen,
der einzige war, gegen den Wilhelm einen heftigen persönlichen
Widerwillen empfand.[43]


[_Die erledigten Bisthümer werden besetzt._] Einige Tage nach diesem
Ereignisse begann die Wuth der Mißvergnügten heftiger aufzulodern als
je. Die Entdeckung der Verschwörung, deren Haupt Preston gewesen war,
hatte eine Krisis in den kirchlichen Angelegenheiten herbeigeführt. Die
eidverweigernden Bischöfe hatten während des Jahres, das auf ihre
Absetzung folgte, die Amtswohnungen innebehalten, welche einst ihr
Eigenthum gewesen waren. Burnet hatte sich auf Mariens Ansuchen bemüht,
einen Vergleich zu Stande zubringen. Seine directe Intervention würde
wahrscheinlich mehr geschadet als genützt haben, und er bediente sich
daher der Vermittelung Rochester’s, der in der Achtung der
Eidverweigerer höher stand als irgend ein Staatsmann und kein
Eidverweigerer war, und Trevor’s, der bei aller seiner Unwürdigkeit doch
einen beträchtlichen Einfluß bei der Hochkirchenpartei hatte. Sancroft
und seine Collegen wurden benachrichtigt, daß, wenn sie sich dazu
verstehen wollten, ihre geistlichen Functionen zu verrichten, zu
ordiniren, zu installiren, zu confirmiren und den Glauben und die
Moralität der Priesterschaft zu überwachen, eine Bill im Parlamente
eingebracht werden sollte, die sie der Eidesleistung entband.[44] Dieses
Anerbieten war unvorsichtig liberal, und doch konnten Diejenigen, denen
es gemacht wurde, consequenterweise nicht darauf eingehen. Denn in dem
Ordinationsdienste wie überhaupt in fast jedem kirchlichen Dienste waren
Wilhelm und Marie als König und Königin bezeichnet. Das einzige
Versprechen, das von den ihres Amtes entsetzten Prälaten erlangt werden
konnte, war, daß sie sich ruhig verhalten wollten, und selbst dieses
Versprechen hatten sie nicht alle gehalten. Einer von ihnen wenigstens
hatte sich eines durch Gottlosigkeit erschwerten Hochverraths schuldig
gemacht. Er hatte aus Angst von dem Pöbel zerrissen zu werden erklärt,
daß er den Gedanken, die Hülfe Frankreich’s nachzusuchen, verabscheue,
und hatte Gott zum Zeugen angerufen, daß diese Erklärung aufrichtig
gemeint sei. Kurze Zeit nachher jedoch war man dahinter gekommen, daß er
im Geheimen darauf hinarbeitete, eine französische Armee nach England zu
bringen, und er hatte an den Hof von Saint-Germains geschrieben, um ihm
zu versichern, daß er im Einverständniß mit seinen Collegen,
insbesondere mit Sancroft handle. Die Whigs forderten laut Strenge.
Selbst die toryistischen Räthe Wilhelm’s gestanden ein, daß die
Nachsicht aufs Aeußerste getrieben worden sei. Indessen machten sie noch
einen letzten Vermittelungsversuch. „Wollen Sie und Ihre Collegen,”
sagte Trevor zu Lloyd, dem eidverweigernden Bischofe von Norwich, „jede
Verbindung mit Doctor Turner desavouiren und erklären, daß das was er in
seinen Briefen Ihnen zur Last legt, falsch ist?” Lloyd wich der Frage
aus. Es lag jetzt klar am Tage, daß Wilhelm durch seine Nachsicht die
Gegner, die er zu gewinnen gehofft, nur kühner gemacht hatte. Selbst
Caermarthen, selbst Nottingham erklärten, es sei hohe Zeit, die
erledigten Bischofsstühle zu besetzen.[45]


[_Tillotson, Erzbischof von Canterbury._] Tillotson wurde zum
Erzbischof ernannt und am Pfingstsonntage in der Kirche St. Mary Le Bow
geweiht. Compton, der sich schwer gekränkt fühlte, weigerte sich, irgend
welchen Antheil an der Ceremonie zu nehmen. Anstatt seiner fungirte Mew,
Bischof von Winchester, dem Burnet, Stillingfleet und Hough assistirten.
Die Versammlung war die glänzendste, die man seit der Krönung in einem
Gotteshause gesehen hatte. Das Empfangszimmer der Königin war an diesem
Tage verödet. Die meisten von den in der Stadt anwesenden Peers
versammelten sich am Morgen in Bedford House und zogen von dort in
Prozession nach Cheapside. Man bemerkte unter ihnen Norfolk, Caermarthen
und Dorset. Devonshire, der es nicht erwarten konnte, seine Waldungen in
Chatsworth in ihrer Sommerpracht zu sehen, hatte gleichwohl seine
Abreise verschoben, um Tillotson seine Achtung zu bezeigen. Die
Volksmenge, welche die Straßen füllte, begrüßte den neuen Primas mit
lebhaftem Zurufe, denn er hatte seit vielen Jahren in der City
gepredigt, und seine Beredtsamkeit, seine Rechtschaffenheit und die
seltene Sanftmuth seines Characters und seiner Manieren hatten ihn zum
Liebling der Londoner gemacht.[46] Aber die Glückwünsche und
Beifallsbezeigungen seiner Freunde konnten die lauten Verwünschungen
nicht übertäuben, welche die Jakobiten erhoben. In ihren Augen war er
ein Dieb, der nicht durch die Thür hereingekommen, sondern über den Zaun
gestiegen war. Er sei ein Miethling, sagten sie, dem die Schafe nicht
eigenthümlich gehörten, der sich den Stab des guten Hirten
widerrechtlich angemaßt habe und von dem man sicher erwarten dürfe, daß
er die Heerde den Klauen jedes Wolfes preisgeben werde. Er sei ein
Arianer, ein Socinianer, ein Deist, ein Atheist. Er habe die Welt durch
schöne Redensarten und durch einen Anschein von guten Sitten getäuscht;
eigentlich aber sei er ein viel gefährlicherer Feind der Kirche, als er
es hätte sein können, wenn er sich offen für einen Schüler Hobbes’
erklärt und so locker wie Wilmot gelebt hätte. Er habe die eleganten
Herren und Damen, die seinen Styl bewunderten und die man beständig um
seine Kanzel versammelt sehe, gelehrt, daß sie sehr gute Christen sein
und doch den im ersten Buche Mosis erzählten Sündenfall für allegorisch
halten könnten. Sie könnten in der That leicht so gute Christen sein wie
er, denn er sei niemals getauft worden, seine Eltern seien Anabaptisten,
er habe schon als Knabe ihre Religion verloren und nie eine andre
gefunden. In gemeinen Pasquillen wurde er der „nicht eingetauchte
Johann” (+undipped John+) genannt. Umsonst wurde sein Taufzeugniß
vorgelegt; seine Feinde klagten fortwährend, daß sie es erleben müßten,
Väter der Kirche zu sehen, die nicht ihre Kinder seien. Sie erfanden
eine Geschichte, daß die Königin das große Verbrechen, durch welches sie
einen Thron erlangt, bitter bereut, daß sie sich in ihrer Angst an
Tillotson gewendet und daß dieser sie mit der Versicherung getröstet
habe, die Strafe der Sünder in einer zukünftigen Welt werde nicht ewig
sein.[47] Das Gemüth des Erzbischofs war von Natur von fast weiblicher
Sanftheit und war durch die Gewohnheiten eines langen Lebens, während
dessen die streitenden Sekten und Parteien einstimmig von seinen
Talenten mit Bewunderung und von seinem Character mit Achtung gesprochen
hatten, eher noch weicher als härter geworden. Die Fluth von Schmähungen
und Vorwürfen, die er in einem Alter von mehr als sechzig Jahren zum
ersten Male auszuhalten hatte, war zuviel für ihn. Sein Lebensmuth sank,
seine Gesundheit wurde erschüttert; und doch wich er weder vom Pfade
seiner Pflicht ab, noch versuchte er es, sich an seinen Verfolgern zu
rächen. Einige Tage nach seiner Consecration wurden mehrere Personen
dabei ergriffen, wie sie gegen ihn gerichtete Schmähschriften
vertheilten. Die Kronanwälte schlugen vor, gegen die Betroffenen
gerichtliche Untersuchung einzuleiten; aber er bestand darauf, daß
Niemand um seinetwillen verfolgt werden solle.[48] Als er eines Tages
Gesellschaft hatte, wurde ihm ein versiegeltes Packet überbracht; er
öffnete es und eine Maske fiel heraus. Seine Freunde waren empört und
erbittert über diese rohe Beleidigung; aber der Erzbischof bemühte sich,
seinen Schmerz unter einem Lächeln zu verbergen, zeigte auf die
Pamphlets, mit denen sein Tisch bedeckt war, und sagte, der Vorwurf, den
das Emblem der Maske ausdrücken solle, müsse im Vergleich zu anderen
Vorwürfen, die er täglich zu erdulden habe, gelind genannt werden. Nach
seinem Tode fand man ein Packet heftiger Schmähschriften, welche die
Eidverweigerer gegen ihn in Umlauf gesetzt hatten, unter seinen
Papieren, mit der Aufschrift: „Ich bitte Gott, daß er ihnen vergeben
möge, wie ich ihnen vergebe.”[49]


[_Benehmen Sancroft’s._] Die Gemüthsstimmung des abgesetzten Primas war
eine ganz andre. Er scheint in Bezug auf seine Wichtigkeit in einem
vollständigen Irrwahn begriffen gewesen zu sein. Die große Popularität,
die er drei Jahre früher genossen, die Gebete und Thränen der
Volksmassen, die in die Themse gewatet waren, um seinen Segen zu
erflehen, die Begeisterung, mit der die Schildwachen des Tower unter den
Fenstern seines Kerkers auf seine Gesundheit getrunken, das ungeheure
Freudengeschrei, das am Morgen seiner Freisprechung im Palasthofe ertönt
war, die Triumphnacht, in welcher an jedem Fenster von Hyde Park bis
Mile End sieben Lichter geglänzt, deren mittelstes und längstes ihn
vorgestellt hatte, waren bei ihm noch in frischem Andenken, und er besaß
nicht so viel Einsicht, um zu erkennen, daß alle diese Huldigungen nicht
seiner Person, sondern der Religion und den Freiheiten gegolten hatte,
deren Repräsentant er auf einen Augenblick war. Die ungemeine Rücksicht,
mit der ihn die neue Regierung noch lange behandelt, scheint ihn in
seinem Irrthum bestärkt zu haben. Daß ihm von Kensington eine Reihe
versönlicher Botschaften zukam; daß ihm so liberale Bedingungen
angeboten wurden, wie sie sich kaum mit der Würde der Krone und mit dem
Wohle des Staats vertrugen; daß seine kalten und unhöflichen Antworten
die königliche Langmuth nicht erschöpfen konnten; daß er trotz des
lauten Geschreis der Whigs und der täglichen Provocationen von Seiten
der Jakobiten noch funfzehn Monate nach seiner Amtsentsetzung den
erzbischöflichen Palast bewohnte: dies Alles schien ihm nicht die
Nachsicht, sondern die Furcht der herrschenden Gewalten zu verrathen. Er
schmeichelte sich, daß sie es nicht wagen würden, ihn zu vertreiben.
Daher versetzte ihn die Nachricht, daß sein Stuhl besetzt sei, in eine
Wuth, die bis an sein Lebensende dauerte und die ihn zu manchen
thörichten und unpassenden Handlungen verleitete. Tillotson begab sich
sogleich nach seiner Ernennung nach Lambeth, in der Hoffnung, daß es ihm
gelingen werde, durch Artigkeit und Freundlichkeit die Gereiztheit zu
beschwichtigen, deren unschuldige Ursache er war. Er wartete lange im
Vorzimmer und ließ sich durch mehrere Diener anmelden; aber Sancroft
würdigte ihn nicht einmal einer Antwort.[50] Drei Wochen vergingen und
noch immer machte der abgesetzte Erzbischof keine Miene das Feld zu
räumen. Da erhielt er endlich einen Befehl, der ihm die königliche
Willensmeinung kund that, daß er die Wohnung verlassen solle, die schon
längst nicht mehr die seinige sei und in der er nur als Gast sich
aufgehalten. Dieser Befehl verdroß ihn heftig und er erklärte, daß er
demselben nicht nachkommen werde. Er werde so lange bleiben, bis die
Beamten des Sheriffs ihn mit Gewalt vertrieben, und er werde sein Recht
vor Gericht suchen soweit er dies könne, ohne die Autorität der
Usurpatoren anzuerkennen.[51] Die Sache war so klar, daß er durch kein
Mittel der Chikane mehr erlangen konnte als einen kurzen Aufschub. Als
das gegen ihn lautende Erkenntniß gesprochen war, verließ er zwar den
Palast, befahl aber seinem Intendanten, den Besitz desselben zu
behaupten. Die Folge davon war, daß der Intendant verhaftet und zu einer
bedeutenden Geldstrafe verurtheilt wurde. Tillotson ließ seinem
Vorgänger die freundliche Benachrichtigung zukommen, daß die Geldbuße
nicht eingefordert werden würde. Sancroft aber hatte sich vorgenommen,
einen Grund zur Beschwerde zu haben, und er wollte das Geld
bezahlen.[52]


[_Uneinigkeit zwischen Sancroft und Ken._] Von diesem Augenblicke
an war das ganze Bestreben des engherzigen und eigensinnigen alten
Mannes darauf gerichtet, die Kirche, deren erster Diener er gewesen
war, in Stücke zu zerreißen. Umsonst machten einige von denjenigen
Eidverweigerern, deren Tugenden, Talente und Gelehrsamkeit der
Stolz ihrer Partei waren, Vorstellungen gegen seinen Plan. „Unsre
Amtsentsetzung” -- so argumentirte Ken -- „ist in den Augen Gottes
null und nichtig. Wir sind die wahren Bischöfe unserer Stühle und
werden es bleiben, bis wir sterben oder selbst resigniren. Diejenigen,
die sich unsere Titel und Functionen anmaßen, werden die Schuld eines
Schisma’s auf sich laden. Mit uns aber wird, wenn wir so handeln wie es
uns geziemt, das Schisma aufhören, und unter der nächsten Generation
wird die Einheit der Kirche wiederhergestellt sein. Weihen wir dagegen
Bischöfe zu unseren Nachfolgern, so kann die Spaltung Jahrhunderte
dauern, und wir werden zwar nicht für die Entstehung, wohl aber für
die Fortdauer derselben mit Recht verantwortlich gemacht werden.”
Diese Betrachtungen hätten Sancroft’s eigenen Grundsätzen zufolge
in seinen Augen ein entscheidendes Gewicht haben sollen; aber seine
zornigen Leidenschaften behielten die Oberhand. Ken verließ ruhig den
ehrwürdigen Palast von Wells. Er habe das Streiten aufgegeben, sagte
er, und werde fortan seinen Gefühlen nicht mehr in Disputationen,
sondern in Hymnen Luft machen. Seine Mildthätigkeit gegen Unglückliche
aller Glaubensrichtungen, insbesondere gegen die Gefährten Monmouth’s
und gegen die verfolgten Hugenotten, war so groß gewesen, daß sein
ganzes Privatvermögen noch in siebenhundert Pfund Sterling und einer
Bibliothek bestand, welche zu verkaufen er sich nicht entschließen
konnte. Aber Thomas Thynne, Viscount Weymouth, machte sich, obgleich
er kein Eidverweigerer war, eine Ehre daraus, dem tugendhaftesten
der Eidverweigerer ein ruhiges und würdiges Asyl in dem fürstlichen
Schlosse Longleat anzubieten. Hier verlebte Ken ein glückliches und
geehrtes Greisenalter, während welchem er nie das Opfer bedauerte, das
er seiner vermeintlichen Pflicht gebracht, und doch immer nachsichtiger
gegen Diejenigen wurde, deren Begriffe von Pflicht von den seinigen
abwichen.[53]


[_Sancroft’s Haß gegen die Landeskirche. Er bestimmt die bischöfliche
Succession unter den Eidverweigerern._] Sancroft war von ganz andrem
Character. Er hatte sich eigentlich so wenig zu beklagen wie nur irgend
Einer, der durch eine Revolution von einer hohen Stellung herabgestürzt
wird. Er besaß in Fressingfield in Suffolk ein Erbgut, das ihn in
Verbindung mit dem, was er sich während seines zwölfjährigen Primats
erspart hatte, in den Stand setzte, wenn auch nicht so, wie er gelebt
hatte, als er der erste Peer des Parlaments war, doch aber auf dem Fuße
eines reichen Landedelmanns zu leben. Er zog sich auf seinen erblichen
Landsitz zurück und verbrachte hier den Rest seiner Tage über das ihm
zugefügte Unrecht brütend. Der Widerwille gegen die Landeskirche wurde
in ihm eben so stark, als er in Martin Marprelate gewesen war. Er
betrachtete Alle, die mit ihr in Gemeinschaft blieben, als Heiden und
Zöllner. Tillotson gab er den Spottnamen Mufti. In dem Zimmer, das er in
Fressingfield als Kapelle benutzte, durfte Niemand, der die Eide
geleistet oder dem Gottesdienste eines Geistlichen, der die Eide
geleistet, beigewohnt hatte, am Genusse des geweihten Brotes und Weines
Theil nehmen. Es wurde jedoch ein Unterschied zwischen zwei Klassen von
Sündern gemacht. Einem Laien, der noch in Gemeinschaft mit der
Landeskirche blieb, war es erlaubt zugegen zu sein, so lange Gebete
verlesen wurden; nur von dem höchsten der christlichen Mysterien war er
ausgeschlossen. Mit Geistlichen aber, welche den im Besitze des Thrones
befindlichen Souverainen Treue geschworen hatten, wollte Sancroft nicht
einmal beten. Er sorgte dafür, daß die Siegel, die er eingeführt hatte,
in weiten Kreisen bekannt wurde und lehrte seine Anhänger durch
Vorschrift und durch Beispiel, auch den Rechtgläubigsten, Frömmsten und
Tugendhaftesten von Denen, welche Wilhelm’s Autorität anerkannt hatten,
mit einem Gefühle betrachten, ähnlich dem, mit welchem der Jude den
Samariter betrachtete.[54] Eine solche Intoleranz würde selbst bei einem
Manne, der für ein großes Prinzip kämpfte, verwerflich gewesen sein.
Sancroft aber kämpfte nur für einen Namen. Er war der Urheber des
Regentschaftsplanes. Er war vollkommen bereit, die ganze königliche
Gewalt von Jakob auf Wilhelm zu übertragen. Die Frage, welche diesem
engherzigen und mürrischen Charakter wichtig genug dünkte, um das
Excommuniciren von zehntausend Priestern und fünf Millionen Laien zu
rechtfertigen, war die, ob der Staatsbeamte, auf den die ganze
königliche Gewalt übertragen wurde, den Titel König annehmen solle. Auch
konnte Sancroft den Gedanken nicht ertragen, daß die Erbitterung, die er
hervorgerufen, mit seinem Leben erlöschen sollte. Nachdem er sein
Möglichstes gethan, um die Fehde heftig zu machen, beschloß er sie zu
verewigen. Er sandte eine Liste der Geistlichen, die aus ihren Aemtern
vertrieben worden waren, nach Saint-Germains, mit dem Ersuchen, daß
Jakob zwei bezeichnen möchte, welche die bischöfliche Succession
aufrechterhalten sollten. Jakob, dem es ohne Zweifel ganz angenehm war,
der Menge von Seelen, die er als die Schmach des Protestantismus
betrachten gelernt hatte, noch um eine vermehrt zu sehen, ernannte zwei
heftige und unversöhnliche Eidverweigerer, Hickes und Wagstaffe,
Ersterer von Sancroft, Letzterer von Lloyd, dem abgesetzten Bischof von
Norwich empfohlen.[55] Dies war der Ursprung einer schismatischen
Hierarchie, welche, nachdem sie eine kurze Zeit lang Besorgniß erweckt
hatte, bald in Dunkel und Verachtung sank, die aber trotz Dunkel und
Verachtung ihre kümmerliche Existenz noch durch mehrere Generationen
schleppte. Die kleine Kirche, ohne Tempel, Einkünfte oder Würden, war
durch innere Streitigkeiten sogar noch mehr zerrissen als die im Besitz
von Kathedralen, Zehnten und Pairien verbliebene große Kirche. Einige
Eidverweigerer neigten sich zu dem römischen Ritual, andere wollten
nicht die geringste Abweichung von dem allgemeinen Gebetbuche dulden.
Altar wurde gegen Altar aufgerichtet. Ein Schattenprälat erklärte die
Consecration eines andren Schattenprälaten für unkanonisch, bis endlich
die Hirten gänzlich ohne Heerden waren. Einer dieser geistlichen Lords
wurde wohlweislich Arzt; ein andrer verließ seinen sogenannten
Bischofssitz und siedelte nach Irland über, und endlich im Jahre 1805
sank der letzte Bischof dieser Gesellschaft, welche mit Stolz auf den
Titel der einzig wahren Kirche England’s Anspruch gemacht hatte,
unbeachtet ins Grab.[56]


[_Die neuen Bischöfe._] Die Stühle der Bischöfe, welche zugleich mit
Sancroft vertrieben worden waren, wurden in einer der Regierung zur Ehre
gereichenden Weise besetzt. Patrick wurde Nachfolger des Verräthers
Turner. Fowler ging nach Gloucester. Richard Cumberland, ein bejahrter
Geistlicher, der keine Gönner bei Hofe hatte und dessen einzige
Empfehlungen seine Frömmigkeit und Gelehrsamkeit waren, erfuhr mit
Erstaunen aus einem Neuigkeitsbriefe, den er auf dem Tische eines
Kaffeehauses fand, daß er zum Bischof von Peterborough ernannt war.[57]
Beveridge wurde zum Nachfolger Ken’s erwählt; er willigte ein und die
Ernennung wurde wirklich in der London Gazette angezeigt. Doch Beveridge
war wohl ein rechtschaffener Mann, besaß aber keine Seelenstärke. Einige
Jakobiten machten ihm Vorstellungen, andere Vorwürfe, der Muth sank ihm,
und er nahm seine Zusage zurück. Während die Eidverweigerer über diesen
Sieg frohlockten, wurde er wieder andren Sinnes, aber zu spät. Er hatte
sich durch seine Unschlüssigkeit Wilhelm’s Gunst verscherzt und erhielt
erst eine Mitra, als Anna auf dem Throne saß.[58] Das Bisthum Bath und
Wells wurde Richard Kidder verliehen, einem Manne von hervorragender
Bildung und makellosem Character, der aber in dem Verdacht stand, daß er
sich zum Presbyterianismus hinneige. Um die nämliche Zeit nahm Sharp,
der Hochkirchlichste, der einen Skrupel deshalb hegte, daß er der
Nachfolger eines abgesetzten Prälaten werden sollte, das durch
Lamplugh’s Tod zur Erledigung gekommene Erzbisthum York an.[59]


[_Sherlock Dechant von St. Paul._] In Folge der Erhebung Tillotson’s auf
den Stuhl von Canterbury wurde die Dechanei von St. Paul erledigt.
Sobald der Name des neuen Dechanten bekannt wurde, brach ein Geschrei
los, wie es vielleicht nie eine kirchliche Ernennung veranlaßt, ein
Geschrei, zusammengesetzt aus Gebrüll des Hasses, aus Gezisch der
Verachtung und aus halb triumphirenden, halb beleidigenden
Willkommrufen: denn der neue Dechant war Wilhelm Sherlock.

Die Geschichte seiner Bekehrung verdient ausführlich erzählt zu
werden, denn sie wirft ein helles Licht auf den Character der Parteien,
welche damals die Kirche und den Staat spalteten. Sherlock war, dem
Einflusse und dem Rufe, wenn auch nicht dem Range nach, der bedeutendste
Mann unter den Eidverweigerern. Seine Autorität und sein Beispiel hatten
einige seiner Collegen, welche anfangs geschwankt hatten, dazu bestimmt,
ihre Stellen niederzulegen. Der Tag der Suspension kam, der Tag der
Absetzung kam, und noch blieb er fest. Er schien in dem Bewußtsein der
Rechtschaffenheit und in der Betrachtung der unsichtbaren Welt reichen
Ersatz für alles Verlorene gefunden zu haben. Während er von der Kanzel
ausgeschlossen war, wo seine Beredtsamkeit einst die gelehrten und
gebildeten Inwohner des Temple entzückt hatte, schrieb er seinen
berühmten +Treatise on Death+, welcher viele Jahre lang auf den
Bücherbrettern ernster Arminianer zunächst neben +The Whole Duty of Man+
stand. Bald jedoch begann man zu argwöhnen, daß seine Festigkeit
schwanke. Er erklärte, daß er keinen Theil an einem Schisma haben wolle,
er rieth Denen, die sich bei ihm Raths erholten, ihre Pfarrkirchen nicht
zu verlassen, und da er sah, daß das Gesetz, das ihn seines Amtes
enthob, ihm nicht verbot, Gottesdienst zu halten, predigte er sogar in
St. Dunstan und betete dort für König Wilhelm und Königin Marie. Die
apostolische Vorschrift, sagte er, laute dahin, daß für alle
obrigkeitliche Gewalt Habenden gebetet werden solle, und Wilhelm und
Marie hätten sichtbar obrigkeitliche Gewalt. Seine jakobitischen Freunde
tadelten laut seine Inconsequenz. Wie können Sie, fragten sie, wenn Sie
annehmen, daß der Apostel an dieser Stelle von der bestehenden Obrigkeit
spricht, behaupten, daß er an anderen ähnlichen Stellen nur von
rechtmäßiger Obrigkeit spricht? Oder wie können Sie, ohne zu sündigen,
in einer feierlichen Anrede an Gott Jemanden als König bezeichnen, dem
Sie nicht als König zu gehorchen versprechen können, ohne zu sündigen?
Diese Argumente waren unwiderlegbar, und Sherlock begann bald sie
ebenfalls dafür zu halten; der Schluß aber, zu dem sie ihn führten, war
dem Schlusse zu dem sie ihn führen sollten, diametral entgegengesetzt.
Er schwankte jedoch, bis von einer Seite, von der man wenig Grund hatte
etwas Andres als zehnfache Finsterniß zu erwarten, ein neues Licht in
seinen Geist fiel. Unter der Regierung Jakob’s I. hatte Doctor Johann
Overall, Bischof von Exeter, eine gelehrte Abhandlung über die Rechte
bürgerlicher und kirchlicher Regenten geschrieben. Diese Abhandlung war
von der Convocation von Canterbury und York feierlich gutgeheißen worden
und konnte daher als eine Autorität habende Darstellung der Lehre der
englischen Kirche betrachtet werden. Sancroft besaß eine Abschrift des
Manuscripts und er ließ es bald nach der Revolution durch den Druck
veröffentlichen. Er hoffte ohne Zweifel, die Veröffentlichung werde der
neuen Regierung schaden; aber er sah sich vollständig getäuscht. Das
Buch verwarf zwar jeden Widerstand in eben so starken Ausdrücken, als er
selbst sie hätte anwenden können; aber eine Stelle, die seiner Beachtung
entgangen war, entschied gegen ihn und seine Mitschismatiker. Overall
und die beiden Convocationen, welche Overall’s Lehre sanctionirt hatten,
erklärten, daß eine Regierung, die aus einem Aufstande hervorgegangen
sei, sobald sie vollkommen feststehe, als von Gott angeordnet betrachtet
werden und daß die Christen ihr gehorchen müßten.[60] Sherlock las und
war überzeugt. Seine ehrwürdige Mutter, die Kirche, hatte gesprochen und
er nahm ihr Gebot mit der Folgsamkeit eines Kindes an. Die aus der
Revolution hervorgegangene Regierung konnte wenigstens seit der Schlacht
am Boyne und der Flucht Jakob’s aus Irland mit gutem Grunde eine
feststehende Regierung genannt werden, und es gebührte ihr daher
passiver Gehorsam, bis sie durch eine neue Revolution gestürzt wurde und
eine andre feststehende Regierung auf sie folgte.

Sherlock leistete die Eide und veröffentlichte sofort zur
Rechtfertigung seines Schrittes eine Flugschrift, betitelt: +The Case of
Allegiance to Sovereign Powers stated+. Dieses Buch machte ungeheures
Aufsehen. Dryden’s +Hind and Panther+ hatte keine solche Sensation
erregt, Halifax’ +Letter to a Dissenter+ hatte nicht so viele Antworten
hervorgerufen. Die Repliken wider den Doctor, die Vertheidigungen des
Doctors, die Schmähschriften auf den Doctor würden eine ganze Bibliothek
füllen. Das Geschrei nahm zu, als es bekannt wurde, daß der Convertit
nicht allein wieder zum Vorsteher des Temple ernannt worden war, sondern
auch die Dechanei St. Paul angenommen hatte, die in Folge der Absetzung
Sancroft’s und der Beförderung Tillotson’s zur Erledigung gekommen war.
Die Wuth der Eidverweigerer steigerte sich fast bis zum Wahnsinn. Sei es
nicht genug, fragten sie, die wahre und reine Kirche in dieser ihrer
Stunde der Betrübniß und Gefahr zu verlassen, ohne sie auch noch zu
verleumden? Es sei leicht zu begreifen, warum ein habgieriger und feiger
Heuchler sich weigerte, dem Usurpator die Eide zu leisten, so lange es
wahrscheinlich war, daß der rechtmäßige König wieder eingesetzt würde,
sich aber nach der Schlacht am Boyne zu schwören beeilte. Ein solches
Schwanken in Zeiten bürgerlicher Uneinigkeit sei nichts Neues. Das aber
sei etwas Neues, daß der Renegat seine eigne Schuld und Schande auf die
englische Kirche zu wälzen versuche und erkläre, sie habe ihn gelehrt,
sich gegen den Schwachen zu kehren, der im Recht sei, und vor dem
Mächtigen zu kriechen, der im Unrecht sei. Habe sie dies wirklich in
schlimmen Tagen gelehrt und danach gehandelt? Habe sie ihren königlichen
Märtyrer im Gefängnisse oder auf dem Schaffot verlassen? Habe sie ihren
Kindern vorgeschrieben, dem Rumpfe oder dem Protector zu gehorchen? Sei
indessen die Regierung des Rumpfs oder des Protector’s weniger
berechtigt gewesen eine feststehende Regierung genannt zu werden, als
die Regierung Wilhelm’s und Mariens? Sei die Schlacht bei Worcester
nicht ein eben so harter Schlag für die Hoffnungen des Hauses Stuart
gewesen, als die Schlacht am Boyne? Seien nicht die Aussichten auf eine
Restauration im Jahre 1657 eben so schwach gewesen, als sie jedem
einsichtsvollen Mann im Jahre 1691 erscheinen müßten? Doch allen
Schmähungen und Sarkasmen stand Overall’s Abhandlung und die billigenden
Beschlüsse der beiden Convocationen gegenüber, und es war viel leichter,
Sherlock zu tadeln, als die Abhandlung oder die Beschlüsse
wegzudisputiren. Ein Schriftsteller behauptete, mit einer völlig
feststehenden Regierung müsse eine Regierung gemeint gewesen sein, deren
Rechtstitel unbestritten sei. So, sagte er, wurde die Regierung der
Vereinigten Provinzen eine feststehende Regierung, als sie von Spanien
anerkannt war; ohne diese Anerkennung aber würde sie bis ans Ende aller
Zeiten niemals eine feststehende Regierung gewesen sein. Ein andrer
nicht ganz so strenger Casuist erklärte, daß eine von Haus aus
unrechtmäßige Regierung nach Verlauf eines Jahrhunderts eine
feststehende Regierung werden könnte. Am 13. Februar 1789, nicht einen
Tag früher, würde es daher den Engländern frei stehen, einer aus der
Revolution hervorgegangenen Regierung Treue zu schwören. Die Geschichte
des erwählten Volks wurde durchstöbert, um Präcedenzfälle zu finden. War
Eglon’s Regierung eine feststehende, als Ehud ihn erstach? War Joram’s
Regierung eine feststehende, als Jehu ihn erschoß? Aber der maßgebende
Fall war der der Athalia. Es war allerdings ein Fall, der den
Mißvergnügten manche glückliche und beißende Anspielungen lieferte. Ein
Königreich, verrätherisch an sich gerissen durch einen dem Throne nahe
verwandten Usurpator; der rechtmäßige Fürst lange vom Besitze
ausgeschlossen; ein Theil des Priesterstandes durch viele unheilvolle
Jahre dem königlichen Hause treu; endlich eine Contrerevolution,
bewerkstelligt durch den Hohenpriester an der Spitze der Leviten. Wer,
fragte man, werde es wagen, den heldenmüthigen Hohenpriester zu tadeln,
der den Erben David’s wieder eingesetzt? Sei indessen die Regierung der
Athalia nicht eben so fest begründet gewesen wie die des Prinzen von
Oranien? Hunderte von Seiten, welche damals über die Rechte der Joas und
über das kühne Unternehmen des Jojada geschrieben wurden, vermodern in
den alten Bücherschränken von Oxford und Cambridge. Während Sherlock so
von seinen alten Freunden heftig angegriffen wurde, ließen auch seine
alten Feinde ihn nicht in Ruhe. Einige heftige Whigs, unter denen sich
Julian Johnson auszeichnete, erklärten, daß selbst der Jakobitismus
achtungswerth sei im Vergleich zu der schmählichen Doctrin, die man im
+Convocation Book+ entdeckt habe. Daß den Königen passiver Gehorsam
gebühre, sei allerdings eine absurde und verkehrte Ansicht. Doch es sei
unmöglich, die Consequenz und Standhaftigkeit von Männern nicht zu
achten, die sich verpflichtet glaubten, auf jede Gefahr hin einem
unglücklichen, entthronten und verbannten Bedrücker treu zu bleiben.
Aber die Theorie, welche Sherlock von Overall gelernt habe, sei reine
Schlechtigkeit und Schändlichkeit. Eine Sache solle aufgegeben werden,
nicht weil sie ungerecht, sondern weil sie mißlungen sei. Ob Jakob ein
Tyrann oder der Vater seines Volks gewesen, sei ganz unwesentlich. Wenn
er die Schlacht am Boyne gewonnen hätte, wären wir als Christen
verbunden gewesen, seine Sklaven zu sein. Da er sie verloren habe, seien
wir als Christen verbunden, seine Feinde zu sein. Andere Whigs
gratulirten dem Proselyten, daß er, gleichviel auf welchem Wege, zu
einem ganz praktischen Schlusse gelangt sei, konnten sich aber eines
spöttischen Lächelns über die Geschichte, die er von seiner Bekehrung
erzählte, nicht enthalten. Er sei, sagten sie, ein Mann von
ausgezeichneter Gelehrsamkeit und Begabung. Er habe die Frage von der
Unterthanenpflicht lange und gründlich studirt, und er habe viel darüber
geschrieben. Man habe ihm mehrere Monate bewilligt, um zu lesen, zu
beten und zu erwägen, dann nochmals mehrere Monate, bevor man ihn
abgesetzt habe. Er habe sich eine Meinung gebildet, für die er sich
bereit erklärt, den Märtyrertod zu erleiden, er habe Andere diese
Meinung gelehrt und sie dann bloß deshalb geändert, weil er entdeckt
habe, daß sie vor mehr als achtzig Jahren von den beiden Convocationen
nicht widerlegt, aber dogmatisch für irrig erklärt worden sei. Dies
heiße gewiß aller Freiheit des persönlichen Urtheils entsagen und den
Synoden von Canterbury und York eine Unfehlbarkeit zuschreiben, auf
welche nach der Erklärung der englischen Kirche selbst das Oekumenische
Concil keinen begründeten Anspruch habe. Wenn, sagte man sarkastisch,
alle unsere Begriffe von Recht und Unrecht in Dingen, welche von
wesentlicher Wichtigkeit für das Wohl der Gesellschaft seien, plötzlich
durch einige in einem Winkel der Bibliothek von Lambeth gefundene Zeilen
Manuscript geändert werden könnten, so sei es um des Seelenfriedens
demüthiger Christen willen sicherlich sehr zu wünschen, daß alle die
Schriftstücke, denen diese Art von Autorität zustehe, hervorgesucht und
so bald als möglich durch den Druck veröffentlicht würden, denn geschähe
dies nicht, so könnten wir alle, wie der Doctor, als er voriges Jahr die
Eide verweigerte, Sünden begehen in der vollen Ueberzeugung, daß wir
Pflichten erfüllten. Es ist in der That schwer zu glauben, daß das
+Convocation Book+ Sherlock irgend etwas mehr als einen Vorwand
lieferte, um das zu thun, was er zu thun sich vorgenommen hatte. Die
vereinigte Kraft der Vernunft und des Interesses hatten ihn ohne Zweifel
überzeugt, daß seine Leidenschaften und Vorurtheile ihn zu einem großen
Irrthum geführt, diesen Irrthum beschloß er zu widerrufen, und es wurde
ihm leichter zu sagen, seine Ansicht sei durch neu entdeckte Beweise
geändert worden als er habe sich mit allen Materialien zur Bildung eines
richtigen Urtheils sein falsches Urtheil gebildet. Das Volk glaubte,
sein Widerruf sei das Resultat der Thränen, Bitten und Vorwürfe seiner
Gattin. Die Dame habe aufgeklärte Ansichten, sie genieße in ihrer
Familie eine große Autorität und sie kümmere sich weit mehr um ihr Haus
und um ihre Equipage, um den Ueberfluß ihrer Tafel und um die Aussichten
ihrer Kinder, als um den patriarchalischen Ursprung einer Regierung oder
um den Sinn des Wortes Abdankung. Sie habe, behauptete man, ihrem Gatten
Tag und Nacht keine Ruhe gelassen, bis er seine Bedenken überwunden
gehabt. Ihre Ueberredungs- und Einschüchterungsgabe wurde in zahllosen
Briefen, Fabeln, Liedern und Gesprächen höhnisch gerühmt. Sie war
Xantippe, die Sokrates Wasser aufs Haupt goß. Sie war Delila, Simson
scheerend. Sie war Eva, wie sie Adam zum Genusse der verbotenen Frucht
zwang. Sie war Hiob’s Weib, wie sie ihren in der Asche sitzenden und
sich kratzenden zu Grunde gerichteten Gemahl beschwor, nicht zu
verfluchen und zu sterben, sondern zu schwören und zu leben. Während die
Balladenmacher den Sieg der Mrs. Sherlock feierten, fiel eine andre
Klasse von Gegnern über den theologischen Ruf ihres Gatten her. Bis zu
dem Augenblicke wo er die Eide leistete, war er stets als der
orthodoxeste Geistliche betrachtet worden. Aber die tadelsüchtige und
boshafte Kritik, der man seine Schriften jetzt unterwarf, würde selbst
in der Bergpredigt Ketzerei gefunden haben, und er war leider so
voreilig, gerade in dem Augenblicke, wo der Unwille über seine
politische Unbeständigkeit sich am lautesten äußerte, seine Gedanken
über das Mysterium der Dreieinigkeit zu veröffentlichen. Zu einer andren
Zeit würde sein Werk von guten Anglikanern wahrscheinlich als eine
siegreiche Antwort gegen die Socinianer und Sabellianer begrüßt worden
sein. Unglücklicherweise aber hatte er sich in seinem Eifer gegen
Socianer und Sabellianer solcher Ausdrücke bedient, die als Tritheismus
ausgelegt werden konnten. Vorurtheilsfreie Richter würden bedacht haben,
daß der rechte Weg auf beiden Seiten dicht an den Irrthum grenzte und
daß es kaum möglich war, sich auf der einen Seite fern genug von der
Gefahr zu halten, ohne sich auf der andren der Gefahr dicht zu nähern.
Aber vorurtheilsfreie Richter durfte Sherlock unter den Jakobiten nicht
erwarten. Seine früheren Verbündeten behaupteten, daß er alle die
furchtbaren Strafen verwirkt habe, die in dem Athanasischen
Glaubensbekenntnisse über Diejenigen verhängt werden, welche das Wesen
der Gottheit theilen. Dickleibige Quartanten wurden geschrieben, um zu
beweisen, daß er an die Existenz dreier getrennter Gottheiten glaubte,
und einige humoristische Mißvergnügte, die sich sehr wenig um die
katholische Wahrheit kümmerten, erheiterten die Stadt durch englische
und lateinische Spottschriften auf seine Heterodoxie. „Wir,” sagte einer
dieser Witzlinge, „schwören Einem Könige Treue und rufen Einen Gott zum
Zeugen eines Gelöbnisses an. Es kann uns nicht auffallend erscheinen,
daß der Doctor mehr als Einem Könige Treue geschworen hat, wenn wir
erwägen, daß der Doctor mehr als einen Gott hat, bei dem er
schwört.”[61]


[_Verrätherei einiger Diener Wilhelm’s._] Sherlock würde vielleicht
gezweifelt haben, ob die Regierung, der er sich unterworfen, berechtigt
war, eine feststehende Regierung genannt zu werden, wenn er alle die
Gefahren gekannt hätte, von denen sie bedroht war. Preston’s Complot war
kaum entdeckt, als sich ein neues Complot ganz anderer Art im Lager, bei
der Flotte, im Schatzamte, und selbst im Schlafzimmer des Königs
bildete. Das Geheimniß dieser Schändlichkeit ist im Laufe von fünf
Generationen allmälig entschleiert worden, ganz aber ist es noch jetzt
nicht entschleiert. Möglich, daß einige noch dunkle Theile desselben der
Nachwelt durch die Entdeckung von Briefen und Tagebüchern, die jetzt
unter dem Staube von hundertfunfzig Jahren ruhen, klar werden. Doch sind
die Materialien, die uns gegenwärtig zu Gebote stehen, schon genügend,
um eine Erzählung zusammenzusetzen, die man nicht ohne Beschämung und
Abscheu lesen kann.[62]

Wir haben gesehen, daß Shrewsbury aus Verdruß darüber, daß er seine
Rathschläge verworfen und die seiner toryistischen Nebenbuhler befolgt
sah, sich in einer unheilvollen Stunde in eine Correspondenz mit der
verbannten Königsfamilie verwickeln ließ. Wir haben ferner gesehen,
durch welche heftigen Körper- und Seelenleiden er seine Fehler büßte.
Von Reue und daraus entstandener Krankheit gequält, hatte er den Hof
verlassen; aber es blieben an demselben Männer zurück, deren Grundsätze
nicht minder locker als die seinigen, und deren Herzen noch viel härter
und kälter waren.

Zu Anfang des Jahres 1691 begannen einige von diesen Männern sich in
geheime Verbindung mit Saint-Germains zu setzen. So schändlich und
ehrlos ihr Verfahren auch war, es lag nichts Wunderbares darin. Sie
handelten nach ihrer Weise. Es waren unruhige Zeiten, eine dichte Wolke
verhüllte die Zukunft, der scharfsichtigste und erfahrenste Politiker
konnte mit einiger Klarheit nicht drei Monate weit über die Gegenwart
hinaussehen. Ein Mann von Tugend und Ehre fragte allerdings darnach
nicht viel. Seine Ungewißheit bezüglich dessen, was der morgende Tag
bringen würde, konnte ihn wohl besorgt, aber nicht treulos machen. Wenn
auch in völliger Unkenntniß über das, was seine Interessen berührte,
hatte er doch die feste Richtschnur seiner Grundsätze. Leider aber gab
es unter den Höflingen jener Zeit nicht viele Männer von Tugend und
Ehre. Whitehall war seit dreißig Jahren eine Pflanzschule jedes
öffentlichen und privaten Lasters und wimmelte von niedrigdenkenden,
doppelzüngigen und selbstsüchtigen Politikern. Diese Männer handelten
jetzt so, wie es von unmoralischen Männern in einer Krisis, deren
Ausgang Niemand voraussehen konnte, nicht anders zu erwarten war. Einige
von ihnen hatten eine leichte Vorliebe für Wilhelm, Andere hatten eine
leichte Vorliebe für Jakob; aber durch keine solche Vorliebe wurde das
Verfahren einer dieser Männer geleitet. Hätte es sicher geschienen, daß
Wilhelm sich halten würde, so würden sie Alle für Wilhelm gewesen sein.
Hätte es sicher geschienen, daß Jakob wieder eingesetzt werden würde, so
würden sie Alle für Jakob gewesen sein. Aber was war zu thun, da die
Aussichten sich fast genau die Wage zu halten schienen? Es gab
rechtschaffene Männer der einen Partei, welche geantwortet haben würden:
dem wahren Könige und der wahren Kirche treu zu bleiben und
nöthigenfalls für sie zu sterben wie Laud. Es gab rechtschaffene Männer
der andren Partei, welche geantwortet haben würden: Fest an den
Freiheiten England’s und an der protestantischen Religion zu halten und
nöthigenfalls für sie zu sterben wie Sidney. Aber eine solche Consequenz
war Vielen der Vornehmen und Mächtigen unbegreiflich. Ihr Ziel war, sich
für alle Fälle zu sichern. Daher schworen sie öffentlich dem einen
Könige Treue und verpfändeten ihr Wort heimlich auch dem andren. Sie
waren unermüdlich bestrebt, sich unter dem großen Siegel Wilhelm’s
Aemter, Peerspatente, Pensionen und Geschenke von Kronländern zu
verschaffen, und in ihren geheimen Schubkästen hatten sie
Amnestieversprechen von Jakob’s Hand.

Unter Denen, welche sich dieser Schändlichkeit schuldig machten, stehen
drei Männer: Russell, Godolphin und Marlborough, in erster Reihe. Es
konnte kaum drei Menschen geben, die an Geist und Herz einander
unähnlicher waren, und die besonderen Eigenschaften jedes derselben
verliehen seiner Schurkerei einen besonderen Character. Der Verrath
Russell’s ist zum Theil dem Grolle, der Verrath Godolphin’s lediglich
der Aengstlichkeit zuzuschreiben; Marlborough’s Verrath aber war der
Verrath eines Mannes von großem Genie und grenzenlosem Ehrgeize.


[_Russell._] Es mag auffallend scheinen, daß Russell unzufrieden sein
konnte. Er hatte eben erst das Commando der vereinigten Flotten
England’s und Holland’s mit dem Range eines Flottenadmirals übernommen;
er war Schatzmeister der Flotte, hatte einen Jahrgehalt von dreitausend
Pfund Sterling, und es war ihm Kronland in der Nähe von Charing Croß im
Werthe von achtzehntausend Pfund verliehen worden. Außerdem müssen seine
indirecten Einnahmen enorm gewesen sein. Aber er war noch immer nicht
zufrieden. Er war in der That trotz seines unerschrockenen Muthes, trotz
bedeutender Talente für den Krieg wie für die Verwaltung, und trotz
eines gewissen Gemeinsinns, der sich selbst in den schlimmsten Perioden
seines Lebens vorübergehend zeigte, im vollen Umfange des Worts ein
schlechter Mensch: übermüthig, boshaft, habsüchtig und treulos. Er
meinte, daß die großen Dienste, die er zur Zeit der Revolution
geleistet, nicht gebührend belohnt worden seien. Alles was Andere
erhielten, betrachtete er als ihm geraubt. Es existirt noch ein Brief
von ihm, den er damals an Wilhelm schrieb. Dieser Brief enthält nichts
als Selbstruhm, Vorwürfe und Spötteleien. Der Admiral bittet zuvörderst
unter ironischen Versicherungen seiner Ergebenheit und Loyalität um die
Erlaubniß, seine Beschwerden zu Papiere bringen zu dürfen, da seine
Schüchternheit ihm nicht gestatte, sich mündlich darüber auszusprechen.
Sein Kummer sei unerträglich. Andere Leute erhielten königliche
Domainen, er aber könne fast gar nichts erlangen. Andere Leute könnten
ihre Angehörigen versorgen; seine Empfehlungen aber blieben regelmäßig
unbeachtet. Das Einkommen, das er der königlichen Gunst verdanke, sehe
zwar groß aus; aber er habe arme Verwandte, und die Regierung habe
dieselben, anstatt ihre Pflicht gegen sie zu thun, unfreundlicherweise
seiner Sorge überlassen. Er habe eine Schwester, die einer Pension
bedürfe, denn ohne eine solche könne sie ihren Töchtern keine Aussteuer
geben. Er habe einen Bruder, der, weil er keine Stelle habe, in die
traurige Nothwendigkeit versetzt worden sei, eine alte Frau wegen ihres
Geldes zu heirathen. Russell beklagte sich dann bitter, daß die Whigs
vernachlässigt würden, daß die Revolution Männer zu Ansehen und
Reichthum gebracht habe, welche die größten Anstrengungen gemacht
hätten, sie zu verhindern. Und man hat Grund zu glauben, daß diese Klage
aus seinem Herzen kam, denn nächst seinen eigenen Interessen waren die
seiner Partei ihm theuer, und selbst als er am meisten dazu geneigt war,
ein Jakobit zu werden, hatte er nicht die mindeste Neigung ein Tory zu
werden. In der Stimmung, welche dieser Brief verräth, hörte er
bereitwillig auf die Einflüsterungen David Lloyd’s, eines der
gewandtesten und thätigsten Emissäre, welche damals beständig zwischen
Frankreich und England hin und her reisten. Lloyd überbrachte Jakob die
Versicherung, daß Russell, sobald sich eine günstige Gelegenheit
darböte, versuchen würde, vermittelst der Flotte das zu bewerkstelligen,
was Monk unter der vorhergehenden Generation vermittelst der Armee
bewerkstelligt habe.[63] Bis zu welchem Punkte diese Versicherungen
aufrichtig waren, dies war eine Frage, über welche Leute, die Russell
und seine Handlungsweise genau kannten, in Zweifel waren. Es ist
wahrscheinlich, daß er viele Monate lang mit sich selbst nicht im Klaren
war. Es lag in seinem Interesse, so lange als möglich mit beiden Königen
auf gutem Fuße zu stehen, und sein reizbares, gebieterisches Temperament
trieb ihn beständig an, mit beiden zu hadern. Die eine Woche wurde seine
üble Laune durch eine trockene Antwort von Wilhelm, die nächste Woche
durch eine alberne Proklamation von Jakob erregt. Zum Glück fand ihn der
wichtigste Tag seines Lebens, der Tag, von welchem alle seine späteren
Jahre ihre Färbung entlehnten, nicht in bester Stimmung gegen den
verbannten König.


[_Godolphin._] Godolphin hatte keine Ursache sich über die Regierung,
der er diente, zu beklagen und er behauptete auch gar keine zu haben. Er
war erster Commissar des Schatzes, er war mit Protection, Vertrauen und
Gunstbezeigungen überschüttet worden, ja, die ihm bewiesene Gunst hatte
sogar viel Murren veranlaßt. Sei es passend, hatten die Whigs unwillig
gefragt, daß ein Mann, der während der ganzen vorigen Regierung hohe
Aemter bekleidet, der für die Indulgenz zu stimmen versprochen, der mit
einem Jesuiten im Staatsrathe und mit zwei Papisten im Schatzamte
gesessen, der eine Götzendienerin an ihren Altar begleitet hatte, zu den
ersten Ministern eines Fürsten gehörte, dessen Ansprüche auf den Thron
aus der Rechtserklärung hergeleitet seien? Aber auf Wilhelm hatte dieses
Geschrei keinen Eindruck gemacht, und keiner von seinen Dienern scheint
damals sein Vertrauen in größerem Umfange besessen zu haben als
Godolphin.

Dessenungeachtet verzweifelten die Jakobiten nicht. Einer der
eifrigsten unter ihnen, ein Gentleman Namens Bulkeley, der früher mit
Godolphin auf vertrautem Fuße gestanden hatte, übernahm es zu sehen, was
er thun könne. Er begab sich ins Schatzamt und bemühte sich, den ersten
Lord in ein politisches Gespräch zu ziehen. Dies war kein leichtes Ding,
denn Godolphin war nicht der Mann, der sich leicht in Andrer Hände gab.
Seine Zurückhaltung war sprüchwörtlich, und er war besonders wegen der
Gewandtheit berühmt, mit der er während seines ganzen Lebens die
Unterhaltung von Staatsangelegenheiten auf einen Hahnenkampf oder auf
den Stammbaum eines Racepferdes zu lenken wußte. Der Besuch endete, ohne
daß er ein Wort geäußert hätte, welches verrieth, daß er sich der
Existenz König Jakob’s erinnerte.

Bulkeley ließ sich jedoch nicht so leicht abschrecken. Er kam wieder und
brachte den Gegenstand, der ihm zunächst am Herzen lag, auf’s neue zur
Sprache. Godolphin erkundigte sich hierauf nach seinem ehemaligen
Gebieter und seiner ehemaligen Gebieterin in dem unmuthigen Tone eines
Mannes, der die Hoffnung aufgegeben hatte, je mit ihnen ausgesöhnt zu
werden. Bulkeley versicherte ihm, daß König Jakob bereit sei, alles
Vergangene zu verzeihen. „Darf ich Sr. Majestät sagen, daß Sie Sich
bemühen wollen, seine Gunst zu verdienen?” Bei dieser Frage erhob sich
Godolphin, sagte etwas von Amtsfesseln und von dem Wunsche, ihrer ledig
zu sein und brach die Unterredung ab.

Bulkeley machte bald einen dritten Versuch. Godolphin hatte inzwischen
mancherlei erfahren, was sein Vertrauen zu der Stabilität der Regierung,
der er diente, erschütterte. Er begann zu glauben, daß er zu hoch auf
die Revolution gewettet, wie er sich ausgedrückt haben würde, und daß es
Zeit sei, für und wider zu wetten. Ausweichende Antworten konnten ihm
nicht länger genügen. Er sprach sich aus und erklärte sich für einen
ergebenen Diener König Jakob’s. „Ich werde die nächste Gelegenheit
ergreifen, um meine Stelle niederzulegen. Bis dahin aber bin ich
gebunden. Ich darf meine Amtspflicht nicht verletzen.” Um den Werth des
Opfers, das er zu bringen sich vornahm, zu erhöhen, legte er ein höchst
freundliches und vertrauliches Schreiben vor, das er kürzlich von
Wilhelm erhalten hatte. „Sie sehen, welches unbedingte Vertrauen der
Prinz von Oranien in mich setzt. Er sagt mir, daß er mich nicht
entbehren könne, und das es keinen Engländer gebe, dem er so zugethan
sei; aber dies Alles ist bei mir von keinem Gewicht im Vergleich zu
meiner Pflicht gegen meinen rechtmäßigen König.”

Wenn der erste Lord des Schatzes wirklich Bedenken hegte, das ihm
geschenkte Vertrauen zu verrathen, so wurden diese Bedenken bald so
wirksam gehoben, daß er sechs Jahre lang in aller Gemächlichkeit das
Brot des einen Herrn aß, während er im Geheimen einem andren
Anhänglichkeitsversicherungen und Dienstversprechen sandte.

Die Wahrheit ist, daß Godolphin unter dem Einflusse eines viel
gewaltigeren und viel verderbteren Geistes stand als der seinige war.
Seine Verlegenheiten waren Marlborough mitgetheilt worden, mit dem er
seit langer Zeit durch eine Freundschaft verbunden war, wie zwei völlig
characterlose Menschen sie überhaupt für einander zu fühlen vermögen,
und mit dem er später noch durch enge häusliche Bande verknüpft wurde.


[_Marlborough._] Marlborough war in einer ganz andren Lage als die
anderen Diener Wilhelm’s. Lloyd konnte Russell, Bulkeley konnte
Godolphin Eröffnungen machen. Aber alle Agenten des verbannten Hofes
hielten sich fern von dem Verräther von Salisbury. Jene schmachvolle
Nacht schien den meineidigen Deserteur für immer von dem Fürsten
getrennt zu haben, den er in’s Unglück gestürzt hatte. Jakob hatte noch
in der äußersten Bedrängniß, als seine Armee im vollen Rückzuge
begriffen war und sein ganzes Königreich sich gegen ihn erhoben hatte,
erklärt, daß er Churchill nie und nimmer vergeben werde. Der Name
Churchill war bei allen Jakobiten gründlich verhaßt, und in der Prosa
wie in den Versen, welche täglich aus ihren geheimen Pressen
hervorgingen, wurde ihm unter den vielen Verräthern der damaligen Zeit
bezüglich der Infamie die erste Stelle angewiesen. In der aus der
Revolution entsprungenen Ordnung der Dinge war er einer der Großen
England’s, von hohem Range im Staate wie im Heere. Er war zum Earl
creirt worden und spielte eine bedeutende Rolle bei der
Militärverwaltung. Die directen und indirecten Emolumente der Stellen
und Commandos, die ihm von der Krone verliehen worden waren, schätzte
man bei der holländischen Gesandtschaft auf zwölftausend Pfund Sterling
jährlich. Im Fall einer Contrerevolution schien er nichts als eine
Dachstube in Holland oder ein Schaffot auf Tower Hill zu erwarten zu
haben. Man hätte daher denken sollen, daß er seinem neuen Gebieter mit
Treue dienen werde, wenn auch nicht mit der Treue Nottingham’s, welche
die Treue der Gewissenhaftigkeit, nicht mit der Treue Portland’s, welche
die Treue der Zuneigung war, so doch mit der nicht minder beharrlichen
Treue der Verzweiflung.

Die, welche das glaubten, kannten Marlborough nur wenig. Auf seine
Fertigkeit im Täuschen vertrauend, beschloß er, da die jakobitischen
Agenten ihn nicht mehr aufsuchten, sie aufzusuchen. Zu dem Ende ließ er
den Obersten Eduard Sackville um eine Unterredung bitten.

Sackville war über das Ansuchen erstaunt und nicht sonderlich erfreut.
Er war ein starrsinniger Cavalier aus der alten Schule. In den Tagen des
papistischen Complots war er verfolgt worden, weil er mannhaft sagte,
was er über Oates und Bedloe dachte und was jetzt Jedermann über sie
denkt.[64] Seit der Revolution hatte er für König Jakob seinen Kopf
auf’s Spiel gesetzt, war von Beamten mit Verhaftsbefehlen verfolgt und
in einer Proklamation, an welcher Marlborough selbst Theil gehabt, als
ein Verräther bezeichnet worden.[65] Nicht ohne Widerstreben überschritt
der standhafte Royalist die Schwelle des Abtrünnigen. Doch er wurde für
seine Ueberwindung durch das erbauliche Schauspiel einer so qualvollen
Reue belohnt, wie er sie noch nie gesehen. „Wollen Sie,” fragte ihn
Marlborough, „mein Fürsprecher beim Könige sein? Wollen Sie ihm sagen,
was ich leide? Meine Verbrechen erscheinen mir jetzt in ihrem wahren
Lichte und ich schaudere entsetzt vor ihnen zurück. Der Gedanke an sie
verfolgt mich Tag und Nacht. Ich setze mich zu Tische, aber ich kann
nicht essen. Ich werfe mich auf mein Bett, aber ich kann nicht schlafen.
Ich bin bereit Alles zu opfern, Allem zu trotzen, mein ganzes irdisches
Glück preiszugeben, wenn ich nur von dem Jammer eines verwundeten
Herzens befreit werden kann.” Wenn man dem äußeren Anschein trauen
durfte, so empfand dieser große Sünder eine ebenso aufrichtige Reue wie
David oder Petrus. Sackville berichtete seinen Freunden was geschehen
war. Sie mußten anerkennen, daß, wenn der Erzverräther, der bisher
seinem Gewissen und der öffentlichen Meinung die nämliche kalte und
heitere Unerschrockenheit entgegengestellt hatte, die ihn auf dem
Schlachtfelde auszeichnete, wirklich angefangen habe, Reue zu fühlen, es
absurd sein würde, seiner Unwürdigkeit halber die unschätzbaren Dienste
zurückzuweisen, die er der guten Sache zu leisten vermochte. Er war
Mitglied des inneren Rathes; er bekleidete ein hohes Commando in der
Armee; er war unlängst mit der Leitung wichtiger militärischer
Operationen betraut worden und wurde ohne Zweifel auf’s Neue damit
betraut. Es war allerdings wahr, daß kein Andrer eine so schwere Schuld
auf sich geladen hatte; aber es war nicht minder wahr, daß kein Andrer
die Macht hatte, seine Schuld in gleichem Umfange wieder gut zu machen.
Wenn er aufrichtig war, konnte er sicherlich die Verzeihung verdienen,
nach der ihn so sehr verlangte. Aber war er auch aufrichtig, hatte er
nicht noch am Vorabende seines Verbrechens eben so laut seine Loyalität
betheuert? Er mußte auf die Probe gestellt werden. Sackville und Lloyd
wendeten mehrere Proben an. Marlborough wurde aufgefordert,
vollständigen Aufschluß über die Stärke und Vertheilung sämmtlicher
Divisionen der englischen Armee zu geben, und er that es. Er wurde
aufgefordert, den ganzen Plan des bevorstehenden Feldzuges zu enthüllen,
und er that es. Die Häupter der Jakobiten spähten sorgfältig nach
Ungenauigkeiten in seinen Berichten, konnten aber keine finden. Man
hielt es für einen noch stärkeren Beweis von seiner Treue, daß er
werthvolle Auskunft über das gab, was im Bureau des Staatssekretärs
vorging. Gegen einen eifrigen Royalisten war eine Aussage beschworen
worden. Gegen einen andren war ein Verhaftsbefehl im Werke. Diese
Mittheilungen retteten mehrere Mißvergnügte vom Gefängniß, wenn nicht
vom Galgen, und sie konnten nicht umhin, einige Nachsicht gegen den
erwachten Sünder zu fühlen, dem sie so viel verdankten.

Er jedoch machte in seinen geheimen Unterredungen mit seinen neuen
Bundesgenossen keinen Anspruch auf Verdienst. Er verlange kein
Vertrauen, sagte er. Wie könne er nach den Schändlichkeiten, die er an
dem besten aller Könige begangen, hoffen, daß man ihm je wieder
Vertrauen schenken werde? Es sei genug für einen Sünder wie er, wenn man
ihm gestatte, mit Gefahr seines Lebens dem gnädigen Gebieter, den er in
der That schändlich beleidigt, den er aber nie aufgehört habe zu lieben,
wenigstens einen Ersatz zu leisten. Es sei nicht unwahrscheinlich, daß
er im Sommer die englischen Truppen in Flandern befehligen werde.
Wünsche man, daß er sie alle mit einem Male in’s französische Lager
hinüberführe? Wenn dies der Wille des Königs sei, so werde er zusehen,
daß er es möglich mache. Im Ganzen aber halte er es für besser, bis zur
nächsten Parlamentssession zu warten. Hierauf deutete er einen Plan zur
Vertreibung des Usurpators vermittelst der englischen Legislatur und der
englischen Armee an, den er später ausführlicher entwickelte. Inzwischen
hoffe er, daß Jakob Godolphin nicht befehlen werde, das Schatzamt zu
verlassen. Ein Privatmann könne für die gute Sache wenig thun. Ein Mann
aber, der die nationalen Finanzen leite und in die wichtigsten
Staatsgeheimnisse eingeweiht sei, könne unschätzbare Dienste leisten.

Marlborough’s vorgebliche Reue täuschte Diejenigen, welche die
Angelegenheiten Jakob’s in London leiteten, so vollkommen, daß sie Lloyd
mit der frohen Botschaft, daß der verstockteste aller Rebellen wunderbar
in einen loyalen Unterthan verwandelt werden sei, nach Frankreich
schickten. Die Nachricht erfüllte Jakob mit Entzücken und Hoffnung. Wäre
er ein weiser Fürst gewesen, so würde sie nur Widerwillen und Mißtrauen
in ihm erweckt haben. Es war thöricht zu glauben, daß ein Mann, dessen
Herz wirklich von Reue und Scham über einen Act der Treulosigkeit
erfüllt war, sich entschließen würde, sein Gewissen durch einen neuen,
eben so abscheulichen und eben so entehrenden Act der Treulosigkeit zu
erleichtern. Die versprochene Sühne war so schändlich und erniedrigend,
daß sie nie von einem Manne dargeboten werden konnte, der den
aufrichtigen Wunsch hegte, vergangene Schändlichkeit und Ehrlosigkeit
wieder gut zu machen. Die Wahrheit war, daß Marlborough, als er den
Jakobiten sagte, sein Schuldbewußtsein verhindere ihn, am Tage zu essen,
und des Nachts zu schlafen, sie im Stillen auslachte. Der Verlust einer
halben Guinee würde viel eher im Stande gewesen sein, ihm den Appetit zu
verderben und seinen Schlummer zu stören, als alle Schrecken eines bösen
Gewissens. Seine Anerbietungen bewiesen in Wirklichkeit nichts weiter,
als daß sein früheres Verbrechen nicht aus einem ordnungswidrigen Eifer
für die Interessen seines Vaterlandes und seiner Religion, sondern aus
einer tiefen und unheilbaren moralischen Verderbtheit entsprungen war,
die den ganzen Menschen ergriffen hatte. Jakob aber konnte theils aus
Beschränktheit, theils aus Egoismus in keiner Handlung, die ihm Nutzen
brachte, etwas Unmoralisches erblicken. Gegen ihn conspiriren, ihn
verrathen, einen ihm geschworenen Eid der Treue brechen, dies waren
Verbrechen, für welche keine Strafe, weder in dieser noch in jener Welt,
zu streng sein konnte. Aber seine Feinde umbringen, das seinen Feinden
gegebene Wort brechen, war nicht nur etwas Unschuldiges, sondern etwas
Lobenswerthes. Der Abfall zu Salisbury war das ärgste Verbrechen
gewesen, denn es hatte ihn ins Unglück gestürzt. Ein ähnlicher Abfall in
Flandern wäre etwas Ehrenvolles gewesen, denn er konnte ihn wieder auf
den Thron bringen.

Der Bußfertige wurde von seinen jakobitischen Freunden benachrichtigt,
daß ihm verziehen sei. Diese Nachricht war ihm zwar höchst willkommen,
aber es bedurfte noch etwas mehr, um seinen verlornen Seelenfrieden
wiederherzustellen. Dürfe er nicht hoffen, zwei Zeilen von der Hand des
Königs zu erhalten, worin ihm Verzeihung zugesichert würde? Er verlange
dies natürlich nicht um seinetwillen, sondern er sei überzeugt, daß er
mit einem solchen Dokumente in der Hand einige Personen von hohem
Ansehen, die nur deshalb zu dem Usurpator hielten, weil sie glaubten,
daß sie von dem legitimen Könige keine Gnade zu erwarten hätten, auf den
rechten Weg zurückführen könne. Sie würden zu ihrer Pflicht zurückkehren
sobald sie sähen, daß selbst dem schwersten aller Verbrecher in
Rücksicht auf seine Reue, großmüthig vergeben worden sei. Das
Versprechen wurde niedergeschrieben, abgeschickt und sorgfältig
aufbewahrt. Marlborough hatte jetzt seinen Zweck erreicht, den er mit
Russell und Godolphin gemeinschaftlich verfolgte. Allein er hatte noch
andere Zwecke, an die weder Russell noch Godolphin je gedacht. Es ist,
wie wir nachher sehen werden, starker Grund zu der Annahme vorhanden,
daß dieser kluge, tapfere und gewissenlose Mann auf einen Plan sann, der
seines fruchtbaren Geistes und seines tollkühnen Muthes nicht minder
würdig war als seines völlig verderbten Herzens, einen Plan, der, wenn
er nicht auf sonderbare Weise vereitelt worden wäre, Wilhelm, ohne
Nutzen für Jakob, in’s Verderben gestürzt und den vom Glück begünstigten
Verräther zum Beherrscher England’s und zum Schiedsrichter Europa’s
gemacht haben würde.


[_Wilhelm kehrt auf den Continent zurück._] So standen die Sachen, als
Wilhelm nach einem kurzen und vielbeschäftigten Aufenthalte in England
im Mai 1690 wieder nach dem Continent aufbrach, wo der regelmäßige
Feldzug beginnen sollte. Er nahm Marlborough mit sich, dessen Talente
er richtig würdigte und von dessen neuerlichen Unterhandlungen mit
Saint-Germains er nicht die leiseste Ahnung hatte. Im Haag wurden
mehrere wichtige militärische und politische Berathungen gepflogen,
und die ausgezeichnetsten Soldaten und Staatsmänner der Vereinigten
Provinzen fühlten bei jeder Gelegenheit die Superiorität des
feingebildeten Engländers. Heinsius pflegte noch lange nachher ein
Gespräch zu erzählen, das damals zwischen Wilhelm und dem Fürsten
von Vaudemont, einem der geschicktesten Heerführer in holländischen
Diensten stattfand. Vaudemont sprach sich sehr günstig über mehrere
englische Offiziere aus, unter anderen über Talmash und Mackay;
Marlborough aber stellte er unvergleichbar hoch über alle anderen. „Er
besitzt alle Vorzüge eines Generals, schon sein Blick verräth dies.
Es kann nicht fehlen, daß er noch etwas Großes vollbringt.” -- „Ich
glaube in der That, Vetter,” antwortete der König, „daß Mylord Alles
bewahrheiten wird, was Sie von ihm gesagt haben.”

Es dauerte noch eine Weile, ehe die militärischen Operationen begannen.
Wilhelm brachte diese Pause in seinem geliebten Parke von Loo zu.
Marlborough verweilte einige Tage daselbst und wurde dann mit dem
Befehle nach Flandern geschickt, alle englischen Streitkräfte
zusammenzuziehen, in der Nähe von Brüssel ein Lager zu bilden und Alles
für die Ankunft des Königs bereit zu halten.

Jetzt hatte Marlborough Gelegenheit, die Aufrichtigkeit der
Versicherungen zu beweisen, durch die er von einem Herzen, das er
selbst als härter denn ein marmorner Kaminsims bezeichnet, Verzeihung
eines Vergehens erlangt hatte, das selbst ein weiches Gemüth mit
tödtlichem Hasse erfüllt haben würde. Er erhielt aus Saint-Germains
eine Botschaft, welche die augenblickliche Erfüllung seines
Versprechens verlangte, an der Spitze seiner Truppen überzugehen. Man
sagte ihm, dies sei der größte Dienst, den er der Krone leisten könne.
Er habe sein Wort darauf gegeben, und der gnädige Gebieter, der alle
vergangenen Fehler verziehen, erwarte mit Zuversicht, daß er sein Wort
halten werde. Der Heuchler wich der Aufforderung mit characteristischer
Gewandtheit aus. Er entschuldigte sich in den ehrerbietigsten und
liebevollsten Ausdrücken, daß er dem königlichen Befehle nicht sofort
nachkomme. Das Versprechen, dessen Erfüllung man von ihm verlange,
sei nicht ganz richtig verstanden worden, es habe auf Seiten der
Abgesandten ein Mißverständniß stattgefunden. Das Uebergehen eines oder
zweier Regimenter würde mehr schaden als nützen; das Uebergehen einer
ganzen Armee aber erfordere viel Zeit und große Vorsicht.[66] Während
Jakob über diese Entschuldigungen murrte und wünschte, daß er nicht
ganz so versöhnlich gewesen sein möchte, kam Wilhelm im Hauptquartier
der verbündeten Streitkräfte an und übernahm das Obercommando.


[_Der Feldzug von 1691 in Flandern._] Die militärischen Operationen in
Flandern begannen Anfangs Juni wieder und endeten mit dem Schlusse des
Septembers. Es fand jedoch kein wichtiger Zusammenstoß statt. Die beiden
Armeen machten Märsche und Contremärsche, rückten einander näher und
entfernten sich wieder. Eine Zeit lang standen sie sich auf weniger als
eine Meile gegenüber. Aber weder Wilhelm noch Luxemburg wollten anders
als mit Vortheil losschlagen und Keiner ließ dem Andren einen Vortheil.
So ereignißleer der Feldzug war, ist er doch in einer Beziehung
interessant. Seit mehr als einem Jahrhundert hatte unser Land keine
große Armee abgesandt, um außerhalb der Britischen Inseln Krieg zu
führen. Unsre Aristokratie war daher schon längst kein militärischer
Stand mehr, die Edelleute Frankreich’s, Deutschland’s und Holland’s
waren in der Regel Soldaten. Es würde wahrscheinlich nicht leicht
gewesen sein, in dem glänzenden Zirkel, welcher Ludwig in Versailles
umgab, einen einzigen Marquis oder Vicomte von vierzig Jahren zu finden,
der nicht einer Schlacht oder einer Belagerung beigewohnt hätte. Aber
die große Mehrzahl unserer Peers, Baronets und reichen Esquires hatte
nie gedient, außer bei der Miliz und hatte nie an einer ernsteren
militärischen Action Theil genommen als der Unterdrückung eines
Aufstandes oder der Säuberung der Straßen bei einem Aufzuge. Die
Generation, welche bei Edgehill und Lansdowne gefochten hatte, war so
ziemlich ausgestorben. Die Kriege Karl’s II. waren fast nur Seekriege
gewesen. Unter seiner Regierung war daher der Seedienst entschieden mehr
in der Mode als der Landdienst, und zu wiederholten Malen, wenn unsre
Flotte unter Segel ging, um gegen die Holländer zu kämpfen, hatte sich
der Adel in solcher Masse an Bord begeben, daß unsere Parks und Theater
verödeten. Im Jahre 1691 endlich erschien zum ersten Male seit der
Belagerung von Boulogne durch Heinrich VIII. eine englische Armee unter
Anführung eines englischen Königs auf dem Continent. Ein Feldlager, das
zugleich ein Hoflager war, hatte einen unwiderstehlichen Reiz für viele
junge Patrizier, die von natürlichem Muthe und von dem Wunsche beseelt
waren, die Gunst zu erlangen, welche Männer von ausgezeichneter
Tapferkeit bei den Frauen zu allen Zeiten gefunden haben. Als
Freiwilliger in Flandern zu dienen, wurde eine wahre Manie unter den
eleganten Herren, die im Saint James-Kaffeehause ihre wallenden
Perrücken kämmten und ihre parfümirten Prisen austauschten. Wilhelm’s
Hauptquartier wurde durch eine Masse glänzender Equipagen und durch eine
rasche Aufeinanderfolge prächtiger Bankette belebt. Denn viele von den
hochgebornen und tapferen jungen Männern, die zu seiner Fahne eilten,
waren zwar vollkommen bereit, dem Feuer einer Batterie zu trotzen,
deshalb aber keineswegs geneigt, sich den Luxus zu versagen, der sie in
Soho Square umgeben hatte. Nach wenigen Monaten brachte Shadwell diese
tapferen Stutzer und Epikuräer auf die Bühne. Die Stadt wurde durch den
Character eines muthigen, aber verschwenderischen und verzärtelten
Gecken erheitert, der es nicht erwarten kann, mit den besten Männern
unter den französischen Haustruppen den Degen zu kreuzen, der aber ganz
betrübt ist, als er erfährt, daß es ihm schwer werden wird, jeden Tag
während des Sommers seinen Champagner in Eis zu bekommen. Er hat Köche,
Zuckerbäcker und Wäscherinnen, eine ganze Wagenladung Silbergeschirr,
eine Garderobe betreßter und gestickter Anzüge und eine Menge prächtiger
Zeltmöbeln bei sich, deren Muster von einem Kreise schöner Damen
ausgewählt worden sind.[67]

Während die feindlichen Armeen in Flandern einander beobachteten,
wurden in anderen Gegenden Europa’s die Feindseligkeiten etwas
energischer betrieben. Die Franzosen errangen in Catalonien und Piemont
einige Vortheile. Ihre türkischen Alliirten, welche im Osten die
Besitzungen des Kaisers bedrohten, wurden von Ludwig von Baden in einer
großen Schlacht geschlagen. Nirgends aber waren die Ereignisse des
Sommers so wichtig als in Irland.


[_Der Krieg in Irland._] Vom October 1690 bis zum Mai 1691 war keine
große militärische Operation in diesem Königreiche unternommen worden.
Das Gebiet der Insel war während des Winters und Frühjahrs nicht
ungleich zwischen die streitenden Volksstämme getheilt. Ganz Ulster, der
größte Theil von Leinster und etwa ein Drittel von Munster hatte sich
den Engländern unterworfen. Ganz Connaught, der größere Theil von
Munster und einige Grafschaften von Leinster waren im Besitz der
Irländer. Die gewundene Grenzlinie, welche Wilhelm’s Garnison bildete,
lief in nordöstlicher Richtung von der Bai von Castlehaven nach Mallow,
zog sich dann noch weiter gegen Osten und ging bis Cashel. Von Cashel
ging die Linie nach Mullingar, von Mullingar nach Longford und von
Longford nach Cavan, zog sich an der Westseite des Ernesees hin und
stieß bei Ballyshannon wieder in den Ocean.[68]


[_Zustand des englischen Theils von Irland._] Auf der englischen Seite
dieser Grenzmark herrschte eine rohe und unvollkommene Ordnung. Zwei
Lords Justices, Coningsby und Porter, denen ein Geheimer Rath zur Seite
stand, repräsentirten den König Wilhelm im Schlosse zu Dublin. Richter,
Sheriffs und Friedensrichter waren ernannt, und in mehreren
Grafschaftsstädten wurden nach langer Zeit wieder Assisen gehalten. Die
Colonisten hatten sich inzwischen zu einer starken Miliz formirt unter
dem Commando von Offizieren, welche von der Krone ernannt waren. Die
Milizen der Hauptstadt bestanden aus zweitausendfünfhundert Mann
Infanterie, zwei Schwadronen Reiter und zwei Schwadronen Dragoner,
lauter Protestanten und alle wohl bewaffnet und equipirt.[69] Am
4. November, Wilhelm’s Geburtstage, und am 5., dem Jahrestage seiner
Landung zu Torbay, erschien diese ganze Streitmacht in all’ ihrem
kriegerischen Pompe. Die besiegten und entwaffneten Eingebornen sahen
mit unterdrücktem Aerger und Zorn den Triumph der Kaste, die sie fünf
Monate früher ungestraft unterdrückt und ausgeplündert hatten. Die
Lords Justices begaben sich in feierlichem Aufzuge nach der Kathedrale
St. Patrick; die Glocken läuteten, Freudenfeuer wurden angezündet, auf
den Straßen wurden Fässer voll Ale und Claret ausgeschenkt, in College
Green wurde Feuerwerk abgebrannt, eine zahlreiche Gesellschaft von
Edelleuten und öffentlichen Beamten war im Schlosse zu einem Festmahle
vereinigt, und beim zweiten Gange schmetterten die Trompeten und der
Herold von Ulster proklamirte in lateinischer, französischer und
englischer Sprache Wilhelm und Marien zum König und zur Königin von
Großbritannien, Frankreich und Irland von Gottes Gnaden.[70]

In dem Gebiete, wo der sächsische Volksstamm der herrschende war,
hatten Handel und Industrie schon wieder aufzuleben begonnen. Die
kupfernen Scheidemünzen, welche das Bild und die Umschrift Jakob’s
trugen, machten dem Silber Platz. Die Flüchtlinge, die sich nach
England begeben hatten, kehrten in Masse zurück, und durch ihre
Intelligenz, ihren Fleiß und ihre Sparsamkeit wurde die durch
zweijährige Unordnung und Beraubung verursachte Verwüstung bald
theilweise wieder gut gemacht. Schwer befrachtete Kauffahrer segelten
beständig über den St. Georgskanal hin und her. Die Einnahme der
Zollämter auf der Ostküste, von Cork bis Londonderry beliefen sich in
sechs Monaten auf siebenundsechzigtausendfünfhundert Pfund, eine Summe,
die selbst in den blühendsten Zeiten für außerordentlich gegolten haben
würde.[71]

Die innerhalb des englischen Gebiets zurückgebliebenen Irländer waren
allesammt der englischen Herrschaft feindlich gesinnt. Sie waren daher
einem strengen Polizeisystem unterworfen, der natürlichen, wenn auch
beklagenswerthen Folge großer Gefahr und heftiger Provocationen. Ein
Papist durfte weder einen Degen noch ein Schießgewehr haben. Er durfte
sich nicht weiter als drei Meilen aus seinem Kirchspiele entfernen,
außer an einem Markttage in die Marktstadt. Damit er seinen Brüdern,
welche die westliche Hälfte der Insel bewohnten, keine Nachrichten oder
Beistand zukommen lassen konnte, war ihm verboten, innerhalb zehn Meilen
von der Grenze zu wohnen. Damit sein Haus nicht ein Versammlungsort für
Mißvergnügte wurde, war ihm untersagt, geistige Getränke im Einzelnen zu
verkaufen. Eine Proclamation kündigte an, daß, wenn das Eigenthum eines
Protestanten durch Räuber beschädigt würde, sein Verlust ihm auf Kosten
seiner papistischen Nachbarn ersetzt werden sollte. Eine andre that kund
und zu wissen daß, wenn ein Papist, der nicht seit wenigstens drei
Monaten sein Domicil in Dublin habe, daselbst gefunden wurde, als Spion
betrachtet werden solle. Nicht mehr als fünf Papisten durften sich unter
irgend welchem Vorwande in der Hauptstadt oder deren Umgebung
versammeln. Ohne Schutz von Seiten der Regierung war kein Mitglied der
römischen Kirche sicher, und die Regierung gewährte diesen Schutz keinem
Mitgliede der römischen Kirche, das einen Sohn in der irischen Armee
hatte.[72]

Trotz aller Vorsicht und Strenge fanden jedoch die Celten manche
Gelegenheiten, heimtückische Rache zu üben. Häuser und Scheunen wurden
häufig angezündet, Soldaten wurden nicht selten ermordet, und es war
kaum möglich, die Missethäter, welche die Sympathien der ganzen
Bevölkerung für sich hatten, zu bestrafen. Bei solchen Gelegenheiten
wagte die Regierung zuweilen Maßregeln, welche mehr einer türkischen als
einer englischen Verwaltung angemessen schienen. Eine dieser Maßregeln
wurde ein Lieblingsthema für jakobitische Pamphletisten und war der
Gegenstand einer ernsten parlamentarischen Untersuchung zu Westminster.
Sechs Musketiere wurden nur wenige Meilen von Dublin ermordet
aufgefunden. Die Bewohner des Dorfes, in welchem das Verbrechen begangen
worden war, wurden, Männer, Frauen und Kinder, wie Schafe in das Schloß
getrieben, wo der Geheime Rath Sitzung hielt. Dem einen der Mörder,
Namens Gafney, sank der Muth. Er willigte ein, als Zeuge zu dienen,
wurde vom Rathe verhört, gestand seine Schuld ein und nannte einige
seiner Mitschuldigen. Er wurde dann ins Gefängniß zurückgebracht; aber
ein Priester erlangte auf einige Minuten Zutritt bei ihm. Was während
dieser wenigen Minuten vorging, zeigte sich als er zum zweiten Male vor
den Geheimen Rath gestellt wurde. Er hatte die Frechheit zu leugnen, daß
er irgend etwas gestanden, noch irgend Jemanden angeklagt habe. Die
Zuhörenden von denen mehrere sein Geständniß niedergeschrieben hatten,
waren empört über seine Unverschämtheit. „Ihr seid ein Hallunke! Ihr
seid ein Schurke!” riefen die Lords Justices aus; „Ihr sollt gehängt
werden! Wo ist der Generalprofoß?” Der Generalprofoß kam. „Nehmt diesen
Mann,” sagte Coningsby, auf Gafney zeigend, „nehmt diesen Mann und hängt
ihn auf.” Es war kein Galgen bereit, aber eine Kanonenlaffette vertrat
die Stelle, und der Gefangene wurde augenblicklich aufgeknüpft, ohne
Untersuchung, ohne nur einen schriftlichen Befehl zur Hinrichtung, und
dies obgleich die Gerichtshöfe nur einige hundert Schritt davon
versammelt waren. Das englische Haus der Gemeinen resolvirte einige
Jahre später nach langer Discussion ohne Abstimmung, daß der Befehl zur
Hinrichtung Gafney’s willkürlich und ungesetzlich sei, daß aber
Coningsby’s Fehler durch die Umstände, die dabei obwalteten, so
gemildert werde, daß er keinen geeigneten Gegenstand zu einer Anklage
abgebe.[73]

Und nicht nur durch die unversöhnliche Feindschaft der Irländer wurde
der Sachse des englischen Districts damals beunruhigt. Seine Verbündeten
belästigten ihn fast eben so sehr als seine Heloten. Der Hülfe fremder
Truppen bedurfte er allerdings sehr nöthig; aber sie war theuer erkauft.
Selbst Wilhelm, der die ganze Civil- und Militärgewalt in sich
vereinigte, hatte es als schwierig erkannt, in einer Armee, die aus
vielen Ländern zusammengebracht war und großentheils aus Söldlingen
bestand, welche gewohnt waren, auf Kosten Anderer zu leben, die
Disciplin aufrecht zu erhalten. Die Gewalten, die er in sich vereinigt
gehabt hatte, waren jetzt getheilt und wiedergetheilt. Die beiden Lords
Justices betrachteten die Civilverwaltung als ihr Departement und
überließen die Armee der Leitung Ginkell’s, welcher commandirender
General war. Ginkell hielt vortreffliche Ordnung unter den Hülfstruppen
aus Holland, die unter seinem unmittelbaren Commando standen. Aber seine
Autorität über die Engländer und die Dänen war minder vollkommen, und
unglücklicherweise war ihre Löhnung während eines Theils des Winters in
Rückstand. Sie entschädigten sich für den Mangel dessen was ihnen zukam
durch Excesse und Erpressungen, und es war nicht gut möglich, Leute
deshalb streng zu bestrafen, weil sie nicht Lust gehabt hatten, mit den
Waffen in der Hand zu darben. Endlich im Frühjahr kamen große Sendungen
von Geld und Kriegsvorräthen an; die Soldrückstände wurden bezahlt, die
Rationen waren reichlich und eine strengere Disciplin wurde gehandhabt.
Aber nur zu viele Spuren von den schlechten Gewohnheiten, welche die
Soldaten angenommen hatten, waren bis ans Ende des Kriegs sichtbar.[74]


[_Zustand des Theiles von Irland, welcher Jakob unterthan war._] Von dem
Theile Irland’s, welcher Jakob noch als König anerkannte, konnte man
inzwischen kaum sagen, daß daselbst Gesetzlichkeit, Eigenthumsrecht und
Regierung bestanden. Die Katholiken von Ulster und Leinster waren zu
Tausenden westwärts geflohen, einen großen Theil des Viehes, das der
Verwüstung zweier Schreckensjahre entgangen war, mit sich führend. Die
Zufuhr von Lebensmitteln in das celtische Gebiet hielt jedoch bei weitem
nicht gleichen Schritt mit dem Zuströmen der Consumenten. Die
Lebensbedürfnisse waren knapp. Bequemlichkeiten, an welche jeder kleine
Landwirth oder Bürger in England gewöhnt war, konnten sich kaum
Edelleute und Generäle erzeugen. Gemünztes Geld war gar nicht zu sehen,
außer Stücken von schlechtem Metall, welche Kronen und Schillinge
hießen. Die nominellen Preise waren enorm hoch. Ein Quart Ale kostete
zwei Schilling sechs Pence, ein Quart Branntwein drei Pfund. Die
einzigen Städte von einiger Bedeutung an der westlichen Küste waren
Limerick und Galway, und die Kleinhändler in diesen Städten seufzten
unter einem so harten Drucke, daß viele von ihnen sich mit den
Ueberresten ihrer Waarenlager auf das englische Gebiet stahlen, wo ein
Papist zwar auch mannichfache Beschränkungen und Demüthigungen zu
ertragen hatte, aber doch für seine Waaren verlangen durfte was er
wollte, und den Kaufpreis dafür in Silber erhielt. Die Kaufleute, welche
in dem unglücklichen Gebiete zurückblieben, waren ruinirt. Jedes
Waarenlager, das etwas Werthvolles enthielt, wurde von Räubern
erbrochen, welche vorgaben, daß sie beauftragt seien, Vorräthe für den
Staatsdienst herbeizuschaffen, und die Eigenthümer erhielten für Ballen
Tuch und Fässer Zucker einige Bruchstücken von alten Kesseln und
Tiegeln, die in London oder Paris kein Bettler genommen haben würde.
Sobald ein Kauffahrteischiff in der Galwaybai oder im Shannon ankam,
wurde es von diesen Räubern weggenommen. Die Ladung wurde fortgeschafft,
und der Eigenthümer mußte sich mit demjenigen Quantum Kuhhäuten, Wolle
und Talg begnügen, das die Bande, die ihn ausgeplündert, ihm zu geben
Lust hatte. Die Folge davon war, daß, während ausländische Waaren
massenhaft in die Häfen von Londonderry, Carrickfergus, Dublin,
Waterford und Cork strömten, jeder Seemann Limerick und Galway als
Piratennester mied.[75]

Der Unterschied zwischen dem irischen Infanteristen und dem irischen
Rapparee war niemals genau markirt gewesen. Jetzt verschwand derselbe
ganz. Ein großer Theil der Armee streifte ungehindert umher und lebte
vom Maraudiren. Ein unaufhörlicher Raubkrieg wüthete längs der ganzen
Linie, welche das Gebiet Wilhelm’s von dem Gebiete Jakob’s trennte.
Jeden Tag stahlen sich Banden von Freibeutern, zuweilen in bloße
Strohgeflechte gekleidet, welche die Stelle der Montur vertraten, auf
das englische Gebiet, sengten, raubten und plünderten und eilten dann
zurück auf ihren eigenen Grund und Boden. Es war nicht leicht, sich
gegen diese Einfälle zu schützen, denn das Landvolk des geplünderten
Gebiets sympathisirte stark mit den Plünderern. Den Speicher eines
Ketzers auszuleeren, ihm sein Haus anzuzünden und sein Vieh
wegzutreiben, galt bei jedem schmutzigen Bewohner einer Lehmhütte für
ein gutes Werk. Ein darauf ausgehender Trupp durfte mit Sicherheit
erwarten, daß er trotz aller Proklamationen der Lords Justices einen
Freund fand, der die reichste Beute, den kürzesten Weg und den
sichersten Versteck anzeigte. Die Engländer klagten, daß es nicht leicht
sei, einen Rapparee zu fangen. Zuweilen, wenn er Gefahr im Anzuge sah,
legte er sich in das lange Gras des Moors nieder, und dann war er eben
so schwer zu finden wie ein sitzender Haase. Andere Male sprang er in
einen Fluß und lag darin wie eine Otter, nur den Mund und die
Nasenlöcher über dem Wasser. Ja, eine ganze Bande solcher Räuber
verwandelte sich in einem Nu in eine Truppe harmloser Arbeiter. Jeder
von ihnen nahm sein Gewehr auseinander, verbarg das Schloß in seinen
Kleidern, verstopfte die Mündung mit einem Korke, das Zündloch mit einem
Stifte und warf die Waffe in den nächsten Teich. Dann sah man nichts als
eine Schaar armer Bauern, die nicht einmal einen Rock bei sich hatten
und deren demüthiges Aussehen und schleichender Gang zu verrathen
schien, daß sie willenlose Sklaven seien. Sobald aber die Gefahr vorüber
war und das verabredete Zeichen gegeben wurde, eilte Jeder nach der
Stelle, wo er seine Waffen verborgen hatte, und bald waren die Räuber in
vollem Marsche nach dem Hause eines Protestanten. Die eine Bande drang
in Clonmel ein, eine andre marschirte in die Nähe von Maryborough, eine
dritte schlug ihr Lager auf einem bewaldeten Eilande festen Bodens in
der Mitte des großen Sumpfes von Allen auf, machte die ganze Grafschaft
Wicklow unsicher und beunruhigte selbst die Vorstädte von Dublin.
Allerdings fielen diese Expeditionen nicht immer glücklich aus. Zuweilen
stießen die Plünderer auf Abtheilungen von Miliz oder auf Detachements
englischer Garnisonen unter Umständen, wo Verstellung, Flucht und
Widerstand gleich unmöglich waren. In solchen Fällen wurde jeder Kerne,
der ergriffen ward, ohne alle Umstände am nächsten Baume
aufgeknüpft.[76]


[_Uneinigkeiten unter den Irländern in Limerick._] Im Hauptquartier der
irischen Armee gab es während des Winters keine Autorität, die im Stande
gewesen wäre, sich auch nur in einem Umkreise von einer Meile Gehorsam
zu verschaffen. Tyrconnel war am französischen Hofe und er hatte die
oberste Verwaltung in den Händen eines aus zwölf Personen bestehenden
Regentschaftsrathes zurückgelassen. Das nominelle Commando der Armee
hatte er Berwick übertragen; aber Berwick war, obgleich er sich nachmals
als ein Mann von nicht gewöhnlichem Muth und Talent erwies, noch jung
und unerfahren. Weder die Welt noch er selbst hatte eine Ahnung von
seinen Fähigkeiten,[77] und er unterwarf sich ohne Widerstreben der
Vormundschaft eines vom Vicekönig ernannten Kriegsrathes. Weder der
Regentschaftsrath noch der Kriegsrath war in Limerick beliebt. Die
Irländer beklagten sich, daß Leute, die keine Irländer waren, mit einer
wichtigen Rolle bei der Verwaltung betraut worden seien. Am lautesten
war das Geschrei gegen einen Offizier, Namens Thomas Maxwell. Denn es
war ausgemacht, daß er ein Schotte war, es war zweifelhaft, ob er ein
Katholik war, und er hatte seine Abneigung gegen das celtische
Parlament, welches die Ansiedlungsacte widerrufen und die
Confiscationsacte erlassen hatte, nicht verhehlt.[78] Die
Unzufriedenheit, genährt durch die Ränke von Intriganten, unter denen
der verschlagene und characterlose Heinrich Luttrell der thätigste
gewesen zu sein scheint, brach bald in offene Empörung aus. Es wurde ein
großes Meeting gehalten, dem viele Offiziere von der Armee, einige
Peers, einige angesehene Juristen und einige Prälaten der
römisch-katholischen Kirche beiwohnten, und es wurde resolvirt, daß die
Verfassung die von dem Vicekönig eingesetzte Regierung nicht kenne.
Irland, hieß es, könne in Abwesenheit des Königs gesetzlich nur durch
einen Lord Lieutenant, durch einen Lord Stellvertreter oder durch Lords
Justices regiert werden. Der König sei abwesend, der Lord Lieutenant sei
abwesend und es gebe weder einen Lord Stellvertreter, noch Lords
Justices. Die Acte, durch welche Tyrconnel seine Autorität einer aus
seinen Creaturen zusammengesetzten Junta delegirt habe, sei null und
nichtig. Die Nation sei daher ohne legitimes Oberhaupt und könne
temporäre Maßregeln für ihre Sicherheit treffen, ohne die der Krone
schuldige Unterthanentreue zu verletzen. Es wurde eine Deputation an
Berwick abgeschickt, um ihm anzukündigen, daß er eine ihm nicht
zustehende Gewalt übernommen habe, daß aber trotzdem die Armee und das
Volk von Irland ihn gern als ihr Oberhaupt anerkennen wollten, wenn er
sich dazu verstehe, in Gemeinschaft mit einem wirklichen irischen Rathe
zu regieren. Berwick sprach entrüstet sein Erstaunen darüber aus, daß
Militärs sich eigenmächtig, ohne die Erlaubniß ihres Generals
versammelten und Berathungen hielten. Sie antworteten ihm, es gebe
keinen General, und wenn Se. Gnaden nicht geneigt sei, die Verwaltung
unter den proponirten Bedingungen zu übernehmen, so würde ein andrer
Führer leicht zu finden sein. Mit großem Widerstreben gab Berwick nach
und blieb eine Puppe in einer neuen Klasse von Händen.[79]

Die, welche diese Umwälzung bewerkstelligt hatten, hielten es für klug,
eine Deputation nach Frankreich zu schicken, um ihr Verfahren zu
rechtfertigen. Mitglieder dieser Deputation waren der katholische
Bischof von Cork und die beiden Luttrell. Auf dem Schiffe, das sie von
Limerick nach Brest brachte, fanden sie einen Reisegesellschafter,
dessen Anwesenheit ihnen keineswegs angenehm war: ihren Feind Maxwell.
Sie ahneten, und nicht ohne Grund, daß er ebenfalls nach Saint-Germains
ging, aber in ganz andrer Absicht. In der That war Maxwell von Berwick
abgesandt, um ihre Schritte zu beobachten und ihre Pläne zu vereiteln.
Heinrich Luttrell, der gewissenloseste Mensch von der Welt, schlug vor,
die Sache kurz abzumachen, indem man den Schotten ins Meer würfe. Allein
der Bischof, der ein gewissenhafter Mann, und Simon Luttrell, der ein
Mann von Ehre war, widersetzten sich diesem Gewaltmittel.[80]

Unterdessen gab es in Limerick keine oberste Behörde. Da Berwick
sah, daß er keine wirkliche Autorität hatte, vernachlässigte er die
Geschäfte gänzlich und gab sich denjenigen Vergnügungen hin, welche
der traurige Verbannungsort darbot. Unter den irischen Anführern gab
es keinen Mann von hinreichendem Gewicht und Talent, um die Uebrigen
im Zaume zu halten. Sarsfield trat eine Zeit lang an die Spitze. Aber
Sarsfield war, obgleich im Felde außerordentlich tapfer und thätig, in
der Militärverwaltung wenig, und in den Civilgeschäften noch weniger
bewandert. Selbst Diejenigen, welche am meisten geneigt waren, seine
Autorität zu unterstützen, mußten bekennen, daß sein Character zu
vertrauensvoll und nachsichtig war für einen Posten, auf dem man nicht
mißtrauisch und streng genug sein konnte. Er glaubte Alles was ihm
gesagt wurde, er unterzeichnete Alles was ihm vorgelegt wurde, und die
durch seine Nachsicht dreist gemachten Commissare, raubten und betrogen
schamloser als je. Tagtäglich zogen sie unter Eskorte von Piken und
Feuergewehren aus, um dem Namen nach für den öffentlichen Dienst, in
Wahrheit aber für sich selbst, Wolle, Leinwand, Leder, Talg, Haus- und
Wirthschaftsgeräthe wegzunehmen, durchsuchten jede Vorrathskammer, jede
Garderobe, jeden Keller und vergriffen sich frevelhafterweise selbst an
dem Eigenthum von Priestern und Prälaten.[81]


[_Rückkehr Tyrconnel’s nach Irland._] Zu Anfang des Frühjahrs wurde die
Regierung, wenn man sie so nennen darf, deren ostensibles Oberhaupt
Berwick war, durch Tyrconnel’s Zurückkunft aufgelöst. Die beiden
Luttrell hatten Jakob im Namen ihrer Landsleute dringend gebeten, ein so
loyales Volk nicht unter einen so schändlichen und unfähigen Vicekönig
zu stellen. Tyrconnel sei alt und hinfällig, sagten sie; er müsse viel
schlafen, er verstehe nichts vom Kriege, er sei langsam, parteiisch und
raubsüchtig, die ganze Nation traue ihm nicht und hasse ihn. Die von ihm
im Stich gelassenen Irländer hätten tapfer Stand gehalten und die
siegreiche Armee des Prinzen von Oranien zum Rückzuge gezwungen. Sie
hofften bald wieder in einer Stärke von dreißigtausend Mann ins Feld zu
rücken und sie beschwörten ihren König, ihnen einen Feldherrn zu senden,
der würdig sei, eine solche Streitmacht zu commandiren. Tyrconnel und
Maxwell hingegen schilderten die Delegirten als Meuterer, Demagogen und
Verräther und drangen in Jakob, Heinrich Luttrell in die Bastille zu
schicken, um Mountjoy Gesellschaft zu leisten. Jakob, ganz verwirrt
durch diese Anklagen und Gegenanklagen, war lange unschlüssig, und zog
sich endlich mit characteristischer Klugheit dadurch aus der
Verlegenheit, daß er allen Streitenden schöne Worte sagte und sie
zurückschickte, um in Irland selbst ihre Sache auszufechten. Berwick
wurde zu gleicher Zeit nach Frankreich zurückberufen.[82]

Tyrconnel wurde in Limerick, selbst von seinen Feinden, mit gebührender
Achtung empfangen. So sehr sie ihn auch haßten, konnten sie doch die
Gültigkeit seiner Bestallung nicht in Frage stellen, und obwohl sie noch
immer behaupteten, daß sie vollkommen berechtigt gewesen seien, während
seiner Abwesenheit die von ihm getroffenen verfassungswidrigen
Anordnungen zu annulliren, gaben sie doch zu, daß er, wenn anwesend, ihr
rechtmäßiges Verwaltungsoberhaupt sei. Er kam nicht ganz ohne Mittel
zurück, welche geeignet waren, sie mit ihm auszusöhnen. Er brachte viele
gnädige Botschaften und Versprechungen mit, ein Peerspatent für
Sarsfield, etwas Geld, das nicht von Kupfer war, und einige
Bekleidungsstücke, die sogar noch willkommener waren als Geld. Die neuen
Anzüge waren zwar nicht sehr elegant, aber selbst die Generäle waren
schon längst mit ihrer Garderobe zu Ende, und unter den Gemeinen gab es
nur wenige, deren Uniformen in einem blühenderen Lande zur Bekleidung
einer Vogelscheuche für genügend erachtet worden wären. Jetzt endlich
konnte sich seit vielen Monaten zum ersten Male wieder jeder gemeine
Soldat rühmen, ein Paar Beinkleider und ein Paar Holzschuhe zu besitzen.
Der Vicekönig war außerdem ermächtigt anzukündigen, daß ihm bald mehrere
mit Lebensmitteln und Kriegsvorräthen beladene Schiffe folgen würden.
Diese Mittheilung war den Truppen, die seit langer Zeit kein Brot und
kein stärkeres Getränk als Wasser hatten, höchst willkommen.[83]

Die Zufuhren wurden mehrere Wochen mit Ungeduld erwartet. Endlich war
Tyrconnel genöthigt sich einzuschließen, denn sobald er sich öffentlich
blicken ließ, liefen ihm die Soldaten nach und schrien um Nahrung.
Selbst das Rindfleisch und Hammelfleisch, das, halb roh und halb
verbrannt, ohne Zuspeise und ohne Salz, die Armee bisher erhalten hatte,
war selten geworden und die Gemeinen bereits auf Pferdefleischrationen
gesetzt, als endlich die verheißenen Segel in der Mündung des Shannon
erschienen.[84]


[_Ankunft einer französischen Flotte in Limerick; Saint-Ruth._] Ein
ausgezeichneter französischer General, Namens Saint-Ruth, war mit seinem
Stabe an Bord. Er brachte ein Patent mit, das ihn zum Oberbefehlshaber
der irischen Armee ernannte. Das Patent erklärte zwar nicht
ausdrücklich, daß er von der viceköniglichen Autorität unabhängig sein
sollte; aber Jakob hatte ihm versichert, daß Tyrconnel geheime
Instructionen erhalten werde, sich nicht in die Kriegführung
einzumischen. Saint-Ruth war ein andrer General, Namens D’Usson, zur
Unterstützung beigegeben. Die französischen Schiffe brachten einige
Waffen, etwas Munition, und einen reichen Vorrath von Getreide und Mehl
mit. Der Muth der Irländer lebte wieder auf und das Te Deum wurde mit
inbrünstiger Andacht in der Kathedrale von Limerick gesungen.[85]

Tyrconnel hatte noch keine Anstalten zu dem bevorstehenden Feldzuge
getroffen. Saint-Ruth aber ging, sobald er gelandet war, mit Energie
daran, die verlorne Zeit wieder einzubringen. Er war ein Mann von Muth,
Thatkraft und Entschlossenheit, aber von barschem und gebieterischem
Character. In seinem Lande war er als der unbarmherzigste Verfolger
berühmt, der je mit seinen Dragonern die Hugenotten in die Messe
getrieben hatte. Englische Whigs behaupteten, er sei in Frankreich unter
dem Spottnamen des Henkers bekannt, in Rom hätten selbst die Cardinäle
ihren Abscheu vor seinen Grausamkeiten geäußert, und sogar die Königin
Christine, die gewiß wenig Ursache habe, über Blutvergießen zu
erschrecken, habe sich mit Widerwillen von ihm abgewandt. Er hatte
unlängst ein Commando in Savoyen bekleidet, die in französischen
Diensten stehenden irischen Regimenter hatten einen Theil seiner Armee
gebildet, und sie hatten sich ausgezeichnet benommen. Deshalb traute man
ihm ein besonderes Talent zur Führung irischer Truppen zu. Aber es war
ein großer Unterschied zwischen den gut gekleideten, gut bewaffneten und
gut eingeübten Irländern, die er kannte, und den zerlumpten Räubern, die
er in den Straßen von Limerick herumstreichen sah. Gewöhnt an den Glanz
und die Disciplin französischer Lager und Garnisonen, sah er mit Ekel,
daß in dem Lande, in das er gesandt worden war, ein Infanterieregiment
einen Haufen Menschen bedeutete, so nackt, so schmutzig und so
verwildert wie die Bettler, die auf dem Kontinent die Thüren eines
Klosters belagerten oder einer bergauf fahrenden Diligence nachliefen.
Mit schlecht verhehltem Widerwillen ging er indessen kräftig ans Werk,
diese wunderlichen Soldaten zu discipliniren, und war Tag und Nacht im
Sattel, um von Posten zu Posten, von Limerick nach Athlone, von Athlone
nach dem nördlichen Ende des Reasees und vom Reasee nach Limerick zu
galoppiren.[86]


[_Die Engländer rücken ins Feld._] Es war in der That auch nothwendig,
daß er sich beeilte, denn wenige Tage nach seiner Ankunft erfuhr er, daß
auf der andren Seite des sächsischen Gebiets Alles zur Action bereit
war. Der größere Theil der englischen Truppen war vor Ende des Monats
Mai in der Nähe von Mullingar zusammengezogen. Ginkell war
Oberbefehlshaber. Er hatte unter sich die nächst Marlborough zwei besten
Offiziere, deren sich unsre Insel damals rühmen konnte: Talmash und
Mackay. Der Marquis von Ruvigny, der erbliche Anführer der Refugiés und
ältere Bruder des tapferen Caillemot, der am Boyne gefallen war, hatte
sich mit dem Range eines Generalmajors der Armee angeschlossen. Der Lord
Justice Coningsby, obgleich kein Soldat von Profession, kam von Dublin,
um den Eifer der Truppen zu beleben. Das Aussehen des Lagers bewies, daß
das vom englischen Parlamente bewilligte Geld nicht gespart worden war.
Die Uniformen waren neu, das glänzende Scharlachroth der Reihen blendete
das Auge, und der Artillerietrain war so, wie man ihn in Irland noch nie
gesehen hatte.[87]


[_Fall von Ballymore._] Am 6. Juni verlegte Ginkell sein Hauptquartier
von Mullingar weg und am 7. erreichte er Ballymore. Zu Ballymore stand
auf einer von einem sumpfartigen See umgebenen Halbinsel eine alte
Festung, welche kürzlich unter Sarsfield’s Leitung verstärkt worden war
und die von mehr als tausend Mann vertheidigt wurde. Die englischen
Geschütze wurden sofort gegen dieselbe aufgefahren, und schon nach
wenigen Stunden hatten die Belagerer die Freude, die Belagerten wie
Kaninchen von einer Schutzwehr zur andren laufen zu sehen. Der
Gouverneur, der zuerst eine sehr trotzige Sprache geführt hatte, bat
demüthiglich um Pardon und erhielt ihn. Die ganze Garnison wurde nach
Dublin dirigirt. Nur acht von den Siegern waren gefallen.[88]

Ginkell verwendete einige Tage auf die Ausbesserung der
Vertheidigungswerke von Ballymore. Diese Arbeit war kaum beendigt, als
die dänischen Hülfstruppen unter dem Commando des Herzogs von Würtemberg
zu ihm stießen. Die ganze Armee marschirte hierauf westwärts und
erschien am 19. Juni vor den Mauern von Athlone.[89]


[_Belagerung und Fall von Athlone._] Athlone war, vom militärischen
Gesichtspunkte, vielleicht der wichtigste Platz auf der Insel. Rosen,
der den Krieg gut verstand, hatte stets behauptet, daß sich dort die
Irländer mit dem meisten Vortheile gegen die Engländer würden halten
können.[90] Die von Erdwällen umgebene Stadt lag zum Theil in Leinster
und zum Theil in Connaught. Der in Leinster liegende englische
Stadttheil hatte einst aus neuen und hübschen Häusern bestanden, war
aber vor einigen Monaten von den Irländern in Brand gesteckt worden und
lag jetzt in Trümmern. Der in Connaught liegende irische Stadttheil war
alt und schlecht gebaut.[91] Der Shannon, der die Grenze zwischen beiden
Provinzen bildet, wälzte sich als ein tiefer und reißender Strom durch
Athlone und setzte zwei große Mühlen in Bewegung, welche auf den Bögen
einer steinernen Brücke standen. Oberhalb der Brücke, auf der
Connaughter Seite, erhob sich ein angeblich vom König Johann erbautes
Schloß von siebzig Fuß Höhe, das sich zweihundert Fuß am Flusse hin
erstreckte. Funfzig bis sechzig Schritt unterhalb der Brücke war eine
schmale Furth.[92]

In der Nacht des 19. fuhren die Engländer ihre Geschütze auf. Am Morgen
des 20. begann das Bombardement und um fünf Uhr Nachmittags wurde ein
Sturm unternommen. Ein tapfrer französischer Refugié war der Erste, der
mit einer Granate in der Hand die Bresche erklomm und fiel, mit seinem
letzten Athemzuge seine Landsleute zum Sturm anfeuernd. Solcher Art
waren die tapfren Männer, welche Ludwig’s Bigotterie abgesandt hatte, um
in der Zeit seiner äußersten Noth die Armeen seiner bittersten Feinde zu
verstärken. Das Beispiel war nicht fruchtlos. Es hagelte Granaten und
die Stürmenden erstiegen zu Hunderten die Wälle. Die Irländer wichen und
liefen nach der Brücke. Hier wurde das Gedränge so arg, daß einige von
den Fliehenden in der engen Passage todtgedrückt und andere über die
Brustlehnen in die Fluthen gedrängt wurden, welche unten zwischen den
Mühlrädern schäumten. Binnen wenigen Stunden war Ginkell Herr des
englischen Stadttheils von Athlone, und dieser Erfolg hatte ihm nicht
mehr als zwanzig Todte und vierzig Verwundete gekostet.[93]

Doch sein Werk hatte erst begonnen. Zwischen ihm und der irischen Stadt
tobte der reißende Shannon. Die Brücke war so schmal, daß einige
entschlossene Männer sie gegen eine Armee vertheidigen konnten. Die auf
derselben stehenden Mühlen waren stark besetzt, und sie wurde von den
Kanonen des Schlosses beherrscht. Die Stelle des Connaughter Ufers, wo
der Fluß zu passiren war, wurde durch Befestigungen vertheidigt, welche
der Vicekönig, trotz des Murrens einer mächtigen Partei, Saint-Ruth
gezwungen hatte, Maxwell anzuvertrauen. Maxwell war als ein
unpopulärerer Mann aus Frankreich zurückgekommen, als er bei seiner
Abreise dahin gewesen war. Man munkelte, er habe in Versailles schmähend
von der irischen Nation gesprochen, und er war deshalb nur wenige Tage
zuvor von Sarsfield öffentlich beschimpft worden.[94] Am 21. Juni waren
die Engländer damit beschäftigt, längs des Leinsterschen Ufers Batterien
zu errichten, und am 22. bald nach Tagesanbruch begann die Kanonade. Das
Feuer dauerte den ganzen Tag und die ganze darauffolgende Nacht. Als der
Morgen wieder anbrach, war eine ganze Seite des Schlosses
zusammengeschossen, die mit Stroh gedeckten Häuser der celtischen Stadt
lagen in Asche und eine der Mühlen war mit sechzig Soldaten, die sie
vertheidigten, verbrannt.[95]

Die Irländer vertheidigten jedoch noch immer entschlossen die Brücke.
Mehrere Tage lang fand ein blutiges Handgemenge in der engen Passage
statt. Die Angreifenden gewannen Boden, aber sie mußten ihn Zoll für
Zoll erkämpfen. Der Muth der Besatzung wurde durch die Hoffnung auf
baldigen Succurs aufrechterhalten. Saint-Ruth war endlich mit seinen
Vorbereitungen fertig, und die Nachricht, daß Athlone in Gefahr sei,
hatte ihn bewogen, an der Spitze einer Armee, die der Armee Ginkell’s
numerisch überlegen war, ihr aber in wichtigeren Elementen der
militärischen Stärke nachstand, eiligst ins Feld zu rücken. Der
französische General scheint geglaubt zu haben, daß die Brücke und die
Furth leicht vertheidigt werden könnten, bis die Herbstregen und die
Krankheiten, welche dieselben gewöhnlich in ihrem Gefolge hatten, den
Feind zum Rückzuge zwingen würden. Er begnügte sich daher, nach und nach
Detachements zur Verstärkung der Besatzung abzusenden. Die unmittelbare
Leitung der Vertheidigung übertrug er seinem Unterbefehlshaber D’Usson
und schlug sein eigenes Hauptquartier einige Meilen von der Stadt auf.
Er äußerte sein Erstaunen darüber, daß ein so erfahrener Commandeur wie
Ginkell auf einem hoffnungslosen Unternehmen beharre. „Sein Gebieter
sollte ihn aufhängen lassen, weil er Athlone zu nehmen versucht, und der
meinige soll mich aufhängen lassen, wenn ich es verliere.”[96]

Saint-Ruth war jedoch keineswegs wohl zu Muthe. Er hatte sich zu seinem
großen Verdruß überzeugt, daß er nicht die ganze Autorität besaß, welche
die ihm in Saint-Germains gemachten Versprechungen ihn zu erwarten
berechtigt hatten. Der Lord Lieutenant war im Lager. Seine körperliche
und geistige Hinfälligkeit hatte in den letzten paar Wochen merklich
zugenommen. Der langsame und unsichere Schritt, mit dem er, der einst
wegen seiner Körperkraft und Behendigkeit berühmt gewesen war, jetzt von
seinem Lehnstuhl zu seinem Lager schwankte, war kein unpassendes Bild
der trägen und unsicheren Thätigkeit seines Geistes, der einst seine
Zwecke mit einer Heftigkeit verfolgte, die weder durch Furcht noch durch
Mitleid, weder durch das Gewissen noch durch die Scham gemäßigt wurde.
Dennoch klammerte sich der alte Mann noch immer mit unverminderter
physischer wie geistiger Kraft an die Gewalt. Wenn er privatim den
Befehl erhalten hatte, sich in die Leitung des Kriegs nicht
einzumischen, so beachtete er diesen Befehl nicht. Er maßte sich die
ganze Autorität eines Souverains an, zeigte sich mit großem Gepränge den
Truppen als obersten Anführer und behandelte Saint-Ruth geflissentlich
als einen Unterbefehlshaber. Die Einmischung des Vicekönigs erregte bald
den heftigen Unwillen der mächtigen Partei im Heere, die ihn schon
längst haßte. Viele Offiziere unterzeichneten ein Instrument, durch
welches sie erklärten, daß sie ihm nicht das Recht zugeständen, im Felde
Gehorsam von ihnen zu verlangen. Einige von ihnen beleidigten ihn
persönlich auf das Gröblichste. Man sagte ihm geradezu, daß, wenn er
darauf beharre, zu bleiben, wo man ihn nicht brauche, die Leinen seines
Zeltes durchschnitten werden würden. Er hingegen schickte seine
Emissäre an alle Lagerfeuer und versuchte unter den gemeinen Soldaten
eine Partei gegen den französischen General zu bilden.[97]

Das Einzige, worin Tyrconnel und Saint-Ruth übereinstimmten, war, daß
sie Sarsfield fürchteten und haßten. Er war nicht nur bei der großen
Masse ihrer Landsleute beliebt, sondern er war auch von einem Häuflein
Anhänger umringt, deren Hingebung für ihn der Hingebung der
ismaelitischen Mörder für den Alten vom Berge glich. Es war bekannt, daß
einer dieser Fanatiker, ein Oberst, eine Sprache geführt, die in dem
Munde eines Offiziers von so hohem Range wohl Besorgniß erwecken konnte.
„Der König,” hatte dieser Mann gesagt, „ist in meinen Augen nichts. Ich
gehorche Sarsfield. Wenn Sarsfield mir befiehlt, irgend einen Mann in
der ganzen Armee, gleichviel welchen, zu tödten, so thue ich es.”
Sarsfield war zwar ein zu ehrenhafter Gentleman, als daß er seine
ungeheure Gewalt über die Gemüther seiner Verehrer hätte mißbrauchen
sollen. Aber der Gedanke, daß seine Ehrenhaftigkeit die einzige Garantie
gegen Meuterei und Meuchelmord war, mußte den Vicekönig und den
Oberbefehlshaber nothwendig beunruhigen. Die Folge davon war, daß bei
dem Wendepunkte des Schicksals Irland’s die Dienste des
ausgezeichnetsten irischen Soldaten gar nicht oder doch nur mit
eifersüchtiger Vorsicht benutzt wurden und daß sein Rath, wenn er einen
zu geben wagte, mit geringschätzendem Lächeln oder mit Unmuth
aufgenommen wurde.[98]

Ein großes und unerwartetes Unglück machte diesen Streitigkeiten ein
Ende. Am 30. Juni berief Ginkell einen Kriegsrath zusammen. Die Fourage
ging zur Neige und es war durchaus nothwendig, daß die Belagerer
entweder den Uebergang über den Fluß forcirten oder sich zurückzogen.
Die Schwierigkeiten, über die zertrümmerten Ueberreste der Brücke
ans andre Ufer zu gelangen, waren fast unübersteiglich. Es wurde
vorgeschlagen, die Furth zu versuchen. Der Herzog von Württemberg,
Talmash und Ruvigny stimmten zu Gunsten dieses Planes und Ginkell gab
mit einiger Besorgniß seine Einwilligung.[99]

Es wurde beschlossen, daß der Versuch noch denselben Nachmittag gemacht
werden sollte. Die Irländer, welche glaubten, die Engländer schickten
sich zum Rückzuge an, hielten nachlässig Wache. Ein Theil der Besatzung
war müde, der andre schlief. D’Usson saß bei Tische. Saint-Ruth war in
seinem Zelte und schrieb an seinen Gebieter einen Brief voll
Beschuldigungen gegen Tyrconnel. Während dem wurden funfzehnhundert
Grenadiere, von denen jeder einen grünen Zweig am Hute trug, auf dem
Leinster’schen Ufer des Shannon aufgestellt. Viele von ihnen erinnerten
sich gewiß, daß sie an demselben Tage vor einem Jahre auf Befehl König
Wilhelm’s an den Ufern des Boyne grüne Zweige auf ihre Hüte gesteckt
hatten. Guineen waren freigiebig unter diese auserlesenen Leute
vertheilt worden; aber sie waren von einem so frohen Muthe beseelt, wie
kein Gold ihn erkaufen kann. Sechs Bataillone standen bereit, um den
Angriff zu unterstützen. Mackay commandirte. Er billigte den Plan nicht,
aber er setzte ihn mit einem solchen Eifer und einer solchen Energie ins
Werk, als wäre er selbst der Urheber desselben gewesen. Der Herzog von
Württemberg, Talmash und mehrere andere tapfere Offiziere, denen keine
Rolle bei der Unternehmung zu Theil geworden war, bestanden darauf, an
diesem Tage als freiwillige Gemeine zu dienen, und ihr Erscheinen in den
Gliedern entflammte die Soldaten zur feurigsten Begeisterung.

Es war sechs Uhr. Eine Glocke auf dem Thurme der Kirche gab das Signal.
Prinz Georg von Hessen-Darmstadt und Gustav Hamilton, der tapfere
Anführer der Enniskillener, gingen zuerst in den Shannon hinunter. Dann
nahmen die Grenadiere den Herzog von Württemberg auf die Schultern und
sprangen lautjubelnd zwanzig Mann hoch bis an die Halsbinden ins Wasser.
Der Strom war tief und reißend, aber in wenigen Minuten hatte die Spitze
der Colonne wieder trocknen Boden unter ihren Füßen. Talmash war der
Fünfte, der das Connaughter Ufer erreichte. Die unvermuthet überfallenen
Irländer feuerten eine unregelmäßige Salve ab und ergriffen die Flucht,
ihren Commandeur Maxwell als Gefangenen zurücklassend. Die Sieger
erklommen über die Reste der durch eine zehntägige Kanonade
zertrümmerten Wälle das Ufer. Mackay hörte seine Leute fluchen und
schwören, während sie über den Schutt stolperten. „Meine Jungen,” rief
der muthige alte Puritaner inmitten des Getümmels, „Ihr seid brave
Burschen, aber fluchet nicht. Wir haben mehr Ursache, Gott für die Güte
zu danken, die er uns heute erwiesen hat, als seinen Namen zu
mißbrauchen.” Der Sieg war vollständig. Ohne den geringsten Widerstand
von Seiten der erschreckten Besatzung wurden Bretter über die
zerbrochenen Brückenbogen gelegt und Pontons über den Fluß geschlagen.
Mit einem Verlust von zwölf Todten und etwa dreißig Verwundeten hatten
die Engländer binnen wenigen Minuten den Weg nach Connaught
erzwungen.[100]


[_Rückzug der irischen Armee._] Auf den ersten Alarm eilte D’Usson nach
dem Flusse; aber der Strom der Fliehenden kam ihm schon entgegen, riß
ihn mit sich fort, rannte ihn zu Boden und tödtete ihn beinahe. Er wurde
in einem solchen Zustande ins Lager gebracht, daß man ihm zur Ader
lassen mußte. „Genommen!” rief Saint-Ruth außer sich. „Es kann nicht
sein! Eine Stadt genommen, und ich mit einer Armee zu ihrem Entsatz
dicht dabei!” Von Gram verzehrt, brach er unter dem Schutze der
Dunkelheit seine Zelte ab und zog sich in der Richtung von Galway
zurück. Bei Tagesanbruch sahen die Engländer von den Zinnen des
zertrümmerten Schlosses König Johann’s die irische Armee in weiter Ferne
sich durch die öde Gegend bewegen, welche den Shannon von dem Suck
trennt. Noch vor Mittag war die Nachhut ihren Blicken entschwunden.[101]

Schon vor dem Verluste Athlone’s war das celtische Lager von
Parteispaltungen zerrissen gewesen. Man kann daher leicht denken, daß
nach einem so vernichtenden Schlage nichts zu hören war als Anklagen und
Gegenanklagen. Die Feinde des Vicekönigs waren lauter als je. Er und
seine Creaturen hätten das Königreich an den Rand des Verderbens
gebracht. Er mische sich in Dinge, von denen er nichts verstehe. Er
wolle es besser wissen als Männer, die wirkliche Soldaten seien. Er
vertraue den wichtigsten aller Posten seinem Werkzeuge, seinem Spione,
dem erbärmlichen Maxwell an, der kein geborner Irländer, kein
aufrichtiger Katholik, im besten Falle ein Stümper und nur zu
wahrscheinlich ein Verräther sei. Man behauptete, Maxwell habe seine
Leute nicht mit Munition versehen. Als sie Pulver und Kugeln von ihm
verlangt, habe er sie gefragt, ob sie Lerchen schießen wollten. Kurz vor
dem Angriffe habe er ihnen befohlen, zu Abend zu essen und sich
niederzulegen, da an diesem Tage nichts mehr vorgenommen werden würde.
Als er sich gefangen gegeben, habe er einige Worte geäußert, die ein
vorgängiges Einverständniß mit den Siegern verrathen hätten. Die wenigen
Freunde des Lord Lieutenants erzählten eine ganz andre Geschichte. Nach
ihnen hätten Tyrconnel und Maxwell zu Vorsichtsmaßregeln gerathen, die
einen Ueberfall unmöglich gemacht haben würden. Aber der französische
General, der keine Einmischung geduldet, habe es unterlassen, diese
Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen. Man habe Maxwell rücksichtslos gesagt:
wenn er sich fürchte, thue er besser, sein Commando niederzulegen. Er
habe seine Pflicht wacker gethan, er habe Stand gehalten, während seine
Leute geflohen seien, in Folge dessen sei er in die Hände des Feindes
gefallen, und nun werde er in seiner Abwesenheit von Denen verleumdet,
denen seine Gefangennehmung mit Recht zur Last falle.[102] Auf welcher
Seite die Wahrheit ist, läßt sich nach so langer Zeit schwer ermitteln.
Das Geschrei gegen Tyrconnel war im Augenblicke so laut, daß er das Feld
räumte und sich verdrüßlich nach Limerick zurückzog. D’Usson, der von
den Verletzungen, die ihm seine eigenen fliehenden Truppen zugefügt
hatten, noch nicht genesen war, begab sich nach Galway.[103]


[_Saint-Ruth beschließt eine Schlacht zu wagen._] Saint-Ruth der jetzt
im unbestrittenen Besitz des Oberbefehls war, hatte große Lust, das
Glück einer Schlacht zu versuchen. Die Mehrzahl der irischen Offiziere,
mit Sarsfield an der Spitze, war ganz andrer Meinung. Man dürfe sich
nicht verhehlen, sagte er, daß Ginkell’s Armee der ihrigen bei weitem
überlegen sei. Das Klügste sei daher augenscheinlich, den Krieg in
solcher Weise fortzuführen, daß der Unterschied zwischen dem
disciplinirten und dem undisciplinirten Soldaten so gering als möglich
sei. Es sei allgemein bekannt, daß rohe Rekruten auf einem Streifzuge,
in einem Straßenkampfe, oder bei der Vertheidigung eines Walles oftmals
gute Dienste leisteten, daß sie aber im offenen Felde gegen Veteranen
wenig Chancen hätten. „Man versammle den größten Theil unsrer Infanterie
hinter den Wällen von Limerick und Galway. Die übrigen lasse man in
Verbindung mit der Reiterei dem Feinde in den Rücken fallen und ihm
seine Zufuhren abschneiden. Wenn er in Connaught eindringt, so fallen
wir in Leinster ein. Macht er vor Galway Halt, das leicht zu
vertheidigen ist, so machen wir einen Angriff auf Dublin, das gänzlich
entblößt ist.”[104] Saint-Ruth würde diesen Rath vielleicht für gut
gehalten haben, wenn sein Urtheil nicht durch seine Leidenschaften
irregeleitet worden wäre. Aber er grämte sich noch über die erlittene
demüthigende Niederlage. Angesichts seines Zeltes hatten die Engländer
einen reißenden Strom passirt und eine befestigte Stadt erstürmt. Er
mußte nothwendig fühlen, daß, wenn auch Andre zu tadeln waren, er selbst
nicht vorwurfsfrei war. Er hatte, gelind gesagt, die Dinge zu leicht
genommen. Ludwig, der seit vielen Jahren gewohnt war, Befehlshaber in
seinem Dienste zu haben, welche nichts dem Zufalle zu überlassen
pflegten, was durch Umsicht sicher erreicht werden konnte, ließ es
schwerlich als eine genügende Entschuldigung gelten, daß sein General
einen so kühnen und plötzlichen Angriff vom Feinde nicht erwartet habe.
Der Lord Lieutenant stellte voraussichtlich das Geschehene im
ungünstigsten Lichte dar, und Alles was der Lord Lieutenant sagte, fand
bei Jakob Wiederhall. Es stand ein scharfer Verweis, vielleicht ein
Abberufungsschreiben zu erwarten. Als ein Schuldbeladener nach
Versailles zurückzukehren, sich in höchster Bestürzung dem großen Könige
zu nahen, ihn die Achseln zucken, die Stirn runzeln und sich abwenden zu
sehen, fortgeschickt zu werden, um sich weit von Höfen und Feldlagern
auf einem einsamen Landsitze zu langweilen: das war zuviel, um es
ertragen zu können, und doch stand es ernstlich zu befürchten. Es gab
nur einen Ausweg: zu kämpfen, und zu siegen oder zu sterben.

In solcher Stimmung schlug Saint-Ruth sein Lager ungefähr dreißig Meilen
von Athlone auf der Straße nach Galway unweit des zerstörten Schlosses
Aghrim auf und beschloß, die Ankunft der englischen Armee zu erwarten.

Sein ganzes Benehmen war verändert. Er hatte bisher die irischen
Soldaten mit geringschätzender Strenge behandelt. Jetzt aber, da er sich
entschlossen hatte, Leben und Ruf auf den Muth des verachteten Volks zu
setzen, wurde er ein andrer Mensch. Während der wenigen Tage, die ihm
noch blieben, bemühte er sich, durch Nachsicht und Freundlichkeit die
Herzen Aller zu gewinnen, die unter seinem Commando standen.[105] Zu
gleicher Zeit wendete er auf seine Truppen die mächtigsten moralischen
Stimulationsmittel an. Er war ein eifriger Katholik, und es ist
wahrscheinlich, daß die Strenge, mit der er die Protestanten seines
Vaterlandes behandelt hatte, zum Theil dem Hasse zugeschrieben werden
muß, den er gegen ihre Glaubenslehren empfand. Er versuchte jetzt, dem
Kriege den Character eines Kreuzzuges zu geben. Die Geistlichen waren
die Werkzeuge, deren er sich bediente, um den Muth seiner Soldaten
aufrecht zu erhalten. Das ganze Lager war in einer religiösen Aufregung.
In jedem Regimente waren Priester fortwährend beschäftigt zu beten, zu
predigen, zu absolviren und Hostie und Kelch emporzuhalten. Während die
Soldaten auf das geweihte Brot schwuren, ihre Fahnen nicht zu verlassen,
richtete der General einen Aufruf an die Offiziere, der auch die
trägsten und verweichlichtsten Naturen zu heldenmüthiger Anstrengung
angespornt haben würde. Sie kämpften, sagte er, für ihren Glauben, für
ihre Freiheit und für ihre Ehre. Unglückliche Ereignisse, die nur zu
weit und breit bekannt seien, hätten einen Schatten auf den
Nationalcharacter geworfen. Das irische Militär würde überall nur mit
einem Hohnlächeln erwähnt. Wenn ihnen darum zu thun sei, den guten Ruf
ihres Vaterlandes wiederherzustellen, so sei jetzt die Zeit und der Ort
dazu.[106]

Die Stelle, wo er das Schicksal Irland’s zur Entscheidung zu bringen
beschlossen hatte, scheint mit großer Einsicht gewählt gewesen zu sein.
Seine Armee war am Abhange eines Hügels aufgestellt, der fast ganz von
röthlichem Sumpfboden umgeben war. Vor der Front, nahe am Rande des
Moors, befanden sich einige Zäune, aus denen ohne Mühe eine Verschanzung
errichtet wurde.

Am 11. Juli nahm Ginkell, nachdem er die Befestigungen von Athlone
ausgebessert und daselbst eine Besatzung zurückgelassen hatte, sein
Hauptquartier in Ballinasloe, etwa vier Meilen von Aghrim, und ritt
vorwärts, um die irische Stellung in Augenschein zu nehmen. Bei seiner
Zurückkunft gab er Befehl, daß Munition vertheilt, daß jedes Gewehr und
jedes Bajonnet zum Gefecht bereit gemacht und am andren Morgen in aller
Frühe jeder Mann ohne Appell unter den Waffen stehen solle. Zwei
Regimenter sollten zum Schutze des Lagers zurückbleiben, und die übrigen
sollten unbeschwert mit Gepäck gegen den Feind vorrücken.


[_Schlacht bei Aghrim._] Am folgenden Morgen bald nach sechs Uhr waren
die Engländer auf dem Wege nach Aghrim. Ihr Marsch wurde jedoch zuerst
durch einen dichten Nebel, der bis Mittag über dem feuchten Thale des
Suck lagerte, und dann wieder durch die Nothwendigkeit, die Irländer aus
einigen Vorposten zu vertreiben, etwas aufgehalten, und der Nachmittag
war schon weit vorgerückt, als die beiden Armeen einander, nur durch den
Sumpf und die Verschanzungen getrennt, endlich gegenüberstanden. Die
Engländer und ihre Verbündeten waren unter zwanzigtausend, die Irländer
über fünfundzwanzigtausend Mann stark.

Ginkell hielt einen kurzen Kriegsrath mit seinen vornehmsten
Offizieren. Sollte er sofort angreifen, oder bis zum nächsten Morgen
warten? Mackay war für den sofortigen Angriff, und seine Meinung behielt
die Oberhand. Um fünf Uhr begann die Schlacht. Das englische Fußvolk
rückte in so guter Ordnung als es auf dem verrätherischen und unebenen
Terrain beobachten konnte, bei jedem Schritte tief in den Schlamm
einsinkend, gegen die irischen Verschanzungen vor. Aber diese
Verschanzungen wurden mit einer Entschlossenheit vertheidigt, die selbst
Männern, welche am stärksten gegen den celtischen Stamm eingenommen
waren, einige Worte unwilligen Lobes abzwang.[107] Immer und immer
wieder kehrten sie zum Kampfe zurück. Einmal wurden sie durchbrochen und
über den Morast zurückgetrieben; aber Talmash sammelte sie wieder und
zwang die Verfolger zum Rückzuge. Schon zwei Stunden hatte der Kampf
gedauert, der Abend brach herein und noch immer war der Vortheil auf
Seiten der Irländer. Ginkell begann auf den Rückzug zu denken.
Saint-Ruth’s Hoffnung wuchs. „Der Sieg ist unser, meine Jungen,” rief
er, den Hut in der Luft schwenkend. „Wir wollen sie vor uns hertreiben
bis unter die Mauern von Dublin.” Aber das Glück hatte sich schon zu
wenden begonnen. Mackay und Ruvigny war es gelungen, mit der englischen
und hugenottischen Reiterei den Sumpf an einer Stelle zu passiren, wo
kaum zwei Mann nebeneinander reiten konnten. Saint-Ruth lachte anfangs,
als er die Blauen einzeln hintereinander sich unter einem Feuer, das
jeden Augenblick einen tapferen Federhut zu Boden streckte, durch den
Morast arbeiten sah. „Was wollen sie?” fragte er und setzte dann mit
einem Schwure hinzu, daß es doch jammerschade sei, so prächtige Burschen
dem sicheren Untergange entgegengehen zu sehen. „Doch laßt sie nur
herüberkommen,” sagte er weiter; „je mehr ihrer sind, um so mehr werden
wir niedermachen.” Bald aber sah er sie Schanzkörbe auf dem Sumpfboden
aufrichten. Es wurde ein breiterer und festerer Weg hergestellt,
Schwadron nach Schwadron erreichte trocknen Boden, und die Flanke der
irischen Armee wurde bald geworfen. Der französische General eilte zur
Unterstützung herbei, als eine Kanonenkugel ihm den Kopf wegriß. Seine
Umgebung hielt es für gefährlich, sein Schicksal bekannt zu machen. Sein
Leichnam wurde daher in einen Mantel gehüllt, vom Schlachtfelde getragen
und in aller Stille zwischen den Ruinen des ehemaligen Klosters Loughrea
in geweihter Erde bestattet. Bis nach beendigtem Kampfe wußte keine der
beiden Armeen, daß er nicht mehr war. Seinen Tod den gemeinen Soldaten
zu verbergen, mag vielleicht klug gewesen sein. Ihn seinen Offizieren zu
verbergen, war Thorheit. Der entscheidende Moment der Schlacht war
gekommen, und es war Niemand da, um die Operationen zu leiten. Sarsfield
commandirte die Reserve; aber er hatte strenge Weisung von Saint-Ruth,
ohne Befehl nicht von der Stelle zu gehen, und der Befehl kam nicht.
Mackay und Ruvigny griffen mit ihren Reitern die Irländer in der Flanke
an; Talmash und seine Infanterie kehrten mit grimmiger Entschlossenheit
nochmals zum Frontangriff zurück. Das Schanzwerk wurde genommen. Die
Irländer zogen sich, noch immer fechtend, von Zaun zu Zaun zurück; aber
ein Zaun nach dem andren ward genommen und ihre Anstrengungen wurden
immer schwächer und schwächer. Endlich lösten sie sich auf und flohen.
Und nun folgte ein entsetzliches Blutbad. Die Sieger waren in einer
wüthenden Stimmung, denn es hatte sich unter ihnen das Gerücht
verbreitet, daß einige englische Gefangene, denen Pardon gegeben worden
war, niedergehauen worden seien. Es wurden nur vierhundert Gefangene
gemacht. Die Anzahl der Gefallenen war im Verhältniß zu der Zahl der
Kämpfenden größer als in irgend einer Schlacht der damaligen Zeit. Wäre
nicht eine mondscheinlose Nacht hereingebrochen, die ein feiner Regen
noch dunkler machte, so würde kaum ein Mann davon gekommen sein. Die
Finsterniß setzte Sarsfield in den Stand, mit einigen wenigen noch
zusammenhaltenden Schwadronen den Rückzug zu decken. Die Sieger hatten
ungefähr sechshundert Todte und tausend Verwundete.

Die Engländer schliefen diese Nacht auf dem Schlachtfelde. Am folgenden
Tage begruben sie ihre Waffengefährten und marschirten dann westwärts.
Die Leichen der Besiegten wurden unter freiem Himmel liegen gelassen,
ein seltsamer und schauerlicher Anblick! Man zählte viertausend irische
Leichname auf dem Schlachtfelde. Hundertfunfzig lagen in einer kleinen
Umzäunung, hundertzwanzig in einer andren. Aber das Gemetzel hatte sich
nicht auf das Schlachtfeld allein beschränkt. Ein Augenzeuge erzählt
uns, daß er auf dem Gipfel des Berges, an dessen Abhange das celtische
Lager aufgeschlagen gewesen war, die Umgegend, auf eine Entfernung von
beinahe vier Meilen mit den nackten Leichnamen der Erschlagenen bedeckt
gesehen habe. Die Ebene, sagt er, sah aus, wie eine mit Schafheerden
bedeckte ungeheure Weide. Wie gewöhnlich differirten selbst die
Schätzungen von Augenzeugen; aber es ist wahrscheinlich, daß die Zahl
der gefallenen Irländer nicht weniger als siebentausend betrug. Bald
fanden sich eine Menge Hunde ein, um die Leichen zu verzehren. Diese
Thiere wurden dadurch so wild und fanden einen solchen Geschmack an
Menschenfleisch, daß es lange gefährlich war, anders als in Gesellschaft
durch diese Gegend zu reisen.[108]

Die geschlagene Armee hatte jetzt ganz und gar das Aussehen einer
Armee verloren, und glich einem Pöbelhaufen, der von einer
Jahrmarktsschlägerei in wilder Unordnung zurückkehrt. Ein mächtiger
Strom von Fliehenden wälzte sich gegen Galway, ein andrer gegen
Limerick. Die nach diesen beiden Städten führenden Straßen waren mit
weggeworfenen Waffen bedeckt. Ginkell bot sechs Pence für jede Muskete.
In kurzer Zeit waren so viel Wagenladungen eingebracht, daß er den Preis
auf zwei Pence reducirte, und immer noch kamen große Massen von Gewehren
an.[109]


[_Fall von Galway._] Die Sieger marschirten zuerst auf Galway. D’Usson
war mit sieben Regimentern dort, welche durch das Gemetzel von Aghrim
gelichtet und völlig desorganisirt und entmuthigt waren. Die letzte
Hoffnung der Besatzung und der katholischen Einwohner war, daß Baldearg
O’Donnel, der verheißene Befreier ihres Stammes, sie zu befreien kommen
werde. Aber Baldearg O’Donnel ließ sich durch die abergläubische
Verehrung, die man ihm zollte, nicht täuschen. So lange der Ausgang des
Kampfes zwischen den Engländern und Irländern zweifelhaft war, hatte er
sich abseits gehalten. Am Tage der Schlacht war er mit seiner
tumultuarischen Armee in sicherer Entfernung geblieben, und sobald er
erfuhr, daß seine Landsleute geworfen waren, floh er, auf dem ganzen
Wege plündernd und sengend, in die Gebirge von Mayo. Von dort aus bot er
Ginkell seine Unterwerfung und seine Dienste an. Ginkell ergriff mit
Freuden die Gelegenheit, eine furchtbare Räuberhorde aufzulösen, und den
Einfluß, den der Name einer celtischen Dynastie noch immer auf den
celtischen Volksstamm ausübte, zum Guten zu wenden. Die Unterhandlung
hatte jedoch ihre Schwierigkeiten. Der fahrende Ritter verlangte zuerst
nichts Geringeres als den Earltitel. Nach einigem Feilschen verstand er
sich dazu, die Liebe eines ganzen Volks und seine Ansprüche auf die
Königswürde für ein Jahrgeld von fünfhundert Pfund zu verkaufen. Dennoch
war der Zauber, der seine Anhänger an ihn fesselte, noch nicht ganz
gebrochen. Einige Fanatiker aus Ulster waren bereit, unter dem O’Donnel
gegen ihre eigne Zunge und gegen ihre eigne Religion zu kämpfen. Mit
einer kleinen Schaar dieser ergebenen Anhänger schloß er sich einer
Division der englischen Armee an und leistete Wilhelm bei verschiedenen
Gelegenheiten nützliche Dienste.[110]

Als es bekannt wurde, daß keine Unterstützung von dem Helden zu erwarten
war, dessen Ankunft von so vielen Sehern verkündet worden, verloren die
in Galway eingeschlossenen Irländer allen Muth. D’Usson hatte auf die
erste Aufforderung der Belagerer eine trotzige Antwort gegeben; aber er
sah bald, daß jeder Widerstand unmöglich war, und er beeilte sich daher
zu kapituliren. Die Garnison durfte sich mit militärischen Ehren nach
Limerick zurückziehen, den Bürgern wurde vollständige Amnestie für
frühere Vergehen bewilligt, und stipulirt, daß es den katholischen
Priestern innerhalb der Mauern gestattet sein solle, ihre religiösen
Gebräuche privatim zu üben. Unter diesen Bedingungen wurden die Thore
geöffnet. Ginkell wurde von dem Mayor und den Aldermen mit tiefer
Ehrerbietung empfangen und vom Recorder mit einer Ansprache begrüßt.
D’Usson marschirte mit ungefähr zweitausenddreihundert Mann ungehindert
nach Limerick.[111]

In Limerick, dem letzten Asyl des besiegten Volksstammes, war Tyrconnel
die höchste Autorität. Es gab jetzt keinen General, welcher behaupten
konnte, daß seine Bestallung ihn vom Vicekönig unabhängig mache; auch
war der Vicekönig jetzt nicht mehr so unpopulär wie er vierzehn Tage
früher gewesen war. Nach der Schlacht war ein Umschwung der öffentlichen
Meinung eingetreten. Dem Vicekönig konnte keine Schuld an diesem großen
Unglück beigemessen werden. Er war in der That dagegen gewesen, das
Glück einer Feldschlacht zu versuchen und er konnte mit einem Anschein
von Wahrheit behaupten, daß die Nichtbeachtung seiner Rathschläge den
Untergang Irland’s herbeigeführt habe.[112]

Er traf einige Anstalten zur Vertheidigung Limerick’s, besserte die
Festungswerke aus und entsendete Truppenabtheilungen, um Lebensmittel
herbeizuschaffen. Die Gegend wurde von diesen Detachements auf viele
Meilen im Umkreise rein ausgeplündert und eine bedeutende Quantität Vieh
und Fourage innerhalb der Mauern aufgehäuft. Außerdem hatte man einen
großen Vorrath von Zwieback aus Frankreich. Die in Limerick versammelte
Infanterie belief sich auf etwa funfzehntausend Mann. Die irischen
Reiter und Dragoner, drei- bis viertausend an der Zahl, campirten auf
der Clareseite des Shannon. Die Communication zwischen ihrem Lager und
der Stadt wurde durch eine von einem Fort beschützte Brücke, Thomond
Bridge genannt, unterbrochen. Diese Vertheidigungsmittel waren nicht zu
verachten. Aber der Fall von Athlone und das Gemetzel von Aghrim hatte
den Muth der Armee gebrochen. Eine kleine Partei, an deren Spitze
Sarsfield und ein tapferer schottischer Offizier, Namens Wauchop
standen, nährte die Hoffnung, daß der Siegeszug Ginkell’s durch die
Mauern aufgehalten werden würde, von denen Wilhelm das Jahr vorher hatte
abziehen müssen. Aber viele von den irischen Anführern erklärten laut,
daß es Zeit sei an eine Kapitulation zu denken. Heinrich Luttrell, der
jederzeit eine dunkle und krumme Politik liebte, trat heimlich in
Unterhandlung mit den Engländern. Einer seiner Briefe wurde aufgefangen
und er wurde in Arrest gebracht; aber Viele, die seine Treulosigkeit
tadelten, stimmten gleichwohl mit ihm darin überein, daß es nutzlos sei,
den Kampf zu verlängern. Tyrconnel selbst war überzeugt, daß Alles
verloren sei. Seine einzige Hoffnung beruhte noch darauf, daß er im
Stande sein werde, den Kampf so lange hinauszuziehen bis er von
Saint-Germains die Erlaubniß erhielt zu unterhandeln. Er erbat sich in
einem Schreiben diese Erlaubniß und bewog mit einiger Mühe seine
verzweifelnden Landsleute, sich durch einen Eid zu verpflichten, nicht
zu kapituliren, bis eine Antwort von Jakob anlangte.[113]


[_Tyrconnel’s Tod._] Wenige Tage nachdem der Eid geleistet worden, war
Tyrconnel nicht mehr. Am 11. August speiste er bei D’Usson. Die
Gesellschaft war sehr heiter. Der Lord Lieutenant schien die Last, die
seinen Körper und Geist niederdrückte, abgeschüttelt zu haben; er trank
und scherzte und war wieder der Dick Talbot, der mit Grammont gewürfelt
und gezecht hatte. Bald nachdem er vom Tische aufgestanden war, beraubte
ihn ein Schlaganfall der Sprache und der Besinnung. Am 14. hauchte er
seinen Geist aus. Die entseelten Reste des Körpers, der einst Bildhauern
zum Modell gedient hatte, wurden unter den Steinplatten der Kathedrale
begraben; aber keine Inschrift und keine Tradition bezeichnet der
Nachwelt die Ruhestätte.[114]

Sobald der Vicekönig verschieden war, präsentirte Plowden, der die
irischen Finanzen verwaltet hatte, so lange es irische Finanzen zu
verwalten gab, ein mit dem großen Siegel Jakob’s versehenes
Vollmachtspatent, durch welches Plowden selbst, Fitton und Nagle für den
Fall von Tyrconnel’s Tode zu Lords Justices ernannt wurden. Die
Bekanntmachung der Namen erregte viel Murren, denn Plowden und Fitton
waren Sachsen. Die Bestallung erwies sich jedoch als eine bloße
Formalität, denn sie war von Instructionen begleitet, welche den Lords
Justices jede Einmischung in die Führung des Kriegs untersagten, und in
dem kleinen Raume, auf den Jakob’s Gebiet jetzt reducirt war, gab es
nichts weiter zu thun als Krieg zu führen. Die Verwaltung war daher
thatsächlich in den Händen D’Usson’s und Sarsfield’s.[115]


[_Zweite Belagerung von Limerick._] An dem Tage an welchem Tyrconnel
starb kam die Vorhut der englischen Armee vor Limerick an, und Ginkell
schlug sein Lager auf dem nämlichen Boden auf, den zwölf Monate früher
Wilhelm innegehabt hatte. Die Batterien, welche jetzt aus ganz anderen
Kanonen und Mörsern bestanden, als Wilhelm sich ihrer hatte bedienen
müssen, spielten Tag und Nacht und bald sah man an allen Ecken und Enden
der Stadt Dächer brennen und Mauern einstürzen. Ganze Straßen wurden in
Asche gelegt. Mittlerweile kamen mehrere englische Kriegsschiffe den
Shannon herauf und gingen ungefähr eine Meile unterhalb der Stadt vor
Anker.[116]

Der Platz hielt sich indessen noch immer. Die Besatzung stand der
Belagerungsarmee an numerischer Stärke wenig nach, und es schien nicht
unmöglich, daß die Vertheidigung verlängert werden könnte, bis die
Aequinoctialregen die Engländer zum zweiten Male zwangen, sich
zurückzuziehen. Ginkell beschloß, einen kühnen Schlag zu thun. Kein
Punkt auf der ganzen Befestigungslinie war wichtiger und kein Punkt
schien gesicherter zu sein als die Thomondbrücke, welche die Stadt mit
dem Lager der irischen Reiterei auf dem Clareufer des Shannon verband.
Der Plan des holländischen Generals ging dahin, die innerhalb der Wälle
befindliche Infanterie von der außerhalb liegenden Cavallerie
abzuschneiden und er führte diesen Plan mit großer Geschicklichkeit,
Energie und gutem Erfolge aus. Er schlug eine Brücke von blechernen
Booten über den Fluß, passirte denselben mit einem starken Truppencorps,
trieb funfzehnhundert Dragoner, welche schwachen Widerstand leisteten,
in Verwirrung vor sich her und marschirte auf die Quartiere der
irischen Reiterei zu. Die irischen Reiter machten an diesem Tage dem
Rufe, den sie sich am Boyne erworben, keine große Ehre. Dieser Ruf war
allerdings mit der fast gänzlichen Vernichtung der besten Regimenter
erkauft worden. Rekruten hatte man zwar ohne große Mühe gefunden, aber
der Verlust von funfzehnhundert vortrefflichen Soldaten war nicht zu
ersetzen. Das Lager wurde ohne Schwertstreich aufgegeben. Ein Theil der
Reiter floh in die Stadt, die übrigen zogen sich, soviel Vieh als sie in
diesem Augenblicke panischen Schreckens zusammenbringen konnten, vor
sich her treibend, in die Berge zurück. Man fand in den Magazinen einen
reichen Vorrath von Rindfleisch, Branntwein und Monturstücken, und die
sumpfige Ebene des Shannon war mit Gewehren und Granaten bedeckt, welche
die Fliehenden weggeworfen hatten.[117]

Die Sieger kehrten im Triumph in ihr Lager zurück. Aber Ginkell war mit
dem gewonnenen Vortheile noch nicht zufrieden. Er wollte gern jede
Verbindung zwischen Limerick und der Grafschaft Clare abschneiden. Nach
einigen Tagen überschritt er zu dem Ende nochmals an der Spitze mehrerer
Regimenter den Fluß und griff das Fort an, das die Thomondbrücke deckte.
In kurzer Zeit war das Fort erstürmt. Die Soldaten, welche darin gelegen
hatten, flohen in Verwirrung in die Stadt. Der Platzmajor, ein
französischer Offizier, der am Thomondthore commandirte, ließ aus
Besorgniß, daß mit den Fliehenden zugleich auch die Verfolger
hereinkommen würden, den der Stadt zunächst gelegenen Theil der Brücke
aufziehen. Viele von den Irländern stürzten kopfüber in den Strom und
ertranken; andere riefen um Pardon und schwenkten ihre Taschentücher zum
Zeichen der Unterwerfung. Aber die Sieger waren rasend vor Wuth, ihr
Blutdurst konnte nicht sogleich gezügelt werden und es wurden nicht eher
Gefangene gemacht, als bis die Haufen der Leichen bis über die
Brustwehren der Brücke gingen. Die Besatzung des Forts hatte aus
ungefähr achthundert Mann bestanden. Von diesen entkamen nur
hundertzwanzig nach Limerick.[118]

Diese Niederlage schien eine allgemeine Meuterei in der Stadt
hervorrufen zu wollen. Die Irländer schrien nach dem Blute des
Platzmajors, der angesichts ihrer fliehenden Landsleute die Brücke
aufzuziehen befohlen hatte. Seine Vorgesetzten mußten versprechen, daß
er vor ein Kriegsgericht gestellt werden solle. Zu seinem Glücke war er
beim Verschließen des Thomondthores tödtlich verwundet worden, und der
Soldatentod rettete ihn vor der Wuth der Menge.[119]


[_Die Irländer wollen kapituliren._] Das Geschrei nach einer
Kapitulation wurde so laut und dringend, daß die Generäle demselben
nicht widerstehen konnten. D’Usson benachrichtigte seine Regierung, das
Gefecht auf der Brücke habe den Muth der Garnison so vollständig
vernichtet, daß es unmöglich sei den Kampf länger fortzusetzen.[120]
Gegen D’Usson’s Aussage muß man vielleicht einiges Mißtrauen hegen, denn
er war ohne Zweifel, wie alle Franzosen, die ein Commando in der
irischen Armee bekleidet hatten, seiner Verbannung überdrüssig und
sehnte sich nach Paris zurück. Es ist jedoch ausgemacht, daß selbst
Sarsfield den Muth verloren hatte. Bis zu diesem Augenblicke hatte er
beständig für hartnäckigen Widerstand gestimmt. Jetzt war er nicht nur
bereit zu unterhandeln, sondern er verlangte sogar ungeduldig
darnach.[121] Er hielt die Stadt für unrettbar verloren. Es war keine
Hoffnung mehr weder auf einheimische noch auf fremde Hülfe. In jedem
Theile Irland’s hatten die Sachsen den Fuß auf den Nacken der
Eingebornen gesetzt. Sligo war gefallen. Selbst die wüsten Eilande,
welche die mächtigen Wogen des atlantischen Oceans von der Galwaybucht
abhalten, hatten Wilhelm’s Autorität anerkannt. Die Männer von Kerry,
welche für den wildesten und unfügsamsten Theil der eingebornen
Bevölkerung galten, hatten sich lange gehalten, waren aber doch endlich
geschlagen und in ihre Wälder und Berge getrieben worden.[122] Eine
französische Flotte, wenn eine solche jetzt an der Küste von Munster
angekommen wäre, würde die Mündung des Shannon von englischen
Kriegsschiffen bewacht gefunden haben. Die Lebensmittelvorräthe in
Limerick gingen bereits zu Ende. Wurde die Belagerung fortgesetzt, so
mußte die Stadt aller menschlichen Berechnung nach entweder durch Gewalt
oder durch eine Blockade fallen. Und wenn Ginkell durch die Bresche
eindringen oder von einer verhungernden Bevölkerung angefleht werden
sollte seine eigenen Bedingungen vorzuschreiben, was konnte man dann
anders erwarten als eine Tyrannei von noch unerbittlicherer Härte als
die eines Cromwell? War es also nicht weise zu versuchen, was für
Bedingungen zu erlangen waren so lange die Sieger noch etwas von der
Wuth und Verzweiflung der Besiegten zu fürchten hatten, so lange die
letzte irische Armee hinter den Wällen der letzten irischen Festung noch
einigen Widerstand leisten konnte?


