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Title: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand: Ein Schauspiel
Author: Goethe, Johann Wolfgang von
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand: Ein Schauspiel" ***


Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand
Ein Schauspiel

Johann Wolfgang Goethe



Inhalt

Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Fünfter Akt



Personen:

Kaiser Maximilian
Götz von Berlichingen
Elisabeth, seine Frau
Maria, seine Schwester
Karl, sein Söhnchen
Georg, sein Bube
Bischof von Bamberg
Weislingen, Adelheid von Walldorf, Liebetraut an des Bischofs Hofe
Abt von Fulda
Olearius, beider Rechte Doktor
Bruder Martin
Hans von Selbitz
Franz von Sickingen
Lerse
Franz, Weislingens Bube
Kammerfräulein der Adelheid
Metzler, Sievers, Link, Kohl, Wild, Anführer der rebellischen Bauern
Hoffrauen, Hofleute, am Bambergschen Hofe
Kaiserliche Räte
Ratsherrn von Heilbronn
Richter des heimlichen Gerichts
Zwei Nürnberger Kaufleute
Max Stumpf, Pfalzgräflicher Diener
Ein Unbekannter
Brautvater und Bräutigam, Bauern
Berlichingsche, Weislingsche, Bambergsche Reiter
Hauptleute, Offiziere, Knechte von der Reichsarmee
Schenkwirt
Gerichtsdiener
Heilbronner Bürger
Stadtwache
Gefängniswärter
Bauern
Zigeunerhauptmann
Zigeuner, Zigeunerinnen



Erster Akt



I. Akt, Szene 1



Schwarzenberg in Franken Herberge

Metzler, Sievers am Tische.  Zwei Reitersknechte beim Feuer.  Wirt.

Sievers.  Hänsel, noch ein Glas Branntwein, und meß christlich.

Wirt.  Du bist der Nimmersatt.

Metzler (leise zu Sievers).  Erzähl das noch einmal vom Berlichingen!
Die Bamberger dort ärgern sich, sie möchten schwarz werden.

Sievers.  Bamberger?  Was tun die hier?

Metzler.  Der Weislingen ist oben auf'm Schloß beim Herrn Grafen schon
zwei Tage; dem haben sie das Gleit geben.  Ich weiß nicht, wo er
herkommt; sie warten auf ihn; er geht zurück nach Bamberg.

Sievers.  Wer ist der Weislingen?

Metzler.  Des Bischofs rechte Hand, ein gewaltiger Herr, der dem Götz
auch auf'n Dienst lauert.

Sievers.  Er mag sich in acht nehmen.

Metzler (leise).  Nur immer zu!  (Laut.) Seit wann hat denn der Götz
wieder Händel mit dem Bischof von Bamberg?  Es hieß ja, alles wäre
vertragen und geschlichtet.

Sievers.  Ja, vertrag du mit den Pfaffen!  Wie der Bischof sah, er
richt nichts aus und zieht immer den kürzern, kroch er zum Kreuz und
war geschäftig, daß der Vergleich zustand käm.  Und der getreuherzige
Berlichingen gab unerhört nach, wie er immer tut, wenn er im Vorteil
ist.

Metzler.  Gott erhalt ihn!  Ein rechtschaffener Herr!

Sievers.  Nun denk, ist das nicht schändlich?  Da werfen sie ihm einen
Buben nieder, da er sich nichts weniger versieht.  Wird sie aber schon
wieder dafür lausen!

Metzler.  Es ist doch dumm, daß ihm der letzte Streich mißglückt ist!
Er wird sich garstig erbost haben.

Sievers.  Ich glaub nicht, daß ihn lang was so verdrossen hat.  Denk
auch: alles war aufs genaueste verkundschaft, wann der Bischof aus dem
Bad käm, mit wieviel Reitern, welchen Weg; und wenn's nicht wär durch
falsche Leut verraten worden, wollt er ihm das Bad gesegnet und ihn
ausgerieben haben.

Erster Reiter.  Was räsoniert ihr von unserm Bischof?  Ich glaub, ihr
sucht Händel.

Sievers.  Kümmert euch um eure Sachen!  Ihr habt an unserm Tisch
nichts zu suchen.

Zweiter Reiter.  Wer heißt euch von unserm Bischof despektierlich
reden?

Sievers.  Hab ich euch Red und Antwort zu geben?  Seht doch den
Fratzen!

Erster Reiter (schlägt ihn hinter die Ohren).

Metzler.  Schlag den Hund tot!

(Sie fallen übereinander her.)

Zweiter Reiter.  Komm her, wenn du 's Herz hast.

Wirt (reißt sie voneinander).  Wollt ihr Ruh haben!  Tausend
Schwerenot!  Schert euch 'naus, wenn ihr was auszumachen habt.  In
meiner Stub soll's ehrlich und ordentlich zugehen.  (Schiebt die
Reiter zur Tür hinaus.) Und ihr Esel, was fanget ihr an?

Metzler.  Nur nit viel geschimpft, Hänsel, sonst kommen wir dir über
die Glatze.  Komm, Kamerad, wollen die draußen bleuen.

(Zwei Berlichingsche Reiter kommen.)

Erster Reiter.  Was gibt's da?.

Sievers.  Ei guten Tag, Peter!  Veit, guten Tag!  Woher?

Zweiter Reiter.  Daß du dich nit unterstehst zu verraten, wem wir
dienen.

Sievers (leise).  Da ist euer Herr Götz wohl auch nit weit?

Erster Reiter.  Halt dein Maul!  Habt ihr Händel?

Sievers.  Ihr seid den Kerls begegnet draußen, sind Bamberger.

Erster Reiter.  Was tun die hier?

Metzler.  Der Weislingen ist droben auf'm Schloß, beim gnädigen Herrn,
den haben sie geleit.

Erster Reiter.  Der Weislingen?

Zweiter Reiter (leise).  Peter! das ist ein gefunden Fressen!  (Laut.)
Wie lang ist er da?

Metzler.  Schon zwei Tage.  Aber er will heut noch fort, hört ich
einen von den Kerls sagen.

Erster Reiter (leise).  Sagt ich dir nicht, er wär daher!  Hätten wir
dort drüben eine Weile passen können.  Komm, Veit.

Sievers.  Helft uns doch erst die Bamberger ausprügeln.

Zweiter Reiter.  Ihr seid ja auch zu zwei.  Wir müssen fort.  Adies!
(Ab.)

Sievers.  Lumpenhunde die Reiter! wann man sie nit bezahlt, tun sie
dir keinen Streich.

Metzler.  Ich wollt schwören, sie haben einen Anschlag.  Wem dienen
sie?

Sievers.  Ich soll's nit sagen.  Sie dienen dem Götz.

Metzler.  So!  Nun wollen wir über die draußen.  Komm! so lang ich
einen Bengel hab, fürcht ich ihre Bratspieße nicht.

Sievers.  Dürften wir nur so einmal an die Fürsten, die uns die Haut
über die Ohren ziehen.

Herberge im Wald

Götz (vor der Tür unter der Linde).  Wo meine Knechte bleiben!  Auf
und ab muß ich gehen, sonst übermannt mich der Schlaf.  Fünf Tag und
Nächte schon auf der Lauer.  Es wird einem sauer gemacht, das bißchen
Leben und Freiheit.  Dafür, wenn ich dich habe, Weislingen, will ich
mir's wohl sein lassen.  (Schenkt ein.) Wieder leer!  Georg!  Solang's
daran nicht mangelt und an frischem Mut, lach ich der Fürsten
Herrschsucht und Ränke.--Georg!--Schickt ihr nur euern gefälligen
Weislingen herum zu Vettern und Gevattern, laßt mich anschwärzen.  Nur
immer zu.  Ich bin wach.  Du warst mir entwischt, Bischof!  So mag
denn dein lieber Weislingen die Zeche bezahlen.--Georg!  Hört der
Junge nicht?  Georg!  Georg!

Der Bube (im Panzer eines Erwachsenen).  Gestrenger Herr!

Götz.  Wo stickst du?  Hast du geschlafen?  Was zum Henker treibst du
für Mummerei?  Komm her, du siehst gut aus.  Schäm dich nicht, Junge.
Du bist brav!  Ja, wenn du ihn ausfülltest!  Es ist Hansens Küraß?

Georg.  Er wollt ein wenig schlafen und schnallt' ihn aus.

Götz.  Er ist bequemer als sein Herr.

Georg.  Zürnt nicht.  Ich nahm ihn leise weg und legt ihn an, und
holte meines Vaters altes Schwert von der Wand, lief auf die Wiese und
zog's aus.

Götz.  Und hiebst um dich herum?  Da wird's den Hecken und Dornen
gutgegangen sein.  Schläft Hans?

Georg.  Auf Euer Rufen sprang er auf und schrie mir, daß Ihr rieft.
Ich wollt den Harnisch ausschnallen, da hört ich Euch zwei-, dreimal.

Götz.  Geh! bring ihm seinen Panzer wieder und sag ihm, er soll bereit
sein, soll nach den Pferden sehen.

Georg.  Die hab ich recht ausgefüttert und wieder aufgezäumt.  Ihr
könnt aufsitzen, wann Ihr wollt.

Götz.  Bring mir einen Krug Wein, gib Hansen auch ein Glas, sag ihm,
er soll munter sein, es gilt.  Ich hoffe jeden Augenblick, meine
Kundschafter sollen zurückkommen.

Georg.  Ach gestrenger Herr!

Götz.  Was hast du?

Georg.  Darf ich nicht mit?

Götz.  Ein andermal, Georg, wann wir Kaufleute fangen und Fuhren
wegnehmen.

Georg.  Ein andermal, das habt Ihr schon oft gesagt.  O diesmal!
diesmal!  Ich will nur hintendreinlaufen, nur auf der Seite lauern.
Ich will Euch die verschossenen Bolzen wiederholen.

Götz.  Das nächstemal, Georg.  Du sollst erst ein Wams haben, eine
Blechhaube und einen Spieß.

Georg.  Nehmt mich mit!  Wär ich letzt dabei gewesen, Ihr hättet die
Armbrust nicht verloren.

Götz.  Weißt du das?

Georg.  Ihr warft sie dem Feind an Kopf, und einer von den Fußknechten
hob sie auf; weg war sie!  Gelt ich weiß?

Götz.  Erzählen dir das meine Knechte?

Georg.  Wohl.  Dafür pfeif ich ihnen auch, wann wir die Pferde
striegeln, allerlei Weisen und lerne sie allerlei lustige Lieder.

Götz.  Du bist ein braver Junge.

Georg.  Nehmt mich mit, daß ich's zeigen kann!

Götz.  Das nächstemal, auf mein Wort.  Unbewaffnet wie du bist, sollst
du nicht in Streit.  Die künftigen Zeiten brauchen auch Männer.  Ich
sage dir, Knabe, es wird eine teure Zeit werden: Fürsten werden ihre
Schätze bieten um einen Mann, den sie jetzt hassen.  Geh, Georg, gib
Hansen seinen Küraß wieder und bring mir Wein.  (Georg ab.) Wo meine
Knechte bleiben!  Es ist unbegreiflich.  Ein Mönch!  Wo kommt der noch
her?

(Bruder Martin kommt.)

Götz.  Ehrwürdiger Vater, guten Abend! woher so spät?  Mann der
heiligen Ruhe, Ihr beschämt viel Ritter.

Martin.  Dank Euch, edler Herr!  Und bin vor der Hand nur demütiger
Bruder, wenn's ja Titel sein soll.  Augustin mit meinem Klosternamen,
doch hör ich am liebsten Martin, meinen Taufnamen.

Götz.  Ihr seid müde, Bruder Martin, und ohne Zweifel durstig!  (Der
Bub kommt.) Da kommt der Wein eben recht.

Martin.  Für mich einen Trunk Wasser.  Ich darf keinen Wein trinken.

Götz.  Ist das Euer Gelübde?

Martin.  Nein, gnädiger Herr, es ist nicht wider mein Gelübde, Wein zu
trinken; weil aber der Wein wider mein Gelübde ist, so trinke ich
keinen Wein.

Götz.  Wie versteht Ihr das?

Martin.  Wohl Euch, daß Ihr's nicht versteht.  Essen und trinken, mein
ich, ist des Menschen Leben.

Götz.  Wohl!

Martin.  Wenn Ihr gegessen und getrunken habt, seid Ihr wie neu
geboren; seid stärker, mutiger, geschickter zu Euerm Geschäft.  Der
Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter
aller Tugenden.  Wenn Ihr Wein getrunken habt, seid Ihr alles doppelt,
was Ihr sein sollt, noch einmal so leicht denkend, noch einmal so
unternehmend, noch einmal so schnell ausführend.

Götz.  Wie ich ihn, trinke, ist es wahr.

Martin.  Davon red ich auch.  Aber wir-(Georg mit Wasser.)

Götz (zu Georg heimlich).  Geh auf den Weg nach Dachsbach, und leg
dich mit dem Ohr auf die Erde, ob du nicht Pferde kommen hörst, und
sei gleich wieder hier.

Martin.  Aber wir, wenn wir gegessen und getrunken haben, sind wir
grad das Gegenteil von dem, was wir sein sollen.  Unsere schläfrige
Verdauung stimmt den Kopf nach dem Magen, und in der Schwäche einer
überfüllten Ruhe erzeugen sich Begierden, die ihrer Mutter leicht über
den Kopf wachsen.

Götz.  Ein Glas, Bruder Martin, wird Euch nicht im Schlaf stören.  Ihr
seid heute viel gegangen.  (Bringt's ihm.) Alle Streiter!

Martin.  In Gottes Namen!  (Sie stoßen an.) Ich kann die müßigen Leute
nicht ausstehen; und doch kann ich nicht sagen, daß alle Mönche müßig
sind; sie tun, was sie können.  Da komm ich von St. Veit, wo ich die
letzte Nacht schlief.  Der Prior führte mich in den Garten; das ist
nun ihr Bienenkorb.  Vortrefflicher Salat!  Kohl nach Herzens Lust!
und besonders Blumenkohl und Artischocken, wie keine in Europa!

Götz.  Das ist also Eure Sache nicht.  (Er steht auf, sieht nach dem
Jungen und kommt wieder.)

Martin.  Wollte, Gott hätte mich zum Gärtner oder Laboranten gemacht!
Ich könnte glücklich sein.  Mein Abt liebt mich, mein Kloster ist
Erfurt in Sachsen; er weiß, ich kann nicht ruhn; da schickt er mich
herum, wo was zu betreiben ist.  Ich geh zum Bischof von Konstanz.

Götz.  Noch eins!  Gute Verrichtung!

Martin.  Gleichfalls.

Götz.  Was seht Ihr mich so an, Bruder?

Martin.  Daß ich in Euern Harnisch verliebt bin.

Götz.  Hättet Ihr Lust zu einem?  Es ist schwer und beschwerlich ihn
zu tragen.

Martin.  Was ist nicht beschwerlich auf dieser Welt! und mir kommt
nichts beschwerlicher vor, als nicht Mensch sein dürfen.  Armut,
Keuschheit und Gehorsam--drei Gelübde, deren jedes, einzeln betrachtet,
der Natur das Unausstehlichste scheint, so unerträglich sind sie alle.
Und sein ganzes Leben unter dieser Last, oder der weit drückendern
Bürde des Gewissens mutlos zu keuchen!  O Herr! was sind die
Mühseligkeiten Eures Lebens, gegen die Jämmerlichkeiten eines Standes,
der die besten Triebe, durch die wir werden, wachsen und gedeihen, aus
mißverstandener Begierde Gott näher zu rücken, verdammt?

Götz.  Wär Euer Gelübde nicht so heilig, ich wollte Euch bereden,
einen Harnisch anzulegen, wollt Euch ein Pferd geben, und wir zögen
miteinander.

Martin.  Wollte Gott, meine Schultern fühlten Kraft, den Harnisch zu
ertragen, und mein Arm Stärke, einen Feind vom Pferd zu stechen!--Arme
schwache Hand, von jeher gewohnt, Kreuze und Friedensfahnen zu führen
und Rauchfässer zu schwingen, wie wolltest du Lanze und Schwert
regieren!  Meine Stimme, nur zu Ave und Halleluja gestimmt, würde dem
Feind ein Herold meiner Schwäche sein, wenn ihn die Eurige
überwältigte.  Kein Gelübde sollte mich abhalten wieder in den Orden
zu treten, den mein Schöpfer selbst gestiftet hat!

Götz.  Glückliche Wiederkehr!

Martin.  Das trinke ich nur für Euch.  Wiederkehr in meinen Käfig ist
allemal unglücklich.  Wenn Ihr wiederkehrt, Herr, in Eure Mauern, mit
dem Bewußtsein Eurer Tapferkeit und Stärke, der keine Müdigkeit etwas
anhaben kann, Euch zum erstenmal nach langer Zeit, sicher vor
feindlichem überfall, entwaffnet auf Euer Bette streckt und Euch nach
dem Schlaf dehnt, der Euch besser schmeckt als mir der Trunk nach
langem Durst: da könnt Ihr von Glück sagen!

Götz.  Dafür kommt's auch selten.

Martin (feuriger).  Und ist, wenn's kommt, ein Vorschmack des Himmels.
--Wenn Ihr zurückkehrt, mit der Beute Eurer Feinde beladen, und Euch
erinnert: den stach ich vom Pferd, eh er schießen konnte, und den
rannt ich samt dem Pferde nieder, und dann reitet Ihr zu Euerm Schloß
hinauf, und-Götz.  Was meint Ihr?

Martin.  Und Eure Weiber!  (Er schenkt ein.) Auf Gesundheit Eurer Frau!
(Er wischt sich die Augen.) Ihr habt doch eine?

Götz.  Ein edles vortreffliches Weib!

Martin.  Wohl dem, der ein tugendsam Weib hat! des lebt er noch eins
so lange.  Ich kenne keine Weiber, und doch war die Frau die Krone der
Schöpfung!

Götz (vor sich).  Er dauert mich!  Das Gefühl seines Standes frißt ihm
das Herz.

Georg (gesprungen).  Herr! ich höre Pferde im Galopp!  Zwei!  Es sind
sie gewiß.

Götz.  Führ mein Pferd heraus!  Hans soll aufsitzen.--Lebt wohl,
teurer Bruder, Gott geleit Euch!  Seid mutig und geduldig.  Gott wird
Euch Raum geben.

Martin.  Ich bitt um Euern Namen.

Götz.  Verzeiht mir.  Lebt wohl!  (Er reicht ihm die linke Hand.)

Martin.  Warum reicht Ihr mir die Linke?  Bin ich die ritterliche
Rechte nicht wert?

Götz.  Und wenn Ihr der Kaiser wärt, Ihr müßtet mit dieser
vorliebnehmen.  Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar,
ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich: sie ist eins mit ihrem
Handschuh; Ihr seht, er ist Eisen.

Martin.  So seid Ihr Götz von Berlichingen!  Ich danke dir, Gott, daß
du mich ihn hast sehen lassen, diesen Mann, den die Fürsten hassen und
zu dem die Bedrängten sich wenden!  (Er nimmt ihm die rechte Hand.)
Laßt mir diese Hand, laßt mich sie küssen!

Götz.  Ihr sollt nicht.

Martin.  Laßt mich!  Du, mehr wert als Reliquienhand, durch die das
heiligste Blut geflossen ist, totes Werkzeug, belebt durch des
edelsten Geistes Vertrauen auf Gott!

Götz (setzt den Helm auf und nimmt die Lanze).

Martin.  Es war ein Mönch bei uns vor Jahr und Tag, der Euch besuchte,
wie sie Euch abgeschossen ward vor Landshut.  Wie er uns erzählte, was
Ihr littet, und wie sehr es Euch schmerzte, zu Eurem Beruf verstümmelt
zu sein, und wie Euch einfiel, von einem gehört zu haben, der auch nur
eine Hand hatte und als tapferer Reitersmann doch noch lange
diente--ich werde das nie vergessen.

(Die zwei Knechte kommen.)

Götz (zu ihnen.  Sie reden heimlich).

Martin (fährt inzwischen fort).  Ich werde das nie vergessen, wie er
im edelsten einfältigsten Vertrauen auf Gott sprach: "Und wenn ich
zwölf Händ hätte und deine Gnad wollt mir nicht, was würden sie mir
fruchten?  So kann ich mit einer"-Götz.  In den Haslacher Wald also.
(Kehrt sich zu Martin.) Lebt wohl, werter Bruder Martin.  (Küßt ihn.)

Martin.  Vergeßt mich nicht, wie ich Euer nicht vergesse.

(Götz ab.)

Martin.  Wie mir's so eng ums Herz ward, da ich ihn sah.  Er redete
nichts, und mein Geist konnte doch den seinigen unterscheiden.  Es ist
eine Wollust, einen großen Mann zu sehn.

Georg.  Ehrwürdiger Herr, Ihr schlaft doch bei uns?

Martin.  Kann ich ein Bett haben?

Georg.  Nein, Herr! ich kenne Betten nur vom Hörensagen, in unsrer
Herberg ist nichts als Stroh.

Martin.  Auch gut.  Wie heißt du?

Georg.  Georg, ehrwürdiger Herr!

Martin.  Georg! da hast du einen tapfern Patron.

Georg.  Sie sagen, er sei ein Reiter gewesen; das will ich auch sein.

Martin.  Warte!  (Zieht ein Gebetbuch hervor und gibt dem Buben einen
Heiligen.) Da hast du ihn.  Folge seinem Beispiel, sei brav und
fürchte Gott!  (Martin geht.)

Georg.  Ach ein schöner Schimmel! wenn ich einmal so einen hätte!--und
die goldene Rüstung!--Das ist ein garstiger Drach--Jetzt schieß ich
nach Sperlingen--Heiliger Georg! mach mich groß und stark, gib mir so
eine Lanze, Rüstung und Pferd, dann laß mir die Drachen kommen!



I. Akt, Szene 2



Jagsthausen.  Götzens Burg

Elisabeth.  Maria.  Karl, sein Söhnchen.

Karl.  Ich bitte dich, liebe Tante, erzähl mir das noch einmal vom
frommen Kind, 's is gar zu schön.

Maria.  Erzähl du mir's, kleiner Schelm, da will ich hören, ob du
achtgibst.

Karl.  Wart e bis, ich will mich bedenken.--Es war einmal--ja--es war
einmal ein Kind, und sein Mutter war krank, da ging das Kind hin-Maria.
Nicht doch.  Da sagte die Mutter: "Liebes Kind"-Karl.  "Ich bin
krank"-Maria.  "Und kann nicht ausgehn"-Karl.  Und gab ihm Geld und
sagte.  "Geh hin, und hol dir ein Frühstück."  Da kam ein armer
Mann-Maria.  Das Kind ging, da begegnet' ihm ein alter Mann, der
war--nun Karl!

Karl.  Der war--alt-Maria.  Freilich! der kaum mehr gehen konnte, und
sagte.  "Liebes Kind"-Karl.  "Schenk mir was, ich habe kein Brot
gessen gestern und heut."  Da gab ihm 's Kind das Geld-Maria.  Das für
sein Frühstück sein sollte.

Karl.  Da sagte der alte Mann-Maria.  Da nahm der alte Mann das
Kind-Karl.  Bei der Hand, und sagte--und ward ein schöner glänzender
Heiliger, und sagte:--"Liebes Kind"-Maria.  "Für deine Wohltätigkeit
belohnt dich die Mutter Gottes durch mich: welchen Kranken du an
rührst"-Karl.  "Mit der Hand"--es war die rechte, glaub ich.

Maria.  Ja.

Karl.  "Der wird gleich gesund."

Maria.  Da lief das Kind nach Haus und konnt für Freuden nichts reden.

Karl.  Und fiel seiner Mutter um den Hals und weinte für Freuden-Maria.
Da rief die Mutter: "Wie ist mir!" und war--nun Karl!

Karl.  Und war--und war-Maria.  Du gibst schon nicht acht!--und war
gesund.  Und das Kind kurierte König und Kaiser, und wurde so reich,
daß es ein großes Kloster bauete.

Elisabeth.  Ich kann nicht begreifen, wo mein Herr bleibt.  Schon fünf
Tag und Nächte, daß er weg ist, und er hoffte so bald seinen Streich
auszuführen.

Maria.  Mich ängstigt's lang.  Wenn ich so einen Mann haben sollte,
der sich immer Gefahren aussetzte, ich stürbe im ersten Jahr.

Elisabeth.  Dafür dank ich Gott, daß er mich härter zusammengesetzt
hat.

Karl.  Aber muß dann der Vater ausreiten, wenn's so gefährlich ist?

Maria.  Es ist sein guter Wille so.

Elisabeth.  Wohl muß er, lieber Karl.

Karl.  Warum?

Elisabeth.  Weißt du noch, wie er das letztemal ausritt, da er dir
Weck mitbrachte?

Karl.  Bringt er mir wieder mit?

Elisabeth.  Ich glaub wohl.  Siehst du, da war ein Schneider von
Stuttgart, der war ein trefflicher Bogenschütz, und hatte zu Köln
auf'm Schießen das Beste gewonnen.

Karl.  War's viel?

Elisabeth.  Hundert Taler.  Und darnach wollten sie's ihm nicht geben.

Maria.  Gelt, das ist garstig, Karl?

Karl.  Garstige Leut!

Elisabeth.  Da kam der Schneider zu deinem Vater und bat ihn, er
möchte ihm zu seinem Geld verhelfen.  Und da ritt er aus und nahm den
Kölnern ein paar Kaufleute weg, und plagte sie so lang, bis sie das
Geld herausgaben.  Wärst du nicht auch ausgeritten?

Karl.  Nein! da muß man durch einen dicken, dicken Wald, sind Zigeuner
und Hexen drin.

Elisabeth.  Ist ein rechter Bursch, fürcht sich vor Hexen!

Maria.  Du tust besser, Karl! leb du einmal auf deinem Schloß als ein
frommer christlicher Ritter.  Auf seinen eigenen Gütern findet man zum
Wohltun Gelegenheit genug.  Die rechtschaffensten Ritter begehen mehr
Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit auf ihren Zügen.

Elisabeth.  Schwester, du weißt nicht, was du redst.  Gebe nur Gott,
daß unser Junge mit der Zeit braver wird, und dem Weislingen nicht
nachschlägt, der so treulos an meinem Mann handelt.

Maria.  Wir wollen nicht richten, Elisabeth.  Mein Bruder ist sehr
erbittert, du auch.  Ich bin bei der ganzen Sache mehr Zuschauer, und
kann billiger sein.

Elisabeth.  Er ist nicht zu entschuldigen.

Maria.  Was ich von ihm gehört, hat mich eingenommen.  Erzählte nicht
selbst dein Mann so viel Liebes und Gutes von ihm!  Wie glücklich war
ihre Jugend, als sie zusammen Edelknaben des Markgrafen waren!

Elisabeth.  Das mag sein.  Nur sag, was kann der Mensch je Gutes
gehabt haben, der seinem besten treusten Freunde nachstellt, seine
Dienste den Feinden meines Mannes verkauft, und unsern trefflichen
Kaiser der uns so gnädig ist, mit falschen widrigen Vorstellungen
einzunehmen sucht.

Karl.  Der Vater! der Vater!  Der Türner bläst 's Liedel: "Heisa, mach
's Tor auf."

Elisabeth.  Da kommt er mit Beute.

(Ein Reiter kommt.)

Reiter.  Wir haben, gejagt! wir haben gefangen!  Gott grüß Euch, edle
Frauen.

Elisabeth.  Habt ihr den Weislingen?

Reiter.  Ihn und drei Reiter.

Elisabeth.  Wie ging's zu, daß ihr so lang ausbleibt?

Reiter.  Wir lauerten auf ihn zwischen Nürnberg und Bamberg, er wollte
nicht kommen, und wir wußten doch, er war auf dem Wege.  Endlich
kundschaften wir ihn aus: er war seitwärts gezogen, und saß geruhig
beim Grafen auf dem Schwarzenberg.

Elisabeth.  Den möchten sie auch gern meinem Mann feind haben.

Reiter.  Ich sagt's gleich dem Herrn.  Auf! und wir ritten in
Haslacher Wald.  Und da war's kurios: wie wir so in die Nacht reiten,
hüt just ein Schäfer da, und fallen fünf Wölf in die Herd und packten
weidlich an.  Da lachte unser Herr und sagte: "Glück zu, liebe
Gesellen!  Glück überall und uns auch!"  Und es freuet' uns all das
gute Zeichen.  Indem so kommt der Weislingen hergeritten mit vier
Knechten.

Maria.  Das Herz zittert mir im Leibe.

Reiter.  Ich und mein Kamerad, wie's der Herr befohlen hatte,
nistelten uns an ihn, als wären wir zusammengewachsen, daß er sich
nicht regen noch rühren konnte, und der Herr und der Hans fielen über
die Knechte her und nahmen sie in Pflicht.  Einer ist entwischt.

Elisabeth.  Ich bin neugierig, ihn zu sehn.  Kommen sie bald?

Reiter.  Sie reiten das Tal herauf, in einer Viertelstund sind sie
hier.

Maria.  Er wird niedergeschlagen sein.

Reiter.  Finster genug sieht er aus.

Maria.  Sein Anblick wird mir im Herzen weh tun.

Elisabeth.  Ah!--Ich will gleich das Essen zurecht machen.  Hungrig
werdet ihr doch alle sein.

Reiter.  Rechtschaffen.

Elisabeth.  Nimm den Kellerschlüssel und hol vom besten Wein!  Sie
haben ihn verdient.  (Ab.)

Karl.  Ich will mit, Tante.

Maria.  Komm, Bursch.  (Ab.)

Reiter.  Der wird nicht sein Vater, sonst ging' er mit in Stall!

(Götz.  Weislingen.  Reitersknechte.)

Götz (Helm und Schwert auf den Tisch legend).  Schnallt mir den
Harnisch auf, und gebt mir mein Wams.  Die Bequemlichkeit wird mir
wohl tun.  Bruder Martin, du sagtest recht--Ihr habt uns in Atem
erhalten, Weislingen.

Weislingen (antwortet nichts, auf und ab gehend).

Götz.  Seid gutes Muts.  Kommt, entwaffnet Euch.  Wo sind Eure
Kleider?  Ich hoffe, es soll nichts verlorengegangen sein.  (Zum
Knecht.) Frag seine Knechte, und öffnet das Gepäcke, und seht zu, daß
nichts abhanden komme.  Ich könnt Euch auch von den meinigen borgen.

Weislingen.  Laßt mich so, es ist all eins.

Götz.  Könnt Euch ein hübsches saubres Kleid geben, ist zwar nur
leinen.  Mir ist's zu eng worden.  Ich hatt's auf der Hochzeit meines
gnädigen Herrn des Pfalzgrafen an, eben damals, als Euer Bischof so
giftig über mich wurde.  Ich hatt' ihm, vierzehn Tag vorher, zwei
Schiff auf dem Main niedergeworfen.  Und ich geh mit Franzen von
Sickingen im Wirtshaus zum Hirsch in Heidelberg die Trepp hinauf.  Eh
man noch ganz droben ist, ist ein Absatz und ein eisen Geländerlein,
da stund der Bischof und gab Franzen die Hand, wie er vorbeiging, und
gab sie mir auch, wie ich hintendrein kam.  Ich lacht in meinem Herzen,
und ging zum Landgrafen von Hanau, der mir gar ein lieber Herr war,
und sagte: "Der Bischof hat mir die Hand geben, ich wett, er hat mich
nicht gekannt."  Das hört' der Bischof, denn ich red't laut mit Fleiß,
und kam zu uns trotzig--und sagte: "Wohl, weil ich Euch nicht kannt
hab, gab ich Euch die Hand."  Da sagt ich: "Herre, ich merkt's wohl,
daß Ihr mich nicht kanntet, und hiermit habt Ihr Eure Hand wieder."
Da ward das Männlein so rot am Hals wie ein Krebs vor Zorn und lief in
die Stube zu Pfalzgraf Ludwig und dem Fürsten von Nassau und klagt's
ihnen.  Wir haben nachher uns oft was drüber zugute getan.

Weislingen.  Ich wollt, Ihr ließt mich allein.

Götz.  Warum das?  Ich bitt Euch, seid aufgeräumt.  Ihr seid in meiner
Gewalt, und ich werd sie nicht mißbrauchen.

Weislingen.  Dafür war mir's noch nicht bange.  Das ist Eure
Ritterpflicht.

Götz.  Und Ihr wißt, daß die mir heilig ist.

Weislingen.  Ich bin gefangen; das übrige ist eins.

Götz.  Ihr solltet nicht so reden.  Wenn Ihr's mit Fürsten zu tun
hättet, und sie Euch in tiefen Turn an Ketten aufhingen, und der
Wächter Euch den Schlaf wegpfeifen müßte!

(Die Knechte mit den Kleidern.)

Weislingen (zieht sich aus und an).

(Karl kommt.)

Karl.  Guten Morgen, Vater!

Götz (küßt ihn).  Guten Morgen, Junge.  Wie habt ihr die Zeit gelebt?

Karl.  Recht geschickt, Vater!  Die Tante sagt: ich sei recht
geschickt.

Götz.  So!

Karl.  Hast du mir was mitgebracht?

Götz.  Diesmal nicht.

Karl.  Ich hab viel gelernt.

Götz.  Ei!

Karl.  Soll ich dir vom frommen Kind erzählen?

Götz.  Nach Tische.

Karl.  Ich weiß noch was.

Götz.  Was wird das sein?

Karl.  Jagsthausen ist ein Dorf und Schloß an der Jagst, gehört seit
zweihundert Jahren den Herrn von Berlichingen erb- und eigentümlich zu.


Götz.  Kennst du den Herrn von Berlichingen?

Karl (sieht ihn starr an).

Götz (vor sich).  Er kennt wohl vor lauter Gelehrsamkeit seinen Vater
nicht.--Wem gehört Jagsthausen?

Karl.  Jagsthausen ist ein Dorf und Schloß an der Jagst.

Götz.  Das frag ich nicht.--Ich kannte alle Pfade, Weg und Furten, eh
ich wußte, wie Fluß, Dorf und Burg hieß.--Die Mutter ist in der Küche?

Karl.  Ja, Vater!  Sie kocht weiße Rüben und ein Lammsbraten.

Götz.  Weißt du's auch, Hans Küchenmeister?

Karl.  Und für mich zum Nachtisch hat die Tante einen Apfel gebraten.

Götz.  Kannst du sie nicht roh essen?

Karl.  Schmeckt so besser.

Götz.  Du mußt immer was Apartes haben.--Weislingen! ich bin gleich
wieder bei Euch.  Ich muß meine Frau doch sehn.  Komm mit, Karl.

Karl.  Wer ist der Mann?

Götz.  Grüß ihn.  Bitt ihn, er soll lustig sein.

Karl.  Da, Mann! hast du eine Hand, sei lustig, das Essen ist bald
fertig.

Weislingen (hebt ihn in die Höh und küßt ihn).  Glückliches Kind! das
kein übel kennt, als wenn die Suppe lang ausbleibt.  Gott laß Euch
viel Freud am Knaben erleben, Berlichingen.

Götz.  Wo viel Licht ist, ist starker Schatten--doch wär mir's
willkommen.  Wollen sehn, was es gibt.

(Sie gehn.)



I. Akt, Szene 3



Weislingen.  O daß ich aufwachte! und das alles wäre ein Traum!  In
Berlichingens Gewalt! von dem ich mich kaum losgearbeitet habe, dessen
Andenken ich mied wie Feuer, den ich hoffte zu überwältigen!  Und
er--der alte treuherzige Götz!  Heiliger Gott, was will, will aus dem
allen werden?  Rückgeführt, Adelbert, in den Saal! wo wir als Buben
unsere Jagd trieben--da du ihn liebtest, an ihm hingst wie an deiner
Seele.  Wer kann ihm nahen und ihn hassen?  Ach! ich bin so ganz
nichts hier!  Glückselige Zeiten, ihr seid vorbei, da noch der alte
Berlichingen hier am Kamin saß, da wir um ihn durcheinander spielten
und uns liebten wie die Engel.  Wie wird sich der Bischof ängstigen,
und meine Freunde.  Ich weiß, das ganze Land nimmt teil an meinem
Unfall.  Was ist's!  Können sie mir geben, wornach ich strebe?

Götz (mit einer Flasche Wein und Becher).  Bis das Essen fertig wird,
wollen wir eins trinken.  Kommt, setzt Euch, tut, als wenn Ihr zu
Hause wärt!  Denkt, Ihr seid einmal wieder beim Götz.  Haben doch
lange nicht beisammengesessen, lang keine Flasche miteinander
ausgestochen.  (Bringt's ihm.) Ein fröhlich Herz!

Weislingen.  Die Zeiten sind vorbei.

Götz.  Behüte Gott!  Zwar vergnügtere Tage werden wir wohl nicht
wieder finden als an des Markgrafen Hof, da wir noch
beisammenschliefen und miteinander umherzogen.  Ich erinnere mich mit
Freuden meiner Jugend.  Wißt Ihr noch, wie ich mit dem Polacken Händel
kriegte, dem ich sein gepicht und gekräuselt Haar von ungefähr mit dem
ärmel verwischt?

Weislingen.  Es war bei Tische, und er stach nach Euch mit dem Messer.

Götz.  Den schlug ich wacker aus dazumal, und darüber wurdet Ihr mit
seinem Kameraden zu Unfried.  Wir hielten immer redlich zusammen als
gute brave Jungen, dafür erkennte uns auch jedermann.  (Schenkt ein
und bringt's.) Kastor und Pollux!  Mir tat's immer im Herzen wohl,
wenn uns der Markgraf so nannte.

Weislingen.  Der Bischof von Würzburg hatte es aufgebracht.

Götz.  Das war ein gelehrter Herr, und dabei so leutselig.  Ich
erinnere mich seiner, so lange ich lebe, wie er uns liebkoste, unsere
Eintracht lobte und den Menschen glücklich pries, der ein
Zwillingsbruder seines Freundes wäre.

Weislingen.  Nichts mehr davon!

Götz.  Warum nicht?  Nach der Arbeit wüßt ich nichts Angenehmers, als
mich des Vergangenen zu erinnern.  Freilich, wenn ich wieder so
bedenke, wie wir Liebs und Leids zusammen trugen, einander alles waren,
und wie ich damals wähnte, so sollt's unser ganzes Leben sein!  War
das nicht all mein Trost,, wie mir diese Hand weggeschossen ward vor
Landshut, und du mein pflegtest und mehr als Bruder für mich sorgtest?
Ich hoffte, Adelbert wird künftig meine rechte Hand sein.  Und
nun-Weislingen.  Oh!

Götz.  Wenn du mir damals gefolgt hättest, da ich dir anlag, mit nach
Brabant zu ziehen, es wäre alles gut geblieben.  Da hielt dich das
unglückliche Hofleben und das Schlenzen und Scherwenzen mit den
Weibern.  Ich sagt es dir immer, wenn du dich mit den eiteln garstigen
Vetteln abgabst und ihnen erzähltest von mißvergnügten Ehen,
verführten Mädchen, der rauhen Haut einer Dritten, oder was sie sonst
gerne hören: "Du wirst ein Spitzbub", sagt ich, "Adelbert."

Weislingen.  Wozu soll das alles?

Götz.  Wollte Gott, ich könnt's vergessen, oder es wär anders!  Bist
du nicht ebenso frei, so edel geboren als einer in Deutschland,
unabhängig, nur dem Kaiser untertan, und du schmiegst dich unter
Vasallen?  Was hast du von dem Bischof?  Weil er dein Nachbar ist?
dich necken könnte?  Hast du nicht Arme und Freunde, ihn wieder zu
necken?  Verkennst den Wert eines freien Rittersmanns, der nur abhängt
von Gott, seinem Kaiser und sich selbst!  Verkriechst dich zum ersten
Hofschranzen eines eigensinnigen neidischen Pfaffen!

Weislingen.  Laßt mich reden.

Götz.  Was hast du zu sagen?

Weislingen.  Du siehst die Fürsten an, wie der Wolf den Hirten.  Und
doch, darfst du sie schelten, daß sie ihrer Leut und Länder Bestes
wahren?  Sind sie denn einen Augenblick vor den ungerechten Rittern
sicher, die ihre Untertanen auf allen Straßen anfallen, ihre Dörfer
und Schlösser verheeren?  Wenn nun auf der andern Seite unsers teuern
Kaisers Länder der Gewalt des Erbfeindes ausgesetzt sind, er von den
Ständen Hülfe begehrt, und sie sich kaum ihres Lebens erwehren: ist's
nicht ein guter Geist, der ihnen einrät, auf Mittel zu denken,
Deutschland zu beruhigen, Recht und Gerechtigkeit zu handhaben, um
einen jeden, Großen und Kleinen, die Vorteile des Friedens genießen zu
machen?  Und uns verdenkst du's, Berlichingen, daß wir uns in ihren
Schutz begeben, deren Hülfe uns nah ist, statt daß die entfernte
Majestät sich selbst nicht beschützen kann.

Götz.  Ja! ja!  Ich versteh!  Weislingen, wären die Fürsten, wie Ihr
sie schildert, wir hätten alle, was wir begehren.  Ruh und Frieden!
Ich glaub's wohl!  Den wünscht jeder Raubvogel, die Beute nach
Bequemlichkeit zu verzehren.  Wohlsein eines jeden!  Daß sie sich nur
darum graue Haare wachsen ließen!  Und mit unserm Kaiser spielen sie
auf eine unanständige Art.  Er meint's gut und möcht gern bessern.  Da
kommt denn alle Tage ein neuer Pfannenflicker und meint so und so.
Und weil der Herr geschwind etwas begreift, und nur reden darf, um
tausend Hände in Bewegung zu setzen, so denkt er, es wär auch alles so
geschwind und leicht ausgeführt.  Nun ergehn Verordnungen über
Verordnungen, und wird eine über die andere vergessen; und was den
Fürsten in ihren Kram dient, da sind sie hinterher, und gloriieren von
Ruh und Sicherheit des Reichs, bis sie die Kleinen unterm Fuß haben.
Ich will darauf schwören, es dankt mancher in seinem Herzen Gott, daß
der Türk dem Kaiser die Waage hält.

Weislingen.  Ihr seht's von Eurer Seite.

Götz.  Das tut jeder.  Es ist die Frage, auf welcher Licht und Recht
ist, und eure Gänge scheuen wenigstens den Tag.

Weislingen.  Ihr dürft reden, ich bin der Gefangne.

Götz.  Wenn Euer Gewissen rein ist, so seid Ihr frei.  Aber wie war's
um den Landfrieden?  Ich weiß noch, als ein Bub von sechzehn Jahren
war ich mit dem Markgrafen auf dem Reichstag.  Was die Fürsten da für
weite Mäuler machten, und die Geistlichen am ärgsten.  Euer Bischof
lärmte dem Kaiser die Ohren voll, als wenn ihm wunder wie! die
Gerechtigkeit ans Herz gewachsen wäre; und jetzt wirft er mir selbst
einen Buben nieder, zur Zeit da unsere Händel vertragen sind, ich an
nichts Böses denke.  Ist nicht alles zwischen uns geschlichtet?  Was
hat er mit dem Buben?

Weislingen.  Es geschah ohne sein Wissen.

Götz.  Warum gibt er ihn nicht wieder los?

Weislingen.  Er hat sich nicht aufgeführt, wie er sollte.

Götz.  Nicht wie er sollte?  Bei meinem Eid, er hat getan, wie er
sollte, so gewiß er mit Eurer und des Bischofs Kundschaft gefangen ist.
Meint Ihr, ich komm erst heut auf die Welt, daß ich nicht sehen soll,
wo alles hinaus will?

Weislingen.  Ihr seid argwöhnisch und tut uns unrecht.

Götz.  Weislingen, soll ich von der Leber weg reden?  Ich bin euch ein
Dorn in den Augen, so klein ich bin, und der Sickingen und Selbitz
nicht weniger, weil wir fest entschlossen sind, zu sterben eh, als
jemanden die Luft zu verdanken, außer Gott, und unsere Treu und Dienst
zu leisten, als dem Kaiser.  Da ziehen sie nun um mich herum,
verschwärzen mich bei Ihro Majestät und ihren Freunden und meinen
Nachbarn, und spionieren nach Vorteil über mich.  Aus dem Wege wollen
sie mich haben, wie's wäre.  Darum nahmt ihr meinen Buben gefangen,
weil ihr wußtet, ich hatt' ihn auf Kundschaft ausgeschickt; und darum
tat er nicht, was er sollte, weil er mich nicht an euch verriet.  Und
du, Weislingen, bist ihr Werkzeug!

Weislingen.  Berlichingen!

Götz.  Kein Wort mehr davon!  Ich bin ein Feind von Explikationen; man
betriegt sich oder den andern, und meist beide.

Karl.  Zu Tisch, Vater.

Götz.  Fröhliche Botschaft!--Kommt! ich hoffe, meine Weibsleute sollen
Euch munter machen.  Ihr wart sonst ein Liebhaber, die Fräulein wußten
von Euch zu erzählen.  Kommt!  (Ab.)

Im bischöflichen Palaste zu Bamberg Der Speisesaal

Bischof von Bamberg.  Abt von Fulda.  Olearius.  Liebetraut.  Hofleute.
An Tafel.  Der Nachtisch und die großen Pokale werden aufgetragen.

Bischof.  Studieren jetzt viele Deutsche von Adel zu Bologna?

Olearius.  Vom Adel- und Bürgerstande.  Und ohne Ruhm zu melden,
tragen sie das größte Lob davon.  Man pflegt im Sprichwort auf der
Akademie zu sagen: "So fleißig wie ein Deutscher von Adel."  Denn
indem die Bürgerlichen einen rühmlichen Fleiß anwenden, durch Talente
den Mangel der Geburt zu ersetzen, so bestreben sich jene, mit
rühmlicher Wetteiferung, ihre angeborne Würde durch die glänzendsten
Verdienste zu erhöhen.

Abt.  Ei!

Liebetraut.  Sag einer, was man, nicht erlebet.  So fleißig wie ein
Deutscher von Adel!  Das hab ich mein Tage nicht gehört.

Olearius.  Ja, sie sind die Bewunderung der ganzen Akademie.  Es
werden ehestens einige von den ältesten und geschicktesten als
Doktores zurückkommen.  Der Kaiser wird glücklich sein, die ersten
Stellen damit besetzen zu können.

Bischof.  Das kann nicht fehlen.

Abt.  Kennen Sie nicht zum Exempel einen Junker?--Er ist aus
Hessen-Olearius.  Es sind viel Hessen da.

Abt.  Er heißt--er ist--Weiß es keiner von euch?--Seine Mutter war
eine von--Oh!  Sein Vater hatte nur ein Aug--und war Marschall.

Liebetraut.  Von Wildenholz?

Abt.  Recht--von Wildenholz.

Olearius.  Den kenn ich wohl, ein junger Herr von vielen Fähigkeiten.
Besonders rühmt man ihn wegen seiner Stärke im Disputieren.

Abt.  Das hat er von seiner Mutter.

Liebetraut.  Nur wollte sie ihr Mann niemals drum rühmen.

Bischof.  Wie sagtet Ihr, daß der Kaiser hieß, der Euer "Corpus Juris"
geschrieben hat?

Olearius.  Justinianus.

Bischof.  Ein trefflicher Herr! er soll leben!

Olearius.  Sein Andenken!

(Sie trinken.)

Abt.  Es mag ein schön Buch sein.

Olearius.  Man möcht's wohl ein Buch aller Bücher nennen; eine
Sammlung aller Gesetze; bei jedem Fall der Urteilsspruch bereit; und
was ja noch abgängig oder dunkel wäre, ersetzen die Glossen, womit die
gelehrtesten Männer das vortrefflichste Werk geschmückt haben.

Abt.  Eine Sammlung aller Gesetze!  Potz!  Da müssen wohl auch die
Zehn Gebote drin sein.

Olearius.  Implicite wohl, nicht explicite.

Abt.  Das mein ich auch, an und vor sich, ohne weitere Explikation.

Bischof.  Und was das Schönste ist, so könnte, wie Ihr sagt, ein Reich
in sicherster Ruhe und Frieden leben, wo es völlig eingeführt und
recht gehandhabt würde.

Olearius.  Ohne Frage.

Bischof.  Alle Doctores Juris!

Olearius.  Ich werd's zu rühmen wissen.  (Sie trinken.) Wollte Gott,
man spräche so in meinem Vaterlande!

Abt.  Wo seid Ihr her, hochgelahrter Herr?

Olearius.  Von Frankfurt am Main, Ihro Eminenz zu dienen.

Bischof.  Steht ihr Herrn da nicht wohl angeschrieben?  Wie kommt das?

Olearius.  Sonderbar genug.  Ich war da, meines Vaters Erbschaft
abzuholen; der Pöbel hätte mich fast gesteinigt, wie er hörte, ich sei
ein Jurist.

Abt.  Behüte Gott!

Olearius.  Aber das kommt daher: Der Schöppenstuhl, der in großem
Ansehn weit umher steht, ist mit lauter Leuten besetzt, die der
Römischen Rechte unkundig sind.  Man glaubt, es sei genug, durch Alter
und Erfahrung sich eine genaue Kenntnis des innern und äußern
Zustandes der Stadt zu erwerben.  So werden, nach altem Herkommen und
wenigen Statuten, die Bürger und die Nachbarschaft gerichtet.

Abt.  Das ist wohl gut.

Olearius.  Aber lange nicht genug.  Der Menschen Leben ist kurz, und
in einer Generation kommen nicht alle Kasus vor.  Eine Sammlung
solcher Fälle von vielen Jahrhunderten ist unser Gesetzbuch.  Und dann
ist der Wille und die Meinung der Menschen schwankend; dem deucht
heute das recht, was der andere morgen mißbilliget; und so ist
Verwirrung und Ungerechtigkeit unvermeidlich.  Das alles bestimmen die
Gesetze; und die Gesetze sind unveränderlich.

Abt.  Das ist freilich besser.

Olearius.  Das erkennt der Pöbel nicht, der, so gierig er auf
Neuigkeiten ist, das Neue höchst verabscheuet, das ihn aus seinem
Gleise leiten will, und wenn er sich noch so sehr dadurch verbessert.
Sie halten den Juristen so arg, als einen Verwirrer des Staats, einen
Beutelschneider, und sind wie rasend, wenn einer dort sich
niederzulassen gedenkt.

Liebetraut.  Ihr seid von Frankfurt!  Ich bin wohl da bekannt.  Bei
Kaiser Maximilians Krönung haben wir Euern Bräutigams was
vorgeschmaust.  Euer Name ist Olearius?  Ich kenne so niemanden.

Olearius.  Mein Vater hieß öhlmann.  Nur, den Mißstand auf dem Titel
meiner lateinischen Schriften zu vermeiden, nenn ich mich, nach dem
Beispiel und auf Anraten würdiger Rechtslehrer, Olearius.

Liebetraut.  Ihr tatet wohl, daß Ihr Euch übersetztet.  Ein Prophet
gilt nichts in seinem Vaterlande, es hätt' Euch in Eurer Muttersprache
auch so gehen können.

Olearius.  Es war nicht darum.

Liebetraut.  Alle Dinge haben ein paar Ursachen.

Abt.  Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande!

Liebetraut.  Wißt Ihr auch warum, hochwürdiger Herr?

Abt.  Weil er da geboren und erzogen ist.

Liebetraut.  Wohl!  Das mag die eine Ursache sein.  Die andere ist:
Weil, bei einer näheren Bekanntschaft mit den Herrn, der Nimbus von
Ehrwürdigkeit und Heiligkeit wegschwindet, den uns eine neblichte
Ferne um sie herumlügt; und dann sind sie ganz kleine Stümpfchen
Unschlitt.

Olearius.  Es scheint, Ihr seid dazu bestellt, Wahrheiten, zu sagen.

Liebetraut.  Weil ich 's Herz dazu hab, so fehlt mir's nicht am Maul.

Olearius.  Aber doch an Geschicklichkeit, sie wohl anzubringen.

Liebetraut.  Schröpfköpfe sind wohl angebracht, wo sie ziehen.

Olearius.  Bader erkennt man an der Schürze und nimmt in ihrem Amte
ihnen nichts übel.  Zur Vorsorge tätet Ihr wohl, wenn Ihr eine
Schellenkappe trügt.

Liebetraut.  Wo habt Ihr promoviert?  Es ist nur zur Nachfrage, wenn
mir einmal der Einfall käme, daß ich gleich vor die rechte Schmiede
ginge.

Olearius.  Ihr seid verwegen.

Liebetraut.  Und Ihr sehr breit.

(Bischof und Abt lachen.)

Bischof.  Von was anders!--Nicht so hitzig, ihr Herrn.  Bei Tisch geht
alles drein--Einen andern Diskurs, Liebetraut!

Liebetraut.  Gegen Frankfurt liegt ein Ding über, heißt
Sachsenhausen-Olearius (zum Bischof).  Was spricht man vom Türkenzug,
Ihro Fürstliche Gnaden?

Bischof.  Der Kaiser hat nichts Angelegners, als vorerst das Reich zu
beruhigen, die Fehden abzuschaffen und das Ansehn der Gerichte zu
befestigen.  Dann, sagt man, wird er persönlich gegen die Feinde des
Reichs und der Christenheit ziehen.  Jetzt machen ihm seine
Privathändel noch zu tun, und das Reich ist, trotz ein vierzig
Landfrieden, noch immer eine Mördergrube.  Franken, Schwaben, der
Oberrhein und die angrenzenden Länder werden von übermütigen und
kühnen Rittern verheeret.  Sickingen, Selbitz mit einem Fuß,
Berlichingen mit der eisernen Hand spotten in diesen Gegenden des
kaiserlichen Ansehens-Abt.  Ja, wenn Ihro Majestät nicht bald dazu tun,
so stecken einen die Kerl am End in Sack.

Liebetraut.  Das müßt ein Kerl sein, der das Weinfaß von Fuld in den
Sack schieben wollte.

Bischof.  Besonders ist der letzte seit vielen Jahren mein
unversöhnlicher Feind, und molestiert mich unsäglich; aber es soll
nicht lang mehr währen, hoff ich.  Der Kaiser hält jetzt seinen Hof zu
Augsburg.  Wir haben unsere Maßregeln genommen, es kann uns nicht
fehlen.--Herr Doktor, kennt Ihr Adelberten von Weislingen?

Olearius.  Nein, Ihro Eminenz.

Bischof.  Wenn Ihr die Ankunft dieses Mannes erwartet, werdet Ihr Euch
freuen, den edelsten, verständigsten und angenehmsten Ritter in einer
Person zu sehen.

Olearius.  Es muß ein vortrefflicher Mann sein, der solche
Lobeserhebungen aus solch einem Munde verdient.

Liebetraut.  Er ist auf keiner Akademie gewesen.

Bischof.  Das wissen wir.  (Die Bedienten laufen ans Fenster.) Was
gibt's?

Ein Bedienter.  Eben reit Färber, Weislingens Knecht, zum Schloßtor
herein.

Bischof.  Seht, was er bringt, er wird ihn melden.

(Liebetraut geht.  Sie stehn auf und trinken noch eins.--Liebetraut
kommt zurück.)

Bischof.  Was für Nachrichten?

Liebetraut.  Ich wollt, es müßt sie Euch ein andrer sagen.  Weislingen
ist gefangen.

Bischof.  Oh!

Liebetraut.  Berlichingen hat ihn und drei Knechte bei Haslach
weggenommen.  Einer ist entronnen, Euch's anzusagen.

Abt.  Eine Hiobspost.

Olearius.  Es tut mir von Herzen leid.

Bischof.  Ich will den Knecht sehn, bringt ihn herauf--Ich will ihn
selbst sprechen.  Bringt ihn in mein Kabinett.  (Ab.)

Abt (setzt sich).  Noch einen Schluck.

(Die Knechte schenken ein.)

Olearius.  Belieben Ihro Hochwürden nicht eine kleine Promenade in den
Garten zu machen?  Post coenam stabis seu passus mille meabis.

Liebetraut.  Wahrhaftig, das Sitzen ist Ihnen nicht gesund.  Sie
kriegen noch einen Schlagfluß.

Abt (hebt sich auf).

Liebetraut (vor sich).  Wann ich ihn nur draußen hab, will ich ihm
fürs Exerzitium sorgen.

(Gehn ab.)



I. Akt, Szene 4



Jagsthausen

Maria.  Weislingen.

Maria.  Ihr liebt mich, sagt Ihr.  Ich glaub es gerne und hoffe, mit
Euch glücklich zu sein und Euch glücklich zu machen.

Weislingen.  Ich fühle nichts, als nur daß ich ganz dein bin.  (Er
umarmt sie.)

Maria.  Ich bitte Euch, laßt mich.  Einen Kuß hab ich Euch zum
Gottespfennig erlaubt; Ihr scheint aber schon von dem Besitz nehmen zu
wollen, was nur unter Bedingungen Euer ist.

Weislingen.  Ihr seid zu streng, Maria!  Unschuldige Liebe erfreut die
Gottheit, statt sie zu beleidigen.

Maria.  Es sei!  Aber ich bin nicht dadurch erbaut.  Man lehrte mich:
Liebkosungen sein wie Ketten, stark durch ihre Verwandtschaft, und
Mädchen, wenn sie liebten, sein schwächer als Simson nach Verlust
seiner Locken.

Weislingen.  Wer lehrte Euch das?

Maria.  Die äbtissin meines Klosters.  Bis in mein sechzehntes Jahr
war ich bei ihr, und nur mit Euch empfind ich das Glück, das ich in
ihrem Umgang genoß.  Sie hatte geliebt und durfte reden.  Sie hatte
ein Herz voll Empfindung!  Sie war eine vortreffliche Frau.

Weislingen.  Da glich sie dir!  (Er nimmt ihre Hand.) Wie wird mir's
werden, wenn ich Euch verlassen soll!

Maria (zieht ihre Hand zurück).  Ein bißchen eng, hoff ich, denn ich
weiß, wie's mir sein wird.  Aber Ihr sollt fort.

Weislingen.  Ja, meine Teuerste, und ich will.  Denn ich fühle, welche
Seligkeiten ich mir durch dies Opfer erwerbe.  Gesegnet sei dein
Bruder, und der Tag, an dem er auszog, mich zu fangen!

Maria.  Sein Herz war voll Hoffnung für ihn und dich.  "Lebt wohl!"
sagt' er beim Abschied, "ich will sehen, daß ich ihn wiederfinde."

Weislingen.  Er hat's.  Wie wünscht ich, die Verwaltung meiner Güter
und ihre Sicherheit nicht durch das leidige Hofleben so versäumt zu
haben!  Du könntest gleich die Meinige sein.

Maria.  Auch der Aufschub hat seine Freuden.

Weislingen.  Sage das nicht, Maria, ich muß sonst fürchten, du
empfindest weniger stark als ich.  Doch ich büße verdient; und welche
Hoffnungen werden mich auf jedem Schritt begleiten!  Ganz der Deine zu
sein, nur in dir und dem Kreise von Guten zu leben, von der Welt
entfernt, getrennt, alle Wonne zu genießen, die so zwei Herzen,
einander gewähren!  Was ist die Gnade des Fürsten, was der Beifall der
Welt gegen diese einfache Glückseligkeit?  Ich habe viel gehofft und
gewünscht, das widerfährt mir über alles Hoffen und Wünschen.

(Götz kommt.)

Götz.  Euer Knab ist wieder da.  Er konnte vor Müdigkeit und Hunger
kaum etwas vorbringen.  Meine Frau gibt ihm zu essen.  So viel hab ich
verstanden: der Bischof will den Knaben nicht herausgeben, es sollen
Kaiserliche Kommissarien ernannt und ein Tag ausgesetzt werden, wo die
Sache dann verglichen werden mag.  Dem sei, wie ihm wolle, Adelbert,
Ihr seid frei; ich verlange weiter nichts als Eure Hand, daß Ihr ins
künftige meinen Feinden weder öffentlich noch heimlich Vorschub tun
wollt.

Weislingen.  Hier faß ich Eure Hand.  Laßt, von diesem Augenblick an,
Freundschaft und Vertrauen, gleich einem ewigen Gesetz der Natur,
unveränderlich unter uns sein!  Erlaubt mir zugleich, diese Hand zu
fassen (er nimmt Mariens Hand) und den Besitz des edelsten Fräuleins.

Götz.  Darf ich ja für Euch sagen?

Maria.  Wenn Ihr es mit mir sagt.

Götz.  Es ist ein Glück, daß unsere Vorteile diesmal miteinander gehn.
Du brauchst nicht rot zu werden.  Deine Blicke sind Beweis genug.  Ja
denn, Weislingen!  Gebt Euch die Hände, und so sprech ich Amen!--Mein
Freund und Bruder!--Ich danke dir, Schwester!  Du kannst mehr als Hanf
spinnen.  Du hast einen Faden gedreht, diesen Paradiesvogel zu fesseln.
Du siehst nicht ganz frei, