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Title: Wasserjungfern - Geschichten von Sommerboten und Sonnenkündern Author: Löns, Hermann Language: German As this book started as an ASCII text book there are no pictures available. *** Start of this LibraryBlog Digital Book "Wasserjungfern - Geschichten von Sommerboten und Sonnenkündern" *** Anmerkungen zur Transkription Im Original gesperrter Text ist _so ausgezeichnet_. Im Original kursiver Text ist +so ausgezeichnet+. Im Original fetter Text ist =so ausgezeichnet=. Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches. Wasserjungfern _Geschichten von Sommerboten und Sonnenkündern_ Von Hermann Löns _Vierte Auflage_ [Illustration] _1919_ _R. Voigtländers Verlag in Leipzig_ Druck von Otto Regel in Leipzig [Illustration] Inhalt Seite Vorbemerkung 5 Sommerboten und Sonnenkünder 7 Am Strande 15 Auf der Wanderschaft 23 Im Röhricht 35 Am Schilfe 45 Am Graben 53 Über dem Teiche 65 In der Mergelgrube 71 Über der Bucht 79 Auf der Schneise 89 Am Ufer 99 Im Moore 105 Auf der Heide 115 [Illustration] [Illustration] Vorbemerkung Rede mit der Erde, Die wird Dich's lehren. _Hiob_ XII. 8. Hermann _Löns_, der uns Entrissene, ist uns ein Führer gewesen, der uns half, die Schönheit der Welt zu sehen, uns zu befähigen, den großen Rhythmus allen Naturgeschehens staunend zu erkennen. Das vorliegende Büchlein ist eine seiner liebenswürdigsten Naturstudien. Wie klein und eng scheint das Thema dem Uneingeweihten, wie wenig kann darüber geschrieben werden, dünkt es ihm wohl. Und doch -- was hat Löns aus seinem Stoffe gemacht. Mit Verzicht auf alle und jede wissenschaftliche Beschreibung und exakte Erörterung will er erst einmal die »Wasserjungfern« dem Leser näherbringen, ihn für diese bunten, schillernden Wesen interessieren. Er schildert ihre Umwelt, ihr Leben, Leiden und Lieben. Der Künstler hat sich dabei so restlos mit dem Zoologen verbunden, daß wir beim Lesen ein Stück Natur direkt zu erleben glauben und spielend Einblick und Verständnis gewinnen in diese wunderliche Kleinwelt. In zwölf Kapiteln stellt Löns zwölf Wasserlandschaften vor uns hin, jede anders, jede intimsten Lebens voll, jede ein Organismus für sich. Mit unvergleichlichem Einfühlungsvermögen und mit der Liebe des Künstlers und Naturforschers, der »draußen« für sein eigenes Leben immer wieder Balance, Sicherheit und Glück fand, geht er allen großen und kleinen Erscheinungen nach, baut er, ohne sich ins Kleinliche zu verzetteln, eine Miniaturwelt auf, voll von Farben und Glanz. Sommerlich wirds uns zu Mute, und wir glauben ganz ordentlich den strengen Ruch von Altwasser, den Duft von Minze und Weidicht zu spüren. Knabenzeit mit ihrem geheimnisvollen Entdeckertum an Tümpeln und Bachläufen steigt wieder vor uns auf, und mit ihr all die verlorene Phantasie jener Tage. Daß Löns solche Stimmung heraufbeschwören kann, das danken wir ihm ganz besonders, denn nie waren wir reicher als damals, da wir mit brennenden Wangen und klopfendem Herzen uns stundenlang über einen grüngolden durchsonnten Wasserspiegel beugen konnten oder atemlos Vögeln und Faltern im Dickicht nachpirschten und belauschten. Daß das liebe Buch vielen stilles Glück bringen möge, das wünsche ich von ganzem Herzen. _Monti della Trinita_, Oktober 1918. =Karl Soffel.= Sommerboten und Sonnenkünder [Illustration] Alle Vögel sind zurückgekommen, jeder Baum blüht, und die Wiesen starren von Gold; der Wald ist erfüllt von lustigen Liedern und die Luft gesättigt mit fröhlichem Gesumme; es rennt auf den Wegen und krabbelt an den Stämmen, nagt an den Blättern und bohrt im Holze, flattert über den Blumen und flirrt durch die Halme, und doch ist es, als wenn noch etwas fehle. Da, wo das Wässerlein sich durch die Wiese schlängelt, von Schaumkraut umblüht, von Lichtnelken eingefaßt, von Hahnenfuß begleitet, fährt ein silberner Blitz über die Blumen hin, verschwindet, fährt zurück, beschreibt einen Kreis, senkt sich und steigt empor, bleibt auf dem Fruchtstern der Dotterblume hängen, wirft silberne Strahlen um sich, verlöscht, blitzt wiederum auf, zieht einen goldenen Ring um den Weidenbusch und jagt jetzt dahin, wo ein gleiches Wesen sein Spiel im Sonnenlichte treibt. Die ersten Libellen sind es; sie fehlten dem Landschaftsbilde noch. Solange sie nicht da sind, vermißt der Mensch sie kaum, und nicht begrüßt er ihr Erscheinen wie das des ersten gelben Schmetterlings. Aber er würde den Sommer nicht so stark empfinden, wären die schlanken Wasserjungfern nicht da; ohne das Funkeln ihrer schmalen Leiber, das Schimmern ihrer knisternden Flügel wäre der Sommer nicht so schön und so lustig. Ein Sommer ohne Libellen ist kein Sommer; mißlungen und verpfuscht ist er. Die Wasserjungfern leben nur, wenn die Sonne scheint und die Luft warm ist; dann fühlen sie ihre Kraft, zeigen sie ihre Pracht, treiben sie ihr fröhliches Spiel. Wenn aber graue Wolken am Himmel dahinfegen, der Regen strömt und ein hohler Wind heult, verschwunden sind sie dann, die Sonnentiere; matt hängen sie im Laube, kraftlos kleben sie im Grase, unfähig, die Schwingen zu rühren zum frischen Fluge. Der Mensch ist undankbar; dem Maikäfer, der ihm als Engerling die Saaten zerstört und als Käfer die Blätter der Bäume zerfrißt, dem wandte er seine Aufmerksamkeit zu. Mit Begeisterung wird der erste, der durch den Garten fliegt, begrüßt, die Kinder jubeln, die Eltern lächeln; es ist, als ob Wunder was für ein herrliches Wesen dahinflöge, und es ist doch nur ein dicker, plumper Käfer, der dahinbrummt. Der Mensch ist dumm; seine Augen werden blank und sein Mund breit, sieht er den ersten Schmetterling fliegen; er bedenkt nicht, daß der lichte Falter einst eine düstere Raupe war, die Schaden über Schaden anrichtete. Die Libelle aber sieht er kaum, und es fällt ihm nicht ein, sie als Sommerboten und Sonnenkünder zu grüßen. Mag ihr Leib auch in Edelerz und Karfunkelgestein gekleidet sein, mögen ihre Flügel auch schimmern, als wären sie aus Tautropfen und Sonnenschein gewebt, ist ihr Flug auch herrlicher als der der Schwalben und vornehmer als der der Falter, er denkt nicht daran, ihr mit bewundernden Augen nachzusehen, und wenn sie sich auch dicht vor ihm niedersetzt, achtlos geht er vorbei, ohne ihren seltsamen Bau zu betrachten und sich ihrer wunderbaren Farben zu freuen. Sie sind für ihn nicht da, wie die Sonne für die Augen der Kröte und der Büchsenschuß für das Ohr der Fledermaus; sie sind zu schnell für seine Blicke, zu fein und zu leicht, als daß er, der mit den Füßen auf der Erde haftet und nichts begreift als das, was er mit Händen fassen, mit Fingern fühlen kann, Obacht auf sie geben könnte. Vom Maikäfer weiß er, daß der erst ein feister Engerling war, und von dem Schmetterling, daß er als eklige Raupe ein Kohlblatt zerfraß, und deswegen ist er ihnen dankbar und widmet ihnen seine Aufmerksamkeit. Denn man kann doch klug und weise ein langes und breites darüber reden und tiefsinnige Vergleiche von dem Wurm, so an der Erde kriecht, und aus dem doch ein lichter Falter wird, mit dem Leibe und der Seele des Menschen anstellen, und das macht sich in Vers und Prosa ausgezeichnet und ist bei allen Völkern ein beliebtes Thema aller flachen Poeten gewesen. Wenn aber ein Tier ganz und gar Poesie ist, als ein Wesen sich darstellt, scheinbar völlig unirdischer Art, wie aus Sonnenschein und Wellenfunkel entstanden, schnell wie ein Gedanke und flüchtiger denn ein Traum, dann versagt der Mensch; er weiß nicht, woher sie kommen und wohin sie gehen; er kann keine gelehrten Gespräche darüber führen, und mit ihrer Verwendung zu symbolischen Vergleichen hapert es erst recht, und so sind sie ihm halb unheimlich, halb gleichgültig, er sieht darüber hinweg, und wenn er ihnen Namen zulegt, dann sind sie dummer Art und aus Verlegenheit, Unwissenheit und Aberglauben entstanden. Einst, als das deutsche Naturempfinden noch nicht mit asiatisch-romanischer Brühe übergossen war, als wir noch mit klaren Kinderaugen über das blühende Land sahen, da galten die schönen Tiere als Friggas, der Sommergöttin, Vorboten. Vielleicht, daß man ihnen gerade darum Ekelnamen, Übelworte gab, denn alles, was unseren Urahnen hold und heilig war, wurde durch den Kot gezerrt und in den Schlamm getreten; aus lichten Göttinnen wurden düstere Hexen, aus lieben Elfen und guten Wichtlein unholde Nachtmare und böse Kobolde, und wo einstmals eine Stätte war, wo die Weidebauern den Überirdischen für ihr Walten dankten, daraus wurde ein Platz, wo der Teufel sein Wesen trieb. So wurden auch die lieblichen Wasserjungfern zu Teufelsbolzen und Satansnadeln umgedeutet, gleich als ginge Unheil vor ihnen her und folge Leid, wo sie fliegen. Man weiß kaum, daß sie vielerlei Geschmeiß vertilgen, das Mensch und Vieh plagt, und gibt sich nicht die Mühe, sie näher zu betrachten und an ihrer Pracht sich ebenso zu ergötzen wie an der Schönheit der Blumen und an den Farben der Falter. Wenn auch ihre Leiber glühen wie die Morgenröte oder blitzen wie die vom Abendrot beschienene Welle, wenn auf ihren Flügeln auch alle Farben spielen, die das Sonnenlicht in sich birgt, des Menschen Augen gehen so gleichgültig über die Sommerbringer und Sonnenboten hin wie über die schwarzen Schnecken auf dem Wege. Die grauen Krähen, die dem Winter voranfliegen, und die schwarzen Turmschwalben, die hinter dem Frühling herfahren, würdigt er seiner Aufmerksamkeit; den silbernen Sonnenvögeln, die ihm goldene Tage verkünden, schenkt er keinen Blick. Aber würden sie nicht da sein, dann würde er sie doch wohl vermissen, öde würde ihm der Strand erscheinen, langweilig das Röhricht, verlassen die Schilfbucht; der blumenumhegte Wiesenbach dünkte ihm lange nicht so reizvoll und weniger schön der stille Teich, ohne rechtes Leben die sonnige Waldstraße und tot die blühende Heide. Er sieht sie nicht und erblickt sie doch, er hört nicht darauf hin und nimmt sie doch wahr, sein Verstand weiß nichts von ihnen, aber sein Gemüt nimmt doch etwas mit von den silbernen Sonnentieren, den zierlichen Libellen. Hat er aber Augen im Kopfe, Schönheit zu sehen, so wird er ihnen erst verloren nachblicken, bis ihm die Mannigfaltigkeit ihrer Formen und der Reichtum ihrer Farben zum Bewußtsein kommt; er wird sie unterscheiden lernen, wird die beiden Gruppen trennen, die wilden Flieger und die schüchternen Flatterer, wird Art von Art trennen können, ihre wunderlichen Liebesspiele beobachten und über ihre Gewandtheit erstaunen, mit der sie in der der Edelfalken und Schwalben, einzig unter den Kerfen, ihre Beute im Fluge haschen; wird ihrem Vorleben nachspüren, das sie, bevor sie am Sonnenlichte sich freuten, auf dem Grunde der Gewässer führten, die wichtige Rolle erkennen, die sie im großen Haushalte der Natur spielen, sie schmerzlich vermissen, ist ihre Zeit um, und sich freuen, weist ihm ein sonniger Maientag die erste Wasserjungfer. Am Strande [Illustration] Libellula depressa +L.+ Wo die letzten Häuser der Stadt liegen, da ist der Strand kahl. Das Gänsefingerkraut wuchert dort und schmückt den Sand mit goldenen Blumen, Kriechseggen durchflechten ihn mit ihrem zähen Wurzelwerk, und zwischen ihren harten Blättern rennen allerlei kleine hurtige Käfer. Ein strenger Schwefelwasserstoffgeruch liegt über dem ganzen Strande, denn der Wellenschlag hat dicke Bänke der zerbrechlichen Armleuchtergewächse auf das Ufer geschoben, und nun fault das Wasserkraut, und sein Schwefelgehalt wird frei. Ganz langsam und sacht fällt der Strand ab, so daß die Kinder fünfzig Fuß in den See waten können, bis zu dem Abhang, wo die gewaltigen, ganz von weißen Blumen bedeckten Rankenmassen des Wasserhahnenfußes auf den Wellen treiben und die Stelle anzeigen, wo der Abgrund beginnt. Aber die Kinder waten an dieser Stelle nicht gern in den See, sondern viel lieber mehr nach der Stadt zu, weil dort der klare Sand unter dem Wasser steht; hier aber bedeckt ein butterweicher, graublauer Ton den Seegrund, in den die nackten Füße tief einsinken, und werden sie herausgezogen, dann steigen dicke Blasen aus dem Wasser auf, die nach Jauche riechen. Weil nun die Kinder hier fast nie umherwaten, wird diese Strecke des Strandes wenig beunruhigt, und da die lange, silbernleuchtende Bank, die der Wasserhahnenfuß bildet, den Wellenschlag abhält, ist das Wasser hier still. Laichkräuter gedeihen hier, und in dichten Polstern wuchern die Armleuchterpflanzen. Oberhalb dieser Strecke ist die Stelle, wo das Vieh zu trinken pflegt, wenn es von der Weide kommt; der Wellenschlag führt den aufgelösten Dünger weiter und lagert ihn auf der Tonbank ab. Das ist das beste Futter für die Wasserflöhe, und darum wimmelt es zwischen der Bank aus Wasserhahnenfuß und dem Ufer von ihnen, so daß zu gewissen Stunden das ganze Wasser rötlich aussieht, denn nach Millionen und Abermillionen zählt das winzige Getier. Alles, was Wasserflöhe frißt und im flachen Wasser leben kann, ist in Menge an dieser Stelle vertreten; kleine braune, gelbgefleckte Schwimmkäfer und ihre Larven, Wasserskorpione, Ruderwanzen, Rückenschwimmer und vor allem Weißfischbrut. In ganzen Schwärmen ziehen die jungen Ukeleis, Plötzen, Rotfedern, Brassen, Güstern und Zährten dahin und fressen und nehmen zu, und eingewühlt im Schlamme liegen die jungen Steinbeißer und Gründlinge und fangen mit jedem Atemzuge die hin- und herhüpfenden Zwergkrebschen ein. Vor den Raubfischen ist die Fischbrut hier sicher, denn der Wasserhahnenfuß schützt sie und der niedrige Wasserstand. Andre Feinde aber lauern auf sie, unheimliche Wesen, die zwischen dem Gekräut in den Schlamm eingebettet sind und nur den breiten Kopf mit den großen Glotzaugen herausstecken. Fast zollgroß sind sie, häßlich graugrün, plump gebaut, faul und langsam. Regungslos liegen sie da, nur ab und zu den Kopf nach der Richtung drehend, wo ein Schwarm von winzigen Jungfischen auftaucht. Libellenlarven sind