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Title: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum - Jahrgang 1900
Author: Various
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum - Jahrgang 1900" ***


  ##################################################################
                     Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand des Jahrganges 1900 der ‚Mitteilungen
aus dem germanischen Nationalmuseum‘ so weit wie möglich originalgetreu
wiedergegeben. Einzelne Satzzeichen wurden bei offensichtlichen
Druckfehlern stillschweigend korrigiert, ausgenommen in Zitaten, welche
stets unverändert übernommen wurden. Inkonsistente Schreibweisen wurden
so belassen, wie im Text angegeben. Die im Original teilweise falsche
Nummerierung der Bildtafeln wurde sinngemäß korrigiert.

Das Inhaltsverzeichnis wurde der Übersichtlichkeit halber vor den Text
gesetzt.

Die folgenden Stellen wurden korrigiert:

    Inhaltsverzeichnis: ‚des Kaufmann‘ → ‚des Kaufmanns‘;
      ‚Litterarische Besprechungen‘ → ‚Literarische Besprechungen‘
    S. 19: ‚Kunst- nnd Kulturgeschichte‘ → ‚Kunst- und Kulturgeschichte‘
    S. 23: ‚ahgesehen‘ → ‚abgesehen‘; ‚darüher‘ → ‚darüber‘
    S. 24: ‚der Lusthauses‘ → ‚des Lusthauses‘
    S. 51: ‚machte‘ → ‚mochte‘
    S. 61: ‚dureh‘ → ‚durch‘; ‚(1692‘ → ‚(1692)‘
    S. 63: ‚Allgorie‘ → ‚Allegorie‘; doppeltes ‚der‘; eines entfernt
    S. 86: ‚landandae‘ → ‚laudandae‘
    S. 116: ‚nnnd‘ → ‚vnnd‘
    S. 125: ‚glücklischste‘ → ‚glücklichste‘
    S. 132: ‚von Hunden‘ → ‚von Handen‘
    S. 148: ‚Ludwigs‘ → ‚Ludewigs‘
    S. 150: ‚Winkelmanns‘ → ‚Winckelmanns‘
    S. 154: ‚Ausicht‘ → ‚Aussicht‘
    S. 159: ‚Temperaturbild‘ → ‚Temperabild‘
    S. 169: ‚su ihm‘ → ‚zu ihm‘
    S. 197: ‚Holzscheidekunst‘ → ‚Holzschneidekunst‘
    S. 202: ‚dreißigjahrigen‘ → ‚dreißigjährigen‘
    FN 198: ‚bebesuchen‘ → ‚besuchen‘
    FN 223: ‚fenrhundt‘ → ‚feurhundt‘

Von der Nomalschrift abweichende Schriftschnitte wurden durch die
folgenden Sonderzeichen dargestellt:

    kursiv:      _text_
    fett:        =text=
    gesperrt:    ~text~
    Kapitälchen: /text/

Hochgestellte Zahlen und Buchstaben wurden durch ein vorangestelltes
Caret-Zeichen (^) gekennzeichnet; [Symbol: Pfund] steht für das deutsche
Pfund-Zeichen.

  ##################################################################



                            /Mitteilungen/

                                AUS DEM

                     /Germanischen Nationalmuseum/

                             HERAUSGEGEBEN

                          /vom Directorium/.

                            JAHRGANG 1900.
                           MIT ABBILDUNGEN.

                               NÜRNBERG
               VERLAGSEIGENTUM DES GERMANISCHEN MUSEUMS
                                 1900.



Inhaltsverzeichnis zum Jahrgang 1900

der

=Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum.=

                                                                   Seite

    Andreas Herneisen, von Dr. ~Hans Stegmann~                         1


    Goldschmiedearbeiten im Germanischen Museum, von Dr. ~Theodor
    Hampe~.

    II. Langobardische Votivkreuze aus dem 6.-8. Jahrhundert      27, 92

    III. Ein langobardischer Schaftbeschlag aus dem 7.-8. Jahrhundert
    97 IV. Ein Vortragskreuz aus dem 10. Jahrhundert                  98


    Die Grabdenkmäler der Kaiserin Eleonore in Wiener-Neustadt und des
    Kaisers Friedrich III. im Stephansdome zu Wien von Dr. ~Karl Simon~
                                                                      39


    Kachelöfen und Ofenkacheln des 16., 17. und 18. Jahrhunderts im
    Germanischen Museum, auf der Burg und in der Stadt Nürnberg, von
    Dr. ~Max Wingenroth~                                              57


    Beiträge zur Geschichte des Kaufmanns im 15. Jahrhundert, von Dr.
    ~Otto Lauffer~                                                    78
     Vgl. Jahrgang 1899. S. 105.


    Das Lebensende Georg Wechters des Älteren und seines Sohnes Hans
    Wechter, von Dr. ~Theodor Hampe~.                                109


    Zwei Schreiben Maximilians I. von Bayern, von Dr. ~Rudolf Schmidt~
                                                                     115


    Anhänger im Germanischen Museum, von Dr. ~Karl Simon~            118


    Herd u. Herdgeräte in den Nürnberger Küchen der Vorzeit, von Dr.
    ~Otto Lauffer~                                              129, 165


    Ein Orgelgehäuse aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, von ~Gustav von
    Bezold~                                                          138


    Recept wider die Faulkeyt vnd Klappersucht der Weyber vnd Magd, von
    Dr. ~Otto Lauffer~                                               142


    Der Neue Lucas van Leyden im Germanischen Museum, von Dr. ~Franz
    Dülberg~                                                         157


    Eine Holzstatue des heil. Georg im Germanischen Museum, von Dr.
    ~Richard Grundmann~                                              185


    Literarische Besprechungen: -

    Max Zucker, Albrecht Dürer                                        43

    Karl Justi Winckelmann und seine Zeitgenossen I.                 144


    Litterarische Notizen                              55, 107, 155, 197


    Kleine Mitteilungen                                              202



[Illustration]

ANDREAS HERNEISEN

VON HANS STEGMANN.


                                    Als ich mit freud in uberflues
                                    Den spruch, mein valete, peschlues,
                                    Des tags kam eben zu mir gleich
                                    Der weit perüembt und künstenreich
                                    Maler, der in Nürnberg, der stat
                                    Den rumb, wie Albrecht Dürer hat,
                                    Der im vergleichet mit der hant,
                                    Mit sinreichikeit und verstand[1].

Wer heute die obenstehenden auf Andreas Herneisen[2] sich beziehenden
Verse des biederen Hans Sachs liest, wird sich, wenn er die
Kunstverhältnisse Nürnbergs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
sich vergegenwärtigt, kaum eines Lächelns erwehren können, auch wenn
ihm der hier an Dürers Seite gestellte Andreas Herneisen zunächst
noch gänzlich unbekannt sein sollte. Es gehört ein tiefes Eindringen
in die Geschichte Nürnbergs in allen ihren Äußerungen politischer,
wirtschaftlicher, geistiger und künstlerischer Natur dazu, um den
Tiefstand begreifen zu können, den die Nürnberger Malerei noch nicht
fünfzig Jahre nach dem Tode Albrecht Dürers, des Mannes, der ihr den
ersten Platz in ganz Deutschland erworben, erreichte. Es können hier
die Faktoren nicht aufgezählt werden, die den außergewöhnlich raschen,
wenn auch nach außen noch verschleierten Verfall der in jeder Richtung
so hoch bedeutenden Reichsstadt herbeiführten. Die bildenden Künste,
vor allem die Malerei, zeigt denselben am augenscheinlichsten, nur
das Kunst~handwerk~ blüht, weil eben allein das Bürgertum, d. i.
in diesem Falle das Handwerk, sich ernste Tüchtigkeit bewahrt hatte,
während die oberen Kreise, politisch, wirtschaftlich und geistig mit
dem Vergessen und der Vernachlässigung der Momente, welche Nürnberg
groß gemacht hatten, dem unausbleiblichen Bankerott langsam aber sicher
zusteuerten.

Die Künstler, die in Nürnberg Dürers Erbe übernahmen, heißen, wenn
auch zunächst wegen des kleinen Formats ihrer graphischen Werke die
Kleinmeister, klein war aber auch der geistige Horizont und Inhalt
ihrer Thätigkeit. Das war, wie bereits angedeutet, nicht allein
ihre eigene Schuld, sondern mehr noch die ihrer Umgebung, die ja
schon einem Dürer nur ein dürftiges Einkommen gewährt hatte. Die
Kirche, die Jahrhunderte lang die nährende Mutter der Künste auch
in Nürnberg gewesen, hörte auf, der Mittelpunkt des künstlerischen
Schaffens zu sein, die vornehmen Leute, das Patriziat, waren aus
klugen, weitsichtigen, unternehmenden Bürgern äußerlich Edelleute
geworden, innerlich aber Spießbürger geblieben, der dritte Stand
war in seiner geistigen Entwicklung noch zu weit zurück, um in die
Entwicklung der hohen Kunst fördernd einzugreifen. Doch aber war
mit dem Anbruch der modernen Zeit die Freude an der Persönlichkeit
so weit gestiegen, daß die Darstellung derselben, die Bildniskunst,
reiche Nahrung, quantitativ wenigstens, fand. Denn die Zunahme der
Porträts aus bürgerlichen Kreisen führte ihre Verbilligung und damit
ihre Handwerksmäßigkeit herbei. Georg Pencz war der letzte Vertreter
der eigentlichen Nürnberger Bildnismalerschule, und als einen, wenn
auch vielleicht nur mittelbaren Nachfolger dürfen wir den bescheidenen
Meister, dessen unbescheidenes Lob aus Hans Sachs Munde wir an die
Spitze stellten, ansehen, Andreas Herneisen, über dessen Leben und
Wirken die an sich vielleicht nicht übermäßig interessanten, aber doch
manche kultur- und kunstgeschichtliche Aufschlüsse bietenden, bis jetzt
auffindbaren Notizen im Folgenden zusammengestellt werden sollen.

In weiteren Kreisen war eigentlich von ihm nicht viel mehr bekannt,
als daß Jost Amman nach einem Bild von ihm 1576 das Porträt des Hans
Sachs radierte. Und doch werden wir sehen, daß die launische Klio
über ihn mehr der Nachwelt erhalten hat, als über viel bedeutendere
Kunstgenossen; dafür ist von dem wichtigsten Teile seiner Thätigkeit,
seinen dekorativen Malereien, so gut wie nichts auf unsere Zeit
überkommen.

Andreas Herneisen[3] ist am 28. Juli 1538 als der Sohn von Hans und
Barbara Herneisen zu Nürnberg geboren. 1562 dürfte er das Meisterrecht
errungen haben, da er in diesem Jahre heiratet und ebenso zuerst als
Meister erwähnt wird. Über seine Lehr- und Wanderjahre, sowie seine
Lehrmeister sind wir nicht im mindesten unterrichtet[4]. Sein erstes
Vorkommen ist indes kein rühmliches. Am 27. Juni heißt es »Enndresen
Herneysen im loch auff das schmehelich gemeldt vnd wers Im also
angeben guetlich zured halten sein sag wiederpringen[5].« Der Maler
war also wegen eines dem Rat anstößig erschienenen Gemäldes gefänglich
eingezogen worden. Auf die Dauer scheint ihm dies aber die Gunst des
Rates nicht entzogen zu haben; in demselben Jahre wird er vom Rat
für die Triumphpforte für Maximilian II. im August und September in
Gemeinschaft mit den übrigen Nürnberger Meistern dreiundeinhalb Wochen
beschäftigt und erhält 7 fl. Lohn[6].

Bald muß er sich auf dem Gebiet großer dekorativer Malereien einen
guten Namen gemacht haben, denn das in seinem Anfang oben zitierte
Gedicht des Hans Sachs spricht in ausführlichster Weise von seinen
Arbeiten in Aldersbach[7] wie folgt:

    Saget mir, wie er kumen wer
    Von Allerspach dem gefuersten abt;
    Pey dem het er ein pstallung ghabt,
    Am cor zu malen künstlich fleißig
    Umb hundert guelden, darzu dreyssig,
    Sambt als unkost und zerung frey,
    Farb und was man sunst dorft darpey,
    Sambt einen leitkauf seiner frawen.

Das »Valete« des Hans Sachs ist 1567 (s. Götze a. a. O. S. 321) der
hier angezogene Spruch am 28. August 1568 gedichtet, also muß die
Arbeit in Aldersbach in den vorgenannten beiden Jahren vor sich
gegangen sein.

In die sechziger und siebziger Jahre fallen auch eine Anzahl von
Bildern des Meisters, die von seiner Kunst fast allein mehr Zeugnis
geben und die sich in dem Vorstandszimmer der Hauptschützengesellschaft
Nürnberg befinden.

[Illustration: Abb. 1. Die ältesten Porträts der Nürnberger
Schützenmeister im Schießhaus zu Forsthof in Nürnberg. Erste bis dritte
Reihe.]

[Illustration: Abb. 2. Die ältesten Porträts der Nürnberger
Schützenmeister im Schießhaus zu Forsthof in Nürnberg. Vierte bis
sechste Reihe.]

Dort sind die Schützenmeisterbilder seit den sechziger Jahren des 16.
Jahrhunderts bis zum heutigen Tag aufbewahrt. Unter den sechs ältesten
Reihen nun, auf die zum erstenmal in der Festzeitung zum XII. deutschen
Bundesschießen in Nürnberg im Jahre 1897 von Dr. Reicke[8] hingewiesen
wurde, befinden sich eine größere Anzahl Herneisen’scher Bilder.
Die sechs Reihen, die im Laufe der Jahrhunderte und insbesondere
wohl bei der Übertragung vom alten Schießhaus in St. Johannis in das
jetzige zu Forsthof in Unordnung gekommen sind, vielleicht auch das
eine oder andere Stück verloren haben mögen, enthalten vierzehn mit
dem Monogramm bezeichnete Porträts von Andreas Herneisen unter einer
Gesamtzahl von 42 Stück. Die beiden beigegebenen Abbildungen 1 und
2[9] geben dieselben wieder, ohne freilich eine genauere kritische
Würdigung zuzulassen. Die monogrammirten Stücke sind in Abbildung 1:
das vierte der ersten Reihe (immer von links nach rechts gerechnet)
Endres Deucher, 2) das dritte (Albrecht Welcker), 3) das vierte (Hans
Trebing, Bader zu Wöhrd), 4) das fünfte (Martin Pfeiffer Sporer), der
zweiten Reihe, 5) das erste (Hans Koch), 6) das dritte (Joerg Lang),
7) das vierte (Peter Frischeisen), 8) das sechste (Hanns Ziegler) der
dritten Reihe, in Abbildung 2: 9) das zweite (Steffan Bon), 10) das
dritte (Franz Reder); 11) das vierte (Jacob Koch), der ersten, 12) das
zweite (Johan Ettwiller), 13) das vierte (Hans Wynderlin), 14) das
fünfte (Mertty Hoffmann) der zweiten Reihe. Mit diesen bezeichneten
Bildern dürfte aber die Thätigkeit Herneisens für diesen Zweck nicht
erschöpft sein; ja es ist nicht einmal der Gedanke ganz von der Hand zu
weisen, daß von den 42 Bildern 41 (das letzte von 1615 kann natürlich
nicht von ihm sein) von Herneisen gemalt sind, wiewohl es nicht ganz
wahrscheinlich ist. Mit Rücksicht auf Manier, Auffassung und Technik
möchte ich noch das zweite Bild (Jörg Schwertfeger) der ersten Reihe,
die vier übrigen der zweiten Reihe (Hans Schneider, Büchsenfasser,
Bernhard Hainla, Sebastian Seufferbelt, Martin Lang), das fünfte und
siebente der dritten Reihe (Niclas Mengel und Hans Lutz) in Abbildung
1, das sechste und siebente der ersten Reihe (Istrom Lindelbach und
Martin Baumgartner), das sechste der zweiten (Sewald Wissenhauer)
und das zweite und dritte der dritten Reihe in Abbildung 2 (Madeis
Flaischer und Baltasser Rinder) ihm zuweisen.

Der Umstand, daß er in der urkundlich beglaubigten Zeit seines
Würzburger Aufenthalts (1578-87) einige bezeichnete Bilder hierher
malte, erlaubt, ihm auch andere nicht bezeichnete aus dieser Zeit
zuzuschreiben. In Anbetracht der kleinbürgerlichen Verhältnisse, in
welchen wir uns die hier Dargestellten ausschließlich lebend zu denken
haben, und welche schwerlich zu besonders hohen Aufwendungen für ein
Porträt verleiten und daher auch den Künstler kaum zur Anwendung
seines höchsten Könnens anstacheln mochten, können wir uns aus den
kleinen Bildern (sie sind gleichmäßig 29 cm. hoch und 26,5 cm. breit
und auf Tannen- oder Fichtenholz gemalt), immerhin eine Vorstellung
von Herneisens künstlerischen Qualitäten machen. Darin, daß er seine
Halbfiguren stets vor eine hell gehaltene, ideale Landschaft setzt,
bewährt er sich als konservativen Nachfolger der Sitten der ersten
Hälfte des Jahrhunderts. Seine Malweise ist eine flotte, freie und
sichere; kräftige Farbenkontraste, wie sie ja das dargestellte Kostüm
mit sich brachte, liebt er; das Ganze ist stets hell gestimmt. Ob die
steife und etwas eintönige Haltung der Dargestellten mehr auf Rechnung
derselben, oder des Malers kommt, mag dahingestellt sein; immerhin
geben sie ein sehr anschauliches Bild des zu höherem Selbstbewußtsein
erwachenden Bürger- und Handwerkertums. Die landschaftlichen
Hintergründe sind ziemlich schematisch gehalten, und flüchtig gemalt.
Überraschend wirkt die Sicherheit, mit der die recht plastisch
durchmodellierten Figuren vor die Luftperspektive gesetzt sind. Die
Figuren selbst verraten flotte, rasche Ausführung, leichte und sichere
Pinselführung. Der Porträtähnlichkeit ist offenbar große Sorgfalt
zugewendet, und das Charakteristische in allen Äußerlichkeiten
trefflich erfaßt; geistige Vertiefung kann man bei dem Vorwurf ja
kaum erwarten. So viel kann man ruhig behaupten, der Mann hatte eine
recht achtbare Routine; daß sie gar zu sehr nach Handwerk schmeckt,
lag vielleicht mehr an den umgebenden Verhältnissen als an ihm selbst.
Eines läßt sich auch beobachten, daß Herneisen mit den Jahren zu immer
größerer Sicherheit sich durcharbeitete. Ein Vergleich der früheren und
späteren Arbeiten läßt dies erkennen. Von den datierten Arbeiten ist
das früheste von 1565, das späteste von 1582.

Von einigen weiteren Arbeiten berichtet Nagler in den Monogrammisten.
Daß das mit dem Monogramm 672[10] bezeichnete radierte Blatt, das
mir nicht vorliegt und eine weibliche Büste mit groteskem Kopfputze
darstellen soll, ein Herneisen’sches Werk ist, muß mindestens als recht
zweifelhaft angesehen werden. Auch über die andere Notiz Naglers[11]
ein bezeichnetes Bild von 1571 betreffend, kann hier bloß referiert
werden. Es soll die Leidensgeschichte Christi behandelt und darin noch
ein Nachklang der Dürer’schen Schule ersichtlich, die Färbung aber
nicht angenehm, ins Dunkle gehend, sein.

[Illustration: Abb. 3. Bildnis des Hans Sachs von Andreas Herneisen. In
der Galerie Weber zu Hamburg.]

Am bekanntesten sind von Herneisen jedoch die verschiedenen Hans
Sachs-Porträts geworden. Das eine derselben, von dem wir vorstehend
eine Nachbildung, und zwar zum erstenmale geben, befindet sich in
der bekannten Sammlung Weber in Hamburg, deren Besitzer, Herr Konsul
Weber, uns in liebenswürdiger Weise eine vortreffliche Photographie
zur Verfügung stellte. Es ist ein Brustbild des einundachtzigjährigen
Hans Sachs ohne Hände, nach rechts gewandt, auf rotem Grunde[12]. Der
greise Dichter mit graublauen Augen, spärlichem, weißem Haupthaar und
Vollbart, und weißen Augenbrauen, trägt eine graue, mit schwarzem Pelz
besetzte Schaube über rotem Rock mit weißer kurzer Halskrause. Die
Bezeichnung oben in der Mitte befindet sich innerhalb der Jahrzahl
1576. Das Bild ist auf Tannenholz gemalt, 49,5 cm. hoch und 38 cm.
breit. In die Sammlung Weber gelangte es aus der Auktion Arnstein in
Berlin 1890, nachdem es sich um die Mitte des Jahrhunderts im Besitz
des Ministers von Nagler befunden hatte. Es ist das Vorbild der meisten
uns bekannten Hans Sachsbildnisse gewesen. Ohne die künstlerische
Bedeutung des Bildes zu überschätzen, darf man wohl behaupten, daß es
mit einfachen Mitteln eine starke, naturalistische Wirkung erreicht.
Die Greisenhaftigkeit des Dargestellten ist mit außerordentlicher
Wahrheit wiedergegeben. Der Einzeldruck mit dem oben des öfteren
angezogenen Gedicht »Ein gesprech, darin der dichter dem gefeierten
abt zu allerspach etc.«, enthält die Radierung (Stich) des Jost Aman
(?)[13] und an den 1568 gemachten Spruch anschließend, beziehungsweise
ihn verwendend, die Danksagung des Herneisen für das geschenkte Valete
für den Abt, sowie die genauen Daten über das Bild in den unten
stehenden Versen. Daß sie von Hans Sachs selbst kurz vor seinem Tode
noch verfaßt, ist wohl nicht anzunehmen, vielleicht hat einer der
Freunde aus der Nürnberger Singschule dem Maler ausgeholfen, wenn
dieser nicht gar selbst in diesem Fall den etwas flügellahmen Pegasus
bestiegen hat. Der Maler schreibt:

    Und ich, Endres Herneisen, hab
    Mit danckbarm gmüt für solche gab
    Obgmelten Herrn Hans Sachsen alt,
    So vil mir müglich, sein gestalt
    Abconterfeit, da er alt war
    Zwey monat vnd 81. Jar
    Bracht jms zum newen Jar zur schenck
    Weil ich aber war ingedenck,
    Das vil leut auch in nah vnd ferrn
    Verlangt zu sehen diesen Herrn
    Vnd nit zu jm können kommen
    Hab ich zu ehrn disem frommen
    Mein willig dienst auch darzu than
    Vnd in im Truck lassen ausgan,
    ~Weil er selbst sagt an seim Siechbet,
    Das jm das Bild gleich sehen thet.~

       *       *       *       *       *

Später sagt er:

    Vnd dises Gmehl vollendet wurdt
    Nach vnsers Herrn Christi geburt
    Da man zelt tausend fünff hundert Jar
    Vnd sechs vnd sibentzig fürwar,
    Am newen Jars abent genendt.
    Gott verleih jm ein seligs end
    Vnd ein freudenreiche vrstend.

Es mag bemerkt werden, daß von den anläßlich des Todes nach Herneisens
Gemälde angefertigten, gestochenen und geschnittenen Nachbildungen,
so weit mir das Material vorliegt, sich gerade diejenige Ammans am
wenigsten treu an das Vorbild hält, obwohl dasselbe angeführt wird. Die
betreffenden Verse lauten:

    Zwei monat ein vnd achzig jar alt
    War ich Hans Sachs in der gestalt
    Von Endres Herneisen abgemalt u. s. w.

Es ist nach genauer Kenntnis des vorbeschriebenen Bildes jetzt auch
sicher anzunehmen, daß Herneisens Bild das Vorbild für die anläßlich
der Vierhundertjahresfeier bekannt gewordenen Hans Sachsmedaille in
München ist.

Herneisen hat den greisen Dichter und sich selbst nur noch in einem
Genrebild verewigt, das ebenfalls seit längerer Zeit bekannt, doch erst
in den letzten Jahren bei dem Hans Sachsjubiläum die Aufmerksamkeit
weiterer Kreise auf sich zog und bei dieser Gelegenheit auch abgebildet
wurde[14]. Die genaue Beschreibung des Bildes mag hier im Wesentlichen
nach O. v. Heinemann[15] folgen: Das Bild, schon seit längerer,
aber nicht näher zu bestimmender Zeit im Besitz der Wolfenbütteler
Bibliothek, ist auf Holz gemalt, 54 cm. breit und 47 cm. hoch. Der
Maler hat sich darauf selbst dargestellt, wie er beschäftigt ist, den
ihm gegenübersitzenden Dichter möglichst naturgetreu auf die Tafel
zu bringen. Hans Sachs sitzt links von dem Beschauer, in grauem,
pelzverbrämten Hausrock, mit weißen Ärmeln und weißer Halskrause, an
einem Schreibtische, die Feder in der Hand, aber er schreibt nicht,
sondern er wendet das nach vorn gehaltene Gesicht mit dem spärlichen
weißen Haupthaar, und dem langen, weißen, unten spitz zulaufenden Bart
zu zwei Dritteln dem Beschauer zu. Auf dem Tische, der das Schreibpult
trägt, steht ein Tintenfaß mit eingetauchter Feder, links davon liegt
ein aufgeschlagenes Buch, rechts ein Papierblatt, auf dem geschrieben
steht: »Zway monat 81 iar wardt ich Hans Sachs in diser Gestalt Von
Endres Herneisen abgemalt.« An dem Pult aber, an dem sich der Dichter
anschickt zu schreiben, spaziert mit erhobenem Schwanz ein graues
Kätzchen einher. Die Schrifttafel unterhalb des Tisches bezieht sich
auf dieses Kätzlein, und dieses hat wohl auch teilweise den Anlaß zur
Fertigung gegeben. Die anziehende Erläuterung des Spruches gibt O. von
Heinemann in dem erwähnten Aufsatz.

Da mir nur eine nicht genügende Photographie des Bildes vorliegt, ist
die künstlerische Qualität desselben schwer zu beurteilen. Mit Ausnahme
vielleicht des Kopfes von Herneisen ist sie aber entschieden schwächer
als das Webersche Hans Sachsbild und die Bildnisse der Schützenmeister.
Bedenken, die wegen des Kostüms des Malers aufgetaucht sind, als ob
es mehr der Mode des beginnenden 17. Jahrhunderts angehöre, und hier
eine spätere Fälschung vorliege, vermag ich nicht zu teilen. Ein
Vergleich mit den Kostümen der Schützenmeister ergibt die Echtheit.
Trotzdem wäre es möglich, daß die nicht durch ihre Ausführung, aber
ihrem Inhalt nach verschiedenen Seiten hochinteressante Genrescene
erst beträchtliche Zeit nach dem Tod des Hans Sachs entstanden wäre,
und zwar aus Eitelkeit des Künstlers, der sein nahes Verhältnis zum
Dichter seinen Zeitgenossen gewiß recht eindringlich vor Augen führen
wollte, oder aus wirklicher Anhänglichkeit an den Verstorbenen. Für
die spätere Anfertigung spricht die offenbar aus dem Gedächtnis nur
ganz andeutungsweise gegebene Lokalität. Bezüglich der Jahrzahl ist zu
bemerken, daß Heinemann wohl sicher irrt, wenn er 1574 liest. Auf der
Photographie ist die Zahl nicht zu erkennen.

1578 siedelte Herneisen nach Würzburg über, wie schon oben kurz erwähnt
wurde. Über seinen dortigen Aufenthalt berichtet Becker einmal aus dem
seit dieser Zeit in den Besitz des Germanischen Museums übergegangenen
Würzburger Malerverzeichnis, daß er 1578 in die dortige Lucasgilde
aufgenommen worden sei[16], dann, daß ihm im Jahr 1580 vom Domkapitel
zu Würzburg die Ausmalung der Decken des dortigen Doms um 700 fl.,
5 Malter Korn und drei Eimer Wein verdungen worden sei[17]. Seine
Arbeiten haben im vorigen Jahrhundert der jetzigen Dekoration weichen
müssen.

Aus den Ratsverlässen geht hervor, daß er ursprünglich nur auf zwei
Jahre nach Würzburg gehen wollte, unaufgesagt seines Bürgerrechts. Er
scheint aber bald einen günstigen Boden für seine Thätigkeit gefunden
zu haben, denn 1579, am 22. Mai, gibt er das Nürnberger Bürgerrecht
auf, um erst 1587 nach Nürnberg zurückzukehren.

Ob seine Thätigkeit dort keine Aufgaben mehr fand, oder ob nur der ihm
in Aussicht gestellte Auftrag, ihm die Neubemalung und Vergoldung des
schönen Brunnens, der damals einer gründlichen Erneuerung unterzogen
wurde[18], zu übertragen, seine Rückkehr, die eine definitive sein
sollte, bewirkten, wissen wir nicht. Über diesen Auftrag sind wir in
der Lage, aus der Literatur, den Ratsverlässen, und vor allem aus
einer Anzahl Briefe Herneisens, die diese Angelegenheit betreffen,
und bei einem Akt mit Rechnungen etc., über die Instandsetzung des
schönen Brunnens, im gedachten Jahr im Nürnberger Stadtarchiv sich
erhalten haben, ganz genauen Bericht geben zu können. Mögen die
künstlerischen Qualitäten Herneisens auch keine übermäßigen sein, so
daß seine Gestalt nur durch die Personen und Denkmale, an die seine
Thätigkeit sich knüpft, in erster Linie interessiert, so glauben
wir doch, die sechs Schreiben Herneisens hier in extenso und in
diplomatischer Treue[19] folgen lassen zu sollen. Einmal, weil sie
in das deutsche künstlerisch-handwerkliche Treiben, den Ton und die
Bildungsstufe der damaligen Handwerker-Künstler, über das ganze Milieu
von Auftraggeber und Künstler, über technische und wirtschaftliche
Fragen des Künstlerlebens erwünschten Aufschluß geben, dann, weil sie
uns das Denken und Fühlen eines biederen, warmherzigen Menschen von
kerndeutscher Art kennen lernen lassen, also als kulturgeschichtliche
und menschliche Dokumente Wert und Anziehendes genug haben. Die Briefe
sind nicht datiert und bis auf einen von der Hand des Malers selbst.
Der erste ist an den Rat von Nürnberg gerichtet und lautet:

    Erveste Erbare wolweiße günstige herrn. Dieweil mir von einem
    erbarn Rath alhie fürkomen, so ich meiner gelegenheitt nach möchte
    mich wiederumb hieher in nürmberg Begeben, so woltten ir ernvest
    mir den schonen Brunen zu mallen vnd vergülden verleihen; darin dan
    der Ernvest Herr Jeronimus Holzschuher vertraulich mitt mir davon
    gehandeltt vnd an mich begertt meinen vberschlag zu thon, welches
    ich mich dan ganz vnderthenig Erbern (?) nach meinem geringen
    verstandt dasselbig E. Ernvest hiermitt vermelde vnd ist gewiss
    so ich es bei einem gülden konndte erraten oder treffen damitt
    E. E. vest nit vbernomen vnd ich Bei gebürlicher besoldung bleiben
    kondte, warlichen thun wolte, die weil aber dises ein gefehrliche
    arweitt, sonderlich dass golt aufs sich tregt, habe ich Erstlich
    Bey mir weniger nicht vberschlagen konden[20], dan 1500 fl., die
    weil aber es gemelter herr Holtzschuher Baumeister mir angezeigt,
    es werde ein rath nitt gesinett so vill goltes wie zuvor[21] daran
    zu hengen, welchs dan meiner meinung auch nicht zu wider vnd etwass
    zirlicher sthen würde, dass ander mit allerley merllen[22] von
    schönem glantz aussgefasst[23]; damit da der staub sich darauss
    gesamelt durch den regen mo(c)ht wider abschissen vnd abgewaschen
    werden. vnd damitt E. Ervest wissen mogen, wass er auf das negst
    Costen würdt allen vncosten dazu zu legen von goltt vnd oll farben,
    wills auch mit gott bezeugen der sachen so vil mir muglich recht zu
    thun, so wird es Bei den dreizehen hundert gulden bleiben muessen
    ausserhalben des gegitters, so diser zeitt noch nitt gantz fertig,
    auch nicht davon zu fodern ist. daneben denutig[24] gebetten, da
    ich E. E. vest solches werck gantz verfertigett, auch gefallen
    davon hette, ich aber dessen Schadens oder mer dan ich verhofft,
    darauff lauffen würdt vnd bei verstendigen solches gespürtt, meine
    heren würden mich desshalben ergotzen[25]. welches ich andrer
    meinung nitt melde dan darumb, dass solche arweitt nitt wie ander
    gemeldt[26] zu schetzen ist. wil mich hiemit E. Ervest sampt meinen
    gantzen von Gott gegebenen wenigen angebotten vnd bevolhen haben.

    E. Ernverst williger v. gehorsamer diener
    Endres Hernneisen maller.

Zur Sache selbst mag hier das nicht uninteressante Faktum mitgeteilt
werden, daß der Rat offenbar für die Bemalung und Vergoldung des
schönen Brunnen eine Art engere Submission ausgeschrieben hatte.
In dem beregten Aktenfascikel findet sich nämlich auch die (nicht
eigenhändige) Eingabe eines sonst nicht bekannten, aber wie es aus
seinen eigenen Worten scheint, angesehenen Malers Barthl Brechtl,
der ebenfalls vom Rat um Angabe seiner Forderung für diese Arbeit am
schönen Brunnen befragt wurde. Es sei hier auszugsweise nur so viel
gesagt, daß er für unmöglich erklärt, im Voraus einen Kostenvoranschlag
zu machen, vielmehr die schlaue Idee hat, den Rat aufzufordern, ihm
erst mitzuteilen, was die farbige Fassung im Jahre 1541 gekostet habe.
Er betont dabei, wie wir dies gleich auch bei Herneisen sehen werden,
die bedeutende Preissteigerung der Materialien. Er selbst würde die
Arbeit leiten, an der Spitze der Gehilfen würde sein Sohn stehen,
er würde des Weiteren aber auch noch eine Anzahl Nürnberger Meister
beiziehen. Jedenfalls würden die Kosten (ohne Gitter) nicht unter 1800
fl. betragen. Der Rat, der sparen wollte, wird weder auf das erstere
Verlangen die früheren Kosten anzugeben, noch auf das um 500 fl.
höhere Angebot weiter reagiert haben. Dies geht schon aus dem zweiten
Schreiben Herneisens an den Baumeister (patricischen Referenten über
das Nürnbergische Bauwesen) Hieronymus Holzschuher hervor:

    Ernvester Wolweisser günstiger her Holtzschuer. Nachdem mir von Eur
    Ernvest vnd auch dem Ernvesten herrn Jullius geuder ist befelch
    geben, dass ich eine Visierung zu dem schonen Brunen nitt allein
    auff Bapier, sondern auch an dem Brunnen selbst von ollifarben
    machen vnd mallen solte; wie ich dan vermeint dasselbig auffs
    Bestendigste zu verrichten. Welches dan nun geschehen vnd ane
    Zweiffel ein Erbar rath Besichtigett vnd dieweil mir[27] nun
    abermals des verdings oder foderung halben handeln sollen, ist
    darauff meine entliche meinung, nach dem ich die zeitt vber den
    Brunen Besichtigt, Bei meiner Ersten foderung zu Bleiben vnd wie
    die selbige lautett, keineswegs davon zu wei(c)hen. ich mochte
    aber wol leiden, dass ein E. E. weiser Rath den zeug alss oll vnd
    farben, goldt vnd zu sohen[28] gehorig selbsten schaffen vnd leghen
    vnd ich allein die gesellen vnd gesindt, so mir dazu duglich[29],
    herbei brechte, dieselbigen in der cost halten; für solches ales
    wolte ich 500 fl. nemen vnd denselbigen nach meinem Besten vermügen
    mallen vnd machen. da aber eur Weisheit wolten der wochen nach
    Besolden oder arweiten lassen, so kondt man mitt dem gesindt der
    Cost vnd lohn halben abermals weg finden. Was meine Berson Belangt
    will ich in allen sachen nach meinem besten vermügen darzu rethlich
    sein vnd meine Besoldung ist einen tag ein gulden. vnd ferner weiss
    ich E. E. vnd Weisheitt keinen fürschlag oder andern Bericht zu
    geben. Bleib also bei dem Ersten Meinen Bericht. dan ich auch die
    Bedencken hab wie alle ding zum deuersten alss öll, steinöll vnd
    farben, das man vor wenig zeitten baldt vmb halb geldt gekaufft
    hett. zu dem so ist mit dem goldtschlager[30] abgehandelt, das
    er das buch goltt eines gulden dicker vnd steiffer machen soll,
    welches sich dan auch gewaltig mer in das gelt legt. so ist das
    gesindt schwer zu halten mit Cost vnd lohn. müsst auch noch wol
    was verzeeren, Biss ich ettwass von gesindt zusamen Bring, die mir
    taugen. wil geschweigen, was einem vol öll vnd zeug, goltt vnd
    andern verschütt oder in ander weg verwüst wirtt. dass vnmuglich
    ist solte ich dan stetig mit Beschwertem hertzen arweiten vnd etwa,
    da gott vor sey, mit meiner armutt noch Buessen. vnd kem dise meine
    Reis von Würtzburg dar zu[31], so würdte es mir zu Wahrhafftigem
    verderben gereichen. vnd kan E. Ervest für mein Berson keinen
    andern fürschlag thon, dan den Ersten vnd so ferrn ich E. Ernvest
    auch Einen E. Erbarn Weissen Rath dazu gefallen mo(c)ht, so wil
    ichs in gotes Namen wagen vnd frisch mit Ehstem angreiffen in alle
    weg des Bürgerre(c)hts mit gemeint.

    E. Ervest W. diener
    Endres Herneisen
    maler.

Der treuherzige Ton mit dem der Meister hier den weiteren Versuch,
den ohnehin niederen Preis herunterzudrücken, zurückweist wird bei
jedem Leser für den Schreiber einnehmen. Die Folge sollte dem Künstler
Recht geben, daß er um den Preis von 1300 fl. die Arbeit nicht in
gewünschter Weise zu Ende führen konnte. Die am Eingang des Schreibens
erwähnte Visierung glaubte Wallraff[32] in einer der beiden im
Germanischen Museum[33] aufbewahrten farbigen Zeichnungen des schönen
Brunnens wiederkennen zu sollen, nachdem Bergau die eine derselben
schon als Arbeit des J. Pencz nach einem modernen Monogramm desselben
beschrieben hatte[34]. Indessen sind meiner Ansicht nach die beiden
nach ~einem~ Vorbild, eben der Pencz’schen Zeichnung von 1541[35],
gefertigt, und zwar nach der rohen und sehr ungeschickten Ausführung
sicher von Dilettanten und nicht von einem Berufskünstler. Die am
Schluß stehende Erwähnung des Bürgerrechts soll soviel heißen, dass er
außer der ausbedungenen Summe die unentgeltliche Wiederverleihung des
Bürgerrechts erwarte. Diese erfolgte denn auch in dem Ratsverlaß, in
dem ihm weitere 200 fl. bewilligt werden[36].

Im nächsten Brief an Holzschuher ist der Meister in voller Arbeit, aber
ohne Geld:

    Ervester wolweiser günstiger Herr Holzschuher. E. E. seindt meine
    willige dinst ider zeitt zum Besten. Mein Begern vnd anzeigung
    ist dieses an eur E. vest. die weil der costen nun mer grosser
    wurtt und lefft, nemlich auff dem schonen Brunnen vnd sonderlich
    den goltschlager Betreffendte, der mir dan zu sol(c)her arweitt
    60 Buch goltts dass Buch vmb 4 fl. zugestellt vnd geliffert hatt
    daran er 100 fl. von eur ernvest empfangen auff mein verdinge,
    so Begertt er gleichwol jetz wiederumb; vnd damitt ich meiner
    auch nit vergess, kann ich dem herrn nit verhalten solchs geltz
    halben, welches mir dan teglich vnd alle stundt auffgeth, das mir
    ein merers muss gereicht werden vndt vnder handen haben, ~es wil
    jetz nitt geschertzt sein~[37], dan so ich wil fernnis[38] oder
    Bleiweiss oder anderes haben, muss ich das gelt schir for hinaus
    zallen, one wass mir auff das gesindt wechentlich geth. do aber
    das würtzbergische gelt konte den schonen Brunnnen ausstauern vnd
    verlegen[39], wolt ich es gar gern mitt einander von E. E. zur
    entschafft[40] empfangen. die weil dan aber lautt meines zusagungs
    vnd der hilffe gottes das werck schleunig vnd vleissig sol fortt
    gehen, so wil mir gebüren die mengel, so solches verhinderten, E.
    E. an zu zeigen, die mügen mich zu solcher sa(c)he nitt verstehen,
    alss dass ich es Boss meinte vnd ettwa zu vill soltt herauss nemen.
    das dan mein gebrauch nit gewest vnd noch nitt sein soll, dan
    allein das ich haben muss. Mein Bfflug (?)[41] ist ietz allein zu
    nurmberg vnd stetth die müll zu würtzberg, Euer E. E. soliches in
    vntherthenigkeitt nit verhalten wellen vnd sollen.

    Was das goltt anlangt Bin ich nie aus unserem verding vnd abredt
    geschritten; will auch also demselbigen obliegen, vnd nach meiner
    zusagung vleissig verrichten, den es ist ausfürlich also von dem
    golt, wie ich es dan gebrauch, geredt worden vnd gantz vnd gar nitt
    von anderem oder halb geschlagenem den da es wer fürgelauffen[42],
    so wolte ich es damals widerrathen haben, den mir dieses golt,
    so es auff steinöll in die krummen lilgen vnd rosen zu dick vnd
    Brüchig ist. vnd wie wol ich weiss, dass Ein E. Erbar weiser Rath,
    meine Herrn mir solchen costen des halb geschlagen golts da es
    von notten[43], wol würden erstatten, so hatt es doch mir nitt
    gepüren wollen dar zu zu rathen, dieweil es mir nitt zu brauchen
    geschmeidig genug ist; ach nit lenger[44], wie den noht[45] ein
    gantzer Ducaten am wetter bame[46] der farbe halben. Ist also bei
    meiner warheitt weder nettig noch nütz, ein E. E. weisen Rath
    in vnnötige vncosten zu führen. was aber mich vnd mein gemeldt
    antrifft erbiete ich mich noch vnd darff anders nitt wiederholens,
    wie meine vbergebne schrifften (vnd) das verding lautten, alles wo
    mengel zu verbessern. Vnd sonsten E. E. vest mit Bestem vermügen zu
    dienen, vnthertänig gebeten mir mein Begern, welches doch mündlich
    geschehen könen, in solche vnzierlichen schrifften zu vermelden vnd
    gegen E. E. auszuschicken nitt verargen. Befielh E. E. dem Ewigen
    gott. E. E. W. Diner

    Endres Hernneissen maller

In dem vorstehenden Brief sehen wir Herneisen tapfer und allem
Anscheine nach mit vollem Recht seine Interessen wahren. Die beiden
nächsten Schreiben enthalten das Gesuch, ihm weitere 200 fl. zu
gewähren. Das vierte an den Rath gerichtete ist nicht von der eigenen
Hand des Malers, sondern wohl von einem berufsmäßigen Schreiber für den
Rath mundiert und etwas redigiert:

    Ernvest fürsichtig erbar vnd weiss gebietende, günstig Lieb herrn.
    es ist mir Endres Herrneisen Malern als E. E. vnd Hrn. Burgern
    der Schöne Prunnen verdingt vnd verlihen worden zu Malen Im Namen
    Eines ganzen Ernvesten fürsichtigen Erbaren und weissen Raths
    durch die Auch Ernvesten Herrn Julius Geuder vnd Herrn Jheronimus
    Holzschuher Alss Bauherrn vmb vnd für dreyzehenhundert gülden.
    solchen prunnen Aber wie der zu Malen vnd zu vergulden sein solle
    Ist von mir ein vissirung Auff Pappier vnd nachmahls an den Prunnen
    selbsten zwey Bilder gemacht vnd allerdings verguldet, wie sie
    alle sollen gemalt werden. Darauf ich dann nach meiner gemachten
    Vissirung fortgefaren vnd im Namen Gottes angefangen. Dieweil
    ich aber im werck gewesen, So hab ich doch müssen erfaren vnd
    von dem herrn Baumaister berichten lassen, das dass golt etwas
    zu wenig vnd vnscheinlich sein würde, hab also on alle widerredt
    dem herrn willfarn vnd mich nicht Tauren lassen vnd denselbigen
    mit goldt dermassen gezieret, das daran nichts vergessen, man
    wolte in dann gannz verguldet haben, das ich dann vn von Nötten
    (sic) geachtet. Dieweilen ich aber bei gueter zeit gesehen das
    Ich mit solcher Summe der fl. 1300, wie ich den gern gewildt[47],
    nit könte auskommen, So hab ich es vnvermeidlicher Not halben
    nit vnderlassen können vnd Obbemelten beiden herrn Angezeigt
    mich bei einem Ernvesten fürsichtigen Ernbaren vnd weisen Rath
    zu defedirn[48] vnd meine clag anzumelden, wie das es mir schwer
    fallen würde, da mich Ein E. Rath der Uebergemachten Schulden
    halben würde stecken oder Unenthebt lassen. Und dieweil dan Nun
    das verding fast ganz vnd Jetzt der Zeit an dem Gitter Arbeitt, so
    were mein vnderdenstlich Bitten an E. E. vnd Hr. die wöllen mich
    auss solcher als veber die dreyzehnhundert gulden fernern Costen
    entheben, welches sich dann an die Zweihundert gülden hernach
    erstrecken thuet ohne mein Besoldung auf meinen Leib. Ich hoffe
    auch E. E. vnd Hr. werden als Hochverstendige weise herrn an meiner
    Vissirung die E. E. vnd Hr. beihanden haben Wol sehen vnd Spüren,
    was ich über solches von goldt vnd Vleiss gethan habe. Auch mich
    gantz vnd gar nicht gesaumbt und were mir vnmüglich gewesen den so
    baldt zu verfertigen, wo Gott der Herr nit bey mir hilflich sich
    erzeigt hette, den Ich dann von hertzen darum gebetten vnd darumb
    Jetzt dancke Im zu Lob vnd meiner Obrigkeit zu grossem Wolgefallen.
    will mich also in E. E. vnd Hr. gnedigen willen befelhen und mich
    des vebrigen vncosten halben zu entheben getrösten; will mir E. E.
    vnd Hr. für meins Leibs besoldung vnd vleiss etwas gewen, so bin
    Ich zufrieden. Wonitt behab ich mich doch Obligirt das Ich nichts
    begere wenn ich nur des vncostens enthebt bleibe. Will es alles
    dem Lieben Gott vnd meiner lieben Obrigkeit befelhen. Was aber
    das Gitter belangt hab ich auff dass Negst Vleissig überschlagen
    vnd kan vnder Vierhundert gulden, wie es ist angefangen nicht
    gemacht werden. Das hab ich E. E. vnd Hr. vmb mehrer Nachrichten
    willen, In vnderthenigkeit nit sollen verhalten, denen ich mich
    vnderthenigklich bevelhende

    E. E. vnd Hr. E. w. Undertheniger gehorsammer
    Burger Endres Herneisen
    Maler.

Nicht ganz so unterthänig lautet das andere Schreiben desselben
Betreffs, welches Herrneisen gleichzeitig oder kurz vorher an den
Anschicker der Peunt, den technischen Leiter des städtischen Bauamts
F. Fuerst hatte gelangen lassen. Dasselbe bringt die Thatsache, daß
Herneisen sich in seiner Calculation verrechnet, in humoristischer
Weise auch durch die links seitlich angebrachte und auch hier
wiedergegebene Zeichnung[49] zum Ausdruck, dass er sich als in den
Brunnen gefallen darstellt und den Adressaten durch die Beischrift
»helfft auff« auffordert, ihn in seinen Nöthen zu unterstützen. Der
Brief lautet:

    Ernvester, wolweiser gunstiger Herr Bauherr F. Fuerst ist
    wohlwissentt, welcher gestalt mir der schone Brunnen verlihen vnd
    angedingt, wie zu sehen in vbergebener vissirung vnd schrifften.
    auch was ich mich gegen den E. E. w. herrn Jullius Geuder, auch
    meinem günstigen herrn Beklagt & folgesezen (?)[50] Bei andern
    herrn Eltern im schonen Brunnen. diweil den nun dise verdingte
    arweitt zum Endtt laufft, welch ich myt meinem hochsten vleiss vnd
    vermugen gemachett habe, das ich verhoff ein Ernvester weiser Rath
    werden in[51] solche arweit neben gethanen vleiss in der zeitt
    gefallen lassen, vnd wess ich noch dann zu vnterthänigsten gefallen
    vnd willen thone kondt, mich hiemitt erbotten haben. diweil mir
    aber die suma zu schwer wirtt vnd ich dieselbige vberschlagen, wil
    mir zu vill vber dise verdingte dreizehnhundert gulden fallen,
    alls das ich E. Ernvest will gebetten haben mich Bei einem E. E.
    weisen Rath oder Bey herrn Jullius geuder anmeldten, wie ich in dem
    fortfaren verzagt sey vnd oft besorge ich müsse vber dise schuld,
    so vber mein verding von Bihlein[52] als Zetteln hinvnd wider[53]
    zusammen flossen[54], mit meiner armutt noch langen[55]; dazu ich
    mich vil Bessers zu meinem E. E. weissen rath versehe vnd umb wider
    antwort vndertänig gebeten haben, vnd mich E. E. vest bevollen.

    was das gitter belangt, ist alle augenBlick zeitt wie mitt
    demselben sol abgehandelt werden, damit wir nitt vergebens Zeit
    verliren

    so dann der Casten auch nitt gar vergüllt werden; er würdt sonst
    von wegen dess steigens zu den gitter wider verwüstet.

    Ich wollte auch nach diser sa(c)hen gern gen würtzberg und
    mergatham reisen; der goldtschlager wil gelt haben 140 fl.

    Ich muss auch einen Zettel auf der Beindt[56] haben das öll
    betreffendt

    E. E. vntherteniger Diner
    Endres Hernneisen
    Maler

[Illustration: Abb. 4. Federzeichnung im Herneisen’schen Brief Nr. 5.]

Die im vierten Brief erwähnte Forderung von 400 fl. für das Gitter, mit
dem sich der Maler für den entgangenen Verdienst am Brunnen vielleicht
etwas schadlos halten wollte, scheint dem Rath wieder zu hoch gewesen
zu sein; im letzten Briefe, in dem wieder der Adressat nicht genannt
ist, als welchen wir aber ziemlich sicher wieder den »Bauherrn«
Hieronymus Holzschuher vermuthen dürfen, erwidert Herneisen auf
desfallsige Vorstellungen in geschickter und eindringlicher Weise[57]:

    Ervester weiser gunstiger Herr. eur gegen mir gethanes Beschweren
    des gegetters[58] alss der fl. 400 belanget, so hab ich mich vber
    gesetzt vnd dem selbigen vleissig nach gerechnet, wie es hernach
    E. Ehrnvest verzeichnet, was die negste Manir ist, allso zu machen
    wie ich es angefangen hab vnd damit meine Herrn Ein Ervester
    wolweiser Rath wahrhafftig bericht haben vnd mir darauss khomen.
    ma(c)ht erstlich das goldt auff eintheil des Gitters deren achte
    sein der Feldter.

    auff ein feldt geth 5½ Buch fein goldt. nun seindt der felter
    achte; das Buch an fein goldt umb fl. 4 gerechnet, thut zusamen
    an geltt fl. 176, ehr mehr. so setz ich für mein zeug alls
    farben vnd steinöll, müh vnd vncosten, wie dan an allen enndten
    gebreuchlich auch sovil, thuett fl. 352[59] vnnd neher kan man es
    nicht haben, sonderlich dieweil ich die höchsten farben als lack
    dan der Niderlander Nicolei ein Maler macht, dan ich den bei Ihme
    bishero kaufft hab, vnd das Lot kost 1½ fl., wie mir in dan der
    wandereisen geholt hat. es ist ein klein ding umb 1 Lot vnd das
    habe ich E. Ernvest nitt sollen verhalten. Befelh mich in E. E. vnd
    Herlikeit wolmeinung

    E. E. W. D. Endres Herrneisen Maler.

Damit schließt der interessante Briefwechsel, der Herrneisen zwar nicht
als hochgebildeten, aber immerhin schriftgewandten Mann zeigt.

Die Wiederherstellung des schönen Brunnens im Jahre 1587 wurde in
Nürnberg als Ereignis ersten Ranges gefeiert und nicht wenig auch
die mit derselben betrauten Meister. In gleichzeitigen Nürnberger
Dichtwerken bekommen wir davon schlagende Beweise.

Zunächst ist das in einer Chronik befindliche (Handschrift im German.
Museum 4419, f. 353 ff.) Lobgedicht auf den schönen Brunnen, von dem
bekannten Spruchsprecher Hans Weber zu erwähnen. Die hauptsächlichsten
auf unsern Maler bezüglichen Verse lauten:

    Ich sprach zum alten da vor allen
    Ich hab gehört man wurt Inn mahlen
    Lassen alta wol Inn der Stat
    dass er ein gewaltig ansehen hat
    Der alt der sprach Ja das Ist wahr
    man wirdt Inn mahlen gannz vnd gar
    dan uss Ist auch vonn würtzburg her
    komen ein berumpter mahler
    den haben die herrn genummen an
    der wirdt den Prunnen malen than
    mit den worten schied er Von mir
    da Stundt Ich vor des Prunnenthür
    Ich namb mirs vberss Hertz vnnd ginng
    Hineinn der Mahler mich Empfienng
    Er fragt mich wass wer mein beger
    da Sagt Ich Im dasselbig gar
    Ich gehe herein auff guet vertrauen
    wil auch den schönnen Prunnen schauen
    welchenn man lobt Inn der Stat
    vnnd auch den schönnen Namen hat
    der mahler der namb an dem Endt
    gar baldt ein Steblein inn sein hendt
    Sprach mein freundt er Ist schönn zu Preissen
    vnd thuet mir alle ding fein weissen.

Es folgt dann die sehr ausführliche Beschreibung des Brunnens,
insbesondere die Beschreibung der Figuren, von der Direktor Frommann im
Anzeiger f. K. d. D. V. S. 1854, Sp. 162 f. einen Teil veröffentlicht
hat.

Ein anderer Lobspruch auf den schönen Brunnen, ebenfalls 1587 von
Friedrich Beer verfaßt und dichterisch auf der gleich niedrigen Stufe
stehend, wie der Weber’sche, beschäftigt sich ebenfalls eingehend mit
unserem Maler[60]:

    Den Brunn hat ein Maler gezirt
    Mit gold und farben definirt
    Von oben biss unten anns endt
    Kein fleiss gespart mit seiner hendt,
    Die bildt geziert als ob sie lebten
    Und lebendig am brunnen schwebten,
    Hat auch geziert das gitter frey
    Mit schönen farben mancherley
    Mit silber und mit rottem Gold,
    Wer den kaum sieht, der ist ihm hold
    Der Maler, der sich so thet fleisen,
    Nennt sich ~Andreas Herreysen~,
    Das hab ich an Sanct Lucas funden
    Wie der sitz an dem brunnen unten.

Ob die in dem letzten Brief angedeutete Reise nach Mergentheim, die er
mit derjenigen nach Würzburg verbinden will, mit einem Auftrag dort
zusammenhängt, konnte ich aus der Literatur nicht ermitteln. 1572
war das neue Schloß des deutschen Ordens zu bauen angefangen worden;
vielleicht daß er hier wieder in dekorativen Aufgaben Beschäftigung
gefunden.

Wichtiger für ihn und für Kunst- und Kulturgeschichte, ist seine
Beteiligung an der Ausstattung eines der hervorragendsten Denkmale der
deutschen Renaissance, des neuen Lusthauses zu Stuttgart, das Herzog
Ludwig von Württemberg vom Jahre 1585 ab erbauen ließ. Die Akten über
den Bau desselben sind glücklicher Weise vollständig erhalten, und
durch das liebenswürdige Entgegenkommen des kgl. Württembergischen
Hauptarchivs zu Stuttgart, war es mir ermöglicht, die die Ausmalung
betreffenden Teile hier in Nürnberg benutzen und denselben die
nachfolgenden Notizen entnehmen zu können.

Nach den vorliegenden, einer Klagschrift Herneisens über den
Stuttgarter Hofmaler, beigelegten Originalbriefen desselben, an den
Nürnberger Meister, scheint dieser irgendwie durch seine Württemberger
Verwandtschaft von dem Plan, das neue Lusthaus auszumalen, Kunde
gehabt zu haben, denn er läßt vor Neujahr durch seinen Vetter
Johann Lederlein, Formschneider zu Tübingen, diesem ein Geschenk
überreichen. Steiner dankt in seinem ersten Brief vom 7. Januar 1590;
erinnert an den ersten Aufenthalt Herneisens in Stuttgart im Jahre
1575, gelegentlich der ersten Hochzeit des Herzogs Ludwig, wo die
einheimischen Maler mit der Dekoration für das Turnier nicht fertig
werden konnten und daher Herneisen nach Stuttgart durch einen eigenen
Boten hergeholt wurde. Es geht aus dem Brief des weiteren hervor, dass
Herneisens Gattin Anna (die zweite wohl, da in der Folge des Öfteren
von kleinen Kindern die Rede ist), aus Württemberg stammte. Er weist
auf die bevorstehende Ausmalung des Lusthaussaales hin, die wohl zwei
Sommer in Anspruch nehmen werde. Es werde für Herneisen, wenn er Lust
habe, ein gut Stück Geldes zu verdienen sein. Im zweiten Brief vom
31. Januar, nachdem Herneisen erwidert, sich näher nach der Sache
erkundigt und im Allgemeinen seine Bereitwilligkeit, nach Stuttgart zu
kommen, zu erkennen gegeben hat, gibt er ihm den Inhalt der Malereien
(Jagden) an, fragt ihn nach seinen monatlichen Ansprüchen, außer den
vom Hof gelieferten Malutensilien, Essen und Trinken, und bietet ihm
nebst seiner Frau eine Stube und Kammer in seinem Hause an. Sobald der
Zeitpunkt des Verdinges gekommen sein werde, werde er ihn nochmals
benachrichtigen, falls er ihm weitere zusagende Antwort zukommen
lasse. Der Frau Anna Herneisen schickt er gleichzeitig ein Angedenken.
Interessant ist in dem sehr herzlich und fast übermäßig gottselig
gehaltenen Brief eine Randbemerkung, die darauf schließen lässt, daß
Herneisen nicht blos Maler, sondern auch Bilderhändler gewesen sei:
»Lieber meister Endres, so ier was seltzams von gemeldtt her schigen
veldt so duedts. So ichs Eich kan verkauffen vnd geld leschen (lösen)
wils dan von hertzen gern, mein Gn. ft vnd her hett gern was seltzams;
wil Eich gern dienen.«

Der vermutlich dritte Brief ist nicht datiert; möglicher Weise ist er
Anfang März 1590 geschrieben. Es geht daraus hervor, daß Herneisen
Gemälde (Tücher), also offenbar auf Leinwand, angeboten; Steiner
fordert ihn auf, diese nach Stuttgart zu schicken; besonders aber
Porträts von Kaisern, Königen, Fürsten und andern Herren; im Fall
er solche verkaufen könne, solle er ihm ein Verzeichnis derselben
schicken und die Preise angeben. Er sucht »axelbilder das hebbt bis
an die brust, den Kopff rechte grossen«. Die letzteren sollten erst
von Herneisen gemalt werden, bei den erstgenannten scheint es sich
um Handelsobjekte zu handeln. Er fährt dann fort »veldt (wollet) ier
mich wissen lassen ob ier zu nürmberg bei den kunstliebhabern kont
etwann Condervet endleen (entlehnen) (vnd?) abmalen, mich wissen
lassen, dan ich ein buch zu stand bring aller Kaiser, Küng, Cur vnd
fürsten, was ich khan bekummen, es sein altt oder new, welsch oder
ditsch.« Aus diesen Sätzen, die wie die ganzen greulich unkorrekt
und kaum entzifferbar geschriebenen Briefe etwas unklar sind, geht
nicht hervor, ob es sich um Vorlagen für ein Buch mit Porträts von
Fürstlichkeiten oder einer Sammlung für die herzogliche Kunstkammer
handelt. Des weiteren erhält Herneisen wiederholt die befriedigendsten
Versicherungen über seine Bezahlung; auch erbietet sich Steiner, ihm
Geld für die Reise vorzuschießen. Wenn er etwas früher komme als
die Malerei selbst beginne, so schade es nichts, es seien allerlei
Vorbereitungen, Naturaufnahmen u. s. w. zu treffen.

Der vierte Brief vom 20. März, aus dem wir entnehmen, daß Herneisen
sein Kommen zugesagt und drei Gemälde (Tücher) eingesandt hat, welche
der Herzog an einen seiner Diener verschenkt, ist etwas kleinmütiger.
Steiner weist darauf hin, daß er einen gefährlichen Konkurrenten bei
Hofe habe, vielleicht Wendel Dietterlin: »dan sunst ein maller vor
honden der vill sein ein haspell machen, der vil sich mitt gewaltt
Eindrängen. Mein G. F. Red (Räte) sind wunderberlich, wie ier dan
wissend an den fürsten höffen gets also zu, aber wen ier Kumptt
vellendt mier sehen wie der sach zu don ist. ich hab Eich sunst von
hertzen gern allein die vil es so wankhelmiettig zugett veiss (weiß)
einer veder hinder noch für.« Er klagt weiter, daß die Räte des
Herzogs, weil der Bau des Lusthauses so viel gekostet, an der Ausmalung
nun möglichst sparen wollten. Er fordert ihn neuerdings auf, Porträts,
Brustbilder, in einem gewissen Maßstab zu fertigen, und ersucht ihn um
ein Verzeichnis der auf dem Nürnberger Rathhaus befindlichen Bildnisse.

Im fünften Brief vom 1. Mai 1590 fordert Steiner Herneisen dringlich
auf, falls er noch Willens sei zu kommen, sich baldigst auf die Reise
zu machen. Für das Reisegeld schickt er ihm 10 fl. auf Rechnung der
bestellten Porträts. Über die Porträtsammlung des Herzogs gibt er
nochmals Aufschluß: »weltt gerne das ier ettliche bechumen khindt, dan
mein G. F. vnd her mecht ain büchlein von Elfarben allerley conterevedt
aller pottenditatten (sic!) dittscher vnd welscher Natzion so viel zu
bechumen sendt. ich schreib allen Talben (allenthalben) wo ich etwas
weiss ierer F. G. etwas zu bechumen.«

Der letzte Brief ist unmittelbar vor Herneisens Abreise, am 21. Mai
geschrieben. Er warnt den Nürnberger Maler, zu viel Personen und
Hausrat mitzubringen, ehe die Verdingung wirklich abgeschlossen. Für
die drei oben genannten Gemälde und zwei Visierungen erhält Herneisen
ausserdem 17 fl. zugesandt.

Als Herneisen in Stuttgart eintraf, waren die Vorverhandlungen zwischen
dem Herzog, seinen Räten, dem Bauintendanten Dr. Georg Badner und dem
Hofmaler Hans Steiner zum Abschluß gediehen, nachdem sie schon im Jahre
1587 zuerst aufgenommen worden waren.

Die ursprüngliche Absicht für die Bemalung der Decke war, eine
Kosmographie Württembergs zu geben. Des Herzogs als leidenschaftlichen
Jägers lebhafter Wunsch, in dieser Kosmographie auch die verschiedenen
von ihm in den Wäldern seines Landes gepflegten Jagdarten mit
einverwoben zu sehen, hätte natürlich ein künstlerisches Unding
ergeben. Man verfiel deshalb nach jahrelangen Versuchen und nachdem
auswärtige (französische?) Kräfte zurückgetreten waren, auf den Ausweg,
zwölf Landschaften, die zwölf Forste Württembergs mit Jagddarstellungen
zu geben. Die 201 Werkschuh lange und in der Gewölbfläche ungefähr
90 Werkschuh breite Decke des großen Saales wurde daher in drei
Längsstreifen geteilt, von denen die äußeren je sechs der erwähnten
Landschafts- und Jagdbilder enthielten, der innere Streifen aber
religiöse Darstellungen aus der Offenbarung Johannis enthielt. Der
mittlere Streifen, der offenbar auf Betreiben des geistlichen Ratgebers
des frommen Herzogs Ludwig, Dr. Osiander, eingefügt wurde, erhielt
Wendel Dietterlin von Straßburg zugetheilt[61]. Für die Bemalung der
wahrhaft riesigen Flächen wurden außer Dietterlin und dem Hofmaler
Hans Steiner, der den ersten Hauptentwurf und die Einteilung besorgt
hatte, folgende Maler herbeigezogen: Andreas Herneisen, Hans Karg
von Augsburg, Hans Dorn von Stuttgart, Jacob Zieberle (Zäberl) von
Tübingen, Peter Riedlinger von Eßlingen (kurz nach Beginn der Arbeit
verstorben), Gabriel Dachs (Stuttgart?), Hans Melchior Offstein von
Göppingen und Philipp Grether von Stuttgart. Der Hofmaler, Hans
Dorn und Herneisen waren insofern bevorzugt, als sie von Anfang an
~zwei~ Stücke (»Förste«) zugeteilt bekamen; die übrigen nur einen;
später erhielt Herneisen noch einen Teil am Uracher Forst zu malen.
Seine Landschaften waren der Stuttgarter und der Heidenheimer Forst.

Es ist interessant, aus den Akten über das Verfahren der Maler das
Nötige zu erfahren. Zuerst mußte eine Farbenskizze (gemalte Tafel) in
kleinerem Maßstabe dem Herzog zur Genehmigung vorgelegt werden. Da
die Mehrzahl der Maler des Waidwerks unkundig waren, was ihnen, wie
wiederum aus den Akten hervorgeht, einigermaßen zum Vorwurf gemacht
wurde, mußten sie den vorfallenden herzoglichen Jagden beiwohnen, um
dort Studien nach der Natur zu machen. Ebenso mußten sie die Landschaft
aufnehmen und die Porträts des Jagd-, Forst- und Hofpersonals
anfertigen, um sie dann auf das eigentliche Gemälde zu übertragen.

Von den einzelnen Abteilungen waren vier 40 Werkschuh, acht 30
Werkschuh breit und sämtliche 30 Werkschuh hoch. Da natürlich diese
riesigen Flächen in einem Stück auf Leinwand zu malen ein Ding der
Unmöglichkeit gewesen wäre, wurden die Abteilungen in 5 resp. 4
»Tücher« zerlegt und erst beim Aufschlagen an der Decke zusammengefügt.
Für jedes derartige Tuch erhielten die Maler außer Lieferung sämtlicher
Malutensilien gleichmäßig 100 fl., 2 Schäffel Dinkel und ½ Eimer Wein
nebst 8 fl. jährlichen Hauszins; eine, wenn man den mehr dekorativen
Charakter der in einer sehr beträchtlichen Höhe (die Gewölbehöhe des
Saales betrug 50 Werkschuh) angebrachten Malereien berücksichtigt, wohl
recht zulängliche Bezahlung.

Sehr merkwürdig ist auch die Ordnung, auf welche die vereinigten Maler
während ihrer Arbeiten am Lusthaus verpflichtet wurden. Mit Rücksicht
auf ihre Ausdehnung muß leider auf Mitteilung des kulturgeschichtlich
wichtigen Stückes verzichtet werden. Die Inspektion der Arbeit, wie
die Verteilung der Materialien lag dem Hofmaler Steiner ob; bei
vorfallenden Streitigkeiten hatte eine aus Steiner, Dietterlein und
Herneisen bestehende Kommission zu entscheiden.

Die Arbeiten begannen im Juli 1590, nachdem die Skizzen vorgelegt waren
und noch mancherlei Verhandlungen über die Höhe der zu verabreichenden
Naturalverpflegung und den Mietzins gepflogen worden waren. In solchen
Dingen scheint unser guter Herneisen geschickt, aber auch etwas
vordringlich gewesen zu sein, wenn man die große Zahl seiner Schreiben
an den Fürsten und die Rentkammerräte in Betracht zieht.

Daß Herneisen nicht mit Glücksgütern gesegnet war, beweist eine Eingabe
vom 21. Juli 1590, worin er zur Anschaffung von Haushaltungsvorräten
den Herzog um einen Vorschuß von 100 fl. auf den verdingten Lohn bittet.

Dr. Badner empfiehlt sein Gesuch, da er der weiten Entfernung halber
keinen Hausrat mitgebracht habe und diesen nun neu beschaffen müsse,
»auch für einen fertigen Maler gerühmt werde«. Am 1. August wird
für Herneisen, abgesehen von Dietterlein, der ungefähr im Lohne
gleichsteht, eine Erhöhung seiner Naturalbezüge über die übrigen hinaus
beantragt, nämlich 2 Schäffel Dinkel und 2 fl. Hauszins und ½ Eimer
Wein pro Tuch mehr und jährlich ein Sommerkleid. Das letztere wurde
gestrichen, das übrige zugebilligt. In der zweiten Hälfte Januars
bittet der Meister wegen des ersten ihm übergebenen Stückes, des
Stuttgarter Forstes mit ihm abzurechnen, da die drei hauptsächlichsten
Tücher fertig, die beiden anderen aber innerhalb des Monats vollendet
würden, er aber an Lichtmeß an dem von ihm erkauften Haus in Nürnberg
150 fl. abzubezahlen habe.

Nach einer Eingabe am 23. Juni 1591 war er damals auch mit dem
Heidenheimer Forst und damit seiner ganzen Arbeit ziemlich fertig. Er
bittet darin um Zuteilung auch noch des zu vergebenden Uracher Forstes,
erhält aber nur neben drei anderen Malern den vierten Teil desselben.

Nun gab es allerdings noch weitere Arbeiten, die Bemalung des Gesimses,
d. h. wohl des Frieses unter Decke, oder über den Fenstern in der Höhe
von fünf Schuh. Auch hier war es der Wunsch des Fürsten, sämtliche
Maler, die bei der Decke thätig gewesen waren, wieder zu verwenden. Im
Frühjahr 1592 wurde darüber verhandelt, um welchen Preis pro Quadratfuß
die Maler die Arbeit übernehmen wollten, wenn sie diesmal Farben,
Gold, Silber etc. selbst dazu lieferten. Die Maler verlangten für den
Geviertschuh einen halben Gulden, aber auf Betreiben des Hofmalers, der
unterdessen mit den übrigen in Dissidien gekommen war, beschloß man,
ihnen nur einen drittel Gulden zuzubilligen.

Das brachte im April 1592 einen Streit zwischen Herneisen und Wendel
Dietterlin einer- und dem Stuttgarter Hofmaler Hans Steiner anderseits
zum Ausbruch. Bei diesem beschuldigte Herneisen den Letzteren, neben
andern Durchstechereien, die ihn nicht persönlich betrafen, daß der
Hofmaler ihm dafür, daß er ihm außer den ursprünglich angedingten
Forsten auch den Steinberger Forst zu malen verhelfen werde, von ihm
den Lohn für ein »Tuch« d. h. 100 fl. nebst vier Scheffel Dinkel und
einen Eimer Wein als »Verehrung« verlangt habe, auch gleich eine dahin
lautende Verschreibung nebst Siegel dem Nürnberger habe aufdringen
wollen. Die 100 fl. habe Herneisen geben wollen, nicht aber die
Viktualien, woraus gegenseitige Feindschaft entstanden sei.

Es würde zu weit führen, auf den Streit, der auf das Künstlerleben
jener Zeit eigentümliche Streiflichter wirft und in den Akten in
ermüdender Breite wiedergegeben ist, bis auf den fehlenden Abschluß,
näher einzugehen.

Der Stuttgarter Hofmaler zeigt sich nach den aktenmäßigen Darlegungen
als ein recht trauriger Patron, der mit Heuchelei und Verdrehungen
nicht nur seine Kollegen verdächtigt, nachdem er mehr oder minder
erfolgreiche Erpressungsversuche gemacht, sondern auch seinen Herrn in
schmählicher Weise betrügt. Allein er scheint, obgleich der Referent in
der Sache, Dr. Georg Badner, der sich überhaupt stets als ein gütiger
und wohl wollender Vertreter der ihm unterstellten Malerkompagnie
darstellt, dem Herzog nahe legt, ihn aus den fürstlichen Diensten zu
entlassen, in dem allmächtigen Geheimrat des Herzogs, Melchior Jäger
von Gertringen, einen starken Rückhalt besessen zu haben; er verlor
seine Stelle nicht, wenn er auch nach den Akten in der Angelegenheit
des Lusthauses nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.

Wie gewöhnlich scheint Herneisen mit seiner Arbeit am Fries (Gesims)
des Saales rasch fertig geworden zu sein; wenigstens rühmt er sich
dessen in mehreren späteren Eingaben. Der Herzog resp. Melchior Jäger
behandelten ihn übrigens, jedenfalls unter Einwirkung des Hofmalers,
möglichst schlecht. Obgleich im Verding nichts davon stand, wurde
nachträglich verlangt, daß im Friese die Bildnisse der Räte und Diener
des Fürsten angebracht werden sollten. Herneisen sollte die Vorbilder
liefern. Als Herneisen eine Entschädigung verlangt, wird die Sache
rückgängig gemacht; den Malern aber die Anfertigung nichts destoweniger
zugemutet. Als auch sie insgesamt dafür eine Bezahlung verlangen, wird
nach Anhören des Hofmalers u. s. w. die Sache an den bisher nicht
am Sims beteiligten Maler Philipp Gretter vergeben und beschlossen,
die fremden Maler baldmöglichst ziehen zu lassen. Zu einem sehr
ausgiebigen Schriftenwechsel zwischen Herneisen und dem Hof, gab noch
eine weitere Arbeit Anlaß. Der Herzog hatte den Maler beauftragt, einen
am Neujahrstag 1592 anläßlich eines Feuerwerks stattgehabten Zug, in
Öl auf Leinwand auf einer 15 × 22 Fuß haltenden Tafel zu malen. Dafür
verlangte Herneisen eine im Verhältnis gleichmäßige Zahlung wie für die
Deckengemälde im Lusthaus, nämlich 200 fl. und die dem entsprechende
Menge Dinkel und Wein. Da er an sechzig Porträts darauf anbringen
mußte, war die Summe vielleicht nicht übermäßig hoch. Es sollte sich
an Herneisen aber bitter rächen, daß er keinen Vertrag abgeschlossen,
denn der Herzog bewilligte ihm trotz oftmaliger Eingaben nicht mehr als
100 fl., obgleich die Kammerräte und Jörg Badner ihn befürworteten;
Melchior Jäger war dagegen. Man scheute sich von württembergischer
Seite auch nicht einmal, die Unwahrheit zu behaupten, man hätte so
viel »Contrefets« gar nicht gewollt, worauf der Maler die ihm amtlich
zugestellte Liste der zu porträtierenden Personen vorlegen konnte.
Im August scheint Herneisen, wohl privater Aufträge halber, sich von
Stuttgart entfernt zu haben, auf Befehl des Herzogs begibt er sich
wiederum dahin, bemerkt aber, daß er mit sämtlichen ihm verdingten
Arbeiten fertig sei.

In einer umfangreichen Eingabe ohne Datum, ungefähr im September,
bittet er um seine gnädige Entlassung durch eigenes Secret, da er schon
längere Zeit in Stuttgart ohne Arbeit liege. Er bittet um die Bezahlung
seiner rückständigen Auslagen, dann um eine Entschädigung dafür, daß
er in den Jagdstücken zuerst das Gefolge des Herzogs porträtiert und
dann die Vorlagen seinen Genossen überlassen habe, weiter ersucht er
um eine Erstattung der Reisekosten für ihn, seine Familie und sein
Gesinde, eine Verehrung, die er dem Rat seiner Vaterstadt vorweisen und
zu Ehren des Herzogs gebrauchen könne, und erinnert an den Abzug seiner
Rechnung für den Neujahrsaufzug. Seine durchaus kräftigen Worte, seien
teilweise, weil sie seine Lage und Stellung deutlich kennzeichnen, hier
mitgeteilt:

»So khann ich mir ainigen gedanckhen nicht schöpffen, Warumben E. Frl.
Gn. eben in disem stuckh mit dem Ich Zur Lötz vil grösser gnad Vnd
dankh zuverdienen Vnderthenig Verhofft, mich In so mörkhlichen schaden
steckhen, Vnnd mir halbe bezalung reichen zulassen gesynnt sein, Oder
womit Ich doch hier Innen E. Frstl. Gn. missfälliges (dass ich, da es
mir Angezaigt würde, zu änndern Vndthänig (sic) erbiedtig) gethan haben
solte, Dieweil aber mir Armen Hanndtwerkhsmann vil zu schädlich Vnnd
meinem Weib Vnnd kleinen Khindlin zu nachtheilig Vnnd Übel gehennd sein
will, Ein solliche grosse Summam, In lannger saurer, bestölten Arbaitt
wol Verdientes gellt, mir Abzichen, da doch hiebeuor E. Frstl. Gn. mich
Vnnd Anndere Jedesmahls Verrichter Arbaitt mit gnaden nach Pillich
dingen bezahlen lassen, So Pidt E. Frstl. Gn. Ich gantz Vnderthenig, sy
wöllen auch dises Puncten halbenn mir die gepür gnedig verordnen.« Er
schlägt schließlich die Prüfung seines Bildes durch auswärtige Maler
vor. Der Vorschlag der Rentkammer und Badners, ihm 10 fl. Reisegeld und
einen Becher im Werte von 26-30 fl., sowie Erstattung seiner Auslagen
zu gewähren und nochmals seine Bitte um Nachzahlung für den Aufzug in
Erwägung zu ziehen, fand natürlich den Beifall Jägers, der schon früher
vorgeschlagen, man solle das mehrerwähnte Gemälde, wenn Herneisen nicht
mit 100 fl. zufrieden sei, ihm ohne jede Entschädigung zurückstellen,
nicht. Er erhält, nach dem ihm noch die Farben für das Bild ersetzt
worden (21 fl.), am 22. Sept. ein Sommerkleid bewilligt, wobei Melchior
Jäger in Bewahrung seiner kleinlichen Gesinnung ihm den seidenen Besatz
und die Knöpfe streicht. So wird unser Meister wohl mit sehr gemischten
Gefühlen die schwäbische Hauptstadt mit Weib und Kindern verlassen und
in sein Heim am Geyersberg zu Nürnberg zurückgekehrt sein.

Übrigens hat Herneisen auch von Nürnberg aus versucht, zu seinem
Geld zu gelangen. Der Rat hatte ihn schon am 15. April 1591 mit
einer Erlaubnisurkunde, die Arbeiten in Stuttgart unaufgesagt seines
Bürgerrechts fortzuführen, ausgestattet und ihn weiter, wie auch aus
den Akten hervorgeht, dem Herzog empfohlen. Am 16. Dezember 1692
erfolgt ein weiterer Ratserlaß des Inhalts: »Auss Endresen Herneysens
Malers supplication und fürschrifft an Herrn Ludtwigen Hertzogen zu
Württemberg ec. ist verlassen dem Supplicanten antzuzeigen, das mein
herren nit sehen köndten, wie er vil erlangen vnd zu wegen bringen
möcht, wenn er inn dieser seiner Supplication den Melchior Jeger als
einen geheimbsten Carmmerrat, vnd dann den Hofmaler antziehen wollt,
wenn er aber ein solchs endern vnd auslassen wurd, so wolten Ime meine
Herren ein fürschrifft mitteylen.« Herneisen hatte offenbar Melchior
Jäger und Hans Steiner in seiner Eingabe an den Herzog angegriffen, was
zum mindesten für die Erreichung seines Zieles sehr unklug war.

Noch einmal kam er mit dem Rat in Konflikt wegen eines Gemäldes, das
er 1593 gemalt. Es wird eine »Tafel von allerley Calvinisten« genannt
und ihm vorgeworfen, daß er dasselbe zum Ärgernis der Bürgerschaft zum
Hause herausgehängt. »Der Rat ließ ihm solches untersagen; Herneisen
achtete aber nicht darauf und hing noch einmal eine solche Tafel
heraus. Nun wurde er vom Rate zur Rede gesetzt; der Maler entschuldigte
sich, er habe die Tafel bereits nach Würzburg, dahin sie gehöre,
geschickt; ein ehrbarer Rat möge es dabei bleiben lassen. Das geschah;
aber eine sträfliche Rede mit Warnung ließen ihm die Herren dennoch
sagen«[62].

In den Jahren 1597 erscheint Herneisen zum letzten Male in den
Ratsverlässen. Es handelt sich, wie es scheint, um einen Aus- oder
Anbau an seinem Haus am Geyersberg, den er anbringen wollte, wogegen
sich aber sein Nachbar Jonathan Schwingsherrlein sträubt und dessen
Ausführung auch trotz vielmaliger Eingaben der Rat nicht zugibt.

Nach dem von Direktor Bösch[63] jüngst in diesen Blättern
veröffentlichten Verzeichnis der Nürnberger Maler von 1596-1659 war
Andreas Herneisen von 1596-1600 Vorgeher des 1596 neugeschaffenen
Handwerks der Maler. Daß er als der erste dieses Ehrenamt bekleidete,
ist ein Beweis seiner Tüchtigkeit, wie der Achtung, mit der ihm seine
Nürnberger Berufsgenossen entgegenkamen. Nach derselben Quelle bildete
er nach 1596 noch vier Lehrlinge aus, nämlich Jeremias Putz, Hans
Albrecht Stahl aus Bamberg (1594-97), Lienhart Kilga (1603-8) und
Wilhelm Vogel (1606-10). Hieraus ergibt sich, daß Herneisen bis zum
Tode die Kunst betrieb. Auch erfahren wir, daß ein Sohn von ihm, der
erst in den 90er Jahren geboren sein kann, Namens Valtin (Valentin) den
Beruf des Vaters ergrift, allerdings erst nach dessen Tode. Derselbe
lernte 1610-1614 bei Wolf Eisenmann.

