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Title: Martin Luthers Geistliche Lieder
Author: Luther, Martin
Language: German
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       *       *       *       *       *



  Martin Luthers

  Geistliche Lieder

  Im Insel-Verlag zu Leipzig



Inhalt


Luthers Vorrede zum Waltherschen Chorgesangbüchlein 1524       3

Luthers Vorrede auf alle gute Gesangbücher (aus Walthers
Lob und Preis der löblichen Kunst Musica 1538)                 5

Ein neu Lied von den zween Märterern Christi, zu Brüssel
von den Sophisten zu Löwen verbrannt 1523                      7

Ein Danklied für die höchsten Wohltaten, so uns Gott in
Christo erzeigt hat 1523                                      11

Der zwölfte Psalm 1523                                        13

Der vierzehnte Psalm 1523                                     15

Der 130. Psalm 1523                                           16

Der 67. Psalm 1523/24                                         17

Der 128. Psalm 1524                                           18

Der 124. Psalm 1524                                           19

Ein Lobgesang von der Geburt Christi, vielleicht Weihnachten
1523                                                          20

Hymnus: Veni redemptor gentium 1524                           21

Der Hymnus: A solis ortus 1524                                22

Ein Lobsang auf dem Osterfest 1524                            24

Der Lobsang: Christ ist erstanden, gebessert 1524             24

Der Hymnus: Veni creator spiritus 1524                        26

Der Gesang: Veni sancte spiritus 1524                         27

Der Lobgesang: Nu bitten wir den heiligen Geist 1524          28

Das Lied S. Johannis Huß, gebessert 1524                      29

Der Gesang: Gott sei gelobet 1524                             30

Der Lobsang: Mitten wir im Leben sind 1524                    31

Die zehen Gebot Gottes, auf den Ton: In Gottes Namen fahren
wir 1524                                                      33

Die zehen Gebot aufs kürzeste 1524                            35

Das deutsche Patrem 1524                                      36

Gott der Vater wohn' uns bei 1524                             37

Der Lobgesang Simeonis: Nunc dimittis 1524                    37

Das deutsche Sanctus 1526                                     38

Te Deum laudamus 1527                                         39

Der 46. Psalm: Deus noster refugium et virtus 1527 oder 29    40

Da pacem Domine, Deutsch 1529                                 42

Ein Kinderlied auf die Weihnacht Christi 1535                 42

Ein Lied von der heiligen christlichen Kirchen, aus dem
12. Kapitel Apokalypsis 1535                                  44

Gloria in excelsis deo ca. 1536                               46

Das Vaterunser, kurz ausgelegt und in Gesangsweise gebracht
1539                                                          47

Der Hymnus: Hostis Herodes, in Ton: A solis ortus 1541        49

Ein geistlich Lied von unser heiligen Taufe 1541              50

Hymnus: O Lux beata, verdeutscht 1542                         52

Ein ander Christlied 1542                                     53

Ein Kinderlied, zu singen wider die zween Erzfeinde Christi
und seiner heiligen Kirchen, den Papst und Türken 1542        54

Nachwort                                                      55



Luthers Vorrede zum Waltherschen Chorgesangbüchlein.


Daß geistliche Lieder singen gut und Gott angenehme sei, acht'
ich, sei keinem Christen verborgen, dieweil idermann nicht allein
das Exempel der Propheten und Könige im alten Testament (die mit
singen und klingen, mit dichten und allerlei Saitenspiel Gott
gelobt haben) sondern auch solcher Brauch sonderlich mit Psalmen
gemeiner Christenheit von Anfang kund ist. Ja, auch St. Paulus
solchs 1. Cor. 14 einsetzt und zu den Kollossern gebeut, von
Herzen dem Herrn [zu] singen geistliche Lieder und Psalmen: auf
daß dadurch Gottes Wort und christliche Lehre auf allerlei Weise
getrieben und geübt werden.

Demnach hab ich auch, samt etlichen andern, zum guten Anfang und
Ursach zu geben denen, die es besser vermügen, etliche geistliche
Lieder zusammen bracht, das heilige Evangelion, so itzt von
Gottes Gnaden wieder aufgangen ist, zu treiben und in Schwang zu
bringen, daß wir auch uns möchten rühmen, wie Moses in seim
Gesang tut, Exodus 15, daß Christus unser Lob und Gesang sei, und
nichts wissen sollen, zu singen noch zu sagen, denn Jesum
Christum, unsern Heiland, wie Paulus sagt 1. Cor. 2.

Und sind dazu auch in vier Stimme bracht, nicht aus anderer
Ursach, denn daß ich gerne wollte, die Jugend, die doch sonst
soll und muß in der Musica und andern rechten Künsten erzogen
werden, etwas hätte, damit sie der Buhllieder und fleischlichen
Gesänge los worde und an derselben statt etwas Heilsames lernete
und also das Gute mit Lust, wie den Jungen gebührt, einginge.
Auch daß ich nicht der Meinung bin, daß durchs Evangelion sollten
alle Künste zu Boden geschlagen werden und vergehen, wie etliche
Abergeistlichen furgeben; sondern ich wollt alle Künste,
sonderlich die Musica gerne sehen im Dienst des, der sie geben
und geschaffen hat. Bitte derhalben, ein iglicher frummer Christ
wollt solchs ihm lassen gefallen und, wo ihm Gott mehr oder
desgleichen verleihet, helfen fodern. Es ist sonst leider alle
welt all zu laß und zu vergessen, die arme Jugend zu ziehen und
lehren, daß man nicht allererst darf auch Ursach dazu geben. Gott
geb uns seine Gnade. Amen.



Vorrede auf alle gute Gesangbücher.

_Frau Musica._


    Für allen Freuden auf Erden
    Kann niemand kein feiner werden,
    Denn die ich geb mit meim Singen
    Und mit manchem süßen Klingen.

    Hie kann nicht sein ein böser Mut,
    Wo da singen Gesellen gut;
    Hie bleibt kein Zorn, Zank, Haß noch Neid,
    Weichen muß alles Herzeleid;
    Geiz, Sorg und was sonst hart anleit,
    Fährt hin mit aller Traurigkeit.

    Auch ist ein Jeder des wohl frei,
    Daß solche Freud kein Sünde sei,
    Sondern auch Gott viel baß gefällt,
    Denn alle Freud der ganzen Welt:
    Dem Teufel sie sein Werk zerstört
    Und verhindert viel böser Mörd.

    Das zeugt Davids, des Kön'ges, Tat,
    Der dem Saul oft gewehret hat
    Mit gutem süßen Harfenspiel,
    Daß er in großen Mord nicht fiel.

    Zum göttlichen Wort und Wahrheit
    Macht sie das Herz still und bereit,
    Solchs hat Elisäus bekannt,
    Da er den Geist durchs Harfen fand.

    Die beste Zeit im Jahr ist mein,
    Da singen alle Vögelein,
    Himmel und Erden ist der voll,
    Viel gut Gesang da lautet wohl.
    Voran die liebe Nachtigall
    Macht alles fröhlich uberall
    Mit ihrem lieblichen Gesang,
    Des muß sie haben immer Dank.

    Viel mehr der liebe Herre Gott,
    Der sie also geschaffen hat,
    Zu sein die rechte Sängerin,
    Der Musica ein Meisterin.
    Dem singt und springt sie Tag und Nacht,
    Seins Lobes sie nichts müde macht:
    Den ehrt und lobt auch mein Gesang
    Und sagt ihm ein ewigen Dank.



Ein neu Lied von den zween Märterern Christi, zu Brussel von den
Sophisten zu Löwen verbrannt.


    Ein neues Lied wir heben an,
    Des walt Gott, unser Herre,
    Zu singen, was Gott hat getan
    Zu seinem Lob und Ehre:
    Zu Brussel in dem Niederland
    Wohl durch zween junge Knaben
    Hat er sein Wundermacht bekannt,
    Die er mit seinen Gaben
    So reichlich hat gezieret.

    Der erst recht wohl Johannes heißt,
    So reich an Gottes Hulden,
    Sein Bruder Heinrich nach dem Geist,
    Ein rechter Christ ohn Schulden:
    Von dieser Welt gescheiden sind,
    Sie han die Kron erworben,
    Recht wie die frummen Gotteskind'
    Für sein Wort sind gestorben,
    Sein Märt'rer sind sie worden.

    Der alte Feind sie fangen ließ,
    Erschreckt' sie lang mit Dräuen,
    Das Wort Gotts er sie leugnen hieß,
    Mit List auch wollt sie täuben.
    Von Löwen der Sophisten viel,
    Mit ihrer Kunst verloren,
    Versammlet er zu diesem Spiel,
    Der Geist sie macht zu Toren,
    Sie kundten nichts gewinnen.

    Sie sungen suß, sie sungen saur,
    Versuchten manche Listen.
    Die Knaben stunden wie ein Maur,
    Verachten die Sophisten.
    Den alten Feind das sehr verdroß,
    Daß er war uberwunden
    Von solchen Jungen, er, so groß,
    Er ward voll Zorn von Stunden,
    Gedacht', sie zu verbrennen.

    Sie raubten ihn'n das Klosterkleid,
    Die Weih sie ihn'n auch nahmen.
    Die Knaben waren des bereit,
    Sie sprachen frohlich: Amen.
    Sie dankten ihrem Vater Gott,
    Daß sie los sollten werden
    Des Teufels Larvenspiel und Spott,
    Darin durch falsche 'berden
    Die Welt er gar betreuget.

    Das schickt Gott durch sein Gnad also,
    Daß sie recht Priester worden,
    Sich selbs ihm mußten opfern do
    Und gehn im Christenorden,
    Der Welt ganz abgestorben sein,
    Die Heuchelei ablegen,
    Zu Himmel kommen frei und rein,
    Die Moncherei ausfegen
    Und Menschentand hie lassen.

    Man schreib ihn'n fur ein Brieflin klein,
    Das hieß man sie selbs lesen,
    Die Stuck sie zeichten alle drein,
    Was ihr Glaub war gewesen.
    Der hochste Irrtum dieser war:
    »Man muß allein Gott glauben,
    Der Mensch leugt und treugt immer dar,
    Dem soll man nichts vertrauen«;
    Des mußten sie verbrennen.

    Zwei große Feur sie zundten an,
    Die Knaben sie her brachten.
    Es nahm groß Wunder idermann,
    Daß sie solch Pein verachten.
    Mit Freuden sie sich gaben drein,
    Mit Gottes Lob und Singen,
    Der Mut ward den Sophisten klein
    Fur disen neuen Dingen,
    Da sich Gott ließ so merken.

    Der Schimpf sie nu gereuen hat,
    Sie wolltens gern schon machen.
    Sie turn nicht ruhmen sich der Tat,
    Sie bergen fast die Sachen.
    Die Schand im Herzen beißet sie
    Und klagens ihr'n Genossen;
    Doch kann der Geist nicht schweigen hie:
    Des Habels Blut vergossen,
    Es muß den Kain melden.

    Die Aschen will nicht lassen ab,
    Sie stäubt in allen Landen,
    Hie hilft kein Bach, Loch, Grub noch Grab,
    Sie macht den Feind zu Schanden.
    Die er im Leben durch den Mord
    Zu schweigen hat gedrungen,
    Die muß er tot an allem Ort
    Mit aller Stimm und Zungen
    Gar frohlich lassen singen.

    Noch lassen sie ihr Lugen nicht,
    Den großen Mord zu schmucken:
    Sie geben fur ein falsch Gedicht,
    Ihr Gewissen tut sie drucken.
    Die Heilgen Gotts auch nach dem Tod
    Von ihn'n gelästert werden,
    Sie sagen: in der letzten Not
    Die Knaben noch auf Erden
    Sich sollen han umkehret.

    Die laß man lügen immer hin,
    Sie habens kleinen frommen.
    Wir sollen danken Gott darin,
    Sein Wort ist wieder kommen.
    Der Sommer ist hart fur der Tur,
    Der Winter ist vergangen,
    Die zarten Blumen gehn herfur,
    Der das hat angefangen,
    Der wird es wohl vollenden.



Ein Danklied für die höchsten Wohltaten, so uns Gott in Christo
erzeigt hat.


    Nu freut euch, lieben Christen gmein,
    Und laßt uns frohlich springen,
    Daß wir getrost und all in ein
    Mit Lust und Liebe singen,
    Was Gott an uns gewendet hat
    Und seine suße Wundertat,
    Gar teur hat ers erworben.

    Dem Teufel ich gefangen lag,
    Im Tod war ich verloren,
    Mein Sund mich quälet Nacht und Tag,
    Darin ich war geboren.
    Ich fiel auch immer tiefer drein,
    Es war kein Guts am Leben mein,
    Die Sund hat mich besessen.

    Mein gute Werk', die golten nicht,
    Es war mit ihn'n verdorben,
    Der frei Will hasset Gotts Gericht,
    Er war zum Gut' erstorben.
    Die Angst mich zu verzweifeln treib,
    Daß nichts denn Sterben bei mir bleib,
    Zur Hellen mußt ich sinken.

    Da jammert Gott in Ewigkeit
    Mein Elend ubermassen,
    Er dacht an sein Barmherzigkeit,
    Er wollt mir helfen lassen.
    Er wandt zu mir das Vaterherz,
    Es war bei ihm furwahr kein Scherz,
    Er ließ sein Bestes kosten.

    Er sprach zu seinem lieben Sohn:
    Die Zeit ist hie zu 'rbarmen,
    Fahr hin, meins Herzens werte Kron,
    Und sei das Heil dem Armen
    Und hilf ihm aus der Sundennot,
    Erwurg fur ihn den bittern Tod
    Und laß ihn mit dir leben.

    Der Sohn dem Vater g'horsam ward,
    Er kam zu mir auf Erden
    Von einer Jungfrau rein und zart,
    Er sollt mein Bruder werden.
    Gar heimlich fuhrt' er sein Gewalt,
    Er ging in meiner armen G'stalt,
    Den Teufel wollt er fangen.

    Er sprach zu mir: Halt dich an mich,
    Es soll dir itzt gelingen,
    Ich geb mich selber ganz fur dich,
    Da will ich fur dich ringen,
    Denn ich bin dein und du bist mein,
    Und wo ich bleib, da solltu sein,
    Uns soll der Feind nicht scheiden.

    Vergießen wird er mir mein Blut,
    Dazu mein Leben rauben,
    Das leid' ich alles dir zu gut,
    Das halt mit festem Glauben:
    Den Tod verschlingt das Leben mein,
    Mein Unschuld trägt die Sunden dein,
    Da bist du selig worden.

    Gen Himmel zu dem Vater mein
    Fahr ich von diesem Leben,
    Da will ich sein der Meister dein,
    Den Geist will ich dir geben,
    Der dich in Trubnis trosten soll
    Und lernen mich erkennen wohl
    Und in der Wahrheit leiten.

    Was ich getan hab und gelehrt,
    Das solltu tun und lehren,
    Damit das Reich Gotts werd gemehrt
    Zu Lob und seinen Ehren,
    Und hut dich fur der Menschen G'satz,
    Davon verdirbt der edle Schatz,
    Das laß ich dir zur letze.



Der zwölfte Psalm: Salvum me fac.


    Ach Gott von Himmel, siehe darein
    Und laß dich das erbarmen!
    Wie wenig sind der Heiligen dein,
    Verlassen sind wir Armen.
    Dein Wort man läßt nicht haben wahr,
    Der Glaub ist auch verloschen gar
    Bei allen Menschenkindern.

    Sie lehren eitel falsche List,
    Was Eigenwitz erfindet,
    Ihr Herz nicht eines Sinnes ist,
    In Gottis Wort gegründet.
    Der wählet dies, der ander das,
    Sie trennen uns ohn alle Maß
    Und gleißen schon von außen.

    Gott wollt ausrotten alle Lahr,
    Die falschen Schein uns lehren,
    Dazu ihr Zung stolz offinbar
    Spricht: Trotz, wer wills uns wehren?
    Wir haben Recht und Macht allein,
    Was wir setzen, das gilt gmein,
    Wer ist, der uns sollt meistern?

    Darum spricht Gott: Ich muß auf sein,
    Die Armen sind verstoret,
    Ihr Seufzen dringt zu mir 'erein,
    Ich hab ihr Klag erhoret.
    Mein heilsam Wort soll auf dem Plan
    Getrost und frisch sie greifen an
    Und sein die Kraft der Armen.

    Das Silber, durchs Feur sieben mal
    Bewährt, wird lauter 'funden.
    Am Gotteswort man 'warten sall
    Desgleichen alle Stunden.
    Es will durchs Kreuz bewähret sein,
    Da wird sein Kraft erkannt und Schein
    Und leucht't stark in die Lande.

    Das wollst du, Gott, bewahren rein
    Fur diesem argen G'schlechte,
    Und laß uns dir befohlen sein,
    Daß sichs in uns nit flechte.
    Der gottlos Hauf sich umher find't,
    Wo diese lose Leute sind
    In deinem Volk erhaben.



Der vierzehnte Psalm: Dixit insipiens in corde suo.


    Es spricht der Unweisen Mund wohl:
    Den rechten Gott wir meinen.
    Doch ist ihr Herz Unglaubens voll,
    Mit Tat sie ihn verneinen.
    Ihr Wesen ist verderbet zwar,
    Fur Gott ist es ein Greuel gar,
    Es tut ihr keiner kein gut.

    Gott selb vom Himmel sah 'erab
    Auf aller Menschen Kinden.
    Zu schauen sie, er sich begab,
    Ob er jemand wurd finden,
    Der sein Verstand gerichtet hätt,
    Mit Ernst nach Gottes Worten tät
    Und fragt nach seinem Willen.

    Da war niemand auf rechter Bahn,
    Sie waren all ausschritten,
    Ein jeder ging nach seinem Wahn
    Und hielt verlorne Sitten.
    Es tät ihr keiner doch kein gut,
    Wie wohl gar viel betrog der Mut,
    Ihr Tun müßt Gott gefallen.

    Wie lang wöllen unwissend sein,
    Die solche Müh aufladen,
    Und fressen dafür das Volk mein
    Und nähren sich mit seim Schaden.
    Es steht ihr Trauen nicht auf Gott,
    Sie rufen ihm nicht in der Not,
    Sie wolln sich selb versorgen.

    Darum ist ihr Herz nimmer still
    Und steht allzeit in Forchten.
    Gott bei den Frommen bleiben will,
    Dem sie mit Glauben g'horchen.
    Ihr aber schmecht des Armen Rat
    Und höhnet alles, was er sagt,
    Daß Gott sein Trost ist worden.

    Wer soll Israel, dem armen,
    Zu Zion Heil erlangen?
    Gott wird sich seins Volks erbarmen
    Und lösen, die gefangen.
    Das wird er tun durch seinen Sohn,
    Davon wird Jakob Wonne han
    Und Israel sich freuen.



Der 130. Psalm: De profundis.


    Aus tiefer Not schrei ich zu dir,
    Herr Gott, erhor mein Rufen;
    Dein gnädig Ohren kehr zu mir
    Und meiner Bitt sie offen'.
    Denn so du willt das sehen an,
    Was Sund und Unrecht ist getan,
    Wer kann, Herr, fur dir bleiben?

    Bei dir gilt nichts denn Gnad und Gonst,
    Die Sunden zu vergeben.
    Es ist doch unser Tun umsonst,
    Auch in dem besten Leben.
    Fur dir niemand sich ruhmen kann,
    Des muß dich furchten idermann
    Und deiner Gnaden leben.

    Darum auf Gott will hoffen ich,
    Auf mein Verdienst nicht bauen.
    Auf ihn mein Herz soll 'lassen sich
    Und seiner Güte trauen,
    Die mir zusagt sein wertes Wort,
    Das ist mein Trost und treuer Hort,
    Des will ich allzeit harren.

    Und ob es währt bis in die Nacht
    Und wieder an den Morgen,
    Doch soll mein Herz an Gottes Macht
    Verzweifeln nicht noch sorgen.
    So tu' Israel rechter Art,
    Der aus dem Geist erzeuget ward,
    Und seines Gotts erharre.

    Ob bei uns ist der Sunden viel,
    Bei Gott ist viel mehr Gnaden.
    Sein Hand zu helfen, hat kein Ziel,
    Wie groß auch sei der Schaden.
    Er ist allein der gute Hirt,
    Der Israel erlosen wird
    Aus seinen Sunden allen.



Der 67. Psalm: Deus misereatur.


    Es wollt uns Gott genädig sein
    Und seinen Segen geben,
    Sein Antlitz uns mit hellem Schein
    Erleucht' zum ewigen Leben,
    Daß wir erkennen seine Werk
    Und was ihm 'liebt auf Erden,
    Und Jesus Christus Heil und Stärk
    Bekannt den Heiden werden
    Und sie zu Gott bekehren.

    So danken, Gott und loben dich
    Die Heiden uber alle,
    Und alle Welt, die freue sich
    Und sing mit großem Schalle,
    Daß du auf Erden Richter bist
    Und läßt die Sund nicht walten,
    Dein Wort die Hut und Weide ist,
    Die alles Volk erhalten
    In rechter Bahn zu wallen.

    Es danke, Gott, und lobe dich
    Das Volk in guten Taten,
    Das Land bringt Frucht und bessert sich,
    Dein Wort ist wohl geraten.
    Uns segen' Vater und der Sohn,
    Uns segen' Gott, der heilig Geist,
    Dem alle Welt die Ehre tun,
    Fur ihm sich furchten allermeist.
    Nu sprecht von Herzen Amen.



Der 128. Psalm: Beati omnes qui timent dominum.


    Wohl dem, der in Gottes Furcht steht
    Und der auf seinem Wege geht.
    Dein eigen Hand dich nähren soll,
    So lebst du recht und geht dir wohl.

    Dein Weib wird in deim Hause sein
    Wie ein Reben voll Trauben fein,
    Und dein' Kinder umb deinen Tisch
    Wie Ölpflanzen gesund und frisch.

    Sich, so reich' Segen hangt dem an,
    Wo in Gottes Furcht lebt ein Mann.
    Von ihm läßt der alt Fluch und Zorn,
    Den Menschenkindern angeborn.

    Aus Zorn wird Gott seg'en dich,
    Daß du wirst schauen stetiglich
    Das Gluck der Stadt Jerusalem
    Fur Gott in Gnaden angenehm.

    Fristen wird er das Leben dein
    Und mit Gute stets bei dir sein,
    Daß du sehen wirst Kindes Kind,
    Und daß Israel Friede find't.



Der 124. Psalm: Nisi quia dominus.


    Wär Gott nicht mit uns diese Zeit,
    So soll Israel sagen,
    Wär Gott nicht mit uns diese Zeit,
    Wir hätten mußt verzagen,
    Die so ein armes Häuflin sind,
    Veracht't von so viel Menschenkind,
    Die an uns setzen alle.

    Auf uns ist so zornig ihr Sinn;
    Wo Gott hätt das zugeben,
    Verschlungen hätten sie uns hin
    Mit ganzem Leib und Leben.
    Wir wär'n, als die ein Flut ersäuft
    Und uber die groß Wasser läuft
    Und mit Gewalt verschwemmet.

    Gott Lob und Dank, der nicht zu gab,
    Daß ihr Schlund uns möcht fangen,
    Wie ein Vogel des Stricks kommt ab,
    Ist unser Seel entgangen.
    Strick ist entzwei, und wir sind frei,
    Des Herren Namen stehet uns bei,
    Des Gotts Himmels und Erden.



Ein Lobgesang von der Geburt Christi.


    Gelobet seist du, Jesu Christ,
    Daß du Mensch geboren bist
    Von einer Jungfrau, das ist wahr,
    Des freuet sich der Engel Schar.
    Kyrioleis.

    Des ewigen Vaters einig Kind
    Itzt man in der Krippen find't.
    In unser armes Fleisch und Blut
    Verkleidet sich das ewig Gut.
    Kyrioleis.

    Den aller Welt Kreis nie beschloß,
    Der liegt in Maria Schoß.
    Er ist ein Kindlin worden klein,
    Der alle Ding erhält allein.
    Kyrioleis.

    Das ewig Licht geht da herein,
    Gibt der Welt ein'n neuen Schein.
    Es leucht't wohl mitten in der Nacht
    Und uns des Lichtes Kinder macht.
    Kyrioleis.

    Der Sohn des Vaters, Gott von Art,
    Ein Gast in der Werlet ward,
    Und fuhrt' uns aus dem Jammertal,
    Er macht' uns Erben in seim Saal.
    Kyrioleis.

    Er ist auf Erden kommen arm,
    Daß er unser sich erbarm
    Und in dem Himmel machet reich
    Und seinen lieben Engeln gleich.
    Kyrioleis.

    Das hat er alles uns getan,
    Sein groß Lieb zu zeigen an,
    Des freu sich alle Christenheit
    Und dank ihm des in Ewigkeit.
    Kyrioleis.



Hymnus: Veni redemptor gentium.


    Nu komm, der Heiden Heiland,
    Der Jungfrauen Kind erkannt,
    Daß sich wunder' alle Welt,
    Gott solch Geburt sich bestellt.

    Nicht von Mann's Blut, noch von Fleisch,
    Allein von dem heilgen Geist
    Ist Gottes Wort worden ein Mensch
    Und blüht' ein Frucht Weibs Fleisch.

    Der Jungfrau Leib schwanger ward,
    Doch blieb Keuschheit rein bewahrt.
    Leucht't hervur manch Tugend schon,
    Gott da war in seinem Thron.

    Er ging aus der Kammer sein,
    Dem königlichen Saal so rein,
    Gott von Art und Mensch, ein Held,
    Sein'n Weg er zu laufen eilt.

    Sein Lauf kam vom Vater her
    Und kehrt wieder zum Vater,
    Fuhr hinuntern zu der Hell'
    Und wieder zu Gottes Stuel.

    Der du bist dem Vater gleich,
    Führ hinaus den Sieg im Fleisch,
    Daß dein ewig Gotts Gewalt
    In uns das krank Fleisch enthalt.

    Dein Krippen glänzt hell und klar,
    Die Nacht gibt ein neu Licht dar,
    Dunkel muß nicht kommen drein,
    Der Glaub bleib immer im Schein.

    Lob sei Gott dem Vater g'ton,
    Lob sei Gott, seim ein'gen Sohn,
    Lob sei Gott, dem heiligen Geist,
    Immer und in Ewigkeit.



Der Hymnus: A solis ortus.


    Christum wir sollen loben schon,
    Der reinen Magd Marien Sohn,
    So weit die liebe Sonne leucht't
    Und an aller Welt Ende reicht.

    Der selig Schöpfer aller Ding
    Zog an eins Knechtes Leib gering,
    Daß er das Fleisch durch Fleisch erworb
    Und sein Geschepf nicht all's verdorb.

    Die göttlich Gnad von Himmel groß
    Sich in die keusche Mutter goß.
    Ein Meidlein trug ein heimlich Pfand,
    Das der Natur war unbekannt.

    Das zuchtig Haus des Herzens zart
    Gar bald ein Tempel Gottis ward,
    Die kein Mann ruhret' noch erkannt',
    Von Gotts Wort sie man schwanger fand.

    Die edle Mutter hat geborn,
    Den Gabriel verhieß zuvorn,
    Den Sankt Johanns mit Springen zeigt,
    Da er noch lag in Mutterleib.

    Er lag im Heu mit Armut groß,
    Die Krippen hart ihn nicht verdroß.
    Es ward ein kleine Milch sein Speiß,
    Der nie ein Voglin hungern ließ.

    Des Himmels Chör' sich freuen drob,
    Und die Engel singen Gott Lob.
    Den armen Hirten wird vermeldt
    Der Hirt und Schepfer aller Welt.

    Lob, Ehr und Dank sei dir gesagt,
    Christe, geborn von reiner Magd,
    Mit Vater und dem heilgen Geist
    Von nun an bis in Ewigkeit.



Ein Lobsang auf dem Osterfest.


    Jesus Christ, unser Heiland,
    Der den Tod uberwand,
    Ist auferstanden,
    Die Sund hat er gefangen.
    Kyrieleison.

    Der ohn Sunden war geborn,
    Trug fur uns Gottis Zorn,
    Hat uns versuhnet,
    Daß Gott uns sein Huld gunnet,
    Kyrieleison.

    Tod, Sund, Leben und auch Gnad,
    All's in Händen er hat;
    Er kann erretten
    Alle, die zu ihm treten.
    Kyrieleison.



Der Lobsang: Christ ist erstanden, gebessert.


    Christ lag in Todesbanden,
    Fur unser Sund gegeben,
    Der ist wieder erstanden
    Und hat uns bracht das Leben;
    Des wir sollen frohlich sein,
    Gott loben und dankbar sein
    Und singen Alleluja.

    Den Tod niemand zwingen kunnt
    Bei allen Menschenkinden,
    Das macht alles unser Sund,
    Kein Unschuld war zu finden.
    Davon kam der Tod so bald
    Und nahm uber uns Gewalt,
    Hielt uns in seim Reich gefangen.

    Jesus Christus, Gottes Sohn,
    An unser statt ist kommen
    Und hat die Sund abgetan,
    Damit dem Tod genommen
    All sein Recht und sein Gewalt,
    Da bleibt nichts denn Tods Gestalt,
    Die Stachel hat er verloren.

    Es war ein wunderlich Krieg,
    Da Tod und Leben rungen:
    Das Leben behielt den Sieg,
    Es hat den Tod verschlungen.
    Die Schrift hat verkundet das,
    Wie ein Tod den andern fraß,
    Ein Spott aus dem Tod ist worden.

    Hie ist das recht Osterlamm,
    Davon Gott hat geboten,
    Das ist an des Kreuzes Stamm
    In heißer Lieb gebroten,
    Deß Blut zeichnet unser' Tur,
    Das hält der Glaub dem Tod fur,
    Der Wurger kann uns nicht rühren.

    So feiren wir dies hoch Fest
    Mit Herzenfreud und Wonne,
    Das uns der Herr scheinen läßt,
    Er ist selber die Sonne,
    Der durch seiner Gnaden Glanz
    Erleucht't unser' Herzen ganz,
    Der Sunden Nacht ist vergangen.

    Wir essen und leben wohl
    In rechten Osternfladen.
    Der alte Saurteig nicht soll
    Sein bei dem Wort der Gnaden.
    Christus will die Koste sein
    Und speisen die Seel allein,
    Der Glaub will keins andern leben.



Der Hymnus: Veni creator spiritus.


    Komm, Gott Schepfer, heiliger Geist,
    Besuch das Herz der Menschen dein,
    Mit Gnaden sie full', wie du weißt,
    Daß [sie] dein' Geschepf' vor hin sein.

    Denn du bist der Tröster genannt,
    Des Allerhöchsten Gabe teur,
    Ein geistlich Salb, an uns gewandt,
    Ein lebend Brunn, Lieb und Feur.

    Zund uns ein Licht an im Verstand,
    Gib uns ins Herz der Liebe Brunst,
    Das schwach Fleisch in uns, dir bekannt,
    Erhalt fest dein Kraft und Gunst.

    Du bist mit Gaben siebenfalt
    Der Finger an Gotts rechter Hand,
    Des Vaters Wort gibst du gar bald
    Mit Zungen in alle Land.

    Des Feindes List treib von uns fern,
    Den Fried' schaff bei uns deine Gnad,
    Daß wir dein'm Leiten folgen gern
    Und meiden der Seelen Schad.

    Lehr uns den Vater kennen wohl,
    Dazu Jesu Christ, seinen Sohn,
    Daß wir des Glaubens werden voll,
    Dich, beider Geist, zu verstohn.

    Gott Vater sei Lob und dem Sohn,
    Der von den Toten auferstund,
    Dem Tröster sei dasselb geton
    In Ewigkeit alle Stund.



Der Gesang: Veni sancte spiritus.


    Komm, heiliger Geist, Herre Gott,
    Erfull mit deiner Gnaden Gut
    Deiner Gläubgen Herz, Mut und Sinn,
    Dein brunstig Lieb entzund in ihn'n,
    O Herr, durch deines Lichtes Glast
    Zu dem Glauben versammlet hast
    Das Volk aus aller Welt Zungen,
    Das sei dir, Herr, zu Lob gesungen.
    Alleluja, Alleluja.

    Du heiliges Licht, edler Hort,
    Laß uns leuchten des Lebens Wort
    Und lern uns Gott recht erkennen,
    Von Herzen Vater ihn nennen.
    O Herr, behut fur fremder Lehr,
    Daß wir nicht Meister suchen mehr
    Denn Jesum mit rechtem Glauben
    Und ihm aus ganzer Macht vertrauen.
    Alleluja, Alleluja.

    Du heilige Brunst, sußer Trost,
    Nu hilf uns frohlich und getrost,
    In deim Dienst beständig bleiben,
    Die Trubsal uns nicht abtreiben.
    O Herr, durch dein Kraft uns bereit'
    Und stärk des Fleisches Blodigkeit,
    Daß wir hie ritterlich ringen,
    Durch Tod und Leben zu dir dringen.
    Alleluja, Alleluja.



Der Lobgesang: Nu bitten wir den heiligen Geist.


    Nu bitten wir den heiligen Geist
    Umb den rechten Glauben allermeist,
    Daß er uns behute an unserm Ende,
    Wenn wir heim fahrn aus diesem Elende.
    Kyrioleis.

    Du wertes Licht, gib uns deinen Schein,
    Lern uns Jesum Christ kennen allein,
    Daß wir an ihm bleiben, dem treuen Heiland,
    Der uns 'bracht hat zum rechten Vaterland.
    Kyrioleis.

    Du suße Lieb, schenk uns deine Gunst,
    Laß uns empfinden der Liebe Brunst,
    Daß wir uns von Herzen einander lieben
    Und im Friede auf einem Sinn bleiben.
    Kyrioleis.

    Du hochster Troster in aller Not,
    Hilf, daß wir nicht furchten Schand noch Tod,
    Daß in uns die Sinnen nicht verzagen,
    Wenn der Feind wird das Leben verklagen.
    Kyrioleis.



Das Lied S. Johannis Huß, gebessert.


    Jesus Christus, unser Heiland,
    Der von uns den Zorn Gottis wandt,
    Durch das bitter Leiden sein
    Half er uns aus der Höllen Pein.

    Daß wir nimmer des vergessen,
    Gab er uns sein'n Leib zu essen,
    Verborgen im Brot so klein,
    Und zu trinken sein Blut im Wein.

    Wer sich zu dem Tisch will machen,
    Der hab wohl acht auf sein' Sachen:
    Wer unwirdig hie zu geht,
    Fur das Leben den Tod empfäht.

    Du sollt Gott den Vater preisen,
    Daß er dich so wohl wollt speisen
    Und fur deine Missetat
    In den Tod sein'n Sohn geben hat.

    Du sollt gläuben und nicht wanken,
    Daß ein Speise sei der Kranken,
    Den' ihr Herz von Sunden schwer
    Und fur Angst ist betrubet sehr.

    Solch groß Gnad und Barmherzigkeit
    Sucht ein Herz in großer Ärbeit:
    Ist dir wohl, so bleib davon,
    Daß du nicht kriegest bosen Lohn.

    Er spricht selber: »Kommt, ihr Armen,
    Laßt mich uber euch erbarmen,
    Kein Arzt ist dem Starken not,
    Sein Kunst wird an ihm gar ein Spott.

    Hättst du dir was 'kunnt erwerben,
    Was durft dann ich fur dich sterben?
    Dieser Tisch auch dir nicht gilt,
    So du selber dir helfen willt.«

    Gläubst du das von Herzen Grunde
    Und bekennest mit dem Munde,
    So bist du recht wohl geschickt,
    Und die Speise dein Seel erquickt.

    Die Frucht soll auch nit ausbleiben:
    Deinen Nähsten sollt du lieben,
    Daß er dein' genießen kann,
    Wie dein Gott hat an dir getan.



Der Gesang: Gott sei gelobet.


    Gott sei gelobet und gebenedeiet,
    Der uns selber hat gespeiset
    Mit seinem Fleische und mit seinem Blute,
    Das gib uns, Herr Gott, zu Gute.
    Kyrieleison.
    Herr, durch deinen heiligen Leichnam,
    Der von deiner Mutter Maria kam,
    Und das heilige Blut
    Hilf uns, Herr, aus aller Not.
    Kyrieleison.

    Der heilig Leichnam ist fur uns gegeben
    Zum Tod, daß wir dardurch leben.
    Nicht großer' Gute kunnt er uns geschenken,
    Dabei wir sein solln gedenken.
    Kyrieleison.
    Herr, dein Lieb so groß dich zwungen hat,
    Daß dein Blut an uns groß Wunder tat
    Und bezahlt unser Schuld,
    Daß uns Gott ist worden hold.
    Kyrieleison.

    Gott geb uns allen seiner Gnaden Segen,
    Daß wir gehen auf seinen Wegen
    In rechter Lieb und bruderlicher Treue,
    Daß uns die Speis' nicht gereue.
    Kyrieleison.
    Herr, dein heilig Geist uns nimmer laß,
    Der uns geb' zu halten rechte Maß,
    Daß dein arm Christenheit
    Leb in Fried und Einigkeit.
    Kyrieleison.



Der Lobsang: Mitten wir im Leben sind.


    Mitten wir im Leben sind
    Mit dem Tod umfangen.
    Wen suchen wir, der Hulfe tu,
    Daß wir Gnad erlangen?
    Das bist du, Herr, alleine;
    Uns reuet unser Missetat,
    Die dich, Herr, erzurnet hat.
    Heiliger Herre Gott,
    Heiliger starker Gott,
    Heiliger barmherziger Heiland,
    Du ewiger Gott,
    Laß uns nicht versinken
    In des bittern Todes Not.
    Kyrieleison.

    Mitten in dem Tod anficht
    Uns der Hellen Rachen.
    Wer will uns aus solcher Not
    Frei und ledig machen?
    Das tust du, Herr, alleine.
    Es jammert dein Barmherzigkeit
    Unser Klag und großes Leid.
    Heiliger Herre Gott,
    Heiliger starker Gott,
    Heiliger barmherziger Heiland,
    Du ewiger Gott,
    Laß uns nicht verzagen
    Fur der tiefen Hellen Glut.
    Kyrieleison.

    Mitten in der Hellen Angst
    Unser' Sund' uns treiben.
    Wo solln wir denn fliehen hin,
    Da wir mugen bleiben?
    Zu dir, Herr Christ, alleine.
    Vergossen ist dein teures Blut,
    Das gnug fur die Sunden tut.
    Heiliger Herre Gott,
    Heiliger starker Gott,
    Heiliger barmherziger Heiland,
    Du ewiger Gott,
    Laß uns nicht entfallen
    Von des rechten Glaubens Trost.
    Kyrieleison.



Die zehen Gebot Gottes, auf den Ton: In Gottes Namen fahren wir.


    Dies sind die heilgen zehn Gebot,
    Die uns gab unser Herre Gott
    Durch Mosen, seinen Diener treu,
    Hoch auf dem Berg Sinai.
    Kyrioleis.

    Ich bin allein dein Gott, der Herr,
    Kein Götter sollt du haben mehr,
    Du sollt mir ganz vertrauen dich,
    Von Herzengrund lieben mich.
    Kyrioleis.

    Du sollt nicht fuhren zu Unehr'n
    Den Namen Gottes, deines Herrn,
    Du sollt nicht preisen recht noch gut,
    Ohn was Gott selbs red't und tut.
    Kyrioleis.

    Du sollt heilgen den siebent' Tag,
    Daß du und dein Haus rugen mag,
    Du sollt von deim Tun lassen ab,
    Daß Gott sein Werk in dir hab.
    Kyrioleis.

    Du sollt ehrn und gehorsam sein
    Dem Vater und der Mutter dein,
    Und wo dein Hand ihn'n dienen kann,
    So wirst du langs Leben han.
    Kyrioleis.

    Du sollt nicht toten zorniglich,
    Nicht hassen, noch selbs rächen dich,
    Geduld haben und sanften Mut
    Und auch dem Feind tun das Gut'.
    Kyrioleis.

    Deine Ehe solltu bewahren rein,
    Daß auch dein Herz kein ander mein',
    Und halten keusch das Leben dein
    Mit Zucht und Mäßigkeit fein.
    Kyrioleis.

    Du sollt nicht stehlen Geld noch Gut,
    Nicht 'wuchern jemands Schweiß und Blut,
    Du sollt auftun dein milde Hand
    Den Armen in deinem Land.
    Kyrioleis.

    Du sollt kein falscher Zeuge sein,
    Nicht lügen auf den Nähsten dein,
    Sein Unschuld sollt auch retten du
    Und seine Schand decken zu.
    Kyrioleis.

    Du sollt deins Nähsten Weib und Haus
    Begehren nicht, noch etwas draus,
    Du sollt ihm wundschen alles gut,
    Wie dir dein Herz selber tut.
    Kyrioleis.

    Die Gebot all uns geben sind,
    Daß du dein Sund, o Menschenkind,
    Erkennen sollt und lernen wohl,
    Wie man vur Gott leben soll,
    Kyrioleis.

    Das helf uns der Herr Jesu Christ,
    Der unser Mittler worden ist,
    Es ist mit unserm Tun verlorn,
    Verdienen doch eitel Zorn.
    Kyrioleis.



Die zehen Gebot, aufs kürzeste.


    Mensch, willtu leben seliglich
    Und bei Gott bleiben ewiglich,
    Solltu halten die zehn Gebot,
    Die uns gebeut unser Gott.
    Kyrioleis.

    Dein Gott allein und Herr bin ich,
    Kein ander Gott soll irren dich,
    Trauen soll mir das Herze dein,
    Mein eigen Reich sollt du sein.
    Kyrioleis.

    Du sollt mein'n Namen ehren schon
    Und in der Not mich rufen an,
    Du sollt heilgen den Sabbattag,
    Daß ich in dir wirken mag.
    Kyrioleis.

    Dem Vater und der Mutter dein
    Solltu nach mir gehorsam sein,
    Niemand toten, noch zornig sein
    Und deine Ehe halten rein.
    Kyrioleis.

    Du sollt eim andern stehlen nicht,
    Auf niemand Falsches zeugen icht,
    Deines Nähsten Weib nicht begern
    Und all seines Guts gern embehrn.
    Kyrioleis.



Das deutsche Patrem.


    Wir gläuben all an einen Gott,
    Schepfer Himmels und der Erden,
    Der sich zum Vater geben hat,
    Daß wir seine Kinder werden.
    Er will uns allzeit ernähren,
    Leib und Seel auch wohl bewahren,
    Allem Unfall will er wehren,
    Kein Leid soll uns widerfahren.
    Er sorget fur uns, hüt't und wacht,
    Es steht alles in seiner Macht.

    Wir gläuben auch an Jesum Christ,
    Seinen Sohn und unsern Herren,
    Der ewig bei dem Vater ist,
    Gleicher Gott von Macht und Ehren.
    Von Maria der Jungfrauen
    Ist ein wahrer Mensch geboren
    Durch den heiligen Geist im Glauben,
    Für uns, die wir warn verloren,
    Am Kreuz gestorben und vom Tod
    Wieder auferstanden durch Gott.

    Wir gläuben an den heilgen Geist,
    Gott mit Vater und dem Sohne,
    Der aller Blöden Tröster heißt
    Und mit Gaben zieret schone,
    Die ganz Christenheit auf Erden
    Hält in einem Sinn gar eben,
    Hie all Sund' vergeben werden,
    Das Fleisch soll auch wieder leben.
    Nach diesem Elend ist bereit't
    Uns ein Leben in Ewigkeit.



Gott der Vater wohn' uns bei.


    Gott der Vater wohn' uns bei
    Und laß uns nicht verderben,
    Mach uns aller Sunden frei
    Und helf uns selig sterben.
    Für dem Teufel uns bewahr,
    Halt uns bei festem Glauben,
    Und auf dich laß uns bauen,
    Aus Herzen Grund vertrauen,
    Dir uns lassen ganz und gar
    Mit allen rechten Christen
    Entfliehen Teufels Listen,
    Mit Waffen Gotts uns fristen
    Amen, amen, das sei wahr,
    So singen wir Alleluja.
      Jesus Christus, wohn' uns bei .....
      Heilig Geist, der wohn' uns bei .....



Der Lobgesang Simeonis: Nunc dimittis.


    Mit Fried und Freud ich fahr dohin
    In Gotts Wille,
    Getrost ist mir mein Herz und Sinn,
    Sanft und stille.
    Wie Gott mir verheißen hat:
    Der Tod ist mein Schlaf worden.

    Das macht Christus, wahr'r Gottes Sohn,
    Der treu Heiland,
    Den du mich, Herr, hast sehen lon
    Und g'macht bekannt,
    Daß er sei das Leben mein
    Und Heil in Not und Sterben.

    Den hast du allen vurgestellt
    Mit groß Gnaden,
    Zu seinem Reich die ganze Welt
    Heißen laden,
    Durch dein teur heilsams Wort,
    An allem Ort erschollen.

    Er ist das hell und selig Licht
    Fur die Heiden,
    Zu 'rleuchten, die dich kennen nicht,
    Und zu weiden.
    Er ist deins Volks Israel
    Der Preis, Ehr, Freud und Wonne.



Das deutsche Sanctus.


    Jesaia dem Propheten das geschach,
    Daß er im Geist den Herren sitzen sach
    Auf einem hohen Thron in hellem Glanz,
    Seines Kleides Saum den Chor fullet ganz.
    Es stunden zween Seraph bei ihm daran,
    Sechs Flugel sach er einen idern han.
    Mit zwen verbargen sie ihr Antlitz klar,
    Mit zwen bedeckten sie die Fuße gar,
    Und mit den andern zwen sie flogen frei,
    Gen ander rufen sie mit großem Schrei:
    Heilig ist Gott, der Herre Zebaoth,
    Heilig ist Gott, der Herre Zebaoth,
    Heilig ist Gott, der Herre Zebaoth,
    Sein Ehr die ganze Welt erfullet hat!
    Von dem Schrei zittert Schwell und Balken gar,
    Das Haus auch ganz voll Rauchs und Nebel war.



Te Deum laudamus.


    Herr Gott, dich loben wir,
    Herr Gott, wir danken dir.
    Dich, Vater in Ewigkeit,
    Ehrt die Welt weit und breit.
    All Engel und Himmelsheer
    Und was dienet deiner Ehr,
    Auch Cherubin und Seraphin
    Singet immer mit hoher Stimm:
    Heilig ist unser Gott,
    Heilig ist unser Gott,
    Heilig ist unser Gott,
    Der Herre Zebaoth.
    Dein göttlich Macht und Herrlichkeit
    Gehet uber Himmel und Erden weit.
    Der heiligen Zwelfboten Zahl
    Und die lieben Propheten all,
    Die teuren Martrer allzumal
    Loben dich, Herr, mit großem Schall.
    Die ganze werte Christenheit
    Ruhmt dich auf Erden alle Zeit,
    Dich, Gott Vater im höchsten Thron,
    Deinen rechten und einigen Sohn,
    Den heiligen Geist und Tröster wert
    Mit rechtem Dienst sie lobt und ehrt.
    Du König der Ehren, Jesu Christ,
    Gott Vaters ewiger Sohn du bist;
    Der Jungfrau Leib nicht hast verschmecht,
    Zu 'rlösen das menschlich Geschlecht.
    Du hast dem Tod zerstört sein Macht
    Und all Christen zum Himmel 'bracht.
    Du sitzt zur Rechten Gottes gleich
    Mit aller Ehr ins Vaters Reich.
    Ein Richter du zukunftig bist
    Alles, das tot und lebend ist.
    Nu hilf uns, Herr, den Dienern dein,
    Die mit deim teurn Blut erlöset sein.
    Laß uns im Himmel haben teil
    Mit den Heiligen in ewigem Heil.
    Hilf deinem Volk, Herr Jesu Christ,
    Und segen', das dein Erbteil ist,
    Wart und pfleg ihr zu aller Zeit
    Und heb sie hoch in Ewigkeit.
    Täglich, Herr Gott, wir loben dich
    Und ehrn dein Namen stetiglich.
    Behüt uns Gott, o treuer Gott,
    Für aller Sund und Missetat.
    Sei uns gnedig, o Herre Gott,
    Sei uns gnedig in aller Not.
    Zeig uns deine Barmherzigkeit,
    Wie unser Hoffen zu dir steht.
    Auf dich hoffen wir, lieber Herr,
    In Schanden laß uns nimmermehr.
                  Amen.



Der 46. Psalm: Deus noster refugium et virtus.


    Ein feste Burg ist unser Gott,
    Ein gute Wehr und Waffen.
    Er hilft uns frei aus aller Not,
    Die uns itzt hat betroffen.
    Der alt böse Feind
    Mit Ernst ers itzt meint,
    Groß Macht und viel List
    Sein grausam Rüstung ist,
    Auf Erd ist nicht seins gleichen.

    Mit unser Macht ist nichts getan,
    Wir sind gar bald verloren.
    Es streit für uns der rechte Mann,
    Den Gott hat selbs erkoren.
    Fragst du, wer der ist,
    Er heißt Jesu Christ,
    Der Herr Zebaoth
    Und ist kein ander Gott,
    Das Feld muß er behalten.

    Und wenn die Welt voll Teufel wär
    Und wollt uns gar verschlingen,
    So fürchten wir uns nicht zu sehr,
    Es soll uns doch gelingen.
    Der Fürst dieser Welt,
    Wie saur er sich stellt,
    Tut er uns doch nicht,
    Das macht, er ist gericht,
    Ein Wörtlin kann ihn fällen.

    Das Wort sie sollen lassen stahn
    Und kein Dank dazu haben.
    Er ist bei uns wohl auf dem Plan
    Mit seinem Geist und Gaben.
    Nehmen sie den Leib
    Gut, Ehr, Kind und Weib:
    Laß fahren dahin,
    Sie habens kein Gewinn,
    Das Reich muß uns doch bleiben.



Da pacem Domine, Deutsch.


    Verleih uns Frieden gnädiglich,
    Herr Gott, zu unsern Zeiten.
    Es ist ja doch kein ander nicht,
    Der für uns künnte streiten,
    Denn du, unser Gott, alleine.

    Gott, gib Fried in deinem Lande,
    Glück und Heil zu allem Stande.

Herr Gott, himmlischer Vater, der du heiligen Mut, guten Rat und
rechte Werke schaffest, gib deinen Dienern Friede, welchen die
Welt nicht kann geben, auf daß unsere Herzen an deinen Geboten
hangen und wir unser Zeit durch deinen Schutz stille und sicher
fur Feinden leben durch Jesu Christ, deinen Sohn, unsern Herren.
Amen.



Ein Kinderlied auf die Weihnacht Christi.


    Vom Himmel hoch da komm ich her,
    Ich bring euch gute neue Mär,
    Der guten Mär bring ich so viel,
    Davon ich singen und sagen will.

    Euch ist ein Kindlein heut geborn
    Von einer Jungfrau auserkorn,
    Ein Kindelein so zart und fein,
    Das soll eur Freud und Wonne sein.

    Er ist der Herr Christ, unser Gott,
    Der will euch führn aus aller Not,
    Er will eur Heiland selber sein,
    Von allen Sunden machen rein.

    Er bringt euch alle Seligkeit,
    Die Gott der Vater hat bereit't,
    Daß ihr mit uns im Himmelreich
    Sollt leben nu und ewiglich.

    So merket nu das Zeichen recht,
    Die Krippen, Windelin so schlecht,
    Da findet ihr das Kind gelegt,
    Das alle Welt erhält und trägt.

    Des laßt uns alle fröhlich sein
    Und mit den Hirten gehn hinein,
    Zu sehn, was Gott uns hat beschert
    Mit seinem lieben Sohn verehrt.

    Merk auf, mein Herz, und sieh dort hin,
    Was liegt doch in dem Krippelin,
    Wes ist das schöne Kindelin?
    Es ist das liebe Jesulin.

    Bis willekomm, du edler Gast,
    Den Sunder nicht verschmähet hast,
    Und kommst ins Elend her zu mir,
    Wie soll ich immer danken dir?

    Ach Herr, du Schöpfer aller Ding,
    Wie bist du worden so gering,
    Daß du da liegst auf dürrem Gras,
    Davon ein Rind und Esel aß.

    Und wär die Welt viel mal so weit,
    Von Edelstein und Gold bereit't,
    So wär sie doch dir viel zu klein,
    Zu sein ein enges Wiegelein.

    Der Sammet und die Seiden dein,
    Das ist grob Heu und Windelein,
    Darauf du, König so groß und reich,
    Her prangst, als wärs dein Himmelreich.

    Das hat also gefallen dir,
    Die Wahrheit anzuzeigen mir,
    Wie aller Welt Macht, Ehr und Gut
    Für die nichts gilt, nichts hilft noch tut.

    Ach mein herzliebes Jesulin,
    Mach dir ein rein, sanft Bettelin,
    Zu rugen in meins Herzen Schrein,
    Daß ich nimmer vergesse dein.

    Davon ich allzeit fröhlich sei,
    Zu springen, singen immer frei
    Das rechte Susaninne schon
    Mit Herzenlust den süßen Ton.

    Lob, Ehr sei Gott im höchsten Thron,
    Der uns schenkt seinen ein'gen Sohn,
    Des freuen sich der Engel Schar'
    Und singen uns solch neues Jahr.



Ein Lied von der heiligen christlichen Kirchen, aus dem 12.
Kapitel Apokalypsis.


    Sie ist mir lieb, die werte Magd,
    Und kann ihr nicht vergessen.
    Lob, Ehr und Zucht von ihr man sagt,
    Sie hat mein Herz besessen.
    Ich bin ihr hold,
    Und wenn ich sollt
    Groß Unglück han,
    Da liegt nicht an:
    Sie will mich des ergetzen
    Mit ihrer Lieb und Treu an mir,
    Die sie zu mir will setzen
    Und tun all mein Begier.

    Sie tregt von Gold so rein ein Kron,
    Da leuchten in zwelf Sterne,
    Ihr Kleid ist wie die Sonne schon,
    Das glänzet hell und ferne.
    Und auf dem Mon
    Ihr Füße ston,
    Sie ist die Braut,
    Dem Herrn vertraut.
    Ihr ist weh und muß gebären
    Ein schönes Kind, den edlen Sohn,
    Und aller Welt ein Herren,
    Dem ist sie unterton.

    Das tut dem alten Drachen Zorn,
    Und will das Kind verschlingen.
    Sein Toben ist doch ganz verlorn,
    Es kann ihm nicht gelingen.
    Das Kind ist doch
    Gen Himmel hoch
    Genommen hin
    Und lasset ihn
    Auf Erden fast sehr wüten.
    Die Mutter muß gar sein allein,
    Doch will sie Gott behüten
    Und der recht Vater sein.



Gloria in excelsis deo.


    All Ehr und Lob soll Gottes sein,
    Er ist und heißt der Höchst allein,
    Sein Zorn auf Erden hab ein End,
    Sein Fried und Gnad sich zu uns wend.
    Den Menschen das gefalle wohl,
    Dafür man herzlich danken soll.
    Ach lieber Gott, dich loben wir
    Und preisen dich mit ganzer Gier.
    Auch kniend wir anbeten dich,
    Dein Ehr wir rühmen stetiglich.
    Wir danken dir zu aller Zeit
    Um deine große Herrlichkeit.
    Herr Gott im Himmel, Kön'g du bist,
    Ein Vater, der allmächtig ist.
    Du, Gottes Sohn, vom Vater bist
    Einig geborn Herr Jesu Christ.
    Herr Gott, du zartes Gotteslamm
    Ein Sohn aus Gott, des Vaters Stamm,
    Der du der Welt Sund trägst allein,
    Wollst uns gnädig, barmherzig sein;
    Der du der Welt Sund trägst allein,
    Laß dir unser Bitt g'fällig sein.
    Der du gleich sitzst dem Vater dein,
    Wollst uns gnädig barmherzig sein.
    Du bist und bleibst heilig allein,
    Uber alles der Herr allein.
    Der Allerhöchst allein du bist,
    Du lieber Heiland Jesu Christ,
    Samt dem Vater und heilgem Geist
    In göttlicher Majestät gleich.
    Amen, das ist gewißlich wahr,
    Das bekennt aller Engel Schar
    Und alle Welt so weit und breit
    Von Anfang bis in Ewigkeit. Amen.



