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Title: Schöpfungen der Ingenieurtechnik der Neuzeit
Author: Geitel, Max
Language: German
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    Aus Natur und Geisteswelt
    Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen

    28. Band

    Schöpfungen der
    Ingenieurtechnik der Neuzeit

    Von

    Max Geitel

    Ober- und Geh. Regierungsrat
    im Reichs-Patentamt

    _Zweite Auflage_

    Mit 31 Abbildungen im Text

    [Illustration]

    Verlag und Druck von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin 1922



    Schutzformel für die Vereinigten Staaten von Amerika:
    +_Copyright_ 1922 _by B. G. Teubner in Leipzig_+

Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts, vorbehalten



Vorwort zur zweiten Auflage.


Die Leistungen der Technik der Neuzeit reden eine so machtvolle und
überzeugende Sprache, daß -- im Gegensatz zu früheren Zeiten --
die Kenntnis der wesentlichsten Zweige der Technik zu dem Rüstzeug
des Gebildeten gehört. Die Schöpfungen der Ingenieurtechnik nehmen
insofern eine besondere und eigenartige Stellung ein, als sie sich der
Allgemeinheit am unmittelbarsten vor Augen führen und durch den Segen,
den sie bringen, am nachhaltigsten und verständlichsten den Ruhm der
Technik von heute predigen.

Überaus schwierig war es, die Auswahl aus der reichen Fülle des Stoffes
zu treffen. Wie in der gesamten Technik, so überbietet die Schöpfung
der Ingenieurtechnik von heute die von gestern. Was vor wenigen Monaten
noch als die Höchstleistung galt, ist oft schon dann veraltet, wenn es
aus dem Plan in die Wirklichkeit übertragen wurde. Was der Ingenieur zu
Beginn seiner Laufbahn bewunderte, wird häufig von ihm heute belächelt.
Der Weltkrieg, der zu einem erheblichen Teile mit _technischen Mitteln_
geführt wurde, hat dies in besonderem Maße bestätigt und Leistungen
gezeitigt, die bisher als unerfüllbar galten. Die Auswahl aus den
Schöpfungen der Ingenieurtechnik ist, wie in der ersten Auflage, auf
solche beschränkt, von denen nach menschlicher Voraussicht anzunehmen
ist, daß sie auf längere Zeit hinaus als Meisterwerke gelten werden.

_Berlin-Wilmersdorf_, im Dezember 1921.

                =Max Geitel.=



Inhaltsverzeichnis.


                                                     Seite

    Einleitung                                           5

    =I. Eiserne Brücken und Hochbauten=                  7

    Die Forthbrücke                                     10

    Die Zambesibrücke                                   13

    Die Hohenzollernbrücke bei Köln                     14

    Die Hoanghobrücke                                   16

    Die Brücke über den St. Lorenzstrom bei Quebec      18

    Der Eiffelturm                                      19

    Die 260 m-Türme der Großstation Nauen               19

    Das Woolworth-Gebäude in New York                   21

    Eisenbetonbauten                                    22


    =II. Tunnelbauten=                                  24

    Der Simplontunnel                                   27

    Der Lötschbergtunnel                                30


    =III. Kanalbauten=                                  31

    Der Panamakanal                                     31

    Der Kaiser-Wilhelm-Kanal (Nord-Ostsee-Kanal)        38

    Der Großschiffahrtsweg Berlin--Stettin              41


    =IV. Staudämme, Talsperren und elektrische
         Überlandzentralen=                             44


    =V. Elektrische Fernbahnen=                         54

    Allgemeines                                         54

    Magdeburg--Leipzig--Halle                           57

    Die Jungfrau-Bahn                                   58

    Die Lötschberg-Bahn                                 61

    Die Montblanc-Bahn                                  62


    =VI. Hoch- und Untergrundbahnen=                    63

    Berlin                                              65

    London                                              67

    Paris                                               67

    New York                                            68

    Philadelphia                                        69

    Chicago                                             70


    =VII. Die drahtlose Telegraphie und Telephonie=     70

    Allgemeines                                         70

    Die Großstation Nauen                               74


    =VIII. Neuzeitliche Riesen-Dampfschiffe=            79

    Allgemeines                                         79

    »Lusitania«                                         82

    »Mauretania«                                        82

    »Olympic«                                           82

    »Titanic«                                           82

    »Aquitania«                                         83

    »Kronprinzessin Cecilie«                            84

    »George Washington«                                 84

    »Imperator«                                         84

    »Vaterland«                                         84


    =IX. Lenkbare Luftschiffe und Flugzeuge=            87

    Starre Luftschiffe                                  88

    Halbstarre Luftschiffe                              88

    Unstarre Luftschiffe                                88

    Das Luftschiff während des Weltkrieges              93

    Eindecker                                           94

    Zwei- und Mehrdecker                                97

    Das Flugzeug während des Weltkrieges                99

    Die Opfer der Flugtechnik                          100


    =X. Technische Kriegsleistungen=                   101

    Allgemeines                                        101

    Das deutsche Ferngeschütz                          104

    Das Handels-U-Boot »Deutschland«                   105

    Die Tanks                                          105

    Die Gewinnung des Luftstickstoffes                 106

    Die Synthese des Ammoniaks                         107



Einleitung.

                    Eine jede Technik ist merkwürdig, wenn
                    sie sich an vorzügliche Gegenstände, ja
                    wohl gar an solche heranwagt, die über
                    ihr Vermögen hinausreichen.

                                        Goethe.


Wenn wir in den nachstehenden Abhandlungen eine Anzahl von Schöpfungen
der Ingenieurtechnik der Neuzeit in Wort und Bild vorführen, so
fassen wir hierbei das Gebiet der Ingenieurtechnik im weitesten Sinne
des Sprachgebrauches auf, nicht in dem engen Sinne der technischen
Wissenschaft und Sprachweise. Abraham a S. Clara, das Vorbild des
Schillerschen Wallenstein-Kapuziners, erteilt der Stadt Nürnberg
folgendes wohlverdiente Lob: »Weit mehr Künstler seynd von dieser
Stadt herkommen, als gewaffnete Soldaten gestiegen aus dem großen
Trojanischen Pferd, daß man also schier solle diese Stadt nicht mehr
_Nürnberg_, sondern _Hirnberg_ nennen, zumahlen so viel vernünftige
und zu allen Künsten capable Köpff anzutreffen«. Von jeher hat der
Stand der Ingenieure solche »capable Köpff« unter seinen Gliedern
gezählt. Ihnen verdankt die Menschheit von heute einen guten Teil
ihres Hochstandes. Zu den verständnisvollsten Kennern und Bewunderern
der Technik gehörte Goethe. Mit sicherem Blicke erkannte er dasjenige
in der Tätigkeit des Technikers, das diesem die Bewunderung der Mit-
und Nachwelt einträgt und das darin besteht, daß er sich an solche
Gegenstände heranwagt, die über sein Vermögen hinausgehen oder _doch
hinauszugehen scheinen_. Dieser Wagemut tritt uns in den nachstehend
behandelten Beispielen der Ingenieurtechnik in besonders hellem Glanze
entgegen. Hierbei werden wir uns, entsprechend der vorstehend gegebenen
weiteren Ausdehnung des Begriffes des Ingenieurs, nicht nur mit den
Leistungen des Bau- und des Maschinen-Ingenieurs befassen, sondern auch
dem Schiffbautechniker und dem Bezwinger der Lüfte und des Raumes sowie
dem Ingenieur-Chemiker und dem Kriegs-Ingenieur die verdiente Würdigung
widerfahren lassen.

Wir beginnen mit der Beschreibung einiger hervorragender _Eisenbauten_.
Hier sind es die _Brücken_, die als Überwinder der trennenden Macht
der Flüsse und Meeresarme schon seit den ältesten Zeiten bei der
Allgemeinheit das Gefühl der Bewunderung und der Dankbarkeit gegen die
Erbauer erweckten. Treffend bringt dies Schiller in dem Distichon »_Die
schöne Brücke_« zum Ausdruck:

    Unter mir, über mir rennen die Wellen, die Wagen, und gütig
    Gönnte der Meister mir selbst, auch mit hinüber zu gehn. --

Allerdings machen die neuzeitlichen Brückenbauten weniger Anspruch auf
Schönheit als auf Sicherheit und Zweckmäßigkeit. Aber unter Würdigung
ihrer hohen Bedeutung als Vermittler des Verkehrs, der Kultur, des
Austausches körperlicher und geistiger Güter, gewinnen ihre den
Gesetzen der zahlenmäßigen Berechnung unterworfenen Formen nicht minder
die Weihe der Schönheit als die formvollendetsten zu Stein gewordenen
Dichtungen der Architektur. Im Anschluß an die Brückenbauten führen
wir die Riesenbauten der _Wolkenkratzer_ vor und einige bemerkenswerte
Anwendungen des neuesten Baustoffes, des _Eisenbetons_. Sodann wenden
wir uns der Beschreibung der _Durchbohrung eines der größten Bergriesen
der Alpenwelt_ zu, um hierauf einige der hervorragendsten Beispiele aus
dem Gebiete des _Kanalbaues_, auf dem schon unsere Vorfahren Großes
leisteten, folgen zu lassen. Auch auf dem Gebiete der die Wasserkräfte
der Flüsse und Bäche aufspeichernden _Staudämme_, denen wir uns alsdann
widmen, haben unsre Väter bereits Hervorragendes geleistet. Um so
neuzeitlicher sind diejenigen Ingenieurleistungen, denen wir uns in
den folgenden Abschnitten widmen: die _elektrische Kraftverteilung_,
die _elektrischen Fernbahnen_, die _Hoch_- und _Untergrundbahnen
unsrer Riesenstädte_, die _den Ozean durchquerenden Riesenpaläste_,
die den Traum des Dädalus erfüllenden _Luftschiffe_ und _Flugzeuge_,
der jüngste Triumph in der Meisterung der Naturkräfte: die _drahtlose
Telegraphie_ und die hervorragendsten durch den Weltkrieg gezeitigten
Ingenieurleistungen.

Mehrere der von uns zu behandelnden Schöpfungen der Ingenieurtechnik
können füglich zu den _sieben Weltwundern der Neuzeit_ gerechnet
werden. Allerdings ist die Bemessung des Begriffes »Wunder« in hohem
Maße von der Auffassung des einzelnen abhängig. Eine amerikanische
technische Zeitschrift hat den Versuch gemacht, durch eine bei ihren
Lesern gehaltene Umfrage festzustellen, welche sieben Weltwunder der
Neuzeit an die Stelle der mit Ausnahme der Pyramiden vom Erdboden
verschwundenen sieben Weltwunder des Altertums zu setzen seien.
Die überwiegende Mehrzahl der abgegebenen Stimmen stellte die
_sieben Weltwunder der Neuzeit_ in der nachfolgend wiedergegebenen
Reihenfolge hin: 1. die drahtlose Telegraphie, 2. das Telephon,
3. der Flugapparat, 4. das Radium, 5. die Antiseptika, 6. die
Spektralanalyse, 7. die X-Strahlen. Eine große deutsche Tageszeitung
erließ die gleiche Umfrage. Die hier abgegebenen Stimmen vereinigten
sich in der nachstehenden Reihenfolge auf die drahtlose Telegraphie,
den Panamakanal, das lenkbare Luftschiff, die Flugmaschine, die
Radiumanwendung, den Kinematograph, den Riesendampfer »Imperator«.



I. Eiserne Brücken- und Hochbauten.


Die gewaltige Entwicklung, die der Brückenbau in den letzten
Jahrzehnten genommen hat, und die uns in der Überbrückung immer
größerer Spannweiten entgegentritt, hat zweierlei Quellen, die beide
aus der wissenschaftlichen Vertiefung entspringen, die die Technik
im allgemeinen und die Ingenieurtechnik im besonderen genommen hat.
Zunächst ist hier die Vervollkommnung der verschiedenen auf die
_Darstellung von Eisen und Stahl_ abzielenden Arbeitsverfahren zu
nennen. Sodann war es die _Ausgestaltung und Anwendung der Mathematik
und Mechanik_ durch Ritter, Culmann, Schwedler, Müller-Breslau u. a.
m., die in der sog. graphischen Statik dem Ingenieur das Mittel in
die Hand gab, um die in den einzelnen Teilen der Bauwerke auftretende
Inanspruchnahme nicht nur rechnerisch, sondern auch zeichnerisch
festzulegen und die einzelnen Bauteile mit dem _Aufwand geringsten
Materials und doch vollkommen sicher_ auszuführen.

Im Jahre 1778 wurde die erste noch heute in Benutzung befindliche
eiserne Brücke bei Iron-Bridge in England erbaut. Sie hat eine
Spannweite von 33 m. Im Laufe der Jahrzehnte erhöhten sich die
Spannweiten allmählich mit der Vervollkommnung der Eisendarstellung und
des wissenschaftlichen Rüstzeuges zu früher nicht geahnten Ausmaßen.
Nachstehend bringen wir eine kleine Auslese aus den größten eisernen
Brücken der Erde.

[Illustration: Abb. 1. Die Wupperbrücke bei Müngsten.]

                                                    Spannweite:

    Zambesibrücke                                      152,4  m
    Nordostsee-Kanal-Brücke bei Grünental              156,8  m
    Hohenzollernbrücke bei Köln                        159,92 m
    Dourobrücke bei Oporto                             160,00 m
    Wupperbrücke bei Müngsten (Abb. 1)                 160,00 m
    Nordostsee-Kanal-Brücke bei Levensau               163,40 m
    Garabit-Viadukt                                    165,00 m
    Niagarabrücke                                      167,64 m
    Viaur-Viadukt                                      220,00 m
    Mississippibrücke bei Memphis                      240,00 m
    Höllentor-Brücke über den East River bei New York  298,00 m
    Forth-Brücke (Abb. 2)                              521,20 m
    Brücke über d. St. Lorenzstrom bei Quebec          548,64 m

Besonders große Spannweiten weisen die neuzeitlichen Hängebrücken auf.
Wir nennen hier:

                                                    Spannweite:

    Die Niagarabrücke mit                              250,34 m
    Die East-River-Brücke bei New York mit             487,60 m
    Die projektierte Hudsonbrücke bei New York mit     987,55 m

[Illustration: Abb. 2. Die Brücke über den Firth of Forth.]

Aus der Zahl der großen Brückenbauten eine geeignete Auswahl zu
treffen, ist eine schwierige Aufgabe. Immerhin ist bezüglich der
nachstehend beschriebenen fünf großen Brückenbauten festzustellen, daß
jede derselben eine eigenartige Stellung einnimmt: die _Forthbrücke_
fordert unsre Bewunderung durch ihre gewaltigen Abmessungen heraus;
bei der _Zambesibrücke_ waren erhebliche örtliche Schwierigkeiten zu
überwinden; der Bau der _Hohenzollernbrücke bei Köln_ mußte sich unter
überaus schwierigen Verhältnissen vollziehen, da es sich hier um den
Ersatz einer einen außerordentlich regen Eisenbahnverkehr vermittelnden
Riesenbrücke handelte; die _Hoanghobrücke_ fesselt uns durch ihre
riesenhaften Abmessungen und die aus der entlegenen Lage des Bauplatzes
sich ergebenden Schwierigkeiten; der Bau der St. _Lorenzbrücke_ wurde
zweimal durch schwere Unfälle unterbrochen, die die Fertigstellung um
Jahre verzögerten.

Die Tatsache, daß der Bau der Forthbrücke überhaupt beabsichtigt
und ausgeführt wurde, bildet einen Beleg für die Richtigkeit des
Spruches: »_Zeit ist Geld_«, denn die durch den Bau der Brücke und
der erforderlichen Nebenanlagen verschlungene Summe beläuft sich auf
insgesamt _67400000_ Mk., während die erreichte Entfernungsverminderung
nur den sehr geringen Betrag von 40 km ausmacht, also eine Strecke,
für deren Bewältigung das Dampfroß noch nicht den Aufwand einer halben
Stunde gebraucht. Ein von Bouch, dem Erbauer der am 28. Dezember 1879
mit einem vollbesetzten Personenzuge durch einen Sturm in die Tiefe
gerissenen Tay-Brücke, herrührender Plan war abgelehnt worden. An
Stelle desselben entschied man sich für einen von den Ingenieuren
John Fowler und Benjamin Baker aufgestellten Entwurf. Dieser sah
eine Brücke nach dem von dem Deutsch-Amerikaner Gerber bereits bei
der Niagarabrücke mit Erfolg angewandten _Kantilever_-, _Ausleger_-,
_Krag_- oder _Konsol-System_ vor. Das Kennzeichen dieser Bauweise
besteht darin, daß die Brücke ohne Anwendung eines dieselbe stützenden
Baugerüstes von beiden Ufern aus konsolartig vorgebaut wird, bis sie in
der Mitte, hoch über den Fluten zum Schluß gebracht wird.

Die in Abb. 2 in einer Gesamtansicht dargestellte Brücke überspannt
mit zwei Öffnungen von je 521,20 m lichter Weite den Firth of Forth.
Um den den Meeresarm befahrenden Schiffen den Durchgang zu gestatten,
liegen die Eisenbahnschienen in einer Höhe von 47,7 m über dem
Wasserspiegel. Die die Konsolen oder Ausleger nach beiden Seiten hin
entsendenden Mittelpfeiler sind 107 m hoch. Die Gesamtlänge der Brücke
beträgt 2466,1 m. Die Anwendung der Kantilever- oder Konsol-Bauart
erschien im vorliegenden Falle um deswillen geboten, weil die Tiefe des
Meeresarmes an der zu überbrückenden Stelle 60 m beträgt, und daher
die Aufstellung eines Baugerüstes der Brücke unmöglich war. Demnach
begann man den Bau zunächst mit der Errichtung der beiden großen, aus
je 4 Eckpfeilern bestehenden Mittelpfeiler, von denen aus dann die
gewaltigen eigentlichen Träger, die Konsolen oder Ausleger, nach beiden
Seiten hin vorgebaut wurden. Diese zielbewußt und ohne erheblichen
Unfall ausgeführte Leistung ist in höchstem Maße bewunderungswürdig,
wenn man sie mit dem Bau des Eiffelturmes (Abb. 7) vergleicht, denn
jeder von den Mittelpfeilern ausladende Brückenarm entspricht einem
Eiffelturm. Ist schon der senkrechte Aufbau des letzteren als eine
Ingenieurleistung ersten Ranges zu bezeichnen, um wieviel mehr muß
dies von dem wagerecht in schwindelnder Höhe erfolgten gerüstlosen
Vortrieb dieses Riesenturmes gelten. Zwischen den Endpunkten der von
den Mittelpfeilern nach beiden Seiten hin ausladenden Konsolen wird der
noch zu überbrückende Teil der Spannweite durch einen mit Hilfe von
Gelenken eingeschalteten Fachwerksträger überspannt. Diese Bauart wird
als _Kantilever- oder Konsolbrücke mit freischwebenden Stützpunkten_
benannt und findet dort Anwendung, wo aus irgendwelchen Gründen die
Errichtung eines Baugerüstes zwischen den Stützpunkten nicht möglich,
und die Spannweite besonders groß ist. Abb. 3 zeigt ein lebendes
Modell der Forthbrücke: Die beiden auf Stühlen sitzenden Personen
entsprechen den beiden Hauptpfeilern, während der mittlere, gelenkige
Teil der Brücke durch den von der mittleren Person eingenommenen Sitz
dargestellt wird. Die Arme der beiden ersteren Personen sind als
Konsolen ausgebildet. Die über dem Wasser liegenden Konsolen tragen das
gelenkige Zwischenstück, während die dem Lande zugekehrten Konsolen
hier durch Fundamente gesichert sind.

[Illustration: Abb. 3. Lebendes Modell der Forthbrücke.]

Für jeden der 4 Eckpfeiler eines jeden Hauptpfeilers wurde ein
Mauerkörper von 15 m Durchmesser errichtet; die Verankerung der
Eckpfeiler auf diesen Mauerkörpern erfolgte durch 48 Stahlbolzen
von 65 mm Stärke. Der südliche Pfeiler ist auf eisernen Sinkkästen,
Caissons, ausgebaut, die unter Anwendung von Druckluft durch die
hier vorhandene starke Schlammschicht bis auf den festen Baugrund
hinabgesenkt wurden. Ein solcher Sinkkasten hatte einen Durchmesser von
21,3 m. Drei derselben wurden ohne Unfall an den Ort ihrer Bestimmung
gebracht. Bei der Verlegung des vierten Kastens aber ereignete sich
am Neujahrstage 1885 ein schwerer, den Bau stark verzögernder Unfall.
An diesem Tage ruhte die Arbeit. Der Kasten, der glücklich bis an die
Stelle gebracht war, wo er versenkt werden sollte, setzte sich so
tief im Schlamm fest, daß die Flut ihn nicht zu heben vermochte. Er
füllte sich mit Wasser, neigte sich zur Seite und wurde außerdem noch
4-1/2 m von der ihm bestimmten Stelle abgetrieben. Endlich, im Oktober,
wurde der Caisson an seinen richtigen Ort gebracht. Auch die beiden
südlichen Eckpfeiler des Mittelpfeilers ruhen auf Sinkkästen. Die
Lage des nördlichen Pfeilers ermöglichte es, daß dessen Fundamente
durchgehends unter Anwendung von Fangdämmen ausgeführt werden konnten.
Die Pfeiler und die Konsolen sind aus röhrenförmigen Säulen und Streben
zusammengefügt. Der Durchmesser dieser Röhren beträgt bis zu 3,66 m.
Überaus schwierig gestaltete sich die Ausführung der Knotenpunkte, das
sind die Verbindungen zwischen den einzelnen Röhren und Streben. Die
Brücke weist Stellen auf, wo zehn verschiedene Teile von ungewöhnlichen
Abmessungen und Formen zusammenstoßen und miteinander verbunden
werden mußten. Um diese Verbindungen zu erleichtern, ließ man den
kreisförmigen Querschnitt der Röhren in der Nähe der Knotenpunkte in
eine viereckige Form übergehen. Das Hinausbauen der Konsolen geschah in
der Weise, daß durch hydraulische Nietmaschinen die einzelnen Rohrteile
und Bleche voreinandergebracht wurden. Hierbei war dafür Sorge zu
tragen, daß die beiden nach verschiedenen entgegengesetzten Richtungen
ausladenden Konsolen gleichmäßig vorgetrieben wurden, damit der
Hauptpfeiler nicht einseitig belastet und zum Kippen gebracht wurde.
Beide Konsolen mußten sich also während des gesamten Bauvorganges das
Gleichgewicht halten. Die mit Hilfe der Nietmaschinen voreinander
gebrachten Teile mußten, bevor sie mit den bereits fertiggestellten
Teilen in feste Verbindung gebracht werden konnten, durch
Hilfskonstruktionen abgestützt werden. Der dem Fortgang des Vortriebes
der Konsolen entsprechende Vorschub der Nietmaschinen geschah auf
hydraulischem Wege. Besondere Sorgfalt erforderte auch die Innehaltung
der Richtung bei dem Vorbau der Konsolen. Das zwischen diesen liegende
bewegliche Schlußglied wurde zunächst in fester Verbindung mit jenen
ausgeführt und erst nach erfolgter Fertigstellung an seinen beiden
Enden auf Rollen gelegt. Die gewaltigen Abmessungen der Brücke spiegeln
sich u. a. in dem Einfluß wider, den die Erhöhung der Luftwärme auf das
Baumaterial ausübt. Die aus dem Temperaturunterschied entspringenden
Längsverschiebungen betragen fast 1 m; bescheint die Sonne die
Brücke einseitig, so hat dies eine Bewegung von 0,2 m senkrecht zur
Brückenachse zur Folge.

Am 4. März 1890 wurde die Brücke ihrer Bestimmung übergeben.

Die im Zuge der Kap-Kairo-Eisenbahn den Zambesifluß unterhalb der
Viktoriafälle überspannende Brücke ist in ihrem Hauptteile ebenfalls
nach dem Kantilever- oder Auslegersystem erbaut. Dieser den reißenden
Strom übersetzende Hauptteil ist gleich der Forthbrücke ohne Gerüst
von beiden Ufern aus vorgebaut und hat eine lichte Weite von 152,4 m;
die Pfeilhöhe des Bogens der Eisenkonstruktion beträgt 27,4 m. Die
Brücke liegt fast unmittelbar unterhalb der Fälle, die bei über 1600 m
Breite die Fluten des Zambesi in eine Tiefe von 140 m hinabstürzen
lassen. Die Gesamtlänge der Brücke beträgt 198 m, also ein keineswegs
ungewöhnliches Maß. Was aber den Bau, insbesondere dessen Vorarbeiten
überaus schwierig gestaltete, das waren außergewöhnliche örtliche
Verhältnisse. Diese ergaben sich aus der großen Höhe der steil aus
den Wirbeln des Stromes emporragenden Felsufer und hatten zur Folge,
daß die Brücke von beiden Ufern aus in der schwindelnden Höhe von
115 m über dem Wasserspiegel vorgebaut werden mußte. Um das Maß der
Entfernung der beiden Ufer festzustellen, wurde eine Rakete, an der ein
dünnes Seil befestigt war, über den Fluß geschleudert und mit Hilfe
dieses Seiles ein Telephondraht über den Fluß gespannt, und außerdem
ein Stahldraht zum Messen der Entfernung gezogen. Der Telephondraht
war erforderlich, weil, um von einem zum andern Ufer zu gelangen, ein
Umweg von 16 km zurückzulegen war. Der den Bau leitende Ingenieur
C. Beresford Fox begnügte sich aber nicht mit der telephonischen
Verständigung, sondern ließ an einem über den Fluß gespannten Drahtseil
ein Sitzbrett anbringen, auf dem er sich mittels eines endlosen Seiles
in schwindelnder Höhe von der einen zu der andern Baustelle ziehen
ließ. Um die während des Baues etwa abstürzenden Arbeiter vor dem
sichern Tode des Ertrinkens zu bewahren, wurde ein Schutznetz über den
Strom ausgespannt.

[Illustration: Abb. 4. Das Westportal der Hohenzollernbrücke bei Köln.]

Die am 5. Oktober 1859 nach 4-1/2jähriger Bauzeit eröffnete, von der
Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft mit einem Aufwand von 3927434
Talern gleich rund 11780000 Mk. erbaute Kölner Rheinbrücke (eine
Gitterbrücke mit 4 Öffnungen) genügte bereits seit geraumer Zeit
nicht mehr den erhöhten Anforderungen, die der zunehmende Verkehr
an sie stellte. Dieser war von 8--10 täglich die Brücke befahrenden
planmäßigen Zügen auf 380 gestiegen. Am 19. Juni 1907 wurde mit
dem Bau der an die Stelle dieser alten Rheinbrücke tretenden
Hohenzollernbrücke, Abb. 4, begonnen. Diese hat nur 3 Öffnungen, deren
mittlere 159,92 m und deren beiden seitlichen Öffnungen je 116 m
Lichtweite besitzen. Der Bau dieser neuen Brücke, einer Bogenbrücke
mit angehängter Fahrbahn, gestaltete sich um deswillen schwierig,
weil während der Bauzeit der Straßenverkehr und der Eisenbahnbetrieb
aufrecht zu erhalten waren, und außerdem schiffahrtspolizeiliche
Erschwernisse zu überwinden waren.

[Illustration: Abb. 5. Das Ausfahren der alten Rheinbrücke bei Köln.]

Der Entwurf des ingenieurbautechnischen Teiles wurde im
Ministerium der öffentlichen Arbeiten zu Berlin, nachdem er in der
Eisenbahndirektion Köln aufgestellt war, geprüft und festgestellt. Die
Berechnung und bauliche Durchbildung der eisernen Überbauten wurde der
Aktiengesellschaft Harkort zu Duisburg und der Maschinenbauanstalt
Nürnberg, Zweiganstalt Gustavsburg, übertragen. Die obere Leitung
lag bei der Eisenbahndirektion Köln. Von besonderer Eigenart sind
die die Beseitigung der alten Brücke bezweckenden Arbeiten. Hätte
man diese in der üblichen Weise abgebrochen, indem man Holzjoche
zu deren Unterfangung in den Strom einrammte und über diesen den
Überbau stückweise entfernte, so würde man 2--3 Monate an der Bauzeit
verloren haben. Infolgedessen entschloß man sich, die Brücke mit
Hilfe des Wasserstoff-Sauerstoff-Verfahrens zu zerschneiden, und die
so gewonnenen Einzelteile mittels schwimmender Gerüste zu entfernen
und ans Ufer zu setzen. Das Eisenwerk der alten Brücke bestand
aus zwei durchlaufenden, auf dem mittelsten der drei Strompfeiler
unterbrochenen Gitterträgern von 8,5 m Höhe. Jeder der Träger hatte
nach Beseitigung der Fahrbahn ein Gewicht von rund 840 t. Da jede der
vier Öffnungen getrennt entfernt werden mußte, wurden zunächst die
Träger auf den Zwischenpfeilern durchschnitten. Nunmehr wurde ein
entsprechend angeordnetes Gerüst (vgl. Abb. 5), das auf rechteckigen
Kähnen von entsprechender Tragkraft stand, durch Schleppdampfer unter
den auszufahrenden Träger gebracht und dort verankert. Die Kähne
waren mit Wasserballast gefüllt. Wurde dieser durch Pumpen aus den
Kähnen hinausgeschafft, so hoben sich jene und lüfteten hierbei den
auf dem Gerüst ruhenden Träger von seinen Stützpunkten nach oben.
Sobald der Träger frei schwebte, wurden die Anker gelichtet, und das
Schwimmgerüst mit dem auf ihm liegenden Träger durch Schleppdampfer in
ein seitlich gelegenes Abbruchgerüst übergeführt. Die Beseitigung der
mittleren Öffnungen vollzog sich in der kurzen Zeit von 40 Minuten.
Die Beseitigung der rechtsseitigen Öffnung dauerte eine Stunde, die
der linksseitigen Öffnung 2-1/2 Stunden. Bei dem Bau der neuen Brücke
sind rund 11500 cbm Werksteine und 46500 cbm Beton verbaut, 8600 cbm
Ziegelsteinmauerwerk, 610 t Profileisen für die Gründungsarbeiten und
160 t sonstiges im Mauerwerk vermauertes Eisen mit einem Kostenaufwand
von 3530000 Mk. Das Gesamtgewicht des eisernen Überbaues betrug 16560 t
bei einem Kostenaufwand von 4290000 Mk. Die Gesamtkosten betrugen,
ausschließlich der an den Portalen aufgestellten Reiterstandbilder und
der Verwaltungskosten, rund 13300000 Mk.

[Illustration: Abb. 6. Die Brücke über den Hoangho.]

Die den Hoangho im Zuge der Tientsin-Pukow-Bahn überbrückende in
Abb. 6 dargestellte gewaltige Brücke ist von der Maschinenfabrik
Augsburg-Nürnberg, Werk Gustavsburg, erbaut und im November 1912
eröffnet worden. Der Hoangho oder »gelbe Fluß« bildet seiner tückischen
Eigenschaften wegen von jeher den »gelben Kummer« Chinas. Im Laufe der
Jahrhunderte hat er unter Vernichtung von Tausenden von Menschenleben
die ihn umgebenden Deiche durchbrochen und seine Mündung verlegt.
Dieses geschah insgesamt neunmal, zuletzt im Jahre 1851, wo sich die
Mündung, die bisher südlich der Schantunghalbinsel lag, nach ihrem
jetzigen Orte verlegte. Dort, wo die Brücke den Fluß 200 km oberhalb
der Mündung überschreitet, hat dieser eine Breite von etwa 500 m.
Die Breite des hier zu überbrückenden Überschwemmungsgebiets beläuft
sich jedoch auf etwa 1300 m, woraus sich die ungewöhnliche Länge des
Bauwerks erklärt. Diese beträgt einschließlich der Pfeiler 1255,20 m.
Hiervon entfallen 834 m auf die Flutbrücken, während der Rest von
421,20 m auf den Hauptstrom entfällt. Die Überbrückung der 834 m weiten
Flutöffnungen erfolgt durch 9 selbständige Parallelträger von je
91,50 m Spannweite. Der Hauptstrom wird dagegen durch ein großartiges
zusammenhängendes Bauwerk überspannt. Die Hauptbrücke wird durch
zwei nebeneinander im Abstand von 9,40 m liegende Fachwerkträger von
421 m Länge gebildet, eingeteilt in zwei Seitenöffnungen von je 128 m
und eine Mittelöffnung von 164 m. Bei dem Bau der Brücke handelte es
sich darum, diese zunächst eingleisig auszuführen, jedoch derart, daß
sie jederzeit mit geringsten Kosten in eine zweigleisige umgebaut
werden kann. Demnach ist der Abstand der Hauptträger von Haus aus für
einen zweigleisigen Betrieb gewählt. Dagegen sind die Abmessungen
der Hauptträger nur so gewählt, daß sie für einen eingleisigen
Betrieb genügen; sie müssen also bei dem Übergange zu zweigleisigem
Betrieb verstärkt werden. Dies soll in der Weise geschehen, daß neben
jedem Hauptträger ein weiterer Hauptträger aufgestellt und an jeder
senkrechten Strebe mit dem bestehenden Hauptträger durch ein vom
Ober- bis zum Untergurt durchlaufendes Blech verbunden wird. Diese
Art der Verstärkung hat den Vorteil, daß in die zunächst ausgeführten
Brückenteile kein überflüssiger Baustoff hineingebaut wird, und daß
später lediglich eine Aufstellung der hinzukommenden Hauptträger, nicht
aber eine Abänderung der vorhandenen Träger erforderlich ist. Die
einzige zu erfüllende Aufgabe besteht darin, den neu hinzukommenden
Hauptträger mit dem bereits vorhandenen Hauptträger zu einem
einheitlichen Ganzen zu vereinigen. Erhebliche Schwierigkeiten boten
die Fundierungsarbeiten, da der Untergrund selbst in 50 m Tiefe noch
keinen tragfähigen Boden ergab. Infolgedessen mußte man sich dazu
entschließen, Sinkkästen unter Luftdruck zu versenken und von diesen
aus Rammpfähle zu schlagen. Jeder der Mittelstrompfeiler steht auf etwa
250 solcher Pfähle.

Die den Bau leitenden deutschen Ingenieure Borkowetz und Preis und
der Bauchef der Eisenbahn, Baurat Dorpmüller, hatten nicht nur mit
den Elementen, mit Hochwasser und Eis, sondern mit dem offenen und
versteckten Widerstand der Chinesen zu kämpfen. -- Das Eisengewicht
der Strombrücke beträgt gegen 3700 t, das Gesamtgewicht des Überbaus
4100 t, jeder Strompfeiler hat eine Last von 1600 t zu tragen.

Der Bau der bei Quebec den Lorenzstrom überschreitenden Brücke wurde
durch ein im Jahre 1887 erlassenes Gesetz genehmigt. Die Brücke
sollte eine Mittelöffnung von rund 549 m Spannweite besitzen, die
von je zwei 171,56 m langen Konsolen und einem 205,88 m langen
eingehängten Mittelträger überspannt wurde. Die Gesamtlänge der
Brücke sollte 988,2 m betragen; außer zwei Vollspurgleisen und zwei
Straßenbahngleisen waren zwei Fahrstraßen mit äußeren Fußwegen
vorgesehen. Am 29. August 1907 brach die Brücke während des Baues
zusammen. Der neue Entwurf setzte die Länge der Konsolen auf 176,9 m,
die des eingehängten Mittelträgers auf 195,2 m fest, so daß die
Mittelöffnung wieder die Spannweite von 549 m erhielt. Die Gesamtlänge
der Brücke blieb unverändert. Am 11. September 1916 stürzte der
Mittelträger, als er mittels hydraulischer Pressen und Schraubenwinden
emporgewunden und mit den Konsolen verbunden werden sollte, in die
Tiefe. Nun wurde ein neuer Mittelträger erbaut und am 24. September
1917 in die Brücke eingefügt. Die mit der St. Lawrence Bridge Company
in Montreal getroffene Abmachung schloß mit dem Betrage von 1750000
Pfund Sterling ab.

[Illustration: Abb. 7. Der Eiffelturm, einer der Nauener 260 m-Türme
und die Kölner Domtürme.]

Die großen Fortschritte, die sich in der Darstellung des Eisens
vollzogen, und die durch die wissenschaftliche Vertiefung der Technik
geschaffene Möglichkeit, die Beanspruchung der einzelnen Bauteile
zu verfolgen, hatten alsbald zur Folge, daß sich das Eisen auch als
Baustoff für Riesenhochbauten erfolgreich einführte. Die höchsten aus
Stein aufgeführten Bauwerke, das Washington-Denkmal (172 m), die Türme
des Kölner Doms (159 m) u. a. m. geben etwa die oberste Grenze an, bis
zu welcher man sich der Gesteine als Baustoff bedienen darf. Darüber
hinaus werden die unteren Mauerschichten durch das Gewicht der höheren
Schichten derart auf Druck beansprucht, daß sie zerbröckeln. Eine
derartige Gefahr liegt bei dem Eisen in weiter Ferne. Handelt es sich
um die Aufführung solcher Bauten, deren Wandungen nicht geschlossen
zu sein brauchen, dann hat das leichte und zierliche Maschengefüge der
Eisenbauten im Gegensatz zu den vollen Steinwänden noch den Vorzug, daß
es dem Winde eine erheblich geringere Angriffsfläche darbietet.

Als erster in Eisen errichteter Riesenhochbau ist der 300 m hohe
_Eiffelturm_ (Abb. 7) zu nennen, der eins der hervorragendsten
Schaustücke der Pariser Weltausstellung 1889 bildete und bis heute den
Ruhm in Anspruch nehmen kann, das höchste Bauwerk der Erde zu sein.
Ursprünglich lediglich dazu bestimmt, ein glänzendes Ausstellungsstück
zu bilden, hat der Eiffelturm sich immer mehr und mehr in den Dienst
der Wissenschaft und des Verkehrs gestellt, indem er ein Laboratorium
zur Untersuchung des Luftwiderstandes, eine meteorologische Station
und eine Großstation für drahtlose Telegraphie trägt, die während des
Weltkrieges sich für unsere Feinde als überaus wertvoll erwiesen hat.

Der Eiffelturm wird durch die beiden 260 m hohen _Riesentürme_ der
_Telefunken-Groß-Station Nauen_ an Höhe fast erreicht, an Kühnheit des
Aufbaues aber bei weitem übertroffen. Erbauer ist der Oberingenieur
_Bräckerbohm_ der Hein, Lehmann & Co., A.-G. zu Berlin. Bereits im
Jahre 1909 erhielt diese von der Gesellschaft für drahtlose Telegraphie
(Telefunken) den Auftrag zum Bau eines 100 m hohen als Antennenträger
dienenden turmähnlichen, unten isolierten Mastes. Dieser erhielt einen
dreieckigen Querschnitt und wurde gegen Umkippen durch Spannseile
gesichert; die Aufstellung erforderte sechs Wochen. Im Jahre 1911 ergab
sich die Notwendigkeit, diesen 100 m hohen Mast auf das Doppelte zu
erhöhen, da ein Neubau aus verschiedenen Gründen unmöglich war. Gegen
Weihnachten 1911 war die Erhöhung fast vollständig erfolgt, als die
Arbeiten durch schwere Stürme überrascht wurden. Aus irgendwelchen
Ursachen war in etwa 150 m die Erhöhung eingeknickt, und es erfolgte
ein Zusammensturz des Turmes, glücklicherweise ohne Folgen für die
Arbeiter und die benachbarten Gebäude. Als Notbehelf wurden auf
Vorschlag der vorgenannten Firma zwei 120 m hohe Rohrmaste errichtet.
Diese wurden auf der Erde liegend zusammengebaut und in _einem_ Stück
mit Hilfe eines 40 m hohen Hilfsmastes aufgerichtet. Wenige Wochen nach
jenem Einsturz beschloß die Telefunken-Gesellschaft die Errichtung
eines Turmes von 260 m Höhe, der in seinen Grundprinzipien mit dem
eingestürzten Turme übereinstimmt, und dessen Verhältnisse zu dem
Eiffelturm und zu dem Kölner Dom die Abb. 7 zeigt. Bisher hatte die
Isolation derartig schwerer Türme große Schwierigkeiten bereitet.
Jetzt aber war es gelungen, die für die Isolation erforderlichen
großen massiven Porzellankörper herzustellen. Die Aufstellung
dieses Riesenturmes erforderte trotz der ungünstigen Jahreszeit
(Wintermonate 1912/13) im ganzen nur 5 Monate. Die den Turm sichernden
Spannvorrichtungen wirken derart zuverlässig, daß selbst bei den
stärksten Stürmen kaum eine Bewegung der Abspannseile bemerkbar ist.
Diese Bewegung wäre auch durchaus unschädlich, da der Mast sowohl an
der Erde wie in der Mitte mit einem Gelenk versehen ist, das etwaige
Schwingungen ausgleicht. Das Bauwerk stellt das Beste dar, was an
Ermöglichung des Ausbaus und an Standsicherheit zu erreichen ist. Dies
tritt besonders hervor, wenn man sich die Belastung vergegenwärtigt,
die dieser 260 m hohe Turm zu tragen hat. Auf diesem ruht ein
Drahtseil, das ihn an der Spitze mit 30000 kg senkrecht und mit 6000 kg
wagerecht belastet, eine _Beanspruchung, welcher der Eiffelturm trotz
der in ihn hineingebauten gewaltigen Eisenmassen nicht gewachsen wäre_.
Das Gewicht des 260 m hohen Turmes beträgt 360000 kg; der Druck auf
das Fundament beläuft sich bei Stürmen auf etwa 800000 kg. Dieser
260 m-Turm befindet sich in Nauen in zwei Ausführungen; außerdem sind
dort noch vorhanden: 2 Maste von je 150 m und 4 Maste von je 120 m
Höhe; ferner ein 134 m hoher Turm. Trotz des verblüffend leichten
Aufbaus sind alle diese Türme durchaus standsicher.

Große Leistungen ermöglicht das Eisen insbesondere im Hochbau bei der
Errichtung der »_Wolkenkratzer_« der amerikanischen Großstädte. Noch
im Jahre 1880 begnügte man sich in den Vereinigten Staaten mit 5--6
Stockwerken, bis man durch das Steigen der Bodenpreise gezwungen wurde,
»in den offenen Raum zu flüchten«.

In der baulichen Ausbildung der Wolkenkratzer sind zwei Zeitabschnitte
zu unterscheiden, deren erster bis zum Ende der achtziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts, deren zweiter bis zur Gegenwart reicht.
In dem ersten Zeitabschnitt übertrug man die für ein gewöhnliches
Steingebäude üblichen Baugrundsätze auf Gebäude von doppelter und
dreifacher Höhe. Hierbei war das Mauerwerk der hauptsächlich tragende
Teil, während das Eisen nur zur gegenseitigen Versteifung der Wände,
der Balkenlagen und des Daches benutzt wurde. Bald aber stellte
sich heraus, daß diese Bauweise für die Errichtung höherer Gebäude
nicht benutzbar war, weil in den unteren Geschossen die Mauerstärke
ungebührlich vergrößert werden mußte, infolgedessen der verfügbare
Bebauungsraum in unerwünschtem Maße beengt wurde. Die Eigenlast der
Gebäude und damit deren Druck auf die Fundamente wurde ungemein groß.
Hierdurch gelangte man auf eine andere Bauweise, die sog. »Skelett-
und Furnierkonstruktion« (+skeleton and veneer construction+). Die
bisher benutzten schweren Mauerwerksmassen sind hierbei durch aus Eisen
hergestellte Gerippe ersetzt, die die sämtlichen Belastungen aufnehmen
und auf das Fundament übertragen. Die Verteilung der inneren Räume
läßt sich leicht in das Gerippe einbauen, während die feuerfesten
Verkleidungen in Stein, Ziegel, Terrakotta u. dgl. gleichsam wie ein
Furnier das ganze innere Eisengerippe umgeben. Diese Gerippebauart hat
gegenüber der früheren Bauweise noch den großen Vorzug des raschen
Aufbaus. Bauten, die früher ein Jahr und mehr beanspruchten, werden
jetzt in 5--6 Monaten errichtet. Die mit dieser Bauweise zu erreichende
größte Gebäudehöhe schätzt man auf 600 m.

Der höchste Wolkenkratzer ist das in Abb. 8 dargestellte
_Woolworth-Gebäude_ in New York, das mit einem Kostenaufwand von 80
Mill. Mk. errichtet wurde. Es liegt am Broadway mit einer Front von
47 m und auf dem Park Place und Barklay Street mit einer Fassadenlänge
von je 60 m. Der Turm erhebt sich vom Broadway mit 55 Stockwerken
und besitzt 26 m im Quadrat. Der übrige Teil des Gebäudes hat 29
Stockwerke. Die Höhe des Turms über dem Straßenpflaster beträgt
221 m. Da auch unter der Straße noch Geschosse von 37,50 m Tiefe
liegen, so ergibt sich eine Gesamthöhe vom Fundament bis zur Spitze
des Turms von 258,50 m. Wenn sämtliche Räume vermietet sind, faßt
der Bau 10000 Personen. Der ausführende Architekt Cass Gilbert
hat es verstanden, durch Anwendung des gotischen Stils und durch
eigenartige Farbenzusammenstellung des Mauerwerks einen durchaus
künstlerisch und harmonisch wirkenden Eindruck zu erwecken. Die von
der Otis-Gesellschaft gelieferten, den Innenverkehr vermittelnden
gewaltigen 26 elektrischen Fahrstühle besitzen eine Geschwindigkeit von
3,5 m in der Sekunde.

Angesichts der Wohnungsnot ist man auch in Deutschland dem Bau von
Wolkenkratzern nähergetreten, wegen der hohen Eisenpreise aber bisher
ohne tatsächlichen Erfolg. Da ist von Interesse, daß der Bau von
Häusern bis zu 22 Stockwerken möglich ist ohne Anwendung von Eisen.
Vorbedingung für derartige hohe Häuser ist, daß sie mit rundem oder
elliptischem Grundriß aufgeführt werden und hierdurch befähigt sind,
dem Winddruck besser zu widerstehen als Gebäude mit flachen Wänden und
rechteckigem Grundriß.

[Illustration: Abb. 8. Das Woolworth-Gebäude in New York.]

In der neuesten Zeit nimmt der _Eisenbeton_ in schnell steigendem
Maße an Bedeutung als Baustoff zu. Derselbe besteht aus einer innigen
Vereinigung von Eisen und Beton und verdankt seine hohe Festigkeit dem
Umstande, daß jeder der beiden Baustoffe, aus denen er zusammengesetzt
ist, diejenige Beanspruchung aufnimmt, wofür er besonders geeignet
ist. _Das Eisen nimmt die Zugspannungen, der Beton nimmt die
Druckbeanspruchungen auf._ Der Eisenbeton, der sich durch unbedingte
Feuersicherheit, schnelle und billige Ausführbarkeit, Dauerhaftigkeit
und leichtes Anpassungsvermögen auszeichnet, wird in der Weise
hergestellt, daß ein Netzwerk von Eisenstäben, das in seiner Gestalt
dem zu schaffenden Bauwerk entspricht, von einer Schalung umgeben wird
und in dieser Schalung mit flüssigem Beton umgossen wird, der bei
seiner Erstarrung eine unlösbare Verbindung mit dem eisernen Netzwerk
eingeht. Die weitestgehende Verwendung findet der Eisenbeton zunächst
im Hoch- und Brückenbau, sodann im Tiefbau und im Wasserbau. Die
weitest gespannte Eisenbetonbrücke überschreitet den Mississippi bei
Minneapolis mit einem Bogen von 121,92 m Weite und 26,82 m Pfeilhöhe.
Jenseits des Ozeans verwendet man den Eisenbeton auch als Baustoff für
Wolkenkratzer. Neuerdings hat der Eisenbeton eine zunehmende Bedeutung
als Schiffbaustoff gewonnen, und zwar sowohl für Binnen-, wie für
Seeschiffe. Als Vorzüge des Eisenbetonschiffbaus sind außer den bereits
genannten zu nennen: Wasserdichtheit, elastisches Verhalten gegen
Stoß, kurze Bauzeit, Möglichkeit der Reihenherstellung von Schiffen
gleicher Bauart, geringe Reibung im Wasser, hohe Widerstandskraft gegen
Seewasser, geringer Ansatz von Pflanzen und Muscheln am Schiffskörper.
Anfangs wurde die Einführung des Eisenbetons in den Schiffbau durch
den Umstand stark erschwert, daß sich das Eigengewicht der Schiffe im
Verhältnis zu deren Ladefähigkeit sehr ungünstig gestaltete. Dieses
Mißverhältnis scheint aber durch Schaffung eines sehr leichten Betons
beseitigt zu sein. Schließlich werden jetzt auch _Eisenbahnwagen_
in steigendem Maße aus Eisenbeton hergestellt. Der aus Eisenbeton
hergestellte Wagen hat gegenüber dem eisernen Wagen den großen, bei
den jetzigen hohen Eisenpreisen besonders wichtigen Vorzug, daß er
erheblich weniger Eisen in Anspruch nimmt; so stehen beispielsweise den
2200 kg Profileisen des eisernen offenen 20 t-Güterwagens nur 700 kg
Bandeisen und 200 kg Flach- und Quadrateisen des Eisenbetonwagens
gegenüber.



II. Tunnelbauten.


Von jeher hat der Riesenwall der Alpen den Wagemut der durch ihn
voneinander getrennten Völkerschaften erregt.

Die ersten großen über die Alpen führenden Verkehrsstraßen stammen
aus dem 18. Jahrhundert: Kaiserin Maria Theresia erbaute 1772 die
über den Brenner führende »Kaiserstraße«; Napoleon I. schuf die
Heerstraßen über den Mont Cenis und über den Simplon. Noch andre die
Alpen überschreitende Straßen folgten, und als die Eisenbahnen in die
Erscheinung traten, da gesellten sich zu diesen die das Gebirgsmassiv
durchbohrenden Tunnel, die höchsten Glanzleistungen neuzeitlicher
Ingenieurtechnik darstellend. Der erste größere Tunnelbau war der
2-1/2 km lange Hauensteintunnel bei Olten in der Schweiz. Derselbe hat
nebenbei eine traurige Berühmtheit dadurch erlangt, daß während seines
Baues am 28. Mai 1857 70 Arbeiter durch den Einsturz eines Schachtes
den Tod fanden. Die hier gesammelten Erfahrungen ermutigten im Jahre
1859 zum Bau des 12 km langen Mont Cenistunnels, der nach 11jähriger
Bauzeit zum Durchschlag und im 12. Jahre zur Vollendung gebracht wurde.
Der tägliche Vortrieb betrug, da man allein über Handbohrung verfügte,
auf jeder Seite nur 1,5 m täglich. Der im Jahre 1872 begonnene, am 29.
Februar 1880 zum Durchschlag gebrachte Gotthardtunnel hat eine Länge
von 14,984 km; hier erzielte man, da inzwischen die Tunnelbohrmaschine
ins Leben gerufen war, einen täglichen Fortschritt von 2,11 m auf jeder
Seite.

Der nächste in Angriff genommene große Alpentunnel war der den
_Simplon_ durchschneidende. Er ist ein unmittelbarer und scharfer
Nebenbuhler seiner beiden Vorgänger, denn ihm liegt, gleich jenen,
dieselbe große Aufgabe innerhalb des internationalen Verkehrs zwischen
dem Norden und Süden Europas ob. Diese Aufgabe zwang schon bei der
Festlegung der beiden Tunnelmündungen zu wichtigen Erwägungen. Ein
Tunnel ist um so billiger und schneller herzustellen, je kürzer er
ist, oder, mit anderen Worten, in je größerer Höhe er das Gebirge
durchbohrt. Hiermit wachsen aber die Schwierigkeiten, die sich der
Beförderung der Züge entgegenstellen. Diese müssen größere und
länger ausgedehnte Steigungen hinaufbefördert werden, und die im
Freien liegenden Eisenbahnstrecken können gegen Schneeverwehungen
und sonstige Naturereignisse nur unter erheblichem Aufwand von
Personal- und Unterhaltungskosten geschützt werden. Demnach hat man
dem Simplontunnel, um ihn zu einem stets betriebsbereiten Mittel des
internationalen Verkehrs zu machen, eine möglichst tiefe Lage gegeben
und ihn als einen sog. Basistunnel, der den Gebirgsstock an seiner
Wurzel durchfährt, ausgeführt. Der Simplontunnel liegt 450 m tiefer als
der Gotthardtunnel. Trotzdem aber konnte man ihn derart in das Gelände
einfügen, daß er nur 5 km länger ist als der Gotthardtunnel, nämlich
19,803 km. Die nördlich bei Brig gelegene Tunnelmündung liegt 686 m,
die südliche (Abb. 9), bei Iselle liegt 634 m über dem Meere.

[Illustration: Abb. 9. Die italienische Seite des Simplontunnels.]

Wie bei allen großen Gebirgstunneln stellte die trigonometrische
Festlegung der Tunnelachse die höchsten Anforderungen an deren Leiter,
Professor Rosenmund-Zürich, wie an dessen Gehilfen und an die zur
Anwendung gelangenden Meßgeräte. Die neuzeitlichen Tunnel werden von
beiden Seiten her gleichzeitig in das Gebirge vorgetrieben, und es muß
daher Vorsorge getroffen werden, daß die einander entgegenstrebenden
Arbeiterscharen sich im Innern des Berges treffen und nicht aneinander
vorbeigehen. Zu diesem Zwecke wird der betreffende Gebirgsabschnitt
mit einem sog. Triangulationsnetz überzogen. Die Ecken der dieses
Triangulationsnetz bildenden Dreiecke liegen auf Bergspitzen, und
es werden nun diejenigen Winkel, unter denen diese mit sichtbaren
Signalen ausgestatteten Bergspitzen zueinander stehen, gemessen und
festgestellt. Hat man den Gebirgsstock auf diese Weise gleichsam in
ein Netz von Dreiecken eingesponnen, so ist nur noch erforderlich, die
Winkel zwischen den Tunnelmundlöchern und den von diesen aus sichtbaren
Bergspitzen zu messen. Nunmehr kann die Mittelachse des Tunnels über
das Gebirge hinweg durch Signalstangen festgelegt werden. Um sicher zu
sein, daß sich die Arbeiten im Innern des Berges genau unterhalb dieser
über das Gebirge hin festgelegten Linie bewegen, wird letztere über
beide Tunnelmündungen hinaus verlängert, und in dieser Verlängerung der
Tunnelachse werden Beobachtungsposten aufgestellt, von denen aus man
mittels scharfer Fernrohre die im Berge fortschreitende Tunnelöffnung
und die über das Gebirge festgelegte Tunnelachse beobachten und
gegenseitig verfolgen kann. Um dies zu ermöglichen, werden in der
Mittellinie des fortschreitenden Tunnels scharf leuchtende Lichter
angebracht. Stellt man ein Fernrohr auf die über das Gebirge gelegte
Achse ein und dreht man dasselbe alsdann in senkrechter Richtung so
tief abwärts, daß man in das Innere des Tunnels hineinblickt, so müssen
die hier angebrachten Lichter in derselben senkrechten Ebene liegend
erscheinen wie jene Achse. Ist dies nicht der Fall, so muß der Vortrieb
des Tunnels entsprechend geändert werden. Die Arbeiten des Professor
Rosenmund wurden stark durch Luftspiegelungen gestört, die von
Temperaturunterschieden der Tunnelluft herrührten. Sie gelangten aber
zu einer so genauen Durchführung, daß die beiden Tunnelachsen, als sie
am 25. Februar 1905 sich begegneten, nur um 20,2 cm in der Wagerechten
und um 8,7 cm in der Senkrechten voneinander abwichen.

Bei dem Gotthardtunnel hatte man sich mit derjenigen Lüftung
begnügt, die durch die aus den Gesteinsbohrmaschinen austretende
Abluft bewirkt wurde. Diese genügte jedoch bei weitem nicht, und
die vor Ort herrschende, durch die Sprengstoffe, die Lampen und die
menschlichen Ausdünstungen hervorgerufene Luftverschlechterung hatte
zahlreiche Krankheits- und Todesfälle unter der Tunnelmannschaft zur
Folge. Man mußte bei dem Simplontunnel nach dieser Richtung um so
vorsichtiger verfahren, weil man auf außergewöhnliche Temperaturen
im Innern des Gebirges gefaßt sein mußte, und weil der Tunnel der
längste bisher in Angriff genommene war. Man nahm die für 500 Arbeiter
erforderliche Luftmenge zu 1500 cbm in der Minute an und gelangte zu
einem überaus eigenartigen und wirksamen Hilfsmittel, um diese große
Menge tatsächlich an Ort und Stelle zu schaffen. Dieses Hilfsmittel
bestand in einem Parallelstollen, den man in gleicher Höhenlage neben
dem eigentlichen Tunnel vortrieb und den man als Luftzuführungsrohr
benutzte. Diese beiden Stollen wurden in Abständen von je 100 m durch
Querschläge miteinander verbunden. Von diesen Querschlägen wurde
jeweilig nur der am nächsten vor Ort liegende, also der letzte,
offen gehalten, während alle übrigen Querschläge geschlossen wurden.
Mittels gewaltiger Fliehkraftgebläse wurde in den einen Stollen Luft
eingetrieben; diese trat durch den vordersten Querschlag in den anderen
Stollen über, um dann durch diesen und dessen Mundloch wieder ins
Freie zu treten. Unsere Abb. 9 läßt die Mundlöcher der beiden Stollen
deutlich erkennen. Auf diese Weise strich also durch den Tunnel
andauernd ein für die erforderliche Lufterneuerung und Luftkühlung
hinreichender Luftstrom hindurch. Diejenige kurze Strecke, welche
zwischen dem letzten Querschlag und der vordersten Arbeitsstelle lag,
wurde durch besondere Leitungen mit Frischluft versorgt. Der Abstand
der beiden Tunnelachsen beträgt 17 m. Einer dieser Tunnel wurde sofort
auf den erforderlichen Querschnitt ausgearbeitet. Der zweite Tunnel
wird erst jetzt zu einem Volltunnel erweitert.

Entsprechend den großen im Innern des Berges auszuführenden Arbeiten
waren die vor dem Tunnel zu errichtenden Werk- und Kraftanlagen
bemessen. Die hierauf verwandten Kosten belaufen sich auf 4 Mill. Fr.
auf jeder Tunnelseite. Auf der Nordseite konnte man der Rhone eine
dem Kraftbedarf von 2000 P.S. genügende Wassermenge entnehmen; auf
der Südseite stellte die Diveria die gleiche Menge nebst Gefälle zur
Verfügung. Bevor die Wasserkraftanlagen in Benutzung genommen werden
konnten, behalf man sich mit Halblokomobilen. Die im Innern des Tunnels
verkehrenden Lokomotiven wurden mit Preßluft von 80 Atm. betrieben.
Elektrische Beleuchtung kam nur außerhalb des Tunnels zur Anwendung.
Die Werkstätten hatten einen derartigen Umfang und waren außerdem mit
den verschiedenartigsten Einrichtungen in einer Weise ausgestattet,
daß weitestgehende Ausbesserungsarbeiten und Neuherstellungen in ihnen
ausgeführt werden konnten. Besonders hervorzuheben sind die großen
auf das vorzüglichste eingerichteten Bade- und Waschhäuser für die
Arbeiter und Ingenieure, die Krankenhäuser und die Arbeiterwohnungen.
Der Gesamtverbrauch an Sprengstoffen belief sich auf 2000 t oder 200
Eisenbahnwagenladungen.

[Illustration: Abb. 10. Das Profil des Simplonmassivs.]

Während des Baues stellten sich unvorhergesehene, nur mit äußerstem
Aufwande besonderer neuer Maßnahmen zu überwindende Schwierigkeiten
ein. Man hatte dieselben um so weniger erwartet, als die geologischen
Verhältnisse sich im Laufe des Vortriebs des Tunnels nicht im Einklang
mit den Gutachten der Sachverständigen ergaben, die eine überaus
günstige Gesteinslagerung als wahrscheinlich vorhanden angegeben
hatten. Unsre Abb. 10 gibt in ihrem oberen Teile das geologische Profil
wieder, wie man es erwartet hatte, und in ihrem unteren Teile, wie
es auf Grund der gemachten Erfahrungen sich ergab. Die auftretenden
Schwierigkeiten waren mehrfacher Art. In der mittleren 7 km langen
Strecke hatte man trockenen, steil aufgerichteten Gneis erwartet.
Statt dessen traf man auf wasserführende, flach und selbst wagerecht
verlaufende Schichten, wodurch die Bohrarbeit und die Ausmauerung des
Tunnels auf das äußerste erschwert wurden. Auf der nördlichen Seite,
wo man auf eine Gesteinswärme von höchstens 42° C gerechnet hatte,
stieg diese auf die gewaltige Höhe von 56° C. Auf der Südseite schlug
man kalte Quellen an, die unter hohem Druck bis zu 1200 l Wasser
in der Sekunde in den Stollen ergossen. Um die Schwierigkeiten zum
Übermaß zu steigern, schloß sich an diese wasserführende Strecke eine
Druckstelle an mit derartig brüchigem Gestein, daß dessen Druck selbst
die stärksten Holzrüstungen nicht zu widerstehen vermochten. Hier
mußte ein besondrer 42 m langer Eisenbetonstollen geschaffen werden,
dessen Vortrieb, Ausweitung und Ausmauerung allein etwa 1-1/2 Jahre
in Anspruch nahm, mit einem Kostenaufwand von rund 20000 Mk. für das
laufende Meter. Schließlich traten, als die Vortriebsarbeiten sich
von Norden und Süden her bis auf etwa 2 km genähert hatten, heiße
Quellen von 45° C, ja bis zu 50° C auf, die an die Arbeiter die
übermenschlichsten Anforderungen stellten. Am 25. Februar 1905 erfolgte
der Durchschlag. Hierbei wichen, wie bereits erwähnt wurde, die
Tunnelachsen nur 202 mm in der Wagerechten und 87 mm in der Höhe ab,
gewiß ein glänzender Beweis für die Sorgfalt, mit der die Vorarbeiten
ausgeführt waren. Die Zahl der Todesopfer, die der Bau gefordert
hatte, betrug auf der Nordseite 22, auf der Südseite 20. Am 25.
Januar 1906 durchfuhr der erste Zug den Tunnel; am 1. Juni 1906 wurde
dieser dem Verkehr übergeben. Die Kosten beliefen sich einschließlich
der Herstellung und teilweisen Ausmauerung des Parallelstollens
sowie Beschotterung und Gleisverlegung im Haupttunnel auf 58,2 Mill.
Fr.; hiervon entfielen 8,4 Mill. auf die Werkstattsanlagen vor den
Tunnelmündungen in Brig und Iselle.

Der auf der Simplonbahn sich vollziehende Verkehr hat eine große
Förderung durch den Bau der _Lötschbergbahn_ erfahren, die am 1.
Juli 1913 dem Betrieb übergeben wurde. Diese Bahn hat insgesamt nur
eine Länge von 74 km. Auf dieser kurzen Strecke aber häuften sich
die zu überwindenden Schwierigkeiten in ganz außergewöhnlichem Maße.
Unter den zahlreichen Bauten dieser Bahn steht an erster Stelle der
_Lötschbergtunnel_ mit einer Länge von 14,536 km. Derselbe verläuft
nicht nach einer geraden Linie, sondern weist beiderseits erhebliche
Kurven auf. Während des Baues sah man sich sogar genötigt, die Achse
des Tunnels zu verlegen. Es war dies eine Folge des Umstandes, daß am
24. Juli 1908 man unerwarteterweise das Gasteinertal anbohrte, was
das Hereinbrechen großer Schlamm- und Schuttmassen zur Folge hatte,
in denen 25 Arbeiter den Tod fanden. Die nunmehr dem Tunnel gegebene
neue Richtung umgeht das Gasteinertal, hat aber eine Verlängerung des
Tunnels um nicht weniger als 800 m zur Folge. Der erzielte tägliche
Vortrieb betrug auf der Nordseite gegen 9, auf der Südseite etwa 5 m.

Dem Tunnelbau werden in nächster Zeit voraussichtlich eine Anzahl
besonders schwieriger Aufgaben gestellt werden. Zwar wird der in
Kellermanns Roman »Der Tunnel« anschaulich geschilderte Bau des
Tunnels Europa--Amerika noch lange auf sich warten lassen, aber die
Untertunnelung des _Ärmelkanals_, der _Straße von Gibraltar_, der
_Beringstraße_, des _Bosporus_ u. a. m. rücken der Verwirklichung
immer näher. Dieses erscheint um so wahrscheinlicher, als die
Untertunnelung breiter Flußläufe, so der Themse bei London, der Elbe
bei Hamburg, der Spree bei Berlin sowie verschiedener amerikanischer
Ströme mit vollem Erfolg ausgeführt wurde.



III. Kanalbauten.


Der Plan eines Durchstichs der Landenge von Panama wurde schon alsbald
nach der Entdeckung Amerikas, seit dem Jahre 1524, zum Teil unter
Benutzung des Nicaragua-Sees, erwogen und ist dann im Laufe der
Jahrhunderte wiederholt aufgetaucht, um erst in jüngster Zeit zur
Ausführung gebracht zu werden. Auch Alexander von Humboldt und Goethe
haben sich mit dieser gewaltigsten Verkehrsfrage beschäftigt. Letzterer
hat hierbei eine verblüffende prophetische Voraussicht entwickelt.
Im Jahre 1827 äußerte er sich: »Wundern sollte es mich, wenn die
Vereinigten Staaten es sich sollten entgehen lassen, ein solches
Werk in ihre Hände zu bekommen. Es ist vorauszusehen, daß dieser
jugendliche Staat bei seiner entschiedenen Tendenz nach Westen in 30
bis 40 Jahren auch die großen Landstrecken jenseits der Felsengebirge
in Besitz genommen und bevölkert haben wird ... Ich wiederhole also:
Es ist für die Vereinigten Staaten durchaus unerläßlich, daß sie sich
eine Durchfahrt aus dem Mexikanischen Meerbusen in den Stillen Ozean
bewerkstelligen, und ich _bin gewiß, daß sie es erreichen_.«

Die Ereignisse haben Goethes Voraussicht bestätigt: die Vereinigten
Staaten haben das Erbteil der Franzosen angetreten, die als die ersten
sich an das große Werk herangewagt haben, ohne es der Vollendung
entgegenführen zu können. Im Jahre 1879 trat zu Paris unter dem Vorsitz
von Ferdinand v. Lesseps eine internationale Kommission zusammen,
um von den für den Durchstich des Isthmus von Panama eingegangenen
elf Plänen einen zur Ausführung auszuwählen. Unter diesen Plänen
befanden sich die verschiedensten Lösungen. Mehrere schlugen einen
Durchstich in der Höhe des Meeresspiegels vor, das sogenannte
»Seehöhenprojekt«, wobei für den Durchschlag der Kordilleren ein Tunnel
oder ein Einschnitt erforderlich wurde. Andere brachten einen Kanal in
Vorschlag, der durch Schleusentreppen das Gebirge überschritt. Nach
eingehenden Beratungen entschloß man sich für den Bau eines von Meer
zu Meer ohne Schleusen verlaufenden Niveau- oder Seehöhen-Kanals.
Der Kanal sollte eine Länge von 75 km, eine Tiefe von 8,5 m, eine
Breite von 56 m in der Ebene und eine Breite von 22 m im Berglande
erhalten. Das Gebirge sollte in einem 6 km langen Tunnel durchstochen
werden. Die Kosten waren auf 843 Millionen Fr. veranschlagt. Die
Bauzeit war vertragsmäßig auf 12, höchstens auf 18 Jahre festgesetzt.
Auffallenderweise hatte das Großkapital bei der Zeichnung der Aktien
eine starke Rückhaltung beobachtet. Die Vereinigten Staaten von Amerika
brachten den Unternehmern unter Betonung der Monroedoktrin ein starkes
Mißtrauen entgegen. Auch England bewies kein Wohlwollen. Als man
mit dem Bau am 1. Februar 1882 begonnen hatte, zeigte sich, daß man
die Schwierigkeiten des Unternehmens erheblich unterschätzt hatte.
Diese bestanden nicht nur in zu überwindenden Hindernissen, die die
eigenartigen Boden- und Wasserverhältnisse mit sich brachten, sie lagen
vielmehr auch großenteils auf gesundheitlichem Gebiet und stellten den
Fortgang der Arbeiten durch mörderische Seuchen in Frage. Bis zum Jahre
1884 mußten vier Anleihen aufgenommen werden. Im folgenden Jahre, als
man sich vor täglichen Ausgaben von mehr als 1 Mill. Fr. sah, schätzte
Lesseps die für den Bau erforderliche Summe auf 1400 Mill. Fr. Etwa
20000 Arbeiter waren bei dem Bau beschäftigt, 150 Lokomotiven, 5000
Kippwagen, 20 Naßbagger, 80 Trockenbagger, 4 Seebagger zählten zu den
Betriebsmitteln der Bauunternehmer. Schon damals hatten die Erdarbeiten
durch massenhafte Rutschungen zu leiden. Der Chagresfluß erwies sich
durch die gewaltigen Wassermassen, die er zur Zeit der Regenzeit
dahinwälzt, als überaus tückisch. Im Laufe des Jahres 1886, als man 22
Mill. cbm Erde ausgeschachtet und festgestellt hatte, daß dies nur ein
Viertel der gesamten Erdarbeiten ausmachte, kam man zu der Überzeugung,
daß der Bau eines Niveaukanals nicht ausführbar sei. Man entschloß sich
daher zum Bau eines Schleusenkanals, für welchen das erforderliche
Betriebswasser in mehreren großen Sammelbecken aufgespeichert werden
sollte. Die finanziellen Schwierigkeiten nahmen aber inzwischen
immer mehr zu; im März 1889 geriet die Baugesellschaft in Konkurs,
nachdem Lesseps kurz vorher die Leitung des Unternehmens niedergelegt
hatte. Den Passiven im Betrage von 1172 Mill. standen Aktive nur im
Betrage von 231 Mill. gegenüber. Zahlreiche kleine Kapitalisten hatten
den Verlust ihrer Spargroschen zu beklagen. Die Gerichte griffen
ein, und es entrollte sich jener hinfort zum Schlagwort gewordene
_Panamaskandal_, in den eine große Zahl von Beamten, Parlamentariern
und Geldleuten verwickelt wurde. Lesseps, der 87jährige Erbauer des
Suezkanals, wurde mit 5 Jahr Gefängnis bestraft. Dieses Urteil wurde
aus formalen Gründen wieder aufgehoben, da das Vergehen verjährt war.
Lesseps aber starb am 7. Dezember 1894 in geistiger Umnachtung. Eine
Liquidationskommission wurde eingesetzt, der es gelang, eine neue
Gesellschaft mit einem Kapital von nur 65 Mill. Fr. zu bilden, während
900 Mill. erforderlich gewesen wären. Dieser Gesellschaft wurde die
inzwischen erloschene Baukonzession bis zum Jahre 1903 verlängert,
und sie suchte nunmehr, ihre Rechte an die _Vereinigten Staaten_ zu
verkaufen. Hier stellte sich aber eine unvorhergesehene Schwierigkeit
ein, indem der Staat Kolumbien sich weigerte, an die Vereinigten
Staaten das für den Kanalbau erforderliche Land zu überlassen. Diese
Schwierigkeit wurde schließlich dadurch beseitigt, daß der Staat
Panama sich von Kolumbien trennte und den Vereinigten Staaten zu
beiden Seiten des Kanals einen Landstrich von 18 km Breite nebst
allen Hoheitsrechten abtrat. Dies geschah im November 1903. Nunmehr
begann eine erneute Prüfung der Frage, in welcher Form der Kanal am
vorteilhaftesten zur Ausführung gelangen könne. Zu diesem Zwecke
wurden zwei Kommissionen, eine amerikanische und eine internationale,
eingesetzt. Erstere entschied sich für einen Schleusenkanal, letztere
für einen Niveaukanal. Präsident Roosevelt entschloß sich für einen
Schleusenkanal. Der Kongreß entschied sich in dem gleichen Sinne, und
die Vereinigten Staaten begannen in der zweiten Hälfte des Jahres 1906
mit dem Bau nach folgendem allgemeinen Plane.

[Illustration: Abb. 11. Der Panama-Kanal.]

Der Kanal (Abb. 11) benutzt so weit als möglich das Bett der Flüsse
Rio Chagres und Rio Grande Superior, so daß der Kanal zum Teil einen
seeartigen Eindruck erweckt. An der Wasserscheide der Landenge, bei
Culebra, steht auf eine Länge von 12,8 km ein Flußlauf nicht zur
Verfügung; hier muß das Gebirge mit einem gewaltigen Einschnitte
durchbrochen werden. Ursprünglich hatte man aus Sparsamkeitsrücksichten
hier eine geringere Kanalbreite in Aussicht genommen. Durch die auf
die Zunahme der Größe der Kriegsschiffe gebotene Rücksichtnahme hat
man sich aber veranlaßt gesehen, auch in diesem Einschnitt die Breite
des Kanals auf 92 m zu bringen. Der Rio Chagres schwillt während
der Regenzeit plötzlich derart an, daß es sich erforderlich machte,
seine Wassermengen aufzustauen und diese allmählich je nach Bedarf
zur Speisung des Kanals zu verwenden. Diesem Zwecke dient ein bei
Gatun errichtetes Staubecken von 425 qkm Fläche, das in einer Höhe
von 26 m über dem mittleren Spiegel der zu verbindenden Ozeane liegt.
Zu diesem Stausee führen vom Stillen Ozean drei Doppelschleusen
und vom Atlantischen Ozean ebenfalls drei Doppelschleusen hinauf.
Für weitere Sicherung des für die Speisung des Kanals und seiner
Schleusen erforderlichen Wassers sind dann noch zwei Vorratsbecken,
bei Miraflores und bei Gamboa, vorgesehen. Der Kanal erstreckt sich
an seinen beiden Enden in das Meer hinaus, und zwar 11 km weit in die
Limonbucht und 13 km in die Bai von Panama. Im Jahre 1906 schätzte man
die Gesamtkosten für die Arbeiten am Kanal auf 140 Mill. Dollar, nach
Verlauf von 3 Jahren schätzte man sie auf das Doppelte. Hierzu kamen
noch für die Hafenbauten in Colon und Panama, für Eisenbahnbauten,
für an die französische Gesellschaft und an die Republik Panama zu
leistende Zahlungen mehr als 200 Mill. Dollar, so daß die Gesamtkosten
im Jahre 1909 durch Taft auf etwa 360 Mill. Dollar oder 1-1/2 Milliarde
Mark geschätzt wurden.

Am 10. Oktober 1913 fiel die letzte Erdwand, die den Gatun-See von
dem Culebra-Einschnitte trennte, durch eine von Washington aus durch
Präsident Wilson bewirkte Sprengung, so daß hinfort die Wasser der
beiden Ozeane miteinander in Verbindung standen.

Am 8. Juni 1914 durchfuhr der erste größere Dampfer von 4000 t
Rauminhalt die Schleusen von Gatun, und am 15. August fand die
Eröffnung des Kanals statt. An diesem Tage legte der Dampfer »Ancon«
mit dem um die Fertigstellung des Kanals hochverdienten Oberst Goethals
an Bord die Fahrt von Christobal zum Stillen Ozean in 9 Stunden zurück,
wovon 70 Minuten auf die Schleusen von Gatun entfielen. Die Summe der
Baukosten wurde zu 1575 Mill. Mark angegeben. Hierin sind 168 Mill.
Mark eingeschlossen, die die französische Kanalgesellschaft erhalten
hat, aber nicht deren auf 700 bis 800 Mill. Mark bezifferte Verluste.
Die Unterhaltungskosten werden auf jährlich 2205000 Mark geschätzt;
hierzu kommen noch 1050000 Mark für die an Panama zu zahlende Rente.

Die ernsteste Gefahr droht dem Kanal, abgesehen von Erdbeben
und vulkanischen Ausbrüchen, auch nach seiner Vollendung von
den Abrutschungen, die an den Böschungen auftraten und im
Culebra-Einschnitt immer wieder neue Erdmassen in das Kanalbett warfen.
Dieser Einschnitt erreicht eine Tiefe von 160 m unterhalb seines
Randes; der Kölner Dom könnte also in demselben stehen, ohne mit seinen
Turmspitzen über die Böschung emporzuragen. Das hier zu durchfahrende
Gestein ist allerdings, so lange es im Gebirge ansteht, überaus hart,
verwittert jedoch, wenn es mit der Luft in Berührung kommt, schnell.
Außerdem ist es mit Ton durchsetzt, der durch die tropischen Regengüsse
erweicht wird und das Gestein in das Kanalbett hinabgleiten läßt. Schon
im Jahre 1887 stürzten in einer Nacht 78000 cbm von den Böschungen. Am
9. Februar 1911 stürzten 300000 cbm Erde und Fels ab, 50 Menschenleben
vernichtend und 3 Eisenbahnzüge unter sich begrabend; am 5. September
1912 stürzte eine Erdmasse ab, die auf 1200000 cbm, von andrer Seite
sogar auf 7 Mill. cbm geschätzt wurde. Am 4. August 1915 begann ein
riesiger Erdrutsch im Culebra-Einschnitt, der vom 18. September 1915
bis zum 16. April 1916 eine Sperrung des Kanals verursachte. Die
abgestürzten Erdmassen beliefen sich auf etwa 10 Mill. cbm. Außerdem
aber wölbte sich der Boden des Kanalbettes um 4 bis 5 m empor,
eine Erscheinung, die man bei der Planung des Kanals nicht erwartet
und daher nicht berücksichtigt hatte. Wie Professor Balschin in der
Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin ausführte, stellt
die Erdoberfläche eine Gleichgewichtsfläche dar, die bestrebt ist,
bei derartigen gewaltsamen Eingriffen, wie es der Culebra-Einschnitt
ist, ihre ursprüngliche Form wiederherzustellen. Jedenfalls haben die
im Culebra-Einschnitt auftretenden Schwierigkeiten deutlich ergeben,
daß der von Lesseps und andern Sachverständigen geplante schleusenlose
Niveaukanal unausführbar gewesen wäre.

Während der langen Bauzeit haben sich inzwischen die Abmessungen der
Ozeanschiffe derart erhöht, daß man die Dimensionen des Kanals und
seiner Schleusen erheblich vergrößern mußte. Trotzdem aber steht
der Kanal dem erweiterten Nord-Ostsee-Kanal, wie die nachstehende
Zusammenstellung erkennen läßt, in den Abmessungen seiner Schleusen
nicht unwesentlich nach:

                     Panama-Kanal   Nord-Ostsee-Kanal

    Schleusenlänge    304,8  m           330   m
    Schleusenbreite    33,53 m           45    m
    Wassertiefe        12,19 m           13,77 m
    Wasserinhalt      124581 cbm     207900    cbm

Die Sohlenbreite des Kanals auf der freien Strecke, das heißt außerhalb
der Schleusen, beträgt zwischen 150 bis 300 m in den Seestrecken, im
Culebra-Einschnitt 92 m, in den Zufahrtskanälen an beiden Ozeanen
150 m. In der oberen Haltung hat der Kanal eine Tiefe von 13,80 m,
innerhalb des Sees ist diese vielfach größer. Zwischen dem tiefen
Wasser der beiden Ozeane beträgt die Gesamtlänge des Kanals 80 km. Die
Schleusentreppen, die von den beiden Ozeanen zu der obern Kanalhaltung
emporführen, überwinden eine Höhe von 26 m. Alle Schleusen wurden
als Doppelschleusen ausgeführt, das heißt jede Schleuse besitzt zwei
Kammern nebeneinander, so daß gleichzeitig nach beiden Richtungen hin
durchgeschleust werden kann. Die Abmessungen sind bei allen Schleusen
die gleichen, in der vorstehenden Zusammenstellung angeführten. Die
Sohlen und die Seitenwandungen der Schleusen sind aus Beton ausgeführt.
Unsre Abb. 12 gewährt einen Einblick in den Bau einer Schleusenwandung.
Wir sehen hier links die steilabfallende Innenwandung, die mit Hilfe
eines großen verschiebbaren eisernen Gerüstes fertiggestellt wird. An
ihrer rechten Außenseite fällt die Wand treppenförmig ab. Die in dem
Querschnitt der Wand sichtbare runde Öffnung, ein sog. Umlauf, dient
zur Zuführung und Abführung des die Schleusen füllenden Wassers. Sie
würde imstande sein, einem Eisenbahnzug Durchgang zu gewähren und steht
durch Querkanäle mit einem entsprechenden in der anderen Schleusenwand
angebrachten Umlauf in Verbindung; von diesen Umläufen tritt das
Wasser durch im Schleusenboden angebrachte Öffnungen in die Schleuse
hinein. Sollen kleinere, eine geringere Wassermenge erfordernde Schiffe
durchgeschleust werden, so können die Schleusen durch Zwischentore in
Abschnitte von 120 m und 185 m Länge zerlegt werden. Zum Abschluß der
Schleusen dienen eiserne Stemmtore von 20 m Länge, 14 m bzw. 25 m Höhe
und 2,15 m Stärke. Jedes Schiff wird durch elektrische Lokomotiven in
die Schleusen eingebracht; Sicherheitstore und Schutzketten schützen
die eigentlichen Schleusentore vor dem Rammen. Versagen diese Maßnahmen
den Dienst, so kann noch eine von der Seitenmauer aus einschwenkbare
Nottür den Abschluß der Schleuse bewirken.

[Illustration: Abb. 12. Eine Schleuse des Panama-Kanals im Bau.]

Die Zahl der insgesamt beschäftigten Arbeiter betrug im Jahre
1911 44000, davon 12000 Europäer. Im Jahre 1912 war sie auf 36000
vermindert; hiervon entfielen auf den eigentlichen Kanalbau 28000.

Neben den umfangreichen Erdrutschungen bildet die Beschaffung der für
die Speisung des Kanals, insbesondere der Schleusen, erforderlichen
Wassermenge den Gegenstand der Sorge. Als Wasserhaltung dient in
erster Linie der künstlich aufgestaute Gatun-See. Hier besteht die
Schwierigkeit, den Staudamm und den Boden des Sees so dicht zu
gestalten, daß nicht unverhältnismäßig große, die Aufrechterhaltung
des Betriebs gefährdende Sickerverluste auftreten. Zwar hat man dem
Damm an seiner Wurzel die außerordentliche Stärke von 518 m gegeben.
Trotzdem aber wird von Fachleuten die Befürchtung ausgesprochen, daß
man hierdurch eine unbedingte Wasserdichtheit nicht erzielt haben wird.
Dies erscheint um so wahrscheinlicher, als der Damm an zwei Stellen
über alten Flußbetten steht, die bis zu 88 m Tiefe mit Geröll, Lehm und
andern Flußablagerungen angefüllt sind.

Über allen dem Kanal drohenden Fährnissen steht die Erdbebengefahr. Wie
er dieser gegenüber sich verhalten wird, bleibt abzuwarten.

Während der ersten sechs Betriebsjahre, jeweilig vom 1. Juli bis
30. Juni gerechnet, hat sich der Verkehr im Panamakanal wie folgt
entwickelt:

    1914/15 4970000 t
    1915/16 3140000 t
    1916/17 7229000 t
    1917/18 7640000 t
    1918/19 6878000 t
    1919/20 9374000 t.

Der die Nordsee mit der Ostsee verbindende _Kaiser-Wilhelm-Kanal_
oder _Nord-Ostsee-Kanal_ ist in den Jahren 1887--1895 mit einem
Kostenaufwand von rund 156 Mill. Mark erbaut. Er ist an 99 km lang
und wurde mit einer Sohlenbreite von 22 m ausgeführt; seine Tiefe
beträgt 8 m bis 10,3 m. Die Breite des Wasserspiegels beläuft sich
bei gewöhnlichem Wasserstande, der dem mittleren Wasserstande der
Ostsee gleicht, auf 67 m. Als Wendestelle für die größern, den Kanal
durchfahrenden Schiffe dient der Audorfer See bei Rendsburg. Der Kanal
ist nur an seinen beiden Enden, bei Brunsbüttel an der Elbe und bei
Holtenau an der Kieler Föhrde, mit Schleusen, und zwar mit je zweien
ausgestattet. Dieselben sind für gewöhnlich geschlossen und werden
nur geöffnet, wenn Schiffe hindurchgelassen werden. Die Brunsbütteler
Schleuse dient außerdem noch der Entwässerung. Die Endschleusen
waren erforderlich, um die Schwankungen des Wasserstandes der Elbe,
die schon bei gewöhnlichem Flutwechsel 2,6 m betragen, und die der
Kieler Föhrde, die bei starkem Winde sehr beträchtlich sind, von dem
Kanal fernzuhalten. Als dieser erbaut wurde, rechnete man damit, daß
man es in der absehbaren Zukunft mit Schiffen von höchstens 145 m
Länge, 23 m Breite und 8,5 m Tiefgang zu tun haben werde, und man
rechnete mit einem Verkehr von etwa 18000 Schiffen mit 5-1/2 Mill.
Netto-Registertonnen[1] Raumgehalt. Allmählich überstiegen aber die
Schiffe nach Zahl und Inhalt diese Voraussetzungen. Im zehnten Jahre
nach der Eröffnung (1905) durchfuhren den Kanal 33147 Schiffe mit
5749949 Netto-Registertonnen; hierbei hatte die Durchschnittsgröße der
Schiffe sich von 94 auf 175 Netto-Registertonnen erhöht.

    [1] 1 Registertonne = 100 Kubikfuß englisch = 2,83 cbm.

Inzwischen wuchsen die Abmessungen der Schiffe, sowohl der Kriegs-,
wie der Handelsmarine derart, daß auf eine Erweiterung des Kanals
gesonnen werden mußte; war dieser doch für Schiffe von den Abmessungen
der »Mauretania«, »Lusitania«, »Olympic«, »Imperator« und »Vaterland«
nicht benutzbar; dasselbe galt von den neueren Linienschiffen und den
großen Kreuzern. Der seitens des Kanalamts in Kiel und des Reichsamts
des Innern zu Berlin ausgearbeitete Entwurf für die Erweiterung des
Kaiser-Wilhelm-Kanals fand daher im Jahre 1907 sofort die Zustimmung
der gesetzgebenden Körperschaften des Deutschen Reichs. Bei den
Einfahrten des Kanals sah man sogleich von einem _Umbau_ der Schleusen
ab und man ging zu deren völligem _Neubau_ über. Dagegen wurde für das
Kanalbett nur eine dem voraussichtlichen spätern Bedarf entsprechende
Erweiterung angenommen, da jenes jederzeit anstandslos erweitert werden
kann. Der neue Querschnitt des Kanals hat bei einer Sohlenbreite von
44 m eine Wassertiefe von 11 m und eine Breite des Wasserspiegels von
102 m. Für das Begegnen der Schiffe sind 10 zweiseitige Ausweichen
von 600 bis 1100 m Länge und eine einseitige von 1400 m Länge
vorgesehen. Vier der erstgenannten Ausweichen (von 1000 m Länge) sind
mit Wendestellen versehen. Die Erweiterungsbauten sind so ausgedehnt,
daß die für dieselben erforderlichen Bodenaushebungen im Betrage von
rund 102 Mill. cbm erheblich größer sind als die bei der Herstellung
des ursprünglichen Kaiser-Wilhelm-Kanals ausgebaggerten, 83 Mill. cbm
betragenden Erdmassen. _Die neuen Kanalschleusen sind größer als die
des Panama-Kanals und die größten der Welt._ Jede derselben hat eine
nutzbare Kammerlänge von 330 m, eine lichte Weite von 45 m und eine
Drempel- und Sohlenbreite von 13,77 m unter dem mittlern Wasserstande
des Kanals. Dies bedeutet eine Tiefe von 12,4 m unter dem gewöhnlichen
Elbniedrigwasser, sowie von 13,77 m unter dem mittleren Ostseewasser.
Diese Tiefe soll auch beschädigten und infolgedessen tiefer gehenden
Schiffen noch das Einlaufen ermöglichen.

Die Schleusen bestehen im wesentlichen aus Beton. Jede derselben hat 3
Schiebetore, von denen das mittlere die 330 m betragende Länge zwischen
Außen- und Binnentor in zwei kleinere Kammern von 100 m und 221 m
nutzbarer Länge zerlegt und außerdem zur Reserve dienen soll. Jede
der beiden Schleusenanlagen umfaßt an 400000 cbm Mauerwerk. Auf der
Kopfbreite der Schleusentore können zwei beladene Heuwagen von einer
Schleusenkammer zur andern hinüberfahren.

Zur Überführung der den Kanal kreuzenden Landverkehrswege dienten
bei dem ursprünglichen Kanale zwei eiserne Eisenbahn- und
Straßenhochbrücken (Bogenbrücken), bei Grünenthal und Levensau, mit
42 m lichter Höhe über dem gewöhnlichen Wasserspiegel, eine einarmige
Eisenbahndrehbrücke bei Taterpfahl, zwei Eisenbahndrehbrücken
derselben Bauart und eine Straßendrehbrücke bei Rendsburg, ferner
eine Prahmdrehbrücke für den Straßenverkehr in Holtenau, außerdem
eine Anzahl durch Handbetrieb oder motorisch bewegter Fähren. Diese
Überführungen mußten infolge der Erweiterung des Kanals wesentlich
ergänzt und umgebaut werden. Die eisernen Hochbrücken bei Grünenthal,
für die Eisenbahn Neumünster--Heida und eine Landstraße, und bei
Levensau (Eisenbahn Kiel--Flensburg und eine Landstraße) konnten
bestehen bleiben und erforderten nur neue Ufersicherungen, da ihre
Spannweiten auch für den erweiterten Kanal genügten. Dagegen mußten die
Drehbrücken bei Taterpfahl und Rendsburg sowie die Prahmdrehbrücken
bei Holtenau durch eiserne Hochbrücken und die Straßendrehbrücke
bei Rendsburg durch eine neue, weitergespannte Drehbrücke ersetzt
werden. Die drei neuen Hochbrücken müssen, gleich den beiden
bestehenden Hochbrücken, eine lichte Höhe von 42 m über dem mittleren
Kanalwasserstand besitzen. Da diese Bauwerke in niedrigen Gegenden
zu errichten waren, erforderten sie beiderseits lange Rampen mit
Dammschüttungen. Hierbei gestaltete sich die Einfahrt in den Bahnhof
Rendsburg sehr schwierig; sie konnte nur unter Zuhilfenahme einer
Schleife ermöglicht werden, die an die den Kanal überspannende
Hochbrücke führt und die größte Brückenanlage Deutschlands bildet.
Die Kosten der Kanalerweiterung sind auf insgesamt 223 Mill. Mk.
veranschlagt. Bemerkenswert ist, daß, wenn auch im ganzen die Kosten
der Kanalerweiterung -- insbesondere die Baggerarbeiten und die Anlage
der Schleusen -- die entsprechenden Kosten des ursprünglichen Kanals
erheblich übertreffen, dennoch infolge der inzwischen erfolgten
Fortschritte der Technik eine im Durchschnitt billigere Ausführung
möglich war.

Unter den zahlreichen Kanalbauten der Gegenwart nimmt der
_Großschiffahrtsweg Berlin--Stettin_ insofern eine besonders
hervorragende Stellung ein, weil er bezweckt, die Hauptstadt des
Deutschen Reiches mit dem Meere zu verbinden. Als bester Anschlußort
Berlins an die See bot sich Stettin dar. Der Verkehr zwischen Berlin
und Stettin vollzog sich in früheren Zeiten zunächst in der Weise,
daß die Waren die Spree aufwärts bis zum oberhalb von Fürstenwalde
belegenen Kersdorfer See befördert wurden, von hier auf dem Landwege
bis Frankfurt a. O. und von dort die Oder abwärts nach Stettin
gelangten. Im 17. Jahrhundert wurde eine Verbindung zu Wasser zwischen
der Havel und der Oder durch den Bau des Finow-Kanals hergestellt.
Dieser war aber bei weitem nicht imstande, den zwischen Berlin und
Stettin bestehenden lebhaften Verkehr zu bewältigen, und so schritt man
dann im Jahre 1904 zu dem Bau des Großschiffahrtsweges Berlin--Stettin.
Derselbe hat eine Länge von 100 km; er beginnt in zwei Armen von
Spandau und von Plötzensee aus, die sich im Tegeler See vereinigen.
Sodann folgt er dem Laufe der Havel bis zum Lehnitzsee und geht von
hier nach Nieder-Finow a. d. Oder. Die Spiegelbreite des Kanals beträgt
33 m, seine Tiefe 3 m. Der zu bewältigende Jahresverkehr beträgt
4900000 t. Für den Transport der Waren dienen 600 t-Kähne; zwei dieser
Kähne können sich im Kanal anstandslos ausweichen. Die Gesamtkosten
belaufen sich auf etwa 43 Mill. Mk., für die die Zinsgarantie seitens
der Städte Berlin, Stettin und Charlottenburg ihrem wesentlichen
Betrage nach übernommen wurde. Zwischen dem Lehnitzsee und Nieder-Finow
bietet der Kanal etwas Eigenartiges dar, indem er hier höher als das
benachbarte Gelände liegt. Er muß also in einem Damm dahingeführt
werden, dessen Sicherung gegen Durchsickern besondere Maßnahmen,
nämlich das Aufbringen einer Tonschicht erforderte, deren Stärke
zwischen 30 und 80 cm schwankt. Auf dieser 50 km langen Strecke würde
ein Dammbruch die Gefahr mit sich bringen, daß die Wasser des Kanals
sich über die benachbarte Gegend ergießen, daß der Kanal sich entleerte
und die unterwegs befindlichen Schiffe auf Grund gerieten. Um allen
diesen bösen Vorkommnissen vorzubeugen, ist auf dieser Strecke an drei
Stellen eine sog. Wassertorbrücke oder ein Sicherheitstor in den Kanal
hineingebaut. Diese Vorrichtung besteht in einer senkrecht auf- und
abwärts bewegbaren Wand, die erforderlichenfalls in das Profil des
Kanals hinabgelassen werden kann und dieses absperrt, im übrigen aber
stets oberhalb des Wasserspiegels schwebt und den Verkehr nicht hindert.

[Illustration: Abb. 13. Das projektierte Schiffshebewerk bei
Nieder-Finow.]

Der Abstieg in das Odertal bei Nieder-Finow, wo ein Höhenunterschied
zwischen der Scheitelhaltung und der Oder von 36 m besteht, geschieht
durch vier Schleusen. Später soll hier noch ein Hebewerk errichtet
werden. Dieses Hebewerk ist in Abb. 13 dargestellt und besteht aus
einem gewaltigen aus Eisenfachwerk hergestellten Wagebalken, der
an seinen beiden Enden einen Trog trägt, in welchen die Schiffe
hineinfahren. Wird der Wagebalken gedreht, so senkt sich dessen eines
Ende nach unten, während das andere Ende aufwärts schwingt. Hierbei
werden die die Schiffe enthaltenden Tröge entweder mit der oberen oder
mit der unteren Haltung in Verbindung gebracht, so daß die Schiffe
dann ihre Fahrt weiter fortsetzen können. Bei Hohensaaten sind zwei
Schleppzugsschleusen erbaut. Dieselben haben eine Länge von 220 m und
eine Breite von 19 m; sie können einen ganzen Schleppzug von sechs
großen Kähnen nebst dem Schleppdampfer auf einmal durchschleusen.
Bemerkenswert ist noch der Brückenkanal, der bei Eberswalde den Kanal
über die 11 m tiefer liegende Eisenbahn Berlin--Stettin hinwegführt.
Zum Ablassen des Kanals dient eine ungefähr in der Mitte der
Scheitelhaltung vorgesehene Anlage. Diese besteht aus einem durch eine
kleine Pumpe in Gang zu setzenden Heber, der in der Sekunde bis zu
4000 l Wasser über den Kanaldamm hinweg in den Mäckersee hinüberpumpt,
der dann das Wasser durch den Finow-Kanal der Oder zuführt.

[Illustration: Abb. 14. Das Schiffshebewerk bei Henrichenburg.]

Die Erfahrungen des Weltkrieges haben ergeben, daß das Fehlen eines die
Eisenbahnen entlastenden Netzes von Wasserstraßen sich sehr störend
bemerkbar macht, sobald erstere in Folge anderweitiger Überlastung die
Beförderung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, der Kohle, des Eisens
und sonstiger Massengüter nicht ausführen können. Daher befinden sich
jetzt zwei wichtige deutsche Kanalverbindungen im Bau und in weiterer
Ausgestaltung: der vom Westen zum Osten führende _Mittellandkanal_ und
der die Donau mit dem Rhein verbindende _Rhein-Donau-Kanal_. Der Bau
dieser Wasserstraße wurde schon von Goethe als erforderlich bezeichnet,
der aber die Kosten für unerschwinglich hielt »zumal in Erwägung
unserer deutschen Mittel«.

Wenngleich zur Überwindung der von Kanälen zu überschreitenden
Höhenzüge und Gebirge meist Schleusentreppen genügen, die die Höhe
allmählich erklimmen, so treten doch hin und wieder auch Verhältnisse
auf, die dazu zwingen, die Höhendifferenzen in einem einzigen Absatz
zu überwinden. Das vorstehend beschriebene bei Nieder-Finow geplante
Schiffshebewerk bildet hierfür ein Beispiel. Ein anderes Beispiel,
das im Zuge des Dortmund-Ems-Kanals bei Henrichenburg im Betrieb
befindliche Hebewerk, stellt Abb. 14 dar. Bei diesem ruht der das zu
hebende oder zu senkende Schiff aufnehmende Trog auf fünf Schwimmern,
die sich in in die Erde hineingebauten Brunnen auf- und abwärts bewegen
können, je nachdem in diese Brunnen Wasser hineingelassen wird, das
die Schwimmer und den Trog emporhebt. Soll der Trog gesenkt werden,
so wird das Wasser aus den Brunnen hinausgelassen. Bei einer Anzahl
von Schiffshebewerken ruht der das Schiff aufnehmende Trog auf Kolben,
die in hydraulischen Zylindern durch Wasserdruck gehoben werden. Soll
das Schiff gesenkt werden, so läßt man das Wasser aus den Zylindern
hinaustreten.



IV. Staudämme, Talsperren und elektrische Überlandzentralen.


Die ersten Anfänge des Baus von Staudämmen und Talsperren reichen bis
in das frühe Altertum zurück. Schon damals erkannte man deren hohen
Wert, der für jene Zeiten darin sich verkörperte, daß in wasserreichen
Monaten Vorräte gesammelt wurden, die während der wasserarmen,
trockenen Zeit zur Bewässerung der Ländereien dienten. Schon vor
Tausenden von Jahren baute man derartige zum Teil sehr ansehnliche
Wasserspeicher in Ägypten, auf Ceylon, in China, Japan und in Indien.
Zu den bedeutendsten Staudämmen des Altertums gehört der Möris-See,
so benannt nach seinem Erbauer, dem König Möris. Dieser gewaltige See
war imstande, Milliarden von Kubikmetern Wasser aus dem Nil zur Zeit
der Hochwasser aufzunehmen und aufzuspeichern. Am Euphrat errichtete
schon die Königin Nitokris eine großartige Stauanlage. Aus der späteren
Zeit, beginnend um die Mitte des 16. Jahrhunderts, sind die planmäßig
angelegten Stauanlagen des Oberharzes zu nennen, die für die dortigen
Bergwerke das Aufschlagwasser lieferten und während des Weltkrieges
die Aufrechterhaltung der Kupfergewinnung ermöglichten, die an andern
Orten Deutschlands durch den Kohlenmangel gehindert wurde.