[_Unterhandlungen zwischen den irischen Generälen und den Belagerern._]
Am Abend des Tages, welcher auf den Kampf am Thomondthore folgte, gaben
die Trommeln von Limerick das Zeichen zum Parlamentiren, Wauchop rief
von einem der Thürme die Belagerer an und ersuchte Ruvigny, Sarsfield
eine Unterredung zu bewilligen. Der wackere Franzose, der wegen seiner
Anhänglichkeit an die eine Religion ein Verbannter war, und der wackere
Irländer, der im Begriff stand, wegen seiner Anhänglichkeit an eine
andre ein Verbannter zu werden, kamen zusammen und conferirten
miteinander, unzweifelhaft mit gegenseitiger Sympathie und Achtung.[123]
Ginkell, dem Ruvigny den Verlauf der Unterredung berichtete, willigte
gern in einen Waffenstillstand. Denn so andauernd auch sein Erfolg bis
jetzt gewesen war, so hatte derselbe ihn doch noch nicht sicher gemacht.
Die Chancen waren zwar entschieden auf seiner Seite, allein es war
immerhin möglich, daß ein Versuch, die Stadt mit Sturm zu nehmen,
scheiterte, wie ein ähnlicher Versuch zwölf Monate früher gescheitert
war. Wenn die Belagerung in eine Belagerung verwandelt werden sollte, so
war es wahrscheinlich, daß die Seuche, welche der Armee Schomberg’s
verderblich geworden war, die Wilhelm zum Rückzuge gezwungen hatte und
die selbst Marlborough’s Genie und Thatkraft beinahe zu Schanden gemacht
hätte, das Blutbad von Aghrim sehr bald rächte. Es hatte neuerdings
stark geregnet, die ganze Ebene konnte in Kurzem ein ungeheurer Pfuhl
stehenden Wassers werden. Es konnte nöthig werden, die Truppen nach
einer gesünderen Stellung als am Ufer des Shannon zu versetzen und ihnen
ein wärmeres Obdach als das von Zelten zu verschaffen. Dann war der
Feind bis zum Frühjahr sicher. Im Frühjahr konnte eine französische
Armee in Irland landen, die Eingebornen konnten sich von Donegal bis
Kerry aufs Neue bewaffnet erheben und der Krieg, der jetzt so gut wie
beendigt war, konnte sich heftiger als je wieder entzünden.

Es wurde daher mit dem beiderseitigen aufrichtigen Wunsche, dem Kampfe
ein Ziel zu setzen, eine Unterhandlung eröffnet. Die Anführer der
irischen Armee hielten mehrere Berathungen, zu denen einige katholische
Prälaten und einige ausgezeichnete Juristen eingeladen wurden. Man legte
den Bischöfen eine vorläufige Frage vor, welche zarte Gewissen in
Verlegenheit setzte. Der verstorbene Vicekönig hatte die Offiziere der
Besatzung überredet zu schwören, daß sie Limerick nicht eher übergeben
wollten, als bis sie eine Antwort auf das Schreiben erhalten haben
würden, in dem ihre Lage Jakob geschildert worden war. Die Bischöfe
waren der Meinung, daß der Eid nicht mehr bindend sei. Er sei zu einer
Zeit wo die Communication mit Frankreich noch offen gewesen und in dem
festen Glauben geleistet worden, daß Jakob’s Antwort binnen drei Wochen
eintreffen werde. Jetzt sei mehr als das Doppelte dieser Zeit
verstrichen. Jeder Zugang zur Stadt werde vom Feinde streng bewacht. Sr.
Majestät getreue Unterthanen hätten im Sinne ihres Versprechens
gehandelt, indem sie sich so lange gehalten, bis es ihm unmöglich
geworden sei, ihnen seinen Willen kund zu thun.[124]

Die nächste Frage war, welche Bedingungen verlangt werden sollten. Eine
Schrift, die Vorschläge enthielt, welche Staatsmänner unsrer Zeit für
billig halten werden, welche aber selbst den humansten und liberalsten
englischen Protestanten des 17. Jahrhunderts überspannt vorkamen, wurde
ins Lager der Belagerer geschickt. Es wurde verlangt, daß alle Vergehen
mit dem Mantel der Vergessenheit bedeckt, daß der eingebornen
Bevölkerung vollkommene Freiheit der Gottesverehrung gewährt werden, daß
jedes Kirchspiel seinen Priester haben und daß die irischen Katholiken
befähigt sein sollten, alle Civil- und Militärämter zu bekleiden und
alle municipalen Privilegien zu genießen.[125]

Ginkell kannte die Gesetze und Gesinnungen der Engländer wenig, aber er
hatte unter seiner Umgebung Leute, welche befähigt waren, ihn zu leiten.
Sie hatten ihn acht Tage vorher abgehalten, einen Rapparee rädern zu
lassen, und jetzt gaben sie ihm eine Antwort auf die Vorschläge des
Feindes ein. „Ich bin hier fremd,” sagte Ginkell, „ich kenne die
Verfassung dieses Landes nicht; aber man versichert mir, daß das was Sie
verlangen, mit dieser Verfassung unvereinbar ist, und deshalb kann ich
mit Ehren nicht einwilligen.” Er ließ auf der Stelle eine neue Batterie
errichten und mit Kanonen und Mörsern befahren. Aber seine Anstalten
wurden sehr bald durch eine neue Botschaft aus der Stadt unterbrochen.
Die Irländer baten ihn nun, ihnen zu sagen was er ihnen gewähren wolle,
da er ihnen das was sie verlangten, nicht bewilligen könne. Er berief
seine Rathgeber zu sich und schickte nach kurzer Besprechung mit ihnen
eine Schrift zurück, welche einen Vertrag enthielt, von dem er annehmen
zu dürfen glaubte, daß die Regierung, der er diente, ihn billigen werde.
Was er anbot war allerdings viel weniger als die Irländer wünschten;
aber es war so viel als sie erwarten konnten, wenn sie ihre Lage und die
Stimmung der englischen Nation in Betracht zogen. Sie zeigten ihm
eiligst ihre Zustimmung an. Es wurde festgesetzt, daß sowohl zu Lande
als auch in den Häfen und Buchten von Munster die Feindseligkeiten
eingestellt und einer französischen Flotte gestattet werden sollte,
unbehindert den Shannon heraufzukommen und unbehindert wieder
abzusegeln. Die Unterzeichnung des Vertrags wurde bis zur Ankunft der
Lords Justices, welche Wilhelm in Dublin repräsentirten, in Ginkell’s
Hauptquartier verschoben. Einige Tage lang ließ die militärische
Wachsamkeit auf beiden Seiten nach. Gefangene wurden in Freiheit
gesetzt. Die Vorposten der beiden Armeen plauderten und aßen zusammen.
Die englischen Offiziere sahen sich in der Stadt um, die irischen
Offiziere speisten im Lager. Anekdoten über das was bei den
freundschaftlichen Zusammenkünften dieser Männer, welche noch kürzlich
Todfeinde gewesen waren, vorging, circulirten weit und breit. Besonders
eine Geschichte erzählte man sich in ganz Europa. „Hat dieser letzte
Feldzug,” sagte Sarsfield zu einigen englischen Offizieren, „Ihnen nicht
eine bessere Meinung von den irischen Soldaten beigebracht.” --
„Aufrichtig gesagt,” erwiederte ein Engländer, „denken wir von ihnen
noch ganz ebenso wie wir immer gedacht haben.” -- „Wie gering Sie auch
von uns denken mögen,” versetzte Sarsfield, „lassen Sie uns unsere
beiderseitigen Könige vertauschen, und wir werden bereitwillig unser
Glück noch einmal mit Ihnen versuchen.” Er dachte ohne Zweifel an den
Tag, an welchem er die beiden Souveraine an der Spitze zweier großer
Armeen gesehen hatte, Wilhelm als den Ersten beim Angriffe, und Jakob
als den Ersten auf der Flucht.[126]


[_Die Kapitulation von Limerick._] Am 1. October kamen Coningsby und
Porter im englischen Hauptquartiere an. Am 2. wurden die
Kapitulationsbedingungen sehr ausführlich berathen und definitiv
festgestellt. Am 3. wurden sie unterzeichnet. Sie waren in zwei Theile,
einen Militärvertrag und einen Civilvertrag getheilt. Ersterer wurde nur
von den beiderseitigen Generälen, letzterer auch von den Lords Justices
unterzeichnet.

Durch den Militärvertrag war festgesetzt, daß diejenigen irischen
Offiziere und Soldaten, weiche erklärten, daß sie nach Frankreich zu
gehen wünschten, dahin gebracht werden und inzwischen unter dem Commando
ihrer eigenen Generäle bleiben sollten. Ginkell übernahm es eine
beträchtliche Anzahl Transportfahrzeuge zu liefern. Auch französische
Schiffe sollten zwischen der Bretagne und Munster hin und her fahren
dürfen. Ein Theil von Limerick sollte sofort den Engländern übergeben
werden. Aber die Insel, auf welcher die Kathedrale und das Schloß
standen, sollte vor der Hand noch im Besitz der Irländer bleiben.

Die Bedingungen des Civilvertrags waren ganz verschieden von denen,
welche Ginkell zu bewilligen sich beharrlich geweigert hatte. Es war
nicht stipulirt, daß die Katholiken Irland’s zur Bekleidung eines
bürgerlichen oder militärischen Amtes befähigt sein oder daß sie in eine
Corporation zugelassen werden sollten. Aber sie erhielten das
Versprechen, daß sie in der Ausübung ihrer Religion diejenigen
Privilegien genießen sollten, welche mit dem Gesetz vereinbar waren oder
die sie unter der Regierung Karl’s II. genossen hatten.

Allen Einwohnern von Limerick und allen Offizieren und Soldaten der
jakobitischen Armee, die sich der Regierung unterwarfen und ihre
Unterwerfung durch Leistung des Huldigungseides bekundeten, war volle
Amnestie versprochen. Sie sollten ihr Eigenthum behalten, sollten jeden
Erwerbszweig betreiben dürfen, den sie vor den Unruhen betrieben hatten,
sollten wegen keines seit dem Regierungsantritt des vorigen Königs
verübten Verraths, Felonie oder Vergehens bestraft werden, ja es sollte
sogar kein Entschädigungsanspruch wegen einer Beraubung oder
Gewaltthätigkeit, die sie während der drei unruhigen Jahre begangen,
gegen sie erhoben werden. Dies war mehr als die Lords Justices nach der
Verfassung zu gewähren befugt waren. Es wurde deshalb hinzugesetzt, daß
die Regierung ihr Möglichstes thun werde, um die Ratification des
Vertrags von Seiten des Parlaments zu erlangen.[127]

Sobald die beiden Instrumente unterzeichnet waren, zogen die Engländer
in die Stadt ein und besetzten einen Theil derselben. Ein schmaler, aber
tiefer Arm des Shannon trennte sie von dem noch im Besitz der Irländer
befindlichen Theile.[128]

Schon nach einigen Stunden entspann sich ein Streit, der eine Erneuerung
der Feindseligkeiten hervorzurufen drohte. Sarsfield hatte sich
entschlossen, in französischen Diensten sein Glück zu versuchen, und
natürlich wünschte er ein Truppencorps mit auf den Continent zu nehmen,
das ein wichtiger Zuwachs zur Armee Ludwig’s sein würde. Ginkell war
eben so natürlich nicht geneigt, die Streitkräfte des Feindes durch
Tausende von Leuten zu verstärken. Beide Generäle beriefen sich auf den
Vertrag. Jeder legte denselben so aus, wie es seinem Zwecke entsprach
und Jeder beschwerte sich, daß der Andre ihn verletzt habe. Sarsfield
wurde beschuldigt, einen seiner Offiziere in Arrest geschickt zu haben,
weil er sich geweigert, nach dem Continent zu gehen. Ginkell erklärte
heftig gereizt, er wolle die Irländer lehren ihm Streiche spielen, und
begann Anstalten zu einer Kanonade zu treffen. Sarsfield kam ins
englische Lager und versuchte seine Maßregel zu rechtfertigen. Es
entspann sich ein heftiger Wortwechsel. „Ich füge mich,” sagte Sarsfield
endlich, „denn ich bin in Ihrer Gewalt.” -- „Sie sind durchaus nicht in
meiner Gewalt,” erwiederte Ginkell; „kehren Sie zurück und thun Sie das
Schlimmste was Sie denken.” Der verhaftete Offizier wurde in Freiheit
gesetzt und dadurch ein blutiger Kampf vermieden, und die beiden
Befehlshaber begnügten sich mit einem Wortkriege.[129] Ginkell erließ
Proklamationen, worin er den Irländern versicherte, daß, wenn sie ruhig
in ihrem Lande leben wollten, sie beschützt und begünstigt, und, wenn
sie das militärische Leben vorzögen, in die Armee Wilhelm’s aufgenommen
werden sollten. Aber es wurde hinzugesetzt, daß Keiner, der diese
freundliche Einladung zurückwiese und ein Soldat Ludwig’s würde,
erwarten dürfe, je wieder die Insel zu betreten. Sarsfield und Wauchop
boten ihre Beredtsamkeit für die gegentheilige Ansicht auf. Das jetzige
Aussehen der Dinge, sagten sie, sei allerdings trübe, aber hinter den
Wolken sei der Himmel heiter. Die Verbannung werde kurz, die Rückkehr
triumphirend sein. Binnen einem Jahre würden die Franzosen in England
einfallen, und bei einem solchen Einfalle würden die irischen Truppen,
wenn sie nur fest zusammenhielten, gewiß eine Hauptrolle spielen.
Inzwischen sei es weit besser für sie, in einem benachbarten und
befreundeten Lande, unter der väterlichen Fürsorge ihres eignen
rechtmäßigen Königs zu leben, als sich dem Prinzen von Oranien
anzuvertrauen, der sie wahrscheinlich an das andre Ende der Welt
schicken werde, um für seinen Bundesgenossen, den Kaiser, gegen die
Janitscharen zu kämpfen.


[_Die irischen Truppen werden aufgefordert, zwischen ihrem Vaterlande
und Frankreich zu wählen._] Der Beistand des katholischen Klerus wurde
angerufen. An dem Tage, an welchem Diejenigen, die sich entschlossen
hatten nach Frankreich zu gehen, aufgefordert wurden, ihren Entschluß
kund zu thun, waren die Priester unermüdlich in Ermahnungen. Vor jedem
Regiment wurde eine Predigt gehalten über die Pflicht, der Sache der
Kirche treu zu bleiben, und über die Sünde und Gefahr, sich mit
Ungläubigen zu verbinden.[130] Jeder, wurde gesagt, der in den Dienst
der Usurpatoren trete, würde dies bei Gefahr seines Seelenheils thun.
Die Ketzer versicherten, daß dem Auditorium nach der Predigt eine
tüchtige Ration Branntwein gereicht worden und daß, nachdem der
Branntwein getrunken gewesen sei, ein Bischof den Segen gesprochen habe.
So durch physische und moralische Stimulationsmittel gehörig
vorbereitet, wurde die aus etwa vierzehntausend Mann Infanterie
bestehende Besatzung auf der großen Wiese aufgestellt, die auf dem
Clarer Ufer des Shannon lag. Hier wurden Abdrücke von Ginkell’s
Proklamation in Masse vertheilt und englische Offiziere gingen durch die
Reihen, um die Mannschaften zu beschwören, sich nicht dem Verderben
preis zu geben, und um ihnen die Vortheile auseinanderzusetzen, welche
die Soldaten König Wilhelm’s genössen. Endlich kam der entscheidende
Augenblick. Die Truppen erhielten Befehl, die Revue zu passiren.
Diejenigen, welche in Irland zu bleiben wünschten, mußten an einer
bestimmten Stelle umkehren. Von allen denen, die über diese Stelle
hinaus marschirten, nahm man an, daß sie sich für Frankreich entschieden
hatten. Sarsfield und Wauchop sahen auf der einen Seite, Coningsby und
Ginkell auf der andren Seite mit ängstlicher Spannung zu. D’Usson und
seinen Landsleuten wurde es schwer, ihre ernste Miene zu bewahren,
obgleich das Schauspiel nicht ohne Interesse für sie war. Die Confusion,
der Lärm, das groteske Aussehen einer Armee, in der fast kein Hemd und
kein Beinkleid, kein Schuh oder Strumpf zu erblicken war, bildete einen
so lächerlichen Contrast mit dem geordneten und glänzenden Aussehen der
Truppen ihres Gebieters, daß sie einander scherzend fragten, was wohl
die Pariser sagen würden, wenn sie auf der Ebene von Grenelle eine
solche Armee defiliren sähen.[131]


[_Die Mehrzahl der irischen Truppen erklärt sich für den
Freiwilligendienst in Frankreich._] Zuerst marschirte das sogenannte
Regiment Royal vierzehnhundert Mann stark. Alle bis auf Sieben
überschritten den verhängnißvollen Punkt. Ginkell’s Gesicht verrieth
einen heftigen Unmuth. Er tröstete sich indeß wieder, als er das nächste
Regiment, das aus Eingebornen von Ulster bestand, wie ein Mann Kehrt
machen sah. Es war trotz der Gemeinschaft des Bluts, der Sprache und der
Religion zwischen den Celten von Ulster und denen der anderen drei
Provinzen eine Antipathie entstanden; auch ist es nicht
unwahrscheinlich, daß das Beispiel und der Einfluß Baldearg O’Donnel’s
einigen Eindruck auf die Bevölkerung des Landes gemacht haben mag, das
seine Vorfahren regiert hatten.[132] In den meisten Regimentern waren
die Meinungen getheilt; aber die große Mehrheit erklärte sich für
Frankreich. Heinrich Luttrell gehörte zu Denen, welche umkehrten. Er
wurde für seinen Abfall und vielleicht für noch andere Dienste mit
Verleihung der großen Güter seines älteren Bruders Simon, der fest zur
Sache Jakob’s hielt, mit einem Jahrgelde von fünfhundert Pfund von
Seiten der Krone, und mit dem Abscheu der katholischen Bevölkerung
belohnt. Nachdem er ein Vierteljahrhundert in Reichthum, Luxus und
Schande gelebt, wurde Heinrich Luttrell ermordet, als er sich in seiner
Sänfte durch Dublin tragen ließ, und das irische Haus der Gemeinen
erklärte, man habe Grund zu vermuthen, daß er als ein Opfer der Rache
der Papisten gefallen sei.[133] Achtzig Jahre nach seinem Tode wurde
sein Grab unweit Luttrellstown durch die Nachkommen Derer, die er
verrathen, gewaltsam geöffnet und sein Schädel vermittelst einer
Spitzhacke in Stücken zerschlagen.[134] Der tödtliche Haß, deren
Gegenstand er war, ging auch auf seinen Sohn und auf seinen Enkel über
und leider hatte weder der Character seines Sohnes noch der seines
Enkels Seiten, welche das Gefühl, das der Name Luttrell erweckte, zu
mildern geeignet gewesen wären.[135]

Als der lange Zug vorbeidefilirt war, ergab es sich, daß ungefähr
tausend Mann bereit waren, in Wilhelm’s Dienste zu treten. Etwa
zweitausend nahmen Pässe von Ginkell an und begaben sich ruhig in ihre
Heimath. Ungefähr elftausend kehrten mit Sarsfield in die Stadt zurück.
Einige Stunden nachdem die Besatzung die Revue passirt hatte, wurden
auch die einige Meilen von der Stadt lagernden Reiter aufgefordert, ihre
Wahl zu treffen, und die meisten von ihnen entschieden sich für
Frankreich.[136]


[_Viele von den Irländern, die sich für Frankreich erklärt hatten,
desertiren._] Sarsfield betrachtete die Truppen, welche bei ihm blieben,
als unwiderruflich verpflichtet, außer Landes zu gehen, und damit sie
sich nicht versucht fühlen möchten, ihre Zusage zurückzunehmen, hielt er
sie innerhalb der Wälle und ließ die Thore schließen und streng
bewachen. Obwohl Ginkell in seinem Aerger einige Drohungen murmelte,
scheint er doch eingesehen zu haben, daß eine Einmischung seinerseits
nicht gerechtfertigt war. Aber die Vorsichtsmaßregeln des irischen
Generals erreichten ihren Zweck bei weitem nicht vollkommen. Es war
durchaus nicht zu verwundern, daß ein abergläubischer und reizbarer
Kerne, mit einer Predigt und einem Glas Branntwein im Kopfe, bereit war
Alles zu versprechen was seine Priester verlangten; eben so wenig war es
zu verwundern, daß, als er seinen Rausch ausgeschlafen hatte und keine
Anathemen ihm mehr in den Ohren klangen, er peinliche Besorgnisse
empfand. Er hatte sich verpflichtet, vielleicht auf Lebenszeit ins Exil
zu gehen, weit weg von den traurigen Wasserflächen, die seinem
ungebildeten Geiste ein geheimnißvolles Grauen einflößten. Alles was er
verlassen sollte, zog an seinen Gedanken vorüber, der wohlbekannte
Torfhaufen und das Kartoffelfeld und die Lehmhütte, die bei aller ihrer
Aermlichkeit doch immer seine Heimath war. Nie sollte er die
wohlbekannten Gesichter wieder um das Torffeuer sitzen sehen, nie die
traulichen Klänge der alten celtischen Lieder hören. Der weite Ocean
sollte zwischen ihm und dem Herde seiner greisen Eltern und seines
blühenden Liebchens wogen. Einige, die den quälenden Gedanken einer
solchen Trennung nicht zu ertragen vermochten und die Unmöglichkeit vor
Augen sahen, bei den Schildwachen, welche die Thore hüteten,
vorbeizukommen, sprangen in den Fluß und erreichten das entgegengesetzte
Ufer. Doch war die Zahl dieser kühnen Schwimmer nicht groß, und die
Armee würde wahrscheinlich vollzählig über den Kanal gebracht worden
sein, wenn sie bis zum Einschiffungstage in Limerick geblieben wäre.
Aber viele von den Schiffen auf denen die Ueberfahrt bewerkstelligt
werden sollte, lagen in Cork und Sarsfield mußte mit einigen seiner
besten Regimenter dahin abgehen. Dies war ein Marsch von nicht weniger
als vier Tagen durch eine öde Gegend. Es war unmöglich, gewandte junge
Männer, die mit allen Schlichen eines unsteten und räuberischen Lebens
vertraut waren, zu verhindern, daß sie sich unter dem Schutze der
Dunkelheit nach den Sümpfen und Wäldern fortstahlen. Viele Soldaten
waren sogar dreist genug, am hellen Tage davonzulaufen, noch ehe die
Kathedrale von Limerick ihren Blicken entschwunden war. Das Regiment
Royal, das am Tage der Revue ein so auffallendes Beispiel von treuer
Anhänglichkeit an die Sache Jakobs’ gegeben hatte, schmolz von
vierzehnhundert auf fünfhundert Mann zusammen. Noch vor der Abfahrt des
letzten Schiffes kam die Nachricht, daß die mit den ersten Schiffen
Abgegangenen in Brest unfreundlich empfangen worden seien. Sie waren
kärglich mit Lebensmitteln versehen worden, hatten weder Sold noch
Kleidung erlangen können und mußten ohne andres Obdach als Hecken und
Zäune auf freiem Felde schlafen, obgleich der Winter vor der Thür war.
Man hatte Viele von ihnen äußern hören, es würde weit besser gewesen
sein, in Alt-Irland zu sterben als in dem ungastlichen Lande zu leben,
in das sie verbannt wären. Die Wirkung dieser Berichte war, daß
Hunderte, welche lange in der Absicht auszuwandern beharrt hatten, sich
im letzten Augenblicke weigerten an Bord zu gehen, ihre Waffen wegwarfen
und in ihre heimathlichen Dörfer zurückkehrten.[137]


[_Die letzte Division der irischen Armee segelt von Cork nach Frankreich
ab._] Sarsfield bemerkte, daß eine Hauptursache der Desertion, die seine
Armee lichtete, die sehr natürliche Ungeneigtheit der Leute war, ihre
Familien in Dürftigkeit zurückzulassen. Cork und die Umgegend war mit
den Angehörigen der Fortgehenden angefüllt. Eine große Menge Frauen, von
denen viele ihre Kinder führten, trugen oder säugten, bedeckte alle
Zugänge zu dem Einschiffungsplatze. Der irische General, der den
Eindruck fürchtete, den die Bitten und Klagen dieser armen Geschöpfe
unfehlbar hervorbringen mußten, erließ eine Proklamation, in der er
seinen Soldaten versicherte, daß es ihnen erlaubt sein solle, ihre
Frauen und Familien nach Frankreich mitzunehmen. Es wäre eine
Beleidigung für das Andenken eines so tapferen und biederen Mannes,
wollte man annehmen, daß er dieses Versprechen mit der Absicht gegeben
habe, es nicht zu halten. Viel wahrscheinlicher ist es, daß er die
Anzahl Derer, welche die Ueberfahrt verlangen konnten, zu niedrig
anschlug, und daß er sich außer Stande sah, sein Wort zu halten, als es
bereits zu spät war, andere Einrichtungen zu treffen. Nachdem die
Soldaten eingeschifft waren, fand man zwar noch Raum für die Familien
Vieler; aber es blieben doch eine große Menge am Lande zurück, welche
kläglich baten, an Bord genommen zu werden. Als das letzte Boot abstieß,
stürzten sich Viele in die Brandung. Einige Weiber erfaßten die Taue,
wurden in tiefes Wasser mit fortgezogen, ließen nicht los, bis ihre
Hände zerschnitten waren, und kamen in den Wellen um. Die Schiffe
begannen sich in Bewegung zu setzen. Ein wildes, entsetzliches Geschrei
erscholl am Ufer und erregte ungewohntes Mitleid in Herzen, welche durch
Haß gegen den irischen Volksstamm und gegen den römischen Glauben
gestählt waren. Selbst der strenge Cromwellianer, jetzt endlich nach
einem dreijährigen verzweifelten Kampfe der unbestrittene Herr der
blutgetränkten und verwüsteten Insel, konnte nicht ungerührt den
Schmerzensschrei vernehmen, in welchem sich die ganze Wuth und der ganze
Kummer einer besiegten Nation aussprach.[138]

Die Segel verschwanden. Der abgezehrte und muthlose Schwarm Derer, die
ein härterer Schlag als der Tod zu Wittwen und Waisen gemacht,
zerstreute sich, um sich durch ein verwüstetes Land nach Hause zu
betteln oder niederzusinken und an der Straße vor Gram und Hunger zu
sterben. Die Verbannten gingen, um in fremden Feldlagern die Disciplin
zu lernen, ohne welche der natürliche Muth von geringem Werthe ist, und
um auf fernen Schlachtfeldern die Ehre wieder zu erkämpfen, welche
daheim durch eine lange Reihe von Niederlagen verloren worden war.


[_Zustand Irland’s nach dem Kriege._] In Irland war Friede. Die
Herrschaft der Colonisten war unumschränkt und die eingeborne
Bevölkerung zeigte die grauenvolle Ruhe der Erschöpfung und der
Verzweiflung. Gewaltthätigkeiten, Räubereien, Brandstiftungen und
Mordthaten kamen wohl noch immer vor, aber mehr als ein Jahrhundert
verging ohne einen allgemeinen Aufstand. Während dieses Jahrhunderts
wurden in Großbritannien durch die Anhänger des Hauses Stuart zwei
Revolutionen angestiftet. Aber weder als der ältere Prätendent in Scone
gekrönt wurde, noch als der jüngere in Holyrood sein Hoflager hielt,
wurde das Banner dieses Hauses in Connaught oder Munster aufgepflanzt.
Sogar im Jahre 1745, als die Hochländer gegen London marschirten, waren
die Katholiken Irland’s so ruhig, daß der Vicekönig ohne die mindeste
Gefahr mehrere Regimenter zur Verstärkung der Armee des Herzogs von
Cumberland über den St. Georgskanal senden konnte. Diese Unterwürfigkeit
war jedoch nicht eine Folge der Zufriedenheit, sondern lediglich der
Bestürzung und Entmuthigung. Der Stahl war tief ins Herz gedrungen. Die
Erinnerung an vergangene Niederlagen, die Gewohnheit, alltäglich
Insulten und Bedrückungen zu ertragen, hatten den Muth der unglücklichen
Nation gebrochen. Es gab zwar noch irische Katholiken von großer
Befähigung, Energie und Ehrgeiz; aber sie waren überall, nur nicht in
Irland zu finden: in Versailles und in St. Ildefonso, in den Armeen
Friedrich’s und in den Armeen Maria Theresia’s. Einer der Verbannten
wurde Marschall von Frankreich. Ein Andrer wurde Premierminister von
Spanien. Wäre er in seinem Vaterlande geblieben, so würden sich alle die
unwissenden und unbedeutenden Squires, welche auf das Gedächtniß der
glorreichen und denkwürdigen Zeit tranken, ihn als tief unter sich
stehend betrachtet haben. In seinem Palaste zu Madrid hatte er das
Vergnügen, den Gesandten Georg’s II. sich eifrig um seine Gunst bewerben
zu sehen und dem Gesandten Georg’s III. in stolzen Ausdrücken Trotz
bieten zu können.[139] Ueber ganz Europa fand man tapfere irische
Generäle, gewandte irische Diplomaten, irische Grafen, irische Barone,
irische Ritter des St. Ludwigs- und des St. Leopoldsordens, des weißen
Adlers und des goldenen Vließes zerstreut, die, wenn sie im Hause der
Knechtschaft geblieben wären, kaum Fähndriche in Infanterieregimentern
oder Bürger kleiner Corporationen hätten werden können. Nachdem diese
Männer, die natürlichen Oberhäupter ihres Stammes, entfernt worden,
waren die noch Zurückgebliebenen gänzlich hülflos und passiv. Eine
Erhebung des irischen Elements gegen das englische war eben so wenig zu
befürchten, wie eine Erhebung der Frauen und Kinder gegen die
Männer.[140]

Es gab zwar damals heftige Streitigkeiten zwischen dem Mutterlande und
der Colonie; aber für diese Streitigkeiten interessirte sich die
eingeborne Bevölkerung eben so wenig wie die rothen Indianer für den
Streit zwischen Altengland und Neuengland über das Stempelgesetz. Die
herrschende Minderheit, selbst wenn in Aufruhr gegen die Regierung,
kannte keine Gnade für etwas das wie Aufruhr seitens der unterworfenen
Mehrheit aussah. Keiner von den römischen Patrioten, welche Julius Cäsar
ermordeten, weil er nach dem Königstitel strebte, würde das geringste
Bedenken getragen haben, eine ganze Gladiatorenschule zu kreuzigen, die
es versucht hätte, sich der abscheulichsten und schimpflichsten
Knechtschaft zu entziehen. Keiner der virginischen Patrioten, welche
ihre Lostrennung vom britischen Reiche damit rechtfertigten, daß sie es
für eine selbstverständliche Wahrheit erklärten, daß der Schöpfer allen
Menschen ein unveräußerliches Recht auf die Freiheit gegeben habe, würde
das mindeste Bedenken getragen haben, einen Negersklaven
niederzuschießen, der auf dieses unveräußerliche Recht Anspruch gemacht
hätte. Ebenso waren die protestantischen Herren von Irland, während sie
sich prahlerisch zu den politischen Doctrinen Locke’s und Sidney’s
bekannten, der Meinung, daß ein Volk, das celtisch sprach und die Messe
hörte, in diesen Lehren nicht mit inbegriffen sei. Molyneux zog die
Suprematie der englischen Legislatur in Zweifel. Swift griff mit den
schärfsten Waffen des Spottes und Hohnes jeden Theil des
Regierungssystems an. Lucas beunruhigte die Verwaltung Lord
Harrington’s. Boyle stürzte die Verwaltung des Herzogs von Dorset. Aber
weder Molyneux noch Swift, weder Lucas noch Boyle dachten jemals daran,
an die eingeborne Bevölkerung zu appelliren. Sie würden eben so leicht
daran gedacht haben, an die Schweine zu appelliren.[141] Zu einer
späteren Zeit stachelte Heinrich Flood die dominirende Klasse auf, eine
Parlamentsreform zu verlangen und zur Erlangung dieser Reform selbst
revolutionäre Mittel anzuwenden. Aber weder er noch Diejenigen, die ihn
als ihren Führer betrachteten und auf sein Geheiß bis dicht an den Rand
des Hochverraths gingen, wollten der unterworfenen Klasse auch nur den
kleinsten Antheil an der politischen Macht einräumen. Der tugendhafte
und gebildete Charlemont, ein Whig unter den Whigs, verbrachte ein
langes Leben im Kampfe für das was er die Freiheit seines Vaterlandes
nannte. Aber er stimmte gegen das Gesetz, welches katholischen
Grundbesitzern das Wahlrecht verlieh, und er starb mit der feststehenden
Meinung, daß das Parlamentshaus von katholischen Mitgliedern rein
gehalten werden müsse. In der That, während des auf die Revolution
folgenden Jahrhunderts stand die Geneigtheit eines englischen
Protestanten, das irische Element mit Füßen zu treten, gewöhnlich im
Verhältniß zu dem Eifer, den er für die politische Freiheit an sich zur
Schau trug. Wenn er ein einziges Wort des Mitleids mit der durch die
Minderheit unterdrückten Mehrheit äußerte, konnte er dreist ein bigotter
Tory und Hochkirchlicher genannt werden.[142]

Während dieser ganzen Zeit gohr ein durch die Furcht niedergehaltener
Haß in der Brust der Kinder des Bodens. Sie waren noch das nämliche
Volk, das 1641 auf den Ruf O’Neill’s und 1689 auf den Ruf Tyrconnel’s zu
den Waffen geeilt war. Für sie war jedes vom Staate angeordnete Fest ein
Tag der Trauer, jede vom Staate errichtete öffentliche Trophäe ein
Denkmal der Schande. Wir haben die Gefühle einer Nation, welche dazu
verurtheilt ist, beständig auf allen ihren öffentlichen Plätzen die
Denkmäler ihrer Unterjochung zu sehen, nie gekannt und können uns mit
einen schwachen Begriff davon machen. Auf solche Monumente traf das Auge
der irischen Katholiken allenthalben. Vor dem Senatshause ihres Landes
sahen sie das Standbild ihres Besiegers. Wenn sie eintraten, sahen sie
die Wände mit den Niederlagen ihrer Väter bedeckt. Endlich, nach hundert
Jahren der Knechtschaft, die ohne einen energischen oder einmüthigen
Befreiungskampf ertragen worden waren, weckte die französische
Revolution eine wilde Hoffnung im Busen der Bedrückten. Männer, welche
alle Prätensionen und alle Leidenschaften des Parlaments geerbt, das
Jakob in den King’s Inns gehalten hatte, konnten nicht ohne innere
Bewegung von dem Sturze einer reichen Staatskirche, von der Flucht eines
glänzenden Adels, von der Confiscation eines ungeheuren Ländergebiets
hören. Alte Antipathien, welche nie geschlummert hatten, wurden durch
die Combination von Anreizungen, die in jeder andren Gesellschaft
einander entgegengewirkt haben würden, zu neuer und furchtbarer Energie
entflammt. Der Geist des Papismus und der Geist des Jakobitismus,
überall anderwärts unversöhnliche Gegner, waren für diesmal zu einer
unnatürlichen und entsetzlichen Einigkeit verbunden. Ihr vereinter
Einfluß rief die dritte und letzte Erhebung der eingebornen Bevölkerung
gegen die Colonie hervor. Die Urenkel der Soldaten Galmoy’s und
Sarsfield’s standen den Urenkeln der Soldaten Wolseley’s und
Mitchelburn’s gegenüber. Wieder schaute der Celte ungeduldig nach den
Segeln aus, die ihm von Brest Hülfe bringen sollten, und wieder hatte
der Sachse die Gesammtmacht England’s zur Stütze. Der Sieg blieb
abermals der gebildeten und wohlorganisirten Minderzahl.
Glücklicherweise aber fand das besiegte Volk diesmal auf einer Seite
Schutz, von wo es früher nichts als unversöhnliche Härte zu erwarten
gehabt hätte. Die Philosophie des 18. Jahrhunderts hatte zu dieser Zeit
den englischen Whiggismus von dem tiefwurzelnden Fehler der Intoleranz
gereinigt, den derselbe während einer langen und innigen Verbindung mit
dem Puritanismus des 17. Jahrhunderts angenommen. Aufgeklärte Männer
hatten angefangen einzusehen, daß die Argumente, durch welche Milton und
Locke, Tillotson und Burnet die Rechte der Ueberzeugung vertheidigt
hatten, mit nicht geringerem Gewicht zu Gunsten der Katholiken, wie zu
Gunsten der Independenten oder der Baptisten geltend gemacht werden
konnten. Die große Partei, deren Entstehung durch die Exclusionisten
hindurch bis zu den Rundköpfen zurückgeht, verlangte noch dreißig Jahre
lang trotz königlichen Unwillens und Volksgeschreis für diejenigen
irischen Papisten, welche die Rundköpfe und die Exclusionisten nur als
Jagdwild oder als Lastvieh betrachtet hatten, einen Antheil am Genusse
aller Wohlthaten unsrer freien Verfassung. Doch es bleibt einem andren
Geschichtsschreiber vorbehalten, die Wechselfälle dieses großen Kampfes
und den endlichen Sieg der Vernunft und Humanität zu erzählen. Leider
wird dieser Geschichtsschreiber auch zu berichten haben, daß dem durch
solche Anstrengungen und solche Opfer errungenen Siege alsbald
Enttäuschung folgte, daß es sich als viel schwerer erwies, böse
Leidenschaften auszurotten als schlechte Gesetze abzuschaffen, und daß
noch lange nachdem jede Spur von nationalem und religiösem Hasse aus dem
Gesetzbuche verwischt war, nationaler und religiöser Haß in der Brust
von Millionen fortwucherte. Möge er auch berichten können, daß Weisheit,
Gerechtigkeit und Zeit allmälig in Irland das bewirkten, was sie in
Schottland bewirkt hatten, und daß alle Stämme, welche die britischen
Inseln bewohnen, endlich unauflösbar zu einem Volke verschmolzen!


Fußnoten

[1] +Relation de la Voyage de Sa Majesté Britannique en Hollande,
enrichie de planches très curieuses, 1692; Wagenaar; London Gazette,
Jan. 29. 1690/91; Burnet II. 71.+

[2] Die Namen dieser beiden großen Gelehrten werden in einem sehr
interessanten Briefe von Bentley an Grävius vom 29. April 1698 neben
einander gestellt. +„Sciunt omnes qui me norunt, et si vitam mihi Deus
O. M. prorogaverit, scient etiam posteri, ut te et τὁν πἁνυ Spanhemium,
geminos hujus aevi Dioscuros, lucida literarum sidera, semper
praedicaverim, semper veneratus sim.”+

[3] +Relation de la Voyage de S. M. Britannique en Hollande, 1692;
London Gazette, Febr. 2. 1690/91; Le Triomphe Royal, où l’on voit
descrits les Arcs de Triomphe, Pyramides, Tableaux et Devises au Nombre
de 65, erigez à la Haye à l’honneur de Guillaume Trois, 1692; Le
Carneval de la Haye, 1691.+ Letztere Schrift ist ein heftiges Pasquill
gegen Wilhelm.

[4] +London Gazette, Febr. 5. 1690/91; His Majesty’s Speech to the
Assembly of the States General of the United Provinces at the Hague,
the 7th of February N. S., together with the Answer of their High and
Mighty Lordships, as both are extracted out of the Register of the
Resolutions of the States General, 1691.+

[5] +Relation de la Voyage de S. M. Britannique en Hollande; Burnet II.
72; London Gazette, Febr. 12, 19, 23. 1690/91; Mémoires du Comte de
Dohna; William Fuller’s Memoirs.+

[6] Wagenaar 42; +Le Carneval de la Haye, Mars 1691; Le Tabouret des
Electeurs, April 1691; Cérémonial de ce qui s’est passé à la Haye entre
le Roi Guillaume et les Electeurs de Bavière et de Brandebourg.+ Diese
letztere Abhandlung ist ein Manuscript, das Georg IV. dem Britischen
Museum schenkte.

[7] London Gazette vom 23. Febr. 1690/91.

[8] Der geheime Artikel, durch den der Herzog von Savoyen sich
verpflichtete, den Waldensern Duldung zu gewähren, findet sich in
Dumont’s Sammlung. Er wurde unterzeichnet am 8. Febr. 1691.

[9] London Gazette vom 26. März bis 13. April 1691; Monthly Mercury
vom März und April; Wilhelm’s Briefe an Heinsius vom 18. und 29. März
und 7. und 9. April; Dangeau’s Memoiren; +The Siege of Mons+, eine
Tragikomödie 1691. In diesem Drama überreden die Geistlichen, welche im
französischen Interesse handeln, die Bürger zur Uebergabe der Stadt.
Dieser Verrath ruft die Aeußerung des Unwillens hervor:

  „O, Priesterthum, o Krämerstand, wie schwächet ihr
  Der Menschen Muth!”

[10] Preston’s Prozeß in der +Collection of State Trials+. Ein
Anwesender spricht sich folgendermaßen über Somers’ Eröffnungsrede aus:
„In der die Untersuchung eröffnenden Rede sah man weder absichtliche
Uebertreibungen noch ein Prahlen mit gemeinen Beredtsamkeitsfloskeln,
wie man sie in früheren Prozessen, dem Geschnatter von Gänsen ähnlich,
findet. Man hörte nichts als einfache Facta oder daraus hervorgehende
natürliche und treffende Bemerkungen.” Die Flugschrift, aus der ich
diese Worte anführe, ist betitelt: +An Account of the late horrid
Conspiracy by a Person who was present at the Trials, 1691.+

[11] +State Trials.+

[12] +Paper delivered by Mr. Ashton, at his execution, to Sir Francis
Child, Sheriff of London; Answer to the Paper delivered by Mr. Ashton.+
Die Antwort war von Dr. Eduard Fowler, nachmaligem Bischof von
Gloucester, geschrieben. Burnet II. 70; Brief vom Bischof Lloyd an
Dodwell im zweiten Bande von Gutch’s +Collectanea Curiosa+.

[13] +Narcissus Luttrell’s Diary.+

[14] +Narcissus Luttrell’s Diary; Burnet II. 71.+

[15] Brief von Collier und Cook an Sancroft unter den Tanner’schen
Manuscripten.

[16] Caermarthen an Wilhelm, 3. Febr. 1690/91; +Life of James, II. 443.+

[17] Daß diese Darstellung im Wesentlichen auf Wahrheit beruht, wird
genugsam bewiesen durch S. 443 des 2. Theiles der Lebensbeschreibung
Jakob’s. Einige geringfügige Umstände habe ich auch Dalrymple entlehnt,
der sie meines Wissens aus jetzt unwiederbringlich verlorenen Papieren
genommen, welche er im Schottischen Collegium zu Paris gesehen hatte.

[18] Der Erfolg von Wilhelm’s „anscheinender Milde” wird von dem
Herausgeber der Lebensbeschreibung Jakob’s zugegeben. „Die Methode des
Prinzen von Oranien,” heißt es darin, „hatte so guten Erfolg, daß die
von Penn genannten Lords, welches auch damals ihre Gesinnungen gewesen
sein mochten, sich nachmals thatsächlich als bittere Feinde der Sache
Sr. Majestät erwiesen.” -- II. 443.

[19] Siehe sein Tagebuch; Evelyn’s Tagebuch unterm 25. März, 22. April
und 11. Juli 1691; Burnet II. 71; Briefe von Rochester an Burnet vom
21. März und 2. April 1691.

[20] +Life of James, II. 443, 450; Legge Papers+ in der
Mackintosh-Sammlung.

[21] Burnet II. 71; Evelyn’s Tagebuch, 4. und 18. Jan. 1690/91; Brief
von Turner an Sancroft, 19. Jan. 1690/91; Brief von Sancroft an Lloyd
von Norwich, 2. April 1692. Diese beiden Briefe befinden sich unter
den Tanner’schen Manuscripten in der Bodlejanischen Bibliothek und
sind in +Life of Ken, by a Layman+ abgedruckt. Turner’s Entkommen nach
Frankreich wird in Narcissus Luttrell’s Tagebuch, Februar 1690 erwähnt.
Siehe auch +A Dialogue between the Bishop of Ely and his Conscience,
16th February 1690/91+. Das Gespräch wird durch Trompetenstöße
unterbrochen. Der Bischof hört sich zum Verräther proklamiren und ruft
aus:

  „Komm, Bruder Penn, ’s ist Zeit, daß wir nun gehn.”

[22] Bezüglich einer Probe seiner Visionen siehe sein Tagebuch, Seite
13; über sein Teufelaustreiben Seite 26. Ich führe die Folioausgabe von
1765 an.

[23] Tagebuch, Seite 4.

[24] Tagebuch, Seite 7.

[25] „Was sie wissen, das wissen sie von Natur, die sich von dem
Gebete abwenden und von dem Geiste abirren, deren Frucht verdorrt,
die da sagen, daß Hebräisch, Griechisch und Latein die Ursprachen
seien; bevor Babel war, hatte die Erde nur eine Sprache; und Nimrod
der kluge Jäger vor dem Herrn, der aus Ham’s verfluchtem Geschlecht
abstammte, der Urheber und Erbauer von Babel, das Gott durch viele
Sprachen vernichtete, und dies sagen sie, die von dem Geiste und
Gebote abirrten, sei der Urtext, und Pilatus hatte sein ursprüngliches
Hebräisch, Griechisch und Latein, der Christum kreuzigte and machte ihm
eine Zuschrift daraus.” +A message from the Lord to the Parliament of
England, by G. Fox, 1654+. Dieselbe Argumentation findet sich in seinem
Tagebuche, nur ist sie dort durch den Herausgeber in etwas besseres
Englisch übersetzt worden. „Glaubst Du Diener Christi zu machen durch
diese natürlichen verworrenen Sprachen, die aus Babel hervorgingen,
in Babylon bewundert werden und von einem Verfolger über Christi, des
Lebens, Haupt gesetzt wurden?” Seite 64.

[26] Sein Tagebuch wurde, bevor es erschien, noch einmal durch Männer
von mehr Verstand und Kenntnissen als er selbst besaß, revidirt und
giebt uns daher bei aller seiner Absurdität noch keinen Begriff von
seinem echten Style. Nachstehendes ist eine gute Probe. Es ist die
Einleitung zu einem seiner Manifeste. „Sie, welche die Welt, die
ohne Gottesfurcht ist, spöttischerweise Quäker nennt, leugnen alle
Meinungen, sie leugnen alle Ueberzeugungen, sie leugnen alle Secten
und leugnen alle Ideen und Begriffe und Urtheile, die aus dem Willen
und dem Gedanken entspringen, und sie leugnen die Zauberei und alle
Eide und die Welt und ihre Werke, und ihren Gottesdienst und ihre
Gebräuche mit dem Licht, und sie leugnen falsche Wege und falsche
Gottesverehrung, die Verführer und Betrüger, wie man sie jetzt sieht in
der Welt mit dem Licht, und mit ihm sind sie verurtheilt, welches Licht
führet zum Frieden und vom Tode zum Leben, was jetzt Tausende bezeugen
dem neuen Lehrer Christus, ihm, durch den die Welt gemacht wurde, der
regiert unter den Kindern des Lichts, und mit dem Geist und der Macht
des lebendigen Gottes sie sehen und unterscheiden läßt die Spreu von
dem Weizen und sieht den, der geschüttelt werden muß, neben dem, der
nicht geschüttelt noch bewegt werden kann, woraus zu sehen ist, welcher
geschüttelt und bewegt ist; so werden Die, welche in den Begriffen,
Meinungen, Ideen, Gedanken und Vorstellungen leben, geschüttelt und
kommen auf einen Haufen, während Die, welche diese vorerwähnten Dinge
geschüttelt und bewegt sehen, in Frieden wandeln, nicht gesehen und
erkannt von Denen, welche in diesen Dingen ungeschüttelt und unbewegt
wandeln.” -- +A Warning to the World that are Groping in the Dark, by
G. Fox, 1655.+

[27] Siehe die Schrift betitelt: +Concerning Good morrow and Good even,
the World’s Customs, but by the Light which into the World is come by
it made manifest to all who be in the Darkness, by G. Fox, 1657.+

[28] Tagebuch, Seite 166.

[29] Epistel aus Harlingen vom 11. des 6. Monats 1677.

[30] +Of Bowings, by G. Fox, 1657.+

[31] Siehe zum Beispiel das Tagebuch, Seite 24, 26 und 51.

[32] Siehe z. B. die Epistel an Sawkey, einen Friedensrichter, im
Tagebuche Seite 86; die Epistel an Wilhelm Lampitt, einen Geistlichen,
welche beginnt: „Das Wort des Herrn Dir, o Lampitt,” Seite 80, und die
Epistel an einem andren Geistlichen, den er Priester Tatham nennt,
Seite 92.

[33] Tagebuch, Seite 55.

[34] +Ibid+. Seite 300.

[35] +Ibid+. Seite 323.

[36] +Ibid+. Seite 48.

[37] „Besonders neuerdings,” sagt Leslie, der entschiedenste Gegner der
Secte, „haben sich einige von ihnen dem Christenthum mehr genähert,
als je zuvor, und unter ihnen hat der geistreiche Mr. Penn seit kurzem
einige ihrer albernsten Ansichten verbessert und sie in eine gewisse
Form gebracht, so das wenigstens Verstand und Englisch aus ihnen
spricht, von welchen beiden Dingen Georg Fox, ihr erster und größter
Apostel, ganz und gar nichts wußte.... Sie thun Alles was sie können,
um ihrer Lehre den Anschein zu geben, als wäre sie sich von Anfang
an gleich geblieben und hätte durchaus keine Aenderung erfahren, und
deshalb nehmen sie es auf sich, alle Schriften Georg Fox’ so wie
andrer der ersten Quäker zu vertheidigen, und drehen und winden sich,
dieselben (was unmöglich ist) mit dem was sie jetzt lehren, in Einklang
zu bringen.” (+The Snake in the Grass+, 3. Ausgabe, 1698. Einleitung.)
Leslie war jederzeit artiger gegen seinen jakobitischen Collegen Penn
wie gegen irgend einen andren Quäker. Penn selbst sagt von seinem
Meister: „So abgerissen und zerstückelt seine Sentenzen über göttliche
Dinge zuweilen von ihm kommen, so ist es doch wohl bekannt, daß sie
oft vielen besseren Erklärungen als Themata dienten.” Das heißt mit
anderen Worten: Georg Fox schwatzte Unsinn, und einige seiner Freunde
umschrieben diesen Unsinn, so daß er verständlich wurde.

[38] In Penn’s Biographie, die seinen Werken vorgedruckt ist, wird uns
erzählt, daß die Verhaftsbefehle am 16. Januar 1690/91 in Folge einer
Anklage erlassen wurden, die sich auf die eidliche Angabe Wilhelm
Fuller’s stützte, der mit Recht ein Lump, ein Lügner und ein Betrüger
genannt wird, und Mr. Clarkson wiederholt diese Geschichte. Sie ist
jedoch sicherlich falsch. Caermarthen sagt in einem Briefe an Wilhelm
vom 3. Februar, man habe damals nur einen Zeugen gegen Penn gehabt, und
dieser eine Zeuge sei Preston gewesen. Es liegt demnach auf der Hand,
daß Fuller nicht der Angeber war, auf dessen eidliche Aussage hin der
Verhaftsbefehl gegen Penn erlassen wurde. Aus Fuller’s Selbstbiographie
geht in der That hervor, das er damals im Haag war. Als Nottingham am
26. Juni an Wilhelm schrieb, war ein zweiter Zeuge aufgetreten.

[39] Sidney an Wilhelm, 27. Febr. 1690/91. Der Brief befindet sich in
Dalrymple’s Anhang, Theil II. Buch 6. Narcissus Luttrell erwähnt in
seinem Tagebuche vom September 1691 Penn’s Entkommen von Shoreham nach
Frankreich. Unterm 5. December 1693 schreibt Narcissus: „Wilhelm Penn
der Quäker tritt jetzt, nachdem er sich einige Zeit verborgen gehalten
und das gegen ihn Vorliegende ausgeglichen hat, wieder öffentlich auf
und hielt vergangenen Freitag im „Bull and Mouth” in St. Martin’s
einen Vortrag.” Am 18. (28.) December 1693 wurde in Saint-Germains
unter Melfort’s Leitung eine Schrift aufgesetzt, die eine Stelle
enthält, welche in der Uebersetzung lautet: „Mr. Penn sagt, daß Eure
Majestät schon mehrere Gelegenheiten gehabt hat, aber noch nie eine
so günstige als die gegenwärtige, und er hofft, daß Eure Majestät
ernstlich in den Allerchristlichsten König dringen wird, sie nicht zu
versäumen; daß eine Landung mit dreißigtausend Mann nicht nur Eure
Majestät wieder retabliren, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach
auch die Ligue auflösen würde.” Diese Schrift befindet sich unter den
Nairne-Manuscripten und wurde von Macpherson übersetzt.

[40] +Narcissus Luttrell’s Diary, April 11. 1691.+

[41] +Narcissus Luttrell’s Diary, August 1691;+ Brief von Vernon an
Wharton vom 17. Oct. 1691 in der Bodlejanischen Bibliothek.

[42] Die Meinung der Jakobiten geht aus einem Briefe hervor, der sich
in den Archiven des französischen Kriegsministeriums befindet. Derselbe
wurde am 25. Juni 1691 in London geschrieben.

[43] +Welwood’s Mercurius Reformatus, April 11., 24., 1691; Narcissus
Luttrell’s Diary, April 1691;+ L’Hermitage an die Generalstaaten,
19. (29.) Juni 1696; +Calamy’s Life+. Die Geschichte von Fenwick’s
Rohheit Marien gegenüber wird verschieden erzählt. Ich habe mich an die
mir am glaubwürdigsten scheinende und gewiß mindest entehrende Version
gehalten.

[44] Burnet II. 71.

[45] Lloyd an Sancroft, 24. Jan. 1691. Der Brief befindet sich unter
den Tanner-Manuscripten und ist im +Life of Ken by a Layman+ abgedruckt.

[46] London Gazette vom 1. Juni 1691; +Birch’s Life of Tillotson;
Congratulatory Poem to the Reverend Dr. Tillotson on his Promotion,
1691;+ Vernon an Wharton, 28. und 30. Mai 1691. Diese Briefe an Wharton
befinden sich in der Bodlejanischen Bibliothek und gehören zu einer
höchst interessanten Sammlung, auf welche Dr. Bandinel so freundlich
war mich aufmerksam zu machen.

[47] +Birch’s Life of Tillotson; Leslie’s Charge of Socinianism against
Dr. Tillotson considered, by a True Son of the Church, 1695; Hickes’s
Discourses upon Dr. Burnet and Dr. Tillotson, 1695; Catalogue of Books
of the Newest Fashion to be Sold by Auction at the Whig’s Coffee
House,+ augenscheinlich 1693 gedruckt. Mehr als sechzig Jahre später
spricht Johnson von einem starren Jakobiten, der fest überzeugt gewesen
war, daß Tillotson als Atheist gestorben sei; +Idler, Nr. 10.+

[48] Tillotson an Lady Russell, 23. Juni 1691.

[49] +Birch’s Life of Tillotson; Memorials of Tillotson, by his pupil
John Beardmore;+ Sherlock’s Predigt, beim Tode der Königin Marie
1694/95 in der Tempel-Kirche gehalten.

[50] +Wharton’s Collectanea+, angeführt in +Birch’s Life of Tillotson+.

[51] +Wharton’s Collectanea+, angeführt in +D’Oyly’s Life of Sancroft;
Narcissus Luttrell’s Diary.+

[52] Das Lambeth-Mspt., angeführt in +D’Oyly’s Life of Sancroft;
Narcissus Luttrell’s Diary;+ Vernon an Wharton, 9., 11. Juni 1691.

[53] Siehe einen Brief von R. Nelson, vom 21. Febr. 1709/10 im Anhange
zu +N. Marshall’s Defence of our Constitution in Church and State,
1717; Hawkin’s Life of Ken; Life of Ken, by a Layman.+

[54] Siehe eine von ihm am 15. Nov. 1693 dictirte Abhandlung in
Wagstaffe’s Brief aus Suffolk.

[55] +Kettlewells’ Life, III. 59.+

[56] Siehe +D’Oyly’s Life of Sancroft, Hallam’s Constitutional History+
und +Dr. Lathbury’s History of the Nonjurors+.

[57] Siehe die Selbstbiographie seines Nachkommen und Namensvetters des
Schauspieldichters. Außerdem Onslow’s Note zu Burnet II. 76.

[58] +A Vindication of Their Majesties Authority to fill the
Sees of the deprived Bishops, May 20. 1691;+ London Gazette vom
27. April und 15. Juni 1691; +Narcissus Luttrell’s Diary, May
1691+. Unter den Tanner-Manuscripten befinden sich zwei Briefe von
Jakobiten an Beveridge, der eine mild und anständig, der andre
an Rücksichtslosigkeit die gewöhnliche Rücksichtslosigkeit der
Eidverweigerer noch übertreffend. Ersteren kann man im +Life of Ken, by
a Layman+ nachlesen.

[59] Es ist nicht ganz klar, ob Sharp’s Skrupel wegen der abgesetzten
Prälaten ein Gewissensskrupel oder nur ein Zartgefühlsskrupel war.
Siehe seine Biographie von seinem Sohne.

[60] Siehe Overall’s +Convocation Book+, Kap. 28. Nichts kann klarer
und schlagender sein als seine Sprache:

„Wenn, nachdem sie ihre unheiligen Wünsche erreicht, seien es
ehrgeizige Könige durch Unterwerfung eines Landes, oder unloyale
Unterthanen durch rebellische Erhebung gegen ihre natürlichen
Landesherren, sie eine der besagten entarteten Regierungen unter
ihrem Volke errichtet haben, so ist die entweder so unrechtmäßig
errichtete, oder dem wahren und rechtmäßigen Besitzer gewaltsam
entrissene Autorität, da sie immerhin Gottes Autorität ist und durch
die Schlechtigkeit Derer, die sie besitzen, nicht beeinträchtigt wird,
jederzeit in Ehren zu halten und ihm zu gehorchen, sobald solche
Aenderungen sich vollständig befestigt haben, und die Leute aller Art,
vom geistlichen wie vom Laienstande, müssen ihr unterthan sein, nicht
allein aus Furcht, sondern auch aus Gewissenspflicht.”

Dann folgt die Regel:

„Wenn Jemand behaupten wollte, daß, wenn eine solche neue
Regierungsform, die mit einem Aufstande begonnen, sich nachmals
vollkommen befestigt hat, die ihnen innewohnende Autorität nicht von
Gott stamme, oder daß irgend Jemand, der auf dem Gebiete einer solchen
Regierung wohnt, nicht verbunden sei, sich der Autorität Gottes, welche
daselbst ausgeübt wird, zu unterwerfen, sondern sich gegen dieselbe
auflehnen dürfe, der würde sehr irren.”

[61] Eine Aufzählung aller der Schriften, die ich über Sherlock’s
Apostasie gelesen habe, wurde den Leser ermüden. Ich will einige von
verschiedenem Character anführen. +Parkinson’s Examination of D.
Sherlock’s Case of Allegiance, 1691; Answer to D. Sherlock’s Case
of Allegiance, by a London Apprentice, 1691; The Reasons of the New
Convert’s taking thie Oaths to the present Government, 1691; Utrum
horum? or God’s ways of disposing of Kingdoms, and some Clergymen’s
ways of disposing of them, 1691; Sherlock and Xanthippe, 1691; Saint
Paul’s Triumph in his Sufferings for Christ, by Matthew Bryan, L. L.
D., dedicated Ecclesiae sub cruce gementi; A word to a wavering Levite;
The Trimming Court Divine; Proteus Ecclesiasticus, or Observations on
D. Sh--’s late Case of Allegiance; The Weasil Uncased; A Whip for the
Weasil; The Anti-Weasils.+ Zahlreiche Anspielungen auf Sherlock und
seine Gattin finden sich in den satyrischen Schriften Tom Brown’s,
Tom Durfey’s und Ned Ward’s. Siehe +Life of James, II. 318.+ Mehrere
interessante Briefe über Sherlock’s Apostasie befinden sich unter den
Tanner-Manuscripten. Ich will ein paar Proben von den Versen anführen,
welche der +Case of Allegiance+ veranlaßte:

  Kaum hatte Eva den Apfel genossen,
  So eilte zum Gatten sie unverdrossen
  Und zupfte ihn lockend am Kinn.
  „Mein Liebster, sprach sie, hier nimm den und koste
  Er wird Dir behagen, ich sag’ Dir’s zum Troste,
  Nichts Sündhaftes liegt für Dich drin.”

  Als Hiob traurig, geknickt, ohne Hemd,
  Den trübsel’gen Kopf auf die Hand gestemmt,
  Siech lag auf Moder und Schmutz;
  Da raunte sein Weib ihm leise ins Ohr:
  „Liebst Du mich, wende zu Gott Dich empor,
  Vor Kummer bleibt ewig er Schutz.”

  Er zweifelte erst, deshalb drang sein Gebet
  Zum Himmel als Frage, welchen Weg er wohl geht,
  Ob Jemmy oder William die Herrschaft zusteht,
  Was Niemand wohl leugnen kann.

  Der Vorgang am Boyne war entscheidender Grund
  Das Gott wich göttlichem Walten zur Stund;
  Seine Ansicht zu ändern giebt Schande nicht kund,
  Was Niemand wohl leugnen kann.

  Doch mit der Schrift hält dies nimmermehr Stich;
  Im Achten und Vierten sagt Hoseah für sich:
  Sie wählen sich Kön’ge, aber nicht durch mich,
  Was Niemand wohl leugnen kann.

[62] Die Hauptquelle für diesen Theil meiner Geschichte ist das Leben
Jakob’s, besonders die höchstwichtige und interessante Stelle des
zweiten Bandes, welche mit Seite 444 beginnt und auf Seite 450 endigt.

[63] Russell an Wilhelm, 10. Mai 1691, in Dalrymple’s Anhang, Theil
+II+. Buch 7. Siehe auch die Memoiren von Sir John Leake.

[64] +Commons’ Journals, March 21. 24. 1679; Grey’s Debates;
Observator.+

[65] London Gazette vom 21. Juli 1690.

[66] +Life of James. II. 449.+

[67] +Shadwell’s Volunteers.+

[68] Story’s Fortsetzung; Proklamation vom 21. Febr. 1690/91; London
Gazette vom 12. März.

[69] Story’s Fortsetzung.

[70] Story’s +Impartial History+; London Gazette vom 17. Nov. 1690.

[71] +Story’s Impartial History+. Das Jahr 1684 war als eine
Zeit besonderer Blüthe betrachtet worden und die Zolleinnahmen
waren ungewöhnlich groß gewesen. Aber der Ertrag aus sämmtlichen
Häfen Irland’s während des ganzen Jahres belief sich auf nur
hundertsiebenundzwanzigtausend Pfund. Siehe Clarendon’s Memoiren.

[72] Story’s Geschichte und Fortsetzung; London Gazette vom 29. Sept.
1690 und vom 8. Jan. und 12. März 1690/91.

[73] Siehe die Protokolle der Lords vom 2. und 7. März 1692/93 und die
der Gemeinen vom 16. Dec. 1693 und 29. Jan. 1693/94. Die Geschichte,
die im besten Falle schlimm genug ist, wurde von den persönlichen und
politischen Feinden der Lords Justices mit Zusätzen erzählt, welche
das Haus der Gemeinen augenscheinlich als verleumderisch betrachtete,
wofür ich sie auch wirklich halte. Siehe den +Gallienus Redivivus+. Die
Erzählung, welche Oberst Robert Fitzgerald, ein Mitglied des Geheimen
Raths und Augenzeuge, unter eidlicher Erhärtung dem Hause der Lords
schriftlich einreichte, scheint mir vollkommen glaubwürdig. Es ist
sonderbar, daß Story, obgleich er die Ermordung der Soldaten erwähnt,
nichts von Gafney sagt.

[74] +Burnet II. 66; Leslie’s Answer to King.+

[75] +Macariae Excidium;+ Fumeron an Louvois vom 31. Jan. (10. Febr.)
1691. Es muß bemerkt werden, daß Kelly, der Verfasser des +Macariae
Excidium+, und Fumeron, der französische Intendant, durchaus
unverwerfliche Zeugen sind. Sie befanden sich damals beide innerhalb
der Mauern von Limerick. Man hat keinen Grund, die Unparteilichkeit
des Franzosen zu bezweifeln, und der Irländer war für seine Landsleute
eingenommen.

[76] +Story’s Impartial History+ und Fortsetzung, und die London
Gazette vom December, Januar, Februar und März 1690/91.

[77] Es ist auffallend, daß Avaux, der doch ein sehr scharfsichtiger
Menschenkenner war, Berwick bedeutend unterschätzte. In einem Briefe an
Louvois von 15. (25.) Oct. 1689 sagt er: +„Je ne puis m’empescher de
vous dire qu’il est brave de sa personne, à ce que l’on dit, mais que
c’est un aussy mechant officier qu’il en ayt, et qu’il n’a pas le sens
commun.”+

[78] +Leslie’s Answer to King; Macariae Excidium.+

[79] +Macariae Excidium.+

[80] +Macariae Excidium; Life of James, II. 422; Mémoires de Berwick.+

[81] +Macariae Excidium.+

[82] +Macariae Excidium; Mémoires de Berwick.+

[83] +Life of James, II. 433, 451.;+ Story’s Fortsetzung.

[84] +Life of James, II. 438; Light to the Blind;+ Fumeron an Louvois,
22. April (2. Mai) 1691.

[85] +Macariae Excidium; Mémoires de Berwick; Life of James, II. 451,
452.+

[86] +Macariae Excidium;+ Burnet II. 78; Dangeau; +The Mercurius
Reformatus, June 5. 1691.+

[87] +An exact Journal of the victorious progress of their Majesties
forces under the command of General Ginckle this summer in Ireland,
1691;+ Story’s Fortsetzung; Mackay’s Memoiren.

[88] London Gazette vom 18. und 22. Juni 1691; Story’s Fortsetzung;
+Life of James, II. 452+. Der Verfasser des letztgenannten Werks
beschuldigt den Gouverneur der Verrätherei oder Feigheit.

[89] London Gazette von 22. und 25. Juni und 2. Juli 1691; Story’s
Fortsetzung; +Exact Journal+.

[90] +Life of James, II. 373, 376, 377.+

[91] +Macariae Excidium.+ Ich muß bemerken, daß dies eine von den
vielen Stellen ist, die mich bestimmen, den lateinischen Text für den
Urtext zu halten. Im Lateinischen heißt es: +„Oppidum ad Salaminium
amnis latus recentibus ac sumptuosioribus aedificiis attollebatur;
antiquius et ipsa vetustate incultius quod in Paphiis finibus
exstructum erat.”+ Die englische Version lautet: „Die Stadt auf der
Seite von Salaminia war besser gebaut als auf der von Paphia.” Im
Lateinischen findet man gewiß die Specialitäten, die wir von einer
Person erwarten dürfen, welche Athlone vor dem Kriege gekannt hatte.
Die englische Version ist erbärmlich. Ich brauche wohl kaum zu sagen,
daß die paphische Seite Connaught, die salaminische Leinster ist.

[92] Ich habe mehrere gleichzeitige Pläne von Athlone zu Rathe gezogen.
Einen findet man in Story’s Fortsetzung.

[93] +Diary of the Siege of Athlone, by an Engineer of the Army, a
Witness of the Action, licensed July 11. 1691;+ Story’s Fortsetzung;
London Gazette vom 2. Juli 1691; Fumeron an Louvois, 28. Juni (8. Juli)
1691. Die Erzählung dieses Angriffs im +Life of James II. 453+ ist
ein alberner Roman. Sie scheint nicht den Originalmemoiren des Königs
entnommen zu sein.

[94] +Macariae Excidium.+ Hier glaube ich abermals einen deutlichen
Beweis dafür zu erblicken, daß die englische Version dieses
interessanten Werks nur eine schlechte Uebersetzung aus dem
Lateinischen ist. Der englische Text sagt blos: „Lysander” (Sarsfield)
„beschuldigte ihn einige Tage früher in Gegenwart des Generals,” ohne
anzugeben, worin die Beschuldigung bestand. Das lateinische Original
aber lautet: +„Acriter Lysander, paucos ante dies, coram praefecto
copiarum illi exprobraverat nescio quid, quod in aula Syriaca in
Cypriorum opprobrium effutivisse dicebatur.”+ Der englische Uebersetzer
hat durch Weglassung der wichtigsten Worte und durch Anwendung
des Imperfectums anstatt des Plusquamperfectums die ganze Stelle
bedeutungslos gemacht.

[95] Story’s Fortsetzung; +Macariae Excidium;+ Daniel Macneal an Sir
Arthur Rawdon vom 28. Juni 1691 in den +Rawdon Papers+.

[96] London Gazette vom 6. Juli 1601; Story’s Fortsetzung; +Macariae
Excidium; Light to the Blind.+

[97] +Macariae Excidium; Light to the Blind.+

[98] +Life of James, II. 460; Life of William, 1702.+

[99] Story’s Fortsetzung; Mackay’s Memoiren; +Exact Journal; Diary of
the Siege of Athlone.+

[100] Story’s Fortsetzung; +Macariae Excidium+; Burnet, II. 78, 79;
London Gazette vom 6. und 13. Juli 1689; Fumeron an Louvois, 30. Juni
(10. Juli) 1690; +Diary of the Siege of Athlone; Exact Account+.

[101] Story’s Fortsetzung; +Life of James, II. 455;+ Fumeron an
Louvois, 30. Juni (10. Juli) 1690; London Gazette vom 13. Juli.

[102] Die Geschichte, wie sie von den Feinden Tyrconnel’s erzählt
wird, findet sich im +Macariae Excidium+ und in einem Briefe von Felix
O’Neill an die Gräfin von Antrim vom 10. Juli 1691. Dieser Brief wurde
nach der Schlacht von Aghrim auf der Leiche Felix O’Neill’s gefunden.
Er ist in den +Rawdon Papers+ abgedruckt. Die andre Geschichte wird in
Berwick’s Memoiren und in +Light to the Blind+ erzählt.

[103] +Macariae Excidium; Life of James, II. 436; Light to the Blind.+

[104] +Macariae Excidium.+

[105] Story’s Fortsetzung.

[106] Burnet, II. 79; Story’s Fortsetzung.

[107] „Sie behaupteten das Feld länger als sie es sonst gewohnt
waren,” sagt Burnet. „Sie benahmen sich wie Männer einer andren
Nation,” sagt Story. „Man hat nie gehört, daß die Irländer mit größerer
Entschlossenheit gekämpft hätten,” sagt die London Gazette.

[108] Story’s Fortsetzung; London Gazette vom 20. und 23. Juli 1691;
+Mémoires de Berwick; Life of James, II. 456; Burnet, II. 79; Macariae
Excidium; Light to the Blind;+ Brief aus dem englischen Lager an Sir
Arthur Rawdon in den +Rawdon Papers; History of William the Third,
1702.+

Die Erzählungen, auf die ich verwiesen habe, weichen sehr von einander
ab. Auch kann die Verschiedenheit nicht lediglich oder auch nur
hauptsächlich der Parteilichkeit zugeschrieben werden. Denn keine
anderen zwei Darstellungen weichen mehr von einander ab als die in
Jakob’s Leben und die in den Memoiren seines Sohnes.

Wahrscheinlich weil Saint-Ruth gefallen und D’Usson abwesend war,
findet sich im französischen Kriegsministerium keine Depesche, die
einen detaillirten Bericht von der Schlacht enthält.

[109] Story’s Fortsetzung.

[110] Story’s Fortsetzung; +Macariae Excidium; Life of James, II. 464+;
London Gazette vom 30. Juli und 17. Aug. 1691; +Light to the Blind+.

[111] Story’s Fortsetzung; +Macariae Excidium; Life of James, II. 459+;
London Gazette vom 30. Juli und 3. Aug. 1691.

[112] So äußerte er sich in einem von 5. (15.) August datirten Briefe
an Ludwig XIV. Dieser Brief, dessen Handschrift nicht leicht zu
entziffern ist, befindet sich im französischen Kriegsministerium.
+Macariae Excidium; Light to the Blind+.

[113] +Macariae Excidium; Life of James, II. 461, 462.+

[114] +Macariae Excidium; Life of James, II. 459, 462;+ London
Gazette vom 31. Aug. 1691; +Light to the Blind;+ D’Usson und Tessé an
Barbesieux vom 13. (23.) August.

[115] Story’s Fortsetzung; D’Usson und Tessé an Barbesieux, 15. (25.)
Aug. 1691. Ein ungedruckter Brief von Nagle an Lord Merion vom 15. Aug.
Dieser Brief wird von Mr. O’Callaghan in einer Note zum +Macariae
Excidium+ angeführt.

[116] +Macariae Excidium;+ Story’s Fortsetzung.

[117] Story’s Fortsetzung; London Gazette vom 28. Sept. 1691; +Life
of James II. 463; Diary of the Siege of Limerick, 1692; Light to the
Blind.+ In dem unter den Archiven des französischen Kriegsministerium
befindlichen Bericht über die Belagerung heißt es, daß die irische
Reiterei sich schlechter benommen habe als die Infanterie.

[118] Story’s Fortsetzung; +Macariae Excidium;+ R. Douglas an Sir
A. Rawdon, 28. Sept. 1691, in den +Rawdon Papers+; London Gazette
vom 8. Oct.: +Diary of the Siege of Lymerick; Light to the Blind;
Account of the Siege of Limerick+ in den Archiven des französischen
Kriegsministeriums.

Der Bericht von dieser Affaire in dem Leben Jakob’s, II. 464,
verdient bloß wegen seiner besondern Ungereimtheit erwähnt zu werden.
Der Verfasser erzählt uns, daß siebenhundert Irländer sich einige
Zeit gegen eine viel stärkere Truppenmacht hielten, und er spendet
ihrem Heldenmuthe warmes Lob. Er kannte jedoch einen Umstand, der
zum Verständniß der Sache sehr wesentlich ist, entweder gar nicht,
oder fand nicht für gut denselben zu erwähnen: daß nämlich diese
siebenhundert Mann sich in einem Fort befanden. Daß eine Besatzung ein
Fort einige Stunden gegen eine Uebermacht vertheidigte, ist sicherlich
nichts Wunderbares. Forts werden deshalb gebaut, weil sie von Wenigen
gegen Viele vertheidigt werden können.

[119] +Account of the Siege of Limerick+ in den Archiven des
französischen Kriegsministeriums; Story’s Fortsetzung.

[120] D’Usson an Barbesieux vom 4. (14.) Oct. 1691.

[121] +Macariae Excidium.+

[122] Story’s Fortsetzung; +Diary of the Siege of Lymerick.+

[123] London Gazette vom 8. Oct. 1691; Story’s Fortsetzung; +Diary of
the Siege of Lymerick.+

[124] +Life of James, 464. 465.+

[125] Story’s Fortsetzung.

[126] Story’s Fortsetzung; +Diary of the Siege of Lymerick+; London
Gazette vom 15. Oct. 1691.

[127] Die Artikel des Civilvertrags sind oft gedruckt worden.

[128] Story’s Fortsetzung; +Diary of the Siege of Lymerick.+

[129] Story’s Fortsetzung; +Diary of the Siege of Lymerick.+

[130] Story’s Fortsetzung. Seine Erzählung wird durch das Zeugniß
bestätigt, das ein anwesender irischer Hauptmann uns in schlechtem
Latein hinterlassen hat. +„Hic apud sacrum omnes advertizantur a
capellanis ire potius in Galliam.”+

[131] D’Usson und Tessé an Barbesieux, 7. (17.) Oct. 1691.

[132] Daß zwischen den Celten von Ulster und denen der südlichen
Provinzen geringe Sympathie herrschte, geht aus der interessanten
Denkschrift hervor, welche der Agent Baldearg O’Donnel’s Avaux übergab.

[133] Briefbuch des Schatzamts, 19. Juni 1696; Protokolle des irischen
Hauses der Gemeinen, 7. Nov. 1717.

[134] Dies erzähle ich auf Mr. O’Callaghan’s Autorität. +History of the
Irish Brigades.+ Anmerkung 47.

[135] „Es giebt,” schrieb Junius achtzig Jahre nach der Kapitulation
von Limerick, „eine gewisse Familie in diesem Lande, der die Natur eine
erbliche Characterschlechtigkeit verliehen zu haben scheint. Soweit man
ihre Geschichte kennt, hat der Sohn regelmäßig die Laster des Vaters
in verstärktem Grade besessen und hat Sorge getragen, sie rein und
unvermindert in die Brust seines Nachfolgers zu verpflanzen.” An einer
andren Stelle sagt er von dem Mitgliede für Middlesex: „Er hat selbst
dem Namen Luttrell Schande gemacht.” In Anspielung auf die Verbindung
des Herzogs von Cumberland mit Mrs. Horton, die eine geborne Luttrell
war, ruft er aus: „Das Parlament habe Acht darauf! Ein Luttrell darf
nie die Krone England’s erben.” Es ist gewiß, daß nur sehr wenige
Engländer Junius’ Abscheu vor den Luttrell getheilt, ja ihn nur
begriffen haben können. Warum brauchte er also Ausdrücke, welche der
großen Mehrzahl seiner Leser unverständlich gewesen sein müssen? Meine
Antwort darauf ist, daß Philipp Franz in der Nähe von Luttrellstown
geboren wurde und die ersten zehn Jahre seines Lebens dort zubrachte.

[136] Story’s Fortsetzung; London Gazette vom 22. Oct. 1691; D’Usson
und Tessé an Ludwig, 4. (14.) Oct., und an Barbesieux, 7. (17.) Oct.;
+Light to the Blind.+

[137] Story’s Fortsetzung; London Gazette, 4. Jan. 1691/92.

[138] Story’s Fortsetzung; +Macariae Excidium+ und Mr. O’Callaghan’s
Note; London Gazette vom 4. Jan. 1691/92.

[139] Einige interessante Facta in Bezug auf Wall, der Minister
Ferdinand’s +IV.+ und Karl’s +III.+ war, findet man in den in Coxe’s
+Memoirs of Spain+ veröffentlichten Briefen Sir Benjamin Keene’s und
Lord Bristol’s.

[140] Dies ist Swift’s Sprache, eine Sprache, die nicht ein Mal,
sondern zu wiederholten Malen und in langen Zwischenräumen geführt
worden ist. In dem 1708 geschriebenen +Letter on the Sacramental Test+
sagt er: „Wenn wir (die Geistlichkeit) die Papisten dieses Königreichs
ernstlich fürchteten, so würde man uns wohl kaum für so kurzsichtig
halten, daß wir nicht ebenso besorgt wären wie Andere, da wir doch
aller Wahrscheinlichkeit nach am meisten und unmittelbarsten von
ihnen zu leiden haben würden; aber im Gegentheil, wir halten sie für
ganz eben so unbedeutend wie Weiber und Kinder... Das gemeine Volk,
ohne Führer, ohne Disciplin und ohne natürlichen Muth, ist wenig
besser als Holzhauer und Wasserträger, und gänzlich unfähig, Unheil
anzurichten, wenn es auch noch so große Lust dazu hätte.” In dem 1724
geschriebenen +Drapier’s Sixth Letter+ sagt er: „Was die Bevölkerung
dieses Königreichs betrifft, so besteht sie entweder aus irischen
Papisten, welche im Punkte der Macht eben so bedeutungslos sind als
Frauen und Kinder, oder aus englischen Protestanten.” Ferner sagt er in
dem 1731 geschriebenen +Presbiterian’s Plea of Merit+: „Der Güter der
Papisten sind nur wenige, sie schmelzen zu kleinen Parcellen zusammen
und vermindern sich täglich; ihre niederen Volksklassen sind in Armuth,
Unwissenheit und Feigheit versunken und von eben so geringer Bedeutung
wie Frauen und Kinder. Ihr Adel und ihre Gentry sind mindestens zur
Hälfte ruinirt, verbannt oder bekehrt. Sie empfinden Alle schmerzlich
die Nachwehen von dem was sie im letzten irischen Kriege gelitten
haben. Einige von ihnen haben sich bereits ins Ausland begeben, Andere
sollen die Absicht haben, ihnen zu folgen, und ich glaube wer von den
Uebrigen noch etwas Grundeigenthum besitzt, ist fest entschlossen, es
nie wieder um der Befestigung ihres Aberglaubens willen aufs Spiel zu
setzen.”

Ich muß bemerken, daß Swift meines Wissens niemals in irgend einer
seiner Schriften das Wort Irländer anwendete, um eine in Irland
geborene Person angelsächsischen Stammes zu bezeichnen. Sich selbst
betrachtete er eben so wenig als einen Irländer, wie ein in Calcutta
geborener Engländer sich als einen Hindu betrachtet.

[141] Im Jahre 1749 war Lucas das Idol der Demokratie seiner Kaste.
Es ist interessant zu hören, wie Die, welche seiner Kaste nicht
angehörten, von ihm dachten. Eines der Pariahäupter, Karl O’Connor,
schrieb folgendermaßen: „Weder ich noch irgend Einer von unsrer
unglücklichen Bevölkerung hat ein Interesse an der Sache dieses
Lucas. Ein wahrer Patriot würde nicht eine solche Bosheit gegen so
unglückliche Sklaven wie wir gezeigt haben.” Er setzt nur zu wahr
hinzu, diese Prahler, die Whigs, hätten alle Freiheit für sich allein
haben wollen.

[142] In diesem Punkte war Johnson der liberalste Politiker seiner
Zeit. „Die Irländer,” sagt er mit großer Wärme, „befinden sich in
einem höchst unnatürlichen Zustande, denn wir sehen bei ihnen die
Minorität über die Majorität herrschen.” Ich vermuthe Alderman Beckford
und Alderman Sawbridge würden weit entfernt gewesen sein, mit ihm zu
sympathisiren. Karl O’Connor, dessen ungünstige Meinung von dem Whig
Lucas ich angeführt habe, zollt in der Vorrede zu seinen +Dissertations
on Irish History+ der Liberalität des Tory’s Johnson hohe Anerkennung.



Achtzehntes Kapitel.

Wilhelm und Marie.



Inhalt

                                                                   Seite
  Eröffnung des Parlaments                                             5
  Debatten über die Gehalte und Gebühren der Beamten                   6
  Acte zur Ausschließung der Papisten vom Staatsdienste in Irland      7
  Debatten über den ostindischen Handel                               10
  Debatten über die Bill zur Regulirung des Prozeßverfahrens in
    Hochverrathsfällen                                                24
  Complot Marlborough’s gegen die Regierung Wilhelm’s                 30
  Marlborough’s Complot durch die Jakobiten verrathen                 34
  Marlborough’s Ungnade                                               34
  Verschiedene Gerüchte über die Ursache von Marlborough’s Ungnade    34
  Bruch zwischen Marien und Anna                                      36
  Fuller’s Complot                                                    38
  Schluß der Session; Bill zur Feststellung der Gehalte der Richter
    verworfen                                                         44
  Ministerielle Veränderungen in England                              47
  Ministerielle Veränderungen in Schottland                           48
  Zustand der Hochlande                                               49
  Breadalbane beauftragt, mit den aufständischen Clans zu
    unterhandeln                                                      50
  Glencoe                                                             51
  Wilhelm begiebt sich auf den Continent                              68
  Louvois’ Tod                                                        68
  Die französische Regierung beschließt eine Expedition gegen
    England zu unternehmen                                            71
  Jakob glaubt, daß die englische Flotte freundschaftlich gegen ihn
    gesinnt sei                                                       71
  Verhalten Russell’s                                                 72
  Jakob wird eine Tochter geboren                                     73
  Anstalten zur Zurückweisung der Invasion in England                 74
  Jakob begiebt sich zu seiner Armee bei La Hogue                     74
  Jakob’s Erklärung                                                   75
  Eindruck der Erklärung Jakob’s                                      76
  Die englische und die holländische Flotte vereinigen sich           79
  Stimmung der englischen Flotte                                      79
  Schlacht bei La Hogue                                               80
  Freude in England                                                   84
  Young’s Complot                                                     86


[_Eröffnung des Parlaments._] Am 19. October 1691 kam Wilhelm aus den
Niederlanden wieder in Kensington an.[1] Drei Tage darauf eröffnete er
das Parlament. Der Stand der Dinge war im Ganzen erfreulich. Zu Lande
hatte es Gewinne und Verluste gegeben, der Vortheil aber war auf Seiten
England’s. Dem Falle von Mons konnte die Einnahme von Athlone, der Sieg
von Aghrim, die Uebergabe von Limerick und die Pacifirung Irland’s wohl
gegenübergestellt werden. Zur See war kein großer Sieg erfochten, wohl
aber eine große Streitmacht und Thätigkeit entfaltet worden, und wenn
auch Viele unzufrieden waren, weil nicht mehr geschehen sei, so konnte
doch Niemand in Abrede stellen, daß eine Veränderung zum Besseren
eingetreten war. Dem durch Torrington’s Schwächen und Fehler
herbeigeführten Verfall war wieder abgeholfen und die Flotte gut
ausgerüstet worden, es hatte reichliche und gesunde Rationen gegeben,
und in Folge dessen war der Gesundheitszustand der Mannschaften für die
damalige Zeit ganz vortrefflich gewesen. Russell, der die Seemacht der
Verbündeten befehligte, hatte den Franzosen vergebens eine Schlacht
angeboten. Die weiße Flagge, welche das Jahr vorher ungehindert von
Land’s End bis zur Meerenge von Dover im Kanale umhergesegelt war,
verließ jetzt, sobald unsere Mastspitzen in einer Entfernung von zwanzig
Meilen bemerkt wurden, die offene See und zog sich tief in den Hafen von
Brest zurück. Das Erscheinen eines englischen Geschwaders in der Mündung
des Shannon hatte das Schicksal der letzten Festung entschieden, die
sich noch für König Jakob behauptet, und eine auf vier Millionen Pfund
Sterling geschätzte Kauffahrteiflotte aus der Levante war durch
Gefahren, welche den Assecuradeurs in Lombard Street manche schlaflose
Nacht bereitet, glücklich in die Themse convoyirt worden.[2] Die Lords
und Gemeinen hörten mit Zeichen der Zufriedenheit eine Rede an, in der
der König sie wegen des Ausgangs des Kriegs in Irland beglückwünschte
und die zuversichtliche Erwartung aussprach, daß sie ihn auch fernerhin
bei dem Kriege mit Frankreich unterstützen würden. Er sagte ihnen, daß
die Ausrüstung einer großen Flotte nöthig sein werde, und daß
seiner Ansicht nach der Kampf zu Lande nicht mit weniger als
fünfundsechzigtausend Mann erfolgreich fortgeführt werden könne.[3]


[_Debatten über die Gehalte und Gebühren der Beamten._] Man dankte ihm
mit herzlichen Worten, die Streitmacht, die er verlangte, wurde
bewilligt und bedeutende Summen ohne erhebliche Schwierigkeit
zugestanden. Als aber die Mittel und Wege zur Sprache kamen, begannen
sich Symptome von Unzufriedenheit zu zeigen. Achtzehn Monate früher, als
die Gemeinen sich mit der Feststellung der Civilliste beschäftigten,
hatten viele Mitglieder eine sehr natürliche Geneigtheit, sich über den
Betrag der Gehalte und Gebühren der Beamten zu beklagen, an den Tag
gelegt. Heftige Reden waren gehalten, und, was bei weitem ungewöhnlicher
war, gedruckt worden; außerhalb der Parlamentsräume hatte große
Aufregung geherrscht, aber es war nichts geschehen. Der Gegenstand wurde
jetzt wieder aufgenommen. Ein Bericht der Commission, welche im
vorhergehenden Jahre zur Prüfung der öffentlichen Rechnungen ernannt
worden war, hatte einige Facta, welche Unwillen, und andere, welche
ernsten Verdacht erweckten, enthüllt. Das Haus schien fest entschlossen,
eine umfassende Reform vorzunehmen, und nur die Thorheit und Heftigkeit
der Reformers hatte eine solche Reform verhindern können. Es ist
allerdings nicht zu verwundern, daß sie aufgebracht waren. Die directen
und indirecten hohen Einkünfte der Staatsdiener mehrten sich in
ununterbrochener Progression, während der Verdienst jedes Andren sich
verringerte. Die Renten fielen, der Handel stockte, Jeder, der von dem
Nachlasse seiner Vorfahren oder von den Früchten seines Fleißes lebte,
mußte sich einschränken. Nur der Beamte wurde inmitten der allgemeinen
Noth wohlhabend. „Man sehe blos den Zollcontroleur,” riefen die
entrüsteten Squires. „Vor zehn Jahren ging er zu Fuß und wir fuhren.
Unser Einkommen hat sich verringert, sein Gehalt ist verdoppelt worden,
wir haben unsere Pferde verkauft, er hat sie gekauft, und jetzt gehen
wir zu Fuß und werden von dem Kothe seines Sechsgespanns bespritzt.”
Lowther versuchte es umsonst, sich gegen den Sturm zu erheben. Die
Landgentlemen, die ihn vor nicht langer Zeit noch als einen ihrer Führer
betrachtet hatten, liehen ihm eben kein geneigtes Ohr. Er hatte sie
verlassen und war ein Höfling geworden; er bekleidete zwei einträgliche
Stellen, eine im Schatzamt, die andre im Hofstaat, und hatte erst
kürzlich von des Königs eigner Hand ein Geschenk von zweitausend Guineen
erhalten.[4] Es schien ganz natürlich, daß er Mißbräuche vertheidigte,
von denen er Nutzen hatte. Die Schmähungen und Vorwürfe, mit denen er
überhäuft wurde, waren seinem reizbaren Character unerträglich. Er
verlor den Kopf, fiel fast ohnmächtig auf den Fußboden des
Parlamentshauses nieder und sprach davon, sich an einem andren Orte
Recht zu verschaffen.[5] Leider erhob sich bei dieser Gelegenheit kein
Mitglied, um darauf anzutragen, daß die bürgerlichen Anstalten des
Königreichs sorgfältig revidirt, daß Sinekuren abgeschafft, daß
exorbitante Diensteinkommen vermindert und daß es keinem Staatsdiener
unter irgend einem Vorwande gestattet sein solle, außer seiner bekannten
und gesetzlichen Renumeration etwas zu verlangen. Auf diesem Wege würde
es möglich gewesen sein, die öffentlichen Lasten zu vermindern und zu
gleicher Zeit die ersprießliche Thätigkeit in jedem Zweige der
Staatsverwaltung zu erhöhen. Unglücklicherweise aber ermangelten gerade
Diejenigen, die sich am lautesten über die herrschenden Mißbräuche
beklagten, gänzlich der zur Durchführung der Reform nöthigen
Eigenschaften. Am 12. December beantragte ein Thor, dessen Name nicht
auf uns gekommen ist, daß kein bei irgend einem Civilamte Angestellter,
den Sprecher, die Richter und die Gesandten ausgenommen, mehr als
fünfhundert Pfund Sterling jährlich erhalten solle, und dieser Antrag
ging nicht nur durch, sondern er wurde sogar ohne eine einzige
opponirende Stimme angenommen.[6] Diejenigen welche das meiste Interesse
hatten, sich demselben zu widersetzen, sahen ohne Zweifel ein, daß
Opposition in diesem Augenblicke die Majorität nur reizen würde, und
sparten sie daher für einen günstigeren Zeitpunkt auf. Dieser günstigere
Zeitpunkt kam auch bald. Kein verständiger Mann konnte, nachdem sein
Blut abgekühlt war, ohne Beschämung daran zurückdenken, daß er für einen
Beschluß gestimmt hatte, der keinen Unterschied machte zwischen Inhabern
von Sinekuren und fleißigen Staatsdienern, zwischen Schreibern, welche
nur Briefe copirten, und Ministern, von deren Einsicht und
Rechtschaffenheit das Geschick der Nation abhängen konnte. Der Gehalt
des Portiers beim Accisamte war durch einen skandalösen Schacher bis auf
fünfhundert Pfund jährlich getrieben worden. Er hätte auf funfzig Pfund
herabgesetzt werden müssen. Die Dienste eines Staatssekretärs dagegen,
der seinen Posten gut ausfüllte, würden mit fünftausend Pfund wohlfeil
bezahlt gewesen sein. Wäre der Beschluß der Gemeinen zur Ausführung
gekommen, so würde sowohl der Gehalt, der nicht funfzig Pfund hätte
übersteigen sollen, wie der, welcher nicht unangemessen fünftausend
Pfund hätte betragen können, auf fünfhundert Pfund normirt worden sein.
Ein solcher Unsinn mußte auch dem rohesten und einfältigsten Fuchsjäger
im Parlamente empören. Es trat eine Reaction ein, und als nach einem
Zeitraum von wenigen Wochen vorgeschlagen wurde, in eine
Steuerbewilligungsbill eine mit dem Beschlusse vom 12. December
übereinstimmende Klausel aufzunehmen, waren die verneinenden Stimmen
sehr laut; der Sprecher war der Meinung, daß sie überwiegend seien, die
bejahenden Stimmen wagten es nicht, seine Ansicht zu bestreiten, der
unsinnige Plan, der ohne Abstimmung gutgeheißen worden war, wurde ohne
Abstimmung verworfen und der Gegenstand kam nicht wieder zur Sprache. So
wurde der Fortbestand eines Mißbrauchs, der so skandalös war, daß selbst
keiner von Denen, welche Vortheil von demselben hatten, ihn zu
vertheidigen wagte, lediglich durch die Verkehrtheit und Maßlosigkeit
Derer, die ihn angriffen, gesichert.[7]


[_Acte zur Ausschließung der Papisten vom Staatsdienste in Irland._]
Nicht lange nach Eröffnung der Session wurde der Vertrag von Limerick
Gegenstand einer ernsten Berathung. Die Gemeinen schickten in Ausübung
der höchsten Gewalt, welche die Legislatur über alle Pertinenzien
England’s ausübte, den Lords eine Bill zu, welche bestimmte, daß
Niemand im irischen Parlament sitzen, in Irland ein bürgerliches,
militärisches oder geistliches Amt bekleiden oder juristische oder
ärztliche Praxis ausüben solle, bevor er nicht den Huldigungs- und den
Suprematseid geleistet und die Erklärung gegen die Transsubstantiation
unterschrieben habe. Die Lords waren eben so wenig geneigt wie
die Gemeinen, die Irländer zu begünstigen. Kein Peer hatte Lust,
römischen Katholiken politische Gewalt zu übertragen. Es scheint
sogar, als ob kein Peer gegen das Prinzip der albernen und grausamen
Verordnung, welche die Katholiken von den freien Künsten ausschloß,
etwas einzuwenden gehabt hätte. Man glaubte aber daß diese Vorschrift,
wenn auch im Prinzip unverwerflich, ein Bruch eines positiven
Uebereinkommens sein würde, wenn man sie ohne Ausnahmen anwendete. Ihre
Lordschaften ließen den Vertrag von Limerick kommen, ließen ihn sich
vorlesen und erwogen dann, ob das von dem Unterhause entworfene Gesetz
sich mit den von der Regierung eingegangenen Verpflichtungen vertrug.
Ein Mißklang wurde bemerkt. Es war durch den zweiten Civilartikel
festgesetzt, daß es Jedem, der gegenwärtig in einer von einer irischen
Garnison besetzten Festung wohnte, wenn er den Huldigungseid leistete,
gestattet sein solle, dem Berufe wieder nachzugehen, den er vor der
Revolution ausgeübt hatte. Es würde nun ohne alle Widerrede eine
Verletzung dieses Uebereinkommens gewesen sein, hätte man von einem
Advokaten oder Arzt, der während der Belagerung innerhalb der Mauern
von Limerick gewohnt, verlangen wollen, daß er den Suprematseid
leiste und die Erklärung gegen die Transsubstantiation unterschreibe,
bevor er Gebühren annehmen dürfe. Holt wurde zu Rathe gezogen und mit
der Abfassung von Klauseln beauftragt, welche den Bestimmungen der
Kapitulation entsprachen.

Die solchergestalt von Holt abgeänderte Bill wurde den Gemeinen wieder
zugesandt. Sie verwarfen zuerst das Amendement und verlangten eine
Conferenz, die ihnen bewilligt wurde. Rochester überreichte im gemalten
Zimmer den Führern des Unterhauses eine Abschrift des Vertrags von
Limerick und stellte ihnen mit ernsten Worten vor, wie wichtig es sei,
das öffentliche Vertrauen ungeschmälert zu erhalten. Dies war eine
Aufforderung, gegen die kein rechtschaffener Mann, mochte er auch von
nationalem und religiösem Hasse erfüllt sein, sich auflehnen konnte. Die
Gemeinen zogen den Gegenstand nochmals in Erwägung und nachdem sie die
Verlesung des Vertrags angehört, traten sie den Vorschlägen der Lords
mit einigen unbedeutenden Modificationen bei.[8]

Die Bill wurde zum Gesetz erhoben. Sie erregte damals nur wenig
Aufmerksamkeit; nach Verlauf mehrerer Menschenalter aber wurde sie der
Gegenstand einer sehr heftigen Polemik. Viele von uns können sich noch
sehr gut erinnern, wie stark die öffentliche Meinung in den Tagen
Georg’s III. und Georg’s IV. durch die Frage aufgeregt wurde, ob
Katholiken ein Sitz im Parlament gestattet sein solle. Es darf
bezweifelt werden, ob irgend ein andrer Streit ärgere Verdrehungen der
Geschichte veranlaßt hat. Die ganze Vergangenheit wurde um der Gegenwart
willen falsch dargestellt. Alle großen Ereignisse dreier Jahrhunderte
erschienen uns lange entstellt und entfärbt durch einen aus unseren
eigenen Theorien und unseren eigenen Leidenschaften entsprungenen Nebel.
Einige Freunde der Religionsfreiheit, nicht zufrieden mit dem Vortheile,
den sie im ehrlichen Kampfe mit den Waffen der Vernunft besaßen,
schwächten ihre Sache, indem sie behaupteten, daß das Gesetz, welches
die irischen Katholiken vom Parlamente ausschloß, mit dem Civilvertrag
von Limerick in Widerspruch stehe. Der erste Artikel dieses Vertrags,
sagte man, garantire dem irischen Katholiken diejenigen Privilegien in
der Ausübung seiner Religion, die er zur Zeit Karl’s II. genossen hatte.
Zur Zeit Karl’s II. schloß kein Test die Katholiken vom irischen
Parlamente aus. Ein solcher Test, argumentirte man, könne daher nicht
ohne einen öffentlichen Wortbruch vorgeschrieben werden. Besonders im
Jahre 1828 wurde dieses Argument im Hause der Gemeinen geltend gemacht,
als ob es die Hauptstütze einer Sache gewesen wäre, die keiner solchen
Stütze bedurfte. Die Vorkämpfer des protestantischen Uebergewichts sahen
mit Vergnügen, daß die Debatte von einer politischen Frage, in der sie
Unrecht hatten, auf eine historische Frage überging, in der sie Recht
hatten. Es wurde ihnen nicht schwer zu beweisen, daß der erste Artikel,
wie ihn alle contrahirenden Theile verstanden, nur bedeutete, daß der
katholische Gottesdienst wie in früherer Zeit geduldet werden solle.
Dieser Artikel war von Ginkell entworfen und unmittelbar vorher, ehe er
ihn entwarf, hatte er erklärt, er werde lieber das Glück der Waffen
versuchen als seine Einwilligung dazu geben, daß irische Papisten fähig
sein sollten, Civil- und Militärämter zu bekleiden, die freien Künste
auszuüben und Mitglieder von Municipalkörpern zu werden. Wie kann man
glauben, daß er aus eigenem Antriebe versprochen haben würde, das Haus
der Lords und der Gemeinen solle Männern offen stehen, denen er keine
Kürschner- über Corduanmacherinnung öffnen wollte? Wie kann man ferner
glauben, daß die englischen Peers, während sie die gewissenhafteste
Achtung vor dem öffentlichen Worte erklärten, während sie den Gemeinen
die Pflicht einschärften, das öffentliche Wort zu halten, während sie
sich mit den gelehrtesten und rechtschaffensten Juristen des
Jahrhunderts über die beste Art und Weise der Aufrechthaltung des
öffentlichen Worts beriethen, eine offenbare Verletzung des öffentlichen
Worts begangen haben und kein einziger Lord so ehrlich oder so factiös
gewesen sein sollte, gegen einen durch Heuchelei noch verschlimmerten
Act monströser Perfidie zu protestiren? Oder wenn wir dies glauben
könnten, wie können wir glauben, daß sich in keinem Theile der Welt eine
Stimme gegen solche Schändlichkeit erhoben, daß der Hof von
Saint-Germains und der Hof von Versailles dazu geschwiegen haben, daß
kein irischer Verbannter, kein englischer Mißvergnügter darüber gemurrt
haben sollte, daß sich in dem ganzen Bereich der jakobitischen Literatur
kein schmähendes oder spöttelndes Wort über einen so lockenden
Gegenstand gefunden und daß es den Politikern des 19. Jahrhunderts
vorbehalten gewesen sein sollte, dahinter zu kommen, daß ein im
17. Jahrhundert geschlossener Vertrag wenige Wochen nach seiner
Unterzeichnung im Angesicht von ganz Europa in frecher Weise verletzt
worden war?[9]


[_Debatten über den ostindischen Handel._] An dem nämlichen Tage, an
welchem die Gemeinen zum ersten Male die Bill verlasen, welche Irland
der unumschränkten Herrschaft der protestantischen Minorität unterwarf,
zogen sie einen andren hochwichtigen Gegenstand in Erwägung. Im ganzen
Lande, besonders aber in der Hauptstadt, in den Seehäfen und in den
Fabrikstädten waren die Gemüther in gewaltiger Aufregung wegen des
Handels mit Ostindien, ein heftiger Federkrieg wüthete seit einiger
Zeit, und es waren mehrere constitutionelle und commercielle Fragen
angeregt worden, welche die Legislatur allein entscheiden konnte.

Es ist oft wiederholt worden und darf nie vergessen werden, daß unsre
Staatsverfassung weit verschieden ist von denjenigen Staatsverfassungen,
welche während der letzten achtzig Jahre methodisch construirt, in
Artikel abgetheilt und durch constituirende Versammlungen bestätigt
worden sind. Sie entstand in einem rohen Zeitalter und ist in kein
formelles Instrument vollständig zusammengefaßt. Auf der ganzen Linie,
welche die Functionen des Fürsten von denen des Gesetzgebers scheidet,
fand sich lange ein streitiges Gebiet. Es wurden fortwährend Uebergriffe
begangen, und wenn sie nicht zu frech waren, wurden sie oft geduldet.
Einen Eingriff, als solchen, ließ man gewöhnlich ungeahndet hingehen.
Nur wenn ein solcher Eingriff einen positiven Nachtheil verursachte,
machte der beeinträchtigte Theil sein Recht geltend und verlangte, daß
die Grenze genau bezeichnet und die Grenzmarken fortan streng respectirt
werden sollten.

Viele von den Punkten, welche zwischen unseren Souverainen und ihren
Parlamenten die heftigsten Zwiespalte veranlaßt hatten, waren durch die
Rechtsbill endlich festgestellt worden. Eine Frage aber, die kaum minder
wichtig war als irgend eine von denen, welche für immer geordnet worden,
war noch unentschieden. Diese Frage war in der That, soweit es sich
jetzt noch ermitteln läßt, in der Convention nie auch nur erwähnt
worden. Der König besaß nach den alten Gesetzen des Reichs unbestreitbar
ausgedehnte Befugnisse zur Regulirung des Handels; allein es würde auch
dem geschicktesten Richter schwer geworden sein, die genaue Grenze
dieser Befugnisse zu bestimmen. Es war allgemein anerkannt, daß der
König das Recht hatte, Gewichte und Maße vorzuschreiben und Geld zu
schlagen, daß keine Messe und kein Jahrmarkt ohne seine Erlaubniß
gehalten werden durfte, daß kein Schiff in einer Bucht oder Flußmündung,
die er nicht für einen Hafen erklärt hatte, gelöscht werden konnte.
Außer diesem unbestrittenen Rechte, gewissen Plätzen specielle
Handelsvorrechte zu gewähren, beanspruchte er lange auch das Recht
besonderen Gesellschaften und besonderen Individuen specielle
Handelsvorrechte zu bewilligen, und unsere Vorfahren hielten es, wie
gewöhnlich, nicht der Mühe werth, dieses Recht zu bestreiten, bis es
ernste Nachtheile herbeiführte. Endlich, unter der Regierung
Elisabeth’s, begann die Befugniß, Monopole zu creiren, gröblich
gemißbraucht zu werden, und sobald sie gemißbraucht zu werden begann,
fing sie auch an, in Zweifel gezogen zu werden. Die Königin vermied es
wohlweislich, sich mit einem Hause der Gemeinen zu überwerfen, das die
ganze Nation zur Stütze hatte. Sie gestand offen zu, daß Grund zur Klage
sei, cassirte die Patente, welche den öffentlichen Unwillen erregt
hatten, und ihr Volk, erfreut über dieses Zugeständniß und über die
Bereitwilligkeit, mit der es gemacht wurde, verlangte von ihr keine
ausdrückliche Verzichtleistung auf die bestrittene Prärogative.

Die durch ihre Weisheit beschwichtigte Unzufriedenheit wurde durch die
unehrliche und kleinmüthige Politik, die ihr Nachfolger Regierungskunst
nannte, wieder hervorgerufen. Er gewährte bereitwillig drückende
Monopole, und wenn er des Beistandes seines Parlaments bedurfte,
annullirte er sie eben so bereitwillig. Sobald das Parlament seine
Session geschlossen hatte, wurde das große Siegel noch gehässigeren
Dokumenten angehängt als die, welche er kurz zuvor cassirt hatte.
Endlich beschloß das vortreffliche Haus der Gemeinen, welches im Jahre
1623 zusammentrat, ein kräftiges Heilmittel gegen das Uebel anzuwenden.
Der König mußte ein Gesetz genehmigen, welches die durch königliche
Autorität geschaffenen Monopole für null und nichtig erklärte. Es wurden
indessen einige Ausnahmen gemacht, die aber leider nicht genau genug
bezeichnet waren. Es war insbesondere bestimmt, daß jede Gesellschaft
von Kaufleuten, die sich zu dem Zwecke constituirt hatte, irgend einen
Handel zu betreiben, alle ihre legalen Privilegien behalten sollte.[10]
Die Frage, ob ein einer solchen Gesellschaft von der Krone ertheiltes
Monopol ein legales Privilegium sei oder nicht, war unentschieden
gelassen und beschäftigte noch viele Jahre lang den Scharfsinn der
Juristen.[11] Die Nation jedoch, welche mit einem Male von einer Menge
Auflagen und Plackereien befreit war, die in jeder Familie täglich hart
empfunden worden, war nicht in der Stimmung, die Gültigkeit der Patente
zu bestreiten, kraft deren einige Gesellschaften in London mit
entfernten Welttheilen Handel trieben.

Die bei weitem wichtigste von diesen Compagnien war diejenige, die am
letzten Tage des 16. Jahrhunderts von der Königin Elisabeth unter dem
Namen +Governor and Company of Merchants of London trading to the East
Indies+ incorporirt worden war. Als diese berühmte Gesellschaft ihre
Thätigkeit begann, stand die Macht und der Ruhm der Mogulmonarchie im
Zenith. Akbar, der talentvollste und beste aller Fürsten des Hauses
Tamerlan, war so eben hoch an Jahren und reich an Ehren in ein Mausoleum
getragen worden, welches an Pracht jedes andre übertraf, das Europa
aufzuweisen hatte. Er hatte seinen Nachfolgern ein Reich hinterlassen,
welches mehr als zwanzigmal soviel Einwohner zählte und mehr als
zwanzigmal soviel Revenuen abwarf als das England, das unter unsrer
großen Königin eine der ersten Stellen unter den europäischen Mächten
einnahm. Es ist merkwürdig und interessant, wie wenig die beiden Länder,
welche dazu bestimmt waren, dereinst so eng mit einander verbunden zu
werden, damals von einander wußten. Die gebildetsten Engländer
betrachteten Ostindien mit unwissender Bewunderung, und die gebildetsten
Eingebornen Ostindien’s wußten kaum, daß England existirte. Unsere
Vorfahren hatten nur eine dunkle Ahnung von unermeßlichen Bazars, die
von Verkäufern und Käufern wimmelten und von Goldstoffen, bunten
Seidengeweben und Edelsteinen glänzten; von Schatzkammern, in denen
Haufen von Diamanten und Berge von Zechinen aufgeschichtet lagen; von
Palästen, im Vergleich zu denen Whitehall und Hampton Court bloße Hütten
waren; von Armeen, zehnmal so groß wie die, welche sie bei Tilbury
versammelt gesehen hatten, um die Armada zurückzuschlagen. Auf der
andren Seite wußte wahrscheinlich keiner der Staatsmänner im Durbar von
Agra, daß es nahe bei der untergehenden Sonne eine große Stadt von
Ungläubigen, Namens London gab, wo eine Frau regierte, und daß diese
Frau einer Gesellschaft fränkischer Kaufleute das ausschließliche
Privilegium ertheilt hatte, Schiffe aus ihren Landen nach den indischen
Gewässern zu befrachten. Daß diese Gesellschaft dereinst ganz Indien vom
Ocean bis zur Region des ewigen Schnees beherrschen, große Provinzen,
die sich niemals der Autorität Akbar’s unterworfen, zum unbedingten
Gehorsam zwingen, Gouverneurs absenden, um in seiner Hauptstadt zu
präsidiren, und seinem Erben ein Monatsgeld aussetzen würde: das würde
damals auch der klügste europäische wie orientalische Staatsmann für
eben so unmöglich gehalten haben, als daß Bewohner unsres Erdballs auf
der Venus oder dem Jupiter ein Reich gründen könnten.

Drei Generationen gingen vorüber, und noch ließ nichts vermuthen, daß
die Ostindische Compagnie jemals ein großer asiatischer Potentat werden
würde. Obgleich das mongolische Reich durch innere Ursachen des Verfalls
unterminirt war und seinem Sturze entgegenwankte, bot es entfernten
Nationen noch immer den Anschein unverminderten Gedeihens und
ungeschwächter Kraft dar. Aurengzeb, der sich in dem nämlichen Monate,
in welchem Oliver Cromwell starb, den stolzen Titel Eroberer der Welt
beilegte, fuhr fort zu regieren, bis Anna schon längst auf dem
englischen Throne saß. Er beherrschte ein größeres Gebiet, als irgend
einem seiner Vorgänger unterthan gewesen war. Sein Name stand selbst in
den fernsten Gegenden des Westens in hohem Ansehen. Bei uns in England
hatte Dryden ihn zum Helden eines Trauerspiels gemacht, das allein schon
hinreichen würde zu beweisen, wie wenig die Engländer jener Zeit von dem
großen Reiche wußten, das ihre Enkel erobern und regieren sollten. Die
muselmännischen Prinzen des Dichters erklären ihre Liebe im Style
Amadis’, predigen über Sokrates’ Tod und schmücken ihre Reden mit
Anspielungen auf die mythologischen Geschichten Ovid’s aus. Die
Braminische Seelenwanderung wird als ein Artikel des muselmännischen
Glaubens dargestellt, und die muselmännischen Sultaninnen verbrennen
sich mit ihren Gatten nach braminischer Sitte. Dieses Drama, dem einst
gedrängt volle Häuser rauschenden Beifall zollten und das elegante
Herren und Damen auswendig konnten, ist jetzt vergessen. Nur eine Stelle
lebt noch und wird von Tausenden wiederholt, die nicht wissen, woher sie
rührt.[12]

Obgleich noch nichts die hohe politische Bestimmung der Ostindischen
Compagnie andeutete, genoß sie doch schon eines großen Ansehens in der
City von London. Die Comptoirs, welche nur einen sehr kleinen Theil des
Raumes einnahmen, den die gegenwärtigen Lokalitäten bedecken, waren den
Verheerungen des Feuers entgangen. Das damalige India House war ein mit
dem kunstvollen Schnitz- und Gitterwerk des Zeitalters der Königin
Elisabeth reich verziertes Gebäude von Holz und Mörtel. Ueber den
Fenstern war ein Gemälde angebracht, welches eine sich auf den Wogen
schaukelnde Flotte von Kauffahrern darstellte. Ueber das ganze Gebäude
ragte ein colossaler hölzerner Seemann empor, der zwischen zwei
Delphinen auf das Menschengewühl von Leadenhall Street herabsah.[13] In
diesem Hause, zwar eng und bescheiden im Vergleich zu dem weiten
Labyrinth von Gängen und Zimmern, das jetzt denselben Namen trägt,
erfreute sich die Gesellschaft während des größeren Theils der Regierung
Karl’s II. eines Gedeihens, für welches die Geschichte des Handels kaum
eine Parallele darbietet und das die Bewunderung, die Habsucht und den
neidischen Haß der ganzen Hauptstadt erregte. Wohlstand und Luxus waren
damals im raschen Wachsthum begriffen. Die Gewürze, Gewebe und Juwelen
des Orients kamen mit jedem Tage mehr und mehr in Aufnahme. Der Thee,
der zu der Zeit als Monk die schottische Armee nach London brachte, als
eine große Rarität aus China angestaunt und nur mit den Lippen berührt
wurde, war acht Jahre später ein regelmäßiger Einfuhrartikel und wurde
bald in solchen Massen consumirt, daß die Finanzmänner ihn als einen zur
Besteuerung geeigneten Gegenstand betrachteten. Die Fortschritte in der
Kriegskunst hatten eine beispiellose Nachfrage nach den Ingredienzen
erzeugt, aus denen das Schießpulver bereitet wird. Man berechnete, daß
ganz Europa in einem Jahre kaum soviel Salpeter erzeugen würde, als die
Belagerung einer nach Vauban’s Grundsätzen erbauten Festung
erforderte.[14] Ohne die Einfuhr aus Ostindien, sagte man, würde die
englische Regierung nicht im Stande sein, eine Flotte auszurüsten, wenn
sie nicht die Keller London’s aufgraben wollte, um die Salpetertheilchen
von den Wänden zu sammeln.[15] Vor der Restauration hatte kaum ein
Schiff aus der Themse je das Delta des Ganges besucht. Während der
ersten dreiundzwanzig Jahre nach der Restauration stieg der Werth der
Einfuhr aus diesem reichen und dichtbevölkerten Landstriche von
achttausend auf dreimalhunderttausend Pfund.

Der Gewinn der Gesellschaft, die sich im ausschließlichen Besitz dieses
rasch emporblühenden Handels befand, war fast unglaublich. Das wirklich
eingezahlte Kapital überstieg nicht dreihundertsiebzigtausend Pfund;
aber die Compagnie erhielt ohne Schwierigkeit Geld zu sechs Procent
geliehen und dieses geliehene Geld trug, im Handel angelegt, angeblich
dreißig Procent. Der Gewinn war so groß, daß im Jahre 1676 jeder
Actieninhaber als Dividende eine gleiche Anzahl Actien erhielt als er
bereits besaß. Das so verdoppelte Kapital warf in den nächsten fünf
Jahren eine jährliche Dividende von durchschnittlich zwanzig Procent ab.
Es hatte eine Zeit gegeben, wo man hundert Pfund des Actienkapitals für
sechzig Pfund kaufen konnte, und noch im Jahre 1664 war der Marktpreis
nur siebzig Pfund. Aber schon im Jahre 1677 war der Cours auf
zweihundertfünfundvierzig gestiegen, im Jahre 1681 betrug er
dreihundert; später stieg er auf dreihundertsechzig und es sollen
Verkäufe zu fünfhundert abgeschlossen worden sein.[16]

Der enorme Ertrag des ostindischen Handels würde vielleicht wenig
Murren erregt haben, wenn er sich auf zahlreiche Actionäre vertheilt
hätte. Aber während der Werth der Actien fortdauernd stieg, verminderte
sich die Zahl der Actieninhaber. Zu der Zeit, wo die Compagnie in der
höchsten Blüthe stand, war die Leitung derselben gänzlich in den Händen
einiger weniger Kaufleute von enormem Reichthum. Ein Actionär hatte
damals für jede fünfhundert Pfund Actien, die auf seinen Namen lauteten,
eine Stimme. In damaligen Flugschriften wird behauptet, daß fünf
Personen ein Sechstel und vierzehn Personen ein Drittel der Stimmen
besaßen.[17] Von mehr als einem glücklichen Spekulanten sagte man, daß
er ein jährliches Einkommen von zehntausend Pfund aus dem Monopol
beziehe, und einen reichen Mann kannte man an der Börse, der sich durch
umsichtige oder glückliche Actienkäufe in nicht langer Zeit ein Vermögen
von zwanzigtausend Pfund jährlicher Einkünfte erworben haben sollte.
Dieser Handelsfürst, der es in Reichthum und in dem Einflusse, den der
Reichthum giebt, mit den reichsten Edelleuten seiner Zeit aufnahm, war
Sir Josias Child. Es gab Leute, die ihn als Lehrling gekannt hatten, wie
er ein Comptoir der City fegte. Aber seine Talente hatten ihn aus einer
bescheidenen Stellung bald zu Wohlstand, Macht und Ruhm emporgehoben.
Zur Zeit der Restauration genoß er in der Handelswelt eines hohen
Ansehens. Bald nach diesem Ereignisse veröffentlichte er seine Ideen
über die Philosophie des Handels. Seine Ansichten waren nicht immer
richtig, aber sie waren die eines scharfsinnigen und denkenden Mannes.
In welche Irrthümer er aber als Theoretiker auch hier und da verfallen
sein mag, soviel ist gewiß, daß er als praktischer Geschäftsmann wenige
seines Gleichen hatte. Fast unmittelbar nachdem er Mitglied des Comites
geworden war, das die Angelegenheiten der Compagnie leitete, machte sich
sein Einfluß fühlbar. Bald waren viele der wichtigsten Posten in
Leadenhall Street wie in den Factoreien von Bombay und Bengalen mit
seinen Verwandten und Creaturen besetzt. Sein Reichthum vermehrte sich
fort und fort, obgleich er ihn mit prunkender Verschwendung ausgab. Er
erhielt den Baronetstitel, kaufte sich einen prächtigen Landsitz in
Wanstead und verwendete dort ungeheure Summen auf die Anlage von
Fischteichen und auf die Bepflanzung ganzer Quadratmeilen unbebauten
Landes mit Wallnußbäumen. Er verheirathete seine Tochter an den ältesten
Sohn des Herzogs von Beaufort und gab ihr funfzigtausend Pfund als
Mitgift.[18]

Dieses wunderbare Glück blieb jedoch nicht ungestört. Gegen das Ende der
Regierung Karl’s II. begann die Compagnie von außen heftig angegriffen
und gleichzeitig durch innere Spaltungen zerrissen zu werden. Der Gewinn
des Handels mit Ostindien war so verführerisch, daß Privatspekulanten
schon öfters, dem königlichen Monopole trotzend, Schiffe für die
östlichen Meere ausgerüstet hatten. Doch erst im Jahre 1680 wurde die
Concurrenz dieser Unberufenen wirklich gefährlich. Die Nation war damals
durch den Streit über die Ausschließungsbill heftig aufgeregt.
Aengstliche Gemüther sahen einen neuen Bürgerkrieg im Anzuge. Die beiden
großen Parteien, seit kurzem Whigs und Tories genannt, bekämpften sich
heftig in jeder englischen Stadt und Grafschaft, und die Fehde
verbreitete sich bald in jeden Winkel der civilisirten Welt, wo
Engländer zu finden waren.

Die Compagnie galt allgemein für eine whiggistische Körperschaft. Unter
den Mitgliedern des Directorialausschusses befanden sich einige der
heftigsten Exclusionisten der City. Zwei davon, Sir Samuel Barnardistone
und Thomas Papillon, zogen sich sogar durch ihren Eifer gegen Papismus
und Willkürherrschaft eine strenge gerichtliche Verfolgung zu.[19] Child
war ursprünglich durch diese beiden Männer in das Directorium gebracht
worden, er hatte lange im Einklange mit ihnen gehandelt und man glaubte,
daß er ihre politischen Ansichten theile. Seit vielen Jahren stand er
bei den Oberhäuptern der politischen Opposition in hoher Achtung und
hatte besonders dem Herzoge von York geschadet.[20] Die ostindischen
Schleichhändler beschlossen daher, den Character loyaler Unterthanen zu
affectiren, die sich vorgenommen, dem Throne gegen die übermüthigen
Tribunen der City beizustehen. Sie verbreiteten in allen Factoreien des
Orients das Gerücht, daß in England große Verwirrung herrsche, daß es
zum Kampfe gekommen sei oder ehestens dazu kommen werde und daß die
Compagnie mit dem Beispiele der Auflehnung gegen die Krone vorangehe.
Diese im Grunde nicht unwahrscheinlichen Gerüchte fanden leicht Glauben
bei Leuten, welche durch eine damals noch zwölfmonatliche Reise von
London getrennt waren. Einige Diener der Compagnie, die mit ihren
Vorgesetzten nicht zufrieden waren, und andere, welche eifrige
Royalisten waren, schlossen sich den Privathändlern an. In Bombay
erklärten die Besatzung und die große Masse der englischen Einwohner,
daß sie fernerhin Niemandem gehorchen würden, der nicht dem Könige
gehorchte, sie warfen den Gouverneur ins Gefängniß und kündigten an, daß
sie die Insel im Namen der Krone behaupteten. In St. Helena gab es einen
Aufstand. Die Insurgenten nannten sich die Leute des Königs und
entfalteten das königliche Banner. Sie wurden nicht ohne Mühe
niedergeworfen und einige von ihnen kriegsrechtlich hingerichtet.[21]

Wäre die Compagnie noch eine whiggistische Gesellschaft gewesen, als
die Nachricht von diesen Unruhen in England ankam, so würde die
Regierung das Verfahren der Empörer wahrscheinlich gebilligt und der
Freibrief, von welchem das Monopol abhing, das Schicksal gehabt haben,
das um dieselbe Zeit so viele Freibriefe traf. Aber während die
Privatkaufleute in einer Entfernung von mehreren tausend Meilen im Namen
des Königs die Compagnie bekriegten, hatte sich die Compagnie mit dem
Könige ausgesöhnt. Als das Oxforder Parlament aufgelöst worden war, als
viele Zeichen andeuteten, daß eine starke Reaction zu Gunsten der
Prärogative bevorstehe, als alle Corporationen, die sich das Mißfallen
des Königs zugezogen, für ihre Gerechtsame zu zittern begannen, fand im
Ostindischen Hause eine vollständige Umwälzung statt. Child, der damals
Gouverneur oder nach der neueren Ausdrucksweise Vorsitzender war,
trennte sich von seinen alten Freunden, entfernte sie aus dem
Directorium und schloß einen Friedens- und innigen Allianzvertrag mit
dem Hofe.[22] Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die nahe
Verwandtschaft, in die er so eben mit dem vornehmen toryistischen Hause
Beaufort getreten, einigen Antheil an diesem Wechsel seiner politischen
Gesinnung hatte. Papillon, Barnardistone und ihre Anhänger verkauften
ihre Actien; ihre Stellen im Ausschusse wurden mit ergebenen Freunden
Child’s besetzt, und er war von nun an der Autokrat der Compagnie. Er
verfügte unumschränkt über die Gelder der Compagnie und die wichtigsten
Papiere wurden nicht im Archive des Comptoirs in Leadenhall Street,
sondern in seinem Pulte in Wanstead aufbewahrt. Die unbegrenzte Gewalt,
die er im Ostindischen Hause ausübte, setzte ihn in den Stand, ein
Günstling in Whitehall zu werden, und die Gunst, die er in Whitehall
genoß, befestigte seine Macht im Ostindischen Hause. Ein Geschenk von
zehntausend Guineen geruhte Karl huldreichst von ihm anzunehmen. Weitere
zehntausend Pfund wurden von Jakob angenommen, der sich bereitwillig
herbeiließ, Actieninhaber zu werden. Alle die bei Hofe nützen oder
schaden konnten, Minister, Maitressen und Priester, wurden durch
Geschenke von Shawls und Seidenstoffen, Vogelnestern und Rosenöl,
Beuteln voll Diamanten und Säcken voll Guineen bei guter Stimmung
erhalten.[23] Ueber die Ausgaben des Dictators verlangten seine Collegen
keine Rechenschaft und er scheint das Vertrauen, das sie in ihn setzten,
wirklich verdient zu haben. Seine mit wohlangebrachter Freigebigkeit
gespendeten Geschenke trugen bald reiche Früchte. Gerade als der Hof
allmächtig im Staate wurde, wurde er allmächtig am Hofe. Jeffreys fällte
ein Erkenntniß zu Gunsten des Monopols und der stärksten Acte, welche
zum Schutze des Monopols erlassen worden waren. Jakob ließ sein Siegel
unter einen neuen Freibrief drücken, der alle der Compagnie von seinen
Vorgängern ertheilten Privilegien bestätigte und erweiterte. Alle
Kapitaine von Ostindienfahrern erhielten Patente von der Krone und
bekamen Erlaubniß, die königliche Flagge aufzuziehen.[24] Johann Child,
Sir Josias’ Bruder und Gouverneur von Bombay, wurde unter dem Namen Sir
John Child of Surat zum Baronet ernannt, zum Oberbefehlshaber aller
englischen Streitkräfte im Orient erklärt und ermächtigt, den Titel
Excellenz zu führen. Die Compagnie auf der andren Seite zeichnete sich
unter vielen servilen Corporationen durch willfährige Ergebenheit gegen
den Thron aus und ging allen Kaufleuten des Königreichs mit dem
Beispiele der bereitwilligen und selbst freudigen Bezahlung der Zölle
voran, welche Jakob zu Anfang seiner Regierung ohne Erlaubniß des
Parlaments auflegte.[25]

Es schien, daß der ostindische Privathandel jetzt gänzlich
unterdrückt und daß das durch die ganze Stärke der königlichen
Prärogative beschützte Monopol gewinnbringender als je sein würde.
Unglücklicherweise aber entspann sich gerade in diesem Augenblicke
ein Streit zwischen den Agenten der Compagnie in Indien und der
Regierung des Großmoguls. Die Frage, auf welcher Seite die Schuld
sei, wurde damals heftig diskutirt und ist jetzt unmöglich noch
zu entscheiden. Die Privatkaufleute schoben alle Schuld auf die
Compagnie. Der Gouverneur von Bombay, versicherten sie, sei zwar
stets habgierig und gewaltthätig gewesen, aber sein Baronetstitel
und sein militärischer Rang hätten ihm vollends den Kopf verrückt.
Selbst die in der Factorei angestellten Eingebornen hätten die
Veränderung bemerkt und in ihrem gebrochenen Englisch gemurmelt, daß
ein seltsamer Fluch an dem Worte Excellenz kleben müsse, denn seitdem
das Oberhaupt der Fremden Excellenz genannt werde, sei jederzeit
Alles zurückgegangen. Inzwischen, sagte man, habe der Bruder in
England alle ungerechten und unklugen Schritte des Bruders in Indien
gutgeheißen, bis endlich die der englischen Nation und der christlichen
Religion zur Schande gereichende Insolenz und Raubsucht den gerechten
Unwillen der einheimischen Behörden erregt hätten. Die Compagnie
erhob heftige Gegenanklagen. Im Ostindischen Hause wurde erzählt, daß
der Streit einzig und allein das Werk der Privatkaufleute sei, die
jetzt nicht nur Schleichhändler, sondern Verräther genannt wurden.
Es wurde behauptet, sie hätten durch Schmeichelei, durch Geschenke
und durch falsche Anklagen die Vicekönige des Moguls bewogen, die
Gesellschaft, welche in Asien die englische Krone repräsentire, zu
unterdrücken und zu verfolgen. Und diese Beschuldigung scheint in
der That nicht ganz ungegründet gewesen zu sein. Es ist gewiß, daß
einer der unversöhnlichsten Feinde der beiden Child sich an den Hof
Aurengzeb’s begab, sich am Palastthore aufstellte, den großen König
anredete, als er eben zu Pferde steigen wollte, und indem er eine
Petition hoch emporhielt, im Namen des gemeinschaftlichen Gottes der
Christen und Muselmänner Gerechtigkeit verlangte.[26] Ob Aurengzeb den
Beschuldigungen, welche ungläubige Franken gegen einander erhoben,
besondere Beachtung schenkte, steht zu bezweifeln. Soviel aber ist
gewiß, daß ein vollständiger Bruch zwischen seinen Vicekönigen und
den Dienern der Compagnie eintrat. Auf der See wurden die Schiffe
seiner Unterthanen von den Engländern aufgebracht. Am Lande wurden
die englischen Niederlassungen genommen und geplündert. Der Handel
stockte, und die hohen Dividenden, welche trotzdem in London noch immer
ausgezahlt wurden, flossen nicht mehr aus dem jährlichen Gewinn.

Gerade in dieser Krisis, während jeder in die Themse einlaufende
Ostindienfahrer unwillkommene Nachrichten aus dem Orient mitbrachte,
wurde die ganze Politik Sir Josias’ durch die Revolution völlig über den
Haufen geworfen. Er hatte sich geschmeichelt, daß er die Gesellschaft,
deren Oberhaupt er war, gegen die Machinationen der Schleichhändler
gesichert habe, indem er sie innig mit der stärksten Regierung verband,
die es, soweit er zurückdenken konnte, je gegeben hatte. Und diese
Regierung war gestürzt und Alles was sich an das zertrümmerte Gebäude
lehnte, begann zu wanken. Die Bestechungen waren unnütz weggeworfen; die
Verbindungen, welche die Stärke und der Stolz der Gesellschaft gewesen,
waren jetzt ihre Schwäche und ihre Schande; der König, welcher Mitglied
derselben gewesen, war ein Verbannter; der Richter, der alle ihre
exorbitantesten Ansprüche für rechtmäßig erklärt hatte, saß im
Gefängniß. Alle alten Feinde der Compagnie, verstärkt durch die großen
whiggistischen Kaufleute, welche Child aus dem Directorium entfernt
hatte, verlangten Gerechtigkeit und Rache von dem whiggistischen Hause
der Gemeinen, das so eben Wilhelm und Marien auf den Thron gesetzt.
Keine Stimme war lauter im Anklagen als die Stimme Papillon’s, der
einige Jahre vorher eifriger als irgend Jemand in London für das Monopol
gewesen war.[27] Die Gemeinen tadelten in harten Ausdrücken Diejenigen,
welche auf St. Helena kriegsrechtliche Todesurtheile gefällt hatten, und
erklärten sogar, daß einige dieser Uebelthäter von der Indemnitätsacte
ausgeschlossen werden sollten.[28] Die wichtige Frage, wie der Handel
mit dem Orient in Zukunft betrieben werden sollte, wurde einem
Ausschusse überwiesen. Der Bericht sollte am 27. Januar 1690 erstattet
werden; aber gerade an diesem Tage hörte das Parlament auf zu existiren.

Die ersten beiden Sessionen des nächstfolgenden Parlaments waren so
kurz und geschäftsreich, daß in beiden Häusern wenig über Indien
gesprochen wurde. Außerhalb des Parlaments aber wurden alle Mittel der
Polemik sowohl wie der Intrigue angewendet. Es erschienen über den
ostindischen Handel fast eben so viele Flugschriften wie über die Eide.
Der Despot von Leadenhall Street wurde mit Schmähschriften in Prosa und
in Versen verfolgt und schlechte Wortspiele auf seinen Namen gemacht. Er
wurde mit Cromwell, mit dem Könige von Frankreich, mit Goliath von Gath,
mit dem Teufel verglichen, und es wurde mit Heftigkeit für nöthig
erklärt, daß Sir Josias in jeder Acte, welche zur Regulirung unsres
Handelsverkehrs mit den östlichen Meeren erlassen werden möchte, von
aller Betheiligung ausdrücklich ausgeschlossen bleibe.[29]

Es herrschte jedoch große Meinungsverschiedenheit unter Denen, welche in
dem Hasse gegen Child und gegen die Gesellschaft, deren Oberhaupt er
war, übereinstimmten. Die Fabrikanten von Spitalfields, von Norwich, von
Yorkshire und den westlichen Grafschaften betrachteten den Handel mit
den östlichen Meeren eher als nachtheilig denn als nutzbringend für das
Königreich. Die Einfuhr von indischen Spezereiwaaren wurden zwar als
unschädlich, die Einfuhr von Salpeter sogar als nothwendig zugegeben,
die Einfuhr von Seidenstoffen und Bengals aber, wie man die Shawls
damals nannte, als ein Fluch für das Land erklärt. Die Folge des
zunehmenden Geschmacks für solchen Flitterstaat sei, daß unser Gold und
Silber außer Landes ginge und daß viele vortreffliche englische Stoffe
in unseren Waarenmagazinen von den Motten gefressen würden. Das seien
glückliche Tage für die Bewohner unserer Viehzuchtdistricte und unserer
Fabrikstädte gewesen, wo jedes Kleid, jedes Behänge, jeder Bettüberzug
aus Materialien verfertigt worden sei, die unsere eigenen Heerden,
unsere eigenen Webstühle lieferten. Wo seien jetzt die guten alten
Tapeten, welche zu den Zeiten Elisabeth’s die Wände herrschaftlicher
Wohnhäuser schmückten? Sei es nicht eine Schande, einen Gentleman,
dessen Vorfahren nur Stoffe getragen, welche englische Arbeiter aus
englischer Wolle verfertigt, in einem Callicohemd und seidenen Strümpfen
einherstolziren zu sehen? Aehnliche Beschwerden hatten einige Jahre
früher dem Parlamente die Acte abgezwungen, welche vorschrieb, daß die
Todten in wollene Gewänder eingehüllt werden sollten, und einige
sanguinische Tuchmacher hofften, daß die Legislatur durch Ausschließung
aller indischen Gewebe von unseren Häfen den Lebenden das Nämliche zur
Pflicht machen werde.[30]

Diese Ansicht beschränkte sich jedoch auf eine Minorität. Das Publikum
war in der That geneigt, die Vortheile, welche England aus dem
ostindischen Handel erwachsen konnten, eher zu hoch als zu gering
anzuschlagen. Die Frage, auf welche Weise diesem Handel am besten eine
größere Ausdehnung zu geben sei, erregte allgemeines Interesse und wurde
sehr verschieden beantwortet.

Eine kleine Partei, welche hauptsächlich aus Kaufleuten von Bristol und
anderen Provinzialseehäfen bestand, behauptete, das beste Mittel zur
Ausdehnung des Handels sei, daß man ihn freigebe. Sie führten die
wohlbekannten Argumente an, welche beweisen, daß jedes Monopol dem
Handel nachtheilig ist, und nachdem sie die allgemeine Regel
festgestellt, fragten sie, warum der Handel zwischen England und Indien
als eine Ausnahme von dieser Regel betrachtet werden solle. Es müsse,
sagten sie, jedem Kaufmanne gestattet sein, aus jedem Hafen eine
Waarenladung nach Surate oder nach Canton zu senden, wie er jetzt eine
solche nach Hamburg oder Lissabon sendete.[31] In unseren Tagen werden
diese Ansichten nicht nur als richtig, sondern als allgemein anerkannt
und in die Augen springend betrachtet werden; im 17. Jahrhundert aber
wurden sie für paradox gehalten. Damals hielt man es allgemein für eine
unumstößliche und fast selbstverständliche Wahrheit, daß unser Handel
mit den Ländern jenseit des Caps der guten Hoffnung nur durch eine
Actiengesellschaft vortheilhaft betrieben werden könne. Unser
europäischer Handel, sagte man, habe keine Aehnlichkeit mit unsrem
indischen Handel. Mit den europäischen Staaten stehe unsre Regierung in
diplomatischen Beziehungen, und es könne, wenn nöthig, leicht eine
Flotte von hier nach der Mündung der Elbe oder des Tajo geschickt
werden. Am Hofe von Agra oder Peking aber hatten die Könige von England
keinen Gesandten, und es befinde sich nur selten ein englisches
Kriegsschiff innerhalb zehntausend Meilen von der Bai von Bengalen oder
dem Golf von Siam. Da unsere Kaufleute in diesen entfernten Meeren von
ihrem Souverain nicht beschützt werden könnten, so müßten sie sich
selbst beschützen und zu dem Ende einige Souverainetätsrechte ausüben.
Sie müßten Forts, Garnisonen und bewaffnete Schiffe haben, sie müßten
Gesandtschaften abschicken und empfangen, mit dem einen asiatischen
Fürsten einen Allianzvertrag schließen, mit dem andren Krieg führen
dürfen. Daß aber jeder einzelne Kaufmann diese Befugniß unabhängig von
den anderen haben könne, sei offenbar unmöglich. Die nach Ostindien
Handel treibenden Kaufleute müßten daher zu einer Corporation verbunden
werden, die wie ein Mann handeln könne. Zur Unterstützung dieser
Argumente wurde das Beispiel der Holländer angeführt und allgemein für
entscheidend gehalten. Denn der unermeßliche Reichthum Holland’s wurde
damals allenthalben mit Bewunderung betrachtet, die um so aufrichtiger
war, als sich Neid und Haß in reichem Maße damit verbanden. In Allem was
sich auf den Handel bezog, galten seine Staatsmänner für Orakel und
seine Institutionen für Muster.

Die große Mehrzahl Derer, welche die Compagnie angriffen, griff sie
daher nicht deshalb an, weil sie mit einem Actienkapital arbeite und
ausschließende Privilegien besitze, sondern weil sie von einem einzelnen
Manne geleitet werde und weil dessen Leitung dem Publikum nachtheilig
und nur für ihn selbst und seine Creaturen gewinnbringend gewesen sei.
Das naheliegende Mittel zur Beseitigung der Uebelstände, die seine
Mißverwaltung erzeugt habe, sei, das Monopol einer neuen Corporation zu
ertheilen, welche so constituirt werden müsse, daß sie nicht in Gefahr
kommen könne, der Herrschaft eines Despoten oder einer kleinen
Oligarchie anheimzufallen. Viele Personen, welche gern Mitglieder einer
solchen Corporation werden wollten, traten zu einer Gesellschaft
zusammen, unterzeichneten einen Societätsvertrag und übertrugen die
Wahrung ihrer Interessen einem Ausschusse, in welchem sich einige der
vornehmsten Kaufleute der City befanden. Obwohl diese Gesellschaft in
den Augen des Gesetzes keine Persönlichkeit war, so wurde sie doch sehr
bald im Publikum als die Neue Compagnie bezeichnet, und die
Feindseligkeiten zwischen der Neuen Compagnie und der Alten Compagnie
verursachten wenigstens in dem geschäftigen Bienenstocke, dessen
Mittelpunkt die Börse war, fast eben so große Aufregung und Spannung wie
die Feindseligkeiten zwischen den Verbündeten und dem Könige von
Frankreich. Das Hauptquartier der jungen Compagnie war in Dowgate, die
Rauchwaarenhändler liehen derselben ihre stattliche Halle, und die
Verhandlungen wurden in einem Zimmer gehalten, das wegen des Wohlgeruchs
berühmt war, den das prächtige Wandgetäfel von Cedernholz
ausströmte.[32]

Während der Streit am heftigsten war, kamen wichtige Nachrichten aus
Ostindien und wurden in der London Gazette als im höchsten Grade
befriedigend angekündigt. Es sei zwischen dem Großmogul und den
Engländern Friede geschlossen worden, und dieser mächtige Potentat habe
nicht nur seine Truppen aus den Factoreien zurückgezogen, sondern auch
der Compagnie Privilegien ertheilt, die sie nie zuvor besessen. Bald
jedoch erschien eine ganz andre Version der Geschichte. Child’s Feinde
hatten ihn schon vor dieser Zeit der systematischen Verbreitung falscher
Nachrichten beschuldigt. Jetzt, sagten sie, habe er sich im Lügen selbst
übertroffen. Sie hatten sich eine authentische Abschrift des Fermans
verschafft, der dem Kriege ein Ende gemacht, und sie druckten eine
Uebersetzung desselben ab. Es ergab sich daraus, daß Aurengzeb den
Engländern in Anbetracht ihrer Reue und eines großen Tributs in
geringschätzender Weise Verzeihung für ihre früheren Vergehen gewährt,
sie ermahnt, sich in Zukunft besser zu benehmen, und ihnen im Tone eines
Gebieters befohlen hatte, den Hauptsünder, Sir John Child, von Macht und
Vertrauensstellung zu entfernen. Sir John starb zu so gelegener Zeit,
daß dieser Befehl nicht befolgt werden konnte. Aber es war nur zu
augenscheinlich, daß der Friedensschluß, den die Directoren des
Ostindischen Hauses als vortheilhaft und ehrenvoll dargestellt hatten,
in Wirklichkeit unter Bedingungen stattgefunden, welche den englischen
Namen zur Schande gereichten.[33]

Die zwischen der Compagnie in Leadenhall Street und der Compagnie in
Dowgate über diesen Gegenstand fortwüthende Polemik erhielt während des
Sommers 1691 die City in beständiger Aufregung. Im Herbste war das
Parlament nicht sobald zusammengetreten, als auch beide streitende
Parteien dem Hause der Gemeinen Petitionen einreichten.[34] Die
Petitionen wurden sogleich in ernste Erwägung gezogen und Beschlüsse von
hoher Wichtigkeit gefaßt. Die erste Resolution lautete, daß der Handel
mit Ostindien dem Königreiche Nutzen bringe, die zweite, daß der Handel
mit Ostindien am besten durch eine mit ausschließenden Privilegien
versehene Actiengesellschaft betrieben werden könne.[35] Es war demnach
klar, daß weder die Fabrikanten, welche den Handel verbieten, noch die
Kaufleute in den Hafenstädten, die ihn frei geben wollten, die geringste
Aussicht hatten, ihren Zweck zu erreichen. Die Frage drehte sich nur
noch um die Alte und die Neue Compagnie. Siebzehn Jahre verflossen, ehe
diese Frage aufhörte, die politischen wie commerciellen Kreise zu
beunruhigen. Sie wurde der Ehre und Macht eines großen Ministers
verderblich und vernichtete den Frieden und das Glück vieler
Privatfamilien. Die Schriften, welche die beiden rivalisirenden
Gesellschaften gegen einander vom Stapel ließen, sind nicht zu zählen.
Wenn man der dramatischen Literatur jener Zeit glauben darf, war die
Fehde zwischen dem Indischen Hause und der Kürschnerhalle in London
zuweilen ein eben so ernstes Hinderniß für den glücklichen Verlauf von
Liebesverhältnissen, wie es in Verona die Fehde zwischen den Capuleti
und den Montechi gewesen war.[36] Welche von den beiden streitenden
Parteien die stärkere war, ist nicht leicht zu sagen. Die neue Compagnie
wurde von den Whigs, die alte von den Tories unterstützt. Die neue
Compagnie war populär, denn sie machte große Versprechungen und man
konnte sie noch nicht beschuldigen, ihre Versprechungen nicht gehalten
zu haben; sie erzielte noch keine Dividenden und wurde daher nicht
beneidet; sie besaß noch nicht die Macht zu tyrannisiren, und hatte sich
daher noch keiner Tyrannei schuldig gemacht. Die alte Compagnie dagegen
hatte, obgleich das Publikum sie im allgemeinen nicht mit günstigem Auge
betrachtete, den großen Vortheil, daß sie im Besitz war und nur in der
Defensive zu verharren brauchte. Die schwere Aufgabe, einen Plan zur
Regulirung des Ostindischen Handels zu entwerfen und zu beweisen, daß
dieser Plan besser sei als der bisher befolgte, lastete auf der neuen
Compagnie. Die alte Compagnie brauchte nur Einwendungen gegen jede
vorgeschlagene Veränderung zu machen, und solche Einwendungen waren eben
nicht schwer zu finden. Die Mitglieder der neuen Compagnie waren
schlecht versehen mit den Mitteln, sich bei Hofe und im Parlamente
Unterstützung zu erkaufen, sie hatten keine corporative Existenz, keine
gemeinsame Kasse. Wenn einer von ihnen eine Bestechungssumme gab, so gab
er sie aus seiner Tasche mit geringer Aussicht, sie ersetzt zu bekommen.
Die alte Compagnie aber war, wenn auch von Gefahren umgeben, noch immer
im Besitz ihrer ausschließenden Privilegien und verdiente noch immer
enorme Summen. Ihre Actien waren zwar seit den goldenen Tagen Karl’s II.
bedeutend gefallen; aber hundert Pfund wurden noch immer mit
hundertzweiundzwanzig verkauft.[37] Nachdem den Actionären eine hohe
Dividende ausgezahlt war, blieb noch immer ein Ueberschuß, der damals
vollkommen hingereicht haben würde, das halbe Cabinet zu bestechen, und
dieser Ueberschuß stand zur unumschränkten Verfügung eines geschickten,
entschlossenen und nicht skrupulösen Mannes, der den Kampf mit
wunderbarer Gewandtheit und Beharrlichkeit fortführte.

Die Majorität der Gemeinen wünschte einen Vergleich zu Stande zu
bringen, die alte Compagnie beizubehalten, sie aber zu reorganisiren,
ihr neue Bedingungen zu stellen und ihr die Mitglieder der neuen
Compagnie einzuverleiben. Zu dem Ende wurde nach langen und heftigen
Debatten und mehrfachen Abstimmungen beschlossen, daß das Kapital auf
anderthalb Millionen erhöht werden solle. Um zu verhindern, daß ein
Einzelner oder eine kleine Junta die ganze Gesellschaft dominire, wurde
beschlossen, daß fünftausend Pfund Actien der höchste Betrag sein solle,
den ein einzelner Actionär besitzen dürfe, und daß Die, welche noch mehr
besaßen, aufgefordert werden sollten, den Mehrbetrag zu jedem Preise
nicht unter Pari zu verkaufen. Als Entgelt für das ausschließliche
Privilegium, nach den östlichen Meeren Handel zu treiben, sollte die
Compagnie der Krone jährlich fünfhundert Tons Salpeter zu einem
niedrigen Preise liefern und jährlich für zweihunderttausend Pfund
englische Manufacturwaaren ausführen.[38]

Eine auf diese Resolutionen basirte Bill wurde eingebracht, zweimal
gelesen und einem Ausschusse überwiesen, aber fallen gelassen in Folge
der bestimmten Weigerung Child’s und seiner Genossen, die angebotenen
Bedingungen anzunehmen. Er hatte gegen jeden Theil des Planes etwas
einzuwenden, und seine Einwendungen sind höchst interessant und
ergötzlich. Der große Monopolist stellte sich auf den Standpunkt der
Freihandelsprinzipien und setzte in einer äußerst scharfsinnig und
gewandt geschriebenen Abhandlung die Absurdität der von den Gemeinen
ersonnenen Auswege auseinander. Den Betrag der Actien zu beschränken,
die in einer Hand vereinigt sein dürften, sei höchst unvernünftig, sagte
er. Ein Actionär, dessen ganzes Vermögen bei dem Erfolge des
ostindischen Handels auf dem Spiele stehe, werde sicherlich weit eher
alle seine Fähigkeiten zur Beförderung dieses Handels aufbieten als
einer, der nur soviel riskirt habe, als er ohne großen Nachtheil
verlieren könne. Dem Verlangen, daß der Krone Salpeter für einen
bestimmten Preis geliefert werden solle, stellte Child die unsrer
Generation bekannten Argumente entgegen, welche bewiesen, daß man die
Preise sich selbst regeln lassen müsse. Auf das Verlangen, daß die
Compagnie sich verpflichten solle, jährlich für zweihunderttausend Pfund
englische Manufacturwaaren auszuführen, erwiederte er sehr richtig, daß
die Compagnie sehr gern für zwei Millionen ausführen würde, wenn der
Markt soviel bedürfe, daß es aber, wenn der Markt überführt sei, reiner
Wahnsinn sein würde, gute Zeuge um die halbe Welt zu senden, um von den
weißen Ameisen gefressen zu werden. Es habe sich, erklärte er sehr
treffend, nie als zweckmäßig erwiesen, dem Handel Fesseln anzulegen, die
ihn, anstatt sein Aufblühen und seine Entwicklung zu befördern, entweder
vernichten oder in falsche Bahnen drängen müßten.

Durch Child’s hartnäckigen Widerstand gereizt, überreichten die Gemeinen
dem Könige eine Adresse, welche ihn ersuchte, die alte Compagnie
aufzulösen und einer neuen Compagnie eine Concession unter denjenigen
Bedingungen zu ertheilen, welche der Weisheit Sr. Majestät passend
erscheinen dürften.[39] Aus dem Wortlaute dieser Adresse ist klar
ersichtlich, daß die Gemeinen den König nach der Verfassung für
berechtigt hielten, ein ausschließliches Privilegium zum Handel nach
Ostindien zu ertheilen.

Der König erwiederte, der Gegenstand sei höchst wichtig, er werde ihn
reiflich erwägen und demnächst dem Hause eine bestimmtere Antwort
geben.[40] Im Parlament wurde während dieser Session nicht mehr von dem
Gegenstande gesprochen; außerhalb des Parlaments aber war der Krieg
heftiger als je, und die Kämpfenden nahmen es keineswegs genau mit den
Mitteln, deren sie sich bedienten. Die Hauptwaffen der neuen Compagnie
waren Schmähschriften, die Hauptwaffen der alten Compagnie waren
Bestechungen.

In der nämlichen Woche, in welcher die Bill zur Regulirung des
ostindischen Handels fallen gelassen wurde, erfuhr eine andre Bill, die
große Aufregung verursacht und eine fast beispiellose Entfaltung
parlamentarischer Gewandtheit hervorgerufen hatte, das nämliche
Schicksal.


[_Debatten über die Bill zur Regulirung des Prozeßverfahrens in
Hochverrathsfällen._] Während der letzten acht Jahre vor der Revolution
hatten die Whigs bittere und eben so gerechte als bittere Klage geführt
über das harte Verfahren, welches gegen politisch Angeklagte angewendet
werde. Sei es nicht empörend, fragten sie, einem Angeklagten die
Einsicht in seine Anklage zu verweigern? Oft habe ein unglücklicher
Gefangener nicht eher erfahren, welches Vergehens er angeklagt war, als
bis er an der Schranke die Hand erhoben habe. Das ihm zur Last gelegte
Verbrechen könne ein Anschlag sein, den König zu erschießen oder zu
vergiften; je unschuldiger der Angeklagte sei, um so weniger könne er
den Character der Anklage, auf welche hin ihm der Prozeß gemacht werde,
errathen, und wie könne er Beweise zur Entkräftung einer Anklage in
Bereitschaft haben, deren Natur er nicht einmal ahnete? Die Krone habe
die Macht, Belastungszeugen zum Erscheinen zu zwingen; der Gefangene
habe diese Macht nicht. Wenn Zeugen freiwillig aufträten, um zu seinen
Gunsten zu sprechen, so könnten sie nicht vereidigt werden, und ihre
Aussage mache daher weniger Eindruck auf eine Jury, als die Aussage der
Belastungszeugen, deren Wahrhaftigkeit durch die feierlichsten
Sanctionen des Gesetzes und der Religion verbürgt werde. Die
Geschwornen, sorgfältig gewählt durch von der Krone ernannte Sheriffs,
beständen aus Männern, welche vom heftigsten Parteigeiste beseelt seien
und für einen Exclusionisten oder Dissenter so wenig Theilnahme fühlten,
wie für einen tollen Hund. Die Regierung habe eine Schaar geschickter,
erfahrener und gewissenloser Juristen zu ihrer Verfügung, die auf den
ersten Blick jede schwache und jede starke Seite eines Rechtsfalles
unterscheiden könnten, die ihre Geistesgegenwart nie verlasse, deren
Redefluß unerschöpflich sei und die ihr ganzes Leben damit verbracht
hätten, schlechte Gründe so herzurichten, daß sie aussähen wie gute. Sei
es nicht entsetzlich, drei oder vier solcher schlauer, gelehrter und
herzloser Redner einem Unglücklichen gegenübergestellt zu sehen, der in
seinem Leben noch kein Wort öffentlich gesprochen habe, der weder die
legale Definition des Wortes Hochverrath noch die ersten Prinzipien des
Zeugenbeweises kenne und dessen im besten Falle einem Kampfe mit
berufsmäßigen Gladiatoren nicht gewachsener Verstand durch die nahe
Aussicht auf einen grausamen und schimpflichen Tod noch mehr in
Verwirrung gebracht werde? Dies sei indessen die allgemeine Regel, und
selbst für einen Mann, der so durch Krankheit geschwächt sei, daß er die
Hand nicht emporhalten könne, selbst für eine arme bejahrte Frau, die
von Allem was vorgehe nichts weiter begreife, als daß sie wegen eines
Werkes der Barmherzigkeit lebendig gebraten werden solle, dürfe kein
Advokat ein Wort der Vertheidigung sprechen. Daß ein so geführter
Staatsprozeß nicht viel besser sei als ein Justizmord, war seit der
Proscription der Whigpartei ein Fundamentalartikel des whiggistischen
Glaubens. Die Tories dagegen, obwohl sie nicht in Abrede stellen
konnten, daß einige harte Beispiele vorgekommen waren, behaupteten, es
sei im Ganzen materielle Gerechtigkeit geübt worden. Einige wenige
Aufwiegler, die der Grenze des Hochverraths sehr nahe gekommen seien,
sie aber nicht wirklich überschritten hätten, könnten vielleicht als
Hochverräther bestraft worden sein. Aber sei dies ein hinreichender
Grund, die Häupter des Ryehousecomplots und des Aufstandes im Westen in
den Stand zu setzen, sich durch bloße Schikanen der verdienten Strafe zu
entziehen? Warum sollte der Hochverräther Aussichten zum Entrinnen
haben, die dem gemeinen Verbrecher nicht zugestanden würden? Der eines
Eigenthumsvergehens Angeklagte unterliege ebenfalls allen Nachtheilen,
welche bei Königsmördern und Rebellen für so ungerecht gehalten würden,
und doch bedaure ihn kein Mensch. Niemand halte es für monströs, daß er
keine Zeit habe, eine Abschrift seiner Anklage zu studiren, daß seine
Zeugen vernommen würden, ohne vereidigt zu sein, daß er sich selbst ohne
den Beistand eines Rechtsanwalts, gegen die besten Talente, welche die
Inns of Courts liefern konnten, vertheidigen müsse. Die Whigs sparten,
wie es scheine, all’ ihr Mitleid für diejenigen Verbrechen auf, welche
die Regierung umstürzten und das ganze Gebäude der menschlichen
Gesellschaft zerstörten. Guy Faux solle mit einer Nachsicht behandelt
werden, die auf einen Einbrecher nicht ausgedehnt werden solle. Bradshaw
solle Vorrechte haben, welche einem Burschen, der einen Hühnerstall
bestohlen, verweigert werden sollten.

Die Revolution brachte, wie zu erwarten stand, einige Veränderung in den
Gesinnungen der beiden großen Parteien hervor. Zu den Zeiten wo nur
Rundköpfe und Nonconformisten des Hochverraths angeklagt wurden, waren
selbst die humansten und rechtschaffensten Cavaliere der Meinung, daß
die Gesetze, welche das Bollwerk des Thrones bildeten, kaum zu hart sein
könnten. Sobald aber loyale Torygentlemen und ehrwürdige Väter der
Kirche in Gefahr waren, wegen Correspondirens mit Saint-Germains zur
Verantwortung gezogen zu werden, ging in vielen Köpfen, welche in dem
Verfahren gegen Algernon Sidney und Alice Lisle nicht die mindeste
Ungerechtigkeit zu entdecken vermocht hatten, ein neues Licht auf. Die
Behauptung, daß einem des Hochverraths Angeklagten billigerweise einige
Vortheile eingeräumt werden könnten, die einem gemeinen Verbrecher
vorenthalten werden müßten, wurde nicht mehr für so ganz ungereimt
erklärt. War es wohl wahrscheinlich, daß ein Sheriff eine Jury
bestechen, daß ein Advokat alle Kunstgriffe der Sophistik und Rhetorik
aufbieten würde, um einen Unschuldigen eines Einbruchs oder
Schafdiebstahls zu überführen? In einem Hochverrathsprozesse aber mußte
ein freisprechendes Verdict jederzeit als eine Niederlage für die
Regierung betrachtet werden, und es war nur zu viel Grund zu der
Befürchtung vorhanden, daß viele Sheriff’s, Advokaten und Richter durch
Parteigeist oder durch noch niedrigere Motive bewegen werden würden,
etwas zu thun, was der Regierung den Nachtheil und die Schande einer
Niederlage ersparte. Der allgemeine Ruf der Tories war, daß das Leben
guter Engländer, welche zufällig den bestehenden Gewalten entgegen
wären, nicht hinlänglich geschützt sei, und dieser Ruf wurde durch die
Stimmen einiger Juristen verstärkt, die sich durch den böswilligen Eifer
und die schimpfliche Gewandtheit ausgezeichnet, mit denen sie in den
Tagen Karl’s und Jakob’s Staatsprozesse geleitet hatten.

Die Gesinnung der Whigs hatte zwar nicht, wie die der Tories, eine
vollständige Umwandlung erfahren, war aber doch auch nicht mehr ganz die
nämliche wie früher. Einige, die es für höchst ungerecht gehalten
hatten, daß Russell keinen Vertheidiger und Cornish keine Abschrift
seiner Anklage haben sollte, begannen jetzt zu murmeln, daß die Zeiten
sich geändert hätten, daß der Staat von den größten Gefahren bedroht
sei, daß Freiheit, Eigenthum, Religion und nationale Unabhängigkeit auf
dem Spiele ständen, daß viele Engländer mit Anschlägen beschäftigt
seien, welche bezweckten, England zum Sklaven Frankreich’s und Rom’s zu
machen, und daß es höchst unklug sein würde, in einem solchen
Augenblicke die Gesetze gegen politische Vergehen zu mildern. Allerdings
habe die Ungerechtigkeit, mit der Staatsprozesse unter den letzten
Regierungen geführt worden seien, großes Aergerniß erregt; aber diese
Ungerechtigkeit müsse den schlechten Königen und den schlechten Richtern
zugeschrieben werden, mit denen das Land heimgesucht gewesen sei. Jetzt
aber sei Wilhelm auf dem Throne, Holt sitze auf Lebenszeit auf der
Richterbank, und Wilhelm werde so schimpfliche und ruchlose Dienste wie
die, für welche der verbannte Tyrann Jeffreys mit Reichthümern und
Ehrentiteln belohnt habe, ebensowenig je verlangen, wie Holt sie jemals
leisten werde. Diese Sprache führten jedoch anfangs nur Wenige. Die
Whigs in ihrer Gesammtheit scheinen eingesehen zu haben, daß sie in der
Zeit des Glücks ehrenhafterweise nicht etwas vertheidigen konnten, was
sie in der Zeit ihrer Bedrängniß stets als ein schreiendes Unrecht
bezeichnet hatten. Eine Bill zur Regulirung des Verfahrens in
Hochverrathsfällen wurde im Hause der Gemeinen eingebracht und mit
allgemeinem Beifall begrüßt. Treby hatte den Muth, einige Einwendungen
zu machen, aber es fand keine Abstimmung statt. Die Hauptbestimmungen
waren, daß Niemand wegen eines Hochverraths verurtheilt werden solle,
den er mehr als drei Jahre vor seiner Versetzung in den Anklagestand
begangen, daß es jedem des Hochverraths Angeklagten gestattet sein
solle, sich eines Rechtsbeistandes zu bedienen, und daß ihm zehn Tage
vor Eröffnung der Gerichtsverhandlungen eine Abschrift der Anklage sowie
eine Liste der Angesessenen, aus deren Mitte die Jury zu erwählen war,
geliefert werden solle; daß ferner seine Zeugen vereidigt und daß sie
durch das nämliche Verfahren vorgeladen werden sollten, durch welches
das Erscheinen der gegen ihn auftretenden Belastungszeugen gesichert
wurde.

Die Bill wurde dem Oberhause vorgelegt und kam mit einem wichtigen
Amendement zurück. Die Lords hatten sich schon längst über die anomale
und unbillige Einrichtung des Tribunals beklagt, das in Fällen, wo es
sich um Leben und Tod handelte, die Jurisdiction über sie hatte. Wenn
eine große Jury eine gegen einen weltlichen Peer wegen eines schweren
Vergehens erhobene Anklage für begründet erfunden hat, so ernennt die
Krone einen Lord High Steward und vor dem Gerichtshofe des Lord High
Steward wird der Fall verhandelt. Dieser Gerichtshof wurde früher auf
zwei verschiedene Arten gebildet. Wenn das Parlament gerade versammelt
war, bestand er aus sämmtlichen Mitgliedern des Oberhauses; war es nicht
versammelt, so berief der Lord High Steward zwölf oder mehr Peers, je
nach seinem Belieben, um eine Jury zu bilden. Die Folge davon war, daß
ein Peer, der während eines Parlamentsabschiedes wegen Hochverraths
angeklagt war, durch eine Jury abgeurtheilt wurde, die seine Ankläger so
zusammengesetzt hatten, wie sie es ihren Zwecken dienlich hielten. Jetzt
verlangten die Peers, daß jeder des Hochverraths angeklagte Peer während
eines Parlamentsabschiedes wie während einer Session durch sämmtliche
Peers abgeurtheilt werden sollte.

Das Haus der Gemeinen widersetzte sich dem Verlangen mit einer
Heftigkeit und Hartnäckigkeit, welche Männer der gegenwärtigen
Generation schwer begreifen werden. Das kam daher, weil einige gehässige
Privilegien der Pairie, welche seitdem abgeschafft worden und einige
andere, welche ganz außer Gebrauch gekommen sind, damals noch in voller
Kraft waren und täglich ausgeübt wurden. Kein Gentleman, der mit einem
Nobleman einen Streit gehabt, konnte sich ohne Unwillen der Vortheile
erinnern, welche die begünstigte Kaste genoß. Wurde Se. Lordschaft
gerichtlich belangt, so setzte ihn sein Privilegium in den Stand, den
Gang der Justiz zu hemmen. Wurde ein hartes Wort über ihn geäußert, ein
Wort, wie er selbst es völlig ungestraft aussprechen durfte, so konnte
er sein verletztes Ansehen durch Civil- und Criminalklagen rächen. Wenn
ein Advokat bei Ausübung seiner Pflicht gegen einen Clienten sich mit
Strenge über das Benehmen eines hochadeligen Verführers aussprach, wenn
ein rechtschaffener Squire auf der Rennbahn die Kniffe eines
hochgebornen Schwindlers beim rechten Namen nannte, so brauchte der
beleidigte Patrizier nur bei der stolzen und mächtigen Körperschaft,
deren Mitglied er war, Klage zu führen. Seine Standesgenossen machten
die Sache zu ihrer eignen, der Beleidiger wurde in Gewahrsam des
schwarzen Stabes gebracht, vor die Schranke geführt, ins Gefängniß
geworfen und so lange darin gelassen, bis er froh war, durch die
erniedrigendsten Unterwürfigkeitsbezeigungen Vergebung zu erlangen. Es
konnte daher nichts natürlicher sein, als daß ein Versuch der Peers, ein
neues Vorrecht für ihren Stand zu erlangen, von den Gemeinen mit der
heftigsten Eifersucht betrachtet wurde. Es ist starker Grund zu der
Vermuthung vorhanden, daß einige geschickte whiggistische Politiker, die
es für gefährlich hielten, die Gesetze gegen politische Vergehen in
diesem Augenblicke zu mildern, die aber, ohne den Vorwurf der
Inconsequenz auf sich zu laden, sich nicht jeder Milderung abgeneigt
erklären konnten, die Hoffnung hegten, daß sie durch Anschürung des
Streits wegen des Gerichtshofes des Lord High Steward, die Annahme einer
Bill, die ihnen mißfiel, der sie sich aber schicklicherweise nicht
widersetzen durften, um wenigstens ein Jahr würden hinausschieben
können. Wenn dies wirklich ihr Plan war, so gelang derselbe vollkommen.
Das Unterhaus verwarf das Amendement, das Oberhaus bestand darauf; es
ward eine freie Conferenz gehalten und die Frage wurde auf beiden Seiten
mit großem Geschick und Scharfsinn discutirt.

Die Gründe zu Gunsten des Amendements sind in die Augen springend und
scheinen auf den ersten Anblick unwiderlegbar. Es war gewiß nicht
leicht, ein System zu vertheidigen, nach welchem der Souverain ein
Conclave seiner eigenen Creaturen ernannte, um das Schicksal von Männern
zu entscheiden, die er als seine Todfeinde betrachtete. Konnte es wohl
etwas Widersinnigeres geben, als daß ein des Hochverraths angeklagter
Cavalier berechtigt sein sollte, durch die Gesammtheit seiner Peers
abgeurtheilt zu werden, wenn seine Anklage zufällig eine Minute vor
einer Prorogation ins Haus der Lords kam, daß er aber, wenn seine
Anklage eine Minute nach der Prorogation eintraf, der Gewalt einer durch
die nämliche Behörde, die ihn anklagte, ernannten kleinen Junta
preisgegeben sein sollte? Es scheint unglaublich, daß etwas für die
andre Seite gesagt werden konnte; aber die Vertreter der Gemeinen bei
der Conferenz waren keine gewöhnlichen Menschen und boten bei dieser
Gelegenheit ihren ganzen Scharfsinn auf. Unter ihnen zeichnete sich
besonders Karl Montague aus, der sich rasch zu einer der ersten Stellen
unter den Rednern der damaligen Zeit emporschwang. Ihm scheint bei
dieser Gelegenheit die Wortführung überlassen worden zu sein, und seiner
Feder verdanken wir einen Bericht über die Discussion, der eine hohe
Meinung von seinen Talenten zur Debatte giebt. „Wir haben” -- so lautete
in der Hauptsache sein Raisonnement -- „ein Gesetz entworfen, das nichts
Ausschließendes in sich hat, ein Gesetz, das für alle Klassen, von der
höchsten bis zur niedrigsten, eine Wohlthat sein wird. Die neuen
Schutzmittel, welche wir der durch Macht unterdrückten Unschuld zu
gewähren vorschlagen, kommen dem vornehmsten Peer wie dem ärmsten
Tagelöhner zu Gute. Die Klausel, welche einen Verjährungstermin für
Anklagen festsetzt, schützt uns alle gleichmäßig. Jedem des größten
Verbrechens gegen den Staat angeklagten Engländer, welchen Standes er
auch sei, bewilligen wir das Privilegium, seine Anklage einzusehen, das
Privilegium, sich durch einen Rechtsanwalt vertheidigen zu lassen, das
Privilegium, daß seine Zeugen unter Strafandrohung vorgeladen und auf
das Evangelium vereidigt werden. So lautete die Bill, die wir Euren
Lordschaften zugeschickt haben, und Sie senden uns dieselbe mit einer
Klausel zurück, welche bezweckt, Ihrem edlen Stande auf Kosten der alten
Prärogativen der Krone gewisse Vortheile zu geben. Bevor wir
einwilligen, dem Könige irgend eine Befugniß zu entziehen, die seine
Vorgänger seit Jahrhunderten besessen haben, und sie Euren Lordschaften
zu geben, müssen wir doch sicherlich erst überzeugt sein, daß wir von
Ihnen eher eine gute Anwendung derselben erwarten dürfen als von ihm.
Etwas müssen wir wagen, Jemandem müssen wir vertrauen, und da wir ganz
gegen unsren Willen gezwungen sind, einen Vergleich zu ziehen, der
nothwendig ein gehässiges Ansehen haben muß, so gestehen wir Ihnen, daß
wir keinen Grund zu dem Glauben zu entdecken vermögen, daß einem Fürsten
weniger zu trauen sei als einer Aristokratie. Ist es billig, fragen Sie,
daß Sie durch einige wenige von der Krone erwählte Mitglieder Ihres
Hauses auf Leben und Tod abgeurtheilt werden sollen? Ist es billig,
fragen wir dagegen, daß Sie das Privilegium haben sollen, durch alle
Mitglieder Ihres Hauses, das heißt durch Ihre Brüder, Ihre Oheime, Ihre
Vettern, Ihre Schwiegerväter, Ihre Schwäger und Ihre intimsten Freunde
abgeurtheilt zu werden? Ihre Familien verheirathen sich so vielfach mit
einander, Sie leben soviel in gegenseitiger Gesellschaft, daß es kaum
einen Nobleman giebt, der nicht durch Blutsverwandtschaft oder
Verschwägerung mit mehreren anderen verbunden wäre und nicht außerdem
mit mehreren auf freundschaftlichem Fuße stände. Es hat vornehme Männer
gegeben, deren Tod ein Dritttheil oder ein Viertheil der Barone
England’s in Trauer versetzte. Auch ist keine große Gefahr vorhanden,
daß selbst diejenigen Peers, die mit einem angeklagten Lord nicht
verwandt sind, geneigt sein werden, ihn aufs Schaffot zu bringen, wenn
sie mit Anstand sagen können: „Nichtschuldig, auf meine Ehre.” Denn der
schimpfliche Tod eines einzigen Mitgliedes einer kleinen
aristokratischen Kaste läßt nothwendig einen Flecken auf dem Rufe seiner
Standesgenossen zurück. Wenn Eure Lordschaften vorschlügen, daß jeder
der Ihrigen gezwungen sein sollte, zu erscheinen und seine Stimme
abzugeben, dann würde die Krone vielleicht einige Aussicht haben, gegen
einen schuldigen Peer, so zahlreiche Verbindungen er auch haben möchte,
Gerechtigkeit zu erlangen. Aber Sie schlagen vor, daß das Erscheinen
freiwillig sein soll. Kann Jemand in Zweifel darüber sein, was die Folge
sein wird? Alle Verwandten und Freunde des Gefangenen werden sich
einfinden, um für ihn zu stimmen. Gutmüthigkeit und die Furcht sich
mächtige Feinde zu machen, wird Viele zurückhalten, denen ihr Gewissen
und ihre Ehre gebieten würde, gegen ihn zu stimmen. Das von Ihnen
vorgeschlagene neue System würde daher offenbar ungerecht gegen die
Krone sein, und Sie führen keinen Grund an, aus welchem hervorginge, daß
sich das alte System in der Praxis als ungerecht gegen Sie erwiesen
hätte. Wir können fest behaupten, daß selbst unter einer weniger
gerechten und milden Regierung als die, unter der wir zu leben das Glück
haben, ein unschuldiger Peer von irgend einer Auswahl von Peers, die in
Westminster Hall zusammentreten kann, um über ihn abzuurtheilen, wenig
zu fürchten hat. Wo ist ein Factum? In welchem einzelnen Falle ist durch
das Verdict dieser parteiisch gewählten Jury ein schuldloses Haupt
gefallen? Es würde leicht sein, eine lange Liste von Squires,
Kaufleuten, Advokaten, Aerzten, Freisassen, Handwerkern und Landleuten
aufzustellen, deren in den jüngstvergangenen schlimmen Zeiten barbarisch
vergossenes Blut zum Himmel um Rache schreit. Aber welches Mitglied
Ihres Hauses erlitt in unseren Tagen, oder in den Tagen unserer Väter,
oder in den Tagen unserer Großväter durch einen Ausspruch des
Gerichtshofes des Lord High Steward ungerechterweise den Tod? Hunderte
aus dem Volke wurden durch gewöhnliche Juries wegen des Ryehousecomplots
und des Aufstandes im Westen zum Galgen geschickt. Ein Peer, und nur ein
einziger, Mylord Delamere, wurde damals vor den Gerichtshof des Lord
High Steward gestellt und freigesprochen. Ja, wird man sagen, weil die
gegen ihn vorliegenden Beweise gesetzlich ungenügend waren. Mag sein.
Aber eben so war es mit den Beweisen gegen Sidney, gegen Cornish und
gegen Alice Lisle, und doch genügten sie, um diese zu verderben. Aber,
wird man sagen, die Peers, vor welche Mylord Delamere gestellt wurde,
waren vom König Jakob und von Jeffreys mit schamloser Parteilichkeit
ausgewählt. Zugegeben. Aber dies beweist nur, daß unter dem möglichst
schlechten Könige und unter dem möglichst schlechten Oberrichter ein von
Lords gerichteter Lord immer noch mehr Aussicht hat, mit dem Leben davon
zu kommen, als ein gemeiner Mann, der an sein Vaterland appellirt. Wir
können daher unter der milden Regierung, die wir jetzt besitzen, keine
große Besorgniß wegen der Sicherheit eines unschuldigen Peers hegen.
Möchten wir eben so unbesorgt wegen der Sicherheit dieser Regierung sein
können! Aber es ist notorisch, daß die Ordnung der Dinge, mit der unsere
Freiheiten untrennbar verbunden sind, zu gleicher Zeit von fremden und
von einheimischen Feinden angegriffen wird. Wir können unter so
kritischen Verhältnissen uns nicht dazu verstehen, die Zügel zu lockern,
die sich, wie wir mit gutem Grunde fürchten, schon als zu locker
erwiesen haben, um einige hochgestellte Männer abzuhalten, Anschläge auf
den Untergang ihres Vaterlandes zu machen. Um Alles noch einmal
zusammenzufassen, so verlangt man von uns, daß wir einwilligen sollen,
eine gewisse Gewalt von Ihren Majestäten auf Ihre Lordschaften zu
übertragen. Unsre Antwort darauf ist: daß Ihre Majestäten unsrer Meinung
nach gegenwärtig nicht zuviel Gewalt und Ihre Lordschaften vollkommen
genug haben.”

Obwohl diese Argumente ungemein scharfsinnig und nicht ohne wirkliches
Gewicht waren, vermochten sie doch nicht, das Oberhaus zu überzeugen.
Die Lords bestanden darauf, daß jeder Peer berechtigt sein sollte, als
Mitglied des Gerichtshofes zu fungiren. Die Gemeinen wurden mit Mühe
bewogen, darein zu willigen, daß die Anzahl der Mitglieder des
Gerichtshofes nie weniger als sechsunddreißig sein solle, und weigerten
sich auf das Bestimmteste, irgend ein weiteres Zugeständniß zu machen.
Die Bill wurde deshalb fallen gelassen.[41]

Es ist gewiß, daß Diejenigen, welche in der Conferenz über diese Bill
die Gemeinen vertraten, die Gefahren, denen die Regierung ausgesetzt
war, nicht übertrieben. Während die Einrichtung des Gerichtshofes, der
über des Hochverraths angeklagte Peers aburtheilen sollte, discutirt
wurde, kam ein mit seltener Geschicklichkeit von einem Peer
geschmiedeter Hochverrathsplan beinahe zur Ausführung.


[_Complot Marlborough’s gegen die Regierung Wilhelm’s._] Marlborough
hatte nie aufgehört, dem Hofe von Saint-Germains zu versichern, daß das
große Verbrechen, welches er begangen, ihm beständig vorschwebe und daß
er keinen andren Lebenszweck mehr habe, als es zu bereuen und wieder gut
zu machen. Er hatte nicht allein sich selbst, sondern auch die
Prinzessin Anna bekehrt. Im Jahre 1688 hatten die Churchill sie mit
geringer Mühe bewogen, aus dem Palaste ihres Vaters zu entfliehen. Im
Jahre 1691 bewogen sie sie mit eben so geringer Mühe, einen Brief
abzuschreiben und zu unterzeichnen, in welchem sie ihre innige
Theilnahme an seinem Unglück und den ernsten Wunsch aussprach, ihre
Pflichtverletzung wieder gut zu machen.[42] Zu gleicher Zeit nährte
Marlborough die Hoffnung, daß es in seiner Macht stehen werde, die
Wiedereinsetzung seines früheren Gebieters auf dem bestmöglichen Wege,
ohne den Beistand eines einzigen fremden Soldaten oder Seemannes, durch
die Beschlüsse der englischen Lords und Gemeinen und durch die
Unterstützung der englischen Armee zu bewerkstelligen. Wir sind über die
Einzelnheiten seines Planes nicht vollkommen unterrichtet; die Umrisse
desselben aber kennen wir aus einer von Jakob geschriebenen höchst
interessanten Abhandlung, von der sich eine Copie in der Bodlejanischen
Bibliothek und eine andre in den Archiven des französischen Ministeriums
des Auswärtigen befindet.

Die Eifersucht mit der die Engländer die Holländer betrachteten, war
damals sehr heftig. Eine herzliche Freundschaft hatte niemals zwischen
den beiden Nationen bestanden. Sie waren zwar nahe verwandt mit
einander; sie sprachen zwei Dialecte einer weitverbreiteten Sprache,
beide rühmten sich ihrer politischen Freiheit, beide huldigten dem
reformirten Glauben, beide wurden von dem nämlichen Feinde bedroht, und
konnten nur so lange vor ihm sicher sein als sie einig waren. Gleichwohl
herrschte keine aufrichtige Zuneigung zwischen ihnen. Sie würden
einander wahrscheinlich mehr geliebt haben, wenn sie einander in mancher
Beziehung weniger geglichen hätten. Sie waren die beiden großen
Handelsnationen und die beiden großen Seevölker. Ihre Flaggen fand man
in allen Meeren beisammen, im baltischen wie im mittelländischen, im
Golf von Mexico wie in der Meerenge von Malakka. Ueberall bemühten sich
der Kaufmann von London und der Kaufmann von Amsterdam einander zu
überflügeln und Concurrenz zu machen. In Europa war der Kampf nicht
blutig. In barbarischen Ländern aber, wo kein andres Gesetz als das
Recht des Stärkeren herrschte, waren die beiden Nebenbuhler, von
Habsucht und Haß erfüllt, zum Kampfe gerüstet, jeder dem andren
feindselige Absichten zutrauend und jeder entschlossen, dem andren
keinen Vortheil zu gönnen, nur zu oft aneinander gerathen. Daß unter
solchen Umständen viele Gewaltthätigkeiten und Grausamkeiten verübt
wurden, ist nicht zu verwundern. Man konnte in Europa selten genau
erfahren, was in jenen entfernten Gegenden geschehen war. Alles wurde
durch vage Gerüchte und durch das Nationalvorurtheil übertrieben und
entstellt. Bei uns glaubte das Volk, daß die Engländer stets
vorwurfsfrei seien und daß jeder Streit der Habsucht und
Unmenschlichkeit der Holländer zugeschrieben werden müsse.
Beklagenswerthe Vorfälle, die sich auf den Gewürzinseln ereignet hatten,
wurden wiederholt auf unsre Bühne gebracht. Die Engländer waren alle
Heilige und Helden, die Holländer durchgehends Teufel in
Menschengestalt, lügend, raubend, schändend, mordend und quälend. Die
zornigen Leidenschaften, welche diese Theaterstücke verriethen, hatten
sich mehr als ein Mal im Kriege Luft gemacht. Dreimal im Zeitraume eines
Menschenlebens hatten diese beiden Nationen mit gleichem Muthe und mit
wechselndem Glücke um die Herrschaft auf dem deutschen Ocean gestritten.
Die Tyrannei Jakob’s hatte, wie sie die Tories mit den Whigs und die
Hochkirchlichen mit den Nonconformisten aussöhnte, auch die Engländer
mit den Holländern ausgesöhnt. Während unsere Vorfahren aus dem Haag
Befreiung erwarteten, hatte es den Anschein gehabt, als ob das Gemetzel
von Amboina und die große Demüthigung von Chatham vergessen gewesen
wären. Aber seit der Revolution war das alte Gefühl wiedererwacht.
Obwohl England und Holland jetzt durch einen Vertrag eng mit einander
verbunden waren, waren sie doch so wenig als je durch Zuneigung
verbrüdert. Einmal, unmittelbar nach der Schlacht bei Beachy Head,
schienen unsere Landsleute geneigt, gegen die Holländer gerecht zu sein;
aber es trat sehr bald eine heftige Reaction ein. Torrington, der
erschossen zu werden verdiente, wurde ein Liebling des Volks, und die
Bundesgenossen, die er schändlicherweise im Stich gelassen, wurden
beschuldigt, daß sie ihn ohne Ursache verfolgten. Die Parteilichkeit,
welche der König für die Gefährten seiner Jugend an den Tag gelegt, war
das Lieblingsthema der Aufwiegler. Die einträglichsten Stellen in seinem
Hofstaate, sagte man, würden von Holländern bekleidet; das Haus der
Lords fülle sich rasch mit Holländern; die schönsten Domänen der Krone
würden Holländern verliehen; die Armee werde von Holländern befehligt.
Daß Wilhelm klug gethan haben würde, wenn er seine lobenswerthe Vorliebe
für sein Vaterland etwas weniger auffallend an den Tag gelegt und seine
alten Freunde etwas sparsamer belohnt hätte, ist vollkommen wahr. Aber
es wird nicht leicht zu beweisen sein, daß er bei irgend einer wichtigen
Gelegenheit während seiner ganzen Regierung die Interessen unserer Insel
den Interessen der Vereinigten Provinzen nachstellte. Die Engländer
waren jedoch in diesem Punkte zu Anfällen von Eifersucht geneigt, die
sie ganz unfähig machten, der Vernunft Gehör zu geben. Einer der
heftigsten dieser Anfälle trat im Jahre 1691 ein. Die Antipathie gegen
die Holländer war zu der Zeit in allen Klassen stark, nirgends aber
stärker als im Parlament und in der Armee.[43]

Diese Antipathie beschloß Marlborough zu benutzen, um, wie er Jakob und
dessen Anhängern versicherte, eine Restauration herbeizuführen. Die
Stimmung beider Häuser war von der Art, daß sie durch geschickte
Behandlung nicht unwahrscheinlich bestimmt werden konnten, eine
gemeinschaftliche Adresse zu überreichen, welche darum ersuchte, daß
alle Ausländer aus dem Dienste Ihrer Majestäten entfernt werden möchten.
Marlborough unternahm es, eine solche Adresse bei den Lords zu
beantragen, und es würde nicht schwer gehalten haben, einen Gentleman
von großem Gewicht zu finden, der einen gleichen Antrag bei den Gemeinen
gestellt hätte.

Wenn die Adresse durchging, was konnte Wilhelm dann thun? Würde er
nachgeben und alle seine theuersten, ältesten und zuverlässigsten
Freunde aus seiner Nähe entfernen? Es war kaum möglich zu glauben, daß
er eine so schmerzliche und so demüthigende Concession machen würde.
Fügte er sich nicht, so entstand ein Bruch zwischen ihm und dem
Parlament und des Parlament hatte das Volk zur Stütze. Selbst ein kraft
eines erblichen Titels regierender König hätte wohl vor einem solchen
Kampfe mit den Ständen des Reichs zurückschrecken können. Einem Könige
aber, dessen Rechtstitel auf einem Beschlusse der Stände des Reichs
beruhten, mußte ein solcher Kampf fast unvermeidlich zum Verderben
gereichen. Die letzte Hoffnung Wilhelm’s war dann die Armee. Diese zu
bearbeiten nahm Marlborough ebenfalls auf sich, und es ist höchst
wahrscheinlich, daß ihm auch hier sein Plan gelungen sein würde. Sein
Muth, seine Talente, seine noblen und gewinnenden Manieren, der
glänzende Erfolg, den er bei jeder Gelegenheit wo er das Commando
geführt, errungen, hatten ihn ungeachtet seiner schmutzigen Laster zum
Liebling seiner Waffenbrüder gemacht. Sie waren stolz darauf, einen
Landsmann zu haben, der bewiesen hatte, daß ihm nur die Gelegenheit
fehlte, um es mit dem geschicktesten Marschall von Frankreich
aufzunehmen. Bei den englischen Truppen waren die Holländer noch weniger
beliebt als bei der Nation überhaupt. Wäre daher Marlborough, nachdem er
sich die Mitwirkung einiger hoher Offiziere gesichert, im kritischen
Augenblicke vor den Regimentern erschienen, die er in Flandern und in
Irland zum Siege geführt, hätte er sie aufgefordert, sich um ihn zu
schaaren, das Parlament zu beschützen und die Fremden zu vertreiben, so
ist starker Grund zu der Annahme vorhanden, daß seinem Aufrufe Folge
geleistet worden wäre. Es würde dann in seiner Macht gestanden haben,
die Versprechungen zu erfüllen, die er seinem früheren Gebieter so
feierlich gegeben.

Von allen Plänen, welche je zur Restauration Jakob’s oder seiner
Nachkommen entworfen wurden, versprach dieser der beste zu sein. Der
Nationalstolz und der Haß gegen Willkürgewalt, welche bisher auf
Wilhelm’s Seite gewesen waren, würden sich jetzt gegen ihn gewendet
haben. Hunderttausende, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben würden,
um eine französische Armee zu verhindern, den Engländern eine Regierung
aufzudringen, würden keine Lust gezeigt haben, eine englische Armee am
Hinaustreiben der Holländer zu hindern. Selbst die Whigs konnten, ohne
ihre alten Grundsätze aufzugeben, kaum einen Fürsten unterstützen, der
sich hartnäckig weigerte, den ihm durch sein Parlament kund gegebenen
allgemeinen Wunsch seines Volks zu erfüllen. Das Complot lief sich ganz
gut an. Es wurden eifrig Stimmen geworben, und viele Mitglieder des
Hauses der Gemeinen, die nicht die entfernteste Ahnung davon hatten, daß
ein weitergehender Plan dahinter steckte, versprachen gegen die Fremden
zu stimmen. Marlborough war unermüdlich, die Mißstimmung der Armee zu
nähren. Sein Haus war beständig mit Offizieren angefüllt, die sich durch
Schmähen der Holländer bis zur Wuth erhitzten. Noch ehe aber die
Vorbereitungen beendigt waren, stieg in einem der Jakobiten ein
sonderbarer Verdacht auf. Daß der Urheber dieses kühnen und schlauen
Planes die bestehende Regierung stürzen wollte, konnte kaum einem
Zweifel unterliegen. Aber war es auch ganz gewiß, welche andre Regierung
er einzusetzen gedachte? Konnte er nicht Wilhelm absetzen, ohne Jakob
einzusetzen? War es nicht möglich, daß ein so kluger, so ehrgeiziger
und so gewissenloser Mann einen doppelten Verrath im Sinne haben
konnte, einen Verrath, den die großen italienischen Politiker des
15. Jahrhunderts ein Meisterstück der Staatskunst genannt, um den
ihn ein Borgia beneidet, den ein Machiavel bis in den Himmel erhoben
haben würde? Wie, wenn dieser vollendete Heuchler beide rivalisirende
Könige betrog? Wie, wenn er als Befehlshaber der Armee und als
Protector des Parlaments die Prinzessin Anna zur Königin proklamirte?
War es nicht möglich, daß die ermüdete und gehetzte Nation sich eine
solche Einrichtung willig gefallen ließ? Jakob war unpopulär, weil
er ein unter dem Einflusse papistischer Priester stehender Papist
war. Wilhelm war unpopulär, weil er ein ausländischen Günstlingen
zugethaner Ausländer war. Anna war zu gleicher Zeit Protestantin
und Engländerin. Unter ihrer Regierung konnte das Land nicht in die
Gefahr kommen, entweder mit Jesuiten oder mit Holländern überschwemmt
zu werden. Daß Marlborough die stärksten Gründe hatte, sie auf den
Thron zu setzen, lag auf der Hand. Am Hofe ihres Vaters konnte er nie
etwas Andres als ein reuiger Sünder sein, dessen Dienste durch einen
Pardon mehr als bezahlt waren. An ihrem Hofe aber wäre der Gatte ihrer
geliebten Freundin das geworden, was Pipin Heristall und Karl Martell
den Chilperich und Childebert gewesen waren. Die oberste Leitung der
Civil- und Militärverwaltung wäre in seine Hände gekommen, er hätte
über die ganze Macht England’s verfügt, er hätte die Wagschale Europa’s
gehalten, große Könige und Republiken hätten um seine Gunst gebuhlt
und ihre Staatskassen erschöpft in der eitlen Hoffnung, seine Habsucht
zu befriedigen. Es war daher anzunehmen, daß, wenn er die englische
Krone in seine Gewalt bekam, er sie der Prinzessin aufsetzen würde.
Welche Beweise die Richtigkeit dieser Annahme unterstützten, ist nicht
bekannt; soviel aber ist gewiß, daß sich etwas ereignete, was einige
der ergebensten Freunde der verbannten Familie überzeugte, daß er
eine neue Perfidie im Sinne habe, welche selbst das noch übertraf,
was er in Salisbury gethan. Sie fürchteten daß, wenn es ihnen in
diesem Augenblicke gelang, Wilhelm los zu werden, Jakob’s Situation
hoffnungsloser als je sein würde.


[_Marlborough’s Complot durch die Jakobiten verrathen._] Sie waren von
der Falschheit ihres Complicen so fest überzeugt, daß sie sich nicht nur
weigerten, in der Ausführung des von ihm entworfenen Planes weiter zu
gehen, sondern den ganzen Anschlag Portland entdeckten.

Wilhelm scheint durch diese Mittheilung in einem bei ihm ganz
ungewöhnlichen Grade beunruhigt und aufgebracht worden zu sein. Er war
sonst nachsichtig, ja sogar absichtlich blind für die Schlechtigkeit der
englischen Staatsmänner, die er in seinem Dienste verwendete. Er ahnete,
er wußte sogar, daß einige seiner Diener mit seinem Nebenbuhler in
Correspondenz standen, und doch bestrafte er sie nicht, verabschiedete
sie nicht und zeigte ihnen nicht einmal ein finstres Gesicht. Er
schätzte das ganze Geschlecht von Staatsmännern, welches die
Restauration gebildet und der Revolution hinterlassen hatte, gering, und
er hatte nur zu guten Grund, sie gering zu schätzen. Er kannte sie zu
gut, als das er sich hätte darüber beklagen sollen, daß er bei ihnen
keine Wahrhaftigkeit, Treue, Consequenz und Uneigennützigkeit fand. Das
Aeußerste was er von ihnen erwartete, war, daß sie ihm dienen würden,
soweit als sie ihm ohne Gefahr für sich selbst dienen konnten. Wenn er
hörte, daß sie, während sie in seinem Staatsrathe saßen und von seiner
Freigebigkeit reich wurden, sich in Saint-Germains einen Einfluß zu
verschaffen suchten, der ihnen im Falle einer Contrerevolution von
Nutzen sein konnte, so war er eher geneigt ihnen das geringschätzende
Lob zu ertheilen, das vor Alters der weltlichen Klugheit des ungerechten
Hausverwalters gezollt wurde, als sie zu strenger Rechenschaft zu
ziehen. Aber Marlborough’s Verbrechen war von ganz andrer Art. Sein
Verrath war nicht der eines Kleinmüthigen, der sich für alle Fälle eine
Hinterthür offen halten will, sondern der eines Mannes von furchtlosem
Muthe, großer Klugheit und maßlosem Ehrgeize. Wilhelm war nicht zur
Furcht geneigt; aber wenn es irgend etwas in der Welt gab was er
fürchtete, so war es Marlborough. Den Verbrecher so zu behandeln wie er
es verdiente, war allerdings unmöglich, denn Die, welche seine Absichten
der Regierung verrathen hatten, würden sich nie dazu verstanden haben,
gegen ihn in der Zeugenloge zu erscheinen; aber ihm das Obercommando der
Armee zu lassen, die er eben zu verführen beschäftigt war, würde
Wahnsinn gewesen sein.


[_Marlborough’s Ungnade._] Spät am Abend des 9. Januar hatte die Königin
eine peinliche Unterredung mit der Prinzessin Anna. Am andern Morgen in
der Frühe wurde Marlborough benachrichtigt, daß Ihre Majestäten seiner
Dienste ferner nicht bedürften und daß er sich nicht beikommen lassen
solle, wieder vor dem Könige oder der Königin zu erscheinen. Er war mit
Ehren, und, was ihm noch viel lieber gewesen war, mit Reichthümern
überschüttet worden. Dies Alles wurde ihm plötzlich entzogen.


[_Verschiedene Gerüchte über die Ursache von Marlborough’s Ungnade._]
Die wahre Geschichte dieser Vorgänge war nur Wenigen bekannt. Evelyn,
der gewöhnlich vortreffliche Erkundigungsquellen hatte, glaubte, daß die
Bestechlichkeit und die Erpressung, deren Marlborough sich notorisch
schuldig gemacht hatte, den königlichen Unwillen erregt hätten. Die
holländischen Minister konnten den Generalstaaten nur sagen, daß
Marlborough’s Feinde sechs verschiedene Geschichten in Umlauf gebracht
hätten. Einige sagten, er habe sich indiscreterweise ein wichtiges
militärisches Geheimniß entschlüpfen lassen; Andere, er habe
unehrerbietig von Ihren Majestäten gesprochen; Andere, er habe zwischen
der Königin und der Prinzessin Unfrieden gestiftet; Andere, er habe in
der Armee Cabalen geschmiedet; Andere, er habe unbefugterweise mit der
dänischen Regierung über die allgemeine europäische Politik
correspondirt; noch Andere endlich, er habe mit den Agenten des Hofes
von Saint-Germains verkehrt.[44] Seine Freunde widersprachen allen
diesen Geschichten und behaupteten, sein einziges Verbrechen bestehe in
seiner Abneigung gegen die Fremden, die über seine Landsleute
dominirten, und er sei ein Opfer der Machinationen Portland’s geworden,
von dem man wußte, daß er ihn nicht leiden konnte und den er eben nicht
sehr artig einen hölzernen Patron genannt hatte. Das von Anfang an über
der Geschichte von Marlborough’s Ungnade schwebende Dunkel wurde nach
Verlauf von funfzig Jahren durch die schamlose Lügenhaftigkeit seiner
Wittwe noch undurchdringlicher. Jakob’s gedrängte Darstellung zerreißt
den Geheimnißschleier und giebt nicht nur darüber Aufklärung, warum
Marlborough in Ungnade fiel, sondern auch darüber, wie mehrere von den
Gerüchten über die Ursache seiner Ungnade entstanden sind.[45]


[_Bruch zwischen Marien und Anna._] Wenn auch Wilhelm dem Publikum
keinen Grund angab, warum er durch Entlassung seines Dieners seine
unbestrittene Prärogative ausübte, so war doch Anna von dem wahren
Sachverhalt unterrichtet worden, und man hatte es ihr überlassen zu
beurtheilen, ob ein Offizier, der sich eines schändlichen Verraths
schuldig gemacht, ein passender Bewohner des Palastes sei. Drei Wochen
vergingen. Lady Marlborough behielt noch immer ihren Posten und ihre
Gemächer zu Whitehall inne, ihr Gatte wohnte noch immer bei ihr, und
noch immer gaben der König und die Königin kein Zeichen von Mißfallen.
Endlich beschloß die übermüthige und rachsüchtige Gräfin, durch ihre
Langmuth dreist gemacht, ihnen offen zu trotzen, und begleitete ihre
Gebieterin eines Abends in den Abendzirkel nach Kensington. Das war
selbst der sanften Marie zu stark. Sie würde ihren Unwillen vor der
ganzen Gesellschaft, welche die Spieltische umgab, geäußert haben, hätte
sie nicht bedacht, daß ihre Schwester sich in einem Zustande befand, in
welchem die Frauen Anspruch auf besondere Schonung haben. Sie sagte
daher diesen Abend nichts; am folgenden Tage aber wurde der Prinzessin
ein Brief von der Königin überbracht. Marie erklärte, daß sie eine
Schwester, die sie liebe und bei der sie leicht über jeden gewöhnlichen
Fehler hinwegsehen könne, ungern betrübe; aber die Sache sei zu ernst.
Lady Marlborough müsse entlassen werden. So lange sie Whitehall bewohne,
würde auch ihr Gatte daselbst wohnen. Sei es aber schicklich, daß ein
Mann in seiner Lage den Palast seines beleidigten Gebieters bewohnen
dürfe? Se. Majestät sei indessen so entschieden abgeneigt, selbst gegen
den schlimmsten Uebelthäter mit Strenge zu verfahren, daß er auch dies
sich habe gefallen lassen und es sich noch langer würde gefallen lassen
haben, hätte nicht Anna die Gräfin veranlaßt, dem Könige und der Königin
in ihrem eigenen Gesellschaftszimmer zu trotzen. „Es war unfreundlich
von einer Schwester,” schrieb Marie; „es würde unartig von einer
Gleichstehenden gewesen sein, und ich brauche wohl nicht zu sagen, daß
ich mehr beanspruchen darf.” Die Prinzessin versuchte es in ihrer
Antwort nicht, Marlborough zu rechtfertigen oder zu entschuldigen,
sprach aber die feste Ueberzeugung aus, daß seine Gattin unschuldig sei,
und beschwor die Königin, nicht auf einer so herzzerreißenden Trennung
zu bestehen. „Es giebt kein Unglück,” schrieb Anna, „das ich nicht eher
würde ertragen können als den Gedanken, mich von ihr zu trennen.”

Die Prinzessin ließ ihren Oheim Rochester kommen und bat ihn dringend,
ihren Brief nach Kensington zu überbringen und dort ihr Fürsprecher zu
sein. Rochester lehnte das Amt des Boten ab und zeigte sich, obwohl er
die Eintracht zwischen seinen Verwandten herzustellen versuchte,
durchaus nicht geneigt, zu Gunsten der Churchill zu sprechen. Er sah in
der That schon seit langer Zeit mit höchstem Mißfallen die unbedingte
Herrschaft, welche dieses characterlose Ehepaar über seine jüngere
Nichte ausübte. Anna’s Schreiben wurde sonach der Königin durch einen
Diener übersandt. Die einzige Antwort darauf war ein Handbillet von dem
Lord Kammerherrn, Dorset, welches Lady Marlborough befahl, den Palast zu
verlassen. Mrs. Morley wollte sich nicht von Mrs. Freeman trennen, und
Mr. Morley war jeder Aufenthaltsort recht, wo er seine drei Gänge und
seine drei Flaschen haben konnte. Die Prinzessin zog sich daher mit
ihrer ganzen Familie nach Sion House, einer dem Herzoge von Somerset
gehörenden, am Ufer der Themse gelegenen Villa zurück. In London
bewohnte sie Berkeley House, das in Piccadilly in der Gegend stand, wo
sich jetzt Devonshire House befindet.[46] Ihr Einkommen war ihr durch
eine Parlamentsacte gesichert, aber keine Strafe, welche die Krone über
sie zu verhängen die Macht hatte, wurde gespart. Ihre Ehrenwache wurde
ihr entzogen. Die fremden Gesandten machten ihr nicht mehr die
Aufwartung. Wenn sie nach Bath ging, schrieb der Staatssekretär an den
dortigen Mayor, um ihn aufzufordern, sie nicht mit den Ehrenbezeigungen
zu empfangen, mit denen königliche Besucher bewillkommnet zu werden
pflegten. Wenn sie in der St. James-Kirche dem Gottesdienste beiwohnte,
bemerkte sie, daß es dem Rector untersagt worden war, ihr die üblichen
Achtungsbezeigungen zu erweisen, sich auf der Kanzel vor ihr zu
verbeugen und eine Abschrift des Predigttextes auf ihr Kissen legen zu
lassen. Selbst der Nachtwächter von Piccadilly, sagte man, vielleicht
fälschlich, habe Ordre gehabt, nicht mehr unter ihren Fenstern von
Berkeley House ihr Lob in seinen holprigen Versen zu singen.[47]

Daß Anna Unrecht hatte, war klar; nicht ganz so klar aber war es, ob
der König und die Königin Recht hatten. Sie hätten ihr Mißfallen
entweder ganz verbergen, oder die wahren Gründe desselben offen erklären
sollen. Leider jedoch ließen sie Jedermann die Strafe sehen, aber kaum
irgend Jemanden die Veranlassung dazu erfahren. Sie hätten bedenken
sollen, daß bei mangelnder Kenntniß der Ursache eines Streits das
Publikum von vornherein geneigt ist, für den schwächeren Theil Partei zu
nehmen und daß diese Geneigtheit in dem Falle ganz besonders stark sein
muß, wenn eine Schwester ohne sichtbaren Grund von einer Schwester hart
behandelt wird. Sie hätten ferner auch bedenken sollen, daß sie die
einzige verwundbare Seite von Mariens Character Angriffen preisgaben.
Ein hartes Geschick hatte sie mit ihrem Vater verfeindet. Ihre
Verleumder sprachen ihr jede natürliche Kindesliebe ab und selbst ihre
Lobredner mußten, wenn sie von der Art und Weise sprachen, wie sie sich
ihrer Kindespflichten entledigte, einen gedämpften und apologetischen
Ton annehmen. Es konnte sich daher nicht unglücklicher treffen, als daß
sie zum zweiten Male der Bande des Bluts uneingedenk erschien. So lag
sie also nun im offenen Kriege mit den beiden Personen, die ihr nach dem
Verwandtschaftsgrade am nächsten standen. Viele, welche ihr Benehmen
gegen ihren Vater durch die dringende Gefahr, die ihr Vaterland und ihre
Religion bedroht hatte, für gerechtfertigt hielten, vermochten nicht,
ihr Verfahren gegen ihre Schwester zu vertheidigen. Während Marie, der
man in dieser Angelegenheit thatsächlich nichts Schlimmeres zur Last
legen konnte als Unbesonnenheit, von der Welt als eine Tyrannin
betrachtet wurde, spielte Anna, die so strafbar war, als sie ihren
geringen Fähigkeiten nach es nur immer sein konnte, die Theilnahme
erweckende Rolle einer sanften, ergebenen Dulderin. In den vertrauten
Briefen, welche mit dem Namen Morley unterschrieben waren, sprach die
Prinzessin zwar die Gesinnungen einer Furie im Style eines Fischweibes
aus, schimpfte maßlos auf die ganze holländische Nation und nannte ihren
Schwager bald eine Ausgeburt, bald ein Monstrum, bald einen Caliban.[48]
Aber die Nation hörte von ihrer Sprache und sah von ihrem Benehmen nur
was anständig und unterwürfig war. Das Wahre scheint gewesen zu sein,
daß die hämische und niedrigdenkende Gräfin den Ton der vertraulichen
Correspondenz Ihrer Hoheit angab, während der liebenswürdige, ruhige und
kluge Earl das Verfahren vorschreiben durfte, das der Oeffentlichkeit
gegenüber zu beobachten war. Eine kurze Zeit lang wurde die Königin
allgemein getadelt. Aber der Zauber ihres Characters und ihres Benehmens
war unwiderstehlich, und binnen wenigen Monaten erlangte sie die
verlorene Popularität wieder.[49]


[_Fuller’s Complot._] Es war ein für Marlborough sehr glücklicher
Umstand, daß gerade zu der Zeit als ganz London von seiner Ungnade
sprach und die Ursache von des Königs plötzlichem Zorn gegen einen Mann,
der stets ein Günstling gewesen zu sein schien, zu errathen suchte,
durch Wilhelm Fuller eine Anklage auf Hochverrath erhoben, genau
untersucht und als böswillige Erdichtung erwiesen wurde. Die Folge davon
war, daß das Publikum, das selten streng unterscheidet, in diesem
Augenblicke nicht leicht dahin gebracht werden konnte, an die Existenz
einer jakobitischen Verschwörung zu glauben.

Daß Fuller’s Complot weniger berühmt ist als das papistische Complot,
ist mehr Schuld der Geschichtsschreiber als Fuller’s, der sein
Möglichstes that, um sich einen hervorragenden Platz unter den Schurken
zu sichern. Jeder, der in der Geschichte wohl bewandert ist, muß die
Bemerkung gemacht haben, daß die Verderbtheit ihre temporären Moden hat,
welche aufkommen und wieder verschwinden wie Kleider- und Möbelmoden. Es
darf bezweifelt werden, ob in unsrem Lande vor dem Jahre 1678 irgend
Jemand eine gänzlich erdichtete umständliche Geschichte von einem
hochverrätherischen Complot zu dem Zwecke erfand und eidlich erhärtete,
um sich dadurch einen Namen zu machen, daß er Männer, die ihm nichts
gethan hatten ins Verderben stürzte. Im Jahre 1678 aber wurde dieses
abscheuliche Verbrechen Mode und blieb es während der nächstfolgenden
zwanzig Jahre. Prediger bezeichneten es als unsre characteristische
Nationalsünde und prophezeiten, daß es ein furchtbares nationales
Gericht über uns bringen werde. Gesetzgeber schlugen neue Strafen von
äußerster Strenge für diese neue Schändlichkeit vor.[50] Doch es wurde
nicht für nöthig befunden, diese Strafen anzuwenden. Die Mode wechselte,
und während der letzten hundertfunfzig Jahre ist vielleicht kein
einziger Fall von dieser eigenthümlichen Art von Schlechtigkeit mehr
vorgekommen.

Die Erklärung ist sehr einfach. Oates war der Gründer einer Schule. Sein
Erfolg beweist, daß kein Roman so unsinnig sein kann, um nicht bei
Menschen, deren Verstand durch Furcht und Haß verwirrt ist, Glauben zu
finden. Seine Verleumdungen waren empörend, aber sie waren der Zeit
angepaßt, er sprach zu Leuten, die ihre Leidenschaften leichtgläubig
machten, und so erhob er sich durch unverschämtes und herzloses Lügen
binnen einer Woche aus Armuth und Dunkel zu Luxus, Berühmtheit und
Macht. Er hatte einst die geringen Zehnten eines dürftigen Vicariats
dadurch vermehrt, daß er seinen Pfarrkindern die Ferkel und das Geflügel
stahl.[51] Jetzt bewohnte er einen Palast, bewundernde Volkshaufen
begleiteten ihn auf der Straße, das Vermögen und das Leben eines Howard
und eines Herbert waren in seiner Gewalt. Alsbald tauchte ein Heer von
Nachahmern auf. Es schien durch Denunciren einer erdichteten
Verschwörung viel mehr zu verdienen und viel weniger zu riskiren zu
sein, als durch Straßenraub oder durch Beschneiden des Geldes. In Folge
dessen beeilten sich die Bedloe, die Dangerfield, die Dugdale und die
Turbervile, ihre Industrie einer Beschäftigung zuzuwenden, die zugleich
einträglicher und minder gefährlich war als irgend eine, an die sie
gewöhnt waren. Bis zur Auflösung des Oxforder Parlaments waren
papistische Complots der Hauptfabrikationszweig. Dann waren sieben Jahre
lang whiggistische Complots die einzigen, die etwas abwarfen. Nach der
Revolution kamen die jakobitischen Complots auf; aber das Publikum war
vorsichtig geworden, und obgleich die neuen falschen Zeugen in keiner
Hinsicht minder geschickt waren als ihre Vorgänger, so fanden sie doch
weit weniger Aufmunterung. Die Geschichte des ersten großen Schlages,
das dem Treiben dieser verworfenen Race von Menschen versetzt wurde,
verdient wohl ausführlich erzählt zu werden.

Im Jahre 1689 und zu Anfang des Jahres 1690 hatte Wilhelm Fuller der
Regierung Dienste geleistet, wie auch die beste Regierung ihrer zuweilen
bedarf, wie sie aber nur von den schlechtesten Menschen geleistet
werden. Seine nützliche Verrätherei war von denen, die ihn gebraucht
hatten, gebührenderweise mit Geld und mit Verachtung bezahlt worden.
Ihre Freigebigkeit setzte ihn in den Stand, einige Monate wie ein
eleganter Gentleman zu leben. Er nannte sich Oberst, miethete Bedienten,
kleidete sie in prachtvolle Livreen, kaufte schöne Pferde, wohnte in
Pall Mall und zeigte seine freche Stirn, über der eine Perrücke für
funfzig Guineen thronte, in den Vorzimmern des Palastes und in der
Prosceniumsloge des Theaters. Er gab sich sogar das Ansehen eines
königlichen Günstlings und, als ob er geglaubt hätte Wilhelm könne ohne
ihn nicht leben, folgte er Sr. Majestät zuerst nach Irland und dann zum
Fürstencongreß im Haag. Fuller rühmte sich nachmals, er sei im Haag mit
einem eines Gesandten würdigen Gefolge aufgetreten, habe zehn Guineen
die Woche für eine Wohnung bezahlt und die schlechteste Weste, die er zu
tragen sich herabgelassen habe, sei von Silberstoff zu vierzig Schilling
die Yard gewesen. Eine solche Verschwendung machte ihn natürlich wieder
arm. Bald nach seiner Rückkehr nach England flüchtete er sich vor den
Gerichtsdienern nach Axe Yard, einem im Bezirk von Whitehall gelegenen
Platze. Seine Finanzen waren trostlos; er schuldete große Summen, an die
Regierung hatte er keine Ansprüche mehr; seine vergangenen Dienste waren
überreichlich bezahlt worden und zukünftige Dienste erwartete man nicht
von ihm; nachdem er als Kronzeuge in der Zeugenloge gestanden hatte,
konnte er ferner nicht mehr als Spion bei den Jakobiten verwendet
werden, und von jedem Ehrenmanne, welcher Partei er auch angehören
mochte, wurde er verabscheut und gemieden.

Gerade zu dieser Zeit, als er sich in der Stimmung befand, in der der
Mensch den schlimmsten Versuchungen zugänglich ist, begegnete er dem
schlimmsten Versucher, dem Teufel in Menschengestalt. Oates hatte seine
Freiheit, seine Begnadigung und eine Pension erhalten, die ihn zu einem
reicheren Manne machten als neunzehn Zwanzigstel der Mitglieder des
Standes, dessen Schande er war. Aber er war noch nicht zufrieden. Er
beklagte sich, daß er jetzt nur dreihundert Pfund jährlich habe, während
er in den goldenen Tagen des Complots dreimal so viel bekommen, eine
prächtige Wohnung im Palaste gehabt, auf Silbergeschirr gespeist und
sich in Seide gekleidet habe. Er verlangte eine Erhöhung seines Gehalts,
ja er war sogar unverschämt genug, um ein geistliches Amt nachzusuchen
und hielt es für hart, daß, während so viele Mitren verliehen würden, er
keine Dechanei, keine Präbende, nicht einmal eine Pfarre erlangen könne.
Er versäumte keine Gelegenheit, um seine Ansprüche geltend zu machen. Er
trieb sich in den öffentlichen Bureaux und in den Vorzimmern der
Parlamentshäuser umher. Jeden Tag konnte man ihn sehen und hören, wie er
so schnell als seine ungeraden Beine ihn tragen wollten, zwischen
Charing Croß und Westminster Hall hin und her lief, von Hast und
Selbstgefühl aufgebläht, wie er von seinen Thaten für die gute Sache
schwatzte und im Tone eines Ruderknechtes auf alle die Staatsmänner und
Geistlichen schimpfte, von denen er argwöhnte, daß sie ihn bei Hofe
anschwärzten und ihn um ein Bisthum brächten. Als er sah, daß bei der
Landeskirche keine Hoffnung mehr für ihn war, wendete er sich zu den
Baptisten. Sie nahmen ihn anfangs sehr kalt auf; aber er entwarf so
rührende Schilderungen von dem wunderbaren Gnadenwerke, das in seiner
Seele vorgegangen sei und gelobte so feierlich bei Jehova und den
heiligen Engeln, fortan ein brennendes und leuchtendes Licht zu sein,
daß es einfachen und gutherzigen Leuten schwer wurde, ihn für einen
vollständigen Heuchler zu halten. Er traure, sagte er, wie eine
Turteltaube. An einem Sonntage habe er gemeint, er müsse vor Gram
sterben, daß er von der Gemeinschaft mit den Heiligen ausgeschlossen
bleiben solle. So wurde er endlich in die Gemeinde aufgenommen; noch ehe
er aber ein Jahr unter seinen neuen Freunden zugebracht, kamen sie
hinter seinen wahren Character und stießen ihn feierlich als einen
Heuchler aus. Von diesem Augenblicke an wurde er der Todfeind der
Baptistenhäupter und verfolgte sie mit der nämlichen Heimtücke, der
nämlichen Lügenhaftigkeit, der nämlichen Frechheit und der nämlichen
schwarzen Bosheit, welche viele Jahre früher berühmtere Opfer ins
Verderben gestürzt hatten. Die, welche noch unlängst durch die
Schilderung seiner heiligen Erfahrungen erbaut worden waren, hörten ihn
mit Entsetzen ausrufen, daß er sich rächen werde, daß Rache ein
gottselig köstlich Ding sei, daß die Schurken, die ihn excommunicirt
hätten, zu Grunde gerichtet, daß sie gezwungen werden sollten, aus ihrem
Vaterlande zu flüchten, daß sie bis auf den letzten Schilling ausgezogen
werden sollten. Seine Pläne wurden endlich durch ein sehr vernünftiges
Decret des Kanzleigerichtshofes vereitelt, ein Decret, das auf dem Rufe
eines gewöhnlichen Menschen einen tiefen Schandfleck zurückgelassen
haben würde, das aber die Infamie des Titus Oates nicht erheblich
vermehrte.[52] Durch alle Wechselfälle jedoch war er von einer kleinen
Schaar hitzköpfiger und lästerzüngiger Agitatoren umringt, die sich,
obwohl von jedem ehrenwerthen Whig verabscheut und verachtet, Whigs
nannten und die sich zurückgesetzt glaubten, weil sie für Gemeinheiten
und Verleumdungen nicht mit den besten Kronstellen belohnt wurden.

Im Jahre 1691 hatte Titus, um dem Mittelpunkte der politischen
Intriguen und Parteiumtrieben nahe zu sein, ein Haus innerhalb des
Bezirks von Whitehall bezogen. In diesem Hause erlangte Fuller,
der dicht nebenan wohnte, Zutritt. Das böse Werk, das die Memoiren
Dangerfield’s in ihm begonnen hatten, als er noch ein Knabe war, wurde
jetzt durch die Unterhaltung mit Oates vollendet. Der Salamancadoctor
war als Zeuge nicht mehr furchtbar; aber er wurde theils durch die
hämische Bosheit, die er gegen Alle empfand, die er für seine Feinde
hielt, theils durch eine bloße affenartige Ruhelosigkeit und Liebe
zum Unheilstiften angetrieben, das was er persönlich nicht mehr thun
konnte, durch die Vermittlung Anderer zu thun. In Fuller hatte er das
verdorbene Herz, die gewandte Zunge und die schamlose Stirn gefunden,
welche die ersten Erfordernisse für das Amt eines falschen Anklägers
sind. Es entstand eine Freundschaft, wenn man sich dieses Wortes hier
bedienen darf, zwischen dem Paare. Oates öffnete Fuller sein Haus
und sogar seine Börse. Der erfahrene Sünder gab dem Neulinge, theils
direct, theils durch seine Anhänger, zu verstehen, daß nichts einen
Mann zu solcher Bedeutung erhebe, als die Entdeckung eines Complots
und daß jetzt eine Zeit sei, in der ein junger Mensch, der vor nichts
zurückschrecke und Niemanden fürchte, Wunder thun könne. Die Revolution
-- so lautete die Sprache, welche Titus und seine Parasiten beständig
führten -- habe nicht viel Gutes gebracht. Die Feuerköpfe Shaftesbury’s
seien nicht nach ihren Verdiensten belohnt worden. Selbst der Doctor,
so weit gehe die Undankbarkeit der Menschen, werde an dem neuen Hofe
mit Kälte behandelt. Schurkische Tories säßen im Staatsrathe und
hätten Zutritt im königlichen Cabinet. Es würde eine edle That sein,
wenn man ihre Köpfe unter das Beil brächte. Vor Allem würde es eine
Lust sein, Nottingham’s langes, feierliches Gesicht auf Tower Hill
zu sehen. Denn der Haß dieser schlechten Menschen gegen Nottingham
kannte keine Grenzen und wurde wahrscheinlich weniger durch seine
politischen Ansichten, an denen allerdings Manches auszusetzen war,
als durch seinen moralischen Character erweckt, in welchem auch die
strengste Untersuchung wenig finden wird, was nicht Beifall verdiente.
Oates hielt seinen Schüler mit der wichtigen Miene, welche Erfahrung
und Erfolg einen Lehrer anzunehmen berechtigen, eine Vorlesung über
die Kunst, falsches Zeugniß abzulegen. „Sie hätten,” sprach er unter
zahlreichen Schwüren und Flüchen „aus dem was Sie in Saint-Germains
hörten und sahen, viel größeren Nutzen ziehen können. Nie gab es eine
schönere Grundlage zu einem Complot. Aber Sie sind ein Thor, Sie sind
ein Narr, ich könnte Sie prügeln. Ich würde es anders gemacht haben.
Ich ging zu Karl und machte ihm die Hölle heiß. Ich nannte Lauderdale
ins Gesicht einen Schurken. Der König, die Minister, die Lords und
die Gemeinen hatten Furcht vor mir. Aber Sie junger Mann haben keine
Courage.” Fuller war höchst erbaut durch diese Reden. Indessen wurde
ihm durch einige seiner Genossen angedeutet, daß, wenn er das Geschäft
betreiben wolle, Leute durch seine Zeugenaussagen an den Galgen zu
bringen, er wohl thun würde, sich nicht so oft in Titus’ Gesellschaft
in Kaffeehäusern zu zeigen. „Der Doctor,” sagte einer von der Bande,
„ist ein vortrefflicher Mann und hat zu seiner Zeit Großes bewirkt,
aber viele Leute haben ein Vorurtheil gegen ihn, und wenn sie wirklich
im Begriff sind ein Complot zu entdecken, so wird es um so besser für
Sie sein, je seltener man Sie in seiner Gesellschaft sieht.” Fuller
stellte in Folge dessen seine Besuche in Oates’ Hause ein, erhielt aber
noch immer in der Stille Instructionen von seinem großen Meister.

Man muß Fuller die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er das Geschäft
eines falschen Zeugen erst ergriff, als er sich nicht mehr durch
Bettelei oder Schwindelei zu erhalten vermochte. Eine Zeit lang lebte er
von der Mildthätigkeit der Königin. Dann erhob er Contributionen, indem
er sich für ein Mitglied der vornehmen Familie Sidney ausgab. Er
schwatzte Tillotson etwas Geld ab und vergalt die Gefälligkeit des guten
Erzbischofs damit, daß er sich als den Lieblingsneffen Sr. Gnaden
gerirte. Allein im Herbst 1691 waren alle diese Hülfsquellen erschöpft.
Nachdem Fuller in mehreren Schuldgefängnissen gesessen hatte, wurde er
endlich im Gefängnisse der King’s Bench einquartirt, und jetzt hielt er
es für Zeit anzukündigen, daß er ein Complot entdeckt habe.[53]

Er wendete sich zuerst an Tillotson und Portland; aber Beide bemerkten
bald, daß er log. Seine Aussagen wurden jedoch dem Könige mitgetheilt,
der, wie sich erwarten ließ, die Denunciation sowohl als den
Denuncianten mit kalter Verachtung behandelte. Es blieb nun weiter
nichts übrig, als zu versuchen, ob im Parlament eine Flamme angefacht
werden könnte.

Bald nachdem die Häuser sich versammelt hatten, petitionirte Fuller
bei den Gemeinen um Anhörung dessen was er zu sagen habe, und versprach
wunderbare Enthüllungen. Er wurde aus seinem Kerker vor die Schranke des
Hauses gebracht und wiederholte hier einen langen Roman. Jakob, sagte
er, habe die königliche Autorität sechs Commissaren übertragen, deren
erster Halifax sei. Mehr als funfzig Lords und Gentlemen hätten eine
Adresse an den französischen König unterzeichnet, worin sie ihn dringend
bäten, eine große Anstrengung zur Restauration des Hauses Stuart zu
machen. Fuller erklärte, daß er die Adresse gesehen habe, und nannte
mehrere der unterzeichneten Namen. Einige Mitglieder äußerten sich sehr
stark über die Unwahrscheinlichkeit der Geschichte und über den
Character des Angebers. Er sei, meinten sie, einer der größten Schurken
auf Gottes Erdboden und erzähle Dinge, die man kaum glauben könne, wenn
er ein Engel vom Himmel wäre. Fuller machte sich mit frecher Stimme
anheischig, Beweise beizubringen, die auch dem Ungläubigsten genügen
würden. Er behauptete er stehe mit einigen von Jakob’s Agenten in
Verbindung, welche bereit seien wieder gut zu machen, was sie gegen ihr
Vaterland verschuldet. Ihr Zeugniß werde entscheidend sein, denn sie
seien im Besitz schriftlicher Beweise, welche die Schuldigen
niederschmettern würden. Sie hielten damit nur deshalb zurück, weil sie
einige der Verräther auf hohen Posten und in der Nähe des Königs sahen
und fürchteten, sich die Feindschaft so mächtiger und so böser Menschen
zuzuziehen. Fuller schloß damit, daß er eine Summe Geldes verlangte und
den Gemeinen versicherte, er werde es nutzbringend verwenden.[54] Wäre
sein unverschämtes Verlangen erfüllt worden, so würde er wahrscheinlich
seine Schulden bezahlt, seine Freiheit erlangt und sich aus dem Staube
gemacht haben; aber das Haus bestand wohlweislich darauf, seine Zeugen
erst zu sehen. Da begann er Ausflüchte zu machen. Die Herren seien auf
dem Continent und könnten ohne Pässe nicht herüberkommen. Es wurden ihm
Pässe gegeben; aber er erklärte dieselben für ungenügend. Da die
Gemeinen sich fest vorgenommen hatten, der Sache auf den Grund zu gehen,
überreichten sie dem Könige eine Adresse, worin sie ihn ersuchten,
Fuller einen Blancogeleitsbrief in weitester Ausdehnung zu senden.[55]
Der König schickte den Geleitsbrief. Es vergingen sechs Wochen, und man
hörte nichts von den Zeugen. Die Freunde der angeklagten Lords und
Gentlemen drangen energisch darauf, daß das Haus sich für den Sommer
nicht trennen dürfe, ohne über so schwere Beschuldigungen zu einer
Entscheidung gekommen zu sein. Fuller wurde citirt. Er schützte
Krankheit vor und behauptete, nicht zum ersten Male, die Jakobiten
hätten ihn vergiftet. Aber alle seine Pläne wurden durch die
lobenswerthe Eil und Energie, mit der die Gemeinen zu Werke gingen,
vereitelt. Es wurde ein Ausschuß an sein Bett geschickt, mit der Weisung
zu ermitteln, ob er wirklich Zeugen habe und wo diese Zeugen sich
aufhielten. Die zu diesem Zwecke abgeordneten Mitglieder begaben sich in
das Gefängniß der King’s Bench und fanden ihn an einer Unpäßlichkeit
leidend, welche aller Wahrscheinlichkeit nach durch ein Brechmittel
verursacht war, das er verschluckt hatte, um sie zu täuschen. In Antwort
auf ihre Fragen gab er an, daß zwei von seinen Zeugen, Delaval und Hayes
in England seien und im Hause eines katholischen Apothekers in Holborn
wohnten. Sobald der Ausschuß seinen Bericht erstattet hatte, schickten
die Gemeinen einige Mitglieder nach dem bezeichneten Hause. Dieses so
wie alle Nebenhäuser wurden durchsucht, aber Delaval und Hayes wurden
nicht gefunden und kein Mensch in der Nachbarschaft hatte je von Leuten
dieses Namens etwas gesehen noch gehört. Das Haus faßte daher am letzten
Sessionstage, kurz ehe der schwarze Stab an die Thür klopfte, den
einstimmigen Beschluß, daß Wilhelm Fuller ein Betrüger und falscher
Ankläger sei, daß er die Regierung und das Parlament beleidigt, daß er
ehrenwerthe Männer verleumdet habe und daß dem Throne eine Adresse
überreicht werden solle, welche darum ersuchte, ihm wegen seiner
Schurkerei den Prozeß zu machen.[56] Er wurde demgemäß in Untersuchung
gezogen, für schuldig befunden und zu Geldstrafe, Gefängnißhaft und
Ausstellung am Pranger verurtheilt. Die Ausstellung, einem Menschen in
dem nicht alles Schamgefühl erstickt ist, schrecklicher als der Tod,
ertrug er mit einem seiner beiden Lieblingsvorbilder, Dangerfield und
Oates, würdigen Gleichmuth. Er hatte die Unverschämtheit, noch Jahre
lang zu behaupten, daß er als ein Opfer der Machinationen des vorigen
Königs gefallen sei, der es sich sechstausend Pfund Sterling habe kosten
lassen, um ihn ins Verderben zu stürzen. Delaval und Hayes -- so lautete
diese Fabel -- seien von Jakob persönlich instruirt gewesen. Sie hätten
auf seinen Befehl Fuller überredet, sich für ihr Erscheinen mit seinem
Worte zu verbürgen und dann hätten sie sich aus dem Staube gemacht und
ihn dem Zorne des Hauses der Gemeinen überlassen.[57] Die Geschichte
wurde so aufgenommen wie sie es verdiente. Fuller sank in ein Dunkel
zurück, aus dem er noch einige Male in langen Zwischenräumen zu neuer
Schande auftauchte.


[_Schluß der Session; Bill zur Feststellung der Gehalte der Richter
verworfen._] Am 24. Februar 1692, ungefähr eine Stunde nachdem die
Gemeinen Fuller für einen Betrüger erklärt hatten, wurden sie in den
Saal der Lords beschieden. Der König dankte den beiden Häusern für ihre
Loyalität und Liberalität, benachrichtigte sie, daß er bald nach dem
Continent reisen müsse, und befahl ihnen, sich zu vertagen. Er ertheilte
an diesem Tage vielen Bills, öffentlichen wie privaten, seine
Genehmigung, als aber der Sekretär der Krone den Titel einer Bill,
welche im Unterhause ohne eine einzige Abstimmung und im Oberhause ohne
einen einzigen Protest angenommen worden war, vorgelesen hatte, erklärte
der Sekretär der Parlamente der alten Form gemäß, der König und die
Königin würden sich die Sache überlegen. Diese Worte waren vor Wilhelm’s
Thronbesteigung selten ausgesprochen worden, und seit seinem Tode hat
man sie nur ein Mal gehört. Von ihm aber wurde die Befugniß, gegen
Gesetze, welche die Stände des Reichs angenommen hatten, sein Veto
einzulegen, bei mehreren wichtigen Gelegenheiten ausgeübt. Seine
Verleumder behaupteten ganz richtig, daß er eine größere Anzahl
wichtiger Bills verworfen habe als alle Könige des Hauses Stuart
zusammengenommen, und zogen daraus den albernen Schluß, daß er die
Ansicht der Stände des Reichs weit weniger respectirt habe als seine
Oheime und sein Großvater. Einem verständigen Geschichtsforscher wird es
nicht schwer werden zu entdecken, warum Wilhelm zu wiederholten Malen
eine Prärogative ausübte, zu welcher seine Vorfahren höchst selten ihre
Zuflucht nahmen und die seine Nachfolger ganz außer Gebrauch haben
kommen lassen.

Seine Vorgänger genehmigten leicht Gesetze, weil sie dieselben auch
leicht brachen. Karl I. gab seine Zustimmung zu der Petition des Rechts
und unmittelbar darauf verletzte er jede Klausel dieses wichtigen
Gesetzes. Karl II. gab seine Zustimmung zu einer Acte, welche bestimmte,
das mindestens alle drei Jahre ein Parlament gehalten werden sollte;
aber als er starb, war das Land bereits nahe an vier Jahre ohne
Parlament. Die Gesetze, welche den Gerichtshof der hohen Commission
abschafften, die Gesetze, welche den Sakramentstest einführten, wurden
ohne die geringste Schwierigkeit genehmigt; aber sie hielten Jakob II.
nicht ab, den Gerichtshof der Hohen Commission wieder zu errichten und
den Geheimen Rath, die öffentlichen Aemter, die Gerichtshöfe und die
Municipalcorporationen mit Personen zu füllen, welche den Test niemals
geleistet hatten. Nichts konnte natürlicher sein als daß ein König es
nicht der Mühe werth hielt, seine Genehmigung einem Gesetz
vorzuenthalten, dessen er sich entäußern konnte sobald er es für gut
fand.

Wilhelm’s Situation war eine ganz andre. Er konnte nicht wie Die, welche
vor ihm regiert hatten, im Frühjahr ein Gesetz genehmigen und es im
Sommer verletzen. Er hatte, indem er der Rechtsbill seine Zustimmung
ertheilte, der Dispensationsgewalt feierlich entsagt, und Klugheit
sowohl wie Gewissenhaftigkeit und Ehrgefühl hielten ihn ab, den Vertrag
zu brechen, kraft dessen er seine Krone trug. Ein Gesetz konnte ihm
persönlich nachtheilig sein, es konnte ihm schädlich für sein Volk
scheinen; aber sobald er es genehmigt hatte, war es in seinen Augen
etwas Geheiligtes. Er hatte daher einen Grund, den frühere Könige nicht
hatten, zu überlegen, ehe er ein solches Gesetz genehmigte. Sie gaben
ihr Wort bereitwillig, weil sie kein Bedenken trugen es zu brechen. Er
gab sein Wort schwer, weil er nie verfehlte es zu halten.

Obgleich indessen seine Lage weit verschieden war von der der Fürsten
des Hauses Stuart, so war sie doch auch nicht genau die der Fürsten des
Hauses Braunschweig. Ein Fürst des Hauses Braunschweig wird bezüglich
der Ausübung jeder königlichen Prärogative von dem Rathe eines
verantwortlichen Ministeriums geleitet, und dieses Ministerium muß aus
der Partei genommen sein, die in den beiden Häusern, oder wenigstens im
Unterhause die überwiegende ist. Es sind kaum Umstände denkbar, unter
denen ein so gestellter Souverain sich weigern kann, eine Bill zu
genehmigen, die von beiden Zweigen der Legislatur gebilligt worden ist.
Einer solchen Weigerung würde nothwendig eines von den zwei Dingen zum
Grunde liegen: daß der Souverain im Widerspruch mit dem Rathe des
Ministeriums handelte, oder daß das Ministerium über eine Frage von
wesentlicher Bedeutung mit einer Majorität der Gemeinen sowohl als der
Lords im Streit lag. Unter jeder dieser beiden Voraussetzungen würde das
Land in einer höchst kritischen Lage sein, in einer Lage, die, wenn sie
lange dauerte, mit einer Revolution endigen müßte. Aber während des
ersten Theils der Regierung Wilhelm’s gab es kein Ministerium. Die
Spitzen der ausübenden Verwaltung waren nicht ausschließlich einer der
beiden Parteien entnommen. Einige waren eifrige Whigs, andere eifrige
Tories. Die aufgeklärtesten Staatsmänner hielten es nicht für
verfassungswidrig, daß der König seine höchsten Prärogativen bei den
wichtigsten Gelegenheiten ohne eine andre Leitung als die seines eignen
Urtheils ausübt. Seine Weigerung, eine Bill zu genehmigen, welche von
beiden Häusern angenommen war, verrieth daher nicht, wie eine solche
Weigerung jetzt thun würde, daß die ganze Regierungsmaschine in einem
Zustande gefährlicher Unordnung war, sondern nur, daß bezüglich der
Zweckmäßigkeit eines besonderen Gesetzes zwischen ihm und den beiden
anderen Zweigen der Legislatur eine Meinungsverschiedenheit stattfand.
Eine solche Meinungsverschiedenheit konnte existiren und existirte, wie
wir nachher sehen werden, wirklich zu einer Zeit, als er mit den Ständen
des Reichs nicht bloß auf freundlichem, sondern auf sehr herzlichem Fuße
stand.

Die Umstände, unter denen er sein Veto zum ersten Male einlegte, sind
nie genau dargestellt worden. Es war ein gutgemeinter, aber
ungeschickter Versuch gemacht worden, eine Reform zu vervollständigen,
welche die Rechtsbill unvollständig gelassen hatte. Dieses hochwichtige
Gesetz hatte der Krone die Befugniß entzogen, die Richter willkürlich
abzusetzen, hatte diese aber noch nicht ganz unabhängig gemacht. Ihre
Besoldungen bestanden theils in Gebühren, theils in festen Gehalten.
Ueber die Gebühren hatte der König keine Gewalt, die Gehalte aber konnte
er nach Belieben reduciren oder ganz entziehen. Daß Wilhelm diese
Befugniß je gemißbraucht habe, wurde nicht behauptet; aber es war
unzweifelhaft eine Befugniß, die kein Fürst besitzen durfte, und dies
war die Ansicht beider Häuser. Es wurde daher eine Bill eingebracht,
welche jedem der zwölf Richter einen Jahrgehalt von tausend Pfund
sicherte. Soweit war Alles gut. Unglücklicherweise aber wurde das
erbliche Einkommen mit diesen Gehalten belastet. Jetzt würde im Hause
der Gemeinen kein solcher Vorschlag aufrecht erhalten werden, ohne daß
vorher die königliche Genehmigung durch ein Mitglied des Geheimen Raths
angezeigt worden wäre. Aber diese heilsame Regel war damals noch nicht
eingeführt, und Wilhelm konnte die Eigenthumsrechte der Krone nur
dadurch vertheidigen, daß er sein Veto gegen die Bill einlegte. Damals
wurden, soweit es sich jetzt noch ermitteln läßt, keine Stimmen dagegen
laut. Selbst die jakobitischen Pasquillanten blieben fast ganz still.
Erst als die Bestimmungen der Bill vergessen waren und man sich nur
ihres Namens noch erinnerte, wurde Wilhelm beschuldigt, daß er sich von
dem Wunsche habe leiten lassen, die Richter in einem Zustande von
Abhängigkeit zu erhalten.[58]


[_Ministerielle Veränderungen in England._] Die Häuser gingen
auseinander und der König traf Anstalten zur Reise nach dem Continent.
Vor seiner Abreise nahm er noch einige Veränderungen in seinem Hofstaate
und in mehreren Departements der Regierung vor, Veränderungen jedoch,
welche keine entschiedene Bevorzugung einer der beiden großen
politischen Parteien erkennen ließen. Rochester wurde in den Geheimen
Rath vereidigt. Wahrscheinlich hatte er diesen Beweis der königlichen
Gunst dem Umstande zu verdanken, daß er in dem unglücklichen Streite
zwischen der Königin und ihrer Schwester die Partei der Ersteren
genommen hatte. Pembroke übernahm das Geheimsiegel und erhielt bei der
Admiralität Lord Charles Cornwallis, einen gemäßigten Tory, zum
Nachfolger; Lowther nahm einen Sitz in demselben Collegium an und wurde
im Schatzamte durch Sir Eduard Seymour ersetzt. Viele toryistische
Landgentlemen, welche Seymour als ihren Führer in dem Kampfe gegen
Angestellte und Holländer betrachtet hatten, waren ganz entrüstet als
sie erfuhren, daß er ein Höfling geworden war. Sie erinnerten sich, daß
er für eine Regentschaft gestimmt hatte, daß er die Eide mit
Widerstreben geleistet, daß er ziemlich unehrerbietig von dem Souverain
gesprochen hatte, dem er jetzt bereit war um eines Einkommens willen zu
dienen, das kaum der Mühe werth war, von einem Manne seines Reichthums
und seines parlamentarischen Ansehens angenommen zu werden. Es war
sonderbar, daß der stolzeste Mensch von der Welt der schmutzigste sein
sollte, daß ein Mann, der nichts auf Erden zu verehren schien als sich
selbst, sich um eines festen Gehalts willen erniedrigen sollte. Aber
solche Reflexionen kümmerten ihn wenig. Er fand jedoch bald, daß ein
unangenehmer Umstand mit seinem neuen Amte verbunden war. Im Schatzamte
mußte er unter dem Kanzler der Schatzkammer sitzen. Der erste Lord,
Godolphin, war Peer des Reichs und sein Recht auf den Vorrang konnte
nach den Regeln der Herolde nicht in Zweifel gezogen werden. Aber
Jedermann wußte wer der erste englische Commoner war. Was war Richard
Hampden, daß er den Platz eines Seymour, des Oberhauptes der Seymour
einnehmen sollte? Mit vieler Mühe wurde der Streit beigelegt, indem man
Sir Eduard’s empfindlichem Stolze einige Zugeständnisse machte. Er wurde
in den Geheimen Rath vereidigt, wurde zum Mitgliede des Cabinets
ernannt, und der König nahm ihn bei der Hand und stellte ihn der Königin
mit den Worten vor: „Ich bringe Ihnen einen Gentleman, der in meiner
Abwesenheit ein werthvoller Freund sein wird.” Auf diese Weise wurde
Sir Eduard so besänftigt und geschmeichelt, daß er ferner nicht mehr
darauf bestand, sich zwischen den ersten Lord und den Kanzler der
Schatzkammer zu drängen.

In der nämlichen Schatzcommission, in welcher der Name Seymour
figurirte, kam auch der Name eines viel jüngeren Staatsmannes vor, der
sich während der letzten Session im Hause der Gemeinen zu hoher
Auszeichnung emporgeschwungen hatte: Karl Montague. Mit dieser Ernennung
waren die Whigs sehr zufrieden, in deren Achtung Montague jetzt höher
stand als ihre Veteranenhäupter Sacheverell und Littleton und in der
That darin nur von Somers übertroffen wurde.

Sidney gab die Siegel ab, die er über ein Jahr geführt hatte, und wurde
zum Lord Lieutenant von Irland ernannt. Es vergingen einige Monate, bis
der Platz, den er verlassen, wieder besetzt wurde, und in dieser
Zwischenzeit besorgte Nottingham die ganzen Geschäfte, die sich
gewöhnlich die beiden Staatssekretäre getheilt hatten.[59]


[_Ministerielle Veränderungen in Schottland._] Während diese Ernennungen
stattfanden, geschahen in einem entlegenen Theile der Insel Ereignisse,
die in den bestunterrichteten Zirkeln London’s erst nach vielen Monaten
bekannt wurden, die aber nach und nach eine entsetzliche Notorietät
erlangten und welche noch jetzt, nach einem Zeitraum von mehr als
hundertsechzig Jahren, nie ohne Schaudern erwähnt werden.

Bald nachdem die Stände von Schottland sich, im Herbste des Jahres 1690
getrennt hatten, wurde in der Verwaltung dieses Königreichs eine
Aenderung getroffen. Wilhelm war mit der Art und Weise, wie er im
Parlamentshause vertreten worden war, nicht zufrieden. Er war der
Meinung, daß die vertriebenen Curaten hart behandelt worden seien. Er
hatte nur sehr ungern das Gesetz, welches das Patronat abschaffte, mit
seinem Scepter berühren lassen. Was ihm aber ganz besonders mißfiel, war
daß die Acte, welche eine neue Kirchenverfassung feststellten, nicht von
einer Acte begleitet gewesen waren, die den Anhängern der alten
Kirchenverfassung Gewissensfreiheit gewährte. Er hatte seinen Commissar
Melville beauftragt, den Episkopalen in Schottland gleiche Duldung zu
erwirken, wie sie die Dissenters in England genossen.[60] Aber die
presbyterianischen Priester eiferten laut und heftig wider die Milde
gegen Amalekiter. Melville besaß bei all’ seinen nützlichen Talenten und
seinen vielleicht redlichen Absichten weder einen weitreichenden Blick
noch einen unerschrockenen Muth. Er scheute sich, ein den theologischen
Demagogen seines Vaterlandes so verhaßtes Wort wie Toleranz
auszusprechen. Durch schonende Nachsicht gegen ihre Vorurtheile
beschwichtigte er das in Edinburg sich erhebende Geschrei; aber die
Folge seiner ängstlichen Vorsicht war, daß im Süden der Insel bald ein
noch viel lauteres Geschrei gegen die Bigotterie der im Norden
dominirenden Schismatiker und gegen die Zaghaftigkeit der Regierung
ausbrach, die nicht den Muth gehabt hatte, dieser Bigotterie
entgegenzutreten. In diesem Punkte waren der Hochkirchliche und der
Niederkirchliche eines Sinnes, oder der Niederkirchliche war vielmehr
der am meisten Aufgebrachte von Beiden. Ein Mann wie South, der schon
seit vielen Jahren prophezeite, daß, wenn die Puritaner aufhören
sollten, bedrückt zu werden, sie Bedrücker werden würden, war im Herzen
gar nicht böse darüber, daß seine Prophezeiung sich erfüllte. In der
Brust eines Mannes wie Burnet aber, dessen erster Lebenszweck von jeher
die Milderung des Hasses der Priester der anglikanischen Kirche gegen
die Presbyterianer gewesen war, konnte das intolerante Verfahren der
Presbyterianer kein andres Gefühl als Unwillen, Scham und Schmerz
erwecken. Es gab daher Niemanden am englischen Hofe, der ein gutes Wort
für Melville einlegte. Unter solchen Umständen konnte er unmöglich an
der Spitze der schottischen Verwaltung bleiben. Er wurde indessen sehr
schonend von seiner hohen Stellung herabgezogen. Er blieb noch über ein
Jahr Staatssekretär, aber es wurde ein zweiter Sekretär ernannt, der in
der Nähe des Königs residiren und die Hauptleitung der Geschäfte
erhalten sollte. Der neue Premierminister für Schottland war der
geschickte, beredtsame und hochgebildete Sir Johann Dalrymple. Sein
Vater, der Lordpräsident des Court of Session, war vor kurzem mit dem
Titel Viscount Stair zur Peerswürde erhoben worden, und Sir Johann
Dalrymple wurde daher nach dem alten schottischen Brauche Master von
Stair genannt. Nach einigen Monaten legte Melville seine Stelle als
Staatssekretär nieder und nahm ein Amt von einigem Ansehen und
Einkommen, aber keiner politischen Bedeutung an.[61]


[_Zustand der Hochlande._] Die schottischen Niederlande waren während
des auf die Parlamentssession von 1690 folgenden Jahres so ruhig, als
sie es seit Menschengedenken je gewesen; der Zustand der Hochlande aber
machte die Regierung sehr besorgt. Der Bürgerkrieg in dieser wilden
Region hatte, nachdem er aufgehört zu brennen, noch einige Zeit unter
der Asche fortgeglüht. Endlich, zu Anfang des Jahres 1691
benachrichtigten die rebellischen Häuptlinge den Hof von Saint-Germains,
daß sie sich von allen Seiten bedrängt, ohne den Beistand Frankreich’s
nicht länger halten könnten. Jakob hatte ihnen eine kleine Quantität
Mehl, Branntwein und Tabak geschickt und ihnen geradezu gesagt, daß er
mehr nicht thun könne. Das Geld war bei ihnen so rar, daß sechshundert
Pfund ein sehr willkommener Zuwachs zu ihren Fonds gewesen sein würden,
aber selbst eine so unbedeutende Summe konnte er nicht entbehren. Unter
solchen Umständen durfte er kaum erwarten, daß sie im Stande sein
würden, seine Sache gegen eine Regierung zu vertheidigen, die eine
reguläre Armee und große Revenüen hatte. Er sagte ihnen daher, daß er es
ihnen nicht übel nehmen würde, wenn sie mit der neuen Dynastie Frieden
schlössen, vorausgesetzt immer, daß sie bereit wären sich zu erheben,
sobald er sie dazu auffordern würde.[62]

Unterdessen hatte man in Kensington trotz der Opposition des Masters von
Stair beschlossen, den Plan zu versuchen, den Tarbet zwei Jahre früher
empfohlen und der, wenn er damals gleich versucht worden wäre,
wahrscheinlich viel Blutvergießen und Unordnung verhütet haben würde. Es
wurde beschlossen, zwölf- bis funfzehntausend Pfund Sterling zur
Pacifirung der Hochlande zu verwenden. Dies war eine Summe, die einem
Bewohner von Appin oder Lochaber beinahe fabelhaft vorkam und die auch
in der That zu dem Einkommen eines Keppoch oder Glengarry in einem
größeren Verhältnisse stand als funfzehnhunderttausend Pfund zu dem
Einkommen eines Lord Bedford oder Lord Devonshire. Die Summe war
reichlich groß, aber der König war nicht glücklich in der Wahl eines
Agenten.[63]


[_Breadalbane beauftragt, mit den aufständischen Clans zu
unterhandeln._] Johann, Earl von Breadalbane, das Oberhaupt einer
jüngeren Linie des großen Hauses Campbell, nahm unter den
Miniaturfürsten des Gebirges einen hohen Rang ein. Er konnte
siebzehnhundert Claymores ins Feld stellen, und zehn Jahre vor der
Revolution war er wirklich mit dieser bedeutenden Streitmacht in das
Niederland eingerückt, um die prälatistische Tyrannei zu
unterstützen.[64] Damals hatte er Eifer für die Monarchie und das
Episkopat geheuchelt, in der That aber war ihm jede Regierung und jede
Religion gleichgültig. Er scheint zwei verschiedene Klassen von Lastern
in sich vereinigt zu haben, die Erzeugnisse zweier verschiedener
Gegenden und zweier verschiedener Stadien des gesellschaftlichen
Fortschritts. In seinem Schlosse zwischen den Bergen hatte er den
barbarischen Stolz und die Wildheit eines Hochländerhäuptlings gelernt,
und im Rathssaale zu Edinburg hatte er sich den tiefwurzelnden Hang zur
Verrätherei und Bestechlichkeit angeeignet. Nach der Revolution hatte er
sich, wie nur zu viele seiner adeligen Standesgenossen, nach und nach
jeder Partei angeschlossen und jede hintergangen, hatte Wilhelm und
Marien Treue geschworen und gegen sie conspirirt. Es würde ermüdend
sein, wollte man alle Wendungen und Winkelzüge während des Jahres 1689
und des ersten Theils von 1690 verfolgen.[65] Etwas weniger krumm wurde
diese Laufbahn, als die Schlacht am Boyne den Muth der Jakobiten
gebrochen hatte. Es schien jetzt wahrscheinlich, daß der Earl ein
loyaler Unterthan Ihrer Majestäten sein würde, so lange kein großes
Unglück über sie kam. Niemand, der ihn kannte, konnte ihm trauen, aber
damals war überhaupt wenigen schottischen Staatsmännern zu trauen, und
doch mußte man sich schottischer Staatsmänner bedienen. Seine Stellung
und seine Verbindungen bezeichneten ihn als einen Mann, der, wenn er
wollte, für die Pacifirung der Hochlande viel thun konnte, und sein
Interesse schien eine Gewähr für seinen Eifer zu sein. Er hatte, wie er
mit allem Anschein von Aufrichtigkeit erklärte, gewichtige persönliche
Gründe, um die Wiederherstellung der Ruhe zu wünschen. Die Lage seiner
Besitzungen war von der Art, daß seine Vasallen, so lange der
Bürgerkrieg dauerte, nicht in Ruhe ihre Heerden weiden oder ihren Hafer
säen konnten. Seine Ländereien wurden täglich verwüstet, sein Vieh wurde
täglich weggetrieben, und eines seiner Häuser war schon niedergebrannt
worden. Es war daher wahrscheinlich, daß er sein Möglichstes thun würde,
um den Feindseligkeiten ein Ende zu machen.[66]

Er wurde demgemäß beauftragt, mit den jakobitischen Oberhäuptern zu
unterhandeln und erhielt das Geld, das unter sie vertheilt werden
sollte. Er lud sie zu einer Conferenz auf seinem Wohnsitze in Glenorchy
ein. Sie kamen, aber mit dem Vertrage ging es nur sehr langsam vorwärts.
Jedes Oberhaupt eines Stammes verlangte einen größeren Antheil an dem
englischen Golde als zu erlangen war. Man argwöhnte, daß Breadalbane die
Clans und auch den König betrügen wolle. Bald gesellte sich zu dem
Streite zwischen den Rebellen und der Regierung ein andrer noch
mißlicherer Streit. Die Camerons und Macdonalds lagen eigentlich nicht
mit Wilhelm, sondern mit Mac Callum More in Krieg, und kein Arrangement,
an welchem Mac Callum More nicht Theil hatte, konnte zum wirklichen
Frieden führen. Es entstand daher die wichtige Frage, ob das Breadalbane
anvertraute Gold unmittelbar an die mißvergnügten Häuptlinge bezahlt
oder zur Befriedigung der Ansprüche, welche Argyle an sie hatte,
verwendet werden sollte. Lochiel’s Schlauheit und Glengarry’s anmaßende
Prätensionen trugen dazu bei, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen.
Aber kein celtischer Potentat war so unlenksam als Macdonald von
Glencoe, im Gebirge unter dem erblichen Namen Mac Ian bekannt.


[_Glencoe._] Mac Ian wohnte am Eingange einer nicht weit vom südlichen
Ufer des Lochleven, eines Armes des Meeres, das tief in die Westküste
Schottland’s einschneidet und Argyleshire von Inverneßshire trennt,
gelegenen Schlucht. In der Nähe seines Hauses lagen zwei oder drei von
seinem Stamme bewohnte kleine Ortschaften. Die ganze Bevölkerung, über
die er herrschte, wurde auf nicht mehr als zweihundert Seelen geschätzt.
In der Umgegend der paar Dörfer befand sich etwas Buschholz und etwas
Weideland; aber ein wenig höher hinauf in dem Engpasse war keine Spur
von Bevölkerung oder Fruchtbarkeit zu sehen. In der gälischen Sprache
bedeutet Glencoe Schlucht des Weinens, und dieser Paß ist in der That
der traurigste und einsamste von allen schottischen Gebirgspässen, das
wahre Thal des Todesschattens. Nebel und Stürme lagern den größten Theil
des schönsten Sommers darüber und selbst an den wenigen Tagen, wo die
Sonne hell scheint und keine Wolke am Himmel steht, macht die Landschaft
einen düsteren und unheimlichen Eindruck. Der Weg führt am Rande eines
Bergstromes hin, der aus der ödesten und einsamsten Gebirgslache kommt.
Mächtige Abgründe von nacktem Gestein gähnen zu beiden Seiten, und in
der Nähe des Gipfels sieht man noch im Juli Streifen von Schnee in den
Spalten. Ueberall an den Abhängen der Felsen bezeichnen Haufen von
Gerölle die steilen Pfade der Gießbäche. Meilenweit sieht sich der
Wanderer vergebens nach dem Rauche einer Hütte, nach einer in einen
Plaid gehüllten menschlichen Gestalt um und lauscht umsonst auf das
Gebell eines Schäferhundes oder auf das Geblök eines Lammes. Meilenweit
ist der einzige Laut, der eine Spur von Leben verräth, der schwache
Schrei eines Raubvogels auf einer sturmgepeitschten Felsspitze. Die
Fortschritte der Civilisation, welche so viele Wüsten in lachende
Gefilde voll goldener Aehren oder blühender Obstbäume verwandelt, haben
Glencoe nur noch verödeter gemacht. Alle Wissenschaft und Industrie
einer friedlichen Zeit vermag dieser Wildniß nichts Werthvolles zu
entreißen; aber in einem Zeitalter der Gewaltthätigkeit und des Raubes
hatte die Wildniß selbst einen Werth, weil sie den Räubern und ihrer
Beute Schutz gewährte. Nichts konnte natürlicher sein, als daß der Clan,
dem diese rauhe Wüstenei gehörte, wegen seiner räuberischen Gewohnheiten
bekannt war. Denn bei den Hochländern im Allgemeinen galt Raub für eine
mindestens eben so ehrenvolle Beschäftigung wie der Ackerbau, und von
allen Hochländern hatten die Macdonalds von Glencoe den mindest
ergiebigen Boden und die bequemste und sicherste Räuberhöhle. Mehrere
aufeinanderfolgende Regierungen hatten es versucht diesen wilden Stamm
zu züchtigen; aber es war zu diesem Zwecke nie eine starke Truppenmacht
aufgeboten worden, und einem kleinen Corps konnten Leute, die jeden
Winkel und jeden Ausgang der natürlichen Festung kannten, in der sie
geboren und aufgewachsen waren, leicht Widerstand leisten oder
ausweichen. Die Leute von Glencoe würden wahrscheinlich nicht so
friedenstörende Nachbarn gewesen sein, wenn sie unter ihren
Stammverwandten gelebt hätten. Aber sie waren eine von jedem andern
Zweige ihrer Familie getrennte Nebenlinie des Clan Donald und fast rings
umgeben von dem Gebiete des feindlichen Stammes Diarmid.[67] Durch
erbliche Feindschaft sowohl als durch Noth wurden sie angetrieben, auf
Unkosten des Stammes Campbell zu leben. Breadalbane’s Eigenthum hatte
von ihren Räubereien viel zu leiden gehabt, und sein Character war nicht
von der Art, daß er solche Beleidigungen hätte vergeben können. Als
daher der Häuptling von Glencoe beim Congreß in Glenorchy erschien,
wurde er unfreundlich empfangen. Der Earl, der sich sonst mit dem
würdevollen Anstande eines castilischen Granden zu benehmen pflegte,
vergaß im Zorne seine gewohnte Grandezza, seinen öffentlichen Character
und die Gesetze der Gastfreundschaft und verlangte mit heftigen
Vorwürfen und Drehungen Entschädigung für die Heerden, welche Mac Ian’s
Anhänger aus seinem Gebiete fortgetrieben hatten. Mac Ian fürchtete
ernstlich eine persönliche Gewaltthätigkeit und war froh, als er seine
heimathliche Schlucht wohlbehalten wieder erreicht hatte.[68] Sein Stolz
war verletzt, und mit den Regungen des gekränkten Stolzes verbanden sich
die des Interesses. Als das Oberhaupt eines Volkes, das vom Plündern
lebte, hatte er starke Gründe zu wünschen, daß das Land in einem
ungeordneten Zustand bleiben möchte. Er hatte wenig Aussicht, eine
einzige Guinee von dem Gelde zu bekommen, das unter die Unzufriedenen
vertheilt werden sollte; denn sein Antheil an diesem Gelde hätte
Breadalbane’s Entschädigungsforderungen schwerlich befriedigt, und es
konnte kaum einem Zweifel unterliegen, daß Breadalbane vor allen Anderen
darauf bedacht sein würde, sich bezahlt zu machen. Mac Ian bot daher
Alles auf, um seine Verbündeten von der Annahme von Bedingungen, von
denen er selbst keinen Nutzen erwarten durfte, abzurathen, und sein
Einfluß war nicht gering. Die Zahl seiner eigenen Vasallen war zwar
unbedeutend, aber er stammte vom besten Geblüt der Hochländer, hatte
stets ein freundschaftliches Verhältniß mit seinen mächtigeren
Verwandten aufrecht erhalten, sie waren ihm deshalb weil er ein Räuber
war, nicht weniger zugethan, denn sie beraubte er niemals, und daß der
Raub an und für sich etwas Böses und Entehrendes sei, war noch keinem
celtischen Häuptling je in den Sinn gekommen. Mac Ian stand daher in
hoher Achtung bei seinen Bundesgenossen. Er war von ehrwürdigem Alter,
hatte ein majestätisches Aeußere und besaß in hohem Grade die geistigen
Eigenschaften, welche in rohen Gesellschaften dem Einzelnen ein großes
Uebergewicht über seine Nebenmenschen geben. Breadalbane sah sich bei
jedem Schritte der Unterhandlung von seinem alten Feinde überlistet, und
der Name Glencoe wurde ihm mit jedem Tage mehr und mehr verhaßt.[69]

Die Regierung verließ sich jedoch nicht einzig und allein auf
Breadalbane’s diplomatische Gewandtheit. Die Behörden zu Edinburg
erließen eine Proklamation, in der sie die Clans aufforderten, sich dem
Könige Wilhelm und der Königin Marie zu unterwerfen, und jedem Rebellen,
der bis zum 31. December 1691 sich eidlich verpflichtete, ruhig unter
der Regierung Ihrer Majestäten zu leben, Verzeihung anboten. Diejenigen
aber, welche nach diesem Tage noch im Widerstande beharrten, sollten als
Feinde und Verräther behandelt werden.[70] Zu gleicher Zeit wurden
kriegerische Anstalten getroffen, welche bewiesen, daß die Drohung
ernstlich gemeint war. Die Hochländer bekamen Angst und hielten es,
obgleich die pekuniären Bedingungen nicht befriedigend geordnet waren,
für rathsam, das von ihnen verlangte Versprechen zu geben. Kein
Häuptling hatte jedoch Lust mit dem Beispiele der Unterwerfung
voranzugehen. Glengarry bramarbasirte und rief aus, daß er sein Haus
befestigen werde.[71] „Ich will nicht die Bahn brechen,” sagte Lochiel;
„dies ist bei mir eine Ehrensache. Aber meine Tacksmen[72] und Leute
mögen sich ihrer Freiheit bedienen.”[73] Seine Tacksmen und Leute
verstanden ihn und begaben sich zu Hunderten zu dem Sheriff, um die Eide
zu leisten. Die Macdonalds von Sleat, Clanronald, Keppoch und selbst
Glengarry folgten dem Beispiele der Camerons, und die Häuptlinge
folgten, nachdem sie versucht hatten einander im Ausharren zu
übertreffen so lange sie es wagen durften, dem Beispiele ihrer Vasallen.

Der 31. December erschien, und noch waren die Macdonalds von Glencoe
nicht zur Eidesleistung gekommen. Wahrscheinlich fühlte sich der sehr
empfindliche Stolz Mac Ian’s durch den Gedanken befriedigt, daß er
fortfuhr der Regierung zu trotzen, nachdem der prahlerische Glengarry,
der grimmige Keppoch und der hochherzige Lochiel nachgegeben hatten;
aber er sollte diese Genugthuung theuer bezahlen.

Endlich, am 31. December, begab er sich, von seinen angesehensten
Vasallen begleitet, nach Fort William und erbot sich die Eide zu
leisten. Zu seinem Schrecken erfuhr er, daß sich Niemand in dem Fort
befand, der befugt gewesen wäre, ihm dieselben abzunehmen. Oberst Hill,
der Gouverneur, war kein Magistratsbeamter und es war auch kein solcher
näher als in Inverary. Mac Ian, der jetzt vollkommen die Thorheit
erkannte, die er begangen, indem er einen Act, von dem sein Leben und
sein Vermögen abhingen, bis zum letzten Augenblicke verschoben hatte,
brach in großer Angst nach Inverary auf. Er hatte einen Brief bei sich
von Hill an den Sheriff von Argyleshire, Sir Colin Campbell von
Ardkinglaß, einen achtbaren Gentleman, der unter der vorigen Regierung
wegen seiner whiggistischen Grundsätze viel gelitten hatte. In diesem
Briefe sprach der Oberst die wohlmeinende Hoffnung aus, daß ein
verlorenes Schaf und noch dazu ein so schönes, selbst nach Ablauf der
bestimmten Frist noch mit Freuden aufgenommen werden würde. Mac Ian
eilte so sehr er nur konnte und hielt nicht einmal in seinem eigenen
Hause an, obgleich es nahe an der Straße lag. Doch eine Reise durch
Argyleshire mitten im Winter ging damals natürlich langsam von Statten.
Der Marsch des alten Mannes über steile Gebirge und sumpfige Thäler
wurde durch Schneestürme aufgehalten, und erst am 6. Januar erschien er
vor dem Sheriff zu Inverary. Der Sheriff war unschlüssig. Seine
Befugniß, sagte er, gehe nicht über die Bestimmungen der Proklamation
hinaus, und er sehe nicht ein, wie er einen Rebellen schwören lassen
könne, der sich nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zeit unterworfen
habe. Mac Ian bat dringend und mit Thränen in den Augen, daß er
vereidigt werden möchte. Seine Leute, sagte er, würden seinem Beispiele
folgen. Wenn einer von ihnen sich widerspenstig erweisen sollte, würde
er ihn selbst ins Gefängniß schicken oder nach Flandern einschiffen.
Seine Bitten und Hill’s Schreiben besiegten endlich Sir Colin’s Skrupel,
der Eid wurde abgenommen und dem Staatsrathe zu Edinburg ein Certifikat
übersandt, welches die besonderen Umstände auseinandersetzte, durch die
sich der Sheriff habe bewegen lassen etwas zu thun, was, wie er wohl
gewußt, nicht streng in der Ordnung gewesen sei.[74]

Die Nachricht, daß Mac Ian sich nicht innerhalb der vorgeschriebenen
Zeit unterworfen habe, wurde von drei mächtigen Schotten, die sich
damals am englischen Hofe befanden, mit boshafter Schadenfreude
aufgenommen. Breadalbane war zu Weihnachten nach London gegangen, um
Bericht über seine Amtsführung abzustatten. Dort traf er mit seinem
Vetter Argyle zusammen. Argyle war hinsichtlich seiner persönlichen
Eigenschaften einer der unbedeutendsten von der langen Reihe von
Edelleuten, welche diesen berühmten Namen getragen haben. Er war der
Nachkomme ausgezeichneter Männer und der Vater ausgezeichneter Männer.
Er war der Enkel eines der geschicktesten schottischen Staatsmänner, der
Sohn eines der tapfersten und aufrichtigsten schottischen Patrioten, der
Vater eines Mac Callum More, der als Krieger und Redner, als das Muster
vornehmer Eleganz und als einsichtsvoller Beschützer der Künste und
Wissenschaften berühmt war, und eines andren Mac Callum More, der sich
durch Talent für Staatsgeschäfte wie für militärisches Commando und
durch Kenntniß der exacten Wissenschaften auszeichnete. Argyle war
solcher Vorfahren und solcher Nachkommen gleich unwürdig. Er hatte sich
sogar des Verbrechens schuldig gemacht, das zwar unter den schottischen
Staatsmännern ziemlich allgemein, bei ihm aber ganz besonders
schmachvoll war, heimlich mit den Agenten Jakob’s zu verkehren, während
er Loyalität für Wilhelm zur Schau trug. Bei alledem hatte Argyle die
von hohem Range, großem Grundbesitz, ausgedehnten Lehnsrechten und fast
unbegrenzter patriarchalischer Autorität untrennbare Bedeutung. Ihm
sowohl wie seinem Vetter Breadalbane war die Nachricht, daß der Stamm
Glencoe außerhalb des Schutzes der Gesetze stehe, sehr angenehm und der
Master von Stair empfand mehr als Sympathie mit ihnen beiden.

Das Gefühl Argyle’s und Breadalbane’s ist vollkommen begreiflich. Sie
waren die Oberhäupter eines großen Clans und sie hatten Gelegenheit,
einen Nachbarclan zu vernichten, mit dem sie in erbitterter Fehde lagen.
Breadalbane war besonders gereizt worden. Seine Güter waren zu
wiederholten Malen verwüstet und ihm eben erst bei einer wichtigen
Unterhandlung ein Strich durch die Rechnung gemacht worden. Leider gab
es kaum ein Uebermaß von Grausamkeit, für das sich in celtischen
Traditionen nicht ein Präcedenzfall auffinden ließ. Bei allen
kriegerischen Barbaren gilt die Rache für die heiligste Pflicht und für
den höchsten Genuß, und dafür galt sie auch bei den Hochländern seit
langer Zeit. Die Geschichte der Clans ist reich an grauenvollen
Erzählungen von Metzeleien und Meuchelmorden aus Rache, die zum Theil
fabelhaft und übertrieben sein mögen, zum Theil aber auch gewiß auf
Wahrheit beruhen. So umzingelten zum Beispiel die Macdonalds von
Glengarry, als sie einmal von den Leuten von Culloden beleidigt worden
waren, eines Sonntags die Kirche von Culloden, verschlossen die Thüren
und verbrannten die ganze Gemeinde lebendig. Während die Flammen
wütheten, verhöhnte der erbliche Musikant der Mörder das Wehgeschrei der
umkommenden Menge durch die Töne seiner Sackpfeife.[75] Eine Bande
Macgregors legte den abgeschnittenen Kopf eines Feindes, nachdem sie ihm
den Mund mit Brot und Käse gefüllt, auf den Tisch seiner Schwester, und
hatte die Genugthuung, sie vor Entsetzen über den Anblick wahnsinnig
werden zu sehen. Dann trugen sie die fürchterliche Trophäe im Triumph zu
ihrem Häuptlinge. Der ganze Clan versammelte sich unter dem Dache einer
alten Kirche und jeder Einzelne legte die Hand auf den Kopf des
Ermordeten und gelobte, die Mörder zu vertheidigen.[76] Die Bewohner von
Eigg ergriffen einige Macleods, banden ihnen Hände und Füße und stießen
sie in einem Boote in die offene See hinaus, um von den Wellen
verschlungen zu werden oder vor Hunger umzukommen. Die Macleods rächten
sich dafür, indem sie die Bewohner von Eigg in eine Höhle trieben, am
Eingange derselben ein Feuer anzündeten und den ganzen Stamm, Männer,
Frauen und Kinder, ersticken ließen.[77] Es ist bei weitem nicht so
wunderbar, daß die beiden mächtigen Earls aus dem Hause Campbell, von
den Leidenschaften hochländischer Häuptlinge erfüllt, auf eine
hochländische Rache sannen, als daß sie in dem Master von Stair einen
Complicen, und noch etwas mehr als einen Complicen fanden.

Der Master von Stair war einer der ersten Männer seiner Zeit, ein
Jurist, ein Staatsmann, ein tüchtiger Gelehrter und ein gewandter
Redner. Sein feines Benehmen und seine lebendige Conversation machten
ihn zu einem Liebling der aristokratischen Zirkel, und wer ihn in einer
solchen Gesellschaft sah, würde es nicht für möglich gehalten haben, daß
er bei einem abscheulichen Verbrechen die Hauptrolle spielen könne.
Seine politischen Grundsätze waren lax, doch nicht laxer als die der
meisten schottischen Staatsmänner jener Zeit. Grausamkeit hatte man ihm
nie vorwerfen können. Selbst Diejenigen, die ihm am wenigsten gewogen
waren, ließen ihm die Gerechtigkeit widerfahren zuzugestehen, daß er, wo
seine politischen Pläne nicht ins Spiel kämen, ein sehr gutherziger Mann
sei.[78] Man hat nicht den geringsten Grund anzunehmen, daß er durch die
That, die seinen Namen mit Schande bedeckt hat, ein einziges Pfund
Schottisch gewann. Er hatte keinen persönlichen Grund, den Leuten von
Glencoe Böses zu wünschen. Es hatte keine Fehde zwischen ihm und seiner
Familie bestanden. Seine Güter lagen in einem Districte, wo ihr Tartan
nie gesehen wurde. Und dennoch haßte er sie mit einem so heftigen und
unversöhnlichen Hasse, als hätten sie seine Felder verwüstet, sein Haus
angezündet, sein Kind in der Wiege ermordet.

Welcher Ursache sollen wir eine so sonderbare Antipathie zuschreiben?
Diese Frage setzte schon des Masters Zeitgenossen in Verlegenheit, und
jede Antwort, die sich jetzt darauf geben läßt, muß mit Vorsicht gegeben
werden.[79] Die wahrscheinlichste Vermuthung ist die, daß er von einem
überspannten, rücksichtslosen, ungezügelten Eifer für das was ihm das
Interesse des Staats dünkte, getrieben wurde. Diese Erklärung wird
Diejenigen in Erstaunen setzen, welche nie erwogen haben, ein wie großer
Theil der schwärzesten Verbrechen, von denen uns die Geschichte erzählt,
einem verkehrten Gemeinsinne zugeschrieben werden muß. Wir sehen täglich
Leute für ihre Partei, für ihre Secte, für ihr Vaterland, für ihre
politischen und socialen Lieblingsreformpläne Dinge thun, die sie nicht
thun würden, um sich zu bereichern oder zu rächen. Bei einer Versuchung,
die sich direct an unsre persönliche Habgier oder an unsren Privathaß
richtet, wird alle Tugend, die wir besitzen, alarmirt. Aber die Tugend
selbst kann zum Falle Desjenigen beitragen, der da glaubt, es stehe in
seiner Macht, durch Verletzung einer allgemeinen Vorschrift der Moral
einer Kirche, einem Staate, oder der ganzen Menschheit einen wichtigen
Dienst zu leisten. Er bringt die Mahnungen seines Gewissens zum
Schweigen und verhärtet sein Herz gegen die erschütterndsten Scenen des
Elends, indem er sich beständig wiederholt, daß seine Absichten lauter,
daß seine Zwecke edel sind, daß er eine kleine Sünde um eines großen
Guten willen thut. So gelangt er nach und nach dahin, daß er die
Schändlichkeit der Mittel über die Vortrefflichkeit des Zweckes gänzlich
vergißt, und verübt schließlich ohne einen Gewissensbiß Thaten, vor
denen ein Seeräuber zurückbeben würde. Man hat keinen Grund anzunehmen,
daß Dominicus um des besten Erzbisthums der Christenheit halber wilde
Räuber angereizt haben würde, eine friedliche und betriebsame
Bevölkerung auszuplündern und niederzumetzeln, daß Eberhard Digby für
ein Herzogthum eine zahlreiche Versammlung von Menschen in die Luft
gesprengt, oder daß Robespierre für Geld einen Einzigen von den
Tausenden gemordet haben würde, die er aus Philanthropie mordete.

Der Master von Stair scheint einen wahrhaft großen und edlen Zweck in
Auge gehabt zu haben: die Pacifirung und Civilisirung der Hochlande. Er
war, wie selbst Diejenigen zugaben, die ihn am meisten haßten, ein Mann
von weitgreifenden Plänen. Er hielt es mit Recht für monströs, daß ein
Dritttheil von Schottland sich in einem kaum minder rohen Zustande
befand als Neuguinea, daß Brand- und Mordbriefe in einem Dritttheil von
Schottland Jahrhunderte lang als eine Art gesetzlichen Verfahrens
betrachtet wurden und daß Niemand den Versuch machte, ein radikales
Heilmittel gegen solche Uebelstände anzuwenden. Die Unabhängigkeit, die
sich ein Haufe kleiner Souveraine anmaßen wollte, der hartnäckige
Widerstand, den sie der Autorität der Krone und des Court of Session zu
leisten pflegten, ihre Kriege, ihre Räubereien, ihre Brandstiftungen,
ihre Gewohnheit, friedlichere und nützlichere Leute als sie zu
brandschatzen: dies Alles mußte nothwendig den Abscheu und den Unwillen
eines aufgeklärten und einsichtsvollen Mannes des Friedens erwecken, der
sowohl seinem Character als den Gewohnheiten seines Berufs nach ein
Freund des Gesetzes und der Ordnung war. Sein Zweck war nichts
Geringeres als eine vollständige Auflösung und Umgestaltung der
Gesellschaft in den Hochlanden, eine Auflösung und Umgestaltung, wie sie
zwei Generationen später auf die Schlacht von Culloden folgte. In seinen
Augen waren die Clans so wie sie zur Zeit bestanden, die Plage des
Landes, und der schlimmste von allen Clans war der, welcher Glencoe
bewohnte. Ein haarsträubendes Beispiel von der Gesetzlosigkeit und
Grausamkeit dieser Räuber sollte ihn besonders ergriffen haben. Einer
von ihnen, der an irgend einem Acte der Gewaltthätigkeit oder des Raubes
Theil genommen, hatte seine Genossen angezeigt. Er war an einen Baum
gebunden und ermordet worden. Der alte Häuptling hatte ihm den ersten
Stoß gegeben und der Körper des Unglücklichen war dann von mehr als
zwanzig Dolchen durchbohrt worden.[80] Der Gebirgsbewohner betrachtete
einen solchen Act wahrscheinlich als eine rechtmäßige Ausübung
patriarchalischer Justiz. Der Master von Stair aber war der Meinung, daß
Leute, unter denen solche Dinge geschahen und zugelassen wurden, wie
eine Heerde Wölfe behandelt, durch jede List in die Falle gelockt und
ohne Gnade niedergemetzelt werden müßten. Er war wohl belesen in der
Geschichte und wußte wahrscheinlich, wie große Regenten in seinem eignen
und in anderen Ländern mit solchen Banditen verfahren sind. Er wußte
wahrscheinlich mit welcher Energie und mit welcher Strenge Jakob V. die
Straßenräuber des Grenzlandes unterdrückt hatte, wie der Häuptling von
Henderland über dem Thore des Schlosses, in welchem er ein Gastmahl für
den König hergerichtet hatte, aufgeknüpft worden war, wie Johann
Armstrong und seinen sechsunddreißig Reitern, als sie herbeikamen, um
ihren Souverain zu bewillkommnen, kaum so viel Zeit gelassen wurde, um
ein einziges Gebet zu sprechen, bevor sie alle aufgehängt wurden. Ebenso
waren dem Sekretär wahrscheinlich die Mittel nicht unbekannt, durch
welche Sixtus V. den Kirchenstaat von Banditen gesäubert hatte. Die
Lobredner dieses großen Pontifex erzählen uns von einer gefürchteten
Bande, die aus einer Feste in den Apenninen nicht zu vertreiben war. Es
wurden daher Saumthiere mit vergifteten Speisen und Wein beladen und auf
einem nahe bei der Festung vorüberführenden Wege abgeschickt. Die Räuber
kamen heraus, bemächtigten sich der Beute, schmausten und starben, und
der greise Papst freute sich höchlich als er erfuhr, daß die Leichen von
dreißig Räubern, die der Schrecken vieler friedlicher Dörfer gewesen
waren, unter den Maulthieren und Packereien umherliegend gefunden worden
waren. Die Pläne des Masters von Stair waren im Geiste Jakob’s und
Sixtus’ entworfen, und die Empörung der Gebirgsbewohner bot anscheinend
eine vortreffliche Gelegenheit zur Ausführung dieser Pläne. Bloße
Empörung hätte er allerdings leicht vergeben können. Gegen die Jakobiten
als solche zeigte er niemals irgend Lust, hart zu verfahren. Er haßte
die Hochländer nicht als Feinde dieser oder jener Dynastie, sondern als
Feinde des Gesetzes, der Industrie und des Handels. In seiner
Privatcorrespondenz wendete er auf sie die kurze und schreckliche Phrase
an, mit der der unversöhnliche Römer den Fluch über Karthago aussprach.
Sein Plan bestand in nichts Geringerem, als daß das ganze Gebirgsland
von einer Meeresküste zur andren, sowie die benachbarten Inseln durch
Feuer und Schwert verwüstet, daß die Camerons, die Macleans und alle
Zweige des Stammes Macdonald vertilgt werden sollten. Er betrachtete
daher Aussöhnungspläne nicht mit freundlichem Auge, und während Andere
hofften, daß etwas Geld Alles ordnen werde, deutete er sehr verständlich
seine Meinung an, daß das Geld, welches man auf die Clans verwenden
wolle, besser in der Gestalt von Kugeln und Bajonetten verwendet werden
würde. Bis zum letzten Augenblicke schmeichelte er sich, daß die
Rebellen unbeugsam bleiben und ihm dadurch einen Vorwand liefern würden,
die große sociale Revolution zu bewerkstelligen, die er sich in den Kopf
gesetzt hatte.[81] Der Brief ist noch vorhanden, in welchem er die
Befehlshaber der Truppen in Schottland instruirt, was sie zu thun
hätten, wenn sich die jakobitischen Häuptlinge nicht vor Ende December
zur Vereidigung stellen sollten. Es liegt etwas Grauenhaftes in der Ruhe
und bündigen Kürze, mit der die Instructionen ertheilt wurden. „Ihre
Truppen werden den District Lochaber, Lochiel’s, Keppoch’s, Glengarry’s
und Glencoe’s Ländereien, gänzlich verwüsten. Ihr Corps wird stark genug
sein. Ich hoffe, die Soldaten werden die Regierung nicht mit Gefangenen
beschweren.”[82]

Diese Depesche war kaum abgesandt, als in London die Nachricht eintraf,
daß die widerspenstigen Häuptlinge, nachdem sie lange fest geblieben,
endlich vor den Sheriffs erschienen waren und die Eide geleistet hatten.
Lochiel, der angesehenste unter ihnen, hatte nicht nur erklärt, daß er
als ein treuer Unterthan König Wilhelm’s leben und sterben wolle,
sondern hatte auch die Absicht angekündigt, England zu besuchen, in der
Hoffnung, daß es ihm gestattet werde, Sr. Majestät die Hand zu küssen.
In London wurde mit Jubel verkündet, daß alle Clans, ohne Ausnahme, sich
rechtzeitig unterworfen hätten, und die Ankündigung wurde allgemein für
höchst befriedigend gehalten.[83] Aber der Master von Stair war
schmerzlich enttäuscht. Die Hochlande sollten also bleiben was sie
gewesen waren, die Schande und der Fluch Schottland’s. Eine kostbare
Gelegenheit, sie dem Gesetze zu unterwerfen, hatte man sich entgehen
lassen, und sie kehrte vielleicht nie wieder. Wenn nur die Macdonalds
ausgehalten hätten; wenn nur wenigstens an den beiden schlimmsten
Macdonalds, Keppoch und Glencoe, ein Exempel hätte statuirt werden
können, so wäre es doch etwas gewesen. Aber selbst Keppoch und Glencoe,
Räuber, die in jedem wohl regierten Lande schon vor dreißig Jahren
aufgehängt worden wären, seien, wie es scheine, in Sicherheit.[84]
Während der Master über solche Gedanken brütete, brachte ihm Argyle
einigen Trost. Die Nachricht, daß Mac Ian die Eide innerhalb der
vorgeschriebenen Zeit geleistet, war irrig. Der Sekretär war getröstet.
Also war doch ein Clan in den Händen der Regierung, und dieser Clan war
der gesetzloseste von Allen. Ein großer Act der Gerechtigkeit, nein der
Barmherzigkeit, konnte vollzogen, ein furchtbares und denkwürdiges
Exempel konnte statuirt werden.

Eine Schwierigkeit gab es indeß noch. Mac Ian hatte die Eide geleistet.
Er hatte sie zwar zu spät geleistet, um den Buchstaben des königlichen
Versprechens zu seinen Gunsten geltend machen zu können; aber die
Thatsache, daß er die Eide geleistet, durfte offenbar Denen nicht
verschwiegen werden, die über sein Schicksal zu entscheiden hatten.
Durch eine schwarze Intrigue, deren Geschichte nur unvollkommen bekannt
ist, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach vom Master von Stair
geleitet wurde, ward der Beweis von Mac Ian’s verspäteter Unterwerfung
beseitigt. Das Certificat, welches der Sheriff von Argyleshire dem
Geheimen Rathe zu Edinburg übersandt, wurde der Behörde nie vorgelegt,
sondern nur privatim einigen hochgestellten Personen, insbesondere dem
Lordpräsidenten Stair, dem Vater des Sekretärs, mitgetheilt. Diese
Personen erklärten das Certifikat für ordnungswidrig, ja für durchaus
nichtig, und es wurde cassirt.

Unterdessen entwarf der Master von Stair in Gemeinschaft mit Breadalbane
und Argyle einen Plan zur Vernichtung der Leute von Glencoe. Es war
nöthig, die Bewilligung des Königs einzuholen, zwar nicht bezüglich der
Einzelheiten dessen was geschehen sollte, wohl aber in Betreff der
Frage, ob Mac Ian und seine Leute als Rebellen behandelt werden sollten,
die außer dem Bereiche des ordentlichen Gesetzes standen, oder ob nicht.
Der Master von Stair stieß im königlichen Cabinet auf keine
Schwierigkeit. Wilhelm hatte aller Wahrscheinlichkeit nach die Leute von
Glencoe nie anders als Banditen nennen hören. Er wußte, daß sie sich bis
zu dem vorgeschriebenen Tage nicht gestellt hatten; aber daß sie sich
nach diesem Tage noch gestellt hatten, wußte er nicht. Wenn er der Sache
einige Aufmerksamkeit schenkte, so mußte er der Meinung sein, daß man
eine so günstige Gelegenheit, den Verwüstungen und Räubereien, von denen
eine friedliche und betriebsame Bevölkerung soviel gelitten hatte, ein
Ende zu machen, nicht unbenutzt vorübergehen lassen dürfe.

Es wurde ihm ein Befehl zur Unterzeichnung vorgelegt. Er unterzeichnete
denselben, aber, wenn man Burnet glauben darf, ohne ihn zu lesen. Wer
einige Kenntniß von den Staatsgeschäften hat, weiß, daß Fürsten und
Minister täglich Schriftstücke unterzeichnen und in der That
unterzeichnen müssen, die sie nicht gelesen haben, und von allen
Schriftstücken war eines, das sich auf einen kleinen Stamm
Gebirgsbewohner bezog, der eine auf keiner Karte angegebene Wildniß
bewohnte, am wenigsten geeignet, einen Souverain zu interessiren, dessen
Kopf mit Plänen angefüllt war, von denen das Geschick Europa’s abhängen
konnte.[85] Aber selbst wenn man annimmt, daß er den Befehl gelesen,
unter den er seinen Namen setzte, ist kein Grund vorhanden, ihn zu
tadeln. Der an den Commandeur der Truppen in Schottland gerichtete
Befehl lautet folgendermaßen: „Anlangend Mac Ian von Glencoe und diesen
Stamm, so wird es, wenn sie von den anderen Hochländern streng
unterschieden werden können, angemessen sein, diese Räuberbande zur
Behauptung der öffentlichen Gerechtigkeit zu vertilgen.” Der Sinn dieser
Worte ist an sich völlig unschuldig und sie würden ohne das entsetzliche
Ereigniß welches folgte, allgemein in diesem Sinne verstanden worden
sein. Es ist unzweifelhaft eine der ersten Pflichten jeder Regierung
Räuberbanden auszurotten. Damit ist aber nicht gesagt, daß jeder Räuber
meuchlings im Schlafe ermordet, ja nicht einmal, daß jeder Räuber nach
einer ordentlichen Untersuchung öffentlich hingerichtet werden müsse,
sondern nur daß jede Bande als solche vollständig aufzulösen und jede
zur Erreichung dieses Zweckes unerläßlich nothwendig erscheinende
Strenge anzuwenden sei. Hätte Wilhelm die Worte, die ihm sein Sekretär
unterbreitete, gelesen und erwogen, so würde er sie wahrscheinlich so
verstanden haben, daß Glencoe von Truppen besetzt, daß Widerstand, wenn
solcher versucht würde, mit kräftiger Hand niedergeworfen, daß die
vornehmsten Mitglieder des Clans, welche großer Verbrechen überführt
werden könnten, streng bestraft, daß einige thätige junge Freibeuter,
die mehr gewohnt waren, mit dem Breitschwerte umzugehen als mit dem
Pfluge, und von denen nicht zu erwarten stand, daß sie sich entschließen
würden, als friedliche Arbeiter zu leben, zur Armee in den Niederlanden
versetzt, daß andere nach amerikanischen Pflanzungen transportirt und
daß diejenigen Macdonalds, die man in ihrem heimathlichen Thale ließe,
entwaffnet und angehalten werden sollten, für ihre Aufführung Geißeln zu
stellen. Ein diesem sehr ähnlicher Plan war wirklich in den politischen
Kreisen Edinburg’s vielfach berathen worden.[86] Es kann kaum einem
Zweifel unterliegen, daß Wilhelm sich um sein Volk sehr verdient gemacht
haben würde, wenn er in dieser Weise nicht nur den Stamm Mac Ian’s,
sondern überhaupt jeden hochländischen Stamm, dessen einzige
Beschäftigung darin bestand, Vieh zu stehlen und Häuser anzuzünden,
ausgerottet hätte.

Die Ausrottung, welche der Master von Stair im Sinne hatte, war ganz
andrer Art. Sein Plan war, das ganze fluchwürdige Räubergezücht zu
vertilgen. So lautete die Sprache, in der sein Haß sich Luft machte. Er
studirte die Geographie der wilden Gegend um Glencoe und traf seine
Anordnungen mit teuflischem Scharfsinn. Der Schlag mußte wo möglich
rasch, vernichtend und gänzlich unerwartet sein. Wenn Mac Ian aber die
Gefahr ahnen und versuchen sollte, auf den Gebieten seiner Nachbarn eine
Zufluchtsstätte zu suchen, mußte er jeden Weg versperrt finden. Der Paß
von Rannoch mußte besetzt werden. Dem Laird von Weems, der in Strath Tay
große Macht hatte, mußte gesagt werden, daß, wenn er die Räuber bei sich
aufnehme, er dies auf seine Gefahr thue. Breadalbane versprach, den
Fliehenden auf einer Seite den Rückzug abzuschneiden, Mac Callum More
auf einer andren. Es sei ein Glück, schrieb der Sekretär, daß Winter
sei. Dies sei die rechte Zeit, um die Schurken zu züchtigen. Die Nächte
seien so lang, die Berggipfel so kalt und stürmisch, daß auch die
abgehärtetsten Männer den Aufenthalt im Freien ohne Obdach oder Feuer
nicht lange aushalten könnten. Daß die Frauen und Kinder in dieser
Wildniß Schutz fänden, sei ganz unmöglich. Während er so schrieb, kam
ihm nicht im Entferntesten der Gedanke, daß er eine große
Abscheulichkeit begehe. Er war glücklich in der Billigung seines eigenen
Gewissens. Pflicht, Gerechtigkeit, ja Nächstenliebe und Erbarmen waren
die Namen, die er seiner Grausamkeit als Mantel umhing, und es ist
durchaus nicht unwahrscheinlich, daß er sich selbst durch die Maske
täuschen ließ.[87]

Hill, welcher die im Fort William versammelten Truppen befehligte,
wurde nicht mit der Ausführung des Planes beauftragt. Er scheint ein
menschenfreundlicher Mann gewesen zu sein, denn er war tief betrübt, als
er erfuhr, daß die Regierung sich zur Strenge entschlossen habe, und man
fürchtete wahrscheinlich, daß ihm im entscheidendsten Momente der Muth
sinken werde. Er erhielt deshalb die Weisung, ein starkes Detachement
unter die Befehle seines Untercommandeurs, des Oberstleutnants Hamilton
zu stellen. Diesem wurde sehr verständlich angedeutet, daß er jetzt eine
vortreffliche Gelegenheit habe, seinen Ruf in den Augen der am Ruder
Stehenden zu befestigen. Ein großer Theil der ihm anvertrauten Truppen
waren Campbells und gehörten zu einem unlängst von Argyle errichteten
und nach ihm benannten Regimente. Man glaubte wahrscheinlich, daß bei
einer solchen Gelegenheit die Humanität sich der bloßen Gewohnheit des
militärischen Gehorsams gegenüber als zu stark erweisen möchte und daß
man sich wenig auf Herzen würde verlassen können, die nicht durch eine
Fehde verhärtet seien, wie sie seit langer Zeit zwischen den Leuten Mac
Ian’s und den Leuten Mac Callum More’s wüthete.

Wäre Hamilton offen gegen die Leute von Glencoe marschirt und hätte sie
über die Klinge springen lassen, so würde es seiner That wahrscheinlich
nicht an Vertheidigern und sicherlich wenigstens nicht an
Präcedenzfällen gefehlt haben. Aber der Master von Stair hatte sehr
nachdrücklich ein andres Verfahren empfohlen. Bei dem geringsten Alarm
würde man das Nest der Räuber leer finden und in einer so unwirthbaren
Gegend Jagd auf sie zu machen, würde selbst mit allem Beistande
Breadalbane’s und Argyle’s ein langwieriges und schweres Stück Arbeit
sein. „Besser,” schrieb er, „man bindet gar nicht mit ihnen an, als man
bindet vergebens mit ihnen an. Wenn die Sache beschlossen ist, muß sie
im Geheimen und unverhofft geschehen.[88]” Man folgte seinem Rathe und
beschloß, daß die Leute von Glencoe nicht durch militärische Execution,
sondern durch die feigste und niederträchtigste Form des Meuchelmordes
umkommen sollten.

Am 1. Februar marschirten hundertzwanzig Soldaten von Argyle’s Regiment
unter den Befehlen eines Hauptmanns Namens Campbell und eines Leutnants
Namens Lindsay nach Glencoe. Hauptmann Campbell wurde in Schottland nach
dem Gebirgspasse, in welchem seine Besitzung lag, gewöhnlich Glenlyon
genannt. Er besaß jede erforderliche Eigenschaft für den Dienst zu dem
er verwendet wurde: eine schamlose Stirn, eine glatte, lügnerische Zunge
und ein demanthartes Herz. Auch war er einer von den wenigen Campbells,
von denen man erwarten durfte, daß die Macdonalds ihnen trauen und sie
willkommen heißen würden, denn seine Nichte war mit Alexander, dem
zweiten Sohne Mac Ian’s, vermählt.

Der Anblick der herannahenden Rothröcke erregte einige Besorgniß unter
der Bevölkerung des Thales. Johann, der älteste Sohn des Häuptlings,
ging mit zwanzig Clansleuten den Fremden entgegen und fragte sie, was
dieser Besuch zu bedeuten habe. Leutnant Lindsay antwortete, die
Soldaten kämen als Freunde und verlangten nichts weiter als Quartier.
Sie wurden freundlich aufgenommen und unter den Strohdächern der kleinen
Commun einlogirt. Glenlyon fand mit mehreren seiner Leute Aufnahme in
dem Hause eines Tacksman, der nach dem Häuflein Hütten, das unter seiner
Autorität stand, Inverriggen genannt wurde. Lindsay fand näher bei der
Wohnung des alten Häuptlings ein Unterkommen. Auchintriater, einer der
vornehmsten Männer des Clans, der das kleine Dorf Auchnaion verwaltete,
fand daselbst Raum für eine von einem Sergeanten, Namens Barbour,
commandirte Abtheilung. Lebensmittel wurden in reichlicher Menge
geliefert. Es fehlte nicht an Rindfleisch, das wahrscheinlich auf
fremden Weiden fett geworden, und man verlangte keine Bezahlung, denn in
der Gastfreundschaft wie in der Raublust wetteiferten die gälischen
Banditen mit den Beduinen. Zwölf Tage lang lebten die Soldaten ganz
gemüthlich unter den Bewohnern der Schlucht. Der alte Mac Ian, der wegen
des Verhältnisses, in dem er zur Regierung stand, anfangs nichts Gutes
geahnet hatte, schien jetzt Gefallen an dem Besuche zu finden. Die
Offiziere brachten einen großen Theil ihrer Zeit bei ihm und seiner
Familie zu. Die langen Winterabende wurden mit Hülfe einiger Spiele
Karten, die sich nach diesem entlegenen Winkel der Welt verlaufen
hatten, und etwas Franzbranntwein, der wahrscheinlich ein Theil von
Jakob’s Abschiedspräsent an seine hochländischen Anhänger war, heiter
und vergnügt am Torffeuer hingebracht. Glenlyon schien seiner Nichte und
deren Gatten Alexander mit inniger Liebe zugethan. Jeden Tag kam er in
ihr Haus, um dort zu frühstücken. Währenddem erforschte er mit der
größten Aufmerksamkeit alle Zu- und Ausgänge, auf denen die Macdonalds,
wenn das Signal zum Gemetzel erfolgte, versuchen konnten, ins Gebirge zu
entkommen, und berichtete Hamilton das Ergebniß seiner Beobachtungen.

Hamilton bestimmte den 13. Februar, fünf Uhr Morgens, zur Ausführung der
That. Er hoffte, daß er bis dahin Glencoe mit vierhundert Mann erreichen
und alle Baue verstopft haben würde, in die sich der alte Fuchs und
seine beiden Jungen -- so wurden Mac Ian und seine Söhne spottweise von
den Mördern genannt -- flüchten konnten. Schlag fünf Uhr aber sollte
Glenlyon, mochte Hamilton eingetroffen sein oder nicht, aufbrechen und
jeden Macdonald unter siebzig Jahren ermorden.

Die Nacht war rauh. Hamilton und seine Truppen kamen nur langsam
vorwärts und verspätigten sich bedeutend. Während sie mit Wind und
Schnee kämpften, speiste Glenlyon mit Denen, die er vor Tagesanbruch
niederzumetzeln gedachte, und spielte Karten mit ihnen. Er und Leutnant
Lindsay hatten versprochen, am folgenden Tage bei dem alten Häuptlinge
zu Mittag zu essen.

Spät am Abend erwachte in dem ältesten Sohne des Häuptlings der
unbestimmte Verdacht, daß man etwas Böses im Sinne habe. Die Soldaten
waren unverkennbar in einer aufgeregten Stimmung und einige von
ihnen ließen sonderbare Aeußerungen fallen. Man erzählte sich, daß
zwei Mann Folgendes leise mit einander gesprochen haben sollten.
„Mir gefällt dieser Streich nicht,” flüsterte der Eine. „Ich würde
recht gern gegen die Macdonalds kämpfen, aber Leute in ihren Betten
umbringen --” „Wir müssen thun was uns befohlen wird,” erwiederte
eine andre Stimme. „Geschieht etwas Unrechtes, so haben es unsere
Offiziere zu verantworten.” Johann Macdonald war so beunruhigt, daß
er noch kurz nach Mitternacht in Glenlyon’s Quartier kam. Glenlyon
und seine Leute waren sämmtlich wach und schienen ihre Waffen zum
Kampfe in Bereitschaft zu bringen. Johann fragte äußerst besorgt, was
diese Vorkehrungen zu bedeuten hätten. Glenlyon erschöpfte sich in
Freundschaftsversicherungen. „Einige von Glengarry’s Leuten haben die
Gegend beunruhigt, und wir machen uns bereit, gegen sie auszurücken.
Ihr habt nichts zu fürchten. Glaubt Ihr ich würde Eurem Bruder Sandy
und seiner Frau nicht einen Wink gegeben haben, wenn Euch irgend eine
Gefahr drohte?” Johann’s Verdacht war beschwichtigt. Er kehrte nach
Hause zurück und legte sich zur Ruhe.

Es war fünf Uhr Morgens. Hamilton war mit seinen Leuten noch einige
Meilen entfernt, und die Zugänge die er besetzen sollte, noch frei.
Glenlyon aber hatte gemessene Befehle, und er begann sie in dem kleinen
Dorfe, in welchem er selbst lag, in Vollzug zu setzen. Sein Wirth
Inverriggen und neun andere Macdonalds wurden aus ihren Betten gerissen,
an Händen und Füßen gefesselt und ermordet. Ein zwölfjähriger Knabe
umschlang die Knie des Hauptmanns und bat flehentlich um sein Leben. Er
wolle Alles thun, er wolle überallhin mitgehen, er wolle Glenlyon bis
ans Ende der Welt folgen. Selbst Glenlyon soll Zeichen von Rührung an
den Tag gelegt haben; aber ein Bube, Namens Drummond, schoß den Knaben
nieder.

In Auchnaion war der Tacksman Auchintriater diesen Morgen frühzeitig
aufgestanden und saß mit acht Mitgliedern seiner Familie am Feuer, als
eine Flintensalve ihn und sieben seiner Angehörigen todt oder sterbend
zu Boden streckte. Sein Bruder, der allein nicht getroffen worden war,
rief den Sergeanten Barbour, der die Mörder commandirte, an und bat ihn
um die Vergünstigung, unter freiem Himmel sterben zu dürfen. „Gut,”
sagte der Sergeant, „ich will Euch den Gefallen thun, weil ich an Eurem
Tische gegessen habe.” Der verwegene und athletische Bergschotte kam
unter dem Schutze der Dunkelheit heraus, stürzte sich auf die Soldaten,
die eben auf ihn anschlagen wollten, warf ihnen seinen Plaid über die
Köpfe und war in einem Nu auf und davon.

Unterdessen hatte Lindsay an die Thür des alten Häuptlings geklopft und
mit freundlichen Worten Einlaß begehrt. Die Thür ward geöffnet. Während
Mac Ian sich ankleidete und seine Dienerschaft rief, um seinen Gästen
Erfrischungen bringen zu lassen, wurde er durch den Kopf geschossen.
Zwei seiner Leute wurden zugleich mit ihm ermordet. Seine Gattin war
bereits auf und in dem Staate, den die Fürstinnen der wilden Schluchten
der Hochlande zu tragen pflegten. Die Mörder rissen ihr die Kleider und
das Geschmeide vom Leibe. Die Ringe ließen sich nicht leicht von den
Fingern ziehen; ein Soldat riß sie mit den Zähnen herunter. Sie starb am
folgenden Tage.

Der Staatsmann, dem dieses große Verbrechen hauptsächlich zur Last
fällt, hatte den Plan dazu mit vollendeter Geschicklichkeit entworfen;
aber die Ausführung war nur in Bezug auf Schuld und Schmach vollkommen.
Eine Reihe von Fehlgriffen bewahrte drei Viertel der Leute von Glencoe
vor dem Schicksale ihres Häuptlings. Alle diejenigen moralischen
Eigenschaften, welche den Menschen geschickt machen, bei einem Gemetzel
eine Rolle zu spielen, besaßen Hamilton und Glenlyon in höchster
Vollendung. Aber keiner von Beiden scheint viel militärisches Talent
besessen zu haben. Hamilton hatte seinen Plan entworfen, ohne das
schlechte Wetter in Anschlag zu bringen, und dies in einem Lande und zu
einer Jahreszeit, wo das Wetter aller Wahrscheinlichkeit nach schlecht
sein mußte. Die Folge davon war, daß die Fuchsbaue, wie er sie nannte,
nicht zur rechten Zeit verstopft wurden. Glenlyon und seine Leute
begingen den Fehler, ihre Wirthe durch Feuerwaffen aus der Welt zu
befördern, anstatt sich des kalten Stahles zu bedienen. Der Knall und
Blitz der Schüsse verkündete drei verschiedenen Theilen des Thales zu
gleicher Zeit, daß gemordet wurde. Aus funfzig Hütten flüchtete das
Landvolk halb nackt in die verborgensten Schlupfwinkel seiner unwegsamen
Schlucht. Selbst den Söhnen Mac Ian’s, welche speciell zur Vernichtung
bestimmt waren, gelang es zu entkommen. Sie wurden durch treue Diener
geweckt. Johann, welcher durch den Tod seines Vaters der Patriarch des
Stammes geworden, verließ seine Wohnung gerade in dem Augenblicke, als
zwanzig Soldaten mit aufgesteckten Bajonnetten im Anmarsche waren. Es
war längst heller Tag als Hamilton ankam, und er fand das Werk noch
nicht halb verrichtet. Ungefähr dreißig Leichen schwammen auf den
Düngerhaufen vor den Thüren in ihrem Blute. Darunter sah man auch einige
Frauen und ein noch gräßlicherer und erschütternderer Anblick, eine
kleine Hand, die im Tumulte des Gemetzels einem Kinde abgehauen worden
war. Ein bejahrter Macdonald wurde noch lebend gefunden. Er war
wahrscheinlich zu schwach, um fliehen zu können, und da er über siebzig
Jahre zählte, erstreckte sich der Befehl, nach welchem Glenlyon
gehandelt, nicht mit auf ihn. Hamilton ermordete den alten Mann mit
kaltem Blute. Die verödeten Dörfer wurden sodann angezündet und die
Soldaten zogen ab, eine Menge Schafe und Ziegen, neunhundert Rinder und
zweihundert der kleinen zottigen Ponies der Hochlande mit sich
fortführend.

Man sagt, und es ist nur zu glaublich, daß die Leiden der Flüchtlinge
entsetzlich gewesen seien. Wie viele Greise, wie viele Frauen mit
kleinen Kindern auf den Armen in den Schnee niedersanken, um nie wieder
aufzustehen, wie Viele, die von Anstrengung und Hunger erschöpft in
Schlupfwinkel an den Bergabhängen gekrochen waren, in diesen finstren
Höhlen starben und von den Gebirgsraben bis auf die Knochen verzehrt
wurden, ist nicht zu ermitteln. Wahrscheinlich aber war die Zahl Derer,
welche durch Kälte, Erschöpfung und Hunger umkamen, nicht geringer als
die Zahl Derer, welche von den Mördern hingeschlachtet wurden. Als die
Truppen fort waren, kamen die Macdonalds aus den Höhlen von Glencoe
hervor, wagten sich zurück zu der Stelle, wo die Hütten gestanden, zogen
die halbverbrannten Leichname aus den rauchenden Trümmern und
verrichteten einige einfache Beerdigungsceremonien. Die Tradition
erzählt, daß der erbliche Barde des Stammes sich auf einen Felsen
niedersetzte, der die Stätte des Gemetzels beherrschte, und sich in eine
lange Klage über seine gemordeten Brüder und seine verödete Heimath
ergoß. Noch achtzig Jahre nachher sang die Bevölkerung des Thales dieses
schwermüthige Klagelied.[89]

Die Ueberlebenden hatten alle Ursache zu der Befürchtung, daß sie den
Kugeln und Schwertern nur entgangen waren, um durch Hunger umzukommen.
Das ganze Gebiet war eine Wüste. Häuser, Scheunen, Mobilien,
Wirthschaftsgeräthe, Rinder- und Schafheerden und Pferde, Alles war
fort. Viele Monate mußten vergehen, ehe der Clan im Stande war, auf
seinem Grund und Boden die Mittel zu gewinnen, um auch nur die
dürftigste Existenz zu fristen.[90]

Man wird sich vielleicht wundern, daß diese Ereignisse nicht mit einem
Ausrufe des Abscheus in allen Theilen der civilisirten Welt aufgenommen
wurden. Aber es ist Thatsache, daß Jahre vergingen, ehe der öffentliche
Unwille gründlich erwachte, und Monate, bevor der schwärzeste Theil der
Geschichte selbst bei den Feinden der Regierung Glauben fand. Daß das
Gemetzel in den Londoner Tagesblättern und in den monatlichen
Zeitschriften, welche kaum minder höfisch gesinnt waren als die
Zeitungen, oder in den durch officielle Censoren erlaubten Flugschriften
nicht erwähnt wurde, ist leicht erklärlich. Daß sich aber auch in
Tagebüchern und Briefen von Personen, die von jeder Beschränkung frei
waren, keine Notiz davon findet, muß auffällig erscheinen. In Evelyn’s
Tagebuch kommt kein Wort über den Gegenstand vor. In Narcissus
Luttrell’s Tagebuche ist fünf Wochen nach dem Gemetzel eine interessante
Bemerkung eingezeichnet. Briefe aus Schottland, sagt er, schilderten
dieses Land als vollkommen ruhig, ausgenommen daß man sich über
kirchliche Fragen noch ein wenig stritte. Die holländischen Minister
theilten ihrer Regierung regelmäßig alle schottischen Neuigkeiten mit.
Sie hielten es damals der Mühe werth zu erwähnen, daß ein Kaper in der
Nähe von Berwick ein Kohlenschiff aufgebracht habe, daß die Edinburger
Diligence beraubt worden, und daß bei Aberdeen ein Wallfisch mit einer
siebzehn Fuß langen und sieben Fuß breiten Zunge gestrandet sei. Aber in
keiner ihrer Depeschen findet sich eine Andeutung, daß die Rede von
einem außerordentlichen Ereignisse in den Hochlanden gehe. Es kamen zwar
nach ungefähr drei Wochen Gerüchte von der Ermordung einiger Macdonalds
über Edinburg nach London. Aber diese Gerüchte waren vag und einander
widersprechend, und das Schlimmste derselben war noch weit von der
schrecklichen Wahrheit entfernt. Die whiggistische Version der
Geschichte lautete, daß der alte Räuber Mac Ian die Soldaten habe in
einen Hinterhalt locken wollen, daß er sich aber in seiner eigenen
Schlinge gefangen habe und daß er nebst einigen Mitgliedern seines Clans
mit dem Schwerte in der Hand gefallen sei. Die jakobitische Version,
welche am 23. März von Edinburg abging, erschien am 7. April in der
Pariser Gazette. Glenlyon, hieß es darin, sei mit einem Detachement von
Argyle’s Regiment abgesandt worden, um unter dem Schutze der Dunkelheit
die Bewohner von Glencoe zu überfallen, und habe sechsunddreißig Männer
und Knaben und vier Frauen getödtet.[91] Darin lag weder etwas
Wunderbares noch etwas Entsetzliches. Ein nächtlicher Angriff auf eine
Bande Freibeuter in einer starken natürlichen Festung kann eine durchaus
gerechtfertigte militärische Operation sein, und in der Dunkelheit und
der Verwirrung eines solchen Angriffs kann auch der Humanste das Unglück
haben, eine Frau oder einen Knaben, zu erschießen. Die Umstände, welche
dem Gemetzel von Glencoe einen eigenthümlichen Character verleihen, der
Wortbruch, die Verletzung der Gastfreundschaft, die zwölf Tage
erheuchelter Freundschaft und heiteren Zusammenlebens, der
Morgenbesuche, der geselligen Mahlzeiten, des Gesundheittrinkens und des
Kartenspiels wurden von dem Edinburger Correspondenten der Gazette de
Paris nicht erwähnt, und wir dürfen daraus mit Gewißheit schließen, daß
jene Umstände bis dahin selbst nachforschenden und thätigen
Mißvergnügten, welche in der Hauptstadt Schottland’s, hundert Meilen von
der Stelle, wo die That verübt worden, wohnten, völlig unbekannt waren.
Im Süden der Insel machte die Sache, so weit es sich jetzt beurtheilen
läßt, fast gar kein Aufsehen. Für den Londoner der damaligen Zeit war
Appin das, was für uns das Kafferngebiet oder Borneo ist. Die Nachricht,
daß einige hochländische Räuber überfallen und getödtet worden wären,
machte auf ihn keinen größeren Eindruck als wenn wir hören, daß eine
Bande Viehdiebe von Amakosah niedergemacht oder daß ein Fahrzeug voll
malayischer Piraten in den Grund gebohrt worden sei. Er hielt es für
ausgemacht, daß in Glencoe nichts Schlimmeres geschehen sei als was in
vielen anderen Schluchten Schottland’s geschah. Es hatte einen
nächtlichen Kampf, wie sie zu Hunderten vorkamen, zwischen den
Macdonalds und Campbells gegeben, und die Campbells hatten die
Macdonalds aufs Haupt geschlagen.

Nach und nach kam jedoch die ganze Wahrheit zum Vorschein. Aus einem
ungefähr zwei Monat nach Verübung des Verbrechens in Edinburg
geschriebenen Briefe geht hervor, daß die entsetzliche Geschichte unter
den Jakobiten dieser Stadt bereits cursirte. Im Sommer wurde Argyle’s
Regiment nach dem Süden der Insel versetzt, und Einige von der
Mannschaft machten bei der Flasche auffällige Bekenntnisse von dem, was
sie im vergangenen Winter zu thun gezwungen worden waren. Die
Eidverweigerer bemächtigten sich bald des Fadens und verfolgten ihn
entschlossen; ihre geheimen Pressen traten in Thätigkeit, und endlich,
fast ein Jahr nachdem das Verbrechen begangen worden, wurde es der Welt
offenbart.[92] Aber die Welt war noch lange ungläubig. Die
gewohnheitsmäßige Lügenhaftigkeit der jakobitischen Pasquillanten hatte
ihnen eine wohlverdiente Strafe zugezogen. Jetzt, wo sie zum ersten Mal
die Wahrheit sagten, glaubte man wieder sie erzählten nur einen Roman.
Sie beklagten sich bitter darüber, daß die Geschichte, obgleich
vollkommen authentisch, vom Publikum als eine Parteilüge betrachtet
werde.[93] Noch im Jahre 1695 bemerkte Hickes in einer Schrift, in der
er sein Lieblingsthema von der Thebanischen Legion gegen das aus dem
Stillschweigen der Geschichtsschreiber abgeleitete unwiderlegbare
Argument zu vertheidigen suchte, daß man wohl daran zweifeln dürfe, ob
irgend ein Geschichtsschreiber das Gemetzel von Glencoe erwähnen werde.
Es gebe in England, sagt er, viele Tausend gebildete Leute, welche nie
von diesem Gemetzel gehört hätten oder die es für eine bloße Fabel
hielten.[94]

Gleichwohl begann die Strafe einiger der Schuldigen sehr bald. Hill, den
man eigentlich kaum schuldig nennen kann, war sehr ängstlich. Auch
Breadalbane, so verhärtet er war, fühlte den Stachel des Gewissens oder
die Furcht vor der Strafe. Wenige Tage nachdem die Macdonalds zu ihrer
alten Wohnstätte zurückgekehrt waren, besuchte sein Intendant die
Trümmer des Hauses Glencoe und bemühte sich die Söhne des ermordeten
Häuptlings zur Unterzeichnung einer Schrift zu überreden, worin sie
erklärten, daß sie den Earl für unschuldig an dem vergossenen Blute
hielten. Es wurde ihnen versichert, daß, wenn sie diese Erklärung
abgäben, Se. Lordschaft seinen ganzen großen Einfluß aufbieten würde, um
ihnen volle Amnestie und Zurückerstattung alles dessen was sie verwirkt
hätten, zu verschaffen.[95] Glenlyon bemühte sich nach Möglichkeit eine
gleichgültige Miene zu heucheln. Er zeigte sich in dem elegantesten
Kaffeehause von Edinburg und sprach laut und selbstgefällig von dem
wichtigen Dienste, zu welchem er im Gebirge verwendet worden sei. Einige
von seinen Soldaten jedoch, die ihn genauer beobachteten, raunten
einander zu, daß alle seine Bravaden bloß Schein seien. Er sei nicht
mehr der Mann, der er vor jener Nacht gewesen. Sein ganzes Aussehen sei
verändert. An jedem Orte, zu jeder Stunde, er möge wachen oder schlafen,
stehe Glencoe vor seinen Augen.[96]

Doch welche Besorgnisse Breadalbane beunruhigen, welche Fantome Glenlyon
ängstigen mochten, der Master von Stair empfand weder Furcht noch Reue.
Er war wohl ärgerlich, aber nur über Hamilton’s Mißgriffe und über das
Entrinnen so Vieler von dem verdammten Gezücht. „Thue Recht und scheue
Niemand”, so lautet die Sprache in seinen Briefen. „Kann es eine
heiligere Pflicht geben als das Land von Räubern zu befreien? Das
Einzige, was ich bedaure, ist, daß welche davongekommen sind.”[97]


[_Wilhelm begiebt sich auf den Continent._] Am 6. März war Wilhelm,
aller Wahrscheinlichkeit nach ohne Kenntniß der Einzelnheiten des
Verbrechens, das einen dunklen Schatten auf seinen Ruhm geworfen hat,
nach dem Continent abgereist, die Königin als Viceregentin in England
zurücklassend.[98]


[_Louvois’ Tod._] Er würde seine Abreise wahrscheinlich aufgeschoben
haben, wenn er gewußt hätte, daß die französische Regierung seit
einiger Zeit großartige Anstalten zu einer Landung auf unsrer Insel
traf.[99] Es war ein Ereigniß eingetreten, das die Politik des Hofes
von Versailles geändert hatte. Louvois war nicht mehr. Er hatte ein
Vierteljahrhundert lang an der Spitze der Militärverwaltung seines
Vaterlandes gestanden, hatte bei der Leitung zweier Kriege, welche
das französische Gebiet vergrößert und die Welt mit dem Ruhme der
französischen Waffen erfüllt hatten, eine Hauptrolle gespielt und
hatte den Anfang eines dritten Krieges erlebt, der die äußerste
Anstrengung seines großen Genies in Anspruch nahm. Zwischen ihm und
den berühmten Feldherren, die seine Pläne in Ausführung brachten,
herrschte wenig Uebereinstimmung. Sein gebieterisches Wesen und sein
Selbstvertrauen trieben ihn an, sich zuviel in die Führung der Truppen
im Felde zu mischen, selbst wenn diese Truppen von einem Condé,
einem Turenne oder einem Luxemburg befehligt wurden. Aber er war der
größte Generaladjutant, der größte Generalquartiermeister, der größte
Kriegscommissar, den Europa gesehen hatte. Man kann sogar von ihm
sagen, daß er in der Kunst, die Armeen zu discipliniren, zu vertheilen,
zu equipiren und zu verproviantiren, eine vollständige Revolution
herbeigeführt hat. Aber trotz seiner Talente und seiner Dienste war
er Ludwig und der Frau, welche Ludwig beherrschte, verhaßt geworden.
Das letzte Mal, wo der König und der Minister über Geschäftssachen
mit einander verhandelten, kam die Mißstimmung auf beiden Seiten mit
Heftigkeit zum Ausbruch. Der Diener warf im Aerger sein Portefeuille
auf die Erde, und der Gebieter, welcher vergaß, was ihm selten geschah,
daß ein König jederzeit Cavalier sein muß, erhob seinen Stock.
Zum Glück war seine Gemahlin anwesend. Sie ergriff mit gewohnter
Besonnenheit seinen Arm, führte dann Louvois aus dem Zimmer und bat ihn
dringend, den folgenden Tag wiederzukommen, als ob nichts vorgefallen
wäre. Er kam wirklich am folgenden Tage wieder, aber mit dem Tode
im Gesicht. Der König wurde, obgleich von Groll erfüllt, zu Mitleid
gerührt und rieth Louvois nach Hause zu gehen und sich zu pflegen. Noch
denselben Abend starb der große Minister.[100]

Louvois hatte sich beständig allen Plänen zur Invasion in England
widersetzt. Sein Tod wurde daher in Saint-Germains als ein glückliches
Ereigniß betrachtet.[101] Indessen mußte man sich doch betrübt stellen
und einen Edelmann mit einigen Worten des Beileids nach Versailles
schicken. Der Abgesandte fand den glänzenden Kreis der Höflinge auf der
Terrasse über der Orangerie um ihren Gebieter versammelt. „Mein Herr,”
sagte Ludwig in einem so sorglosen und heiteren Tone, daß alle
Anwesenden darüber erstaunten, „bringen Sie dem Könige und der Königin
von England meinen Gruß und meinen Dank und sagen Sie ihnen, das weder
meine noch ihre Angelegenheiten sich in Folge dieses Ereignisses
verschlechtern werden.” Diese Worte sollten ohne Zweifel andeuten, daß
Louvois seinen Einfluß nicht zu Gunsten des Hauses Stuart angewendet
habe.[102] Eine Anerkennung jedoch, aber eine Anerkennung, die
Frankreich theuer zu stehen kam, glaubte Ludwig dem Gedächtnisse seines
talentvollsten Dieners zollen zu müssen. Der Marquis von Barbesieux,
Louvois’ Sohn, wurde in seinem fünfundzwanzigsten Jahre an die Spitze
des Kriegsdepartements gestellt. Es fehlte dem jungen Manne keineswegs
an Befähigung und er war schon seit einigen Jahren zu hochwichtigen
Geschäften verwendet worden. Aber er besaß heftige Leidenschaften und
kein gereiftes Urtheil, und seine unerwartete Erhebung verrückte ihm den
Kopf. Sein Benehmen erregte allgemeinen Unwillen. Alte Offiziere
beschwerten sich, daß er sie lange antichambriren lasse, während er sich
mit seinen Windspielen und seinen Schmeichlern unterhalte. Wer bei ihm
vorgelassen wurde, entfernte sich empört über seine Rücksichtslosigkeit
und Anmaßung. Wie es in seinem Alter ganz natürlich war, legte er nur
deshalb Werth auf die Macht, weil sie ihm die Mittel bot, sich Vergnügen
zu verschaffen. Millionen Laubthaler wurden auf die prachtvolle Villa
verwendet, in der er die Sorgen seines Amtes in fröhlicher Gesellschaft,
bei leckeren Speisen und schäumendem Champagner zu vergessen liebte. Er
schützte oft einen Fieberanfall vor, um sich wegen seines
Nichterscheinens im königlichen Cabinet zur bestimmten Stunde zu
entschuldigen, während er thatsächlich mit seinen Vergnügungsgefährten
und Maitressen die Zeit in Nichtsthun hingebracht hatte. „Der
französische König,” sagte Wilhelm, „hat einen sonderbaren Geschmack; er
wählt eine alte Frau zur Maitresse und einen jungen Mann zum
Minister.”[103]

Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß Louvois durch Verfolgung
des Weges, durch den er sich bei dem Hofe von Saint-Germains verhaßt
gemacht, große Verdienste um sein Vaterland erworben hatte. Er ließ sich
von dem jakobitischen Enthusiasmus nicht anstecken, denn er wußte sehr
wohl, daß Verbannte die schlechtesten Rathgeber sind. Er war
vortrefflich unterrichtet, er besaß einen außerordentlichen Scharfblick
und erwog alle Möglichkeiten, und erkannte, daß eine Landung alle
Aussicht hatte zu mißlingen, und zwar in sehr unheilvoller und
schimpflicher Weise zu mißlingen. Jakob mochte freilich wohl danach
verlangen, den Versuch zu machen, obgleich die Chancen wie Zehn zu Eins
gegen ihn waren, denn er konnte gewinnen, aber nichts verlieren. Seine
Thorheit und Hartnäckigkeit hatte ihm nichts gelassen, was er hätte aufs
Spiel setzen können. Speise und Trank, Wohnung und Kleidung verdankte er
der Mildthätigkeit. Nichts war natürlicher, als daß er bei der
allergeringsten Aussicht, die drei Königreiche, die er von sich
geworfen, wieder zu erlangen, geneigt war etwas ihm nicht Gehörendes,
die Ehre der französischen Waffen und die Größe und das Wohl der
französischen Monarchie, aufs Spiel zu setzen. Einem französischen
Staatsmanne aber mußte ein solches Hazardspiel in einem ganz andren
Lichte erscheinen. Doch Louvois war nicht mehr. Sein Gebieter gab dem
Andringen Jakob’s nach und beschloß eine Expedition nach England zu
schicken.[104]


[_Die französische Regierung beschließt eine Expedition gegen England zu
unternehmen._] Der Plan war in mancher Beziehung gut angelegt. Es war
festgesetzt, daß an der Küste der Normandie ein Lager gebildet und daß
in diesem Lager sämmtliche in französischen Diensten stehende irische
Regimenter unter ihrem Landsmann Sarsfield versammelt werden sollten.
Mit ihnen sollten ungefähr zehntausend Mann französischer Truppen
vereinigt werden. Die ganze Armee sollte der Marschall Bellefonds
commandiren.

Eine stolze Flotte von etwa achtzig Linienschiffen sollte diese
Truppenmacht an die Küsten England’s begleiten. Auf den Werften der
Bretagne und der Provence wurden ungeheure Zurüstungen gemacht.
Vierundvierzig Linienschiffe, von denen einige die schönsten waren,
welche jemals gebaut worden, waren im Hafen von Brest unter Tourville
versammelt. Der Graf von Estrées sollte mit fünfundzwanzig weiteren von
Toulon auslaufen. Ushant war als Vereinigungsort bestimmt. Selbst der
Tag war festgesetzt. Damit es weder an Seeleuten noch an Schiffen für
die beabsichtigte Expedition fehle, war aller Seehandel und alle Kaperei
durch einen königlichen Erlaß auf einige Zeit untersagt.[105]
Dreihundert Transportschiffe wurden in der Nähe des zur Einschiffung der
Truppen bestimmten Punktes versammelt. Man hoffte, daß zu Anfang des
Frühjahrs, ehe die englischen Schiffe noch halb aufgetakelt und halb
bemannt und ehe ein einziges holländisches Kriegsschiff im Kanal war,
Alles bereit sein werde.[106]


[_Jakob glaubt, daß die englische Flotte freundschaftlich gegen ihn
gesinnt sei._] Jakob hatte sich sogar eingeredet, daß, selbst wenn er
der englischen Flotte begegnen sollte, sie sich ihm nicht widersetzen
würde. Er bildete sich ein, daß er der Liebling der Seeleute jeden
Grades sei. Seine Emissäre waren sehr thätig unter den Flottenoffizieren
gewesen und hatten einige gefunden, die sich seiner freundlich
erinnerten, andere, die mit den jetzt am Ruder befindlichen Männern
nicht zufrieden waren. All’ das ungereimte Geschwätz einer Klasse, die
sich eben nicht durch Schweigsamkeit oder Discretion auszeichnete, wurde
ihm mit Uebertreibungen hinterbracht, bis er zu dem Glauben verleitet
war, daß er auf den Schiffen, welche unsere Küsten bewachten, mehr
Freunde als Feinde habe. Er hätte jedoch wissen können, daß ein rauher
Seemann, der sich von der Admiralität übel behandelt glaubte, wenn er
durch gewandte Gesellschafter bearbeitet wurde, nach der dritten Flasche
die guten alten Zeiten zuruckwünschen, die neue Regierung und sich
selbst verfluchen konnte, weil er ein solcher Narr sei, für diese
Regierung zu kämpfen, daß er aber deshalb noch keineswegs bereit war, am
Tage der Schlacht zu den Franzosen überzugehen. Von den unzufriedenen
Offizieren, die nach Jakob’s Meinung es nicht erwarten konnten zu
desertiren, hatte die große Mehrzahl wahrscheinlich keinen andren Beweis
von Zuneigung zu ihm gegeben, als ein in der Trunkenheit
herausgestoßenes müßiges Wort, das sie vergessen hatten, sobald sie
wieder nüchtern waren. Einer von Denjenigen, deren Beistand sie
erwarteten, der Contreadmiral Carter, hatte in der That Alles was die
jakobitischen Agenten sagten, gehört und vollkommen begriffen, hatte
ihnen schöne Worte erwiedert und dann die ganze Geschichte der Königin
und ihren Ministern hinterbracht.[107]


[_Verhalten Russell’s._] Am meisten baute Jakob auf Russell. Dieser
falsche, arrogante und launenhafte Staatsmann sollte die Kanalflotte
befehligen. Er hatte nicht aufgehört den jakobitischen Emissären zu
versichern, daß er gern eine Restauration herbeiführen wolle. Die
Emissäre rechneten zuversichtlich wenn nicht auf seine unumwundene
Mitwirkung, so doch auf seine Connivenz, und es unterlag keinem
Zweifel, daß mit seiner Connivenz eine französische Flotte leicht
eine Armee an unsere Küsten bringen konnte. Jakob schmeichelte sich
mit der Hoffnung, daß er sogleich nach seiner Landung Herr der Insel
sein werde. In Wahrheit aber würden nach vollbrachter Ueberfahrt die
Schwierigkeiten seines Unternehmens erst begonnen haben. Vor zwei
Jahren erst hatte er eine Lection bekommen, aus der er hätte Nutzen
ziehen sollen. Er hatte damals sich und Andere in den irrigen Glauben
eingewiegt, daß die Engländer ihn zurückwünschten, daß sie sich nach
ihm sehnten und daß sie es nicht erwarten könnten, sich zu Tausenden
bewaffnet zu erheben, um ihn willkommen zu heißen. Wilhelm war damals
wie jetzt nicht anwesend. Damals wie jetzt war die Verwaltung in den
Händen einer Frau. Damals wie jetzt waren wenig reguläre Truppen in
England. Torrington hatte damals ebensoviel zum Schaden der Regierung
gethan, der er diente, als Russell jetzt thun konnte. Die französische
Flotte hatte damals, nachdem sie mehrere Wochen lang siegreich und
dominirend im Kanal umhergefahren war, einige Truppen auf der Südküste
gelandet, und die unmittelbare Folge davon war gewesen, daß ganze
Grafschaften, ohne Unterschied von Tory und Whig, Hochkirchlichem
oder Dissenter, sich wie ein Mann erhoben hatten, um die Fremden
hinauszuwerfen, und daß die Jakobitenpartei, welche noch vor wenigen
Tagen anscheinend die Hälfte der Nation bildete, sich mit schweigender
Bestürzung niedergeduckt und so klein gemacht hatte, daß sie eine
Zeit lang unsichtbar gewesen war. Welchen Grund hatte man nun zu
glauben, daß die Massen, welche im Jahre 1690 beim ersten Aufflammen
der Lärmfeuer Gewehre, Piken und Sensen ergriffen hatten, um den
heimathlichen Boden gegen die Franzosen zu vertheidigen, die Franzosen
jetzt als Verbündete begrüßen würden? Und in der Armee, welche Jakob
diesmal begleiten solle, bildeten die Franzosen noch den minder
verhaßten Theil. Die große Hälfte dieser Armee sollte aus irischen
Papisten bestehen und das gemischte Gefühl von Haß und Verachtung, mit
dem die irischen Papisten von den englischen Protestanten seit langer
Zeit betrachtet wurden, war durch neuere Vorgänge zu einer vorher nicht
gekannten Heftigkeit gesteigert worden. Die erblichen Sklaven, sagte
man, seien auf einen Augenblick frei gewesen, und dieser Augenblick
habe genügt zu beweisen, daß sie ihre Freiheit weder zu gebrauchen noch
zu vertheidigen wüßten. Während der kurzen Dauer ihres Uebergewichts
hätten sie nichts gethan, als morden und sengen und plündern und
zerstören und verurtheilen und confisciren. In drei Jahren hätten sie
in ihrem Vaterlande eine Verwüstung angerichtet, welche dreißig Jahre
englischer Intelligenz und Betriebsamkeit nicht wiedergutmachen würden.
Sie würden ihre Unabhängigkeit gegen die ganze Welt behauptet haben,
wenn sie es im Fechten so weit gebracht hätten wie im Stehlen. Aber
sie hätten sich schimpflich von den Mauern Londonderry’s zurückgezogen
und seien wie das Wild vor den Jägern von Enniskillen geflohen. Der
Fürst, den sie jetzt mit Waffengewalt auf den englischen Thron setzen
zu können wähnten, habe selbst am Morgen nach der Niederlage am Boyne
ihnen ihre Feigheit vorgeworfen und ihnen gesagt, daß er sich nie
wieder auf ihren Wehrstand verlassen werde. Ueber diesen Punkt waren
die Engländer eines Sinnes. Die Tories, die Eidverweigerer und selbst
die Katholiken schmähten das unglückliche Volk eben so laut als die
Whigs. Es ist daher nicht schwer zu errathen, welchen Eindruck das
Erscheinen von Feinden auf unsrem Boden gemacht haben würde, die wir
auf ihrem eigenen Boden besiegt und mit Füßen getreten hatten.

Doch Jakob glaubte trotz der neuen und harten Lehre der Erfahrung Alles
was seine Correspondenten in England ihm sagten, und sie sagten ihm, daß
die ganze Nation ihn ungeduldig erwarte, daß der Westen wie der Norden
bereit seien, sich zu erheben, daß er auf dem Wege vom Landungsplatze
nach Whitehall eben so wenig Widerstand finden werde, als wenn er in
früheren Zeiten von einer Reise zurückkehrte. Ferguson zeichnete sich
durch die Zuversichtlichkeit aus, mit der er einen vollständigen und
unblutigen Sieg prophezeite. Er und sein Buchdrucker, schrieb er
albernerweise, würden die beiden ersten Männer im Reiche sein, die für
Se. Majestät zu Pferde stiegen. Viele andere Agenten reisten während des
Winters und der ersten Wochen des Frühjahrs geschäftig im Lande umher.
In den Grafschaften südlich vom Trent scheinen sie mit geringem Erfolge
gearbeitet zu haben. Im Norden aber, besonders in Lancashire, wo die
Katholiken zahlreicher und mächtiger waren als in irgend einem andren
Theile des Landes und wo sich selbst unter der protestantischen Gentry
mehr als die gewöhnliche Anzahl bigotter Katholiken befanden, wurden
einige Anstalten zu einer Insurrection getroffen. Waffen wurden im
Geheimen gekauft, Offiziere wurden ernannt und Freisassen, kleine
Farmer, Reitknechte und Jäger wurden überredet, sich einreihen zu
lassen. Die, welche ihre Namen einzeichnen ließen, wurden in acht
Cavallerie- und Dragonerregimenter eingetheilt und erhielten Befehl sich
bereit zu halten, um auf das erste Signal aufzusitzen.[108]


[_Jakob wird eine Tochter geboren._] Einer von den Umständen, welche
Jakob damals mit eitlen Hoffnungen erfüllten, war der, daß seine
Gemahlin schwanger und ihrer Entbindung nahe war. Er hoffte, daß selbst
die Böswilligkeit sich schämen werde, ferner noch die Geschichte von der
Wärmflasche zu erzählen und daß Viele, welche diese Geschichte getäuscht
habe, ungesäumt zu ihrer Unterthanenpflicht zurückkehren würden. Er traf
diesmal alle die Vorsichtsmaßregeln, die er vier Jahre früher
thörichter- und verkehrterweise zu treffen unterlassen hatte. Er wußte
Briefe nach England zu befördern, welche viele angesehene
Protestantinnen einluden, der bevorstehenden Entbindung beizuwohnen, und
er versprach im Namen seines geliebten Bruders, des Allerchristlichsten
Königs, daß es ihnen frei stehen solle, in voller Sicherheit zu kommen
und zu gehen. Wäre eine von diesen Zeuginnen am Morgen des 10. Juni 1688
in den St. Jamespalast beschieden worden, so würde das Haus Stuart
vielleicht heute noch auf unsrer Insel regieren. Aber es ist leichter
eine Krone zu behalten als eine wiederzuerlangen. Es konnte wahr sein,
daß eine verleumderische Fabel viel dazu beigetragen hatte, die
Revolution herbeizuführen. Aber daraus folgte noch keineswegs, daß die
vollständigste Widerlegung dieser Fabel eine Restauration herbeiführen
würde. Nicht eine einzige Dame fuhr auf Jakob’s Einladung über den
Kanal. Seine Gemahlin wurde glücklich von einer Tochter entbunden;
allein dieses Ereigniß machte keinen bemerkbaren Eindruck auf den
Zustand der öffentlichen Meinung in England.[109]


[_Anstalten zur Zurückweisung der Invasion in England._] Unterdessen
wurden die Vorbereitungen zu seiner Expedition betrieben. Er stand schon
auf dem Punkte, nach dem Einschiffungsorte abzureisen, als die englische
Regierung noch nicht die geringste Ahnung von der drohenden Gefahr
hatte. Man wußte zwar längst, daß viele Tausend Irländer in der
Normandie versammelt waren; aber man glaubte sie seien nur zu dem Zwecke
versammelt, um gemustert und eingeübt zu werden, ehe sie nach Flandern,
Piemont und Catalonien geschickt würden.[110] Jetzt aber gestatteten die
von verschiedenen Seiten eintreffenden Nachrichten keinen Zweifel mehr,
daß eine Invasion fast augenblicklich versucht werden würde. Es wurden
kräftige Vertheidigungsmaßregeln getroffen. Die Ausrüstung und Bemannung
der Schiffe wurde energisch betrieben. Die regulären Truppen wurden
zwischen London und dem Meere zusammengezogen. Auf der Anhöhe, welche
Portsmouth beherrscht, wurde ein großes Lager gebildet und die Milizen
im ganzen Lande aufgeboten. Zwei Westminsterregimenter und sechs
Cityregimenter, welche zusammen ein Armeecorps von dreizehntausend
Streitern bildeten, wurden in Hydepark aufgestellt und passirten vor der
Königin die Revue. Die Milizen von Kent, Sussex und Surrey marschirten
nach der Küste. Bei allen Wartfeuern wurden Wächter postirt. Einige
Eidverweigerer wurden gefänglich eingezogen, andere entwaffnet, noch
andere angehalten Bürgschaft zu stellen. Bei dem Earl von Huntingdon,
einem angesehenen Jakobiten, wurde Haussuchung gehalten. Er hatte noch
Zeit gehabt, seine Papiere zu verbrennen und seine Waffen zu verbergen;
aber seine Ställe hatten ein sehr verdächtiges Aussehen. Sie enthielten
Pferde genug, um eine ganze Cavallerieschwadron beritten zu machen, und
obgleich dieser Umstand juristisch nicht genügte, um eine Anklage auf
Hochverrath zu begründen, so wurde er doch unter den obwaltenden
Verhältnissen für ausreichend gehalten, um den Staatsrath zu
berechtigen, den Earl in den Tower zu schicken.[111]


[_Jakob begiebt sich zu seiner Armee bei La Hogue._] Inzwischen war
Jakob zu seiner Armee abgegangen, welche um das Becken von La Hogue
herum an der Nordküste der unter dem Namen des Cotentin bekannten
Halbinsel lagerte. Vor seiner Abreise von Saint-Germains hielt er noch
ein Kapitel des Hosenbandordens, um seinen Sohn in den Orden aufnehmen
zu lassen. Zwei Edelleute wurden ebenfalls mit dieser Auszeichnung
beehrt: Powis, der jetzt von seinen Mitverbannten Herzog genannt wurde,
und Melfort, der aus Rom zurückgekehrt und wieder Jakob’s
Premierminister war.[112] Selbst in diesem Augenblicke, wo es von der
höchsten Wichtigkeit war, die Mitglieder der anglikanischen Kirche zu
gewinnen, wurden nur Mitglieder der römischen Kirche eines Zeichens der
königlichen Gunst für würdig erachtet. Powis war allerdings ein
ausgezeichnetes Mitglied des englischen Adels und die Aversion seiner
Landsleute gegen ihn war so gering wie sie gegen einen angesehenen
Papisten nur sein konnte. Melfort aber war nicht einmal Engländer, er
hatte nie ein Staatsamt in England bekleidet, hatte nie im englischen
Parlament gesessen und hatte daher keinen Anspruch auf eine wesentlich
englische Würde. Ueberdies wurde er von allen streitenden Parteien aller
drei Königreiche gehaßt. Königliche Handschreiben, von ihm
contrasignirt, waren an die Convention zu Westminster und an die
Convention zu Edinburg gesandt worden, und in Westminster sowohl wie in
Edinburg hatten beim Anblick seines verhaßten Namens und seiner
verhaßten Handschrift selbst die eifrigsten Freunde des erblichen Rechts
beschämt die Köpfe hängen lassen. Es muß selbst bei Jakob auffallend
erscheinen, daß er es unter solchen Umständen für gut fand, der Welt zu
verkünden, daß die Männer, die sein Volk am meisten verabscheute,
diejenigen waren, die er am liebsten auszeichnete.


[_Jakob’s Erklärung._] Noch nachtheiliger für seine Interessen war die
Erklärung, in der er seinen Unterthanen seine Absichten kund that. Sie
war unter allen von Jakob abgefaßten Staatsschriften diejenige, deren
Unverstand am meisten in die Augen fiel. Nachdem sie alle guten
Engländer jeder Farbe mit Ekel und Zorn erfüllt hatte, behaupteten die
Papisten zu Saint-Germains, sie sei von einem starren Protestanten,
Eduard Herbert, entworfen, der vor der Revolution Oberrichter der Common
Pleas gewesen war und der jetzt den hohlen Titel eines Kanzlers
führte.[113] Es ist jedoch gewiß, daß Herbert nie über etwas Wichtiges
zu Rathe gezogen wurde und daß die Erklärung ganz und gar Melfort’s Werk
war.[114] Die Eigenschaften des Kopfes und Herzens, welche Melfort zum
Liebling seines Gebieters gemacht hatten, leuchteten auch in der That
aus jedem Satze hervor. Nicht ein Wort war darin zu finden, welches
angedeutet hätte, daß der König während einer dreijährigen Verbannung
weiser geworden, daß er einen einzigen Fehler bereuete, daß er sich auch
nur den kleinsten Theil der Schuld an der Revolution beimaß, die ihn vom
Throne gestürzt, oder daß er sich vorgenommen hatte ein Verfahren
einzuschlagen, das in irgend einer Beziehung von dem abwich, welches ihm
schon verderblich geworden war. Alle gegen ihn erhobenen Beschuldigungen
erklärte er für völlig grundlos. Schlechte Menschen hatten Verleumdungen
verbreitet und schwache Menschen hätten diese Verleumdungen geglaubt. Er
allein sei ohne Tadel gewesen. Er gab keine Hoffnung, daß er sich irgend
eine Beschränkung der weitgehenden Dispensationsgewalt, die er früher
beansprucht, gefallen lassen würde, daß er nicht wieder, den klarsten
Gesetzen zum Trotz, den Geheimen Rath, die Richterbank, die öffentlichen
Aemter, die Armee und die Flotte mit Papisten füllen, daß er nicht einen
neuen Trupp Regulatoren ernennen würde, um alle Wahlkörper im
Königreiche umzugestalten. Er geruhte zwar zu sagen, daß er die legalen
Rechte der englischen Kirche aufrecht erhalten werde, aber dies hatte er
früher auch schon gesagt, und Jedermann wußte, was diese Worte in seinem
Munde bedeuteten. Anstatt seinem Volke Vergebung zuzusichern, drohte er
ihm mit einer Proscription, furchtbarer als irgend eine, die unsre Insel
je erlebt. Er veröffentlichte eine Liste von Personen, die keine Gnade
zu erwarten hatten. Darunter waren Ormond, Caermarthen, Nottingham,
Tillotson und Burnet. Nach dem Verzeichniß Derer, welche mit Namen zum
Tode verurtheilt waren, kam eine Reihe von Kategorien. Obenan stand die
ganze Masse der Landleute, welche Se. Majestät unsanft behandelt hatten,
als er auf seiner Flucht in Sheerneß angehalten wurde. Diese armen
unwissenden Leute, einige Hundert an der Zahl, wurden einer zweiten
blutigen Assise aufgespart. Dann kamen alle Diejenigen, die an der
Bestrafung eines jakobitischen Verschwörers irgend Theil genommen:
Richter, Anwälte, Zeugen, Mitglieder der großen und der kleinen Juries,
Sheriffs und Untersheriffs, Constabler und Kerkermeister, kurz alle
Diener der Justiz, von Holt bis herab auf Ketch. Hierauf wurde allen
Spionen und Angebern Rache geschworen, welche den Usurpatoren die Pläne
des Hofes von Saint-Germains hinterbracht hatten. Alle Friedensrichter,
die sich nicht in dem Augenblicke, wo sie von seiner Landung hörten, für
ihren rechtmäßigen Souverain erklärten, alle Kerkermeister, welche die
politischen Gefangenen nicht augenblicklich in Freiheit setzten, sollten
der äußersten Strenge des Gesetzes anheimfallen. Keine Ausnahme war zu
Gunsten eines Friedensrichters oder eines Kerkermeisters gemacht, der
sich hundert Schritt von einem der Regimenter Wilhelm’s und hundert
Meilen von dem nächsten Platze befand, wo es einen einzigen bewaffneten
Jakobiten gab.

Man hätte erwarten sollen, daß Jakob, nachdem er in dieser Weise
zahlreichen Klassen seiner Unterthanen Rache angedroht, wenigstens den
übrigen eine allgemeine Amnestie versprechen würde. Allein er sagte kein
Wort von einer allgemeinen Amnestie. Er versprach zwar, daß dem oder
jenem Verbrecher, der nicht einer der Proscriptionskategorien angehörte
und der sich durch irgend einen ausgezeichneten Dienst der Nachsicht
würdig mache, specielle Begnadigung zu Theil werden solle. Aber mit
dieser alleinigen Ausnahme wurde den Hunderttausenden von Verbrechern
einfach angekündigt, daß das Parlament über ihr Schicksal entscheiden
werde.


[_Eindruck der Erklärung Jakob’s._] Die Agenten Jakob’s verbreiteten
seine Erklärung schleunigst über alte Theile des Landes und erwiesen
damit Wilhelm einen großen Dienst. Das allgemeine Urtheil darüber
lautete, daß der verbannte Despot die Engländer doch wenigstens offen
gewarnt habe und daß sie, wenn sie ihn nach einer solchen Warnung noch
zurückriefen, sich nicht würden beklagen dürfen, wenn auch jede
Grafschaftshauptstadt durch eine Assise besudelt werden sollte, ähnlich
der, welche Jeffreys in Taunton gehalten hatte. Daß einige hundert
Menschen -- die Jakobiten gaben die Zahl nur auf fünfhundert an -- ohne
Gnade aufgehängt werden würden, sei gewiß, und Keiner, der bei der
Revolution betheiligt gewesen, Keiner der für die neue Regierung zur See
oder zu Lande gefochten, kein Soldat, der an der Unterwerfung Irland’s
Theil genommen, kein Landmann aus Devonshire oder Bergmann aus Cornwall,
der zu den Waffen gegriffen, um Weib und Kinder gegen Tourville zu
vertheidigen, würde vor dem Galgen sicher sein. Wie verworfen, wie
hämisch müsse der Character eines Mannes sein, der, im Begriff, die
wichtigste Unternehmung durchzuführen, und nach dem edelsten aller
Preise strebend, sich nicht enthalten könne zu proklamiren, daß er nach
dem Blute einer Menge armer Fischer lechze, weil sie ihn vor länger als
drei Jahren hin und her gestoßen und „Fratzengesicht” genannt hatten.
Wenn er in dem Augenblicke, wo er die stärksten Gründe habe, sein Volk
durch einen Anschein von Milde zu versöhnen zu suchen, es nicht über
sich gewinnen könne, eine andre Sprache gegen dasselbe zu führen als die
eines unversöhnlichen Feindes, was könne man von ihm erwarten, wenn er
wieder sein Gebieter sein würde? Er habe einen so boshaften Character,
daß er in einer Lage, in der andere Tyrannen zu liebreichen Worten und
schönen Versprechungen griffen, nur Vorwürfe und Drohungen hervorbringen
könne. Die einzigen Worte in seiner Erklärung, welche einen Anstrich von
Freundlichkeit hätten, seien die, mit denen er verspreche, die fremden
Truppen fortzuschicken sobald seine Autorität wiederhergestellt sein
würde, und Viele meinten, daß man bei genauer Untersuchung selbst in
diesen Worten einen unheimlichen Sinn entdecken müsse. Man dürfe von ihm
nicht erwarten, daß er papistische Truppen fortschicken werde, die seine
Unterthanen seien. Seine Absichten lägen auf der Hand. Die Franzosen
gingen vielleicht, aber die Irländer würden bleiben. Das englische Volk
solle durch diese dreimal unterjochten Barbaren niedergehalten werden.
Ein Rapparee, der bei Newton Butler und am Boyne davongelaufen sei,
werde ohne Zweifel Muth genug haben, die Schaffotte, auf denen seine
Ueberwinder sterben sollten, zu bewachen und unser Land zu verwüsten,
wie er sein eignes verwüstet habe.

Anstatt zu versuchen, Jakob’s Manifest zu unterdrücken, ließen die
Königin und ihre Minister es wohlweislich selbst durch den Druck
vervielfältigen und verbreiteten es, mit der Druckerlaubniß des
Staatssekretärs und mit eingeschalteten Bemerkungen aus der Feder eines
gewandten und scharfsinnigen Commentators versehen. Es wurde in vielen
heftigen Pamphlets widerlegt, es wurde in Knittelverse gebracht und
selbst die verwegensten und beißendsten Pasquillanten unter den
Eidverweigerern wagten es nicht, es zu vertheidigen.[115]

Einige Eidverweigerer waren in der That so beunruhigt, als sie den durch
das Manifest hervorgerufenen Eindruck bemerkten, daß sie es
geflissentlich als untergeschoben behandelten und eine Schrift voll
huldreicher Betheuerungen und Versprechungen als die ächte Erklärung
ihres Gebieters veröffentlichten. Sie ließen ihn seinem ganzen Volke,
mit Ausnahme von vier großen Verbrechern, vollständige Amnestie
zusichern. Sie ließen ihn Hoffnungen auf bedeutende Steuerermäßigungen
eröffnen. Sie ließen ihn sein Wort geben, daß er die ganze kirchliche
Verwaltung eidverweigernden Bischöfen übertragen werde. Aber dieses
Machwerk täuschte Niemanden und war nur deshalb von Wichtigkeit, weil es
bewies, daß selbst die Jakobiten sich des Fürsten schämten, auf dessen
Wiedereinsetzung sie hinarbeiteten.[116]

Niemand las die Erklärung mit größerem Erstaunen und Unwillen als
Russell. Bei aller seiner Schlechtigkeit stand er unter dem Einflusse
zweier Gefühle, die, wenn sie auch nicht tugendhaft genannt werden
können, doch einige Verwandtschaft mit der Tugend haben und im Vergleich
zu bloßer egoistischer Habsucht achtungswerth sind. Er besaß einen
starken Berufsgeist und einen starken Parteigeist. Er konnte falsch
gegen sein Vaterland sein, nicht aber gegen seine Flagge, und selbst
nachdem er Jakobit geworden, hatte er nicht aufgehört ein Whig zu sein.
Er war eigentlich nur deshalb ein Jakobit, weil er der intoleranteste
und hämischeste Whig war. Er glaubte sich und seine Partei
undankbarerweise von Seiten Wilhelm’s vernachlässigt und war einige Zeit
durch seinen Groll zu sehr verblendet, um einzusehen, daß es von den
ehemaligen Rundköpfen reiner Wahnsinn sein würde, Wilhelm dadurch zu
bestrafen, daß sie Jakob zurückriefen. Die nahe Aussicht auf eine
Invasion und die Erklärung, in der den Engländern klar und deutlich
gesagt war, was sie zu erwarten hatten, wenn diese Invasion gelingen
sollte, brachte, wie es scheint, eine plötzliche und vollständige
Umwandlung in Russell’s Gesinnungen hervor, und diese Umwandlung gestand
er in bestimmten Ausdrücken ein. „Ich wünsche dem König Jakob zu
dienen,” sagte er zu Lloyd. „Die Sache würde sich auch thun lassen, wenn
er nicht selbst schuld wäre. Aber er schlägt den verkehrten Weg mit uns
ein. Vergißt er alles Geschehene, bewilligt er einen Generalpardon, dann
will ich sehen was ich für ihn thun kann.” Lloyd spielte auf die Russell
selbst zugedachten Ehren und Belohnungen an. Aber der Admiral fiel ihm
mit einer Gesinnung, die eines besseren Mannes würdig gewesen wäre, ins
Wort. „Ich will davon nichts hören. Meine Dienste sind dem Staate
gewidmet. Und glauben Sie nicht, daß ich die Franzosen in unseren
eigenen Meeren über uns triumphiren lassen werde. Ich gebe Ihnen mein
Wort, daß, wenn ich mit ihnen zusammentreffe, ich sie angreife, und wenn
Se. Majestät selbst an Bord wäre.”

Diese Unterredung wurde Jakob gewissenhaft mitgetheilt; sie scheint ihn
aber nicht beunruhigt zu haben. Er war in der That des festen Glaubens,
daß Russell, selbst wenn er wollte, die Offiziere und Matrosen der
englischen Flotte nicht würde bewegen können, gegen ihren alten König,
der auch ihr alter Admiral war, zu kämpfen.

Es gelang Jakob in Gemeinschaft mit seinem Günstling Melfort, die
Hoffnungen, die er hegte, Ludwig und dessen Ministern einzuflößen.[117]
Ohne diese Hoffnungen würde in der That wahrscheinlich jeder Gedanke,
noch im Laufe dieses Jahres in England einzufallen, aufgegeben worden
sein. Denn der im Winter entworfene großartige Plan war im Laufe des
Frühjahrs durch eine Reihe von unglücklichen Zufällen, wie sie keine
menschliche Weisheit voraussehen kann, vereitelt worden. Der zum
Zusammentreffen aller französischen Seestreitkräfte bei Ushant
festgesetzte Zeitpunkt war längst vorüber und noch war nicht ein
einziges Segel auf dem Versammlungsplatze zu sehen. Das atlantische
Geschwader wurde noch durch schlechtes Wetter im Hafen von Brest
zurückgehalten. Das Geschwader des mittelländischen Meeres kämpfte
vergebens gegen einen starken Westwind, um die Herkulessäulen zu
passiren. Zwei prächtige Schiffe waren bereits an den Felsen von Ceuta
zerschellt.[118] Mittlerweile waren die Admiralitäten der verbündeten
Mächte sehr thätig gewesen, und noch vor Ende April war die englische
Flotte zum Auslaufen bereit. Drei stolze Linienschiffe, so eben von
unseren Werften vom Stapel gelassen, erschienen zum ersten Male auf dem
Wasser.[119] Wilhelm hatte die Seerüstungen der Vereinigten Provinzen
eilig betrieben, und seine Bemühungen waren von Erfolg gewesen. Am
29. April erschien ein stattliches Geschwader aus dem Texel in den
Dünen. Bald darauf kamen auch das nordholländische Geschwader, das
Maasgeschwader und das Seelandgeschwader an.[120]


[_Die englische und die holländische Flotte vereinigen sich._] In der
zweiten Maiwoche war die gesammte Flotte der verbündeten Mächte,
bestehend aus mehr als neunzig Linienschiffen mit einer Bemannung von
dreißig- bis vierzigtausend der besten Seeleute der beiden großen
maritimen Nationen, bei Saint-Helen versammelt. Russell führte das
Obercommando. Ihm zur Seite standen Sir Ralph Delaval, Sir John Ashley,
Sir Cloudesley Shovel, Contreadmiral Carter und Contreadmiral Rooke.
Unter den holländischen Offizieren war Van Almonde der im Range am
höchsten stehende.


[_Stimmung der englischen Flotte._] Eine gewaltigere Flotte war noch
nie im britischen Kanal erschienen. Man hatte wenig Ursache zu
befürchten, daß eine solche Streitmacht in einem ehrlichen Kampfe
geschlagen werden könnte. Gleichwohl herrschte in London große
Besorgniß. Es war bekannt, daß es eine jakobitische Partei in der Flotte
gab. Beunruhigende Gerüchte waren von Frankreich aus in Umlauf gekommen.
Man erzählte sich, der Feind habe auf die Mitwirkung einiger von
denjenigen Offizieren gerechnet, von deren Treue in dieser kritischen
Lage das Wohl des Staats abhängen konnte. Auf Russell hatte man, so weit
es sich jetzt ermitteln läßt, noch keinen Verdacht. Aber andere,
wahrscheinlich minder Strafbare, waren indiscreter gewesen. In alten
Kaffeehäusern wurden Admirale und Kapitäne mit Namen als Verräther
bezeichnet, die sofort cassirt, wenn nicht erschossen werden sollten. Es
wurde sogar mit Bestimmtheit behauptet, daß einige der Schuldigen in
Arrest gebracht, andere aus dem Dienste entfernt worden seien. Die
Königin und ihre Rathgeber waren in großer Verlegenheit. Es war schwer
zu sagen, ob es gefährlicher sein würde, den verdächtigen Personen zu
trauen oder sie zu entlassen. Marie beschloß unter vielen bangen
Ahnungen, und die Folge bewies, daß ihr Entschluß sehr weise war, die
schlimmen Gerüchte als Verleumdungen zu betrachten, an die Ehre der
angeschuldigten Generäle feierlich zu appelliren und dann das Wohl und
Wehe des Königreichs ihrem National- und Berufsgeiste anzuvertrauen.

Am 15. Mai wurde eine zahlreiche Versammlung von Offizieren bei
Saint-Helen an Bord der „Britannia,” eines schönen Dreideckers, auf
welchem Russell’s Flagge wehte, berufen. Der Admiral sagte ihnen, daß er
eine Depesche erhalten habe, die er ihnen vorzulesen beauftragt sei. Sie
war von Nottingham. Die Königin, schrieb der Staatssekretär, habe in
Erfahrung gebracht, daß Geschichten circulirten, welche den Ruf der
Flotte sehr nahe berührten. Es sei sogar behauptet worden, daß sie sich
genöthigt gesehen habe, viele Offiziere zu entlassen. Allein Ihre
Majestät sei entschlossen nichts zu glauben, was gegen die Treue dieser
wackeren Diener des Staats spreche. Die so schändlich verleumdeten
Gentlemen könnten versichert sein, daß sie volles Vertrauen in sie
setze. Dieser Brief war vortrefflich berechnet, auf Diejenigen, an die
er gerichtet war, einen tiefen Eindruck zu machen. Wahrscheinlich hatten
sich nur sehr wenige unter ihnen etwas Schlimmeres zu schulden kommen
lassen, als daß sie beim Weine in aufgeregtem Zustande unbesonnene Worte
gesprochen. Sie waren bis jetzt nur Mißvergnügte. Hätten sie geglaubt
verdächtig zu sein, so wären sie vielleicht aus Nothwehr Verräther
geworden. Sie wurden enthusiastisch loyal, sobald sie überzeugt waren,
daß die Königin volles Vertrauen in ihre Loyalität setzte.
Bereitwilligst unterzeichneten sie eine Adresse, in der sie sie baten zu
glauben, daß sie mit der äußersten Entschlossenheit und Freudigkeit ihr
Leben zur Vertheidigung ihrer Rechte, der englischen Freiheit und der
protestantischen Religion gegen alle fremden und papistischen Feinde
aufs Spiel setzen würden. „Gott,” setzten sie hinzu, „erhalte Ihre
Person, leite Ihre Rathgeber und gebe Ihren Waffen Glück, und möge Ihr
ganzes Volk Amen sagen.”[121]

Die Aufrichtigkeit dieser Betheuerungen wurde bald auf die Probe
gestellt. Wenige Stunden nach der Zusammenkunft an Bord der Britannia
sah man von den Klippen von Portland die Masten von Tourville’s
Geschwader. Ein Bote sprengte mit der Nachricht von Weymouth nach London
und weckte Whitehall um drei Uhr Morgens aus dem Schlafe. Ein andrer
schlug den Küstenweg ein und brachte die Nachricht Russell. Alles war
bereit, und am Morgen des 17. Mai stach die verbündete Flotte in
See.[122]


[_Schlacht bei La Hogue._] Tourville hatte nur sein eignes, aus
vierundvierzig Linienschiffen bestehendes Geschwader bei sich. Aber
er hatte bestimmten Befehl, die Landung in England zu decken und eine
Schlacht nicht abzulehnen. Obgleich er diese Befehle erhalten, ehe man
in Versailles wußte, daß die holländische und die englische Flotte
sich vereinigt, hatte er doch nicht Lust, die Verantwortlichkeit für
die Nichtbefolgung derselben auf sich zu nehmen. Er erinnerte sich
noch mit Bitterkeit des Verweises, den seine übergroße Vorsicht ihm
nach dem Gefecht von Beachy Head zugezogen hatte. Er wollte sich nicht
zum zweiten Male sagen lassen, daß er ein zaghafter Commandeur sei
und keinen andren Muth habe als den gewöhnlichen Muth eines gemeinen
Matrosen. Auch war er überzeugt, daß die Uebermacht, mit der er es zu
thun haben sollte, mehr scheinbar als wirklich sei. Er glaubte auf
Jakob’s und Melfort’s Versicherung hin, daß die englischen Seeleute,
von den Flaggenoffizieren bis herab zu den Kajütenjungen, Jakobiten
seien, daß die, welche kämpften, nur mit halben Herzen kämpfen und
daß im entscheidendsten Augenblicke wahrscheinlich viele Desertionen
stattfinden würden. Von solchen Hoffnungen erfüllt, segelte er von
Brest ab, steuerte zuerst gegen Nordosten, gelangte in Sicht der Küste
von Dorsetshire und fuhr dann über den Kanal auf La Hogue zu, wo die
Armee, die er nach England convoyiren sollte, bereits angefangen hatte,
sich auf den Transportfahrzeugen einzuschiffen. Als er sich noch
einige Meilen von Barfleur befand, sah er am Morgen des 19. Mai vor
Tagesanbruch die große Flotte der Verbündeten am östlichen Horizont
entlang segeln. Er beschloß auf sie abzuhalten. Um acht Uhr waren die
beiden Schlachtlinien formirt, das Feuer aber begann erst um elf. Es
wurde bald klar, daß die Engländer, vom Admiral abwärts, entschlossen
waren, ihre Pflicht zu thun. Russell hatte alle seine Schiffe besucht
und eine Ansprache an alle seine Mannschaften gehalten. „Wenn Eure
Commandeurs falsches Spiel spielen,” sagte er, „dann über Bord mit
ihnen, und mit mir zuerst.” Es gab keine Desertion und keine Lauheit.
Carter war der Erste, der die französische Schlachtlinie durchbrach.
Er wurde von einem Splitter einer seiner eigenen Raaen getroffen und
fiel sterbend aufs Verdeck nieder. Er wollte nicht hinuntergetragen
sein, ja er wollte nicht einmal seinen Degen loslassen. „Kämpft für das
Schiff,” waren seine letzten Worte, „so lange es schwimmen kann.” Die
Schlacht währte bis vier Uhr Nachmittags. Der Kanonendonner wurde mehr
als zwanzig Meilen weit entfernt ganz deutlich von der Armee gehört,
welche an der Küste der Normandie lagerte. Während des ersten Theils
des Tages war der Wind den Franzosen günstig; sie hatten es mit der
Hälfte der verbündeten Flotte zu thun und gegen diese Hälfte bestanden
sie den Kampf mit ihrer gewohnten Tapferkeit und mit mehr als gewohnter
seemännischer Tüchtigkeit. Nach einem heißen und zweifelhaften Kampfe
von fünf Stunden dachte Tourville es sei genug gethan um die Ehre der
weißen Flagge aufrecht zu erhalten, und er begann sich zurückzuziehen.
Mittlerweile aber war der Wind umgesprungen und den Alliirten günstig
geworden, so daß diese jetzt ihre große Ueberlegenheit an Streitkräften
nützen konnten. Sie kamen rasch heran, und der Rückzug der Franzosen
verwandelte sich in eine Flucht. Tourville vertheidigte sein eignes
Schiff mit verzweifeltem Muthe. Es hieß, in Anspielung auf Ludwig’s
Lieblingsemblem, der „Soleil Royal” und war weit und breit als das
schönste Kriegsschiff der Welt berühmt. Die englischen Seeleute
erzählten sich, daß es mit einem Bilde des großen Königs geschmückt
und daß er auf demselben so dargestellt sei wie er auf der Place de la
Victoire erschien: mit besiegten Nationen in Ketten unter seinen Füßen.
Das stolze Schiff lag, von Feinden umringt, wie eine große Festung auf
dem Wasser, von allen Seiten aus seinen hundertvier Stückpforten Tod
und Verderben ausspeiend. Es war so stark bemannt, daß alle Versuche,
es zu entern, scheiterten. Lange nach Sonnenuntergang machte es sich
von seinen Angreifern los und segelte, alle seine Speigate von Blut
triefend, nach der Küste der Normandie. Es hatte so viel gelitten,
daß Tourville seine Flagge schleunigst auf ein Schiff von neunzig
Kanonen verlegte, das der „Ambitieux” hieß. Seine Flotte war inzwischen
weit über das Meer verstreut. Ungefähr zwanzig seiner kleinsten
Schiffe entkamen auf einem Wege, der für jeden andren Muth als den
der Verzweiflung zu gefährlich gewesen wäre. Unter dem Schutze der
zweifachen Dunkelheit der Nacht und eines dichten Seenebels entflohen
sie durch die brausenden Wogen und die verrätherischen Felsen des
Strudels von Alderney und erreichten mit merkwürdigem Glück ohne einen
einzigen Unfall St. Malo. Bis in diese gefährliche Meerenge, den
Schauplatz zahlloser Schiffbrüche, wagten die Verfolger den Fliehenden
nicht nachzusetzen.[123]

Diejenigen französischen Schiffe, welche zu groß waren, um sich in den
Strudel von Alderney wagen zu können, stoben in die Häfen des Cotentin.
Der Soleil Royal nebst zwei anderen Dreideckern kamen glücklich nach
Cherbourg. Der Ambitieux und zwölf andere Schiffe, lauter Fahrzeuge
ersten und zweiten Ranges, flüchteten sich in die Bai von La Hogue, nahe
bei dem Hauptquartiere der Armee Jakob’s.

Den drei Schiffen, welche nach Cherbourg flohen, war ein englisches
Geschwader unter Delaval’s Commando dicht auf den Fersen. Er fand sie in
seichtem Wasser liegend, wo kein großes Kriegsschiff ihnen beikommen
konnte, und beschloß daher, sie mit seinen Brandern und Booten
anzugreifen. Die Operation wurde mit Muth und Erfolg ausgeführt. In
kurzer Zeit waren der Soleil Royal und seine beiden Gefährten zu Asche
verbrannt. Ein Theil des Schiffsvolks rettete sich ans Land, ein andrer
fiel den Engländern in die Hände.[124]

Mittlerweile hatte Russell mit dem größeren Theile seiner siegreichen
Flotte die Bai von La Hogue blockirt. Hier, wie bei Cherbourg, waren die
französischen Kriegsschiffe in seichtes Wasser gezogen worden. Sie lagen
nahe bei dem Lager der Armee, die zur Invasion England’s bestimmt war.
Sechs von ihnen waren unter einem Fort, Namens Lisset, vor Anker
gegangen. Die übrigen lagen unter den Kanonen eines andren Forts,
genannt Saint-Vaast, wo Jakob sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte und
wo die Unionsflagge, mit dem St. Georgs- und dem St. Andreaskreuze
geschmückt, neben der weißen Flagge Frankreich’s hing. Der Marschall
Bellefonds hatte mehrere Batterien aufgefahren, von denen man glaubte,
daß sie auch den kühnsten Feind abschrecken würden, sich dem Fort Lisset
oder dem Fort Saint-Vaast zu nähern. Jakob indessen, der die englischen
Seeleute ein wenig kannte, war nicht ganz unbesorgt und schlug vor,
starke Truppencorps an Bord der Schiffe zu bringen. Aber Tourville
wollte sich nicht dazu verstehen, eine solche Schmach auf seinen Stand
zu laden.

Inzwischen traf Russell Vorbereitungen zu einem Angriffe. Am Nachmittag
des 23. Mai war Alles fertig. Eine aus Sloops, Brandern und zweihundert
Booten bestehende Flotte wurde dem Commando Rooke’s anvertraut. Die
ganze Flotte war vom höchsten Muthe beseelt. Die Ruderer, durch den
schon errungenen Sieg angefeuert und von dem Gedanken erfüllt, daß sie
unter den Augen französischer und irischer Truppen kämpfen sollten,
welche gekommen waren, um England zu unterjochen, steuerten muthig und
unter lauten Hurrahs auf die sechs gewaltigen hölzernen Kastelle zu,
welche dicht bei dem Fort Lisset lagen. Die Franzosen, obgleich ein
ausgezeichnet tapferes Volk, sind stets empfänglicher für plötzliche
Anfälle von panischem Schrecken gewesen als ihre phlegmatischen
Nachbarn, die Engländer und Deutschen. An diesem Tage bemächtigte sich
der Flotte wie der Armee ein panischer Schrecken. Tourville befahl
seinen Matrosen ihre Boote zu bemannen, um sie dem Feinde entgegen in
die Bai hinaus zu führen. Aber sein Beispiel und seine Ermahnungen
blieben erfolglos. Die Boote machten Kehrt und flohen in völliger
Verwirrung. Die Schiffe wurden im Stich gelassen, die Kanonade vom Fort
Lisset war so schwach und schlecht dirigirt, daß sie keine Wirkung that,
und die am Strande lagernden Regimenter zogen sich zurück, nachdem sie
aufs Gerathewohl einige Flintenschüsse abgefeuert hatten. Die Engländer
enterten die Schiffe, steckten sie in Brand und zogen, nachdem sie diese
wichtige Operation ohne den Verlust eines einzigen Menschenlebens
ausgeführt, mit der zurückgehenden Fluth wieder ab. Die Bai glich
während der ganzen Nacht einem Feuermeere und dann und wann verkündete
eine heftige Explosion, daß die Flammen eine Pulverkammer oder eine
Reihe geladener Geschütze ergriffen hatten. Am andern Morgen um acht Uhr
mit der wiederkehrenden Fluth kamen Rooke und seine zweihundert Boote
nochmals in die Bai. Der Feind machte einen schwachen Versuch, die in
der Nähe des Forts St. Vaast liegenden Schiffe zu vertheidigen. Wenige
Minuten lang spielten die Batterien mit einiger Wirkung gegen die
Mannschaften unserer Boote; aber der Kampf war bald vorüber. Die
Franzosen stürzten hastig auf der einen Seite aus ihren Schiffen, die
Engländer drangen eben so schnell auf der andren Seite hinein und
richteten unter lautem Jubel die genommenen Kanonen gegen das Ufer. Die
Batterien waren bald zum Schweigen gebracht. Jakob und Melfort,
Bellefonds und Tourville sahen in hülfloser Verzweiflung der zweiten
Verbrennung zu. Die Sieger ließen die Kriegsschiffe ruhig brennen und
drangen in eine innere Bucht vor, in der viele Transportschiffe lagen.
Acht von diesen Schiffen wurden ebenfalls in Brand gesteckt, mehrere
andere wurden ins Schlepptau genommen und der Rest würde auch noch
entweder angezündet oder mit fortgeführt worden sein, wenn nicht die
Ebbe eingetreten wäre. Es war unmöglich noch mehr zu thun und die
siegreiche Flotille zog sich langsam zurück, das feindliche Lager mit
dem donnernden Gesange des +God save the king+ verhöhnend.

So endete am Nachmittage des 24. Mai der große Kampf, der fünf Tage
lang in weiter Ausdehnung auf der See und an der Küste gewüthet hatte.
Ein englischer Brander war in der Ausübung seiner Pflicht zu Grunde
gegangen. Sechzehn französische Kriegsschiffe, lauter prächtige
Fahrzeuge, darunter acht Dreidecker, waren versenkt oder bis auf den
Kiel niedergebrannt. Die Schlacht wird nach der Stelle, wo sie endigte,
die Schlacht von La Hogue genannt.[125]


[_Freude in England._] Die Nachricht wurde in London mit grenzenlosem
Jubel aufgenommen. In dem Kampfe auf offener See war die numerische
Uebermacht der Alliirten allerdings so groß gewesen, daß sie wenig
Ursache hatten, sich auf ihren Sieg etwas einzubilden. Aber der Muth und
die Geschicklichkeit, womit die Mannschaften der englischen Boote in
einem französischen Hafen, im Angesicht einer französischen Armee und
unter dem Feuer französischer Batterien eine imposante französische
Flotte zerstört hatten, rechtfertigte vollkommen den Stolz, mit dem
unsere Vorfahren den Namen La Hogue aussprachen. Um uns ganz in ihre
Gefühle hineindenken zu können, müssen wir uns erinnern, daß dies der
erste große Schlag war, der den Waffen Ludwig’s XIV. versetzt wurde, und
der erste große Sieg, den die Engländer seit der Schlacht von Agincourt
über die Franzosen davontrugen. Der Flecken, den die schmachvolle
Niederlage bei Beachy Head auf unsren Namen gebracht, war verwischt, und
diesmal war der Ruhm ganz unser. Die Holländer hatten zwar ihre Pflicht
gethan, wie sie sie im Seekriege jederzeit gethan haben, mochten sie mit
uns oder gegen uns fechten, mochten sie siegen oder besiegt werden. Die
Engländer aber hatten die Hauptlast des Kampfes getragen. Russell, der
das Obercommando führte, war ein Engländer. Delaval, der den Angriff auf
Cherbourg leitete, war ein Engländer. Rooke, der die Flotille in die Bai
von La Hogue führte, war ein Engländer. Die beiden einzigen hohen
Offiziere, welche gefallen waren, Admiral Carter und Kapitain Hastings
vom „Sandwich”, waren Engländer. Die Freude, mit der die gute Nachricht
bei uns aufgenommen wurde, darf indessen nicht ausschließlich, nicht
einmal hauptsächlich dem Nationalstolze zugeschrieben werden. Die Insel
war außer Gefahr. Die herrlichen Weiden, Kornfelder und Landgüter von
Hampshire und Surrey sollten nicht der Schauplatz eines Krieges werden.
Die Häuser und Gärten, die Küchen und Milchkammern, die Keller und
Geschirrschränke, die Frauen und Töchter unserer Gentry und unserer
Geistlichkeit, sollten nicht den Händen irischer Rapparees, die den
Engländern von Leinster die Häuser angezündet und das Vieh abgezogen
hatten, oder französischen Dragonern, die gewohnt waren, auf Kosten der
Protestanten von Auvergne zu leben, preisgegeben werden. Whigs und
Tories dankten Gott für die Errettung aus dieser großen Gefahr, und die
achtungswertheren Eidverweigerer mußten nothwendig im Herzen froh sein,
daß der rechtmäßige König nicht durch eine Armee von Ausländern
zurückgebracht werden sollte.

Die öffentliche Freude war demnach fast allgemein. Mehrere Tage
lang läuteten die Glocken London’s unaufhörlich. Flaggen wehten auf
allen Kirchthürmen, Reihen von Lichtern standen in allen Fenstern,
Freudenfeuer brannten an allen Straßenecken.[126] Die Meinung,
welche die Regierung von den Diensten der Flotte hegte, wurde rasch
und in verständiger und angenehmer Weise kund gethan. Sidney und
Portland wurden nach Portsmouth zur Flotte abgeschickt, begleitet
von Rochester, als Repräsentanten der Tories. Die drei Lords nahmen
siebenunddreißigtausend Pfund baares Geld mit, die sie als Geschenk
unter die Mannschaften vertheilen sollten.[127] Die Offiziere
erhielten goldne Medaillen.[128] Hastings’ und Carter’s Ueberreste
wurden mit allen Ehrenbezeigungen ans Land gebracht; Carter wurde
mit großem militärischen Gepränge in Portsmouth begraben;[129] die
Leiche Hastings’ wurde nach London abgeführt und mit ungewöhnlicher
Feierlichkeit unter den Steinplatten von Saint James Church beigesetzt.
Die Gardeinfanterie folgte der Bahre mit umgekehrten Gewehren,
vier königliche Galawagen, jeder von sechs Pferden gezogen, fuhren
im Zuge, eine Menge vornehmer Leute in Trauerkleidung füllte die
Kirchenstühle, und der Bischof von Lincoln hielt die Leichenrede.[130]
Während man den Gefallenen solche Ehre erzeigte, vergaß man auch der
Verwundeten nicht. Funfzig Aerzte, reichlich versehen mit Instrumenten,
Bandagen und Medikamenten, wurden schleunigst von Lincoln nach
Portsmouth geschickt.[131] Wir können uns nicht leicht einen Begriff
davon machen, mit welchen Schwierigkeiten es damals verknüpft war,
Hunderten von verstümmelten und zerfleischten Menschen eine bequeme
Unterkunft und geschickte Pflege zu verschaffen. Gegenwärtig kann
sich jede Grafschaft, jede große Stadt eines geräumigen Palastes
rühmen, in welchem der ärmste Arbeiter, der ein Glied gebrochen,
ein vortreffliches Bett, einen geschickten Arzt, eine aufmerksame
Wärterin, Arzeneien von bester Qualität und die einem Kranken nöthige
Kost findet. Damals aber gab es im ganzen Reiche nicht ein einziges
durch freiwillige Beiträge unterhaltenes Krankenhaus. Selbst in der
Hauptstadt waren die beiden einzigen Gebäude, in denen Verwundete
Aufnahme finden konnten, die beiden alten Hospitäler zu St. Thomas
und zu St. Bartholomäus. Die Königin gab Befehl, daß in diesen beiden
Hospitälern auf Staatskosten Vorkehrungen zur Aufnahme von Kranken
von der Flotte getroffen werden sollten.[132] Zu gleicher Zeit wurde
bekannt gemacht, daß ein würdiges und dauerndes Erinnerungszeichen der
Dankbarkeit England’s für den Muth und Patriotismus seiner Seeleute
sich bald auf einer vorzüglich geeigneten Stelle erheben werde. Unter
den außerhalb der Stadt gelegenen Residenzen unserer Könige nahm die
zu Greenwich lange einen ausgezeichneten Platz ein. Karl II. liebte
diesen Wohnsitz und er beschloß das Haus umzubauen und die Gärten zu
verschönern. Bald nach seiner Restauration begann er an einem Punkte,
der bei hochgehender Fluth fast von der Themse bespült wurde, einen
Palast von großem Umfange mit bedeutendem Kostenaufwande zu erbauen.
Hinter dem Palaste wurden lange Alleen von Bäumen angelegt, welche
unter der Regierung Wilhelm’s kaum mehr als Schößlinge waren, die
aber jetzt mit ihren gigantischen Laubkronen die Lustpartien mehrerer
Generationen beschattet haben. An dem Hügelabhange, welcher lange
Zeit der Schauplatz der Feiertagsbelustigungen der Londoner gewesen
ist, wurden zahlreiche Terrassen angelegt, deren Spuren noch jetzt zu
erkennen sind. Die Königin erklärte jetzt öffentlich im Namen ihres
Gemahls, daß das von Karl angefangene Gebäude vollendet und eine
Zufluchtsstätte für Seeleute werden sollte, die im Dienste für ihr
Vaterland invalid geworden waren.[133]

Eine der glücklichsten Wirkungen der erfreulichen Nachricht war die
Beruhigung des Volks. Seit ungefähr einem Monate hatte die Nation
stündlich eine Invasion und einen Aufstand erwartet und war in Folge
dessen beständig in einer reizbaren und argwöhnischen Stimmung gewesen.
In vielen Gegenden England’s konnte ein Eidverweigerer sich nicht
blicken lassen, ohne die größte Gefahr insultirt zu werden. Das Gerücht,
daß in einem Hause Waffen verborgen seien, genügte, um einen wüthenden
Pöbelhaufen an die Thür zu ziehen. Das Schloß eines jakobitischen
Gentleman in Kent war angegriffen und nach einem Kampfe, bei dem mehrere
Schüsse fielen, erstürmt und niedergerissen worden.[134] Indessen waren
derartige Tumulte noch keineswegs die schlimmsten Symptome des Fiebers,
das die ganze Gesellschaft ergriffen hatte. Die Ausstellung Fuller’s im
Februar schien dem Treiben des schändlichen Gesindels, dessen Patriarch
Oates war, ein Ende gemacht zu haben. Einige Wochen lang war die Welt
sogar geneigt in Bezug auf Complotte übermäßig ungläubig zu sein. Im
April aber trat eine Reaction ein. Die Franzosen und Irländer sollten
kommen, und man hatte nur zu guten Grund zu glauben, das es Verräther
auf der Insel gebe. Wer da behauptete, daß er diese Verräther bezeichnen
könne, der konnte gewiß sein, aufmerksames Gehör zu finden, und es
fehlte nicht an einem falschen Ankläger, der sich diese vortreffliche
Gelegenheit zu Nutze machte.


[_Young’s Complot._] Dieser falsche Ankläger hieß Robert Young. Seine
Geschichte wurde bei seinen Lebzeiten so genau erforscht und es ist von
seiner Correspondenz soviel auf uns gekommen, daß der ganze Mensch vor
uns steht. Sein Character bietet in der That Stoff zu einem
interessanten Studium. Ueber seinen Geburtsort stritten sich drei
Nationen. Die Engländer erklärten ihn für einen Irländer, und die
Irländer, denen eben nicht viel daran gelegen war, ihn ihren Landsmann
nennen zu dürfen, behaupteten wieder, er sei in Schottland geboren. Wo
er auch geboren sein mochte, das Land, wo er aufgewachsen war, konnte
keinem Zweifel unterliegen, denn seine Phraseologie ist ganz die der
Teagues,[135] welche zu seiner Zeit Lieblingscharactere auf unsrer Bühne
waren. Er nannte sich einen Priester der Staatskirche; in Wahrheit aber
war er nur Diakonus und seine Ordination als solcher hatte er durch
Vorlegung falscher Zeugnisse über seine Kenntnisse und seinen
moralischen Character erlangt. Schon lange vor der Revolution hatte er
in verschiedenen Gegenden Irland’s Curatenstellen bekleidet, war aber an
keinem Orte lange geblieben. Die eine Stelle verlor er in Folge des
Aergernisses, das seine gesetzwidrigen Liebschaften erregten. Einen
andren Ort verließ er auf einem geborgten Pferde reitend, das er nie
zurückgab. Er ließ sich in einer dritten Gemeinde nieder und wurde wegen
Bigamie eingezogen. Einige Briefe, die er bei dieser Gelegenheit im
Gefängnisse von Cavan schrieb, sind uns erhalten worden. Er versicherte
jeder seiner Frauen mit den entsetzlichsten Schwüren, daß sie allein der
Gegenstand seiner Liebe sei, und es gelang ihm dadurch, die eine zu
bewegen, daß sie ihn im Gefängnisse unterhielt, die andre, daß sie bei
den Assisen falsch schwor, um ihm das Leben zu retten. Die einzigen auf
uns gekommenen Probestücke seiner Methode, religiöse Lehren zu
ertheilen, sind in diesen Episteln enthalten. Er vergleicht sich mit
David, dem Manne nach dem Herzen Gottes, der sich sowohl des Ehebruchs
als auch des Mordes schuldig machte. Er erklärt, daß er seine Sünden
bereue, bittet den Allmächtigen um Vergebung derselben und fleht dann
sein „süßes Weib” an, um Christi willen einen Meineid zu schwören.
Nachdem er mit genauer Noth dem Galgen entgangen war, trieb er sich
mehrere Jahre bettelnd, stehlend, betrügend, heuchelnd und fälschend in
Irland und England umher und saß unter verschiedenen Namen in
verschiedenen Gefängnissen. Im Jahre 1684 wurde er in Bury des
Verbrechens überführt, Sancroft’s Namensunterschrift in betrügerischer
Absicht nachgemacht zu haben, und zu Pranger und Einsperrung
verurtheilt. Aus seinem Kerker schrieb er an den Primas, um seine
Nachsicht anzuflehen. Man kann diesen Brief noch heute mit all’ seiner
ursprünglichen schlechten Satzconstruction und Orthographie lesen.[136]
Der Schreiber bekannte seine Schuld, erklärte, daß er nie wieder Ruhe
finden werde, bis er die bischöfliche Absolution empfangen habe und
sprach einen tödtlichen Haß gegen die Dissenters aus. Da alle diese
Zerknirschtheit und Rechtgläubigkeit nichts half, sann der Bußfertige
auf etwas Andres, nachdem er hoch und theuer geschworen hatte, sich an
Sancroft zu rächen. Der Aufstand im Westen war eben ausgebrochen, und
die Magistratsbeamten im ganzen Lande waren nur zu bereit, jeder gegen
Whigs oder Nonconformisten erhobenen Anklage ein geneigtes Ohr zu
leihen. Young erklärte an Eidesstatt, er wisse, daß in Suffolk ein
Anschlag gegen das Leben des Königs Jakob geschmiedet worden sei und
nannte einen Peer, mehrere Gentleman und zehn presbyterianische
Geistliche als Theilnehmer an dem Complot. Einige von den
Angeschuldigten wurden in Untersuchung gezogen und Young erschien in der
Zeugenloge, aber die Geschichte, die er erzählte, wurde durch
unwiderlegliche Beweise als falsch dargethan. Bald nach der Revolution
wurde er abermals einer Fälschung überwiesen, zum vierten oder fünften
Mal an den Pranger gestellt und in Newgate eingesperrt. Während er hier
saß, beschloß er zu versuchen, ob er als Ankläger von Jakobiten
glücklicher sein würde, denn als Ankläger von Puritanern. Er wendete
sich zuerst an Tillotson, dem er sagte, es sei ein gräßliches Complot
gegen Ihre Majestäten im Werke, ein Complot, so schwarz wie die Hölle,
und einige der vornehmsten Männer England’s seien mit in dasselbe
verwickelt. Obgleich Tillotson einer aus solcher Quelle kommenden
Mittheilung wenig Vertrauen schenkte, so glaubte er doch, daß der Eid,
den er als Mitglied des Geheimen Raths geleistet, es ihm zur Pflicht
mache, die Sache gegen Wilhelm zu erwähnen. Wilhelm nahm wie gewöhnlich
die Angelegenheit sehr leicht. Ich bin überzeugt, sagte er, es ist eine
Schurkerei, und ich mag auf solche Gründe hin Niemandes Ruhe stören.
Nach dieser Abfertigung verhielt sich Young einige Zeit still. Als aber
Wilhelm auf dem Continent war und die Nation von der Furcht vor einer
französischen Invasion und einem jakobitischen Aufstande erfüllt war,
durfte ein falscher Ankläger hoffen, Gehör zu finden. Die bloße eidliche
Aussage eines Mannes, der den Kerkermeistern von zwanzig Gefängnissen
wohl bekannt war, konnte allerdings so leicht Niemandem nachtheilig
werden. Aber Young war Meister einer Waffe, die von allen Waffen der
Unschuld am gefährlichsten ist. Er hatte mehrere Jahre von
Handschriftenfälschung gelebt und hatte es in dieser abscheulichen Kunst
endlich zu einer solchen Fertigkeit gebracht, daß selbst erfahrene
Schreiber, die sich auf Handschriften verstanden, bei der genauesten
Vergleichung kaum einen Unterschied zwischen seinen Nachahmungen und den
Originalen zu entdecken vermochten. Es war ihm gelungen, sich eine
Sammlung von Schriftstücken von der Hand angesehener Männer, die im
Verdacht der Unzufriedenheit standen, zu verschaffen. Einige Autographen
hatte er gestohlen, andere hatte er dadurch erlangt, daß er sich unter
fingirtem Namen nach der Führung von Dienstleuten und Curaten
erkundigte. Er verfertigte jetzt eine Schrift, die einen
Associationsvertrag zur Wiedereinsetzung des verbannten Königs
vorstellen sollte. In diesem Dokumente verpflichteten sich die
Unterzeichner im Angesicht Gottes, für Seine Majestät die Waffen zu
ergreifen und sich des Prinzen von Oranien todt oder lebend zu
bemächtigen. Unter diesen Vertrag setzte Young die Namen Marlborough’s,
Cornbury’s, Salisbury’s, Sancroft’s und Sprat’s, Bischofs von Rochester
und Diakonus von Westminster.

Das Nächste, was geschehen mußte, war, das Papier an einen Versteck im
Hause einer der Personen zu bringen, deren Unterschriften nachgemacht
worden waren. Da Young Newgate nicht verlassen durfte, mußte er sich zu
diesem Zwecke eines Helfershelfers bedienen. Er wählte dazu einen
Elenden, Namens Blackhead, der früher einmal wegen Meineids in
Untersuchung gewesen und zum Verluste beider Ohren verurtheilt worden
war. Die Wahl war nicht glücklich, denn Blackhead besaß keine von den
Eigenschaften, welche das Amt eines falschen Zeugen außer der
Schlechtigkeit noch erheischt. Er hatte nichts Vertrauenerweckendes.
Seine Stimme war rauh; Heimtücke sprach aus allen Zügen seines fahlen
Gesichts; er besaß weder Erfindungsgabe noch Geistesgegenwart, und er
konnte nicht viel mehr thun als die ihm von Anderen eingelernten Lügen
hersagen.

Dieser Mensch begab sich, nachdem er von seinem Complicen instruirt
war, nach Bromley in Sprat’s Palast, stellte sich hier als der vertraute
Diener eines imaginären Doctors der Theologie vor, überreichte dem
Bischofe mit gebeugtem Knie einen von Young sinnreich verfaßten Brief
und ließ sich mit anscheinend tiefer Ehrerbietung den bischöflichen
Segen geben. Die Dienerschaft nahm den Fremden gastlich auf; er wurde in
den Keller geführt, trank auf das Wohl ihres Herrn und bat sie, daß sie
ihn im Hause herumführen möchten. Ihm die Privatgemächer des Bischofs zu
zeigen, durften sie nicht wagen, und Blackhead mußte sich deshalb,
nachdem er dringend, aber vergebens gebeten hatte, wenigstens einen
Blick in das Studirzimmer werfen zu dürfen, damit begnügen, den
Associationsvertrag in einem Blumentopfe zu verbergen, der in einem
Zimmer neben der Küche stand.

Nachdem Alles in dieser Weise vorbereitet war, benachrichtigte Young die
Minister, daß er ihnen etwas mittheilen könne, was für das Wohl des
Staates von höchster Wichtigkeit sei, und bat dringend um Gehör. Sein
Gesuch kam ihnen an dem vielleicht angstvollsten Tage eines angstvollen
Monats zu. Tourville war so eben ausgelaufen, Jakob’s Armee wurde
eingeschifft, und London war durch Gerüchte von der schlechten Gesinnung
der Marineoffiziere beunruhigt. Die Königin überlegte eben, ob sie die
Verdächtigen cassiren oder die Wirkung einer Appellation an ihre Ehre
und ihren Patriotismus versuchen solle. In einem solchen Augenblicke
konnten die Minister sich nicht weigern, Jemanden anzuhören, welcher
erklärte, ihnen wichtige Mittheilungen machen zu können. Young und sein
Complice wurden demnach vor den Geheimen Rath geführt. Hier
beschuldigten sie Marlborough, Cornbury, Salisbury, Sancroft und Sprat
des Hochverraths. Diese hochgestellten Männer, sagte Young, hätten Jakob
zu einer Invasion in England aufgefordert und hätten versprochen sich
ihm anzuschließen. Der beredte und geistreiche Bischof von Rochester
habe es übernommen, eine Erklärung zu entwerfen, welche die Nation gegen
die Regierung des Königs Wilhelm entzünden werde. Die Verschwörer seien
durch ein schriftliches Instrument mit einander verbunden und dieses von
ihnen eigenhändig unterzeichnete Instrument werde man bei genauer
Nachsuchung in Bromley finden. Young verlangte insbesondere, daß die
Boten Befehl erhalten sollten, die Blumentöpfe des Bischofs zu
untersuchen.

Die Minister waren ernstlich beunruhigt. Die Geschichte ging sehr ins
Einzelne und ein Theil derselben klang wahrscheinlich. Marlborough’s
Verkehr mit Saint-Germains war Caermarthen, Nottingham und Sidney wohl
bekannt. Cornbury war ein Werkzeug Marlborough’s und der Sohn eines
Eidverweigerers und notorischen Verschwörers. Salisbury war ein Papist.
Sancroft hatte erst vor wenigen Monaten in dem allem Anscheine nach nur
zu begründeten Verdachte gestanden, daß er die Franzosen aufgefordert
habe, in England einzufallen. Von allen Angeschuldigten war Sprat
derjenige, von dem es am unwahrscheinlichsten war, daß er sich an einem
gefahrvollen Plane betheiligt haben sollte. Er besaß weder Enthusiasmus
noch Ausdauer. Sein Ehrgeiz sowohl wie sein Parteigeist waren jederzeit
durch seine Liebe zur Behaglichkeit und durch die Besorgniß um sein
persönliches Wohl wirksam in Schranken gehalten worden. Er hatte sich in
der Hoffnung, Jakob’s Gunst zu gewinnen, einiger strafbarer
Gefälligkeiten schuldig gemacht, war Mitglied der Hohen Commission
gewesen, hatte an mehreren von diesem Gerichtshofe erlassenen
ungerechten Decreten Antheil gehabt und hatte mit zitternder Hand und
unsicherer Stimme die Indulgenzerklärung im Chore der Abtei verlesen.
Weiter aber war er nicht gegangen. Sobald man sich zuzuflüstern begann,
daß die bürgerliche und religiöse Verfassung England’s bald durch
außerordentliche Mittel vertheidigt werden würden, hatte er die Gewalten
niedergelegt, die er zwei Jahre lang im Widerspruch mit dem Gesetz
ausgeübt, und hatte sich beeilt sich mit seinen geistlichen Amtsbrüdern
auszusöhnen. Er hatte in der Convention für eine Regentschaft gestimmt,
hatte aber ohne Zögern die Eide geleistet; er hatte bei der Krönung der
neuen Souveraine eine hervorragende Rolle gespielt und von seiner
geschickten Hand waren der am 5. November gebrauchten Gebetsformel die
Sätze hinzugefügt worden, in denen die Kirche für die an diesem Tage
bewirkte zweite Befreiung ihren Dank ausspricht.[137] Daß ein solcher
Mann, im Besitz eines großen Einkommens, eines Platzes im Hause der
Lords, eines angenehmen Hauses unter den Ulmen von Bromley, und eines
zweiten im Bezirke von Westminster, sich in die Gefahr des Märtyrertodes
begeben werde, war sehr unwahrscheinlich. Er stand allerdings nicht auf
vollkommen gutem Fuße mit der Regierung, denn das Gefühl, welches nächst
der Sorge für seine Bequemlichkeit und Ruhe den meisten Einfluß auf sein
öffentliches Benehmen gehabt zu haben scheint, war seine Abneigung gegen
die Puritaner, eine Abneigung, die nicht aus Bigotterie, sondern aus
Epikuräismus entsprang. Ihr strenger Wandel war ein Vorwurf für sein
träges und üppiges Leben; ihre Phraseologie beleidigte seinen
eigensinnigen Geschmack, und wo sie ins Spiel kamen, verließ ihn seine
gewohnte Gutmüthigkeit. Bei seinem Widerwillen gegen die Nonconformisten
war von ihm kein großer Eifer für einen Fürsten zu erwarten, den die
Nonconformisten als ihren Protector betrachteten. Doch Sprat’s Fehler
boten eine sichere Gewähr dafür, daß er sich nie aus Groll gegen Wilhelm
bei einem Complot zur Zurückführung Jakob’s betheiligen werde. Warum
Young einem ganz besonders fügsamen, vorsichtigen und die Bequemlichkeit
liebenden Manne die gefährlichste Rolle bei einem gefährlichen
Unternehmen zuertheilte, ist schwer zu sagen.

Der erste Schritt, den die Minister thaten, war, daß sie Marlborough in
den Tower schickten. Er war von allen Angeschuldigten der bei weitem am
meisten zu Fürchtende, und daß er mit Saint-Germains in
hochverrätherischer Correspondenz gestanden hatte, war eine Thatsache,
die der Königin und ihren vornehmsten Räthen als wahr bekannt war,
mochte Young nun meineidig sein oder nicht. Einer von den Sekretären des
Geheimen Raths und mehrere Gerichtsdiener wurden mit einem
Verhaftsbefehle von Nottingham nach Bromley gesandt. Sprat wurde
festgenommen und alle Zimmer durchsucht, von denen sich
vernünftigerweise annehmen ließ, daß er ein wichtiges Dokument darin
verborgen haben könnte: die Bibliothek, das Speisezimmer, das
Empfangzimmer, das Schlafzimmer und die anstoßenden Cabinette. Seine
Papiere wurden genau untersucht und viel gute Prosa, vielleicht auch
einige schlechte Verse, aber nichts Hochverrätherisches darunter
gefunden. Die Gerichtsdiener durchwühlten jeden Blumentopf, den sie
finden konnten, aber vergebens. Es fiel ihnen jedoch nicht ein, in das
Zimmer zu sehen, in welchem Blackhead den Associationsvertrag verborgen
hatte, denn dieses Zimmer lag in der Nähe der von der Dienerschaft
bewohnten Räume und wurde von dem Bischofe und seiner Familie wenig
benutzt. Die Beamten kehrten mit ihrem Gefangenen, aber ohne das
Dokument nach London zurück, das, wenn es gefunden worden wäre, ihm
hätte verderblich werden können.

Noch spät in der Nacht wurde er nach Westminster gebracht, wo er in
seiner Dechanei schlafen durfte. Alle seine Bücherschränke und
Schubladen wurden durchsucht und Schildwachen an die Thür seines
Schlafzimmers gestellt, die aber strenge Ordre hatten, sich höflich
gegen ihn zu benehmen und die Familie nicht zu belästigen.

Am folgenden Tage wurde er vor den Geheimen Rath geführt. Das Verhör
wurde von Nottingham mit großer Humanität und Artigkeit geleitet. Der
Bischof benahm sich im Bewußtsein völliger Unschuld mit Mäßigung und
Festigkeit. Er beklagte sich über nichts. „Ich füge mich,” sagte er,
„den Nothwendigkeiten des Staats in einer Zeit des Mißtrauens und der
Gefahr wie die gegenwärtige ist.” Er wurde gefragt, ob er eine Erklärung
für König Jakob entworfen, ob er in Correspondenz mit Frankreich
gestanden, ob er einen hochverrätherischen Associationsvertrag
unterzeichnet habe und ob er überhaupt von einer solchen Association
etwas wisse. Alle diese Fragen beantwortete er mit vollkommener
Wahrheit, auf sein Wort als Christ und Bischof, verneinend. Er wurde in
seine Dechanei zurückgebracht, blieb dort noch zehn Tage in leichter
Haft und durfte dann, da nichts ihn Gravirendes entdeckt worden war,
nach Bromley zurückkehren.

Inzwischen hatten die falschen Ankläger einen neuen Plan ausgesonnen.
Blackhead begab sich aufs Neue nach Bromley und fand Mittel und Wege,
den fingirten Associationsvertrag von dem Orte, wo er ihn verborgen
hatte, wegzunehmen und Young zurückzubringen. Eine von Young’s beiden
Frauen trug das Papier dann in das Staatssekretariat und erzählte eine
von Young erfundene Lüge, um zu erklären, wie ein Dokument von solcher
Wichtigkeit in ihre Hände gekommen sei. Aber es war jetzt nicht mehr so
leicht die Minister zu erschrecken, wie es einige Tage früher gewesen
war. Die Schlacht von La Hogue hatte allen Invasionsbefürchtungen ein
Ende gemacht. Anstatt daher wieder einen Verhaftsbefehl nach Bromley zu
schicken, schrieb Nottingham nur einige Zeilen an Sprat, mit denen er
ihn bat, ihn in Whitehall zu besuchen. Der angeschuldigte Prälat kam der
Einladung unverzüglich nach und wurde vor dem Geheimen Rathe mit
Blackhead confrontirt. Die Wahrheit kam sogleich ans Licht. Der Bischof
erinnerte sich der tückischen Miene und Stimme des Mannes, der ihn
knieend um seinen Segen gebeten hatte, und sein Sekretär bestätigte die
Aussage seines Gebieters. Der falsche Zeuge verlor bald seine
Geistesgegenwart. Seine stets bleichen Wangen wurden leichenhaft und
seine in der Regel laute und rauhe Stimme sank zu einem Gelispel herab.
Die Mitglieder des Geheimen Raths sahen seine Verwirrung und unterwarfen
ihn einem strengen Verhör. Eine Zeit lang beantwortete er ihre Fragen
durch wiederholtes Hervorstammeln seiner ersten Lüge in den
ursprünglichen Worten. Endlich aber sah er keinen andren Ausweg mehr als
seinem Lügengewebe als das Eingeständniß seiner Schuld. Er gestand, daß
er eine unwahre Darstellung von seinem Besuche in Bromley gegeben habe,
erzählte nach vielen Ausflüchten, wie er den Associationsvertrag
verborgen und ihn aus seinem Verstecke wieder entfernt habe, und
bekannte, daß er von Young gebraucht worden sei.

Hierauf wurden die beiden Complicen mit einander confrontirt. Young
leugnete mit frecher Stirn Alles. Er wisse nichts von den Blumentöpfen.
„Wenn dies wahr ist,” riefen Nottingham und Sidney zu gleicher Zeit,
„warum legten Sie dann so besonderes Gewicht darauf, daß die Blumentöpfe
in Bromley untersucht werden sollten?” -- „Ich habe nie etwas über die
Blumentöpfe gesagt,” erwiederte Young. Jetzt rief der ganze Staatsrath
entrüstet aus: „Wie können Sie das zu behaupten wagen? Wir Alle
entsinnen uns dessen.” Der Schurke hielt sich noch immer tapfer und rief
mit einer Unverschämtheit, um die ihn Oates hätte beneiden können:
„Diese ganze Versteckungsgeschichte ist ein zwischen dem Bischofe und
Blackhead verabredeter Streich. Der Bischof hat Blackhead gewonnen, und
sie versuchen Beide, das Complot zu vertuschen.” Das war zu viel. Das
ganze Collegium lächelte und schlug die Hände über dem Kopfe zusammen.
„Mensch,” rief Caermarthen, „willst Du uns glauben machen, der Bischof
habe dieses Papier an einem Orte aufbewahren lassen, wo Zehn gegen Eins
zu wetten war, daß unsere Agenten es finden würden und wo es ihn an den
Galgen bringen konnte, wenn sie es gefunden hätten?”

Die falschen Ankläger wurden ins Gefängniß zurückgebracht, und der
Bischof verabschiedete sich von den Ministern, nachdem er ihnen für ihr
unparteiisches und ehrenwerthes Verfahren seinen wärmsten Dank
ausgesprochen hatte. Im Vorzimmer fand er eine Menge Leute versammelt,
welche Young angafften, der dasaß und ihre neugierigen Blicke mit der
heiteren Ruhe eines Mannes aushielt, der von der Hälfte der Pranger
England’s auf viel zahlreichere Versammlung herabgesehen hatte. „Young,”
sagte Sprat zu ihm, „Euer Gewissen muß Euch sagen, daß Ihr mir schweres
Unrecht gethan habt. Um Euretwillen bedaure ich, daß Ihr darauf beharrt,
das zu leugnen, was Euer Genosse bereits eingestanden hat.” --
„Eingestanden?” rief Young; „nein, es ist noch nicht Alles eingestanden,
und das werden Sie zu Ihrem Schrecken erfahren. Es giebt ein Ding, das
man Anklage nennt, Mylord. Sobald das Parlament versammelt ist, sollen
Sie mehr von mir hören.” -- „Gott führe Euch zur Reue,” entgegnete der
Bischof, „denn verlaßt Euch darauf, Ihr seid in viel größerer Gefahr,
verurtheilt zu werden, als ich angeklagt, zu werden.”[138]

Achtundvierzig Stunden nach der Entlarvung dieses schändlichen Betrugs
wurde Marlborough gegen Bürgschaft seiner Haft entlassen. Young und
Blackhead hatten ihm einen unschätzbaren Dienst geleistet. Daß er bei
einem ganz eben so strafbaren Complot betheiligt war wie das, dessen sie
ihn fälschlich beschuldigt hatten, und daß die Regierung moralische
Beweise seiner Schuld in Händen hatte, ist jetzt gewiß. Aber seine
Zeitgenossen hatten nicht, wie wir jetzt, den materiellen Beweis seiner
Treulosigkeit vor Augen. Sie wußten, daß er eines Verbrechens angeklagt
war, das er nicht begangen hatte, daß Meineid und Fälschung angewendet
worden waren, um ihn ins Verderben zu stürzen, und daß er in Folge
dieser Machinationen einige Wochen im Tower zugebracht hatte. Die
öffentliche Meinung brachte sehr natürlich seine Ungnade und seine
Verhaftung mit einander in Verbindung. Er war ohne genügenden Grund
verhaftet worden. Konnte man also nicht, in Ermangelung jeden
Ausschlusses, vernünftigerweise annehmen, daß er auch ohne genügenden
Grund in Ungnade gefallen war? Es stand fest, daß eine schändliche,
jeder Begründung entbehrende Verleumdung Ursache gewesen war, daß man
ihn im Mai wie einen Verbrecher behandelt hatte. War es da nicht
wahrscheinlich daß im Januar ebenfalls eine Verleumdung ihm die Gunst
seines Gebieters entzogen haben konnte?

Young’s Hilfsmittel waren noch nicht erschöpft. Sobald er von Whitehall
nach Newgate zurückgebracht war, ging er ans Werk, ein neues Complot
zu erdichten und einen neuen Complicen zu suchen. Er wendete sich an
einen Menschen, Namens Holland, der in größter Dürftigkeit lebte. Noch
nie, sagte Young zu ihm, sei die Gelegenheit so günstig gewesen. Ein
verwegener und schlauer Bursche könne mit Leichtigkeit fünfhundert
Pfund verdienen. Fünfhundert Pfund waren in den Augen Holland’s ein
fabelhafter Reichthum. Er fragte, was er dafür thun müsse. Nichts
weiter, lautete die Antwort, als die Wahrheit sagen, das heißt
handgreifliche Wahrheit, ein wenig entstellt und ausgeschmückt. Es
existire wirklich ein Complot, und dies würde auch bewiesen worden
sein, wenn Blackhead sich nicht hätte erkaufen lassen. Sein Abfall
habe es nothwendig gemacht, die Erdichtung zu Hülfe zu nehmen. „Ihr
müßt beschwören, daß Ihr mit mir in einer Hinterstube im höchsten
Stockwerk des „Seekrebs,” in Southwark gewesen seid. Dort sind einige
Männer mit uns zusammengetroffen, die ein Losungswort geben mußten,
ehe sie eingelassen wurden. Sie trugen alle weiße Camelotröcke. Sie
unterzeichneten in unsrer Gegenwart den Associationsvertrag, bezahlten
dann jeder seinen Schilling und gingen wieder. Ihr müßt bereit sein,
zwei von diesen Leuten als Mylord Marlborough und den Bischof von
Rochester zu bezeichnen.” „Wie soll ich ihre Identität beweisen?”
fragte Holland. „Ich habe sie in meinem Leben nicht gesehen.” -- „Ihr
müßt dafür sorgen, daß Ihr sie sobald als möglich zu sehen bekommt,”
erwiederte der Versucher. „Der Bischof wird in der Abtei sein, und
Jedermann am Hofe wird Euch Lord Marlborough zeigen.” Holland ging
sogleich nach Whitehall und hinterbrachte Nottingham diese Unterredung.
Der unglückliche Nachahmer Oates’ wurde auf Befehl der Regierung wegen
Meineids, Verleitung zum Meineid und Fälschung in Untersuchung gezogen.
Er wurde für schuldig befunden und zu Gefängniß verurtheilt, wurde
abermals an den Pranger gestellt, und erfuhr als Zugabe zu seiner
Ausstellung, aus der er sich wenig machte, eine so wüthende Steinigung
von Seiten des Pöbels, wie man sie selten erlebt hatte.[139] Nach
überstandener Strafe verlor er sich einige Jahre unter dem Schwarme
von Dieben und Gaunern, die in der Hauptstadt ihr Unwesen trieben. Im
Jahre 1700 endlich trat er wieder aus seinem Dunkel hervor und erregte
eine momentane Aufmerksamkeit. Die Zeitungen berichteten, daß der einst
so berüchtigte Robert Young wegen Falschmünzerei eingezogen, daß er
schuldig befunden und zum Tode verurtheilt und daß schließlich der
ehrwürdige Herr in Tyburn aufgehängt worden sei und eine zahlreiche
Versammlung von Schaulustigen durch seine Reue höchlich erbaut
habe.[140]


Fußnoten

[1] London Gazette vom 22. Oct. 1691.

[2] +Burnet II. 78, 79; Burchett’s Memoirs of Transactions at Sea;
Journal of the English and Dutch Fleet in a Letter from an Officer
on board the Lennox, at Torbay, licensed August 21. 1691.+ Der
Verfasser sagt: „Wir verdanken unsre Gesundheit, nächst Gott, der
außerordentlichen Fürsorge, welche unsrer Verproviantirung, in Bezug
auf Speise wie auf Trank, zu Theil wird.”

[3] +Lords’+ und +Commons’ Journals, Oct. 22. 1691.+

[4] Dies geht aus einem Briefe von Lowther hervor, den er an seinen
Sohn schrieb, nachdem er Lord Lonsdale geworden war. Eine Copie dieses
Briefes befindet sich unter den Mackintosh-Manuscripten.

[5] Siehe +Commons’ Journals, Dec. 3. 1691,+ und +Grey’s Debates.+ Es
ist zu bedauern, daß der Bericht der Rechnungscommissare der Nachwelt
nicht aufbewahrt worden ist. Lowther erwähnt in dem Briefe an seinen
Sohn die Debatten dieses Tages mit großer Bitterkeit. „Welcher Mensch,”
fragte er, „der sein Brot hat, kann, nachdem er mit allem Fleiß und
aller Sorgfalt gedient, deren der Mensch fähig ist, nachdem er sich
die Zufriedenheit des Königs erworben, von dem alle Staatsbeamten
ihre Autorität empfangen, nachdem er gegen Jedermann rechtschaffen
gehandelt, es ruhig ertragen, von Leuten gehaßt zu werden, die jeden
über ihnen Stehenden hassen?”

[6] +Commons’ Journals, Dec. 12. 1690/91.+

[7] +Commons’ Journals, Feb. 15. 1690/91;+ Baden an die Generalstaaten,
26. Jan. (5. Febr.).

[8] +Stat. 3. W. & M. c. 2.; Lords’ Journals, Nov. 16. 1691; Commons’
Journals, Dec. 1., 9., 5.+

[9] Die irländischen Katholiken beschwerten sich, und mit nur zu
gutem Grunde, daß der Vertrag von Limerick späterhin verletzt worden
sei, aber gerade diese Beschwerden sind ein Zugeständniß, daß das
Statut 3 W. u. M., C. 2. keine Verletzung des Vertrags war. So sagt
der Verfasser von +A Light to the Blind+ in Bezug auf den ersten
Artikel: „Dieser Artikel wurde sieben Jahre später von einem durch den
Prinzen von Oranien einberufenen irischen Parlament gebrochen, das
ein Gesetz erließ, welches die katholischen Bischöfe, Würdenträger
und Ordensgeistlichen verbannte.” Er würde gewiß nicht so geschrieben
haben, wenn der Artikel wirklich schon zwei Monate nach seiner
Unterzeichnung von dem englischen Parlamente verletzt worden wäre. Auch
der Abbé Mac Geoghegan beschwert sich, daß der Tractat einige Jahre
nach seinem Abschluß verletzt worden sei. Aber er behauptet nicht, daß
er durch das Statut 3 W. u. M., C. 2. verletzt wurde.

[10] +Stat. 21. Jac. I. C. 3.+

[11] Siehe besonders +Two Letters by a Barrister concerning the East
India Company, 1676,+ und eine in dem nämlichen Jahre erschienene
Antwort darauf. Siehe ferner +The Judgement of Lord Jeffreys concerning
the Great Case of Monopolies.+ Dieses „Urtheil” erschien 1689 nach
Jeffreys’ Sturze. Man hielt es für nöthig sich in der Vorrede zu
rechtfertigen, daß man etwas durch den Druck veröffentlichte, was einen
so verhaßten Namen an der Spitze trug. „Ich will es nicht unternehmen,”
sagt der Herausgeber, „diese Beweisführung zu empfehlen, des Verfassers
wegen. Aber ich darf wenigstens sagen was man mir gesagt hat: daß sie
werth ist, von jedem Gebildeten gelesen zu werden.” Jeffreys’ Sprache
ist höchst beleidigend, bald gemein, bald niedrig schmeichelnd; aber
sein Raisonnement bezüglich des reinen Rechtspunktes ist sicherlich
gewandt, wenn auch noch nicht erschöpfend.

[12] Addison’s Clarinda las in der Woche, über die sie ein Tagebuch
hielt, weiter nichts als Aurengzeb: Spectator 323. Sie träumte Mr.
Froth liege ihr zu Füßen und nenne sie Indamora. Ihre Freundin,
Miß Kitty, citirte ohne Buch die acht besten Strophen des Stücks,
wahrscheinlich die, welche so anfangen: +„Trust on and think to-morrow
will repay.”+ Acht schönere Strophen hat Lucretius nicht aufzuweisen.

[13] Eine interessante Abbildung des Hauses der Ostindischen Compagnie
im 17. Jahrhunderte befindet sich im Gentleman’s Magazine für December
1784.

[14] Siehe Davenant’s Brief an Mulgrave.

[15] +Answer to Two Letters concerning the East India Company, 1676.+

[16] +Anderson’s Dictionary; G. White’s Account of the Trade to the
East Indies, 1691; Treatise on the East India Trade, by Philopatris,
1691.+

[17] +Reasons for constituting a New East India Company in London,
1681; Some Remarks upon the Present State of the East India Company’s
Affairs, 1690.+

[18] Evelyn, 16. März 1682/83.

[19] Siehe die +State Trials.+

[20] +Pepys’s Diary, April 2., May 10, 1669.+

[21] +Tench’s Modest and Just Apology for the East Indian Company,
1690.+

[22] +Some Remarks on the Present State of the East Indian Company’s
Affairs, 1690; Hamilton’s New Account of the East Indies.+

[23] +White’s Account of the East India Trade, 1691; Pierce Buttler’s
Tale, 1691.+

[24] +White’s Account of the Trade to the East Indies, 1691; Hamilton’s
New Account of the East Indies;+ Sir Johann Wyborne an Pepys aus Bombay
vom 7. Jan. 1687/88.

[25] London Gazette vom 16. (26.) Febr. 1684/85.

[26] +Hamilton’s New Account of the East Indies.+

[27] Natürlich wurde Papillon der Vorwurf der Inconsequenz gemacht.
Unter den damals erschienenen Pamphlets führt eines den Titel: +„A
Treatise concerning the East India Trade, wrote at the Instance of
Thomas Papillon, Esquire, and in his House, and printed in the year
1680, and now reprinted for the better Satisfaction of himself and
others.”+

[28] +Commons’ Journals, June 8. 1689.+

[29] Zu den Flugschriften, in denen Child am heftigsten angegriffen
wird, gehören unter anderen: +Some Remarks on the Present State of the
East India Company’s Affairs, 1690; Pierce Buttler’s Tale, 1691;+ und
+White’s Account of the Trade to the East Indies, 1691.+

[30] +Discourse concerning the East India Trade, showing it to be
unprofitable to the Kingdom, by Mr. Cary; Pierce Buttler’s Tale
representing the State of the Wool Case, or the East India Case truly
stated, 1691.+ Mehrere Petitionen in dem nämlichen Sinne findet man in
den Protokollen des Hauses der Gemeinen.

[31] +Reasons against establishing an East India Company with a Joint
Stock, exclusive to all others, 1691.+

[32] Der Gesellschaftsvertrag wurde gedruckt und erlebte mehrere
Auflagen. Bezüglich der Halle der Rauchwaarenhändler siehe Seymour’s
+History of London, 1734.+

[33] London Gazette vom 11. Mai 1691; +White’s Account of the East
India Trade.+

[34] +Commons’ Journals, Oct. 28. 1691.+

[35] +Commons’ Journals, Oct. 29, 1691.+

[36] Rowe führt in seinem +„Biter,”+ welcher durchfiel und dies auch
verdiente, einen alten Gentleman ein, der seine Tochter folgendermaßen
anredet: „Du bist als ein tugendhaftes und verständiges Mädchen
erzogen; würdest Du die Partei eines Elenden nehmen, der seine Actien
der alten Ostindischen Compagnie verkaufte?”

[37] Hop an die Generalstaaten, 30. Oct. (9. Nov.) 1691.

[38] Hop erwähnt die lange Dauer und Heftigkeit der Debatten unterm
13. (23.) Nov. 1691; Siehe auch +Commons’ Journals, Dec. 17., 18.+

[39] +Commons’ Journals, Feb. 4. 6. 1691.+

[40] +Commons’ Journals, Feb. 11. 1691.+

[41] Die Geschichte der Bill kann man aus der Bill selbst, die sich in
den Archiven des Oberhauses befindet, aus den Protokollen der beiden
Häuser vom November und December 1690 und vom Januar 1691, besonders
aus denen der Gemeinen vom 11. December und 13. und 25. Januar und aus
denen der Lords vom 20. und 28. Januar ersehen. Man vergleiche auch
Grey’s +Debates.+

[42] Der Brief, datirt vom 1. December 1691 findet sich im +Life of
James, II. 477.+

[43] Burnet II. 85, und Burnet-Mspt. Harl. 6584. Siehe auch eine von
Holmes unterzeichnete, aber aus von Ferguson gelieferten Mittheilungen
bestehende Denkschrift unter den von Macpherson gedruckten Auszügen aus
den Nairne’schen Papieren. Es trägt das Datum October 1691. „Der Prinz
von Oranien,” sagt Holmes, „wird von den Engländern tödtlich gehaßt.
Sie sehen sehr deutlich, daß er keine Liebe zu ihnen hat; auch setzt er
in sie kein Vertrauen, sondern lediglich in seine Holländer.... Es ist
nicht zu bezweifeln, daß das Parlament nicht für Fremde sein wird, die
es mit dem Kappzaum reiten.”

[44] +Evelyn’s Diary, Jan. 24;+ Hop an die Generalstaaten 22. Jan.
(1. Febr.) 1691/92; Baden an die Generalstaaten, 16. (26.) Febr.

[45] Jakob’s Worte lauten folgendermaßen; sie wurden im November 1692
geschrieben:

+„Mes amis, l’année passée, avoient dessein de me rappeler par le
Parlement. La manière étoit concertée; et Milord Churchill devoit
proposer dans le Parlament de chasser tous les étrangers tant des
conseils et de l’armée que du royaume. Si le Prince d’Orange avoit
consenti à ce proposition, ils l’auroient eu entre leurs mains. S’il
l’avoit refusée, il auroit fait déclarer le Parlement contre lui; et
en même temps Milord Churchill devoit se déclarer avec l’armée pour
le Parlement; et la flotte devoit faire de même; et l’on devoit me
rappeler. L’on avoit déjà commencé d’agir dans ce projet; et on avoit
gagné un gros parti, quand quelques fidèles sujets indiscrets, croyant
me servir, et s’imaginant que ce que Milord Churchill faisoit n’étoit
pas pour moi, mais pour la Princesse de Danemark, eurent l’imprudence
de découvrir le tout à Benthing, et détournerent ainsi le coup.”+

Eine Uebersetzung dieser höchst bedeutsamen Stelle, welche mit einem
Male viele interessante und schwierige Probleme löst, wurde vor achtzig
Jahren durch Macpherson veröffentlicht. Sonderbarerweise aber erregte
sie keine Aufmerksamkeit und ist meines Wissens von keinem Biographen
Marlborough’s erwähnt worden.

Jakob’s Erzählung bedarf keiner Bestätigung, doch wird sie durch
das Burnet-Mspt. Harl. 6584 vollkommen bestätigt. „Marleburrough,”
schrieb Burnet im September 1693, „befleißigte sich, das Verfahren
des Königs zu verschreien, ihn in allen seinen Reden herabzusetzen
und den Engländern einen Widerwillen gegen die Holländer einzuflößen,
die, wie er behauptete, die Gunst und das Vertrauen des Königs in
höherem Maße besäßen als sie,” -- die Engländer vermuthlich --. „Dies
war ein Punkt, über den die Engländer, welche nur zu geneigt sind,
alle anderen Nationen zu verachten und sich selbst zu überschätzen,
sehr leicht Feuer fingen. So wurde es der allgemeine Gegenstand der
Unterhaltung, und bei Marleburrough, wo ein beständiges Randivous der
englischen Offiziere war, wurde unaufhörlich davon gesprochen.” Ueber
Marlborough’s Entlassung schrieb Burnet um die nämliche Zeit: „Der
König sagte mir darüber, er habe sehr triftigen Grund zu glauben,
daß er sich mit König Jakob ausgesöhnt habe und mit Frankreich in
Correspondenz stehe. Gewiß ist, daß er alles Mögliche that, um in der
Armee und im Volke eine Partei gegen die Holländer zu bilden.”

Es ist interessant, diese einfache Erzählung, welche geschrieben wurde
als die Thatsachen noch neu waren, mit der entstellten Erzählung zu
vergleichen, welche Burnet viele Jahre später, als Marlborough mit
den Whigs eng verbunden war und dem Lande große und glänzende Dienste
leistete, für die Oeffentlichkeit vorbereitete. Burnet II. 90.

Die Herzogin von Marlborough hatte die Frechheit in ihrer +Vindication+
zu erklären, „sie habe nie erfahren können, welchen Grund der König für
die Entziehung seiner Gunst angebe.” Sie spricht die Vermuthung aus,
daß Young’s Fälschung die Ursache gewesen sein mag. Nun muß sie aber
gewußt haben, daß Young’s Fälschung erst einige Monate nach der Ungnade
ihres Gatten begangen wurde. Ueberhaupt war es traurig bestellt um
ihr Gedächtniß, eine Gabe, von der man sprichwörtlich sagt, daß Leute
ihrer Klasse derselben sehr nöthig bedürfen. Ihr eignes Buch überführt
sie der Lüge. Sie giebt uns einen Brief von Marien an Anna, in welchem
Marie sagt: „Ich brauche die Veranlassung nicht zu wiederholen, welche
Mylord Marlborough dem Könige gegeben, um das zu thun was er gethan
hat.” Aus diesen Worten geht klar hervor, daß Anna die Veranlassung
kannte. Hätte sie dieselbe nicht gekannt, so würde sie es gewiß in
ihrer Antwort gesagt haben. Ihre Antwort ist vorhanden und sie enthält
kein Wort über diesen Gegenstand. Sie kannte also die Veranlassung, und
ist es wohl möglich zu glauben, daß sie dieselbe vor ihrer geliebten
Mrs. Freeman geheimhielt?

[46] Meine Mittheilungen über diese Vorgänge habe ich der Erzählung der
Herzogin von Marlborough entnehmen müssen, einer Erzählung die man mit
fortwährendem Mißtrauen lesen muß, ausgenommen da wo sie, wie es oft
der Fall ist, ein Beispiel von ihrer eignen Bosheit und Unverschämtheit
erzählt.

[47] +The Duchess of Marlborough’s Vindication;+ Dartmouth’s Note
zu Burnet II. 92; +Verses of the Night Bellman of Piccadilly and my
Lord Nottingham’s Order thereupon, 1691.+ Es giebt auch ein beißendes
Pasquill auf Lady Marlborough von demselben Jahre, betitelt: +The
Universal Health, a true Union to the Queen and Princess.+

[48] Man darf nicht glauben, daß Anna den Shakespeare las. Ohne Zweifel
hatte sie oft die +Enchanted Island+ gesehen. Dieses jämmerliche
+rifacimento+ des „Sturmes” war damals wegen der Maschinerie und der
Dekorationen in der Stadt sehr beliebt.

[49] +Burnet MS Harl. 6584.+

[50] Die Geschichte eines mißglückten Versuchs, über diesen Gegenstand
Gesetze zu geben, kann in den Protokollen der Gemeinen von 1692/93
nachgelesen werden.

[51] +North’s Examen.+

[52] +North’s Examen; Ward’s London Spy; Crosby’s English Baptists,
Vol. III. chap. 2.+

[53] Die Geschichte dieser Periode von Fuller’s Leben habe ich seiner
eigenen Erzählung entnommen.

[54] +Commons’ Journals, Dec. 2. 9. 1691; Grey’s Debates.+

[55] +Commons’ Journals, Jan. 4. 1691/92; Grey’s Debates.+

[56] +Commons’ Journals, Feb. 22. 23. 24. 1691/92.+

[57] +Fuller’s Original Letter of the late King James and others to his
nearest Friends in England.+

[58] Burnet (II. 86.) Burnet hatte offenbar vergessen was die Bill
enthielt. Ralph wußte davon nichts weiter als was er von Burnet
erfahren hatte. Ich habe in den zahlreichen jakobitischen Libellen
der damaligen Zeit fast nirgends eine Anspielung auf den Gegenstand
gefunden. In einem Pamphlet aber, welches gegen das Ende der Regierung
Wilhelm’s unter dem Titel: +„The Art of Governing by Parties”+
erschien, kommt eine bemerkenswerthe Stelle vor. Der Autor sagt: „Es
fehlt uns noch eine Acte zur Begründung eines Fonds für die Gehalte
der Richter; es war nach der Revolution eine darauf bezügliche Bill in
beiden Parlamentshäusern durchgegangen; aber ob Se. Majestät derselben
wegen eines Mangels oder aus welchem andren Grunde seine Genehmigung
versagte, dessen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß nur,
daß mich der Grund damals befriedigte, und ich zweifle nicht, daß
er jede derartige gute Bill zu jeder Zeit genehmigen würde.” Diese
Worte überzeugten mich, daß die Bill einen ernsten Einwand zuließ,
der aus dem Titel nicht hervorging und den kein Geschichtsschreiber
angedeutet hat. Ich fand in den Archiven des Hauses der Lords das
Originalpergament mit den Worten auf der Rückseite: +„Le Roy et la
Reyne s’aviseront.”+ Und es war mir auf den ersten Blick klar, worin
der Einwand bestand.

In dem Theile von Narcissus Luttrell’s Tagebuche, der sich auf diese
Angelegenheit bezieht, ist eine Lücke. „Der König,” schrieb er,
„genehmigte zehn öffentliche Bills und vierunddreißig Privatbills und
verwarf die von den --”

Ueber die gegenwärtige Praxis des Hauses der Gemeinen in solchen Fällen
siehe Hatsell’s werthvolles Werk II. 356. Ich führe die Ausgabe von
1818 an. Hatsell sagt, daß viele Bills, welche die Interessen der Krone
berühren, ohne irgend eine Notifikation der königlichen Genehmigung
eingebracht werden können und daß es genügt, wenn die Genehmigung bei
der zweiten Lesung und selbst noch später angezeigt wird, daß aber bei
einer Maßregel, welche das erbliche Einkommen berührt, die Genehmigung
im ersten Stadium angezeigt werden muß.

[59] Die Geschichte dieser ministeriellen Einrichtungen habe ich
hauptsächlich der London Gazette vom 3. und 7. März 1691/92 und
Narcissus Luttrell’s Tagebuche von diesem Monate entnommen. Einige
flüchtige Striche sind auch gleichzeitigen Flugschriften entlehnt.

[60] Wilhelm an Melville, 22. Mai 1690.

[61] Siehe die Vorrede zu den +Leven and Melville Papers+. Ich habe
für Burnet’s Feindschaft gegen Melville diejenige Erklärung gegeben,
die ich für die richtige halte. Melville’s Nachkomme, der sich durch
den Fleiß und die Treue, womit er seine Pflichten als Herausgeber
erfüllt, um alle Geschichtsforscher sehr verdient gemacht hat, ist
der Meinung, daß Burnet’s Urtheil durch seinen Eifer für die Prälatur
und durch seinen Haß gegen den Presbyterianismus getrübt wurde. Diese
Anschuldigung wird die englischen Hochkirchlichen überraschen und
ergötzen.

[62] +Life of James, II. 468, 469.+

[63] Burnet II. 88; Master von Stair an Breadalbane, 2. Dec. 1691.

[64] Burnet I. 418.

[65] Crawford an Melville, 23. Juli 1689; Der Master von Stair an
Melville, 16. Aug. 1689; Cardroß an Melville, 9. Sept. 1689; Balcarras’
Memoiren; Annandale’s Bekenntniß, 14. Aug. 1690.

[66] Breadalbane an Melville, 17. Sept. 1690.

[67] „Die Wahrheit ist, sie waren ein Zweig der Macdonalds, (welche
stets ein wackeres und muthiges Volk waren), wohnhaft unter den
Campbells, welche (ich meine die Leute von Glencoe) alle Papisten sind,
wenn sie überhaupt eine Religion haben; sie galten stets für ein dem
Rauben und Plündern ergebenes Volk, für ungebetene Gäste +(sorners)+
wie wir es nennen, und waren nicht viel besser als Eure Straßenräuber
in England. Verschiedene Regierungen wollten sie züchtigen; aber ihr
Land war für kleine Truppencorps unzugänglich.” Siehe +An impartial
Account of some of the Transactions in Scotland concerning the Earl of
Breadalbane, Viscount and Master of Stair, Glenco Men, etc., London
1695.+

[68] Bericht der Commission, unterzeichnet in Holyrood am 20. Juni 1695.

[69] +Gallienus Redivivus+, Burnet II. 88; Bericht der Commission von
1695.

[70] Bericht der Glencoe-Commission, 1695.

[71] Hill an Melville, 15. Mai 1691.

[72] Die +tacksmen+ bildeten unter den schottischen Clans eine Art
niederen Adel und dienten im Frieden als Einnehmer, im Kriege als
Unteranführer. -- Anm. d. Uebers.

[73] Hill an Melville, 3. Juni 1691.

[74] Burnet II. 8, 9; Bericht der Glencoe-Commission. Die in diesem
Theile des Berichts angeführten Quellen waren die Aussagen Hill’s,
Campbell’s von Ardkinglaß und der beiden Söhne Mac Ian’s.

[75] +Johnson’s Tour to the Hebrides.+

[76] Proklamation des schottischen Geheimen Raths vom 4. Febr. 1589.
Ich erzähle das auf die Autorität Sir Walter Scott’s hin. Siehe die
Vorrede zu der Legende von Montrose.

[77] +Johnson’s Tour to the Hebrides.+

[78] +Lockhart’s Memoirs.+

[79] „Was um des Himmels Willen war die Triebfeder des Masters in
dieser Angelegenheit? ich kann mir keine denken.” -- +Impartial
Account, 1695.+ „Auch kann kein unbefangener und einsichtsvoller
Mann glauben, daß der Earl von Stair, der in dieser Gegend weder
Besitzungen, noch Freunde, noch Feinde hatte, ja der diese Leute nicht
einmal kannte und der nie im Rufe der Grausamkeit stand, nach dem Blute
dieser Unglücklichen gelechzt haben sollte.” +Complete History of
Europe, 1707.+

[80] Dalrymple erzählt diese Geschichte in seinen Memoiren, ohne
sich auf eine Quelle zu beziehen. Wahrscheinlich war seine Quelle
eine Familientradition. Daß im Jahre 1692 Gerüchte von entsetzlichen
Verbrechen in Umlauf waren, welche die Macdonalds von Glencoe verübt
hatten, geht mit Gewißheit aus dem Burnet-Manuscipte, Harl. 6584
hervor. „Sie hatten sich in der That vieler scheußlicher Mordthaten
schuldig gemacht”, waren Burnet’s Worte, wie er sie 1693 niederschrieb.
Nachher milderte er diesen Ausdruck.

[81] Daß der von dem Master von Stair ursprünglich entworfene Plan
wirklich so war, wie ich ihn dargestellt habe, geht aus Stellen seiner
Briefe, die in dem Bericht von 1695 angeführt sind, und aus seinen
Briefen an Breadalbane vom 27. Oct., 2. und 3. Dec. 1691 hervor. Von
diesen Briefen an Breadalbane sind die beiden letzten in Dalrymple’s
Anhang abgedruckt. Der erste findet sich im Anhange zum 1. Bande von
Mr. Burton’s werthvoller Geschichte von Schottland. „Es stellte sich
heraus,” sagt Burnet (II. 157.) „daß ein schwarzer Anschlag gemacht
war, nicht nur die Männer von Glencoe, sondern noch mehrere andere
Clans zu vernichten, die im Ganzen auf mehr als sechstausend Personen
geschätzt wurden.”

[82] London Gazette vom 14. und 18. Jan. 1691/92.

[83] „Ich hätte gewünscht, daß die Macdonalds sich nicht getheilt
hätten, und es ist mir leid, daß Keppoch und Mackian von Glenco sicher
sind.” Brief vom Master von Stair an Levingstone vom 9. Jan. 1691/92,
angeführt in dem Bericht von 1695.

[84] Brief vom Master von Stair an Levingstone vom 11. Jan. 1691/92,
angeführt in dem Bericht von 1695.

[85] Burnet schrieb 1693 Folgendes über Wilhelm: „Er läßt die Sachen
zusammenkommen, bis sich ein großer Stoß Papiere angesammelt hat, und
dann unterzeichnet er sie eben so schnell, als er vorher zu lässig
in ihrer Erledigung gewesen ist.” Burnet-Manuscript. Harl. 6584. In
Wilhelm’s Correspondenz mit Heinsius findet sich kein Anzeichen weder
von Saumseligkeit noch von ungebührlicher Eile. Das Wahre an der Sache
ist, daß der König die festländische Politik gründlich verstand und
sich ihr mit ganzer Seele widmete, daß er sich aber um die englischen
Angelegenheiten weniger und um die schottischen Angelegenheiten am
allerwenigsten kümmerte.

[86] +Impartial Account, 1695.+

[87] Siehe seine in dem Bericht von 1695 und in den +Memoirs of the
Massacre of Glencoe+ angeführten Briefe.

[88] Bericht von 1695.

[89] Aussage Ronald Macdonald’s in dem Berichte von 1695; +Letters from
the Mountains, May 17. 1773.+ Ich führe Mrs. Grants’ Autorität nur in
Bezug auf das an, was sie selbst hörte und sah. Ihre Schilderung des
Gemetzels wurde augenscheinlich ohne Beihülfe von Büchern geschrieben
und ist höchst ungenau. Schon hinsichtlich der Zeit irrt sie sich um
zwei Jahre.

[90] Ich habe meinen Bericht über das Gemetzel von Glencoe
hauptsächlich dem Bericht von 1695 und dem +Gallienus Redivivus+
entnommen. Ein ungelehrter, und selbst ein gelehrter Leser wird
schwerlich errathen, warum die Jakobiten für ein Pamphlet über das
Gemetzel von Glencoe einen so sonderbaren Titel wählten. Man findet die
Erklärung in einem Briefe des Kaisers Gallienus, den uns Trebellius
Pollio in dem Leben des Ingenuus aufbewahrt hat. Ingenuus hatte in
Moesien einen Aufstand angezettelt. Er wurde geschlagen und getödtet.
Gallienus ließ hierauf die ganze Provinz verwüsten und schrieb an einen
seiner Heerführer in einer Sprache, mit welcher die des Masters von
Stair nur zu große Aehnlichkeit hatte: +„Non mihi satisfacies si tantum
armatos occideris, quos et fors belli interimere potuisset. Perimendus
est omnis sexus virilis. Occidendus est quicunque maledixit. Occidendus
est quicunque male voluit. Lacera. Occide. Concide.”+

[91] Was ich die whiggistische Version der Geschichte nenne, wird eben
so wie die jakobitische Version in der Pariser Gazette vom 7. April
1692 erzählt.

[92] Ich glaube die Umstände, welche dem Gemetzel von Glencoe einen
so absonderlichen Character von Abscheulichkeit gaben, wurden zuerst
von Karl Leslie im Anhange zu seiner +Answer to King+ durch den
Druck veröffentlicht. Leslie’s Antwort ist von 1692 datirt. Aber man
darf nicht vergessen, daß die Jahrzahl 1692 damals bis zu dem Datum
gebraucht wurde, den wir den 25. März 1693 nennen würden. Leslie’s Buch
enthält einige Bemerkungen über eine Predigt von Tillotson, welche erst
im November 1692 gedruckt wurde. Bald darauf erschien der +Gallienus
Redivivus+.

[93] +Gallienus Redivivus.+

[94] Hickes an Burnet und Tillotson, 1695.

[95] Bericht von 1695.

[96] +Gallienus Redivivus.+

[97] Bericht von 1695.

[98] London Gazette vom 7. März 1691/92.

[99] Burnet (II. 93) sagt, der König sei damals von den Absichten der
französischen Regierung nicht unterrichtet gewesen. Ralph widerspricht
Burnet mit großer Bitterkeit. Daß aber Burnet Recht hatte, wird durch
Wilhelm’s Correspondenz mit Heinsius unwiderleglich bewiesen. Noch
am 24. April (4. Mai) schrieb Wilhelm Folgendes: +„Je ne puis vous
dissimuler que je commence à apprehender une descente en Angleterre,
quoique je n’aye pu le croire d’abord: mais les avis sont si multipliés
de tous côtés, et accompagnés de tant de particularités, qu’il n’est
plus guère possible d’en douter.”+ Ich citire die französische
Uebersetzung unter den Mackintosh-Manuscripten.

[100] Burnet, II. 95 und Onslow’s Note; +Mémoires de Saint-Simon;
Mémoires de Dangeau.+

[101] +Life of James II. 411, 412.+

[102] +Mémoires de Dangeau; Mémoires de Saint-Simon.+ Saint-Simon
befand sich mit auf der Terrasse und beobachtete trotz seiner Jugend
diese sonderbare Scene mit einem Blicke, dem nichts entging.

[103] +Mémoires de Saint-Simon;+ Burnet II. 95. Guardian Nr. 48. Siehe
den vortrefflichen Brief Ludwig’s an den Erzbischof von Rheims, den
Voltaire in seinem +Siècle de Louis XIV.+ anführt.

[104] Unter den von Macpherson abgedruckten +Nairne Papers+ befinden
sich zwei Denkschriften von Jakob, in denen er Ludwig dringend zu einer
Invasion in England auffordert. Beide waren im Januar 1692 geschrieben.

[105] London Gazette vom 15. Febr. 1691/92.

[106] +Mémoires de Berwick;+ Burnet, II. 92; +Life of James II. 478,
491.+

[107] +History of the late Conspiracy, 1693.+

[108] +Life of James, II. 479, 524.+ Denkschriften, welche Holmes von
Ferguson geliefert wurden, in den +Nairne Papers.+

[109] +Life of James, II. 474.+

[110] Siehe die Monthly Mercurius vom Frühjahr 1692.

[111] +Narcissus Luttrell’s Diary, April, May 1692;+ London Gazette vom
9. und 12. Mai.

[112] +Sheridan MS.; Life of James, II. 492.+

[113] +Life of James, II. 488.+

[114] Jakob sagte Sheridan, daß die Erklärung von Melfort verfaßt sei.
+Sheridan MS.+

[115] +A Letter to a Friend concerning a French Invasion to restore the
late King James to his Throne, and what may be expected from him should
he be successfull in it, 1692; A second Letter to a Friend concerning
a French Invasion, in which Declaration lately dispersed unter the
title of His Majesty’s most gracious Declaration to all his loving
Subjects, commanding their Assistance against the P. of O. and his
Adherents, is entirely and exactly published according to the dispersed
Copies, with some short Observations upon it, 1692; The Pretences
of the French Invasion examined, 1692; Reflections on the late King
James’s Declaration, 1692.+ Die beiden erst genannten „Briefe” waren
soviel ich glaube von Lloyd, Bischof von Saint-Asaph. Sheridan sagt:
„Die Erklärung des Königs gefiel Niemandem und wurde in England in
burleske Verse travestirt.” Ich glaube nicht, daß sich in irgend einer
jakobitischen Schrift eine Vertheidigung dieser unglücklichen Erklärung
findet. Ein heftiger jakobitischer Schriftsteller sagt in einer 1693
gedruckten Replik an Dr. Welwood: „Was die im vorigen Jahre erschienene
Erklärung betrifft... so versichere ich Ihnen, daß sie vielen, ja fast
allen Freunden des Königs eben so sehr mißfiel als sie von seinen
Feinden verachtet wurde.”

[116] +Narcissus Luttrell’s Diary, April 1692.+

[117] +Sheridan MS.; Mémoires de Dangeau.+

[118] London Gazette vom 12. und 16. Mai 1692; Gazette de Paris vom
21. (31.) Mai 1692.

[119] London Gazette vom 28. April 1692.

[120] Desgleichen vom 2. 5. 12. 16. Mai.

[121] London Gazette vom 16. Mai 1692; Burchett.

[122] +Narcissus Luttrell’s Diary;+ London Gazette vom 19. Mai 1692.

[123] Russell’s Brief an Nottingham vom 20. Mai 1692 in der London
Gazette vom 23. Mai; +Particulars of Another Letter from the Fleet,
published by authority;+ Burchett; Burnet II., 93; +Life of James, II.
493, 494; Narcissus Luttrell’s Diary; Mémoires de Berwick.+ Siehe auch
die gleichzeitige Ballade auf die Schlacht, eines der besten Specimen
englischer Straßenpoesie, und +The Advice to a Painter, 1692.+

[124] Siehe Delaval’s Brief an Nottingham, datirt von Cherbourg,
22. Mai in der London Gazette vom 26. Mai.

[125] London Gazette vom 26. Mai 1692; +Burchett’s Memoirs of
Transactions at Sea;+ Baden an die Generalstaaten, 24. Mai (3. Juni);
+Life of James, II. 494;+ Russell’s Brief in den Protokollen der
Gemeinen vom 28. Nov. 1692; +An Account of the Great Victory, 1692;+
Monthly Mercury, Juni und Juli 1692; Gazette de Paris vom 28. Mai
(7. Juni); Van Almonde’s Depesche an die Generalstaaten, datirt vom
24. Mai (3. Juni) 1692. Der französische amtliche Bericht steht im
Monthly Mercury vom Juli. Eine Schilderung aus der Feder Foucault’s,
Intendanten der Normandie, findet man in Capefigue’s +Louis XIV.+

[126] +An Account of the late Great Victory, 1692;+ Monthly Mercury
vom Juni; Baden an die Generalstaaten, 24. Mai (3. Juni); +Narcissus
Luttrell’s Diary.+

[127] London Gazette vom 2. Juni 1692; Monthly Mercury; Baden an die
Generalstaaten, 14. (24.) Juni. +Narcissus Luttrell’s Diary.+

[128] +Narcissus Luttrell’s Diary;+ Monthly Mercury.

[129] London Gazette vom 9. Juni; Baden an die Generalstaaten,
7. (17.) Juni.

[130] Baden an die Generalstaaten, 3. (13.) Juni.

[131] Baden an die Generalstaaten, 24. Mai (3. Juni); +Narcissus
Luttrell’s Diary.+

[132] +An Account of the late Great Victory;+ 1692; +Narcissus
Luttrell’s Diary.+

[133] Baden an die Generalstaaten, 7. (17. Juni) 1692.

[134] +Narcissus Luttrell’s Diary.+

[135] Spottname der Irländer. -- D. Uebers.

[136] Ich will einen einzigen kurzen Satz zur Probe anführen: +„O fie,
that ever it should be said that a clergyman have committed such durty
actions!”+

[137] +Gutch, Collectanea Curiosa.+

[138] Meine Darstellung dieses Complots ist hauptsächlich Sprat’s
+Relation of the late Wicked Contrivance of Stephen Blackhead and
Robert Young, 1692,+ entlehnt. Es giebt in Bezug auf die Sprache wenig
bessere Erzählungen.

[139] Baden an die Generalstaaten, 14. (24.) Febr. 1693.

[140] Postman vom 13. und 21. April 1700; Postboy vom 18. April;
Flying Post vom 20. April.


      Stereotypie und Druck von Philipp Reclam +jun.+ in Leipzig


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  | Anmerkungen zur Transkription                                    |
  |                                                                  |
  | Eigentümliche und falsche Schreibweisen des Autors wurden        |
  | belassen, wenn sie durchgängig benutzt wurden, wie               |
  | beispielsweise: Beredtsamkeit, erwiedern, Schaffot, Wiederhall.  |
  |                                                                  |
  | Inkonsistenzen wurden nicht geändert, wenn beide Schreibweisen   |
  |  gebräuchlich waren, wie:                                        |
  |                                                                  |
  | andere -- andre                                                  |
  | Bajonetten -- Bajonnetten                                        |
  | Bankette -- Bankets                                              |
  | besondern -- besonderen                                          |
  | blos -- bloß                                                     |
  | Certifikat -- Certificat                                         |
  | Character -- Charakter                                           |
  | Complot -- Complotte                                             |
  | Congreß -- Kongreß                                               |
  | Domainen -- Domänen                                              |
  | Dunkeln -- Dunklen                                               |
  | eigne -- eigene                                                  |
  | Empfangzimmer -- Empfangszimmer                                  |
  | geborne -- geborene                                              |
  | goldne -- goldenen                                               |
  | ins -- in’s                                                      |
  | Kapitaine -- Kapitäne                                            |
  | Leinster’schen -- Leinsterschen                                  |
  | Revenuen -- Revenüen                                             |
  | Secten -- Sekten                                                 |
  | tapfrer -- tapferer                                              |
  | trockene -- trockne                                              |
  | Uebermaaß -- Uebermaß                                            |
  | unsere -- unsre                                                  |
  | verlorene -- verlorne                                            |
  | Vermittelung -- Vermittlung                                      |
  | Werks -- Werkes                                                  |
  | Würtemberg -- Württemberg                                        |
  |                                                                  |
  | Die folgenden Korrekturen wurden vorgenommen:                    |
  |                                                                  |
  | p. XVII.iii „Russel” in „Russell” geändert.                      |
  | p. XVII.iv  „dersertiren” in „desertiren” geändert.              |
  | p. XVII.12  „Staassekretäre” in „Staatssekretäre” geändert.      |
  | p. XVII.18  „geringuügige” in „geringfügige” geändert            |
  |             (Fußnote 17).                                        |
  | p. XVII.18  „fnwiderbringlich” in „unwiederbringlich” geändert   |
  |             (Fußnote 17).                                        |
  | p. XVII.20  „urspüngliches” in „ursprüngliches” geändert         |
  |             (Fußnote 25).                                        |
  | p. XVII.21  „Sedrach” in „Schadrach” geändert                    |
  |             (Übersetzungsfehler).                                |
  | p. XVII.36  „Dieß” in „Dies” geändert.                           |
  | p. XVII.38  „Xanthipp” in „Xanthippe” geändert (Fußnote 61).     |
  | p. XVII.38  „Thimming” in „Trimming” geändert (Fußnote 61).      |
  | p. XVII.41  „Sir John Brake” in „Sir John Leake” geändert        |
  |             (Fußnote 63).                                        |
  | p. XVII.48  „St. Patrik” in „St. Patrick” geändert.              |
  | p. XVII.52  „irschen” in „irischen” geändert.                    |
  | p. XVII.54  „in Stich gelassenen” in „im Stich gelassenen”       |
  |             geändert.                                            |
  | p. XVII.57  „Salaminum” in „Salaminium” geändert (Fußnote 91).   |
  | p. XVII.57  „latis” in „latus” geändert (Fußnote 91).            |
  | p. XVII.57  „ad” in „ac” geändert (Fußnote 91).                  |
  | p. XVII.58  „ille” in „illi” geändert (Fußnote 94).              |
  | p. XVII.59  „Emmissäre” in „Emissäre” geändert.                  |
  | p. XVII.59  „Lihgt” in „Light” geändert (Fußnote 97).            |
  | p. XVII.75  „spud” in „apud” geändert (Fußnote 130).             |
  | p. XVII.81  „Galmey’s” in „Galmoy’s” geändert.                   |
  | p. XVIII.3  „Marborough’s” in „Marlborough’s” geändert.          |
  | p. XVIII.5  „Officier” in „Officer” geändert (Fußnote 2).        |
  | p. XVIII.5  „Kennox” in „Lennox” geändert (Fußnote 2).           |
  | p. XVIII.7  „gewesein” in „gewesen” geändert.                    |
  | p. XVIII.10 „ungeahntet” in „ungeahndet” geändert.               |
  | p. XVIII.20 „Olichargie” in „Oligarchie” geändert.               |
  | p. XVIII.22 „Majoriät” in „Majorität” geändert.                  |
  | p. XVIII.24 „beispillose” in „beispiellose” geändert.            |
  | p. XVIII.25 „Russel” in „Russell” geändert.                      |
  | p. XVIII.43 „ermittteln” in „ermitteln” geändert.                |
  | p. XVIII.44 „other’s” in „others” geändert (Fußnote 57).         |
  | p. XVIII.48 „in die sich” in „die sich” geändert.                |
  | p. XVIII.57 „Philantropie” in „Philanthropie” geändert.          |
  | p. XVIII.58 „wit” in „mit” geändert.                             |
  | p. XVIII.59 „Mackian von Glenlo” in „Mackian von Glenco”         |
  |             geändert (Fußnote 83).                               |
  | p. XVIII.60 „nm” in „um” geändert (Fußnote 85).                  |
  | p. XVIII.65 „ermorderte” in „ermordete” geändert.                |
  | p. XVIII.66 „Mnesien” in „Moesien” geändert (Fußnote 90).        |
  | p. XVIII.72 „müssiges” in „müßiges” geändert.                    |
  | p. XVIII.81 „entscheidensten” in „entscheidendsten” geändert.    |
  | p. XVIII.84 „Sechszehn” in „Sechzehn” geändert.                  |
  | p. XVIII.87 „Revolation” in „Revolution” geändert.               |
  | p. XVIII.88 „faschen” in „falschen” geändert.                    |
  |                                                                  |
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