Das Vaterunser, kurz ausgelegt und in Gesangsweise gebracht.


    Vater unser im Himmelreich,
    Der du uns alle heißest gleich
    Brüder sein und dich rufen an
    Und willt das Beten von uns han:
    Gib, daß nicht bet' allein der Mund,
    Hilf, daß es geh von Herzen Grund.

    Geheiliget werd der Name dein,
    Dein Wort bei uns hilf halten rein,
    Daß auch wir leben heiliglich
    Nach deinem Namen wirdiglich.
    Behüt uns, Herr, für falscher Lehr,
    Das arm verführet Volk bekehr.

    Es komm dein Reich zu dieser Zeit
    Und dort hernach in Ewigkeit.
    Der heilig Geist uns wohne bei
    Mit seinen Gaben mancherlei.
    Des Satans Zorn und groß Gewalt
    Zerbrich; für ihm dein Kirch erhalt.

    Dein Will gescheh, Herr Gott, zu gleich
    Auf Erden wie im Himmelreich.
    Gib uns Geduld in Leidenszeit,
    Gehorsam sein in Lieb und Leid.
    Wehr' und steur' allem Fleisch und Blut,
    Das wider deinen Willen tut.

    Gib uns heut unser täglich Brot
    Und was man darf zur Leibesnot.
    Behüt uns, Herr, für Unfried und Streit,
    Für Seuchen und für teurer Zeit,
    Daß wir in gutem Frieden stehn,
    Der Sorg und Geizens müßig gehn.

    All unser Schuld vergib uns, Herr,
    Daß sie uns nicht betrüben mehr,
    Wie wir auch unsern Schüldigern
    Ihr Schuld und Feil vergeben gern.
    Zu dienen mach uns all bereit
    In rechter Lieb und Einigkeit.

    Führ uns, Herr, in Versuchung nicht,
    Wenn uns der böse Geist anficht.
    Zur linken und zur rechten Hand
    Hilf uns tun starken Widerstand,
    Im Glauben fest und wohlgerüst
    Und durch des heilgen Geistes Trost.

    Von allem Ubel uns erlös,
    Es sind die Zeit und Tage bös,
    Erlös uns vom ewigen Tod
    Und tröst uns in der letzten Not.
    Bescher uns auch ein seligs End,
    Nimm unser Seel in deine Händ.

    Amen, das ist: es werde wahr!
    Stärk unsern Glauben immerdar,
    Auf daß wir ja nicht zweifeln dran,
    Daß wir hiemit gebeten han
    Auf dein Wort in dem Namen dein,
    So sprechen wir das Amen fein.



Der Hymnus: Hostis Herodes, in Ton: A solis ortus.


    Was furchst du, Feind Herodes, sehr,
    Daß uns geborn kommt Christ der Herr?
    Er sucht kein sterblich Königreich,
    Der zu uns bringt sein Himmelreich.

    Dem Stern die Weisen folgen nach,
    Solch Licht zum rechten Licht sie bracht;
    Sie zeigen mit den Gaben drei,
    Dies Kind Gott, Mensch und König sei.

    Die Tauf im Jordan an sich nahm
    Das himmelische Gotteslamm,
    Dadurch der nie kein Sünde tat,
    Von Sünden uns gewaschen hat.

    Ein Wunderwerk da neu geschach,
    Sechs steinern Krüge man da sach
    Voll Wassers, das verlor sein Art,
    Roter Wein durch sein Wort draus ward.

    Lob, Ehr und Dank sei dir gesagt,
    Christ, geborn von der reinen Magd,
    Mit Vater und dem heilgen Geist
    Von nu an bis in Ewigkeit. Amen.



Ein geistlich Lied von unser heiligen Taufe

darin fein kurz gefasset: Was sie sei? wer sie gestiftet habe?
was sie nütze? usw.


    Christ, unser Herr, zum Jordan kam
    Nach seines Vaters Willen,
    Von St. Johann's die Taufe nahm,
    Sein Werk und Amt zu 'rfüllen.
    Da wollt er stiften uns ein Bad,
    Zu waschen uns von Sunden,
    Ersäufen auch den bittern Tod
    Durch sein selbs Blut und Wunden,
    Es galt ein neues Leben.

    So hört und merket alle wohl,
    Was Gott heißt selbs die Taufe,
    Und was ein Christen gläuben soll,
    Zu meiden Ketzerhaufen.
    Gott spricht und will, das Wasser sei
    Doch nicht allein schlecht Wasser,
    Sein heiligs Wort ist auch dabei
    Mit reichem Geist ohn maßen.
    Der ist allhie der Taufer.

    Sölchs hat er uns beweiset klar
    Mit Bilden und mit Worten;
    Des Vaters Stimm man offenbar
    Daselbs am Jordan horte.
    Er sprach: Das ist mein lieber Sohn,
    An dem ich hab Gefallen,
    Den will ich euch befohlen han,
    Daß ihr ihn höret alle
    Und folget seinem Lehren.

    Auch Gottes Sohn hie selber steht
    In seiner zarten Menschheit.
    Der heilig Geist 'ernieder fährt,
    In Taubenbild verkleidet.
    Daß wir nicht sollen zweifeln dran,
    Wenn wir getaufet werden,
    All drei Person' getaufet han,
    Da mit bei uns auf Erden
    Zu wohnen sich ergeben.

    Sein' Jünger heißt der Herre Christ:
    Geht hin, all Welt zu lehren,
    Daß sie verlorn in Sünden ist,
    Sich soll zur Buße kehren.
    Wer gläubet und sich täufen läßt,
    Soll dadurch selig werden,
    Ein neugeborner Mensch er heißt,
    Der nicht mehr könne sterben,
    Das Himmelreich soll erben.

    Wer nicht gläubt dieser großen Gnad,
    Der bleibt in seinen Sünden
    Und ist verdammt zum ewigen Tod
    Tief in der Hellen Grunde.
    Nichts hilft sein eigen Heiligkeit,
    All sein Tun ist verloren,
    Die Erbsünd machts zur Nichtigkeit,
    Darin er ist geboren,
    Vermag ihm selbs nichts helfen.

    Das Aug allein das Wasser sieht,
    Wie Menschen Wasser gießen,
    Der Glaub im Geist die Kraft versteht
    Des Blutes Jesu Christi.
    Und ist für ihm ein rote Flut,
    Von Christus' Blut gefärbet,
    Die allen Schaden heilen tut,
    Von Adam her geerbet,
    Auch von uns selbs begangen.



Hymnus: O Lux beata, verdeutscht.


    Der du bist drei in Einigkeit,
    Ein wahrer Gott von Ewigkeit,
    Die Sonn mit dem Tag von uns weicht:
    Laß leuchten uns dein göttlich Licht.

    Des Morgens, Gott, dich loben wir,
    Des Abends auch beten für dir,
    Unser armes Lied ruhmet dich
    Itzund immer und ewiglich.

    Gott Vater, dem sei ewig Ehr,
    Gott Sohn, der ist der einig Herr,
    Und dem Tröster heiligen Geist
    Von nun an bis in Ewigkeit. Amen.



Ein ander Christlied.


    Von Himmel kam der Engel Schar,
    Erschien den Hirten offenbar,
    Sie sagten ihn'n: Ein Kindlein zart,
    Das liegt dort in der Krippen hart

    Zu Bethlehem in Davids Stadt,
    Wie Micha das verkündet hat.
    Es ist der Herre Jesus Christ,
    Der euer aller Heiland ist.

    Des sollt ihr billig fröhlich sein,
    Daß Gott mit euch ist worden ein,
    Er ist geborn eu'r Fleisch und Blut,
    Eu'r Bruder ist das ewig Gut.

    Was kann euch tun die Sünd und Tod,
    Ihr habt mit euch den wahren Gott.
    Laßt zürnen Teufel und die Hell,
    Gotts Sohn ist worden eu'r Gesell.

    Er will und kann euch lassen nicht,
    Setzt ihr auf ihn eu'r Zuversicht;
    Es mögen euch viel fechten an,
    Dem sei Trotz, ders nicht lassen kann.

    Zuletzt müßt ihr doch haben Recht,
    Ihr seid nu worden Gotts Geschlecht,
    Des danket Gott in Ewigkeit,
    Geduldig, fröhlich allezeit. Amen.



Ein Kinderlied,

zu singen wider die zween Erzfeinde Christi und seiner heiligen
Kirchen, den Papst und Türken.


    Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort
    Und steur' des Papsts und Türken Mord,
    Die Jesum Christum, deinen Sohn,
    Wollten stürzen von deinem Thron.

    Beweis dein Macht, Herr Jesu Christ,
    Der du Herr aller Herren bist,
    Beschirm dein arme Christenheit,
    Daß sie dich lob in Ewigkeit.

    Gott heilger Geist, du Tröster wert,
    Gib deim Volk ein'rlei Sinn auf Erd,
    Steh bei uns in der letzten Not,
    G'leit uns ins Leben aus dem Tod.



Nachwort


Der vorliegende Neudruck der geistlichen Lieder Luthers beruht
vornehmlich auf dem dritten Band von Wackernagels großer
Sammlung. Doch sind alle späteren kritischen Ausgaben der
Luthergesänge (Goedeke, Zelle, Leitzmann, Klippgen) zum Vergleich
herangezogen worden. Die Reihenfolge der Lieder, die annähernd
chronologisch sein möchte, entspricht gleichfalls im ganzen der
von Wackernagel aufgestellten Ordnung. Einige Verschiebungen
waren dadurch bedingt, daß inhaltlich zusammengehörige Lieder
aus den Jahren 1523 bzw. 1524 (Psalmen, Weihnachtsgesänge,
Pfingstlieder u. a.) zu je einer Gruppe vereinigt worden sind.
Aus dem Hinweis auf den Zusammenhang zwischen der chronologischen
Ordnung und der Wackernagelschen Reihenfolge ergibt sich schon,
daß der Herausgeber -- was hier nur kurz und ohne Begründung
angedeutet sei -- sich nicht dazu entschließen konnte, der von
Friedrich Spitta vertretenen Hypothese über die Entstehungszeit
der Lutherschen Lieder (»Ein feste Burg ist unser Gott«,
Göttingen 1905) zu folgen. So bewunderungswürdig im einzelnen
Spittas Scharfsinn sich bewährt, so führt er doch im ganzen
zweifellos in die Irre. Der Herausgeber hält nach wie vor an der
altüberlieferten Anschauung fest, daß der Reformator, einerseits
durch das praktische Bedürfnis des neugestalteten Gottesdienstes
gedrängt und andernteils durch die ersten blutigen Zeugen des
Evangeliums innerlich aufs tiefste bewegt, erst in seinen
Mannesjahren zum Dichter (im engeren Sinne) geworden ist, wenn
dieser Schritt natürlich auch durch die mannigfaltigsten
Lebenserfahrungen und ihren bleibenden Eindruck auf das Gemüt
Luthers und im besonderen durch die Arbeit an dem Psalmenkolleg
und der Psalmenverdeutschung, der sich der Wittenberger Professor
immer wieder mit immer neuer Liebe unterzogen hatte, längst
vorbereitet war.