Nach Dr. _G. Respondek_ ergibt sich folgende Übersicht über die in den
wichtigsten Industrieländern vorhandenen Wasserkräfte:

    +-------------------+--------------+------------+------------+
    |     Land          |  ausgenutzte | verfügbare | ausgenutzt |
    |                   |--------------+------------+            |
    |                   |    Wasserkräfte in P.S.   |   v. H.    |
    +-------------------+--------------+------------+------------+
    |Vereinigte Staaten |    7000000   |  28100000  |    24,9    |
    |Kanada             |    1735000   |  18803000  |     9,2    |
    |Frankreich         |    1100000   |   5587000  |    11,6    |
    |Norwegen           |    1120000   |   5500000  |    20,4    |
    |Spanien            |     440000   |   5000000  |     8,8    |
    |Schweden           |    7045000   |   4500000  |    15,6    |
    |Italien            |     976300   |   4000000  |    24,4    |
    |Schweiz            |     511000   |   2000000  |    25,5    |
    |Deutschland        |     618000   |   1425000  |    43,4    |
    |Großbritannien     |      80000   |    963000  |     8,3    |
    +-------------------+--------------+------------+------------+

Demnach steht Deutschland bezüglich der Ausnutzung seiner Wasserkräfte
an erster Stelle. Dagegen entfallen von seinen Wasserkräften nur
0,02 P.S. auf den Kopf der Bevölkerung, während dieser Betrag in den
übrigen Ländern um ein vielfaches höher ist. Will also Deutschland im
Wettkampf mit den übrigen Industrieländern nicht unterliegen, so muß es
seine Wasserkräfte voll ausbauen.

In der neuesten Zeit hat der Bau der Staudämme und Talsperren auf Grund
wissenschaftlicher Vertiefung einen ungeahnten Aufschwung genommen, und
wir begegnen zurzeit in allen Weltteilen Neubauten und Plänen, deren
einer den andren an Größe überbietet. Es ist dies zu einem erheblichen
Teil das Verdienst des im Jahr 1904 verstorbenen Aachener Professors
Intze.

Die Talsperren können verschiedenen Zwecken dienen, von denen meist
mehrere bei den einzelnen Anlagen in Betracht kommen. Hier ist an
erster Stelle die Gewinnung von Kraft zu nennen; diese ist in der
neusten Zeit um deswillen von besonderer Bedeutung, weil der mittels
der Wasserkräfte erzeugte elektrische Strom bequem und wirtschaftlich
vorteilhaft über weite Strecken dahingeleitet und zum Betrieb
von Arbeitsmaschinen aller Art benutzt werden kann. An sonstigen
Aufgaben, die die Staudämme zu erfüllen haben, sind zu nennen: der
Hochwasserschutz, die Bewässerung von Ländereien, die Versorgung von
Ortschaften mit Trinkwasser, die Erhöhung des Niedrigwassers der
Flüsse und -- was neuerdings von besonderer Wichtigkeit ist -- die
Speisung der Schiffahrtskanäle.

Die Anlage der Staudämme ermöglicht sich am bequemsten im Gebirge,
denn hier kann durch Errichtung einer Staumauer ein Tal alsbald in
einen Stausee verwandelt werden. Die Vorarbeiten bestehen in der auf
Grund meteorologischer und statistischer Aufzeichnungen erfolgenden
Feststellung der im Laufe des Jahres aus Niederschlägen und Zuflüssen
zu erwartenden Wassermengen. Besondere Sorgfalt ist der Berechnung der
Abmessungen der Staumauern zuzuwenden, für welche als Baustoffe in
erster Linie Erde und Mauerwerk in Betracht kommen. Der Querschnitt
der Mauer nimmt entsprechend der Beanspruchung, die sie durch das im
Becken aufgestaute Wasser erfährt, von oben nach unten hin zu und
weist oft sehr erhebliche Abmessungen auf. Fehlerhafte Berechnung
der letzteren kann zu den folgenschwersten Ereignissen führen. Wir
erwähnen hier als den verderblichsten Dammbruch, dem am 31. Mai 1889
der im Tale des South Forkflusses in der Nähe der Stadt Johnstown in
Pennsylvanien belegene im Jahre 1842 erbaute Staudamm zum Opfer fiel;
derselbe kostete gegen 4000 Menschen das Leben und verursachte einen
Schaden von 35 Mill. Dollar. Dem am 27. April 1895 erfolgten Einsturz
der Sperrmauer von Bouzy fielen 90 Menschen zum Opfer.

Im Innern der Mauer müssen Stollen und Rohrleitungen angebracht
werden, durch welche das Wasser dem Becken entnommen und seiner
Zweckbestimmung zugeführt wird. Auch müssen für den Fall, daß
die aufgestaute Wassermenge einen die Mauer gefährdenden Betrag
übersteigt, Überläufe und Auslässe vorgesehen werden, um rechtzeitig
eine Entlastung der Mauern herbeizuführen. Die Mauern müssen ferner,
um dem Druck des Wassers widerstehen zu können, nach der Wasserseite
zu gewölbt verlaufen. Die älteste nach neuzeitlichen Grundsätzen
erbaute Stauanlage Deutschlands ist die im Jahre 1889 begonnene
Eschebachtalsperre; dieselbe dient der Wasserversorgung der Stadt
Remscheid. Zu den größten Staubecken der Erde gehört die _Urftalsperre
bei Gmünd in der Eifel_ (Abb. 15); dieselbe vermag gegen 45,5 Mill.
cbm Wasser zu stauen und bezweckt die Verhütung von Hochwasser und die
Lieferung von Kraft. Die Kosten ihrer Herstellung betrugen 4 Mill.
Mk. Die Staumauer hat eine Höhe von 58 m und eine Länge von 228 m.
Auch das Wupper- und Ruhrtal, der Freistaat Sachsen und Schlesien
verfügen über eine Anzahl von großartigen Talsperren. In Schlesien
sind besonders die Gebiete des Bobers und des Queis zu nennen, für
die im ganzen 17 Stauanlagen geplant sind. Hier waren vor allem die
verderblichen Hochwasserkatastrophen des Jahres 1897 die treibende
Ursache. Die bei _Marklissa_ belegene, 15 Mill. Kubikmeter fassende
Talsperre hatte gelegentlich der Hochflut des Sommers 1907 Gelegenheit,
sich segensreich zu bewähren. Diese Anlage erzielte durch Abgabe von
Kraft schon im Jahr 1908 eine Jahreseinnahme von etwa 240000 Mk. Von
umfangreicheren Abmessungen ist eine andre Anlage Schlesiens, nämlich
die in den Jahren 1903--1912 bei Mauer erbaute _Bober-Talsperre_ mit
einem Inhalt von 50,5 Mill. cbm. Die Sperre bei Marklissa hat eine
Länge von 130 m, eine Mauerwerksmasse von 65000 cbm und eine Höhe von
45 m. Die Sperre bei Mauer ist 270 m lang, hat eine Mauerwerksmasse von
250000 cbm und eine Höhe von 60 m.

[Illustration: Abb. 15. Die Urftalsperre.]

Die Abführung des aufgespeicherten Wassers geschieht für gewöhnlich
durch Grundablässe, bei besondern Umständen aber, so z. B. bei
Erreichung einer übergroßen Stauhöhe, durch Überfälle. Die
Grundablässe liegen in der Tiefe des Staubeckens und gestatten,
das Wasser von unten abzulassen. Sie bestehen in Kanälen, die mit
Schieberverschlüssen ausgestattet sind; letztere werden von der Krone
der Staumauer oder von einem in das Becken vorgebauten Häuschen aus
bewegt. Die Weite dieser Kanäle ist oft eine sehr beträchtliche und
beträgt z. B. bei der Marklissa-Sperre 1,10 m, bei der Mauer-Sperre
1,50 m. Die Schieber stehen unter einem sehr hohen Wasserdruck.
Dieser beträgt bei 1,10 m Rohrweite und 40 m Wassertiefe 38000 kg;
bei 1,5 m Weite und 48 m Wassertiefe 84000 kg. Diese Belastungen
sind, da das Wasser mit mehr als 20 m Geschwindigkeit in der Sekunde
austritt, mit starken Stößen verbunden. Außerdem bilden sich hinter den
Verschlußvorrichtungen infolge der saugenden Wirkung des ausströmenden
Wassers luftleere Räume. Aus alledem folgt, daß der Bau sicher
wirkender Abschlußvorrichtungen der Grundablässe eine überaus schwer
zu lösende Aufgabe bildet. Auf Grund von Versuchen ist es endlich
gelungen, Schieber herzustellen, die den eigenartigen Anforderungen
genügen. Die Überfälle, die z. B. bei Marklissa während des Hochwassers
780 cbm, bei Mauer sogar 1200 cbm in der Sekunde abführen müssen,
werden entweder in Kaskaden- und Treppenform oder als einziger großer
von der Krone der Sperrmauer sich herabstürzender Fall ausgeführt. Bei
den Kaskadenüberfällen (Abb. 15) ergießt sich das von der Krone der
Sperrmauer herabfallende Wasser über eine Anzahl von Treppenstufen
abwärts.

Das größte Staubecken Europas ist die _Edertalsperre_ bei Hemfurt in
Waldeck mit einer Staumenge von 202,4 Mill. cbm. Dieser Stausee, dem
drei blühende Dörfer vollständig und zwei Dörfer teilweise zum Opfer
fielen, hat eine Länge von 27 km und eine größte Breite von 1 km. Der
Anlaß zum Bau dieses mit einem Kostenaufwand von ca. 20 Mill. Mk.
ausgeführten Riesenwerkes wurde durch die Notwendigkeit gegeben, den im
Bau begriffenen Mittellandkanal aus der Weser zu speisen und zugleich
eine Verbesserung des Fahrwassers der Weser bei niedrigem Wasserstande
zu schaffen. Bei Minden überschreitet der Mittellandkanal die Weser
mittels eines den Strom brückenartig überspannenden Bauwerks, eines
sog. Brückenkanals, und hier sollten aus der Weser 7500 l pro Sekunde
in den Kanal emporgepumpt werden. Diese Wassermenge konnte nun aber
ohne schwere Schädigung der Schiffahrt der Weser nicht dauernd entzogen
werden. Auch eine Kanalisation der Weser erschien nicht angängig, da
der Staat Bremen seine Zusage, die bedeutenden Kosten zu tragen,
zurückzog, als der preußische Landtag den Bau des Kanals nicht sogleich
vom Rhein bis zur Elbe, sondern vorläufig nur bis Hannover bewilligte.
Infolgedessen faßte man den Plan, im Quellgebiet der Weser Talsperren
zu schaffen. Eine derselben liegt an der Diemel bei Niedermarsberg
mit 45 Mill. cbm Staumenge; die zweite ist die Edertalsperre. Hier
lagen die Verhältnisse besonders günstig, da das abzusperrende Tal
besonders eng ist und ein sehr günstiger Baugrund zur Verfügung steht.
Die Sperrmauer hat eine Höhe von 48 m über der Talsohle und eine Länge
von 400 m; sie beanspruchte 300000 cbm Mauerwerk. Am linken Abhang des
Tales liegt eine große Überlandzentrale, welche die in dem Stausee
aufgespeicherten Kräfte in elektrischen Strom verwandelt und in dieser
Form 100 km weit fortleitet, um der Landwirtschaft und der Industrie
dienstbar gemacht zu werden. Außer an den beiden Talhängen zu je sechs
angeordneten 1,35 m bis 1,5 m weiten Eisenrohren ist unmittelbar
unterhalb der Mauerkrone ein Überfall von 145 m Länge für das
Hochwasser angebracht. Außerdem erhielt die Mauer noch 14 Notauslässe
14,5 m unterhalb der Mauerkrone. Diese werden geöffnet, wenn der
Gefahrpunkt erreicht ist, d. h. wenn man das Mauerwerk nicht dem vollen
Wasserdruck aussetzen will. Am Fuße der Mauer ist ein Becken von 6 m
Tiefe angebracht, das zum Abfangen der von der Mauer herabstürzenden
Wassermengen dient. Auf diese Weise wird die Geschwindigkeit dieser
Wassermengen derart gemildert, daß sie unbedenklich ihren Weg
talabwärts fortsetzen können, ohne daß zu befürchten ist, daß sie eine
verheerende reißende Wirkung ausüben können.

Die im Juli 1913 in Betrieb genommene _Möhnetalsperre_ bei Soest
erhielt einen Inhalt von 130 Mill. cbm, ist vom Ruhrtalsperrenverein
erbaut und bildet die zehnte im Ruhrgebiet errichtete Sperre. Sie
umfaßt die Flußgelände der Möhne und Heve; der Rückstau erstreckt
sich im Möhnetal auf 10 km, im Hevetal auf etwa 5 km. Ihrem Bau
fielen die Dörfer Kettlersteich und Delecke zum Opfer, außerdem noch
Teile einiger andrer Dörfer, so daß insgesamt 200 von 700 Personen
bewohnte Gebäude niedergerissen werden mußten. Das dem Staubecken
zugehörige Niederschlagsgebiet umfaßt 416 qkm mit einem jährlichen
mittleren Abfluß von 245 Mill. cbm. Zur Verbindung der Ufer des
Sperrbeckens, das im Grundriß die Gestalt einer ungleichschenkligen
Gabel hat und sich aus dem Möhnesee und dem Hevesee zusammensetzt,
sind außer der Sperrmauer zwei umfangreiche Viadukte und mehrere
kleine Anlagen erbaut; der eine dieser Viadukte, der Delecke-Viadukt,
besteht aus 16 Steinbogen. Die Gesamtkosten belaufen sich auf etwa
22 Mill. Mk. Der Grundriß der Mauer verläuft nach einer Parabel.
Die Länge derselben beträgt an der Krone 650 m, die Höhe von der
Fundamentsohle ab 40 m, vom Talboden ab 33 m, die Breite unten
am Fuß 34,20 m, oben an der Krone 6,25 m. Die Abgabe des Wassers
erfolgt durch vier schmiedeeiserne Rohre von 1,40 m Durchmesser;
jedes derselben ist dreifach verschließbar. Das gegenwärtig seiner
Verwirklichung entgegengehende großzügige »Bayernwerk« Oskar von
Millers bezweckt, ein Hochspannungsnetz zu schaffen, das alle
im rechtsrheinischen Bayern zerstreuten Wasser- und Dampfkräfte
sammelt und deren gegenseitige Unterstützung und bessere Ausnutzung
gewährleistet. Es wird darauf gerechnet, daß durch die Kuppelung der
einzelnen Elektrizitäts-Erzeugungsanlagen an sonst durch Dampfkräfte zu
erzeugender Elektrizität 166 Mill. Kilowattstunden jährlich im ersten
und 253 Mill. Kilowattstunden im zweiten Ausbau erspart werden. Während
des ersten Ausbaues kommen in der Hauptsache nur die Wasserkräfte des
Walchensees in Betracht, zu denen im zweiten Ausbau noch die des Lechs
bei Schwangau hinzutreten. Im Lennetal wird eine Riesentalsperre mit
einem Inhalt von 180 Mill. cbm errichtet werden. Sie hat die Aufgabe
des von uns bereits erwähnten Ruhrtalsperren-Vereins wesentlich zu
erweitern und den genossenschaftlichen Bau von Talsperren zu fördern,
indem den Vereinigungen der Triebwerkbesitzer Zuschüsse gewährt werden.

Überaus rührig sind die Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Bau von
Talsperren vorgegangen. Diese dienen hier vielfach der Wasserversorgung
der Städte. Hier ist zunächst der in den Jahren 1886--1888 mit einem
Aufwand von 1200000 Fr. erbaute _Sweetwater-Damm_ in Kalifornien
zu nennen. Seine Stauhöhe betrug ursprünglich 18,3 m, wurde aber
später auf 27,45 m gebracht. Die Länge der Mauerkrone beläuft sich
auf 103,6 m. Der Radius, nach welchem die Mauer verläuft, beträgt
67,66 m. Die Entnahme des Wassers erfolgt von einem in 15 m Abstand
von der Mauer errichteten Turm, von dem aus sieben Öffnungen, die in
verschiedenen Höhenlagen angebracht sind, bedient werden können. Das
Becken faßt 22 Mill. cbm und hat eine Oberfläche von 2,95 qkm. Den
im Laufe eines Jahres durch Verdunstung erfolgenden Wasserverlust
schätzt man auf 1,22 m Wasserhöhe. Der in einem Nebental des
Hudsons gelegene _Croton-Damm_ liefert einen Teil der für New York
erforderlichen Wassermenge; er hat einen Inhalt von 121 Mill. cbm und
ein Niederschlagsgebiet von 349 qkm. Der _Roosevelt-Damm_ in Arizona,
der in den Jahren 1906--1911 mit einem Kostenaufwand von 15 Mill. Mk.
errichtet wurde, faßt 1500 Mill. cbm und wäre imstande, 5200 qkm mit
einer 0,3 m hohen Wasserschicht zu bedecken. Die Stärke der Mauer
beträgt unten an der Wurzel 51,5 m, oben an der eine Fahrstraße
tragenden Krone 5 m. Die Höhe der Mauer beträgt 85 m. Unterhalb des
Dammes liegt eine Kraftstation, in welcher durch sechs Turbinen
elektrischer Strom erzeugt wird, der auf 45000 Volt transformiert
und über Berge und wüste Strecken zu den Ortschaften Mesa und Phönix
geleitet wird.

Sammelbecken von außergewöhnlichen Abmessungen umfaßt auch die neue
Wasserversorgung von New York. Zu den allerneusten und größten
Stauwerken gehört eines, das in der Wiege der Stauwerke, in Ägypten,
in erweiterter Gestalt dem Betrieb übergeben wurde. Es ist dies der
bei _Assuan_ errichtete _Nildamm_. Dieser wurde im Jahre 1903 zuerst
für eine Staumenge von 1000 Mill. cbm ausgeführt, in neuerer Zeit
aber derart erhöht, daß er 1300 Mill. cbm staut und nach Bedarf zur
Bewässerung Unterägyptens abgibt.

Die größte elektrische Kraftzentrale liegt an den Niagarafällen und
versorgt über Hunderte von Kilometern hinaus zahlreiche industrielle
Werke und Verkehrsanlagen mit Strom. Dort wurde im Jahre 1879 die
erste Dynamomaschine mit einer Leistung von 36 Pferdekräften für die
Beleuchtung der Fälle aufgestellt. Jetzt leisten die elektrischen
Anlagen rund 850000 Pferdestärken. Die aus den Niagarafällen zu
erzielenden Pferdekräfte werden auf 2500000 P.S. geschätzt. Das größte
Dampfkraftwerk der Erde, das bei Bitterfeld belegene _Golpawerk_ wurde
während des Krieges fertiggestellt und führt u. a. der Stadt Berlin
mittels einer 132 km langen Leitung 30000 Kilowatt zu.

Eine jede elektrische Kraftübertragungsanlage besteht aus folgenden
Teilen: dem den Strom erzeugenden Kraftwerke (Wassermotoren,
Dampfmaschinen, Großgasmaschinen), der Hochspannungsleitung,
den Transformatoren, den den Strom am Verbrauchsort aufnehmenden
Einrichtungen, bestehend in Motoren, Lampen, chemischen Apparaten usw.

Für die elektrische Kraftübertragung haben sämtliche Arten des
elektrischen Stroms: Gleichstrom, Wechselstrom und Drehstrom Anwendung
gefunden. Unter _Gleichstrom_ versteht man diejenige Stromart, bei
welcher der Strom wie ein ständig laufender Wasserstrahl stets
in derselben Richtung sich bewegt. Der _Wechselstrom_ ändert in
rascher Folge seine Stärke und Richtung, und zwar in seiner üblichen
Form fünfzigmal in der Sekunde. Man kann ihn mit dem in einer
gewöhnlichen Kolbendampfmaschine wirkenden, hin- und hergehenden
Dampfstrom vergleichen. Werden mehrere solcher Wechselströme benutzt,
die ihre Richtung zu verschiedenen Zeiten wechseln, so erhält
man den _Mehrphasen- oder Drehstrom_, so benannt, um ihn von dem
Einphasenstrom zu unterscheiden. Um den Vergleich mit der Dampfmaschine
beizubehalten, entspricht der Mehrphasen- oder Drehstrom dem in einer
Mehrzylinder-Dampfmaschine mit gegeneinander versetzten Kurbeln
arbeitenden Dampfstrom.

Der elektrische Strom besitzt eine gewisse _Spannung_ und eine gewisse
_Stärke_. Erstere entspricht, wenn wir uns des Vergleichs mit dem
dahinströmenden Wasser weiter bedienen, dem Druck, letztere der Menge
des dahinströmenden Wassers. Die Spannung wird in Volt, die Stromstärke
in Ampere gemessen. Die Leistung erhält man durch die Multiplikation
der in Volt gemessenen Spannung mit der in Ampere gemessenen
Stromstärke. Das Produkt: 1 Volt mal 1 Ampere nennt man 1 Watt; 1000
Watt nennt man 1 Kilowatt. 0,6 Kilowatt entsprechen einer Pferdekraft.

Will man _Gleichstrom_ für die Kraftübertragung benutzen, muß man in
der Maschine selbst Strom von entsprechend hoher Spannung erzeugen.
Dies ist schwierig und nur in gewissem Maße möglich. Nun ist aber
die Kraftübertragung auf die hochgespannten Ströme angewiesen, wie
nachstehende Überlegung ergibt. Der Querschnitt des zur Fortleitung
des Stromes dienenden Drahtes ist proportional der zu befördernden
Zahl der Ampere. Man kann also einen um so dünnern, das ist billigern
Draht benutzen, je geringer die Zahl der Ampere ist. Der Wechselstrom
hat dem Gleichstrom gegenüber den großen Vorzug, daß er sich auf
sehr hohe Spannungen transformieren läßt. Hierbei verringert sich
die Zahl der Ampere, so daß man den Strom in Leitungen geringen
Querschnitts fortleiten und alsdann am Orte des Verbrauchs wieder
auf Strom von der niedrigern für den jeweiligen Zweck geeigneten
Spannung heruntertransformieren kann. Demgemäß benutzt man Gleichstrom
innerhalb von industriellen Anlagen und Ortschaften geringerer
Ausdehnung und zum Betriebe von Straßenbahnen. Soll aber die
Übertragung über beträchtlichere Entfernungen hin erfolgen, so benutzt
man Wechselstrom, und zwar meist Drehstrom, da dieser hinsichtlich der
Wirtschaftlichkeit den Einphasenstrom übertrifft.

Die elektrische Kraftübertragung im heutigen Sinne datiert vom 25.
August 1891. An diesem Tage wurde die Kraft des bei Lauffen belegenen
Neckarfalls nach Frankfurt a. M. übertragen, und zwar anläßlich des
dort tagenden Internationalen Elektrotechniker-Kongresses und der dort
veranstalteten elektrotechnischen Ausstellung. Die Übertragung von 300
P.S. erfolgte hier mit 8000 Volt auf eine Entfernung von 170 km bei
einem Wirkungsgrad von 75%. In Europa sind jetzt Überlandzentralen mit
Spannungen bis zu 110000 Volt, in Amerika sogar bis zu 140000 Volt und
mehr im Betriebe. Die Übertragung kann in wirtschaftlich einwandfreier
Weise bis auf 5000 km erfolgen. Weitere Steigerungen auf größere
Entfernungen und auf 200000 bis 250000 Volt Spannung liegen bereits im
Bereiche technischer und wirtschaftlicher Möglichkeit. Die Verlegung
der viele Kilometer entlang das Land überspannenden Leitungsnetze
gestaltet sich häufig sehr schwierig, insbesondere dann, wenn breite
Ströme oder Meeresarme zu überschreiten sind. Die größte Spannweite von
1463 m weist die den St. Lorenzstrom bei Three Rivers überschreitende
Leitung auf. An den Ufern sind zwei Gittertürme von 107 m Höhe
errichtet, die an ihren Spitzen zwei das Kabel tragende 31 m lange Arme
besitzen.

Die Leben und Gesundheit bedrohenden Eigenschaften des elektrischen
Stromes, die man anfangs stark unterschätzt hat, und die von den
Freileitungen aus ihren verderblichen Weg nehmen können, sind geeignet,
die Entwicklung des Luftverkehrs stark zu beeinträchtigen.

Jedes mit einer Freileitung in Berührung kommende Luftfahrzeug ist dem
Verderben ausgesetzt. Hier eine alle Teile befriedigende Lösung zu
finden, erscheint z. Z. unmöglich, und es wird von den Vertretern des
Luftverkehrs die Forderung erhoben, die gefahrbringenden Freileitungen
durch Kabel zu ersetzen oder unterirdisch zu verlegen. Man hat
bisher versucht, unter großem Kostenaufwande die Freileitungen durch
Blechhauben, farbige Ringe, Isolatoren usw., durch ungewöhnlich
gefärbte oder gebaute Masten auf weite Entfernungen hin kenntlich zu
machen. Alle diese Mittel versagen bei Dunkelheit und unsichtigem
Wetter, werden auch meist erst dann erkannt, wenn es zu spät ist.



V. Elektrische Fernbahnen.


Die erste elektrische Eisenbahn wurde auf der Berliner
Gewerbeausstellung im Jahre 1879 durch Werner Siemens in Betrieb
gesetzt (Abb. 16). Auf Grund der mit dieser ersten, gewissermaßen nur
einen Versuch bildenden Elektrobahn gemachten Erfahrungen erbaute
sodann die Firma Siemens & Halske, Berlin, eine dem regelrechten
Personenverkehr dienende Bahn zwischen dem Anhalter Bahnhof und der
Hauptkadettenanstalt zu Lichterfelde bei Berlin. _Es war dies die erste
elektrische Eisenbahn der Welt im heutigen Sinne._

Werner Siemens hatte bereits erkannt, daß der elektrische Betrieb
sich besonders für die Überwindung starker Steigungen, für Bergwerke
und für städtische Hochbahnen eigne. Die Entwicklung der elektrischen
Eisenbahnen hat sich in der Weise vollzogen, daß diese zunächst sich
auf die von Werner Siemens vorstehend skizzierten Verhältnisse sowie
auf den Betrieb von Straßenbahnen beschränkten, sich dann aber auch
unter dem Vorgange Amerikas dem Betriebe der Fernbahnen zuwendeten. In
den Vereinigten Staaten von Amerika ging man infolge der Stärke des
dortigen Verkehrs mit dem Bau elektrischer Bahnen mit außerordentlicher
Schnelligkeit vor. Schon im Jahre 1890 waren dort 2600 km elektrischer
Eisenbahnen im Betrieb. Einige Jahre später begann auch in Europa
eine Zunahme des elektrischen Betriebes, zunächst allerdings nur bei
den Straßenbahnen. Vom Jahre 1911 aber setzte, unterstützt durch
die Leistungen der deutschen Elektrizitätswerke, der Allgemeinen
Elektrizitäts-Gesellschaft, der Union Elektrizitäts-Gesellschaft,
Siemens & Halske, Schuckertwerke, Bergmann A.-G. auch in Europa unter
Führung der preußischen und der schwedischen Staatsbahnverwaltung,
der Bau von elektrischen Vollbahnen kräftig ein. Schon im Jahre 1903
waren von der _Studiengesellschaft für elektrische Schnellbahnen_ auf
der Strecke Marienfelde--Zossen Versuche mit elektrischen Lokomotiven
der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft und der Firma Siemens &
Halske angestellt, die Fahrgeschwindigkeiten von mehr als 200 km in
der Stunde ergaben, also die Geschwindigkeiten der Dampflokomotiven
verdoppelten. Hier wurde hochgespannter Drehstrom benutzt, der den
Motoren durch drei seitlich des Gleises angeordnete Drahtleitungen
zugeführt wurde. Die Gründe, die die Preußische Staatsbahnverwaltung
dazu geführt haben, für den Betrieb von Vollbahnen den elektrischen
Strom, und zwar den sog. einphasigen Wechselstrom zu benutzen, sind
die folgenden. Für Fernbahnen und Güterverkehr ist der Betrieb
mittels Gleichstrom von niedriger Spannung zu kostspielig. Bei
Verwendung von Drehstrom ist allerdings ein elektrischer Betrieb von
Fernbahnen möglich, jedoch ist -- abgesehen von der erforderlichen
doppelten Leitung -- die notwendige Wirtschaftlichkeit nur bei wenigen
bestimmten Geschwindigkeiten zu erzielen, wodurch die Anwendbarkeit des
Drehstroms stark beschränkt wird. Demgegenüber bietet der einphasige
Wechselstrom eine Betriebsform der elektrischen Zugförderung, die den
Anforderungen des Eisenbahnbetriebes in weitestem Umfange zu genügen
vermag. Er gestattet, elektrische Leistung mit sehr hoher Spannung und
daher in praktisch fast unbegrenzter Größe auf weite Entfernungen zu
übertragen und den Triebfahrzeugen oder Lokomotiven durch eine einfache
Fahrleitung, ähnlich wie bei den Straßenbahnen, zuzuführen. Auch können
Triebmaschinen verwendet werden, die sich in vollkommenster Weise den
wechselnden Bedingungen des Bahnbetriebes anpassen.

[Illustration: Abb. 16. Die erste elektrische Lokomotive. 1879.]

Die elektrische Zugbeförderung hat gegenüber dem Dampfbetrieb folgende
Vorzüge: geringeres Gewicht der Antriebseinrichtungen, bezogen auf
die Einheit der Leistung; wesentliche Ersparnis an Brennstoff bei
dichter Zugfolge, bei kurzen Abständen der Haltepunkte, bei schwerem
Verkehr und großer Fahrgeschwindigkeit, sowie auf Strecken mit starken
und langen Steigungen; Möglichkeit, Wasserkräfte sowie minderwertige
Brennstoffe, wie Braunkohlen und Torf, für die Beförderung der Züge
nutzbar zu machen; Rückgewinnung von Arbeit im Gefälle; geringere
Unterhaltungskosten der Triebfahrzeuge; geringere Aufwendungen für die
Fahrmannschaft, da elektrische Triebfahrzeuge nur mit _einem_ Mann
besetzt zu werden brauchen; die Fahrkurbel kann so eingerichtet werden,
daß der Zug selbsttätig zum Stillstand gebracht wird, wenn der Fahrer
sie nicht in ganz bestimmter Weise handhabt, was eintreten würde, wenn
der Fahrer dienstunfähig wird; geringer Raddruck der Triebfahrzeuge
und daher geringere Beschaffungs- und Unterhaltungskosten des
Oberbaues, weil die Anzahl der Triebachsen weniger beschränkt ist
als bei Dampflokomotiven. Auch lassen sich elektrische Lokomotiven
leistungsfähiger als Dampflokomotiven und in solcher Bauart herstellen,
daß sie enge Krümmungen ohne wesentlichen Zwang durchfahren können.
Hierdurch wird es möglich, bei Anlage neuer Bahnen diese dem Gelände
besser anzupassen als Dampfbahnen, was unter Umständen eine erhebliche
Verminderung der Baukosten zur Folge hat. Ferner läßt sich ein
vorhandenes Bahnnetz besser ausnutzen, da gegenüber Dampfbetrieb
die Zugfolge mehr verdichtet, die Zugbelastung und Geschwindigkeit
erhöht werden können und auch Bahnen mit ungünstigen Steigungs- und
Krümmungsverhältnissen dem großen Verkehr, dem sie sonst schwer
zugänglich sind, dienstbar werden. Zu diesen Vorzügen treten dann noch
Ersparnisse hinzu, die sich aus dem Wegfall der Kohlenvorräte, der
Wasserstationen, Gasanstalten und der besonderen Elektrizitätswerke
zur Beleuchtung und Kraftversorgung der Bahnhöfe und Werkstätten
ergeben. Der Personenverkehr kann durch Einlegen von mit Akkumulatoren
betriebenen Triebwagenfahrten in Fahrplanlücken mit verhältnismäßig
geringem Mehraufwand verbessert werden. Auch ist es möglich, den
Lokomotivbestand wegen der kürzeren Ruhepausen besser auszunutzen und
die Anzahl der Lokomotivgattungen einzuschränken, weil die elektrische
Ausrüstung bei Güter- und Personenzuglokomotiven die gleiche ist, und
nur für den Schnellzugdienst besondere Lokomotiven erforderlich sind.

Andrerseits läßt sich bei Prüfung der Wirtschaftlichkeit des
elektrischen Betriebes im Vergleich zum Dampfbetrieb nicht verkennen,
daß die Kraftwerke und die Leitungen bedeutende Anlagekosten und
daher auch einen großen Aufwand an Zinsen und Rücklagen beanspruchen.
Hieraus folgt, daß elektrischer Betrieb auf Bahnen mit schwachem
Verkehr dem Dampfbetrieb wegen schlechter Ausnutzung der teuren Anlagen
nachsteht, wenn nicht ein Ausgleich durch Abgabe elektrischer Energie
für Nebenzwecke möglich ist. Demnach ist der elektrische Betrieb in
erster Linie für Bahnen mit erheblichen Leistungen ins Auge zu fassen,
und namentlich für solche, wo die elektrische Energie aus Wasserkräften
oder aus billigen Brennstoffen gewonnen werden kann.