es und böse Räuber. So plump sie sind, sie fassen nie fehl; ihre Schlammfarbe macht sie unsichtbar, so daß die Fischbrut arglos über sie hinwegschwimmt. Hunderte von ihnen liegen hier im Schlamme, die kleinsten nach dem Lande zu, wo das Wasser kaum zollhoch ist, denn sie müssen sich vor den größeren Stücken in acht nehmen. Es ist warm heute, das Wasser ist lau. Die Krebschen steigen in ganzen Wolken vom Seegrunde, schwimmen dem Strande zu und erfüllen das flache Wasser mit rötlichem Gewimmel, gefolgt von großen Scharen von Jungfischen, die Tausende und Tausende von ihnen verschlucken. Unter ihnen lauern dickköpfig und glotzäugig die Wasserjungferlarven, regungslos, als wären sie Stücke zusammengeballten Schlammes. Ab und zu schleudert eine die Zange hinaus und zieht sie mit einem Krebschen wieder zurück. Jetzt aber kommt ein Schwarm Fischbrut angeschwommen. Die vielen Hunderte von Larvenköpfen drehen sich ihm zu, doch der Schwarm zieht zu hoch. Ein zweiter kommt heran, mordet unter den Krebschen und schießt wieder in das hohe Wasser hinein, denn der Schatten einer mit klirrendem Rufe dahinjagenden Seeschwalbe verscheuchte ihn. Nun aber naht, dicht über den Schlammgrund hinziehend, ein dritter Schwarm, und alle Libellenlarvenköpfe drehen sich langsam ihm entgegen. Hier wird eine Fangmaske hervorgeschleudert, da auch eine, und dort wieder eine, überall, wo der Fischschwarm erscheint, packen die grimmigen Zangen zu, schnellen mit einem Fischchen zwischen den Widerhaken zurück und langsam und bedächtig zerpflücken die scharfgezähnten Kiefer ihre zappelnde Beute. Aber nicht nur den Fischen stellen sie nach; alles, was sie bewältigen können, fällt ihnen zum Opfer, die flinken, langgeschwänzten Larven der Eintagsfliegen, der hurtige Bachflohkrebs, der sich an ihnen vorüberschiebt, die Schwimmkäferlarven, die in den Wirkungskreis ihrer schrecklichen Zangen gerät, und der Wurm, der sich über den Schlamm schlängelt. Aber auch ihnen naht das Verderben. Es schiebt sich ein platter Leib heran, so flach wie ein Blatt, mit Schlamm bedeckt, von dünnen Füßen vorangehaspelt. Die eine Larve, die sich eben gehäutet hat und von der Anstrengung ermattet noch nicht Zeit fand, sich wieder einzuwühlen, fühlt sich von den Fangarmen des Wasserskorpions ergriffen. Ein schrecklicher Schmerz durchzuckt sie und macht sie wehrlos, denn der Rüssel des unheimlichen Geschöpfes, der sich ihr zwischen die Leibesringel schob, spritzte ihr den tödlichen Giftsaft ein und lähmte sie. Regungslos, keiner Bewegung fähig, verharrt sie in ihrer Stellung, während der böse Feind ihr die Lebenssäfte aussaugt. Wenn aber auch der Wasserskorpion und seine noch schrecklicher aussehende Verwandte, die unheimliche, klapperdürre Stabwanze, und der blitzschnelle Rückenschwimmer manche Larve umbringen, es leben Tausende an den flachen Stellen des Sees auf dem blauen Stinkton, und wenn ihre Zeit gekommen ist, kriechen sie scharenweise an das Ufer, halten sich an den silbernen Blättern des Gänsefingerkrautes, an den Ranken des Vogelknöterichs und an den harten Blättern der Sandsegge fest, bis ihnen die Hülle auf der Brust zerreißt und aus der scheußlichen Larve sich die reizende Wasserjungfer entwickelt, mit den silbernen, kupferrot am Grunde gefleckten Flügeln und dem flachgedrückten, wie ein griechisches Kurzschwert geformten, hellblauen Leibe. Mögen auch lange schon die Lerchen auf den Feldern und um den See gesungen haben, alle Blumen aufgeblüht sein und viele Falter fliegen, erst dann, wenn die Wasserjungfern knisternd über die Ähren des Roggens fliegen, silbern dahinblitzend und beim Umwenden golden aufleuchtend, dann erst ist die wahre Sommerstimmung da. Auf der Wanderschaft [Illustration] Libellula quadrimaculata +L.+ Heute wird es noch heißer, als es gestern und vorgestern war; die Luft hat sich über Nacht kaum abgekühlt; sie ist geladen mit Hitze. Ein Tag ist es für alles, was die Sonne liebt, ein Bienentag, ein Faltertag, ein Schwalbentag; hoch ist der Himmel und wolkenlos, und ein weicher Wind geht über das Korn. Hoch im hellen Blau spielen die Schwalben; sie haben es heute gut. In der letzten Woche, als der Himmel grau war und ein grämlicher Wind heulte, mußten sie sich, dicht an der Erde, hinter den Hecken und um die Kronen der Bäume flatternd, mühsam ihr Futter zusammensuchen. Jetzt ist das anders. Alles, was Flügelchen hat und den Tag und die Wärme liebt, kam hervor aus Moos und Mulm, Rohr und Ried, Gras und Gesträuch, entfaltete die Schwingen und ließ sich emportragen von der lauen Luft, höher, immer höher, und mit den Kurzflüglern und Rapskäfern, Mückchen und Fliegen stiegen die Schwalben empor, und nun jagen sie dort oben nach Herzenslust. Auch den Schmetterlingen gefällt der blanke Tag. Über der Wiese, aus der Hahnenfuß und Kuckucksnelke einen grüngelbroten Teppich machten, ist ein lustiges Getümmel. Weißlinge, Bläulinge und Lischgrasfalter tanzen bunt durcheinander, die bunten Widderchen schwärmen, Schwalbenschwänze schweben, am Raine sausen die Karpfenschwänze hin und her, und um die zerbohrten Pappeln fahren die Glasschwärmer. Überall ist außerdem ein eifriges Summen und Brummen, Schwirren und Flirren; alle Bienen und Fliegen, Wespen und Hummeln sind unterwegs, denn allerorts ist der Tisch gedeckt. Um die Brombeerblüten geht es zu wie um den Tanzplatz beim Schützenfest; auf den Dolden des Schneeballes drängt es sich wie um die Würfelbuden beim Jahrmarkte; die Bienen wissen nicht, welche Blüte sie zuerst besuchen sollen, denn zu groß ist die Auswahl; die Hummeln brummen vor Vergnügen vor sich hin, und die Schwebfliegen führen vor lauter Wonne ihre wildesten Tänze auf. Selbst der behäbige Pappelbock fühlt sich veranlaßt, die Flügel zu lüften, und sogar der dicke rote Blattkäfer läßt sich zu einem Fluge herbei, denn wenn ringsumher alle Heuschrecken fiedeln, dann kann man schlecht widerstehen. Die Dorngrasmücke findet auch, daß heute ein Prachttag ist; alle Augenblicke schwingt sie sich singend aus ihrem Brombeerbusche in die Luft, und das Weißkehlchen, das in dem Bandgrasgewirr bei dem Weidenbusche wohnt, macht es genau so. Sogar das Dorndrehermännchen, das sich meist für viel zu vornehm hält, um zu singen, fängt mit einem Male an, zu zwitschern, denn so gut, wie heute, ist es ihm lange nicht gegangen; auf dem dürren Schlehenzweige hat es schon für mindestens drei Tage Vorräte an Käfern und Heuschrecken aufgespießt, damit es ihm nicht wieder so gehen soll wie in der vorigen Woche, wo es zufrieden war, wenn es schließlich irgendwo ein mageres Fröschchen erwischte. Heute aber ist es anders; da ist eine dicke Hummel, hier ein fetter Käfer, dort eine leckere Heuschrecke. Es läßt sich heute schon leben. Aber die große Wasserjungfer, die dort in so sonderbar stetigem Fluge einherzieht, muß er doch noch haben; schnell flattert er ihr nach, holt sie ein, faßt sie und fliegt mit ihr nach seinem Dornenzweige. Eine Weile hält er sie noch im Schnabel, dann spießt er sie neben den blanken Laufkäfer, wippt zufrieden mit dem bunten Schwanze hin und her und fängt wieder zu singen an. Aber da ist ja schon wieder eine Wasserjungfer, ganz dieselbe Art, und sie fliegt in derselben Richtung und in derselben stetigen Weise. Der Würger fliegt hin und holt sie sich auch. Und eine dritte spießt er auch noch auf, aber als er dann aufsieht, da fliegt schon wieder eine dahin, und noch eine, und jetzt zwei, und dann drei, und immer mehr; die ganze Luft ist voll davon. Hoch oben in der Pappel sitzt der Turmfalke. Ab und zu schießt er herab, rüttelt über der Wiese oder läßt sich in ihr nieder, um mit einer Heuschrecke oder einem Käfer wieder nach seiner Warte zu fliegen, sie zu kröpfen und wieder zu lauern, bis er wieder eine Beute erspäht. Die Libelle kommt ihm gerade recht; ehe sie ihn erblickt, ist er über ihr und greift sie. Kaum hat er sie hinabgewürgt, da kommt schon wieder eine an, und eben hat er sie gefaßt, da ist noch eine da und hinter ihr abermals eine, und es will damit kein Ende nehmen, Libellen, nichts als Libellen, neben- und hinter- und übereinander, alle von derselben, großen, vierfleckigen, grünköpfigen Art, alle nach derselben Richtung in derselben ruhigen Weise fliegend, wie es sonst nicht Sitte bei ihnen ist. Ebenso verdutzt, wie der Würger, sieht der Falke ihnen nach. Und ebenso verblüfft sind die Menschen des Städtchens. Wasserjungfern sind sie ja gewohnt, sehr viele sogar, denn um die Zeit, wenn die Tiere flugreif geworden sind, wimmelt es am Ufer von ihnen, und mitten in den Straßen der Stadt trifft man sie oft an, fliegend oder ermattet an den Hauswänden hängend. Das sind aber zumeist andere, mit dünnen, schwarz und gelb gemusterten Leibern, und nicht diese Art, und selbst wenn viele von ihnen da sind, in solchen Massen sind sie noch nie gekommen, und sie flogen auch nie, wie diese hier, alle in derselben Richtung und in einem geschlossenen Schwarme, der über fünfzig Fuß breit und an zehn Fuß hoch ist, und der anscheinend gar kein Ende nehmen will, denn als die Jungens zur Schule gingen, erzählten sie dem Lehrer schon davon, und jetzt, wo die Frühstückspause ist, fliegen sie noch immer und in noch größerer Menge. Die Jungens vergessen ganz ihre Butterbrote, denn so etwas haben sie noch nie erlebt; ganz unheimlich kommt ihnen die Sache vor. Sie versuchen die Tiere zu zählen, aber das geht nicht; Tausende und Tausende sind es, die über den Schulhof hinwegziehen, doch so hoch, daß das Werfen mit den Mützen und Hüten sich nicht lohnt. Eine Viertelstunde dauert die Pause, und als sie aus ist, ist noch kein Ende des Libellenfluges abzusehen. Der Lehrer, der auch noch nie einen solchen Flug erlebt hat, sieht ein, daß es mit dem Mathematikunterrichte heute nichts gibt; die ganzen dreißig Jungens haben die Augen, statt auf der Tafel, bei den Fenstern, und die so sitzen, daß sie nicht hinaussehen können, die flüstern den anderen alle Augenblicke zu: »Fliegen sie noch immer?« Der Lehrer lächelt; ihm wäre es nicht anders gegangen, als er noch ein Junge war, und so macht er mit der Mathematik Schluß und holt die Naturgeschichte aus dem Schranke und trägt den Schülern über die Wasserjungfern und ihre großen Wanderflüge vor, die schon oft beobachtet sind, von denen man aber nur weiß, daß es meist die vierfleckige Art ist, die in solchen Mengen auftaucht, daß aber Ursache und Ziel dieser Auswanderungen noch unbekannt sind, denn bestimmte Gesetze über die Rolle, die der Wind dabei spielt, hat man noch nicht herausfinden können, und auch für den heutigen Flug fehlt jede Erklärung. Man könnte vielleicht denken, die Libellen fühlten, der See könne nicht alle die Millionen von Larven ernähren, wenn die unzähligen Tiere in dem See ihre Eier ablegten; aber das sei nicht der Fall, weil der See Milliarden von winzigen Krebstierchen, Larven, Würmern und Jungfischen enthalte; austrocknen könne er auch nicht, weil er zu starke Quellen habe, und sonderbar sei es, daß die Libellen nicht nach dem nächsten, noch größeren See, sondern in einer Richtung flögen, in der auf Meilen hin gar keine Seen lägen. Die einzige Erklärung, die es gäbe, sei die: die kalte Witterung der letzten Wochen habe das Ausschlüpfen der Wasserjungfern verzögert. Nun sei mit einem Male die starke Hitze eingetreten, und es habe eine Massenentwickelung stattgefunden, und es sei eine alte Erfahrung, daß, wenn eine Tierart in außergewöhnlicher Menge auftrete, sie Neigung habe, zu wandern, wie man es bei dem Heerwurm, dem Lemming und dem Baumweißling beobachtet habe, und daß dann diese Massen sich zusammenschlössen und alle nach derselben Richtung wanderten. Warum sie das aber täten, das wisse man nicht. Als es Mittag läutete, hatten es die Jungens noch eiliger als sonst, und fast alle machten den Umweg am See vorbei, ehe sie nach Hause gingen, denn vom See kam der Libellenzug her, und auch der Lehrer ging zum Seeufer. Aber dort gab es auch keine gute Erklärung für die seltsame Erscheinung. Zwar saßen überall am Ufer, an den Binsen und an Rohr und Schilf, an den Balken der Waschbänke, an den Wänden der Fischerboote die leeren Larvenhüllen, und auf dem blauen Tongrunde des flachen Seeufers krimmelte und wimmelte es von breiten, flachen Larven, und überall sah man Wasserjungfern, die eben die Hülle verließen, und andere, die frisch ausgeschlüpft waren und mit schlaffen, farblosen Flügeln an Halmen und Treibholz hingen, und andere, die den ersten Flug wagten; aber der Hauptflug kam von der anderen Seite des Sees, wo die großen, flachen, kahlen Buchten waren. Quer über den Spiegel des Sees kamen sie geflogen in fünfzig Fuß breitem, zehn Fuß hohem Bande, das so scharf abgegrenzt war, daß nur ganz selten einmal ein Stück außerhalb der Reihe flog. So wie sich der Zug dem Ufer näherte, erhoben sich die frisch ausgeschlüpften Stücke, die schon kräftig genug waren, und reihten sich ein, aber immer nur, wenn sie zu der vierfleckigen Art gehörten, denn es flogen auch solche mit den gelben Leibern, die aber dem Schwarme auswichen und unter ihm herjagten, denn er hielt sich immer in Manneshöhe über dem Wasserspiegel und hob sich noch höher, als er die ersten Häuser der Stadt erreichte, um sich wieder etwas zu senken, wenn er die Stadt hinter sich hatte. Hätte der Zug seine Richtung ein klein wenig nach rechts genommen, so hätte er nicht über die Häuser zu fliegen brauchen, sondern wäre gleich im freien Felde gewesen; und noch eins war merkwürdig, die Tiere flogen ganz anders als sonst, wenn sie am Ufer auf- und abjagen, so ruhig, so stetig, und so gar nicht hastig. Auch sah man nicht, daß auch nur ein einziges Stück raubte, trotzdem es an Fliegen, Haften und anderem Getier durchaus nicht mangelte; auch waren alle in demselben Alter, denn die, welche die Leute mit langen Stangen, an die sie Zweige gebunden hatten, herunterschlugen, die waren alle