Das erste Gedicht des Reformators, das von den zween Märtyrern,
ist im leicht erzählenden Balladenton des Landsknechtslieds,
offenbar unter Zugrundlegung einer sangbaren Volksmelodie,
geschaffen worden. Dagegen trägt das zweite Lied »Nu freut euch,
lieben Christen gmein« rein lyrischen Charakter und bildet ein
höchst persönliches freudiges Bekenntnis zu dem Satz von der
Gerechtigkeit des Christen allein durch den Glauben. Dann aber
lenkt der Dichter, dem der Gemeindegesang als erstrebenswertes
Ziel vor Augen steht, in den Ton des echten evangelischen
Kirchenlieds ein, das ja -- trotz Spittas gegenteiliger
Behauptung -- nicht die Gefühle des einzelnen zum Ausdruck
bringen will, sondern das, was die Gemeinde als solche erfüllt
und bewegt. »Seine persönlichen Sorgen und Anfechtungen, seine
privaten Leiden und Freuden behält Luther seinem Kämmerlein vor.
Wenn er Kirchenlieder dichtet, fühlt er sich unter den weiten
Bogen und Hallen der Kirche und auf einer Bank mit der Gemeinde.
Er singt nur das, was alle seine Brüder mit ihm bewegt und was
der Geringste wie der Größte mit ihm singen können. Die
Persönlichkeit des Dichters verschwindet hinter der großen Schar,
deren Gesamtüberzeugung er bekennt.« (Hausrath II, 156.) Für
Dichtungen solchen Charakters aber bieten die von Luther über
alles geliebten Psalmen die gegebenen Grundlagen, und so entsteht
vom Herbst 1523 ab eine ganze Anzahl von mehr oder weniger
selbständig ausgestalteten Psalmparaphrasen, angefangen von der
warmherzigen Klage und Bitte: »Ach Gott vom Himmel sieh darein«
bis hin zum eisengepanzerten, siegesgewissen Schutz- und
Trutzlied von der festen Burg, der gewaltigsten Dichtergabe des
Reformators. Des weiteren aber sucht Luther jene Zeugnisse alter
kindlicher Gläubigkeit und Bekennerfreude, wie sie in so mancher
lateinischen Hymne überliefert waren, für den evangelischen
Gottesdienst umzumünzen, und so bearbeitet er bald in freierer
Weise, bald im engen, fast ängstlichen Anschluß an das Original
die alten Weihnachts-, Pfingst- und Osterlieder und andere
Gesänge, die ihm für seine Zwecke geeignet erschienen (vgl. S.
21, 22, 26, 27, 31, 36, 37: Gott der Vater wohn' uns bei; 39, 42:
Verleih uns Frieden; 46, 49, 50, 52), oder er gestaltet ein
lateinisches Abendmahlslied, das dem Johannes Hus zugeschrieben
wird, um (vgl. S. 29), wobei es ihm -- was überdies von allen
seinen dichterischen Paraphrasen gilt -- wohl auf Bewahrung des
Sinnes ankommt, während er in bezug auf die sprachliche Form sich
jede Freiheit nimmt, nur darauf achtend, daß ungewohnte Ausdrücke
vermieden werden; denn das Volk wolle, wie er selbst einmal an
Spalatin schreibt, einfache und gebräuchliche Worte singen, die
seinem Fassungsvermögen gemäß seien. Daß Luther sich zu seinen
poetischen Schöpfungen auch durch ältere deutsche Lieder hat
anregen lassen, die ihrerseits wiederum wenigstens zum Teil auf
noch ältere lateinische Vorlagen zurückgehen mochten, ist nicht
verwunderlich (vgl. S. 20, 24: Christ lag in Todesbanden; 28, 30,
42), und gerade diese oft nur durch eine einzige altüberlieferte
Strophe, gewöhnlich die Anfangsstrophe, angeregten Lieder gehören
zu den köstlichsten Erzeugnissen des Lutherschen Genius, mag
er nun den heiligen Geist um den rechten Glauben bitten, oder
mag er Gott loben und benedeien, weil er seinen Leib und sein
Blut im Abendmahl uns gegeben, mag er sein Halleluja über den
Auferstandenen hinausjubeln oder den menschgewordenen Heiland
kindlich verehren, oder mag er endlich im innigsten und liebsten
aller seiner Lieder die Geburt des Herrn durch den Engel
verkünden lassen. -- Schließlich bot Luther auch die oder jene
biblische Erzählung oder irgendeine andere Stelle der Heiligen
Schrift Veranlassung zu dichterischer Neugestaltung (vgl. S. 24,
37, 38, 53; 44). Ausgesprochen dem Bedürfnis der heranwachsenden
evangelischen Jugend aber dienen die Umschreibungen der Gebote
(S. 33, 35) und des Vaterunsers (S. 47); das Trutzlied wider den
Papst und den Türken aber mag rein aus dem Bedürfnis der Zeit
ohne besondere Vorlage entstanden sein.

Die ersten Lieder des Reformators waren als lose Blätter
hinausgeflattert in die Länder deutscher Zunge und hatten auch bei
den deutschen Stämmen, die in anderen Dialekten zu schreiben, zu
reden und zu singen gewöhnt waren als der mitteldeutsche Dichter
und die sich seine Ausdrucksweise oft erst in ihre Sprache
umsetzen mußten, den tiefsten Eindruck gemacht, so daß bald
allerorten die frischen und frohen Jubeltöne der Wittenbergisch
Nachtigall siegreich erschollen. Kein Wunder, daß sich die
buchhändlerische Spekulation bald um die Sammlung der zerstreuten
Einzeldrucke bemühte, die denn auch im sogenannten Achtliederbuch
bald (Anfang 1524) zustande kam, das neben drei Gesängen von Paul
Speratus und einem Gedicht eines unbekannten Poeten vier
Luthersche Lieder enthielt. Luther selbst war an der Herausgabe
des Wittenberger Chorgesangbuchs von 1524 beteiligt, das man
gemeiniglich nach dem Namen des kurfürstlichen Kapellmeisters
Johann Walther benennt und das manche Forscher an den Anfang der
ganzen Reihe stellen möchten. Es enthält unter 32 Nummern 24
Gesänge Luthers. Die beiden Erfurter Enchiridien des gleichen
Jahres 1524 scheinen ohne Luthers Mitwirkung entstanden zu sein,
auch die des Justus Jonas, der des öfteren als Redaktor genannt
wird, könnte nach neueren Funden in Zweifel gezogen werden. -- In
den Jahren 1526, 1529, 1536 und öfter kamen dann bei wechselnden
Verlegern weitere Ausgaben des evangelischen Gesangbuchs heraus,
die uns leider zum Teil nicht erhalten sind. Das letzte Liederbuch
für die evangelische Kirche, an dem Luther selbst noch mitwirkte,
erschien 1545 und ist in Leipzig durch Valentin Babst gedruckt
worden.

Man hat wiederholt die Meinung geäußert, daß die dichterische
Tätigkeit im Leben unseres Reformators nur eine zwar mit vollster
Energie einsetzende, aber ebenso schnell vorübergehende Episode
bedeute. Das ist im ganzen sicher richtig, denn Luther, der vorher
der Dichtkunst nur als wohlwollender Freund, als genießender
Liebhaber gegenübergestanden und kaum jemals daran gedacht hatte,
sie selbst auszuüben, konnte 1523/24 im Zeitraum etwa eines Jahres
eine überraschend reiche Ernte religiöser Lyrik einheimsen,
während er in den ihm dann noch beschiedenen 22 Lebensjahren nur
noch selten einmal in die Saiten der Leier gegriffen hat, wobei
vielleicht die direkte Aufforderung der Verleger oder Herausgeber
bei Gelegenheit von Neuauflagen der Gesangbücher wenigstens den
äußeren Anstoß gegeben haben mochte. Diese Tatsache der auffallend
reichen und raschen Produktion im »Liederjahr« erklären wir uns
aus dem schon eingangs angedeuteten Umstand, daß die überaus
starke, den ganzen Mann erschütternde Erregung über den Tod der
beiden jungen Augustinermönche in den Niederlanden einen anderen
sprachlichen Ausdruck suchte, als er von Luther bisher angewendet
worden war. Um wieviel wirksamer mußte ein Lied, das vom
Märtyrertod der glaubensstarken Jünglinge erzählte und das
allerorten gesungen werden konnte, die gute Sache der Reformation
in den breiten Schichten des Volkes unterstützen, als es die
temperamentvollste prosaische Flugschrift je vermocht hätte. Dabei
ist zu betonen, daß dieses Vorgehen keineswegs das Ergebnis einer
bewußten Überlegung zu sein braucht, sondern daß es sehr wohl aus
reiner Intuition hervorgegangen sein kann. Nachdem nun erst einmal
die psychischen Hemmungen, die sich im Bewußtsein des Doktor
Martinus dem Gebrauch der poetischen Formen entgegengestellt haben
mochten, überwunden waren, brach aus dem Innern des zum Sänger
werdenden Reformators mit elementarer Gewalt der überreiche Schatz
von Gedanken und Gefühlen hervor, der dort seit Jahren blühte und
nun erst im Liede den Ausdruck fand, der seiner eigensten
Art gemäß war. -- Auch auf das oben erwähnte Bedürfnis des
Gottesdienstes sei in diesem Zusammenhang als auf ein erklärendes
Moment noch einmal hingewiesen und ebenso auf die Tatsache, daß
die Freunde, an die Luther sich dieserhalb wendete, ihn entweder
ganz im Stiche ließen, wie Spalatin oder der Hofmarschall Dolzig,
oder doch seinen Erwartungen nur in sehr ungenügender Weise
entsprachen, wie etwa Justus Jonas. Da sprang, resolut wie er war
und vom stärksten Willen bewegt, der große Mann selbst in die
Bresche und bewies seinem Volk, wie zart und innig das religiöse
Empfinden, wie felsenfest und unerschütterlich das fröhliche
Gottvertrauen des Mannes war, den es bisher nur als Theologen und
Prediger, als Gelehrten und Publizisten kennen gelernt hatte. --
Die Stilungleichheit, die von manchen Forschern an den Gedichten
hervorgehoben wird, welche wir in das »Liederjahr« verlegen, und
die man als Beweis gegen die Richtigkeit dieser Datierung
verwendet, erklärt sich zur Genüge aus dem wechselnden Verhältnis
der Lieder Luthers zu ihren Vorlagen und aus dem Charakter dieser
Vorlagen selbst, der ja oft genug noch durch die Gestalt
hindurchschimmert, die Luther ihnen gegeben hat.

Die schon oben mit berührte Tatsache aber, daß die Dichterperiode
Luthers ebenso rasch vorübergegangen ist, als sie gekommen, wird
nur dem verwunderlich erscheinen, der über der Beschäftigung mit
dem Poeten Luther den Blick auf das Ganze seiner Persönlichkeit
und seines Werkes verliert. Der Reformator war eben kein Dichter
von Berufs wegen, wenn man so sagen darf, wie Goethe oder wie
die aus äußeren Gründen des öfteren mit Luther in Parallele
gesetzten Conrad Ferdinand Meyer und Fritz Reuter, die bei aller
Vielseitigkeit ihrer Interessen zuletzt doch in der Gestaltung
von dichterischen Kunstwerken ihre eigentliche Lebensaufgabe
erblickten. Luther war -- im direkten Gegensatz zu solchen
Männern -- keineswegs das unabweisbare Bedürfnis eingeboren, das
in Rhythmus und Reim oder sonstige künstlerische Ausdruckform
einzukleiden, was ihn persönlich bewegte; der innere unbedingte
Zwang zum dichterischen Gestalten des individuellen Erlebens
fehlte ihm und damit das, was den Dichter als solchen macht. --
Wie er dem Drama nur um deswillen das Wort redete, weil es für
die Jugend nützlich und gut sei, so erkannte er auch der
lyrischen Poesie keinen Selbstzweck zu, wie hätte er sonst gegen
das deutsche Volkslied, gegen »die Buhllieder und fleischlichen
Gesänge« eifern können. Sein Wirken stand nicht im Dienst Apolls
und der Musen, sondern in der Pflicht eines Höheren. Ihm und der
heiligen Kirche zu Ehren, die sein Reich auf Erden herbeiführen
helfen möchte, griff Luther zur Leier, und als er seinen Zweck
erfüllt und das begonnene Werk durch würdige Nachfolger gesichert
sah, legte er sie wieder beiseite. Daß mit solcher Feststellung
dem gewaltigen Mann das starke, tiefinnerliche künstlerische
Empfinden und die Kraft der künstlerischen Gestaltung nicht
abgesprochen wird, muß wohl nicht erst betont werden. Die
gehen natürlich nicht vorüber als eine Episode, sie sind ein
köstliches, unverlierbares Gut, das den beglücken muß, der es
besitzt. Und auch die daraus sich ergebenden Folgen sind klar:
beide, das künstlerische Gefühl und die Fähigkeit, ihm im
geeigneten Moment Ausdruck zu geben, werden im ferneren Verlaufe
des Lebens je und je wieder einmal entbunden werden müssen, sei
es nun in Briefen, die aus dem Gebiet der sachlichen Erörterung
wissenschaftlicher oder sonstiger Fragen herausfallen, wie die
goldige Epistel an Hänsichen oder das Sendschreiben an die
Tischgenossen, beide aus den bedrängten Tagen stammend, die
Luther auf der Veste Coburg verlebte, sei es in religiösen
Liedern. Und gerade die Gedichte aus späterer Zeit gehören zu
Luthers tiefsten und schönsten Erzeugnissen. Es ist, als ob im
Gesang von der festen Burg, im Kinderlied auf die Weihnacht Jesu
Christi und in anderen jeweilig eine Summe angesammelter
künstlerischer Energie entladen würde, die diesen Liedern die
köstliche Frische und Unmittelbarkeit, die warme Innigkeit und
Gemütstiefe verleiht, die alle Welt heut an ihnen rühmt.

Wenn so die schaffende Tätigkeit des Poeten im Leben des
Reformators tatsächlich nur eine Episode gebildet hat und
späterhin nur noch selten in Erscheinung getreten ist, so
bedeutet das schmale Bändchen, das die poetischen Werke Luthers
umschließt, doch für alle Deutschen einen kostbaren Schatz, über
dessen Wert kein Wort zu verlieren ist. Und schon deshalb wird es
willkommen sein, wenn die Inselbücherei, zu deren vornehmsten
Zielen die Wiedererweckung älterer deutscher Werte gehört,
Luthers Lieder ihren Reihen einverleibt.

In bezug auf die Textgestaltung der vorliegenden Ausgabe sei noch
kurz hervorgehoben, daß der Herausgeber sich für berechtigt hielt,
aus den Lesarten der verschiedenen Originaldrucke, wie sie z. B.
Wackernagel und Klippgen verzeichnen, diejenigen auszuwählen und
dem Wortlaut einzufügen, die ihm für den hier verfolgten Zweck
möglichst leichter Verständlichkeit am angemessensten erschienen.
Für die Orthographie galt das in den Neudrucken des Inselverlags
durchgängig angewandte akustische Prinzip, doch mußte in
Zweifelfällen bequemes Verständnis wichtiger als das korrekte
Klangbild erscheinen. Folgende Änderungen sind u. a. vorgenommen:
S. 8, 3: leugnen < leuken. S. 10, 19: lügen < liegen, 10, 25:
herfur < erfur. S. 13, 9: Gsatz < Satz. S. 21, 5 v. u.: blüht' <
bluet, 21, 3 v. u.: blieb < bleib, 21, 2 v. u.: hervur < ervur. S.
22, 10: Führ' < Fuhr', 22, 17: g'ton < ton. S. 34, 14: lügen <
liegen. S. 37, 3 v. u.: g'macht < macht. S. 38, 3: ganze < ganzen.
S. 53, 3: Erschien < Erschein. Der Apostroph am Anfang des Wortes
deutet auf ein ausgefallenes Praefix hin (be, ge, ver u. a.).
Folgende Erläuterungen sind vielleicht dem Laien willkommen: S. 7:
die beiden Augustinermönche Johannes Esche und Heinrich Voes waren
Anhänger der neuen Lehre und sind am 1. Juli 1523 als erste
Märtyrer der Reformation verbrannt worden. S. 8, 4: täuben = taub
machen (Weigand II. 1029), S. 8, 6: mit ihrer verlorenen d. h.
unnützen Kunst und Gelehrsamkeit, S. 9, 6: Man legte ihnen vor
..., S. 9, 8: zeichten = zeichneten, S. 9, 9 v. u.: Schimpf =
Scherz, S. 9, 8 v. u.: schon = schön und so noch häufig, S. 9, 7
v. u.: turn, von türren = sich getrauen, wagen (Weigand II. 1090),
S. 9, 6 v. u.: fast = sehr, S. 10, 11: schmucken = beschönigen. S.
11, 10 v. u.: treib = trieb. S. 11, 1 v. u.: Er ließ es sich sein
... S. 13, 4 v. u.: schon = schön. S. 13, 3 v. u.: Lahr = Lehre?
Spitta schlägt für »Lahr« die einleuchtende Konjektur »gar« vor.
S. 14, 4 v. u.: daß es sich nicht mit uns verflechte oder
vermenge. S. 14, 1 v. u.: erhaben = erhöht, #part. praet.# von mhd.
erheben (Weigand I. 461). S. 15, 3: meinen = im liebenden
Gedächtnis tragen. S. 15, 6: zwar = in Wahrheit. S. 15, 11: Sie zu
schauen, entäußerte er sich seiner selbst. S. 15, 13: gerichtet d.
h. aufs gute. S. 15, 17: ausschritten = vom rechten Weg abgeirrt.
S. 15, 19: verlorene Sitten = schlechte Sitten. S. 15, 11 v. u.:
Mut = pharisäisches Selbstbewußtsein. S. 15, 10 v. u.: müßt' =
müsse. S. 16, 3: schmecht = schmäht. S. 16: das Lied ist hier in
der älteren fünfstrophigen Fassung abgedruckt. S. 18, 2: uber alle
= überall. S. 19, 8: angenehm = wohlgefällig. S. 19, 8 v. u.: an
uns setzen = uns angreifen. S. 21, 5 v. u.: Und blühte als eine
Frucht aus des Weibes Fleisch. S. 22, 12: enthalt = vor der Sünde
bewahre. S. 22, 16: Schein = Glanz. S. 26, 12: Daß sie früher
deine Geschöpfe sind. S. 35, 5 v. u.: nicht = nichts. S. 35, 4 v.
u.: gegen niemand etwas Falsches zeugen. S. 36, 8 v. u: Blöden =
Furchtsamen, Verzagten. S. 37, 10: lassen = überlassen. S. 44, 15:
Susaninne, wahrscheinlich der Refrain eines alten Wiegenlieds. S.
44, 4 v. u.: besessen = in Besitz genommen. S. 45, 12 v. u.: tut =
verursacht. S. 47, 7 v. u.: für ihm = gegen ihn. S. 50, 13 v. u.:
schlecht = einfaches. S. 51, 9: ergeben = entschlossen.

C. H.



Alphabetisches Verzeichnis der Liederanfänge


Ach Gott von Himmel, siehe darein                      13

All Ehr und Lob soll Gottes sein                       46

Aus tiefer Not schrei ich zu dir                       16

Christ lag in Todesbanden                              24

Christ, unser Herr, zum Jordan kam                     50

Christum wir sollen loben schon                        22

Der du bist drei in Einigkeit                          52

Dies sind die heilgen zehn Gebot                       33

Ein feste Burg ist unser Gott                          40

Ein neues Lied wir heben an                             7

Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort                      54

Es spricht der Unweisen Mund wohl                      15

Es wollt uns Gott genädig sein                         17

Für allen Freuden auf Erden                             5

Gelobet seist du, Jesu Christ                          20

Gott der Vater wohn' uns bei                           37

Gott sei gelobet und gebenedeiet                       30

Herr Gott, dich loben wir                              39

Jesaia dem Propheten das geschach                      38

Jesus Christ, unser Heiland, der den Tod uberwand      24

Jesus Christus, unser Heiland, der von uns             29

Komm, Gott Schepfer, heiliger Geist                    26

Komm, heiliger Geist, Herre Gott                       27

Mensch, willtu leben seliglich                         35

Mit Fried und Freud ich fahr dohin                     37

Mitten wir im Leben sind                               31

Nu bitten wir den heiligen Geist                       28

Nu freut euch, lieben Christen gmein                   11

Nu komm, der Heiden Heiland                            21

Sie ist mir lieb, die werte Magd                       44

Vater unser im Himmelreich                             47

Verleih uns Frieden gnädiglich                         42

Vom Himmel hoch da komm ich her                        42

Von Himmel kam der Engel Schar                         53

Wär Gott nicht mit uns diese Zeit                      19

Was furchst du, Feind Herodes, sehr                    49

Wir gläuben all an einen Gott                          36

Wohl dem, der in Gottes Furcht steht                   18


_Gedruckt bei Breitkopf und Härtel in Leipzig_

       *       *       *       *       *



Die folgende Tabelle enthält die vorgenommenen Änderungen.


  Inhaltsverzeichnis:
    wohn -> wohn' (wohn' uns bei)
  Nachwort:
    S. 57: wohn -> wohn' (wohn' uns bei)
    S. 58: Valenlin -> Valentin
    S. 62: Fuhr' -> Fuhr', (Fuhr', 22, 17)
    S. 62: 3 -> 3: (S. 38, 3: ganze)
    S. 63: 8 -> 8: (S. 9, 8: zeichten)
    S. 63: 16; -> 16: (S. 22, 16: Schein)
  Alphabetisches Verzeichnis der Liederanfänge:
    S. 65: wohn -> wohn' (wohn' uns bei)
    S. 65: Christus -> Christus, (Jesus Christus, unser Heiland)
    S. 65: 10 -> 11 (Nu freut euch, lieben Christen gmein 11)





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