Hinsichtlich der Zuverlässigkeit steht der elektrische Betrieb,
wie die bereits vorliegenden reichen Erfahrungen lehren, hinter
dem Dampfbetrieb nicht zurück. Störungen, die durch Unfälle in
einem Kraftwerk verursacht werden, können durch Bereithaltung von
Aushilfsmaschinen oder durch Anlage mehrerer untereinander verbundener
Stromerzeugungsanlagen vermieden werden. Die neuesten Hilfsmittel
der Technik gewährleisten eine sehr betriebssichere Herstellung der
Leitungsanlagen und Triebfahrzeuge. Aus allen diesen Umständen hat
die preußische Staatsbahnverwaltung es als ihre unabweisbare Pflicht
erkannt, die Einführung der elektrischen Zugförderung mit Nachdruck zu
betreiben.

Auf Grund aller dieser Erwägungen ging man dann im Gebiete der
preußisch-hessischen Staatsbahnen mit der Einführung des elektrischen
Betriebes vor. Die hierzu erforderlichen Vorarbeiten konnten als
abgeschlossen gelten, nachdem eine größere Anlage, die Stadt- und
Vorortbahn _Blankenese--Ohlsdorf_, die Brauchbarkeit des elektrischen
Betriebes mit einphasigem Wechselstrom ergeben hatte.

Die erste seitens der preußischen Staatseisenbahn-Verwaltung
in Betrieb gesetzte elektrische Fern-Eisenbahn ist die Linie
_Magdeburg--Bitterfeld--Leipzig_ und _Leipzig--Halle a. d. S._ Zunächst
hat man die Strecke Dessau--Bitterfeld elektrisiert und ist auf Grund
der hier gemachten Erfahrungen zu der Elektrisierung der übrigen
Strecke übergegangen, von denen die von Magdeburg nach Leipzig 118 km
lang ist. Die ursprünglich auf 10000 Volt bemessene Fahrdrahtspannung
ist auf Grund der mit der Fahrleitungsanlage Dessau--Bitterfeld
gemachten günstigen Erfahrungen auf 15000 Volt erhöht. Das den
elektrischen Strom liefernde Kraftwerk liegt bei dem Dorfe Muldenstein
bei Bitterfeld und benutzt als Brennstoff die dort zu billigem Preise
zur Verfügung stehende Braunkohle. Die Betriebsmaschinen dieses
Kraftwerks sind 5 Dampfturbinen von je 5000 P.S. Der Strom von 60000
Volt Spannung wird durch eine kupferne Leitung nach Bitterfeld und
sodann zu den Unterwerken: Gommern bei Magdeburg, Marke zwischen Dessau
und Bitterfeld, Wahren zwischen Halle und Leipzig geleitet. In diesen
Unterwerken wird die Spannung auf 15000 Volt heruntertransformiert.

Die Fahrleitung wird von eisernen Masten getragen. Auf der Strecke
Dessau--Bitterfeld stehen dieselben in Abständen von je 75 m; auf
den übrigen Strecken ist dieser Abstand auf 100 m erhöht. Hierdurch
wird außer einer Verminderung der Porzellanisolatoren auch eine
bessere Übersichtlichkeit der freien Strecke und hiermit eine bessere
Sichtbarkeit der Signale erzielt. Das Tragseil der Fahrleitung besteht
auf der freien Strecke großenteils aus Stahl, teilweise auch aus
Bronze. Auf denjenigen Bahnhöfen, auf denen neben den elektrischen
Lokomotiven auch Dampflokomotiven verkehren, wird die gegen die
Rauchgase weniger empfindliche Bronze oder sog. Monnotmetall,
Kupferpanzerstahl, verwendet.

Auf der Strecke schwillt der Verkehr zur Zeit der Rübenernte stark
an. Die Gewichte der Personenzüge betragen durchschnittlich 170 t,
diejenigen der Schnellzüge 130 t, die der Güterzüge schwanken zwischen
600 t und 1500 t. Die Lokomotiven besitzen einen oder zwei hochliegend
angeordnete Triebmotoren, die ihre Energie unter Vermittlung einer
Blindachse auf die Treibachsen übertragen. Die Vorteile dieser Bauart
liegen in der durch die hohe Schwerpunktslage gewährleisteten guten
Lauffähigkeit der Lokomotiven, in der Zugänglichkeit der Triebmotoren
auch während der Fahrt. Abb. 17 stellt einen Personenzug einer
elektrischen Vollbahn nebst den Drahtleitungen dar.

Unter den elektrischen Fernbahnen steht, was Überwindung der bei
dem Bau in die Erscheinung tretenden Schwierigkeiten betrifft, an
erster Stelle die zur Spitze _der Jungfrau_ (Abb. 18), führende
elektrische Eisenbahn. Sie geht von der Station Klein-Scheidegg der
Wengernalpbahn in einer Meereshöhe von 2063 m aus und wird mit einer
Gesamtlänge von 12 km bis zur Spitze der Jungfrau (4166 m über dem
Meere) hinaufgeführt. Sie ist im Hinblick auf die zu überwindenden
starken Steigungen als Zahnradbahn von 1 m Spurweite ausgebildet. Die
einzelnen Stationen sind, von Scheidegg ab beginnend: Eigergletscher,
Rothstock, Eigerwand, Eismeer, Jungfraujoch, Jungfrau. Die Station
Jungfrau liegt etwa 70 m unter dem Gipfel; dieser letzte Höhenbetrag
wird durch einen senkrechten Aufzug überwunden.

[Illustration: Abb. 17. Ein Zug einer elektrischen Fernbahn.]

Die größte Steigung beträgt 250 0/00; die kleinsten Krümmungsradien
betragen in den Tunneln 200 m, auf der freien Strecke 100 m. Der
bei weitem überwiegende Teil der Bahn liegt in Tunneln; nur 2,2 km,
nämlich von Scheidegg bis kurz hinter Eigergletscher, liegen frei. Der
Betrieb erfolgt durch Drehstrom. Dieser wird mit 7000 Volt Spannung in
einem bei Lauterbrunnen belegenen Kraftwerk erzeugt, nach der Kleinen
Scheidegg geleitet und hier für den Lokomotivenbetrieb auf 500 Volt
umgeformt. Den Lokomotiven wird der elektrische Strom durch eine
Oberleitung zugeführt; jede Lokomotive hat 2 Motoren von je 150 P.S.
Die Fahrgeschwindigkeit beträgt nicht über 8,5 km in der Stunde. Zur
Sicherung der Züge sind drei voneinander unabhängige Bremseinrichtungen
vorgesehen, von denen jede einzelne den ganzen Zug halten kann.

[Illustration: Abb. 18. Die Jungfraubahn.]

Die Stationen sind in den Fels eingesprengt, jedoch mit Öffnungen nach
der Außenseite des Berges zu ausgestattet, um einen Überblick über
die Welt des Hochgebirges zu ermöglichen. Die ganze Bahn ist fast
ein einziger scharf aufsteigender Tunnel. Die Station Eigergletscher
wurde, nachdem mit den Bauarbeiten im Jahre 1896 begonnen war, am 19.
September 1898 dem Verkehr übergeben; ihr folgte am 18. Juni 1903 die
Station »Eigerwand« und am 25. Juli 1905 die Station »Eismeer«. Der
Bau ruhte nun bis zum Winter 1907. Man befolgte nämlich bei dem Bau
der Jungfraubahn das Prinzip der stufenweisen Vollendung, da diese
sich als finanziell vorteilhaft erwiesen hat. Ursprünglich sollte
die ganze Linie innerhalb von 7 Jahren mit einem Kostenaufwande von
8000000 Fr. ausgeführt werden. Nun stellte sich aber, wie bei vielen
anderen Riesenwerken, alsbald heraus, daß die veranschlagten Baukosten
erheblich überschritten werden mußten und zwar allmählich um 2000000
Fr. Das zu durchbohrende Gestein zeigte nämlich eine derartige Härte,
daß der laufende Meter des Tunnels über 1000 Fr. kostete. Dadurch, daß
man in die Bauarbeiten Pausen einschaltete, erreichte man eine bessere
Verzinsung des aufgewendeten Kapitals.

Die Tunnelstrecke Eismeer--Jungfraujoch hat eine Länge von 3,5 km
und wurde am 1. August 1912 eröffnet. Man begann zunächst hinter
der Station Eismeer mit dem Ausbruch eines Raumes zur Aufnahme
der Einrichtungen für den Betrieb der Bohrmaschinen und für die
Aufrechterhaltung der Lüftung. Auch trieb man einen Querstollen ins
Freie hinaus, aus dem man das ausgebrochene Gestein in die Tiefe
hinabstürzte. Im Juni 1911 brach man einen zweiten Hilfsstollen, den
60 m langen Mönchsstollen zur Südwestwand des »Mönch« hindurch, wodurch
die Ventilation erheblich verbessert und der Abwurf des losgesprengten
Materials wesentlich erleichtert wurde. Der Vortrieb des Tunnels betrug
wegen der großen Härte des Gesteins (Gneis) nur etwa 3,5 m täglich.

Die für die Rentabilität der Bahn erforderliche Zahl von jährlich 50000
Besuchern wurde bereits im Jahre 1911 um 34000 überschritten.

Von besonderem Interesse ist die am 1. Juli 1913 dem Betriebe
übergebene _Lötschbergbahn_, deren Bedeutung darin besteht, daß
sie Deutschland und Nordfrankreich sowie der nördlichen Schweiz
einen bequemen Zugang zum oberen Rhonetal und an die Simplonlinie
ermöglicht. In diese geht sie bei Brig in Wallis über. Die Länge
beträgt 74 km. Außerordentlich waren auch hier die zu überwindenden
Terrainhindernisse; unter den zahlreichen Bauten sind der 1665 m lange
Kehrtunnel bei Fürthen, der von uns bereits auf S. 30 behandelte
14536 m lange Lötschbergtunnel und außerdem noch 12 Tunnel besonders
hervorzuheben. Die höchste Steigung beträgt 27%; die kleinsten Radien
der Krümmungen sind 300 m. Die elektrischen Lokomotiven haben 5
miteinander gekuppelte Achsen und außerdem vorn und hinten je eine
Laufachse. Sie besitzen 2500 P.S. und können auf einer Steigung von
17% einen Zug von 530 t und auf einer Steigung von 27% einen Zug von
310 t mit einer Stundengeschwindigkeit von 50 km befördern. Ihre
Maximalgeschwindigkeit beläuft sich auf 75 km in der Stunde. Die
Lokomotiven haben folgende Abmessungen: Größte Länge über die Puffer
gemessen 16,000 m; totaler Radstand 11,340 m; Triebraddurchmesser
1,350 m; Laufraddurchmesser 0,850 m; maximaler Achsdruck 16,6 t;
Totalgewicht 104 t; Reibungsgewicht 78,2 t.

Zum Gipfel des Montblanc führen zwei Zahnradbahnen und eine
Seilschwebebahn. Die eine Zahnradbahn hat _Höchststeigungen_ von 250
0/00 und kleinste Krümmungen von 50 m Radius. Sie führt von dem 580 m
über dem Meere gelegenen Le Fayet zu dem Aiguille du Gouter (3820 m
über dem Meere) hinauf und ist etwa 18,5 km lang. Auf ihrer obersten
Strecke verlaufen 3,1 km in einem Tunnel.

Gegenwärtig steht das gesamte Eisenbahnwesen im Zeichen der
Elektrisierung, der Umstellung des Dampfbetriebes auf elektrischen
Betrieb. Die preußische Staatsbahnverwaltung hat außer der bereits
erwähnten Strecke Dessau--Bitterfeld auch die Elektrisierung
der 270 km langen Strecke Lauban--Königszelt und der Berliner
Stadtbahn in Angriff genommen und ihre durch den Krieg, insbesondere
den Mangel an Kupferfahrdraht unterbrochenen Arbeiten wieder
aufgenommen. Die bayerischen Bahnen werden, beginnend mit der Linie
München--Partenkirchen, von dem »Bayernwerk« aus mit Strom versorgt
werden. In Schweden wird bereits seit einigen Jahren die im Norden
liegende 130 km lange Reichsgrenzenbahn elektrisch betrieben, und
weitere Elektrisierungen folgten. In der über billige Wasserkräfte
verfügenden Schweiz ging zuerst die Gotthardbahn mit ihrer 110 km
langen Strecke Erstfeld--Bellinzona vor, um sodann zur Elektrisierung
des gesamten 266 km langen Netzes Luzern--Chiasso überzugehen. Unter
dem Druck der durch den Weltkrieg verursachten Kohlennot wurden
diese Arbeiten beschleunigt und im Jahre 1918 wurde beschlossen,
die gesamten 2750 km umfassenden Schweizer Bundesbahnen im Laufe
von 30 Jahren auf elektrischen Betrieb umzustellen. Auch in den
Vereinigten Staaten von Amerika verbreitet sich der elektrische
Betrieb andauernd, und in England wurde am Anfang des Jahres 1920
ein Ausschuß eingesetzt, um die grundlegenden Fragen zu beraten. Von
ausschlaggebender Wichtigkeit ist die Wahl der Stromart: Gleichstrom,
Drehstrom und Einphasenwechselstrom. Der Gleichstrombetrieb, der aus
dem Stadtbetriebe übernommen wurde, kommt im Fernbahnbetrieb nur
gemeinsam mit Erzeugung von Drehstrom und Umformung in Gleichstrom zur
Verwendung. Das _Gleichstromsystem_ ist erst durch seine neuerdings
erfolgte Entwicklung für Betriebsspannungen bis zu 3000 Volt
wirtschaftlich verwendbar geworden. Dasselbe befindet sich neben dem
Einphasensystem in den Vereinigten Staaten in Benutzung, deren größte
elektrische Bahnanlage mit 3000 Volt Gleichstrom betrieben wird. Von
Amerika aus soll eine Vorliebe für den Gleichstrom sich auf Frankreich
übertragen haben. Das _Drehstromsystem_ mit seinem bezüglich der
Geschwindigkeit schwer zu regulierenden Drehstrommotor und mit seiner
den Bau der Kreuzungen und Weichen sehr erschwerenden zweipoligen
Fahrleitung wird nur noch von den italienischen Staatseisenbahnen
benutzt. Das _Einphasensystem_ mit seinem einpoligen Fahrdraht und
seiner hohen Arbeitsspannung ermöglicht eine Kraftübertragung von
einfachster Form. Zu den vorgenannten Systemen kommen dann noch
_gemischte Systeme_ hinzu, ohne jedoch zu erheblicher Verbreitung zu
gelangen. Als _normale Stromart_ ist in Deutschland, der Schweiz,
Österreich, Schweden, Norwegen Einphasenwechselstrom von 15000 Volt
und 16-2/3 Perioden angenommen. Im Jahre 1920 waren von dem 350000 km
umfassenden europäischen Bahnnetz etwa 2000 km, von den 585000 km
umfassenden amerikanischen Bahnen etwa 4000 km für elektrische
Zugbeförderung eingerichtet.



VI. Hoch- und Untergrundbahnen.


Die von den _Hoch- und Untergrundbahnen_, _den Stadtschnellbahnen_,
zu lösende Verkehrsaufgabe bringt der Direktor der Berliner
Hochbahngesellschaft, Geh. Baurat P. Wittig, treffend mit folgenden
Worten zum Ausdruck: »Wie sind die Entfernungen zu überwinden, die
sich innerhalb der riesenhaft anwachsenden Großstädte auftun,
deren Durchmessung für die großen Volksschichten, denen die
Wirtschaftsgesetze moderner Kulturentwicklung die großstädtischen
Erwerbs- und Daseinsformen aufgenötigt haben, zur täglichen
Notwendigkeit wird?« Tatsächlich bildet die sachgemäße Ausbildung der
die verschiedenen Stadtteile und Vororte schnell und billig miteinander
verbindenden Eisenbahnen eine der wichtigsten Lebensbedingungen der
Großstädte.

Die erste unterirdische Schnellbahn wurde im Jahre 1863 in London
eröffnet; sie wurde mit Dampf betrieben. In New York wurden die
ersten Hochbahnen, auf denen mittels Dampflokomotiven beförderte Züge
verkehrten, im Jahre 1878 dem Betriebe übergeben. Die unter- oder
oberirdische Führung des Schnellverkehrs ist erforderlich, um den
Fußgänger- und Fuhrwerksverkehr der Straßen nicht zu gefährden. Dieser
erfordert, daß die Straßenbahnen eine mittlere Geschwindigkeit von
15 km in der Stunde nicht überschreiten, eine Geschwindigkeit, die für
die Erzielung des städtischen Schnellverkehrs viel zu gering ist. Als
fernerer, auf den Bau von Hoch- und Untergrundbahnen hindrängender
Umstand ist dann noch die oft zu geringe Breite der Straßen zu nennen.

Als Betriebsmittel für die Hoch- und Untergrundbahnen kommt gegenwärtig
nur die Elektrizität in Frage. Die Vorteile, die sie gegenüber der
Dampfkraft, abgesehen von dem Fortfall der Rauchentwicklung, bietet,
sind: Fortfall der Lokomotiven und Verteilung der Triebkraft auf die
einzelnen Wagen, schnelles Anfahren und Anhalten, Möglichkeit, die
Stärke der Kraft leicht zu wechseln und größere Steigungen und engere
Krümmungen zu durchfahren. Der elektrische Strom hat außerdem noch den
großen Vorzug, daß er neben der Kraft auch noch das Licht darbietet.

Der Stadtschnellverkehr im heutigen Sinne beginnt mit dem Jahre 1900,
und zwar mit der Pariser Untergrundbahn und der Zentral-Londonbahn.
Zurzeit verfügen folgende Großstädte über ein Netz von Untergrund-
und Hochbahnen: London, Paris, Berlin, Budapest, New York, Boston,
Chicago, Philadelphia, Madrid, Buenos Aires. In diesen Städten
drängten die Bevölkerungsverhältnisse gebieterisch hin auf den Bau
von Verkehrsmitteln, die die inneren Stadtteile mit der Außenstadt
verbanden und der Bevölkerung gestatteten, im Innern der Stadt
den Erwerb zu suchen, dagegen in den billigeren Vororten ihr Heim
aufzuschlagen.

Der Bau der Stadtschnellbahnen hat die inneren Bezirke der Städte
entvölkert. Dies tritt besonders kraß bei der Londoner City in die
Erscheinung. Diese zählte im Jahre 1850 an 300000 Einwohner, besitzt
aber heute kaum noch Wohnstätten in erheblicher Zahl. Täglich strömen
hier an 1-1/2 Mill. Menschen dem Stadtinnern zu, um abends wieder nach
außerhalb zu eilen. Nachstehend lassen wir eine kurze Beschreibung
einiger Stadtschnellbahnen folgen:

_Berlin_ verfügt sowohl über Hoch-, als auch über Untergrundbahnen,
deren erste Stammlinie Zoologischer Garten--Potsdamer Platz--Warschauer
Brücke im Jahre 1902 eröffnet wurde. Die Bahn ist normalspurig und
überall zweigleisig ausgeführt. Sie verläuft zur Hälfte auf Hochbahn-,
zur Hälfte auf Untergrundstrecken. Die Krümmungshalbmesser gehen bis
auf 80 m herab; das stärkste Gefälle beträgt 31,3 0/00. Die Entfernung
der Stationen beträgt im Mittel 0,85 km. Die Hochbahnstrecken verlaufen
meist auf Eisenviadukten oberhalb von Straßen. Einer der schwierigsten
Teile des Baues ist der zwischen dem Leipziger Platz und dem
Spittelmarkt belegene; derselbe verursachte einen Kostenaufwand von 10
Mill. Mk. für das km.

Im Verlaufe des Jahres 1913 sind die Strecken
Spittelmarkt--Alexanderplatz--Schönhauser Allee sowie
Wittenbergplatz--Wilmersdorf--Dahlem dem Verkehr übergeben; letztere
verläuft teils als Untergrund-, teils als Einschnittbahn. Die Strecke
Spittelmarkt--Alexanderplatz unterfährt die Spree in einem mit seiner
Sohle 10 m unter dem Spreespiegel liegenden Tunnel, dessen Bau durch
einen Wassereinbruch eine erhebliche Verzögerung erfahren hat. Dieser
Tunnel ist 125 m lang und ganz in Eisenbeton ausgeführt; er hat 4-1/2
Mill. Mk. erfordert. An beiden Enden des Tunnels befinden sich zwei
Lüftungsschächte, die zur Ventilation des Tunnels dienen und im
Falle der Not als Aussteigschächte benutzt werden können. Außerdem
ist an jedem dieser Schächte eine schnell aufzustellende Bohlenwand
vorgesehen, um den Tunnel schnell abschließen zu können.

Der Bahnhof »Alexanderplatz« wird, wenn die Strecke zur Frankfurter
Allee ausgeführt werden wird, zweietagig ausgeführt werden; die obere
Etage gehört der Linie Klosterstraße--Schönhauser Allee, die untere
der Linie Klosterstraße--Frankfurter Allee an. Außer dem Spreetunnel
war auf der Strecke Spittelmarkt--Schönhauser Allee noch ein zweites
interessantes Bauwerk auszuführen; es war dies die Kreuzung mit dem
Notauslaß der Berliner Kanalisation. Abb. 19 zeigt den Übergang von der
Hoch- zur Untergrundbahn am Nollendorfplatz.

[Illustration: Abb. 19. Bahnhof Nollendorfplatz der Berliner Hochbahn.]

Die immer weitergehende Ausgestaltung der Berliner Hoch- und
Untergrundbahn hat eine sehr starke Vermehrung des Zugumlaufes
zur Folge. Demgemäß ist Vorsorge getroffen, daß in Zeiten großen
Verkehrsandranges auf den Stammlinien 40 bis 50 Züge von je 8 Wagen
mit je einem Fassungsvermögen von 500 Personen stündlich in jeder
Richtung abgefertigt werden können. An Stelle der bisherigen, mit der
Hand bedienten Signaleinrichtungen, die einem solchen Betriebe nicht
gewachsen sind, tritt eine selbsttätige Sicherungsanlage der englischen
Firma Mc. Kenzie, Holland und Westinghouse, die sich auf den Londoner
Stadtschnellbahnen bewährt hat. Dieselbe besitzt eine derartige
Anpassungsfähigkeit, daß sie eine beliebig weitgehende Aufteilung der
Stationsabstände in einzelne Streckenabschnitte ermöglicht. Zur Zeit
befinden sich zwei weitere Untergrundbahnen im Bau, die den Norden mit
dem Süden Berlins in Verbindung bringen sollen.

Die mittlere Spannung des Betriebsstromes (Gleichstrom) beträgt 750
Volt. Derselbe wird zum Teil unmittelbar als Gleichstrom erzeugt, zum
Teil in Unterstationen aus Drehstrom von 10000 Volt umgeformt.

In _London_ wurde im Jahre 1890 die erste elektrische Untergrundbahn
geschaffen, die City- und Südlondonbahn, an die sich dann die kurze
City- and Waterloobahn anschloß. Das Jahr 1900 brachte die Eröffnung
der Zentral-Londonbahn, der sich im Jahre 1904 die Great Northam und
Citybahn anschloß. Diese vier Linien schufen ein 25 km umfassendes
Netz von Röhrenbahnen im verkehrsreichsten Teile der Stadt. Es
folgte sodann eine weitere Gruppe von Röhrenuntergrundbahnen, die
Bakerloobahn, (Abkürzung von Bakerstreet-Waterloobahnhof) eröffnet
1906, die Piccadillybahn, eröffnet 1906 und die Hampsteadbahn, eröffnet
1907. Diese Bahnen und die der City bilden ein Röhrennetz von 60 km
doppelgleisiger Bahnen. Sie liegen in 20 bis 50 m Tiefe; die Verbindung
mit dem Niveau der Straße erfolgt durch elektrische Fahrstühle. Der
Bau der Tunnel erfolgte mittels Schildvortriebs. Außerdem greift eine
Anzahl elektrisch betriebener Bahnen mit einem über 100 km umfassenden
Bahnnetz in das Außengebiet Londons ein.

Das eigentliche, geschlossen bebaute London besteht in der _Grafschaft
London_. Das Gebiet der von London abhängigen Vororte, d. h.
_Außen-London_ wird etwa durch die Grenzlinie des hauptstädtischen
Polizeibezirks, die auch im wesentlichen die wirtschaftliche Einheit
Groß-London umschließt, von dem offenen Lande abgegrenzt. Nach Kemmann
vollzog sich innerhalb dieser Gebiete die Bevölkerungszunahme wie folgt:

    Zunahme im    Innerhalb der   In Außen-London   In Groß-London
    Jahrzehnt      Grafschaft

    1891--1901       +308313          +639283          +947596
    1901--1911       - 13306          +684867          +671561

_Paris_ besitzt ein sehr dichtes Netz von Hoch- und Untergrundbahnen.
Besondere Schwierigkeiten bereitete die Unterbohrung der beiden
Seinearme mit der Cité-Insel. Hier erfolgte der Bau auf einer längeren
Strecke unter Wasser durch Versenken großer, mittels Druckluft
niedergebrachter Caissons (Abb. 20). Ein zweiter Seinetunnel ist mit
Schildvortrieb ausgeführt. Die übrigen Kreuzungen der Seine erfolgen
auf Brücken. Die Bauausführung der Untergrundbahnstrecken geschah bei
einzelnen Strecken im Tagebau, im allgemeinen aber im bergmännischen
Verfahren, für das der weiche Kalksteinuntergrund die günstigsten
Bedingungen bot. Schwierig gestaltete sich der Bau dort, wo die Tunnel
durch unterirdische Steinbrüche geführt werden mußten.

[Illustration: Abb. 20. Anfahrt eines Tunnel-Caissons der Pariser
Untergrundbahn.]

Die einzelnen Linien sind völlig unabhängig voneinander, an jedem
Ende mit Rückkehrschleifen abgeschlossen, die in Umsteigebahnhöfe
zusammengeleitet werden. Die Züge gehen während des regelmäßigen
Betriebes nirgends von einer Linie zu einer anderen über. An den
Schnittpunkten muß umgestiegen werden. Für die einzelnen Linien hat man
zur Bequemlichkeit des Publikums die Nummernbezeichnung eingeführt;
dieselbe gibt im wesentlichen auch die Reihenfolge ihres Ausbaus wieder.

In _New York_ drängt sich das geschäftliche Leben und der Verkehr
in dem südlichsten Teile der Manhattan-Insel zusammen, und zwar
entsprechend dem Beginn und dem Schluß der Geschäftszeit, mit
einer bestimmten Regelmäßigkeit. Die Stadtschnellbahnen New Yorks
bestehen in Hochbahnen und in Untergrundbahnen. Erstere sind als
einfachste Eisenkonstruktionen ausgeführt, auf denen die Schienen
ohne Zwischenlagen aufgelagert sind, so daß der Regen hindurchfallen
kann, und man von unten nach oben und umgekehrt hindurchblicken kann.
Die Untergrundbahn ist zum Teil viergleisig. Die mittleren Gleise
dienen dem Expreßverkehr. Dieser überschlägt eine Anzahl von Stationen
und bietet daher eine schnellere Beförderung dar als die Lokalzüge.
Der Verbindung Manhattans mit den durch den Hudson und den East
River getrennten Bezirken New Jersey und Brooklyn dienen eine große
Anzahl von Brücken und Tunneln. Bereits im Jahre 1883 wurde der East
River überbrückt; im Laufe der Jahre folgten die Manhattanbrücke,
die Williamsburger Brücke, die Blackwells-Island-Brücke, die
Hellgate-Brücke. Die Zahl der Unterwassertunnel beträgt 14; sie dienen
teils dem Betriebe von Stadtschnellbahnen, teils dem Fernverkehr.

Die Gesamtlänge der New Yorker Hoch- und Untergrundbahnen beträgt 480
Gleis-Kilometer, deren Verdoppelung bevorsteht.

In dem Viereck zwischen der 7. und 9. Avenue und der 31. und 33. Straße
ist der Durchgangsbahnhof der Pennsylvania-Bahn errichtet, die früher
jenseits des Hudsons in Jersey City endete und jetzt durch einen Tunnel
unter dem Hudson nach New York hineingeführt und durch einen anderen
Tunnel unter dem East River nach Long Island weiter geleitet ist. Die
Gleise und Bahnsteige mußten in mehr als 12 m Tiefe unter Straßenhöhe
angelegt werden, da die Bahn infolge der Untertunnelungen tief
angelegt werden mußte und städtischerseits verlangt wurde, daß an den
Straßenkreuzungen die Möglichkeit gelassen werden sollte, über der Bahn
städtische Untergrundbahnen hinzuführen.

Zwei weitere Unternehmungen, die 4. Avenuebahn in Brooklyn und die sog.
Centrestraßenschleife in Manhattan befinden sich in Vorbereitung.

_Philadelphia_ besitzt 12 km Stadtschnellbahnen; hiervon sind 8 km
als Hochbahn, 4 km als Untergrundbahn ausgeführt; erstere haben im
Gegensatz zu der New Yorker Bauweise eine geschlossene Fahrbahn. Die
Schnellbahnen Philadelphias sind durch Umsteigebahnhöfe an Städtebahnen
angeschlossen, d. h. an Bahnen, welche, indem sie teils auf, teils
neben Straßen verlaufen, zwei oder mehrere Städte durch häufige
Fahrgelegenheit miteinander verbinden. Diese Städtebahnen haben
sich in den Vereinigten Staaten zu einem vollständigen System von
Überlandbahnen entwickelt.

Die elektrischen Schnellbahnen _Chicagos_ bestehen in vier
_Hochbahnen_. Jenseits der eigentlichen Geschäftsstadt verläuft eine
3,2 km lange Hochbahnschleife, die Union loop, auf welche die von den
verschiedenen Seiten heraneilenden Hochbahnzüge übergehen, um das
Geschäftsviertel zu durchfahren. Ein Teil der von außen herankommenden
Hochbahnen endigt außerdem in Kopfbahnhöfen, die vor der genannten
Schleife liegen.

Die Betriebsverhältnisse sind hier überaus schwierig, da die sämtlichen
Hochbahnen auf der Schleife miteinander verkettet sind. Die Benutzung
der Schienengleise der Hochbahnschleife ist auf die vier Hochbahnen
in der Weise verteilt, daß zwei das Innengleis, zwei das Außengleis
benutzen. Die hiermit verbundenen Übelstände haben bereits Anlaß
gegeben zu grundlegenden Änderungsvorschlägen, die auf dem Bau von
Untergrundbahnen beruhen.

Für die Beförderung von Gütern besitzt Chicago ein schmalspuriges
_Untergrundbahnnetz_ von 97 km Gleislänge. Dasselbe verzweigt
sich über das gesamte Geschäftsviertel und besitzt Anschluß an 26
Güterbahnhöfe, sämtliche Personenbahnhöfe und zahlreiche gewerbliche
Anlagen und öffentliche Anstalten. Die Tunnel liegen etwa 10 m unter
der Straßenfläche. Die Züge werden mit geringer Geschwindigkeit durch
elektrische Lokomotiven befördert.

Die Baukosten der Hoch- und Untergrundbahnen sind wegen der zu
überwindenden großen technischen Schwierigkeiten selbstverständlich
sehr hoch. Sie schwankten bei Untergrundbahnen zwischen 5 bis 10
Mill. Mk. für 1 km. Die letztgenannte Summe mußte bei der Berliner
Untergrundbahn für die Strecke Leipziger Platz--Spittelmarkt
aufgewendet werden, und zwar in Folge großer und wertvoller Gebäude,
die unterfahren werden mußten. Der Bau des 125 m langen Spreetunnels
kostete etwa 4-1/2 Mill. Mk.

Bei Hochbahnen schwankten die Kosten zwischen 2 bis 3 Mill. Mk. für
1 km. Der Weltkrieg hat hier wie überall eine Vervielfachung der Kosten
zur Folge gehabt.



VII. Die drahtlose Telegraphie und Telephonie.


Im Jahre 1888 erbrachte Professor _Heinrich Hertz_ in Bonn den
Nachweis, daß alle Strahlungserscheinungen elektromagnetische
Oszillationen im Weltäther sind, die sich nur durch die Größe der
Wellenlänge voneinander unterscheiden. Diese Hertzsche Wellentheorie
steht in Übereinstimmung mit dem, was Goethe in bewundernswerter
Voraussicht zum Ausdruck gebracht hat, indem er im Jahre 1825
in seinem »Versuch einer Witterungslehre« unter dem Stichwort
»Elektrizität« wörtlich sagt: »Diese darf man wohl und im höchstem
Sinne als problematisch ansprechen. Wir betrachten sie daher vorerst
unabhängig von allen übrigen Erscheinungen; sie ist das durchgehende,
allgegenwärtige Element, das alles materielle Dasein begleitet, und
ebenso das atmosphärische, man kann sie sich unbefangen als »Weltseele«
denken«. Bei der drahtlosen Telegraphie und Telephonie werden diese
Oszillationen in der Weise ausgenutzt, daß schnelle Schwingungen
elektrischer Energie in Gestalt von kurzen und langen Wellenzügen,
die den bekannten telegraphischen Morsezeichen entsprechen, von
einer Sendestation durch den Luftraum zu einer Empfangsstation
entsendet und hier aufgefangen werden. Demgemäß besitzt jede drahtlose
Telegraphenanlage folgende wesentliche Einrichtungen: Vorrichtungen, in
denen Wechselströme hoher Frequenz erzeugt werden, eine sog. Antenne,
welche die elektrische Energie auf der Ausgangsstation ausstrahlt,
eine Antenne, die auf der Empfangsstation die dort eintreffenden
Wellen auffängt, und schließlich eine Empfangseinrichtung, die die
Ausstrahlungen bemerkbar macht. Wenn der elektrische Funke von einer
Leitung zu einer anderen Leitung hinüberspringt, so entstehen außer
einem knallartigen Geräusch (Knallfunken) in der umgebenden Luft
Wellen, die mit denjenigen Wellenzügen vergleichbar sind, welche
entstehen, wenn ein Stein auf eine Wasserfläche hinabfällt, sich jedoch
von diesen dadurch unterscheiden, daß sie sich nicht in konzentrischen
Ringen, sondern in konzentrischen Kugelflächen fortpflanzen. Die
Benutzung der Hertzschen Wellen konnte erst dann erfolgen, nachdem
Branly in dem sog. Kohärer das Mittel geschaffen hatte, das
Vorhandensein jener Wellen festzustellen. Der erste, dem es gelang
erfolgreich weite Entfernungen mit Sicherheit drahtlos zu überbrücken,
war der Italiener _Marconi_, der im Jahre 1896 bahnbrechende Versuche
unternahm und hiermit die drahtlose Telegraphie ins Leben rief. An der
Ausgestaltung der Funkentelegraphie sind aber in besonderem Maße der
verstorbene Prof. _Slaby_ von der Berliner Technischen Hochschule und
Graf Georg von _Arco_, dessen damaliger Assistent, jetziger Direktor
der Telefunken-Gesellschaft zu Berlin beteiligt. Ihnen ist an erster
Stelle der heutige Hochstand der drahtlosen Nachrichten-Übermittlung
zu verdanken. Sie haben die größte Anlage der Welt, die _Groß-Station
Nauen_ in jahrzehntelanger Arbeit geschaffen, und die Geschichte dieser
Großstation ist zugleich die Geschichte der drahtlosen Telegraphie und
Telephonie.

Für die Aufnahme der von der Sendestation ausgesandten Schwingungen
wird eine Antenne benutzt, die derjenigen der Sendestation gleicht.
Unterwegs wird die ausgesandte Energie immer schwächer, da jeder Baum,
jedes Haus von ihr einen Betrag aufzehrt. Schließlich gelangt ein
gewisser Betrag von Energie in die Empfangsantenne. Diese ist genau so
elektrisch bemessen wie die Antenne der Sendestation, d. h. sie ist
»abgestimmt«. In einer derartig abgestimmten Antenne schwillt der
durch die ankommenden Fernwirkungen erzeugte Strom zu einer größeren
Stärke als in einer nicht abgestimmten Antenne an. Daher kann man durch
elektrische Abstimmung die Fernwirkung erhöhen.

Die Erzeugung der Wechselströme hoher Frequenz kann auf verschiedene
Weise erfolgen. Nach _Poulsen_ geschieht sie durch einen Lichtbogen.
Dieser brennt in einer Wasserstoff-Atmosphäre zwischen einer festen
gekühlten Kupferelektrode und einer verstellbaren, durch einen
Elektromotor in langsame Umdrehungen versetzten Kohlenelektrode. Um die
Energie zu steigern, wird der Lichtbogen in einem durch die Pole eines
kräftigen Elektromagneten gebildeten magnetischen Felde erzeugt.

Mit Hilfe des Poulsen-Senders lassen sich sog. »ungedämpfte«
elektrische Schwingungen erzeugen, deren Wesen in folgendem besteht.
Wenn ein Wellenzug wegen allzu großer Entfernung der Sendestation
nicht mehr imstande ist, die Antenne der Empfangsstation zu erregen,
so wird auch durch die folgenden Wellenzüge keine Erregung bewirkt,
ja es kann sogar der vorhergehende Wellenzug durch die folgenden
Wellenzüge abgeschwächt werden. Werden aber ständig gleichmäßig
starke Wellen, »ungedämpfte Schwingungen«, entsendet, so wird jede
vorhergehende Welle durch die ihr folgende verstärkt, und die Antenne
wird erregt. Man kann daher sehr schwache Wellen benutzen, zu deren
Erzeugung große elektrische Anlagen nicht erforderlich sind. Nach
einem anderen Verfahren, das besonders für Großstationen geeignet
ist, werden die Wechselströme hoher Frequenz auf einer besonderen
Art von Wechselstrom-Dynamomaschine, der _Hochfrequenz-Maschine_,
erzeugt, um deren Ausbildung sich Professor Goldschmidt, die Allgemeine
Elektrizitäts-Gesellschaft und Graf Arco besonders verdient gemacht
haben.

Ein drittes Verfahren zur Erzeugung von Hochfrequenz beruht auf der
_Funkenentladung_, mit deren Hilfe man Hochfrequenzenergiemengen
bis 100 Kilowatt und Frequenzen bis zu Millionen in der Sekunde und
herab bis zu wenigen Tausend erzeugt. Das Energiequantum eines jeden
einzelnen Funkens wird in einen abklingenden Wechselstromzug umgesetzt,
der die Fernwirkungen erzeugt. Man benutzt häufig eine Funkenfolge
von 1000 pro Sekunde. Vor der Erzeugung mittels der Maschine hat die
Funkenmethode folgende Vorzüge: völlige Stetigkeit der Periodenzahl,
doppelte Charakteristik der Sender nach Hoch- und Tonfrequenz,
veränderliche Aufspeicherung der sekundlichen Energie zur Erzielung
größerer Momenteffekte am Empfänger. Das System der »_tönenden
Löschfunken_«, dessen Prinzip von Professor Max Wien angegeben ist,
bildete eine Zeitlang die vollkommenste Form der Funkenmethode. Dieses
System hat drei Merkmale: Die Pausen zwischen den Wellenzügen sind
verschwindend klein; die Wellenzüge folgen mit völliger Regelmäßigkeit,
infolgedessen in dem Telephon der Empfangsstation ein Ton erzeugt wird;
der Funken löscht schnell. Bei dem System der Löschfunken besteht der
Funken nur während der allerersten Schwingungen. Nach seinem Erlöschen
schwingt ein langer Wellenzug. Da der Funken ein energieverzehrender
Widerstand ist, so ist also bei den Löschfunken der Energieverlust
praktisch völlig beseitigt. Die »tönenden Löschfunken« sind bis zu
Anordnungen von 100 Kilowatt-Schwingungsenergie durchgebildet.

Neuerdings reißen die _Kathodenstrahlröhren_ die Herrschaft an sich.
Während des Weltkriegs trat die Notwendigkeit auf, daß eine sehr große
Anzahl von drahtlosen Stationen in Betrieb gesetzt werden mußten,
ohne daß eine gegenseitige Störung eintrat. Dieser Aufgabe zeigten
sich die tönenden Löschfunken nicht gewachsen, da für diese eine
wesentlich größere Schärfe der Abstimmung erforderlich war. Hier nun
trat der _Kathodenröhrensender_ mit vollem Erfolg in die Lücke, der
dasjenige leistete, was man bereits vor mehr als zehn Jahren von dem
Poulsen-Lichtbogen erwartet hatte.

Einer der wichtigsten Fortschritte ist die Braunsche Rahmenantenne,
eine Antenne, die, wie der Name besagt, eine rahmenförmige Gestalt
besitzt. Schon im Jahre 1913 konnte Professor _Braun_ von Straßburg
i. E. mittels eines zu einer Spule zusammengewickelten Drahtes das
Strahlungsfeld der Funkstation des Eiffelturms messen. Hierbei war
jedoch die Empfangsenergie so gering, daß eine solche Antennenform
erst dann zu einer tatsächlichen Bedeutung gelangte, nachdem die
Telefunken-Gesellschaft durch Verstärkereinrichtungen eine mehr als
10000fache Lautstärke erzielte. Unter Zuhilfenahme eines quadratischen
Rahmens kann man jetzt in der Telefunken-Ausstellung zu Berlin
sämtliche große europäische Funkstationen aufnehmen. Ein Rahmen von
3,3 m Seitenlänge ermöglicht den Empfang der bei New York belegenen
Station Sayville. Insbesondere eignet sich die Braunsche Rahmenantenne
zur Richtungsbestimmung, denn sie nimmt Schwingungen nur dann bemerkbar
an, wenn sie in Richtung auf den Sender derjenigen Station steht, deren
Richtung festgestellt werden soll.

Der Arbeitsgang einer drahtlosen Telegraphenanlage vollzieht sich
nun in der Weise, daß ein Teil der den Antennen der Sendestation
zugeführten Hochfrequenzenergie als Fernwirkung ausstrahlt. Über die
Art und Weise, auf welchem Wege diese Ausstrahlung erfolgt, ob nur
durch die Luft oder nur die Erde oder durch die Luft und die Erde, sind
im Jahre 1894 von Erich Rathenau, im Jahre 1896 von Strecker und im
Jahre 1898 von Professor Braun Versuche ausgeführt, die sich speziell
auf die Untersuchung der Übertragung durch die Erde bezogen. Später
hat Dr. Kiebiz diese Versuche wieder aufgenommen und ist hierbei zu
sehr günstigen Ergebnissen gelangt; mit einer an einem Vormittage
mit 5 Arbeitern ausgelegten Antenne hat er die Signale einer 6000 km
entfernten Station in Canada gehört.

Bei den Landstationen besteht die Antenne meist in einem einzigen Mast
oder Turm, von dessen Spitze nach allen Richtungen hin Drähte nach
abwärts in radialer Richtung verlaufen, gleichsam einen aus Drähten
bestehenden Schirm bildend. Diese Antennen nennt man Schirm-Antennen.
Auf Schiffen bringt man die Antennen meist derart an, daß sie von zwei
Masten getragen werden.

Naturgemäß muß eine um so größere Energiemenge in die Antenne getrieben
und von dieser ausgestrahlt werden, je größer die Entfernung ist, auf
welche die Übertragung von Nachrichten erfolgen soll. Mit der Größe
der Energie wächst auch die erforderliche Höhe des Turmes und Größe
der Antenne, wobei die Baukosten mit der dritten Potenz der Turmhöhe
wachsen. Vielleicht tritt hier einmal die Erdantenne wirksam in die
Bresche.

In der Groß-Station _Nauen_ besitzt Deutschland die einzige Anlage
der Welt, die seit dem Jahre 1918 die gesamte Erde umfaßt. Ihre
Entstehungsgeschichte zerfällt in vier Abschnitte, die der Entwicklung
der gesamten drahtlosen Telegraphie und Telephonie entsprechen.
Der die Jahre 1906--1909 umfassende Abschnitt bildet das Zeitalter
des Knallfunkens: faustdicke Funken gingen mit heftigem Getöse
zwischen mächtigen Zinkfunkenstellen des Senders über und ließen
die Morsezeichen weit über die Umgebung hinaus ertönen. Den Träger
der Schirmantenne bildete ein Eisengittermast von 100 m Höhe.
Reichweitenversuche ergaben eine gute Nachrichtenübermittlung
bis Teneriffa auf rund 3600 km. Der zweite die Jahre 1909--1911
umfassende Abschnitt stand im Zeichen der tönenden Löschfunken,
nachdem die vielfach vorausgesagte Verdrängung der Funkenmethode
durch den Bogenlampensender nicht eingetreten war. Es wurde eine
sog. _L_-Antenne mit bevorzugter Strahlung nach bestimmter Richtung
geschaffen, deren Längsachse in die Richtung nach Togo gelegt wurde.
Die nach dort unternommenen Verkehrsversuche verliefen befriedigend.
Die tönende Station besteht heute noch und dient zur Abgabe von
Zeit- und Wettersignalen sowie Presseberichten. Mit einer kleinen
Hochfrequenzmaschine System Graf Arco wurde im Juni 1913 eine gute
_telephonische Gesprächsübertragung_ nach Wien erzielt.

Mit derselben Maschine wurden Telegramme auf 6400 km nach Sayville bei
New York befördert. Diese Versuche führten zur Aufstellung einer großen
Hochfrequenz-Maschinenanlage. Außerordentlichen Anforderungen mußte
Nauen während des Weltkrieges, der uns die Benutzung der Überseekabel
unmöglich machte, genügen. Die weitere Verstärkung der Station wurde
nötig. Eine Maschinensenderanlage für 400 Kilowatt Antennenleistung und
eine solche für 150 Kilowatt, die die bisherige ersetzen sollte, wurden
geschaffen. Unter Benutzung der Maste der bisherigen Antenne entstand
durch Hinzufügung eines weiteren 260 m hohen Mastes und zweier Türme
von 120 m Höhe die sog. A-Antenne. Senkrecht dazu wurde für den zweiten
Sender die sog. B-Antenne in Form einer Dreieckantenne errichtet. Nach
der Vergrößerung der Anlagen wurde auf 20000 km die von Telefunken
im Jahre 1912 in Neuseeland errichtete Station Awanui gehört, und
von 1918 ab umfaßte die Reichweite Nauens den gesamten Erdball. In
China, Mexiko, Niederländisch-Indien nahm man die Nachrichten von
»Poz«, dem Rufnamen Nauens, während des Krieges regelmäßig auf. Der
Schnellsende- und Empfangsbetrieb auf große Entfernungen ist bei einer
Wortgeschwindigkeit von 75 Worten in der Minute sichergestellt, wodurch
die drahtlose Fernübermittlung dem Kabelbetrieb in gewisser Hinsicht
überlegen ist. Bei diesen Leistungen der Gesellschaft für drahtlose
Telegraphie sind die _Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft_ und die
Firma _Siemens & Halske_ hervorragend beteiligt. Des weiteren die Firma
_Hein, Lehmann & Co._ zu Berlin, die die eigenartige in der ganzen Welt
bewährte Bauart der abgespannten, isolierten Funkentürme schuf und
deren Oberingenieur _Bräckerbohm_ die Riesentürme errichtete. Die im
April 1915 gegründete Betriebsgesellschaft »Drahtloser Übersee-Verkehr
A. G.« ist nunmehr Besitzerin der Groß-Station Nauen, (Abb. 21 u. 22)
die ein Gelände von 300 ha bedeckt.

[Illustration: Abb. 21. Die Großstation Nauen.]

[Illustration: Abb. 22. Sendehalle der Großstation Nauen.]

In der von »Telefunken« bereits im Jahre 1907 zwischen Nauen und
Berlin ausgeführten _drahtlosen Telephonie_ konnte anfangs zu gleicher
Zeit nur gesendet oder empfangen werden; am Empfänger mußte gewartet
werden, bis am Sender das Sprechen beendet war. Nunmehr kann man ebenso
gegensprechen wie in der Drahttelephonie. Zu diesem Zweck erhält jede
Station zwei Antennen, von denen die eine unter Aufnahme des Mikrophons
am Sender, und die andere mit etwas abweichender Welle am Empfänger
liegt. Während bisher Berlin--Rom, London--Paris die weitesten Strecken
waren, auf denen die drahtlose Telephonie mit Erfolg benutzt wurde, hat
Nauen diese Leistungen in neuester Zeit um ein vielfaches übertroffen
und eine Entfernung von 4340 km, gleich der Strecke Nauen--Neufundland
mit drahtloser Telephonie überbrückt. Dies geschah während der Fahrt
des argentinischen Dampfers »Bahia Blanca« im Juni 1921 von Europa nach
Amerika. Ein Empfang auf noch weitere Entfernungen war nur aus dem
Grunde nicht möglich, weil der Dampfer eine Stelle des Atlantischen
Ozeans erreichte, in welcher atmosphärische Störungen weitere Versuche
unmöglich machten.

Eine große Verschiedenheit besteht zwischen den bei Tag und Nacht
erzielbaren Reichweiten. Diese Beobachtung machte man zuerst bei den
Schiffsstationen, die bei Nacht erheblich größere Reichweiten als bei
Tag erzielten. Dies erklärt sich dadurch, daß das Licht der Feind der
elektrischen Wellen ist und zwar um so mehr, je höher die Frequenz
der Wechselströme ist. Nun kann man zwar unschwer Hochfrequenzströme
von niedriger Periodenzahl erzeugen, diese Ströme sind aber höchst
unökonomisch. Je höher eine Antenne ist, um so mehr kann man mit der
Periode herabgehen. Bei einem 40 m hohen Schiffsmast dürften etwa
600000 und bei einer 100 m hohen Landantenne etwa 100000 Perioden des
Hochfrequenzstromes die untere Grenze bilden. Wendet man eine geringere
Frequenz an, so erreicht man allerdings die gleiche Antennenenergie,
aber nur ganz geringe Fernwirkungen werden von der Empfangsantenne
aufgenommen. Für eine Verbindung auf große Entfernungen, die selbst bei
stärkstem Tageslicht arbeitet, ist eine niedrige Frequenz erforderlich,
diese aber verlangt hohe Antennen, wie sie auf Schiffen nicht errichtet
werden können. Von besonderer Wichtigkeit ist, daß es neuerdings der
Telefunken-Gesellschaft gelungen ist, einen drahtlosen Schreibempfang
über 12000 km, nämlich von Geltow bei Potsdam bis zu der javanischen
Station Malabar auszuführen.

[Illustration: Abb. 23. Antennenanlage des Dampfers »Imperator«.]

Von besonderem Interesse ist die Anwendung der drahtlosen Telegraphie
in der Luftschiffahrt und in Flugzeugen. Hier hat sie während des
Krieges erfolgreichst zu dauernder Verbindung der Lenkluftschiffe und
der Flugzeuge mit der Erde gedient. Während der im Aufklärungsdienst
tätige Flieger in früheren Zeiten zu seiner Befehlsstelle zurückkehren
mußte, um hier über seine gemachten Beobachtungen zu berichten, gibt
die an Bord des Flugapparates angebrachte Funkentelegraphenstation die
Möglichkeit, daß der Beobachter während der Fahrt seine Aufzeichnungen
zur Erde übermittelt.

Ein drahtloser Telegrammverkehr wurde zum erstenmal während des
oberrheinischen Überlandfluges im Jahre 1912 eingerichtet. Er diente in
erster Linie den Zwecken der Sicherung der Luftschiffahrt, stand aber
auch den Passagieren für ihre persönlichen Telegramme zur Verfügung.
Mit Erfolg wird die drahtlose Telegraphie auch zur Verbindung mit
fahrenden Eisenbahnzügen benutzt.

Überaus segensreich hat sich die drahtlose Telegraphie bei
Schiffsunfällen erwiesen, indem sie die mit Sendeapparaten
ausgestatteten Schiffe in den Stand setzte, andere Schiffe mit Erfolg
um Hilfe zu bitten. Abb. 23 zeigt die Antennenanlage des Dampfers
»Imperator«.



VIII. Neuzeitliche Riesendampfschiffe.


Bevor wir uns der Beschreibung einiger neuzeitlicher Riesendampfschiffe
zuwenden, ist es für das Verständnis der nachstehend angegebenen
Größenverhältnisse der Schiffe erforderlich, die Erklärung einiger sich
stets wiederholender Fachausdrücke zu geben.

Unter dem _Deplacement_ eines Schiffes versteht man das Gewicht
derjenigen Wassermenge, die das Schiff, wenn es schwimmt, verdrängt;
man begegnet daher auch häufig an Stelle des fremdsprachlichen
»Deplacement« dem gut deutschen Wort »Wasserverdrängung«. Nach
dem »Archimedischen Prinzip«, das seinem Entdecker den hinfort zum
Schlagwort gewordenen Ausruf »Heureka!« Ich hab's gefunden! entlockte,
verdrängt das schwimmende Schiff eine Wassermenge, die genau so
viel wiegt wie das Schiff selbst mit seinem sämtlichen Inhalt. Die
Wasserverdrängung wird angegeben in Tonnen zu je 1000 kg. Für die
Zwecke der Schiffsvermessung, welch letztere maßgeblich ist für
die Ladefähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Schiffs sowie für die
Berechnung der Lotsengebühren, Kanal- und Hafenabgaben, sowie der
Zölle, gilt als Einheit die _Registertonne_. Dieselbe beträgt 100
englische Kubikfuß oder 2,83 cbm. Mißt man den gesamten Inhalt der
sämtlichen Räume eines Schiffs einschließlich der bei den jetzigen
Riesenschiffen oft sehr erheblichen Aufbauten in Kubikmetern und
dividiert man den auf diese Weise gefundenen Betrag durch 2,83, so
erhält man den _Bruttotonnengehalt_ des Schiffs.

Für die Bemessung der von einem Schiffe zu leistenden Abgaben kommt
dessen Fähigkeit, gewinnbringende Ladung zu befördern (Stauvermögen),
in Betracht. Diese wird dargestellt durch den _Nettotonnengehalt_
und wird festgestellt, indem von dem vorstehend genannten Inhalt
der Gesamträume des Schiffs, also von dem Bruttotonnengehalt, alle
diejenigen Räume abgezogen werden, die nicht für Aufnahme der Ladung,
sondern für Betriebszwecke erforderlich sind. Dies sind die Räume für
die Maschinen und Kessel, die die Kohlen aufnehmenden Bunker, die
Mannschafts-, die Küchen- und sonstigen Wirtschaftsräume usw. Die
Geschwindigkeit der Schiffe wird in Seemeilen oder Knoten (1852 m)
gemessen.

Das erste Dampfschiff, dem nach heutigen Begriffen der Name eines
Ozeanriesen zukommt, war der im Jahre 1860 zum ersten Male das Weltmeer
durchquerende »_Great Eastern_«. Der Entwurf des Schiffs rührte von
Isambard Kingdom Brunel, dem Sohne des im Jahre 1849 verstorbenen
Erbauers des Themsetunnels, Marc Isambart Brunel, her. Der »Great
Eastern« hatte eine Länge von 207 m, eine Breite von 25,3 m und ein
Deplacement von 19000 t; die Maschinen leisteten 7700 P.S. Der Antrieb
erfolgte durch zwei seitliche Schaufelräder und durch eine Schraube.
Die erzielte Geschwindigkeit betrug 14-1/2 Knoten. Die Abmessungen
des »Great Eastern« sind erst im Jahre 1903 durch den Schnelldampfer
»Kaiser Wilhelm II.« des Norddeutschen Lloyd übertroffen worden;
seine Geschwindigkeit ist erst im Jahre 1879 erreicht worden. Die für
die Fertigstellung des Schiffs erforderliche Zeit betrug insgesamt
8 Jahre, eine kleine Ewigkeit im Vergleich zu der Bauzeit unsrer
heutigen Riesendampfer. Der »Great Eastern« vermochte 4000 Personen und
gewaltige Mengen von Frachtgütern zu befördern. Leider aber bestand
zu damaliger Zeit noch kein Bedürfnis nach einem so leistungsfähigen
transatlantischen Beförderungsmittel. Glücklicherweise konnte der
»Great Eastern« seine Riesenkräfte in andrer Weise, nämlich bei dem
Verlegen transatlantischer Telegraphenkabel verwerten. Jedoch auch
dieser vorübergehende Erfolg konnte nicht verhindern, daß das Schiff im
Jahre 1891 auf Abbruch verkauft werden mußte.

Die Abmessungen der Ozeandampfer blieben bis in die siebziger Jahre
bis zur Hälfte gegenüber denen des »Great Eastern« zurück. Erst
in den achtziger Jahren baute man Schiffe von 160--170 m Länge.
In den folgenden Jahren nahm der Überseeverkehr einen derartigen
Aufschwung, daß der Bau von Riesendampfern sich erforderlich
machte, von denen der eine den andern andauernd an Größe und
Geschwindigkeit übertraf. Ein angestrengter Wettbewerb entspann
sich zwischen den großen transatlantischen Dampfergesellschaften
und spornte die Schiffbauingenieure zu immer großartigeren
Leistungen an. Mit Genugtuung können wir hier feststellen, daß die
großen deutschen Gesellschaften, der _Norddeutsche Lloyd_ und die
_Hamburg-Amerika-Linie_, stets an hervorragender Stelle standen und
sich dort andauernd behauptet haben. Die Sicherheit und Schnelligkeit
der Schiffe dieser deutschen Großbetriebe hat zur Folge gehabt, daß
sie von den Reisenden aller Völker bevorzugt wurden. Nicht minder
erfreulich ist der Umstand, daß der Bau der von den deutschen
Reedereien in Fahrt gesetzten Riesendampfer, der früher ausschließlich
auf englischen Werften erfolgte, von den _deutschen Werften_ in der
vollkommensten Weise ausgeführt wurde. Der Umstand, daß der Weltkrieg
uns unserer zu höchster Leistungsfähigkeit entfalteten Handelsflotte
beraubt hat, darf uns nicht dazu führen, diese Glanzleistungen des
deutschen Schiffbaues mit Stillschweigen zu übergehen, dies um so
weniger, weil sie uns die Gewähr geben, daß uns die Mittel zu Gebote
stehen, den uns gewaltsam entrissenen Hochstand wiederzugewinnen.
Der erste der auf einer deutschen Werft, dem Stettiner »Vulkan«,
erbauten Ozeanriesen war der Schnelldampfer »_Kaiser Wilhelm der
Große_« des Norddeutschen Lloyd. Derselbe wurde im Jahre 1897
vollendet und erzielte sofort den hocherfreulichen Erfolg, daß er
einen Geschwindigkeitsrekord, der bis dahin von englischen Schiffen
gehalten war, brach. Die Abmessungen des Dampfers sind in der auf S. 83
wiedergegebnen Tabelle enthalten.

Im Jahre 1907 stellte die _Cunard-Linie_ unter Beihilfe der englischen
Regierung die Dampfer »_Lusitania_« und »_Mauretania_« in Dienst.
Die Abmessungen dieser Schiffe sind: Größte Länge 239,2 m; größte
Breite 26,8 m; Raumtiefe 18,3 m; Tiefgang 10,0 m; Deplacement 38000 t:
Bruttotonnengehalt 32500; Zahl der Passagiere 2200; Besatzung 827
Mann. Der Antrieb erfolgt durch vier mittels Dampfturbinen von
68000 P.S. betriebene Schrauben. Wenige Jahre später stellte die
_White Star-Linie_ ohne Beihilfe der englischen Regierung die Schiffe
»_Olympic_« und »_Titanic_« in Dienst. Diese beiden Schiffe übertrafen
in ihren Abmessungen um ein erhebliches die »Mauretania« und die
»Lusitania«. Die »Titanic« wurde in der Nacht vom 14. zum 15. April
1912 auf den Bänken von Neu-Fundland von einem Eisberge angerannt
und in den Grund gebohrt. Von den an Bord befindlichen 2358 Personen
konnten nur 868 gerettet werden, so daß 1490 Menschenleben verloren
gingen. Diese Zahl steht in der langen Geschichte der verderblichen
Schiffsunfälle an erster Stelle. Soweit eine Übersicht der bei den
größten einschlägigen Unfällen vernichteten Menschenleben zur Verfügung
steht, kommt dem Untergange der »Titanic« der zwischen den Schiffen
»Defence« und »St. Georg« im Jahre 1811 an der Küste Jütlands erfolgte
Zusammenstoß am nächsten; bei diesem fanden 1400 Personen den Tod.
Die »Olympic« faßt 45000 Registertonnen; ihre Länge beträgt 264 m;
24,8 m mehr als die »Mauretania«. Die Breite beträgt 28 m. Das oberste
der 11 Decks liegt 29 m über dem Kiel, und um noch weitere 21 m
überragen die Schornsteine das Deck. 15 wasserdichte Schotten teilen
das Schiff in Abteilungen und halten dasselbe bei Verletzungen der
Schiffshaut über Wasser. Diese Schotten vermochten, entweder infolge
mangelhafter Handhabung oder infolge Versagens der Vorrichtungen,
nicht das Schwesterschiff »Titanic« vor dem Untergange zu bewahren.
Die Besatzung zählt 860 Mann, und außer gewaltigen Mengen an Frachtgut
kann das Schiff 2500 Personen befördern. Während die »Olympic« ihre
Vorgängerinnen an Größe übertrifft, steht sie diesen hinsichtlich
der Geschwindigkeit nach. Sie erreicht nur 24 Knoten, während die
beiden Cunarddampfer 25 Knoten in der Stunde zurücklegen. Diese
Verminderung der Geschwindigkeit ist aus _wirtschaftlichen_ Erwägungen
heraus erfolgt. Man weiß, daß mit zunehmender Geschwindigkeit die
Maschinenstärke, die Maschinengröße und mit dieser der Kohlenverbrauch
und die Betriebskosten in einem Maße zunehmen, daß sie nicht mehr
im Einklang stehen mit den wenigen Stunden, die sie während der
Fahrt einholen können, d. h. mit der erzielbaren Zeitersparnis. Bei
Handelsschiffen spielt aber die Wirtschaftlichkeit die Hauptrolle,
ganz abgesehen davon, daß die Zurücklegung tunlichst beschleunigter
Ozeanfahrten allmählich zu einem teuren und unfruchtbaren Sport
geworden ist. Die Cunard-Linie gab, offenbar unter dem Druck, den der
Bau der später zu beschreibenden deutschen Riesendampfer »Imperator«
und »Vaterland« auf sie ausübte, den Bau des Dampfers »_Aquitania_« in
Auftrag. Derselbe faßt 50000 Registertonnen brutto und entwickelt eine
Geschwindigkeit von 23 Knoten in der Stunde. Die Besatzung zählt 950
Mann; die Zahl der Passagiere beträgt 4000.

Unter den neueren Riesendampfern nehmen einen hervorragenden Platz
die 4 durch den Weltkrieg uns verloren gegangenen Schnelldampfer des
Norddeutschen Lloyd ein: »_Kaiser Wilhelm der Große_«, »_Kronprinz
Wilhelm_«, »_Kaiser Wilhelm II._«, »_Kronprinzessin Cecilie_«. Sie
sind sämtlich vom Stettiner »Vulkan« erbaut. Ihre wesentlichsten
Verhältnisse sind in der nachstehenden Tabelle aufgeführt:

  +-----------------+-----------+-----------+-----------+------------+
  |                 |  Kaiser   | Kronprinz |  Kaiser   |    Kron-   |
  |                 |  Wilhelm  |  Wilhelm  |Wilhelm II.| prinzessin |
  |                 |der Große  |vom Stapel |vom Stapel |  Cecilie   |
  |                 |vom Stapel |  gelassen | gelassen  | vom Stapel |
  |                 | gelassen  | 30. März  |12. August |  gelassen  |
  |                 |4. Mai 1897|    1901   |   1902    |1. Dez. 1906|
  +-----------------+-----------+-----------+-----------+------------+
  |Länge            | 197,70 m  | 202,17 m  | 215,34 m  |  215,34 m  |
  |Breite           |  20,10 m  |  20,10 m  |  21,94 m  |   21,94 m  |
  |Raumtiefe        |  11,90 m  |  11,97 m  |  12,25 m  |   12,35 m  |
  |Wasserverdrängung|  24300 t  |  22700 t  |  28800 t  |   28800 t  |
  |Brutto-          |           |           |           |            |
  |Registertonnen   |  14349    |  14908    |  19361    |   19503    |
  |Passagiere       |   1742    |   1858    |   1829    |    1825    |
  |Besatzung        |    503    |    527    |    665    |     686    |
  |Tragfähigkeit    |   6400 t  |   6900 t  |   8700 t  |    8300 t  |
  |Geschwindigkeit  |   22,5 Kn.|     23 Kn.|  23,75 Kn.|      24 Kn.|
  +-----------------+-----------+-----------+-----------+------------+

Ein solcher Schnelldampfer ist mit allen erdenklichen Einrichtungen
versehen, um die höchste Bequemlichkeit und die größte Sicherheit zu
gewähren. Auf dem Dampfer »_Kronprinzessin Cecilie_« sind insgesamt 72
Dampfmaschinen für die verschiedensten Zwecke aufgestellt; 5 Dynamos
speisen 3100 elektrische Lampen. Der Dampf wird in 19 Zylinderkesseln
(12 Doppel- und 7 Einfachkessel) erzeugt mit 124 Feuerungen von
insgesamt 290 qm Rostfläche. Hier werden innerhalb 24 Stunden 700 t
Kohlen verbrannt. Vor den Kesseln sind andauernd 80 Mann beschäftigt,
die nach vierstündiger Arbeit 8 Stunden Ruhe genießen.

Unter den Sicherheitsvorrichtungen sind die wasserdichten Schotten,
die Feuerlöscheinrichtungen, die Unterwassersignale, die Apparate für
drahtlose Telegraphie und die Vorrichtungen für das Zuwasserlassen der
Rettungsboote zu nennen.

Eine andre Art von Riesenschiffen, die sog. _Postdampfer_ gestatten
eine weitgehende Ausnutzung der umfangreichen Schiffsräume für
Ladungszwecke und lassen außerdem noch die Unterbringung einer
Anzahl von Passagieren zu. Die Überfahrt von Deutschland nach New
York dauert auf diesen Schiffen allerdings 2--3 Tage länger als auf
den Schnelldampfern, verläuft aber im übrigen unter den gleichen
Verhältnissen des Komforts und der Sicherheit.

Der Postdampfer des Norddeutschen Lloyd, der Doppelschraubendampfer
»_George Washington_« mit einem Bruttogehalt von 25570 Registertonnen,
bildete einen Typ für sich, obgleich die Grundsätze, nach denen er
erbaut ist, im wesentlichen dieselben sind wie bei den vorgenannten
Postdampfern. Er ist vom Stettiner »Vulkan« erbaut und gehörte zu den
größten Dampfern der deutschen Handelsflotte. Seine Länge beträgt
220,18 m, seine Breite 23,77 m, seine Tiefe 16,46 m. Seine beiden
vierzylindrigen Vierfach-Expansionsmaschinen indizieren 20000 P.S.; sie
verleihen dem Schiffe eine Geschwindigkeit von 19 Knoten in der Stunde.
Die größte Passagierzahl beträgt 2891; die Besatzung zählt 586 Köpfe.

Unter sämtlichen Ozeanriesen der Erde stehen an erster Stelle die
Dampfer »_Imperator_« (Abb. 24) und »_Vaterland_« (Abb. 25) der
Hamburg-Amerika-Linie. Ersterer ist erbaut auf der Werft des Stettiner
»Vulkan« in Hamburg und hat am 11. Juni 1913 seine erste Ausreise nach
Amerika angetreten. Letzterer ist auf der Werft von Blohm und Voß in
Hamburg am 3. April 1913 vom Stapel gelaufen.

[Illustration: Abb. 24. Der Turbinen-Schnelldampfer »Imperator« der
Hapag.]

Am 18. Juni 1910 legte man den Kiel zum »Imperator« und es begann die
Herstellung des doppelten Schiffbodens. Dieser ist für die Sicherheit
des Schiffes um deswillen von besonderer Bedeutung, weil, wenn der
äußere Boden aus irgendeinem Grunde leck wird, der innere das Schiff
vor dem Eindringen von Wasser schützt.

Die Länge des Schiffes beträgt 276 m; die Breite 30 m, die Tiefe über
19 m; das Bootsdeck liegt 30,5 m und die Spitze der Lademasten 75 m
über dem Kiel.

Für das körperliche Wohlbefinden der Passagiere ist durch reichlich
bemessene Promenadendecks, Turnhallen und Badegelegenheiten gesorgt.
Mehr als 220 Wannenbäder und Duschen sind für die Passagiere aller
vier Klassen vorgesehen. Als eine großartige Neuerung ist hier ein
Schwimmbassin von 12,5 m Länge, 6,5 m Breite und 2-1/4 m Wassertiefe zu
nennen, an das sich hygienische Bäder der verschiedensten Art in großer
Zahl anschließen.

[Illustration: Abb. 25. Der Turbinen-Schnelldampfer »Vaterland« der
»Hapag« im Bau.]

Zur Bewegung des Schiffes dienen 4 Schrauben, die durch Dampfturbinen
angetrieben werden, die mehr als 60000 P.S. entwickeln. Zu den auf
dem »Imperator« vorgesehenen Neuerungen gehört auch die Einführung
des Kreiselkompasses. Dieser unterliegt nicht den Gesetzen des
Magnetismus, sondern denen der Trägheit und der Erdrotation, ist also
den Störungen gegenüber, denen magnetische Kompasse auf eisernen
Schiffen ausgesetzt sind, unempfindlich. Um das Schiff Tag und Nacht
mittels Funkentelegraphie mit anderen Schiffen in Verbindung zu halten,
befinden sich 3 Telegraphisten an Bord.

Mit der Kiellegung des »Vaterland«, des Schwesterschiffes des
»Imperator«, wurde im September 1911 begonnen, und schon im Frühjahr
1912 waren die Spanten, die mächtigen Querrippen des Schiffskörpers,
aufgerichtet. Am 3. April 1913 erfolgte bereits der Stapellauf, eine
erstaunlich kurze Bauzeit, wenn man sie mit derjenigen des »Great
Eastern« vergleicht, die volle 8 Jahre umfaßte. Durchschnittlich waren
täglich 1800 Arbeiter beschäftigt. Zur Verarbeitung gelangten 34,5
Mill. kg gewalzter Stahl, 2 Mill. kg Gußeisen, 1 Mill. kg Kupfer, 6,5
Mill. kg Holz.

Die Zahl der Passagiere beträgt bei voller Belegung des »Imperator«
und des »Vaterland« 700 in der ersten, 600 in der zweiten, 1050 in der
dritten und 1700 in der vierten Klasse, insgesamt also 4050. Hinzu
kommt dann noch die Besatzung von etwa 1200 Köpfen.



IX. Lenkbare Luftschiffe und Flugzeuge.


Schon im Jahre 1784, also fast unmittelbar nachdem die Gebrüder
Montgolfier die ersten Luftballons steigen ließen, traten Vorschläge
auf, die darauf abzielten, den Luftballon lenkbar zu gestalten. Als
erster ist hier der französische General Meusnier zu nennen, dessen
Lenkballon um deswillen ein besonderes Interesse verdient, weil er in
seinem Innern Luftfächer »Ballonets«, enthielt, die auch heute noch
bei den Luftschiffen »unstarren« Systems dazu dienen, diese auf eine
gewisse Höhenlage zu bringen, ohne daß es erforderlich ist, Ballast
zu werfen oder das Gasventil zu öffnen. Im Jahre 1852 trat dann
der französische Ingenieur Girard mit zwei Versuchsballons an die
Öffentlichkeit, jedoch ohne Erfolg. Meusnier, Girard sowie auch einige
der späteren Bahnbrecher des Lenkballons hatten unter dem Umstande zu
leiden, daß ihnen ein leichter und kräftiger, die Schraube antreibender
Motor nicht zur Verfügung stand. Der Vorschlag, die Luftschiffschraube
durch Menschenkraft zu bewegen, stellte sich als unausführbar heraus.
Im Jahre 1870/71, während der Belagerung von Paris, versuchte der
französische Marine-Ingenieur Dupuy de Lôme einen solchen durch
Menschenkraft bewegten Ballon zu bauen. Es folgten alsdann der deutsche
Ingenieur Paul Hänlein, der im Jahre 1872 einen durch eine Gasmaschine
bewegten Ballon ausführte, und die Franzosen Gaston und Albert
Tissandier (1883), Renard und Krebs (1884), die als Antriebsmaschine
einen Elektromotor benutzten. Die beiden letztgenannten Offiziere
konnten sich rühmen, den Beweis der Lenkbarkeit des Luftballons
erbracht zu haben. Ihr Ballon »La France« hatte die Form eines
Torpedos, vorn dicker als hinten; die Länge betrug 50,42 m, der größte
Durchmesser 8,40 m, der Inhalt 186,4 cbm. Der Elektromotor hatte
8,5 P.S. Die Schraube war an der Vorderseite der Gondel angebracht. Die
Geschwindigkeit betrug 23 km in der Stunde.

Es folgten sodann der Deutsche Dr. Wölfert und der Franzose Severo, die
beide ihre Versuche mit dem Tode bezahlten, der Österreicher Schwarz,
der einen Ballon aus Aluminium herstellte, jedoch im Jahre 1897 mit
diesem scheiterte, sowie der Brasilianer Santos Dumont; letzterem
gelang es mit einem seiner zahlreichen ausgeführten Luftschiffe, dem
sechsten derselben, den Eiffelturm zu umkreisen. Alle diese Bahnbrecher
des lenkbaren Luftschiffes stehen weit hinter dem »Eroberer der Luft«,
dem deutschen General Graf Ferdinand v. Zeppelin zurück, der berufen
war, die vielumworbene Aufgabe erfolgreichst zu lösen. Die Versuche
des Grafen v. Zeppelin, die durch Gottlieb Daimlers Erfindung eines
leichten, leistungsfähigen Motors (1887) begünstigt wurden, begannen
in den Jahren 1892--94 und führten in den Jahren 1898--1900 zum Bau
des ersten Versuchsluftschiffes, das am 2. Juli 1900 sich zum ersten
Mal von dem Spiegel des Bodensees aus in die Lüfte erhob. Dasselbe war
mit zwei Daimler-Motoren von je 16 P.S. ausgestattet und hatte eine
Geschwindigkeit von 7,2 m in der Sekunde (27 km in der Stunde). Am 17.
Oktober 1900 legte dieses Luftschiff eine Fahrzeit von 1-1/2 Stunden
zurück.

Es gibt drei Arten von lenkbaren Luftschiffen, das _starre_, das
_halbstarre_ und das _unstarre System_. Das _starre System_ ist
dadurch gekennzeichnet, daß der Tragkörper, also der eigentliche
Ballon, aus starrem Stoffe (Blech u. dgl.) besteht, oder ein starres
mit Ballonstoff überzogenes Gerüst besitzt. Die Gondel ist mit dem
Tragkörper starr verbunden. Bei dem _halbstarren System_ ist nur
eine kielförmige Längsversteifung des Tragkörpers vorgesehen, ohne
daß sonst noch ein starres Gerippe vorhanden ist. Die Gondel kann
mit dem Tragkörper starr verbunden oder an Drahtseilen aufgehängt
sein. Bei den _unstarren Systemen_ besitzt der Tragkörper keinerlei
starre Versteifungen, und die Gondel ist an Drähten oder Drahtseilen
aufgehängt. Alle drei Systeme gehen ineinander über und grenzen sich
untereinander nicht bestimmt ab.

[Illustration: Abb. 26. Das Zeppelin-Luftschiff.]

Die Zeppelinschen Luftschiffe gehören dem starren System an. Am 17.
Januar 1906 stieg ein zweites, verbessertes Zeppelin-Luftschiff auf,
erreichte eine Höhe von 400 m und landete bei Kießlegg im Algäu, wurde
aber durch einen Sturm von seiner Verankerung losgerissen und zerstört.
Graf Zeppelin hat trotz verschiedener schwerer Mißgeschicke und trotz
des Widerspruchs gewisser Fachkreise sein starres System immer weiter
ausgebildet und zur höchsten Vollkommenheit gebracht. Unter den
zahlreichen Wechselfällen, die Graf Zeppelin zu überwinden hatte, steht
an erster Stelle der Unfall, dem im August 1908 sein viertes Luftschiff
bei Echterdingen zum Opfer fiel, nachdem es am 1. Juli desselben Jahres
eine zweistündige Fahrt vom Bodensee in die Schweiz und am 4. August
eine Fahrt nach Mainz glücklich zurückgelegt hatte. Dieses Mißgeschick
des schon damals zu höchster Volkstümlichkeit gelangten, bereits im
Feldzug 1870/71 ruhmvoll bewährten deutschen Reiteroffiziers löste in
erfreulicher Weise den Opfermut des deutschen Volkes aus. Eine binnen
kurzer Zeit gesammelte Nationalspende setzte den Grafen in den Stand,
seine erfolgreichen Arbeiten fortzusetzen.

Das erste Zeppelinluftschiff bestand aus einem starren Gerüst von
Aluminiumträgern, das sich nach vorn und hinten verjüngte und mit
Ballonstoff überzogen war; der auf diese Weise gebildete Ballonkörper
hatte den Querschnitt eines 24-Ecks (Abb. 26); in diesem lagen
Querwände, die ihn in 17 Abteilungen zerlegten, deren jede einen mit
Gas gefüllten Ballon aufnahm. Diese Einrichtung findet sich auch heute
noch bei den neusten Zeppelinschiffen. Der Gasinhalt des Ballons betrug
insgesamt 11300 cbm. Jeder der beiden 15pferdigen Daimlermotoren trieb
die aus Stahlrohren und Universalgelenken bestehende Transmission an,
die zwei Schrauben in Drehung versetzten. Diese waren vierflügelig,
hatten einen Durchmesser von 1,1 m und waren zu beiden Seiten des
Ballonkörpers angebracht.

[Illustration: Abb. 27. Die Steuereinrichtung des
Zeppelin-Luftschiffes.]

Steuervorrichtungen (Abb. 27) dienen dazu, das Luftschiff in der
Wagerechten, d. h. nach rechts oder links zu lenken sowie auf- und
abwärts zu bewegen. Dieselben haben im Laufe der Zeit mehrfach
erhebliche Änderungen erfahren. Im wesentlichen haben sie folgende
Einrichtung. Um das Schiff in der Wagerechten, d. h. nach rechts oder
nach links zu drehen, dienen senkrechte Flächen, die am Hinterteile
des Luftschiffes angebracht sind und genau so gehandhabt werden wie
die Steuer der Wasserschiffe. Als Vertikalsteuer, d. h. zum Heben oder
Senken des Ballons, dienen am Vorder- und am Hinterteil angebrachte
wagerechte, um wagerechte Achsen drehbare Flächen. Wenn diese
sämtlichen Flächen wagerecht stehen, so bewegt sich das Luftschiff
in wagerechter Richtung. Werden diese Flächen so gedreht, daß ihre
Vorderkante höher steht als die Hinterkante, so wird der Ballon durch
den unter diesen Flächen nach aufwärts wirkenden Luftdruck gehoben.
Werden die Vertikalsteuer in die entgegengesetzte Lage gebracht, so
daß ihre Vorderkante tiefer liegt als die Hinterkante, so wird das
Luftschiff abwärts gedrückt, sinkt also zur Erde, ohne daß erforderlich
ist, Gas ausströmen zu lassen.

Die beiden Zeppelin-Luftkreuzer »Schwaben« und »Viktoria Luise«,
deren ersterer leider im Juni 1912 einer Brandkatastrophe zum Opfer
fiel, waren mit einer Geschwindigkeit von 75,6 km in der Stunde die
schnellsten Luftschiffe der Erde und haben sich für Passagierfahrten
mit regelmäßiger Fahrt auf kurze und weite Strecken bestens bewährt.
Die Erzielung einer so großen Geschwindigkeit war nur dadurch möglich,
daß es gelungen war, stärkere Motoren zu bauen, die nicht schwerer als
ihre Vorgänger waren. Auch eine zweckmäßigere Ausbildung der Spitze,
sowie eine Verkürzung des Luftschiffkörpers haben hierzu wesentlich
beigetragen. Bei diesen Zeppelinluftschiffen sind die sämtlichen
Steuerflächen hinten am Heck angebracht. Sie hatten drei Maybachmotoren
von je 145 P.S.; ihre Länge betrug 140 m, ihr Durchmesser 14 m; ihr
Gasinhalt 18000 cbm. Die Zahl der voneinander getrennten Gaszellen war
dieselbe wie bei dem ältesten Zeppelinluftschiff, nämlich 17.

Ein wesentlicher Vorteil des starren Systems hat sich bei diesen
Luftkreuzern ergeben. Diese Bauart ermöglicht es nämlich, daß die von
der deutschen Militärverwaltung erworbenen Zeppelin-Luftschiffe sich
ohne alle weiteren Hilfsmittel und ohne Ballastabgabe auf über 2000 m
erhoben. Die »Viktoria Luise« erreichte eine Höhe von 1000 m in 4 Min.
19 Sek. Die Zeppelin-Passagierluftschiffe hatten drei Gondeln. In der
vorderen, der Führergondel, war ein Motor von 145 P.S. aufgestellt,
sowie die Züge zur Bedienung der Steuerräder. Die mittlere Gondel
bot Raum für 24 Passagiere. Die hintere Gondel enthielt zwei Motoren
von je 145 P.S. Der in der Führergondel aufgestellte Motor trieb ein
Paar zweiflügeliger Luftschrauben mit 500 Umdrehungen in der Minute.
Die in der hinteren Gondel angebrachten zwei Motoren trieben je eine
vierflügelige Luftschraube von gleichfalls 500 Umdrehungen in der
Minute. Mit einem Vorrat von 1500 kg an Öl und Benzin konnte ein
solches Luftschiff etwa 15 Stunden mit sämtlichen drei Motoren und 20
Stunden mit zwei Motoren arbeiten und 900 bis 1000 km zurücklegen. Das
Personal bestand aus dem Führer, einem Ingenieur, zwei Steuerleuten
und vier bis fünf Monteuren. Außer den Passagierräumen nebst kaltem
Buffet besitzt das neuzeitliche Luftschiff ein wissenschaftliches
Laboratorium für luftelektrische Messungen, eine Station für drahtlose
Telegraphie und eine Poststation.

[Illustration: Abb. 28. Der deutsche Militärballon.]

Nach dem starren System ist außer den Zeppelin-Luftschiffen auch das
_Schütte-Lanz-Luftschiff_ erbaut und zwar in den Jahren 1909--1911
auf der Werft der Firma Heinrich Lanz in Rheinau bei Mannheim. Von
den Zeppelinschiffen unterschied es sich dadurch, daß das Gerippe des
Tragkörpers aus leichtem fourniertem Holz bestand und daß die Gondeln
zwar in der wagerechten Ebene unverschiebbar starr, in der senkrechten
aber unstarr aufgehängt waren. Bei dieser Anordnung wurden die
Tragseile, wenn das Schiff beim Landen auf den Erdboden stieß, schlaff
und entlasteten den Tragkörper. Nachdem es am 17. Oktober 1911 den
ersten Aufstieg unternommen hatte, hat auch dieses Schiff eine große
Anzahl von Fernfahrten glücklich ausgeführt, ist aber leider am 17.
Juli 1913 bei Schneidemühl durch einen Sturm losgerissen und zerschellt.

Einen Hauptvertreter der halbstarren Bauart bildete der nach den
Entwürfen des Kommandeurs der Preußischen Luftschiffertruppen Major
Groß und des Oberingenieurs Basenach in mehreren Ausführungen erbaute
deutsche Militärballon (Abb. 28). Der erste derselben wurde im Jahre
1907 fertiggestellt. Der Tragkörper desselben hatte eine Länge von
40 m und einen Durchmesser von 12 m; der Gasinhalt betrug 1800 cbm.
Der Antrieb erfolgte durch zwei dreiflügelige Luftschrauben, die an
der unter dem Ballon befindlichen Starrfläche angebracht waren. Die
Übertragung des Antriebs der Schrauben von der den Motor tragenden
Gondel erfolgte durch Hanfseile. Die Starrfläche hing unterhalb des
Tragkörpers an Drahtseilen. Auf Grund der mit diesem ersten Ballon
gemachten Erfahrungen hat man die Abmessungen der späteren Ausführungen
des deutschen Militärballons erheblich vergrößert und hiermit ebenfalls
befriedigende Ergebnisse erzielt.

Neben dem Grafen Zeppelin und unabhängig von diesem hat sich der
bayrische Major von Parseval mit dem Bau eines lenkbaren Luftschiffes
beschäftigt und ist hierbei zu der unstarren Bauart gelangt. Die
Erwägungen, aus denen heraus Major Dr. v. Parseval zu dieser Bauart
sich bekannt hat, sind dem Bestreben entsprungen, in Anlehnung an
die guten Eigenschaften des Freiballons folgende Anforderungen
tunlichst zu erfüllen: einfachen Transport des Ballons bei geringer
Raumbeanspruchung, schnelle Inbetriebsetzung, Erreichung größtmöglichen
Nutzauftriebs, tunlichste Entbehrlichkeit von Hallen, schnelles
Abmontieren und Verladen. Im Innern des Ballons, an der vorderen und
hinteren Spitze, liegt je ein kleinerer Ballon, Ballonet, der bereits
von Meusnier vorgeschlagenen Art und Wirkungsweise. Diese werden
durch einen Motor mittels Luft aufgeblasen, was vom Führerstande aus
geregelt werden kann. Wird in das vordere Ballonet Luft eingeblasen,
so senkt sich die Spitze des Ballons, und umgekehrt. Auf diese
Weise kann man die Höhenlage des Ballons ändern. Am hinteren Ende
des Ballons sind dann noch zwei wagerechte und eine horizontale
Steuerfläche angeordnet. Auch die Parsevalluftschiffe, die von der
der _Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin_ nahestehenden
_Luftfahrzeug-Gesellschaft_ m. b. H. hergestellt wurden, sind in
größerer Anzahl gebaut worden.

Als der Weltkrieg begann, verfügte die deutsche Heeresleitung über neun
Zeppelin-, ein Schütte-Lanz- und ein Parseval-Luftschiff. Nach Schwarte
»Die Technik im Weltkriege« betrug die Größe der Schiffe starrer Bauart
rund 20000 bis 25000 cbm; ihre Geschwindigkeit etwa 75 km in der
Stunde, ihre Kriegsfahrthöhe höchstens 2400 m. Die Besatzung zählte 10
bis 20 Mann, an Abwurfballast wurden 800 bis 1000 kg mitgeführt. Der
Verlust einiger dieser Luftschiffe zwang, auf Mittel zu sinnen, um die
Abwehr zu erschweren und die Wirksamkeit der Angriffe zu erhöhen. Die
Zahl und Stärke der Antriebsmaschinen stieg daher schließlich auf 5
von je 240 P.S., der Rauminhalt erhöhte sich zuletzt bis auf 55000 cbm.
Man erreichte Höhen bis zu 7000 m und Geschwindigkeiten bis zu 90 km in
der Stunde und unternahm erfolgreiche Luftangriffe auf England. Trotz
dieser großartigen Fortschritte, die die Technik des Luftschiffbaus
erzielte, waren die Verluste derart groß, daß am Anfang 1917 die
völlige Einstellung der Heeresluftschiffahrt erfolgte. Nach Beendigung
des Krieges hat das lenkbare Luftschiff eine überaus erfolgreiche
Anwendung als Verkehrsluftschiff gefunden. Am 24. August 1919 nahm das
Luftschiff »Bodensee« der mit der Hamburg-Amerika-Linie verbundenen
Deutschen Luftschiffahrts A. G. (»Delag«) einen regelmäßigen
Luftverkehr zwischen Friedrichshafen am Bodensee und Staaken bei Berlin
mit 21 Passagieren auf und vollführte die Fahrt zum Teil mit mehr
als 120 km Stundengeschwindigkeit. Trotz schweren Sturmwetters legte
»Bodensee« die Hin- und Rückfahrt Berlin--Stockholm in 16 Stunden
zurück.

Die _Flugzeuge_, _Flugmaschinen_ oder _Aeroplane_ unterscheiden sich
von den Lenkballons wesentlich dadurch, daß ihr Tragkörper aus einer
oder mehreren schräg gegen die Wagerechte gestellten Flächen besteht,
die entweder eben oder gewölbt sind. Je nachdem das Flugzeug eine
oder mehrere Tragflächen besitzt, unterscheidet man _Eindecker_,
_Zweidecker_ usw. Die Vorwärtsbewegung wird entweder durch die
Schwerkraft erzielt, indem der Flieger sich mit seiner Maschine von
einem erhöhten Punkte abwärts durch die Luft dahingleiten läßt,
oder durch Luftschrauben, die durch einen Motor in Drehung versetzt
werden. Die für den ernsthaften Gebrauch in Frage kommenden Flugzeuge
sind nur solche der letzteren Art. Das Auf- oder Abwärtsfliegen wird
dadurch erreicht, daß entweder die Tragflächen selbst (ähnlich wie die
Höhensteuer der Lenkballons) oder besondere wagerechte Steuerflächen
schräg eingestellt werden. Die Steuerung in der Wagerechten, also nach
rechts oder nach links, erfolgt meist durch senkrechte Steuerflächen.
Der erste, der den Bau eines durch einen Motor angetriebenen Flugzeuges
unternahm, war der Engländer Henson, der im Jahre 1842 das Modell eines
mit einer 20pferdigen Dampfmaschine ausgestatteten Drachenfliegers
erbaute, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Das neuzeitliche Flugzeug
ist im wesentlichen aus den Arbeiten des deutschen Ingenieurs
Lilienthal und der Amerikaner Gebrüder Wilbur und Orville Wright
aufgebaut. Ersterer führte bereits im Jahre 1890 Gleitversuche
von einem besonders hierzu errichteten Abflughügel aus und befaßte
sich auch bereits mit dem Bau eines mit Motorantrieb ausgestatteten
Gleitflugzeuges. Leider wurde Lilienthal im besten Mannesalter am 12.
August 1896 das Opfer seiner bahnbrechenden Versuche. Den Gebrüdern
Wright war es beschieden, nachdem im Jahre 1896 auch durch Chanute
zahlreiche Gleitmaschinen im Gleitfluge versucht worden waren,
einen lebensfähigen Flugapparat zu bauen. Die Zahl der Bauarten von
Flugmaschinen ist eine überaus große; betrug doch nach dem Jahrbuche
der Motorluftschiff-Studiengesellschaft 1911/12 die Zahl der deutschen
Flugzeugfabriken an 20. Diesem Jahrbuch entnehmen wir auch, daß bei
dessen Abschluß die Franzosen über 1000 Flugzeugführer, die Engländer
über 300, die Deutschen über 250 verfügten.

[Illustration: Abb. 29. Blériotflieger.]

Unter den _Eindeckern_ sind hervorzuheben der Flieger des Franzosen
_Blériot_ (Abb. 29) und der _Rumpler-Eindecker_ (Abb. 30). Blériot
führte in einem seiner Eindecker am 25. Juli 1909 einen Flug über
den Kanal von Frankreich nach England aus. Er legte eine 31 km lange
Strecke in 27 Min. zurück. Die Tragfläche hatte eine Spannweite von
8,6 m und eine Breite von 1,8 m; ihr Flächenareal betrug 14 qm. An der
Stirnseite war eine zweiflügelige Luftschraube angebracht, die durch
einen dreizylindrigen Anzanimotor von 24 P.S. angetrieben wurde. Der
Motor wog einschließlich seiner 24 kg schweren Schwungscheiben 65 kg.
Die Seitensteuerung wurde durch eine am Hinterteile des Gerüstes
angebrachte senkrechte Fläche bewirkt, die Höhensteuerung durch
zwei seitlich der wagerechten Stabilisierungsfläche am Hinterende
angebrachte und um wagerechte Achsen drehbare kleine Steuerflächen. Der
gesamte Apparat wog 340 kg.

[Illustration: Abb. 30. Rumpler-Eindecker.]

Unter den deutschen Eindeckern hat sich die _Etrich-Rumpler-_»_Taube_«
durch zahlreiche mit und ohne Passagier ausgeführte weite und
schnelle Überlandflüge einen überaus vorteilhaften Ruf verschafft.
Beispielsweise legte im Juli 1913 der deutsche Militärflieger Leutnant
Joly in Begleitung des Generalstabshauptmanns Osius die 1200 km lange
Strecke Köln--Königsberg i. Pr. auf einer »Taube« in 8 Std. 5 Min.
zurück. Diese Eindecker, das Ergebnis der Arbeiten der österreichischen
Flugtechniker Igo Etrich, Fr. Wels und der Rumplerwerke zeichneten sich
durch große Stabilität und Widerstandsfähigkeit gegen Windströmungen
und Böen aus. Etrich baute außerdem einen von ihm »Schwalbe« genannten
Eindecker. Dieser unterschied sich von der »Taube« dadurch, daß das
Versteifungsgerüst der Flügel fortgefallen war und daß die Verspannung
derselben durch Drähte erfolgte. Die »Schwalbe« erreichte mit einem
65pferdigen Motor eine Geschwindigkeit von 115 km in der Stunde.
Oberleutnant Bier führte auf ihr innerhalb 28 Min. einen Höhenflug von
2400 m aus. Bei der Rumpler-»Taube« sind die Flügelrippen an ihren
Enden, um elastisch zu sein, aus Bambus hergestellt. Dasselbe ist bei
den Schwanz- und Kielflossen der Fall, die durch Verwindung ihrer
biegsamen Enden als Höhen- und Seitensteuer dienen. Neben den bereits
genannten Motoren gelangte auch der achtzylindrige wassergekühlte
Äolusmotor von Rumpler zur Verwendung.

Bei der ersten Form des Zweideckers der Gebrüder W. und O. Wright
waren die beiden übereinander liegenden Tragflächen 12,5 m lang und
2 m breit; sie waren leicht gewölbt und standen in einem Abstande von
1,8 m voneinander, der durch 16 senkrechte Streben, in zwei Reihen zu
je 8 angeordnet, gewahrt wurde. Vorn, 3,5 m vor den beiden Tragflächen
angeordnet lag das Höhensteuer. Das Seitensteuer war an der Rückseite
der Tragflächen angeordnet. Der vierzylindrige Benzinmotor von 25 P.S.
wog betriebsfähig 90 kg und war an der unteren Tragfläche angebracht:
er trieb zwei an der Rückseite der Tragfläche angeordnete Luftschrauben
von 2,8 m Durchmesser an, die 480 Umdrehungen in der Minute machten,
und zwar im entgegengesetzten Sinne. Ein solcher Apparat hatte im
betriebsfähigen Zustande ein Gewicht von 345 kg. Auf sehr glatter
Unterlage kann derselbe ohne weitere Hilfsmittel die zum Aufstieg
erforderliche Geschwindigkeit erlangen. Für gewöhnlich reichte aber
hierzu die Kraft der Luftschraube nicht aus. Um dem Apparat diese
Geschwindigkeit zu verleihen, benutzten die Gebrüder Wright bei ihren
ersten Apparaten die Zugkraft eines aus einer Höhe von 8 m fallenden
Gewichts von 700 kg. Dieses Gewicht zog den Flugapparat auf einer 20 m
langen Schiene dahin, wobei sich dessen Geschwindigkeit alsbald derart
erhöhte, daß er, nachdem die den Zug vermittelnde Schnur ausgelöst
war, sich in die Lüfte emporhob. Diese Art der Einleitung des Fliegens
war sehr umständlich und unsicher. Der Umstand, daß die Gebrüder
Wright mit einer großen Hartnäckigkeit bei demselben verblieben, hat
zur Folge gehabt, daß die Wrightsche Flugmaschine überholt wurde.
Später hat die Wrightsche Maschine sich von jeder Anfahrvorrichtung
freigemacht. Die Steuerung wird durch zwei Hebel gehandhabt. Einer
dieser Hebel ermöglichte ein Auf- oder ein Abbiegen der äußersten
Enden der Tragflächen. Werden die Hinterränder der Tragflächenenden
zur rechten Seite des Fliegers nach unten gebogen, so erfährt der
abgebogene Teil einen vergrößerten Luftwiderstand; infolgedessen
erhält die ganze rechte Hälfte des Flugzeuges Auftrieb und dreht
sich nach oben. Die entgegengesetzten Verhältnisse treten ein, wenn
die linke Tragflächenhälfte aufwärts gedreht wird. Diese erhält dann
Druck von oben und dreht sich infolgedessen nach unten. Da sich also
die Drehwirkungen der beiden Flügelenden verstärken, können auf diese
Weise äußere Kräfte, z. B. Windstöße, die das Gleichgewicht stören,
unschädlich gemacht werden.

[Illustration: Abb. 31. Albatrosdoppeldecker.]

Wie wir bereits berichteten, bedarf der heutige Wrightapparat
für die Einleitung des Fliegens nicht mehr der lebendigen Kraft
eines Fallgewichts. Dies ist dadurch erreicht, daß der Apparat auf
Räder gesetzt ist. Die Standsicherheit, die infolge Fehlens eines
Schwanzes zu wünschen übrig ließ, ist durch Hinzufügung einer
Schwanzflosse vermehrt. Bei den neuen Apparaten ist das vordre
Höhensteuer fortgefallen. Seine Aufgabe erfüllt der hinterste Teil der
Schwanzflosse, der zu diesem Zwecke biegsam gemacht wurde. Der Motor
von 30--35 P.S. macht 1325 Umdrehungen in der Minute; die Propeller
haben 2,59 m Durchmesser und machen 428 Umdrehungen in der Minute. Bei
einer besonderen Abart dem Ad Astra-Wright-Zweidecker, erfolgt der
Antrieb nur durch eine einzige Schraube.

Zu den bekanntesten Zweideckern zählen der Albatros- (Abb. 31) und der
_Voisin_-Zweidecker. Die beiden 1,5 m voneinander entfernten gewölbten
Tragflächen haben eine Breite von 2 m und eine Länge von 10 m.
Hinter dieser Hauptzelle ist eine zweite kleinere, die Steuerzelle,
angebracht. Der Apparat ruht auf vier Rädern, die um senkrechte Achsen
gedreht werden können, so daß ein Abflug und ein Landen auch bei
seitlichen Winden möglich ist.

Wenn der Flugapparat mit seinen Rädern auf dem Erdboden steht,
bilden die Flächen gegen diesen einen Winkel von 10°. Der Apparat
hebt sich vom Boden empor, wenn er eine Geschwindigkeit von 13--14 m
in der Sekunde erreicht hat. Der Motor treibt eine Schraube von 2,3 m
Durchmesser an; er macht 1100 Umdrehungen in der Minute und leistet
36--39 P.S.

Das deutsche Feldheer trat nach Schwarte »Die Technik
im Weltkriege« mit einhundertpferdigen Eindecker- und
Doppeldecker-Aufklärungsabteilungen in den Weltkrieg. Das Flugzeug
trug, abgesehen von den Brennstoffen und den beiden Insassen, an
Nutzlast nur einige leichte Bomben oder die damals übliche kleine
Kamera. Die Steigfähigkeit war so gering, daß das Erreichen der
damals kriegsmäßigen Höhe von 800 m oft kaum und nur nach längerer
Steigzeit möglich war, ein Umstand, der sich alsbald sehr nachteilig
bemerkbar machte, da in Folge der aus Erdwaffen abgegebenen Treffer
ein Fliegen in Höhen von 1200 bis 2000 m erforderlich wurde. Alsbald
stellte sich auch die Notwendigkeit heraus, Maschinengewehre in das
Flugzeug einzubauen. Hierbei wurden Einrichtungen geschaffen, die es
ermöglichten, zwischen den Propellerflügeln hindurchzuschießen, ohne
diese zu verletzen. Unter den zahllosen neuen Arten von Flugzeugen
seien das gepanzerte Infanterieflugzeug, das Großflugzeug und das
Riesenflugzeug hervorgehoben. Die mit zwei Motoren ausgestatteten
_Großflugzeuge_ besaßen eine große Tragfähigkeit (bis zu 2100 kg) und
Steigfähigkeit und gelangten sogar als Angriffsflugzeuge gegen England
zur Anwendung. Die _Riesenflugzeuge_ besaßen drei bis vier Motoren,
deren Stärke sich von 720 bis zuletzt auf 1800 P.S. steigerte. Die
Spannweite betrug bis zu 48 m; die Besatzung bestand aus 5 bis 8 Mann.
Der Betriebsstoffvorrat genügte für 8 bis 10 Flugstunden, die Nutzlast
wuchs zuletzt bis auf 6000 kg, darunter 1000 bis 1500 kg Bombenlast.
Die Geschwindigkeit betrug 110 bis 140 km in der Stunde. Die Steighöhe
des vollbelasteten Flugzeugs stellte sich bis auf 4500 m, bei
Verwendung von Gebläsen zur Konstanterhaltung der Motorleistung sogar
bis auf 6000 m.

Das Jahr 1919 brachte den Flug über den Ozean im Flugzeug. Dieser wurde
durch einen mit zwei Mann besetzten Doppeldecker innerhalb 16 Stunden
mit einer mittleren Stundengeschwindigkeit von 200 km ausgeführt.

Nach Beendigung des Weltkrieges trat das Flugzeug erfolgreich als
regelmäßiges Verkehrsmittel in Tätigkeit. Das Kabinenflugzeug
der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft hat beispielsweise
Sitzgelegenheit für 6 Reisende, entwickelt eine Geschwindigkeit
von 140 km in der Stunde und erreicht eine Höhe bis zu 4500 m. In
der Zeit vom Mai 1919 bis September 1920 haben die Zeppelin-Werke
G.m.b.H., Staaken nach dem Entwurf des Dr. Ing. Ad. K. Rohrbach
ein mit vier 240 P.S.-Maybach-Motoren ausgestattetes, 12 bis 18
Passagiere aufnehmendes, 211 km in der Stunde zurücklegendes
Eindecker-Schnellverkehrsflugzeug von 6072 kg Eigengewicht, aus
Duraluminium erbaut. Die vier voneinander völlig unabhängigen, genau
gleichen Motoranlagen sind von dem die Reisenden und die beiden Führer
ausnehmenden Mittelrumpf vollständig getrennt. Die Motoren liegen am
Vorderrande des Flügels und treiben unmittelbar je eine Zugschraube.
Für Flüge in größeren Höhen erhält das Flugzeug eine Kompressorenanlage
und kann dann eine Höhe bis zu 6100 m erreichen.

Nach fachmännischem Urteil gibt es auf der ganzen Erde keinen Ort, der
von London im Flugzeug nicht innerhalb von 5 Tagen erreicht werden
kann; so Konstantinopel in 20 Stunden, Petersburg in 18 Stunden, Berlin
in 7-1/2 Stunden, New York in 2 Tagen, Buenos Aires in 2-1/2 Tagen,
Ceylon in 2-1/2 Tagen, Kapstadt in 3 Tagen, Tokio in 4-1/2 Tagen,
Melbourne in 5 Tagen. Bei den letztgenannten Reisen muß unterwegs ein
Umsteigen in ein anderes Flugzeug erfolgen.

Die größte bisher noch nicht übertroffene Steighöhe, 10800 m,
erreichten am 31. Juli 1901 Prof. Berson und Prof. Süring mit dem
Freiballon »Preußen«.

Die Eroberung der Lüfte hat eine außerordentlich hohe Zahl von Opfern
gefordert, eine Zahl, die sich allmonatlich noch erhöht. Bis zum Anfang
des Jahres 1912 zählte man 118 Todesopfer. Das Jahr 1912 verdoppelte
diese Zahl, indem es 236 Fliegern den Tod brachte. Unter den einzelnen
Ländern steht Deutschland bezüglich der Opfer des Jahres 1912 obenan
mit 29 Toten, es folgen Frankreich mit 27, Amerika mit 18, England mit
15, Italien mit 9 Toten. Von den Unfällen entfielen 68 auf Eindecker,
50 auf Doppeldecker. Von den Getöteten waren 97 Führer und 21
Fluggäste. Die Ursachen der Abstürze bestanden meist im Abrutschen in
der Kurve, mißglücktem Gleitflug, Flügelbruch, Versagen und Explosion
des Motors.

Auch der Lenkballon hat schwere Katastrophen zu verzeichnen gehabt.
Am 9. September 1913 wurde das deutsche Marineluftschiff »L. 1« bei
Helgoland das Opfer eines Orkans, wobei 14 Mann der Besatzung den
Tod fanden. Fünf Wochen später, am 17. Oktober, stürzte das deutsche
Marineluftschiff »L. 2« bei Johannisthal infolge einer Explosion
ab, wobei die gesamte Besatzung sowie die Abnahmekommission des
Reichsmarineamts, insgesamt 27 Personen, getötet wurden.

Trotz dieser an und für sich erheblich erscheinenden Zahl von Unfällen,
die während des Krieges sich naturgemäß vervielfacht haben, hat die
Sicherheit des Fliegens im Laufe der Zeit außerordentlich zugenommen.
Während im Jahre 1908 ein Todesfall auf 2000 Flugkilometer entfiel,
stieg letztere Zahl im Jahre 1909 schon auf 18000 Flugkilometer,
und im Jahre 1912 betrug sie 171000, so daß innerhalb von 5 Jahren
die Sicherheit sich um das Fünfundachtzigfache erhöhte. In Amerika
ereignete sich vom 1. Januar bis zum 26. Dezember 1916 bei 73
Flugzeugen und 402000 km kein tödlicher Unfall.



X. Technische Kriegsleistungen.


Der Weltkrieg ist im Gegensatz zu den früheren Kriegen wesentlich mit
technischen Mitteln ausgefochten worden. Wenn der Sieg sich schließlich
nicht den deutschen Waffen zugewendet hat, so trägt die deutsche
Technik hieran nicht die Schuld: Vom ersten bis zum letzten Kampftage
war sie zu Lande, über und unter Wasser, in den Lüften der Technik
unserer Feinde nicht nur dauernd gleichwertig, sondern vielfach weit
überlegen. Die Tätigkeit der Technik war sowohl an der Front wie in
der Heimat dauernd eine auf das äußerste angestrengte. Immer und immer
wieder wurde sie vor neue gewaltige Aufgaben gestellt. Zunächst war der
Aufmarsch der Millionenheere mit ihren ins Ungemessene gesteigerten
Mengen an Munition und sonstigem Kriegsgerät zu bewirken, eine
Aufgabe, die sich für das an verschiedenen weit voneinander entfernten
Fronten kämpfende deutsche Heer besonders schwierig gestaltete. Der
Bewegungskrieg, der 1866 und 1870/71 eine schnelle Entscheidung
herbeigeführt hatte, wurde durch den Stellungskrieg ersetzt. Dieser
erforderte Waffen und Kriegsgerät, das als längst überwunden und
veraltet galt und den Verhältnissen der Jetztzeit binnen kürzester
Frist angepaßt werden mußte: Hand- und Gewehrgranaten, Minen-,
Granaten- und Flammenwerfer, giftige Gase bildeten die Waffen des den
Fernkampf ersetzenden Nahkampfes.

Die giftigen Gase wurden entweder den Artilleriegeschossen beigegeben
oder unter Ausnutzung der Windrichtung als zusammenhängende Wolke in
großer Frontbreite gegen den Feind vorgetrieben. Eine giftige Wirkung
trat bereits bei den gebräuchlichen mit Pikrinsäure und Trinitrotuluol
gefüllten Geschossen nebenbei auf, die u. a. Kohlenoxyd bildeten. Bei
der planmäßigen Verwendung giftiger Gase beschränkte man sich zunächst
darauf, den Gegner durch starke Reizung der Schleimhäute des Rachens,
der Augen und der Nase zeitweilig kampfunfähig zu machen. Alsbald aber
ging man zu Gasen mit tödlicher, mindestens aber gesundheitsschädlicher
Wirkung über, wie Chlor, Phosgen, Chlorpikrin, Perstoff (perchlorierter
Ameisensäuremethylester). Sorgfältig abgedichtete Gasmasken gewährten
zwar einen gewissen Schutz, bildeten aber ein starkes Hindernis der
Bewegungsfreiheit des einzelnen Mannes.

Trotz der erhöhten Bedeutung des Nahkampfes erforderten aber die
Umstände auch eine wesentliche Erhöhung der Leistung der Schußwaffen
bezüglich der zu bestreichenden Entfernungen wie bezüglich der
Schußfolge. Für die Heranschaffung der gewaltig gesteigerten
Munitionsmengen trat daher das Kraftfahrzeug an die Stelle des allzu
wenig leistungsfähigen Zugtieres.

Plötzlich erschien zuletzt der eigenbewegte Panzerkampfwagen, der
Tank, an der Front und mußte mit neuen Mitteln abgewehrt werden. Der
Aufklärungsdienst verlangte Geschwader von Flugzeugen und Luftschiffen
der verschiedensten Art. Die Nachrichtenübermittelung von der
Heeresleitung zu den Stäben der einzelnen Heeresabteilungen und von
diesen zur Front erforderte eine bisher unbekannte Ausgestaltung der
Telegraphie, der Telephonie, der Signalgebung.

Der Seekrieg verlangte insbesondere den Bau zahlreicher seetüchtiger
Unterseeboote mit großem Deplacement und weitem Aktionsradius. Die
ersten Anfänge des Baues von Unterseebooten gehen bis auf Fulton, den
Schöpfer des ersten brauchbaren Dampfschiffes, zurück, dem es im Jahre
1801 gelang, bei Havre vier Stunden unter Wasser zu verbleiben. Seine
Erfindung geriet aber in Vergessenheit und wurde erst im Jahre 1848
durch Wilhelm Bauer wieder aufgenommen. Das von diesem erbaute U-Boot
versank im Jahre 1851 im Kieler Hafen. Als gegen Ende der achtziger
Jahre des vorigen Jahrhunderts die Torpedos sich als brauchbare Waffe
erwiesen, begann Frankreich mit dem Bau der U-Boote, und im Laufe
der Jahre entwickelten sich diese zu einem überaus leistungsfähigen
Kampfmittel. Das moderne U-Boot wird entweder als eigentliches
Unterseeboot oder als Tauchboot benutzt. Im ersteren Falle wird es
vollständig unter die Wasserfläche versenkt, im letzteren Falle nur
so weit, daß es teilweise aus dem Wasser hervorragt. Als Unterseeboot
bewegt es sich in der Nähe des Feindes, als Tauchboot bewegt es sich
auf dem Marsche. Um das Boot mehr oder weniger zu versenken, wird
in dessen Ballasttanks Wasser eingelassen, das wieder ausgepumpt
wird, wenn ein Emporsteigen beabsichtigt wird. Demgemäß besteht das
Unterseeboot aus dem sog. Druckkörper und der diesen umgebenden Hülle,
die den Ballasttank bildet. In dem Druckkörper sind die Maschinen,
die für die Schiffsführung erforderlichen Apparate, die Mannschafts-
und die Provianträume untergebracht. Für die Unterwasserfahrt dienen
mittels Akkumulatoren gespeiste elektrische Maschinen, für die
Marschfahrt hat sich der Dieselmotor eingeführt. Hatten die ersten
von uns erwähnten französischen U-Boote nur eine Wasserverdrängung
von 30 t, so hat Deutschland es während des Krieges auf Boote von
über 2000 t und von einem größten Fahrbereich von 25000 Seemeilen
gebracht. Fast wäre es den deutschen U-Booten gelungen, unsere
Gegner, insbesondere England durch Mangel an Nahrungsmitteln und
Rohstoffen niederzukämpfen. Haben doch die feindlichen und neutralen
Handelsflotten nach dem Taschenbuch der Kriegsflotten 1917/18 durch
kriegerische Maßnahmen, vor allem durch die U-Boote vom 1. August
1914 bis zum 1. Dezember 1917 insgesamt einen Verlust von 13212000 t
erlitten.

Als unsere Heere siegreich Hunderte von Kilometern in Feindesland
vordrangen, galt es, zahlreiche planmäßig gründlichst zerstörte Brücken
binnen kürzester Frist mit den einfachsten Mitteln wiederherzustellen.

Diesen Frontleistungen schlossen sich die Leistungen der Heimat
würdig an. Der Nachschub der Mannschaften, der Munition und der
Verpflegungsmittel, der Rücktransport der Verwundeten vollzog sich
mit sorgfältigst vorbereiteter Pünktlichkeit. Zahlreiche Groß- und
Kleinbetriebe stellten sich von der Friedensarbeit auf die Erzeugung
von Kriegsmaterial um. Hierbei traten Tausende von Frauen willig und
erfolgreich an die Stelle der an der Front kämpfenden Männer in den
Dienst der ungewohnten gefahrvollen Maschinenarbeit. Als die Einfuhr
der wichtigsten Roh- und Fertigstoffe abgeschnitten war, hieß es, mit
Hilfe der zur Verfügung stehenden knappen, oft völlig ungeeigneten
Mittel Ersatzstoffe schaffen. Aus der Zahl der Kriegsleistungen,
die wir hier oberflächlich gemustert haben, mögen einige besonders
bemerkenswerte näher erläutert werden.

Eine große Überraschung, die die deutsche Technik unseren Feinden
bereitet hat, ereignete sich am 23. März 1918: an diesem Tage schlug
das erste Geschoß des _deutschen Ferngeschützes_ in Paris ein. In der
Ballistik war man der unzutreffenden Auffassung gewesen, daß selbst
bei der höchsten möglichen Steigerung der Anfangsgeschwindigkeit des
Geschosses die Schußweite nicht diejenige Größe überschreiten könne,
die die Rechnung für den günstigsten Fall, nämlich unter Zugrundelegung
luftleeren Raumes, bei einem Steigungswinkel von 45° ergab.
Gelegentlich eines Versuchs stellte sich aber heraus, daß eine weit
größere Schußweite bei einem Steigungswinkel von 50° zu erreichen ist,
eine Folge des Umstandes, daß das mit größerer Elevation abgeschossene
Geschoß sich alsbald in einer Luftschicht geringerer Dichte befindet,
in der der Widerstand der Luft ihm nicht entgegenwirkt. Das
Ferngeschütz war ein Erzeugnis der Fried. Krupp-Aktien-Gesellschaft zu
Essen und verdankte seine Entstehung und Durchbildung dem Professor
_Rausenberger_. Der Aufstellungsort desselben lag 120 km entfernt
von Paris. Der Scheitelpunkt des Geschosses lag bei Nanteuil 40 km
über der Erde. Die Anfangsgeschwindigkeit betrug 1500 m; diese wurde
dadurch erreicht, daß das Rohr eine Länge von 100 Kalibern, nämlich
bei einem Kaliber von 21 cm eine Länge von etwa 20 m erhielt, wodurch
die Ausnutzung des vollen Gasdruckes ermöglicht wurde. Die Flugzeit
des Geschosses wurde zu 3 Minuten und 10 Sekunden berechnet. Das
Geschoß wog etwa 100 kg. Das Gewicht der Pulverladung, das sonst
im allgemeinen 1/4 bis 1/3 des Geschoßgewichtes ausmacht, betrug ein
Mehrfaches des Geschoßgewichtes. Besondere Schwierigkeiten bereitete
die Führung des Geschosses in dem Rohre, da das Rohrinnere sich stark
abnutzte. Infolgedessen bestand die Gefahr, daß die Pulvergase zwischen
Rohrwand und Geschoß hindurchschlugen, und der Verbrennungsraum nach
jedem Schuß sich erheblich vergrößerte. Um jedesmal die gleiche
Anfangsgeschwindigkeit zu erzielen, mußte die Ladung nach jedem Schuß
neu berechnet werden. Die Sprengladung des Geschosses betrug etwa 8 kg.
Da es nicht ausgeschlossen war, daß das Geschoß vom Scheitelpunkte
seiner Flugbahn ab nicht mehr mit der Spitze voraus fliegen, also mit
seinem Boden auf das Ziel auftreffen werde, mußte ein besonderer
Zünder ersonnen werden. Die Zeitdauer des Fluges war so erheblich, daß
bei dem Richten des Geschützes die Drehung der Erde berücksichtigt
werden mußte. Auch machte sich infolge der großen Schußweite die
Krümmung der Erdoberfläche geltend, infolgedessen das Ziel 1-1/2 km
unterhalb der in dem Geschützstande gezogenen Wagerechten lag.

Eine nicht minder große Überraschung wurde unseren Feinden durch die
Amerikafahrt des _Handels-U-Bootes_ »_Deutschland_« bereitet, nachdem
kurz zuvor die Fachleute eine derartige Leistung in das Reich der Fabel
verwiesen hatten. Dieses Handels-U-Boot, das auf der Germaniawerft in
Kiel erbaut wurde, verdankte seine Entstehung dem Bremer Großkaufmann
_Alfred Lohmann_. Sein Führer war der Lloyd-Kapitän König. Das Schiff
hatte eine Länge von 63 m, eine größte Breite von 8,9 m, einen Tiefgang
bei der Oberwasserfahrt von 4,5 m, eine Wasserverdrängung von 1900 t
und verfügte bei einer Stundengeschwindigkeit von 8 Knoten über einen
Aktionsradius von 20000 Seemeilen.

Eine andere überraschende Kriegsleistung ging von unseren Feinden
aus. Sie bestand in der _gepanzerten Kampfmaschine_, dem Tank, der
zum ersten Male im September 1916 in der Schlacht zwischen Pozières
und dem Lenzwalde in die Erscheinung trat und dann bei den Offensiven
des Jahres 1917 bei Arras und Cambrai in größeren Massen eingesetzt
wurde. Ein solcher Tank bewegt sich nicht auf Rädern fort, sondern
auf beiderseits angebrachten endlosen Ketten, sog. Raupenketten
oder Raupentrieben, die breite Platten tragen, die sich auf dem
Erdboden aufsetzen. Durch diese Raupenketten wird das Eindringen des
Fahrzeuges in weichen Boden verhindert, außerdem aber wird der Tank
befähigt, größere Unebenheiten des Geländes, Trichter, Gräben usw. zu
überschreiten. Die Engländer, die diese mit Benzinmotoren angetriebenen
Kampfmaschinen zuerst benutzten, unterschieden männliche und weibliche
Tanks; erstere bargen zwei Geschütze in sich, letztere waren mit
Maschinengewehren besetzt. Unsere Artillerie hatte sich bald auf die
Abwehr der Tanks derart eingestellt, daß z. B. bei Cambrai von etwa
dreihundert Panzerkampfwagen einhundertundsieben vernichtet wurden.
Der Name »Tank« war, wie nebenbei bemerkt sei, gewählt, um deren
heimlich bewirkten Bau zu verschleiern und die Auffassung zu erwecken,
es handele sich um fahrbare große Behälter für Betriebsstoffe. Die
deutsche Technik erschien alsbald ebenfalls mit Tanks auf den
Schlachtfeldern. Diese hatten eine Besatzung von 18 Mann und führten
sechs schwere Maschinengewehre, ein 5,7 cm Schnellfeuergeschütz,
einige leichte Maschinengewehre, Flammenwerfer und Handgranaten. Ihre
Panzerung war an den Stirnwänden 30 mm, an den Seitenwänden 20 mm
stark, ihre Geschwindigkeit betrug bis zu 12 km in der Stunde. Wie das
Kriegsluftschiff und das Kriegsflugzeug nach Beendigung des Krieges
sich in den Dienst friedlicher Arbeit gestellt haben, so verrichtet
auch der Tank jetzt nützliche Arbeit dort, wo es sich darum handelt,
große Lasten über zerklüftetes Gelände sowie über starke Steigungen zu
befördern.

Zu den größten Ruhmestaten der deutschen Technik, die der Weltkrieg
gezeitigt hat, gehört die Vervollkommnung der Gewinnung des
_Stickstoffs aus der Luft_ und die _Synthese des Ammoniaks_. Ihnen
haben wir es zu verdanken, daß wir nicht bereits wenige Monate nach
Ausbruch des Krieges dem Hunger und dem Munitionsmangel erlegen sind.
Als über unsere Küsten die Blockade verhängt war, blieb u. a. auch der
chilenische Salpeter aus, der alljährlich in einer Menge von 700000 t
eingeführt wurde. Von dieser Menge waren vier Fünftel für unsere
Landwirtschaft erforderlich, um uns eine ausreichende Ernte zu sichern.
Nun erforderte aber auch die Herstellung der wichtigsten an der Front
benötigten Explosivstoffe, Pulver, Schießbaumwolle usw. große Mengen
der aus Salpeter gewonnenen Salpetersäure. Durch das Ausbleiben des
Chilesalpeters würde daher unser Zusammenbruch alsbald herbeigeführt
sein, hätte nicht die Gewinnung des Luftstickstoffes und die Synthese
des Ammoniaks, dessen hohe Bedeutung für die Landwirtschaft bereits
Liebig erkannte, mit durchschlagendem Erfolge rechtzeitig für Ersatz
gesorgt und uns sogar dauernd vom Auslande unabhängig gemacht.

Die _Gewinnung des Stickstoffs der Luft_ vollzieht sich durch Bindung
desselben an Sauerstoff, also durch Stickstoffverbrennung. Nachdem
bereits _Priestley_ und _Cavendish_ beobachtet hatten, daß Stickstoff
und Sauerstoff unter der Einwirkung des elektrischen Funkens sich
vereinigen, wies _Nernst_ nach, daß diese Vereinigung wesentlich von
der Temperatur beeinflußt wird. _Birkeland_ und _Eyde_ fanden, daß der
in ein magnetisches Feld gebrachte Lichtbogen sich zu einer Scheibe
erweitert, die ein vorzügliches Mittel zur Oxydation des 80 Teile der
Luft bildenden Stickstoffs darstellt. Diese Flamme wird in einem
Ofen zwischen kupfernen, wassergekühlten Elektroden erzeugt, und
gleichzeitig werden pro Minute 25000 Liter Luft durch den Flammenraum
des Ofens geleitet. Alsdann wird die Luft schnell abgekühlt und in
Oxydationsbehälter geleitet, in denen sich das Stickstoffoxyd, indem es
aus der Luft Sauerstoff aufnimmt, in Stickstoffdioxyd verwandelt. In
einer Absorptionsvorrichtung wird das Stickstoffdioxyd in Salpetersäure
überführt, die an Kalk gebunden wird. Das Kalziumnitrat wird alsdann
entweder zur Darstellung von Salpetersäure oder als Düngemittel
verwendet. _Otto Schönherr_ von der Badischen Anilin- und Sodafabrik
hat ein anderes vorteilhafteres Verfahren gefunden, bei welchem
im Inneren eines Eisenrohres von relativ geringem Durchmesser der
elektrische Lichtbogen erzeugt wird. Durch das Rohr wird zugleich Luft
geleitet und mit dem Lichtbogen in Berührung gebracht.

Nach dem Verfahren von Dr. _Frank_[dagger] und Dr. _Caro_, Berlin, dem
»Kalkstickstoff-Verfahren«, wird fein gepulvertes Kalziumkarbid in
einer geschlossenen Retorte auf Rot- bis Weißglut erhitzt und reiner
Stickstoff darüber geleitet. Dieser wird hier begierig absorbiert.
Der Stickstoff wird entweder in der Weise dargestellt, daß Luft über
glühende Kupferspäne geleitet wird, die den Sauerstoff binden, oder man
benutzt aus flüssiger Luft dargestellten Stickstoff. Durch Behandlung
mit Wasserdampf unter Druck kann der an den Kalkstickstoff gebundene
Luftstickstoff in Form von Ammoniak gewonnen werden.

Die _Synthese des Ammoniaks_ verwirklicht zu haben, ist das Verdienst
des für diese Leistung mit dem Chemie-Nobelpreis 1918 bedachten
Professors Dr. _Haber_ von der Berliner Universität. Wie sich unter
dem Einfluß des elektrischen Funkens Stickstoff mit Sauerstoff
vereinigt, so verbindet sich unter ähnlichen Bedingungen Stickstoff mit
Wasserstoff zu Ammoniak. Das Verfahren, das von Haber in Gemeinschaft
mit der Badischen Anilin- und Sodafabrik zu einem _Großbetrieb_
von höchster Leistungsfähigkeit vervollkommnet ist, bot besondere
Schwierigkeiten, weil es Drucke bis zu 250 Atm. und Temperaturen
zwischen 500 bis 700° erfordert. Auch sind für die Vergrößerung der
Reaktionsgeschwindigkeit besonders geeignete sog. Katalysatoren nötig.
Nach Überwindung aller dieser Hindernisse ist uns in der Synthese des
Ammoniaks ein weiteres sicheres Mittel gegeben, unserer Landwirtschaft
den ausländischen Salpeterstickstoff zu ersetzen, der uns vor dem
Weltkriege alljährlich bis zu 180 Mill. Mk. kostete.



    =Am sausenden Webstuhl der Zeit.= Übersicht über Wirkungen der
    Entwicklung d. Naturwissenschaften u. Technik a. d. gesamte
    Kulturleben. Von Prof. Dr. _W. Launhardt_. 4. Aufl. Mit 16 Abb.
    (ANuG Bd. 23.) Kart. M. 10.--, geb. M. 12.--

    Ein geistreicher Rückblick auf die Entwicklung der
    Naturwissenschaften und der Technik, der die Weltwunder
    unserer Zeit verdankt werden, über die naturwissenschaftlichen
    Entdeckungen, die die Sinne verschärfen und vervollkommnen,
    wie über die Erfindungen, die unsere Herrschaft über den
    Raum in ungeahnter Weise ausgebreitet haben, die modernen
    Schußwaffen, wie die Fernrohre, die Eisenbahnen, Dampfschiffe und
    Luftfahrzeuge.


    =Naturwissenschaft und Technik der Gegenwart.= Eine akademische
    Rede mit Zusätzen von Prof. Dr. _R. v. Mises_. (Abhandlungen
    und Vorträge a. d. Gebiete der Mathematik, Naturwissenschaft u.
    Technik, Heft 8.) M. 8.--

    In fesselnder Darstellung führt der bekannte Gelehrte die große
    Bedeutung vor Augen, die den neuesten naturwissenschaftlichen
    Forschungen innerhalb unseres gesamten geistigen Lebens zukommt
    und zeigt, in welchem Verhältnis diese zu den sich überstürzenden
    technischen Fortschritten stehen. Dabei werden vor allem auch die
    Grundgedanken der Relativitätstheorie und der modernen Atomistik
    gemeinverständlich dargelegt.


    =Antike Technik.= Sieben Vorträge von Geh. Oberreg.-Rat Prof. Dr.
    _H. Diels_. 2. Aufl. Mit 78 Abbild., 18 Taf. u. 1 Titelbild. Geh.
    M. 30.--, geb. M. 40.--

    »... In meisterhafter Weise und mit erstaunlicher Beherrschung
    auch abgelegener kulturgeschichtlicher Gebiete aller Zeiten,
    zugleich in ausgeprägt praktischem Sinn hat Diels es verstanden,
    ein Stück großer Vergangenheit wieder zu erschließen.«

    (=Neue Jahrbücher.=)


    =Physik und Kulturentwicklung= durch technische und
    wissenschaftliche Erweiterung der menschlichen Naturanlagen. Von
    Geh. Hofrat Prof. Dr. _Otto Wiener_. 2. Aufl. Mit 72 Abb. Geh. M.
    24.--, geb. M. 35.20

    »Es ist konzentriertes Wissen, das uns hier geboten wird, die
    Zusammenfassung der Erkenntnisse und der bisher erzielten
    höchsten Leistungen auf allen Gebieten der Naturwissenschaft und
    Technik, ein Spiegelbild des Kulturfortschrittes der Menschheit,
    soweit es mit Physik zusammenhängt.«

    (=Helios.=)


    =Der Brückenbau.= Ein Nachschlagebuch für die Praxis und
    Leitfaden für den technischen Unterricht. Von Gewerbeschulrat
    Reg.-Baumeister Baugewerkschuldirektor _A. Schau_. Mit 728 Abb.
    und 6 Tafeln. Geb. M. 64.--

    »Die Darstellung ist bei aller Knappheit leicht verständlich
    und deutlich und sind gute, klare und einfache Abbildungen
    beigegeben. Das vorliegende Buch kann jedem Praktiker bestens
    empfohlen werden.«

    (=Zeitschr. d. österreich. Ingenieur- und Architektenvereins.=)


    =Der Eisenbahnbau.= Ein Nachschlagebuch für die Praxis und ein
    Leitfaden für den technischen Unterricht. Von Gewerbeschulrat
    Reg.-Baumeister Baugewerkschuldirektor _A. Schau_. 2 Teile in
    einem Bande. Mit 477 Abb. im Text und auf 1 Tafel. Geb. M. 66.70

    »Die Behandlung des Stoffes ist klar und übersichtlich.
    Die beigefügten Skizzen sind sauber und deutlich mit den
    erforderlichen Maßen wiedergegeben. Das Buch kann sowohl für
    Lehrzwecke als für die Praxis des Eisenbahnwesens nur warm
    empfohlen werden.«

    (=Polytechnikum.=)


    =Deutsche Baukunst.= Von Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. _Ad. Matthaei_.
    4 Bd. Kart. je M. 10.--, geb. je M. 12.--

    Bd. I: =Deutsche Baukunst im Mittelalter. Von den Anfängen bis
    zum Ausgang der romanischen Baukunst.= 4. Aufl. Mit 35 Abb.
    (ANuG Bd. 8.) Bd. II: =Gotik und Spätgotik.= 4. Aufl. Mit 67
    Abb. und 3 Tafeln. (ANuG Bd. 9.) Bd. III: =Deutsche Baukunst
    in der Renaissance und der Barockzeit bis zum Ausgang des 18.
    Jahrhunderts.= 2. Aufl. Mit 63 Abb. u. Tafeln. (ANuG Bd. 326.)
    Bd. IV: =Deutsche Baukunst im 19. Jahrhundert und der Gegenwart.=
    2. Aufl. Mit 35 Abb. (ANuG Bd. 781.)

    »In bündiger, überaus verständlicher Sprache entrollt der
    Verfasser die Entwicklungsgeschichte der deutschen Baukunst. Das
    Buch ist so recht geeignet, das zu erfüllen, was der Verfasser
    desselben ausspricht: >Den Laien Klarheit schaffen über die
    Fragen der Baukunst und die Künstler auf jene Zeit hinweisen, in
    der die Baukunst der Ausdruck deutschen Wesens war.<«

    (=Kunst und Handwerk.=)

Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin

Preisänderung vorbehalten



    Weitere Anmerkungen zur Transkription


    Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde stillschweigend
    korrigiert, die Streckenstriche (--) wurden vereinheitlicht.

    Die Auszeichnung der Maßeinheiten (mm, cm, m, km, qm, ha, qkm,
    l, cbm, kg, t, P.S., C), römischen Zahlen und von _Dr._ wurde
    entfernt.

    Korrekturen:

    S. 4: Seitenzahl _87_ zu _88_
      Starre Luftschiffe      _88_

    S. 7: _drathlose_ zu _drahtlose_
      ... auf die _drahtlose_ Telegraphie,

    S. 16: _lüsteten_ zu _lüfteten_
      ... und _lüfteten_ hierbei den auf dem Gerüst ruhenden Träger ...

    S. 27: _menschlischen_ zu _menschlichen_
      die Lampen und die menschlichen Ausdünstungen ...

    S. 33: _letzere_ zu _letztere_
      ... letztere für einen Niveaukanal.

    S. 40: _insbebesondere_ zu _insbesondere_
      insbesondere die Baggerarbeiten ...

    S. 42: _könnnen_ zu _können_
      sie können einen ganzen Schleppzug ...

    S. 45: Absolute Zahlen und Prozentangaben bei Frankreich und
      Schweden sind unstimmig (wurden unverändert belassen).

    S. 45: _PS_ zu _P.S._
      Wasserkräfte in _P.S._
      ... nur 0,02 _P.S._ auf den Kopf der Bevölkerung,

    S. 48: _Edertalspeere_ zu _Edertalsperre_
      Das größte Staubecken Europas ist die _Edertalsperre_

    S. 49: _Hohe_ zu _Höhe_
      Die Sperrmauer hat eine Höhe von 48 m ...

    S. 53: _PS._ zu _P.S._
      Die Übertragung von 300 _P.S._ erfolgte hier mit 8000 Volt ...

    S. 61: _besonderen_ zu _besonderem_
      Von _besonderem_ Interesse ist die am 1. Juli 1913 ...

    S. 85: _Dis_ zu _Die_
      _Die_ Länge des Schiffes beträgt 276 m;

    S. 92: _Ausstieg_ zu _Aufstieg_
      ... am 17. Oktober 1911 den ersten _Aufstieg_ unternommen hatte,

    S. 102: _Dampfchiffes_ zu _Dampfschiffes_
      den Schöpfer des ersten brauchbaren _Dampfschiffes_,





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