so frisch und hatten so schimmernde Flügel, daß man es ihnen ansah, daß sie alle erst an diesem Tage ausgeschlüpft waren. Den ganzen Tag über dauerte der Flug; erst als die Sonne unterging, nahm er ab, und an allen Hauswänden, an allen Bäumen, Hecken und Zäunen hingen die Tiere die Nacht über; als aber der Morgen kam und die Sonne über dem See stand, erhoben sie sich und schlossen sich dem Zuge an, der wieder über die Stadt zog; er war immer noch stark, wenn auch nicht mehr so wie am Tage vorher, und noch am Tage darauf ging ein Zug Libellen über die Dächer, der noch schwächer war, und einzelne flogen auch am vierten Tage noch in der alten Richtung, doch fielen sie kaum mehr auf. Weiterhin im Lande, in der Richtung des Zuges, waren die großen Massen von Libellen auch beobachtet, wo aber das Ende des Zuges war, wo er sich verteilte, das erfuhr man ebensowenig wie in früheren Fällen, und unter der Bevölkerung des Städtchens ging noch lange das Gerede von den vielen Libellen, und eine alte Frau, die die Karten legte und das Vieh besprach, prophezeite, daß nun die Cholera oder ein großer Krieg kommen müsse wie jedesmal, wenn sich das fremde Ungeziefer sehen lasse. Die Cholera kam aber nicht, und ein Krieg brach auch nicht aus, und es war auch gar kein fremdes Ungeziefer, sondern es entstammte dem See bei der Stadt und den vielen anderen Seen und Teichen in der Umgegend. Sie ist ein häufiges Tier, die vierfleckige Jungfer, und wo ein Wasser ist, da jagt sie, und auch über den Feldern und auf den Wiesen. Aber wer achtet auf sie? Den Löwen und den Tiger lernen die Kinder in der Schule kennen, und einige sammeln auch Käfer und Schmetterlinge, besonders die schönen und großen, und tragen in kindlichem Unverstande mit dazu bei, die Natur zu verwüsten. Aber die Wasserjungfer, die sie täglich sehen, kennen sie nicht, denn auch der Lehrer weiß meist nicht allzuviel davon, obgleich es ein Tier ist, das seine Bedeutung hat, weil es Unmengen von Ungeziefer vertilgt. Sehr lehrreich wäre es für die Kinder, richtete der Lehrer ein Schulaquarium ein und führte darin die seltsame, unheimliche Larve vor, damit die Kinder beobachten könnten, wie sie den Bachflohkrebs belauert und den Regenwurm anschleicht oder, an dem Stengel des Wasserhahnenfußes langsam emporkriechend, die Schmeißfliege mit der Fangmaske packt und verzehrt, oder aber, ärgert der Lehrer sie mit dem Bleistifte, durch Ausstoßen und Einziehen von Wasser durch den Darm sich schnell quer durch das Glasgefäß fortbewegt. Die Kinder könnten beobachten, wie sie sich häutet, wie dann die Nymphe entsteht, die im Gegensatze zu der Larve Flügelscheiden aufweist, wie die Nymphe freßunlustig wird, das Wasser verläßt und aus dem plumpen, unheimlichen Wesen die schlanke, schöne Jungfer entsteht, wie sie sie täglich am Seeufer und auf den Wegen beobachten können. Mit ganz anderen Augen würden die Kinder ihnen dann nachsehen, und später, wenn sie groß sind und einen Libellenflug erleben, würden sie wissen, daß Seuche und Kriegsgefahr andere Ursachen haben als die flinken Flatterer, die am Seeufer hin- und herflittern. Im Röhricht [Illustration] Gomphus vulgatissimus +L.+ Hinter dem Galgenberge, der jetzt den Kirchhof trägt, erweitert sich der See zu einer breiten Bucht, die von dichtem Röhricht umschlossen ist. Am Strande entlang wächst erst Riedgras und Schilf, mit Kalmus, Froschlöffel, Schwertlilie, Igelkolben und Bandgras durchmischt. Dann beginnt das Kolbenrohr und dahinter das Rohr, und wo das Rohr aufhört, breitet sich die Seerose aus, bis endlich Laichkräuter, von den dicken Pferdebinsen überragt, und Wasserhahnenfuß sich noch gegen Wind und Wellenschlag behaupten. In der Mitte der Bucht haben die Fischer eine breite Schneise quer durch das Röhricht gehauen, und weil sie täglich hier auf und ab gehen und ihre Kähne landen, kann das Rohr hier nicht hochkommen, und so ist das Wasser frei. Sein Grund ist mit faulenden Rohrstengeln, toten Ästen und Binsenstücken besät, zwischen denen es von Bachflohkrebsen, Köcherwürmern, Egeln und Wasserkäferchen wimmelt. Die vielen Wasserjungferlarven, die hier leben, Hunderte und Aberhunderte, brauchen sich nach Futter nicht weit umzusehen. Sind sie noch ganz klein, so schwimmen ihnen genug Wasserflöhe und winzige Eintagsfliegenlarven entgegen, und sind sie erwachsen, so haben sie an Flohkrebsen und Jungfischen Fraß in Hülle und Fülle. Faul und träge sitzen sie an dem toten Gezweig, auf den untergetauchten Binsenstücken und Rohrstengeln und warten, was die Bewegung des Wassers ihnen zutreibt. Sie sind fast alle von derselben Art, nicht so kurz und so plump wie die Larven der blaubäuchigen Jungfer, die auf dem blauen Tone des offenen Strandes gleich hinter den letzten Häusern der Stadt leben, und nicht so schlank wie die Larven der Edellibellen, die weiterhin mit den Köpfen nach unten an den Rohrhalmen und an den Blattstielen der Seerosen hängen und auf Beute lauern. Von allen Größen finden sie sich, ganz kleine und ganz große, die schon Flügelschuppen aufweisen und auf einen Tag warten, so heiß, wie es heute ist. Schon mehrere Tage haben sie nicht mehr fressen mögen, denn sie sind das Larvenleben unter dem Wasser leid. Ihre Darmkiemen sind eingeschrumpft, Atemlöcher haben sich an ihren Seiten gebildet; sie sind schon mehr Luft- als Wassertiere. An jedem weißlich schimmernden Zweige, der aus dem Wasser hervortaucht, an den Wänden der Kähne, an den Pfählen, an die die Kähne geschlossen sind, an dem Fischkasten, an dem Netze, das zum Trocknen aufgespannt ist, haften sie. Sie sehen scheußlich aus mit ihren breiten Krötenköpfen, den dünnen Spinnebeinen und dem plumpen, roh gezackten Leibe. Ob sie, wenn sie sich an eine Beute heranpirschen, langsam kriechen, oder, wenn der Fischer, der seinen Kahn auf das Land zieht, sie stört, jäh dahinschießen, oder, wie heute, wo es sie aus dem Wasser treibt, sich mit eckigen Bewegungen an den Halmen und Stengeln emporhaspeln, immer wirken sie häßlich und unheimlich, und der Fischer, der sie doch schon von Jugend auf kennt und weiß, was es für Wesen sind, schüttelt sie, als er das trockene Netz abnimmt, mit einer Gebärde des Ekels von seiner Hose. Die Sonne brütet nur so auf der Bucht; sie ist den Libellennymphen gerade recht. Überall wird ein feines Knistern vernehmbar, bei einer nach der anderen reißt die Hülle, und aus ihr taucht ein nasser, klebriger, glotzäugiger Libellenkopf auf. Das war eine große Anstrengung, und eine Weile ruht das sonderbare Doppelwesen. Dann zerrt es Bein auf Bein aus der Scheide, aber die Mühe war zu groß, und schlaff hängt die halbfertige Libelle mit dem Kopfe nach unten. Lange hängt sie so; dann richtet sie sich auf, stemmt die Beine gegen die halbleere Hülle und zieht den Hinterleib heraus, aus seiner Spitze einige grüne Tropfen fallen lassend. Schlaff, feucht und kraftlos, mit Flügeln, so weich, daß sie wie nasse Lappen im Winde flattern, hängt sie auf der leeren Hülle. Aber die Sonne, der Stern der Libellen, trocknet sie rasch ab und flößt ihrem Leibe Festigkeit ein. Luft füllt das Röhrenwerk der schlaffen Flügel; es trennen sich die zusammengeklebten Schwingen, richten sich auf, spreizen sich und breiten sich endlich wagerecht aus. Noch aber hängt der Leib haltlos herab, noch hat der Hals keine Kraft, so daß der dickäugige Kopf bald auf dieser, bald auf jener Seite hängt, und die Beine entbehren auch noch der Sicherheit. Aber nach einigen Stunden hat sich der Leib gestrafft, sind die Beine vollends erhärtet, hat der Kopf Halt bekommen, und mit gespreizten Flügeln und weit von sich gestrecktem Hinterleibe sitzt das Tier da, sich von der Sonne bescheinen lassend. Endlich wagt es den ersten Flug. Sehr plump fällt er aus, denn zu wenig gefestigt ist noch der Leib, und die Atmung läßt noch zu wünschen übrig. Manch eine fällt auf das Wasser und bleibt so lange hilflos liegen, bis die Flut sie an das Ufer spült und sie sich mühsam an einem Halme heraushaspelt. Andere sinken in das Ried oder auf den Sand und bleiben dort liegen, bis sie sich kräftig genug für einen neuen Flugversuch fühlen. So schön gefärbt wie die alten Libellen sind sie aber noch nicht. Erst, wenn sie einige Tage zwischen dem Röhricht umhergeflattert sind, sticht bei den Männchen das helle Gelb, bei den Weibchen das lichte Grün scharf von der schwarzen Zeichnung ab, und dann erst ist der Flug sicher und selbstbewußt. Tag für Tag haben die Nymphen hier in der Bucht das Wasser verlassen; überall an den Halmen und Stengeln hängen die leeren, offenen Hüllen, die einen noch braun und fest, andere schon abgebleicht und von dem Winde zerfetzt, immer aber noch mit den leeren Krallenscheiden die Stengel festhaltend und gespenstig mit den toten Augen in den breiten Köpfen in die Sonne starrend. Neben ihnen, über ihnen, unter ihnen, auf ihnen sitzen frisch aus dem Wasser gekrochene Nymphen, haften eben ausgeschlüpfte, noch weiche und weiße, kraftlose Libellen und andere, die schon erstarkten, und noch welche, die sich vom Fluge ausruhen. Die ganze Bucht ist erfüllt von den schlanken Tieren. Überall knistert und raschelt es, allerorts schwebt und flattert, blitzt und schimmert es. Es ist ein fortwährendes Hin und Her, ein unaufhörliches Auf und Ab von gelben und grünen, schwarzgemusterten Leibern und silbernen Schwingen. Hunger und Liebe jagt die bunten Tiere hin und her. Die Mücken und Fliegen, die über dem Röhricht schweben, müssen zu Tausenden sterben, denn sie sind heißhungrig, die frisch geschlüpften Wasserjungfern, und ihre Verdauung ist rasch. Und liebestoll sind sie; überall hängen die seltsam verknoteten Pärchen, überall fassen die Männchen die Weibchen und schleifen sie hinter sich her, bis sie mit ihnen auf einem Rohrblatte niedersinken und sie ihnen ganz zu Willen werden. Andere aber sind der Liebe schon satt; die Männchen jagen auf dem Lande, alle Augenblicke sich setzend, und die Weibchen tanzen über die Flut, ab und zu niederwippend und ihre Eier ablegend. Hier und da treibt schon eins von ihnen halbtot auf dem Wasser oder flattert hilflos im Ufersande; die Ameisen zerren daran herum, der große, bronzefarbige, goldgezierte Raubkäfer, der unter dem Treibholzblock wohnt, braucht nicht lange zu suchen, wenn er in der Dämmerung auf Jagd geht, und die Spitzmäuse haben gut zu leben. Auch der rotrückige Würger, der in dem Schlehenbusche unter der Friedhofsmauer brütet, und der schwarzstirnige, der in einer der Fichten gebaut hat, und der Raubwürger, der sein Nest in dem hohen Wildbirnbaum hat, der bei dem Teiche im Felde steht, sind sehr zufrieden, daß es so viele Wasserjungfern gibt; fortwährend kommen sie angeflogen und fliegen wieder ab, ganze Büschel von halbreifen Stücken in den Schnäbeln, und überall im Grase liegen Libellenflügel umher. Außerdem kommt Tag für Tag der Eisvogel, der in der Steilwand des Fließes, das das überflüssige Wasser des Sees weiterführt, seine Nesthöhle hat, in der Bucht zu Besuch; mit hellem Schrei fährt er über das Wasser hin, das seine märchenhaften Farben widerspiegelt, fällt auf dem Rande des Kahnes ein und streicht, den Schnabel voller Libellen, wieder ab, mit den Leibern seine hungrigen Jungen fütternd, während die silbernen Flügel liegenbleiben und schließlich den Boden der Nesthöhle mit einer dicken Schicht bedecken. Solange die Sonne scheint, geht es den Wasserjungfern gut. Wenn sich aber der Himmel bezieht, der Regen auf den See prasselt und der Sturm das Röhricht peitscht, dann sind böse Tage für sie da. Zu Hunderten und Tausenden werden sie in die Wellen geworfen und an den Strand gespült, und wenn der Sturm abläßt und die Sonne wieder scheint, glitzert die ganze Uferkante von ihren Flügeln, und dazwischen kriechen, mit Algenfäden bedeckt und mit Sand beklebt, unbeholfen die Larven umher, die die Schlagwellen auf das Ufer warfen, den Krähen ein willkommener Fraß. Aber auch die Sonne hat ihre Tücken und der klare Tag seine Gefahren. Zwischen dem Ufergebüsch und den Halmen des Bandgrases haust die böse Kreuzspinne, und jede Libelle, die gegen die klebrigen Fäden des Spinnennetzes anfliegt, bleibt hängen. Nichts helfen ihr die starken Flügel, die kräftigen Beine und das scharfe Gebiß; trotz ihres Flatterns und Zappelns wickelt die Spinne sie ein und saugt ihr bei lebendigem Leibe den Lebenssaft aus. Aber immer bleiben noch Tausende von Libellen übrig, die um das Röhricht flattern und das Knistern und Rascheln ihrer Schwingen in das Rauschen des Rohres und das Klatschen der Wellen mischen, bis ihre Zeit vorüber ist. Am Schilfe [Illustration] Calopteryx splendens +Harr.+, C. virgo +L.+ Wo der Seestrand so flach ist, daß zwischen dem Rohre und dem Ufer ein freier Raum bleibt, da bildet das Schilf große Dickichte. Nicht ganz allein herrscht es dort. Die Wasserminze bildet dichte, bläulich blühende Gebüsche, die einen betäubenden Geruch ausströmen, der Thyrsusstab prangt mit seinen goldenen Blütenkugeln, der Wasserampfer reckt sich hoch empor, Wolfsfuß schafft sich Platz, und hier und da erhebt sich ein runder Weidenbusch. Vielerlei Getier bietet das Schilfdickicht Unterschlupf und Nahrung. Die Blätter sind mit Bernsteinschnecken und Rohrkäfern bedeckt, in ihren Winkeln verbergen sich Köcherfliegen und Motten, zwischen dem Wurzelwerk wimmelt es von Kaulquappen und von Larven aller Art, Krebse verstecken sich an den tieferen Stellen, mit Vorliebe liegen die Enten dort, Wasserhuhn und Zwergtaucher vertrauen ihm ihre Nester an, in der Dämmerung schlüpft die Zwergrohrdommel zwischen den Halmen umher, nach Egeln suchend, und die Wasserfrösche suchen zwischen ihnen Zuflucht vor dem Reiher und dem Hechte. Alle Libellen, die am See leben, lieben das Schilf und rasten gern auf seinen Blättern oder an den bräunlichen Rispen, am meisten aber die prachtvollen Seejungfern. Als Larven wuchsen sie zwischen dem faserigen Wurzelwerk des Schilfdickichtes auf, nährten sich von Flohkrebsen, Würmern und Eintagsfliegenlarven, und wenn sie die Nymphenhülle verlassen haben, bleiben sie dem Schilfe treu. Denn es sind keine wilden, tollen Flieger wie die ganz großen Libellen; schüchterne Flatterer sind es, die sich nicht gern auf das offene Wasser hinauswagen. Mit schwankendem Fluge, die Flügel hochhaltend, als hätten sie es den weißen Faltern abgelernt, die am Strande entlang tanzen, schweben sie von Stengel zu Stengel. Gleich als ob sie keine Kraft in ihren herrlich gefärbten Flügeln hätten, so sinken sie nach kurzem Fluge müde auf ein Blatt hin, bleiben sie an einer Rispe kleben, rasten ein Weilchen und flattern wieder weiter. Es sind zarte, hinfällige, gebrechliche Tiere, in Flugbild und Form den zierlichen himmelblauen Schlankjüngferchen ähnelnd, die um die Blüten der Wasserminze flirren, nur bedeutend größer und noch prächtiger gefärbt. Ihre dünnen Leiber sehen aus, als wären sie aus blauem oder grünem Stahl geschmiedet, ihre Flügel tragen märchenhafte Farben und spielen in den wunderbarsten Tönen, sehen im Schatten tiefblauschwarz aus, leuchten grellblau in der Sonne auf oder schimmern auf einmal in goldigem Seidenglanz, um im nächsten Augenblicke zu stumpfem Braun zu verlöschen oder zu trübem Grün abzubleichen. Sie sind es, die dem Schilf seinen Zauber geben. Ob sie nun, Leib und Flügel geradeausgestreckt, still an einem Blatte sitzen oder regungslos an einer Blüte hängen, oder ob sie, unsicher flatternd, zwischen den Blättern hindurchhuschen, werfen sie ein fortwährendes Blitzen und Funkeln, Leuchten und Schimmern über das hellgrüne Blättergewirre und die dunkelgrüne Flut und mischen das leise Geraschel und Geknister ihrer Schwingen mit dem Geruschel des Schilfes und dem Klucksen der Wellen. So blumenhaft zart sie aber auch aussehen, von Blütensaft leben sie ebensowenig wie die wilden Libellen, die hastig über sie herschießen. Ihr Tändeltanz ist ebensosehr Raubflug wie der großen Jungfern Dahinrasen, und alles, was langsame Flügel hat, fällt ihnen zur Beute. Die schwerfällige blinde Fliege, die wie ein grauer Fleck auf dem Ampferblatte klebt und das Blut verdaut, das sie den Kühen, die am Ufer entlang grasen, abzapfte, findet unter dem scharfen Gebisse der blauen Seejungfern ebenso ihr Ende wie die frisch geschlüpfte Mücke, die in der Sonne ihre Flügel trocknet, wie die plumpe Käferlarve am Weidenzweig und die zierliche Zikade, die massenhaft das Mannagras umschwirrt. So wild und gierig jagen sie freilich nicht wie die blauen Edellibellen und die gelben Strandjungfern, die zwischen Wald und See auf- und abschießen, und auch ihre Liebeskämpfe sind nicht so rauher Art. Fast zaghaft naht sich das Männchen dem Weibchen und läßt sich mehr als einmal abschrecken, wenn dieses den goldgrünen Leib steil emporrichtet und unwillig die braunen, seidenglänzenden Florflügel schüttelt, daß es laut raschelt. Dann ist sofort ein zweites Männchen da, und ein drittes naht und ein viertes, und das raschelt und knistert durcheinander und schimmert und blitzt, bis das keckste Männchen die Nebenbuhler beseitigt, sich des Weibchens bemächtigt und es sich trotz dessen Sträubens willfährig macht. Soweit das Schilf reicht, überall dasselbe Geflatter der blauen, bräunlichen und grünlichen Flügel, überall das Blitzen und Funkeln der stahlblauen und erzgrünen Leiber, ein Leben, sorglos und lustig, wenn auch einmal die große Edellibelle jäh herniederstößt und mit einem der zierlichen Tänzer davon schwirrt, oder eine gelbe Strandjungfer zwischen die fröhlichen Flatterer stürzt und mitten aus der lustigen Hochzeitsgesellschaft ein verliebtes Männchen herausgreift. Unter dem Wasserspiegel aber, wo die langen, rosenroten Wasserwurzeln der Erlen im leisen Wellenschlage hin und her wallen, umwimmelt von glänzend braunen, goldgelb gestrichelten Käferchen, hausen die Larven der Seejungfern. Sie sind nicht so breit und so plump wie die der großen Raublibellen und nicht so zierlich und schlank wie die der feinen Schmaljungfern; sie halten zwischen beiden die Mitte in Form und Aufbau, denn sie atmen zugleich durch den Darm wie die einen und mit Schwanzkiemen nach der Weise der Schmaljungferlarven, bis die Zeit kommt, da sie das Wasser verlassen, denn kurz vorher entwöhnen sie sich der Larvenatmung und nehmen aus der Luft den Sauerstoff auf, von Zeit zu Zeit an den Wurzeln emporklimmend und das Ende des Hinterleibes aus dem Wasser streckend. Sonst leben sie so versteckt wie möglich, denn zwischen den Wasserwurzeln der Erlen wimmelt es von Bachflohkrebsen und Eintagsfliegenlarven, so daß es ihnen an Fraß nicht mangelt, denn sie müssen sich vor dem Barsch hüten, der ihnen allzugern nachstellt, besonders, wenn sie sich frisch gehäutet haben und noch weich sind. Auch den unheimlichen Wasserskorpion fürchten sie, und wenn er, sich langsam zu ihnen hintastend, heranschleicht, so ziehen sie den Leib zusammen und spritzen das Atemwasser so jäh von sich, daß der Rückstoß sie weit durch das Wasser treibt; aber hastig bergen sie sich dann wieder in dem Wurzelgewirre. Wenn der Sturm den See aufwühlt, dann geht es ihnen schlecht. Der Wellenschlag peitscht dann die Erlenwurzeln und wirft manche von ihnen auf das Ufer, wo die Ameisen und Raubkäfer ihnen den Garaus machen, und wenn sie sich zwischen die überrieselten Tagewurzeln der Erlen retten, so erwischt sie dort die Wasserspitzmaus oder die Erdratte. Aber zu Tausenden leben sie im Schilf, so daß genug von ihnen übrigbleiben, die steif und still über Winter in den Uferlöchern unter dem Randeise verharren, bis die Sonne das Eis bricht, das Wasser erwärmt und sie wieder erweckt, daß sie sich häuten und fressen und strecken und schließlich das Schilf erklimmen, um sich aus häßlichen Larven zu den zauberhaften, märchenschönen Seejungfern zu entwickeln, die flirrend und flatternd, schimmernd und flimmernd der schönste Schmuck des Schilfes sind. Am Graben [Illustration] Agrion minium +Harr.+, A. elegans +Lind.+, A. cyathigerum +Charp.+ Unter dem Galgenberge mündet ein Graben in die Bucht des Sees; er kommt von den Wiesen und ist das ganze Jahr über in seinem unteren Teile mit Wasser gefüllt. Seine Ufer tragen reichen Blumenschmuck, und allerlei Kräuter wachsen in ihm, Froschlöffel, Wasserhahnenfuß, Riesenampfer, Schwertlilie, Binsen, Riedgräser, Vergißmeinnicht, Bachlungenkraut und in der Nähe des Sees auch Froschbiß und Krebsschere. Deshalb ist sein Tierleben reich; es wimmelt in dem Wasser von Kaulquappen und Molchlarven, Köcherraupen, Kleinkrebsen, Wasserkäfern, Mückenlarven, Milben, Schwimmwanzen, Würmchen, Polypen, Schnecken und Müschelchen. Auch Libellenlarven finden sich in Menge, besonders die Larven der Schmaljungfern, zierliche, schlanke Geschöpfe, die viel hübscher aussehen als die Larven der großen Libellen und auch in ihren Bewegungen netter sind, denn wenn sie gestört werden, so schlängeln sie sich schnell und gewandt durch das Wasser. Meistens aber sitzen sie verborgen im Kraute, durch ihre Farbe vor ihren Feinden geschützt, deren es nicht wenige gibt. Nicht nur die Stichlinge und Molche stellen ihnen nach, auch die Wasserskorpione und Schwimmwanzen, die Wasserspinnen und die Schwimmkäferlarven und besonders die Larven der großen Libellen. Deshalb halten sie sich in dem dichten Gewirre des Gekräutes verborgen, meist regungslos hängend, die drei langen, bunt gebänderten Kiemen am Ende des Hinterleibes weit auseinandergespreizt, und lauern auf Beute. Zumeist sind es Wasserflöhe, von denen sie leben. Tanzt eine Daphnie oder ein Hüpferling dicht an ihnen vorbei, oder zappelt eine Mückenlarve bei ihnen vorüber, so schnellen sie die große, breite Fangmaske vor, ziehen sie mit der darin festgeklemmten Beute zurück, und die Kiefer zerpflücken sie. Auch in den Uferlachen des Seeufers, in dem Teiche, in den dichten Wasserhahnenfußbänken, die im See treiben, wimmelt es von Schmaljungferlarven, und wenn die warmen Sommertage kommen, hängen überall an den Halmen und Blättern die leeren, durchsichtigen, weißlichen Nymphenhüllen, und bei stillem Wetter flirrt und flimmert es um alle Büsche. Es sieht dann aus, als ob lauter goldgrüne, himmelblaue und rubinrote Nadeln in der Luft umherfliegen, denn viel dicker als Stecknadeln sind die Leiber der Schmaljungfern nicht, und ihre Flügelchen sind so zart, daß sie in der Sonne nur wie ein Schimmer wirken. Es sind niedliche Tänzer, die Schmaljungfern, schüchterne Schweber, ganz von Sonne und Windstille abhängig. Wenn das Wetter warm und die Luft still ist, leben sie auf und flirren um die Büsche; bezieht sich der Himmel, versteckt sich die Sonne, weht der Wind kühl, dann hängen sie mit fest an den Leib gedrückten Flügeln still und traurig an den Blättern. Sie jagen auch anders als die großen Wasserjungfern, sie erhaschen ihre Beute nicht im Fluge. Sie flattern um die Zweige der Büsche, und wo sie eine Blattlaussiedelung erspähen, da lassen sie sich nieder, pflücken die saftigen Tierchen ab und verzehren sie. Da Tausende von ihnen in den Büschen und im Grase umherschwirren, so wird durch sie tüchtig dafür gesorgt, daß die Blattläuse nicht überhandnehmen. Auch die eben ausgeschlüpften, zarten, winzigen Raupen haben in ihnen böse Feinde. Doch auch ihnen selber mangelt es nicht an Nachstellung. Wenn sie dicht über den Boden hinflirren, werden sie von den Fröschen fortgeschnappt, die Eidechse erhascht sie im Sprunge, die Waldmaus greift sie, wenn sie im Grase schlafen, und allerlei Vögel stellen ihnen nach. Ihre schlimmsten Feinde aber sind die Spinnen; ist das Netz auch noch so zart, die leichte Schmaljungfer bleibt darin hängen, und in allen Spinnenweben an dem Graben entlang schimmern ihre silbernen Flügelchen und blitzen ihre himmelblauen, goldgrünen und rubinroten Leiber in der Sonne. Daneben aber flirren die dahin, die den Spinnen entgingen, in lustiger Liebesjagd. Hier fährt ein goldgrünes Weibchen hinter einem dunkelen, blaugeringelten Männchen her, dort hat ein glührotes Männchen das düstere Weibchen mit der Liebeszange gefaßt und flattert mit ihm dem nächsten Blatte zu, da bildet ein Pärchen eine seltsame Schlinge, darunter zwingt ein Männchen das Weibchen, ihm zu Willen zu sein, und auf jenem Blatte sträubt sich ein Weibchen mit wildem Geflatter gegen die Liebkosungen eines Männchens, das nicht von seiner eigenen Art ist. Seltsam ist die Liebe der Libellen, ganz seltsam. Mit den Beinen faßt das Männchen das Weibchen am Rückenschild, und wenn es ihm nicht mehr entgehen kann, dann packt die sonderbare Zange, die es am Ende des Leibes trägt, den ersten Brustring des Weibchens. Hin und her schiebt der Leib des Männchens das Weibchen, heftig flattern beide, aber schließlich wird das Weibchen von der Erregung des Männchens angesteckt, es krümmt den Hinterleib nach unten, schiebt ihn unter seinen Beinen her, nähert das Ende seines Leibes der Brust des Männchens und vereinigt sich mit ihm. So bildet das Pärchen eine merkwürdige Figur, eine eigenartige Schleife; des Männchens Hinterleibspitze umfaßt den Rücken des Weibchens, und dessen Leibesende ist mit der Unterseite des Vorderleibes des Gatten vereinigt. Eine Wolke richtet sich vor der Sonne auf; mit einem Schlage ist das Geflirre und Geblitze zu Ende. Matt, der Kraft beraubt, fallen die zierlichen Tiere auf die Blätter und bleiben an den Halmen haften, den Leib wagrecht ausstreckend und seine Farbenpracht mit den Flügeln verhüllend. Auch hierin ähneln sie den anderen Jungfern nicht, die mit gespreizten oder emporgerichteten Schwingen ruhen. Sie aber dürfen das nicht; zu zart sind sie, und die Brise, die die Wolke brachte, würde sie in das Wasser wehen, wo die Ukleis auf sie lauern. Doch die Wolke ist schon wieder fortgezogen; eins nach dem anderen von den Silberstäbchen lüftet die Flügel, und wieder blitzt und funkelt es rot und blau und grün um die Erlenblätter und Grashalme, von neuem beginnt das Getändel und Gekose, fängt der feenhafte Hochzeitsreigen der märchenhaften Tierchen an, die jeder Mensch gesehen hat, die aber keiner kennt, mag er sie auch Tag für Tag vor Augen haben. Es lohnt sich aber schon, sich auf den Grabenrand zu setzen und ihnen zuzuschauen für den, der Augen hat, sich an Schönem und Prächtigem zu freuen, auch wenn es fein und klein ist. Dieses Tierchen hier mit den silbernen Flügeln, jeder vor der Spitze zierlich gefleckt, und dem rubinroten, goldgrün endigenden Leibe, es hat soeben mit den rotfunkelnden Augen eine Blattlaus erspäht und sie mit Behagen verspeist. Jetzt putzt es sich die Kiefer und die Taster und flattert dahin, wo schon ein halbes Dutzend Männchen ein Weibchen umbalzen. Zierlich, wie die Tiere selbst, sind auch ihre Liebeskämpfe; ein bißchen zorniges Flügelgeruschel, ein klein wenig Anrempelei, dann ist das Duell zu Ende, der Besiegte flattert weiter, ein anderes Weibchen zu suchen, und der Sieger müht sich um seine Schöne, bis sie so will, wie er es meint. Vielerlei Arten gibt es von diesen reizenden Wesen; hier am Graben flattern allein sieben bis acht durcheinander, und da die Weibchen anders gefärbt sind als die Männchen, so ist der Farbenreichtum groß. Da sind welche, deren Leiber fast ganz himmelblau mit schmalen schwarzen Binden sind, bei anderen sind die dunklen Bänder breiter, bei einer dritten Art haben sie sich so ausgedehnt, daß nur schmale blaue Ringe übrigblieben. Ähnlich ist die grüne Farbe bei den Weibchen verteilt. Auch die Färbung der Augen ist verschieden; bei einigen sehen sie wie rote, bei anderen wie grüne, bei der dritten Art wie hellblaue und bei der vierten wie goldgelbe Glasperlen aus, oder sind gar zweifarbig, halb grün, halb rot. Aber wer sieht das und wer sammelt Libellen? Man sammelt Käfer ohne Zweck, denn die deutschen Käfer sind gut erforscht, man sammelt Schmetterlinge, ohne daß es viel Sinn hat, denn wir kennen ihre Verbreitung gut. Die Verbreitung der deutschen Wasserjungfern ist aber noch wenig bekannt, und ein aufmerksamer Forscher könnte manche wichtige Tatsache feststellen. Es gibt Arten, die erst von wenigen, weit voneinander entfernten Gegenden bekannt sind, und manche Lücke unseres Wissens ist noch auszufüllen, ehe wir die Gründe erkennen, warum diese Art nur dort und jene nur da vorkommt. Auch die Lebensweise dieser Tiere ist zum Teil noch wenig genug erforscht, vor allem die Fortpflanzung und auch die Ernährung, und von vielen Arten kennt man die Larven noch nicht. Dabei ist es so leicht, sie zu halten und zur Entwicklung zu bringen. Ein Standglas mit einigen hübschen Wasserpflanzen, eine Zierde für das Fenster oder den Blumentisch, ab und zu eine Fliege, einige Daphnien oder bei den Larven der großen Arten ein Regenwurm, das ist alles, was diese Tiere verlangen, um zu gedeihen und sich zu entwickeln. Obgleich sie nicht sehr beweglich sind, uninteressant sind sie darum doch nicht. Es ist ganz lustig anzusehen, wie eine Libellenlarve geduldig wartet, bis ein kleines Tier ihr naht, oder wie sie, dauert es ihr damit zu lange, sich an die Beute heranpirscht und sie erfaßt. Wenn eine große Larve ein starkes Beutetier erwischt hat und dieses sich wehrt, dann krümmt sie den Hinterleib über den Rücken nach dem Kopfe zu und führt damit einen Stoß nach dem Opfer, es mit einem kräftigen Wasserstrahle aus den Darmkiemen betäubend. Dann sitzt sie vielleicht einen Tag stumpfsinnig da, ohne sich zu rühren und ohne die Futtertiere, die ihr dicht vor dem Kopfe umherschwimmen, zu beachten. Am anderen Tage sieht sie nicht mehr so trübe gefärbt aus; ihr Rücken weist ein scharfes Muster auf, und ihre Beine sind hell und dunkel geringelt. Sie hat sich gehäutet; über ihr in den Ranken des Hornkrautes hängt die leere, durchsichtige Hülle. Ein tüchtiges Stück gewachsen ist die Larve und heißhungrig und raubgierig. Die Wasserflöhe genügen ihr nicht mehr; sie dreht den Kopf hin und her, ob nicht wieder ein Regenwurm angeschwommen kommt. Sie merkt die leise Erschütterung, die der Ärmel des Menschen, der den Rand des Glases streifte, hervorbrachte, und sie weiß, was das bedeutet. Schnell dreht sie den Kopf nach der Seite und erblickt den Wurm, der sich zwischen den Ranken hin- und herwindet. Lange besinnt sie sich; endlich rückt sie vor, aber langsam, sehr langsam geht das, und nun ist sie doch zu spät gekommen, denn ehe sie dicht genug bei ihm ist, sank er auf den Sand. Wieder muß sie sich lange besinnen; dann klettert sie mit dem Kopfe nach unten dem Wurm nach, der auf dem Sande umherkriecht. Jetzt ist sie dicht bei ihm; die Fangmaske kommt unter dem Kopfe hervorgeschossen, und der Wurm hängt zwischen den Kiefern, die ihn langsam und sicher zerreißen. Sie sind nicht so dumm und so langweilig, diese Tiere, wie es den Anschein hat. Setzt man Schmaljungferlarven in ein Glas, das ihren Todfeind, eine Larve der großen Art, beherbergt, so verstecken sie sich in den dichtesten Quirlen des Hornkrautes und betreiben nur die Anstandsjagd auf Daphnien, Cyklopse, Mückenlarven und junge Flohkrebse. Sind aber nur ihresgleichen in dem Gefäße, so haben sie es bald heraus, daß sie keinen Feind zu fürchten haben, und sind die Futtertiere spärlich, so gehen sie auf die Pirsche, kriechen auf dem Sande am Boden und an den Glaswänden umher, daß man mit dem Vergrößerungsglase alle Gefäße in ihren durchsichtigen Leibern deutlich sehen und genau beobachten kann, wie sie die Mückenlarve zerreißen und verschlingen. Nicht nur das, was groß und auffallend ist in der Natur, ist der Beachtung wert, auch das Kleine und Feine und das, was in der Verborgenheit lebt, und reizt es nicht zum sinnlosen Sammeln und Töten, so lockt es zur liebevollen Beobachtung und lohnt die Zeit, die man damit zubrachte, durch manchen unbeobachteten Vorgang, der mehr wert ist als ein Kasten voll dürrer Falter oder trockner Käfer. Über dem Teiche [Illustration] Lestes viridis +Linden+ und L. nympha +Selys.+ An dem Teiche, der nicht weit von dem See vor dem Bauernwäldchen in der Feldmark liegt, geht es heute mittag hoch her. Es ist so still und so warm, und deshalb halten die Schlankjungfern heute Massenhochzeit. Sie mögen keinen Wind; zu zart sind ihre Silberflügelchen, zu gebrechlich ihre goldgrünen Leibchen, die so dünn wie ein Grashalm sind; jeder stärkere Windhauch weht sie in das Ried. Aber heute brauchen sie den Wind nicht zu fürchten; so kommen sie alle aus ihren Verstecken zwischen den Blättern und Halmen hervor, flattern an dem Ufergebüsch entlang, wagen sich auch auf das Wasser, aber zu weit fliegen sie nicht und suchen bald einen Binsenhalm oder ein Grasblatt. Manch eine verliert aber doch vor der Zeit die Kraft und fällt auf das Wasser; dann ist sofort ein Stichling da, der sich ihrer bemächtigt, oder ein großer Schwimmkäfer packt sie, und die grünen Frösche, die auf den Mummelblättern sitzen, schnappen viele von ihnen fort. Auch auf dem Brombeerbusche und im Erlenlaube droht Gefahr, denn da sitzt der Laubfrosch und wartet auf sie, Sumpfmeisen führen dort ihre Brut, und die zarten Libellen geben ein bequemes Futter. Sogar die Waldeidechse, die unter dem Farrn ihren Schlupfwinkel hat, ist sehr erpicht auf sie, und alle Augenblicke schnappt sie eine fort. Aber es gibt genug Schlankjungfern hier, denn überall kriechen an den Binsen und an den Riedgrasblättern die reifen Nymphen empor, und aus vielen schlüpfen eben die Libellen aus, um sich von der Sonne trocknen und härten zu lassen, bis sie kräftig genug zum Fluge sind. Andere aber, die schon älter sind, sorgen fleißig dafür, daß es übers Jahr genug von ihnen gibt; unzählige Pärchen haften an den Grasblättern und im Gebüsche, der Liebe sich freuend, bis ernstere Pflichten ihrer warten. Pärchen auf Pärchen flattert über den Teich, einen Binsenhalm suchend und daran hängenbleibend. Dann, während das Männchen das Weibchen noch festhält, macht dieses seinen Hinterleib frei, stochert mit der Spitze an dem Binsenhalme herum, verwundet ihn mit dem Legebohrer und legt ein Ei unter die Oberhaut des Halmes. Dann kriecht es, das Männchen herabziehend, etwas tiefer, bohrt wieder die Binse an, legt abermals ein Ei und fährt so fort, bis es den Wasserspiegel erreicht hat. Aber dort macht es noch nicht halt; es klettert weiter, bis es im Wasser untertaucht, das Männchen mit hinabziehend, und wie zwei große silberne Blasen hängen die beiden Tierchen dann unter dem Wasserspiegel an dem Binsenhalme. Unten im Wasser, wo es einst als schlanke, flinke Larve lebte, bohrt das Weibchen wieder den Halm an, legt ein Ei hinein und rückt immer mehr nach unten, bis es das Ende des Halmes erreicht hat. Dann klettert das Männchen wieder empor und zieht das Weibchen nach sich, und ungefährdet durch Stichling und Schwimmkäferlarve, die die silberglänzende Luftschicht, die das Pärchen einhüllt, scheuen, tauchen sie über dem Wasser auf und flattern dem Lande zu. An der Stelle, an der das Weibchen den Binsenhalm anstach, liegt in einer der geräumigen Luftzellen des Markes ein Ei, vor Feinden, Sonnenbrand und Frost gesichert. Ist das Ei reif, so schlüpft das Lärvchen aus und sucht das dichteste Pflanzengewirre auf. In den zerfaserten Blättern des Wasserhahnenfußes hält es sich verborgen und mästet sich an winzigen Krebstierchen, häutet sich, wenn der alte Rock zu kurz und zu eng wird, und lebt so, wie alle Libellenlarven leben. Trotzdem es so zierlich und so schlank und mit so prächtigen Blakkiemen am Ende des Leibes geschmückt ist und lange nicht so plump und so unheimlich aussieht wie die Larven der großen Wasserjungfern; ein schlimmer Räuber ist es doch, und der Wasserfloh wie die Eintagsfliegenlarve, die ihm entgegenkommt, werden von der Fangmaske erfaßt und müssen ihr Leben lassen. Wenn sie so groß wäre wie die Larve der anderen Libellen, so wäre sie noch ein schlimmerer Räuber als diese, denn sie wechselt öfter ihren Platz und weiß ihre Beute geschickt anzuschleichen. Meist aber hängt sie regungslos zwischen den Faserblättern und lauert auf das, was zu ihr kommt, bis ihre Zeit um ist und sie das Wasser verläßt, ein Riedgrasblatt ersteigt und wartet, bis ihre Haut reißt und aus ihr ein silbern blitzendes, goldgrün funkelndes Jüngferchen wird, das in zierlichem Zitterfluge an dem Teiche entlang flattert, hier und da, wo ein Blattläuschen sie lockt, sich niederlassend, oder wo ein winziges Räupchen kriecht, anfliegend, oder einen Gespielen suchend zum Hochzeitsfluge, damit es an den Büschen im Teiche im anderen Jahre wieder silbern blinkt und goldig blitzt. In der Mergelgrube [Illustration] Libellula fulva +Müll.+, L. cancellata +L.+ Vor dem Bauernwäldchen im Felde liegt eine große, alte Mergelgrube, deren ältere Teile zu Fischteichen umgewandelt sind. Allerlei Buschwerk wächst an den Abhängen, und vielerlei Blumen schmücken sie. In den Teichen wuchert das Kolbenrohr, hohe Seggen mit schöngeschwungenen Blättern streiten sich mit Schwertlilien um die besten Plätze, und in einigen Buchten hat sich auch Rohr angesiedelt. Der Wald schützt die Mergelgrube vor dem Ostwinde, und auf der Nordseite halten dichte Dorngebüsche den Wind ab. Deshalb findet sich hier, stürmt es über den See her oder aus der anderen Ecke, allerlei leichtbeschwingtes Volk, das sich anderswo so lange verkriechen muß, bis die Luft sich wieder beruhigt hat, und alles, was gern Fliegen frißt und Motten schnappt, nach Käfern lüstern und auf Mücken hungrig ist, stellt sich hier ein, weht draußen der Wind zu sehr. Hier schwatzen die Grasmücken, schlüpfen die Rohrsänger, trippeln die Bachstelzen und rennen die Uferläufer, der Würger lauert auf dem Wildrosenbusche, auf dem Erlenzweige paßt der Eisvogel auf, ob er nicht eine Käferlarve oder eine Kaulquappe erbeuten kann, überall, wo die Sonne hin kann, sitzen die grünen Frösche am Ufer, und im Ufergekräute schnüffelt die Wasserspitzmaus nach Beute umher, bis sie sich kopfüber in das Wasser stürzt und mit einer fetten Käferlarve im Maule wieder auftaucht. Die Hauptjäger aber sind hier die Wasserjungfern. Allerlei Arten kommen bei der Mergelgrube vor, die kleinen Schmaljungfern, die feinen Schlankjungfern, die dunkelblaugrünen, wunderbar schimmernden Seejungfern, solche, die an ruhigeren Tagen nur am Strande des Sees und über seinem Spiegel jagen, und selbst die Edeljungfern aus dem Walde finden sich hier ein, wenn es in ihrem Gebiete zu toll weht. An solchen Tagen ist die Luft voll von schimmernden Flügeln und blitzenden Leibern; so mancher dicke Frosch schnappt und schnappt, bis er nicht mehr kann und mit dummem Gesichte dasitzt, während ihm die Hinterleiber und Flügel von zwei Libellen zum Maule heraussehen. Auch die Fische lieben die stürmischen Tage. Ab und zu pustet der Wind doch einmal um die Ecke und bläst eine von Alter oder Liebe ermattete Libelle oder eine, deren zerfetzte Flügel sie nicht mehr recht tragen wollen, in das Wasser, oder ein eifersüchtiges Libellenmännchen rempelt den Nebenbuhler so hart an, daß er in den Teich fällt; ehe die Libelle sich wieder erheben kann, haben feuchte Lippen sie erfaßt und hinabgezogen. Außer den kleinen Libellen und den Arten, die hier nur Gastrollen geben, ist am meisten eine große Jungfer vertreten, die grüne Augen, einen blaubereiften Leib und am Grunde der Flügel kleine rostrote Flecken hat, und dann kommt hier noch eine andere viel vor, die fast ganz so aussieht, nur daß ihr Leib schmaler ist und daß ihr die roten Abzeichen auf den Flügeln fehlen. Beide sind wilde Flieger; husch, sind sie hier, husch, sind die dort. Einen Augenblick rütteln sie über dem Wasser, fassen eine Fliege, und fort sind sie schon wieder. Wer Libellen kennenlernen will, so daß er sie mit ziemlicher Sicherheit nach dem Fluge ansprechen kann, der muß hierher gehen; da hat er fast alle zusammen, ausgenommen die Libellenkönigin, die hier nur ganz selten einmal erscheint, und die grüne Edellibelle, die erst nach Sonnenuntergang fliegt, läßt sich auch nur ausnahmsweise hier blicken; desgleichen kommen die Moor- und Heidelibellen, die jenseits des Sees so häufig sind, hier nur vor, wenn ein starker, heißer Wind lange Zeit vom Moore geweht hat. Die aber, die am kahlen Strande, hinter dem Röhricht und über dem See fliegen, die auf den Wiesen und über den Feldern jagen, an den Hecken zu rauben pflegen und ihre Beute an den Rainen packen, sind meist auch hier zu finden; so schwirrt und flirrt es durcheinander von großen und kleinen, langsamen und flinken, blauen und roten, gelben und braunen Wasserjungfern, von ruhig dahinfahrenden, lange fliegenden, von anderen, die nach kurzem, reißendem Fluge auf einer Erdscholle einfallen, von solchen, die nur von Halm zu Halm, von Blatt zu Blatt flattern, und von jenen, die rastlos, ohne sich einmal zu setzen, stundenlang quer über die Teiche schießen. In allem sind sie untereinander verschieden, in Gestalt, Farbe und Flug. Hier tanzt ein Weibchen der häufigsten Art dicht über das Wasser, alle Augenblicke niederwippend und das Hinterleibsende in die Flut tauchend. Es ist kein müßiges Spiel, das es da treibt, und baden will es auch nicht, denn das ist nicht die Gewohnheit der Libellen; es sorgt dafür, daß ihre Art nicht ausstirbt. Jedes Mal, wenn es den Hinterleib in das Wasser stippt, löst sich aus der Legescheide ein mit einer schützenden Schleimhülle versehenes Ei ab und sinkt in das Gekräut. Hier aber ist noch ein sonderbareres Bild. Ein Männchen mit schön blauem Bauche hat ein Weibchen erwischt, es auf ein Schwertlilienblatt genötigt und nach vielem Gehampel und Geflatter kirre gemacht. Hinter ihm sitzt noch ein gleiches Pärchen und dahinter noch eins, und ringsumher noch mehrere. Sobald die Befruchtung vollzogen ist, das Weibchen seinen Hinterleib wieder hängen läßt, und das Männchen sich etwas erholt hat, verläßt es das Blatt, zerrt das Weibchen hinter sich her und fliegt über den Wasserspiegel, und dort wippt es auf und wippt es nieder, taucht das Weibchen in das Wasser und zwingt es, seine Eier fallen zu lassen. So ganz ungefährlich ist diese Art und Weise, für Nachkommenschaft zu sorgen, nicht; alle Augenblicke plantscht es, und dort, wo soeben noch das Libellenpaar schwebte, zieht das Wasser Kreise, denn ein Hecht hat das Weibchen erfaßt und es mit dem Männchen zusammen unter das Wasser gezogen, und ab und zu fährt auch ein hellgrüner Pfeil mit himmelblauer Spitze auf ein eierlegendes Libellenpaar hin, ein scharfer Schrei ertönt, und fort streicht der Eisvogel, die Wasserjungfern im Schnabel. Auch der Würger macht sich ihre Sorglosigkeit zunutze, rüttelt über ihnen, faßt sie und trägt sie seinen Jungen zu, die ihn mit durchdringenden Rufen bewillkommnen. Am traurigsten aber ergeht es den ermatteten Libellen, die an den seichten Stellen in das Wasser fallen. Es ruckt alle Augenblicke an ihnen; bald werden sie halb, bald ganz unter Wasser gezogen, denn vielerlei Feinde lauern dort auf sie. Da sind die Stichlinge, ganz freche, unverschämte Gesellen, die zu zweien und dreien an der halbtoten Libelle herumzupfen und ihr ein Stück nach dem anderen aus dem Leibe reißen; da sind die Schwimmkäferlarven, unheimliche, fingerlange Geschöpfe, die wie ein Pfeil angeschossen kommen und ihre Giftzangen in das zappelnde Tier schlagen; auch die großen Larven der Frösche und der Knoblauchkröten zerren an ihnen herum, und Wasserskorpione und Pferdeegel quälen sie gleichfalls zu Tode. Leicht und lustig erscheint auf den ersten Anblick ein Leben, wie es die Libellen führen, dahinflatternd in Sonne und warmer Luft über die schimmernde Flut, ein Leben, fröhlich wie ein Spiel, heiter wie ein heller Traum. Aber hinter allem Leben steht der Tod, bei jeder Lust der Schmerz, und die silbernen Flügel im Spinnennetze, die goldenen Kreise auf dem Wasserspiegel, unheimliche Zeichen sollten es den leichten Fliegern sein, die hurtig und behende über den Teich huschen. Sie aber wissen nichts von Not und Tod. Nur wenn tagelang der Regen herniederrieselt und sie hilflos im Grase hängen, mag vielleicht ein Schatten von Angst und Sorge auf ihr kleines Bewußtsein fallen. Vielleicht aber auch dann nicht einmal. Die Sonne und die Wärme ist ihr Leben; fehlt ihnen beides, so mögen sie nicht viel mehr bewußtes Leben haben als das Blatt am Baum, als die Blüte am Stengel. Über der Bucht [Illustration] Anax formosus +Linden+. Mit einer tiefen Bucht schneidet der See vor dem Walde ein; die dicken Pferdebinsen, die an ihrem Eingange wachsen, sperren die Bucht gegen das offene Wasser ab, so daß sie wie ein kleiner See aussieht. Der Wind kann nur wenig ihr Wasser aufwühlen, denn Weiden und Zitterpappeln nehmen ihm die Kraft, und auch der Wellenschlag bricht sich an der mächtigen Bank aus zähen Ranken, die der Wasserhahnenfuß vor dem Binsendickicht bildet. So faßte Bandgras, Schilf und Rohr, Froschkeule, Kalmus und Schwertlilie an den Rändern der Bucht Fuß, Riesenampfer und Wasserliesch siedeln sich an, Uferwinde und Mäuseholz durchflechten das Ufergebüsch, und in den Erlen schuf der Hopfen dichte Wände. Die Mitte der Bucht füllen Seerosen und Mummeln aus, ihre weißen und gelben Blumen der Sonne öffnend, und zwischen ihnen finden auch Laichkraut, Wasserknöterich, Froschbiß und Entengrün Platz. Eine heimliche Ecke ist diese Bucht, die ihr eigenes Leben hat. Hier brütet der Haubentaucher, hier baut die Rohrdrossel; die Ralle führt dort ihre Brut, und im dichten Halmgewirre lehrt das Zwergsumpfhuhn seine Jungen die Schneckensuche. Riesengroße Frösche, wie sie sonst im See kaum vorkommen, leben dort, denn für den Storch ist das Wasser zu tief, und so können sie alt werden, wenn sie der Rohrweih, der der Bucht gern einen Besuch macht, nicht greift, oder der Milan, der auch ab und zu zusieht, ob es da für ihn nichts zu fangen gibt. Zumeist aber ist es still und friedlich hier, zumal um die Unterstunde, wenn die Sonne das Wasser in der Bucht erwärmt und es an den Rohrwänden flittert und flattert von allerlei Wasserjungfern. Mancherlei Arten kommen hier vor, die gemeinen mit den gelben, schwarzgefleckten Leibern, die überall an den Ufern des Sees jagen, zierliche mit goldgrünen Leibern und tiefblauschwarzen Flügeln, und die ganz kleinen, himmelblauen und rubinroten, die so zart sind, daß sie nur bei ganz stiller Luft sich aus dem Schutze der Rohrwände herauswagen. Sie sind alle schön, alle ohne Ausnahme, und alle miteinander sind sie Räuber, die mit scharfem Gebiß Mücken und Fliegen, Motten und Falter zerreißen, die ihnen bei ihren Jagdfahrten begegnen. Aber so schön sie auch sind und so keck sie auch fliegen, eine ist da, die ist schöner als sie alle und größer als die anderen und kühner als irgend eine Libelle. Die Libellenkönigin ist es; keine der anderen kommt ihr gleich; noch schöner und noch schneller ist sie als die großen Waldjungfern. Ihre Flügel sind aus Goldfiligran, smaragdgrünen Schmuck trägt ihre Stirn und ihr Leib ein Gewand aus lasurblauer, schwarzverbrämter Seide. Ihr Flug ist königlich sicher und reißend schnell, so daß die Augen des Menschen ihm kaum folgen können. Sie fährt dahin wie ein Falke, blitzt in der Sonne auf, taucht im Schatten unter, fährt dicht über das Wasser und schießt in jähem Bogen hoch empor, um steil hinabzustürzen und langsam dahinzugleiten, bis sie eine Beute erspäht, rüttelnd über ihr in der Luft stehenbleibt, sie erfassend und mit ihr davonstiebend. Und unnahbar ist sie. Vergebens ist alle Mühe, sie zu fangen; sie erspäht jede Bewegung des Menschen, und wenn er glaubt, er brauche nur zuzuschlagen, dann ist sie schon längst aus dem Bereiche seines Netzes. Aber sie ist nicht ängstlich und scheu wie die anderen Libellen, sie ist nur vorsichtig. Von weitem erspäht sie alles, was sich ihrem Gebiete nähert. Sie will wissen, wer es ist, der sich in ihr Revier wagt, sei es Tier, sei es Mensch. Im Nu ist sie über dem Kopfe des Anglers; erstaunt blickt er auf, denn ein hartes Rascheln traf sein Ohr, aber schon ist die Libelle wieder in der äußersten Ecke der Bucht, im nächsten Augenblicke fliegt der himmelblaue, goldumsprühte Pfeil unter der Krone der Espe her, ist jetzt über den goldenen Mummelblüten, nun in den Binsen und sofort wieder am Ende der Bucht, den weißen Falter fassend, der harmlos um die rosenrote Dolde des Wasserlieschs tänzelte. Auf und ab, hin und her geht die wilde Raubfahrt. Die vier Flügel des Falters flattern in das Wasser, und schon hat die Libellenkönigin eine dicke, fette Schlammfliege erwischt, die sich gerade auf einen Binsenhalm setzen wollte, und eine Schilfmotte, die unvorsichtig ihr Versteck verließ, fällt ihr auch zur Beute. Sie stößt nie fehl, sie greift nie vorbei, und dem gewaltigen grünen Frosche, der faul und breit auf seinem Seerosenblatt sitzt, nimmt sie die Raupenfliege, die sich ihm auf den Kopf setzte, weg, ehe er noch recht weiß, was sich begeben hat. Mehr als einmal kommt sie ihm ganz nahe, aber doch nie so sehr, daß sie in den Bereich seiner roten Klappzunge gerät, und bevor er sich nach ihr hinwendet, ist sie schon längst anderswo. Aber ihr Flug ist jetzt anders geworden. Nicht mehr fährt sie unstät über den Wasserspiegel, sie streicht an den Rohrdickichten entlang, hier und da rüttelnd, denn es ist ein Männchen, und es sucht ein Weibchen. Aber Weibchen sind selten, und spröde sind sie. Sie sitzen oft stundenlang verborgen und lassen sich von den Männchen suchen. Hin und her sucht das Männchen, bald am Rohr, bald am Kalmus, jetzt zwischen Schilf und Wald, nun zwischen Binsen und Flut, im Sonnenlicht hell aufleuchtend, im Schatten untertauchend, lautlos dahinschwebend oder im jähen Umwenden hart raschelnd. Mit einem Male wird ihr Flug anders. Schnurgerade stößt sie nach dem anderen Ufer herüber, verschwindet hinter den tiefherabhängenden Espenzweigen, blitzt einen Augenblick wieder auf und ist abermals da. Und jetzt jagt sie einem anderen Stücke ihresgleichen nach, einem Weibchen. In blitzschnellen Wendungen weicht es dem ungestümen Männchen aus, bald nach unten hin, bald nach oben abschwenkend, geradeaus schießend, im spitzen Winkel umkehrend, noch einen Haken schlagend, und hinter ihm drein schießt das Männchen, und erstaunt sieht der dicke Frosch dem wilden Liebesgetändel zu, sich um seine Achse drehend in der Hoffnung, daß eines der großen Tiere ihm doch einmal nahe genug komme. Wilder wird der Liebesflug des Männchens, schneller der des Weibchens, und jetzt wendet das Männchen plötzlich und biegt seitwärts ab, denn vom Ufer her stob ein zweites Männchen heran. Mit geschickter Wendung weicht es dem Angreifer aus und setzt hinter dem Weibchen her, aber hinter ihm ist das erste Männchen. Jedesmal, wenn es zustoßen will, um den Eindringling zu fassen, weicht der aus, doch schließlich prallen beide aufeinander, die Flügel knistern und rascheln, es klatscht auf dem Wasser, das fremde Männchen wurde gefaßt, besiegt, in die Flut gestürzt, und ehe es sich erheben kann, klappt des Frosches Zunge heraus, leimt es fest und zieht es in den Rachen hinein. Während der Frosch noch mit den Vorderfüßen den schlanken, hellblau schillernden Leib und die goldenen Flügel des besiegten Männchens hinabstopft, hat der Sieger das Weibchen über das Rohrdickicht in das Ufergebüsch getrieben, sich mit schnellem Griffe seiner bemächtigt und es mit sich in die Blumen gerissen. Nicht nach der gemeinen Libellenweise, vor aller Augen, pflegt die Königslibelle der Liebe; im verborgenen Versteck, zwischen den Blättern der duftenden Minze, treiben sie das süße Spiel, und nicht zwischen Rohrhalmen und im Schilfe verbringen sie die Nacht wie die anderen Wasserjungfern, sondern hoch oben in der Krone der alten Espe, die sich tief über den Ausschnitt der Bucht neigt, den das Weidevieh getreten hat. Dort wimmelt es von den Kaulquappen, aus denen einstmal große grüne Frösche, die Todfeinde aller Libellen, werden sollen. Träge liegen die unförmlichen Tiere da, die modernden Ränder der Froschbißblätter benagend; sie fühlen sich sicher, denn rings um sie her starrt das Rohr, und wenn die Hufe der Kühe den Boden erschüttern, dann wimmeln die plumpen Geschöpfe in das Röhricht hinein. Behaglich sonnen sie sich und mummeln das faulige Kraut. Sie ahnen es nicht, daß der Tod dicht bei ihnen ist. Es ist nicht der Zwergreiher, denn unter dem Wasser schleicht es heran, und der Hecht kann es auch nicht sein, denn den lassen die Rohrhalme nicht durch. Es hängt kopfüber an einem schwimmenden Stengel, setzt ein langes, dünnes Bein vor, und noch eins, dreht den Kopf nach der nächsten Kaulquappe, glotzt sie mit den riesenhaften Augen stier an, ohne sich zu rühren, gleitet, ohne das Wasser zu bewegen, näher, verharrt wieder lange Zeit unbeweglich, setzt einen Fuß voran, zieht einen anderen nach, gleitet noch ein Stück voran, und da hängt sie regungslos und lauert, die Larve der Königslibelle, mit Mörderaugen nach der einen Kaulquappe stierend. Die ist satt und läßt sich langsam fallen, aber ehe sie den Grund erreicht, schnellt der Feind die Fangzange vor, schlägt ihr die Widerhaken in den weichen Leib und rächt das, was der große Frosch seiner Sippe tat, an ihr. Auf der Schneise [Illustration] Aeschna cyanea +Müll.+, A. grandis +L.+ Auf die Landstraße, die von der Stadt aus durch den Wald führt, stoßen im rechten Winkel eine Anzahl von breiten Schneisen. Eine davon ist besonders schön, denn zweimal durchschneidet sie der Bach, der sich in vielen Krümmungen durch den Wald zieht, und bildet bei den beiden Brücken breite Ausbuchtungen, und neben der Schneise sind tiefe Gräben, die niemals austrocknen. Üppig ist der Pflanzenwuchs hier. Die Gräben sind umwuchert von Schwertlilien und Igelkolben, hohe Disteln und Dolden erheben sich an ihren Ufern, Spierstauden und Glockenblumen schmücken ihre Säume, über die das Vergißmeinnicht herausragt und sich mit dem gelb blühenden Schattenklee verschlingt, während Hopfen und Geißblatt das Unterholz hinter den Gräben umspinnen. Darum geht es hier auch lustig her. Die ganze Schneise flattert von Faltern, um alle Blumen summt und brummt es, die Luft blitzt von blanken Flügeln, und Laubvogel und Mönch, Trauerfliegenschnäpper und Meise finden hier Futter genug für ihre Schnäbel, desgleichen die grünen Frösche, die auf den Grabenkanten sitzen, und die braunen, die im Grase umherhüpfen. Weil es hier von Beute wimmelt, ist nirgendwo im ganzen Walde die blaue Edellibelle so viel zu finden wie hier. Auf allen Waldwegen ist sie anzutreffen, aber hier doch am meisten. Zwar hat jedes Stück sein festes Gebiet, in dem es kein anderes duldet, aber die Schneise ist eine halbe Stunde lang und endet erst am Seeufer, und so haben viele der schönen Räuber auf ihr Platz. Wenn auch die Weißlinge, die Lieschgrasfalter, die Perlmuttervögel, Kaisermäntel, Pfauenaugen und Trauermäntel die Schneise mit buntem Leben erfüllen, und die Bienen, Wespen, Hummeln, Fliegen, Käfer und Zwergjungfern erst recht, die Edeljungfern geben dem Bilde doch erst den eigenartigen Zug. Das regellose Geflatter der Schmetterlinge, das verworrene Geschwirre der anderen Blumengäste, es bildet nur den Hintergrund zu den strengen Linien, die die blaue Waldjungfer darüber zieht. Wie die vornehme Blütenrispe des stolzen Knabenkrautes gegen das buntgeblümte Gras, wie der Ruf des Pfingstvogels gegen den Singsang der Kleinvögel, so sticht ihre Erscheinung gegen alles ab, was hier durcheinander schwirrt und umeinander flattert. Ihr Bau ist herrlich und ihre Färbung prächtig. Ein köstliches Blau bildet die Grundlage; es erfüllt die Augen, wird auf der Brust von lichtgrünen Flecken, auf dem Leibe von schwarzbraunen, schön gezackten Binden gehoben, und damit die prächtige Färbung noch mehr herauskomme, ist das Bruststück oberhalb der Flügel braunrot gefärbt, und die Schwingen schillern in zartem Goldglanze. Anders, aber ebenso prächtig, mit braunen und gelbgrünen Flecken geziert, ist das Weibchen. Aber nicht die Farbe ist es, die die Edellibelle auszeichnet, sondern ihr Flug. Er ist so sicher, so stetig, so zielbewußt wie der des Falken, und so schnell wie der der Schwalbe, und doch ist keine Hast darin und keine Unruhe; Schnelligkeit und Ruhe verschmelzen sich in ihm. Ob sie jagt, ob sie das Weibchen sucht, immer behält sie in ihrem Fluge die vornehme Sicherheit; das gerade Gleiten geschieht mit derselben Ruhe wie die blitzschnelle Wendung; erhebt sie sich, so geschieht es ganz gelassen, und wenn sie herabsinkt, geschieht es ohne Hast, trotzdem ihre Geschwindigkeit so schnell ist, daß es aussieht, als zöge sich ein himmelblauer Faden durch die von Silberpunkten durchblitzte Waldluft. Sie ist stärker als die anderen Libellen; sie scheut den Schatten nicht und braucht keinen Sonnenschein, um sich ihrer Flugkraft bewußt zu werden. Sie sinkt nicht wie die anderen Arten haltlos in das Gras, stellt sich eine dicke weiße Wolke vor die Sonne, und nun, da die Sonne wieder die eine Hälfte der Schneise beleuchtet, hält sie sich nicht an diese gebunden; wenn sie auch die Sonne nicht meidet, so flieht sie doch auch den Schatten nicht und jagt dort ebenso flink und sicher wie auf dem hellen Streifen. Unaufhörlich ist sie in Bewegung. Alle Augenblicke macht sie eine kleine Schwenkung, faßt mit den Vorderfüßen jetzt eine Mücke, schiebt sie zwischen die Kiefer und greift sofort eine Fliege, die der Mücke nachfolgen muß. Jetzt rüttelt sie ein kleines Weilchen über der hohen Distel, auf deren Blüte sich gerade ein frisch geschlüpfter Kohlweißling niederlassen will, stößt zu und erfaßt den Schmetterling. Er ist zu groß, als daß sie ihn, wie sie es mit den Mücken und Fliegen macht, im Fluge verzehren könnte; so hängt sie sich an eins der schön geschwungenen Riedgrasblätter, die das Gewirr des Brombeerbusches durchbrechen, und frißt, bis die Flügel des Falters einer nach dem anderen in das Gras fallen und sie wieder, nachdem sie sich sorgfältig gesäubert hat, auf neue Beute ausfliegt, bald in der Sonne, bald im Schatten, hoch unter den Zweigen der Eiche her, die ihr Astwerk über die Schneise breitet, dicht über den Bach hin, und nur dann an einem Stamme oder an dem Brückengeländer rastend, wenn sie ein Beutetier gegriffen hat, das zu groß ist, als daß sie es im Fluge fressen könnte. Hin und wieder, wenn eine andere Edellibelle in ihr Gebiet einbricht, unterbricht sie ihren reißenden und doch so ruhigen Jagdflug und stürzt sich laut raschelnd dem Eindringling entgegen, ihn vertreibend, ist es ein Männchen, ihm den Hof machend, wenn es ein Weibchen ist. Dann aber ist auch sofort ein zweites und ein drittes Männchen da, und es beginnt ein wildes Hetzen und Kämpfen, bis das älteste, reifste, schönste Männchen die Nebenbuhler abgekämpft hat und sich das Weibchen erringt. Und wenn die Sonne Abschied von der Schneise nimmt, wenn das lustige Faltergetümmel und der Fliegen Reigentanz zu Ende geht, dann fährt die blaue Edellibelle immer noch zwischen dem Bache und der Eiche hin und her, und auch am Ende der Schneise, wo sie an den See stößt, der tief unter dem abschüssigen Ufer liegt, über das die Zweige der Espen weite breite Lauben bilden, taucht dann noch ab und zu eine große Edellibelle auf, fliegt ein Ende in die Schneise hinein, zankt sich mit der blauen Libelle und stiebt wieder von dannen. Noch größer als die blaue Waldjungfer ist sie, die da rastlos unter dem hohlen Ufer hin und her schießt und fürchterlich unter den Mücken haust, die dort schwärmen, und schön ist sie auch, doch in anderer Art. In goldigem Braun schimmern ihre Flügel, lichtbraun, hier und da mit sparsamen hellblauen Marken versehen, und mit gelben Flecken geschmückt ist ihr schlanker Leib, und wenn sie über jenen Stellen der Flut erscheint, die von den letzten Strahlen der Abendsonne getroffen werden, dann sieht es aus, als flöge ein goldener Pfeil dahin. Hängt sie sich aber im Schatten an einen Zweig, den Leib steif von sich streckend, so wird sie zu einem dürren, mißfarbigen Ästchen. Unter dem hohlen Ufer, wo die Spuren des Otters im Lehmboden abgedrückt sind, ragt ein dicker Pfahl aus dem Wasser, von langen grünen Algen umwedelt. Die Fischer haben ihn dort eingerammt, um ihre Kähne daran anzuschließen, und dem Eisvogel damit einen Gefallen getan, denn gern sitzt er hier und wartet auf die Ukleis. Auch der großen braunen Waldlibelle steht der Pfahl recht. Ein Weibchen umschwirrt ihn, läßt sich dicht über dem Wasser an ihm nieder, unbesorgt, daß die leise spielende Flut ihm den Leib benetzt, und tastet unter dem Wasser mit der Hinterleibspitze an dem verrottenden, algenbedeckten Holze umher, bis es einen Spalt gefunden hat, groß genug, den Legebohrer aufzunehmen, durch den es Ei um Ei unter den Algenüberzug schiebt. Lange dauert diese Arbeit, und anstrengend ist sie, und ermattet erhebt das Weibchen sich endlich, kriecht an dem Pfahle empor und schwingt sich endlich ab. Aber da blitzt es von dem Pfahle herunter, blitzt hellblau und goldgrün, und auf der überhängenden Wurzel des Ufers sitzt der Eisvogel und schlingt die Libelle hinunter, ihr dasselbe Geschick bereitend, das sie über viele lustige Fliegen und fröhliche Mücken, flinke Motten und schnelle Falter brachte. Über dem Eisvogel aber in dem Gezweig der Espe raschelt und ruschelt es; da wehrt sich ein Libellenweibchen unter dem starken Griffe des Männchens, und vor ihm, blitzschnell dahinfahrend, wie zwei goldene Pfeile in den Abendsonnenstrahlen leuchtend, fährt ein anderes Paar dahin, Tod und Verderben unter den Mücken und Eintagsfliegen verbreitend, während weiter oben im Walde die blauen Edellibellen den Abendmotten nachstellen, bis sie sich zum Schlafen in die Kronen der Eichen schwingen. Am Ufer [Illustration] Aeschna viridis +Eversm.+ Es ist Abend geworden; rot und rund geht die Sonne über dem Walde unter, und der Spiegel des Sees färbt sich mit goldenen Lichtern. Das Gezwitscher der flüggen Vogelbrut hat aufgehört, beendet haben die weißen Falter ihren Tanz über der Uferlichtung, verschwunden sind die flinken Eidechsen, die an der Grabenkante hin und her raschelten. Lauter wird es im Röhricht; da werfen sich die Fische, da schlüpft die Rohrdommel von Halm zu Halm, da wagen sich die Enten auf die blitzenden Blänken und grüßen mit breiten Lauten den Abendstern, unter dem behäbig ein Reiher dahinrudert. Hier und da tickt noch ein Rotkehlchen im Unterholze, die Krähen rudern hart quarrend zu ihren Ruheplätzen, der Bussard schwingt sich in seinem Schlafbaume ein, mit gellendem Gezeter stürzt sich die Amsel in ihren Dornbusch. Die Tiere des Abends erwachen. Lautlos schwebt eine Nachtschwalbe über die Flut hin, wo schon längst im Zickzackfluge die Fledermäuse jagen. Bleiche Motten erheben sich aus dem Schilfe, und haltlos taumelt ein heller Spanner an dem Brombeerbusche vorüber. Es ist sein erster Flug; am Nachmittage ist er aus der Puppe geschlüpft und versucht jetzt die lichten, zart gebänderten Schwingen auf der Suche nach einem Weibchen. Er soll die Liebe nicht kennenlernen; sein erster Flug ist seine letzte Fahrt. Er schwebt über die goldenen Weiderichblüten hin, flattert an der leuchtenden Rispe der Spierstaude vorbei, aber dann wird er mitten aus seinem tändelnden Fluge gerissen. Die Abendlibelle war es, die grüne Edeljungfer. Den Tag über hat sie in der Krone der Espe geruht, die Sonne fliehend, die aller ihrer Schwestern Wonne ist. Sie aber will keine Sonne, sie meidet das grelle Tageslicht. Wenn die anderen Libellen ihr Flugvermögen verloren, weil der Tag vor dem Abend wich, wenn sie an den Halmen und Blättern wie tot schlafen, dann verläßt die Abendlibelle ihr Versteck. Die Farben der Dämmerung hat sie sich erkoren, bräunlich ist das Adernetz ihrer Flügel, grün und braun und blau ihr Leib. In stetigem, lautlosem Eulenfluge streicht sie unter den Bäumen hin und her, sich erhebend, wenn ihre großen gelben Augen eine Motte erspähen, hinabstoßend, wenn sie einen lichten Falter über das Gekräut hintaumeln sieht, im tiefen Schatten der Bäume jetzt verschwindend und dann wieder über der leuchtenden Flut auftauchend, unbekümmert um die kleinen Fledermäuse, die dort auf und ab huschen. Die lichten, zart gebänderten Schwingen des Spanners fielen, sich langsam drehend, einzeln zu Boden. Eine graue Schilfeule weicht auf ihrem hastigen Zickzackfluge dem letzten Flügel aus, der in ihre Flugbahn hinabwirbelte. Aber so unstät und regellos auch ihr Flug ist, die grüne Edellibelle betrügt sie nicht. Jäh stürzt sie herunter, rüttelt einen Augenblick, stößt zu und verschwindet mit ihr im Schatten; und eine nach der anderen von den silbergrauen schmalen Schwingen wirbelt in das taufeuchte Moos hinab. Auf und ab durchstreift die Abendlibelle ihr Jagdgebiet. Ihren gelben Mörderaugen entgeht nichts, was über den Halmen schwebt und um die Zweige flattert. Mag die graue Motte sich auch noch so dicht am Boden halten, mag die Eintagsfliege sich auch noch so hoch in die Luft erheben, das grüne Gespenst erspäht sie doch, saust bis zur Erde, steigt hoch empor und entweicht, ehe die Nachtschwalbe wieder da ist, in die Dunkelheit hinein, um sofort wieder über dem hellen Strande zu sein, wenn sich dort eine Beute zeigt. Schon ruft hohl die Eule im Walde, schon klingeln die Enten über die Kronen, im Fallaube schrillen die Spitzmäuse, und klatschend werfen sich die Fische vor dem Röhricht, und immer noch jagt die Abendlibelle lautlos unter den Espen hin und her, ab und zu, wenn sie eilig werden muß, um eine Motte zu greifen, ganz leise mit den Schwingen knisternd, oder lauter raschelnd, wenn es heißt, einen Nebenbuhler in die Flucht zu treiben. Denn kein zweites Stück duldet sie in ihrem Gebiete; einsam will sie jagen, sich nicht mit einer ihresgleichen in das Getier teilen, was hier fliegt und flattert. Nur wenn die Liebe sie plagt, sucht sie nach Gesellschaft. Im Bogenfluge untersucht sie die Kronen der Espen, bis ihre gelben Augen den blauen Leib eines Weibchens erspähen und sie es vor sich hertreibt im wilden Minnefluge, an den Weidenbüschen entlang, über das Röhricht hin, vor den Kronen der Espen her, auf die freie Flut hinaus und zurück in den tiefen Waldschatten, bis sie es faßt und mit ihm in die Zweige hineinraschelt, den süßen Lohn sich zu holen und in inniger Verknüpfung mit ihm die Nacht zu verbringen. Steigt dann die Sonne herauf, wird es still und laut in dem Gebüsch, beginnt am Ufer entlang das Geflirr und Geflatter der Tageslibellen, verbirgt sie sich im schattigen Blätterverstecke und verschläft den Tag, bis die Sonne sich wieder hinter den Bäumen zur Ruhe begibt. Dann erst, wenn alle anderen Libellen die Kraft zum Fliegen verlieren, kommt ihre Zeit, dann erst beginnt ihren Raubflug die Abendlibelle. Im Moore [Illustration] Cordulia flavomaculata +Vanderl.+, Aeschna mixta +Latr.+, Libellula vulgata +L.+ Jenseits des Sees liegt das Moor; in der Nähe der Stadt ist es zu Äckern gemacht, weiterhin zu Wiesen; hier und da sind Tonlöcher ausgeworfen, besonders in der Nähe des Ufers, mehr nach dem Walde zu liegen die Torfstiche, und dann kommen die dürren, heidwüchsigen Sandberge. Ein ganz anderer Pflanzenwuchs, ein ganz anderes Tierleben herrscht hier als jenseits des Sees. Der Wiesenpieper erhebt sich, langweilig singend, in die Luft, der Baumpieper schmettert sein kräftiges Lied, abends meckert die Bekassine, und in den gewaltigen Rohrdickichten am Seeufer brummt die Rohrdommel zur Nachtzeit. Meist ist es einsam hier, außer in der Zeit der Heuernte und wenn Torf gestochen wird; darum liegt das Birkwild hier gern, horsten die Mooreulen und Weihen im sumpfigen Ried, birgt sich der Fischotter im dichten Weidengestrüpp, und ab und zu erscheint der Schwarzstorch, der tief im Walde sein Nest hat, und stellt den Mäusen und Kreuzottern nach; oder der Gabelweih schaukelt über die Torfstiche und sieht zu, ob er nicht einen Frosch erwischen kann. Zahllos sind die Falter, die hier fliegen, vom rostroten Spinner, der unstät über die Brombeerbüsche an den Wegrändern zickzackt, bis zum zierlichen Bläuling, der über das Ried tänzelt, und der winzigen Motte, die scharenweise aus dem Grase hervorhuschen, wenn die Kühe sie aufscheuchen. Und die können den ganzen Tag Ohren und Schweife nicht stillhalten, denn die Luft ist erfüllt von Grillen, Stechfliegen, Mücken, blinden Fliegen und Bremsen, die singend, summend und brummend über das Vieh herfallen. Es würde noch viel mehr des Geschmeißes vorhanden sein, wenn die Wasserjungfern nicht da wären und ihre Larven. In jedem Graben, jeder Tongrube, in allen Torflöchern hängen die Larven in den Ranken des golden blühenden Wasserschlauches, zwischen den Blättern der Sumpfprimel und in dem Gewirre des jungen Torfmooses, wo es von Mückenlarven wimmelt. Alle Arten von Libellen sind dort als Larven vertreten, zierliche, feine, grasgrüne Geschöpfchen und plumpe, dicke, schlammbraune Wesen; die einen wie die andern tun den ganzen Tag weiter nichts, als daß sie ihre Fangmasken hervorschleudern und sie mit einer Mückenlarve darin wieder zurückziehen. Auch die Libellen, die überall umherschwärmen, sorgen dafür, daß das stechende Geschmeiß nicht überhandnimmt. Sobald die Sonne scheint, sind sie zu Tausenden da und richten ein verheerendes Gemetzel unter dem Ungeziefer an; mag auch die Bremse noch so schnell sein, die dunkelrotbraune, blaugemusterte Edellibelle greift sie mitten im Fluge, und ob sie auch noch so brummt und zappelt, ihr vom Blute der Kühe bis zum Platzen gefüllter Leib verschwindet unter den zermalmenden Kiefern, und die Ameisen tragen ihre Flügel fort, die auf den Weg herunterfielen. Ebenso geht es der blinden Fliege, die, ihre schwarzweißen Flügel ausbreitend und mit den smaragdgrünen Augen vor sich hinstarrend, auf der Spitze eines Grashalmes sitzt, satt vom gesogenen Blute; über ihr rüttelt eine goldflügelige Libelle mit goldgrün schimmerndem, gelb eingefaßtem Leibe und stiert mit grünen Augen auf sie hinunter. Ein Stoß, ein Zuschnappen, und die schwarzweiße Fliege plagt keine Kuh mehr. Auch die graue Fliege, die, angelockt von der Ausdünstung der beiden Hütejungen, die sich auszogen, um in der Tongrube zu baden, dahinfliegt, wird die Jungens nicht peinigen; blitzschnell saust eine kleine, gelbe Jungfer daher, packt sie und setzt sich auf ein Weidenblatt, um sie hurtig zu zerpflücken und dann wieder da hin und her zu flirren, wo ihre gelben und roten Genossinnen sich tummeln. Sogar die Mücken und die Grillen, die sich im Grase versteckt halten, werden von den blauen, grünen und roten Schlankjungfern erspäht und ergriffen. Es ist schlimm hier mit dem Ungeziefer, so schlimm, daß die Bauern, wenn sie ihr Vieh zum ersten Male nach dem Winter auf die Weide schicken, es am ganzen Unterleibe mit dickem Öl einsalben müssen, denn in solchen Haufen fallen die Kriebelmücken über die unglücklichen Tiere her, daß sie schwer krank werden und manchmal sogar an den Folgen der unzähligen Stiche fallen. Darum ist die Tätigkeit der Wasserjungfern nicht hoch genug einzuschätzen, denn bei ihrer Menge und ihrer Gefräßigkeit verringern sie die Scharen der Vieh- und Menschenpeiniger beträchtlich, und was sie und ihre Larven davon vertilgen, übersteigt das, was die Vögel darin leisten, wohl ganz bedeutend. Ihr Heißhunger kennt keine Grenzen. Die große goldgrüne Jungfer, der der eine Hütejunge aus Versehen mit einem Peitschenschlage den Hinterleib abschlug, und die nun im Grase liegt, läßt die Bremse nicht fahren, die sie in den Kiefern hält, und während schon die Ameisen an ihrem zerrissenen Leibe hängen, frißt sie ihre Beute doch noch erst auf. Über der Tonkuhle zieht ein braunrotes Edellibellenmännchen seine Kreise, ab und zu zur Seite fahrend und eine bunte Blindfliege erhaschend. Jetzt hat es im Blattwerk des Kolbenrohres ein Weibchen erspäht; treibt es aus dem Versteck, faßt es und sinkt damit in das Gras, aber während es das Weibchen zur Liebe zwingt, frißt es darum die letzte Fliege, die es fing, doch dabei auf. Seine Liebestollheit ist groß, aber ebenso groß ist seine Freßgier. Wenn die Libellen hier nicht wären, bekämen die Ackerbürger keinen einzigen Kohlkopf von ihren Feldern am Rande der Moorwiesen, denn viele weiße Schmetterlinge tummeln sich dort. Aber nicht sehr viele kommen dazu, ihre Eier an die Kohlpflanzen zu kleben, denn über den Feldern schweben Libellen über Libellen, und alle Augenblicke stürzt sich eine auf einen Falter, greift ihn und läßt sich damit zu Boden fallen; nach kurzer Zeit ist nichts mehr von ihm übrig als die Flügel, die Fühler und die Beine, willkommene Baustoffe für die Ameisen, die schleunigst damit abziehen. Als Räuber schlüpft die Libellenlarve aus dem Ei, als winziger Räuber, der unter den allerjüngsten Mückenlarven aufräumt und sich an immer größere Tiere wagt, je mehr er wächst; kaum hat die Libelle die Nymphenhülle verlassen, hat eben erst Flugkraft erlangt, hat sich noch nicht halb ausgefärbt, so fliegt sie schon auf Raub aus, und sind ihre Flügel auch schon zerfetzt und ausgefranst, daß sie nur noch mühsam dahinflattert, sie raubt weiter, bis es mit ihr zu Ende geht, und noch im Sterben lassen ihre Kiefer die letzte Beute, die sie machte, nicht los. Kurzsichtige Menschen, die nicht weiter sehen, als ihre Nase reicht, sind auf den großen Gedanken gekommen, die Mückenplage dadurch zu bekämpfen, daß man Öl auf die Gräben und Teiche gießt, so daß die Mückenbrut ersticken muß. Aber nicht alles, was sticht, entwickelt sich im Wasser, denn die Larven der Kriebelmücken, blinden Fliegen und Bremsen leben im Torfmoose und Mulm. Alles aber, was in den Gräben und Tümpeln lebt, die mit Öl begossen werden, muß sterben, die Kaulquappe wie die Molchlarve und alle die vielen Libellenlarven, die weiter nichts zu tun haben, als Mückenbrut zu vertilgen. Es ist ein aberwitziger und kein kluger Gedanke, auf den der Mann gekommen ist, der den Ölkrieg gegen die Mücken predigte, und wahrscheinlich hat er seine Naturkenntnis aus trockenen Büchern gewonnen und nicht daher, wo einzig und allein wahre Kenntnis der Natur zu erringen ist, dort, wo die Wipfel rauschen und die Blumen blühen, wo die Welle klatscht und das Rohr raschelt. Freilich, die großen Libellenlarven fangen auch manchen Jungfisch und räumen gewaltig unter den Kaulquappen und Molchlarven auf; aber der See wimmelt von Fischbrut; blieben alle die Hunderttausende von jungen Fischen am Leben, das Plankton des Sees würde nicht ausreichen, sie zu ernähren, und so sind ihnen die Libellenlarven und die Raubfische gesetzt, damit ihre Anzahl nicht übergroß wird. Nutzen und Schaden, es sind zwei Begriffe, die die Natur nicht kennt; erst der Mensch hat sie ihr untergelegt, aber da jeder Mensch die Natur und ihre Wesen nur danach bemißt, wie es sein eigener Nutzen ihm zu fordern scheint, so stürzt er sich aus Trugschlüssen in Fehlurteile, vernichtet sinnlos die eine, rottet zwecklos eine andere Tierart aus, ohne zu bedenken, daß die Natur sich ganz von selber regelt. Er verfolgt den Eisvogel, der dem Fischzüchter die Schwimmkäferlarven fortfängt, und züchtet den Staar, der Weingärten und Kirschbäume plündert, im Übermaße. Er täte besser, nicht immer und überall den Vormund der Natur zu spielen; sie ist nicht so leicht zu übersehen, und was heute als schädlich erscheint, gilt morgen als nützlich. Die Libelle, die hier die Stechfliege und den Kohlweißling vertilgt, hat, als sie noch im Larvenzustande in der Seebucht lebte, die Brut der gemeinen Weißfische gefressen. Es sei ihr gegönnt; sie macht es dreimal wieder wett. Auf der Heide [Illustration] Libellula flaveola +L.+, L. sanguinea +Müll.+, L. scotica +Donov.+ Unmerklich geht das Moor in die Heide über; der Boden hebt sich langsam, statt der Moorbirken treten krüppelige Kiefern auf, und an Stelle des Riedes und der Wollgräser herrscht das Heidekraut. Am schönsten ist es auf der hohen Heide. Da blitzt der Sand von bunten Kieseln, da fiedeln die Grillen, steigt die Schnarrheuschrecke rasselnd empor und prahlt mit ihren purpurroten Flügeln. Sandkäfer fliegen auf; ihre goldgrünen Hinterleiber blitzen in der Sonne, um jedes rosig blühende Zweiglein tanzen die Bläulinge und streiten sich mit den Bienen, wer zuerst trinken soll. Ein schwerer Honigduft mischt sich mit dem Kiengeruche, den die Kiefern ausströmen, deren ernste Kronen im heißen Spätsommerwinde eine seltsame Weise rauschen, während die Heidelerche, die hoch oben in den Lüften hängt, ihr Liedchen dudelt, aus der Ferne der Glockenruf des Schwarzspechtes herüberklingt, und in der Nähe die Haubenmeisen locken. Es ist Leben genug hier auf der Heide. Es summt und brummt ringsumher und rispelt und krispelt überall im Renntiermoose und Heidekraute. Darüberhin aber schwirren und flirren die Libellen in der heißen Nachmittagssonne, blitzen hier auf, verlöschen im Heidekraut, umkreisen sich, prallen voreinander zurück und rascheln weiter. Fast immer sind es kleinere Arten; selten verlieren sich die Strandjungfern und Uferlibellen hierher, niemals die Seejungfern und die Schmaljungfern, und es muß schon ein Zufall sein, wenn sich eine der wilden Edellibellen bis hierher verfliegt. Heidelibellen sind es, die hier fliegen; als Larven lebten sie in den Riedsümpfen, die hier und da am Grunde der Sandberge liegen, und jetzt, da sie das Wasser mit der Luft, das Kriechen mit dem Fliegen vertauschten, wollen sie auch auf der Heide bleiben. Sie tragen auch Farben, wie sie in die heiße Heide passen. Glührot schimmern ihre Leiber, und über ihren Silberflügeln liegt ein gelber Schein, als habe die Sonne sie versengt. Und da die Heide auch ein ernstes Gesicht machen kann, fliegt auch eine düstere Libelle mit trüben Flügeln und schwarzem Leibe hier; aber auch sie blitzt silbern in der Sonne, und scharf leuchtet ihr Leib, denn in der heißen Septembersonne schimmert heute alles, der Kiesel im Sande und der Stamm der Kiefer, die dürre Grasrispe und das trockene Renntiermoos, und der halb verdurstete Riedsumpf zwischen den mageren Kiefern spielt in allen Farben. Das ist das große Libellenstelldichein; da blitzt und schimmert es lustig durcheinander von silbernen, goldig überhauchten Schwingen und roten Leibern. Die einen haften an den Stämmen, fallen auf den grauen Zweigen des toten Wacholderbusches ein, schwärmen über dem silbern blitzenden Preiselbeergestrüpp; die anderen aber, die mit dem starken Goldschein am Grunde der Flügel, spielen am liebsten über dem Sumpfe selbst, wo das Wasser vom Torfmoose erfüllt ist, die hellen Motten haschend, die hin und her flattern. Ringsumher sind sie von Feinden umgeben. Zwischen allen Kiefernstämmen haben die Kreuzspinnen ihre Netze ausgespannt, und der Wind läßt die Flügel der Libellen, die sich hier fingen und von den Spinnen ausgesaugt wurden, lustig blitzen. Hier und da und dort ertönt ein lautes Geraschel; eine Libelle, die sich eben verfing, nimmt Abschied vom schönen Leben. Auf der langen Tagwurzel der Kiefer, die wie eine Schlange über den Sand kriecht, liegt die Eidechse auf der Lauer. Eine goldflügelige, rotleibige Libelle setzt sich vor sie hin. Vorsichtig schleicht die Eidechse näher, springt zu, und laut raschelt die Libelle, denn die scharfen Kiefer der Echse packten ihren schlanken Leib. Unter der verkrüppelten Kiefer liegt ein langes Stück Baumrinde, und darauf ruht eine Libelle. Aber heute abend wird das Stück Baumrinde emporflattern, einen gellenden Schrei ausstoßen, klatschen, daß es weithin schallt, die Abendstille mit lautem Schnarren erfüllen und dann, auf und ab tanzend, bald hier unten von der Spitze des blühenden Heidebusches, bald dort oben von der Krone der Kiefer die Libellen fortnehmen, die dort mit taubeperlten Flügeln schlafen, denn es ist kein totes Stück Baumrinde, die Nachtschwalbe ist es, die dort faul und bequem im warmen Sande liegt und sich von der Sonne bescheinen läßt. Und das, was dort zwischen den weißlichblauen Grasbüscheln liegt, es ist keine von den Schatten der Grasblätter gestreifte Sandscholle, denn ab und zu öffnet es die Lider und sieht aus großen gelben Augen umher; der Triel ist es, und wenn die Sonne zur Ruhe gegangen ist, rennt er über den Sand und pflückt mühelos die schlafenden Libellen von den Heidekrautzweigen. Auch der weiße Fleck, der dort auf der Spitze des hohen Wacholders leuchtet, bedeutet den Tod für die fröhlichen Schweber; der Raubwürger ist es. Seine scharfen Augen spähen in die Runde; jetzt rüttelt er über einer krausen Kiefer, stößt zu und fliegt wieder auf seinen Busch, ein Libellenpärchen im Schnabel. Aber es werden der Libellen nicht weniger. Die Heide ist reich an Sümpfen und Tümpeln, aus allen kriechen die Libellenlarven hervor und verwandeln sich in die flüchtigen Tiere, deren Blitzen und Funkeln den Zauber der blühenden Heide ebenso verschönt wie das Geflatter der Bläulinge, und deren Flügelknistern und -rascheln zu der Stimmung, die die sonnenbeschienene rosenrote Heide hervorbringt, nicht minder nötig ist wie das Gesumme der Bienen und das träumerische Rauschen der Kiefern. * * * * * Aber ob in der dürren Heide oder auf der üppigen Wiese, am schnellen Wildbache oder am langsamen Flusse, im ernsten Moore oder im lachenden Tale, mehr als alle anderen Insekten verleihen die Libellen der Landschaft Leben. Achtet der Mensch auch wenig auf die flinken Flieger, sieht er ihnen auch nur unbewußt nach, wenn sie am Wege entlang flirren, schenkt er ihnen auch kaum einen längeren Blick, läßt sich eine von ihnen vor ihm auf der Hecke nieder, das Sonnenlicht in hellen Blitzen mit dem Silberfiligrangewebe ihrer Flügel zurückwerfend -- fehlten die Libellen der Sommerlandschaft, halb so schön erschiene sie uns. Nicht das, worauf wir bewußten Blickes die Augen richten, wirkt am stärksten auf uns; vieles, über das unsere Aufmerksamkeit hinweggleitet, spricht doch zu uns, hinterläßt Eindruck auf Eindruck, erweckt eine heitere Stimmung, ein beschauliches Gefühl in uns, läßt uns, ohne daß wir es ahnen, den Tag schöner finden und das Leben leichter tragen, und sei es auch nur das Knistern und Schimmern der Libelle, die unsern Weg kreuzt. +R. Voigtländers Verlag in Leipzig+ An Tiernovellen sind in gleicher Ausstattung ferner erschienen: _H. Löns_, Aus Forst und Flur. 40 Tiernovellen mit 16 Einschaltbildern. _Fr. Bley_, Von wehrhaftem Raubwilde. 7 Tiergeschichten mit 16 Einschaltbildern. _E. Soffel_, Der Steppenreiter und andere Tiergeschichten. Mit 16 Einschaltbildern. In Vorbereitung befindet sich: _Fr. Bley_, Von edlem Hochgebirgswilde. 8 Tiergeschichten mit 16 Einschaltbildern. Preis der schön ausgestatteten Bücher geh. je Mk. 5.--, geb. je Mk. 7.-- Werke geschichtlichen Inhalts _J. H. Albers_, Deutsche Götter- und Heldensagen. Mit 8 Einschaltbildern geb. Mk. 3.50 _J. C. Andrä_, Deutsche Geschichte. Dem Volke und der Jugend erzählt. Mit 8 Einschaltbildern, geb. Mk. 4.-- _Diesch-Kaulfuß_, Das Buch der Reformation. Geschrieben von Mitlebenden. Mit 139 Abbildungen, fein geb. Mk. 8.-- _H. Kohl_, Die deutschen Einigungskriege von 1864-1871. In Urkunden, Briefen und Berichten der führenden Männer. Drei starke Bände geb. Mk. 12.-- Weitere Anmerkungen zur Transkription Die Unterüberschriften mit den lateinischen Bezeichnungen sind im Original in Antiqua gesetzt. Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde stillschweigend korrigiert. *** End of this LibraryBlog Digital Book "Wasserjungfern - Geschichten von Sommerboten und Sonnenkündern" *** Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.