Es ist die letzte verbürgte Nachricht, die sich bisher über unsern
Maler auffinden ließ vor seinem Tod.

Denn die in der früheren Litteratur des Öfteren wiederholte Notiz, er
habe im Jahre 1613 den Hochaltar von St. Sebald gemalt, kann deshalb
nicht wahr sein, weil er zu dieser Zeit längst gestorben war.

Nach dem Eintrag im ~Totenbuch~ der Pfarrei St. Sebald[64] ist er
am 13. April 1610 verschieden.

Damit sei das Lebensbild des einfachen Nürnberger Meisters geschlossen.
Möglich immerhin, daß von seiner offenbar weitverbreiteten Thätigkeit
weitere, umfangreichere Werke sich erhalten haben, die mehr als das
Genannte dazu beitragen würden, seinen künstlerischen Charakter
festzustellen.



[Illustration]

GOLDSCHMIEDEARBEITEN IM GERMANISCHEN MUSEUM.

VON TH. HAMPE.

II. LANGOBARDISCHE VOTIVKREUZE AUS DEM VI.-VIII. JAHRHUNDERT.


Erst vor wenigen Wochen ist die Sammlung frühchristlich-germanischer
Altertümer des Museums durch eine Anzahl Kreuze aus dünnem Goldblech
bereichert worden, die ich, da sie sich zeitlich unmittelbar an
den in unserem ersten Aufsatz behandelten ostgotischen Schmuck[65]
anschließen, gleich hier einer kurzen Betrachtung unterziehen will.
Ich verbinde damit die Besprechung zweier weiterer Kreuze derselben
Art, die sich schon länger im Besitz des Germanischen Museums befinden
und von denen das eine auch bereits von Essenwein im ersten Bande
dieser Mitteilungen (1886) S. 110 f. gewürdigt worden ist. Ebenso
sind die zwölf neu hinzugekommenen Goldkreuze schon verschiedentlich
Gegenstand der Untersuchung und Besprechung gewesen und den
Fachgelehrten also keineswegs unbekannt. Sie gehörten früher den
Kunstsammlungen des 1881 zu Mailand verstorbenen Cavaliere Carlo Morbio
an und finden sich zuerst in dem Auktionskatalog dieser Sammlungen S.
57 ff. (Nr. 638-649) von J. Naue ausführlich beschrieben[66]. Diese
Beschreibung findet sich um einige ergänzende und kritische Bemerkungen
vermehrt auch in dem Aufsatze von Paolo Orsi »Di due crocette auree
del museo di Bologna e di altre simili trovate nell’Italia superiore e
centrale«[67], der umfangreichsten Arbeit, die bisher der Erscheinung
dieser Kreuze -- es werden deren im ganzen 81 namhaft gemacht und
besprochen -- gewidmet worden ist, und erscheint ebenso in dem
Auktionskatalog Nr. 1204 von Rudolph Lepke, wo unsere Kreuze unter
Nr. 383 aufgeführt werden. Auf eben dieser Auktion (am 14. Dezember
1899 und folg. Tage) wurden die zwölf Kreuze vom Germanischen Museum
erworben.

[Illustration: Fig. 1.]

Nach diesem Hinweis auf die hauptsächlichste einschlägige Literatur,
die natürlich leicht noch vermehrt werden könnte[68], lasse ich hier
zunächst eine kurze Beschreibung der Kollektion unter jedesmaliger
Beigabe einer der Größe des Originals entsprechenden Abbildung des
betreffenden Kreuzes folgen. Die beiden schon früher im Besitz des
Museums befindlichen Stücke sind durch ein Sternchen kenntlich gemacht:

1) ~Kreuz, aus dünnem Blech von Feingold ausgeschnitten~ (F. G.
1615. Katalog Morbio Nr. 640, Orsi Nr. 77), der Querbalken wenig kürzer
als der Längsbalken, die vier Arme sich gegen die Mitte zu verjüngend
und an den Enden zweimal durchlocht. Glatt ohne jede Verzierung.
Herkunft unbekannt. 52:47 mm.

[Illustration: Fig. 2.]

2) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 1616. Katalog Morbio Nr. 641.
Orsi Nr. 46) von der Form des lateinischen Kreuzes. Die Kreuzarme, sich
gegen die Mitte zu verjüngend und leise ausgeschweift, sind je mit
einem runden Buckel von etwa 5 mm Durchmesser versehen und weisen an
den Enden 2 bis 4 Löcher auf. Die Mitte zeigt im Kreis ein Monogramm,
das wohl C. Rex zu lesen ist und das man auf den Langobardenkönig
Kleph oder Cleve (gest. 576) hat beziehen wollen. Die Richtigkeit
dieser Vermutung selbst zugegeben, ist daraus dennoch, wie Orsi mit
Recht bemerkt, nicht zu folgern, daß unser Kreuz in irgend einer
Beziehung zu König Kleph gestanden habe. Nur als Terminus post könnte
die Regierungszeit des Königs für unser Kreuz allenfalls in Betracht
kommen. Wer aber leistet Gewähr, daß das C in der That Cleve bedeutet
und nicht etwa auf Karl den Großen zu beziehen ist, der nach der
Unterwerfung des Desiderius (774), wie auch gemäß einem Vertrage mit
dem Langobardenherzog Grimoald III. von Benevent in der Lombardei und
im Beneventischen Münzen mit der Aufschrift »DN CARLVS REX«, »DOMS ·
CAR · =R=« prägen ließ?[69] Giebt etwa die Numismatik hierüber
zuverlässigen Aufschluß? Ich vermag diese Frage zur Zeit weder zu
bejahen noch zu verneinen, da mir im Augenblick die Speziallitteratur
über langobardische Münzen (Quintino, Spinelli etc.) nicht zur Hand
ist. Die Paläographie jedoch, von der man vielleicht gleichfalls
Hülfe erwarten könnte, kann leider, wie mir Herr Professor Bresslau
die Liebenswürdigkeit hatte mitzuteilen, zur Deutung dieses wie der
im folgenden zu erwähnenden weiteren Monogramme »wenig oder nichts
beitragen«, zumal langobardische Königsurkunden uns -- abgesehen
von einem Stück von immerhin zweifelhafter Originalität -- nur
abschriftlich erhalten sind; »und auch wenn wir Originale hätten,
würden wir nicht weiter kommen, da die langobardischen Diplome weder
von den Königen unterschrieben noch mit einem Monogramm versehen
waren.« -- Das Kreuz ist unten eingerissen und auch am rechten und
oberen Arme etwas schadhaft. Es stammt aus Monza. 63:51 mm.

3) ~Kreuz aus etwas stärkerem Feingoldblech geprägt~ (F. G.
1617. Katalog Morbio Nr. 643. Orsi Nr. 47) von schlanker lateinischer
Form, mit leicht erhabenem Rande. Die Arme, sich gegen die Mitte zu
verjüngend, sind durch Reihen kleiner Buckel gemustert und an den
Enden zweimal durchlocht; die des Querbalkens tragen überdies an
kleinen goldenen Ketten die gleichfalls durch Prägung hergestellten
christlichen Symbole A und ω, ebenfalls aus Gold. In dem
kreisförmigen, doppelt umränderten Mittelstück ein A mit angefügtem
Abkürzungsschnörkel und die mutmaßliche Abkürzung für Rex. Herkunft:
Monza. 67:41 mm.

[Illustration: Fig. 3.]

[Illustration: Fig. 4.]

4) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 1618. Katalog Morbio Nr. 644.
Orsi Nr. 48), und auch von gleicher Form, Größe und Ornamentierung, nur
daß in der Mitte ein E und R mit Abkürzungszeichen erscheint, sowie von
gleicher Herkunft.

5) ~Kreuz, aus dünnem Blech von Feingold ausgeschnitten~ (F. G.
1619. Katalog Morbio Nr. 646. Orsi Nr. 78), sich der griechischen
Kreuzform nähernd, die Arme, sich gegen die Mitte zu verjüngend und
ausgeschweift, an den Enden dreimal durchlocht. Durch Punzierung oder
Prägung hergestellte Punkte oder kleine Buckel bilden die Einfassung
und von den Enden der vier Kreuzarme überdies je ein lateinisches
Kreuz, das von kleinen mondsichelförmigen Figuren umgeben ist. In
der Mitte ein aus kleinen, durch je neun Punkte gebildeten Rauten
zusammengesetzes griechisches Kreuz. Herkunft unbekannt. 118:103 mm.

[Illustration: Fig. 5.]

[Illustration: Fig. 6.]

6) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 1620. Katalog Morbio Nr. 639.
Orsi Nr. 75), von der Form des lateinischen Kreuzes; die Arme, sich
gegen die Mitte zu wenig verjüngend, an den Enden zweimal durchlocht.
In der kreisrunden, am Rande noch viermal durchlochten Mitte der
Abdruck einer Goldmünze Kaiser Leos III., des Isauriers (716-741), die
vier Kreuzesarme je von feinem Perlstab und gerader Linie, gegen die
Mitte zu nur von ersterem in schwach erhabener Ausführung eingefaßt.
Die linke Endigung des Querbalkens, wie es scheint durch Abschmelzen,
etwas beschädigt. Herkunft: Benevent. 61:50 mm.

7) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 1621. Katalog Morbio Nr. 638.
Orsi Nr. 57), doch von annähernd griechischer Form. Die Kreuzarme
verjüngen sich gegen die Mitte zu und sind an ihrem Ende zweimal
durchlocht. Durch diese Löcher läuft, die Enden der vier Kreuzarme
unter einander verbindend, ein schmales Streifchen Goldlahn, und mit
eben solchem Goldlahn sind auch die schmäleren Enden der Kreuzarme
noch mehrfach umwunden. Im übrigen besteht der Schmuck dieses Kreuzes
lediglich aus dem fünfmaligen Abdruck einer Goldmünze des Kaisers
Justinus I., des Thraciers (reg. 518-527), die auf beiden Enden des
Querbalkens im Avers mit dem Brustbild des Kaisers und Umschrift, auf
beiden Enden des Längsbalkens, sowie in der Kreuzesmitte im Revers mit
einer Viktoria und Umschrift erscheint. Das Kreuz wurde in der Umgebung
des alten Doms von Novara gefunden. 82:76 mm.

[Illustration: Fig. 7.]

8) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 1622. Katalog Morbio Nr.
645. Orsi Nr. 15) und der gleichen Form. Die sich gegen die Mitte zu
verjüngenden Kreuzesarme sind an ihren Enden zweimal durchlocht und
weisen als Musterung ein dichtes aber regelmäßiges Bandgeschlinge auf,
während die Kreuzesmitte im Rund ein sogen. spanisches Kreuz (mit
durchkreuzten Enden) mit vier Punkten in den am Kreuzungspunkt von
Längs- und Querbalken entstehenden rechten Winkeln zeigt. Herkunft:
Cividal del Friuli. 67:66 mm.

*9) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 192. Orsi Nr. 49) und Form,
die gegen die Mitte zu sich verjüngenden Arme an den Enden zweimal
durchlocht. Längs- und Querbalken sind je durch den gleichen Stempel
mit einer Musterung von Bandverschlingungen versehen, die an Riemenwerk
erinnern und mit einem dem Fries am Theoderich-Grabmal zu Ravenna
verwandten Ornament endigen. Die Längseinfassung wird je durch den
Perlstab gebildet, der jedoch nur an den sich verbreiternden Enden des
Kreuzes sichtbar, gegen die Mitte zu mit einem Teil des Riemenornaments
jedesmal roh weggeschnitten ist. Mit verschiedenen Waffen[70] in einem
Grabe zu Mailand gefunden. 56:56 mm.

[Illustration: Fig. 8.]

[Illustration: Fig. 9.]

[Illustration: Fig. 10.]

[Illustration: Fig. 11.]

10) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 1623. Katalog Morbio Nr. 642.
Orsi Nr. 16) und annähernd der gleichen Form, nur daß der Querbalken
hier kürzer ist als der Längsbalken und daß die Kreuzarme, die an den
Enden zweimal durchlocht sind, sich nicht so stark gegen die Mitte
zu verjüngen. Auch dieses Kreuz zeigt die mehrfache Anwendung eines
und desselben Prägestempels, der indessen wohl nicht ursprünglich
zu diesem Zweck bestimmt war, da seine Musterung sich offenbar
über die Grenzen des Kreuzes noch fortgesetzt hat. Diese Musterung
besteht im wesentlichen aus einem sich in seinen Motiven fortgesetzt
wiederholenden Bandornament, wobei die entstehenden Schlingen und
Endigungen teilweise als Vogelhälse und -köpfe aufgefaßt und demgemäß,
doch in strenger Stilisierung, gestaltet worden sind. Dazwischen, wie
es scheint, menschliche Hände in langer Reihe. Perlstab-Einfassungen.
An zwei Stellen etwas eingerissen. Aus Cividal del Friuli. 75:61 mm.

11) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 1624. Katalog Morbio Nr.
647. Orsi Nr. 51), sich der griechischen Form nähernd, doch ziemlich
unregelmäßig ausgeschnitten, die Kreuzarme sich nur wenig gegen die
Mitte zu verjüngend. An den vier Endigungen je zweimal, im Mittelstück
noch viermal durchlocht. Die Kreuzarme sind mit einem Geschlinge von
breiten, gerippten Bändern gemustert, die sich an den Endigungen
ergebenden Zwickelflächen karriert. Die Mitte weist im Perlenkranz eine
rohe männliche Figur mit gescheiteltem Haupthaar, starkem Schnurrbart,
erhobenen Händen und zwei Schnörkeln anstatt der Beine auf. An mehreren
Stellen etwas eingerissen. Herkunft: Lodi vecchio. 90:92 mm.

[Illustration: Fig. 12.]

12) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 1625. Katalog Morbio Nr.
648. Orsi Nr. 50) und von ähnlicher Form; die an den Enden zweimal
durchlochten Kreuzarme sich gegen die Mitte zu etwas stärker
verjüngend. Die Musterung derselben ist die gleiche wie bei dem
vorhergehenden Kreuz, nur daß wegen der geringeren Abmessungen von den
karrierten Zwickelflächen an den Enden hier nur Ansätze zu sehen sind.
In der Mitte, von Perlstab und einem Kranz kleiner halbmondförmiger
Figuren umrahmt, ein stilisierter Adler mit nach links gewandtem Kopfe.
Am linken Kreuzarm eingerissen. Aus Varese. 66:58 mm.

[Illustration: Fig. 13.]

[Illustration: Fig. 14.]

*13) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 1131) und von griechischer
Form; die sich gegen die Mitte zu etwas verjüngenden vier Kreuzarme
sind an den Enden zweimal, die Mitte noch viermal durchlocht. Jene
sind mit einem Bandgeschlinge ähnlicher Art wie bei den beiden
vorhergehenden Kreuzen gemustert; darunter, gegen die Kreuzmitte zu
ein ziemlich roh gezeichnetes Menschenantlitz mit langem Haar und
Bart. In der Mitte, wie es scheint, ein sich viermal wiederholendes
ähnliches Gesicht; dazwischen Schnörkel, die vielleicht auch Locken
bedeuten sollen. Die Gesamtmusterung des Kreuzes wurde also offenbar
mit drei verschiedenen Stempeln hergestellt, von denen zwei viermal,
der für die Mitte einmal zur Anwendung kam. Einer der Kreuzarme und die
eine Hälfte eines anderen Kreuzarms (mit dem Bandornament) hat sich
losgelöst. Auch sonst weist das interessante Stück, das hier zum ersten
male veröffentlicht wird, mehrere kleine Beschädigungen auf. Fundort:
Mailand. 92:92 mm.

14) ~Kreuz der gleichen Art~ (F. G. 1626. Katalog Morbio Nr.
649. Orsi Nr. 67) und von ähnlicher Form; die sich gegen die Mitte zu
verjüngenden Arme an den Enden mehrfach durchlocht. Ein wie es scheint
aus dem späten Akanthus entwickeltes doch teilweise zu tierischen
Formen umgestaltetes Rankenornament schließt auf den vier Kreuzarmen
und der Kreuzesmitte je ein schwer deutbares Monogramm in einem durch
eine Punktreihe ornamentierten Rähmchen ein. An den äußersten Enden
der Kreuzarme je ein traubenartiges Ornament, doch mit kleinen Ringen
anstatt der Beeren. Aus Toskana. 89:87 mm.

    (Fortsetzung folgt.)

[Illustration]



[Illustration]

DIE GRABMÄLER DER KAISERIN ELEONORE IN WIENER NEUSTADT UND DES KAISERS
FRIEDRICH III. IM STEPHANSDOME ZU WIEN.

VON KARL SIMON.

Hierzu eine Tafel.


Zu den schönsten Erwerbungen, die das germanische Nationalmuseum in den
Jahren 1898 und 1899 gemacht hat, gehören unstreitig die Abgüsse der
Grabdenkmäler Kaiser Friedrichs III. und seiner Gemahlin Eleonore; die
Mittel dazu gewährte der Fonds der Habsburger Stiftung.

Eleonore, eine geborne Prinzessin von Portugal, die 17jährig mit
Friedrich III. im Jahre 1452 zu Rom feierlich vermählt wurde, starb
schon 1467, und bald darauf wurde ihr Grabmal in Angriff genommen.

Es ist eine stark geaderte Platte aus rotem Marmor, die aufrecht
befestigt im Chorschlusse der Stiftskirche zu Wiener-Neustadt steht.
Sie ist einfach profiliert; in einer rechteckig vom oberen Plattenrande
absetzenden Vertiefung befindet sich die nach innen gerichtete
vierseitige Inschrift:

    DIVI · FRIDERICI
    CAESARIS · AVGVSTI ·
    CONTHORALIS · LEONORA
    AVGVSTA · REGE · PORTVGALLIAE ·
    GENITA · AVGVSTALEM
    REGIAM · HAC · VRNA ·
    COMMVTAVIT · III · NON ·
    SEPTEMBR · 1467

In den Ecken oben sind das Wappen des deutschen Reichs und das von
Portugal angebracht, unten der österreichische Bindenschild und der
steiermärkische Panther. Das lebensgroße Reliefbild der Kaiserin
ist in einer Tiefe von etwa 20 cm aus dem Stein herausgearbeitet,
auch die vorspringenden Teile ragen nicht über den Rand der Platte
hervor. Die Kaiserin steht unter einem reich mit Fransen besetzten
Baldachin, dessen Vorhänge nach rechts und links aufgenommen und
auseinandergeschlagen sind und in langen Falten herabfallen. Zwischen
ihnen wird die Gestalt der Kaiserin voll sichtbar. Die Krone auf dem
Haupte, von dem in langen Wellen das fast bis zur Erde reichende Haar
herabfällt, in der Rechten den Reichsapfel, in der Linken das Szepter,
steht sie in leicht nach rechts ausgebogener Haltung. Die Figur ist
durchaus stehend und lebendig gedacht. Das Kissen, auf dem ihr Haupt
ruht, ist nur der Ausfluß einer bis gegen Ende des Mittelalters
herrschenden Vermischung der Vorstellung des Stehens und Liegens der
Grabfiguren.

Die Gewandung, unter der nur die Spitzen der Schuhe zum Vorschein
kommen, besteht zunächst aus einem ungegürteten langen Kleide, über dem
ein reichverbrämter Mantel liegt, der auf der Brust durch eine Spange
zusammengehalten wird. Vom Haupte fällt unter der Krone hervor ein
langer Schleier herab, der gleichfalls bis zu den Füßen reicht. Unter
dieser Fülle der Gewandung verschwinden die Körperformen von den Hüften
abwärts nahezu vollständig. Die Gewandbehandlung ist ausgezeichnet;
der knitterige Wurf des schweren Stoffes gegen die grossen Falten
des Baldachins in guten Gegensatz gebracht, die Verbrämung und der
mannigfaltige Schmuck sorgfältig wiedergegeben. Auch das Gesicht mit
der rund vorgewölbten Stirn, der schmalrückigen, in der Mitte ein wenig
gebogenen Nase, den feinen, geraden Lippen mit den grübchenartigen
Mundwinkeln ist eingehend und zart, fast jungfräulich charakterisiert.
Die ganze Gestalt eine ansprechende und vornehme Erscheinung.

Weit reicher ist das Grabmal des Kaisers, das im Passionschor des
Stephandomes in Wien steht. Es ist ein Hochgrab (tumba). Wir mußten uns
darauf beschränken, die Grabplatte mit dem Bildnis des Kaisers abformen
zu lassen, weil unsere Räumlichkeiten die Aufstellung des ganzen
Hochgrabes nicht gestatteten, indessen sei des Aufbaues mit einigen
Worten gedacht.

Das Monument ist aus rotbraunem, stark geaderten Salzburger Marmor,
ruht auf einem 2 Fuß hohen Unterbau und wird oberhalb dieses von
einem reich mit Figuren geschmückten Marmorgeländer umschlossen. Auf
einem zierlichen Systeme von Stäben, Leisten und Hohlkehlen, zwischen
welchen phantastische Tiere ein buntes Spiel treiben, erhebt sich die
eigentliche Tumba bis zu einer Höhe von 5′ bei einer Länge von 12′ 3″
und einer Breite von 6′ 4″.

An den Langseiten sind je drei Reliefbilder, an den Schmalseiten je
eins, die fromme Stiftungen des Kaisers vorstellen. Die Pfeiler,
welche die Felder abgrenzen, zeigen Statuetten unter Baldachinen, die
Köpfe der Pfeiler sind mit sitzenden und knieenden Figuren besetzt,
welche um den Verstorbenen klagen und für ihn beten. Der ringsum mit
Wappenschildern geschmückte oberste Teil der Tumba verjüngt sich etwas
und schließt mit einem Gesims ab; über dem dann die Deckplatte liegt.

Dieser ganze Reichtum des Aufbaues dürfte in der deutschen Grabplastik
des XV. Jahrhunderts unerreicht sein. Vorbilder sind vielleicht in
Burgund (Dijon und Brou) zu suchen. Auch die Deckplatte selbst ist
reich ausgestattet. In der Umrahmung steht die Inschrift. Es folgen
weiter an den Langseiten Wappen, die Mitte nimmt die Gestalt des
Kaisers selbst ein.

[Illustration: Taf. I.

Grabplatte Kaiser Friedrich III. im Stephansdome zu Wien.

Gefertigt von Nikolaus Lerch um 1490.]

Die nach außen gerichtete Legende läuft an drei Seiten und lautet:

    FRIDERICUS ·
    TERCIUS · ROMANOR ·
    IMPERATOR · SP ·
    AUGUSTUS · AUSTRIE ·
    STIRIE · KARINTHIE ·
    ET · CARNIOLE · DUX · DNS · MARCHIE
    SCLAVONICE · AC · PORTUSNAONIS ·
    COMES · I · HABSPURG · PHERRET · ET ·
    I · KIBURG · MARCHIO · BURGOVIE ·
    ET · LANTGRAVI · ALSACIE · OBIT · ANNO ·
    MCCCC ·

Die Angabe der Jahreszahl ist unvollständig, die Platte war schon bei
Lebzeiten des Kaisers vollendet und die fehlenden Zahlen wurden später
nicht ergänzt.

Die Wappen sind zur Rechten des Kaisers von oben nach unten das
Deutschordenskreuz, der doppelte Reichsadler, zwischen ihnen das
kaiserliche Monogramm, der österreichische Bindenschild, mit dem
Reichsschwert von einem Löwen gehalten, rechts das Herzogtum Mailand,
der Fünfadlerschild (Österr. unter der Enns), der steierische Panther;
zu den Füßen endlich der Habsburger Löwe.

Der Kaiser steht unter einem gotischen Baldachin, dessen Flächen
figürliche Reliefs schmücken; auf der Vorderseite der heilige
Christophorus mit dem Christuskinde, an den Schrägseiten knieende
Engel. Der Kaiser ist in Lebensgrösse in vollem Ornat dargestellt, auf
dem Kopfe die Krone, in der Rechten den Reichsapfel, in der Linken das
Szepter um das sich ein Spruchband mit den fünf Vokalen schlingt, nach
des Kaisers eigener Deutung angeblich: _Austriae Est Imperare Orbi
Universo_. Über das lange Gewand legt sich der reichgeschmückte Mantel.
Es ist das Bild eines alternden Mannes. Die Stellung ist gebeugt und
etwas geziert wie es das späte XV. Jahrhundert liebte, die Last des
Körpers verteilt sich nicht ungezwungen auf Stand- und Spielbein. Auch
bei dieser Figur ist trotz der stehenden Stellung das Kissen hinter dem
Kopfe beibehalten. Die Gesamtwirkung ist äußerst malerisch.

Das Einzelne ist im höchsten Grad fein und sorgfältig ausgeführt; der
schwere Stoff der Gewandung mit der knitterigen Faltenlage, die doch
das rechte Knie deutlich hervortreten lässt, die Adern an den Händen,
endlich das von wallendem Haar umrahmte Gesicht mit der vorspringenden
Nase, dem zurücktretenden Kinn und dem charakteristischen, von
Schlaffheit zeugenden Falte um Nase und Mund. Das Porträt ist
augenscheinlich treffend und entspricht durchaus dem historisch
bekannten Charakter des Kaisers.

Von sonstigen Porträts kommt ausser den Fresken Pinturicchios in
Siena und den Siegeln besonders eine Medaille von Giovanni de Candida
in Betracht, die von 1469 datiert ist und den Kopf des Kaisers in
Profilstellung zeigt. Abgesehen von dem jugendlicheren Alter des
Dargestellten, finden wir hier schon die erwähnten Eigentümlichkeiten
vorgebildet. Von den übrigen ihn vorstellenden Medaillen ist eine
vielleicht nach unserer Grabplatte gemacht; soweit sich das bei der
Kleinheit des Stückes (17 mm) behaupten läßt. Das Datum der Medaille
(18. Oktober 1513) bezeichnet zugleich den Tag, an dem die Gebeine
des Kaisers von Wiener-Neustadt in das eben besprochene Mausoleum
übertragen wurden. Erst in diesem Jahre nämlich wurde es vollendet.

Damit berühren wir schon die geschichtliche Frage. Über das
Geschichtliche der beiden Grabmäler sind wir ziemlich ausreichend
unterrichtet. Schon 1467, noch im Todesjahre der Kaiserin, berief
Friedrich III. den Steinmetzen Nikolaus Lerch zur Anfertigung ihres
Grabmals. Lerch war schon ein bekannter und geachteter Meister als
ihm diese Aufgabe übertragen wurde. So hatte er im Dom zu Konstanz
das Chorgestühl und die Bildschnitzerarbeit an den Thüren, sowie eine
»Tafel« im Chor angefertigt. Er war Werkmeister des »großen Baus«
in Straßburg gewesen und Bürger dieser Stadt. Als seine Heimat wird
gewöhnlich Leyden angegeben, ob mit Recht, lassen wir dahingestellt;
angesichts der eigenhändigen Inschrift an dem schönen Kruzifixus in
Baden-Baden: Nicolaus von Leyen erscheint es mindestens zweifelhaft.
Sein Aufenthalt in Wien-Neustadt hat naturgemäß länger gewährt; 1472
wird er als Weingutsbesitzer daselbst erwähnt.

Nach der Vollendung des Grabmals der Kaiserin gab ihm Friedrich sein
eigenes in Auftrag. Wahrscheinlich ist aber nur die oben besprochene
Deckplatte das Werk des Meisters Nikolaus. Seine (verloren gegangene)
Grabschrift sagte nur, dass er _Chayser Friedrich Grabstein gehauen_
hat. An einer anderen Stelle heißt es: _hette Maister Niclaus nit
unsern Herrn Römisch Kaiser kunnen howen uff Stein, so hette man kum
ainen stainmetzel funden, der dasselb werk hett kunnen machen._

An beiden Orten ist offenbar nur von der Deckplatte die Rede. Die
letztere Stelle (aus dem Jahre 1490) zeigt uns die hohe Achtung der
Zeitgenossen vor Lerch’s Können, die auch wir ihm nicht versagen
können. Beide Denkmäler gehören ohne Zweifel zu den bedeutendsten
Schöpfungen der derzeitigen Plastik und in ihnen glauben wir noch ein
Fortschreiten des Meisters zu monomentalerer Auffassung wahrzunehmen.

Die Vollendung des Grabmals, für das vielleicht ursprünglich der
mächtige Aufbau nicht geplant war, wurde dem Steinmetzen Michael
Dichter übertragen, der es 1513 fertigstellte.



[Illustration]

LITERARISCHE BESPRECHUNGEN.

ALBRECHT DÜRER.[*]

VON GUSTAV VON BEZOLD.


An Lebensbeschreibungen Albrecht Dürers ist nachgerade kein Mangel
mehr, wenngleich die klassische Biographie unseres größten Malers
auch nach Thausing noch zu erwarten bleibt. Die letzten Dezennien
haben uns neben Thausings gründlichem Buch drei nach Anlage und Umfang
ähnliche Lebensbeschreibungen Dürers gebracht von L. Kaufmann (1880),
von Anton Springer (1892) und von M. Zucker (1899). Kaufmanns Buch
ist im Auftrage der Görres-Gesellschaft geschrieben und sucht neben
Beibringung des Biographischen und Würdigung der Werke die Frage nach
Dürers religiösem Bekenntnis in katholischem Sinn zu lösen. Springers
Dürer, seine letzte Arbeit ist nur zu teilweisem Abschluß gekommen.
Sie ist auf einen allgemeineren Teil, die Biographie und die Würdigung
der Werke, und auf einen speziellen, kunstgeschichtliche Erörterungen
einzelner Fragen angelegt. Springer konnte nur den ersten vollenden.
Dieser zeigt Springers schriftstellerisches Können in hellem Licht,
sichere Beherrschung des Gegenstandes und hohe formale Begabung wirken
zusammen, das Buch ist ein Kunstwerk, das das Interesse des Lesers von
Anfang bis zu Ende wach erhält.

[* Albrecht Dürer von M. Zucker. Schriften des Vereins für
Reformationsgeschichte. XVII. Jahrgang. Vereinsjahr 1899-1900. Halle a.
S. Max Niemeyer. 184 SS. 6 Mark. Die Illustrationen sind uns vom Herrn
Verleger freundlichst zur Verfügung gestellt worden.]

Dürers Stellung zur Reformation ist kontrovers, Katholiken
und Protestanten nehmen ihn für sich in Anspruch. Nachdem die
Görresgesellschaft vorangegangen war, wollte der Verein für
Reformationsgeschichte nicht zurückbleiben mit einer Biographie Dürers,
in der die Zugehörigkeit des Meisters zur protestantischen Kirche
nachgewiesen wird. Mit der Bearbeitung wurde Professor Dr. Zucker,
Bibliothekar der Universität Erlangen betraut, ein genauer Kenner
der Werke Dürers, der schon 1886 eine Arbeit über Dürers Stellung
zur Reformation gegeben hat. Gleich im Voraus sei bemerkt, dass sich
der konfessionelle Standpunkt des Verfassers nicht vordrängt. Die
Untersuchung über das Bekenntnis Dürers ist einem eigenen Kapitel
zugewiesen, sachlich und für den Unbefangenen überzeugend geführt und
die Polemik -- vielleicht von einzelnen Ausdrücken abgesehen, maßvoll.

Die Schriften des Vereines für Reformationsgeschichte sind mehr oder
minder alle Volksschriften, auch Zuckers Buch verfolgt die Absicht, die
Kenntnis Dürers in weitere Kreise zu tragen, die der Kunstforschung
fern stehen. Er will eine Vorstellung geben von dem Entwickelungsgang
und dem reichen Schaffen Dürers und den Leser geneigt machen,
vorurteilslos auf die Schöpfungen des grossen deutschen Meisters
einzugehen.

Die Anordnung gruppiert sich, wie bei Kaufmann und Springer, nach den
drei Hauptperioden in Dürers Leben und künstlerischer Entwickelung.
Die ersten Kapitel behandeln die Jugend und die Lehrzeit mit Einschluß
der ersten Reise nach Venedig. Daran schließt sich die Besprechung der
Arbeiten Dürers bis zum Jahre 1504. Auf die Erzählung der zweiten
Reise nach Venedig folgt die Erläuterung der von 1506 bis 1520
erschienenen Werke. Dann folgt die Reise nach den Niederlanden und die
Besprechung der nach dieser noch entstandenen Gemälde und Stiche, sowie
der theoretischen Studien und der Stellung Dürers zur Reformation. Es
sind eine schlichte Erzählung des Lebensganges und gewissenhafte und
zartsinnige Kommentare zu Dürers Werken. Das Buch ist aus gründlicher
Kenntnis des Werkes Dürers und der reichen Dürer-Litteratur heraus
geschrieben, aber es vermeidet ein zu tiefes Eingehen auf kritische
Untersuchungen, zu welchen Dürer ja noch reichlich Gelegenheit bietet.
Es ist im besten Sinne populär.

Die Quellen zur Biographie Dürers und namentlich zur Erkenntnis seines
Entwickelungsganges bis etwa zum Jahre 1500 sind ungenügend. Er selbst
berichtet, daß ihn sein Vater in seinem Handwerk, der Goldschmiedekunst
unterwies, daß er aber mehr Lust zur Malerei hatte. Der Vater gab nach
einigem Widerstreben nach und brachte ihn 1486 auf drei Jahre zu Michel
Wohlgemuth in die Lehre. »In der Zeit verliehe mir Gott Fleiß, daß ich
wohl lernete. Aber ich viel von seinen Knechten leiden mußte. Und da
ich ausgedient hatte, schickt mich mein Vater hinweg, und bliebe vier
Jahr außen, bis daß mich mein Vater wieder fodert. Und als ich im 1490
Jahr hinwegzog nach Ostern, darnach kam ich wieder, als man zählt 1494
nach Pfingsten.«

Wir wissen, daß Dürer nach Colmar ging, um bei Martin Schongauer zu
arbeiten, diesen aber nicht mehr am Leben traf, indes nahmen ihn
dessen Brüder freundlich auf. 1492 war er in Basel und arbeitete dort
an Vorlagen für den Holzschnitt. Es werden ihm neuerdings zahlreiche
Holzschnitte in den Baseler Verlagswerken jener Zeit zugeschrieben
und ebenso eine Anzahl Vorzeichnungen auf Holzstöcken im Museum zu
Basel, welche nicht geschnitten wurden. Zucker verhält sich zweifelnd
gegenüber diesen Zuschreibungen. Gewiß ist es schwierig, das Jugendwerk
eines noch unfertigen Künstlers rein nach stilistischen Anhaltspunkten
zu konstituieren, die Zuschreibungen dieser Arbeiten an den jungen
Dürer hat aber doch einen ziemlichen Grad von Wahrscheinlichkeit. Man
hat noch andere Wanderziele für die Jahre 1490 bis 1494 nachzuweisen
gesucht, Krakau, Köln, Venedig; für die ersteren liegen indes keine
irgend zureichenden Gründe vor und die erste Reise nach Italien wird
mit größerer Wahrscheinlichkeit in das Jahr 1495 gesetzt. Sie ist
umstritten, wird aber von Zucker mit Recht als eine feststehende
Thatsache betrachtet. Wodurch sie veranlaßt war, wird sich kaum
mehr aufklären lassen. Mit dieser Reise darf Dürers Lehrzeit als
abgeschlossen betrachtet werden, nun tritt er uns als fertiger Meister
entgegen.

Die hohe Begabung Dürers lassen schon die wenigen Zeichnungen,
die sich aus seiner Jugend, aus der Zeit vor dem Eintritt in
Wohlgemuths Werkstatt erhalten haben, erkennen. Schon die älteste,
das Selbstporträt des dreizehnjährigen Knaben vom Jahre 1484 zeigt
nicht gewöhnliche technische Fertigkeit in der Führung des Stifts und
trotz einiger Fehler in der Zeichnung, eine merkwürdige Sicherheit im
Erfassen des Charakteristischen.

In Wohlgemuths Lehre hat er sich dann die Technik der Zeichnung und der
Ölmalerei und wohl auch die knorrige Härte der Formgebung angeeignet,
die ihm Zeitlebens geblieben ist. In der großen Werkstatt Wohlgemuths
gab es reichlich Gelegenheit zu technischer Ausbildung. An welchen
Werken Dürer beteiligt war, wissen wir nicht. Das Bildnis seines
Vaters von 1490 in den Uffizien zu Florenz läßt erkennen, was er als
Maler bei Wohlgemuth gelernt hat. Es ist ein sehr ansprechendes frisch
aufgefaßtes und trefflich modelliertes Porträt. Gewisse Einzelheiten,
die Dürer auch später liebte, wie die sorgfältige Behandlung der Haare
und die Spiegelung des Fensters in der Pupille finden sich schon hier.
Auch das starke Zurücknehmen der Nasenwurzel, das wir an späteren
Porträts Dürers häufig wahrnehmen, ist, wenn auch nicht in auffälliger
Weise, zu bemerken. Wenn es bei aller Sorgfalt der Naturbeobachtung
noch nicht die frappierende Charakteristik späterer Bildnisse Dürers
hat, so ist es doch ein sehr achtenswertes Werk, das innerhalb der
Nürnberger Schule seinen Platz mit Ehren behauptet.

Die grosse Reihe der Holzschnitte für Baseler Verleger -- angenommen,
sie seien sicher Dürers Werk -- ist Gelegenheitsarbeit, an welche der
höchste Maßstab nicht gelegt werden darf, unter den Holzschnitten des
spätesten XV. Jahrhunderts nehmen sie aber einen hohen Rang ein. Es
sind ganz oberdeutsche Arbeiten, an welchen auswärtige Anklänge nicht
wahrzunehmen sind. Wichtiger für Dürers Entwickelungsgang sind die
Eindrücke, die er in Italien empfangen hat. Dürer hat die Renaissance
nicht so vollständig aufgenommen wie Holbein, aber doch weisen die
Architekturmotive in der grünen Passion, im Marienleben, so frei sie
gestaltet sind, auf die eigene Anschauung von Renaissancebauten hin.
Formale Zusammenhänge mit italienischer Kunst in der Behandlung der
Körperformen finden sich mehrfach in Dürers Bildern und Zeichnungen aus
jener Zeit. Auch das Colorit einiger seiner frühen Bilder, namentlich
des Dresdener Altars und des Porträts Friedrich des Weisen ist aus der
oberdeutschen Malerei nicht zu erklären. Solche Farbenakkorde waren der
deutschen Kunst fremd; man geht kaum fehl, wenn man seine Vorbilder in
den Eremitani zu Padua oder, im Archivio notarile zu Mantua sucht. Daß
hier italienische Erinnerungen nachklingen, geht auch daraus hervor,
dass Dürer die coloritischen Eigenheiten dieser Gemälde nicht festhält,
sondern bald wieder das mit Lokalfarben arbeitende oberdeutsche Colorit
aufnimmt.

Auf die Frage der Proportionen des menschlichen Körpers ist Dürer erst
später gekommen (allerdings schon in dieser Epoche aber wohl nicht
in Italien, sondern durch Jacopo de Barbari), ob aber nicht seine
Kompositionsweise schon in der Apokalypse italienische Einwirkungen
verrät, wäre näher zu untersuchen.

Nach seiner Heimkehr nach Nürnberg und seiner Verheiratung hat Dürer
mehr für den Kupferstich und Holzschnitt gearbeitet und gezeichnet
als gemalt. Noch scheint die Kunstanstalt Michel Wohlgemuths alle
bedeutenden Aufträge festgehalten zu haben. In sechs Kapiteln bespricht
Zucker die Apokalypse (Fig. 1), die Passionsdarstellungen mit Einschluß
der etwas späteren Kupferstichpassion, das Marienleben, die erste
Epoche der Thätigkeit als Kupferstecher, die Gemälde bis 1504 und die
Einwirkung von Traditionen aus dem Altertum. Am gelungensten sind die
schönen Kapitel über die Holzschnittfolgen.

Dürer steht mit diesen Werken schon hoch über seinen Zeitgenossen, wie
in seinem technischen Können und der Fähigkeit klar und übersichtlich
zu komponieren, so noch mehr an Reichtum und Kraft der Phantasie und an
Tiefe der Empfindung. Er hat viel zu sagen und er bringt alles, was er
sagt, treffend zum Ausdruck.

Im Spätherbst 1505 reiste Dürer zum zweiten Male nach Venedig und
blieb dort bis in das Jahr 1507. Die Veranlassung zur Reise ist nicht
bekannt. In Venedig erhielt er bald nach seiner Ankunft von den
dortigen Deutschen den Auftrag, ein Altarbild für die Kapelle San
Bartolommeo beim Fondaco dei Tedeschi zu malen, er berichtet dies
seinem Freund Wilibald Pirkheimer am 6. Januar 1506. Er hoffte das Bild
bis Ostern fertig zu stellen, aber die Vollendung nahm ihn bis zum
September in Anspruch. Das Bild erregte selbst in Venedig Aufsehen.
Noch in des Malers Werkstatt besichtigten es der Doge und der Patriarch
und die Maler bekannten, sie hätten schönere Farben nie gesehen.

Das Bild ist das Rosenkranzfest, das heute im Besitze des Klosters
Strahow in Prag ist, leider in traurigem Zustande. Die Komposition
ist symmetrisch, die Hauptfiguren, Maria, Papst Julius II. und Kaiser
Maximilian bilden eine pyramidale Gruppe, zu den Seiten knieen
zahlreiche Teilnehmer an dem Feste. Dürer selbst steht mit einem
Begleiter hinter denselben; im Hintergrund ist eine Stadt am Fuß eines
steilen Berges sichtbar. Die ursprüngliche Farbenwirkung ist nicht mehr
zu beurteilen, das Bild ist fast ganz übermalt.

[Illustration: Fig. 1. Die vier Engel vom Euphrat erschlagen das
dritte Teil der Menschen. Holzschnitt aus der „Heimlichen Offenbarung
Johannis“ von 1498.]

Dagegen ist die Madonna mit dem Zeisig in der Berliner Gemäldegallerie
(Nr. 557 f.), gleichfalls im Jahre 1506 in Venedig gemalt, wenn auch
nicht frei von Erneuerungen, im Ganzen wohl erhalten. Sie steht dem
Rosenkranzfest nahe und lässt auch auf dessen coloristische Behandlung
Schlüsse zu. Die Lokalfarbe herrschst im ganzen Bilde, aber die
einzelnen Farben sind trefflich verteilt und gegeneinander gestellt
und tragen nicht wenig zu der anmutigen, fröhlichen Gesamtwirkung des
reizenden Bildes bei. Das geschlossene Colorit der Venezianer ist
gar nicht angestrebt, die sinnliche Schönheit der einzelnen Farben
ist betont und sie ist denn wirklich eine solche, daß sie auch den
Venezianern Eindruck machen konnte. Unserer Farbenempfindung allerdings
entspricht sie nicht mehr vollständig. Wir stellen ein Bild, wie das
herrliche Frauenporträt der Berliner Gallerie (Nr. 557 G.), das nur
in Venedig entstanden sein kann, coloristisch höher. Es verrät ein
intimes Eingehen auf die venezianische Weise und beweist, wie schon
der Dresdener Altar und das Bildnis Friedrich des Weisen, daß Dürer
dem Malerischen im engeren Sinne keineswegs unzugänglich war. Auch
die kleine Kreuzigung in Dresden kann hiefür herangezogen werden.
Zucker setzt sie gleichfalls in die Zeit des Aufenthaltes in Venedig,
sie dürfte indes wohl einige Jahre früher entstanden sein (vgl. Max
Friedländer im Jahrbuch der kgl. preußischen Kunstsammlungen 1899 S.
266.)

Dürer befand sich wohl in Venedig, es fehlte ihm nicht an anregendem
Umgang, nicht an Anerkennung und Ehren, ja der Rat bot ihm einen
Jahresgehalt von zweihundert Dukaten, um ihn dauernd in Venedig zu
halten. Dürer lehnte ab, wiewohl er klar erkannte, was er damit aufgab.

Wie er der Heimat treu blieb, so hat er auch seine eigene Kunstweise in
Venedig unentwegt festgehalten. Innerhalb derselben aber hat ihn der
Aufenthalt in Venedig mächtig gefördert. Seine Zeichnung erreicht hier
die freie Größe, in der er nicht übertroffen worden ist, die Auffassung
der Formen hat sich gehoben und geklärt, er strebt nach Einfachheit und
baut seine Kompositionen streng gesetzmäßig auf. Auch theoretischen
Studien über die Proportionen des menschlichen Körpers und über die
Gesetze der Perspektive widmet er sich mit Eifer und sie nehmen in
seinen späteren Jahren einen immer breiteren Raum ein. Man nimmt die
Einwirkungen Lionardos hiefür in Anspruch. Ich kann diese Frage nicht
beurteilen.

Unter den Gemälden, welche Dürer nach seiner Rückkehr geschaffen hat,
sind einige seiner Hauptwerke. Die zwei Tafeln, Adam und Eva im Prado
Museum zu Madrid dürften 1507 noch in Venedig entstanden sein. Der
Eva und der Madonna mit dem Zeisig liegt das gleiche Kopfmodell zu
Grunde. Ich muß bekennen, daß sie in ihrer künstlerischen Wirkung die
hochgespannten Erwartungen, mit welchen ich an sie herangetreten bin,
nicht ganz erfüllt haben. Es ist in der Haltung der Figuren eine etwas
gesuchte Grazie, die Dürer sonst fremd ist. Rein formal betrachtet sind
die beiden Gestalten allerdings sehr schön.

In den Jahren 1508 und 1509 entstand der Heller’sche Altar (Fig. 2 und
3) für die Predigerkirche in Frankfurt, als Komposition der Höhepunkt
von Dürers Schaffen; 1511 wurde der Altar für die Kapelle des Landauer
Bruderhauses mit dem Allerheiligenbild vollendet, das jetzt in den
Hofmuseen in Wien bewahrt wird. Die ersten Ideen dieser Komposition
gehen in das Jahr 1508 zurück. Die Komposition des figurenreichen
Bildes ist streng symmetrisch, etwas überfüllt. Unten öffnet sich
der Blick in eine weite Landschaft. Das Bild enthält eine Fülle der
herrlichsten Einzelheiten. Der feierlichen Anordnung entspricht das
lichte, festliche Kolorit. Es gilt von ihm das Gleiche wie von dem der
Madonna mit dem Zeisig, die Freude an der Farbe nicht am Ton herrscht
vor, es ist für unser Gefühl zu bunt.

1512 vollendete Dürer die Bilder der Kaiser Karl des Großen und
Sigismund. Den Typus des ersteren hat er schon im Allerheiligenbilde
aufgestellt und hier nochmals in einer großartigen, wenn auch etwas
schematischen Einzelfigur durchgeführt. Dem gewaltigen Herrscher
gegenüber erscheint der porträtmäßig behandelte Sigismund ziemlich
untergeordnet.

In diese Zeit und zwar schon in das Jahr 1508 fällt das unerfreuliche
Bild der Marter der Zehntausend, in der Gallerie zu Wien, dessen
Vorzüge nur in der Behandlung liegen.

Als Dürer im Jahre 1508 die Himmelfahrt Mariä vollendet hatte, schrieb
er an Jakob Heller. Niemand solle ihm mehr vermögen, eine Tafel mit
soviel Arbeit noch zu machen. Er käme dabei zu Schaden. Darum will er
jetzt seines Stechens auswarten. Es ist freilich nur ein Ausdruck des
Unwillens und kurz darauf ist Dürer an dem Allerheiligenbild thätig,
aber er hat doch in den folgenden zehn Jahren nicht viel und namentlich
keine figurenreichen Bilder gemalt und seine Maltechnik wird eine
andere, weniger sorgfältige. War es wirklich dauernde Unlust am Malen
und nicht der Mangel an entsprechenden Aufträgen, der auf die Zeit
freudigster Thätigkeit eine nahezu völlige Abwendung von der Malerei
folgen ließ?

[Illustration: Fig. 2. Himmelfahrt Mariä.

Gemalt i. J. 1508/9 für den Kaufmann Heller in Frankfurt.]

Dürer hat zunächst seine grossen Holzschnittfolgen abgeschlossen und
neu herausgegeben und dann neues für den Holzschnitt und Kupferstich
geschaffen, darunter die berühmten tiefsinnigen Blätter, Ritter, Tod
und Teufel, die Melancholie, Hieronymus im Gehäuse und den großen
Holzschnitt der heiligen Dreifaltigkeit. Sie sind von Zucker eingehend
und sachgemäß besprochen. Das XII. Kapitel ist den Arbeiten für Kaiser
Maximilian, dem Gebetbuch, dem Triumphzug und der Ehrenpforte gewidmet.
Ein großer Künstler wird auch undankbaren Aufgaben etwas abgewinnen,
ja die Schwierigkeit wird vielleicht seine Erfindungskraft besonders
reizen, so bietet denn das Gebetbuch wirklich eine erstaunliche Fülle
der reizendsten Darstellungen in leichter und sicherer Federzeichnung,
aber der Triumphzug bleibt eine frostige Allegorie und aus der
Ehrenpforte war vollends nichts zu machen. Dürers Sache war die
Architektur überhaupt nicht; Hans Holbein hätte wohl einen anderen
Triumphbogen entworfen, wenn er damals schon thätig gewesen und zu der
Aufgabe herangezogen worden wäre. Aber die Aufgabe selbst mit ihrer
Überfülle von genealogischen und historischen Beziehungen schloß eine
wirklich einheitliche Lösung im Vornherein aus. Und wenn das Werk im
Einzelnen viel Schönes bietet, so bleibt doch die Mühe zu bedauern, die
Dürer auf diese undankbare Aufgabe verwendet hat. Wußte der Kaiser dem
größten deutschen Maler keine besseren Aufträge zu erteilen, so hätte
er ihn besser gar nicht beschäftigt. Auch die Verhältnisse in Nürnberg
waren nicht dazu angethan, Dürer viele Anregungen zu bieten und große
Aufträge Seitens der Stadt oder reicher Bürger blieben vollends aus.
Seine Produktivität geht denn auch in den nächsten Jahren zurück. Da
brachte die Reise nach den Niederlanden im Jahre 1520 einen neuen
Aufschwung.

[Illustration: Fig. 3. Studie zur Himmelfahrt Mariae.]

Kaiser Maximilian hatte Dürer für die Arbeiten am Gebetbuch, der
Ehrenpforte und dem Triumphzug ein Leibgeding von 100 Gulden aus der
Nürnberger Stadtsteuer angewiesen und ihm 1518 weiter eine Anweisung
auf 200 Gulden gegeben, welche 1519 fällig war, er war aber vor der
Auszahlung gestorben. Nun weigerte die Stadt die Auszahlung und
verlangte dafür wie für das bisherige Leibgeding eine Bestätigung Karl
des V. Da nun Karl V. nach den Niederlanden kam, beschloss Dürer, ihn
dort aufzusuchen und seine Angelegenheiten vorzutragen. Das war die
äussere Veranlassung zur Reise. Geschäftliche Interessen kamen dazu.
Dürer reiste am 12. Juli 1520 von Nürnberg ab, diesmal in Begleitung
seiner Frau und einer Magd. Die Reise ging über Bamberg, Frankfurt und
Köln nach Antwerpen. Das Tagebuch, das Dürer auf dieser Reise führte,
ist abschriftlich erhalten und gibt uns ziemlich genauen Einblick in
den Verlauf der Reise. Allerdings notiert Dürer manches, was wir leicht
missen könnten und verschweigt anderes, was für uns von Wichtigkeit
wäre, aber bei alledem bleibt das Tagebuch eines der wichtigsten
Dokumente zu seiner Lebensgeschichte.

Die Bestätigung des Leibgedings erhielt er in Köln, wohin er von
Antwerpen gereist war, am 12. November 1520, auf die 200 Gulden mußte
er verzichten. In Antwerpen wie in anderen Städten wurde er von allen
Seiten, namentlich aber von den Malern aufs Höchste geehrt und an
künstlerischen Anregungen fehlte es nicht; er besichtigt überall die
Werke der großen Meister des vorigen Jahrhunderts, mehr noch förderte
ihn der Umgang mit den Lebenden. Dürers Vortrag wird malerisch. Ein
Versuch in dieser Richtung, der noch nicht völlig geglückt ist, ist
das Bildnis Bernhards von Orley in Dresden. Ein zweites zeigt die
volle Meisterschaft. Es ist das als Hans Imhoff bezeichnete Porträt
von 1521 im Museum des Prado zu Madrid (Fig. 4). Das Bild ist in mehr
als einer Hinsicht das Höchste, was Dürer im Porträt erreicht hat. Nie
wieder hat er einen Kopf so eindringlich aufgefaßt und so lebensvoll
wiedergegeben, selbst nicht in den schönen Bildnissen seiner letzten
Jahre. Was aber noch mehr in Verwunderung setzt, das ist die bei allem
Eingehen auß Einzelne freie und breite, im höchsten Sinne malerische
Behandlung. Das konnte 1521 auch kein Niederländer besser machen. Wer
Dürer als Maler würdigen will, muß dieses Bild gesehen und studiert
haben.

Thausing sucht zu beweisen, daß das Bild in Nürnberg und nicht in
den Niederlanden gemalt sei. Es ist das eine Frage, welche nicht mit
völliger Sicherheit gelöst werden kann. Aber Thausings Argumente, es
sei keine Malerei mit geliehenen Farben und fremder Palette, sind
nicht zwingend. Gute Farben und Pinsel gab es auch in den Niederlanden
und der Aufenthalt in Antwerpen war lang genug zur Ausführung eines
sorgfältig gemalten Porträts. Daß Dürer dort Bildnisse gemalt hat,
berichtet er selbst. Für die Ausführung in den Niederlanden spricht
der Stil des Bildes mit ziemlicher Bestimmtheit, der nicht Nachklänge,
sondern unmittelbare Einwirkungen der niederländischen Malerei zeigt.
Auch der Umstand, daß das Bild früh nach Spanien gekommen sein muß (bei
uns erhalten sich Ölgemälde nicht so unversehrt), spricht dafür, daß
es nicht von Nürnberg, sondern von den Niederlanden nach Spanien kam.
Wäre es das Bildnis Hans Imhoffs, so wäre es wohl in dem Inventar der
Imhoffschen Kunstkammer erwähnt, das ist aber nicht der Fall.

Doch die Frage, ob dieses Bild in den Niederlanden oder erst in
Nürnberg gemalt ist, ist nicht von primärer Bedeutung, wichtiger ist
es zu sehen, ob Dürer, ein Fünfzigjähriger, noch dauernden Gewinn für
seine Kunst aus den niederländischen Anregungen gewonnen hat. Und dem
ist so, Dürers Vortrag bleibt von der niederländischen Reise an freier
und einfacher als vorher, die malerische Behandlung schwindet nicht
völlig, wenn sie auch nicht auf der ausnahmsweise erreichten Höhe
bleibt.

Auch in Antwerpen hatte man gesucht, Dürer festzuhalten. Es war ihm
ein Gehalt von dreihundert Philippsgulden nebst einem eigenen Hause
geboten und alle Arbeiten sollten noch besonders bezahlt werden, aber
die Liebe zur Heimat überwog, im Sommer 1521 kam er nach Nürnberg
zurück, um sofort wieder die Kleinheit der dortigen Verhältnisse zu
empfinden. Der Rathaussaal sollte neu gemalt werden. Die Entwürfe
wurden Dürer übertragen, mit der Ausführung aber wurden untergeordnete
Maler betraut, welche nach der Malertaxe arbeiteten. An der nördlichen
Wand des Saales sind drei große Gemälde, die Verleumdung, der
Triumphzug Maximilians und zwischen beiden der Pfeiferstuhl, eine ganz
realistische Scene zwischen zwei Allegorien. Es fehlt diesen Bildern
die für monumentale Gemälde unerläßliche Anpassung an den Raum. Wie
weit dieser Mangel Dürer zur Last fällt, ist kaum mehr zu entscheiden.
Die erste Skizze zur Verleumdung (Federzeichnung von 1522 in der
Albertina) ist eine wohl angeordnete friesartige Komposition, in der
Ausführung sind die Gruppen weiter auseinander gerückt, um den Raum zu
füllen, aber es ist damit nur erreicht, daß er überhaupt nicht gefüllt
ist, das Bild erscheint zusammenhanglos. Auch der Triumphzug ist dem
Raume nur ungenügend angepaßt. Am lustigsten sind noch die Pfeifer
auf ihrem Balkon. Dürer mochte an der ganzen Aufgabe, die er nicht
ausführen sollte, wenig Freude haben.

[Illustration: Fig. 4. Männliches Porträt im Museo del Prado zu Madrid.]

Er hat überhaupt nach der niederländischen Reise nicht mehr viel
gemalt. Was er noch gemalt hat, sind zumeist Porträts. Das bedeutendste
ist das des Hieronymus Holzschuher von 1226 in der Berliner Gallerie;
in der charakteristischen Auffassung steht es dem Bild von 1591 in
Madrid nahezu oder vollkommen gleich, in der technischen Ausführung
kommt es ihm nahe, aber die Behandlung ist doch mehr plastisch
zeichnerisch als spezifisch malerisch. In letzterer Hinsicht steht
vielleicht das Porträt des Ratsherrn Jakob Muffel noch etwas höher.
Neben den Gemälden stehen einige treffliche Porträts in Kupferstich
und Holzschnitt (Fig. 5). Dürer hat nicht die ruhige, fast kühle
Objektivität Holbeins, er bleibt in der Wiedergabe der Formen immer
etwas eckig, aber er erfaßt die gesamte Persönlichkeit weit tiefer als
dieser. Zucker macht hierüber einige feine Bemerkungen.

[Illustration: Fig. 5. Willibald Pirkheimer.

Kupferstich v. J. 1524.]

1526 vollendete Dürer auch die zwei Tafeln mit den Gestalten der
vier Apostel, jetzt in der Pinakothek zu München. Zucker tritt hier
mit Eifer dafür ein, daß Dürer in diesen vier Gestalten die vier
Temperamente dargestellt habe. Ich will diese Frage nicht näher
untersuchen, denn ich halte sie für überflüssig. Zugegeben, Dürer
habe die vier Temperamente malen wollen, so hat er doch in der That
etwas ganz anderes gemalt. Die vier Temperamente sind Abstrakta, deren
allgemeiner Begriff sich in körperlichen Formen nur unvollkommen
aussprechen läßt, die vier Apostel sind konkrete Persönlichkeiten
voll des individuellsten Lebens. Eben darin und nicht darin, daß sie
schattenhafte Allgemeinheiten sind, beruht ihre nach Jahrhunderten
unwiderstehliche Macht; eben darin bilden sie einen Höhepunkt der
deutschen, einen Höhepunkt der neueren Kunst überhaupt.

Im Oktober 1526 stiftete Dürer die beiden Bilder auf das Nürnberger
Rathaus. Das Begleitschreiben lautete: _Fürsichtig ehrber weis lieb
Herren. Dieweil ich vorlengst geneigt wär gewest, Euer Weisheit mit
meinem kleinwirdigen Gemäl zu einer Gedächtnus zu verehren, hab ich
doch Solchs aus Mangel meiner geringschätzigen Werk unterlassen müssen,
dieweil ich gewusst, dass mit denselben vor Euer Weisheit nit ganz
wol hätt mügen bestehn. Nachdem ich aber diese vergangen Zeit ein
Tafel gemalt und darauf mehr Fleiss dann ander Gemäl gelegt hab, acht
ich Niemand wirdiger, die zu einer Gedächtnus zu behalten, denn Euer
Weisheit. Derhalb ich auch dieselben hiemit verehr, unterthänigs Fleiss
bittend, die wölle dies mein kleine Schenk gefällig und günstlich
annehmen und mein gönstig lieb Herrn, wie bisher ich allweg gefunden
hab, sein und bleiben. Das will ich mit aller Unterthänigkeit um Euer
Weisheit zu verdienen geflissen sein. Euer Weisheit unterthäniger
Albrecht Dürer._ -- Der Rat der Stadt beschloß am 6. Oktober, das
Geschenk anzunehmen, es der Stadt zu erhalten hat er nicht gewußt,
schon nach hundert Jahren kamen sie an den Kurfürsten von Bayern.

Sieht man von dem Curialstil der Widmung ab, so erkennt man leicht,
daß sich Dürer des Wertes der Bilder wohl bewußt war, daß er seiner
Vaterstadt sein Bestes gab. Man erkennt auch, daß er sein Ende nahen
sah; als ein kranker Mann war er aus den Niederlanden zurückgekommen
und hat sich nicht mehr erholt. Am 6. April 1528 endete er seine
irdische Laufbahn.

Springer sagt in seinem Dürer, ein längeres Leben hätte den von Dürer
hinterlassenen künstlerischen Schatz schwerlich vermehrt. Der Tausch
des Malerkittels gegen den Gelehrtenrock war endgiltig vollzogen. Wir
dürfen uns daher rühmen, daß wir Dürers Werk vollendet besitzen.

Thatsächlich nehmen theoretische Arbeiten in den letzten Lebensjahren
Dürers einen breiten Raum ein. Schon früh hatte er gesucht, sich über
die theoretischen Grundlagen seiner Kunst Klarheit zu verschaffen.
Um 1512-1513 trug er sich mit dem Plane, ein umfassendes Buch
zu schreiben, das wir nach heutigem Sprachgebrauch als Lehrbuch
der Malerei bezeichnen würden. Der Plan blieb liegen. Nach der
niederländischen Reise aber nahm er die Studien wieder auf und brachte
wenigstens einen Teil derselben, die Unterweisung der Messung mit
Zirkel und Richtscheit und die vier Bücher menschlicher Proportion,
sowie eine kleinere Schrift über die Befestigung von Städten,
Schlössern und Flecken zum Abschluß. Diese Werke, namentlich die
Proportionslehre gehen nun allerdings über den rein praktischen Zweck
hinaus und zeigen, daß die wissenschaftliche Erkenntnis für Dürer
Selbstzweck geworden ist.

Ob aber theoretische Studien die künstlerische Produktivität Dürers
dauernd zurückgedrängt haben würde, muß billig bezweifelt werden.
Dürers künstlerische Entwickelung bewegt sich bis in seine letzten
Lebensjahre in aufsteigender Richtung und von irgend welchen Nachlassen
der schöpferischen Kräfte ist nichts wahrzunehmen. So möchte er denn
wohl bei längerem Leben noch manches geschaffen haben. Da aber der
Tod all seinem Schaffen und Wirken früh ein Ende gesetzt hat, ist
diese Frage müßig, wohl aber hat eine andere ihre Berechtigung. Ist
Dürer zu allseitiger, voller Entfaltung der ihm verliehenen Kräfte
gelangt? Und diese Frage kann nicht in vollem Umfang bejaht werden.
Dürer ist von dem intensivsten Studium der Natur ausgegangen und hat
sich an demselben sein Leben lang weiter gebildet. So ist er denn
einer der größten Porträtmaler geworden. Er gibt in seinen Bildnissen
mehr als die äußere Form, er gibt das ganze Wesen der Dargestellten.
Dadurch ist er weiter befähigt, ideale Charakterfiguren von voller
innerer Konsequenz zu schaffen, an die wir glauben, wie an lebende
Persönlichkeiten. Solche sind die Apostelfiguren in Kupferstich und
vor allem die vier Apostel in München, die mit Recht den höchsten
Leistungen aller Malerei beigezählt werden.

Eine so intensive Ausgestaltung des Persönlichen drängt zur
Einzelfigur. Dürer hat darin erreicht, was möglich war, ein Überbieten
ist kaum denkbar. Allein sein Können war in der Schaffung einzelner
großer Gestalten nicht beschlossen, Begabung und Neigung waren
ursprünglich auf die Darstellung bedeutender Vorgänge in strengen
Kompositionen gerichtet. Die Himmelfahrt Mariae, das Rosenkranzfest,
das Allerheiligenbild sind solche Werke. Aber schon mehrere
Blätter der Apokalypse gehören hierher, sie sind trotz des kleinen
Maßstabes monumental. Um zu voller Wirkung zu kommen, verlangen
solche Kompositionen einen großen Maßstab. Was wir von Kompositionen
des großen Stils von Dürer haben, läßt wohl erkennen, daß er zur
Monumentalmalerei berufen war, allein die Aufträge blieben aus und
deshalb ist auch diese Richtung von Dürers Kunst nicht zu voller
Entfaltung gekommen. Wenn Dürer mehr als einmal das Malen verschwört,
so sind solche Aussprüche nicht durch die Vorliebe für Holzschnitt
und Kupferstich, sondern durch den Mißmut über die kümmerlichen
Verhältnisse veranlaßt, in Folge deren er keine Aufträge auf große
Bilder erhielt, oder wenn er solche erhielt, so schlecht bezahlt wurde,
daß er von langer aufopfernder Arbeit keinen Nutzen hatte.

So bilden denn Kupferstiche und Holzschnitte einen sehr großen Teil von
Dürers Werk. Durch sie hat er auf das Volk gewirkt und ist volkstümlich
geworden, wie kein zweiter deutscher Maler. Noch heute sind seine
Blätter im Original oder in guten Nachbildungen in den Händen Vieler.
Mit Recht hat ihnen deshalb Zucker ausführliche Betrachtungen gewidmet.

Aber sein höchstes Können hat Dürer nicht im Kupferstich, sondern in
der Zeichnung erreicht. Der Zeichner Dürer kommt bei Zucker wohl etwas
zu kurz.

Dürers Zeichnungen sind schon technisch betrachtet von wunderbarer
Schönheit (Fig. 3). Er führt die Feder, den Silberstift und die
Reißkohle mit gleicher Meisterschaft, sein Strich ist breit und sicher,
mit den einfachsten Mitteln werden die beabsichtigten Wirkungen
erreicht. Dabei sprechen Dürers Zeichnungen die Gedanken mit packender
Unmittelbarkeit aus. Zu ihrem vollen Erfassen ist ein gebildetes Auge
erforderlich, wer sich aber den Blick für sie angeeignet hat, dem sind
sie ein unversiegbarer Quell des edelsten Genußes. Sie sind neuerlich
durch die Ausgabe Lippmanns, die den Originalen so nahe kommt, als es
die heutige Reproduktionstechnik gestattet, zwar nicht weiten Kreisen,
doch aber allen wohlhabenden Liebhabern zugänglich geworden.

Die Bedeutung eines Künstlers für spätere Jahrhunderte bemißt sich
nach dem Verhältnis des allgemein Menschlichen zum zeitlich bedingten,
das sich in seinen Werken offenbart. Manches ist uns an Dürer fremd
geworden, ist veraltet; aber des Bleibenden ist unendlich mehr und
seine Werke werden für alle Zeiten zu den herrlichsten Besitztümern der
Menschheit zählen.

[Illustration]



[Illustration]

LITERARISCHE NOTIZEN.


=Geschichtliches über das Franziskaner-Minoriten-Kloster in
Würzburg.= Von ~P. Benvenut Stengele~. Würzburg, Andreas Göbels
Verlagsbuchhandlung. 22 SS. 8º. 25 Pfg.

Das Schriftchen gibt in knappem Rahmen Auskunft über alle wichtigeren
Ereignisse in der Geschichte des Klosters von seiner Gründung im Jahre
1221 bis auf die neueste Zeit. Von allgemeinerem Interesse sind die
Mitteilungen über die Schwierigkeiten, welche dem Orden im Anfang
seiner Wirksamkeit seitens des Säcularklerus bereitet wurden und die
Nachrichten über den Bau und die Umgestaltungen des Klosters und der
Kirche. Leider wurde letztere, ein Bau Bischof Julius Echters, vor
etwa 20 Jahren in ziemlich unverständiger Weise in gotischem Stil
restauriert.

=Lorenz Fries, der fränkische Geschichtsschreiber und seine Chronik
vom Hochstift Würzburg.= Von ~Dr. Josef Kartels~. (Quellennachweis
bis Mitte des XIII. Jahrhunderts und Kritik.) Würzburg, Bonitas-Bauer
1899. 8º. (190 S.)

Wer, angezogen von dem überall zu Tage tretenden liebenswürdigen
Wesen des trefflichen fränkischen Chronisten M. Lorenz Fries, sich
versucht fühlt, dessen Lebensschicksalen nachzugehen und besonders
in die Werkstätte dieses Geistes zu schauen, der wird dies gerne
aufs neue an der Hand einer mit Fleiß und Hingebung geschriebenen
Würdigung des »Vaters der fränkischen Geschichte« thun. Einer Anregung
des verstorbenen Geheimrats von Wegele entsprang die uns vorliegende
Schrift -- ursprünglich Würzburger Dissertation.

Nach der Darlegung der näheren Umstände eines Deutschen
Humanistenlebens, erläutert ein erstes Kapitel Veranlassung und Zeit
der Abfassung, Umfang und Anlage der Chronik. Weiterhin wird es
dann zum erstenmal unternommen, die Quellen des Magisters für seine
fränkische Chronik im einzelnen zu würdigen und seine historische
Bedeutung ins rechte Licht zu setzen. (Eine kurze Zusammenstellung
hatten allerdings schon Heffner-Reuß in der kleinen Schrift »Lorenz
Fries, der Geschichtsschreiber Ostfrankens. Würzburg 1853« p. 7
ff. gegeben.) Die lange Folge der hier mit nicht zu verkennender
Sorgfalt ausgeführten älteren Geschichtswerke, läßt an Fries wieder
die unermüdliche Schaffensfreudigkeit und ausgebreitete Belesenheit
bewundern, die uns insbesondere bei den Ergebnissen seiner
archivalischen Thätigkeit in Staunen setzen. Die Quellennachweise
betreffen namentlich auch eine stattliche Reihe von Urkunden, die dem
Hofsekretär in den Kopialbänden der bischöflichen Kanzlei vorlagen.

Bei der strengeren Betrachtung der historischen Befähigung Friesens
sieht sich Kartels genötigt, dem zu überschwänglichen Lobe Ludewigs
entgegenzutreten und die einmal nicht wegzuleugnenden Mängel vom
Standpunkte unserer Auffassung von Kritik abzuwägen. Den Vorwurf von
Leichtgläubigkeit, Irrtümern, falschen Schlüssen, Ungenauigkeiten, kann
er Fries wiederholt nicht ersparen, wenn dieser auch sonst allzutollen
Phantasieen eines Trithemius u. a. aus dem Wege gehen mochte. Wird
so der kritische Wert nicht allzuhoch angeschlagen, so wird doch der
ihm mit am meisten verargte Fehler, nicht bis zur ersten Quelle
zurückzugehen und Originalurkunden hintanzusetzen, zu rechtfertigen
gesucht mit dem bemerkenswerten Einwand, daß Fries nur wenige
Urkunden auch wirklich im Original vorlagen. Daß Fries als Franke und
insbesondere als Diener seines Herrn, des Bischofs, schrieb, dem er
ja auch sein Werk widmete, läßt uns die Voreingenommenheit wenigstens
begreiflich erscheinen, mit der die Verteidigung des Gedankens
der herzoglichen Gewalt Würzburgs in die Hand genommen wird. Des
Chronisten sonstiger Freimut wird vom Verfasser mit Recht wiederholt in
entsprechendes Licht gesetzt.

Gegenüber solchen Schwächen finden aber die entscheidenden Vorzüge
unseres Magisters einen beredten Anwalt. Man freut und erfrischt sich
mit dem Verfasser an dem warmen Eintreten des Humanisten für Deutsche
Sprache und Deutsches Wesen und bedauert umsomehr den Verlust der
Friesischen Schrift »Von der Art, Eigenschaft und dem Gebrauche der
hochdeutschen Sprache«. Gewisse Glanzstellen in Stil und Ausarbeitung
werden beleuchtet, wie z. B. einzelne seine Charakteristiken, das
Zurückgreifen auf verschiedene ältere Lieder und Epigramme, die der
Chronist mit Geschick in seine Darstellung verflicht. Gedrängte
Übersichten geben uns ein anschauliches Bild, welch eine Fülle des
Materials für Wirtschafts-, Verfassungs- und Rechtsgeschichte, für
die Kunde der Würzburger alten Stadt- und Landestopographie, für
Kunst-, Kultur- und Sittengeschichte sich in dieser Bistumschronik
versteckt. Wieviel sich für die scientia amabilis unserer Tage, die
Volkskunde, an Nachweisen von alten Volksbräuchen u. dgl. aus diesen
Blättern gewinnen läßt, ist wenigstens angedeutet. Friesens Sinn
für den inneren Wert der Sagen, seine Erkenntnis der historischen
Bedeutsamkeit von Liedern und Inschriften, seine Vorliebe für das
kecker zeichnende Sprichwort, hätten vielleicht an anderer Stelle
ein klein wenig mehr Platz verdient. Die trefflich durchgeführten
Sittengemälde, die oft das Leben und Treiben des geistlichen Standes
zum Gegenstand haben, die Aufmerksamkeit, die Fries dem Judentum und
dem Sektenwesen in Franken, dem wechselnden Verhältnis von Bischof und
Stadt schenkt, findet sich andererseits entsprechend hervorgehoben.
Die Abneigung gegen die päpstliche Politik in Deutschland, der Fries
sehr unverhohlenen Ausdruck verleiht, setzt Kartels im wesentlichen auf
Rechnung von dessen glühender Begeisterung für fränkisch-deutsche Art.
Was des Chronisten persönliche religiöse Überzeugung anlangt, so glaubt
Verfasser ihn entschieden für den alten Glauben in Anspruch nehmen
zu können. Wenn zum Schlusse nochmals Fries das Lob des Fleißes und
der Arbeitskraft zuerteilt wird, so ist diesem damit gewiß nur Genüge
geschehen.

Wir scheiden von dem Buche mit dem aufrichtigen Wunsche, daß der
Verfasser Zeit und Lust finden möchte, die Nachweise der Quellen
für die fränkische Chronik über die bisher gesteckte Grenze hinaus
auszudehnen, womit er freilich eine Arbeit übernähme, deren Mühe
bei dem steten Anwachsen der von Fries für die folgenden Zeiträume
benutzten Materialien nicht gering erscheint.

    ~Heerwagen.~

       *       *       *       *       *



[Illustration]

KACHELÖFEN UND OFENKACHELN DES XVI., XVII. UND XVIII. JAHRHUNDERTS,

IM GERMANISCHEN MUSEUM, AUF DER BURG UND IN DER STADT NÜRNBERG.

VON MAX WINGENROTH.


III.

(FLÖTNER UND HIRSVOGEL.)

(Mit 2 Tafeln.)


Den Anstoß zu einer definitiven Umgestaltung des Ofenschema’s sollte
die Hafnerei etwa um die 40er Jahre des Säkulums erhalten: der
allgemeine Umschwung in der deutschen, insbesondere in der Nürnberger
Kunst, der um diese Zeit stattgefunden hatte, konnte auch auf sie
nicht ohne Einfluß bleiben. Wir müssen aus diesem Grunde den genannten
Umschwung näher ins Auge fassen.

Der neuen Geisterbewegung Italiens, welche wir unter dem Namen
Humanismus verstehen, hat zuerst die Stadt Augsburg Thür und Thore
geöffnet. Nürnberg, mit dem konservativen Sinn seiner aus Baiern
und Franken gemischten Bevölkerung folgte, wie vor kurzem mit Recht
dargelegt wurde, nur zögernd und langsam nach. Wie in diesem Falle,
verhielt es sich auch mit der Kunst. Die neue, wie man sie nannte, die
antikische Bauweise fand den empfänglichsten Boden in der Stadt der
Fugger; hier traten auch früh ihre wirksamsten Apostel auf; Nürnberg
verhielt sich zunächst eher ablehnend. Doch ihren Siegeslauf wie
durch ganz Europa, so auch durch Deutschland konnte nichts aufhalten
und es will uns müßig scheinen, das zu bedauern. -- Schon Dürer hat
bekanntlich zahlreiche Renaissance-Elemente in seine Werke aufgenommen,
aber man darf sagen, daß sein Formgefühl durchaus das der Gotik blieb.
Immer lebhaftere Kunde indeß von der Herrlichkeit des neuen Stiles
drang über die Alpen. Mantegna’s und anderer Stiche, verzierte Bücher,
insbesondere die Hypnerotomachia des Polifilo regten zu genauerer
Bekanntschaft an. Und in solcher persönlichen Anregung dürfte auch
die Bedeutung eines Jakob Walch für die Nürnberger Künstler zu suchen
sein. Aber alles das hätte nicht genügt, ein wirkliches Verständniß
für die neuen Formen zu erwecken: die persönliche Bekanntschaft mit
den Werken der neuen Bau- und Dekorationsweise mußte den Ausschlag
geben. Und so zogen voll Wanderlust die deutschen Meister gen Süden:
vor allem nach Oberitalien, wenige nur werden weiter nach Süden oder
gar nach Rom vorgedrungen sein. So ist denn auch von einem Einfluß des
Florentiner Dekorationsstiles nichts zu spüren. Oberitalien: Venedig
und die Terra ferma, Mailand, vor allem aber die Certosa von Pavia
und der Dom von Como sind die bestimmenden Vorbilder für die deutsche
Kunst gewesen. Mußten sie doch in ihrem überquellenden, dekorativen
Reichtum, ihrer Häufung lebensvoller Motive den Herzen der deutschen
Künstler anders zusagen als die Florentiner Renaissance, für deren
Klarheit und feines Maßhalten ihnen jegliches Verständnis fehlte, ja
immer gefehlt hat. Unter den frühesten dieser Wanderer befand sich
zweifellos ein Sohn Peter Vischers, Peter der Jüngere, wenn wir auch
die hiefür angeführten Urkunden kaum auf ihn anwenden dürfen[71]. Er
kam noch frühzeitig genug zurück, um dem Vater die Resultate seiner
Reise vorzulegen und die beiden großen Künstler begaben sich nun
daran, dieselben an dem Sebaldusgrabe, das ursprünglich in gotischem
Sinne geplant war, in ausgiebigster Weise zu verwerten. Mag auch die
Gotik hie und da durchblicken, der naive Beschauer erhält den Eindruck
vollständiger Renaissance und ähnlich mußten die Künstler urteilen,
welche damals das Wunderwerk ansahen. Es ist die Renaissance der
Certosa, mit der hier die Nürnberger bekannt gemacht werden. 1516 zog
ein anderer Sohn des Altmeisters, Hermann, nach Rom und auch er brachte
reichliche Ausbeute. Der Eindruck dieses Meisterwerkes nun, das heute
wohl als das vollkommenste Kunstwerk bezeichnet werden darf, welches
die alte Reichsstadt noch in ihren Mauern birgt, dieser Eindruck
muß ein geradezu siegender gewesen sein. Und daß er nicht verloren
ging, dafür sorgten die Arbeiten, welche in dem folgenden Jahrzehnt
(1519-1529) aus der Werkstatt der Vischer hervorgingen: ich erinnere
vor allem an das Grabmal Friedrichs des Weisen, die Epitaphien der
Eisen und Tucher und endlich an das wichtigste, das leider verlorene
Fuggergitter, welches nach den erhaltenen Zeichnungen geradezu den
Triumph der Renaissance in Nürnberg bedeutet. Man war lange geneigt,
die Bedeutung der Vischer’schen Gießhütte zu unterschätzen. Jetzt
dürfen wir wohl sagen, daß der Altmeister und seine Söhne die treibende
Kraft waren, sie haben den Bann gebrochen und den Nürnbergern die Augen
geöffnet. Was mußte es nicht bedeuten, wenn der nach Dürer mächtigste
Faktor in dem Kunstleben der Stadt -- und das war die Vischer’sehe
Gießhütte, deren Ruhm in Deutschland kaum geringer war, als der des
Malers -- mit solcher Entschiedenheit für den neuen Stil eintrat? --
In gleicher Zeit waren die sogenannten Kleinmeister bestrebt, den
neuen Stil in origineller Weise zu verdeutschen und zu verbreiten. Um
1530 war der Boden vollständig vorbereitet; aber noch war auf vielen
Gebieten der Kunst und insbesondere des Kunstgewerbes ein Schwanken
und eine Unsicherheit bemerkbar; diese verschwindet erst in dem
folgenden Jahrzehnt und ein Styl bricht sich Bahn, den wir vielleicht
als fränkische Hochrenaissance -- sit venia verbo -- bezeichnen dürfen.
Charakteristische Momente hierfür sind: die endliche Aufstellung des
ursprünglich für die Fugger bestimmten Gitters im Rathaussaale, der Bau
und die Innendekoration des Hirsvogelsaales, die Thür im Standesamt,
das Tucherhaus und zwar vor allem die Täfelung zweier Räume desselben,
zwei Schränke im germanischen Museum[72] (der eine 1541 bezeichnet),
vielleicht noch der emaillierte Pokal der Pfinzing’schen Stiftung[73]
und einige Oefen, die der Gegenstand dieses Aufsatzes sind.

Neben dem Fuggergitter scheint das Schaffen des Peter Flötner den
Ausschlag gegeben zu haben. Dieser Künstler ist in seiner Bedeutung
eigentlich erst in dem letzten Jahrzehnt entdeckt worden. Da der
Umkreis seines Schaffens noch immer strittig zu sein scheint und
somit auch das Urteil über seine eigentliche Bedeutung, er aber mit
unserem Thema in nächster Beziehung steht, so müssen wir von unsrer
Stellung zu der »Flötnerfrage« kurz Rechenschaft geben. Absolut sicher
d. h. zweifellos bezeichnet vom ihm sind etwa dreißig Holzschnitte,
fünf bis sechs Zeichnungen, eine Holzstatuette des Adam in Wien,
zwei Medaillen und ein Medaillenmodell aus Speckstein, aus gleichem
Stein ein Plakettenmodell, endlich durch Neudörfer bezeugt der
Kamin im Hirsvogelsaal[74]. Die Daten, die wir auf diesen Werken
besitzen, gehen von 1526-1546; vor 1522 ist der Meister in Nürnberg
eingewandert, 1546 ist er gestorben. Dazu kommt eine Notiz Sandrarts,
der ihn Formschneider nennt, sowie eine solche Doppelmayrs über »die
drei schönen mit Wasserfarben gemalten Stuck« aus der Praun’schen
Kunstkammer. Das sollte eigentlich, zusammengehalten mit dem Bericht
Neudörfers -- hier besonders wichtig, weil es sich um einen direkten
Zeitgenossen handelt --, den es korrigiert und ergänzt, genügen, um des
Meisters kunstgeschichtliche Stellung zu fixieren, wenn man bedenkt,
wie es der klassischen Archäologie gelingt, aus viel geringeren
Bruchstücken das Bild alter Künstler aufzubauen. Wir gewinnen aus
all dem folgende Anschauung des Meisters: er arbeitete in Speckstein
und Holz, sowohl Modelle für Medaillen und Plaketten, Vorlagen für
Goldschmiede etc., als auch selbständige kleine Skulpturen, letztere
manchmal auch in Kirschkern, Korallenzinken u. s. w. Ebenso konnte
er in großem Maßstabe und in Sandstein arbeiten. Architektonische
Entwürfe im Holzschnitt kamen dazu, Landschafts- und figürliche
Darstellungen, sowie Vorlagen für Kunstgewerbe, worunter die ersten der
Art in Deutschland für Renaissancemöbel. Er war selbst Formschneider.
Er zeichnete und aquarellierte schön. In »Perspektiv und Maßwerk«
war er erfahren. Das in den meisten Fällen neben dem P. F. als
Signatur angebrachte Handwerkszeug des Holzschnitzers legt uns, mit
Vorstehendem in Verbindung gebracht, die Vermutung sehr nahe, daß er
selbst kunstgewerbliche Gegenstände in Holz geschnitzt hat. Auch die
Qualität seiner Leistungen muß eine hohe gewesen sein. Er beherrscht
den menschlichen Körper gut und frei: mit Ausnahme der sicher
frühen Adamsstatuette ist von dem Modell -- wie noch bei so vielen
Zeitgenossen -- nichts mehr zu spüren. Seine Landschaften zeichnen
sich durch malerische und leichte Behandlung aus. Die Medaillen und
die Plakette gehören zu den besten deutschen Produkten auf diesem
Gebiete: es verrät sich in ihnen ein Sinn für Schönheit der Form,
der nur allzuselten ist. Durch die gleichen Eigenschaften werden
seine ornamentalen Entwürfe ausgezeichnet und sie heben ihn über alle
Ornamentisten der Zeit hinaus. »In Bezug auf Eleganz und Schliff steht
er allein Holbein nicht nach, dem er nur an Kraft und Frisch weichen
muß, wie Lichtwark mit Recht sagt. Auch ein Neuschöpfer scheint er
gewesen zu sein, denn man wird ihm hauptsächlich die Einführung der
Moreske in Deutschland zuschreiben dürfen, die er sofort mit höchster
Sicherheit und Geschmack handhabt. Er ist fast der Einzige, der die
reinen Formen der oberitalienischen Frührenaissance einigermaßen
versteht und darin arbeitet, ohne daß das seiner schöpferischen
Leistung in Anbetracht der damaligen Lage Abbruch thut. Oberitalien muß
er aufs eifrigste studiert haben. Nicht nur, daß ein Teil seiner Betten
Variationen, allerdings freie und selbständige nach Polifilo sind; die
Erinnerung an die Certosa und an Como verfolgt ihn stets in seinem
Schaffen; seine Kapitelle und sein Rankenwerk, Grottesken und Trophäen,
seine architektonischen Entwürfe sind unter dem direkten Einfluß des
Comasker Domes entstanden; ebenso die Art, wie er Delphine, Voluten und
anderes verwendet. -- Seinen deutschen Zeitgenossen steht er durchaus
selbständig gegenüber, insbesondere Dürer, wie schon als auffällig
bemerkt wurde, aber auch Peter Vischer. Alles in Allem ein Meister von
respektabler Vielseitigkeit und Begabung, wie geschaffen, nach dem Tode
der Genannten die Führung in Nürnberg zu ergreifen. War er diesen auch
weitaus nicht ebenbürtig, so fand er jetzt, soviel wir wissen, seines
Gleichen kaum mehr in der Stadt. Auch dasjenige, was wir ihm auf Grund
obengenannter Werke mit aller Sicherheit, die überhaupt Stilkritik
sowie andere Kombinationen geben können, zuschreiben dürfen, bestätigt
das Gesagte. Unter anderem gehören dazu die meisten Holzschnitte
zum Vitruv und zur Perspektive des Rivius, die allerdings zum Teil
nach Cesariano gearbeitet sind, aber selbst dann, wie schon Lübke
bemerkt hat, denselben verbessern, in vielen Fällen auch die einfache
Kontur mit reicherem Leben ausfüllen. Über die große Bedeutung der
beiden Drucke und ihrer Illustrationen für die Kunst der Zeit ist es
überflüßig, ein Wort zu verlieren. -- Kurz: Flötner ist zwischen 1530
und 1540 von dominierendem Einfluß auf die fränkische Kunst gewesen,
wenn auch nicht der Bahnbrecher der Renaissance κατ’ ἐξοχὴν,
wie man ihn genannt hat.

Neben ihm darf nur noch Augustin Hirsvogel genannt werden, dieser
unstete, von einer Thätigkeit zur anderen übergehende Meister, man
möchte sagen ein auf kleineres Maß reduzierter deutscher Lionardo,
von dem wir ob lauter Vielseitigkeit nur wenig besitzen und über den
uns trotz Friedrichs verdienstvoller Monographie[75] noch die nötige
Klarheit fehlt. Für seine hohe Begabung haben wir erst vor kurzem einen
neuen Beweis erhalten durch Sigm. Wellisch[76], der gezeigt hat, daß
»Hirsvogel, dem als Urheber einer der ersten Stadtvermessungen der Ruhm
gebührt, in der Geschichte der praktischen Geometrie als Bahnbrecher
genannt zu werden, bei seiner geometrischen Aufnahme der Stadt Wien im
Jahre 1547 eine regelrechte Triangulierung angewendet hat, wonach ihm
die Ehre gebührt, künftighin in der Geschichte als der älteste Erfinder
der Triangulierung bezeichnet zu werden.« Diese bedeutende Erfindung
wurde zuerst einem Franzosen (1692), dann einem Engländer (1671),
endlich und bis heute dem Niederländer Snellius (1617) zugeschrieben.
Siebzig Jahre vorher scheint sie aber schon Hirsvogel gekannt zu haben.
-- Um nun seine künstlerische Bedeutung zu würdigen, wollen wir uns
wiederum an das Signierte halten: es ist nicht allzuviel. Neudörfer
spricht von seiner hervorragenden Leistung in der Glasmalerei, er habe
eine sonderliche Tuschierung und im Glasbrennen sonderlichen Vorteil
erfunden, auch im »Reißen« sei er gewaltig gewesen, überhaupt seinem
Vater und Bruder (der wichtigsten Glasmalerwerkstätte Nürnbergs am
Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts) in der Kunst überlegen.
Friedrich hat ihm daraufhin die Glasfenster der Rochuskapelle
zugeschrieben, welche aus seines Vaters Werkstätte hervorgegangen sind;
doch sind die Gründe, die H. Stegmann[77] dagegen angeführt hat, so
gewichtig, daß wir bis auf weitere Forschungen davon absehen müssen;
an der Ausführung war vielleicht Augustin beteiligt, die Entwürfe
scheinen von anderer Hand zu stammen. Von seinen Hafnerwerken ist uns
nichts Bezeugtes erhalten -- längst ist man, und durchaus mit Recht,
davon abgekommen, ihm jene zwar kuriosen, aber doch geringwertigen
Krüge zuzuschreiben, die im Handel noch unter seinem Namen gehen;
-- ebensowenig besitzen wir etwas von seinen in Stein geschnittenen
Wappen, worin er sehr fleißig und berühmt gewesen sein soll. Dieser
Umstand legt, in Anbetracht der damaligen Gewohnheiten, die Vermutung
nahe, daß er auch Medaillen- und Plakettenmodelle geschnitten hat. Auch
von seinen Arbeiten in Email -- wenn damit nicht gewisse Manipulationen
der Glasmalerei gemeint waren -- wissen wir nichts, wie auch von seinen
Malereien. Es wäre sicher eine lohnende Aufgabe, wollte jemand einmal
dem gesammten Schaffen und Leben dieses Meisters nachgehen, der auch
psychologisch interessant genug scheint; es dünkt mir nicht unmöglich,
daß sich noch Kunstwerke seiner Hand und auf ihn bezügliche Urkunden
finden lassen. Erhalten sind geometrische und geographische Werke und
Abhandlungen, auch ein Concordanz des alten und neuen Testamentes,
von ihm selbst zusammengetragen und ursprünglich jedenfalls mit
Bildern geschmückt; endlich für unser Thema das Wichtigste -- eine
Reihe von Radierungen, etwa 150 an der Zahl. Entwürfe für Gefäße,
Dolche, Ornamente, insbesondere Grottesken und Mauresken, Jagden,
Kostümfiguren, biblische Scenen, Landschaften und Porträts mit ihren
ornamental sehr wichtigen Umrahmungen. Hirsvogel ist vermutlich um 1488
in Nürnberg geboren, 1553 in Wien gestorben. Seine Radierungen sind
alle datiert von 1543-1550, es scheint also, daß er, früher mit anderen
Dingen beschäftigt, erst das letzte Jahrzehnt seines Lebens sich der
Ätzkunst gewidmet hat. Auch Hirsvogel ist durchaus Renaissancemeister,
steht aber seinen Neigungen nach in schroffem Gegensatze zu Flötner.
Strebte dieser nach Eleganz und Schönheit, so überbietet jener,
insbesondere in seinen Gefäßentwürfen alle Zeitgenossen durch
ausschweifende Phantastik, aber auch frische Originalität. Seine Gefäße
sind vielfach Kannen in der Gestalt hockender Böcke mit Visierhelmen,
Widder, Menschenkörper mit Löwenbeinen, Füße mit Wade u. s. w.,
Henkel und Ausguß in tollster Weise aus Löwenschwänzen, Zöpfen,
Schlangen, willkürlich gebrochenen Tüchern oder Helmzierden gestaltet.
Manchmal gibt er auch die Form eines Pokals und verziert ihn dann mit
naturalistischen Früchten, Menschengestalten etc. So barock das alles
ist und so stilwidrig es in der Ausführung wirken würde, es geht doch
ein kräftiger, großer Zug hindurch, der besonders auffällt, wenn man
von den in mancher Beziehung recht schönen Entwürfen des Meisters der
Kraterographie (1551) mit ihrer sinnlosen und deshalb kleinlichen
Häufung an Gliederungen zu ihm zurückkehrt. Wegen seines Geschmackes
an barocken Tierfiguren mußte ihm das Motiv der Groteske besonders
zusagen und er hat es denn auch vielfach verwendet, ja, einen eigenen
Typus eingeführt: »er zuerst in Deutschland füllt eine Fläche durch
übereinandergestellte Figuren und Tiere, die durch hängende Tücher
verbunden sind« (Lichtwark). Auch darin aber zeigt sich der Gegensatz
zu Flötner: er überfüllt die Fläche und häuft, unbekümmert um Klarheit,
willkürlich die Motive übereinander, so vor allem in den Dolchscheiden.
Mit souveräner Freiheit verwendet er alle überlieferten Motive und
verbindet sie in origineller, vorbildlicher Art, so die Grotteske
und das Rollwerk, welch’ letzteres er, seiner großzügigen Manier
entsprechend, massiv und einfach behandelt. So ist er in jeder Hinsicht
streng zu unterscheiden von den eigentlichen Kleinmeistern. -- Was
den Einfluß Italiens auf ihn betrifft, so verrät sich wohl in Manchem
die Kenntnis Como’s und der Certosa, doch nicht so, daß er mehr wie
Bücher, Stiche und Holzschnitte gesehen zu haben braucht: Venedig aber
und seine Umgegend hat er gründlich studiert und die Nachwirkung der
venetianischen Ornamentik ist nie zu verkennen.

So war also in den Jahren 1530-1540 die Richtung, welche man deutsche
Frührenaissance nennen kann, überwunden und es macht sich überall, auch
im Kunsthandwerk Nürnbergs das Streben nach reinerer »antikischer« Art
geltend; da konnte auch die Hafnerei nicht zurückbleiben. Die nötige
Grundlage war geboten durch die technische Errungenschaft, von der
wir im letzten Aufsatze sprachen: man hatte bereits angefangen, die
Kacheln größer zu bilden als bisher, diese neu gewonnene Fähigkeit
wurde nun begierig aufgegriffen und gesteigert: man konnte dadurch
und wollte von jener Übereinanderhäufung von Reihen kleiner Kacheln
absehen, was erforderlich, wenn man den ganzen Aufbau vereinfachen und
ihn zugleich zeitgemäß antikisierend umgestalten wollte. Jede Seite
des Aufsatzes erhielt nur mehr eine große Kachel -- höchstens noch ein
kleiner Fries darunter --, ebenso die Vorderseite des Feuerraumes,
dessen Nebenseiten aus zwei Kacheln zusammengesetzt wurden. Die Ecken
des Aufsatzes werden durch Pilaster, Säulen oder Hermen betont, welche
einen Fries und ein kräftig ausladendes Gesimse tragen; ein ähnliches,
von den gleichen Pilastern etc. an den Ecken und manchmal auch zwischen
den beiden Seitenkacheln gestützt, erhielt der Feuerraum, der sich nun
klar von dem Aufsatz scheidet. Beide haben, den Gesimsen entsprechend,
eine kräftige, reich gegliederte Basis, mit Akanthus, Schuppenornament
und dergleichen, geziemend geschmückt. Die Pilaster, Friese etc.
boten reichlich Raum zur Anbringung beliebter dekorativer Motive; die
großen Kacheln zeigen meist eine architektonische Umrahmung, Portikus
oder Nische, wie früher, aber in viel flacherem Relief und ohne
Häufung von Säulen oder Pfeilern; in dieser Umrahmung in der ersten
Zeit mit Vorliebe eine Vase oder eine einzelne Figur, eine Allegorie
oder ein Planet und anderes in dem Idealstile der Flötner, Solis und
Nachfolger; ohne Beifügung der ehemals so beliebten realistischen
Details. Mit geringen Ausnahmen verschmäht man alles Bunte und
bevorzugt die grüne Glasur, höchstens belebt durch leichte Vergoldung.
Die Modellierung ist meistens vorzüglich und läßt darauf schließen,
daß entweder tüchtige Bildhauer die Modelle der Formen herstellten,
oder daß einzelne Hafnermeister selber, wie später die Leupold und
andere, begabte Plastiker waren. Jedenfalls war der Geschmack der
Zeit soweit gestiegen, daß man sich nicht mehr mit rohen und sorglos
hergestellten Kacheln begnügte, und dem kam ein weiterer technischer
Fortschritt entgegen, die Verbesserung der grünen Glasur, ihre reinere
Zusammensetzung, welche einen viel dünneren Auftrag ermöglichte, bei
dem die Schärfe der Formen nicht allzusehr verlor; wesentlich trug dazu
bei, daß man jetzt die Reliefs zuerst mit einem feinen, weißen Thon
überzog, worauf die viel hellere und reinere Glasur in der Hauptsache
zurückzuführen ist. Bewundernswert ist bei den meisten der Kacheln
die außerordentlich geringe Dicke dieser großen Stücke. Mit dieser
Umgestaltung, die das eigentliche Prinzip, die Trennung von Feuerraum
und Aufsatz unangetastet ließ, ja eigentlich erst recht zum Ausdruck
zu bringen wußte, war für die fränkischen Hafner auf anderthalb
Jahrhunderte der Weg gewiesen, und sie hielten treu an diesem Schema,
sowie an dem quadratischen Grundriß des Aufsatzes und dem oblongen des
Feuerraumes fest.

Zu den ersten Stücken dieser Art gehören zwei heute auf der Burg
befindliche Öfen, deren Entstehen vielleicht noch in die dreißiger
Jahre des 16. Jahrhunderts fällt: der vielbesprochene Ofen im
sogenannten Arbeitszimmer des Königs und ein anderer im Wohnzimmer der
Königin.

[Illustration: Taf. II.

Grünglasierter Kachelofen, sogen. Hirsvogelofen, auf der Burg zu
Nürnberg.

Mitte des 16. Jahrhunderts.]

Nebenstehende Abbildung (Taf. II) enthebt mich einer genauen
Beschreibung des ersteren Ofens, der mit Recht einen großen Ruf
genießt. So häufig ich schon die Burg besucht habe, stets bin ich von
neuem frappiert von der vornehmen und schön gegliederten Erscheinung
dieses Stückes. Und dieser Eindruck nimmt eher zu als ab bei
eingehender Betrachtung desselben. Die sehr scharfe Pressung der
Formen, die offenbar aus noch kaum gebrauchten, aber auch vorzüglich
gearbeiteten Modeln entstanden sind, die -- wenige stark beschädigte
Stellen ausgenommen -- tadellose Erhaltung, die »Glätte und herrlich
gleichmäßige Farbe der Glasur, an der das feine Netz der Haarrisse
selbst jetzt noch, nach mehr als dreihundertjährigem Gebrauche kaum
sichtbar ist«, (Friedrich), Alles trägt zu diesem Eindruck bei. Dazu
kommt der schön gegliederte, einfache, zweckentsprechende Aufbau;
die reine, reizvolle Ornamentik, welche, obschon keine sklavische
Kopie, aus dem gleichen Geiste gedacht ist, wie die Marmorreliefs der
Venetianer Bauten, ohne natürlich deren Feinheit und Frische ganz
zu erreichen, was hier der Überschätzung Friedrichs gegenüber zur
Steuer der Wahrheit nicht verhehlt werden darf. Es ist begreiflich,
daß Friedrich, als er die Töpferthätigkeit Hirsvogels zu untersuchen
begann, in dem Ofen ein Werk dieses Künstlers zu finden glaubte,
eingedenk der Stelle Neudörfers: »Er überkam aber andere Gedanken, ließ
solche alle fahren, machte eine Kompagnie mit einem Hafner, der zog gen
Venedig, ward hie ehelich und ein Burger, bracht viel Kunst in Hafners
Werken mit sich, machte also welsche Öfen, Krüge auf antiquitetische
Art, als wären sie von Metall gossen, solches ließ er auch anstehen,
übergab seinen Mitgesellen den Handel, ward ein Wappensteinschneider
etc.[78]« Die hie und da laut gewordenen Zweifel, ob diese Stelle
nicht ganz, oder in ihren ersten Sätzen auf Hirsvogels Kompagnon
zu beziehen ist, scheinen mir mit Friedrich dem Sprachgebrauch der
Zeit und der Art nach, wie Neudörfer fortfährt, gegenstandslos zu
sein. Unterstützt wird dieser Bericht durch einen Ratsbeschluß (28.
Nov. 1530): »Augustin Hirsvogel’s halb soll den Hafnern ernstlich
gesagt werden, ine an dem, so ime ein rath vergönnt hat, der gesellen
und anders halben unverhindert zu lassen«[79]. Die sich von selbst
ergebende Deutung ist natürlich die, daß Hirsvogel um diese Zeit
schon Töpferwaren produziert hat und daß die eifersüchtigen Meister
des Handwerks ihn darob chikanierten. Daß Friedrich aufs eifrigste
bestrebt ist, dieser Stelle einen andern gezwungenen Sinn unterzulegen,
ist nur dadurch erklärlich, daß er streng an Neudörfers Version
festhält, wonach Hirsvogel erst nach aufgegebener Glasfabrikation
und nach seinem Aufenthalt in Venedig begonnen habe, Töpfereien zu
schaffen, statt also Neudörfer durch den Ratsbeschluß, gewissermaßen
letzteren durch Neudörfer korrigierte, während doch derartige Zeit-
und Motivangaben bei allen Kunstchronisten der früheren Jahrhunderte
von ihrem ganzen Berichte am wenigsten Zutrauen verdienen. Ohne
deshalb auf die romanhaften Konstruktionen einzugehen, in denen sich
Friedrich leider zum Schaden seines sonst so schätzenswerten Werkes
gefällt, müssen wir Neudörfers Stelle folgendermaßen interpretieren:
wohl aus dem gleichen Künstlerinteresse, wie seine Zeitgenossen, zog
es auch den Hirsvogel nach Italien und zwar gen Venedig. Ob vor oder
nach der Kompagnie mit dem Hafner, welche den Urkunden zufolge 1531
geschlossen wurde, zwecks Herstellung von Glaswaren auf venetianische
Art, wissen wir nicht, da die Stelle Neudörfers aus obigen Gründen in
dieser Hinsicht nicht beweiskräftig erscheint. Aus den Jahren vor 1528
haben wir keine Notizen über den Meister, möglich, daß er die Reise
schon um diese Zeit unternommen hat. Was er in Venedig gelernt hat,
ist schwer zu sagen. Die Darlegung Friedrich’s, daß es das Zinnemail
nicht gewesen sein könne, da solches in Venedig um 1530 noch nicht
verwendet wurde, ist nach den neueren Forschungen hinfällig. Sicher
um 1520 (vgl. O. v. Falke Majolika. Handbücher der kgl. Museen zu
Berlin 1896, p. 184 f.), möglicherweise aber schon vor 1500 war das
Zinnemail in Venedig eine bekannte Sache. Unter dem »Schmelzen«, das
er von neuem lernen mußte, ist doch wohl eine neue Art des Glasierens,
also nach Allem die Zinnglasur zu verstehen. Daß es nur eine reinere
Herstellung der Glasur und feinere Zusammensetzung der Thonmasse war,
was er als Gewinn nach Hause brachte, möchten wir bezweifeln. Die
offenbar sehr rührigen Hafner Nürnbergs, und gar ein findiger Kopf
wie Hirsvogel, konnten diese Vervollkommnung, die sehr nahe lag, wohl
ohne fremde Hilfe zu Stande bringen. Das Zinnemail dagegen war eine
Neuerung, deren Wichtigkeit Hirsvogel sofort einleuchten mußte, wenn
er die Venetianer Majoliken betrachtete und nach deren Kenntnis er vor
allem streben mußte. Vielleicht war er überhaupt durch den Anblick
venetianer Majolikenservice im Besitze Nürnberger Patrizier zu der
Reise veranlaßt worden; kann es doch nach den erhaltenen Urkunden
mit Recht zweifelhaft erscheinen, ob Nickel thatsächlich im Besitz
der richtigen Kenntnis war. Zugleich eignete er sich jene innige
Vertrautheit mit der geschmackvollen Ornamentik Venedigs an, welche
die Radierungen beweisen und die selbst nach dem Vorgange der Vischer
in Nürnberg noch Aufsehen erregen konnte. Daß das Kreuz in seinem
Monogramm, wie solches auf den Radierungen vorkommt (keine Kachel ist
signiert), darauf deutet, er habe eine Tochter des Maestro Lodovico in
S. Paolo geheiratet, dessen Platten das Kreuz als Marke tragen, dünkt
mir ohne urkundliche Anhaltspunkte doch eine sehr vage Vermutung:
das Kreuz in Verbindung mit dem Monogramm ist durchaus keine seltene
Erscheinung. »Als wären sie aus Metall gossen«[80], erklärt Friedrich
dahin, daß durch die Schärfe der Formen dieser Eindruck erweckt wurde,
wozu dann noch die Gleichmäßigkeit der Glasur betrug, oder vielmehr,
wie wir mit Falke’s Worten hinzusetzen: »die einheitlich glatte
Oberfläche der ~neuen~ Glasur oder die im Vergleich mit den übrigen
deutschen Irdenwaren feinere und dünnere ausgedrehte Masse, die an
Zinngeschirr oder an dergleichen erinnern mochte.« Schwierigkeiten
macht noch die Stelle: »welsche Öfen, Krüg und Bilder«. Unter letzteren
können wir uns allerdings kaum etwas anderes als Kacheln mit bildlichen
Darstellungen vorstellen. Ob wir aber der Verbindung halber, wie
Friedrich will, daraus schließen dürfen, Hirsvogel habe Krüge, d.
h. Vasen nur auf Kacheln angebracht, gar keine selbständigen Krüge
geschaffen, dafür scheint mir der manchmal etwas konfuse Neudörfer,
der sein Manuskript bekanntlich in acht Tagen niederschrieb, doch
nicht zuverlässig genug. »Auf antiquitetische Art« will wohl nicht
nur Grottesken-Dekoration, sondern auch den antikisierenden Aufbau
besagen. -- All’ die angeführten Umstände passen nun mit einer Ausnahme
auf den Ofen der kgl. Burg. Er ist aus dem gleichen Geiste in der
gleichen Zeit entstanden, wie die oben angeführten Beispiele der
Nürnberger Renaissance zwischen 1530 und 40 und in dies Jahrzehnt muß
auch Hirsvogels Töpferthätigkeit fallen, denn um 1542 muß er ihr in
der Hauptsache Valet gesagt haben, wie seine vielfache Beschäftigung
auf andern Gebieten und seine Entfernung von Nürnberg vermuten läßt.
Es liegt also sehr nahe, in ihm eines der von Neudörfer gerühmten
Produkte des Meisters zu erkennen. Auch in seiner Ornamentik, finden
wir zahlreiche Motive der späteren Ornamentstiche des Künstlers
wieder. Nur hat Friedrich übersehen, daß diese Ornamentstiche sich
von der klaren und maßvollen Dekoration des Ofens doch etwas durch
die willkürliche Häufung und dabei freiere, großzügigere Behandlung
der Motive unterscheiden. Auch fehlt in ihnen, soweit meine Kenntnis
reicht, das auf dem Ofen verwendete Motiv der Trophäe. Das kann indes
leicht aus der Entwicklung des Künstlers zu erklären sein. Bedenklich
aber ist der Umstand, daß gerade die Hauptsache, welche Hirsvogel
in Venedig gelernt haben muß, nämlich die Zinnglasur, hier keine
Verwendung gefunden hat, während es doch sehr wahrscheinlich ist, daß
der Künstler nicht versäumte, von dieser wichtigen Neuerung überall
Gebrauch zu machen. Mit der Annahme aber, wir hätten ein vor der
Venetianischen Reise entstandenes Produkt seiner Hafnerthätigkeit vor
uns, begeben wir uns ganz auf das Gebiet vager Konjunkturen. Wenn wir
nun auch die Möglichkeit nicht leugnen wollen, so dürfen wir doch nur
sehr bedingungsweise und des bequemen Namens halber, der zugleich die
offene Frage bezeichnet, fortfahren, von einem Hirsvogelofen zu reden
und müssen den Anteil des Meisters an der Veränderung des Ofenschemas
durchaus unentschieden lassen. -- Die Kacheln des Ofens scheinen sich
großer Beliebtheit erfreut zu haben und oft abgeformt worden zu sein,
so hat sich noch eine solche auf Schloß Friedensdorf in Schlesien
erhalten[81]. Mit anderen Friesen und einrahmenden Hermen versehen,
finden wir eine Imitation des ganzen Ofens, sowie der Vasenkachel
-- letztere nur durch ein über den Bauch der Vase gelegtes Band
bereichert -- in dem Ofen[82], der ehemals den Saal des Heubeck’schen
Hauses zierte und leider zusammen mit der prächtigen Täfelung[83] im
Jahre 1869 nach Frankreich verkauft wurde. Ofen und Täfelung dürften
den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts entstammen: eines der
Beispiele, denen wir noch oft begegnen werden, daß beliebte Stücke
manchmal noch um ein Jahrhundert später mit Hinzufügung einiger neu
entstandener Teile neu hergestellt wurden. Friedrich nimmt das Motiv
der Anbringung einer Vase auf Kacheln als Neuerung Augustin Hirsvogels
in Anspruch, und läßt eine ganze Reihe unten zu erwähnender Stücke
unter seinem Einfluß entstehen. Dagegen spricht, daß einige Öfen, die
dem Kunstkreis eines andern gleichzeitigen Meisters nahe stehen, das
Motiv ebenfalls, wenn auch in charakteristischer Verschiedenheit,
aufweisen, wonach ich glauben möchte, daß für beide ein italienisches
Vorbild anregend war, das mir zur Zeit noch unbekannt ist. Überhaupt
spielt die Vase ja in der gesamten italienischen und deutschen
Ornamentik der Zeit eine große Rolle.

[Illustration: Taf. III.

Grünglasierter Ofen mit teilweiser Vergoldung auf der Burg zu Nürnberg.

Mitte des 16. Jahrhunderts.]

In seiner äußeren Erscheinung steht dem Hirsvogelofen nahe der
grünglasierte, teilweise vergoldete Ofen mit buntglasierten
Einsatzkacheln des Aufsatzes (Taf. III) im Wohnzimmer der Königin, und
Friedrich hat nicht versäumt, ihn für seinen Helden zu beanspruchen.
Die Gründe, die er dafür geltend macht, sind indeß wenig stichhaltig:
so eine oberflächliche Verwandtschaft mit den Glasgemälden der
Rochuskapelle, die, wie wir sahen, kaum auf Augustin zurückzuführen
sind. Friedrich verfällt, wie noch oft, in den Fehler, der bei jeder
Arbeit auf dem Gebiet der deutschen Renaissance nahe liegt, von dem
wohl niemand, auch der Schreiber dieser Zeilen, sich ganz frei hält,
und der darin besteht, Ornamentmotive, die Gemeingut der deutschen
Renaissance oder einer gewissen Richtung derselben sind, als für den
gerade behandelten Künstler charakteristisch zu nehmen. Denn der
Austausch der Motive, gewissermaßen die Internationalität derselben ist
in dieser Zeit eine sehr große. -- Von dem sogenannten Hirsvogelofen
unterscheidet sich dies Stück durch die ungleichmäßigere Glasur, die
buntglasierten Einzelkacheln, die Vergoldung -- in ihrer heutigen rohen
Erscheinung sicher nicht ursprünglich --, die Kapitelle, die viel eher
auf Flötner hinweisen, und Anderes mehr.

Am nächsten verwandt ist der Ofen nicht nur durch den Triglyphenfries
mit Widderköpfen in den Metopen, sondern auch in der Ornamentik mit dem
obengenannten Schrank von 1541 im germanischen Museum. So finden wir
auf ihm die Vase mit dem Ährenbouquet wieder, die uns noch einmal auf
einem anderen Ofen begegnen wird. Die sehr beschädigten Kacheln des
Aufsatzes, in den üblichen Hafnerfarben glasiert, zeigen die ziemlich
plumpen Darstellungen des Jonas, wie ihn der Walfisch verschluckt, der
Taufe Christi und Abrahams Opfer, alles in weiter, roh behandelter
Landschaft. Weit besser sind die grünglasierten Kacheln des Feuerraums;
obwohl die Schärfe der Pressung zu wünschen übrig läßt, jedenfalls
aus einem vorzüglichen Model entstanden. Drei Personifikationen der
Stärke und anderer Tugenden auf Konsolen in einer Nischenarchitektur,
welche noch sehr an die Frührenaissance anklingt. Friedrich konnte
damit jene treffliche Kachel mit dem Bilde der Venus in Verbindung
bringen[84], welche durch die Schönheit dieses weiblichen Körpers
und dessen vorzügliche Modellierung mit Recht zu den besten Stücken
der alten Hafnerei gerechnet wird. Jetzt im k. k. österreichischen
Museum zu Wien, stammt die Kachel aus der Sammlung Seuter in Augsburg,
weshalb sie für dortiges Fabrikat unter dem Einfluß Holbeins gehalten
wurde. Sie ist aus demselben, nur leicht veränderten Model -- es fehlt
ein Stern zu Häupten der Venus und die Konsole ist etwas verschieden
gebildet -- entstanden, wie die vorgenannten. Das eingesetzte
Mittelbild stimmt ebenfalls im Styl überein und gehörte wohl zu
einer Parallelserie, der Ursprungsort der Kachel ist also zweifellos
Nürnberg; der Schärfe der Pressung nach darf sie gewissermaßen als
ein »erster Abdruck« gelten. Auch die Kacheln des Ofens lassen in der
Eleganz der Bewegung und der Schönheit des Faltenwurfes auf einen
tüchtigen Bildner schließen.

Ähnliche Einsatzbilder, wie die buntglasierten im Aufsatze dieses Ofens
zeigt derjenige im Schlafzimmer der Königin[85], ein zum Teil sehr roh
zusammengesetztes Stück von unreiner Glasur mit einzelnen Kacheln aus
der Zeit der besten Renaissance -- so der Fries, der noch in einem
ganz gleichen oder ähnlichen Exemplar[86] im Hamburger Museum und im
bayr. Nationalmuseum zu München (Nr. 315) erhalten ist -- und solchen
die etliche Jahrzehnte später aus rohen Modeln geformt wurden. Die
Hauptkachel gibt eine Nische, welche von großen plumpen Engeln, die
einen schweren Früchtenkranz halten, flankiert ist; diese Engel stehen
auf einem Postament, an dem Löwenköpfe mit Ringen angebracht sind.
In den von Muscheln abgeschlossenen Nischen finden wir wiederum die
Darstellung des Jonas, Opfer Abrahams, Taufe Christi, dazu noch Kain
und Abel. Ausnahmsweise sind dieselben nicht bunt glasiert, sondern nur
bunt bemalt. --

[Illustration: Fig. 24.

Buntglasierte Kachel im german. Museum.]

[Illustration: Fig. 25.

Grünglasierter Kachelofen in der Stadtbibliothek zu Nürnberg.]

Wie solche Szenen, hat man auch in dieser Zeit schon Genrebilder
verwendet: so befindet sich in unserem Museum eine buntglasierte
Kachel, offenbar zu einem Fries bestimmt, mit der Darstellung
einer Hirsch- und Hasenjagd (Fig. 24), die von einer gleich rohen
Hand wohl nach der Vorlage eines Holzschnittes oder einer Plakette
hergestellt worden ist. -- Weit höher steht jene, gleichfalls genrehaft
aufgefaßte Kachel mit dem Engel und Tobias in einer Landschaft[87]
als Einsatzbild, deren Originalform im Besitze des Kunsthändlers
Fleischmann in Nürnberg war, und welche Friedrich Hirsvogel zuschreibt,
da die Landschaft seinen Radierungen nahe verwandt sei. Letzteres
ist aber durchaus nicht so sehr der Fall, und außerdem könnte ein
beliebiger Hafner einfach eine Radierung Hirsvogels als Vorlage
benutzt haben; daß die Umrahmung 20 oder 30 Jahre später ausgeführt
sein muß, ist ja auch Friedrich nicht entgangen, er hilft sich aber
mit der Annahme, daß auch für diese ein ursprünglicher Entwurf des
Meisters vorgelegen habe. Auf solche Vermutungen einzugehen, ist
natürlich unmöglich. Noch weniger brauchen wir uns mit den sehr
willkürlichen weiteren Attributionen Friedrichs zu befassen[88]; alle
die betreffenden Stücke, größtenteils Produkte einer viel späteren
Periode, werden an geeigneter Stelle erwähnt werden. Friedrich war
eben dermaßen begeistert für seinen Helden und daher von dem Wunsche
geradezu besessen, die ganze Neugestaltung des Ofenschema’s auf
ihn zurückzuführen, daß er sogar in notorisch nach Virgil Solis
gearbeiteten Stücken seinen Geist wiedererkennt, daß die eine andere
Stufe der Entwicklung verratenden Rothenburger Ofenmodel als Imitation
Hirsvogels gelten müssen, ja, daß er noch den später zu besprechenden
G. Vest und die gesamte Töpferei Kreussens unter seinen Einfluß stellt,
kurz, die Arbeit einer ganzen Generation einem Meister zuschreibt.

[Illustration: Fig. 26.

Grünglasierte Kachel (Mitte des 16. Jahrh.) im german. Museum (A. 542).

Aus: Lübke, Geschichte der Renaissance in Deutschland. Stuttgart. Ebner
& Seubert. 1882.]

[Illustration: Fig. 27.

Grünglasierter Kachelofen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. im
Merkel’schen Hause zu Nürnberg.]

So wenig wir dem Allen zustimmen können, ebensowenig darf auch, was
die Nürnberger Öfen betrifft, Hirsvogel, wenn überhaupt, als der
alleinige Neuerer gelten. Einmal, weil die Umänderung zum Greifen
nahe lag, und derselben überall siegreichen Richtung ihren Ursprung
verdankt, wie zahllose andere Erscheinungen im Kunstgewerbe. Dann auch,
weil wir einige gleichzeitige Öfen auf die Inspiration eines andern
selbstständigen Meisters zurückführen, nämlich Peter Flötner’s, dessen
Bedeutung für das Kunstgewerbe, wie wir gesehen haben, mindestens
der des Hirsvogel gleichkommt. -- An erster Stelle ist da zu nennen
der Ofen in der Stadtbibliothek, wohin er aus dem städtischen Leihhaus
verbracht wurde (Fig. 25). Die Vorderseite zeigt in einer Nische die
Gestalt des Sol, ziemlich genau nach der Flötner’schen Plakette[89]
gearbeitet, in vorzüglich scharfer Pressung, die beiden Nebenseiten
eine Vase mit Tierfüßen als Henkel, ein vielfach, besonders aber von
Flötner angewandtes Motiv. Auch die Architektur der Nische steht,
nach der Hungern Chronica und dem Krakauer Altar zu urteilen, dem
Meister nicht fern. Der Feuerraum ist aus einfachen Schüsselkacheln
zusammengesetzt, nur unten ist ein Fries angebracht, der in oblongen
Kacheln an der Vorderansicht einen Triton und eine Nereide einander
gegenüber zeigt, an den Seiten zweimal zwei gegen einander gerichtete
Männer mit Fackeln, deren Körper in Blätter und dann, wie auch der
Fischleib der ersteren in elegant gezeichnetes, zur Spirale gewundenes,
echt Flötnerisches Rankenwerk übergeht. Von den letztgenannten Kacheln
besitzt unsere Sammlung ein Exemplar (Fig. 26). Auch die an den Ecken
angebrachten Engelsköpfe mit gegeneinander geschwungenen Flügeln,
erinnern an Flötner. An und für sich wäre es nun leicht denkbar, daß
der Meister, wie für Sessel, Betten und Thüren, so auch Entwürfe für
Öfen gemacht hat; er könnte sogar, wie später Eisenhoit, die Formen
für einzelne Model selbst gearbeitet haben, jedenfalls aber nicht
die getreue Nachbildung der Plakette. Sind dagegen nur Plaketten und
Holzschnitte Flötners als Vorlage benützt worden, so müssen wir das
große Verständnis anerkennen, mit welchem der Bildner die Feinheit
seiner Ornamentik wiederzugeben verstand. -- Die Frage ist schon
deshalb nicht zu beantworten, weil wir Bedenken tragen müssen, die
Zusammensetzung des Ofens als ursprünglich anzusehen. Wenigstens
will uns die bärtige Herme an der Ecke des Aufsatzes mit der Maske
an ihrem Fußgestell etwas später dünken; der Ofen ist wohl in einer
Hafnerwerkstatt, welche die Model nach Flötner besaß, in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts geschickt zusammengesetzt worden.

[Illustration: Fig. 28.

Detail des Ofens Fig. 27.]

[Illustration: Fig. 29.

Braunglasierte Kachel im bayr. Gewerbemuseum.]

[Illustration: Fig. 30.

Grünglasierte Kachel A. 1591, Ende des 16. Jahrhunderts im german.
Museum.]

Aus der gleichen Werkstatt ist noch der prächtige Ofen im Saale des
Merkel’schen Hauses (Karlsstraße) hervorgegangen (Fig. 27), dessen
Kacheln in den gleichen Nischen die Planetengötter nach der gleichen
Flötner’schen Plakettenserie zeigen[90] und zwar wie vorhin Sol, dann
Saturn, Luna, Jupiter, Mars, Merkur (Saturn und Jupiter zweimal).
Die Pressung ist nicht ganz so scharf wie bei dem vorgenannten Ofen.
Gemeinsam mit letzterem ist noch diesem Ofen die achtmal wiederholte
Frieskachel mit dem Triton und der Nereide, sowie die unteren
Gesimsglieder. Die schöne Füllung der Pilaster am Feuerraum zeigt
wiederum die charakteristischen Motive der Flötner’schen Ornamentik
(Fig. 28); hier finden wir auch die uns von dem Ofen im Wohnzimmer der
Königin und dem Schrank bekannte Vase mit dem Ährenbouquet und Anderes
wieder. -- Die Karyatiden des Aufsatzes, den Hermen des vorigen Ofens
nahe verwandt, vor allem aber die Behandlung der Gesimse und ihre
Verkröpfung machen die Annahme wahrscheinlich, daß der Ofen in dieser
Form dem Ende des 16. Jahrhunderts seine Entstehung verdankt, also
gleichzeitig ist mit der herrlichen Täfelung des Saales, die durch
ihre Komposition und Einzelausführung eine der besten in Nürnberg
genannt werden muß. Der Saal in seiner vollständigen Ausstattung mit
Decke, Wandtäfelung, Gemälden und Ofen trefflich erhalten, wurde
offenbar zugleich mit dem gänzlichen Umbau des Hauses eingerichtet,
welcher um diese Zeit stattgefunden haben muß, wie die Façade und
die interessante Hofarchitektur beweisen. Die Model der beiden Öfen
aber (mit den genannten Ausnahmen) müssen wir, der Reinheit ihrer
Dekoration halber, in die noch kein fremdes Element eingedrungen ist,
noch der ersten Hälfte des Jahrhunderts, etwa um 1540, zuschreiben.
Die grüne Glasur dieser hervorragend schönen Stücke ist sehr hell und
gleichmäßig; sie sind darin, wie in der Feinheit ihrer Ornamente
dem Hirsvogelofen ebenbürtig, während an Eleganz des Aufbaues ihm
derjenige im Merkelhause entschieden überlegen ist. Da die Autorschaft
Hirsvogel’s an dem Burgofen bis jetzt nur Hypothese, andererseits diese
beiden Exemplare sicher, und wie es scheint auch der Ofen im Wohnzimmer
der Königin auf Flötner’sche Inspiration zurückgehen, so müssen wir ihm
auch auf die Hafner seiner Zeit einen mindestens gleich großen Einfluß
zuschreiben wie Hirsvogel.

[Illustration: Fig. 31.

Grünglasierte Kachel aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. im german.
Museum.]

Diesem Nürnberger Renaissancestyl und besonders dem des Flötner nahe
steht der schöne Ofen im Rathause zu Ochsenfurt[91], der in seiner
maßvollen Verwendung des Dekorativen und fein profilierter Gesimse, im
Allgemeinen nur aus gleichmäßigen Schüsselkacheln bestehend, einen
sehr befriedigenden Eindruck macht. Ecksäulchen aus drei gedrehten
Bändern, unten ein Fries von oblongen Kacheln, in denen eine Vase
von zwei Männern gehalten wird, deren Körper in Blätter und feines
Rankenwerk übergeht, ähnlich den vorgenannten Öfen; kämpfende Putten,
die den Aufsatz krönen -- das ist der ganze Schmuck. -- Im gleichen
Geiste edelster Renaissance sind noch eine Reihe Schüsselkacheln
im German. Mus. (A. 601, 602, 1588, 1589) gehalten, in deren Ecken
gut modellierte Tritonen, Nereiden etc. angebracht sind. Von der
künstlerischen Höhe und dem Geschmack der damaligen Hafnerei zeugt
ferner das schöne Stück der Temperantia im Besitze des Bayrischen
Gewerbemuseums (Fig. 29). Die graziöse Bewegung, die eleganten, wenn
auch überschlanken Proportionen, die gute Modellierung und der flotte
Faltenwurf heben dies Stück über viele andere hinaus. Das Motiv ist der
Temperantia (B. 136) des Hans Sebald Beham entlehnt, welche wir später
noch einmal als Vorlage zu erwähnen haben. In diesem Falle möchte ich
aber fast glauben, daß zwischen der Kachel und dem Stich noch eine
nach letzterem gearbeitete Plakette gestanden hat. Zu dieser Annahme
veranlaßt mich der veränderte Kopftypus, das Fehlen der Flügel, die
aus dem Derben des Beham ins Schlanke übersetzten Proportionen, die
viel heftigere Bewegung, die gänzlich verschiedenen, durchaus nicht
knittrigen Falten und das ebenfalls verschiedene Beiwerk, wenn wir das
Alles nicht auf Rechnung des Modelleurs der Kachelform setzen wollen,
der dann künstlerisch recht selbstständig gewesen sein muß.

[Illustration: Fig. 32.

Ofenmodell, grünglasiert im german. Museum.]

Die Vase mit Blumen, der wir auf den großen Mittelkacheln des
Hirsvogels- und Bibliotheksofens zum ersten Male begegnet sind, ist
in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vielfach verwendet worden.
Auf der Kachel A. 1591 (Fig. 30) finden wir sie wieder, die Form
dem Stück der Bibliothek nahestehend, in einer Architektur, welche
von charakteristischem, hier recht großzügig behandeltem Rollwerk
umschlungen ist. Das Stück zeichnet sich durch seine dunklere, sehr
warme und gleichmäßige Glasur aus. Da man bei der ungewohnten Größe der
Kachel offenbar noch Besorgnis hegte, wird sie auf der Rückseite durch
zwei sich kreuzende Stege verstärkt, das Gleiche ist geschehen bei der
Kachel Fig. 31, deren Vase mehr an die des Hirsvogelofens anklingt.
Auch hier ist Rollwerk mit der Architektur der Nische verbunden. Die
in dem Entwurf schön gedachte Umrahmung ist durch die nachlässige
Ausführung sehr vergröbert worden; auch die fleckige Glasur wirkt
störend. Verwendet finden wir diese Kachel an dem Aufsatze eines nicht
hervorragenden Ofens unserer Sammlung (A. Röper-Bösch 15), bei dem
die beträchtliche Vertiefung der einen Schüsselkachel zu praktischen
Zwecken interessant ist. -- Das Vasenmotiv zeigen endlich noch einige
Ofenmodelle der gleichen Zeit, so das nebenstehend abgebildete
Stück (Fig. 32). Der Ausdruck Ofenmodelle dürfte wohl ungenau sein:
ich möchte kaum glauben, daß diese Stücke von Hafnern als Modelle
hergestellt wurden; sie dienten wohl von Anfang an zur Ausstattung von
Puppenhäusern, in welchen man in Nürnberg große Pracht entfaltete. Das
Germanische Museum besitzt allein fünf solcher, ob ihrer kompletten
und die Wohnungen getreu nachahmenden Einrichtung wichtiger Stücke; in
einem dieser Häuser entdecken wir auch die Miniaturausgabe eines Ofens,
der nur aus übereinander gereihten Vasenkacheln besteht. Ebenfalls
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstammt das bei Ortwein
abgebildete Ofenmodell unserer Sammlung[92].



[Illustration]

BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DES KAUFMANNS IM XV. JAHRHUNDERT.

VON DR. OTTO LAUFFER.

II.


In der ersten Sammlung dieser Beiträge (Jahrg. 1899, pg. 105 ff.) haben
wir in einer Reihe von Bildern die allgemeinen Handelsverhältnisse
des XV. Jahrhunderts näher zu beleuchten versucht. Indem wir uns
nunmehr den Einzelerscheinungen im Leben des deutschen Kaufmanns jener
Zeit zuwenden, erinnern wir uns, daß die Entwicklung des Kaufwesens
im allgemeinen an die ~Märkte~ gebunden war, deren Verkehr auf der
Grundlage eines besonderen Friedens und Rechtsschutzes[93] sich
entfaltete, in gleicher oder ähnlicher Weise wie es Boners Edelstein
100, 1 ff. darstellt:

    Ein margt huop sich in einer stat.
    der margt vil grôze vrîheit hât:
    es waerin vrouwen oder man,
    wer dâ ze margte wolte gân
    der hâte vride siben tage.

Von den Märkten kommen allerdings die auf den öffentlichen Plätzen der
Stadt abgehaltenen ~Wochenmärkte~ für die Entwicklung des Kaufwesens
kaum in Frage, weil dort eigentlich nur die vom Lande zu Markt
gezogenen Bauern die selbstgewonnenen Lebensmittel umsetzten. Etwas
anderes ist es freilich schon, wenn der Verkauf derselben in die Hände
der Zwischenhändler oder Höker übergieng, aber auch diese haben kaum
jemals den Anspruch auf den Namen Kaufmann erhoben. Ein richtiger
Kaufverkehr entfaltete sich erst auf den periodisch wiederkehrenden
~Jahrmärkten und Messen~, die sich im Anfang meist an kirchliche
Festlichkeiten angeschlossen hatten, und bei denen sich bald ein so
lebhaftes Marktgetriebe entwickelt hatte, daß auch der geweihte Raum
der Kirche selbst nicht mehr davor sicher war. »In der kirchen, oder im
kirchhoff, sol man nit iar merckt haben, kauffen vnd verkauffen,« in
diesen Worten Geilers [Narrensch. fol. 98[94]] zeigt sich, daß das alte
Verbot, das die Kirche namentlich im XIII. Jahrhundert immer wieder auf
das Entschiedenste hatte aussprechen müssen[95], auch am Ende des XV.
noch nicht überflüssig geworden war, ja der sonst so strenge Prediger
muß sogar noch hinzufügen: »ob man aber kertzle, oder liechtle zuͦ
der meß feil moͤge haben, die leerer seint hie wider einander.« Es war
also auch damals noch nicht ganz ausgeschlossen, in dem Raume der
Kirche selbst Verkaufsstände anzutreffen. Im allgemeinen aber hatte
sich der Markt schon von den geweihten Orten zurückgezogen und auf den
öffentlichen Plätzen und Straßen sich festgesetzt, und war so schon
rein örtlich betrachtet ein Anlaß der Spekulation für die Einwohner
geworden, »die dy hüsser ferleihen.... in der meß[96].«

[Illustration: Fig. 1. Wannenkrämer. Holzschnitt von Hans Frank 1516
aus Geiler, Brösamlin.

(Steinhausen a. a. O. Abb. 24.)[97]]

Diese Platzvermieter wenden sich nun natürlich an diejenigen Kaufleute,
die ihren festen Stand in der Messe haben, undenkbar ist es, daß sie
ihr Geschäft an den sogenannten »~Wannenkrämern~« machen. Das sind
»die kremer, die ihren krom feil tragen in einer wannen. Die selben
die schnöcken all winckel auß vnd haben vil narrenwerck vnd thorechte
ding feil, vnd haben pfeiflin im krom ligen vnd pfeiffen etwann
darzuͦ, vnd machen die lüt lüstig ze kauffen, vnd gond in der meß hin
vnd her vff alle stuben an alle ort, vnd wa lüt beieinander ston, so
sein die wannenkremer allwegen auch da. Das thuͦt aber ein rechter
Kauffmann oder ein hantwercks man nit, der sein war feil hat«[98].
Das Charakteristische dieser Wannenkrämer besteht also darin, daß
sie keinen festen Verkaufsstand haben, und ferner darin, daß sie auf
eine wenig vornehme Art die Käufer an sich locken, indem sie durch
Possen und derbe Spässe die Aufmerksamkeit erregen. »Der kremer ist
etwann XL järig, vnd reitet vff eim gemalten stecken daher«[99]. In
dieser letzten Art gleichen sie den -- meist an eine feste Kramstelle
gebundenen -- marktschreierischen und oft recht gaunerhaften Verkäufern
von Hausmitteln und Quacksalbereien, wie sie sich ja auch bis in unsere
Zeit auf den Jahrmärkten erhalten haben[100].

[Illustration: Fig. 2. Zusammenstellung von Waren, die auf der Messe zu
kaufen sind.

Holzschnitt von H. Frank aus Geiler, Brösamlin.

(Steinhausen a. a. O. Abb. 96.)]

Nur bedingt charakteristisch für die Wannenkrämer war die -- teilweise
auch in festen Krambuden anzutreffende -- ~Art ihrer Waren~. »Sie
haben etwann feil: gemalte rößlin, gemalte buppen, Lengold (=
Goldlahn, Lametta), Lepkuͦchen, Rechenpfenning, Rörlin, hüppen (=
eine Art Waffeln), oflaten, Kartenspiel«[101]. Jedenfalls trieben sie
einen nach dem Urteil der Kirche verwerflichen Handel, sie gehören
zu den »vnnützen kremern vnd kauflüten, der war nit not ist: sie
haben leichtfertige ding feil, als Schnurren (= Kreisel), Rechen,
Bloßbelg, Abbrechen (= Lichtschere), Flöchfallen, Blaw enten[102],
die vff holdtschuhen gon, vnd Scheiden vnd der gleichen torechte
ding. Die wil ich nennen frauwenkremer... Sie haben frawen werck
feil, wann die frawen etwann mit semlichen (= solchen) gackeldingen
guckis gackis vmbgond, darumb nenn ich sie frauwenkremer«. Durch
solche Dinge werden die Frauen zu Leichtfertigkeiten verführt, »vnd
etwann so kummen sie vor den selben kremen zuͦsammen, vnd so muͦß
er (= der Liebhaber) ir ein blaßbalck kaufen, so kramet sie im ein
abbrechen. Die ding machen sie dann vff den ermel, vnd so verstond
sie dann einander, was es bedütet, vnd der eeman lachet sein dann,
vnd ist gar ein fein ding, vnd ist als narrenwerck«[103]. (Vergl.
Fig. 1.) Die Wannenkrämer dienen also der Sünde, wodurch sie selbst
auch sündhaft werden, und solange sie diesen Handel treiben, können
sie keine rechte Buße thun. »So eyner in seinem kauffmannschatz vmgat
mit wuͦcher, vnd fürkauff vnd die leüt betreügt, ouch die würffel
vnd kartenspiel machend, vnd deßgleichen, so lang er dißen vnrechten
kauffmanschatz vnd das gewerb treibet, so lang mag er nit wäre buͦß
tuͦn für sein sünden«[104]. Geiler gibt einmal (Brösaml. I. fol. 92)
eine sehr interessante Zusammenstellung aller der Dinge, mit denen
man seiner Überzeugung nach von geistlichen und weltlichen Rechtes
wegen keinen Handel treiben darf, und wenn auch die Stelle freilich
nur zum Teil hierher gehört und es erst recht zu weit führen würde,
in allen Einzelheiten hier näher auf sie einzugehen, so will ich doch
nicht versäumen, sie ganz anzuführen. »Ein frummer kaufmann sol feil
haben guͦte Kaufmannschatz, nit verlegen ding, erbere ding, die nit
verbotten sein. Waz ist verbotten, zuͦ uerkauffen? Geistlich ding
(Spiritualia); Gifft (Venena); Prophand (Frumenta publica); Purpurwol
(Vellus muricis); Vßgeschnitn kind (Eunuchos); Vnnütze ding (Prophana);
Freie menschen (Liberos homines). -- Zu dem ersten sein verbotten
geistliche ding, als meß lesen, vnd was geistlichen Dingen anhangt
(Annexa). Ich hort einist von eim, das im einer fünff pfening wolt
geben, er solt im ein meß leßen, da sprach er »ich mag es kum in der
werckstat selber darumb haben«. Es was aber schimpff (= Scherz), wie
wol man nit darmit schimpfen sol. Es seind darnach die Sacrament, die
sol man auch nit verkauffen[105]. -- Vnd zu dem andern: gifft sol man
nicht verkauffen, dann mit vnderscheid... -- Das drit ist prophand,
als da man wein vnd korn einem herren zuͦfürt vnd devotis militibus,
andechtigen Rittern, wer das vffkauft vnd andern verkauffen wil, ist
der kauffman ein grosse person, so sol er leib vnd guͦt verfallen
sein, ist er ein gemeine person, so sol man im den kopff abhauwen. --
Daz vierd ist vßgeschnitnen kinden, besunder so es römer kind sein, sol
man nit verkauffen, aber andere kind mag man wol verkauffen. -- Daz
fünft ist purpurwol, dem gemeinen man sol man es nicht verkauffen, bei
kopff abhauwen. -- Zu dem VI. Freie menschen sol nieman verkauffen.
Der vatter in hungers not mag er den sun verkauffen, vnd sunst nicht,
aber die fraw nit. Er mag die frauw nicht verkauffen, vnd die muͦter
mag den sun nicht verkauffen, sie leid hunger oder nicht. -- Zu dem
sibenden Lusoria instrumenta, Spilwerckzüg vnd ding, die da schedlich
seind, üppig, weltlich gezierd, kartenspil, würffel, vnd ding, dy man
niendert zuͦ bruchen kann, denn zuͦ narrenwerck, sol man auch nit
verkauffen.«

Das zuletzt genannte Verbot richtet sich also ganz deutlich mit gegen
die Wannenkrämer, indessen ist es kein Zweifel, daß dieselben sich
durch solchen Kirchenspruch nicht gar zu sehr anfechten ließen, und
wenn sie selbst darnach strebten, ihren fliegenden Handel mit einem
festen, die Wanne mit dem Kramladen zu vertauschen, so wurden sie nicht
durch religiöse Bedenken dazu veranlaßt -- zumal in vielen Fällen nicht
einmal ein plötzlicher Wechsel in der Art ihrer Waren damit verbunden
war --, sondern vielmehr durch das natürliche Verlangen, in der
~sozialen Gliederung ihres Standes~ eine Stufe höher zu steigen. »Zuͦ
dem ersten so treyt er seinen krom in einem wenlyn hin vnd her, Streel
vnd spiegel. Wan er etwas überkumpt, so will er darnach ein gedemly
haben, vnd würt darnach ein kaufmann vnd haltet huß, er hört nit vff,
er sei den in einer geselschaft, noch hört er nit auf, er will ein
galeen vff dem mer haben«, mit diesen Worten schildert Geiler (Brösaml.
I. fol. 90) die Stufenleiter innerhalb des Kaufmannsstandes. Der
Wannenkrämer wird zum Besitzer eines Gadems, eines Kaufladens, darnach
wird er Großkaufmann und begründet ein Kaufhaus, dann schließt er sich
einer Handelsgesellschaft an und hört nicht eher auf, als biß er an den
überseeischen Handelsgeschäften seinen Anteil bekommen hat.

Wenn er es aber soweit bringt, so hat er vorher viel Mühe und Not zu
überstehen: »ein kouffman, will der groß rychtum haben, er muͦß
luͦgen, daz er vßryt gon Andorff (= Antwerpen), gon Mechel, gon
Lyon oder Venedig, io dick (= oft) in schnee, kelt, frost, wind vnd
regen, vnd in grosser widerwertigkeit, des er wol überhaben wer vnd
doheymen am trucken sässe in einer warmen stuben bey seiner frawen
vnd lieben kinden. Aber daz verlot er allesammen allein vmb zeytlichs
guͦts willen. Ich will geschwigen dozuͦ, daz er muͦß menge böße
ellende herberg haben vnd vil übel zeyt, vnd muͦß offt nacht in
den herbergen in winckelen oder lußigen wuͦsten betten ligen, vff
schmutzigem deller essen, vnd zeren menge böße ürten vnd wuͤste
suppen, vnd dennocht dz thür genuͦg bezalen, vnd muͦß dozuͦ
groß sorg, angst vnd not haben, vnd zuͦm dickren mol lib vnd leben
zuͦm guͦtt doran wogen«[106]. So hatte der Kaufmann auf jeder
~Geschäftsreise~ unzählige Unbequemlichkeiten zu überstehen, bei jedem
Aufbruch zur Messe mußte er sich gefaßt machen, von wegelagerndem
Raubgesindel überfallen, ausgeplündert und an Leib und Leben gefährdet
zu werden[107]. Von schwerer Sorge war er befreit, wenn er das Ziel
seiner Reise glücklich erreichte, und es ist wohl zu verstehen, wenn er
sich dort für ein paar Tage mit vollem Behagen dem Lebensgenuß hingab,
ehe er seine Geschäftsthätigkeit aufnahm. Das ist es, was Geiler,
Narrensch. fol. 121 andeuten will mit den Worten: »ein kauffmann, wan
er kumpt geen Franckfurt, geen Nierenberg, so gat er dem spil nach,
dem fressen vnd suffen, vnd vergißt seiner kauffmannschatz, das sein
arm fürnemen was« eine Äußerung, die nichts anderes heißen kann, als
daß der Kaufmann von den Anstrengungen der Reise sich erholte in den
Gildehäusern oder Kaufleutstuben, wo zumal vor Beginn der Messe ein
reich bewegtes Leben und Treiben sich entfaltete, wo alte Bekannte aus
weit entfernten Gegenden sich in gleich angeregter Stimmung trafen und
mit gleicher Bereitwilligkeit das Geld hinaus gehen ließen.

Nach dem Vergnügen folgte dann die Arbeit schon bald genug, nach der
Verschwendung das Feilschen um den Pfennig, und dessen kann man gewiß
sein, daß derjenige Kaufmann eine sehr große Seltenheit bildete, bei
dem Geilers -- wohl mehr der Nutzanwendung zu Liebe gewähltes -- Bild
(Brösaml. II. fol. 64) zugetroffen hätte: »Ein begiriger kauffman, der
etwan findet zuͦ kauffen ein edlen stein, so spricht er nit zuͦ
dem der den stein hat, »wie wiltu in geben?« er zelt ym das gelt auch
nit, er wigt es ym auch nit, er messet es auch nit, er thuͦt auch
den seckel nit vff, er zerreißt vnd zerschneidet den seckel vff, vnd
spricht, nym als vil als du wilt.« Wir haben ja schon gehört, wie sehr
man sich vor den Warenfälschungen zu hüten hatte[108] und wir werden
noch sehen, welchen Übervorteilungen man beim Kauf selbst ausgesetzt
war, kein Wunder, wenn der Kaufmann sich beim eigenen Einkauf nicht
betrügen ließ. Es ging nun einmal nicht anders, er mußte ein weites
Gewissen haben, und wenn wir im XIII. Jahrhundert schon von Caesarius
von Heisterbach hören, ein Kaufmann könne kaum ohne Sünde sein, so
setzt im Anfang des XV. Jahrh. Joh. Nider (a. a. O. fol. 1a) die
alte Klage fort, »cum mercatorum officium tot suspectis contractibus
circumvolutum agnoscatur moderno tempore, ut experti animarum medici
iustum ab iniusto vix valeant discernere.« So sehen wir sie denn über
die Messe ziehen und mit kaltem Blut den »Nachkauf«[109] treiben, »da
sie eim die gurgel abstechen, vnd ein armen man zwingen vnd tringen,
daz er in zuͦkauffen muͦß geben, als man nach dem end der meß
thuͦt, vnd die meß vßgat, da einer verhalten hat, vnd dieselben denn
vmbher gon vnd einander vnder den armen füren, vnd dann hinzuͦ gon
vnd sich also stellen, als ob sie nit wöllen kauffen, vnd sei nüt des
dings, vnd seind doch darumb da. Also würt der genötigt, daz er muͦß
sein war neher geben weder sie wert ist vnd er sie selber hat«[110].

[Illustration: Fig. 3. Verladung von Waren in ein Kauffahrteischiff.

Holzschnitt aus: Buch der Zerstörung Trojas. Augsburg, Sorg. 1479.

(Steinhausen a. a. O. Abb. 17.)]

Auf die Einzelheiten des Kaufaktes werden wir später zu sprechen
kommen, zunächst müssen wir noch mit ein paar Worten auf die
~Geschäftslaufbahn~ des Kaufmanns zurückkommen. Als Wannenkrämer fingen
natürlich nur die allerwenigsten von denen an, die uns später als
Großkaufleute entgegentreten, weitaus die meisten übernahmen als Söhne
von Kaufleuten einfach den väterlichen Handel. Zu ihrer Ausbildung
erachtete man in wohlhabenden Familien eine auswärtige Lehrzeit, am
liebsten im Auslande, für notwendig: »mancher kauffmann sendet seine
suͤn in welsche land«[111]. Nach beendeter Lehrzeit tritt der
junge Mann in das väterliche Geschäft ein oder er macht sich gleich
selbständig, hält selbst Haus und stellt eigene Bedienstete an, die er
dadurch möglichst an sein Geschäftsinteresse zu binden sucht, daß er
ihnen einen gewissen Anteil am Gewinn gibt, denn »es ist vernunfftig,
wenn ein kauffmann lot daz gesind, den gadenknecht auch teil haben
am gewerb, wann sie seind desto trüwer, vnd schencken dester minder
hinweg, so sie an yeglichem ding ir teil haben des verkauffens«[112].
Derweilen besorgt er selbst die Geschäftsreisen, unterhält die
überseeischen Beziehungen -- »iedermann weiß, mit was sorg und arbeit
die kaufleut daraffter faren biß gon india, sie fliehen armuͦt durch
wasser vnd erdtreich«[113] -- und endlich führt er die Verbindungen
mit den Mitgliedern seiner Handelsgesellschaft[114], »da etwann acht
oder zehn kauffmann ir gelt zuͦsammen legen, kauffmannschatz damit
zu treiben, ayner ligt zuͦ Rom der ander zu Venedig, der drit zuͦ
Nürnberg, der vierd zuͦ Antorff«[115]. Zur näheren Charakterisierung
dieser Genossenschaften, die übrigens, wenn irgend möglich aus
Angehörigen ein und derselben Familie sich zusammensetzten, wird es
genügen, noch die Worte anzuführen, mit denen Geiler (Brösaml. II.
fol. 35) sich darüber äußert: »In der grossen gesellschaft, da seind
die kauflüt miteinander verpflicht. Da legt einer fünft hundert
güldin, einer zwei hundert güldin, vnd haben ir gewerb zuͦ Venedig,
zuͦ Lugdun, zuͦ Antorff, vnd vberal ire verweßer. Wenn einer
gewint oder verlürt, so gewinnen oder verlieren sie alle zusammen,
vnd wenn sie zusammen kummen, so seind ettwann zwei tausent güldin
gewunnen, so wissen sie bei der rechnunge, was yeglichem gehört,
nachdem vnd er gelert hat.« Die verschieden große Beteiligung der
Mitglieder, das gemeinsam getragene Risiko, die Arbeit an den einzelnen
Niederlassungsorten, das Wirken der Verweser dortselbst, schließlich
die Generalversammlung der Mitglieder und die Verteilung des Gewinnes
entsprechend dem Maße ihrer Beteiligung und ihrer Geschäftsgewandtheit,
das alles hat Geiler in jenen wenigen Worten sehr hübsch und
anschaulich zusammengestellt.

       *       *       *       *       *

Wir wenden uns der ~Schilderung des Kaufaktes~ zu, und indem wir den
Käufer beim Eintritt in den Kaufmannsgadem begleiten und die ausgelegte
Ware ins Auge fassen, erinnern wir uns dessen, was wir über die
häufigen Fälschungen gehört haben, und treten nicht ohne Mißtrauen an
die Auslage heran. In der That zeigt sich bald, daß dasselbe berechtigt
ist, und wir wundern uns nicht mehr allzusehr, wenn wir im Jahre 1512
Murner in seiner Schelmenzunft (Kap. XXV) schelten hören:

    »Wer nit schmieren kan eyn fall,
    Mit hunig streichen gifft und gall,
    Saur mit sieß vermischen kan:
    Der kum in die meß gon Franckfurt gan.
    Do lernstu wol des kouffmans dandt,
    Wie mans treibt in allem landt.
    Das obrist ist schon zuͦ gerist:
    Luͦg du für dich, was vnden brist!
    Der schonfal hatt eyn guͦt gesicht,
    Wie wol dem andren fill gebricht.
    Dorum so heißt es: oben thuͤr,
    Oben sieß vnd vnden sur!
    All ding sindt vff den kouff bereyt,
    Was man feil zuͦ messen treidt.
    Wie kan der ietz ein koufman seyn,
    Der seyn fall nit richt doreyn
    Vnd streicht das speckly vornan dran,
    Do mit man narren fohen kan?
    Die kremer hant guͦt reich zuͦ werden,
    Wo narren kouffen on geferden.

           *       *       *       *       *

    Betriegens, roubens wilt dich neren:
    Die kouffleuͤt henckt man fuͤr die statt,
    Der solche keuͤff getribben hatt.
    Fur wor, es wer myr gleich so lieb,
    Das myr meyn gelt doch stil eyn dieb,
    Den das mich eyner offlich trugkt
    Und so schedlich mir erluͤgt!
    So ich doch meyn, es sei gelouben,
    So ist es nuͤt, den stelen, rouben.«

Die betrügerische Kunstfertigkeit der Verkäufer, ihre Waren über Gebühr
anzupreisen, hatte schon Johannes Gerson am Anfang des 15. Jahrh.
verdammt: »vitetur mendacium (et specialiter ad damnum alterius) in
laudando suas merces multo plus quam iudicentur esse laudandae«[116],
Nider bestätigt, daß der Kaufmann die Leute verführt, zu teuer zu
kaufen, »ementem aliqua arte signorum factorum uel verborum, eciam
si vera sint, inducit ad emendum carius quam alias«[117] und Geiler
(Brösaml. I. fol. 91) läßt uns gar die ~Anpreisungen~ selbst hören:
»Einer sprichet, »das ist ein guͦte war«, vnd doch nitt werdt ist,
»ich hab das thuͦch daher kaufft, vnd hab es dem vnd dem auch also
verkaufft vnd dennocht zweier oder dreier pfenning thürer geben,
vnd mag nitt darbei beston, so mir got müß helffen, es ist also.«
Vnd du weist wissenlich, das es falsch ist.« Oder an einer andern
Stelle[118] sagt er: »Du kumpst gar selten in ein gaden, du findest
des affenschmaltzes darin. Kumpst du in ein thuͦch gaden, so hebt
man dir ein thuͦch herfür: »Sehen, lieber her, ab dem ist auch noch
nie kein elen kummen.« Affenschmaltz ist da! »Vnd het ich ein guͦt
thuͦch im hindersten winckel, ich wolts euch geben«. Vnd wann du
dich also laßt salben, vnd mit disem affen schmaltz laßt schmieren,
wan du hinweg kumpst, so halt er dich für ein narren, vnd gibt dir
den muff nach (= er verhöhnt dich).« Selbst wenn ein Verkäufer -- was
zwar selten genug vorgekommen zu sein scheint -- den Grundsatz hatte,
keine gefälschte Ware zu verkaufen, so schreckte doch offenbar so gut
wie niemand davor zurück, ~fehlerhafte Stücke~ als tadellos und zu
gleich hohem Preise loszuschlagen. Zwar hatte Gerson (a. a. O. fol.
d a b) schon entschieden sich dahin ausgesprochen, daß solche Mängel
nicht verheimlicht werden dürften, und daß der Preis herabgesetzt
werden müßte: »si in mercibus sive venialibus sunt magni defectus,
qui sciri non possunt aut percipi, sive recipiendo sive tangendo
non debent celari, nec vendi debeant ac si praedictos defectus non
haberent«, aber bei Nider, der doch sonst auch nicht gerade mit seiner
Meinung zurückzuhalten pflegt, scheint mir schon aus der ganzen Art der
Fragestellung: »numquid venditor tenetur defectum rei vendendae dicere
emptori«[119] hervorzugehen, daß die Zeit mehr geneigt war, es für das
Risiko des Käufers zu halten, ob er ein gutes oder ein weniger gutes
Stück bekommt.

[Illustration: Fig. 4. Der Kaufmann mit der falschen Elle. Aus den acht
Schalkheiten ca. 1470[120].

(Steinhausen a. a. O. Abb. 30.)]

In dem letzteren Falle würden also die Kaufleute etwas entlastet
werden, dagegen ist es aber kein Zweifel, daß sie von der immer wieder
erhobenen Anschuldigung, zu ~kleines Maß und Gewicht~ zu gebrauchen,
mit vollem Recht betroffen wurden. Wenn im Jahre 1494 Brant’s
Narrenschiff 102, 30 ff, die Klage erhebt:

    »Man hat klein mossen vnd gewicht
    Die elen sint kurtz zuͦgericht.
    Der koufflad muͦß ganz vinster syn
    Das man nit seh des tuͦches schyn.
    Die wile einer duͦt sehen an
    Was narren vff dem laden stan,
    Gent sie der wogen eynen druck,
    Das sie sich gen der erden buck,
    Vnd frogen eyns, wie vil man heysch.
    Den turnen wigt man zuͦ dem fleysch,«

wenn ferner Geiler (Narrensch. fol. 198 b) in Anlehnung an Brants Worte
sagt: »Item welcher ist gerecht in quantitate, in der zal, im gewicht
vnd in der maß? Acht lot für V! Die metzger wiegen iren dumen! In
numero: X für XII biren, öpffel, ein kurtze elen, falsche sester[121],
vnrecht maß zuͦ dem oͤl, wein, hunig etc.« -- ist es nicht das
alte Lied, das auch Nider (a. a. O. fol. 5a) schon gesungen hat: »In
quantitate eciam fraus committitur, que per mensuram cognosci potest,
ideo si quis scienter utatur deficienti mensura in vendendo per modium,
virgam, pondus et similibus deficienter mensurando.«

Verminderung von Maß und Gewicht waren aber nicht die einzigen Mittel,
durch die die Verkäufer sorgten, daß sie nicht zu kurz kamen, auch ihre
~Preise~ darauf einzurichten, verstanden sie vortrefflich. Offenbar war
beim Kauf ein hartnäckiges Handeln und Feilschen sehr stark üblich, das
Publikum feilschte, weil es wußte, daß die Verkäufer aufschlugen, und
weil die Verkäufer wußten, daß das Publikum handeln werde, so schlugen
sie nur noch mehr auf. Gerson (a. a. O. fol. d I. b.) hatte deshalb
schon angeregt, die Kaufleute sollten feste Preise einführen, der
Verkauf würde dann schneller und vor allem in einer Gott wohlgefälligen
Weise von statten gehen: »ad cauendum periurationes et mendacia et alia
peccata ego consulo seruari consuetudinem quorundam bonorum et fidelium
mercatorum, hoc est non superferre suas merces sed eas vendere ad vnum
verbum. Et quando videbitur haec consuetudo, citius et brevius emetur
et fiet placitum deo.« Gerson stützte sich bei diesem Vorschlage auf
die Erfahrungen, die »einige gute und rechtschaffene Kaufleute« damit
gemacht hatten, man sieht schon, daß dieselben eine Ausnahme bildeten.
So konstatiert denn auch Nider (a. a. O. fol. 17b) einfach: »institores
et mercatores consueverunt, preciosius exhibere quam valeat«, und 70
Jahre später führt Geiler (Brösamlin I. fol. 91b) dasselbe näher aus
mit den Worten: »Thürer bieten weder man es geben wil, vff das der
kauffmann kum vff das recht mittel, das ist tegliche sünd. Als so einer
ein elen thuͦch wil geben vmb sechß schiling, solt er es also bieten,
so het der, der es kauffte, kein benügen daran, sunder er wolt es
haben vmb sechßthalben schilling. Darumm so thuͦt er eins vnd bütet
es vmb sibenthalben schilling, vff das er kum vff das recht mittel,
vff den rechten kauff.« Natürlich wenn der Käufer den Wert der Ware
nicht abzuschätzen vermochte, oder wenn er durch irgend welche Ursache
gezwungen war, gerade ein bestimmtes Stück zu kaufen, oder schließlich
wenn er sich nicht auf das Handeln verstand und den ausgesetzten Preis
entweder ganz bezahlte oder nicht genug herunterhandelte, dann strich
der Verkäufer den Aufschlag ohne Skrupeln ein und lachte sich ins
Fäustchen. Potest etiam fraus tribus aliis modis committi in vendendo.
Primo si homini inexperto circa rem, seu simplici superuendit rem
scienter. Secundo si vidit, emptorem artatum necessitate nel inordinata
affectione impulsum, et propter hoc superuendit. Tertio quin venditor
scienter verbis rem, quae vix valet vnum denarium, exhibet pro quatuor.
Et emptor ex verecundia vel quia credit, non superexhiberi rem plusquam
vnum denarium, dat tres pro ea.«[122]

Man kann sich denken, wie empört nachher der Käufer war, wenn er
erfuhr, daß ein anderer bei demselben Händler dieselbe Ware bedeutend
billiger gekauft hatte, wußte er doch, daß ein Wechsel der Preise in
der Regel nur geringfügig ist und auch nur allmälig sich bildet. Daß
man freilich den Preis nicht für alle Verhältnisse auf Heller und
Pfennig genau fixieren könne, daß also ~Preisschwankungen~ möglich
wären, das war dem Publikum völlig vertraut und verständlich, wie
wir aus vielen Stellen bei Nider erkennen können, z. B. wenn er (a.
a. O. fol. 9b) sagt: »Justum precium non est quodcunque punctualiter
determinatum sed magis in quadam aestimacione consistit, ita quod
modica addicio vel minucio non videtur aequalitatem iusticiae tollere.«
Nur verlangte man, daß der Preis in einem vernünftigen Verhältnis zu
den Spesen, die auf der Ware lasten, angesetzt würden, und daß man
im allgemeinen beim Kauf auf Borg nicht teurer zahlen müsse als bei
Baarzahlung: »custodiatur bona fides secundum quod merces constiterint
et pro quanto vendi possint saluo sufficienti lucro secundum labores
factos et secundum tempus quod currit. Et quod propter simplicitatem
alterius aut bonam fidem non fiat ei peius. Item quod non vendatur
carius ad credulitatem quam ad argentum, nisi forte haberetur damnum
magnum in non habendo argentum[123]«. Das aber mußte, vor allen
Dingen bei den Armen, schweren Anstoß erregen, wenn sie sahen, daß
einflußreiche Leute, Mitglieder des Rates u. s. w. kein Bedenken
trugen, in Rücksicht auf ihre Stellung sich Vorzugspreise gewähren zu
lassen, wie wir z. B. einmal bei Geiler (Brösaml. I. fol. 83b) lesen:
»Wenn einer im regiment ist, vnd sol fisch kauffen, so bekent in der
fischer gar wol vnd gibt sie im allwegen dreier oder vier pfening
neher, dann wenn er nit im regiment wär. Wer weiß, wa er des herren
würd bedörffen!«

In inniger Beziehung zu den Preisen steht natürlich der ~Verdienst~
der Kaufmanns. Ein jeder, der ein ehrenhaftes Gewerbe treibt, hat
Anspruch auf Verdienst: »vnumquemque in opere honesto reipublicae
servientem oportet de suo labore vivere honeste. Honeste dico propter
meretrices histriones et inhoneste viventes«[124]. Nach der Größe
und der Gemeinnützigkeit seines Fleißes und seiner Bemühungen, meint
Nider[125] solle der Kaufmann seinen Verdienst bestimmen, und ebenso
nach der Größe und dem Werte seiner Ware: »mercator debet cum timore
luctum recipere racionabiliter secundum noblitatem et gravitatem
et utilitatem curae, laborum, industriae et sumptuum, quos et quas
contingit habere, nec non secundum magnitudinem, multitudinem aut
preciositatem rerum, in quibus servit aut ministrat hominibus.« Ein
Hökerweib könne an ihrem Kohl nicht so viel verdienen wollen wie der
Krämer an seiner Ware, und dieser wieder müsse hinter dem Großkaufmann
zurückstehen, der die Importen auf den Markt bringt: »penestica
vendens pisum vel olera, et de vno facili comitati serviens non tantum
lucri recipere potest sicut institor vendens nobiles et multum vtiles
mercantias. Nec institor in quiete quodammodo residens ceteris paribus
potest tantum lucri recipere eciam de aeque magna pecunia sicut
adducens res aeque bonas de partibus longinquis«[126]. Im allgemeinen
hielt man einen Durchschnittsgewinn von 30 bis 40 % für angemessen,
worüber Steinhausen (pag. 77) nähere Angaben macht. Nider (a. a. O.
fol. 12a) berechnet den Verdienst mit 50 % wenn er sagt: »esto quod
mercator statuat in corde suo, quod pannum, quem habet pro sex, velit
dare pro nouem solidis«.

Waren Verkäufer und Käufer nun handelseinig geworden, so hatte der
letztere eine ~Anzahlung~ zu leisten, dadurch wurde das Geschäft
endgiltig besiegelt. Dieses »Aufgeld«, auch »Gottespfennig« genannt,
wurde dann bei der abschließenden Bezahlung vom Kaufpreise abgezogen:
»das vffgeld, das in latein würt genannt arra: wenn einer etwas kaufft,
es sey ein hauß, acker oder matten, wein oder korn, so gibt er dem
verkauffer etwas daruff, ein teil geltes, so er im schuldig ist. Damit
ist der kouff beschlossen vnd gewiß gemacht, das es also bleiben sol
vnd stet gehalten werden -- würt ettwen genannt ein gotzpfenning, den
man daruff gibt, vnd nit me, vnd ist ein vnderscheid zwüschen eym pfand
vnd vffgelt. Wenn so die betzalung geschieht, so gibt man das pfand
herauß aber nit das vffgelt, sunder man erfüllet es mit der übrigen
betzalung«[127].

       *       *       *       *       *

Wenn wir zum Schluß uns mancher Einzelheiten erinnern, über die unsere
Zusammenstellungen einige Klarheit zu verbreiten gesucht haben, so
müssen wir mit Schmerzen gestehen, daß übermäßig viel die Rede sein
mußte von Lug und Betrug, von Warenfälschungen und Wucherpreisen, von
Geldschneiderei und unredlichen Spekulationen. Wir müßten demnach ein
ungemildertes Verdammungsurteil über den Kaufmann des XV. Jahrhunderts
aussprechen, und wir dürfen es auch nicht verschweigen, daß die
Erhebung gegen den unerträglichen Druck des Großkapitalismus, der sich
in den Händen der großen Kaufherren angesammelt hatte, nicht einer
der geringsten Beweggründe war für die aufständischen Bewegungen und
die revolutionären Stürme, die am Beginn des XVI. Jahrhunderts in so
vielen deutschen Städten zu erschreckendem Ausbruche kamen[128]. Um
so mehr fühlen wir uns aber verpflichtet, auch dessen zu gedenken,
was den Kaufmann zum Teil entschuldbar erscheinen läßt, dessen, was er
von anderen Ständen zu erdulden hatte, der vielfach hervortretenden
Unsicherheit des Erwerbs, der Beschwerlichkeiten des Verkehrs und der
Gefahren der Reise, der drückenden Abgaben und lästigen Hemmnisse, die
auf dem Handel lasteten. Zudem finden wir jenen brutalen Egoismus nicht
nur im Leben des Kaufmannes wirksam, vielmehr steht das ganze Zeitalter
unter seinem Zeichen und mit dem Kaufmanne teilen ihn auch alle übrigen
Stände, bei denen er nur andere Erscheinungsformen annimmt. Endlich
aber wollen wir vor allem nicht vergessen, was Deutschland gerade im
XV. Jahrhundert seiner Kaufmannschaft zu danken hatte. Was auch der
einzelne Kaufmann verschuldet haben mag, die Gesamtheit hat es wieder
gut gemacht, denn eben sie begründete die hohe Blüte der deutschen
Kultur, auf der die großen Errungenschaften der Renaissance und der
Reformation in Deutschland beruhen.

[Illustration]



[Illustration]

GOLDSCHMIEDEARBEITEN IM GERMANISCHEN MUSEUM.

VON TH. HAMPE.

II. LANGOBARDISCHE VOTIVKREUZE AUS DEM VI.-VIII. JAHRHUNDERT.

(Schluß)


Die Fragen, die sich an diese Kreuze knüpfen sind sehr mannigfaltiger
Art, indessen teilweise bereits durch die bisherige Forschung gelöst
oder doch ihrer Lösung nahe geführt. So kann namentlich durch die
Ausführungen Paolo Orsis[129] und die sie in vielen Punkten wesentlich
ergänzenden R. Majocchis[130] als erwiesen gelten, daß wir es in dem
Gebrauch dieser Kreuze mit einem Spezifikum der Langobarden zu thun
haben. Mit verschwindend wenigen Ausnahmen haben sie sich bisher alle
in denjenigen Gebieten Italiens gefunden, die von den Langobarden seit
der zweiten Hälfte des VI. Jahrhunderts in Besitz genommen worden
waren, und teilweise sind die Hauptfundstätten zugleich die ehemaligen
Hauptstützpunkte der langobardischen Herrschaft. Ihr Nichtvorkommen
im übrigen Italien, wie beispielsweise auch in Ravenna schließt
die Möglichkeit einer römischen oder ostgotischen Sitte geradezu
aus. In Betracht könnten daher neben den Langobarden höchstens noch
die Franken kommen, deren Scharen zu verschiedenen malen Italien
heimgesucht haben, wie denn ja auch schließlich das Langobardenreich
seine Selbständigkeit an die Franken unter Karl dem Großen verlor. Man
hat daher auch hin und wieder für einige dieser Kreuze fränkischen
Ursprung in Anspruch nehmen wollen; so für das an letzter Stelle
beschriebene und Fig. 14 abgebildete Kreuz unserer Sammlung[131]. Der
allerdings von der Verzierungsweise der übrigen wesentlich abweichende
Stil dieses Kreuzes, den man als merovingisch ansprechen zu dürfen
glaubte, sowie das sich fünfmal wiederholende, freilich schwer zu
entziffernde Monogramm, das man auf einen der Frankenkönige mit Namen
Chilperich oder Childebert deuten wollte, führte zu dieser Annahme.
Auch haben sich sowohl in fränkischen, wie auch in bayerischen Gräbern
in der That gelegentlich dergleichen Kreuze gefunden[132]. Indessen
sind solche Funde diesseits der Alpen bisher zu vereinzelt geblieben,
als daß man daraus einen Schluß etwa auf fränkische Herkunft der
betreffenden Kreuze ziehen dürfte. Es ist vielmehr bei den vielfältigen
Beziehungen zwischen den Langobarden und den Bayern und Franken und
bei der Expansivkraft, die der spezifisch langobardischen Kunst
frühzeitig innewohnt[133], sehr wahrscheinlich, daß wir auch in den zu
Schwabmünchen, Langenerringen u. s. w. gefundenen Kreuzen Import aus
dem Langobardenreich jenseits der Alpen vor uns haben[134]. Für Italien
endlich wird die Frage, ob die Erscheinung dieser Kreuze fränkischer
oder langobardischer Kultur und Kunst entsprossen, schon durch einen
Vergleich der Waffen, die hier in so großer Zahl zusammen mit den
Kreuzen gefunden worden sind, mit der in den ersten Jahrhunderten
des Mittelalters bei den Franken üblichen Bewaffnung zu Gunsten der
Langobarden entschieden[135].

Mit der Frage nach Ort und Volk erledigt sich -- wenigstens im großen
-- auch zugleich die Frage nach der Zeit der Entstehung unserer
Kreuze. Die Zeit der Langobardenherrschaft in Italien, also etwa das
VI.-VIII. Jahrhundert, wird man vornehmlich dafür in Anspruch nehmen
dürfen. Möglich, daß analog der Entwicklung der langobardischen
Plastik[136] auch hier der Beginn eigener Kunstübung kaum vor der Mitte
des VII. Jahrhunderts anzusetzen ist, möglich auch, daß manche der
Kreuze erst dem IX. Jahrhundert entstammen, da mit der Unterwerfung
unter des großen Frankenkönigs Herrschaft Brauch und Kunstübung
der Langobarden nicht alsbald in Abnahme gekommen zu sein braucht
und ihre nationale Plastik in der That auch später noch manches
bedeutendere Werk hervorgebracht hat. Die genauere Zeitbestimmung,
die zeitliche Gruppierung und die Datierung der einzelnen Kreuze muß
jedoch zukünftiger Forschung vorbehalten bleiben. Ein eingehendes
Studium sämtlicher bisher bekannter Stücke dieser Art und ein Vergleich
mit anderen uns erhaltenen Denkmälern der langobardischen Kultur,
insbesondere auch, wie früher schon angedeutet wurde, der Münzen,
würde vermutlich auch für die Zeitbestimmung im einzelnen sichere
Anhaltspunkte ergeben.

Was nun die kunstgeschichtliche Seite der Erscheinung unserer Kreuze
betrifft, so blickt schon aus obigen Ausführungen zuweilen die Annahme
hervor, daß es sich nicht allein um Gegenstände, die -- etwa von
fremden Künstlern -- zum Gebrauch für die Langobarden hergestellt
worden sind, sondern zugleich um Erzeugnisse der eigenen, der
langobardischen Kunst handelt. Diese Annahme findet nicht nur in der
überaus primitiven Technik fast aller dieser Kreuze und in der ebenso
primitiven Ornamentik eines großen Teils derselben -- vgl. z. B.
oben Nr. 1-7 -- ihre Stütze; auch die von reiferer Kunst zeugenden,
reicher ornamentierten unter ihnen weisen in ihrem Dekor so manche
Berührungspunkte mit anderen authentischen Werken der langobardischen
Kunst auf, daß an ihrem Ursprung in der Werkstatt eines langobardischen
Goldschmieds[137] nicht wohl gezweifelt werden kann. Es begegnen uns
hier nicht selten die gleichen Band- oder Riemengeschlinge, die sich so
zahlreich an den plastischen Denkmälern der Langobarden finden und für
die namentlich die Dreiteilung der einzelnen Riemen durch zwei tiefe
Fälze so charakteristisch ist[138] -- man vergleiche insbesondere Fig.
8. Ebenso weist die Wiedergabe menschlicher Figuren oder einzelner
Körperteile, der »alle Kenntnis von Anatomie und Proportion mangelt«,
der Gesichter, die sich als »rohe, starre Larven« darstellen, der
Hände, die »ausgestopften Handschuhen« gleichen[139], genau die
gleichen Eigentümlichkeiten auf, die uns von den übrigen Werken der
langobardischen Kunst bekannt sind.

Eine andere Frage ist freilich die: wieweit darf auch ~ihrem Ursprunge
nach~ die uns auf diesen Kreuzen begegnende Ornamentik als spezifisch
langobardisch betrachtet, wieweit muß sie in diesem Sinne als
gemeingermanisch, wieweit als Entlehnung vornehmlich aus der Antike
aufgefaßt werden? Und hier sind es im Grunde nicht so sehr jene wenig
charakteristischen primitiven Verzierungen durch Punkte in Reihen
oder in regelmäßigen Gruppen, durch Striche und Strichelungen aller
Art, als eben wiederum jenes Band- oder Riemenwerk, das »Geriemsel«,
um das seit einer Reihe von Jahren unter den Forschern ein heftiger
Kampf entbrannt ist. Während die eine Partei (Hans Hildebrand, Sven
Söderberg u. a.), die den Germanen der Völkerwanderungszeit keinerlei
eigene Tierornamentik zugesteht, am liebsten auch die meisten
Bandverschlingungen dieser Art, wie wir sie ja nicht nur bei den
Langobarden, sondern ähnlich auch bei den Skandinaviern, Angelsachsen,
Franken u. s. w. antreffen, auf Barbarisierung antiker Tierornamente
zurückführen möchte, sieht die andere Partei (Sophus Müller etc.) in
dem teils auf die Flechtarbeit als Vorbild zurückgehenden, teils auf
der Metalltechnik beruhenden ornamentalen Bandwerk das Ursprünglichere,
aus dem sich ebenfalls ohne Beeinflussung durch die Kunst der alten
Völker eine germanische Tierornamentik spontan entwickelt hat.
Ein näheres Eingehen auf diese Kontroverse und die Begründung der
beiderseitigen Ansichten liegt außerhalb des Rahmens dieses Aufsatzes.
Es sollte mit dem Hinweis darauf nur kurz angedeutet werden, wie
schwierige Aufgaben auch hinsichtlich der Ornamentik unserer Kreuze
noch von der Forschung zu bewältigen bleiben. Denn nicht besser als
um die sichere Erklärung von Herkunft und Bedeutung des »Geriemsels«
steht es um unser Verständnis der sonstigen ornamental verwandten
Darstellungen, die diese Kreuze zeigen, wie beispielsweise der
martialisch aussehenden Männerfigur mit dem prächtigen Scheitel und
den Schnörkelbeinen auf Kreuz Nr. 11 (s. o. Fig. 11) oder der vier
Gesichter auf Kreuz Nr. 13 (Fig. 13), wie sich dergleichen in ähnlicher
Zusammenstellung noch auf mehreren anderen Kreuzen finden[140].

Eine Erklärung solcher Einzelheiten, die sich ohne Zweifel wiederum
vor allem auf ein eingehendes und vergleichendes Studium des gesamten
Materials d. h. aller bisher bekannten Kreuze dieser Art stützen müßte,
würde im übrigen wesentlich mit bedingt sein durch die klare Erkenntnis
der Bestimmung, des Zweckes, den diese Kreuze gehabt haben. Aber auch
dazu -- es ist der letzte Punkt, der hier zu erörtern bleibt -- ist die
Forschung bisher leider noch nicht vorgedrungen.

Wie sich aus den feinen Durchbohrungen, die alle diese Kreuze an
ihren Endigungen, manche der größeren auch an ihrem Mittelstück
aufweisen, mit hinreichender Sicherheit ergiebt, sind sie ursprünglich
-- vermutlich auf dem Gewande der Toten, in deren Gräbern sie
gefunden wurden -- aufgenäht gewesen. Darüber stimmen alle Forscher
überein; die Frage ist nur: wozu sie aufgenäht wurden, was sie
bedeutet haben mögen. Unter den 81 Kreuzen, die Orsi als in Italien
gefunden aufzählt, sind uns für etwas mehr als die Hälfte, nämlich
für 42, mehr oder minder eingehende Nachrichten über ihre Auffindung
insbesondere über die mit ihnen zusammen bei den Skeletten gefundenen
Gegenstände überliefert[141]. Diese 42 Kreuze verteilen sich auf im
ganzen 16 Funde. Bei 14 von diesen 16 Funden konnte es infolge der
zahlreich mit ausgegrabenen Waffen nicht zweifelhaft sein, daß es
sich um langobardische Kriegergräber handle. So war in der That die
Vermutung nicht ganz von der Hand zu weisen, daß auch die Kreuze in
irgend einer Beziehung zu dem Berufe des Kriegers stehen, etwa als
militärische Abzeichen oder Auszeichnungen aufzufassen sein möchten.
Dieser Annahme standen aber die beiden anderen Fälle, in denen man es
offenbar nicht mit Kriegergräbern zu thun hatte, hindernd entgegen. Der
eine derselben betrifft einen Grabfund, der bereits 1750 in Cividale
del Friuli gemacht wurde. Bei Restaurierungsarbeiten am Chor der
Kirche St. Benedikt stieß man damals auf unterirdische Grabkammern,
in denen drei steinerne Sarkophage standen. In dem ersten, der seiner
Größe nach die Leiche eines Kindes von etwa 15 Jahren geborgen haben
mochte, fanden sich vier oder fünf Goldkreuze, dazu Bruchstücke eines
Glasgefäßes. Sechs weitere Kreuze fanden sich in den beiden anderen
Sarkophagen zusammen mit verschiedenen anderen Gegenständen aus Gold,
Silber und Glas oder Bruchstücken von solchen und untermischt mit Asche
und Knochen[142]. In dem andern Falle endlich durfte sogar aus einem
mit einem solchen Goldkreuz zusammen gefundenen Paar Ohrringen auf
ein Frauengrab geschlossen werden[143]. Im Hinblick überdies auf die
zahlreichen Kreuze, die ohne genaueren Fundbericht auf uns gekommen
sind -- zu ihnen gehören mit nur einer Ausnahme (vgl. oben Nr. 9, Fig.
9) auch alle jetzt im Germanischen Museum befindlichen -- konnte jene
Vermutung demnach nicht aufrecht erhalten werden und die wichtigste
weitere Frage war nur: waren diese Kreuze auch bei den Lebenden in
Gebrauch oder haben wir sie lediglich als Grab-Beigaben, als Votivgaben
für die Verstorbenen anzusehen? In diesem Punkte sind die beiden
Forscher, die zuletzt ausführlicher über unseren Gegenstand gehandelt
haben, Orsi und Majocchi, nicht einerlei Meinung. Während Orsi sich
mehr der Ansicht zuneigt, daß die »crocette langobarde fossero di
uso esclusivamente funerario« und zur Begründung derselben vor allem
auf die große Zartheit der aus dünnem Goldblech hergestellten Kreuze
hinweist, die die Möglichkeit eines praktischen Gebrauchs geradezu
auszuschließen scheine[144], möchte Majocchi darin Schmuckstücke
erblicken, die der Stolz und die Freude der Lebenden gewesen seien und
daher den Toten mit in das Grab gegeben wurden: »non poteva dunque
essere strappata la croce da quei cadaveri, la croce che li aveva
aecompagnati constantemente vivi, della quale si erano gloriati ed
ornati, cui avevano amato di sì vivo affetto«[145]. Angesichts der
zarten Gebilde, die vor mir liegen, glaube ich indessen eher der
Anschauung Orsis als derjenigen Majocchis beipflichten zu sollen,
zumal mir die letztere durch gleichzeitige Abbildungen und das, was
wir bisher über die Tracht der Langobarden wissen, keineswegs genügend
unterstützt zu werden scheint. Da die Kreuze bei den Skeletten
gewöhnlich in der Brustgegend gefunden wurden, sollte man doch, wenn
wir es dabei thatsächlich mit Schmuckstücken für die Lebenden zu thun
hätten, wohl annehmen, daß sich die eine oder andere Darstellung
erhalten habe, die ein solches Kreuz in »religiös-ornamentaler«
Verwendung[146] auf der Brust des Dargestellten zeige. Das ist aber
nicht der Fall. Nur Kreuze auf Vorhängen oder an Stelle der Clavi
oberhalb der Kniee oder an einem Zipfel des Gewandes etc., von denen
noch nicht einmal ausgemacht ist, in welcher Technik man sie sich
hergestellt zu denken hat, haben bisher zum Vergleich herangezogen
werden können.

Immerhin ist auch diese Frage noch kaum spruchreif und ersieht man
aus obigen Ausführungen überhaupt, welch eine Fülle von Problemen
aus den verschiedensten Gebieten hier noch der Aufklärung harren.
Umsomehr werden es alle Freunde des Germanischen Museum mit Genugthuung
begrüßen, daß unsere Anstalt sich dieses hochbedeutsame Studienmaterial
nicht hat entgehen lassen, sich vielmehr durch seine Erwerbung
in den Besitz der reichsten bisher bekannten Kollektion solcher
langobardischer Votivkreuze gesetzt hat.

[Illustration]


III. EIN LANGOBARDISCHER SCHAFTBESCHLAG AUS DEM VII/VIII JAHRHUNDERT.

Im Anschluß an die im vorigen Aufsatze besprochenen langobardischen
Goldkreuze bilden wir vorstehend in Originalgröße, und zwar in
Aufrollung, einen Schaftbeschlag (F. G. 1614) ab, der nach Mitteilung
des Herrn Geheimrat Bode in Berlin zusammen mit Eisensachen und
sonstigen Gegenständen in einem langobardischen Grabe gefunden und
1897 durch das Germanische Museum von Herrn Cavaliere Achille Cantoni
in Mailand erworben wurde. Der kreisrunde Beschlag, der 30 mm. im
Durchmesser und eine Dicke von etwa 1 mm. hat, diente vermutlich zur
Verzierung und Festigung eines Lanzenschaftes. Er ist ganz aus Silber
gefertigt und mit sorgfältig ausgeführten, sehr kräftigen Gravierungen
versehen, die teilweise mit Niello ausgefüllt sind. Die nicht in
solcher Weise wieder auf das Niveau der ursprünglichen Oberfläche
gebrachten Eingrabungen bilden die Linien der Hauptmusterung, während
das Niello zur Zeichnung innerhalb dieser Contouren verwandt worden
ist, wie unsere Abbildung zur Genüge zeigt. Am unteren Ende jeder der
vier lambrequinartigen Verbreitungen des Beschlages befindet sich
ein rundes Loch für die Nägel, mit denen das Stück ehemals an seinem
Schaft befestigt war. Nur einer dieser Nägel, ein langer, spitzer,
dreikantiger Silberstift, ist noch vorhanden. Im übrigen ist das Stück,
abgesehen von einem, wie es scheint durch Abschmelzen herbeigeführten
Defekt an einer der breiten Endigungen (auf unserer Abbildung
angedeutet), sowie von zwei kleinen, ebenfalls durch Feuer beschädigten
Stellen am oberen Rande, und einigen wenigen Stellen, die ihres Niellos
verlustig gegangen sind, gut erhalten.

In seiner Ornamentik berührt sich unser Schaftbeschlag vielfach mit
anderen Werken der langobardischen Kunst. Man vergleiche für das
fortlaufende Ornament der beiden oberen Bänder beispielsweise das oben
unter Nr. 10 näher beschriebene und abgebildete Kreuz, für das die
beiden Bänder trennende und auch die einzelnen Teile des Beschlags
einfassende Zickzackornament unter anderm die aus dem Anfange des VII.
Jahrhunderts stammende Evangeliendecke der Königin Theodolinde im
Schatz der Johanniskirche zu Monza (abgebildet bei Labarte, Histoire
des arts industriels au moyen âge I. Band, Tafel XXVIII). Früher
als etwa in den Beginn des VII. Jahrhunderts möchte ich auch schon
wegen der reifen Kunst, die das Stück zeigt, die Entstehung unseres
Beschlages nicht setzen -- obgleich freilich zuvor erst auszumachen
wäre, ob man einen langobardischen Goldschmied als Verfertiger annehmen
darf oder eher an einen Römer oder Byzantiner gedacht werden muß.


IV. EIN VORTRAGSKREUZ AUS DEM X. JAHRHUNDERT.

(Hierzu Tafel IV.)

Während bei den in den letzten beiden Artikeln behandelten
Gegenständen, den langobardischen Goldkreuzen sowohl, wie dem silbernen
Schaftbeschlag, das kulturgeschichtliche Interesse oder ihre Bedeutung
für die Geschichte des Ornaments den Wert der Stücke speziell als
Goldschmiedearbeiten überwog, haben wir in dem auf der beigegebenen
Tafel abgebildeten Kreuz (K. G. 763) ein Werk vor uns, das wiederum in
erster Linie für den Stand der Goldschmiedekunst in der Zeit seiner
Entstehung bezeichnend ist, vor allem aus diesem Gesichtspunkte
betrachtet werden will. Wir knüpfen damit gewissermaßen wieder an
jenen von mir an erster Stelle besprochenen ostgotischen Schmuck
an, ohne jedoch auch nur den Versuch wagen zu wollen, die einzelnen
Phasen aufzuzeigen, die etwa unsere Kunst im Abendlande während
der vier Jahrhunderte, die dieses Kreuz von jenem Schmucke trennen
mögen, durchlaufen hat. Bleiben doch die in meinem ersten Aufsatze
angedeuteten, die Forschung so erschwerenden und die Gewißheit ihrer
Resutate nur zu häufig beeinträchtigenden Verhältnisse teilweise auch
für diese Folgezeit bestehen, wirken auch weiterhin die Dürftigkeit der
Quellen und die weite Zerstreutheit der Denkmäler und ihre mangelhafte,
wissenschaftlichen Zwecke nur ausnahmsweise genügende Veröffentlichung
hemmend und lähmend auf den Fortgang der Forschung ein. Wenn aber
auch aus diesen Gründen der Entwicklungsgang der Goldschmiedekunst
vornehmlich in der ersten Hälfte des Mittelalters noch für kein
Land mit einiger Deutlichkeit hat erkannt und nachgewiesen werden
können, so brauchen wir doch, wie ich glaube, an der Möglichkeit
solcher Erkenntnis nicht zu verzweifeln. Insbesondere die deutschen
Kirchenschätze, fürstlichen Schatzkammern und Museen weisen noch
eine ansehnliche Zahl trefflicher Arbeiten jener Zeit auf, und
mit der Gruppierung derselben, der Zuweisung an bestimmte Schulen
auf stilvergleichender Grundlage ist bereits ein tüchtiger Anfang
gemacht worden. Einem einzelnen, neu auftauchenden Werke gegenüber
wird indessen bei dem derzeitigen Stand der Forschung eine möglichst
sorgfältige Beschreibung des Stückes und seiner Herstellungsart immer
noch das wichtigste sein, und so mag denn auch hier eine solche, die
Abbildung erläuternde und ergänzende Beschreibung den Bemerkungen
historischer und stilistischer Art, die etwa über unser Kreuz zu machen
sind, vorangeschickt werden.

[Illustration: Taf. IV.

Spätkarolingisches Vortragskreuz aus dem X. Jahrhundert.]

Das Kreuz, das einer alten Stiftung in den Ardennen entstammt und
im Frühjahr 1894 aus dem Besitz eines Frankfurter Händlers für
die Sammlungen des Germanischen Museums erworben wurde, hat mit
der eisernen Spitze und der Kugel, über der es sich erhebt, eine
Gesamtlänge von 73 cm, für sich allein eine Länge von 57 cm. Der
Querbalken ist 45 cm. lang. Die Breite der Balken schwankt zwischen 43
und 48 mm., sie endigen, wie die Figur zeigt, fischschwanzförmig und
erweitern sich dabei auf 62 bis 68 mm. Der Durchmesser des annähernd
kreisrunden Mittelstücks beträgt 9 cm.

Die ganze Goldschmiedearbeit ist über einem 2 cm. dicken, auf der
Vorderseite flachen, auf der Rückseite leicht gewölbten Holzkern
hergestellt, oder richtiger: um einen solchen angebracht. Bezüglich
der Holzart bemerkte schon Herr Prälat Dr. Fr. Schneider, der das
Museum bei der Anschaffung zu beraten die Freundlichkeit hatte, daß
es sich um keines der sonst bei uns üblichen Hölzer, sondern eher um
ein ausländisches Holz zu handeln scheine. Auch die mikroskopische
Vergleichung eines Splitters von unserem Kreuze mit anderen Holzproben
ergab trotz aller darauf gewandter Mühe kein ganz sicheres Resultat.
Herr Prof. Reeß in Erlangen, welcher die Güte hatte, diese Untersuchung
vorzunehmen, vermochte nur festzustellen, daß es ein Laubholz sei
und unter den untersuchten Vergleichsproben am meisten Ähnlichkeit
mit dem Holz des Birnbaums (Pirus communis) zu besitzen scheine.
Fremdländischer Ursprung also ist auch nach dieser Erklärung nicht
ausgeschlossen, wenn sich auch keinerlei sichere Schlüsse darauf
aufbauen lassen.

Infolge des leider recht schadhaften Zustandes unseres Kreuzes läßt
sich dessen Herstellungsweise auch im einzelnen ziemlich genau
verfolgen. Der Holzkern ward in der Weise hergestellt, daß der
Längsbalken samt dem hinteren etwas gewölbten Teil des Mittelstücks
und ebenso der Querbalken mit dem vorderen Teil des Mittelstücks
aus einem Stück geschnitzt und alsdann diese beiden sich in der
Mitte also gegenseitig ergänzenden und genau entsprechenden Stücke
kreuzweis ineinander gefügt und durch ein paar starke Eisennägel
zusammen verbunden wurden. Nur am unteren Kreuzesende ist die
fischschwanzähnliche Spaltung am Holzkern nicht vorgebildet, da hier
das Kreuz mit dem Kugelfuß verbunden zu werden bestimmt war.

Der Form des Holzkerns entsprechend schnitt oder sägte sodann der
Goldschmied die vier Kreuzarme, sowie das Mittelstück mit den Ansätzen
der Kreuzarme aus einem nicht ganz ½ mm starken, auf der Oberfläche
künstlich geröteten Bleche von 16 karätigem Golde aus und zeichnete
sich wohl die Hauptmusterung des Kreuzes auf den so entstandenen fünf
Blechstücken vor, um hierauf -- aus Sparsamkeitsgründen -- dieses
Muster, d. h. alle diejenigen Stellen, die durch Steinfassungen oder
Buckel verziert werden sollten, sorgfältig auszusägen und ebendort
alsbald die vorher fertiggestellten Kastenfassungen mit ihren Steinen
sowie die kleineren schildbuckelförmigen Verzierungen von der Rückseite
des Bleches her aufzulöten.

Die Fassungen der Steine sind mit alleiniger Ausnahme des großen
Ovals der Kreuzesmitte sämtlich von der Art, daß sich der Kasten mit
fast senkrecht stehenden Wänden auf der Unterlage erhebt, sich dann
aber zur besseren Fassung der Steine etwa in halber Höhe verengert,
abschrägt, und je an der Stelle, wo diese Abschrägung beginnt, mit
einem rings herumlaufenden Goldfiligrandraht verziert ist. Das Oval der
Mitte wird gebildet durch einen mächtigen Bergkristall, der in einen
Kranz übergreifender, dicht gestellter, gestanzter Akanthusblätter
gefaßt ist und auf einem Kasten aufsitzt, dessen Fuß, wie die Abbildung
deutlich zeigt, ein in regelmässigen Abständen durch eine rechteckige
Kastenfassung unterbrochener Kranz halbkreisförmiger Goldzellen
in der Art der alten Cloisonarbeiten umgiebt. Die Zellen sind mit
rotem und dunkelgrünem Glas ausgesetzt, wobei, wie eine ihres Glases
beraubte Zelle zeigt, wenigstens bei den roten Stückchen ganz feine
Goldblättchen als Folie dienten. Unmittelbar über dem Zellenkranz
verziert ein feiner, ebenfalls viermal unterbrochener Filigrandraht,
weiter oben ein stärkerer Filigrandraht den Kasten des Bergkristalls,
worauf ein starker kordonnierter Golddraht den Übergang zu dem
Akanthusblattkranz bildet.

Der Form nach sind rechteckige, fast quadratische, und ovale Fassungen
zu unterscheiden. Je zwei rechteckige Kästchen mit grünen Steinen, wohl
Chrysoprasen, flankieren an den drei noch in ihrem vollen Goldschmuck
erhaltenen Kreuzesenden große ovale Fassungen, und acht ebensolche,
nur etwas größere Kästchen mit roten und grünen Steinen -- Almandinen,
die teilweise durch rotes Glas ersetzt sind, und Chrysoprasen (?) --
wechseln rund um das große Oval der Mitte mit acht kleinen ovalen
Fassungen ab. In diesen sitzen Almandinen, Granaten und teilweise
auch rote Glasstücke. In einem der Kästchen fehlt der Stein. Zwei
Reihen von ovalen Kästchen derselben Größe, die mit kleinen goldenen
Buckeln wechseln, schließen auf jedem der vollständig erhaltenen
drei Kreuzesarme eine Mittelreihe von beträchtlich größeren ovalen
Steinfassungen, die jedoch kleiner sind als die schon erwähnten
Fassungen an den Kreuzesenden, ein. In den kleinen ovalen Kästchen --
es sind abgesehen von dem Mittelstück, das deren wie schon erwähnt noch
acht weitere enthält, 46 an Zahl -- sitzen 20 tafelförmig geschliffene
Almandine, sieben mugelich geschliffene Granaten, ein ebensolcher
Saphir, sowie ein Stückchen blauen und fünf Stückchen roten Glases.
Aus zwölf dieser Fassungen ist der Stein verschwunden; fünf davon sind
ganz leer, sodaß man die Fläche des Holzkernes sieht, in den übrigen
sieben findet sich noch die alte Unterlage der Steine, die aus einer
spröden, harzigen Masse besteht. Von den 21 noch erhaltenen ovalen
Fassungen mittlerer Größe, die dicht aneinander gelötet sind, wobei
die Lötstellen ehemals wohl überall durch kleine Spangen aus dickem
Golddraht mit sich umrollenden Enden verdeckt waren -- erhalten haben
sich von diesen Spangen noch zwölf --, enthalten 15 der Länge nach
durchbohrte, größtenteils birnförmige, mugelich geschliffene Saphire,
eine einen Bergkristall, zwei blaues, und eine rotes Glas. Zwei dieser
Fassungen sind völlig leer. Ebenso sind die beiden großen Fassungen
am oberen und unteren Ende des Hauptbalkens leer, diejenige an dem
erhaltenen Ende des Querbalkens indessen noch mit einem großen, der
Länge nach durchbohrten Saphir ausgefüllt.

Die etwa 7 mm hohen Buckel, die mit den kleinen ovalen Kästchen auf
den Kreuzesbalken, wie erwähnt, abwechseln, sind am Fuß und auf der
Spitze durch rund herum gelegten Goldfiligrandraht von verschiedener
Stärke verziert. Der obere, aus feinerem Filigran bestehende Drahtring
umgibt die Öffnung eines kleinen Zilinders aus Goldblech, der im
Innern des Buckels senkrecht steht. Über diese Öffnung legen sich
kreuzweis zwei jener auch sonst verwendeten goldenen Spänglein, deren
leicht umgerollte Enden bis auf den unteren stärkeren Filigranring des
Buckels heruntergebogen sind. Auf dem Durchschnittspunkt der beiden
Spangen sitzt, den Buckel bekrönend, je eine kleine goldene Kugel, die
natürlich ebenfalls einigemale samt den Spangen der Unbill der Zeiten
zum Opfer gefallen ist, wie denn an fünf Stellen außerdem die Buckel
überhaupt fehlen. In dreien dieser Fälle ist wenigstens der Untergrund
durch ein Stückchen gelbliches Blech ergänzt worden.

Die also mit ihrem Hauptschmuck versehenen fünf Bleche wurden sodann
durch eiserne Nägel, deren platte Köpfe teilweise noch von Vergoldung
schimmern auf der flachen Vorderseite des Holzkerns befestigt. Diese
Nägel sind überall hart am Rande und je in einer Entfernung von etwa
30 mm. eingeschlagen, die Köpfe mit starkem Filigrandraht umgeben,
sodaß sie wie kleine Rosetten wirken. Ganz ähnliche Rosettchen mit
kleinen Goldkugeln oder -knöpfen als Mittelpunkt wurden je in der Mitte
zwischen zwei Nagelköpfen auf die Unterlage aufgelötet, Kreuzbalken
und Mittelstück schließlich noch mit starkem kordonniertem Golddraht
umzogen.

Mit gleichem, nur etwas schwächerem Draht sind die verschiedenen
schmalen Seitenflächen des Kreuzes eingefaßt, die im übrigen nur
eine einfache, aus aufrechtstehenden schmalen Goldbändern gebildete
Rankenmusterung auf rotgoldenem Grunde aufweisen. Es ist eine
gewöhnliche Wellenranke, von der in regelmäßigen Abständen beiderseits
kleine Ranken, an ihrem Ausgangspunkt je durch eine kleine Querstange
zusammengehalten, abzweigen. In den durch die Hauptranke, eine der
Nebenranken und den abschließenden kordonnierten Golddraht gebildeten
Zwickeln ist regelmäßig eine kleine spitzovale Goldschleife, gleichsam
eine aus dem Abzweigungspunkt der kleinen Ranken entspringende Knospe
oder Keimblättchen, angebracht.

Die so ornamentierten Goldbleche, die den Schmuck der Seitenflächen des
Kreuzes ausmachen, sind mit diskret angebrachten, feinen Eisenstiften
auf denselben befestigt, doch verraten auch hier gelegentlich roh
eingehauene dicke schwarze Eisennägel eine plump ausbessernde
spätere Zeit. Auch die Endigungsflächen der Kreuzarme wiesen ehemals
die gleiche Goldblechverzierung auf, doch haben sich davon nur
verhältnismäßig geringe Reste an der oberen und unteren Endigung
erhalten.

Das zur Verwendung gekommene Gold ist, wie mehrere, an den
verschiedensten Stellen vorgenommene Untersuchungen mit dem
Probierstein ergaben, auf der Vorderseite sowohl wie an den
Seitenflächen des Kreuzes überall von der gleichen Qualität (16
karätig) und auch von der gleichen rötlichen Färbung. Nur wo dasselbe
durch häufiges Anfassen oder sonstige Beschädigung abgewetzt ist oder
aber, wie dies namentlich bei den für Verroterie bestimmten Zellen
des Mittelstücks und dem Rankenwerk der Seitenflächen der Fall ist,
das senkrecht zur Unterlage gestellte und aufgelötete Goldblech die
Schnittfläche zeigt, erscheint es gelb. Das Filigran, das uns in zwei
verschiedenen Stärken begegnet ist, hat die Eigentümlichkeit, daß um
jedes der kleinen Kügelchen, aus denen sich der Faden zusammensetzt,
in der Mitte eine feine Rille läuft, was jedoch gewiß nicht auf eine
Absicht des Verfertigers, denn irgend eine besondere Wirkung wird
dadurch nicht erzielt, sondern wahrscheinlich auf ein nicht ganz exakt
arbeitendes Werkzeug zurückgeführt werden muß[147].

Die Rückseite des Kreuzes endlich war wohl ehemals völlig, ist heute
noch an den vier Kreuzesarmen, doch nicht mehr an dem etwa kreisrunden
Mittelstück mit vergoldetem Kupferblech verkleidet, in das zuvor hübsch
stilisierte Ranken mit palmettenartigen Blättern eingepreßt worden
waren, die je an den Enden der Kreuzbalken in zwei kleine Träubchen
endigen und leicht erhaben auf ungemustertem Grunde erscheinen. Auch
dieses Blech der Rückseite ist mehrfach geflickt.

Mit vergoldetem Kupferblech umkleidet ist auch die Kugel, über der sich
das Kreuz erhebt, samt dem Verbindungsglied zwischen Kreuz und Kugel,
das überdies mit gleichfalls aus vergoldetem Kupferblech hergestellten
perlstabähnlichen Leisten -- einer rundherum laufenden horizontalen
und drei dazu senkrecht gestellten -- verziert ist, während die
Kugel ehemals mit einer aus eisernen Spangen und Knöpfen gebildeten
Rautenmusterung versehen war, von der jedoch nur noch geringe Reste
erhalten sind. Die starke Eisenschiene, die unterhalb der Kugel in
eine stumpfe Spitze ausläuft, geht durch Kugel und Zwischenstück
hindurch und scheint ziemlich tief in das untere Ende des Kreuzes
hineingetrieben zu sein.

Dieselbe zeigt auf das deutlichste, daß wir es mit einem sogenannten
Vortrags-, Stations- oder Prozessionskreuz zu thun haben, das bestimmt
war, auf einen Schaft gesteckt, bei Prozessionen und sonstigen Umzügen
der Schar der Andächtigen vorangetragen zu werden. Nach jedesmaligem
Gebrauch ward es vom Schaft genommen und bei den übrigen Kostbarkeiten
der Kirche oder des Klosters, in dessen Besitz es sich befand,
verwahrt. Der Wert des Kreuzes bestand aber nur zum geringeren Teil
in der Goldarbeit und den Steinen, mit denen es geschmückt war. Es
ist vielmehr sehr wahrscheinlich, daß sich ursprünglich unter dem
großen Bergkristall des Mittelstücks eine Reliquie, vielleicht eine
Partikel vom Kreuze Christi befand. Der Umstand, daß gerade hier die,
wie es scheint, aus einer Thonmasse bestehende, vielfach zersprungene
Unterlage durch den hellen Kristall hindurch deutlich sichtbar ist,
während der technisch wohl geschulte Verfertiger unseres Kreuzes
derartige unschöne Wirkungen sonst überall zu vermeiden gewußt hat,
läßt jedenfalls mit ziemlicher Sicherheit darauf schließen, daß
in späterer Zeit Veränderungen mit der Kreuzesmitte vorgenommen,
vermutlich also eine dort aufbewahrte Reliquie entfernt, wohl entwendet
worden ist.

Im übrigen sind die verschiedenen erheblichen Beschädigungen unseres
Kreuzes, insbesondere des linken Kreuzarms -- auch die Glasstücke an
Stelle der Saphire u. s. w. sind natürlich nicht ursprünglich, sondern
lediglich Ergänzungen der in Verlust geratenen Steine -- eher auf eine
den späteren Zeiten zur Last fallende Verwahrlosung, als auf Beraubung
zurückzuführen. Es ist wenigstens nicht einzusehen, weswegen ein
Dieb sich nur des Goldbeschlags des einen Kreuzarmes oder einzelner,
nach den erhaltenen zu schließen, nicht eben wertvoller Steine etc.
und nicht gleich des gesamten Schmuckes an Gold und Steinen sollte
bemächtigt haben.

Wie aber steht es um die Frage nach Zeit und Ort der Entstehung unseres
Kreuzes, welchem Stile, welcher Schule mag dasselbe angehören?

Um der Beantwortung dieser Frage näher zu kommen, müssen wir versuchen,
die verschiedenen stilistischen und technischen Momente, mit denen
uns unsere eingehende Betrachtung bekannt gemacht hat, auf ihren
historischen Wert hin zu prüfen. Figürliche Darstellungen, die uns
diese Aufgabe ohne Zweifel wesentlich erleichtern würden, mangeln
leider gänzlich.

Daß durch die Verwendung der Cloisontechnik in den um das Oval
der Mitte angeordneten Zellen das Kreuz stilistisch noch in
Beziehung steht zu jener großen Gruppe von Goldschmiedearbeiten der
Völkerwanderungszeit, die ich in dem Aufsatze über den ostgotischen
Schmuck genauer gekennzeichnet habe, wurde oben bereits angedeutet.
Selbst die Unterlegung der roten Glasstücke mit einem ganz dünnen
Goldblech als Folie findet sich hier wie bei den Ohrgehängen jenes
Schmuckes. Aber technische Kunstgriffe solcher Art haben zumeist ein
langes Fortleben, vererben sich, solange Vorbedingungen und Zweck
die gleichen bleiben, von Generation zu Generation. Und was die
Cloisontechnik selbst angeht, so findet auch sie sich sowohl bei den
Abendländern, insbesondere den verschiedenen Germanenstämmen, wie
bei ihren Lehrmeistern, den Griechen am Pontus, den Byzantinern und
weiterhin den Persern noch lange in freilich spärlicherem Gebrauch.
Auch der Deckel zur Lade des Siegeskreuzes der byzantinischen Kaiser
Constantinus Porphyrogenitus und Romanus II. aus der Mitte des 10.
Jahrhunderts[148] und das noch um einige Jahrzehnte später unter
Erzbischof Egbert (977-993) in Trier entstandene Reliquiar (samt
Tragaltar) des heiligen Andreas[149] weisen noch Einzelheiten in dieser
Technik auf. Über den Schluß des 10. Jahrhunderts hinaus dürfte sie
indessen schwerlich mehr nachzuweisen sein, und so wird man das Jahr
1000 etwa als den Terminus ante quem für die Entstehung des Kreuzes
ansehen können.

Ein Terminus post quem ergäbe sich jedenfalls am ehesten aus dem Kranz
eng gestellter stilisierter Akanthusblätter, der die Fassung des
großen Bergkristalls der Mitte bildet. Fassungen dieser Art kommen,
soviel ich sehe, vor der Mitte des 10. Jahrhunderts kaum vor, wo sie
dann freilich namentlich in der Trierer und der an Trier anknüpfenden
Regensburger Goldschmiedschule rasch große Beliebtheit erlangen; und
wir würden demnach etwa die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts als die
Entstehungszeit unseres Vortragskreuzes anzusprechen haben. Es ist
jedoch sehr wohl möglich, daß die Veränderungen, die, wie wir gesehen
haben, gerade mit der Kreuzesmitte vor sich gegangen sind, sich auch
auf die Fassung des Bergkristalls erstreckten, daß wir also in dem
Akanthusblattkranz nicht mehr die ursprüngliche Fassung vor uns haben.

Im übrigen läßt sich als ein weiterer Terminus post mit einiger
Sicherheit wohl nur die Entstehungszeit des Gebetbuchs Karl des Kahlen
(† 877) bezeichnen, mit dessen vorderem Deckel[150] unser
Kreuz so mannigfache und augenfällige Berührungspunkte aufweist, daß
an einem Zusammenhang zwischen beiden Werken kaum gezweifelt werden
kann. Hier wie dort, wenigstens bei allen größeren Steinen, genau die
gleichen Fassungen: Kästchen mit senkrecht aufgesetzten Wandungen,
die sich oben zum Zweck der Fassung des Steines verengern und an der
Stelle, wo die senkrechte Richtung verlassen wird, einen Filigranring
tragen. Hier wie dort die gleiche Befestigung des Goldblechs auf seiner
Holzunterlage durch Nägel, deren Köpfe durch einen herumgelegten
starken Filigrandraht zu kleinen Rosetten ausgestaltet sind, die
gleichen kreuzweis gelegten, einen kleinen Buckel bildenden, sich an
den Enden ein wenig umrollenden, von einer kleinen Kugel bekrönten
goldenen Spänglein, ja sogar -- wenn die Abbildung bei Labarte
nicht trügt -- die gleiche Art der Unterlegung der Steine mit einer
rötlich-grauen, harzigen oder vielleicht auch aus Wachs und Ziegelmehl
bestehenden Masse; von der gleichen roten Färbung des Goldes und der
Umrahmung der Flächen durch kordonnierten Golddraht garnicht zu reden.
Andererseits freilich macht unser Kreuz in seiner Gesamterscheinung
doch einen erheblich reiferen Eindruck. Die sorgfältige Ausführung
der kleinen Buckel, die nicht mehr lediglich aus den beiden Spangen
und dem bekrönenden Kügelchen bestehen, die zierenden, die Lötstellen
verdeckenden Spangen zwischen den größeren ovalen Fassungen, die
aus dünnen schmalen Goldbändern gearbeiteten Rankenverzierungen der
Seitenflächen, die im wesentlichen der notwendigen Vorrichtung zur
Anwendung von Zellenemail entsprechen und Bekanntschaft mit solchem
Email wohl auch hier voraussetzen lassen, endlich die prächtige
Rankenführung des Blechbeschlages der Rückseite, die stilistisch wohl
dem übrigens reiferen Dekor der unter Erzbischof Egbert gefertigten
Goldbekleidung der Kapsel des Petrusstabes, jetzt in Limburg[151],
am nächsten steht -- alles das verrät entschieden eine weiter
fortgeschrittene Kunst.

Ich trage daher auch trotz der nicht zu leugnenden engen Beziehungen,
die stilistisch zwischen jenem Deckel am Gebetbuch Karls des Kahlen und
unserem Kreuz bestehen, Bedenken, auch zeitlich eine besonders nahe
Zusammengehörigkeit anzunehmen, ja das Kreuz überhaupt noch dem neunten
Jahrhundert zuzuschreiben. Manches deutet eben doch bereits auf die
Kunst des zehnten Jahrhunderts, in dessen erster Hälfte unser Stück
entstanden sein mag.

Darf man aber nach dem Gesagten die Möglichkeit byzantinischen
Ursprungs noch ernstlich in Erwägung ziehen? Ungeachtet der
Fraglichkeit des für den Kern zur Verwendung gekommenen Holzes glaube
ich hier doch mit Nein antworten zu dürfen. Allerdings stammen die
durchbohrten, also ehemals zu anderen Zwecken verwendeten Saphire
sämtlich aus dem fernen Osten, aus China, und kamen dem Abendlande
vorzugsweise durch Vermittlung der Byzantiner zu. Ebenso könnte in
der Abstufung der im übrigen glatten Gehäuse und der Anbringung eines
Filigranrings am oberen Rande der Kästchen, sowie in der Technik
der Rankenverzierungen an den schmalen Seitenflächen, wie bereits
angedeutet wurde, byzantinischer ~Einfluß~ erblickt werden. Aber gerade
das Fehlen des Emails nicht nur hier, sondern überhaupt am ganzen
Kreuze scheint andrerseits doch eher gegen als für byzantinischen
~Ursprung~ zu sprechen, und an der übrigen Goldarbeit vermag ich
schlechterdings keine spezifisch byzantinischen Motive oder Techniken
zu entdecken, nichts, was nicht ebenso gut in dem Deutschland oder
Frankreich des zehnten Jahrhunderts entstanden sein könnte[152].

Schon die mehrfach erwähnte Verroterie um den Bergkristall der Mitte
schließt sich enger an die älteren fränkischen als an byzantinische
Arbeiten dieser Art an. Ein spezifisch karolingisches Dekorativ
sind sodann jene kreuzweis gelegten schmalen goldenen Spangen oder
Bänder mit darauf gelöteten goldenen Kügelchen. Wie am Gebetbuche
Karls des Kahlen findet es sich, mehr oder weniger modifiziert, auch
noch an späteren Werken, z. B. an einem Evangelienbuche im Schatze
der Münsterkirche zu Aachen, das zwar Bock noch ins 9. Jahrhundert
setzen möchte, Aus’m Weerth jedoch wohl mit größerem Rechte der
Ottonenzeit zuteilt[153] ferner an einem der berühmten vier Kreuze
in der Schatzkammer der Münsterkirche zu Essen, das wie die beiden
»Mathildenkreuze« daselbst wohl gleichfalls als eine Stiftung der
Äbtissin Mathilde II. (974-1011), der Enkelin Ottos des Großen,
angesehen werden darf[154] und als die reifste dieser Arbeiten
vermutlich erst der Wende des 10. und 11. Jahrhunderts angehört und
selbst noch an dem Schrein der heiligen Mauritius und Innocentius
in Siegburg aus dem Ende des 12. Jahrhunderts[155]. Doch machen
die kleinen Goldplatten, auf denen das Dekorativ hier erscheint,
soweit sich nach der Abbildung bei Aus’m Weerth urteilen läßt, den
Eindruck erheblich früheren Ursprungs, und scheinen an dem Siegburger
Reliquienschrein nur aufs Neue zur Verwendung gekommen zu sein.

Ebenso wie von den Spangen und Buckeln war auch bereits von den kleinen
Rosetten und den in flachem Relief ausgeführten Ranken der Rückseite
die Rede. Auch die nächsten Vorstufen für dieses letztere Ornament sind
vermutlich noch auf dem Boden karolingischer Kunst zu suchen -- man
vergleiche etwa das Rankenwerk an der Basis des sogenannten A Karls des
Großen im Schatz zu Conques[156].

Das sonstige Dekor des Kreuzes, das zur Verwendung gekommene Filigran,
die kordonnierten Golddrähte, sowie auch die rote Färbung des Goldes,
die seit dem 9. und bis ins 12. Jahrhundert sehr beliebt war und deren
Herstellung Theophilus im XL. Kapitel seiner Schedula beschreibt
-- ältere Quellen pflegen, wo sie vorkommt, von »arabischem Golde«
zu sprechen -- ist doch zu wenig charakteristisch, um zur besseren
Beantwortung unserer Frage noch erheblich beitragen zu können. Nur
von den kleinen goldenen Spangen zwischen den größeren Gehäusen der
mittleren Steinreihe wäre vielleicht, falls sie in dieser Verwendung
auch an anderen Werken nachgewiesen werden könnten, was mir bisher
nicht gelungen ist, noch einige Aufklärung zu erwarten.

Auch aus der Form des Kreuzes, den immerhin ungewöhnlichen Endigungen
der beiden Kreuzbalken, ist nicht eben viel zu schießen. Sie begegnet
auf bildlichen Darstellungen sporadisch seit dem VI.-VII. Jahrhundert
und ist wohl als eine Übergangsform von den Kreuzen mit einfach
ausgeschweiften Balkenenden der Völkerwanderungszeit und fränkischen
Epoche zu denjenigen mit lilienförmigen Endigungen, die vom X.-XI.
Jahrhundert an beliebt werden, anzusehen.

Die eichene Kugel endlich mit ihrer rohen Umkleidung aus spärlich
vergoldetem Kupferblech und ihrem Eisenbeschlag wird dagegen wohl
zweifellos als einheimisches Fabrikat gelten dürfen.

Will man nun aber das Gleiche für das Kreuz selbst annehmen, wie
dies der Unterzeichnete nach reiflicher Erwägung auf Grund obiger
Analyse thut, so müßten mit Rücksicht auf die Provenienz des
Stückes wohl in erster Linie die trierisch-lothringischen Gebiete
als Ort der Entstehung in Frage kommen, und wir hätten demnach
in unserem Kreuz mit seinem noch vielfach altertümlichen, in der
Hauptsache spätkarolingischen Dekor vermutlich einen Repräsentanten
voregbertischer Goldschmiedekunst zu erblicken. Ein genaueres Eingehen
auf diese Gesichtspunkte muß ich mir indessen hier, wo es mir nur um
ein vorläufiges Einreihen dieses interessanten und bedeutsamen Werkes
in die Kunstgeschichte zu thun sein konnte, leider versagen.



[Illustration]

LITERARISCHE NOTIZEN.


=Politische und soziale Bewegungen im deutschen Bürgertum zu Beginn
des 16. Jahrhunderts mit besonderer Rücksicht auf den Speyerer Aufstand
im Jahre 1512.= Von ~Kurt Kaser~. Stuttgart. W. Kohlhammer. 1899. 8.
(VIII. 271 S.)

»Über Ursprung und Ziele der städtischen Bewegung ist in neuester Zeit
ein lebhafter Meinungsstreit entbrannt. Lamprecht (Zeitschrift f. Soz.
u. W.-G. I, 212-220 und in »Zwei Zeitschriften« S. 71-74) findet ihre
Wurzeln in den schroffen sozialen Gegensätzen, welche sich seit Ende
des 14. Jahrhunderts infolge der herrschenden »geldwirtschaftlichen
Hypertrophie« in den Städten entwickelt hätten. Er sucht den
Schwerpunkt der Bewegung in den zahlreichen und vielfach abgestuften,
proletarischen Elementen der Stadtbevölkerung, deren längst schon
gährender Groll gegen die reiche, vornehme, in üppiger Verschwendung
dahinlebende Bürgerklasse schließlich zur sozialen Revolution
geführt habe. Er legt daher das Hauptgewicht auf die Darstellung der
radikalen Tendenzen, welche aus dem längst bereiteten sozialen Boden
herausgewachsen seien. Dagegen sucht Lamprechts Gegner Lenz (H.-Z. N.
F. 41 S. 97-99) im bürgerlichen Mittelstand, in den zünftischen oder
nichtzünftischen Handwerkern das eigentlich bewegende Element des
Aufstandes. Die Handwerker sind nach seiner Behauptung die alleinigen
Träger der revolutionären Forderungen. Das Auftreten »taboritischer
und sozialistischer« Bestrebungen stellt er gänzlich in Abrede«. Mit
diesen Worten charakterisiert der Verfasser kurz und deutlich die
wissenschaftliche Kontroverse, in der er durch das vorliegende Buch
einen Ausgleich zu finden sich bemüht, und um den Leser selbst zu
einem Urteil zu befähigen, führt er uns in langer Reihe mit großer
Klarheit und höchst dankenswertem Sammeleifer die Nachrichten über die
vielen städtischen Bewegungen und Aufstände vor, über die wir bislang
Kenntnis erhalten haben. Eine besonders eingehende Darstellung wird bei
dieser Gelegenheit dem Speyerer Aufstande von 1512 zu teil, der unter
steter sorgfältiger Benützung des im Speyerer Stadtarchiv liegenden
Urkundenmaterials auf 124 Seiten -- fast der Hälfte des ganzen Buches
-- geschildert wird. Der Verfasser ist sich selbst darüber klar, daß
dieses genaue Eingehen auf ein bestimmtes Ereignis nicht ganz zum
Vorteil der Komposition seiner Arbeit geschehen sei -- er darf sich
darüber trösten, denn wenn wirklich die Gliederung des Buches dadurch
geschädigt ist, was der Leser übrigens bei der anziehenden Art der
Darstellung kaum empfindet, so hat die Klarheit und Durchsichtigkeit
der Arbeit dabei umso mehr gewonnen, weil eben durch das Eingehen auf
die Einzelheiten dieses einen Aufstandes der Leser einen sicheren
Maßstab für das Verständnis all der vielen anderen städtischen
Revolutionen erhält, über die der Verfasser Bericht erstattet.

Indem uns als die vornehmsten Triebfedern jener Bewegungen der Groll
der Bürger über die drückenden Steuern und die starke Verschuldung
ihrer Gemeinwesen und das Mißtrauen gegen die Finanzverwaltung des
Rates, die Furcht, den regierenden Herren als Objekt der Ausbeutung
zu dienen, dargestellt werden, indem wir das Verhältnis der Laienwelt
zu der überall nach Erweiterung ihres Machtbereiches und ihres
Besitzstandes strebenden Geistlichkeit erkennen, indem wir endlich
auch das Proletariat in die Bewegungen eingreifen sehen, erhalten wir
ein ungemein fesselndes Bild von dem städtischen Leben jener Tage. Wir
sehen in den verschiedenartigen Bewegungen die Sehnsucht des Bürgers
nach wirtschaftlicher Befreiung zur That werden, wenn er versucht, alle
Lasten und Leistungen, welche geistliche und weltliche Obrigkeit,
die Macht des Kapitals oder privatrechtliche Verhältnisse ihm
auferlegen, abzuschaffen, zu vermindern oder auf unbelastete Schultern
abzuwälzen. Wir sehen, wie der Verfasser sagt, »das große Prinzip
der Bauernbewegung angewandt auf die städtischen Verhältnisse.« Auch
die Stellung der Städte zum Bauernaufstände, an dem die städtischen
Bewegungen ihren materiellen Rückhalt hatten, ebenso wie sie an der
Reformation ihre moralische Stütze fanden, wird eingehend untersucht
und bei dieser Gelegenheit die, auch in fürstlichen Kreisen geteilte,
Ansicht des Humanisten Konrad Mutianus, als hätten die Städte erst die
Bauern aufgereizt, entschieden zurückgewiesen.

Indem der Verfasser innerhalb der städtischen Bewegung drei Strömungen
unterscheidet: eine antiklerikale, eine gemäßigt-reformatorische und
eine radikal-kommunistische, die sich wechselseitig berühren und
durchdringen, nimmt er seinen Standpunkt zwischen Lamprecht und Lenz.
Das Resultat seiner Untersuchung formuliert er schließlich mit den
Worten: »Unsere Beobachtungen zeigen, daß die städtische Bewegung nicht
einseitig proletarisch-sozialpolitischer Natur ist, wie Lamprecht
annimmt. Aber ebensowenig wird sie ausschließlich vom Handwerkerstande
getragen und ist nur dessen Interessen dienstbar, wie Lenz behauptet.
In Wahrheit sind beide Schichten des Bürgertums daran beteiligt: der
zwar mannigfach bedrückte und mißvergnügte, aber doch in geordneten
Verhältnissen lebende oder gar wohlhabende Mittelstand -- also im
wesentlichen der zunftmäßig organisirte Teil der Stadtbevölkerung,
zugleich aber, noch weit anspruchsvoller und leidenschaftlicher
als dieser das städtische Proletariat nebst den ihm nahestehenden
Elementen.«

Das überzeugend geschriebene Buch vereinigt die Vorzüge eines reichen
Inhaltes und höchst anziehender Darstellung und wird sich gewiß viele
Freunde erwerben.

    ~Nürnberg.~               ~Otto Lauffer.~


=Bauernmöbel aus dem Bayerischen Hochland.= Von ~Franz Zell~. 30
Tafeln mit Text. 1899. 2. Frankfurt a. M. Heinrich Keller.

Die bäuerliche Kunst hat seit längerer Zeit die Aufmerksamkeit
der Kunst- und Kulturhistoriker auf sich gezogen. Eine derjenigen
Gegenden mit besonders ausgeprägter künstlerischer Thätigkeit in und
aus dem Volke heraus sind die altbayrischen Lande, besonders die
Voralpengegenden. Wie sie vom Ausgang des Mittelalters bis ins späte
17. Jahrhundert herein in farbigen Holzschnitzwerken religiöser Natur
sich nicht genug thun konnte, so setzte sich die Lust an farbiger
Dekoration vom 17. Jahrhundert fort in der Hausauszierung und im
Mobiliar. Gerade in Altbayern hat das Rococo durch eine geradezu
enorme Bauthätigkeit, besonders der zahlreichen Stifter und Klöster,
eine selbständige Entwicklung und eine bis ins letzte Dörflein
gehende Verbreitung gefunden. Da kann es nicht Wunder nehmen, daß es
trotz mancher Abschweifung zu Zopf und Empire bis zur Mitte des 19.
Jahrhundert der herrschende Bauernstil blieb. In keinem Zweig aber
tritt die bäuerliche Kunst des altbayerischen Stammes der beiden
letzten Jahrhunderte so reich und anziehend zu Tage, als in den
Holzmöbeln, der Kistlerarbeit (Kistler = Schreiner). Die Hauptstätte
dieser in Weichholz mit diskreter Verwendung geschnitzter Zierteile
in Lindenholz arbeitenden Möbelindustrie war Tölz und die östliche
Voralpenlandschaft Oberbayerns. Leider hat der geschmack- und stillose
Plunder der modernen gewöhnlichen lackierten Möbel, diese interessante
Hausindustrie -- die Männer besorgten die Schreinerarbeit, die
weiblichen Familienmitglieder in der Regel die Bemalung -- in den
sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts absterben lassen. Es ist daher
von dem Münchener Architekten Franz Zell sehr verdienstlich, eine
Sammlung vortrefflicher Beispiele oberbayrischer Kistlermöbel in
farbiger, von J. Oberretter durch Lichtdruck trefflich wiedergegebener
Reproduktionen dargestellt zu haben. Die Tafeln werden sowohl den
Kulturhistoriker, an den auch der fesselnd geschriebene Text sich
in erster Linie wendet, als den Möbelschreiner, der für einfache
Gebrauchsmöbel manche gute Anregung aus dieser urkräftigen, naiven
Kunst ziehen kann, in gleicher Weise interessieren.

    ~Stegmann.~



[Illustration: Aus der Folge der Vorlagen für Goldschmiede von Georg
Wechter d. Ä. (Andr. 10).]


DAS LEBENSENDE GEORG WECHTERS DES ÄLTEREN († 1586) UND SEINES
SOHNES HANS WECHTER.

VON TH. HAMPE.


Mit dem Namen Georg Wechters sind eine Anzahl Malerradierungen
bezeichnet, die teils aus den siebziger Jahren des 16., teils aus dem
zweiten und dritten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts stammen[157]. Unter
ersteren sind die künstlerisch bedeutsamsten die von 1579 datierten
»30 stuck zvm verzachnen for die Goldschmid«, die Wechter außer mit
seinem Namen und der Jahreszahl noch mit den Zusätzen »Maller« und
»NV̈RMBERG« versehen hat. Auf den dem 17. Jahrhundert angehörigen
Blättern ist, wo überhaupt eine Angabe darüber vorkommt, Bamberg als
Aufenthaltsort des Künstlers genannt.

Schon Nagler haben diese Thatsachen stutzig gemacht. Er vermutete
bereits, daß es sich hier nicht um eine und dieselbe Persönlichkeit,
sondern vielmehr um zwei Radierer gleichen Namens handeln werde, von
denen der eine im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts in Nürnberg,
der andere im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts in Bamberg thätig
gewesen sei. Eine 57 Jahre (von 1573 bis 1630) dauernde künstlerische
Thätigkeit, meint er, erscheine auch für ~einen~ Meister zu
lang[158]. Demgegenüber glaubte Andresen[159] doch an der Identität
des Autors aller mit dem Namen »Georg Wechter« bezeichneter Radierungen
festhalten zu sollen, wenn er auch die Möglichkeit, daß die Blätter
vielleicht zwei Meistern, etwa Vater und Sohn, zuzuteilen sein möchten,
nicht in Abrede stellen will. »Rechne ich«, sagt er, »die Jahre von
1573-1630 zusammen und noch 30 hinzu, so ergiebt sich ein Alter von
87 Jahren, das zu erreichen nicht zu den Unmöglichkeiten gehört und
Wechter vielleicht wirklich erreicht hat, wenn es anders gegründet ist,
was der neulich in München verstorbene Bamberg’sche Kunstsammler H. v.
Reider mitteilt, daß Wechter sich selbst in seinem Groteskenbuch (von
1619) unter der Figur des sehr alten, sich am Feuer wärmenden Mannes
abgebildet habe.«

Wie es sich mit dieser letzteren Angabe nun auch verhalten mag: soviel
läßt sich wenigstens mit annähernder Sicherheit nachweisen, daß der
Nürnberger Georg Wechter nicht mit dem Bamberger Künstler identifiziert
werden darf. Ein »kunstreicher Ätzmaler« Georg Wechter nämlich, aller
Wahrscheinlichkeit nach der Meister jener trefflichen Vorlagen für
Goldschmiede, starb in Nürnberg bereits am 28. März 1586 und zwar
durch Selbstmord und unter so eigentümlichen Umständen, daß sogar
ein Nürnberger Chronist, der ungenannte Verfasser der für das letzte
Viertel des 16. Jahrhunderts besonders ausgiebigen Handschrift Nr.
18025 der Bibliothek des Germanischen Museums, davon Akt genommen hat.
Er schreibt[160]:

    »_Anno 1586 den Sechsundtzwainntzigisten Marty hatt sich zu
    Nürmberg ein wolhabender kunstreicher Ezmahler, Geörg Wächter
    genant, vff dem Lorennzer Platz wohnent vnnd bej den Sechzig
    Jahren Altt, auf Sannct Rochius Kirchof vff seines Weibs
    Grabstain, daruntter sie den Ailftten december Anno 1585 begraben
    worden, selbsten durch den Halß Jemmerlichen erschossen, war
    ein Breuttigam vnnd hette sein hochzeit am Sonntag daruor schon
    angedingt, nemblich am Palm Sonntag mit Seiner Brautt bey S.
    Lorenzen zu Gottes Tische ganngen. Was nun die vhrsach gewesen,
    konnte man nicht aigentlich wissen. Ist sonnsten ein frommer vnd
    Gottsförchtiger Mann gewesen, Ettlich wolten der Neuen Heurath die
    schuldt geben._

    _Sein Elttester Sohn Hauns Wechter hatt Sich bey dem Bischoff zu
    Aystett mit Einem Messer Inn den Halß auch selbst erstochen, wie an
    seim ortt folgen wird._«

Was in dieser Chroniknotiz über Georg Wechters Tod gesagt ist, wird in
allem wesentlichen auch durch die jetzt auf dem Kreisarchiv Nürnberg
verwahrten Ratsverlässe der ehemaligen freien Reichsstadt bestätigt. Im
XIII. Faszikel des Jahrgangs 1585/86 heißt es daselbst auf Blatt 24a zu
Montag den 28. März 1586:

    »_Auf Valtin Bulmans, besichtigers der gräber, verlesene ansag, was
    massen sich Jorg Wachter, ein etzer vnd maler, hie heut [!] auf S.
    Rochius kirchhof mit ainer faustpuchsen, die er bei sich gehabt,
    selbst in den halß geschossen, das er den negsten_ [d. h. alsbald]
    _vmbgefallen vnd tod gepliben, soll man bei ime suchen lassen,
    was er fur brief oder anders bei sich gehabt, alßdann auch_ [Bl.
    24b] _sein freundtschafft beschicken und erkhundigung thun, was
    er für anligen gehabt, oder was ime zu solcher schrecklichen that
    vrsach gegeben._«

    Und weiter:

    [1585/86, XIII, Bl. 25b] Dienstag, 29. März 1586:

    »_Auf den verlesenen bericht Jorgen Wachters, etzers, ime selbst
    zugefugten ableibung halben soll man seiner freundtschafft ir
    begern deß begrabens halben under seins verstorbnen weibs grabstain
    mit guten worten ablainen vnd vmb mehrers abscheuhens willen an
    den gewonlichen ort_ [nämlich: für Selbstmörder] _begraben lassen.
    Souil aber ir begern der klaider halben belangt, inen sagen, sich
    mit den pettelrichtern darumb zuuertragen._

    _Vnd dieweil die pettelrichter jederman den todten cörper sehen_[Bl.
    26a] _lassen vnd derwegen gelt aus den leuten geschetzt haben, soll
    man sie derhalben beschicken und zured halten._«

Wie man sieht, stimmen die Angaben der Chronik und der amtlichen
Aufzeichnungen nur hinsichtlich des Datums nicht völlig überein.
Während der Chronist den 26. März (Samstag) als den Todestag Georg
Wechters bezeichnet, geben die Ratsverlässe den 28. März (Montag) als
solchen an. Ist nun schon an sich der letzteren Quelle ihrer Natur
nach die größere Glaubwürdigkeit beizumessen, so wird in diesem Falle
überdies der Schreib- oder Gedächtnisfehler des Chronisten sofort
erwiesen durch die Nachricht, die er selbst überliefert, daß nämlich
Georg Wechter noch am Sonntag davor, welcher der Palmsonntag gewesen,
mit seiner Braut zum Abendmahl in die Lorenzkirche gegangen sei. Der
Palmsonntag aber fiel 1586 auf den 27. März.

Interessant ist in dem zuletzt wiedergegebenen Ratsverlaß auch
der Schlußpassus, wonach also die Bettelrichter den Körper des
Selbstmörders für Geld haben sehen lassen und dafür zur Rede gehalten
werden sollen. Offenbar hatte das ungewöhnliche Interesse, das der
Fall erregte, seine Hauptursache in der Todesart, die der Verstorbene
gewählt: es ist in Nürnberg vielleicht das früheste Vorkommen eines
Selbstmordes vermittelst des Faustrohres, des Vorläufers der späteren
Pistole. Der tragische Vorfall, von dem wir berichten, ist also auch
waffengeschichtlich nicht ganz ohne Interesse.

Auf den Tod Georg Wechters bezieht sich endlich noch ein dritter
Ratsverlaß, den ich der Vollständigkeit wegen und als eine Ergänzung zu
dem eben berührten Passus gleichfalls hierher setzen will:

    [Jahrgang 1586/87, Fasz. I, Blatt 6a] Donnerstag, 6. April 1586:

    »_Auf Valtin Bulmans, deß gräberbesichtigers bei S. Rochius,
    verlesene entschuldigung deß gelt nemens halben von den leuten,
    so deß abgeleibten Jorgen Wechters cörper besichtigt haben, ist
    verlassen, ime vnd seinem weib deßwegen ein strefliche red zu
    sagen vnd beiden gräberbesichtigern bei S. Johans vnd S. Rochius
    ernstlich zu undersagen vnd zu verpieten, da sich in kunfftig zeit
    wiederumb_ [6b] _ein solcher schrecklicher Fall wie mit dem Wechter
    zutragen wurde, die cörper in den capellen oder todtenheußlein
    verschlossen zu halten vnd nicht mehr beschehner massen gelt daraus
    zu schetzen, bei meiner herren ernstlichen straf._«

Im übrigen habe ich dem, was die alten Schriften über Georg Wechters
Tod melden, kaum noch etwas hinzuzufügen, zumal sich auch etwa über die
Motive, die er für seine That gehabt, nichts weiter feststellen läßt,
als was sich aus dem Thatbestande selbst zu ergeben scheint und bereits
von seinen Zeitgenossen gemutmaßt wurde.

Indessen erfordert der Schlußsatz in jener Chroniknotiz noch eine
weitere Betrachtung und Erklärung. Nach ihm soll sich auch Georg
Wechters ältester Sohn Hans, da er sich im Dienste des Bischofs von
Eichstätt befand, durch einen Messerstich in den Hals selbst das Leben
genommen haben. Der Chronist fügt hinzu, daß er darüber »an seinem
Ort« berichten werde. In unserer Handschrift, die bis zum Schluß des
Jahres 1602 reicht, kommt er jedoch nicht wieder auf diesen Fall zu
sprechen. Dennoch liegt meines Erachtens kein Grund vor, der Angabe zu
mißtrauen. Die Chronik ist, wie sich aus verschiedenen Stellen ergiebt,
im wesentlichen auf Grund gleichzeitiger Aufzeichnungen um das Jahr
1614 sehr sorgfältig zusammengeschrieben worden[161]. Es ist also
wahrscheinlich, daß der Selbstmord des Hans Wechter erst zu Anfang des
17. Jahrhunderts, nämlich in der Zeit zwischen 1602, wo die Chronik
abbricht, und 1614 erfolgt ist. Vermutlich ist dieser Hans Wechter
identisch mit einem Kupferstecher, von dem die Nürnberger Ratsverlässe
melden, daß er im Jahre 1584 sein Bürgerrecht aufgesagt habe:

    [Jahrgang 1584/85, I, 17b] Mittwoch, 29. April 1584:

    »_Hans Wechter, kunststecher, hat in sitzendem rath sein
    burgerrecht aufgesagt, gewonlichen reuers gegeben vnd ist vmb
    abschied in die losungstuben gewisen worden._«

Da Georg Wechter nach Ausweis unserer Chronik 1586 bereits ein Mann von
etwa sechzig Jahren war, kann er um jene Zeit sehr wohl bereits einen
selbständigen Sohn gehabt haben, der ja auch ausdrücklich als sein
ältester bezeichnet wird.

Der in den Ratsverlässen genannte Hans Wechter ist aber andererseits
aller Wahrscheinlichkeit nach identisch mit jenem Zeichner und
Kupferätzer dieses Namens, von dem Andresen sagt, daß er »um das Jahr
1610 blühte«[162]. Die datierten unter den mit seinem Namen oder seinem
Monogramm bezeichneten Blätter stammen aus den Jahren 1599[163],
1604[164] und 1606[165], und diese Zahlen scheinen ebenfalls dafür
zu sprechen, daß wir in dem Radierer Hans Wechter jenen ältesten
Sohn Georg Wechters zu erblicken haben, der zwischen 1602 und 1614
zu Eichstätt durch Selbstmord starb. Wir würden also, wenn wir diese
Vermutung gelten lassen, sagen können, daß Hans Wechter nach 1606 und
vor 1614, aller Wahrscheinlichkeit nach aber bald nach 1606 (oder noch
im Jahre 1606) seinem Leben ein Ende gemacht haben müsse.

Merkwürdigerweise walten nun hinsichtlich der Biographie des Hans
Wechter ganz ähnliche Schwierigkeiten und Zweifel ob, wie wir sie oben
mit Bezug auf seinen Vater Georg Wechter kennen gelernt haben. Und wie
diese Zweifel dort durch Feststellung des Todesjahrs Georg Wechters
behoben und der Thatbestand klar gelegt werden konnte, so wird sich
auch hier, wenn wir durch die angeführten Wahrscheinlichkeitsgründe den
Tod Hans Wechters in die Zeit von 1606-1614 zu setzen uns veranlaßt
sehen, die Lösung der strittigen Frage leicht ergeben.

Man hat verschiedentlich angenommen, nicht nur daß Hans Wechter
von Profession Goldschmied gewesen sei, sondern daß sich auch
Goldschmiedearbeiten seiner Hand erhalten hätten in einem zu Kopenhagen
befindlichen verzierten Stahlspiegel, der »J[ohann] Wechter 1646«
bezeichnet sei, und einer »_H. W._ 1653« signierten ähnlichen Arbeit
mit der Darstellung von Lot und seinen Töchtern in Berlin[166]. Zu
der ersteren Annahme mag wohl auch die nahe Verbindung verleitet
haben, in der ihn seine Wappenfolge mit Hieronymus Bang zeigt, der
hier als Verleger (»Hieron. Banng. Excud:«) erscheint. Hieronymus
Bang, der aus Osnabrück stammte und 1587 in Nürnberg das Bürgerrecht
erhielt, war von Profession Goldschmied, und zwar, wie es scheint, ein
vielbeschäftigter. Das im Germanischen Museum deponierte Freiherrl. von
Scheurlsche Familienarchiv z. B. bewahrt manchen Ausweis über seine
Thätigkeit als solcher, und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit werden
ihm auch die vier von Marc Rosenberg in seinem Buche Der Goldschmiede
Merkzeichen unter Nr. 1228 beschriebenen Stücke zuzuschreiben
sein[167]. Bekannter aber noch ist er durch die von ihm herrührenden
Ornamentstiche.

Eine solche Vielseitigkeit dürfen wir nun für Hans Wechter gewiß nicht
annehmen. Die Bezeichnung »Kunststecher« in dem mitgeteilten Ratsverlaß
zeigt zur Genüge, daß er nicht Goldschmied von Profession gewesen ist.
Und daß die erwähnten Goldschmiedearbeiten von 1646 und 1653 nicht von
ihm herrühren können, ergiebt sich aus unserer chronikalischen Notiz
über den frühen und jähen Abschluß seines Lebens zu Anfang des 17.
Jahrhunderts- Es sind also auch hier zum mindesten zwei verschiedene
Persönlichkeiten anzunehmen.

Um nun aus dem vorstehend Mitgeteilten die weiteren
kunstgeschichtlichen Konsequenzen zu ziehen, würde wohl zunächst das
»Werk« sowohl des Georg Wechter als des Hans Wechter, wie es uns
Andresen darbietet, einer erneuten Prüfung und Sichtung zu unterziehen
sein. Ich kann darauf hier nicht näher eingehen, sondern muß mich auf
einige wenige Bemerkungen darüber beschränken. Am sichersten sind als
Arbeiten Georg Wechters des älteren die Vorlagen für Goldschmiede aus
dem Jahre 1579 (Andr. 10) bezeugt. Mit ihnen durch gleiche Technik,
gleichen Stil und namentlich auch gleiche Ornamentationsmotive --
man vergleiche insbesondere die auf den Blättern zur Verwendung
gekommenen Cartouchen -- auf das engste verwandt und gleichfalls als
unzweifelhafte Arbeiten unseres Künstlers auszusprechen sind sodann die
Ansichten von Windsheim (1576) und Memmingen (1573), sowie das Wappen
des Nicolaus Scheller, die alle mit des Künstlers _G W_ bezeichnet sind
(Andr. Nr. 2, 3 und 7). Rätselhaft ist mir dagegen, wie Andresen auch
in dem Porträt des Andreas Nagel, Pfarrers zu Windsheim, das unsigniert
ist und übrigens erst aus dem Jahre 1605 stammt, die gleiche Art hat
erkennen wollen (Andr. 5). Das abscheuliche Blatt hat mit dem Namen
Wechter überhaupt nichts zu thun. Als Werke des jüngeren Georg Wechter,
der zu Bamberg thätig war, sind endlich Nr. 1, 6, 8, 9 und 11 bei
Andresen zu betrachten. Auch die Ansicht des Schlosses Giech (Andr. 4)
wird aller Wahrscheinlichkeit nach ihm angehören.

Aus dem Werke Hans Wechters (Andresen IV, S. 334 ff.) möchte vielleicht
am ehesten das unbezeichnete Blatt Nr. 6: »Vergleichung der Schlüssel
des Pabstes und des Apostels Petrus«, das nach der von Andresen
gegebenen Beschreibung eine Spitze gegen die »Pabisten vnd Jesuwider«
zu enthalten scheint, auszuscheiden sein. Bei einem Künstler, der
zuletzt im Dienste des Bischofs von Eichstätt thätig, also doch wohl
ein überzeugter Katholik war, werden wir eine solche Tendenz schwerlich
voraussetzen dürfen.

[Illustration: Aus Georg Wechters d. Ä. Ansicht von Windsheim (Andr.
2).]



[Illustration]

ZWEI SCHREIBEN MAXIMILIANS I. VON BAYERN.

VON R. SCHMIDT.


Von den gleichzeitig im Anzeiger des Museums aufgeführten 24
Originalschreiben des Herzogs und Kurfürsten Maximilian I. von Bayern
gelangen hier zwei Stücke, das eine in seiner Eigenschaft als Feldherr
der Liga an den Kaiser Ferdinand II., das andere anläßlich des Todes
dieses Kaisers an die Witwe desselben gerichtet, zum Abdruck. Das
erstere Schreiben gibt ein Bild von der Erschöpfung, der selbst ein
so kornreiches Land, wie Bayern, durch die Verheerungen des Krieges
anheimfiel. Das zweite gibt gleich den vier hier nicht abgedruckten
Schreiben an die Königin Maria von Böhmen und Ungarn Zeugnis von dem
nahen Verhältnis Maximilians zu dem österreichischen Kaiserhause und
seinen dortigen Verwandten.


I.

Allerdurchleuchtigister grossmechtigister Khayser, Euer Kay. May. sein
mein gannz vnndterthenige diennst in aller gehorsamb iederzeit berait
zuuor. Allergenedigister lieber Herr vnnd Vetter.

Nachdeme in meinen Lanndten heuriges Jars, wie E. Khay. May. vnlanngst
aus meinem, wegen der noch ausstendigen 3000 Muth Khorn abgeganngnen
gehorsambisten ersuechschreiben, mit mehrerm ̃gdist verstanndten,
die lieben veldtstricht, sonnderbar in Waiz vnnd Khorn, durch die
Soldatesca an den maisten orthen vnnd besten Traidspöden dermassen
verderbt, auch an vilen orthen gar nit angebauet; oder was noch
verbliben, nit in die Scheuren gebracht worden, dass ich vnnd meine
Lanndtsvnndterthanen, wie auch E. May. vnnd die Bundtsarmada an
nothwendiger vnndterhalt nit geringen Abganng vnnd mangel leiden
werden Derowegen ich getrungen würdt, die Notturfft aus E. May.
Erzherzogthumb Oesterreich zetrachten, Dieselbe in gehorsamb bittend,
weiln dero Lanndt noch mit grossem Vorrath Traidt, wie ich bericht bin,
gesegnet vnnd fürsechen, hingegen die meine wegen des gemainen wesens,
aufhaltung des Feindes, damit Er in E. May. Lannden nit fürbreche
vnnd Prouiantierung der Armada vast aufs aeusserist verderbt vnnd
entblösst sein, E. May. gerhuen ̃gdigst zuuerwilligen vnnd Passbrief
zu erthaillen, dass ich in dero österreichischen Lannden in[168]: 1000
Muth Waizen (zemahlen ich gennzlich verhoffe, die 3000 Muth Khorn auf
E. May. genedigiste verordnung von den Stenndten Lanndtes ob der Enns
eruolgen werden) erhanndlen, vnnd Mautt vnnd Zollfrey herauf in meine
Landen bringen lassen möge. Eur Khay. May. zue dero hulden vnnd gnaden
mich benebens in vnndterthenigkheit empfelchendt

Datum in meiner Statt Braunau den 30. Augusti Aº 1633

E.[169] Khay. Mt.

    gehorsamister getreuester
    Churfürst und Vetter
    Maximilian m. p̅r̅i̅a̅.

    Dem Allerdurchleuchtigisten Grossmechtigisten Fürsten vnd Herrn,
    Herrn Ferdinanden dem andern, erwöhlten Romischen Kaiser, zue
    allen Zeiten mehrern des Reichs, in Germanien zu Hungern vnd Beham
    Königen, Ertzhertzogen zu Oesterreich, Hertzogen zue Burgundi, in
    Ober: vnd Nidern Schlesien, Margrauen zue Mährenn, Grauen zu Thürol
    vnd Görtz, Meinem allergenedigisten lieben Herrn vnd Vettern.

Auf der Rückseite steht außer obiger Adresse und einigen
Registraturvermerken noch folgender Entscheid:

Ad Cameram Aulicam. Die würdet aines vnd daß ander Irer Churf. Drchl.
in Bayrn begern, Irer Kay. Mt. in negster Audienz mit Guttachten
fürzubringen haben.

    Per Imperatorem
    9. Sept. 1633
    T. Hertinger.


II.

Allerdurchleichtigiste Grosmechtigiste Kayserin, Eur May. sein mein
gehorsamb willige dienst alzeit mit vleiss zuuor, genedigiste liebe
fraw Muemb.

Nachdeme mir der ohnlengst in Gott seeligist verstorbene Kay. May.
meines ̃gest. geliebten Herrn Vettern vnnd Herrn Vattern[170]
erfolgter zeitlicher abgang zu uernemen komen, hab ich denselben
nit allein für mich selbst, mit sonderbarer betriebnus verstanden,
sonndern auch für ein notturft befunden, sowol an I. May. die
verwittibte Kayserin, mein auch f̃rdl. geliebte frauw Muemb vnnd
fraw Muetter[170], als die jez Regierende[171] vnnd zuegleich auch E.
Kay. M. M. gegenwerttigen den wolgebornen meinen Cämmerer vnnd lieben
gethreuen Menrad Graffen von Zollern abzeferttigen vnnd vermitelst
desselben Persohn dises vnuerhofften bedriebten zuestandts halb das
Jenig zu uerrichten, was die schuldigkeit vnnd nahe Anuerwandtnus von
mir erheischt, vnnd Eur May. von Ime Grauen mit mererem vmbstendtlich
anheren vnnd vernemben könden. Ersueche derowegen dieselben hiemit
gehorsamblich bittendt, Sy wollen nit allein Ime Graffen in dem was
Er diss orths von meinetwegen Iro anbringen wirdtet, ̃gst audienz,
sonndern auch völligen glauben wie mir selbsten ertheilen, allermassen
diss orths mein vndtertheniges verthrauen zue derselben steet, vnnd es
in begebenden occasionen zuebeschulden bereit, auch damit E. Kay. May.
mich gehorsamblich befelchen thue.

München den 23. Febr. Aº 1637.

E.[172] Mtt.

    gehorsamer Vetter
    Maximilian mpria.

[Illustration]



[Illustration: Anhänger von Daniel Mignot.]

ANHÄNGER IM GERMANISCHEN MUSEUM.

VON DR. KARL SIMON.


Die Schmucksammlung des Germanischen Museums enthält eine nicht ganz
unbeträchtliche Anzahl von Stücken, die man im engeren oder weiteren
Sinne als Anhänger bezeichnen kann, und deren Besprechung insofern
vielleicht einem freundlichen Interesse begegnen dürfte, als wenig von
diesen Stücken erhalten und wenn erhalten, wenig bekannt ist.

Die Art, sie zu tragen, wird verschieden gewesen sein; als Hutagraffen,
an die Kleider angenäht, an Halsketten, endlich und wohl sehr vielfach
seit dem Wiederaufkommen des Rosenkranzes im 15. Jahrhundert an diesem.

Dem ganzen Schmucke des Mittelalters ist eine Richtung auf zentrale
Komposition eigen, so vor allem dem Fürspan, dem am meisten vertretenen
Stück, der auf der Mitte der Brust befestigt ursprünglich nicht
zum Schließen und Zusammenhalten der Kleidung diente, sondern ein
reines Zierstück war: so z. B. an einem wohl aus karolingischer Zeit
stammenden Stücke im bayer. Nationalmuseum (Obernetter Taf. 235), an
einem gegen das Jahr 1000 zu setzenden Adler, der das innere Rund
eines flachen Ringes von Filigran ausfüllt (Abb. bei Luthmer, Gold
und Silber; Seemann’s Kunstgewerbliche Handbücher Bd. III S. 75, Fig.
28, a); desgleichen bei den Agraffen, die zum Anhängen der Ketten
bestimmt waren, an denen Schwert und Dolch befestigt wurden, und wofür
die Grabdenkmäler zahlreiche Belege bieten.

Aber auch religiöse Themata finden schon vielfach und früh ihre
Darstellung. Besonders haben die in der Seine gefundenen und jetzt zum
großen Teil im Musée Cluny aufbewahrten sog. Plombs historiés wichtiges
Material geliefert.

Eines der wichtigsten dieser Stücke ist das Zeichen der Notre Dame du
Puy, das im Jahre 1183 ein gewisser Durand ausführen ließ, das Haupt
der Brüderschaft de la paix oder der chaperons blancs (Abb. bei Gay:
Glossaire Archéologique du moyen age et de la Renaissance. Paris 1887.
p. 634 s. v. enseigne). Es diente als Zeichen für die Mitglieder der
Bruderschaft, die sich die Bekämpfung und Ausrottung der damals das
Land verheerenden Räuberbanden zur Aufgabe gemacht hatte. Es ist ein
rechteckiges Stück Blei mit dem Relief der Maria mit dem Kinde; den
Rand begleitet die Legende. Mehrere Ösen dienten zum Annähen an das
Gewand. Anderweitig wurden die Stücke oft mit Nadeln befestigt. Und das
ist bezeichnend für die ganze Auffassung des Schmuckes; er hat keine
selbständige Existenz, er ist ein Stück des Kostüms.

Der Form der Plombs historiés scheint sich die an priesterlichen
Gewändern verwendete Pluvialschließe durchaus anzureihen. In der Mitte
eine religiöse Darstellung, in Relief oder durchbrochen, etwa noch
in Vierpässe eingefaßt (Gay a. O. Pilgerzeichen des 13. Jahrh.) oder
in architektonischer Umrahmung (Gay a. O. S. 635, Luthmer a. O. Fig.
28,7), am Rande die Legende. Aber auch Freiplastik begegnet, so z. B.
die Darstellung eines St. Georg mit dem Drachen (Gay a. O. 14. Jahrh.)

Auch nach dem Aufkommen, der Halsketten (Ende des 14. Jahrh.), die erst
im 15. Jahrhundert häufiger werden (öfter als Auszeichnung verliehen,
Gnadenketten, Schützenketten), hält sich noch lange bei den jetzt an
ihnen auftretenden »Anhängern« die alte zentrale Form. Damit stehen wir
an der Schwelle der Epoche, der unsere Anhänger angehören und zu deren
Beschreibung wir übergehen.

Eines der ältesten Stücke wird T. 972 sein; es ist wie alle folgenden,
bei denen nicht ausdrücklich anders bemerkt wird, aus vergoldetem
Silber und enthält in einem schmalen Rahmen, von dem 3 Seiten
rechteckig zu einander stehen, während die vierte in der Biegung und
krabbenähnlichen Ansätzen an die Gotik anklingt, das durch einen
Halbmond abgeschlossene Brustbild der Maria mit dem Kinde. 2 Engel
schweben von den Seiten heran, 2 andere halten über ihr die Krone.
Eine Öse oben dient zum Einhängen, eine untere war für anderen Zierrat
bestimmt. (Höhe 44 mm, Breite 32 mm.)

Bei T. 97 sitzt Maria mit dem Kinde allein auf dem Halbmond, in rundem
Reifen. (Dm. 33 mm.)

Zu dritt gruppiert erscheint Maria auf T. 85 und auf T. 86. Dort sitzt
zwischen ihr und der hl. Anna das Christuskind; die Einrahmung bildet
ein dicker runder Blattkranz. (Dm. 37 mm.) Die Vergoldung ist besonders
gut. Hier bildet Maria selbst die Mitte; zwischen Gottvater und
Christus knieend, empfängt sie von beiden die Krone; über ihr schwebt
die Taube. (Fig. 1 rechts unten.) Ein gewundener Reifen schließt die
Gruppe ein. (Höhe 35 mm, Breite 32 mm.)

Christus selbst erscheint auf T. 209, die Weltkugel in der Linken,
die Rechte benedizierend, unten und oben verbunden mit dem umgebenden
Rosenkranze, in den die 4 Evangelistensymbole eingefügt sind. (Höhe und
größte Breite 31 mm.)

Ein andermal (T. 87) ist der hl. Georg zu Pferd dargestellt, wie er
das Schwert gegen den unter den Füßen des Rosses liegenden Drachen
schwingt, der den unteren Abschluß der in rundem gewundenen Reifen
eingeschlossenen Gruppe bildet. (Dm. 28 mm.)

[Illustration: Fig. 1. Anhänger im Germanischen Museum. T. 519. 835,
86.]

So sind die behandelten Gegenstände ausschließlich der christlichen
Vorstellungswelt entnommen; die Mariendarstellungen überwiegen.

Sämtliche Anhänger sind gegossen und die Ansicht nur für eine Seite
berechnet; die andere ist glatt gelassen. Es sind keine großen
Kunstwerke; auf genaue Wiedergabe der Gesichtsformen ist Verzicht
geleistet, mit Ausnahme etwa von T. 972; freilich sind die Stücke durch
vieles Tragen auch mehrfach abgenutzt.

Gemeinsam ist ihnen allen ein Streben nach zentraler Komposition; der
einfassende Rahmen ist meist kreisförmig oder nähert sich doch der
Kreisform. Nur T. 972 hat einen wohl architektonisch gemeinten Rahmen.
Blätter- und Rosenkränze bringen Bewegung in die Silhouette, die durch
die eingefügten Tiere auf T. 209 noch gesteigert wird. Ein Christus
an einem Kreuze mit astförmigen Auswüchsen (T. 84) bildet eine leicht
begreifliche Ausnahme. Meist setzen die Figuren unmittelbar auf die
Einfassung auf; 2 mal bildet ein Halbmond, 1 mal ein Wolkenstreifen die
Vermittlung. Die Höhe der hervorragenden Teile der Figuren beträgt kaum
mehr als 2 mm.

Fast alle haben unten Ring oder Öse für ein abschließendes Anhängsel,
eine Perle u. ä.; nur bei T. 85 ist nichts derart vorhanden, so daß die
zentrale Gruppierung voll zum Ausdruck kommt.

[Illustration: Fig. 2. Anhänger von Daniel Mignot.]

Eine Zeitbestimmung der Stücke ist bei dem fast gänzlichen Mangel
stilistischer Anhaltspunkte mißlich, und es ist sehr möglich, daß
solche offenbar fabrikmäßig hergestellte Ware sich in einzelnen
Volkskreisen noch lange erhielt, als im allgemeinen schon eine andere
Geschmacksrichtung aufgekommen war. Doch mögen sie wohl in’s 16.
Jahrhundert gehören.

War die zentrale Komposition noch ein Nachklang der mittelalterlichen
Gewohnheit, so wurde diese im 16. Jahrhundert bei dem eigentlichen
vornehmen Schmuck verlassen und die schon bei den besprochenen Stücken
verschiedentlich bemerkte Tendenz deutlich, die Bestimmung als
»Anhänger« auch in der Form auszudrücken. Jetzt treten jene reizvollen
und immer wechselnden Formen mit ihrer Verbindung von edlem Metall
und Steinen, etwa auch Emaillierung, auf, die uns noch heute von
Bildern jener Zeit entgegenleuchten, und für die ein Hans Holbein
nicht verschmähte, Entwürfe zu zeichnen, wie sie uns sein Londoner
Skizzenbuch zeigt. Ueberhaupt nehmen solche Entwürfe einen breiten
Raum im Kupferstich gegen Ende des Jahrhunderts ein; von einem der
bedeutendsten Stecher, der in dieser Art arbeitet, Daniel Mignot, geben
wir einige Abbildungen. (Fig. 2, sowie die Abbildungen am Anfang und am
Schluß des Artikels.)

[Illustration: Fig. 3. Kette und Anhänger. T. 728.]

Von diesem Reichtum einer schmuckfreudigen Zeit ist verhältnismäßig
nur wenig erhalten, und auch unsere Sammlung hat wenig, das zu diesen
Schmuckstücken höheren Ranges gehört. So ein goldener zu einer Kette
gehöriger Anhänger (s. Fig. 3.). Er ist der Form nach ziemlich kurz,
verbreitert sich jedoch nach unten. (Breite 5,4 cm, Höhe 5 cm). Am
Rande sitzen 12 Bergkrystalle in hohen, viereckigen Kasten, die
durch umgebogenen Golddraht auf der Rückseite befestigt sind. Sie
rahmen wiederum ein Mittelstück ein, in dem 6 gleiche Kasten mit
Bergkrystallen um einen großen mittleren gruppiert sind. Diese mittlere
Gruppe ist aus einem Stück und aufgeschraubt. Die Zwischenräume
zwischen den Kasten sind mit schwarzem Email ausgefüllt.

Die dazu gehörige Halskette besteht aus einer Reihe kleiner, nach zwei
verschiedenen Zeichnungen abwechselnder Glieder von gleicher Technik
und Wirkung wie der Anhänger, der mit dem mittleren größeren durch ein
Zwischenglied verbunden ist.

Der gegensätzlichen Wirkung halber wird beim Goldschmuck gern auch
buntes Email verwendet. Zwei solche Stücke besitzen wir, die schon in
das beginnende 17. Jahrhundert gehören.

T. 519 ist ein Ordenszeichen des von Kurfürst Christian II. gestifteten
Ordens »der brüderlichen Liebe und Eintracht in Sachsen«. Ein runder
Reif (Dm. 33 mm, s. Fig. 1 oben) mit der Inschrift: »Ecce quam bonum et
iucundum habitare fratres inunum« schließt eine frei gearbeitete Gruppe
ein: auf grünem Rasen sitzen zwei sich küssende Frauengestalten mit
nacktem Oberkörper. Wage und Palme kennzeichnen sie als Gerechtigkeit
und Frieden, also eine Illustration der alttestamentlichen Verheißung.
Außen am Ringe sind an vier Stellen Ranken mit weißer Emaillierung als
Verzierungen angebracht; nur rechts und links sind sie vollständig,
oben und unten abgebrochen. In den Ring selbst sind sechs emaillierte
Wappen eingelassen; oben das sächsische, dann nach rechts weiter:
Markgrafschaft Meißen, Pfalz Sachsen, Henneberg, dann vielleicht
Grafschaft Landsberg (2 rote [irrtümlich statt blaue?] Balken in
goldenem Felde), Herrschaft Pleißen. Die Räume zwischen den Buchstaben
der Inschrift sind mit schwarzem Email ausgefüllt. Die Figuren selbst
sind aus Gold, das nach damals beliebter Weise an den Fleischteilen
mit weißem Email überzogen ist und an den Gewändern ein eigentümlich
körniges Aussehen zeigt. Beide Seiten sind vollkommen gleich und als
Schauseiten ausgebildet.

[Illustration: Fig. 4. Anhänger im Germanischen Museum. T. 760.]

[Illustration: Fig. 5. Anhänger; T. 58.]

In die gleiche Zeit gehört wohl ein Anhänger mit dem auferstandenen
Christus. (T. 760, s. Fig. 4; Höhe 53 mm, Breite 45 mm). Den Grund
bildet durchbrochenes Rankenwerk aus Gold, mit reichem opaken
Emailschmuck in Blau, Grün und Weiß, auf den zum Teil noch rote
Pünktchen aufgesetzt sind. Von diesem flachen Grunde löst sich die
frei gearbeitete Figur Christi, mit der Siegesfahne in der Linken,
die Rechte erhoben, plastisch los. Die Füße stehen dem Grunde noch
am nächsten, während das Haupt mit dem Nimbus sich 9 mm über den
Grund erhebt und so der Eindruck des Herausschwebens erweckt wird.
Die Gestalt Christi ist wieder aus Gold, das an Lendentuch und Mantel
zu dem mit weißem Email überzogenen übrigen Körper einen lebendigen
Gegensatz bildet. Die Innenseite des Mantels sollte wohl, nach
Farbspuren zu schließen, rot sein. Zu beiden Seiten löst sich je eine
Ranke mit blauer Blume vom Grunde los; darüber liegt je ein Almandin
in länglichem Kasten; eine mit Almandinen geschmückte Krone schließt
das Ganze ab. Auch die Rückseite ist reich mit bunten Emailfarben
ausgestattet. Das Ganze ist von einem höchst reichen und festlichen
Eindruck und paßt sich einer Darstellung des Triumphes über den Tod
aufs glücklichste an.

[Illustration: Fig. 6. Anhänger, T. 2303.]

Eine Ausnahmestellung nehmen zwei an längeren Gehängen angebrachte
Stücke ein. Das erste, das unsere Abbildung zeigt (Fig. 5. T. 58, Höhe
18 cm, Breite 7,8 cm), ist eine aus Silber gegossene Sirene mit einer
Krone auf dem Haupte, durch die ein Pfeifchen geht. An dem flachen
Silbergehänge schwebt ein Glöckchen. Wie das Ganze getragen wurde, ob
etwa an einem Gürtel, ist nicht recht klar. Wie sich die Sirenengestalt
überhaupt in der Kunst des 16. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreute
und sie Holbein z. B. auf seinem Erasmus im Gehäus verwendete, findet
sie sich auch noch öfter, gerade wie bei uns, als Schmuckgegenstand.
So z. B. im Rothschildmuseum in Frankfurt a. M.[173] und in der Wiener
Schatzkammer[174]. Hier haben Monstreperlen, aus denen der größte Teil
des Leibes besteht, den nächsten Anlaß gebildet. Jedesmal bilden 4
kleine Perlen den unteren Abschluß; auch auf unserem Stück deuten 4
Ösen auf ähnlichen Schmuck.

T. 2303 (Fig. 6) stellt einen großen, gekrönten Vogel mit krummem
Schnabel und langem, gestreckten Schwanze dar (Länge mit Kette 12
cm, Breite 14 cm). Der Körper ist aus vergoldetem Silber und innen
hohl. Die Flügel sind angesetzt und mit Nieten an Brust und Schwanz
befestigt; die Federn sind durch Gravierung angegeben. Unter dem Halse
hängt in einer Öse eine kleinere goldene Taube, mit den Buchstaben D
C am Halse. Es läge nahe, an die Jahreszahl 1600 zu denken, wo das M
ausgelassen wäre. Doch könnte der große Vogel noch in frühere Zeit
hinaufreichen. Das Stück wird ein Schützenkleinod sein, von denen
sich einige ganz ähnliche Beispiele auch in den Sammlungen auf Schloß
Heeswijk erhalten haben. (Collections de Heeswijk III. n. 944).
Dazugehörige Schützenketten, an denen die Kleinode getragen wurden,
scheinen ja häufiger zu sein.

[Illustration: Fig. 7. S. Georg. Anhänger, T. 92.]

Indessen bestand der einfach ausgestattete Anhänger mit religiösen
Darstellungen fort. So erscheint auf T. 102 der hl. Christophorus
mit dem Christkinde in ovalem Medaillon, das von krausem Ornament
begleitet wird. (Höhe 7 cm, Breite 5,1 cm). So ist also noch der Rahmen
beibehalten, der sonst schon vielfach wegfällt[175].

Der Art ist eine 6,5 cm hohe Statuette des hl. Georg (T. 92, s. Fig.
7), die wohl ein Anhänger des St. Georgsritterordens ist. Die frei
gearbeitete Gruppe (silbervergoldet) steht auf einer sechseckigen
Konsole, unter der sich ein Öhr mit gewundenem Ring befindet. Der
gerüstete hl. Georg mit einem Nimbus aus gewundenem Draht steht in weit
ausschreitender Stellung auf dem Drachen, mit der Linken den kunstvoll
gewundenen Schweif haltend, mit der Rechten das etwas lang geratene
Schwert dem Ungetüm in den Rachen bohrend.

[Illustration: Fig. 8. Pathenpfennig des Martin Vogelsang, 1627. T.
213.]

Nähert sich so der alte Anhänger durch Wegfall des Rahmens der
Freiplastik, so gewinnt das Mittelstück andererseits durch die
entschiedene Ausbildung als Relief mit festem Hintergrunde einen mehr
malerischen Charakter.

Sehr selten im allgemeinen kommt es vor, daß die Darstellung in
einen architektonischen Rahmen gefaßt ist. T. 835 ist ein solches
seltenes Beispiel. Zwei Pfeiler auf hohen Sockeln, unter denen sich
aufgerollte Voluten befinden, bilden rechts und links, ein ziemlich
willkürlich geformter Giebel bildet oben den Abschluß. (Höhe 35 mm,
Breite 21 mm, s. Fig. 1 unten links). Die Reliefdarstellung innen
enthält die Geburt Christi. In der Mitte ist die knieende Maria mit
dem Kinde beschäftigt, das auf der anderen Seite von einem Engel
angebetet wird, während Ochs und Esel aus dem Stalle schauen. Von
rechts tritt Joseph mit der Laterne hinzu (oder ist es ein anbetender
König mit einem Geschenk?), während hinter ihm unter einem Thorbogen
ein zweiter männlicher Kopf sichtbar wird. Der Revers enthält in
leichter Gravierung in phantastisch-architektonischer Umrahmung mit
einem Löwenkopf oben eine weibliche Gestalt, wohl Venus, mit 2 Stäben
(?) in den Händen. An den 4 Ecken sind kleine Knöpfchen angebracht,
ein gleiches mit Öse unten. Das Ganze macht den Eindruck italienischer
Arbeit.

T. 207 ist ein ovales Medaillon (Dm. 38 und 33 mm) mit einem Rahmen in
durchbrochenem Rankenwerk. Der Avers enthält in Reliefdarstellung Maria
mit dem Kinde auf dem Halbmond zwischen zwei heiligen Bischöfen, der
Revers die Verkündigung. Auch dies scheint italienisch zu sein.

Damit mündet der Anhänger in den breiten Strom der religiösen Medaille
ein, wie sie im Laufe des 16. Jahrhunderts und weiterhin in Beziehung
auf öffentliche und private Vorfälle jeder Art üblich wird, vielfach
durch nachträglich zugefügte oft sehr reiche Umrahmung noch als
Anhänger charakterisiert, wie z. B. der schöne Pathenpfennig des
Martin Vogelgsang vom Jahre 1627 (T. 213; Dm. 55 mm, s. Fig. 8). Aus
vergoldetem Silber, enthält die Vorderseite den hl. Martin, der seinen
Mantel für den Bettler zerschneidet, die Rückseite die Inschrift.

[Illustration: Anhänger von Daniel Mignot.]



[Illustration]

HERD UND HERDGERÄTE IN DEN NÜRNBERGISCHEN KÜCHEN DER VORZEIT.

VON DR. OTTO LAUFFER.

I.


Bei allen Völkern ist die Feuerstätte von jeher ein geheiligter
Ort des Hauses gewesen, und so bildet auch für die Deutschen der
Herd, die Stelle, die im Anfang unserer Kulturentwicklung die
einzige Wärmespenderin im Hause war, die Stelle, an der die tägliche
Nahrung bereitet wird, nicht nur den Mittelpunkt des Hauses und des
häuslichen Lebens, er ist vielmehr auch der Träger einer Reihe von
rechtlichen Vorstellungen geworden, die ihm vor anderem Hausgerät eine
hervorragende Bedeutung und eine besondere Weihe verleihen. Die Zündung
und Nährung des Herdfeuers war das Zeichen rechtlicher Besitznahme und
Inhabung eines Grundstückes, und wem das Feuer des Herdes gelöscht
wurde, der war damit für rechtlos erklärt[176]. In manchen Gegenden
wurde bis in unsere Zeit der Herd eines Hauses sogar benützt, um
danach eine Grenzbestimmung vorzunehmen, ja er bildete selbst die
Grenzmarke und durfte also, auch wenn das für die Hauswirtschaft noch
so wünschenswert war, nicht verrückt werden[177]. Schließlich weiß
jedermann, daß »der eigene Herd« das Symbol des eigenen Hausstandes bis
heute geblieben ist.

Diese besondere Weihe des Herdes mag zum Teil schon mit darauf beruhen,
daß eine Verschiebung der Herdstelle innerhalb des Hauses zugleich
eine eingreifende Veränderung auch des häuslichen Lebens zur Folge
gehabt hätte, ebenso aber und wohl noch mehr darauf, daß der alte Herd
mit seinem festen Mauerwerk nicht die Bewegbarkeit unserer heutigen
»Maschinen«, wie der Westfale den modernen Herd nennt, besaß, und wenn
man das umfangreiche Steingefüge des Herdes, zumal da wo derselbe an
den Schlot und den weiten Rauchmantel gebunden war, hätte verrücken
wollen, so wäre damit eine der umständlichsten baulichen Veränderungen
vorgenommen, die man sich im Hause überhaupt denken konnte.

Jedenfalls ist es Thatsache, daß jene geheiligten Vorstellungen, die
man mit dem Herde verband, sich mit den letztgenannten praktischen
Rücksichten zu gemeinsamer Wirkung vereinigten. Sie waren die Ursache
dafür, daß unsere Vorfahren gleich anderen Völkern sich in Bezug
auf den Herd und seine Ausstattung ungeheuer konservativ erhalten
haben, und so begegnen wir denn unter dem Herdgerät zum Teil uralten
und ureinfachen Gegenständen und Formen. Infolge des Alters und der
unveränderten Forterbung dieser Geräte hat man dieselben in den letzten
Jahren mit Recht als ein schätzbares Material erkannt, aus dessen
genauer Erforschung die Wissenschaft der Ethnologie reichen Gewinn zu
ziehen erhoffen darf. Solches nach Kräften zu fördern ist der erste
Zweck dieses Aufsatzes, in dem wir versuchen wollen, auf Grund des uns
bekannt gewordenen litterarischen und sachlichen Materials sowie nach
verschiedenen mündlichen Mitteilungen den Herd und das Herdgeräte in
den Nürnbergischen Küchen der Vorzeit zu schildern.

Zu dem ethnologischen Interesse wird sich dabei die antiquarische
Teilnahme des Altertumsforschers gesellen, den es erfreut, einen nicht
unwichtigen Teil deutscher Hausaltertümer näher kennen zu lernen.
Mancher unserer Leser wird vielleicht nur diesen letzteren Standpunkt
einnehmen. Er möge sich nicht wundern, daß wir mehr, als es sonst
angängig ist, die Entstehungszeit der einzelnen Stücke unberücksichtigt
lassen, wenn wir es auch nicht versäumen werden, dieselbe in allen
Fällen, wo sie für uns überhaupt ersichtlich ist, mitzuteilen. Das oben
geschilderte Beharrungsvermögen der einzelnen Formen giebt uns aber
ein Recht dazu, den historischen Gesichtspunkt etwas zurücktreten zu
lassen. --

Wenn wir nun beginnen, zunächst das uns erhaltene ~litterarische
Material~ in Augenschein zu nehmen, so sind wir in der glücklichen
Lage, für Nürnberg eine Reihe verhältnismäßig alter Auslassungen
über den Herd und sein Gerät zu besitzen, die in letzter Zeit zur
bequemen Benützung gut herausgegeben sind[178]. Der erste Zeuge ist der
Nürnberger Fastnachtspieldichter und Meistersinger Hans Folz, der den
zur Gründung eines Hausstandes nötigen Hausrat in zwei verschiedenen
Fassungen, das eine mal in einem strophischen Meistergesang und das
andere mal in einem Spruchgedichte besungen hat. Für uns kommen
aus diesen Gedichten folgende Stellen in Betracht, zunächst Folz,
~Meistergesang~ 2, 13-3, 6:

    So mon düt in die küchen gann
    heffen vnd krüg, kessel vnd pfann
    driffus pratspis müs mon aüch hann
    plaspalg ein rost ist sit
    ein pratter vnd ein offen ror
    ein abascar
    cimet vür war
    ein krüg mit essig laütter klar
    morser, stempffel offengabel
    hackpret hackmesser mit --

    Vamloffel seichpfan offenkruck
    da mit mons feir zw samen ruck
    ein pessen in ein winckel schmück
    ein panczer fleck
    da mit mon weck
    den vnflat reiben dw. --

Dieser Stelle entsprechen im ~Folzens Spruchgedichte~ fol. A II
a/b folgende Verse:

    So man den in die kuchen drit
    Czimbt diszer hauszrad wol mit
    Töpff sturczen kessel pfannen
    Ob man nicht teglich wil drum tzannen
    Dreyfuesz blaszbalgk bratspis rost
    Mus man auch haben was es kost
    Ein kesselhengel vbers feur
    Sust wer offt warmes wasser teur

           *       *       *       *       *

    Hafengabeln vnd ofenkrucken
    Ofengabeln das fwer tzu rucken
    Hauszbesen vnd ein besens mher
    Do man all nacht den hert mit ker
    Ein spülgelt czimbt auch wol furwar
    Ein braeder vnd ein owenror
    Ein pantzer fleck mus man auch haben. --

Aus dem Jahre 1544 bietet uns sodann ~Hans Sachs~ eine gute
Belegstelle in dem Spruchgedicht »~Der gantz hawsrat~« S. 2/3:

    Darnach in die kuechen verfüeg
    Kessel pfannen, hefen vnd krüeg
    Drifus pratspies gros vnd klein
    Ein rost vnd pretter mus da sein

           *       *       *       *       *

    Ein spülstant panczerfleck darpey
    Schüessel vnd deller allerley
    Pletz klain vnd gros ich dir nit lewg
    Schwebel zuinter vnd fewer zewg
    Ein fewer zangen ein ofen krüecken
    Das fewer pöcklein zw hin schmücken
    Ein degel, plaspalck, offen ror
    Ein offen gabel must haben vor
    Kin, spen vnd holtz zum fewer frisch
    Ein pessen, strowisch vnd flederwisch. --


Bedeutendere litterarische Belege aus dem 17. Jahrhundert sind mir
nicht bekannt geworden, dagegen erschien im Jahre 1703 in Nürnberg
im Verlage Wolfg. Moritz Endters ein Buch mit dem Titel: »Die so
kluge als künstliche von Arachne und Penelope getreulich unterwiesene
~Hausz-Halterin...~«, dessen IV. Capitel handelt: »Von denen
zur Hauszhaltung gehörigen, und unter der Aufsicht einer klugen
Hausz-Mutter stehenden Zimmern, samt deroselben so zierlich- als
nutzlichen Aus-staffierung.« Dortselbst wird auch über die wohl-gebaute
Küche und ihr Gerät auf Seite 202 manches mitgeteilt, was uns
interessiert: »Das Eiserne Kuchengeräthe ebenfalls zu benennen, sind
selbiges die Bräter oder Bratenwender, und entweder hier zu Land die
Feder-Bräter oder Zug- und Gewicht-Bräter, samt denen dazu gehörigen,
wie auch allerley Arten von Hand-Spiszen also genannt, weil man sie
mit der Hand umdrehet; theils Orten werden auch die Bräter von Handen
umgetrieben: Man hat von Eisenwerck in denen Küchen beedes Brat-Pfannen
und gemeine Pfannen, Glut- oder Kohl-Pfannen, Schüssel-Ringe, gemeine
und aufgebogene Stirzen zum abbräunen, Rost, tiefe Traif-Löffel,
löcherichte Faim-Löffel, flache löcherichte Bach-Löffel, Fisch-Reisten,
Hackmesser, Fleischparten, Bratwurst-Zänglein, Fisch-Schäufelin,
Schmaltz-stecher, Spick-Nadel, Leuchter und Liecht-schneutzen,
Feuerzeug, Feuer-Zangen, Feuer-Hacken, Pfannen-Knechte, Dreyfusz,
Ofen-gabeln, Ofen-Schäufelein.«

Schließlich will ich noch ein hierher gehörendes im Jahre 1807
aufgestelltes ~Inventar der Landauerschen Zwölfbrüder-Stiftung~
nicht unerwähnt lassen. Dasselbe liegt auf der hiesigen
Stadtbibliothek in den »Beilagen zum Extraditions Protokolle der
Wohlthätigkeits-Stiftungen in Nürnberg«. Ziffer Nr. 489, und nachdem
es die Zinn-, Kupfer- und Möszing-geräte aufgezählt hat, nennt es von
Eisen und Blech: »1 Bratpfanne, 3 Stielpfannen, 3 grosze Löffel, 1
Gabel, 1 Hackmesser, 1 Reibeisen, 1 Rost, 1 Dreyfusz, 1 Fleischhacke, 1
Feuerzange, 2 Feuer-Böcke, 2 Ofengabeln.«

Damit sind die wichtigeren für Nürnberg in Betracht kommenden
litterarischen Quellen erschöpft, wobei ich noch besonders erwähnen
will, daß der im Kupferstichkabinet unseres Museums (H. B. 2243)
befindliche Einblattdruck, auf welchem »Anna Köferlin zu Nürnberg« das
von ihr erbaute und ausgestattete Kinder-Haus beschreibt, für unsere
Zwecke nichts ausgiebt. Die eine oder andere gelegentliche Erwähnung
werden wir an schicklicher Stelle citieren. --

       *       *       *       *       *

Außer diesen litterarischen Nachweisen sind wir aber auch in der
glücklichen Lage, eine Reihe älterer ~Abbildungen~ zu besitzen,
die unsere Erkenntnis in wesentlichen Punkten stützen und fördern
werden. Zunächst ist da ein ~Einblattdruck~ aus der Zeit von c.
1475-1480 zu nennen, der bislang nur in einem einzigen Exemplare, das
sich in dem königlichen Kupferstichkabinet in München befindet, bekannt
geworden ist. ~A. Schultz~ hat in seinem Buche »Deutsches Leben
im XV. und XVI. Jahrhundert« in Figur 151 das Blatt reproduciert, das
auf 24 Feldern die Darstellung von allerhand Hausgeräten giebt, die
dem davon umrahmten Liebespaare zur Gründung des Haushaltes nötig
sind[179]. Für uns kommen die beiden äußeren rechten Felder der
oberen Reihe in Betracht. Leider ist es jedoch nicht unbestritten,
daß das mit »hanns paur« signierte Blatt wirklich von dem Nürnberger
Kartenmaler gleichen Namens herrührt[180], deshalb erachten wir uns
auch nicht berechtigt, das Blatt hier nochmals abzubilden. Ebenso ist
aus: »Eygentliche Beschreibung Aller Stände auff Erden... durch den
weitberümpten Hans Sachsen gantz fleissig beschrieben vnd in Teutsche
Reimen gefasset. Frankfurt a. M. 1568« das Blatt, auf welchem ~Jost
Ammans~ Illustrationskunst den Koch darstellt, für uns nicht gerade
von hervorragender Bedeutung[181].

[Illustration: Fig. 2.]

Dagegen stehen uns aus dem XVIII. Jahrhundert ein paar sehr
interessante Abbildungen zu Gebote. »Francisci Philippi Florini
Serenissimi ad Rhenum Comitis Palatini... Oeconomus Prudens et legalis.
Oder Allgemeiner Klug- und Rechts-verständiger ~Haus-Vatter~...
Nürnberg, Frankfurt und Leipzig in Verlegung Christoph Riegels.
Gedruckt bei Johann Leonhard Knortzen« erschien im Jahre 1702. Das
IX. Buch handelt von der Koch-Kunst und bietet auf Seite 134 und
135 die beiden lehrreichen Darstellungen, die wir in Figur 1 und 2
wiedergeben. Da die Riegel’sche Buchhandlung, die das Buch verlegte, in
Nürnberg ihren Hauptsitz hatte, und da auch die Knortz eine Nürnberger
Druckerfamilie jener Zeit sind, so können wir nicht daran zweifeln, daß
Nürnbergische Küchen es sind, die für die Darstellungen das Vorbild
geliefert haben. Schließlich findet sich ein von M. Rößler gefertigter
Stich einer Küche als Titelbild in: »Die In ihrer Kunst vortrefflich
geuͤbte Koͤchin. Oder Auserlesenes und vollstaͤndig-vermehrtes
~Nürnbergisches Koch-Buch~« Nürnberg. Wolfg. Mor. Endters Erben
1734. Wir geben das Blatt in Fig. 3 wieder.

Das hier mitgeteilte Material ist nun teilweise schon früher verwertet
worden. ~A. Schultz~ sowohl in seinem oben citierten Buche S.
113 ff. wie ~H. Bösch~ in diesen »Mitteilungen«. Jahrg. 1897 S.
62 ff. haben sie zum Teil benützt, als sie anläßlich der Schilderung
von Hauseinrichtungen auf die Küche zu sprechen kamen. Wir werden
im Verlauf der Darstellung vielleicht Gelegenheit haben, auf diese
Arbeiten einzugehen. Außer ihnen haben wir vor allem benützt: ~M.
Heyne~, Fünf Bücher Deutscher Hausaltertümer I. Bd. Das deutsche
Wohnungswesen. Leipzig 1899. Wer immer sich in Zukunft mit deutschen
Hausaltertümern beschäftigen mag, wird auf dieses vortreffliche und
grundlegende Buch zurückgreifen müssen. --

       *       *       *       *       *

Auf das also gesammelte literarische und bildliche Material gestützt,
fassen wir nun die uns zu Verfügung stehenden ~Realien~ ins Auge.

»Allhier in Nürnberg haben theils Frauen eine große Freude mit
besonderen ~Prang-Kuchen~ -- schreibt die »Haushalterin« S. 202
-- darinnen niemal gekochet, sondern das Gerethe nur allein zur Zierde
und Gepräng aufgestellet wird, da siehet man nichts von Eisen noch
Holz, sondern es muß alles von Zinn und Messing schimmern und gläntzen,
auch sogar der Besenstiel und das Kehrig-faß von Zinn gemachet seyn,
ob man nun davon nicht füglich sagen moͤchte: Wozu dienet dieser
kostbare Unrath? lasse ich andere davon urtheilen.« Nun, wir wollen
uns am wenigsten mit einer Köchin über die Daseinsberechtigung dieser
Prangküchen streiten, für uns ist die Hauptsache, daß man in Nürnberg
ihrem Gebrauch zumeist die Erhaltung einer Reihe für uns interessanter
Geräte zu danken hat. Eine vollständige Prangküche ist freilich, so
viel uns bekannt ist, nicht mehr erhalten, die letzte ist vor zwei
Jahren nach England verkauft worden, jedoch verdanke ich dem Antiquar
Wohlbold einige Mitteilungen darüber. An ihrem ursprünglichen Orte
erhalten sind eine ziemliche Reihe von Geräten der alten Prangküche des
von Fürer’schen Schlosses in Haimendorf bei Lauf. Darunter befinden
sich eine Anzahl von Küchengeräten, deren Besichtigung mir gütigst
gestattet wurde. In derselben Gegend habe ich auch versucht, in den
Bauernhäusern etwas ausfindig zu machen. Diese Mühe war vergebens,
dagegen habe ich bei dem Forstaufseher in dem von Fürer’schen
Jagdschlößchen Rockenbrunn bei Haimendorf manche Erkundigung eingezogen.

Erst in letzter Linie kann ich an dieser Stelle die Geräte nennen,
welche sich in der Küche unseres Museums befinden. Dieselben sind
größtenteils zu einer Zeit gesammelt worden, in der ihnen die
Ethnologen ihre Aufmerksamkeit noch nicht zugewandt hatten, und in der
man ihre Herkunft für ziemlich gleichgültig hielt. Da die Provenienz
sich jetzt für manche Stücke nicht mehr feststellen läßt, so dürfen
dieselben leider für Nürnbergische Verhältnisse nicht herangezogen
werden. Jedoch will ich später nicht versäumen, auch von diesen Stücken
Mitteilung zu machen.

[Illustration: Fig. 3.]

So würde unser Material ein immerhin bescheidenes sein, wenn uns nicht
reiche Aufschlüsse zuteil würden aus einer Quelle, die gerade für
Nürnberg besonders üppig sich erweist, während sie für die meisten
anderen Gegenden Deutschlands nur spärlich zu fließen pflegt, ich meine
die ~Puppenhäuser oder »Dockenhäuser«~, wie der Nürnberger sagt.
Das Germanische Museum ist in der glücklichen Lage von diesen für die
Kunde deutscher Hausaltertümer so wichtigen und interessanten Schau-
und Prunkstücken der Spielzeugfabrikation eine ansehnliche Reihe zu
besitzen. Über die meisten von ihnen hat schon ~H. Boesch~ im
»Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit«, 1879. S. 230 ff. genaue
Mitteilungen gemacht, und so kann ich mich auf die dort gegebenen
Nachrichten beziehen. Da es jedoch wünschenswert erscheint, zunächst
ein genaues Verzeichnis der in den Dockenhäusern vorhandenen Herdgeräte
zu geben, so lassen wir hier eine Zusammenstellung folgen, indem wir
zugleich durch die eingeklammerten Zahlen zu erkennen geben, um welche
Nummer der von H. Boesch gewählten Reihenfolge es sich handelt.

A.[182] Dockenhaus. Depositum der Familie Bäumler zu Nürnberg. Der
Unterbau des zweistöckigen, 2,27 m hohen, 0,676 m tiefen und 1,755 m
breiten Hauses enthält in der Mitte Hof und Stiege mit Ausblick auf den
Garten, links davon Pferdestall mit darunterliegender Knechtekammer,
zur rechten Hand die Hausapotheke. Der erste Stock enthält links von
Flur und Treppe die Küche, rechts ein Wohn- und zugleich Speisezimmer.
Der zweite Stock enthält links vom Flur ein Wohnzimmer und noch
weiter links die sogenannte »Speise«. Rechts vom Flur liegt das
Schlafzimmer[183]. Das Haus stammt aus den Jahren c. 1710-1720 und
wurde, wie eine Aufschrift an dem mittleren Dacherker mitteilt, im
Jahre 1819 renoviert. An Herdgeräten sind vorhanden: 1 Glutpfanne,
1 Blasbalg, 1 Wedel, 1 Kohlenzange, 1 Herdschaufel, 1 Hafengabel, 1
Feuerbock, 1 Pfannknecht, 1 Rost, 4 Bratspieße, 1 Bräter.

B. (4) [H. G. 4481.] Dockenhaus[184] vom Ende des XVII. Jahrhunderts: 2
Gluttöpfe, 1 Feuerhaken, 1 Kohlenzange, 1 Feuerbock, 1 Pfannknecht, 1
Pfanneisen, 1 Fischrost, 6 Bratspieße, 1 Bratspießständer, 1 Bräter.

C. (3.) [H. G. 1953.] Dockenhaus aus der ersten Hälfte des XVII.
Jahrhunderts: 2 Glutpfannen, 1 Blasbalg, 1 Wedel, 1 Dreifuß, 1
Pfannknecht, 1 Rost, 1 Fischrost, 12 Bratspieße, 1 Bratspießlager, 1
Bräter.

D. (2.) [H. G. 4063.] Dockenhaus vom Jahre 1639: 1 Blasbalg, 1
Wedel, 3 Kohlenschaufeln, 1 Kohlenzange, 1 Feuerbock, 1 Dreifuß, 2
Pfannenknechte, 2 Roste, 6 Bratspieße, 2 Bratspießständer, 1 Bräter mit
hölzernem Gehäuse.

E. Dockenküche aus dem Anfang des XIX. Jahrhunderts: 1 Blasebalg, 1
Wedel, 1 Kohlenzange, 1 Hafengabel, 2 Feuerböcke, 1 Pfannknecht, 8
Bratspieße, 1 Bräter.

F. (1.) [H. G. 1952.] Dockenhaus aus der Zeit von etwa 1600: 1 Wedel,
1 Kohlenschaufel, 2 Kohlenzangen, 2 Feuerböcke, 1 großer Dreifuß, 1
Pfannknecht, 2 Roste, 1 Fischrost, 5 Bratspieße, 3 Bratspießständer, 1
Bräter.

G. [Zugangsnummer 18917.] Dockenküche aus dem Anfange des XIX.
Jahrhunderts, früher im Besitz der Familie Füchtbauer zu Nürnberg: 1
Glutpfanne, 1 Hafengabel, 1 Feuerbock, 1 Pfannknecht, 1 Bratspieß, 2
Bratspießständer.

H. Schließlich befindet sich noch ein Dockenhaus im Bayerischen
Gewerbemuseum [J. Nr. 3602 (217)], welches ich nicht unerwähnt lassen
will, weil es gerade in Nürnberg steht. Seine Herkunft ist aber sehr
ungewiß, es wurde 1875 von einer Offiziersdame in München gekauft. Es
stammt aus dem Anfang des XVII. Jahrhunderts, erfuhr aber im XVIII.
Jahrhundert eine fast völlig neue Einrichtung und Umänderung, und
ist zum Teil noch im Anfang des XIX. Jahrhunderts aufgefüllt. ~J.
Stockbauer~ hat in der »Bayerischen Gewerbe-Zeitung« I. 1888. S.
196 ff. Beschreibung und Abbildung davon gegeben. Von Herdgeräten sind
darin enthalten: 1 Hafengabel, 1 Feuerbock, 1 Pfannknecht, 1 Rost.

Bei allen diesen Häusern muß man zwar immer bedenken, daß sie vielfach
später ergänzt und aufgefüllt sind, wie das ja bei der Vererbung von
einer Kindergeneration in die andere natürlich ist, indessen ist auch
hier zu bemerken, daß diese zeitlichen Verschiedenheiten für uns kaum
von Belang sind. --

       *       *       *       *       *

Damit haben wir das verfügbare Material zusammengestellt, und wir
können uns in einem folgenden Aufsatze der Betrachtung der Einzelheiten
zuwenden.

[Illustration: Totentanzbild von H. S. Beham.]



[Illustration: Zierleiste von Virgil Solis.]

EIN ORGELGEHÄUSE AUS DEM ENDE DES 16. JAHRHUNDERTS.

VON GUSTAV VON BEZOLD.

(Hierzu Tafel V.)


Das auf nebenstehender Tafel abgebildete Orgelgehäuse wurde im vorigen
Jahre von einem Händler in Augsburg erworben. Nach dessen Aussage
stammt es aus einem Schloß im bayerischen Schwaben, nähere Angaben über
die Herkunft hat er nicht gemacht, doch ist die Angabe glaubwürdig.
Es ist keine Orgel für eine Kirche, sondern für eine Privatkapelle;
die Tastatur umfaßt nur 3½ Oktaven, auch die Zahl der Register und
Stimmen war gering. Daß die Orgel in einem vornehmen Hause gestanden
hat, beweist die reiche und sorgfältige Gestaltung.

Die Orgel hat bis zur Gesimsoberkante eine Höhe von 3,25 m und im
unteren Teil eine Breite von 1,51 m. Der Aufbau hat die für Hausorgeln
übliche Form.

Die Komposition entfaltet sich von unten nach oben zu größerem
Reichtum und feinerer Durchbildung, doch ist schon der untere Teil
durch zierliche Behandlung ausgezeichnet. Die Ecken sind mit Lisenen
besetzt, auf deren Flächen profilierte Stäbe, an Scepter gemahnend,
aufgelegt sind. Das vordere Feld, zum Herausnehmen eingerichtet, hat
eine durchbrochene, spätgotische Maßwerksfüllung. Die Seitenflächen
des Kastens für die Blasbälge sind geschlossen und mit frei gebildeten
Arkaturen geziert. Auf diesem unteren Teil ruht der Aufsatz, der das
Werk enthielt und das Manual. Der Aufsatz gliedert sich der Höhe nach
in zwei Teile. Der untere enthält seitlich die Register (aus dem 18.
Jahrhundert), in der Mitte eine bewegliche Füllung, auf welche ein
fünfstimmiges Gloria, von zwei Putten gehalten, aufgemalt ist.

Der Aufbau für die Pfeifen ist dreiteilig. Die seitlichen Teile
sind höher geführt als der mittlere und tragen eine dekorativ
architektonische Bekrönung mit kleinen Blendarkaden und einem
Konsolengesimse. Der mittlere Teil ist breiter als die seitlichen,
durch Kandelabersäulen in drei Felder geteilt und im oberen Abschluß
konkav gerundet. Vor den Windladen, am oberen Ende der Pfeifen und
über der Rundung der mittleren Abteilung ist durchbrochen geschnitztes
Renaissanceornament angebracht. Seitlich treten flügelartige Ausbauten
von zierlicher architektonisch dekorativer Form vor. Auf ihren Flächen
Gemälde, rechts S. Cäcilia, links David.

[Illustration: Taf. V.

Orgelgehäuse aus dem Ende des 16. Jahrhunderts.]

Die Seiten und die Rückwand haben Maßwerksfüllungen.

Das Gehäuse ist im Ton von grünlich weißem Marmor gefaßt, die Profile
und das Ornament sind vergoldet, in letzterem sind einzelne Teile
farbig behandelt. Der Prospekt kann mit Flügeln geschlossen werden. Auf
der Außenseite der Flügel ist die Verkündigung, auf der Innenseite die
Anbetung der Könige gemalt. Die Ansicht mit geöffneten Flügeln zeigt
Fig. 1.

[Illustration: Fig. 1. Orgelgehäuse aus dem Ende des 16. Jahrhunderts
im germanischen Museum.]

Sämtliche Malereien mit Ausnahme der Predella sind in der Frühzeit des
18. Jahrhunderts übermalt worden.

Die Orgel hat in ihrem Aufbau wie in vielen Einzelheiten den Charakter
der Frührenaissance, doch weisen einzelne Ornamentmotive (Kartuschen),
sowie der Stil der Malereien bestimmt auf die Spätzeit des 16.
Jahrhunderts.

Die Malereien waren nie bedeutend, durch die Übermalung sind sie
künstlerisch fast wertlos geworden; ihren dekorativen Zweck erfüllen
sie indes immer noch. Dagegen ist der Aufbau im Ganzen wie in den
Einzelheiten sehr gut und namentlich das Ornament glänzend gezeichnet
und ausgeführt.

[Illustration: Fig. 2. Entwurf zu der Orgel der Fuggerkapelle bei S.
Anna in Augsburg.]

Es mag auffallen, daß gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine Orgel im
Stil der deutschen Frührenaissance gebaut wurde. Die Erscheinung
verliert aber ihr Befremdliches, wenn wir sehen, daß unsere Orgel
keine Originalkomposition der Spätzeit ist, sondern eine Reduktion und
Wiederholung einer Komposition aus der frühesten Zeit der Renaissance
in Deutschland, der Orgel in der Fuggerkapelle bei S. Anna in
Augsburg[185]. Diese ist 1512 gebaut, das Werk ist von dem kaiserlichen
Orgelmacher Jhan von Dôbraw (Dobrau in Schlesien?), das Gehäuse von
einem Augsburger Meister. Einen Entwurf bewahrt das Museum in Basel
(vgl. Fig. 2 nach G. Hirths Formenschatz I. 143).

Die Augsburger Orgel ist größer als unsere. Sie hat im Prospekt sieben
Felder, also auch eine entsprechend größere Zahl von Pfeifen, der obere
Teil tritt deshalb weit über den unteren vor und das Manual ist auf
einem sogenannten Positiv vor der Orgel angeordnet. Die Ausführung
entspricht der rechten Seite des Entwurfes. Die leeren Zwickel über den
Pfeifen sind in den äußeren Feldern durch Strahlen, welche aus Wolken
hervorbrechen, in den Feldern seitlich der Mitte durch Fugger’sche
Wappen gefüllt. Der Aufbau ist dem Raum der Kapelle angepaßt und die
konkave Rundung des oberen Abschlusses durch ein großes Rundfenster in
der Rückwand bedingt.

Unsere Orgel gleicht nun in den Grundzügen ihres Aufbaues der von S.
Anna, doch ist die Zahl der Felder im Prospekt von sieben auf fünf
reduziert und die Gruppierung der äußeren gegen die drei mittleren
energischer betont.

Nur vermutungsweise möchte ich andeuten, daß der Meister, welcher unser
Orgelgehäuse gefertigt hat, nicht nur die Orgel von S. Anna, sondern
auch den Baseler Entwurf gekannt hat. Die kräftigere Scheidung der
äußeren Felder von den mittleren und die Trennung der letzteren durch
Kandelabersäulchen findet sich im Entwurf auf der linken Hälfte und die
Delphine über den seitlichen Flügeln sind ähnlich an anderer Stelle in
der Zeichnung zu finden.

Auf Grund des Nachweises, daß das Vorbild unserer Orgel in der
Fuggerkapelle bei S. Anna steht, darf vielleicht die weitere Vermutung
ausgesprochen werden, daß sie aus Kirchberg, wo gegen Ende des
16. Jahrhunderts gebaut wurde, aus Babenhausen oder einem anderen
Fugger’schen Schloß stammt. Ich will diese Vermutung nicht weiter
verfolgen.



[Illustration]

RECEPT WIDER DIE FAULKEYT VND KLAPPERSUCHT DER WEYBER VND MAGT.

VON DR. OTTO LAUFFER.


Im folgenden drucke ich ein als Einblattdruck verbreitetes
Scherz-Recept des beginnenden 16. Jahrhunderts ab, welches in einen
Sammelband des Hieronymus Coler (Germ. Mus. Hs. 2908) als fol. 5
eingeklebt ist[186]. Zwar mag die ganze Tonart und der Humor, in dem
das Stück gehalten ist, für den Kenner der Zeit nichts Neues bieten,
jedoch wird es sich zu Vergleichszwecken hier und da mit Nutzen
heranziehen lassen.

Ein Edel vñ köstlich, von vilen ein bewert Recep | wider die Faulkeyt
vnd Klappersucht der Weyber vnd Magt. Ausz Esculapio | Podalirio
| Galieno | Hipocrate | vnd Mesue | auch vil andern beruͤmbten
Doctoribus erlesen. Durch den wirdigen vnd hochgelerten herrn Doctor
Nemo | ergruͤndet | vnd zuͦsamen getragen etc.

~Die new Salb~

So ein Person obgemelt kranckheit anstiesz | oder lang zeyt damit
behafft were gwesen.

Recipe: Scheyter Kraut, Gerten Salat, Bengel Suppen, Bruͤgel
Bruͤlein, Stecken Pfeffer, Kolben gemuͤsz, Gabel Galrey, Tremmel
Proten, Plewel Fladen, Schlegel Kuͦchen, Fuͦsz Milch, Pastetlein
gebachen von Besemstiln, Krefftige Fausttaͤflein. Yedes ein halb
vierteyl einer stundt. Fiat Vnctio.

Obgemelte ärtzney | eins nach dem andern | lege der krancken person
vber den kopff | Lenden | Arm | vnd Schenckel | schmirs auch darmit
bisz das jr der roth vn̄ plaw Schweysz kumpt | dan̄ wisch das mit fünff
fingerkraut ab.

Man sol auch obgemelte stuͤck | alle so sie vor wol gebeet | mit nach
gemeltem Puluer vbersehen | darmit sie dester krefftiger seyen.

Recipe: Leyden, Marter, Wunden, Kranckheyt. Puluer yedes ein halben
Landszknecht[187]. Fiat puluis | et condiantur antecedentia.

Pillulen auch | zuͦ purgieren | von nachgemalten stücken seind nicht
vnnütz.

Recipe: Fuͤsz pillulen, Feust teyg, Knew latwerg, Electuarium von
Ellenpogen stossen. Yedes XII stoͤsz. Fiant Pillul. et dentur ad
placitum.

Darneben auch mit Syrop zuͦ purgieren, magst du nach hernante stuck
brauchen.

Recipe: Geyselstaͤb, Sesselbeyn, Kunckelzucker, Kerwisch stil. Yedes
ein pfundt. Fiat Potio detur in aurora Vesperique.

Du solt vnderweylen der krancken person | fuͤr labung geben | vber
die seyten | oder wo dich zuͦm besten bedunckt | wie volgt.

Recipe: Teller pyren. Fiat Electuarium et detur ad refectionem.

Darmit vnnd aber | die krancken zuͦ letzt nit boͤser werden moͤg
dann sie zuͦm ersten war | vnd dem krancken nicht wider kum̄.

Recipe: Hungerkraut, Dürrbrot, Brunnensaft, Swelckruͤben. Yedes vier
wochen. Fiat Esus et detur summa cum parcitate.

Obgenante stück alle nym nit sambtlich | sunder ye eins nach dem andern
| vnnd brauch die zuͦ rechter zeyt | Dann jr krafft gar grosz | vnd
sie samptlich genummen wuͤrden | moͤcht der geschmack der krancken
person zum todt reychen | vnnd dir des felens halben gefengknusz
bringen. Aber recht gebraucht so ist die kunst probiert | vorausz inn
der zeyt da die Cappen von Hennen schier gemeystert wuͤrden.

Nun volgt ein Recept fuͤr solche kranckheyt darmit sie für kummen
werden mag.

Recipe: Maulschlosz, Demuͦt wasser, Keuschwurtz, Heuszlich bletter.
Yeglichs mit tugent.

Welche Fraw oder Magt | dise stuͤck taͤglich neust | vnd sich deren
fuͤr vnd fuͤr gebraucht | ist obgenanter sucht | on zweyffel ledig.
Ersparet den kosten | den lauff in solcher Keller | Apotek | erlangt
die Kron (der sie wert ist) aller ehren etc.

[Illustration]



[Illustration: Zierleiste mit Bärenjagd von Theodor Bang.]

LITERARISCHE BESPRECHUNGEN.


WINCKELMANN UND SEINE ZEITGENOSSEN[*].

VON GUSTAV VON BEZOLD.


Justi’s Winckelmann ist im vorigen Jahre in neuer Auflage erschienen.
Das Buch zählt seit seinem ersten Erscheinen vor mehr denn dreißig
Jahren zu den klassischen Hauptwerken unserer biographischen
Literatur. Nicht nur den Lebensgang, nicht nur den Inhalt und die
Analyse der Werke eines Mannes, der wie kein Zweiter bestimmend auf
die ästhetischen Anschauungen seiner und der Folgezeit eingewirkt
hat, bietet es uns, es schildert auch stets in behaglicher
Ausführlichkeit die Umgebung, in der Winckelmann lebte, und die äußeren
Verhältnisse wie die geistigen Strömungen, unter deren Einwirkung
sich seine Entwickelung vollzogen hat. Das Buch ist ein gut Teil
der Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Diese Eigenschaft mag es
rechtfertigen, wenn ich den Lesern dieser Zeitschrift ausführlicher
über Inhalt und Bedeutung des schönen Buches berichte.

[* Winckelmann und seine Zeitgenossen von Carl Justi. Zweite
durchgesehene Auflage. 3 Bände. Leipzig, Verlag von F. C. W. Vogel.
1898.]

Winckelmann’s Lebensgang ist seltsam und ungewöhnlich, blindlings folgt
er dem inneren Drange, der ihn auf mancherlei wüsten Umwegen dem Ziele
zuführt, da sich sein reicher Geist und seine einzige Fähigkeit der
Anschauung voll bethätigen kann.

Winckelmann’s Wiege stand zu Stendal in der Altmark. Dort ist er am
9. Dezember 1717 geboren; der Sohn eines armen Schuhmachers. Unter
den kärglichsten Verhältnissen ist er aufgewachsen, aber ein ideales
Streben und ein mächtiger Drang nach dem Glück war ihm von seiner
frühesten Jugend an eigen. Das Handwerk des Vaters mochte er nicht
erlernen und ruhte nicht, bis ihn sein Vater in die lateinische Schule
gehen ließ. Dieser hoffte, daß sein Sohn Geistlicher werden möge, eine
Hoffnung, die auch in unseren Zeiten noch manchen begabten, aber armen
Knaben den humanistischen Studien zugeführt hat.

Die damaligen Gymnasien verdienten kaum den Namen humanistischer
Bildungsanstalten. Wohl nahm das Latein einen breiten Raum ein, ja es
war fast der einzige Unterrichtsgegenstand, neben dem dem Griechischen
nur eine untergeordnete Stelle zukam, aber der Unterricht blieb am
Äußerlichen der Grammatik und Rhetorik haften. Wenn ein solcher
Unterricht unseren Anschauungen von humanistischer Erziehung nicht
entspricht, so mochte er doch einem begabten Schüler den Sinn für die
Schönheit der Form wecken und bilden. Winckelmanns Anschauungsvermögen
bethätigt sich später am selbständigsten und glänzendsten auf dem
Gebiete der bildenden Künste. Daß er aber auch mit dem feinsten Gefühl
für formale Schönheit in den redenden Künsten begabt war, zeigt neben
manchen Äußerungen aus verschiedenen Zeiten die Auswahl der klassischen
Autoren, an deren Werken er in der Einsamkeit und Öde der Jahre, in
welchen er in kleinen Städten der Mark als Lehrer thätig war, seinen
Durst nach Schönheit befriedigte.

Der Gymnasiast, auch wenn er arm ist, hat heute fast ausnahmslos
eine würdige Existenz. Das Stundengeben und Beaufsichtigen jüngerer
Mitschüler, das ja manchem nicht erspart bleibt, hat nichts
demütigendes, stört auch die Studien nicht. Auch Winckelmann hat auf
diesem Wege einen Teil der Mittel zu seinen Studien erworben. Außerdem
aber bestand zu seiner Zeit noch eine Einrichtung, welche heutzutage
glücklicherweise überwunden ist, das Chor- und Currendesingen. Der
Chor bestand aus älteren Schülern, welche Sonntags im öffentlichen
Gottesdienst, an Wochentagen vor den sogenannten Chorhäusern, außerdem
bei allen Begräbnissen, ja an drei Tagen vor allen Häusern der Stadt
zu singen hatten. »Die Currende bestand aus den Kindern armer...
Bürger, die sich durch Singen vor den Thüren, unter Führung des
Currendeküsters, Kleidung, Brot, Schulbücher und freien Unterricht
verdienten. In die Reihe dieser Ärmsten..... trat Winckelmann ein.«
Ihre Thätigkeit war wenig besser denn Bettel.

Winckelmann war im Unterricht in den alten Sprachen, in Geschichte
und Erdbeschreibung ein eifriger Schüler, die theologischen Stunden
vermochten seine Aufmerksamkeit nicht zu fesseln. Ein Teil dieser
Abneigung mag der Art und Weise zur Last fallen, in welcher der
Religionsunterricht betrieben wurde, der tiefere Grund ist wohl der,
daß das Metaphysische Winckelmann’s geistiger Veranlagung überhaupt
fremd war.

Winckelmann war kein fröhlicher Knabe, an den Spielen seiner Kameraden
nahm er selten teil und machte sich davon, sobald er konnte. Dagegen
regte sich früh die Neigung, ein Büchermann zu werden. Wenn er jüngere
Mitschüler auf ihren Spaziergängen zu beaufsichtigen hatte, nahm er
Hefte oder Bücher mit, mit welchen er sich nebenbei beschäftigte.
1733 las er fleißig in dem »Neueröffneten adligen Ritterplatz«, einer
Encyklopädie für Kavaliere. Hat das Bild der großen Welt, welche er
hier kennen lernte, den ersten Stachel der Unzufriedenheit und des
Wegstrebens aus engen Verhältnissen in sein Inneres gesenkt?

Auch der Wunsch, die Reliquien untergegangener Geschlechter zu
entdecken, regte sich schon damals, und er durchwühlte die Sandberge
vor der Stadt nach alten Urnen.

Siebzehn Jahre alt, verließ Winckelmann Stendal und begab sich nach
Berlin. Am 18. März 1735 trat er in das Gymnasium zu Kölln an der Spree
ein, in dem er etwa ein Jahr verblieb. Was ihn nach Berlin führte, war
das Verlangen nach gründlicher Kenntnis der griechischen Sprache und
Literatur, die er sich in Stendal nicht erwerben konnte. Es ist der Ruf
seines Genius, der ihn die Schönheit des Hellenenthums ahnen ließ, der
ihn hinzog nach der Welt, in der allein er heimisch werden konnte.

Der Schulplan des Köllnischen Gymnasiums (von 1742) läßt es schwer
begreifen, wie man des Griechischen wegen nach Berlin übersiedeln
mochte. Neben einem sehr spezialisierten Unterricht im Lateinischen
wurden allerlei Nebenfächer betrieben, an welchen die Freunde der
Gymnasialreform noch heute ihre Freude haben können, aber dem
Griechischen war in der oberen Klasse nur eine Stunde für einen
griechischen Autor und in Prima, zwei für Homer und Heroidan
eingeräumt, und man las nicht die Ilias und Odysee, sondern den
Froschmäusekrieg.

Aber Mängel in der Organisation der Schulen können oft aufgewogen
werden durch die Persönlichkeit der Lehrer. Und einen Lehrer, der
dies einigermaßen vermochte, besaß das Köllnische Gymnasium an dem
Konrektor Damm. In den Geist des Hellenentums war freilich auch er
nicht eingedrungen, anregend im höheren Sinne war er sicher nicht, und
Winckelmann nennt ihn später einen _praeceptor_ ἄμουσος, aber
er besaß doch eine redliche Begeisterung für die griechische Sprache
und Literatur und hatte sich’s zur Lebensaufgabe gemacht, dem Studium
des Griechischen in Deutschland die Wege zu ebnen. In einem Programm
spricht er den Satz aus: »Die Griechen müssen noch heute nachgeahmt
werden, wenn etwas Beifallswürdiges zum Vorschein kommen soll.« Es ist
eine Ahnung von der Herrlichkeit der hellenischen Literatur und Kunst,
deren volle Anschauung uns erst sein Schüler Winckelmann erschlossen
hat. Seine Auffassung des Homer ist unendlich platt.

Winckelmann aber kam es zunächst darauf an, sich mit der griechischen
Sprache vertraut zu machen. Was ihm, nachdem er Damm’s Unterricht
genossen hatte, noch fehlte, suchte er bei dem Rektor Johann Georg
Scholle in Salzwedel zu erlangen. Scholle war einer der wunderlichsten
Schulpedanten, aber ein kenntnisreicher, ein gelehrter Mann, bei
dem viel zu lernen war, und Winckelmann bewahrte ihm ein dankbares
Gedächtnis.

Auf eigene Kraft angewiesen, im steten Kampfe mit Not und Entbehrung,
hatte Winckelmann die Schule durchgemacht. »Ernste Arbeit und heitere
Entsagung..., die Bewahrung des inneren Triebes in den entmutigendsten
Lagen lernte er so bald, daß seine zeitig gestählten Nerven fortan
jeglicher Zumutung im Handeln und im Dulden gewachsen waren.«

In vielen Stücken, in seinen Grundneigungen und Abneigungen,
insbesondere in der Vorliebe für die Griechen sehen wir den späteren
Winckelmann schon vorgebildet, aber Jahre mußten vergehen und manche
Irrwege mußten durchlaufen werden, bis er sein wahres Lebensziel
erkennen und erreichen konnte.

Von Salzwedel aus bezog Winckelmann die Universität Halle; am 4. April
1738 wurde er immatrikuliert.

Wie im ersten Kapitel die Zustände der preußischen Mittelschulen in
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, so beleuchtet Justi in diesem
die der preußischen Landesuniversität, und seine Gabe, kurz und
treffend zu charakterisieren, zeigt sich in der Besprechung allgemeiner
Verhältnisse, sowie einzelner Persönlichkeiten in glänzender Weise.
1694 gegründet, sollte die Universität Halle eine Freistatt sein
für die Reform des Unterrichtswesens und für die Lehrfreiheit. Sie
sollte der Sitz der durch Spener eingeleiteten religiösen Erhebung
des Protestantismus sein, welche mit dem Namen Pietismus bezeichnet
wird und deren Bedeutung für die Erweckung und Hebung des religiösen
Lebens des 18. Jahrhunderts dadurch nicht aufgehoben wird, daß sie
früh entartete. Dann war sie der Sitz einer preußischen Schule des
Staatsrechts, »wo den künftigen Beamten solche staatsrechtliche
Grundsätze eingepflanzt wurden, die mit der durch die Annahme der
Königskrone ganz veränderten Stellung des Staates übereinstimmten.«

»Diese beiden Elemente gingen anfangs einträchtig zusammen; sie
gerieten in Spannung, es kam zu einer heftigen Krisis, zuletzt
verschwand das eine ganz vom Schauplatz.«

Die berühmtesten Gelehrten lehrten in Halle, aber schon zu
Winckelmann’s Zeit hatten sich viele Mittelmäßigkeiten eingedrängt. Die
Fachwissenschaften dominierten und die Humaniora wurden zurückgedrängt.
Noch waren die Ziele und Methoden der Wissenschaften schwankend, es
war die Blütezeit der Polymathie, ein ungeheueres disparates Wissen
war in vielen Köpfen gesammelt und ermöglichte gewandten Leuten den
Übergang von einer Wissenschaft zur anderen, der Professor der Eloquenz
Johann Heinrich Schulze schwankte sein ganzes Leben lang zwischen
Medizin und Philologie, Gottfried Sell, Professor der Rechte, hatte
_jura_ studiert und lebte in günstigen Verhältnissen in Holland, die
Verwüstungen, welche die aus den tropischen Gewässern eingeschleppte
Pfahlmuschel an Schiffen und Dämmen anrichtete, veranlaßten ihn, eine
Monographie über dieses Thier zu bearbeiten, er legte die Jurisprudenz
bei Seite und studierte Naturwissenschaften. Sein Werk sollte nicht
nur alle erdenklichen Gesichtspunkte des Gegenstandes erschöpfen --
den naturhistorischen und den theologischen, den archäologischen und
den praktischen --, es sollte auch die Schönheiten eines literarischen
Kunstwerkes haben, wie sie noch niemals beisammen gesehen worden waren.
Es war in elegantem Latein geschrieben und geschmückt mit den Blumen
einer in alten und neuen lateinischen und italienischen Dichtern und
in den Schriftstellern Hollands, Englands und Frankreichs überreichen
Belesenheit. 1735 kam er als Professor der Rechte nach Göttingen,
zwei Jahre später nach Halle, wo er abwechselnd und gleichzeitig die
Institutionen und Pandekten, die Rechtsgeschichte und das Naturrecht,
die Kosmographie, die Naturhistorik und die Experimentalphysik las. In
letzterer war Winckelmann sein Zuhörer. Er besaß kostbare Sammlungen,
welche sein bedeutendes Vermögen verschlangen, zuletzt mußte er vor
seinen Gläubigern flüchten und lebte in Paris von deutschem Unterricht
und dem Uebersetzen deutscher Werke. 1767 hat er eine französische
Ausgabe von Winckelmann’s Kunstgeschichte besorgt, der nicht wußte, daß
der Uebersetzer sein früherer Lehrer war.

Auch der Kanzler der Universität, Johann Peter Ludewig, hatte Theologie
und Humaniora studiert, in Halle mit der Professur der Poesie und
der theoretischen Philosophie begonnen und war später zu den Rechten
übergegangen, deren er sich rasch autodidaktisch bemächtigte; er hatte
zu Winckelmann’s Zeit den Lehrstuhl des Staatsrechts und der Geschichte
inne. Ludewig war ein auf das Praktische gerichteter Kopf und als
Publizist der gelehrte und schlagfertige Vertreter der Rechte Preußens.
Seine erfolgreiche Thätigkeit auf diesem Gebiet brachte ihm reichliche
Titel und Würden, er war zuletzt Kanzler des Herzogtums Magdeburg.

Winckelmann würde, wenn er seinem Wunsche hätte folgen können, Medizin
studiert haben, dem Wunsche seiner Eltern entsprechend studierte er
Theologie.

Es war ein Opfer der Pietät gegen seine Eltern, denn seine Stellung
zur Religion war schon damals eine gleichgiltige, wenn nicht negative.
Seine religiösen Anschauungen waren von den englischen Deisten
beeinflußt und standen dem Deismus nahe, in späteren Jahren hat er sich
doch wieder dem Glauben an einen persönlichen Gott zugewandt. Zunächst
aber trieb er seine Fachstudien ohne Liebe und nur die biblische
Exegese scheint ihn angezogen zu haben; auch noch in späteren Jahren
las er täglich ein Kapitel aus der hebräischen Bibel.

Ebensowenig wie für die Theologie vermochte er sich dauernd für die
Philosophie zu erwärmen. Als Winckelmann studierte, stand Wolf auf der
Höhe seines Ruhmes, noch war er nicht nach Halle zurückgekehrt, aber
seine Schüler hatten fast alle Lehrstühle in Deutschland besetzt. In
Halle lehrte Alexander Gottlieb Baumgarten.

Die Wolfische Philosophie kam den Bedürfnissen einer Zeit, der die
philosophische Schulung fast vollständig fehlte, aufs trefflichste
entgegen, und das Verdienst, dem philosophischen Denken weite
Verbreitung in den Kreisen der Gebildeten verschafft zu haben, bleibt
ihr unbestritten.

Winckelmann hatte das redliche Bestreben, sich in das System der
Wolfischen Philosophie einzuarbeiten. Er hörte Baumgarten’s Vorlesungen
über Logik, Geschichte der alten Philosophie, Metaphysik und die
philosophische Encyklopädie; diese das einzige Kolleg, in dem er in
seinem letzten Semester bis zum Schluß aushielt. -- Noch 1743 freut
er sich, die gesammelten Werke Wolfs auf seinem Bücherbrett zu sehen,
er kauft sich die Logik von Corvinus und wünscht diese Disciplin an
der Schule von Kloster Berge zu lehren. Schließlich aber brachte der
Versuch, bei Wolf in die Schule zu gehen, die gründlichste Abneigung
zu Wege. Sein Verlangen nach erfahrender und anschauender Erkenntnis
befand sich in dieser Welt metaphysischer Schemen in einer Luft, wo
ihm der Atem ausging und auf einem Boden, wo sein Fuß nicht auftreten
konnte.

Baumgarten, Winckelmann’s Lehrer, ist der Begründer der spekulativen
Ästhetik. Sein Buch ist zwar erst 1750 erschienen, aber sie war
schon acht Jahre vorher in Vorlesungen behandelt worden, und
ihre Hauptgedanken kamen jedenfalls schon in der Metaphysik und
Encyklopädie vor. Es ist sicher von Interesse, zu erfahren, ob und
wie weit der Mann, der den ästhetischen Anschauungen seiner und
einer langen Folgezeit ihre Richtung gegeben hat, die Ideen seines
Lehrers aufgenommen und verarbeitet hat. Winckelmann erwähnt in seiner
Theorie des Schönen den Begriff der Vollkommenheit als Definition der
Weltweisen; er weist ihn zurück, ohne den bestimmten Sinn im System
zu berücksichtigen. Wenn Winckelmann hier den großen Grundbegriff
der Ästhetik so kurz abfertigt und die neue Wissenschaft als leere
Betrachtungen bezeichnet oder gar ignoriert: so verrät sich darin nicht
blos sein Mangel an philosophischem Sinn: es kündigt sich schon im
Keime die Divergenz an, die seitdem fast stets die Angehörigen der
Kunstwelt von denen getrennt hat, die sich mit der Kunst vornehmlich
zur Beförderung ihrer spekulativen Ideen beschäftigten.

Nach Ablauf seines theologischen Bienniums blieb Winckelmann im
Sommer 1740 noch in Halle, um die Bibliothek des Kanzlers Ludewig zu
ordnen. Die Verbindung mit Ludewig war in mehr als einer Beziehung das
Vorspiel einer zehn Jahre späteren, folgenreichen Verbindung mit einem
sächsischen Staatsmann und Geschichtsschreiber, dem Grafen Bünau.

Wir wissen nicht, ob sich Winkelmann’s Thätigkeit nur auf die Ordnung
der Bibliothek bezog oder ob er als Amanuensis Ludewigs an dessen
Arbeiten beteiligt war. Er empfing nach seiner Aussage aus des Kanzlers
eigenem Munde die Elemente des Lehnrechts und studierte zugleich
das Staatsrecht, aber er betrachtet später das im Dienste Ludewigs
verbrachte halbe Jahr als ein traurig verlorenes. Und doch war diese
Thätigkeit das erste Glied einer Kette von Studien, die einen sehr
großen Teil der folgenden drei Lustra seines Lebens ausfüllen.

Das Ende der zwei akademischen Jahre war, daß Winckelmann mit großer
Not ein kahles Theologenzeugnis bekam. Keiner seiner Lehrer hatte einen
bestimmenden Einfluß auf ihn ausgeübt und seinen weiteren Studien
die Richtung gegeben. Ohne Lust hatte er seine obligaten Kollegien
gehört, wahllos eine Reihe anderer mitgenommen, wenige hatte er ganz
ausgehalten. Um so mehr hatte er sich durch Lektüre anzueignen gesucht
und sich auf dem großen Schauplatz der Wissenschaften umgesehen, ohne
sich einer ganz zuzuwenden. Ein Autodidakt war er durch Not und Neigung
geworden und hatte der Polymathie seiner Zeit seinen Tribut entrichtet.
Aber er hatte auch gelernt, seine eigenen Wege zu gehen und gesehen,
daß er zu dem zünftigen Betrieb der Wissenschaften, wie er damals war,
nicht gemacht war.

Im Umgang mit seinen Studiengenossen muß er mehr aus sich
herausgegangen sein, als in früheren Jahren. Wenn er von der Bibliothek
kam, brachte er den Rest des Nachmittags meist in Gesellschaft seiner
Landsleute und Bekannten zu, die ihre Gesellschaft für unvollkommen
hielten, wenn er nicht dabei war. »Denn er war immer aufgeräumt,
scherzhaft und gesprächig und konnte tausend Schnurren aus alten und
neuen Zeiten erzählen. Des Abends war er meistens auf dem Ratskeller
und unterredete sich mit alten ehrbaren Bürgern gern von ihren
Wanderschaften und Reisen.«

Nachdem Winckelmann zwei Jahre in Halle studiert hatte, übernahm er
eine Hauslehrerstelle bei dem preußischen Offizier George Arnold
Grolmann in Osterburg. In diesem vornehmen Hause trat Winckelmann
zum erstenmale mit der französischen Bildung der höheren Stände in
Berührung und mochte fühlen, was ihm bei all’ seinem zusammengehäuften
Wissen an formaler Gewandtheit des Umgangs noch fehlte, auch der Mangel
der Kenntnis der neueren Sprachen mußte ihm drückend zum Bewußtsein
kommen.

In dem Grolmann’schen Hause faßte Winckelmann den Entschluß, nun doch
noch seiner früheren Neigung zur Medizin zu folgen und dieses Studium
mit dem der höheren Mathematik und der neueren Sprachen zu verbinden.
In dieser Absicht bezog er im Mai 1741 die Universität Jena. Für die
Verbindung des Studiums von Medizin und Mathematik fand er hier einen
ausgezeichneten Lehrer in Georg Erhard Hamberger, der der letzte
folgerichtige Vertreter der iatromechanischen Schule war, einer Schule,
welche die physiologischen Vorgänge auf rein mathematisch-mechanischem
Wege zu erklären suchte. Die große Erweiterung, welche die Mathematik
mit der Erfindung der Infinitesimalrechnung erfuhr, die Einführung der
Mechanik in die Himmelskunde durch Newton mochten dazu verführen, auch
eine Wissenschaft, welche durchaus auf die Erfahrung angewiesen ist,
deduktiv zu behandeln.

Daß Winckelmann, dessen ganze geistige Veranlagung auf eine anschauende
Erkenntnis gerichtet war, sich dieser bereits überlebten Richtung der
Medizin zuwandte, zeigt nur, daß auch er der Macht des Zeitgeistes sich
nicht erwehren konnte. Er verweilte indes nur etwa ein halbes Jahr in
Jena, schon im Herbst 1741 verließ er die Universität. In den nächsten
Jahren beschäftigte er sich noch mit Mathematik, nach und nach aber
trat eine ausgesprochene Abneigung an Stelle des Interesses. Dagegen
haben die Naturwissenschaften und die Medizin nie aufgehört ihn von
Zeit zu Zeit zu beschäftigen und noch in späteren Jahren hatte er die
Absicht, nach Vollendung seines archäologischen Lebenswerkes mit der
Wissenschaft der Natur sein Leben zu beschließen.

In den Herbst 1741 versetzt Justi den abenteuerlichen Versuch
Winckelmanns, seine Studien mit einer akademischen Reise abzuschließen.
Eine solche wurde im 17. Jahrhundert allgemein als Erfordernis
gelehrter Bildung betrachtet. Die Absichten, welche man dabei
verfolgte, waren verschieden, die einen suchten die Höfe und die
Mittelpunkte der Diplomatie, die anderen persönliche Bekanntschaft mit
den Gelehrten des Auslandes, eigenes Urteil über fremde Völker, Sitten
und Verfassungen, die Konversation in fremden Sprachen, Eleganz im
Benehmen u. A.

Winckelmann wollte nach Paris, aber schon in Gelnhausen waren seine
Mittel zu Ende und blutarm kam er nach Halle zurück. Über die
besonderen Absichten, welche er bei diesem Unternehmen hatte, sind wir
nicht näher unterrichtet; Äußerungen aus späterer Zeit lassen vermuten,
daß ihn die griechischen Handschriften der Bibliothek zu Paris, deren
Katalog im Sommer 1741 erschienen war, unwiderstehlich dahin zogen.

Nachdem dieser Plan gescheitert war, übernahm Winckelmann eine Stelle
als Erzieher des Sohnes des Oberamtmanns Lamprecht in Hadmersleben.
Hier war es, wo er in der Bibliothek eines Herrn von Hansen das
historisch-kritische Lexikon von Bayle kennen lernte. Das ungeheuere
Material, welches in diesem Werke niedergelegt, anmutig vorgetragen
und mit kritischen Anmerkungen versehen war, muß einen überwältigenden
Eindruck auf den Büchermann gemacht haben, er hat die vier Foliobände
in zwei handschriftlichen Folianten ausgezogen, diese wieder auf einen
Quartband von fast siebenhundert Seiten reduziert, ein alphabetisches
Register zu den Miscellen der Bayle’schen Noten gefertigt und sich das
Dictionnaire zu einem Magazin für neuere Geschichte eingerichtet, und
noch 1755 Extracta ex extractis dict. hist. Bael. gefertigt.

Das Interesse an dem Werke, das für das 18. Jahrhundert von großer
Bedeutung war (auch Lessing hat es vielfach benützt) und das noch nach
1820 neu herausgegeben wurde, mag zunächst ein stoffliches gewesen
sein, sicher aber kam, obgleich es Winckelmann nur in der Übertragung
Gottsched benützte, ein formelles hinzu. Die gewandte Dialektik, die
kritische Kunst, welche, wie Justi mit Recht bemerkt, das Studium
Bayles noch jetzt, blos formell betrachtet, zu einem Schmauß für den
Verstand macht, mußte den mit so feinem Formensinn begabten Mann, der
bisher nur das schwerfällige Rüstzeug deutscher Gelehrten kannte,
anziehen.

Ein einhalb Jahre lang blieb Winckelmann in Hadmersleben; seit dem
Anfange des Jahres 1743 suchte er eine feste Anstellung und er fand
eine solche als Konrektor der Schule zu Seehausen in der Altmark.
Fünf Jahre war er in Seehausen, anfangs mit seiner Stelle vollkommen
zufrieden, später mit steigendem Widerwillen, so daß er diese
Zeit stets als die dunkelste seines Lebens betrachtete. Vielerlei
innere und äußere Bedrängnisse trafen zusammen. Winckelmann war als
Konrektor der Nachfolger Boysens, eines Mannes von hoher didaktischer
und pädagogischer Begabung, der die Schule merklich gehoben hatte.
Winckelmann kam den Pflichten seines Amtes gewissenhaft nach, aber ohne
lebendige innere Teilnahme; der Elementarunterricht war einmal nicht
seine Sache. Dies machte sich sofort in der Abnahme der Schülerzahl
fühlbar und bei den Schülern war er nicht beliebt. Ebensowenig wußte er
sich mit seinen Kollegen und Bürgern des Städtchens zu stellen.

Ärgerliche Zerwürfnisse mit der Geistlichkeit kamen hinzu. Die geistige
Anregung, die ihm der Tag nicht bot, suchte er in nächtlicher Arbeit.
Er studierte bis Mitternacht und des Morgens um vier Uhr begann er
wieder zu lesen bis sechs Uhr, wo der Unterricht von neuem begann. Zum
Schutz gegen die Kälte hatte er einen Pelzmantel, er schlief nicht im
Bett, sondern auf einem Lehnstuhl. Ein geheiztes Zimmer gönnte er sich
nicht, auch in seiner Nahrung war er äußerst enthaltsam, nicht aus
Geiz, sondern um von seinem kargen Gehalt von 120 Thaler seinen alten
Vater unterstützen und seinen Büchervorrat vermehren zu können.

Vereinsamt in seinem Wohnort, machte Winckelmann zahlreiche größere
und kleinere Reisen zu auswärtigen Freunden, nach Bibliotheken zur
Leipziger Messe u. A. Seine Wanderlust war außerordentlich und er
verstand, fast ohne Geld zu reisen.

Winckelmann mochte in der Erinnerung der vielen Widerwärtigkeiten,
die er in Seehausen durchzumachen hatte, die dort verbrachten Jahre
als verloren betrachten; sie waren es nicht. Er kam dort in seiner
Vereinsammung doch zu größerer Sammlung, als irgendwo früher, er wandte
sich neuerdings den Griechen zu und in der harten Arbeit schlafloser
Nächte hat er den Grund zu seiner künftigen Größe gelegt.

Bevor Justi näher auf Winckelmanns Griechische Studien eingeht, gibt
er in einem »Streit der Alten und Modernen« überschriebenen Abschnitt
einen kurzen Überblick über das Verhältnis der Menschen des ausgehenden
17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts zu den Griechen. In dem Maße,
als die ganz der vornehmen Gesellschaft angehörende französische
Bildung sich konsolidierte, ist bei den Franzosen, und nur noch sie
und die Engländer beschäftigten sich mit griechischer Literatur, eine
steigende Abneigung gegen die griechischen Dichter wahrzunehmen. Man
richtete sie an dem eigenen Maßstab und rechtfertigte das Urteil, indem
man das Gesetz des Fortschrittes, das in den exakten Wissenschaften und
in den mechanischen Künsten gilt, auf die schönen Künste anwandte. Die
Angriffe richteten sich insbesondere gegen die homerischen Gedichte.

In dem heftigen Streit hierüber suchte Voltaire das Für und Wider
objektiv abzuwägen, aber er gibt doch den Römern den Vorzug vor den
Griechen. Eine Befreiung von solchen Vorurteilen war von Frankreich
aus nicht zu erwarten. Sie wurzelten in der französischen Bildung des
»_grand siècle_«, und diese, so einseitig sie uns heute erscheint,
hatte doch eigenartige und große formelle Vorzüge, die sie den
Zeitgenossen -- nicht nur Franzosen -- als vollkommen erscheinen
ließen. Gleichwohl war eine Reaktion gegen die Mitte des Jahrhunderts
unvermeidlich. Es waren Winckelmann und Lessing, welche der eine auf
intuitivem, der andere auf kritischem Wege eine höhere, auf das Wesen
gerichtete Auffassung des Hellenentums anbahnten.

Man möchte bei einem Autor, der so weit ausgreift wie Justi, gerade
diese für das gesamte Geistesleben der Folgezeit so wichtigen Fragen
etwas ausführlicher behandelt sehen.

Die griechischen Lieblingsschriftsteller Winckelmanns waren Homer und
Sophokles, Herodot, Xenophon und Plato. Das Kapitel, welches diesen
Autoren und Winckelmanns Verhältnis zu ihnen gewidmet ist, ist eines
der schönsten in dem reichen Buche, von Winckelmanns Äußerungen
ausgehend, gibt Justi viel von Eigenem, das vom Feinsten ästhetischen
Urteil getragen ist. Hiebei geht er allerdings von Aussprüchen
Winckelmanns aus späterer Zeit aus, und es mag fraglich erscheinen,
ob dieser schon in Seehausen ein so reifes Urteil hatte; darauf kommt
es indes nicht an, sondern darauf, zu welchem Gebiete sprachlicher
und dichterischer Schönheit Winckelmann neigte und wir bemerken, daß
es schon damals das gleiche war wie das, welches er später in der
bildenden Kunst der Alten am höchsten stellte. Ihm entsprach vor
Allem das leidenschaftslose, abgeklärt Schöne, weniger das Erhabene.
Aeschylos blieb ihm fremd.

Aber wenn auch die Alten im Mittelpunkt seiner Neigungen standen, wenn
ihr Studium sich für seine selbständige, produktive Thätigkeit am
fruchtbringendsten erwies, so war es doch für Winckelmann gewissermaßen
nur eine Erholung von anderen Arbeiten und er betrieb daneben noch
mancherlei andere Studien, am eingehendsten das der neueren Geschichte.
Ja er hatte vorübergehend die Absicht in Jena oder Halle die venia
legendi für Historie und Staatsrecht zu erwerben. Außerdem aber
interessierte er sich für alle möglichen Wissenschaften. Aus allem, was
er las, fertigte er Auszüge ohne festen Plan und nicht für bestimmte
Untersuchungen, sondern nur zu dauerndem Besitz des Gelesenen.

Vielerlei Widerwärtigkeiten hatten Winckelmann den Aufenthalt in
Seehausen verleidet, von 1746 an suchte er fortzukommen um jeden Preis.
Endlich im August 1747 fand er eine Anstellung an der Bibliothek des
Grafen Bünau in Nöthnitz bei Dresden.

So verließ er die Heimat im einunddreißigsten Lebensjahre; nur auf
Besuch kehrte er noch einmal zurück. Ob er auch ahnte, daß nun ein
Leben völlig zu Ende gehe; daß nicht nur Land und Volk, Freundeskreise
und Berufsgeschäfte ganz der Vergangenheit angehörten, sondern auch
bald Religion, Sprache, Sitte, Denkweise? Hätte er sich damals in das
Ich seiner Zukunft versetzen können: es würde ihm gewesen sein, als ob
das Land mit samt seinem bisherigen Ich hinter ihm versinke.

Die Bibliothek des Grafen Bünau umfaßte die Geschichte mit ihren
Hilfswissenschaften; sie war gesammelt als Hilfsmittel für das große
Werk Bünaus, die deutsche Kaiser- und Rechtshistorie und galt als die
erste Privatbibliothek Deutschlands. Ein Katalog war in Arbeit und
Winckelmann bearbeitete dafür die Abteilung der Kirchengeschichte und
das Leben der Heiligen und Märtyrer. Seine Thätigkeit war aber nicht
nur eine bibliothekarische, er wurde auch zur Mitarbeit an der Kaiser-
und Rechtshistorie herangezogen. Von diesem weitschichtigen Werke
waren (1728-1743) vier Quartbände erschienen, welche bis auf Konrad
den Salier reichen, aber es war viel weiter gefördert, eine Reihe von
Kaisern lag druckfertig vor. Ein Teil dieser Manuskripte ist in die
königliche Bibliothek zu Dresden gelangt. Es scheint, daß Winckelmann
einige Teile ziemlich selbständig zu bearbeiten hatte. Herausgekommen
ist außer den vier ersten Bänden nichts. Von Winckelmanns sechsjährigem
Fleiß ist der Wissenschaft nichts zu Gute gekommen; für ihn waren
die Arbeiten als Vorübungen im historischen Fach von Bedeutung, er
erwarb sich unter der Leitung eines der ersten Historiker eine gewisse
Gewandtheit im Gebrauch der Werkzeuge der Forschung, der Kritik und der
Darstellung.

1755 hatte Winckelmann die Absicht, in Dresden einen Cyklus von
Vorlesungen über neuere Geschichte zu halten. Sie kamen nicht zu
Stande, doch hat sich ein Aufsatz über den mündlichen Vortrag der
allgemeinen Geschichte erhalten, wonach er die Geschichte nach
dem Vorgange Bolingbrokes, Voltaires und namentlich Montesquieus
zu behandeln gedachte. Er wollte sie in einem persönlichen oder
biographischen und in einem pragmatischen Teil vortragen, der die
Schicksale der Reiche und Staaten enthalten sollte, ihre Aufnahme,
ihr Wachstum, ihre Blüte und ihren Verfall. Auch die Forderung der
»erleuchteten Kürze« welche er an die Darstellung stellt, verrät den
Einfluß Montesquieus.

Winckelmanns amtliche Thätigkeit war, wenn auch keine ganz
selbständige, doch eine wissenschaftliche und insofern war seine
Stellung in Nöthnitz eine bessere als in Seehausen. Sie nahm ihn indes
nicht ganz in Anspruch; er sammelte in seinen Musestunden wie bisher
unermüdlich in dem weiten Gebiete aller Wissenschaften, wozu ihm die
Bibliothek des Grafen reichlich Gelegenheit bot. Es war hier die neuere
Literatur der Franzosen und Engländer, welche ihn anzog, vor allen
Montesquieu, Montaigne und Shaftesbury. Unter dem Einfluß der Werke
dieser Männer, namentlich des Geistes der Gesetze von Montesquieu
haben sich seine politischen Anschauungen konsolidiert. Er zieht in
seinen Kollektaneen überall die Schriftsteller und Ideen an, welche die
Abwendung von dem politischen System des siebzehnten Jahrhunderts am
entschlossensten und beredtesten zum Ausdruck bringen und begeistert
sich für die Freiheit der alten Republiken wie der Schweizer. Der Druck
unter dem er in Preußen gelitten hatte, und den er dem monarchischen
Absolutismus zur Last legte sowie die Aufnahme antiker Anschauungen
mögen ihr Teil daran haben, aber seine Äußerungen aus der römischen
Zeit zeigen ihn als einen politischen Ideologen, der die harten
Notwendigkeiten der Politik gar nicht wahrnimmt. -- Neben Montesquieu
sind es Montaigne, Shaftesbury und Voltaire, welche in Winckelmanns
Kollektaneen am reichsten vertreten sind und was er sich aus diesen
und anderen Autoren anmerkte, ist allenthalben der Ruf zur Natur,
zum Einfachen und Vernünftigen; überall ist herausgegriffen, was dem
vordringenden, die Geister entfesselnden Zug der Zeit angehört und die
Zukunft in Besitz nehmen will. Hier erscheint Winckelmann einmal nicht
blos als der spätgeborene Geistesverwandte der Tage des Phidias und
Plato, sondern als der Sohn seiner Zeit. Und doch ist es hauptsächlich
das Wiederaufleben antiker Gedanken in der modernen Literatur das ihn
fesselt.

Was die Literatur des _grand siècle_ auszeichnet, ist nicht nur ihr
Inhalt, sondern auch ihre hohe formale Vollendung, sie wendet sich an
eine Gesellschaft vom feinsten und strengsten Geschmack; mehr als
Tiefe der Erudition und Strenge der Logik gelten ihr die Tugenden
der Konversation: Klarheit, Leichtigkeit und Kürze, Korrektheit und
Präzision, Lebhaftigkeit und überraschende Vorstellungsverbindungen.
Alle modernen Schriftsteller, für die sich Winckelmann erwärmte, sind
Meister des Stils. An diesen Mustern hat sich Winckelmann zu der Kunst
des Stils herangebildet, die es ihm möglich machte, ein Buch in gutem
Deutsch für Weltleute und Künstler zu schreiben, ein Buch ohne Zitate,
in urbanem Ton und in einem aphoristischen Stil.

Es ist eine scharfe Luft die in dieser Literatur weht und die
Winckelmann zusagte, das im engeren Sinne poetische geht ihr ab. Justi
stellt die Frage nach Winckelmanns Verhältnis zur Dichtkunst. Göthe
hat ihm die Neigung zur Poesie abgesprochen, Justi nimmt an, daß dem
Freunde des Sophokles und Homer der Sinn für das Dichterische nicht
gefehlt hat, er führt als Zeugen Göthe selbst an, der einräumt, daß
Winckelmann in seinen späteren Schriften beinahe durchaus selbst Poet
gewesen sei, und zwar ein tüchtiger, unverkennbarer, und erwähnt
verschiedene Sammlungen dichterischer Blüten von Winckelmanns Hand.
Aber damit ist die Frage nicht abgethan. Justi selbst gibt zu,
daß Winkelmann vorzüglich der didaktische Vers und das bildliche
Element in der Poesie zugänglich war. Diese Vorliebe teilt er mit
seinen Zeitgenossen. In der epischen Poesie, vielleicht auch in
der dramatischen, schätzt er vor Allem die figürliche Malerei der
poetischen Bilder und Vergleiche und die musikalische Malerei der
Silben und Rhythmen. Er wünscht, daß alle homerischen Bilder sinnlich
und figürlich zu machen wären und er begeistert sich an dem Wohlklang
des sanften und musikalischen Dialekts Joniens, der durch den Klang
und die Folge der Worte die Gestalt oder das Wesen der Sache selbst
ausdrücken kann. Das ist noch die alte ästhetische Schule vor Lessing,
deren Theorien das Horazische »_ut pictura poesis_« zu Grunde lag.
Auch darin ist er ein Kind seiner Zeit. Das Wort und der Vers waren in
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und noch weit darüber hinaus
nicht die Elemente, in welchen die innersten, zartesten Empfindungen
rein zum Ausdruck kamen. Das Vermögen hiezu hat erst Göthe besessen
und Anderen erschlossen. Starke lyrische Empfindungen kamen nur in der
Musik voll zum Ausdruck. Den Sinn für das was uns im engsten Sinne
poetisch erscheint, dürfen wir also bei Winckelmann nicht suchen.
Sein außerordentlicher Formensinn aber fand in vollendeten poetischen
Formen ein Vergnügen und sein Verstand freute sich, schöne Gedanken
und Bilder in diesen Formen ausgedrückt zu sehen. Und was ist es, das
seiner Sprache poetischen Schwung verleiht, es ist die Begeisterung,
in die ihn schöne plastische Formen versetzen. Gewiß haben wenige
Menschen das _homo sum_ so wörtlich genommen als Winckelmann, aber sein
eigenstes Element war doch die antike Plastik, das scheint mir auch
sein Verhältnis zur Poesie, soweit wir es beurteilen können, zu zeigen.

Auch über bildende Kunst hat er so viel gelesen und ausgezogen, daß
er sagen konnte: »Ich habe alles gelesen, was ans Licht getreten ist,
in allen Sprachen über die beiden Künste. -- Ich habe Auszüge aus den
besten Büchern, die mir nicht um hundert Dukaten feil sind.« Aber
die spekulative wie die historische Kunstbetrachtung steckte noch in
den Kinderschuhen und als Winckelmann später mit eigenen Augen sehen
gelernt hatte, erschien ihm seine frühere Weisheit aus Büchern keinen
Schuß Pulver wert.

Dresden bot aber auch, wie keine zweite Stadt Deutschlands, Gelegenheit
zu reichster Anschauung in allen Künsten. Hier herrschte unter August
II., dem Starken und August III. ein glänzendes Kunstleben, ja es
mochte, bis der siebenjährige Krieg alledem ein jähes Ende machte,
scheinen, als ob die Beschäftigung mit den Künsten die wichtigste, ja
die einzig menschenwürdige sei.

Winckelmann tritt hier zuerst in nähere Beziehung zu den bildenden
Künsten. »Es war eine ganz andere Art des Wissens, eine Erkenntnis
aus Dingen statt aus Büchern, eine Erkenntnis aus Anschauung und
Empfindung, statt aus Worten und Begriffen. Diesen Unterschied brachte
sich Winckelmann damals mit Leidenschaft zum Bewußtsein: er wurde von
entscheidendem Einfluß auf sein Leben. In dieser neuen Welt findet
er endlich sein Element. Dies Neue bringt ihn von polyhistorischer
Zerfahrenheit zur Einheit; indem er sich selbst findet, fühlt er zum
ersten Male auch den Antrieb, öffentlich zu sprechen.« Damals machte
sich der Widerspruch gegen die Kunst des Rococo schon bemerklich.
Winckelmanns Stellung in diesem Streit ist durch sein Verhältnis zu den
Alten im Voraus bestimmt.

Justi behandelt in einem »Bilder aus dem Dresdener Kunstleben«
betitelten Kapitel die Zustände und die Persönlichkeiten. Vortrefflich
ist, was er über die Prachtbauten Dresdens und über die dekorative
Plastik sagt. Ebenso die Begründung des Widerspruches, der sich schon
regte, während diese glänzenden Kunstschöpfungen entstanden. Ich muß
darauf kurz eingehen, denn hier liegen die Ursachen der unermeßlichen
Wirkungen von Winckelmanns Werken.

»Die Wirkung von Kunstschöpfungen, sagt Justi, auch der Dichtung und
Tonkunst, ist eben eine zweifache: das ist in ihrer emotionellen
Beschaffenheit begründet. Auch ihre Wärme sinkt durch Ausstrahlung,
besonders bei starkem Tempo der Bewegung auf dem Gebiet, und
erreicht einen Punkt der Indifferenz. Dann entsteht das Bedürfnis
der Neubelebung. Dazu kann wohl eine Zeitlang Steigerung der
Reize, Reinigung und Vervollkommnung der Formen genügen; aber die
Formen leben sich aus; dann folgt der Bruch und die Hinwendung zum
Entgegengesetzten; man sucht die Komplement- und Kontrastwerte. (Die
neue Auflage bringt hier einen scharfen Hieb gegen »die Moderne«.)
Das ist das Gesetz, das die Wandlungen des Geschmacks beherrscht und
es wäre Verkennung des wirklichen Zusammenhanges, wollte man immer
nur die Ähnlichkeitsmomente in den aufeinanderfolgenden Erscheinungen
sammeln und als die wirkende Kraft betrachten, statt Gleiches und
Entgegengesetztes zu wägen und zu messen.

Es ist also kein Zufall, daß die Rede von der rettenden Nachahmung der
Griechen um jeden Preis, die Predigt des Classicismus im Schatten des
Zwingers und der katholischen Hofkirche sich erhoben hat.«

In diesen Sätzen ist ein Gesetz der kunstgeschichtlichen Entwickelung
klar formuliert, in der Anwendung auf konkreten Fall aber bleibt die
Frage offen, wie es kommt, daß die Herrlichkeit der französischen Kunst
des Louis XV. von so kurzer Dauer war.

Das scheint mir nun zunächst darin begründet zu sein, daß diese
Kunst keine eigene Entwicklungsepoche, sondern nur die letzte Phase
einer solchen, der Renaissance, ist; allerdings eine sehr glänzende,
denn sie hat ihren eigenen, fast selbständigen Formcanon. Dessen
Schwäche aber, und das ist das Zweite, ist, daß er rein konventionell
ist und keine Entwicklungspotenzen in sich schließt. Das gilt von
der Architektur, es gilt in noch höherem Grade von der Plastik und
Malerei. Das Konventionelle aber ermüdet bald, besonders wenn es in
so verschwenderischer Fülle auftritt wie im Rococo. Dieser zierliche
Stil ist um 1725 noch nicht fertig. 1750 ist er schon am Ende seiner
Möglichkeiten; die Bahn für einen Reformator des Geschmackes war
frei, der Glaube an die absolute Vorbildlichkeit der Antike lebte neu
auf, schon war da und dort der Ruf zur Rückkehr zu ihr erschollen. In
diesen Kampf trat Winckelmann ein mit seiner Erstlingsschrift, den
Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und
Bildhauerkunst.

Die Schrift ist in Dresden entstanden in dem Jahre, das er nach seinem
Übertritt zur katholischen Kirche und seinen Austritt aus dem Dienste
des Grafen Bünau noch dort verbrachte. Die Anregung gieng von Oeser
aus, dem auch ein großer Teil der Gedanken angehört, die Form ganz ist
Winckelmanns Eigentum.

Er erläutert in begeisterten Worten die Vorzüge der griechischen
Kunst in Formgebung, Draperie und Ausdruck. Großes Gewicht legt er
auf die Gunst der Umstände, unter welchen sich bei den Griechen eine
schöne Körperlichkeit entwickelte und die Sitte, welche den Künstlern
erlaubte, diese Fülle der Schönheit aufs freieste auszubeuten. Die
häufige Gelegenheit zur Beobachtung der schönen Natur trieb die
Künstler, in der Richtung der Schönheit, über die Gegenstände ihrer
Einzelerfahrung hinaus: sie führte zum Ideal. Die Griechen wollten
nicht blos das in der Natur zerstreute sammeln: sie bildeten sich
gewisse allgemeine Begriffe von Schönheit, sowohl einzelner Teile,
als ganzer Verhältnisse der Körper, die sich über die Natur erheben
sollten.

Dem gegenüber sind die Neueren ganz im Nachteil; durch Beobachtung und
Nachahmung der Natur würden sie das Schöne ganz gewiß verfehlen, denn
das Schöne der Natur zeigt sich bei uns nicht alle Tage, und selten
so, wie es der Künstler wünscht. Ehe er sich daher der Nachahmung der
Natur überläßt, sollte er aus den Werken der Griechen die Begriffe des
Ganzen, des Vollkommenen lernen, die die Begriffe des Geteilten in
unserer Natur bei ihm läutern und sinnlicher machen.

Zu den Verirrungen des Formensinns gesellt sich bei den Neueren
die Maßlosigkeit des Ausdrucks, der bei den Griechen »die erhabene
Seele gegenüber steht.« »Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der
griechischen Meisterwerke ist eine edle Einfalt und stille Größe,
sowohl in der Stellung, als im Ausdruck.«

So weit können wir, soviel anders auch unsere ästhetischen Anschauungen
geworden sind, folgen, wenn er aber gegen den Schluß seiner Schrift
als Heilmittel gegen die Verbrauchtheit der Stoffe und die Leere
der Gemälde die Allegorie empfiehlt, so sehen wir ihn ganz in den
Vorurteilen einer Zeit befangen, die glücklicherweise nicht mehr die
unsere ist.

Was uns an der Schrift noch heute anspricht, ist die warme Liebe
und die ungemischte Bewunderung für die Antike; der antike Sinn
für die körperliche Vollkommenheit und die ob zwar veraltete, doch
immer noch schöne Sprache. Für ihre Zeit war sie das befreiende Wort
das aussprach, was der Kunst Not that. Sie erregte allenthalben
Aufsehen, das sich in Ablehnung und Zustimmung kundgab, aber letzteres
überwog. Nun kam Winckelmann auf den seltsamen Einfall, seine Schrift
selbst anzugreifen und in einer Erwiderung auf diesen Angriff zu
rechtfertigen. Dies geschah in dem Sendschreiben über die Gedanken
von der Nachahmung (1756) und in der Erläuterung der Gedanken (1756).
In dem Sendschreiben stellte er zusammen, was in den Akademien von
den Verehrern des Modernen gegen seine These geltend gemacht werden
konnte und in der Erläuterung widerlegte er diese Einwände, allein die
Kunst der Dialektik und Ironie, die Teilung des Ich in Ankläger und
Verteidiger, scheint nicht seine Sache gewesen zu sein. Die Streiche
seiner Kritik treffen nicht die »Gedanken«, und die Replik paßt nicht
auf die Kritik; beide aber bringen wenig oder nichts zur Bestätigung
oder Beleuchtung der Gedanken. Auch erkannte Winckelmann selbst, daß er
sich mit den beiden Schriften übereilt habe.

Aber der Beifall der Besten ward seiner Erstlingsschrift zu Teil,
mannigfache Anregungen giengen von ihr aus, und wenn die einzige der
Anstoß zu Lessings Laokoon geblieben wäre, so wäre ihr schon damit
ewiger Dank gewiß.

Winckelmanns Stellung hatte sich mit dem Eintritt in den Dienst des
Grafen Bünau angenehmer gestaltet, als im preußischen Schuldienst,
doch schon nach zwei Jahren war er ihrer überdrüssig. Was ihm fehlte,
spricht er in einem Briefe vom 24. Juni 1752 klar aus: »_Beatus ille
qui procul negotiis est. Mihi tamen felici non licuit esse, ut mihi
soli vivere, Musis solis litare Genioque indulgere possim._« Es ist der
unwiderstehliche Drang nach Unabhängigkeit, ein Glück gab es für ihn
nur, wenn er sich selbst und seinen Studien leben konnte. So arbeitete
er wieder die Nächte durch, und bald fühlte er, daß seine Gesundheit
wankte; seine Stimmung verdüsterte sich neuerdings und wieder strebte
er nach einer Veränderung. In der Kunst war ihm ein neuer Lebenswert
aufgegangen, sein Sehnen richtete sich nach dem Lande der Kunst, nach
Italien.

In solchen Stimmungen kam er mit dem päpstlichen Nuntius, dem Kardinal
Archinto in Beziehung, es eröffnet sich ihm die Aussicht auf ein
sorgenfreies Leben in Rom, aber dieses ist nur zu erlangen um den
Preis des Übertritts zur römischen Kirche. Dieser erfolgte nach langem
Zögern und öfters unterbrochenen Verhandlungen am 11. Juli 1754. Es ist
darüber genug geschrieben. Eine Konversion wie die Winckelmanns, der
nach wie vor ein lauer Christ blieb, kann niemanden Freude machen. Es
kann Fälle geben, in welchen der Übertritt zu einer anderen Konfession
Gewissenspflicht ist, es kann äußerer Zwang eintreten, der keinen
anderen Ausweg läßt, wo das nicht der Fall ist, muß er unterbleiben.

Wer aber selbst Jahre lang in einem falschen Berufe gelebt und viele
vergebliche Versuche sich zu befreien, durchgemacht hat, wird auch über
Winckelmanns Schritt milde urteilen.

Und was Winckelmann gefehlt, indem er ohne Überzeugung übertrat, was er
erduldet, ist doch der ganzen Menschheit zu Gute gekommen. Er hat die
Pforten des Heiligtums aufgethan in dem annoch jeder, der auf höhere
Bildung, auf höheres Glück ein Anrecht hat, seine Heimat findet.

    Ein zweiter Artikel folgt.

       *       *       *       *       *

LITERARISCHE NOTIZEN.

=Inventar der Bronzealterfunde aus Schleswig-Holstein.= Von Dr. ~W.
Splieth.~ ~Kiel~ und ~Leipzig~. Verlag von Lipsius u. Fischer. 1900. 89
SS. und 13 Tafeln.

Im Anschluß an die grundlegenden Arbeiten von O. Montelius und S.
Müller sucht der Verfasser für Schleswig-Holstein ein möglichst
vollständiges Inventar der Bronzealterfunde aufzustellen und diesen
Bestand in Perioden zu gliedern. Der Untersuchung sind die in
Schleswig-Holstein besonders zahlreich registrierten Gesamtfunde zu
Grunde gelegt und Einzelfunde nur soweit herangezogen, als sie zur
Vervollständigung des Inventars notwendig waren.

Das Fundmaterial ist in der Form von Tabellen vorgeführt. In der
Periodisierung folgt der Verfasser seinen Vorgängern darin, daß er
eine ältere und eine jüngere Bronzezeit annimmt; die erstere teilt er
in drei, die jüngere in zwei Perioden. Es werden die Typen, welche
den Formenkreis einer Periode ausmachen, charakterisiert und danach
die Tabelle der Funde der Periode gegeben. Den Tabellen folgen kurze
Ausführungen über die Bestattungsweise der Perioden. In 230 Abbildungen
werden die wichtigsten Typen der Funde vorgeführt.

Die sachlichen Ausführungen sind prägnant und zuverlässig und die
Tabellen bieten eine sehr vollkommene Übersicht über die in den
verschiedenen Sammlungen der Provinz aufbewahrten Bronzealterfunde.
Das Schriftchen bietet eine bequeme Grundlage für die relative
Altersbestimmung prähistorischer Bronzefunde und wird namentlich dem
gute Dienste leisten, welchem die größeren Arbeiten über nordische
Altertumskunde nicht zugänglich sind. B.

=Die deutsche Cicerone.= Von ~G. Ebe.~ Architektur I u. II.
Malerei. ~Leipzig~, Otto Spencer 1897, 1898. 8. 409, 376 u. 475 S.

Der Gedanke, der in den hier uns vorliegenden Bänden zunächst für
Architektur und Malerei zur Ausführung gebracht werden soll, eine
der modernen Kenntnis entsprechende Kunsttopographie Deutschlands
in gedrängter Form herauszugeben, wird in allen beteiligten Kreisen
lebhaftes Interesse erregen. Seitdem vor fast einem halben Säkulum
Jacob Burckhardts klassischer Cicerone, dessen Titel auch für das
vorliegende Werk wohl mit Rücksicht auf den berühmten Vorgänger
gewählt wurde, die italienischen Kunstschätze Deutschland und, man
darf behaupten, der ganzen gebildeten Welt erst eigentlich nahe
gebracht hat, mußte der Wunsch nach einem solchen Werke rege werden
und bleiben. Die Unentbehrlichkeit des Lotze’schen Werkes, das
trotz seiner relativen Vortrefflichkeit dem Bedürfnis nur teilweise
entsprach, bis heute ist der Beweis hiefür. Die in den letzten
Dezennien erschienenen zahlreichen speziellen Denkmälerinventare
der verschiedenen deutschen Gaue, die immer umfangreicher werdende
spezielle und allgemeine Literatur über deutsche Kunst, haben dem
Verfasser G. Ebe den Zeitpunkt als gekommen erscheinen lassen, wo ein
umfassendes kunsttopographisches Werk in gedrängter Form mit Nutzen
herauszugeben sei. Es wäre gewiß unbillig, dem geradezu staunenswerten
Fleiße der zur Aufstapelung und Sichtung einer derartigen ungeheuern
Zahl von Einzelnotizen gehört, die Anerkennung zu versagen oder die
Schwierigkeit der formalen Ausgestaltung eines solchen Sammelwerks
und der richtigen Auswahl des Materials zu verkennen. G. Ebe hat nun
die gesamte Kunstliteratur in der ausgiebigsten Weise in Kontribution
gesetzt; ein gewisses Bestreben, ja Alles, was die Deutschen an Kunst
von frühchristlicher Zeit bis zum Jahre 1890 geschaffen, aufzunehmen,
läßt sich unschwer erkennen. Autopsie war bei dieser Art der Auffassung
natürlich von Vornhinein in der Mehrzahl der Fälle ausgeschlossen. So
aber wirkt die Wiedergabe des ungleichartigen literarischen Materials
vielfach unerfreulich; es ist nicht zur Bildung eines selbständigen
Urteils, einer originellen Auffassung gekommen. Für den Fachmann gibt
das Werk zu wenig, dieser wird doch auf die speziellen Inventare und
die spezielle Literatur zurückkommen müssen; für den Laien gibt es
viel zu viel Material, zu wenig Aufklärung über die wichtigsten Phasen
der Entwicklung. Unter dem Aufstapeln möglichst vieler Denkmalsnotizen
hat naturgemäß auch die formale Ausgestaltung gelitten; das Buch liest
sich trocken und hart. Als Nachschlagebuch wird das Werk immerhin recht
gute Dienste leisten, wenn auch zur Abfassung einer wirklich guten,
zusammenfassenden deutschen Kunsttopographie nur eine Kraft ersten
Ranges, die den schwierigen Stoff zu sichten und zu meistern versteht,
berufen sein kann.

    H. St.


=Kleinigkeiten.= Von ~Alban Scholz~. Erste Sammlung.
Von Anfang bis 1872. 3. Aufl. 1900. Freiburg i. B., Herder’sche
Verlagshandlung. 764 S. (geh. M. 6.--, geb. M. 7.40).

Der vorliegende Band der Kleinigkeiten ist ein beredtes Zeugnis
für die Vielgewandtheit und die allezeit gerüstete Feder des
bekannten katholischen Volksschriftstellers. Neben Vorworten zu
Büchern, Predigten, Aufsätzen religiöser Art, Blättern aus seinem
Wanderbuche, Erörterung allgemeinerer sittlicher Fragen, wobei scharfe
Beobachtungsgabe und gesundes Urteil vielfach zu Tage treten, sind
es besonders polemisch gefärbte Artikel, die einen breiten Raum
einnehmen. So gegen die Freimaurer (Mörtel für die Freimaurer (1862)
S. 377, Akazienzweig für die Freimaurer, S. 426), gegen Johannes
Ronge und seine Anhänger (der neue Kometstern mit seinem Schweif oder
Johannes Ronge und seine Briefträger S. 43 f.), gegen die Behandlung
der Katholiken in Baden (Badische Kirchengeschichte aus der letzten
Zeit (1854) S. 265). Und die Bewegungen in der katholischen wie in der
evangelischen Kirche seines engeren Heimatlandes erfahren mehrfach
scharfe Beleuchtungen. Fesselnd ist die flotte und frische, durch
schlagende Bilder und Vergleiche reich belebte, zuweilen humoristische
aber auch barocke Schreibweise, die das Interesse auch da wachhält, wo
man etwa sachlich nicht übereinstimmt.

    K. S.



[Illustration: Taf. VI.

Moses lässt in der Wüste Wasser aus einem Felsen entspringen.

Gemälde von Lucas van Leyden im Germanischen Museum.]

[Illustration: Lucas van Leyden. Selbstporträt.]

DER NEUE LUCAS VAN LEYDEN IM GERMANISCHEN MUSEUM.

VON FRANZ DÜLBERG.

(Hierzu Tafel VI.)


Die Gemäldegalerie des Germanischen Museums in Nürnberg ist seit
einigen Monaten im Besitz eines Gemäldes von Lucas van Leyden, das an
Umfang (h. 1,95, br. 2,40 m) nur seinem Leydener Jüngsten Gericht,
an künstlerischer Bedeutung nur diesem seinem Hauptwerk, sowie
der berühmten Heilung des Bartimeus in der Petersburger Ermitage
und vielleicht den reizenden Kartenspielern bei Lord Pembroke in
Wiltonhouse nachsteht. Die Erwerbung ist erfreulich einerseits, weil
das Bild während des letzten Jahrzehnts den Blicken der Kunstfreunde
völlig entzogen war, andererseits weil es den Meister in der Stadt
Albrecht Dürers vertritt. Hat doch Dürers Werk dem Holländer die Motive
für manche seiner kleineren Stichkompositionen, ja für das Bildnis
Maximilians sogar die Vorlage gegeben, war doch der Nürnberger Meister
in Antwerpen bei Meister Lucas zu Gast geladen, den er dann »mit dem
Stift konterfeite« und hat er doch »den ganzen Druck« des Genossen
teuer um »8 Gulden seiner Kunst« ertauscht! Nur schade, daß von Dürer
selbst so wenig in Nürnberg verblieben ist!

Das Bild stellt den IV. Mose 20, 1-13 erzählten Vorgang dar, wie in
der Felswüste Zin Moses, von den verschmachtenden Israeliten gedrängt,
auf Gottes Geheiß durch den Schlag seines Stabes den Steinen Wasser
entlockt. Der Augenblick nach dem Wunder ist gewählt »et bibit synagoga
et pecora eorum;« doch hat Lucas, dem die Wiedergabe von Tieren nur
einmal, in dem Stiche »Die Melkerin«, trefflich gelang, die Beteiligung
des Viehes auf eine im Hintergrund heranziehende Karawane eingeschränkt.

Die Geschichte Mosis wurde von der alten Leydener Schule oft behandelt:
die Aufrichtung der ehernen Schlange gab Cornelis Engebrechtsz auf
dem rechten Flügel der Leydener Kreuzigung den Stoff zu seiner
bedeutendsten Kompositionsleistung, Lucas selber schuf jenen Tanz um
das goldene Kalb, ein Bild derber Ausgelassenheit, das Sandrart beim
Buchhalter Jan Lossert in Amsterdam sah und das 1709 in unmittelbarer
Nachbarschaft der Darmstädter Holbeinmadonna versteigert wurde[188];
der letzte Ausläufer der Gruppe endlich, Aertgen van Leyden, malte für
den Leydener Quirinck Claesz. den Untergang Pharaos im roten Meere.

Unser Bild hing bis zum Jahre 1891 in Rom in der Villa Borghese, dort
aber der in der borghesischen Sammlung so reich vertretenen Schule
von Ferrara zugezählt. Ein nicht ganz unbegreiflicher Irrtum: sind
doch unter allen italienischen Schulen die Ferraresen am meisten
holländischer Art verwandt -- wie ja Dosso Dossis herrliche Dido
in der Doria-Galerie fast den Eindruck eines Rembrandt macht. Die
richtige Bestimmung auf Lucas van Leyden findet sich zuerst in der
von Bode herausgegebenen 4. Auflage von Bruckhardts »Cicerone«
(1879); Woltmann-Wörmanns Geschichte der Malerei und Hymans’ van
Mander-Ausgabe folgten. Bei der Errichtung des Fideikommisses über
die Galerie Borghese wurde das Bild ausgeschieden; es gelangte an die
Fürsten von Piombino[189] und nach nochmaligem Besitzwechsel 1900
an den Hofkunsthändler Julius Böhler in München[190] von dem es das
Germanische Museum erwarb.

Das Gemälde zeigt auf einem Steinblock links unweit der Mitte die
Jahreszahl 1527 und darunter das L, beides unzweifelhaft echt, in
den von den Stichen her bekannten Zügen des Meisters. So stammt es
also aus dem Jahre jener prunkenden Reise nach Seeland, Flandern und
Brabant, die Lucas in Gemeinschaft Mabuses unternahm und von der er
die Todeskrankheit mitbringen sollte! Übrigens tragen nur noch zwei
seiner bisher bekannten Bilder Zeichen und Jahreszahl von der Hand
des Meisters: das Votivdiptychon in der Münchener Pinakothek aus dem
Besitz des Frans Hooghstraet und Kaiser Rudolphs, von 1522, und die
Mönchspredigt des Ryksmuseums, die rechts über der Thür nicht ganz
deutlich die Zahl 1530 hat.

Die Schicksale des Werkes lassen sich nicht weit zurückverfolgen. Zwar
erwähnt -- worauf Piancastelli hinwies -- schon Scannelli[191] ein
Gemälde von Lucas van Leyden im Besitz der Borghese, doch gibt er den
Gegenstand nicht an. Weder Gerard Hoets Catalogus noch die von Bredius
gesammelten Archivalien geben uns hier Aufschluß. Vielleicht ist uns
hier aber eine Stelle van Manders von Bedeutung, die von einem anderen
Bilde handelt. In Leyden -- ob es bei Dirk van Sonneveldt oder bei
dem Dilettanten Job. Ariaensz. Knotter war, erinnert er sich nicht
mehr genau -- hatte er ein Bild in Tempera auf Leinwand von unseren
Künstler gesehen, das Elieser und Rebekka am Brunnen darstellte: in
schöner, tiefer Landschaft sah man besonders anmutige Frauen in den
abwechslungsreichen Stellungen, zu denen das Wasserholen Anlaß gibt.
Nun ist auch unser Gemälde in Tempera auf Leinwand ausgeführt, es ist
gleichfalls alttestamentlichen Stoffes und vor allem: es wandelt ebenso
das Motiv des Wasserholens in reichster Weise ab. Wäre da die Vermutung
zu kühn, daß unser Bild einst mit jenem Verschollenen über die Wand
desselben Zimmers gespannt war?[192]

Wenn schon 70 Jahre nach Lucas Tode van Mander die Verwüstungen
beklagt, die die Feuchtigkeit der Wände in dessen, damals bei einem
Brauer in Delft befindlichen Temperabildern aus der Geschichte Josephs
angerichtet hatte, so werden wir uns heute nicht wundern dürfen,
daß unser in gleicher Technik ausgeführtes Gemälde nicht unversehrt
auf uns gekommen ist. Zwei der glänzenden Seiten des Meisters, die
feine Abstufung der landschaftlichen Gründe und die geschmackvolle
Farbenwahl, erscheinen hier durch die Unbill der Jahre verkümmert; die
Landschaft ist zumal zu den Seiten verschwommen und ohne Tiefe. Das
Kolorit hat an Geschlossenheit sehr verloren, so daß die ursprüngliche
Farbenwirkung nicht mehr vollkommen augenscheinlich ist. Störend wirkt
jetzt namentlich der mehrmals wiederholte Gegensatz eines stumpfen Grün
und kräftigen Rot. Immerhin bleibt noch ein bedeutender malerischer
Eindruck, der zumal den delikaten Gewandfarben in der -- am besten
erhaltenen -- Hauptgruppe im Moses zu verdanken ist; manches werden wir
uns -- da wir von Lucas ein zweites Temperabild bisher nicht haben --
etwa nach der dem gleichen Schulkreise angehörigen »Sibylle von Tibur«
in der Wiener Akademie rekonstruieren müssen.

Die Ausführung ist von größter Sorgfalt. Wie an Dürers Apostelköpfen in
den Ufizi, ist fast jedes Haar einzeln gemalt. Die Zierrate, zumal an
den Gewändern der vornehmsten Personen, fein mit spärlichem Blattgold
gegeben.

Der Aufbau des Bildes benutzt mit einem seit Geertgens Felsenkoulissen
in der holländischen Malerei eingeführten Kompositionsmittel das
steinige Terrain der Felswüste zur wirkungsvollen Scheidung der
Gruppen; ähnlich wie zumal auf frühen Stichen des Meisters[193]
beherrscht den Mittelpunkt der Landschaft ein zerklüfteter Felshügel
mit schlanken Bäumen, deren Kronen der Rahmen abschneidet. Die Mitte
ist von Figuren leer. Die Führer stehen rechts im zweiten Plan in
hellbeleuchteter, ruhiger Gruppe. Die gelagerte und bewegte Volksmenge
umzieht sie in doppelter, nach links hin schwererer Ellipse; im
vorderen Bogen die Tränkenden und Trinkenden, im hinteren Bogen die
Wasserholenden.

Gesenkten Hauptes steht Moses, träumerisch mehr denn befehlend hält er
den wunderwirkenden Stab in der Rechten. Das feine langbärtige Gesicht
läßt wohl den Kummer über den wundersüchtigen Wankelmut des Volkes,
das Leid der Strafe, die Gott dem Erzwinger des Wunders verkündet
hat, erkennen: »Könnt’ ich Magie von meinem Pfad entfernen!« Ein
rationalistischer Zug des Künstlers ist es, daß die traditionellen
Hörner einfach als aufgerichtete Haarlocken gegeben sind[194]. Die
Kleidung zeigt geschmackvollen Prunk; der Mantelkragen grau mit
Goldborten, die Oberärmel grün und fleischrot, die Unterärmel blau, das
in Röhrenfalten fallende Gewand hellgrau, die Stiefel violettrötlich.
Vertrauender blickt Mosis linker Nachbar Aaron ihn an. Das kräftige,
viereckige Gesicht mit dem kurzen, breiten Backenbart, das sich
ähnlich an einer zweiten Figur des Bildes wiederholt, und noch mehr
die stolze, senkrechte Linie der Gestalt erinnern an die Typen jenes
halbverschollenen, begabten Schülers unseres Meisters, des Jan Swart
van Groningen; der prachtvolle Fluß des leuchtenden Mantels gibt
Dürers glänzendsten Gewandstudien nichts nach. Aarons Turban ist rot,
graugrün umwunden, der reichbrokatierte Talar von hellstem Violett, der
Mantel hellorange, die Schuhe rot. Wie links der Priester, so steht
rechts der Krieger Moses zur Seite. Mit scharfem Blick wendet er ihm
das gedrungene Gesicht zu; bestimmt spricht die halberhobene Rechte;
die hängende Linke hält sicher das breite Schwert, dessen Griff der
Maler entsprechend seiner Art, alles Ornamentale zu verlebendigen, in
einen Tierkopf auslaufen ließ. Seine Tracht ist prunkend: graugrüner,
schwerer Turban, olivengrüner Schnürrock, merkwürdig gepolsterter,
orangeroter Ärmel. Unter dem halben Dutzend Nebenfiguren der Gruppe
sehen wir einen Phlegmatiker mit Doppelkinn in Vorderansicht, das
Profil eines Greises mit hängender Judennase, hängender Lippe und
gedrehten Bartlocken, der zusammen mit einigen anderen Gestalten
unseres Bildes, auf das auch in der 4 Jahre später gemalten
Heilung des Blinden[195] zu Tage tretende Rassenstudium unseres
Künstlers hinweist, und einen zigeunerhaft schönen, jungen Mann mit
halbentblößtem, hängenden Arm rechts am Abschluß des Kreises.

Eine kleine Novelle erzählen uns die drei als Eckgruppe rechts
vorgelagerten Personen: mit vollem dankbarem Blick empfängt das hübsche
junge Mädchen das Wasser, das der bärtige Mann mit beiden Händen aus
der schweren Kanne in ihre Schale gießt; ehrenfest zu Moses und Aaron
aufsehend, sitzt der bartlose Alte dabei. Die feinen Züge und die
geringelten Locken des Mädchens lassen an manche Köpfe vom linken
Flügel des »Jüngsten Gerichts« denken, die wulstige Kopfbedeckung trägt
auch eine Frau rechts auf der »Heilung des Blinden«. Der Einschenkende
gibt eine zumal mit dem ausgestreckten linken Bein gut raumfüllende
Rückenfigur, zugleich einen Haubenstock für die etwas allzugern
ausgebrachten Kostümstudien des Künstlers: weißer, breitrandiger,
runder Topfhut, geschlitztes, ausgebauschtes und gezacktes rotes Wamms,
olivengrüner Unterrock, grüne Ärmel und gelbe Stiefel. -- Der Alte
erscheint in gelb und orange, das Mädchen in rosa und graugrün. Das
etwas entfernter der eigentlichen Mitte des Bildes nächste Paar zeigt
uns Jugend und Alter. Die bequem gelagerte junge Frau führt ruhig mit
der Rechten die Schale zum Munde und gießt zugleich mit der Linken
aus bauchigem Thonkrug dem knieend zu ihr aufblickenden Alten in den
Napf, den er mühsam am Boden hält. Ihr Gesicht ist üppig und etwas
schwermütig, die Hand an der Schale und der entblößt fortgestreckte
Fuß sind, wie auf Stichen des Meisters, etwa Mars und Venus, ein wenig
knochig und krampfig geraten. Das verschmitzte, breite Antlitz des
Mannes mit der pfropfig aufgestülpten Nase und dem Doppelkinn ist
das einzige bewußt häßliche auf dem Gemälde, noch den Pöbeltypen des
Engebrechtsz, verwandt. Links im Vordergrunde sehen wir zwei Kinder in
guter Kameradschaft: der etwas ältere Knabe kriecht heran und schiebt
den anderen, der mit beiden Händen und vollen Backen gierig zugreift,
die Kürbisflasche an den Mund; jener ist in grünem Röckchen und
trefflich behandeltem weißen Hemd, dieser in Rotorange. Ganz ähnliche
Kinderfiguren tummeln sich ja auch auf dem 2 Jahre früher entstandenen
Prachtstich »Vergil im Korbe« links im Vordergrund herum. Die
mütterliche Pflege vertritt als linke Abschlußgruppe die junge Frau mit
hübschen, etwas abgehärmtem Profil, die aus blauem Glase dem stämmigen
Kinde zu trinken gibt und ihm zärtlich dabei die Hand von hinten her
auf die Schulter legt. Ihr Kragen ist rot, der Ärmel grün; sehr gut ist
die Linie des im Knie aufruhenden rechten Beins unter dem weißen Gewand
ausgedrückt.

Als Vorderste der Wasserholenden erscheinen im Mittelgrunde, der
Mosesgruppe gerade gegenüber, zwei Paare; als Erster an der Quelle
und zugleich als zweite, äußerst geschickt gestellte Rückenfigur
des Bildes, ein Mann, der den Körper nach rechts hin lehnend, den
rechten Arm auf dem bedeutungsvollen, das Zeichen des Künstlers
tragenden Steinblock ruhen läßt, mit beiden Händen eine große Flasche
an den Felsen hält, den Kopf aber ausspähend nach der links aus
der Ferne nahenden Karawane zu wenden scheint. Sein geteilter, am
Ärmel geschlitzter Rock ist feuerrot, der langbetroddelte Kragen
dunkelgrün, das Hemd weiß. Ziemlich gelangweilt blickt die bei ihm
stehende, gewöhnlich aussehende, stumpfnasige Frau in bauschiger Mütze
uns an; der Finger ihrer Linken scheint auf die ihr Kind tränkende
Mutter hinzuweisen, an der Rechten hält sie wie einen Handkoffer, ein
breites, faßartiges Gefäß. Links von Beiden hört ein derbfrisches,
reichgeschmücktes junges Mädchen, eine Henkelkanne an der kräftigen
Hand, einem mit aufgerissenem Auge und spitzer Handbewegung auf sie
einredenden, schwarzhaarigen und bärtigen Orientalen zu, der sich eine
mächtige Tonne auf den Rücken geschnallt hat: sie in gelb und grau
gestreiftem Kragen, roten Ärmeln und Brusttuch und schwarzen Kleid; er
in grünem Rock und roten Ärmeln.

Entfernter naht, durch eine Böschung getrennt, eine zweite
Vierergruppe. Der Vorderste, gerade vor der Spitze des Mittelfelsens
stehend, kommt mit schwerem, breitem Schritt, eine Tonne unter dem
entblößten Arme. Etwas bedenklich richtet er das edel geschnittene,
in der Form dem des Aaron verwandte Gesicht auf die Menge der schon
Trinkenden und bedeutet mit der freien linken Hand den Nachbar, der
ihn mit stechenden Augen unruhig ansieht. Die virtuos gezeichnete
Gestalt läßt in der mächtigen, hochgezogenen Schulter und der starken
Muskulatur des Armes schon etwas den in den Stichen seit 1528
auftretenden, durch Mabuse vermittelten Einfluß italischen Aktprunkes
erkennen. Das Hemd des Mannes ist gelbrot. Der andere hält eine Kanne
an der linken Hand und erscheint mit Knebelbart, Schmachtlocken,
asiatischer spitziger Pelzmütze und graugrüner Kleidung. Tiefer im Wege
folgt eine Frau, die ihr Kind im Gewande am Busen birgt, und, fast von
ihr verdeckt, ein lederfarbener Alter mit lebensvollstem Blick, ein
Kopf, der unmittelbar an Rembrandts Rabbinerbilder gemahnt.

In einer Felsenspalte zwischen dieser Gruppe und denen um Moses sehen
wir noch die wohl auch zu den Wasserholenden gehörende Figur eines
Mannes mit in einander gelegten Händen, die sich in ihrer braunen
Gewandung kaum von den Felsen abhebt.

Ebenso wie diese Gestalt, hat auch die im Hintergrunde links in
kleinem Maßstabe gemalte, mit ihren Kamelen heranziehende Karawane
durch die verwischende Feuchtigkeit gelitten. Nur wenig erkennen wir
von einem Reichtum geistvoller Züge, den Lucas hier ähnlich wie unter
die Patriarchen in der Ferne des Himmels auf seinem ein Jahr früher
entstandenen Leydener Jüngsten Gericht[196], ausgestreut hat.

Links wie rechts im Mittelgrunde erblicken wir die befriedigt mit
dem geholten Wasser Abziehenden. Die linke, weitaus stärkere Gruppe
wird beherrscht durch die Profilgestalt eines Mannes, der tapfer
ausschreitend mit der rechten Hand eine umreifte hölzerne Kanne auf
der linken Schulter festhält und mit dem nervigen linken Arm das
Gewand aufschürzt. Die Haltung, die edlen römischen Züge, der graue,
fließende Bart, die quellenden Locken, durch die sich ein Stirnband
windet, der große Wurf der Gewandung, die Farbenwahl -- graues Hemd,
hellbrauner rot geränderter Rock, schwarze Strümpfe -- das alles ist
mit dem Schwung und der Vornehmheit eines Moretto angelegt. Neben ihm
geht ein Junge, der mit andächtiger Freude die eifrig festgehaltene
Wasserflasche betrachtet; beiden folgt eine Frau in scharfer
Seitenansicht, auf dem Kopf eine edel geformte und ornamentierte Vase
tragend, und ein fast verdeckter kleiner häßlicher Mann in verlorenem
Profil. -- Auf der rechten Seite erkennt man einen abgewendeten Mann
mit der Tonne auf dem Rücken und eine stumpf zurückschauende junge Frau
mit dem Kindchen an der Brust.

In dem ganzen Bilde, welch eine Fülle der Gesichte! Stundenlang
kann man in dem Gemälde spazieren gehen. Zumal manchen Stichen
gegenüber fällt das geringe Vorkommen stehender Typen, der Reichtum
an persönlich durchgebildeten Köpfen auf. Lucas’ altgerühmte Kunst
der Gewandbehandlung zeigt sich auf dieser Leinwand vielleicht am
glanzvollsten. Seine unversiegliche Erfindungskraft beweist er schon
in den unendlich mannigfaltigen Formen der Trink- und Schöpfgefäße.
Einzelne Wiederholungen, wie der zweimal im gleichen Plan nach rechts
ausgestreckte nackte Frauenfuß, die Nachbarschaft dreier Vierergruppen,
die Aufeinanderfolge von je 5 Männern und Frauen in der Diagonale von
links oben nach rechts unten, treten kaum ins Bewußtsein. Nicht nur an
die volkreichen Bibelszenen des großen Lucassammlers Rembrandt, auch
an den in guten Einfällen unerschöpflichen Leydener Jan Steen, der ja
den nicht häufigen Stoff ebenfalls in einem Gemälde des Frankfurter
Städel’schen Instituts behandelte, denkt man gerade vor diesem Bilde.

Im künstlerischen Entwicklungsgang des Lucas van Leyden gehört das
Gemälde in jene lange Reihe figurenreichster Kompositionen, die sich
etwa von den drei großen panoramenartigen Stichen -- Bekehrung Pauli
von 1509, Eccehomo von 1510, Calvarienberg von 1517 -- bis zu der
vielleicht spätesten Malerei des Meisters, der Petersburger Heilung
des Blinden, hinzieht. Das schon bei Geertgen im Wiener Bilde von den
Schicksalen der Gebeine Johannis des Täufers auftretende Bestreben,
die Gestalten ohne einen willkürlich angenommenen Mittelpunkt, der
Zufälligkeit des Lebens entsprechend, anzuordnen, hatte bei Lucas im
Eccehomo und noch mehr im Calvarienberg schließlich dahin geführt,
daß neben der Menge der prächtig gestellten Zuschauergruppen die
eigentlichen Hauptpersonen fast verschwanden, oder, wenn sie im Mittel-
oder Vordergrund verblieben, mit wenig Liebe behandelt wurden. So
lassen uns im Stiche, »Der Tanz der Magdalena« von 1519, dem unser
Gemälde in der Anordnung der gelagerten Vordergrundgestalten recht
verwandt ist, Magdalena selbst und ihr Partner ziemlich gleichgültig.
Noch im Vergil im Korbe von 1525 muß man den Helden der ganzen Anekdote
fast mit der Laterne suchen, und im Leydener Jüngsten Gericht,
jenem merkwürdigen Versuche, das Wunderbarste aller Ereignisse mit
naturalistischen Mitteln darzustellen, ist der Weltenrichter eine
der am wenigsten interessierenden Gestalten. Hier dagegen wird, bei
freiester Gruppenverteilung, bei einer recht eigentlich zentrifugalen
Komposition, die Aufmerksamkeit sofort auf die Führer des Volkes
gelenkt und Moses und Aaron sind die fesselndsten Erscheinungen des
Bildes. In der Heilung des Blinden endlich macht Lucas Christus und
Bartimeus auch räumlich zum Mittelpunkte des Ganzen und setzt zu Beiden
die zahlreichen Nebenpersonen mit größter Kunst in die lebhafteste
Beziehung.

[Illustration: SS. Petrus und Paulus. Stich von Lucas van Leyden.]



[Illustration: Zierleiste von H. Aldegrever.]

HERD UND HERDGERÄTE IN DEN NÜRNBERGISCHEN KÜCHEN DER VORZEIT.

VON DR. OTTO LAUFFER.

II.


Der Nürnberger Herd (_lat. focus, foculare, focarium_[197]) tritt
uns in allen bekannt gewordenen Fällen in einer Form entgegen, die
überhaupt einen Abschluß in seiner Entwicklung bezeichnet. Er ist
von Grund auf aus Backsteinen erbaut, wie wir denn auch schon in
Anton Tuchers Haushaltbuch (Bibliothek des Litterarischen Vereins in
Stuttgart CXXXIV. 1877. S. 101) zum Jahre 1513 die Bemerkung finden:
»_Item adi 2 settember .. für kalg und 8 hertstain mein kuchenhert czu
pessern 2 [Symbol: Pfund] 20 [Symbol: Pfennig]._« Der Kern des Herdes
ist hohl, so daß man diesen Innenraum, zu dem der Zugang durch gewölbte
Öffnungen in den Herdwänden vermittelt wurde, dazu benützte, um
dortselbst einen Vorrat Brennholz aufzubewahren und zu trocknen (vergl.
Fig. 1, 2, 4 u. 5, ferner ~Boesch~, Ein süddeutsches bürgerliches
Wohnhaus vom Beginne des 18. Jahrhunderts. Mitteilungen 1897. S. 62
Taf. IX.). Die erwähnte Öffnung ist an dem Herde des Puppenhauses B.
mit einer großen Holzthür verschlossen, E. hat eine zweiflüglige Thür
und bei D. verschließen gar vier große schwarz gestrichene Holzthüren
den inneren Herdraum.

Nur ein Herd ist mir bekannt geworden, der die angegebenen
Eigenschaften nicht aufweist. Derjenige nämlich im Frhr. von
Fürer’schen Schlosse zu Haimendorf, der eine Breite von 1,40 m.,
eine Länge von 2,90 m. und eine Höhe von 0,58 m. besitzt, hat eine
~Herdplatte~ die aus einem einzigen großen Sandsteine besteht, der
hinten auf einer Mauerleiste, vorn aber auf drei Sandsteinfüßen ruht
(vergl. Fig. 6), wodurch der Herd eine tischförmige Gestalt bekommt,
ähnlich wie der siebenbürgisch-sächsische Herd eines Bauernhauses in
Grossau, den J. R. Bünker in den »Mitteilungen der Anthropologisehen
Gesellschaft in Wien« XXIX. S. 219 beschrieben und Fig. 83 abgebildet
hat.

In allen übrigen Fällen fand sich eine gemauerte Herdplatte, deren
äußerer Rand, abgesehen von der Wandseite, mit einer Holzleiste von
etwa 20 cm. Breite eingefaßt ist. Diese ~Holzumrahmung~ ist bei A.
(vgl. Fig. 4) C. und D. blendend weiß angestrichen, und man kann sich
denken, daß die Hausfrau ihren Stolz darein setzte, die Kante stets
blitzsauber zu erhalten[198].

Nun aber zeigen schon Fig. 4 u. 5, daß jene Kante zum Teil eine
Unterbrechung erleidet durch ein aus Backstein aufgeführtes
~Herdmäuerchen~, welches um eine Backsteinhöhe, also ca. 8 cm.,
den Herdrand überragt. Bei B. legt es sich über die halbe Breitseite
des Herdes, ähnlich wie es auch bei Bösch a. a. O. Taf. IX. an der
linken Herdseite vorhanden zu sein scheint, bei D. läuft es über die
ganze rechte Seite, bei A. (Fig. 4) liegt es an der Rückwand und
springt noch um etwa ein Drittel der rechten Seitenwand vor. Auf diesem
Vorsprunge ist es zu der Höhe von vier Backsteinlagen also ca. 32 cm.
ausgewachsen und strebt, treppenförmig abgesetzt, mit vier Stufen zur
Küchenwand empor. Ähnlich ist bei F. rechts und links ein dreistufiger
Aufbau. Selbst bei H. (vgl. Fig. 5) wo schon ein neuer Abschnitt in der
Entwicklung des Herdes sich darstellt, zeigen sich die Ausläufer des
Herdmäuerchens, das nur bei E. fehlt.

[Illustration: Fig. 4. Herd des Puppenhauses A.]

J. R. ~Büncker~ hat dieses Herdmäuerchen auch im
siebenbürgisch-sächsischen Bauernhause vorgefunden, wo es noch heute
den alten Namen »_willestein_« führt. Jedenfalls ist es eine sehr alte
Vorrichtung, und zufälliger Weise trifft eine der wenigen bekannt
gewordenen Erwähnungen derselben für bayrisches Gebiet zu, wenn im 12.
Jahrhundert »_wihelstain_« glossiert wird durch: »_taedifer, lapis vel
ferrum super quo ponunter taedae_« (Schmeller-Frommann, Bayerisches
Wörterbuch^2 II, 882)[199]. Leider ist es mir nicht gelungen, neues
Material zur Geschichte des »_wihelstaines_« ausfindig zu machen, und
so muß ich mich begnügen, einiges von dem hier abzudrucken, was in Joh.
Wolff’s »Vorarbeiten zum siebenbürgisch-deutschen Wörterbuche« (aus
dem Nachlaß abgedruckt im »Archiv des Vereines für siebenbürgische
Landeskunde« N. F. XXVII, 3. Heft 1897) sich darüber findet. Dortselbst
heißt es auf Seite 648: »_willestein (wiləštein, -štin_) m.
Herdstein, halbspannenhoher Block aus Lehm und Ziegelstücken an der
Feuerstatt, auf welchen das vordere Ende der Brände gelegt wird; das
hintere Ende liegt auf dem _brantert_[200]. Obwohl vielerorts verdrängt
durch andere Ausdrücke, namentlich durch _wiləštīsken_ und
einfaches _štīskən_ (Stösschen, An-, Aufsatz), die man zur
Bezeichnung des Mäuerchens, an dem nichts von Stein ist, passender
gefunden hat, und obwohl mit dem alten Ofen auch der Wilstein mehr und
mehr verschwindet, so hat sich das Wort dennoch in vielen Gemeinden
des alten Stuhlslandes bis heute behauptet;... In Deutschland ist das
Wort, wie es scheint, erloschen; im 15. Jahrhundert muß es auch dort,
gewiß in Mittelfranken, noch bestanden haben. Ein Weistum von Bacharach
(zwischen Bingen und St. Goar am linken Rheinufer) bestimmt 1407:
Wär es, daß einer einen anderen erschlüge, so soll der Schultheiss
und ein Vogt sein Haus schliessen, und _waz von farender habe da
innen funden wurde vom wilstein an bis zur fursten usz, daz sij der
herren_ (Grimm, Weist. 2, 217 f.)... In anderer beachtenswerter Form
kennen wir den Ausdruck seit kurzem auch aus der Schweiz. Der Herd
ist im sogen. burgundischen Hause meist von ungefähr zwei Fuß hohen
Steinplatten eingefaßt. An dieser Einfassung ist in einigen Dörfern
des Kantons Bern die Benennung _bilstein_ haften geblieben... Darnach
stammt der Ausdruck aus einer Zeit, wo auch im deutschen Hause wie
hierlands in der Hirten- und Zigeunerhütte heute noch die blanke Erde
(der _iərən_) die Feuerstätte war und ein Steinkreis den Feuerraum
umschloß.«

Diese Auslassungen sind für ein Wörterbuch geschrieben und gehen aus
von dem Interesse für das Wort. Zu der Geschichte des Wilsteines als
Gegenstand bleibt uns jedoch noch manches zu bemerken. Zunächst betone
ich im Gegensatze zu Wolff nochmals, daß in den Puppenhäusern der
Wilstein offenbar als aus Backsteinen aufgeführt durch die Bemalung
charakterisiert wird, wie es denn überhaupt von vornherein nicht
glaublich erscheint, daß eine mit _-stein_ zusammengesetzte Bezeichnung
an einem Gegenstande sich hätte halten sollen, »an dem nichts von Stein
ist«. Wir werden im Gegenteil nachher sehen, wie sich alsbald eine neue
Bezeichnung durchringt, nachdem durch eine Änderung im Material auch
der alte Name unzutreffend geworden war. Ferner kann ich die Frage
nach dem Zwecke des Wilsteines durch Wolffs Bemerkungen noch nicht für
endgiltig erledigt halten. Es ist leider nicht ersichtlich, ob Wolff
die von ihm beschriebene Benützung selbst gesehen hat, nach der das
eine Ende der Brände auf dem Wilstein, das andere auf dem Feuerbock
liegt. Eine Bemerkung darüber wäre sehr wünschenswert gewesen, mir
wenigstens scheint diese Feuerungsart kaum glaublich zu sein, weil
sie wegen allzustarken Zuges entschieden höchst unvorteilhaft gewesen
wäre. Die einfachsten Sparsamkeitsrücksichten weisen darauf hin, daß
man das eine Ende der Holzscheite auf den Wilstein legt, das andere
aber unmittelbar auf den Feuerungsboden, das ist in unserem Falle die
Herdplatte. Diese Art, die einzelnen Brände einseitig hoch zu legen,
ist meines Wissens in der That überall gebräuchlich, wo man am offenen
Feuer kocht. Natürlich ist dadurch nicht ausgeschlossen, daß man in der
ganzen Reihe der Brände abwechselnd das rechte und dann das linke Ende
der einzelnen Scheite hochlegt, indem man dem Wilstein parallel noch
einen Feuerbock oder einen einfachen Stein aufstellt[201].

So viel scheint mir dagegen mit Sicherheit aus Wolff’s
Zusammenstellungen hervorzugehen, daß wir ~in dem Wilstein den
Vorläufer des Feuerbockes zu erkennen haben~, der dadurch
charakterisiert ist, daß er als Teil des Herdes mit dem Mauerwerk
desselben organisch verbunden war. Wenn nun zu dem Wilstein noch ein
zweiter durch irgendwelche praktische Bedürfnisse erforderter, in
der oben geschilderten Weise parallel zu ihm aufgestellter Stein als
Scheitunterlage hinzu kam, so ging auch auf diesen, der jetzt frei
beweglich war, die Bezeichnung »Wilstein« über, ja sie wurde sogar --
sprachlich betrachtet mit Unrecht -- auch angewandt auf das »_ferum,
super quo ponuntur taedae_«, wie die oben angeführte Glosse beweist.
Wie lange es dauerte, bis sich für dieses Eisen die Bezeichnung
»Feuerbock« in Nürnberg festsetzte, weiß ich nicht. Ich werde später
darauf zurückkommen. ~Unter dem Namen des »Feuerbockes« versah das
neue Eisen die Funktionen des »Wilsteines«, der seinen alten Namen
bewahrte, im übrigen aber~, zumal wo zwei Feuerböcke auf dem Herde
standen, ~nutzlos wurde~. Nutzlos, so scheint es mir, wurde der
alte Wilstein Jahrhunderte lang fortgeerbt, und er konnte sich nur
deshalb so lange erhalten, weil der Herd sich des in der Einleitung
geschilderten konservativen Verhaltens unserer Vorfahren zu erfreuen
hatte, die mit ihm gewisse rechtliche Begriffe verbanden, wie die aus
dem Bacharacher Weistume von Wolff zitierte »zweifellos formelhafte
Wendung«: _vom wilstein an bis zur fursten usz_ zur Genüge beweist.

Diese rechtlichen Rücksichten wurden -- was übrigens auch durchaus
nicht überraschend ist -- noch durch religiöse Beziehungen unterstützt.
Eine bei Schmeller a. a. O. angeführte, aus dem 14. Jahrhundert
stammende Glosse »_lar: wihelstain_«, scheint mir dafür beweiskräftig
zu sein. Zwar ließe sich einwenden, daß _lar_ in diesem Falle nur
schlechthin »Herd« bedeute, dagegen ist jedoch zu bemerken, daß dann
»_wihelstain_« geradezu die Bedeutung des »Herdes« angenommen haben
müßte, was anderweitig nicht bezeugt ist, vor allem aber spricht
der Umstand dagegen, daß an der betreffenden Stelle auch »_focus:
fiurstat_« besonders aufgeführt ist. Man müßte hier also bei _lar_ die
mythologischen Beziehungen empfinden, -- vergl. _lares_ und _penates_
ahd. _hûsgota_ oder _herdgota_. Graff 4, 151 -- und daraus, daß man es
mit _wihelstain_ glossierte, erhellt, daß auch der Wilstein der Träger
solcher mythologischen Beziehungen war (s. o. S. 166 Anm. 12.)

Man sieht, die wenigen Erwähnungen des Wilsteines gruppieren sich
doch so glücklich zu einander, daß wir über Zweck und Bedeutung
desselben eine Reihe von Vermutungen aufstellen können, die den
Vorzug großer Wahrscheinlichkeit besitzen. Alles jedoch klärt sich
nicht, denn die Frage muß unbeantwortet bleiben, welchen Zweck der
oben geschilderte treppenförmige Ausbau des Wilsteines (vgl. Fig. 4)
gehabt habe. Die Möglichkeit, daß er als Untersatz für die erste Form
des Bratspießlagers gedient hätte, der wir später begegnen werden,
und dessen höhere oder niedere Aufstellung er reguliert hätte, daß er
dann später nutzlos geworden, aber gleich dem eigentlichen Wilstein
gewohnheitsmäßig beibehalten wäre, diese Möglichkeit will ich als eine
sonst nicht zu begründende Vermutung hier nur andeuten. --

[Illustration: Fig. 5. Herd des Puppenhauses H.]

Die einfache Herdplatte genügte nun den Ansprüchen der Kochkunst
nicht auf die Dauer, schon am Ausgange des Mittelalters muß eine
Ergänzung des einfachen Herdes vorgenommen sein, die in größeren
Küchen wenigstens seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts des öfteren
angetroffen wird: zu der Herdplatte kam, entweder unmittelbar auf
dieselbe aufgesetzt, oder doch dicht an den Herd herangebaut, ein
~Backofen~. Zwar ist das Backen von allerlei Speisen im Ofen gewiß
so lange bekannt, als es überhaupt Bäckeröfen gab, aber diese großen
Backöfen waren früher auch wohl die einzige Gelegenheit, mit der man
gebackene Speisen bereiten konnte. In manchen Gegenden Deutschlands
werden ja heute noch die seltenen Festbraten beim Bäcker gebacken[202],
und bis auf diesen Tag schickt jeder Nürnberger sein Spanferkel zum
Bäcker, weil die eigene Bratröhre entweder gar nicht oder nur mit
übermäßig starkem Feuerungsverbrauch zu der nötigen intensiven Wärme
erhitzt werden kann. Diese Abhängigkeit vom Bäcker war aber auf die
Dauer für größere Küchenansprüche unerträglich, und so entstanden die
kleineren Bratöfen in der Küche. Schon in dem, aus einer Würzburger
Pergamenthandschrift des 14. Jahrhunderts entnommenen »~Buche von
guter Speise~« (hrsg. Bibliothek d. Lit. Ver. Stuttgart. IX.
1844) findet sich so oft die Bemerkung: »_schiuzzez in einen ofen
und laz in backen_«[203], daß man versucht ist, schon für jene Zeit
die Möglichkeit eigener Küchenbacköfen anzunehmen, wie denn ein
Jahrhundert später, im Jahre 1450, nach der von ~Meringer~ und
~Bancalari~ angezogenen Stelle aus ~Aeneas Silvius~ die
Unterscheidung von Back- und Stubenöfen in Österreich bezeugt ist[204].

Wenn allerdings Anton Tucher an der schon oben zitierten Stelle
zum 2. Sept. 1513 (a. a. O. S. 101/2) notiert: »_fur kalg und 8
herdstain mein kuchenhert czu pessern 2_ [Symbol: Pfund] _20_ [Symbol:
Pfennig]«, für ein taglun dem Kuncz stainmecz, auch mein ofenschlott
czu pessern, thut alles 7 [Symbol: Pfund], »_mee darein 2 grosze
eiszne ofenplech 4_ [Symbol: Pfund] _5_ [Symbol: Pfennig]«[205] so
scheint mir doch wegen der Art, wie Tucher sich ausdrückt, fraglich
zu sein, ob die _ofenplech_ zu dem _kuchenhert_ gehörten. A. Schulz,
a. a. O. S. 114 und ebenso Grimm W. B. VII, 1162 halten freilich die
Zusammengehörigkeit für so selbstverständlich, daß sie die nicht cursiv
gedruckte Stelle ruhig streichen, ohne auch nur die Lücke irgendwie
anzudeuten. Für das folgende Jahr 1514, welches als Druckjahr des
~Straßburger Hausratgedichtes~ angenommen wird, haben wir dann aber
einen sicheren Beleg, wenn es dortselbst fol. c. Ia (Hampe a. a. O.)
heißt:

    »_Ein oͤfelin ist guͦt zuͦ fladen bachen
    Vnd eyns dar vff man vil der wasser brynt_.«

[Illustration: Fig. 6. Herd des v. Fürer’schen Schlosses in Haimendorf.]

Der Herd in Haimendorf (Fig. 6) sowohl wie auch derjenige auf dem
von Boesch a. a. O. Tafel IX. reproduzierten Blatte zeigen diese
Erweiterung, der erstere außerdem noch einen eingemauerten Waschkessel,
der letztere noch einen Aufsatz, den ich für eine Aschengrube halten
möchte. Auch »~Die Nürnbergische wohl unterwiesene Köchin~.
Nürnberg. G. N. Raspe 1779« setzt den Backofen offenbar als weit
verbreitet voraus, sie behandelt das Braten am Spieß oder im
»~Oefelein~« als gleichwertig, wenn sie z. B. S. 480 bei der
Vorschrift, »Einen Pohlnischen Braten zu machen« sagt: »_stecke ihn an
einen Spiesz oder brate ihn im Oefelein_«. Noch heute heißt das mit dem
Sparherde verbundene Bratrohr bei Nürnberg das »_Ufla_«[206].

Nach alle dem würde ich immerhin zweifelhaft sein, ob ich mich der
von J. R. ~Bünker~, a. a. O. S. 207 -- bei der Beschreibung des
dortselbst unter Fig. 62 abgebildeten Herdes -- ausgesprochenen Ansicht
anschließen sollte, wo es heißt: »Der im Hintergrunde des Herdes links
stehende Branntweinbrennkessel und die rechts stehende Aschengrube sind
neue Zuthaten«. Oder wenn die Erhaltung der betr. Objekte ihr kurzes
Alter klar erwiese, so würde sich wenigstens die Frage erheben, ob sie
nicht auch in früherer Zeit schon möglich gewesen wäre, was mir nach
den obigen Ausführungen durchaus nicht unwahrscheinlich ist. --

Den interessanten Herd des Puppenhauses H bilde ich in Fig. 5 ab.
Ungefähr ein Drittel der Herdfläche ist mit einer Eisenplatte (a)
überdeckt, die von einer größeren Kupferplatte (b) umschlossen ist,
welche den ganzen übrigen Teil der Herdfläche bedeckt. Der Wilstein (c)
umfaßt in der aus der Zeichnung ersichtlichen Weise die Wandseite des
Herdes. An dieser Seite ist auch -- und das scheint mir das Wichtigste
an diesem Herde zu sein -- der Bratofen in das Innere des früher
völlig hohlen Herdraumes verlegt: d. ist die Öffnung der Bratröhre,
e. das Feuerloch und f. der Aschenkasten. In der hinteren Ecke der
Kupferplatte b. bildet g. das Loch für den Rauchabzug. Deutlich sieht
man hier die Ansätze zu der neuen Entwicklung, die das Erscheinen
des modernen Sparherdes vorbereitete. -- An der inneren Seite von c
(oberhalb der Bratröhre d) befindet sich ein Krampen, dessen Bestimmung
mir nicht klar ist. Aus Rücksicht auf ihn ist an der entsprechenden
Stelle der Eisenplatte a ein viereckiger Einschnitt ausgespart, damit
sie beim Abheben ungehindert über den Krampen hinweg gleiten kann. --

Von den übrigen Teilen der Herdausrüstung bleibt mir nur noch wenig
zu sagen. Über den Herd, der bei A. E. G. und in Haimendorf in der
Mitte der Wand, bei B. C. D. und F. in einer Ecke der Küche steht
(vgl. auch Fig. 1 u. 2), spannt sich die Kutten (vgl. Schmeller I,
1312), der weite ~Rauchmantel~[207] (_infumibulum_[208]), der in
Haimendorf an seinen beiden vorderen Ecken noch durch eine von der
Decke herabsteigende Eisenstange getragen wird. Um den Rauchmantel
ziehen sich mehrere Holzrahmen zum Aufstellen von Kochgeschirren,
ebenso finden sich bei D. und E. an der unteren inneren Kante des
Rauchmantels eine Reihe nach innen vorstehender Holzpflöcke zum
Anhängen von Gerätschaften. -- Erwähnen will ich wenigstens eine Stelle
aus Grimm, W. B. II, 296, wo es heißt: »_brände heißen auch die zwei
hölzer im rauchfang, woran man das fleisch hängt_«. Ich habe den Namen
hier freilich nicht konstatieren können.

Vom Rauchmantel aus steigt der Rauch in den Schlot[209]. Derselbe ist
in den Steinhäusern von Stein, wie denn Anton Tucher (a. a. O. S.
101) im Jahre 1513 seinen Schlot vom Steinmetzen ausbessern läßt, in
Holzhäusern aber hat sich der hölzerne Schlot sehr lange erhalten.
~Heyne~ hat schon auf die von ~Schmeiler~ II, 537 zitierte
Würzburgische Feuer-Ordnung verwiesen, die im Jahre 1721 erlassen und
noch 1790 erneuert wurde, nach der die hölzernen Schlõte zusammen mit
den Strohdächern verboten wurden.

Hölzern wie vielfach der Schlot ist nun auch das ~Ofenrohr~,
das in den drei angezogenen Nürnbergischen Dichterstellen (s. o.
pg. 130-132) sich findet, und das von der »Haushalterin« pg. 202
ausdrücklich unter den Geräten »von Holtz-werck« genannt wird. So fügt
es sich denn auch ganz gut in die Reihe der übrigen Holzgeräte ein,
wo es A. ~Schultz~ (a. a. O. S. 118) nicht in den Zusammenhang
zu passen schien[210]. Gerade das »Oefelein«, der Bratofen, hatte
diesen bis zum Ansatz des Schlotes oder auch nur ein Stück an der Wand
sich heraufziehenden Rauchabzug (vgl. ~Boesch~ a. a. O. Taf. IX)
sehr nötig, da es sonst wohl an dem wünschenswerten Durchzuge gefehlt
hätte. Einen eigenen Schornstein brauchte das Ofenrohr natürlich nicht,
sondern es ließ seinen Rauch mit durch den Herdschlot aufsteigen, eine
Einrichtung, die völlig dem üblichen Gebrauche entsprach, der sogar den
Rauch von den Feuerstellen dreier verschiedener Stuben in einen Schlot
leiten konnte, wie es z. B. für Freising schon im Jahre 1335 bezeugt
ist (vgl. Heyne, a. a. O. S. 240 Anm. 109).

Neben Herd und Öfelein steht nun -- nicht nur zu Heiz- sondern auch
zu Kochzwecken verwandt -- die unter dem Eisenwerk aufgeführte
»~Glut~- oder ~Kohlpfanne~« (lat. _arula, batilla, foculus,
ignitabulum_), die ein sehr häufig genanntes Gerät ist[211]. Außer den
eisernen muß es aber auch schon seit alters solche aus Thon gegeben
haben, der Name ~Glut~- oder ~Feuerhafen~, der des öfteren
bezeugt ist (Grimm W. B. III, 1593), beweist das, denn »unter hafen
ohne näheren adjectivischen zusatz versteht man in der regel nur
den irdenen topf, wie man auch bei topf zunächst an einen irdenen
denkt«[212]. Ebenso kann man die Bezeichnung »_glut-scherb_«, die für
Nieder-Altaich bezeugt ist (Dieffenbach 52b unter _arula_) zum Beweise
anführen, allein es bedarf dessen kaum, denn Dürers bekannter Stich
vom Jahre 1514 »Melencolia« zeigt am linken Rande deutlich einen mit
einem Handgriffe versehenen irdenen Feuertopf, über dessen Glut ein
Schmelztiegel aufgestellt ist, und bis heute haben sich die irdenen
Gluthäfen im Gebrauche der Nürnbergischen Marktfrauen erhalten.
Denjenigen in der Küche von Haimendorf bilde ich Fig. 7 ab.

Die eisernen Glutpfannen treten uns in zwei verschiedenen Formen
entgegen. Die erste finden wir z. B. bei A. (vgl. Fig. 8.) Der
eigentliche Kohlenkasten, an den Seiten mit Luftlöchern versehen, hat
innen einen Rost, auf dem die Kohlen liegen, und ist oben mit einem
Gitterwerk zum Aufsetzen der Häfen ausgestattet. Um zu verhüten, daß
die durch die Luftlöcher fallende Asche das Zimmer beschmutzt, steht
der mit einem hölzernen Handgriffe versehene Boden des Kohlenkastens an
den Seiten über -- ähnlich wie bei unseren Vogelbauern --. Der Kasten
ruht auf vier Beinen, die unten umgebogen sind, und an den oberen
Enden, blattförmig ausgezogen, der Pfanne eine Art Bekrönung verleihen.
Dieser Blattschmuck -- künstlerisch mehr oder weniger vollendet --
scheint ein durchgehendes Charakteristikum dieser Glutpfannen zu sein,
er findet sich noch bei B. und G., sowie in der Küche des Museums,
ferner in etwas veränderter Form bei der auch sonst abweichenden
Glutpfanne von C. (vgl. Fig. 9.)

Die zweite vornehmere Form der Glutpfannen, die gewiß weniger der Küche
als dem Wohnzimmer angehört, wird repräsentiert durch ein im Nürnberger
Saal des Museums (Zimmer 43) befindliches Exemplar (Fig. 10). Dasselbe
besteht in einem Kohlenbecken mit blumenförmig angeordneten Luftlöchern
-- an anderen Exemplaren sind sie weniger dekorativ eingeschnitten
-- und mit zwei am oberen Rande angebrachten Tragringen von Messing.
Dieses Becken wird eingesetzt in eine, auf einem dreibeinigen Ständer
ruhende Krone, die ihrerseits zwei Tragringe und außerdem drei nach
außen herabhängende blattförmige Stifte besitzt. Die letzteren können
über das eingesetzte Kohlenbecken herübergeklappt und als Unterlage für
einen Kochtopf benützt werden. -- Eine zweite ähnliche Pfanne befindet
sich in demselben Zimmer, schließlich eine sehr schlicht gehaltene bei
B. --

Nicht zum Kochen, sondern nur zum Wärmen bezw. zum Warmhalten
der aufgetragenen Speise dienen die ~Wärmebecken~ (franz.
réchaud)[213]. Ein sehr einfaches, in Messing ausgeführtes Beispiel
derselben befindet sich in der Küche des Albrecht-Dürer-Hauses in
Nürnberg. Ich bilde es unter Fig. 11 ab.

       *       *       *       *       *

Bei den einfachsten ~Herdgeräten~, nämlich bei denjenigen, die
zur Bereitung und Unterhaltung des Herdfeuers und zur Bedienung
des Herdes benützt werden, ist ein formales Interesse meist kaum
vorhanden, so daß es genügt, ihre Namen zusammenzustellen: Von dieser
Zusammenstellung selbst glauben wir aber deshalb hier nicht abstehen
zu sollen, weil gerade unter den Herdgeräten so viel Namen und Formen
sich zeigen, daß es ohne eingehende Forschung oft schwer sein wird, die
Zusammengehörigkeit von Gerät und Benennung festzustellen.

Neben dem fächerförmigen ~Wedel~ (_foculare_) und dem
~Blasbalg~ (lat. _follis_, _folliculus_, _sufflabulum_,
_sufflatorium_, _foculare_, _flabellum_, _flabrum_,
_venticapium_)[214], den schon eine Miniatur des 14. Jahrhunderts
in der noch heute üblichen Form darstellt[215] erscheint
zunächst die ~Kolhenschaufel~ (lat. _pala_, _thuribulum_,
_infurnibulum_, _batillus_)[216], für die Grimm W. B. V, 1589 schon
in einem rheinischen Vocabularium des 15. Jahrhunderts einen Beleg
findet. (Vgl. Fig. 2: an die verspringende Herdecke gelehnt.) Die
~Feuerzange~ (lat. _forceps_, _tenacula_, _tanalia_)[217] dient
zum Anfassen der glühenden Kohlen, ihre Gestalt entspricht in allen
mir bekannt gewordenen Fällen völlig derjenigen auf Fig. 3 und --
besonders deutlich -- auf Fig. 2, wo sie über den Herdrand gelegt
ist, sowie derjenigen, die ~Meringer~ in den »Mitteilungen der
Anthropologischen Gesellschaft in Wien« XXI, S. 125 in Figur 143
abgebildet hat. In der Form ihr durchaus gleich, nur kleiner, ist
die ~Bratwurstzange~, die man infolge dessen leicht mit ihr
verwechselt, zumal wenn es sich um die Miniaturformen der Puppenhäuser
handelt.

Der ~Feuerhaken~[218] tritt uns in B. in der Form entgegen, die
Fig. 12 wiedergibt. Er ist dort ganz aus Eisen, sein Griff läuft in
eine Tülle aus, die am Handende mit einer Öse einen Ring zum Aufhängen
trägt. Die ~Ofenkrücke~ (_tractula_, _rutabulum_, _fornaculum_,
_fornalium_) ist nach Folz (s. o. S. 131) ein Gerät, »_da mit mons feir
zw samen ruck_.« Sie ist schon lange in Gebrauch und wird bereits ahd.
erwähnt[219]. Sie besteht aus einer Stange, die am einen Ende durch
ein Brett von der Form eines Kreissegmentes hindurchgetrieben ist,
und noch heute wird sie -- zumal vom Bäcker -- zum Räumen des Ofens
benutzt[220], oder auch um die Glut zum aufbewahren zusammenzuschieben,
wie ~Bancalari~ aus Berchtesgaden berichtet[221]. Nicht so alt
wie die Ofenkrücke scheint die ~Ofengabel~ zu sein. Ich habe
im mittelalterlichen Latein keine eigene Bezeichnung dafür finden
können. Sie wird vielmehr gleich der Ofenkrücke mit _rotabulum_
übersetzt, obwohl aus der Zusammensetzung mit _-gabel_, die die Form ja
deutlich beschreibt, hervorgeht, daß es sich um ein ganz anderes Gerät
handelt[222]. An einer anderen Stelle wird sie gleich dem Feuerbock mit
_audena_ bezeichnet[223].

Von der Ofengabel wohl zu trennen ist die Hafengabel, die ~Grimm~, W.
B. nicht kennt, und von der A. ~Schultz~ a. a. O. S. 117 mit Unrecht
sagt, sie diene dazu, das Fleisch aus den Töpfen herauszunehmen. Es
handelt sich dabei um das Gerät, das J. R. ~Büncker~ auch in der
deutschen Heanzerei in Westungarn unter dem Namen »Fua’gåp’l« gefunden
und in den »Mitt. d. Anthrop. Ges. Wien«. XXV, S. 122 durch Fig.
173/4 abgebildet hat, und es dient dazu, mit seinen beiden Zinken die
Kochhäfen an ihrem Henkel zu fassen und über das Herdfeuer oder in
den Ofen zu schieben. Die Hafengabel in Haimendorf besteht aus einer
eisernen Gabel -- mit zwei 20 cm. langen Zinken und einer 12 cm. langen
Tülle -- und aus einem Holzstiel von 1,25 m. Länge, die von G. dagegen
ist ganz von Eisen, ihr Stab ist vierkantig, an einer Stelle jedoch
1¼ mal um sich gedreht, eine Vorrichtung, die wohl verhüten sollte,
daß die Stange sich beim Aufheben eines schweren Hafens von selbst
verdrehen möchte. Am Griffende ist der Stab zu einem Öhr umgebogen. Den
zu der Hafengabel sich gesellenden »~Ofenwagen~«, den ~Büncker~ a. a.
O. beschreibt, habe ich nicht gefunden. Er wird dazu benützt, um den
mit der Hafengabel gehaltenen Hafen von der Herdplatte aus durch das
Mauerloch in die Röhre des in der Stube befindlichen Ofens hineinrollen
zu lassen. --

Ein Gerät, über welches etwas mehr zu sagen ist, stellt sich in dem
~Kesselringe~ dar, welcher Name des öfteren belegt ist, ohne
daß es doch bislang völlig klar geworden wäre, um welchen Gegenstand
es sich dabei handle. Der Grund liegt darin, daß der Name Kesselring
offenbar für zwei verschiedene Geräte zugleich benützt worden ist.
Inbetreff des einen derselben ist es kein Zweifel, daß es sich dabei
um einen aus Stroh geflochtenen Ring handelt, welcher dem vom Feuer
abgesetzten fußlosen Kessel als Unterlage zu dienen und ihm einen
festen Halt zu geben hatte, wie es eine von Grimm W. B. V, 627
angeführte Stelle beschreibt: »_und da es kaum gar, satzte man den
kessel auf einen ströhernen kesselring, vater, mutter und kinder
drum herum, und aßen das ganze kalb auf einmal auf._« Nur mit der
Vorstellung dieses strohernen Ringes läßt es sich meines Erachtens
auch vereinigen, daß ~Fischarts~ Gargantua 74a von den spanischen
Halskrausen, sagen kann: »_(die frau) nehet ihm reine (leinene) krägen
mit toppelkrösigen kesselringen_«, oder daß ~Grimmelshausen~ den
Kesselring wie einen Panzerkragen verwenden lassen kann: Simplicissimus
I, 241, »_der kesselring gerieth mir in die händ, den hieng ich an den
hals._«

[Illustration: Fig. 7 bis 17.]

Dagegen würden jene beiden Stellen geradezu unsinnig sein, wenn man
annehmen wollte, daß der Kesselring eine Art von Kesselhaken sei, weil
ein von Grimm a. a. O. zitiertes Vocabular schreibt: »_cacabus hale vel
rink_«. Man vergleiche nur einmal bei ~Dieffenbach~ a. a. O. 86b,
wie cacabus als Bezeichnung für alle möglichen Geräte benützt wird.
Wenn man sieht, wie es dort wechselnd mit _kachel_, _hafen_, _deckel_,
_kessel_, _kesselhaken_, _kelter_ glossiert ist, so wird man nicht mehr
im Zweifel sein, daß die eben dort sich findende Glosse: _hale vel
rinck_ nur besagen soll, daß _cacabus_ die beiden verschiedenen Geräte,
sowohl die _hale_ wie den _rinck_ bezeichnen könne. Nicht aber wird man
mit ~Grimm~ a. a. O. herauslesen wollen, daß _hale_ und _rinck_
zwei verschiedene Namen desselben Gerätes seien. Die Schwierigkeit
ist nun aber noch dadurch vermehrt worden, daß Stieler in seinem
großen Wörterbuche: »Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs
.. gesammelt von dem Spaten. Nürnberg. Joh. Hofmann 1691« Sp. 1649
ebenfalls für den Kesselring einen lateinischen Ausdruck setzt, den er
sonst für den Kesselhaken verwendet. Dort schreibt er: »_keszelring,
climacter, de quo suspendunter lebetes,_« während er Sp. 760 sagt:
»_haͤngel siue haͤnkel quoque est climacter, instrumentum in
gradus scansile, de quo ahena et lebetes suspendimus. dicitur etiam
alibi Kajutte_«, woraus mit Sicherheit hervorgeht, daß climacter, ein
Ausdruck, für den ich weder bei Du Cange noch bei Dieffenbach Belege
finde, die Bedeutung des Kesselhakens hat.

Jedenfalls ersieht man aus diesen beiden Stellen, daß thatsächlich
dieselben lat. Namen für Kesselhaken und Kesselring gebraucht wurden,
und doch ist auch das Zweite mit »Kesselring« bezeichnete Gerät etwas
durchaus anderes als ein Kesselhaken, es ist nämlich der Henkel,
mit dem der Kessel an den Kesselhaken angehängt wird. Dieses zu
konstatieren, sind wir durch die gütige Hilfsbereitschaft des Herrn
Oberstleutnant Kindler von Knobloch-Berlin befähigt worden, der uns
die mit Fig. 13 und 14 wiedergegebenen Skizzen der Wappen des Colmarer
Geschlechtes Kesselring und des Überlinger Geschlechtes Kessenring
freundlichst mitgeteilt und folgende Notizen hinzugefügt hat. Ad.
Fig. 13: »Ludwig Kesselring von Nidernhardt (wohl richtiger K. zum
Niederhoff, wie die Familie sonst genannt wird) wurde von Kaiser
Rudolf II. d. d. Prag 1604. 2. 8. unter Besserung seines Wappens
(durch gekrönten offenen Helm) in den Adelstand erhoben. (Akten im k.
k. Adelsarchiv in Wien; Wappen im dortigen Wappenbuche II fol. 89a).
Denselben Schild zeigt schon das Siegel des Ludwig Kesselring, Obersten
Meisters in Colmar 1488«. Ad. Fig. 14: »Jacob Kessenring erhielt
vom Kaiser Karl V. d. d. Burgos in Castilien 1528. 3. 2. ein Wappen
mit dem Lehen Artikel. In Schwarz ein mit den Vorderpranken einen
roten Kesselring haltender goldener Löwe mit roter Krone und Zunge.
Stechhelm: der Löwe wachsend. Helmdecken rotgolden. (Akten des k. k.
Adelsarchivs in Wien. Das Original des Wappenbriefes befindet sich im
Stadtarchiv Überlingen).«

Durch die beiden Wappen ist die Gestalt des Kesselringes sicher
bezeugt, wir glauben auch aus ihnen entnehmen zu dürfen, daß er
unabhängig vom Kessel als selbständiges Gerät betrachtet wurde. Um
seine Verbreitung zu bestimmen, dürfte es von Nutzen sein, wenn
wir hier wiedergeben, was uns Herr Schulrat Keszelring-Bayreuth
in gütiger Bereitwilligkeit mitgeteilt hat, daß neben seiner aus
Schlesien stammenden Familie ihm noch eine andere in Sachsen ansäßige
Familie Kesselring bekannt sei, wie denn auch der Name in Thüringen
verschiedentlich zu finden ist.

Dieses zweite als »Kesselring« bezeichnete Gerät dürften wir wohl,
weil zum Kessel gehörig, in die Reihe der Kochgeräte zu rechnen haben,
wir hatten uns hier jedoch damit zu beschäftigen, da das erstere, der
Strohkranz, als Herdgerät anzusprechen ist. --

Als einfachere Herdgeräte sind hier noch ein paar solche zu nennen,
die ~zur Versorgung und Instandhaltung des Herdes~ dienen. Der
Stülp _(repofocillum)_[224], der Feuerdeckel, der des Nachts zum
Schutze gegen die Feuersgefahr über die glühenden mit Asche bedeckten
Kohlen gestürzt wird, ist wie schon sein Name anzeigt niederdeutscher
Herkunft[225]. Das Museum besitzt einen solchen von friesischer
Herkunft und einen zweiten -- unbekannter Provenienz -- von Messing
in der »Küche.« Ob und wie weit dieses gewiß sehr praktische und
nützliche Gerät in das oberdeutsche Gebiet eingedrungen ist, vermag
ich nicht anzugeben. In unserem Puppenhause F. befindet sich jedoch
ein solches Gerät, welches aus einem einviertelkreisförmig gebogenen
Stück Messingblech mit zwei Füßen besteht, während jene beiden
anderen Exemplare völlig der mit Handgriff versehenen Hälfte eines
Messingkessels gleichen.

~Der Besen~ (_virgae_, _verriculum_)[226] dient zum Abkehren der
Herdplatte. Unsere Fig. 1 zeigt ihn deshalb neben dem Herde an
die Wand gelehnt, wie ihn auch Marperger a. a. O. S. 686 bei den
Herdgeräten unter dem Namen _scopae_ aufführt[227]. Außer ihm
wird der ~Flederwisch~ (_scopulae plumeae_)[228], der Gansflügel,
zum Abkehren gebraucht, wie auch schließlich jeder beliebige
Lumpenwisch (_penicellum_)[229] dazu benutzt wurde. »Ein pessen,
strowisch vnd flederwisch« haben wir schon (S. 132) von ~Hans Sachs~
genannt gefunden. -- Auf den ebendort wie auch von ~Folz~ erwähnten
~Panzerfleck~ gehe ich hier nur deshalb ein, weil ~A. Schultz~ a. a.
O. S. 118 sagt, er sei in diesem Zusammenhange nicht zu erklären. Aus
Hans Sachsens Worten geht deutlich hervor, daß er zu dem »_spülstant_«
gehört, und so sagt denn Grimm W. B. VII, 1430 sehr richtig, er sei
»ein stück von einem drahtpanzer, zum reinigen der Kochgeschirre
gebraucht... baslerisch wird ein zum reinigen der pfannen gebrauchtes
kleines drahtgeflecht noch harnischblätz genannt«. Auch ~Rochholz~,
Deutscher Glaube und Brauch im Spiegel der heidnischen Vorzeit II, S.
112 nennt im alemannischen Hause »ein Stück Drahtpanzer, Harnischplatz
genannt, womit man Pfannen und Kessel fegt.«

       *       *       *       *       *

Der Leser verweile hier eine kurze Zeit zu flüchtiger Erinnerung, damit
nicht vor der Fülle der Geräte, die uns vor Augen geführt werden, vor
der Menge der Namen, denen wir begegnen, der Überblick verloren gehe.
Wir hatten zunächst die verschiedenen Feuerstellen kennen gelernt, den
Herd mit seinen Nebenerscheinungen und die Glutpfanne. Darauf sind uns
die einfacheren Herdausrüstungsgegenstände bekannt geworden, ich möchte
sagen »das kleine Herdgerät,« nämlich Wedel, Blasbalg, Kohlenschaufel,
Feuerzange, Feuerhaken, Ofenkrücke, Ofengabel, Hafengabel, Kesselring,
Stülp, Besen und Flederwisch. Wir wenden uns nunmehr dem »~großen
Herdgerät~« zu, wenn ich diese Trennung beibehalten darf, das sind
der Feuerbock, ferner die Gegenstände, die als Diener und Träger der
Kochgeräte dienen, und schließlich diejenigen, die als Bratgeräte
schon eine selbständige Haushaltsfunktion zu verrichten haben und an
Bedeutung fast den Kochgeräten gleichstehen, mit denen sie nur deshalb
nicht zusammengestellt werden können, weil die Kochgeräte ursprünglich
alle zugleich auch zum Auftragen der Speisen benützt werden konnten,
während die Bratgeräte -- mit seltener Ausnahme -- sich nicht vom Herde
zu trennen pflegten und zum Auftragen besondere Serviergeräte nicht
entbehren mochten.

       *       *       *       *       *

Indem wir dem ~Feuerbocke~ unsere Aufmerksamkeit zuwenden,
wollen wir es wagen, über denjenigen Gegenstand uns zu äußern, der in
mehrfacher Beziehung wohl der wichtigste von allen Herdgeräten ist,
der zum mindesten bislang am meisten das Interesse der Ethnologen
in Anspruch genommen hat, der aber gerade deshalb noch vielfache
Schwierigkeiten bereitet, weil seine Geschichte für uns durchaus
noch nicht mit der wünschenswerten Klarheit zu erkennen ist. Was wir
also hier bieten, erhebt nicht etwa den Anspruch, als abschließend
zu gelten, wie denn überhaupt diese Ausführungen nur als Beiträge
erscheinen wollen.

~R. Meringer~ hat sein Urteil über das Alter des Feuerbockes
in folgenden Worten ausgesprochen: »Eines, scheint mir, bleibt bei
manchem noch Zweifelhaften: daß der Feuerbock eine Erfindung sehr
alter Zeiten ist. Das ist mir die Hauptsache, und diese wird man gerne
gelten lassen[230].« Diese Behauptung stützt sich mit Recht auf eine
Anzahl von erhaltenen prähistorischen Feuerböcken, die ~Meringer~
zum Teil selbst abbildet[231], und die zum anderen Teile von ~M.
Hoernes~, Zur prähistorischen Formenlehre, besprochen und abgebildet
sind[232]. Schon vorher hatte ~Meringer~ sein Forschungsergebnis
formuliert mit den Worten: »Der Feuerbock ist in prähistorischer Zeit
erfunden worden und ist nur von einem Teile der Germanen angenommen
worden[233].« Für uns erhebt sich demnach die Frage: wann ist der
Feuerbock nach Deutschland gekommen?

Im germanischen Norden hat es nie Feuerböcke gegeben[234]. Ein
gemeingermanisches Gerät ist es also nicht, und auch die uns durch die
angegebenen Nachweisungen bekannt gewordenen prähistorischen Feuerböcke
stammen sämtlich aus Italien oder wenigstens aus Gegenden, die unter
dem Einflüsse römischer Kultur standen. Das nördlichste Exemplar wurde
im Flußbette der Sihl gefunden. Es scheint also völlig an Belegen dafür
zu fehlen, daß der Feuerbock schon in prä- oder frühhistorischer Zeit
in Deutschland vorhanden gewesen sei. Die erste Erwähnung finde ich in
Karls d. Gr. Capitulare de villis vom Jahre 816, wo in Cap. 42 verlangt
werden: »in supellectili villarum: vasa aerea, plumbea, ferrea, lignea,
~Andedi, andenae~, cramaculi«[235]. Ein unanfechtbarer Beleg! aber
leider vermag er uns fast nichts zu sagen, denn mit Recht wird sich
alsbald die Frage erheben, ob hier wirklich eiserne Feuerblöcke gemeint
seien. Schon die Nennung, von ~zwei~ Namen, die sonst beide als
lateinische Bezeichnungen für den Feuerbock verwandt werden, macht
uns stutzig. Es müssen doch zwei verschiedene Geräte gemeint sein!
Ferner, wenn es auch klar ist, daß es sich um Geräte handelt, die im
Gebrauche die Funktionen des »_andena_« genannten römischen Feuerbockes
erfüllten, wer sagt uns, daß wirklich eiserne Feuerböcke gemeint seien?
Jeder, der sich einmal mit Glossensammlungen beschäftigt hat, wird uns
recht geben, wenn wir behaupten, daß mit _andena_ ebenso gut wie der
Feuerbock auch der Wilstein übersetzt werden konnte.

Die Erwähnung in dem Capitulare bleibt also immerhin ein höchst
unsicherer Beleg. Ebenso ist auch die aus dem Jahre 1053 stammende
Stelle bei Papias Lombardus: »_andena, instrumentum ferreum foci_«
für Deutschland deshalb nicht zu verwerten, weil sie italienische
Verhältnisse im Auge hat[236]. Die erste uns bekannt gewordene
deutliche und sicher deutsche Erwähnung des Feuerbockes ist darum erst
die aus dem 12. Jahrhundert stammende, oben auf Seite 166 mehrfach
besprochene Glosse: »_wihelstain, taedifer, lapis vel ferrum super quo
ponuntur taedae_«.

Wir haben früher auf Seite 168/9 die Ansicht ausgesprochen, daß in dem
Wilstein der Vorläufer des Feuerbockes zu erkennen sei, und wir sehen
mit Vergnügen, daß auch ~Meringer~ zu derselben Meinung gelangt
ist, die er in die Worte faßt: »Bei dieser Art der Feuerung wird zuerst
ein Holzscheit quer gelegt und die anderen werden rittlings über ihn
gelegt. Das quer liegende Holzscheit kann durch einen Stein, eine
gemauerte Leiste des Herdes, einen beweglichen Thonuntersatz vertreten
werden. Das letzte Stadium dieser Entwicklung ist der Feuerbock,
den auch der Kamin übernommen hat«[237]. Eben in die Zeit, wo in
Deutschland dieses »letzte Stadium« erst kürzlich eingetreten war, muß
unseres Erachtens die Wilsteinglosse fallen. ~Damit ist also unsere
Ansicht ausgesprochen, daß in Deutschland erst um die Zeit des 11.-12.
Jahrh. der Feuerbock den Wilstein aus dem Gebrauch zu verdrängen
begonnen hat.~ Völlig verdrängt hat er ihn bis heute noch nicht, nur
sehen wir die merkwürdige Erscheinung, daß er dem in manchen Gegenden
nicht zu bezwingenden Alten hier und da seinen neuen Namen aufgezwungen
hat. ~Meringer~ berichtet: »Mehrfach habe ich im Gebirge gemauerte
Herdleisten gesehen, welche ebenfalls Feuerrösser genannt wurden. (Dazu
Anm.: Levissohn hat auch bei Aussee in einer kaiserl. Holzknechthütte
solche Stollen gesehen, die Feuerrösser genannt wurden.) Sonst thut
ein Ziegelstein zur Not denselben Dienst«[238]. Nicht nur der am
Herde festsitzende Wilstein, sondern auch das Bindeglied zwischen
ihm und dem Feuerbock, der freibewegliche Feuerstein, wenn ich in
diesem Zusammenhange so sagen darf, hat sich also erhalten, wie auch
~Bancalari~ -- freilich nicht für Deutschland -- bezeugt: »In der
slavisch bewohnten Valle Resia, südlich Pontebba, benützt man steinerne
roh behauene Feuerhunde«[239].

Das verkennen wir zwar durchaus nicht, daß ein glücklicher Fund
vielleicht noch ältere Feuerböcke, deren deutscher Ursprung sicher
bezeugt ist, zu Tage fördern und klar beweisen mag, daß schon Karls
Capitulare nur den Feuerbock und nicht etwa den Wilstein meine oder
nur westfränkische, höchstens rheinische Verhältnisse im Auge habe,
aber soviel scheint uns sicher zu sein: ~wenn an der Stelle Baierns,
wo die Wilsteinglosse geschrieben wurde, noch im 12. Jahrhundert
der Feuerbock den Namen seines Vorgängers tragen konnte, so kann er
unmöglich lange vorher dorthin gekommen sein.~

Später finden wir den Feuerbock dann in ganz Deutschland verbreitet, wo
er unter den verschiedensten Namen erscheint: als Feuerbock, Feuerroß,
Feuerhengst, Feuerhund, Brantert, Brandeisen, Brandreide, Brandbock,
Brandruthe etc.[240]. Auch in der mittelalterlich-lateinischen
Litteratur ist er sehr oft genannt, wohl am meisten von allen
Herdgeräten, und es ist uns gelungen -- ohne drei zweifelhafte
Ausdrücke und abgesehen von vielen Nebenformen -- allein 23
verschiedene lateinische Benennungen des Feuerbockes ausfindig zu
machen: _andela_, _anderius_, _andedus_, _andasium_, _brandanale_,
_branderium_, _caminale_, _canis_, _canteriolus_, _chenetus_,
_chiminale_, _focarius_, _ignitabulum_, _incipiendium_, _epigergium_,
_ipogirgium_, _lignigerium_, _lander_, _tressetus_, _tedale_,
_tedarium_, _tedifera_, _tubolofola_[241]. Außerdem nennt Grimm, W.
B. III, 1589 den Feuerbock mit dem allgemeinen Ausdruck _fulcrum_,
und nach Dieffenbach 493a wird auch _repofocillum_, sonst den Stülp
bezeichnend, einmal mit _brandysen vel -reyde_ glossiert. _Igniferrum_
kann ich trotz Dieffenbach 285a: _igniferrum, ignitabulum furysen_
nicht für den Feuerbock in Anspruch nehmen, weil sich ebendort die
Glosse findet: _Ignimen, igniferrum, ferrum cum quo perforatur aliquid_.

Alle diese Erwähnungen dürften reichlich genügen, um den Gebrauch
des Feuerbockes in Deutschland während der letzten Jahrhunderte des
Mittelalters zu erweisen. Dennoch ist es sehr auffallend, daß Hans
Folz weder in dem Meistergesange noch in dem Spruchgedichte (s. o. S.
130/131) den Feuerbock erwähnt[242]. Daß er ihn für selbstverständlich
gehalten hätte, kann man nicht als Grund anführen, denn er nennt
auch viele andere selbstverständliche Sachen, die noch dazu unter
den Herdgeräten bedeutend unwichtiger sind. Andererseits, daß er ihn
nicht gekannt hätte, scheint auch kaum glaublich zu sein, zumal wir
für das Jahr 1516 einen deutlichen Nürnbergischen Beleg haben. Damals
schrieb nämlich Tucher in sein Haushaltungsbuch[243]: »_fur grosz eisen
in ofen, so man einhaiczt, die scheit vorn darauf zu legen, wigt 11_
[Symbol: Pfund] _dafür par bezalt 65_ [Symbol: Pfennig]«. Immerhin giebt
auch diese Stelle zu denken. Weshalb drückt sich Tucher -- noch dazu
in einem Haushaltungsbuche, das doch nur seinem allerpersönlichsten
Gebrauche dienen sollte -- so umständlich aus? Kannte er den für
Nürnberg später bezeugten Ausdruck »Feuerbock« noch nicht?

Nach England scheint der Feuerbock erst in der Zeit des 14.-15.
Jahrhunderts gekommen zu sein, wie wir im Anschluß an ~Wright~
glauben möchten. Derselbe vergleicht a. a. O. S. 162 die Vocabularien
der Mitte des 13. Jahrhunderts mit denjenigen des 15. Jahrhunderts,
und es zeigt sich dabei, daß erst in den letzteren sich findet: _a
»gobard«, explained in the MS. by ipegurgium_.

Die Feuerböcke treten, besonders wenn sie in vornehmeren Häusern
bezeugt sind, meist paarweise auf. Das gilt schon von dem auch noch
in anderer Beziehung interessanten Bericht über die Küchen Pavias,
den ungefähr im Jahre 1320 der Anonymus Ticinensis in seiner Schrift
»De laudibus Papiae« lieferte: »_Habent etiam ab utroque latere
ignis instrumenta ferrea, pluribus necessitatibus apta, quae quia
sub igne ponuntur, graece ypopiria, vulgariter autem ibi Brandanalia
vocantur_«[244]. Ebenso zitiert Du Cange I, 250 (Artikel anderius) eine
Stelle vom Jahre 1376 aus einem Inventar S. Capellae Parisiensis: »_Duo
cheneti siue Anderii ferri_«. Fünfzehn Jahre später, i. J. 1391, finden
wir in dem Hausrat des Bischofs von Speier »in dem hofe zu Franckford«:
_In studorio domini: item 2 par brantreiden_[245]. Noch das Inventar
des Landauerklosters führt zwei Feuerböcke auf.

Kleinere Haushaltungen haben sich dagegen gewiß immer mit einem
Feuerbock begnügt, und infolgedessen ist es ganz zutreffend, wenn Hans
Sachs, der doch nur den nötigen Hausrat zusammenstellt, auch nur über
»das fewer pöcklein« spricht.

~Die Form der einfachen Feuerböcke~ ist leicht beschrieben. Wir
unterscheiden grundsätzlich zwei verschiedene Arten: den vierbeinigen
und den dreibeinigen Feuerbock. Der erstere ist unzweifelhaft der
ältere, alle die oben erwähnten prähistorischen (altitalischen und
römischen) Exemplare sind vierbeinig. In historischer Zeit hat der
vierbeinige Feuerbock an beiden Seiten je einen Bügel (vergl. Fig.
15), der dreibeinige dagegen hat den Bügel nur an der Seite, die mit
zwei Beinen versehen ist. Der ersten Art, die sich auch auf Fig. 2 u.
3 darstellte, gehören fast alle uns bekannt gewordenen Nürnbergischen
Feuerböcke an, nämlich die Exemplare von A. B. D. E. (zwei Exempl.),
eins in der Küche des Museums (H. G. 5737) und schließlich dasjenige
in Haimendorf. Mittelalterliche Abbildungen dieser Art habe ich
ebensowenig wie Meringer (Mitt. d. Anthropol. Ges. Wien. XXI, 138a)
ausfindig machen können, und auch die mittelalterlichen Schriftquellen
sagen über die Form nichts aus.

Nur als eine -- gewiß nicht häufige -- Nebenart des vierbeinigen
Feuerbockes zu betrachten, ist der große fünfbeinige, den Wright auf
der Feuerstätte der großen Halle zu Penshurt (Kent) gefunden und a. a.
O. S. 450, Nr. 290 publiziert hat. Nach jener Abbildung ist unsere Fig.
16 gezeichnet.

Die dreibeinige Form des Feuerbockes haben wir in Nürnberg überhaupt
nicht unter den Herdgeräten gefunden. Zwei völlig gleiche als
Kamingeräte verwendete Exemplare des 16.-17. Jahrhunderts, welche
unser Museum besitzt, hat schon Meringer, a. a. O. XXI, S. 139, Fig.
167, abgebildet. Wir geben in Fig. 17 eine Darstellung davon. Diese
Art, die bequemer als die vierbeinige an die Wand anzulehnen war,
scheint mit Vorliebe für Kaminheizzwecke benützt worden zu sein.
Havard, Dictionnaire hat in den Artikeln »andier« (I, 76 mit zwei Abb.)
»chenet, chien de feu« (I, 818 ff. mit zehn Abb.) und »landier« (III,
239 mit vier Abb.) eine Reihe in Frankreich befindlicher, künstlerisch
ausgeführter Exemplare des 14.-18. Jahrhunderts abgebildet, die sich
aus deutschen Sammlungen wohl noch werden vermehren lassen[246].
Havards Anschauungen werden aus den Worten klar, die er unter Art.
»landier« schreibt: »_Au mot andier, on a pu voir que l’ustensile dont
nous parlons remonte au moins au XIII^e siècle. Il est probable qu’il
est encore plus ancien et qu’il vit le jour au moment où la cheminée
quitta le centre de la cuisine pour venir s’ adosser à la muraille._«
Damit ist zugleich ausgesprochen, daß Havard für Frankreich ein sehr
hohes Alter der Feuerböcke annimmt. --

Wie dem Feuerbocke dann neben der Erfüllung seines eigentlichen
Zweckes, die Scheite zu stützen, noch weitere Haushaltsfunktionen
übertragen wurden, und wie er infolgedessen mannigfache formale
Veränderungen und Erweiterungen erfuhr, darauf werden wir später
zurückkommen. --



[Illustration: Tafel VII.

Holzstatue des heiligen Georg.

Aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.]

[Illustration: Zierleiste von Virgil Solis.]

EINE HOLZSTATUE DES HL. GEORG IM GERMANISCHEN MUSEUM.

VON

DR. RICHARD GRUNDMANN.

(Hierzu Tafel VII.)


Zu den Gebieten kunstgeschichtlicher Forschung, die bisher noch wenig
bearbeitet sind, gehört auch die frühmittelalterliche Holzplastik. Ist
schon über die Geschichte der Steinskulptur für einzelne Zeiträume,
besonders für das 14. Jahrhundert, noch nicht volle Klarheit gewonnen,
während hier wenigstens für das 13. Jahrhundert in neuerer Zeit eifrige
und gründliche Untersuchungen angestellt wurden[247], so liegen die
Anfänge und die Entwicklung der Holzbildnerei fast ganz im Dunkel
und erst vom 15. Jahrhundert ab beginnt die Geschichtschreibung sich
ernstlich mit ihr zu befassen, was bei der hervorragenden Stellung
dieser Kunst gegen den Ausgang des 15. und in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts notwendig geworden war. Mag nun die geringe
Beachtung, mit der die Kunstgeschichte bis jetzt an den Erscheinungen
der frühmittelalterlichen Holzskulptur vorübergegangen ist, in der
Handwerksmäßigkeit und Derbheit und in der geringen Anzahl der
erhaltenen Denkmäler immerhin ihren Grund haben, zu bedauern ist
doch, daß der Holzschnitzer der frühen Zeit dem Steinmetzen gegenüber
vergessen wurde, denn der genaue Einblick in die Entwicklung dieses
so reichen Kunstzweiges der Holzbildnerei fehlt dadurch. Selbst
eine Geschichte der Holzskulptur in ihrer Blütezeit ist noch heute
ein kunstgeschichtliches Desideratum und die wenigen einschlägigen
Publikationen unserer Tage[248] sind immer noch Vorarbeiten dazu,
während eine umfassende Darstellung derselben eine Aufgabe der Zukunft
bleibt. Welch wichtige Resultate aber eine gründliche Einzelforschung
auch für die Holzplastik noch zu Tage fördern kann, hat sich erst
vor zwei Jahren gezeigt, als nachgewiesen werden konnte, daß Hans
Multscher’s Altarwerk in Sterzing (1456-58) nicht, wie man früher
glaubte, als Werk eines tiroler Meisters aus Innsbruck, sondern als
das eines schwäbischen Künstlers aus Ulm stammt, wodurch gleichzeitig
die überraschend hohe Entwicklung der Ulmer Kunst vor Schühlein, eine
Zeit, für welche bis dahin sichere Anhaltspunkte gefehlt hatten,
dargelegt wurde[249]. Dieses Schnitzwerk des Hans Multscher, das noch
den Steinstil zeigt »und die knitterige Eigenart des Holzstils noch
nicht erreicht hat«[250] ist dennoch eine sehr bedeutende Leistung und
beweist vor allem die künstlerische Höhe, auf welcher die Holzplastik
bereits vor Ausbildung eines eigenen Holzstils angelangt ist, wonach
die Forderung noch mehr berechtigt erscheint, diesem Zweige der
plastischen Kunstübung und namentlich den Anfängen desselben mehr
Beachtung als bisher zu schenken.

Wenn es demnach schon wegen des Mangels an eingehenden stilkritischen
Untersuchungen schwierig ist, einem Denkmal der Holzskulptur, das vor
der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden ist, seine genaue Stellung
innerhalb der Geschichte dieser Kunst im allgemeinen und innerhalb der
einzelnen Schulen im besonderen anzuweisen, so wird diese Schwierigkeit
noch größer angesichts eines Werkes, über welches uns urkundliche
Berichte fehlen und das uns noch dazu als eine in verhältnismäßig
früher Zeit so ausgereifte Schöpfung entgegentritt und dadurch geradezu
frappierend wirkt, wie die jüngst vom Germ. Museum erworbene Freifigur
des hl. Georg.

Der hl. Georg steht hier als eine kräftige, jugendlich schöne
Mannesgestalt auf dem Rücken des unter ihm zusammengekauerten Drachen,
dem er, mit dem Ausdrucke der ruhigen Überlegenheit des Siegers auf
ihn herabblickend, die Lanze in den emporgewendeten Rachen so wuchtig
gestoßen hat, daß sie unterhalb des Kopfes am Halse hindurchdringt.
Da der Heilige die Lanze mit der Rechten am untersten Teil des
Schaftes gefaßt hält, während seine Linke, dem Stoß die Richtung
gebend, den Schaft ungefähr an dessen Mitte kräftig umspannt, so ist
sein erhobener rechter Arm im Gelenk fast spitzwinklig, der linke
Arm dagegen nur wenig, etwa in einem Winkel von 135°, gebeugt. Sein
Haupt, das vorwärtsgeneigt und leicht nach rechts gewendet ist, bedeckt
eine Rundkappe mit Knopf, unter der das reiche lockige Haar zu beiden
Seiten an den Schläfen herabfällt, die Ohren bedeckend, während ein
gekräuselter Schnurr- und ein in zwei Spitzen auslaufender Kinnbart die
untere Hälfte des länglichen Gesichts einrahmen. Die Augenbrauen sind
schön geschwungen, die Nase fein gebildet, die Wangen sinken unterhalb
der Backenknochen leicht ein. Das rechte untere Bein des Heiligen
(Standbein) umklammert der krokodilartige Schweif des Tieres in
einmaliger Umwindung, das linke Bein (Spielbein) ist etwas vorgestellt
und setzt zwischen Hals und Rumpf des Drachen auf. Die Ausbiegung der
rechten Hüfte ist dazu so gar nicht outriert, daß die Haltung, trotz
der etwas ins Knie gebogenen Beine, von durchaus vornehmer Wirkung
ist. -- Der Heilige ist zunächst bekleidet mit dem Panzerhemd, über
welchem dann als Schutz für die Achseln halbkugelförmig getriebene
Eisenplatten und ebenso ähnliche für die Ellbogen und die Knie
(Ellbogen- und Kniekacheln), alle mit Geschübe, aufliegen. An den
Achselschutz schließen sich Ober- und Unterarmschienen. Dabei
umgeben die Oberarmschienen den Arm als Halbröhren, während die
Unterarmschienen schon vollständige Röhren bilden. Ellbogenbergen
und Kniekacheln sind durch Riemen befestigt. Unterhalb der
schöngeformten Kniekacheln setzt sich die Bewaffnung durch Beinröhren
fort die, hinten die Fersen freilassend, nach vorn über den Fuß in
schnabelförmig spitzauslaufenden, geschobenen Eisenschuhen ihre
Fortsetzung finden. Über der Brust liegt eine Brustplatte, die sich,
dem bekannten Brauch gemäß in der Mitte zuspitzt, so daß sie hier nur
eben durch diesen hervortretenden Rand sichtbar wird, denn über sie
ist als Bekleidung des ganzen Oberkörpers ein Waffenrock angelegt,
der den Körper gänzlich faltenlos und in den Hüften wie angegossen
umschließt, während er unterhalb des Ringgürtels in leichten Falten
bis dicht über die Kniekacheln herabreicht, die Oberschenkel gänzlich
deckend. Durch die beiden seitlichen Schlitze des Lendners wird die
ausgezackte Form des darunterliegenden Eisenhemds sichtbar. Ein mit
gotischen Metallbeschlägen reichverzierter, wulstiger Gürtel legt
sich über dem Lendner unterhalb der Hüften um den Leib. Über den
Rand des nicht hohen Halskragens fällt der gebogte Saum des Hemdes.
Regelmäßig halbkreisförmige Ausschnitte in kleinem Maßstabe zeigt
der Rand der aufgenagelten, bronzenen Einfassung des an der rechten
Brustseite angebrachten Reliquienovals, das ehemals wohl mit einem
Bergkristall geschlossen war und an welchem jetzt nur noch einer von
den ursprünglichen vier Dornen erhalten ist.

Der zweibeinige, geflügelte Drache von krokodilähnlicher Bildung wendet
sich, wie zum Sprunge bereit, mit fast gerade emporgestrecktem Halse
und aufgesperrtem Rachen gegen seinen auf ihm stehenden Besieger,
dessen linkes Bein sein länglicher Kopf beinahe berührt. Die beiden
kurzen, breiten und deshalb wie gestutzt erscheinenden Flügel zu
beiden Seiten des Körpers, an denen die einzelnen Fluren deutlich
unterschieden sind, wollen sich wie zum Auffliegen ausspannen. Von der
Mitte des Kopfes, zwischen den Augen beginnend, bis auf die Spitze des
Schwanzes, dessen in Wut und Schmerz zuckende Windung um das Standbein
der Hauptfigur sehr charakteristisch wiedergegeben ist, ziehen sich
über den ganzen Leib des Tieres eng aneinander gereihte, doch nach der
Mitte des Körpers an Größe zunehmende und gegen das Ende desselben sich
allmählich wieder verkleinernde, gleichmäßiggeformte Knochenschilder
hin. Die Füße sind mit fünf scharfen Krallen bewaffnet. Aus den tiefen
Nüstern glaubt man ein ingrimmiges Fauchen zu verspüren. Die langen
spitzen Ohren, von denen das rechte nicht mehr erhalten ist, stehen,
die innere Erregung bezeichnend, vom Kopfe ab. Die aus ihren Höhlen
heraustretenden Augen sind starr auf den Angreifer gerichtet. Das
raubtierartige Gebiß zeigt im Ober- und Unterkiefer je zwei furchtbare
Fangzähne.

Das 1,46 m. hohe Standbild ist aus Lindenholz, dem bevorzugten
Material der mittelalterlichen Holzplastik, vollrund geschnitzt.
In Übereinstimmung mit der Gewohnheit alter Zeit, wertvollere
Holzskulpturen vor der Bemalung erst mit grober Leinwand zu beziehen,
weist auch unsere Statue an fast allen ihren Teilen diese Art der
Technik auf. So sind mit Leinwand überzogen: die Kappe und der
Oberkörper des Heiligen einschließlich der Hände und des Schmuckgürtels
und die Gestalt des Drachen gleichfalls zum größten Teil. Dagegen fehlt
dieser Überzug am Kopf des Georg und an einzelnen Partien der untern
Hälfte des Standbilds: an dem sich unterhalb des Gürtels fortsetzenden
Lendner, an den Beinen der Hauptfigur und am Halse und untern Teil
des Drachenkopfes. Auf alle Partien der Statue, die mit Leinwand
bekleideten sowohl wie die unbekleideten, ist alsdann ein Kreidegrund
aufgetragen, der danach die reiche Bemalung erhielt.

Bevor ich zu dieser übergehe, erübrigt es noch, von einer
Eigentümlichkeit unsers Bildwerks zu sprechen, die dem Betrachter
unmittelbar auffällt. Es sind dies die zahlreichen kleinen Nägel,
die an den Armlöcherrändern des Oberrocks und an den seitlichen
Schlitzen desselben sichtbar werden. Sie dienten zur Befestigung von
Metallbeschlägen, mit denen diese Ränder oder Säume des Kleides,
gleichwie der Gürtel, verziert waren und von denen sich ein Teilchen
noch an dem rechtsseitigen Ausschnitte des Gewandes erhalten hat.
Mit ebensolchen Nägeln sind auch die bleiernen Beschläge des Gürtels
aufgenagelt und aneinandergereiht dienen sie dazu, die Riemen, mit
denen die Ellbogenbergen angeschnallt sind, zu verzieren, wenn sie
nicht auch hier gleichzeitig ein Metallornament, das sich nicht mehr
erhalten hat, zu befestigen die Aufgabe hatten. Diese Metallbeschläge
sind als Zierrat mittelalterlicher Holzskulpturen eine Seltenheit.

Die Bemalung ist eine vollständige. Ihre Beurteilung ist bei
dem jetzigen Zustande der Statue, der den Kreidegrund teilweise
abgebröckelt, die Leinwand an manchen Partien, besonders der
Rückenseite, abgerissen zeigt, eine im einzelnen schwierige. So
gleich bei der die Mitte des Hauptes deckenden niedrigen Kappe; sie
scheint ursprünglich braun gewesen zu sein. Die Karnation ist rosig,
aber eine bräunliche Kruste, die sich über das Antlitz zieht, sowie
das defekte Aussehen anderer Teile läßt darauf schließen, daß unser
Bildwerk lange ungeschützt aufgestellt und vernachlässigt war. Die
schwarzen Pupillen heben sich von den weißen Augäpfeln sehr prägnant
ab. Das Haupthaar ist dunkel gehalten; Schnurr- und geteilter Kinnbart
spielen vom Hellbraun ins Rötliche; einen noch helleren Ton zeigen
die Augenbrauen. Die Lippen sind kirschrot gefärbt. Die Bemalung des
reichverzierten Lendners ist in zwei Grundfarben gehalten: ein 9 cm.
breiter, dunkelroter kreuzförmiger Einsatz teilt der ganzen Länge
und Breite des Gewandes nach den grauen, in den Hüften und über der
Brust enganliegenden Rock in zwei obere und zwei untere sich völlig
entsprechende Partien[251]. Die Wahl gerade dieses roten kreuzförmigen
Einsatzes auf hellem Grunde mag von dem Künstler vielleicht mit Absicht
in Anlehnung an das Georgsabzeichen (das rote Kreuz auf weißem Felde)
getroffen sein. Ein gotisches Pflanzenornament, das in den Kreidegrund
geritzt, vergoldet und dann gepunzt ist, trägt in seiner prächtigen
Weise noch dazu bei, den Eindruck der Statue zu erhöhen. Besonders
fein ist die Abtönung der beiden Grundfarben, des Grau und Rot, denen
sich noch ein sattes Grün zugesellt, das für die Kolorierung des
Schmuckgürtels verwendet wurde. Die Farbe des Eisenhemdes ist schwarz,
ebenso die der anderen Harnischteile, soweit dieselben nicht vergoldet
sind.

Die Vergoldung erstreckt sich in erster Reihe auf die Ellbogen-
und Kniekacheln, sodann auf die gotischen Ornamente des Gewandes
und auf die Metallverzierungen des Gürtels, des Lendners und
des Reliquienovals. Im Vergleich zu diesen Teilen erscheint es
unzweifelhaft, daß die Armschienen nicht vergoldet waren. Die
Untermalung ist rot gewesen und tritt als solche an der Ellbogenkachel
des linken Arms und besonders auch an den oberen Teilen des Lendners
deutlich zu Tage.

Die Bemalung des Drachen ist nicht minder sorgfältig. Die Grundfarbe
ist ein grünliches Schwarz, das von dem für das Eisenkleid des h.
Ritters verwendeten nicht sehr absticht. Doch ist Eintönigkeit
vermieden, denn zahlreiche rote, blaue und gelbe Punkte übersäen den
ganzen Leib und fischartig silbern und stahlblau schillert der Schwanz
des Ungetüms. Auch die Schildknochen sind farbig unterschieden. Dort
wo die Lanzenspitze aus dem Drachenhalse herausdringt, ergießt sich
ein Blutstrom über den dunklen Hals des Tieres. Mit naturalistischer
Treue ist der Rachen behandelt, dessen Gaumen in natürlichem Rot
wiedergegeben ist. Aus den roten Augäpfeln treten die schwarzen
Pupillen heraus. An den Füßen und Krallen lassen sich die Spuren der
einstigen glänzenden Bemalung mehr ahnen als deutlich wahrnehmen, denn
die Farben haben dem Einfluß der Zeit nicht Stand gehalten. Aber schon
diese spärlichen Reste der alten Bemalung genügen vollkommen, uns einen
Begriff zu geben von der wundervollen polychromen Wirkung der Statue in
dem ursprünglichen Zustande ihrer Fassung.

       *       *       *       *       *

Für Werke der bildenden Kunst, in denen der bekleidete Mensch
dargestellt wird, haben wir zur Bestimmung ihrer Entstehungszeit,
sobald uns archivalische Zeugnisse fehlen und solange das
Denkmälermaterial noch nicht hinreichend gesammelt und gesichtet uns
wenigstens in guten Nachbildungen vorliegt und so eine vergleichende
Stilkritik ermöglicht, zunächst kein besseres Kennzeichen als die
Tracht. Wir halten dabei an dem Axiom fest, daß ein Archaismus der
Darstellung, besonders in der Bekleidung, dem Mittelalter fremd war,
und daß die vereinzelten Spuren desselben nur zufällige sind.

Die Ausbildung der Kostümformen, welche wir an unserer Statue
vorfinden, fällt in das 14. Jahrhundert und vornehmlich in die zweite
Hälfte desselben. Um die Mitte und besonders in der zweiten Hälfte des
genannten Jahrhunderts treten die Arm- und Kniekacheln, die Armröhren,
die spitzen Eisenschuhe und der Lendner auf, der namentlich in seiner
enganliegenden, scharf in die Weichen geschnittenen Form und über
der Rüstung getragen, wie in Frankreich und England, auf die zweite
Hälfte des 14. Jahrhunderts hinweist und wobei es für Deutschland
charakteristisch ist, daß man ihn hier mit zwei seitlichen Schlitzen
ausstattete. Auch die selbständige Brustplatte und die reiche
Verzierung des ritterlichen Gürtels, die schließlich soweit ging, daß
man in Aufwandgesetzen dagegen einzuschreiten gezwungen war, weisen
auf die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts und auf Deutschland wieder
die nicht zu tiefe Lage des Gürtels hin. Ob dieser letztere dabei
durch verdeckte Haken, wie Hottenroth[252] meint, befestigt war oder
ob hier des böhmischen Chronisten Hagecius[253] Bemerkung zum Jahre
1367: -- »Die Rittermessigen liesen ihnen auff gemelte Röcklein über
die Lenden vō Tuch anderer Farben Sträme gleich als Ritter Gürte
auff nehen« -- zutrifft, läßt sich an unserer Statue nicht erkennen.
Jedenfalls bezeugt desselben Chronisten weitere Auslassung zum Jahre
1367: »Darnach pflegten sie auch dieselbigen Käpplein zu tragen, oben
aufm Kopff über sich mit Trollern« (wohl Troddeln), daß auch aus dieser
kleinen Kappe, ebenso wie aus dem Schmuckgürtel, bereits auf die
spätere Zeit des 14. Jahrhunderts zu schließen ist.

Auch die Grabdenkmäler jener Zeit, von denen das Germanische Museum
eine Anzahl Gipsabgüsse besitzt, zeigen eine relative Übereinstimmung
der Tracht. So der Grabstein des Otto von Pienzenau († 1371)
gleichen Knieschutz mit Geschübe, Beinschienen, Schnabelschuhe und den
verzierten Rittergürtel unterhalb der Hüften. Verwandt in Einzelheiten
sind die Grabmäler des Johann von Falkenstein († 1365) und des
Berengar von Berlichingen († 1377), welch letzterer den Knieschutz
auch reich vergoldet, durch Riemen geschlossen, den Gürtel unter den
Hüften liegend und eine verhältnismäßig freie Haltung zeigt, wie man
sie auf Grabdenkmälern nicht oft antreffen kann. Auch das Grabmal des
Ritters Burkhard von Steinberg († 1379) zeigt gleiche geschobene
Kniekacheln, mit Riemen angeschnallt, ähnliche Ellbogenbergen und
Schnabeleisenschuhe. Für die Barttracht wäre dann hier das Grabmal
des Johann von Holtzhausen[254] († 1393) im Dom zu Frankfurt a. M.
und das obige des Johann von Falkenstein zu nennen, da sie beide in
geteiltem Kinnbart dargestellt sind und vornehmlich diese Form des
Bartes zeigt auch der uns in der Wiener Handschrift Nr. 8330 erhaltene,
1356 vollendete Bildercyklus des Luxemburger Stammbaums aus Karlstein
in Böhmen[255], -- in dem sich übrigens auch die Rundkappe mit Knöpfen
auf dem Scheitel als Kopfbedeckung der Männer findet, -- und die mit
Miniaturen geschmückte Handschrift des Wilhelm von Oranse von 1387 in
der Ambraser Sammlung. Da zudem das Pflanzenornament auf dem Lendner
unsers Georg in den Goldornamenten der Miniaturen dieser letzteren
Wiener Handschrift und noch dazu auf einem gleichfalls der zweiten
Hälfte des 14. Jahrhunderts angehörigen und aus Ulm stammenden,
jetzt im bayr. Nationalmuseum befindlichen Temperagemälde[256], das
einen Ritter in ähnlichem Lendner mit seitlichen Schlitzen und dickem
cingulum militare darstellt, eine Analogie findet, so könnte man leicht
geneigt sein, unsere Statue an das Ende des 14. Jahrhunderts zu setzen.
Nun ist jedoch damit nur ein terminus a quo, nicht aber der zwingende
Beweis erbracht, daß die Statue gerade im 14. Jahrhundert entstanden
sein muß, denn, da das 15. Jahrhundert keine neuen Kostümformen
erfand[257], haben sich viele Bestandteile der hier vorliegenden
Tracht noch lange erhalten, so der ritterliche Gürtel (Dusing) mit
Metallbeschlägen, der Schnabelschuh (bis ca. 1490), die mit Riemen
aufgebundenen Armkacheln (noch um 1480), die Rundkappe u. a. Ebenso die
Barttracht, denn das Grabmal des 1407 verstorbenen Johann Grafen von
Wertheim mit seinen Frauen[258] zeigt denselben noch im geteilten Bart.
Zudem ist nach den von Alwin Schultz[259] erwähnten Bilderhandschriften
von Enenkels Weltchronik, des Wilhelm von Orlens in der kgl.
Privatbibliothek zu Stuttgart (v. 1419) und des Kalendariums der
Landesbibliothek zu Kassel (1445) nicht zu zweifeln, daß die längere
Form des Rockes erst im 15. Jahrhundert allgemein wird. Und daß sich
einzelne ältere Gewandarten noch bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts
erhielten, das beweisen die Federzeichnungen der 1451 in Schlesien
geschriebenen Hedwigslegende, von denen die bei Schultz in Fig. 320 und
322[260] mitgeteilten Proben eine Länge und Form des Oberrockes und
namentlich eine Lage und Gestalt des Gürtels zeigen, die sich von der
bei unserm Heiligen wahrnehmbaren nicht wesentlich unterscheidet. Den
längeren, bis auf die Knie herabreichenden Waffenrock zeigen außerdem
die bei Hefner-Alteneck[261] abgebildeten Grabdenkmäler des Ludwig von
Hutten († 1414), des Martin Seinsheim († 1434), des Oswald von
Wolkenstein († 1408) und die um 1410 entstandene Kaiserstatue aus
dem plastischen Schmuck des Braunschweiger Altstadt-Rathauses[262],
ebenso der hl. Georg am Westportal der Frauenkirche zu Eßlingen[263],
so daß es nach dem Zeugnis dieser Denkmäler und der Kostümkunde also
nicht ungerechtfertigt erscheint, wenn ich unser hier in Rede stehendes
Bildwerk für eine treffliche Arbeit aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts
erkläre.

Die Ähnlichkeit, welche die früher der »hl. Georg von Nürnberg«
genannte, jetzt aber unter der Bezeichnung »Karl IV.« im Berliner
Museum befindliche Statue aus Sandstein mit unserm Bildwerk im
Gesichtstypus, in Haar- und Barttracht und in der Form des Baretts
hat, kann nicht als ein hinreichender Grund gelten, auch unsere Statue
an das Ende des 14. Jahrhunderts zu setzen. Denn abgesehen davon,
daß der Modebart und die Kopfbedeckung (Kappe) den Gesichtern ohnehin
stets etwas Gleichförmiges giebt, wovon sich jeder überzeugen kann,
der z. B. die im German. Museum befindliche Holzfigur des »Herzogs in
hohem Hut und Mantel«[264] zum Vergleich heranzieht, so deutet doch
schon die freiere Haltung, die keineswegs steife Stellung der Beine
bei unserer Statue und namentlich die längere Form des Lendners auf
eine jüngere Entstehungszeit. Daß übrigens gerade Karl IV. in der
Berliner Statue dargestellt sein soll, erscheint, selbst wenn man
die Kunst des Porträtierens in der Skulptur des 14. Jahrhunderts für
noch unentwickelt hielte, schon deshalb sehr zweifelhaft, weil die
zahlreichen zeitgenössischen Bildnisse dieses Kaisers von Nikolaus
Wurmser von Straßburg und Theodorich in der Burg Karlstein in Böhmen
und selbst die Porträtbüste Karls IV. im Triforium des Prager Domes
demselben wenigstens immer die an der Nasenwurzel etwas eingezogene,
ein wenig aufgestülpte und an der Spitze fast klobigdicke Nase als
Charakteristikum geben, von der aber hier nichts bemerkbar ist. Dazu
kommt, daß die steinerne Statue an einem Strebepfeiler des Chors der
Pfarrkirche zu Sulzbach in der Oberpfalz[265], schon nach der Rüstung
des Dargestellten zu urteilen ein vorzügliches plastisches Werk der
zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in der Bildung und im Ausdruck
des Gesichts, in der Behandlung des Haares und Bartes, in der an der
Wurzel eingedrückten Nase, dem hängenden Schnurrbart und dem zweifach
geschnörkelten Kinnbart mit der Prager Triforiumbüste viel Ähnlichkeit
hat und den authentischen Karlsbildnissen, wie ich sie bei Neuwirth a.
a. O. reproduziert finde, namentlich im Profil gesehen, so verwandt
ist, daß man hier, der Überlieferung zustimmend, nicht daran zweifeln
kann, ein wirkliches Bildnis Karls IV. von einem zeitgenössischen
Meister vor sich zu haben. Die Berliner Statue[266] stimmt vielmehr mit
dem Gottfried von Bouillon des Schönen Brunnens in der Kopfbildung[267]
so vollkommen überein, daß, zudem auch sie aus Nürnberg stammt, für
beide Figuren wohl auf einen gemeinsamen, in Nürnberg thätigen Meister
geschlossen werden darf.

Wie die Berliner Statue so lehnt sich auch die Darstellung unsers
hl. Georg augenscheinlich, wie die porträthaften Züge beweisen, an
eine ganz bestimmte Persönlichkeit als Vorbild an, ein Fall, der in
der Kunstgeschichte nicht selten ist. So zeigt, nach der Meinung
Riehls[268], eine Silberstatuette im bayr. Nationalmuseum den Herzog
Ernst als hl. Georg[269] und der hl. Georg auf einem niederländischen
Gemälde von 1520 im German. Museum ist nach der Ansicht der Herausgeber
des Katalogs anscheinend gleichfalls ein Bildnis. Auch die Statuen
der hh. Wolfgang und Benedikt am Pacherschen Wolfgangaltar hält
Stiassny[270] für Porträts von Kirchenfürsten und in gleicher Weise
mochte den Bestellern von Bildwerken wohl öfters noch ein Denkmal
gesetzt werden. Für die porträtmäßige Auffassung spricht sodann auch
die bärtige Darstellung des hl. Georg, die immerhin eine Ausnahme von
der Regel[271] ist, wenn diese Ausnahme auch, wie Dürers Stich (Bartsch
53), wie das schöne Temperagemälde im erzbischöflichen Museum zu
Köln[272], wie das schwäbische Gemälde (Nr. 201) im Germ. Museum und
einige Holzfiguren (Nr. 482 und 525)[273] im bayr. Nationalmuseum u. a.
beweisen, gar nicht vereinzelt dasteht.

Von den ungemein zahlreichen künstlerischen Verherrlichungen des
himmlischen Ritters im Mittelalter, dessen höfisches Ideal sich
in St. Georg wohl am besten verkörpert fand, gehören die großen
cyclischen Darstellungen seiner Legende fast ausnahmslos den Werken
der Malerei an[274]. Die Plastik zeigt den Heiligen fast immer nur als
Drachentöter, bisweilen zu Pferde, wie auf dem ehernen Reiterstandbild
auf dem Hradschin zu Prag (1373)[275], wie am Westportal der
Frauenkirche zu Eßlingen und auf einem Relief des Choraltarschreins
in Milbertshofen[276], häufiger aber, wie im vorliegenden Fall, als
auf dem Rücken des Drachen stehende Einzelfigur. Von derartigen
Standbildern mögen einige, gleichfalls der Holzplastik angehörige und
bereits datierte Beispiele hier noch in Betracht gezogen werden, um
auch durch einen Vergleich mit ihnen bestimmen zu können, in welche
Zeit unser Bildwerk gesetzt werden muß.

Eine ehemals bemalte Holzstatue des hl. Georg, von deren Fassung
jetzt nur noch spärliche Reste erhalten sind, bewahrt das bayr.
Nationalmuseum; sie ist daselbst im Saal 8 aufgestellt[277]. Auch
dort steht der hl. Ritter auf dem Rücken des Drachen, dem er die
Lanze in den aufgesperrten Rachen, aus welchem die lange rote Zunge
hervorragt, hineinstößt. Die gezaddelten langen Hängeärmel, der über
dem Lendner liegende Brustharnisch und namentlich die ganz hölzerne,
breitbeinige Haltung unterscheiden ihn wesentlich von dem unsrigen,
wohingegen in der Lage des ziemlich breiten cingulum militare, in dem
geteilten, in zwei Spitzen auslaufenden Kinnbart und in der Länge
des Waffenrockes, der bis an die mit Geschübe versehenen Knieschirme
herabreicht, Ähnlichkeit vorhanden ist. Auch die Wendung des Drachen
gegen den Heiligen ist eine ähnliche, erscheint aber ungemein steif
und hölzern dabei. Dazu deutet auch der Umstand, daß die schwächere
Linke den Stoß ausführt, während die stärkere Rechte die Lanze nur in
ihrer Richtung hält, auf keine scharfe Beobachtung und kein richtiges
Erfassen der Natur hin. Während dieses Standbild um 1400 angesetzt
wird, zeigt die prächtige, im gleichen Saal 8 unter Nr. 10 aufgestellte
polychrom gefaßte Freifigur des hl. Georg[278], der dort auch in
(schwarzem) hängendem Schnurr- und zweispitzigem Kinnbart dargestellt
ist, im einzelnen und zwar im Kostüm Züge der Wende des 14. und 15.
Jahrhunderts, so in dem kurzen Lendner, unter dem das Panzerhemd noch
sichtbar ist, dem tiefgestellten cingulum militare, der Brustplatte
ohne Rückenteil, bedeutet aber in ihrer viel freieren Haltung trotz
ihrer stark ausgeschwungenen Formen einen solchen Fortschritt gegen
die vorige, daß der Herausgeber des Katalogs[279] sie mit Recht in
die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts gesetzt und zudem für eine
treffliche Arbeit erklärt hat. Freilich fällt auch bei diesem Werk die
ungeschickte, wenig zweckentsprechende Art, wie der Heilige die Lanze
gefaßt hält, wieder auf, doch ist die Bewaffnung des Unterkörpers
(die Kniekacheln, die Beinschienen, die hinten die Ferse frei lassen,
die völlig gleichen geschobenen Schnabeleisenschuhe) und die Wendung
des Drachenkopfes gegen Georg der unsrigen ganz ähnlich und auch die
Windung des Drachenschweifes um das eine Bein des Ritters kehrt bei
unserm hl. Georg nicht viel verändert wieder. Dagegen charakterisieren
sich schon durch die vollständige Plattenrüstung die Georgsstatuen
Nr. 752 und 756 im bayr. Nationalmuseum, ebenso wie der hl. Georg
von Multscher in der Spitalkirche zu Sterzing[280], als der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts bereits zugehörig, während zwei weitere
Darstellungen des hl. Georg (Nr. 561 in Saal 14 und Nr. 812 in Saal
13 des bayr. Nationalmuseums)[281] nicht blos durch die vollständige
Eisenkleidung, sondern auch durch die gezierte, häufig fast unmögliche
Stellung des Ritters, durch dessen Bewaffnung mit dem Schwert anstatt
der Lanze, die letztere Holzfigur noch besonders durch die schöne um
den Arm gewundene Schärpe und den ganzen spätgotischen Stilcharakter
als Arbeiten einer jüngeren Zeit sich unzweideutig kennzeichnen und
in ihrer ungezwungenen, freibewegten Haltung noch über die schönen
Georgsgestalten an den Flanken der Altäre zu St. Wolfgang[282] und zu
Käfermarkt in Oberösterreich[283] hinausgehen. Eine dem Bildschnitzer
des Wolfganger Altars zugeschriebene Schnitzfigur in der Kapelle des
Schlosses Matzen bei Brixlegg im Unterinnthal, die den hl. Georg
darstellt, aber nach der Meinung von Stiassny[284] ursprünglich ein
hl. Michael gewesen sein soll, weist in ihrer jetzigen Gestalt, in der
Stellung des Heiligen auf dem Drachenrücken, in seiner Neigung des
Hauptes nach vorn, in der leichten Ausbiegung der rechten Hüfte, in der
Bildung des Drachenkopfes, in der Art wie sich derselbe emporwendet,
namentlich aber in der Armhaltung des Georg, der die ganz ebenso
erfaßte Lanze in den ähnlich gestalteten Rachen des Tieres stößt, so
mannigfache Berührungspunkte mit unserer Darstellung auf, daß man sich
fast zu der Annahme versucht fühlt, es habe bei jener Umgestaltung
der Matzener Statue unser hl. Georg als Vorbild gedient. Schließlich
begegnen wir noch einer verwandten Darstellung des Drachentöters in
einer Statue aus Eichenholz, die sich zu Berg am Laim bei München
befindet[285]. Auch dort sehen wir den Drachen sich mit steil
aufgerichtetem Kopf und weit geöffnetem Rachen gegen seinen Besieger
wenden, der die Lanze mit beiden Händen erhebt und sich eben zum Stoß
anschicken will. Den rechten Fuß hat er dabei auf den Rücken des Tieres
gesetzt. Indessen steht dieses Bildwerk dem unsrigen nicht entfernt
so nahe, wie die oben besprochene Holzstatue (Nr. 522) im bayr.
Nationalmuseum und, soweit sich nach der Abbildung schließen läßt,
jene restaurierte Schnitzfigur im Schlosse Matzen, wodurch einerseits
für unsere Datierung eine weitere Stütze, anderseits vielleicht auch
ein Hinweis auf die mutmaßliche Heimat des Künstlers gegeben ist,
nach dessen Namen wir vergeblich fragen. Er ist unbekannt[286], ein
Schicksal, das er mit allen Meistern aus der früheren Zeit der
Holzbildnerei teilt, die heute nur noch durch ihre Werke zu uns
reden. Erst als im 15. Jahrhundert die Holzskulptur das eigentliche
Arbeitsgebiet der plastischen Kunstübung wurde und der Holzstil in
gewissem Sinne selbst auf die dekorativen Formen der Architektur
nicht ohne Einfluß blieb[287], erst dann tauchen aus dem Dunkel der
geschichtlichen Überlieferung die Namen eines Hans Multscher und Jörg
Syrlin auf.

Die Wiege unsers Meisters wird in Österreich zu suchen sein. Werke,
wie das in Rede stehende, die in einer relativ frühen Zeit eine solche
Vollendung bekunden, müssen auf einem Boden entstanden sein, der an
Übung und Erfahrung in diesem Kunstzweige besonders reich war und
schon frühzeitig alle Vorbedingungen zu blühender Kunstentfaltung
enthielt. Hier aber gehen alle Wege den Alpen zu[288] in deren stillen
Thälern diese alte Volkskunst wie vor Jahrhunderten noch heute eine
Heimstätte hat, hier führt uns die geschichtliche Forschung in diesem
Falle vielleicht zunächst ins Salzburgische. Diese Vermutung, die in
erster Reihe durch einen Vergleich mit der dortigen Schnitzkunst, den
ich hier anzustellen leider nicht in der Lage bin, möglicherweise
an Wahrscheinlichkeit gewinnen würde, ist übrigens mit der Angabe
des Verkäufers[289], der die Statue aus Steiermark erworben haben
will, nicht absolut unvereinbar, da Salzburg während des ganzen
Mittelalters in Malerei und Plastik einen weitreichenden, maßgebenden
Einfluß ausgeübt hat[290]. Wenn diese Frage danach auch heute noch
offen bleiben muß, so dürfte es einer späteren Untersuchung doch
vorbehalten sein, den Meister des hl. Georg, wenn einmal erst auf Grund
stilkritischer und archivalischer Forschungen über die Geschichte der
Holzplastik im allgemeinen ein helleres Licht als jetzt verbreitet
ist, mit aller Sicherheit zu bestimmen, wie es ja auch vor noch nicht
langer Zeit erst gelungen ist, in Peter Vischer dem Jüngeren den so
lange unbekannt gewesenen, vielumstrittenen Meister der berühmten
Nürnberger Madonna aufzufinden[291] und damit für die Entstehungszeit
des Werkes und seine kunstgeschichtliche Stellung feste Anhaltspunkte
zu gewinnen[292].



[Illustration: Zierleiste von Virgil Solis.]

LITERARISCHE NOTIZEN.


=Sechszehn Holzschnitte nach Arnold Böcklin.= (Meisterwerke der
Holzschneidekunst. Neue Folge. Heft 5.) Mit einer Einleitung von
~Aemil Fiedler~. Leipzig. J. J. Weber. Imp. Fol.

=Die Worpsweder. Zweiundzwanzig Kunstholzschnitte nach Gemälden,
Radierungen und Zeichnungen.= Text von ~Aemil Fiedler~,
(Meisterwerke der Holzschneidekunst. Neue Folge. Heft VI.) Verlag von
J. J. Weber, Leipzig. Fol.

=Zeichnungen von Sascha Schneider.= III. Aufl. Gesamtausgabe. Text
von ~Aemil Fiedler~. Leipzig J. J. Weber. Gr. 4.

Die vorstehenden drei Werke, aus dem bekannten Verlage der
Illustrierten Zeitung, J. J. Weber in Leipzig, geben, wie die
gesamten seit langen Jahren erscheinenden Folgen, aus der genannten
Wochenschrift zusammengestellte Reihen von in Tonschnitt reproduzierten
Kunstwerken wieder. Mit Erfolg ist die Webersche xylographische Anstalt
bestrebt, den Wettkampf mit den neuen auf die Photographie basierenden
Reproduktionsverfahren einerseits, der modernen Griffelkunst, wie
sie der Künstler seiner Platte aus manigfachem Material unmittelbar
anvertraut andrerseits, aufzunehmen. Es kann hier nicht an die Aufgabe
gegangen werden, den künstlerischen Inhalt der drei vorzüglich
ausgestatteten Mappen zu analysieren, oder auf die Stellung einzugehen,
welche die dargestellten Werke und ihre Meister in der Entwicklung
der modernen Kunst einnehmen. Das ist in anregender und für den
augenblicklichen Zweck erschöpfender Weise in den bei allen dreien
von ~Aemil Fiedler~ geschriebenen Textbeilagen geschehen. Die
Verlagsfirma nimmt in der noch nicht gar zu langen Geschichte des
Tonholzschnittes unbestritten die erste Stelle ein, unbestritten
dürfte auch bleiben, daß die letzten beiden Dezennien die allgemeine
Verwendung des Tonholzschnittes stark einschränkten, wegen der durch
die neuen photographischen Reproduktionsverfahren ermöglichten größeren
Treue und vor Allem der größeren Billigkeit. J. J. Weber hat an
seinen Traditionen festgehalten und mit Erfolg danach gestrebt, durch
technische und künstlerische Verfeinerung den Tonholzschnitt auf der
Höhe zu erhalten. Insbesondere die ausgezeichnet klaren, die farbige
Wirkung trefflich wiederspiegelnden Blätter nach Böcklin geben von den
Fortschritten in der jetzt etwas über die Achsel angesehenen Technik
eine deutliche Vorstellung.

=Das radierte Werk des Adriaen van Ostade in Nachbildungen.= Mit
biographisch-kritischer Einleitung, herausgegeben von Professor Dr.
~Jaro Springer~. Verlag von Fischer und Franke, Berlin. 4.

Die außerordentlichen Fortschritte der Reproduktionskunst sind
insbesondere den Erzeugnissen der Schwarz-Weißkunst früherer
Jahrhunderte zu Gute gekommen. Was früher nur dem bemittelten Sammler
und da selten in größerer Vollständigkeit zugänglich war, das wird Dank
der Zinkätzung jetzt in weite Kreise zu ganz billigem Preise getragen.
Der rührige Verlag des »Kupferstichkabinets« Fischer und Franke zu
Berlin, hat mit der Herausgabe der Radierungen Ostade’s, des nach
Rembrandt bedeutendsten Meisters der Radiernadel einen glücklichen
Griff gethan. Die künstlerisch vertiefte und dabei von feinem Humor
durchtränkte Darstellung des holländischen Bauernlebens durch Ostade
ist als Schlüssel zur holländischen Genrekunst vortrefflich geeignet.
Die Wiedergabe mittelst Strichätzung vergröbert freilich und verwischt
die intimen Feinheiten der Nadel. Immerhin ist das vorliegende Werk,
von einer kurzen Beschreibung des Lebens und Wirkens von Jaro Springer
begleitet, ein Beweis wie weit auch in diesem Verfahren sorgfältige
Technik es gebracht hat.

=Unser Egerland.= Blätter für Egerländer Volkskunde. Im Auftrage
des ~Vereines für Egerländer Volkskunde~. Herausgegeben von
~Alois John~. Verlag des Vereines. Jahrg. I-IV. 1897-1900. 8.

Zwischen Fichtel- und Erzgebirge, Böhmer- und Kaiserwald liegt,
jenseits der Grenzen des neuen Reichs, aber der deutschesten
Gauen einer, das Egerland. Ob nun die stattlichen farbenfreudigen
Bauernhäuser ihn begrüßen, ob die ehrwürdigen Bauten der alten Pfalz
ihn an die Kaiserherrlichkeit der Hohenstaufen gemahnen oder beim
Besuche des städtischen Museums in Eger manch schönes Stück Egerländer
Hausrats ihn anheimeln mag, überall schaut dem Wanderer, der das Land
durchstreift, echt deutsche Art entgegen. Da beginnt man zu ahnen,
wieviel Volksgut auch noch in Sitte und Sprache des dem Bayerischen
Stamm engverwandten Egerländers sich birgt. Diese ansehnlichen Reste
des deutschen Lebens und Denkens ihrem Wert gemäß dem Volke wieder
lebendig zu gestalten und damit die beste Waffe gegen das andringende
Slaventum zu schmieden, das ist, was diese von warmer Heimatsliebe
beseelte Zeitschrift vor bald vier Jahren versprochen und bis heute
redlich gehalten hat. Sammlungen und Arbeiten auf allen Gebieten der
Volkskunde lösen in diesen Blättern in bunter Folge einander ab,
vieles wird überdies im Bilde dem Leser veranschaulicht. Dabei ist im
Laufe der Zeit auch der äußerliche Umfang des Gebotenen gewachsen.
Hervorgehoben zu werden verdient, wie namentlich auch dem Volksliede,
das in ähnlichen Unternehmungen zuweilen etwas stiefmütterlich
behandelt wird, ein breiter Raum gewährt ist. Einem so kerndeutschen
Blatte, wie dem vorliegenden, möchten wir gerne die Aufmerksamkeit und
Teilnahme aller Freunde deutschen Volkstums gesichert wünschen. H. H.

=Aus der Geschichte der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen.= Von
Professor Dr. ~Eduard Heydenreich~. 60 SS. ~Halle~. Otto
Hendel. 1900. 8.

Unsere alten Reichsstädte haben nicht nur in allbewunderten Werken
der Kunst Zeugen ihrer großen Vergangenheit in eine andere Zeit
hinübergerettet, noch liegt in den von jeher treu gehüteten Archiven
manch ungehobener Schatz verborgen. Diese Urkunden und sonstigen
schriftlichen Denkmäler der nach Art der Entwicklung unter sich so
verschiedenen, immer aber mit den Schicksalen des Kaisertums eng
verbundenen Reichsstädte gehen weit über rein örtliche Bedeutung
hinaus, ihre Überlieferung leiht vielmehr der Geschichte des alten
Reichs die frischesten Farben. Nicht in letzter Reihe solcher
Archive steht das der Stadt Mühlhausen in Thüringen, dessen Reichtum
aber gleichwohl bisher noch nicht in einer der strengeren Kritik
entsprechenden Geschichte die rechte Verwertung gefunden hat. Diese
Lücke will Prof. Heydenreichs Buch ausfüllen, den Ortsansässigen das
täglich Geschaute im Lichte der Geschichte verklären und dem fremden
Geschichtsfreunde Anregung zu eigener Umschau und Vergleichung
geben. Bei aller strengen Wissenschaftlichkeit, die bei bloßen
Durchblättern schon aus den fleißigen Literaturnachweisen dem Leser
in die Augen fällt, ist überall ein Ton getroffen, der die kleine
Schrift zu einem Hausbuche nach des Verfassers Wunsch machen dürfte,
indem die flüssige Darstellung oft nur dem Kenner verrät, wie viel
eigene Forschungsmühe darin steckt. Ausgehend von den ersten Anfängen
der Stadt, die wir noch aus vorgeschichtlichen Altertümern und den
Ortsnamen zu erkennen vermögen, folgt stets mit Heranziehung der
allgemeinen Fragen der städtischen Verfassungsgeschichte die Darlegung
der Entwicklung der Reichsstadt auf Grund der urkundlichen Quellen, von
den Zeiten des noch königlichen Beamten unterstehenden Gemeinwesens
bis zum selbständigen und unabhängigen Reichsstand. Dies Ziel wird
erreicht allerdings erst nach Überwindung wiederholter Bemühungen,
die gemacht werden, um sie zur einfachen thüringischen Landstadt
herabzudrücken. Die Zünfte werden hier ohne wesentlichen Kampf in den
Rat eingegliedert, so erfuhr das alte städtische Regiment eigentlich
erst in der Reformationszeit einen entscheidenden Stoß. Wir erfahren
mancherlei Einzelheiten über das häusliche Leben der Bürger, über
Fürstenbesuche in der Stadt, Statistisches und Wirtschaftliches im
Vergleich zu heute, über das Münzwesen, u. A. Hingewiesen wird auf die
kulturgeschichtliche Bedeutung der Mühlhausener Kopialbücher (1382 ff.)
und Kämmereirechnungen (1407 ff.), die noch manche Ernte versprächen.
Erwähnung finden ferner die Umgehungen des Zinsverbotes, die kulturelle
Bedeutung der Klöster, die Kämpfe der Stadt mit der toten Hand. Sehr
interessante Ausführungen beschäftigen sich mit Baudenkmälern des
Kreises Mühlhausen, von denen wir hier nur die kleine vorgotische
Stadtkirche zu Trefurt, die Burg Normannstein, die Reste der
Stadtbefestigung, endlich die sog. Untermarktskirche (St. Blasius) als
die zweitälteste gotische Hallenkirche des Deutschordens hervorheben.
Zum Schlusse führt uns eine malerische Wanderung durch das Mühlhausen
von heute, welches die Anstrengungen und finanziellen Opfer seiner
Bürgerschaft der neuen Zeit angepaßt haben, immerhin so schonend,
daß dem Kunst- und Altertumsfreund das Bild einer mittelalterlichen
Reichsstadt nicht getrübt ist. Das Buch ziert eine stattliche Reihe
hübscher Abbildungen.     H. H.


=Breitkopf und Härtels Sammlung musikal.-wissenschaftlicher Arbeiten
von deutschen Hochschulen.= Leipzig 1898 ff.

Während die Geschichte der Litteratur schon seit langer Zeit, die der
bildenden Künste seit einigen Dezennien zahlreiche Vertreter und feste
Methoden der Forschung besitzt und weite Kreise der Gebildeten an ihren
Ergebnissen Anteil nehmen, ist die Ästhetik und die Geschichte der
Musik bisher wenig gepflegt worden, ihre Behandlung hat vielfach eine
gründliche Wissenschaftlichkeit vermissen lassen und um die Ergebnisse
der Forschungen haben sich nur wenige Fachleute und noch weniger Laien
bekümmert.

Daß dem so ist, beruht hauptsächlich darauf, daß eine erfolgreiche
Pflege geschichtlicher Forschung in der Musik ohne gründliche
theoretische Kenntnisse noch weit weniger möglich ist, als in
Litteratur oder bildender Kunst. Es ist aber an der Zeit, daß auch
die methodische Behandlung der Musikgeschichte in größerem Umfang in
Angriff genommen werde, als bisher. Neuerdings haben sich zahlreichere
jüngere Forscher der Musikgeschichte zugewendet. Um für ihre Arbeiten
ein Organ zu schaffen, hat sich die um die wissenschaftliche
Musikpflege hochverdiente Verlagsbuchhandlung entschlossen, eine
Sammlung musikwissenschaftlicher Arbeiten von deutschen Hochschulen zu
publizieren analog den Sammlungen kunstgeschichtlicher Arbeiten von
E. A. Seemann und von Heitz und Mündel. Es sind bis jetzt vier Bände
erschienen.

Gleich der erste Band, ~die Choralnotenschrift bei Hymnen und
Sequenzen von Eduard Bernoulli~, führt uns auf ein Gebiet,
auf dem noch vielfach Zweifel und Unsicherheit herrschen. Alle
musikgeschichtliche Betrachtung wird dadurch erschwert, daß wir uns,
sobald wir in ältere Zeiten aufsteigen, erst von dem auf diatonische
Scala aufgebauten System der modernen harmonischen Musik frei machen
müssen, und daß Melodieführung, Rhythmus und Notierung andere sind,
als die uns geläufigen. Nun ist zwar im liturgischen Gottesdienste der
katholischen Kirche die Tradition der ältesten Zeiten niemals ganz
erloschen, aber sie ist vielfach getrübt. So ist auch das Verständnis
der ältesten Tonzeichen unsicher geworden.

Bernoulli setzt sich zunächst mit den modernen Autoren über die
Auflösung der Neumen und der Choralnoten (der Notierung einstimmiger
Gesänge im Mittelalter) auseinander. Im zweiten Teil untersucht es
die Aussagen der mittelalterlichen Theoretiker, im dritten das in den
Handschriften enthaltene Material an Choralnoten. Es handelt sich dabei
hauptsächlich um deren rhythmische Werte. Die Untersuchungen sind
gründlich und methodisch geführt und die Arbeit muß wohl von jedem der
auf diesem Gebiete arbeiten will, beachtet werden.

Der zweite Band enthält: ~Die Lehre vom Ethos in der griechischen
Musik von Dr. Hermann Abert.~ Auch diese Arbeit behandelt ein
Gebiet, das unserem musikalischen Gefühl äußerst fernliegt, die
Auffassung des griechischen Volkes von seiner Musik. Wir stellen an
die Musik, wie an jede Kunst ästhetische Anforderungen, der Grieche
schreibt ihr etliche Wirkungen zu. Die elementare Wirkung der Musik
auf jugendliche Völker ist bekannt, auch der Grieche ist ihr noch
unterworfen, aber er gab sich ihr nicht willenlos hin, sondern suchte
sie ethischen Zwecken dienstbar zu machen. Es bildete sich eine Lehre
vom Ethos in der Musik aus, deren Hauptsatz sagt, die hörbare Bewegung
der Musik vermag die Bewegung der Seele nicht nur darzustellen und
wiederzuspiegeln, sondern auch zu erzeugen. So kann sie den Willen
stärkend oder hemmend beeinflussen, ja das normale Willensvermögen
zeitweise aufheben (Extase). Abert gibt in ansprechender Weise eine
Darstellung der Quellen der griechischen Musikästhetik und entwickelt
sodann an der Hand der Quellen und der »Überreste« antiker Musik die
Theorie vom Ethos. Die Untersuchungen über die antike Musik sind darum
so schwierig, weil uns nur ganz wenige Denkmäler erhalten sind, und
so wichtige Aufschlüsse sie geben, aus ihnen doch weder die Theorie
unmittelbar aufgefunden noch selbst die Aussagen der Autoren allseitig
sicher kommentiert werden können. Es kann hier auf die interessanten
Ausführungen Aberts über das Ethos der Tonarten, des Klanggeschlechts
und des Rhythmus nicht näher eingegangen werden.

Es handelt sich um Erscheinungen, welche uns trotz unseres scheinbaren
Vertrautseins mit dem griechischen Altertum völlig fremdartig anmuten.
Unsere Stellung zur Musik ist eine ganz andere, eine überwiegend, wo
nicht ganz ästhetische. Und doch wären die Fragen: Sind wir überhaupt
noch fähig, ethische Einwirkungen von der Musik zu empfangen? Und: Ist
unsere ganz anders geartete Musik im Stande, solche auszuüben? nicht zu
verneinen.

Im dritten Band handelt ~Heinrich Rietsch über die Tonkunst in der
zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts~. Er bezeichnet seine
Arbeit als einen Beitrag zur Geschichte der musikalischen Technik.
Beethoven hat die Epoche der harmonischen Musik zur Vollendung und zum
Abschluß gebracht. Wenn von den Epigonen auf diesem Gebiete noch in
der alten Weise weiter gearbeitet und viel schönes geschaffen worden
ist, wenn sich noch manche kräftige künstlerische Individualitäten
unter ihnen befanden, so ändert das nichts an der Thatsache, daß die
entwickelungsgeschichtlichen Faktoren der Gattung durch die Klassiker
erschöpft waren.

Beethoven selbst hat die Grenzen der Musik nach der Seite der
begriffsbestimmten Ausdrucksfähigkeit hin wesentlich erweitert und
die ganze moderne Schule ist auf den von ihm eröffneten Bahnen weiter
geschritten. Der neue Stil der Musik ist um die Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts fertig, er tritt nicht unvorbereitet ein, gleichwohl kann
Richard Wagner als sein Schöpfer bezeichnet werden, denn er hat die
zerstreut liegenden Mittel der neuen Kunst zur Einheit zusammengefaßt.
Es ist deshalb gerechtfertigt, die Tonkunst in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts einer eigenen Betrachtung zu unterziehen.

Man kann den Charakter der harmonischen Musik in ihrer klassischen
Epoche als plastisch bezeichnen. Die Melodie ist nach den Gesetzen
der linearen Schönheit gebildet, die Harmonisierung ist klar und
wohlklingend, und auf das feste Fortschreiten des Rhythmus wird großes
Gewicht gelegt. Wurden Dissonanzen und rhythmische Freiheiten als
Kunstmittel angewandt, so erregten sie Verwunderung und Anstoß. Welche
Erörterungen knüpften sich an die bekannte Einleitung zu Mozarts C-dur
Quartett. Würde sie heute komponiert, so würde sich niemand mehr an
ihr stoßen. Auf eine Periode vorwiegend plastisch linearer Kunstübung
mußte, nach dem alle Kunstentwickelung beherrschenden Gesetze des
Gegensatzes eine koloristische folgen. Rietsch führt nun in seiner
Abhandlung die technischen Kunstmittel vor, deren sich der neue Stil
bedient. Wie weit er dem Fachmann Neues sagt, vermag ich nicht zu
beurteilen; der Laie, der der Entwickelung der modernen Musik ein über
das oberflächlichste Anhören hinausgehendes Interesse entgegenbringt,
wird seine Ausführungen mit Dank aufnehmen. Die Arbeit ist sehr gut
geschrieben und wird durch sorgfältig gewählte Beispiele aus neueren
Musikwerken erläutert.

Die Musik befand sich im Laufe des 19. Jahrhunderts in voller,
produktiver Entwickelung und geriet nicht wie die bildenden Künste
völlig in den Bann der historischen Formbehandlung. Gleichwohl ist auch
sie von dem historischen Zuge, der unser ganzes Zeitalter beherrscht,
stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Und während die moderne Schule
eine Entwickelung nach neuen Zielen nahm, wurde von anderer Seite
auf ältere Kunstformen zurückgegriffen. In dem vierten Bändchen der
Sammlung untersucht ~Richard Hohenemser~ die Frage: ~Welche
Einflüsse hatte die Wiederbelebung der älteren Musik im 19. Jahrhundert
auf die deutschen Komponisten~. Hohenemser gibt eine Geschichte
der Wiederbelebung der älteren Musik und ein Kapitel über den Einfluß
der älteren Tonkunst auf die Vokalmusik des 19. Jahrhunderts. Die
Einwirkungen der älteren Tonkunst auf die Instrumentalmusik bleibt
späterer Bearbeitung vorbehalten. Es ist begreiflich, daß ein junger
Autor seine erste Arbeit rasch gedruckt haben will. Er mag sie dann
als Dissertation drucken lassen; will er sie in eine Sammlung ernster
Arbeiten einreihen, welche sich nicht nur an akademische Kreise wenden,
so begeht er damit, daß er nur ein Fragment bietet, eine Unhöflichkeit.
Zudem hätte es ja dem dünnen Bändchen nicht geschadet, wenn es um ein
Kapitel dicker geworden wäre.

An sich ist diese Arbeit dankenswert und gibt eine für die allgemeine
Orientierung ausreichende Übersicht über die Entwickelung des
Verständnisses für alte Musik und über die Verwendung der alten
Tonformen in der Vokalmusik des 19. Jahrhunderts.

Eine Frage ist programmgemäß in dem Buch gar nicht berührt, nämlich
die nach der Stellung des modernen Hörers zu alter Musik. Auch
sie wäre der Untersuchung wert. Das Ergebnis würde wohl sein, daß
sie uns noch ferner steht als die alte Kunst, daß die Vokalmusik,
namentlich der Acapella Gesang in seiner reinen Klangschönheit auf
ein leidlich gebildetes Ohr seine Wirkung nicht verfehlt, daß aber
die Instrumentalmusik in ihrer einfachen, farblosen Besetzung einen
Verzicht auf so vieles voraussetzt, daß sie nur schwer in weiteren
Kreisen volles Verständnis finden wird. Vorläufig ist sie für den
Spieler interessanter als für den Zuhörer.

Man darf der Fortsetzung der Sammlung mit guten Erwartungen
entgegensehen.


=Die Chorstühle in der ehemaligen Cisterzienserabtei im
Wettingen.= Von ~Hans Lehmann~. Zürich, Hofer & Co. 24
Lichtdrucktafeln mit IV und 48 S. Text; fol. 1900.

Der um die Erforschung der Kunstgewerbegeschichte seiner
schweizerischen Heimat wohlverdiente Verfasser giebt mit dieser neuen
Publikation aus dem reichen Schatz der Schreiner-Bildnerarbeiten der
Schweiz ein hervorragendes in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts
entstandenes Werk in mustergiltigen Lichtdrucktafeln heraus. Von dem
fast überreich im Geschmack der schweizerischen Renaissance des 16.
Jahrhunderts geschmückten Chorwerk sind in den Lichtdrucken Gesamt- und
Teilansichten, sowie die bedeutsamsten Details wiedergegeben, während
die ebenfalls reich bemessenen Textillustrationen in Autotypie weitere
Details, sowie manche andere auf das Wettinger Kloster, das bekanntlich
auch in der Geschichte der Schweizerscheiben eine hervorragende Rolle
spielt, bezügliche Denkmale und Vergleichsmaterial zur stilistischen
Beurteilung des Chorgestühls bringen. Ein außerordentlich gründlicher
Begleittext, der in fast allzu breiten Schilderungen über die
Geschichte des Klosters, den Stifter des Werkes Abt Peter II. Schmid
und die historischen Bedingungen der Herstellung sich ergeht, dient zur
Erläuterung.



KLEINE MITTEILUNGEN.


=XIX. Plenarsitzung der Badischen Historischen Kommission.= Am 19.
und 20. Oktober d. J. fand in Karlsruhe die XIX. Plenarsitzung
der Badischen Historischen Kommission statt. Derselben wohnten 13
ordentliche und 4 außerordentliche Mitglieder bei. Als Vertreter der
Großh. Regierung waren zugegen Se. Exz. der Staatsminister Dr. ~Nokk~,
sowie die Ministerialräte Dr. ~Böhm~ und ~Seubert~. Den Vorsitz führte
der Vorstand Geh. Hofrat Professor Dr. ~Erdmannsdörffer~.

Seit der letzten Plenarsitzung sind nachstehende Veröffentlichungen
der Kommission erschienen: ~Beyerle, Konstanz im dreißigjährigen
Krieg~ (Bad. Neujahrsblätter, Neue Folge. 3. 1900); ~Kindler v.
Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch~, II. Band, 2. Lieferung
(Lieferung 3 befindet sich unter der Presse); ~Köhne, Oberrheinische
Stadtrechte~, I. Abteilung, Heft 5 (Heidelberg, Mosbach,
Neckargemünd, Adelsheim); ~Fester-Witte, Regesten der Marggrafen von
Baden und Hachberg~, Schluß des I. Bandes (Lieferung 9 und 10);
Lieferung 1 des II. Bandes befindet sich unter der Presse; ~Schulte,
Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen
Westdeutschland und Italien mit Ausschluß von Venedig~. 2 Bände.

An den ~Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Konstanz~ hat
Privatdozent Dr. ~Cartellieri~ unter Mitwirkung des Hilfsarbeiters
Dr. ~Eggers~ weitergearbeitet. Letzterer hat durch einen Besuch
der Archive in Bern, Innsbruck und München (Allgem. Reichsarchiv)
das Material für die beiden nächsten Lieferungen (bis 1383) vollends
ergänzt, so daß mit deren Drucklegung demnächst begonnen werden
kann. Kurt ~Schmidt~ war wiederum im Vatikanischen Archiv zu
Rom für die Regesten thätig; er wird seine Nachforschungen noch eine
Zeit lang fortsetzen. -- Für die ~Regesten der Markgrafen von
Baden~ hat Prof. Dr. ~Witte~ den Anfang des zweiten Bandes
druckfertig ausgearbeitet und aus mehreren Archiven Deutschlands und
der Schweiz wiederum reiche Ausbeute für die Publikation gewonnen.
Bei den Nachforschungen im Karlsruher Generallandesarchiv hat ihn der
am 4. Mai ausgeschiedene Hilfsarbeiter für die allgemeinen Zwecke
der Kommission Dr. ~Hölscher~ unterstützt, an dessen Stelle
am 1. September Fritz ~Frankhauser~ aus Straßburg getreten
ist. -- Bezüglich der Fortführung der ~Regesten der Pfalzgrafen
bei Rhein~ wurde beschlossen, daß der ursprüngliche Plan einer
Bearbeitung derselben bis 1508 aufgegeben und der Abschluß des
Werkes auf das Jahr 1436 festgesetzt werde, wobei für die Zeit
König Ruprechts auch die auf das Reich bezüglichen Urkunden volle
Berücksichtigung finden sollen. Die Bearbeitung wird Dr. ~Sillib~,
Kustos an der Universitätsbibliothek in Heidelberg, unter Professor
Dr. ~Wille~’s Leitung übernehmen. -- Von den ~Oberrheinischen
Stadtrechten~ hat Dr. ~Köhne~ unter Leitung des Geh. Rats
Professor Dr. ~Schröder die fränkische Abteilung~ erheblich
gefördert. Von der ~schwäbischen Abteilung~ bearbeitet Dr.
~Hoppeler~ das Stadtrecht von Überlingen, Privatdozent Dr.
~Beyerle~ das von Konstanz. Für die Herausgabe der gleichfalls
einen Bestandteil dieser Sammlung bildenden ~elsässischen
Stadtrechte~ hat der Landesausschuß für Elsaß-Lothringen die
Mittel bewilligt. Das von Dr. ~Gény~ bearbeitete Stadtrecht von
Schlettstadt befindet sich bereits unter der Presse.

Von der ~Politischen Korrespondenz Karl Friedrichs von Baden~
ist der von Archivrat Dr. ~Obser~ bearbeitete fünfte Band
im Druck. -- Die Sammlung und Herausgabe der ~Korrespondenz
des Fürstabts Martin Gerbert von St. Blasien~ konnte infolge
mehrfacher Abhaltung der Bearbeiter Geh. Rat Dr. v. ~Weech~ und
Archivassessor Dr. ~Brunner~ nur wenig gefördert werden. Doch
steht ihr Abschluß im nächsten Jahre zu erwarten. -- Dem zweiten Band
der ~Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden
Landschaften~ wird Professor Dr. ~Gothein, der Geschichte der
badischen Verwaltung~ Privatdozent Dr. ~Ludwig~ sich auch
fernerhin widmen. Von dem ~Oberbadischen Geschlechterbuch~ hat
Oberstleutenant a. D. und Kammerherr ~Kindler von Knobloch~
einen beträchtlichen Teil des Manuskripts für weitere Lieferungen
ausgearbeitet.

Mit der Sammlung und Zeichnung der ~Siegel und Wappen der badischen
Gemeinden~ war wie bisher der Zeichner Fritz ~Held~ beschäftigt. Er
hat im Berichtsjahr für 14 Städte und 155 Landgemeinden neue Siegel
beziehungsweise Wappen entworfen und aus den Urkundenbeständen
des Generallandesarchivs 1374 Siegel von Stadt- und Landgemeinden
aufgezeichnet. Damit ist bereits eine erhebliche Vorarbeit geleistet
für das zweite Heft der Siegel der badischen Städte, das die Kreise
Baden, Offenburg, Freiburg und Lörrach umfassen und im nächsten Jahr
ausgegeben werden soll. -- Die ~Pfleger der Kommission~ waren unter
Leitung der ~Oberpfleger~ Prof. Dr. ~Roder~, Archivrat Dr. ~Krieger~,
Professor ~Maurer~, Professor Dr. ~Wille~ und Stadtarchivar Dr.
~Albert~ für die Ordnung und Verzeichnung der Archive von Gemeinden,
Pfarreien, Grundherrschaften etc. thätig. Es steht jetzt nur noch eine
geringe Zahl von Archiven aus.

Von der ~Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins~ (Neue
Folge) ist der XV. Band unter der Redaktion von Archivrat Dr.
~Obser~ für den badischen und von Archivdirektor Professor Dr.
~Wiegand~ für den elsässischen Teil erschienen, in Verbindung
damit die unter Leitung des Sekretärs stehenden ~Mitteilungen der
Badischen Historischen Kommission~ (No. 22).

~Das Neujahrsblatt~ für 1901, von Stadtarchivar Dr. ~Albert~
bearbeitet, wird eine Schilderung von »Baden zwischen Neckar und Main
in den Jahren 1803 bis 1806« bringen.

Für die ~Herstellung von Grundkarten~ für die badischen Gebiete
nach den Vorschlägen des Professors Dr. ~von Thudichum~ hat,
einem Beschluß der vorjährigen Plenarversammlung gemäß, das Großh.
Statistische Landesamt umfassende Arbeiten gemacht, die bereits ihrem
Abschluß nahe sind.

Von dem im Jahr 1898 vollendeten ~Topographischen Wörterbuch des
Großherzogtums Baden von Krieger~ erweist sich infolge starken
Absatzes und fortdauernder Nachfrage eine ~zweite Auflage~ als
notwendig. Die Kommission beschließt die Veranstaltung einer solchen
in zwei Bänden und beauftragt den Bearbeiter mit den Vorarbeiten dazu.
-- Ferner wird die Herausgabe des fünften Bandes der ~Badischen
Biographien~, deren Fortführung die Kommission in ihrer 16.
Plenarsitzung in ihr Programm aufgenommen hat, beschlossen und die
Redaktion desselben dem bisherigen Herausgeber des Werkes, Geh. Rat Dr.
v. ~Weech~, und Archivrat Dr. ~Krieger~ übertragen. -- Zu den
Bänden 1 bis 39 der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins soll
ein ~alphabetisches Wort- und Sachregister~ ausgearbeitet werden.
Zum Zweck sorgfältiger Beratung über die Anlage und Durchführung dieser
Arbeit wird eine Subkommission eingesetzt, die ihre Vorschläge der
nächsten Plenarsitzung unterbreiten wird.

Die von der Kommission erfolgten Wahlen unterliegen noch höherer
Bestätigung.



Fußnoten:

[Fußnote 1: Stuttgarter Lit. Ver., Hans Sachs XXIII. Bd., herausgeg.
von E. Götze S. 318. »Ein gesprech in dem der dichter dem gefuersten
abt in Allerspach sein valete und leczen spruch dediciret«.]

[Fußnote 2: Im Einblattdruck des Gedichts, von dem noch weiter unten
die Rede sein wird, steht für die obenstehende sechste Verszeile zu
lesen: Endres Herneisen sein namen hat.]

[Fußnote 3: Von den verrschiedenen Schreibweisen des Namen dürfte
die hier gewählte die richtige sein; er selbst unterschreibt so, des
Öfteren mit willkürlicher Verdoppelung des »n«. Herneise = Hornisse im
Nürnbergisch-fränkischen Dialekt.]

[Fußnote 4: Für die Beihülfe zum Nachweis einer Reihe von Daten
über das Leben und Wirken des Künstlers ist der Verfasser Herrn
Kreisarchivar Dr. Bauch in Nürnberg zu lebhaftem Danke verpflichtet.]

[Fußnote 5: Ratsverl. vom J. 1562 Heft 4 fº. 6 vº. Kgl. Kreisarchiv
Nürnberg.]

[Fußnote 6: Die Originalabrechnungen S. 1. S. 134 im K. Kreisarchiv zu
Nürnberg.]

[Fußnote 7: Allerspach = Aldersbach, wornach die unrichtige Notiz
bei Goetze a. a. O. zu berichtigen ist. In Niederbayern, im Bez.-Amt
Vilshofen belegenes, ehemaliges Cisterzienserstift mit spätromanischer
Kirche. Die Malereien Herneisens sind nicht mehr vorhanden. Sie wurden
jedenfalls bei der im 18. Jahrh. erfolgten Neuausstattung der Kirche
durch die Brüder Asam beseitigt.]

[Fußnote 8: Die ältesten Porträts der Hauptschützengesellschaft
Nürnberg. Festzeitung für das XII. deutsche Bundesschießen in Nürnberg
1897. S. 155 f.]

[Fußnote 9: Die Clichés wurden dem Museum von der
Hauptschützengesellschaft Nürnberg in dankenswerter Weise zum Abdruck
überlassen.]

[Fußnote 10: Nagler, Monogrammisten I S. 352.]

[Fußnote 11: a. a. O. S. 321.]

[Fußnote 12: S. K. Woermann, Wissenschaftliches Verzeichnis der Galerie
Weber in Hamburg, S. 44 f.]

[Fußnote 13: S. Becker, Jost Amman, S. 204 ff.]

[Fußnote 14: S. Dr. Alfr. Bauch, Barbara Harscherin, vor dem Titel.]

[Fußnote 15: S. O. von Heinemann in den Grenzboten 1895. S. 168 ff.]

[Fußnote 16: A. f. K. d. V. 1855 Sp. 148.]

[Fußnote 17: Deutsches Kunstblatt 1851, S. 405.]

[Fußnote 18: S. R. Bergau, Der schöne Brunnen zu Nürnberg, Berlin 1871,
S. 19 und Wallraff, Bericht über den Entwurf zur Wiederherstellung des
schönen Brunnens, Nürnberg 1899 S. 11.]

[Fußnote 19: Die Schreibweise wurde beibehalten, nur die im Original
fast stets fehlende Interpunktion zum leichteren Verständnis beigefügt.]

[Fußnote 20: = können.]

[Fußnote 21: offenbar ist die weit kostspieligere Restauration des
Jahres 1541 gemeint.]

[Fußnote 22: wohl Schreibfehler für: mallen = malen.]

[Fußnote 23: fassen = malen, Bildhauerei mit Gold und Farben bekleiden.]

[Fußnote 24: = demütig.]

[Fußnote 25: ergötzen = entschädigen.]

[Fußnote 26: = malerei.]

[Fußnote 27: = wir.]

[Fußnote 28: = solchen.]

[Fußnote 29: = tauglich.]

[Fußnote 30: am Rand steht von Herneisens Hand dessen Name J. Adoling.]

[Fußnote 31: gemeint sind, wie aus dem Brief Nr. 3 hervorgeht, das
Geld, das er sich in Würzburg verdient hat.]

[Fußnote 32: a. a. O. S. 11.]

[Fußnote 33: Historische Blätter Nr. 5250 u. H. B. Wasserbaukunst 14.]

[Fußnote 34: Bergau a. a. O. S. 5.]

[Fußnote 35: Unterdessen hat die wirkliche, jetzt im Besitz des Herrn
Architekt Wallraff befindliche Originalzeichnung von Pencz sich
vorgefunden. S. Wallraff a. a. O. S. 9.]

[Fußnote 36: Mitgeteilt von Baader, A.f.K.d.d. Vorzeit 1870 Sp. 91f.]

[Fußnote 37: Man beachte die naive Ausdrucksweise für: es ist mir
bitter Ernst mit meiner Klage]

[Fußnote 38: = Firnis.]

[Fußnote 39: = während der Arbeit am schönen Brunnen ausreichen würde.]

[Fußnote 40: = am Schluß der Arbeit.]

[Fußnote 41: Unverständlich; vielleicht soll es Pflug heissen = Arbeit,
im Gegensatz zu der folgenden Metapher: die Mühle zu Würtzburg steht
still = in Würtzburg habe ich keine Arbeit oder kein Geld zu erwarten.]

[Fußnote 42: = zur Sprache gebracht werden, nämlich das halb
geschlagene, doppelt so dick wie das gewöhnliche Blattgold.]

[Fußnote 43: Nöten.]

[Fußnote 44: zu ergänzen = währt oder reicht.]

[Fußnote 45: = nötig ist.]

[Fußnote 46: Wetterfahne.]

[Fußnote 47: = gewollt.]

[Fußnote 48: = defendiren, verantworten.]

[Fußnote 49: Aus der angezogenen Denkschrift von Walraff und vom
Magistrat der Stadt zum Abdruck gütig überlassen.]

[Fußnote 50: vielleicht auf das Sitzen im Brunnentrog auf der Zeichnung
bezüglich.]

[Fußnote 51: = ihnen.]

[Fußnote 52: nicht verständlich, vielleicht = Büchlein etc. Goldes.]

[Fußnote 53: = hin und wieder.]

[Fußnote 54: = geflossen.]

[Fußnote 55: = dafür mit einer geringen übrigen Habe aufkommen.]

[Fußnote 56: Beindt = Peunt, Name des städtischen Bauhofes.]

[Fußnote 57: Der Brief liegt im Original von Herneisens Hand und in
einer Reinschrift mit kleinen orthographischen, grammatikalischen und
stylistischen Verbesserungen vor.]

[Fußnote 58: = Gitter.]

[Fußnote 59: Herneisen hat also beim Gitter auch wieder 48 fl. vom
ursprünglich geforderten Preis nachgelassen.]

[Fußnote 60: Der Lobspruch ist des Öfteren abgedruckt. Die hier
gegebene Stelle, nach: Waldau, Beiträge zur Geschichte der Stadt
Nürnberg III. 235.]

[Fußnote 61: Der Verfasser hofft in der Folge auf die interessante
Thätigkeit Dietterlins am Lusthausbau in einem besonderen Aufsatz
zurückkommen zu können.]

[Fußnote 62: Nach Bader, A.f.K.d.d.V. 1870 Sp. 91 f.]

[Fußnote 63: Mitt. d. germ. Mus. 1899, S. 134 f.]

[Fußnote 64: Kgl. Kreisarchiv Nürnberg, Nürnberger Totenbücher Nr.
4752. 1607-12. Pfarrei St. Sebald. 1610. »13. April. Der Kunstreich
Andreas Herneisen Flachmaler am Geyersberg.«]

[Fußnote 65: Unter den Erörterungen, welche die Arbeit veranlaßt
hat, sind von besonderem Interesse die Ausführungen von A. de Waal:
»Fibulae in Adlerform aus der Zeit der Völkerwanderung« in der
Römischen Quartalschrift XIII (1899) S. 324 ff. De Waal weist darin
auf eine der letzten Arbeiten de Rossis hin, die dieser im Bulletino
della commissione archeologica communale di Roma, 1894, S. 158-163
unter dem Titel »Fibula d’oro aquiliforme« hat erscheinen lassen. Die
beigegebene Tafel XI gibt neben der im Besitz des Germanischen Museums
befindlichen nach der genannten Publikation de Rossis noch vier weitere
Adlerfibeln größeren Umfangs wieder. Die eine derselben (Nr. 4) ist
eine der bekannten beiden aus vergoldeter Bronze gefertigten Fibeln des
Cluny-Museums, die sich in Originalgröße schon bei Charles de Linas,
Orfèvrerie mérovingienne: Les oeuvres de Saint Éloi et la verroterie
cloisonnée (Paris 1864) auf der letzten Tafel unter A abgebildet
findet. Sie wurde samt ihrem Gegenstück zu Castel bei Valence d’Agen
in Aquitanien gefunden. Zwei andere erheblich kleinere, gleichfalls
zusammengehörige und sich entsprechende Adlerfibeln (Nr. 3a und 3b
bei de Waal) wurden 1888 in einem Grabe an der Via Flaminia beim
Coemeterium Sancti Valentini, doch außerhalb seines Bezirks gefunden.
Als Nr. 1 endlich, ist auf der Tafel bei de Waal eine Adlerfibel
abgebildet, welche genau der Nürnberger Fibel entspricht, nur daß der
Kopf des Adlers statt nach rechts nach links gerichtet ist, wodurch in
der That sehr wahrscheinlich wird, daß wir in dieser Fibel das gesuchte
Gegenstück zu den unsrigen vor uns haben. „De Rossi“, so führt de Waal
aus, „erhielt die Photographie »dal fortunato possessore sig. cav. Vito
Serafini, che l’ha rinvenuta la fibia in un suo podere di vocabolo
Lagucci, parrochia di Domagnano nel territorio di S. Marino«“. „Daß
die fibula des Herrn Serafini“, fährt de Waal fort, „identisch sei
mit der dem Museum zu Budapest angebotenen, ist sehr wahrscheinlich.
Cesena und S. Marino liegen so nahe bei einander, daß die verschiedene
Ortsangabe nicht ins Gewicht fällt. Auch die Ausfindungszeit, um
1893, stimmt bei beiden überein; de Rossi bezeichnet 1894 den Fund
der Mariner als »scoperta testè avvenuta«. Wird von der Fibel, die
in Budapest angeboten wurde, gesagt, daß das Auge durch einen weißen
Stein, mit einem Granat in der Mitte gebildet sei, so zeigt ein
gleiches die Abbildung auf unserer Tafel“. Zwar sind Kopf und Hals des
Adlers hier ziemlich verdrückt, was von der in Budapest angebotenen
Fibel nicht ausdrücklich erwähnt wird, doch fällt dieser Umstand nicht
schwer ins Gewicht und werden wir das von de Rossi veröffentlichte
Stück daher vorderhand wohl als zu unserem Schmuck gehörig betrachten
dürfen. Leider bleibt auch nach de Waals schätzenswertem Hinweis der
gegenwärtige Aufbewahrungsort jener anderen Fibel zunächst noch dunkel.

Daß die Kreuze auf den mittleren Rundschildchen der Fibeln nicht
durchaus das christliche Symbol zu bedeuten brauchen, sondern an sich
ebensowohl als bedeutungslose Zierformen genommen werden könnten, wie
dies de Waal zu thun geneigt ist, versteht sich von selbst. Angesichts
der beiden Fische jedoch, die auf einer der zu dem gleichen Schmuck
gehörigen beiden schildförmigen Platten im Budapester Nationalmuseum
dargestellt sind, scheint mir die erstere Annahme, daß wir es in
der That auch in jenen Kreuzen mit dem christlichen Symbol zu thun
haben, doch nicht so gewagt und möchte ich mich nach wie vor zu dieser
Auffassung bekennen.

Ebensowenig kann ich mich mit de Rossis und de Waals Ansicht
befreunden, derzufolge Fibelpaare dieser Art als „militärischer
Gürtelschmuck“, „militärische Dekorationen der Germanen zur Zeit der
Völkerwanderung“ zu betrachten wären. Ein Schluß von den beiden kleinen
Fibeln von der Via Flaminia, die in der Gegend der Hüften des daselbst
Bestatteten gefunden wurden, auf Fibeln von der Art und Größe der
unsrigen oder ihres Gegenstücks, erscheint mir von vornherein wenig
zulässig; und wie sollte man sich, falls jene Ansicht das Richtige
träfe, die Auffindung dieses Fibelpaares zusammen mit anderem offenbar
zu dem gleichen Schmuck gehörigen weiblichen Geschmeide, wie Haarnadel,
Ohrringe, überhaupt erklären? Im übrigen fehlt es mir an dieser Stelle
leider an Raum, ausführlicher auf diese Frage einzugehen, und ich
begnüge mich deswegen damit, hier nur noch einen Abschnitt aus einem
Briefe Julius Naues, der meine Ansicht über die Bestimmung der Fibeln
teilt, wiederzugeben. Herr Dr. Naue schrieb mir am 13. März unter
anderm:

„Rossis und de Waals Ansicht, daß diese großen Fibeln als Gürtelschmuck
gedient haben sollen, kann ich nicht teilen. Wir wissen bestimmt, daß
in den fränkischen Frauengräbern, welche Abbé Cochet beschreibt, die
Fibeln von den Frauen meistens paarweise getragen wurden, und zwar
lagen sie bei den Skeletten auf der Brust, links und rechts (Cochet, La
Normandie souterraine etc. Paris 1856. S. 265); ebenso verhält es sich
in den angelsächsischen Gräbern von Fairford und Marnham-Hill (Akerman,
Remain of pagan Saxondom S. 37 und 38), und in Selzen fand Lindenschmit
(Das germanische Totenlager bei Selzen, Tafel 10 und 11) bei zwei
Frauenskeletten je ein Paar Fibeln, eine auf der Schulter, die andere
auf der Brust“.

„Auch Fausset, Inventorium Sepulcrale, edited Ch. R. Smith bestätigt,
daß die Fibeln bei den Skeletten auf der Brust lagen. -- Von Nordendorf
geben die Fundberichte leider die Lage der Fibeln nicht an, doch
ist es nach meinem Dafürhalten zweifellos, daß sie ebenfalls auf
der Brust getragen wurden, bzw. hier die Gewänder oder den Mantel
zusammenhielten“.

„Auf dem großen Mosaik in S. Vitale in Ravenna mit der Darstellung der
Kaiserin Theodora und ihren Hofdamen trägt die Kaiserin auf der rechten
und linken Brustseite je eine große, runde, mit Perlen besetzte Fibel,
während die beiden neben ihr stehenden Kämmerer auf der rechten Achsel
die Spangenfibel haben, wie die Mehrzahl der Männer auf dem gegenüber
befindlichen Mosaik des Kaisers Justinian“.

„Da unter Theoderich dem Großen und sicher auch unter seinen
Nachfolgern Vieles von den Byzantinern und Römern angenommen worden
ist, so wohl auch die Art und Weise, die Schmucksachen (also ebenfalls
die Fibeln) zu tragen“.

„In vorhistorischen Gräbern -- der Hallstattzeit -- habe ich die Fibeln
bei den Skeletten stets in der Nähe der Achseln oder auf der Brust
(links und rechts) gefunden, so die großen halbmondförmigen Bügelfibeln
mit den zwei Vögeln oben und mit den in Kettchen angehängten
Klapperblechen“.

„All dieses spricht dafür, daß die Fibeln nicht als Gürtelschmuck
verwendet worden sind“....

Allerdings schreibt dies N. noch ohne genauere Kenntnis des Aufsatzes
von de Waal; doch ergibt sich aus seinen Ausführungen zur Genüge,
daß es auch in unserm Falle näher liegt, an Frauenschmuck als an
militärischen Gürtelschmuck zu denken.]

[Fußnote 66: Katalog der Kunst-Sammlungen des ... Cavaliere Carlo
Morbio. München 1883. In Kommission bei Theodor Ackermann.]

[Fußnote 67: In den Atti e memoire della r. deputazione di storia
patria per le provincie di Romagna, III. serie, vol. V. Bologna 1887 S.
333-414.]

[Fußnote 68: Vgl. z. B. noch Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission
IV, (1859) S. 326 Fig. 6. u. S. 327. L. Lindenschmit, Handbuch der
deutschen Altertumskunde I (1880-1889) S. 474 und Taf. XXII Nr. 7, Taf.
XXX u. a. m.]

[Fußnote 69: Vergl. Dannenberg, Grundzüge der Münzkunde 2. Aufl. (1899)
S. 257.]

[Fußnote 70: Abgebildet in den Mitteilungen aus dem germanischen
Nationalmuseum I S. 105 Fig. 1-5.]

[Fußnote 71: G. Seeger, Peter Vischer der Jüngere. Leipzig A. Seemann
1897 und die Besprechung desselben durch A. Bauch in den Mitteilungen
des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. 13. Heft 1899 Seite 290.]

[Fußnote 72: Mitteilungen Bd. I, Jahrgang 1886, sowie Ortwein, Nürnberg
Taf. 14. Ferner P. J. Rée, Nürnberg. Seemann 1900. Fig. 134.]

[Fußnote 73: Ebenda Bd. II, Jahrg. 1887, Seite 34, Taf. XVI.]

[Fußnote 74: Ausführlicheres über P. Flötner in dem Exkurs zu diesem
Aufsatz.]

[Fußnote 75: C. Friedrich. Augustin Hirsvogel als Töpfer. Selbstverlag.
Nürnberg 1885.]

[Fußnote 76: S. Wellisch in »Berichte und Mitteilungen des
Altertumsvereines zu Wien« Band XXXIV. S. 71, sowie Ebenderselbe in
der Zeitschrift des Österr. Ingenieur- und Architektenvereines, Jahrg.
1899. S. 335.]

[Fußnote 77: H. Stegmann, Die Rochuskapelle zu Nürnberg. Fr. Bruckmann,
München 1885. Seite 25 ff.]

[Fußnote 78: Quellenschriften zur Kunstgeschichte X. S. 151.]

[Fußnote 79: Ratsbuch 15. Fol. 138. 139, cf. Friedrich a. a. O. p. 12.]

[Fußnote 80: Unsere Handschrift 4355, von Fuhse und Lange als
vertrauenswürdiger betrachtet, hat statt dessen: »in Model gegossen«.]

[Fußnote 81: Ortwein LIII. Blatt 44.]

[Fußnote 82: Ortwein Nürnberg, Blatt 26 und 27.]

[Fußnote 83: Ortwein Nürnberg, Bd. 1 und 2.]

[Fußnote 84: Friedrich a. a. O. 58. Abgebildet im »Kunsthandwerk«.
Herausgeg. v. Bucher und Gnauth. Spemann 1875. S. 22.]

[Fußnote 85: Röper-Bösch Taf. 9.]

[Fußnote 86: Ich kenne das Stück nur aus der Abbildung bei J.
Brinckmann. Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe. S. 296. Wir
werden ihm später nochmals begegnen.]

[Fußnote 87: Friedrich a. a. O. 58 f. -- Taf. XXXVII.]

[Fußnote 88: Es liegt mir die Absicht ferne, mit diesen Bemerkungen das
Verdienst Friedrichs schmälern zu wollen. Ihm bleibt immer das nicht
zu unterschätzende Verdienst, die sogenannten Hirsvogelkrüge endgültig
abgethan und mit Energie auf die erneute Untersuchung dieses sicher
sehr wichtigen Meisters hingewiesen zu haben. Auch ist eine Arbeit
über ein Gebiet der deutschen Renaissance, besonders in Verbindung mit
dem Kunstgewerbe stets verdienstvoll, da dies Gebiet mit Ausnahme der
Malerei seiner Schwierigkeit halber von den Kunsthistorikern ängstlich
gemieden wird.]

[Fußnote 89: Lange, P. Flötner Nr. 14, Taf. VII.]

[Fußnote 90: Lange, Nr. 11, 12, 13, 14, 16, 17, Taf. VII. Noch im 17.
Jahrhundert oft als Vorlage von Hafner benutzt, wofür die Beispiele
bei Lange, der diese beiden Öfen, da nicht publiziert und geradezu
unbekannt, nicht anführen konnte.]

[Fußnote 91: Abbildung bei Ortwein Abteil. 54. Franken Blatt 10.]

[Fußnote 92: Ortwein, Nürnberg Taf. 79, danach die Abbildung in den
Mitteil. des German. Museums, Bd. I. Jahrg. 1886, S. 257.]

[Fußnote 93: Über die Entstehung desselben vergl. K. Lamprecht, Der
Ursprung des Bürgertums und des städtischen Lebens in Deutschland.
Hist. Zeitschr. Bd. 67, pg. 385 ff.]

[Fußnote 94: Nähere Mitteilungen über die Ausgaben, die ich benützt
habe, finden sich in den Anmerkungen der ersten Sammlung.]

[Fußnote 95: Vergl. Steinhausen, a. a. O. pg. 16.]

[Fußnote 96: Geiler, Brösaml. I. fol. 94b. Auf dem Markte war ein
Standgeld und außerdem während der Messe Gebühren an das Kaufhaus
zu zahlen. Vergl. Kurt Kaser, Politische und soziale Bewegungen im
deutschen Bürgertum zu Beginn des 16. Jahrhdt. Stuttgart. 1899. pg.
119.]

[Fußnote 97: Die Abbildungen sind uns, wie die des ersten Aufsatzes
in dankenswerter Weise von der Verlagsbuchhandlung Eug. Diederichs,
Leipzig, zur Verfügung gestellt.]

[Fußnote 98: Geiler, Brösaml. I. fol. 104b.]

[Fußnote 99: Ibid. -- ]

[Fußnote 100: Vergl. z. B. die Beschreibung, die Grimmelshausen im
Simplicissimus (Halle’sche Neudrucke) pg. 470 davon macht: »Ein
Marckschreyer oder Quacksalber (welche sich selbs vornehme Aertzte,
Oculisten, Bruͤch- und Steinschneider nennen, auch ihre gute
pergamentine Briefe und Siegel darüber haben) ... wann er am offnen
Marckt mit seinem Hanß Wurst oder Hanß Supp auftritt, und auf den
ersten Schrey und phantastischen krummen Sprung seines Narrn mehr
Zulauffs und Anhoͤrer bekompt, als der eyfrigste Seelen-Hirt, der mit
allen Glocken dreymahl zusammen laͤuten lassen....«]

[Fußnote 101: Geiler, Brösaml. I. fol. 104b.]

[Fußnote 102: Grimm W.-B. III. pg. 509 führt zwar die Beziehungen zu
den Ausdrücken »blauer Dunst« und »Zeitungsente« an, gibt aber keine
eigentliche Erklärung. Die oben zitierte Stelle scheint unter einer
blauen Ente deutlich ein Kinderspielzeug zu verstehen, gibt also
den Ausgangspunkt für die Redensart: »von blauen Enten reden«, die
zuerst nur bedeutete, von Nichtigkeiten reden, und dann in eingeengter
Bedeutung geradezu den Begriff »lügen« annahm.]

[Fußnote 103: Geiler, Brösaml. I. fol. 95 b.]

[Fußnote 104: Geiler, Der seelen Paradiß. (Straßburg, Matth. Schürer
1510.) fol. 218.]

[Fußnote 105: Es ist nicht ganz klar, ob Geiler an dieser Stelle
meint, ein Priester solle nicht mit Geld sich einen Vertreter zur
Darreichung der Sakramente verschaffen, oder ob er auf die Stolgebühren
anspielen will, die so schweres Ärgernis erregten und dem Publikum
nicht anders als ein Sakramentenhandel erschienen, wie denn auch der
Reformationsprediger Joh. Eberlein von Günzburg sich darüber äußert:
»Wir verkaufen alles, Taufen, Absolution, Begräbnis, Heirat, Ein- und
Aussegnen von Kindbetterinnen .... und so geben wir entweder Ärgernis
oder wir werden Bettler.«]

[Fußnote 106: Geiler, Postill III fol. 64 b.]

[Fußnote 107: Vgl. Steinhausen a. a. O. pg. 50.]

[Fußnote 108: S. o. Jahrg. 1899, pg. 115.]

[Fußnote 109: Ibid. pag. 111.]

[Fußnote 110: Geiler, Brösaml. I. fol. 91. Vgl. auch Ibid. fol. 93b/94.]

[Fußnote 111: Ibid. II. fol. 58b. Vergl. Steinhausen a. a. O. pag.
36 u. 39 ff. J. Kamann, Aus dem Briefwechsel eines jungen Nürnberger
Kaufmanns im 16. Jahrh. Mitteilungen a.d. german. Nationalmuseum. 1894,
pg. 9 ff.]

[Fußnote 112: Geiler, Brösaml. I. fol. 90b.]

[Fußnote 113: Geiler, Narrensch. fol. 134.]

[Fußnote 114: Vergl. Steinhausen a. a. O. pg. 51 ff.]

[Fußnote 115: Geiler, Predigen teütsch. (Augsburg. H. Otmar 1510.) Fol.
112 b.]

[Fußnote 116: Opusculum de cognicione peccatorum venialium et
mortalium. (Augsburg. Joh. Froschauer 1503.) fol. d Ia.]

[Fußnote 117: Nider, a. a. O. fol. 17a.]

[Fußnote 118: Geiler, Von den ~dry marien~, wie sie vnsern heren iesum
cristum wolten salben... (Straßburg. Joh. Grüninger 1520.) Fol. 15b.]

[Fußnote 119: Nider, a. a. O. fol. 5b/6a.]

[Fußnote 120: Vgl. W. L. Schreiber, Manuel de l’amateur de la gravure
sur bois et sur métal. Nr. 1986, 2.]

[Fußnote 121: sester = ein Maß für Getränke und Frucht.]

[Fußnote 122: Nider a. a. O. fol. 5a/b.]

[Fußnote 123: Gerson a. a. O. fol. d I. b.]

[Fußnote 124: Nider a. a. O. fol. 16a.]

[Fußnote 125: Ibid. fol. 8 a.]

[Fußnote 126: Ibid. fol. 8a/b.]

[Fußnote 127: Geiler, Paradiß fol. 120.]

[Fußnote 128: Eine sehr gute Zusammenstellung hierüber gibt das oben
genannte Buch von Kurt Kaser.]

[Fußnote 129: Vgl. a. a. O. S. 379-387.]

[Fußnote 130: R. Majocchi, Le crocette auree langobardiche del civico
museo di storia patria in Pavia (Bolletino Storico Pavese, Anno II,
Fasc. III. 1894). -- S. 8 f. des Separatabdrucks dieser Arbeit,
den Herr Professor Majocchi in Pavia so liebenswürdig war, mir zur
Verfügung zu stellen, werden in den Anmerkungen noch 14 weitere
Kreuze dieser Art erwähnt, sodaß sich die Zahl der in Italien bisher
gefundenen und bekannt gewordenen Kreuze dadurch auf 95 erhöht.]

[Fußnote 131: J. Naue im Katalog der Sammlung Morbio S. 61.]

[Fußnote 132: Vergl. Orsi a. a. O. S. 413 f.]

[Fußnote 133: Vergl. E. A. Stückelberg, Langobardische Plastik. Zürich
1896. S. 88 ff.]

[Fußnote 134: Orsi S. 414. Majocchi S. 14 f. etc.]

[Fußnote 135: Vergl. Orsi S. 383 ff.]

[Fußnote 136: Vergl. Stückelberg a. a. O. S. 81 f.]

[Fußnote 137: Über Goldschmiede und den Betrieb der Goldschmiedekunst
bei den Langobarden siehe u. a. Orsi a. a. O. S. 395 ff.]

[Fußnote 138: Vgl. Stückelberg a. a. O. S. 19 f.]

[Fußnote 139: Die drei Zitate nach Stückelberg, a. a. O. S. 71 f.]

[Fußnote 140: Vgl. Orsi a. a. O. Tavola IV Nr. 5 u. 7; letzteres
Kreuz, in getreuerer Abbildung auch bei Majocchi als Nr. 2 auf der dem
Aufsatze beigegebenen Tafel.]

[Fußnote 141: Vgl. Orsi Nr. 1, 2-11, 12, 20-21, 22, 23, 25, 26, 32-45,
49, 53, 54, 56, 58-61, 69, 70.]

[Fußnote 142: Vgl. Orsi Nr. 2 11 (S. 340 f.).]

[Fußnote 143: Vgl. Orsi Nr. 53 (S. 363), Majocchi S. 19.]

[Fußnote 144: Orsi S. 409 f.]

[Fußnote 145: Majocchi S. 26.]

[Fußnote 146: Majocchi S. 21.]

[Fußnote 147: Anderer Meinung scheint Wolfg. M. Schmid, Eine
Goldschmiedeschule in Regensburg um das Jahr 1000 (München 1893) S. 16.
Er sagt von dem Filigran am Deckel des Codex aureus: »Der Faden ist von
feinster Ausführung; ~denn~ auch die kleinste Perle desselben zeigt um
ihren Aequator einen Schnitt, der oft nur mit dem Vergrößerungsglas
sichtbar wird«.]

[Fußnote 148: Abbildung bei E. aus’m Weerth, Das Siegeskreuz etc. (Bonn
1866) Taf. I.]

[Fußnote 149: Abbildung bei E. aus’m Weerth, Kunstdenkmäler des
christlichen Mittelalters in den Rheinlanden Taf. LV.]

[Fußnote 150: Abgebildet bei Labarte, Histoire des arts industriels, I.
Bd. Tafel XXX. Das Gebetbuch befindet sich jetzt im Louvre-Museum.]

[Fußnote 151: Abbildung bei Aus’m Weerth, Siegeskreuz S. 16.]

[Fußnote 152: Nicht unerwähnt will ich lassen, daß Herr Prälat
Schneider in Mainz, dieser vorzügliche Kenner kirchlicher Altertümer,
das Kreuz für eine griechische, d. h. byzantinische Goldschmiedearbeit
hält.]

[Fußnote 153: Vgl. Bock, Karls des Großen Pfalzkapelle und ihre
Kunstschätze 1, 54 ff. Aus’m Weerth, Kunstdenkmäler S. 94 und Taf.
XXXIV.]

[Fußnote 154: Aus’m Weerth, Kunstdenkmäler Tafel XXIV, XXV Nr. 4.
Clemen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz II, 3. S. 45, Nr. 4.]

[Fußnote 155: Abbildung bei Aus’m Weerth, Kunstdenkmäler Tafel XLVI Nr.
2b.]

[Fußnote 156: Abbildung bei Didron, Annales archéologiques XX, 264.]

[Fußnote 157: Vgl. Andresen, Der deutsche Peintre-Graveur etc. V. Bd.
S. 4 ff.]

[Fußnote 158: Nagler, Künstlerlexikon Bd. XXI S. 192 f. Monogrammisten
III. Bd. S. 146 (Nr. 470).]

[Fußnote 159: a. a. O. S. 1 ff.]

[Fußnote 160: Blatt 136b der genannten Handschrift.]

[Fußnote 161: Bl. 98b wird von Hasdrubal Rosenthaler, der wegen
zahlreicher Betrügereien gegen seine Herren, die Fürleger, von 1583 an
mehr denn 20 Jahre auf dem Fröschturm gefangen saß, gesagt: »yetziger
zeitt aber, 1614, wohnet Er vff dem Diellinghoff inn seins Vatern
Behaussung« ... etc.]

[Fußnote 162: Andresen, Peintre-Graveur Bd. IV S. 331 ff. Vgl. auch
Nagler, Künstlerlexikon XXI, S. 193 ff.]

[Fußnote 163: Andr. Nr. 2: Nürnberg von Osten, nach Lorenz Strauch.]

[Fußnote 164: Andr. Nr. 3: Die vortreffliche Wappenfolge.]

[Fußnote 165: Andr. Nr. 4: Die große aus neun Blättern bestehende
Ansicht von Prag; Andr. Nr. 5: Die streitende Kirche Christi und Andr.
Nr. 7: Das Religionsgespräch zu Regensburg 1601.]

[Fußnote 166: Vgl. Nagler a. a. O. S. 193 f., Andresen a. a. O. S. 331
f.]

[Fußnote 167: In Betracht kommen könnten auch die Nummern 1325
und 1347, bei denen sich das Merkzeichen ebenfalls aus H und B
zusammensetzt. Zeitlich scheinen sie indessen weniger zu entsprechen.
Hieronymus Bang mag um 1590 Meister geworden sein. 1587 wird er in den
Ratsverlässen noch »Goldschmiedsgeselle« genannt.]

[Fußnote 168: in = an, ungefähr.]

[Fußnote 169: Von hier an bis m. p̅r̅i̅a̅ eigenhändige Unterschrift des
Kurfürsten.]

[Fußnote 170: Vattern = Schwiegervater; Muetter = Schwiegermutter.
Maximilian war in zweiter Ehe vermählt mit Maria Anna, Tochter
Ferdinands II. und der Kaiserin Maria Anna, geborenen Prinzessin von
Bayern.]

[Fußnote 171: Erste Gemahlin Ferdinands III., Maria Anna, Schwester
Philipps IV. von Spanien.]

[Fußnote 172: Von hier an eigenhändige Unterschrift.]

[Fußnote 173: Vgl. F. Luthmer: Der Schatz des Freiherrn Karl v.
Rothschild. Meisterwerke alter Goldschmiedekunst, Bd. II Taf. 50.]

[Fußnote 174: Vgl. Quirin v. Leitner: Die hervorragendsten Kunstwerke
der Schatzkammer des österreichischen Kaiserhauses. Wien 1870-73. Taf.
12 u. bes. 13.]

[Fußnote 175: Vgl. die Anhänger bei Marc Rosenberg: Die Kunstkammer im
Großherzogl. Residenzschlosse zu Karlsruhe. 1892. Taf. 6.]

[Fußnote 176: Vergl. J. Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer ^4 I, S.
268/9, wo die weiteren Angaben nachzulesen sind.]

[Fußnote 177: E. L. Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch im Spiegel
der heidnischen Vorzeit. Berlin 1867 II, S. 113.]

[Fußnote 178: Drucke und Holzschnitte des 15. und 16. Jahrhunderts in
getreuer Nachbildung. II. Gedichte vom Hausrat aus dem 15. und 16.
Jahrhundert. In Facsimiledruck herausgegeben. Mit einer Einleitung von
Dr. Th. Hampe. Straßburg. Heitz. 1899. Ich citiere nach dieser Ausgabe.]

[Fußnote 179: In kleinerem Maßstabe abgebildet bei Hampe, a. a. O. S.
16.]

[Fußnote 180: Das Nähere darüber siehe Hampe, a. a. O. S. 9.]

[Fußnote 181: Abgebildet in G. Hirth, Kulturgeschichtliches Bilderbuch
III Nr. 1195.]

[Fußnote 182: Mit diesen Buchstaben werde ich künftig die einzelnen
Dockenhäuser zitieren.]

[Fußnote 183: Wie ich höre, wird demnächst in Velhagen & Klasings
Monatsheften eine Abbildung des Hauses erscheinen.]

[Fußnote 184: Über die Einrichtung vgl. Boesch, a. a. O.]

[Fußnote 185: Aufnahmen der Kapelle mit sorgfältigen Detailzeichnungen
hat der akademische Architektenverein des Karlsruher Polytechnikums
unter Leitung von Professor Weinbrenner gemacht und 1884 herausgegeben.
Vgl. auch die schöne Abhandlung von Robert Vischer in seinen Studien
zur Kunstgeschichte S. 583 ff.]

[Fußnote 186: Vgl. meinen Aufsatz: Zur Narrenliteratur des 16.
Jahrhunderts. »Mitteilungen«. 1898. S. 133 ff.]

[Fußnote 187: Vgl. Grimm, W. B. VI, 139: »landsknecht, ein Kartenspiel,
das in landsknechtkreisen aufgekommen«. Nach obiger Stelle scheint
die Dauer jenes Spieles in der Volkssprache scherzhaft als Zeitmaß
gebraucht zu sein, eine Wortverwendung, die Grimm a. a. O. nicht kennt.]

[Fußnote 188: G. Hoet, Catalogus. Haag 1752. D. I. S. 131 ff.]

[Fußnote 189: cav. Piancastelli in L’Arte 1898, Maggio-Giugno, domande
e risposte.]

[Fußnote 190: Herrn Böhler bin ich für verschiedene bereitwilligst
gemachte Angaben zu Dank verpflichtet.]

[Fußnote 191: Il microcosmo della pittura. Cesena 1657. S. 142 »una
grande historia in quadro assai capace, e molto ben conservata«. --
Piancastelli a. a. O.]

[Fußnote 192: In desen tyt had men de maniere te makē groote doecken
met groote belden in, die men gebruyckte om Camers mede te behangen
als met Tapytserye, en waren van Ey -- verwe oft Lym -- verwe ghedaen.
-- Van Mander, Schilderboeck 1604. fol. 203, het leven van Rogier van
Brugghe.]

[Fußnote 193: B. 18 und 24, 25; für das Abschneiden der Baumkronen B.
39 und 78.]

[Fußnote 194: Man vergleiche diesen fast sentimentalen Moseskopf mit
dem gewaltig festen von Claux Sluters Mosesbrunnen in Dijon, dem 100
Jahre früher geschaffenen Werk eines Künstlers holländischer Herkunft!]

[Fußnote 195: Van Mander sah in dem -- jetzt zugrunde gegangenen --
obersten Teil der Außenseiten der Flügel dieses Bildes das Datum 1531.]

[Fußnote 196: Über die Datierung dieses Werkes schrieb ich in meinem
Aufsatz »Das jüngste Gericht des Lucas van Leyden« im Repertorium für
Kunstwissenschaft. XXII, 1.]

[Fußnote 197: Vgl. Grimm. W. B. IV, 1074; Dieffenbach, Glossarium
latino-germanicum S. 241 a; Du Cange III, 332b, _foculare: idem
quod focus, locus ubi ignis asservatur, vel domus ipsa._ Über
den indogermanischen Herd vgl. O. Schrader, Reallexikon der
indogermanischen Altertumskunde. Straßburg. K. J. Trübner 1901. I.
Halbbd. S. 367 ff.]

[Fußnote 198: Zum Teil mag dieser saubere Anstrich auch auf das Muster
der Prangküchen zurückzuführen sein. Dieselben waren übrigens nicht
etwa nur in Nürnberg üblich, wie in P. J. Marperger, »Vollständiges
Küch- und Keller-Dictionarium ...« Hamburg. Benj. Schillers Wwe. 1716
folgende Stelle auf S. 671 beweist: »_Eine Prunck- oder Prang-Küche
nennet man die, in welcher alles Zinn- Meszing- und Eiserne
Küchen-Geräth in schönster Ordnung, blanck gescheuret, gefeget und
poliret stehet, die Feuer-Heerde sauber angestrichen, und welche
fast niemahls oder wenig gebrauchet, oder doch so einmahl darin
gekochet worden, solche gleich wieder gesaubert und aufgewaschen wird.
Dergleichen Küchen findet man in Holland und Teutschland sehr viel,
da sich manche Haus-Frau sehr piquiret, eine solche propre und mit
allerhand zu einer vollkommenen Küchen erforderten Küchen-Geräth (auch
selbst das Porcelain nicht ausgeschlossen) wohl versehene Küche zu
haben, und solche denen, die sie besuchen, aufzuweisen; Dabey sie dann
eine andere kleine und zum täglichen Gebrauch gewidmete Neben-Küche
haben, damit die Prang-Küche nur immer in ihrem Esse bleiben möge._«]

[Fußnote 199: »_Wickilstein_« ist auch als Ortsname bezeugt: Graff,
Ahd. Sprachschatz I, 708. Zur Erklärung dieses Namens will Förstemann,
Ad. Namenbuch ^2 II, 1585 an eine Kom-Position mit _wig bellum_ denken.
Sollte nicht vielmehr eine solche mit ahd. _wîh_, goth. _veihs sacer_
anzunehmen sein?]

[Fußnote 200: _brantert_ = Bezeichnung für Feuerbock.]

[Fußnote 201: Wenn Meringer, Mitt. d. Anthrop. Ges. Wien. XXIII, S.
177 sagt: »_man erzählt mir, daß man in Krain einen Feuerbock für
kleines Holz auf den Herd setzt, längere Scheiter aber über zwei
Böcke legt. Das letztere sieht man bei Schultz (Fig. 115) nach einem
altniederländischen Gemälde des Leipziger Museums_«, so trifft diese
letztere Bemerkung nicht zu. Auf dem betreffenden Bilde »Liebeszauber«
ist nur ein Feuerbock zu sehen.]

[Fußnote 202: Den Ausdruck »Eigenbrätler«, den ich z. B. bei
Hottenroth, Deutsche Volkstrachten I, S. 88 finde, in diesem
Zusammenhange zu verwerten, trage ich deshalb Bedenken, weil bei
Grimm, W. B. III, 97 steht: »_Eigenbrötler, m. qui rem familiarem
ipse curat_.« Diese letztere Form würde sich als eine Komposition mit
_-brot_ darstellen.]

[Fußnote 203: Vgl. Nrn. 56, 86, 87, 94, 95.]

[Fußnote 204: Vergl. Mitteilungen der Anthropolog. Gesellschaft in
Wien. XXX. (1900.) S. 6b.]

[Fußnote 205: Mit Ofenblech nicht zu verwechseln sind die »~Ofeneisen~«
(vgl. Tucher, a. a. O. 86. »_dem stathafner . . . für ofeneiszen zu
vernewen_«) Grimm, W. B. VII, 1159 erklärt sie gleich »Ofenanker«
als »_eiserne Schiene, die die steine oder kacheln des ofens
zusammenhält_«.]

[Fußnote 206: Vgl. Bancalari a. a. O. S. 6b/7a.]

[Fußnote 207: Vgl. Heyne, a. a. O. S. 167.]

[Fußnote 208: L. Diefenbach a. a. O. S. 298a. Ibid. 93a _caminus rauch
lach_, 251c _fumigale rauchfankch_ Grimm. W. B. VIII, 248 _fagunale_.]

[Fußnote 209: Heyne a. a. O. S. 120/1.]

[Fußnote 210: Grimm, W. B. VII, 1162 gibt meines Erachtens jenen
Dichterstellen eine falsche Auslegung. Dort bedeutet das »Ofenrohr«
weder »_rohr in einem Ofen (zum braten oder warm halten)_« wie in
einer von Grimm angeführten Stelle aus Hebel’s Werken, noch »_rohr zum
anblasen des feuers im ofen_«, sondern nur »_rauchrohr eines ofens_«.]

[Fußnote 211: Vgl. Heyne, a. a. O. S. 121. Marperger, a. a. O. S. 686.
Du Cange III, 760 _Ignitabulum, Ignis receptaculum_. Dieffenbach 65a
_Bacilla kolpfanne_. Vergl. H. A. Müller u. O. Mothes, Illustriertes
Archäologisches Wörterbuch der Kunst des germanischen Altertums, des
Mittelalters und der Renaissance. Die Artikel »Kohlenbecken« (mit
Abbildung) und »Handwärmer«.]

[Fußnote 212: Grimm, W. B. IV, 121 unter »Hafen«.]

[Fußnote 213: Vgl. H. Havard, Dictionnaire de l’ameublement et de
la décoration depuis le XIII^e siècle jusqu’à nos jours. Artikel:
»réchaud« (mit Abbildungen).]

[Fußnote 214: Marperger a. a. O. S. 685; Du Cange III, 332;
Dieffenbach, 565a; 241a. _focular efoͤcher vel plaspalck_. S. o. S.
165. Müller & Mothes, a. a. O. S. 561. Art. »Kamingerät«. Dieffenbach
237b. Du Cange III, 313c. Hans Paur a. a. O., Abt. 7.]

[Fußnote 215: Abgebildet bei Müller & Mothes, Illustriertes
Archäologisches Wörterbuch der Kunst des germanischen Altertums, des
Mittelalters und der Renaissance I, S. 124. Fig. 98. Vgl. auch ~Thom.
Wright~, The homes of other days. London 1871. Fig. 107. (14. Jahrh.
British Museum. M. S. Reg. 10. E. IV.) Dazu S. 163: »_the cook makes
use of a pair of bellows, which bears a remarkably close resemblance
to the similar articles made in modern times_.« Bei Hans Paur a. a. O.
Abt. 24. ein Wedel mit Öse zum Anhängen.]

[Fußnote 216: Marperger S. 685. Du Cange I, 623. _batillum (vel
batilus): thuribulum, pala, ferrum quo colliguntur carbones._ I, 625.
_batulus: sunt autem batilli ferrea instrumenta, palae similitudine,
quibus prunae in fornacibus colliguntur._ V, 15. _pala instrumentum
coquinarium, batillum._ Dieffenbach 65a. _bacilla (est pala ferrea) ein
ysen-schuffel._ 298a. _infurnibulum._ 405c _pala_.]

[Fußnote 217: Marperger S. 685. Dieffenbach 242b. Müller & Mothes a. a.
O. S. 561. Art. »Kamingeräth«. Du Cange VI. 503a, 532c. Hans Paur a. a.
O., Abt. 7.]

[Fußnote 218: Grimm, W. B. III, 1594. _hamus igni alendo suscitando
fiurhâke_.]

[Fußnote 219: Heyne a. a. O. S. 171. Anm. 73. Grimm. W. B. VII, 1161.
Dieffenbach. 591a. _tractula, instrumentum cum quo trahitur ignis de
fornace. Idem fornaculum vel fornalium. ofenkrucken._ 504c. _rutabulum
ofenkruck_, womit Dieff. 369a _morungum rurscheyt_ in Zusammenhang
bringt.]

[Fußnote 220: Mitteilungen der Anthrop. Ges. Wien XXX, 10a.]

[Fußnote 221: Ibid. 3a.]

[Fußnote 222: Dieffenbach 500c. _rotabulum eyn vorck, cum qua ignis
mouetur in fornace_. Hans Paur a. a. O., Abt. 7.]

[Fußnote 223: Ibid. 34a _audena feurhundt vel ofengabel_.]

[Fußnote 224: Dieffenbach 493a. _repofocillum, retropophinum,
vurstulppe, fuerstolpp, feur-hall vel -loch, id quod ponitur super
ignem de nocle, vuyrdecksel des nachtes._ Fraglich ob die Bezeichnungen
für Feuerschirm: _anticipa_, _antipirium_, _umbella_ auch für den
Stülp gebraucht sind. Dieff. 38 a. _anticipa, antipirium furschirm,
schirmbret vor dem feur_. Du Cange I, 305 b. _antipirgium. Gall. Ecran,
umbella, qua ante ignem utuntur_. Marperger a. a. O. 685.]

[Fußnote 225: Vgl. Bancalari a. a. O. S. 3 a.]

[Fußnote 226: Grimm W. B. I, 1614. Dieffenbach 613 c. Hans Paur a. a.
O. Abt. 8.]

[Fußnote 227: Vgl. Dieffenbach 519 c. _scopetum eyn beszemplatz_.]

[Fußnote 228: Grimm W. B. III, 1747.]

[Fußnote 229: Marperger a. a. O. S. 686. Dieffenbach 422 c.
_penicellum, genus spungiae ad tergendos humores et scutellas, wadel,
keerwisch_.]

[Fußnote 230: Mitt. d. Anthrop. Ges. Wien. XXII, 106.]

[Fußnote 231: Vgl. Ibid. XXI, 144, 146. Abb. 181. (römischer Feuerbock)
XXIII, 177.]

[Fußnote 232: Mitteilungen der prähistorischen Kommission d. Ak. d.
Wiss. Wien I, Nr. 3 (1893).]

[Fußnote 233: Mitt. d. Anthrop. Ges. Wien. XXI, 148.]

[Fußnote 234: Ibid. S. 137 b.]

[Fußnote 235: Du Cange I, 250. Art. »andena«.]

[Fußnote 236: Ibid.]

[Fußnote 237: Mitt. d. Anthrop. Ges. Wien. XXI, 152.]

[Fußnote 238: Ibid. S. 135.]

[Fußnote 239: Ibid. XXX, S. 3b.]

[Fußnote 240: Dieffenbach 34 a _andena, brantraite, -ruthe,
brandeisen._ 204 a _epigergium prantreyt, eyn windeysern, herdram_.
Marperger S. 685. _Brandruthen canteriolus, focarius._ Grimm W. B. II,
297 sagt etwas unklar: »_Brandbock, craticula, eiserner Rost, auf dem
die brände liegen, was ahd. prantreita, mlat. andena hiesz._« Unter
»Bock« findet sich dann allerdings eine zutreffende Beschreibung.
Schmeller giebt leider nichts, weder unter »Bock« noch unter »Roß«. --
Ähnliche Bezeichnungen finden sich in England. Vgl. Wright a. a. O. S.
450: »the iron dogs, or andirons, that supported the fuel. It may be
observed that these latter, in the North of England and in some other
parts, were called cobirons.«]

[Fußnote 241: Dieffenbach 34 a, 204 a _incipiendium, fulcrum focarium,
andena, ferrum quod sustinet ignem._ 575 a _ledale, tedarium, tedifera,
ferrum, super quo ponuntur ligna in foco._ Du Cange. I, 761. II, 55.
_Caminale, fulcrum focarium. Gall. chenet, cujus usus est in caminis.
Inventar. M. S. bonorum Joan. de Madathano ann. 1450. Item plus duo
caminalia ferri ponderis quadraginta librarum._ II, 324 b. II, 328.
III, 792 b. III, 900 a. _ipopigerium._ IV, 927 a. _ypopyrgium._ IV,
115 a/b. IV, 23 c. VI, 655 c. _Inventar, ann. 1476 ex Tabul. Flamar.
»Item plus in camino ignis ejusdem aulae duos canes sive Tresseti ferri
ponderis viginti librarum ferri ad communem extimationem._« Müller &
Mothes, a. a. O. 561. Art. »Kamingeräth«. Heyne, a. a. O. S. 243. Anm.
114.]

[Fußnote 242: Auch das Hausratblatt des Hanns Paur (Schultz a. a. O.)
hat keinen Feuerbock!]

[Fußnote 243: a. a. O. S. 138 (Heyne S. 243. Anm. 114, zitiert
versehentlich: 133.)]

[Fußnote 244: Muratori, Script. Ital. XI, Sp. 26.]

[Fußnote 245: Mone, Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrh. III, 255. --
Vgl. auch Wright, a. a. O. S. 450 ff.]

[Fußnote 246: Vgl. Wright a. a. O. Fig. Nrr. 249, 268, 296.]

[Fußnote 247: Von August Schmarsow über die Bildwerke des Naumburger
Domes, von Arthur Weese über die Bamberger Domskulpturen.]

[Fußnote 248: ~A. Sach~: Hans Brüggemann und seine Werke (1896) und:
~Eduard Tönnies~: Leben und Werke des Würzburger Bildschnitzers Tilmann
Riemenschneider 1468-1531. (1900.)]

[Fußnote 249: ~Franz v. Reber~: Hans Multscher von Ulm. --
Sitzungsberichte der kgl. bayr. Akademie der Wissenschaften. Jahrg.
1898, Bd. 2, S. 1-68.]

[Fußnote 250: F. v. Reber, a. a. O. S. 68.]

[Fußnote 251: Herr Direktor v. Bezold teilt mir mit, daß sich eine
Holzstatue aus dem 15. Jahrhundert im ~Louvre~ durch einen ähnlichen
kreuzförmigen Einsatz auf dem Lendner auszeichnet.]

[Fußnote 252: ~Friedrich Hottenroth~: Trachten, Haus-, Feld- und
Kriegsgerätschaften der Völker alter und neuer Zeit. Stuttgart 1891.
II. Band. S. 77.]

[Fußnote 253: Ich zitiere nach der deutschen Übersetzung der
»böhmischen Chronika Wenceslai Hagecii« von Johann Sandel aus dem Jahre
1596.]

[Fußnote 254: und der Gudela v. Holtzhausen († 1371). -- Abgebildet bei
~Hefner-Alteneck~: Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften vom frühen
Mittelalter bis Ende des 18. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. 1883. Taf.
201.]

[Fußnote 255: ~Joseph Neuwirth~: Forschungen zur Kunstgeschichte
Böhmens. II. Der Bildercyklus des Luxemburger Stammbaumes aus
Karlstein. Prag 1897 und I. Mittelalterliche Wandgemälde und
Tafelbilder der Burg Karlstein in Böhmen. Prag 1896.]

[Fußnote 256: Abgebildet bei Hefner-Alteneck a. a. O., Band III, auf
Taf. 215.]

[Fußnote 257: Hottenroth a. a. O. S. 85.]

[Fußnote 258: Abgebildet bei Hefner-Alteneck a. a. O., Bd. IV, auf
Taf. 229.]

[Fußnote 259: »Deutsches Leben im 14. und 15. Jahrhundert.«
Familienausgabe. Zweiter Halbband. Wien. 1892. S. 249 ff.]

[Fußnote 260: a. a. O.]

[Fußnote 261: a. a. O. Band IV, auf den Tafeln 240, 249 und 237.]

[Fußnote 262: Abgebildet in A. von Heyden’s Blättern f. Kostümkunde.
Neue Folge, zweiter Band. 93 Blatt.]

[Fußnote 263: Abgebildet bei ~W. Lübke~: »Geschichte der
Plastik«. 3. Aufl. Leipzig 1880. S. 509.]

[Fußnote 264: Aus dem 15. Jahrhundert.]

[Fußnote 265: Ich wurde durch eine gütige Mitteilung des Herrn
Direktors ~Bösch~ auf sie aufmerksam gemacht. -- Eine Notiz im
»Chronicum Nordgaviense« des Johann Braun (Germ. Museum. Handschrift
7172, S. 113) besagt, daß der Rat der Stadt Sulzbach die Statue im
ersten Drittel des 17. Jahrhunderts »renovieren« ließ. Man wird sie
damals neu bemalt und vergoldet haben.]

[Fußnote 266: Vgl. ~Bode~: Geschichte der deutschen Plastik.
Berlin, 1887. S. 94 fg. Daselbst Abbildung. -- Ein Gipsabguß des
Bildwerks im Germ. Museum. -- Dazu vgl. »Beschreibung der Bildwerke der
christlichen Epoche«. Berlin 1888. S. 86.]

[Fußnote 267: Der Kopf des Gottfried von Bouillon ist -- trotz Bergau
-- zweifellos alt; neu (von 1824) ist nur der untere Teil der Statue,
vom Knie abwärts. -- Wie viel besser passen übrigens die drei Nägel an
dem Barett der Berliner Statue zu einem Herzog und Beschützer des hl.
Grabes als zu einem deutschen Kaiser, an dessen Krone sich niemals drei
Nägel in der Art befanden. Die unter den verschollenen Reichsreliquien
aufgeführte und oft abgebildete hl. Lanze umschließt nur einen Nagel
und der schmale eiserne Reif der lombardischen Krone, angeblich aus
einem Nagel vom Kreuz Christi hergestellt, kommt nach außen gar nicht
zum Vorschein, so daß Bode’s Deutung auf ein Kaiserbildnis auch
hiernach unhaltbar ist.]

[Fußnote 268: ~Berthold Riehl~: Sanct Michael und Sanct Georg in
der bildenden Kunst. München 1883. S. 49.]

[Fußnote 269: Nach Gg. Hager, in der Zeitschrift »Das Bayerland« 1895,
S. 437 ist sie nur eine Stiftung des Herzogs Christoph.]

[Fußnote 270: »Ein mittelalterlicher Alpenkünstler« in der »Deutschen
Rundschau,« Bd. 92. (1897.) S. 426.]

[Fußnote 271: Vgl. ἑρμηνεία τη̄ς Ζωγραφικῆ (ed.
Didron-Schäfer, 1855, S. 374) und die Georgsdarstellung bei Donatello
und den meisten Künstlern.]

[Fußnote 272: Abgebildet bei Hefner-Alteneck a. a. O., Band III, auf
Taf. 126.]

[Fußnote 273: Mit diesen Nummern sind sie im VI. Band der Kataloge des
bayr. Nationalmuseums aufgeführt und daselbst auch abgebildet.]

[Fußnote 274: Die Wandgemälde in der Burg zu Neuhaus behandelte ~J.
E. Wocel~, (Wien 1859), die Fresken in Padua am eingehendsten ~P.
Schubring~. (Altichiero und seine Schule. Leipzig, 1898. S. 48 ff.
u. bes. S. 75, 76.)]

[Fußnote 275: Vgl. ~Bode~: Geschichte der deutschen Plastik. S.
89, 90.]

[Fußnote 276: ~G. v. Bezold~ und Dr. ~B. Riehl~: Die
Kunstdenkmale des Regierungsbezirkes Oberbayern. Tafel 112.]

[Fußnote 277: Nr. 482 im VI. Band der Kataloge des Museums. Abbildung
ebenda auf Taf. VIII.]

[Fußnote 278: Nr. 522 im VI. Band der Kataloge; gleichfalls abgebildet
auf Taf. VIII.]

[Fußnote 279: Direktor Dr. H. Graf.]

[Fußnote 280: »Kunsthistorische Gesellschaft für photographische
Publikationen« unter Leitung von A. Schmarsow und A. Bayersdorfer. IV.
Jahrg. 1898. Taf. 18.]

[Fußnote 281: Abgebildet auf Tafel XVIII und Tafel XIV des Katalogs.
(VI. Band.)]

[Fußnote 282: Vgl. Bode: Geschichte der deutschen Plastik. S. 197 und
~Dr. P. Albert~ Kuhn: Allgemeine Kunstgeschichte. 16. Lief. 1898.]

[Fußnote 283: Vgl. »Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort
und Bild. Oberösterreich und Salzburg.« Wien 1889. S. 233.]

[Fußnote 284: »Zeitschrift für bildende Kunst«. Neue Folge. 6. Jahrg.
1895. S. 26. -- Da die inzwischen von Stiassny wiederholt
angekündigte Lichtdruck-Publikation des Hochaltars von St. Wolfgang, in
deren Text er auch über dieses Schnitzwerk eingehender handeln wollte,
immer noch nicht erschienen ist, kann sich mein Urteil über dasselbe
leider nur auf die a. o. O. gegebene Abbildung desselben (Autotypie)
gründen.]

[Fußnote 285: Die Kunstdenkmale des Königreiches Bayern. Erster Band;
bearbeitet von ~G. v. Bezold~ u. Dr. ~Berth. Riehl~ a. a.
O. und »Zeitschrift des bayrischen Kunst-Gewerbe-Vereins in München.«
Jahrgang 1890. S. 62.]

[Fußnote 286: Es kann dies nicht befremden, wenn man bedenkt, daß im
Verhältnis zu der großen Anzahl von Denkmälern nur für äußerst wenige
Werke der Meister bisher bestimmt werden konnte. So haben wir selbst in
Michael Pacher, nach Stiassny, den Bildschnitzer des Wolfganger Altars
nicht zu sehen. Friedrich Herlin ist, der Ansicht von Haack in seiner
Erlanger Habilitationsschrift -- S. 21 u. 32 -- zufolge, wohl auch
nicht Holzschnitzer; bei Lukas Moser und Joh. Schühlein ist die Frage
gleichfalls noch offen und selbst Meister so bedeutender Werke, wie des
Blaubeurener und Heilbronner Altars oder der Statuen in Blutenburg bei
München vermögen wir nicht mit Namen zu nennen. Und wie viel besser
steht es mit der Autorenfrage bei den Werken der Steinplastik?]

[Fußnote 287: Dr. Albert Kuhn a. a. O. S. 434.]

[Fußnote 288: Das andere Hauptgebiet der Holzbildnerei (die baltischen
Küstenländer) kommt hier zweifellos nicht in Betracht.]

[Fußnote 289: Julius Böhler, München.]

[Fußnote 290: Robert Stiassny in der »Deutschen Rundschau« a. a. O. S.
415.]

[Fußnote 291: Vgl. Georg Seeger: Peter Vischer der Jüngere. J. D.
Leipzig 1897, woselbst die vorangegangenen Untersuchungen von Rettberg,
Dr. H. Stegmann und die den Ausschlag gebende von Direktor v. Bezold
zusammengefaßt sind. (S. 132-140.)]

[Fußnote 292: Nach dem Abschluß dieser Arbeit stellte Herr Direktor
v. Bezold mir gütigst einen Brief des Herrn Prof. Dr. Neuwirth zur
Verfügung, aus welchem ich ersehe, daß dieser gründlichste Kenner
böhmischer Kunst annimmt, der Meister unsers hl. Georg habe böhmische
Werke gekannt und sich vielleicht teilweise nach und an ihnen
gebildet, daß die Statue aber ~nicht~ für »~böhmisch~« d. h. in Böhmen
entstanden, sondern für ~oberösterreichisch~ oder ~salzburgisch~ zu
halten sei.]





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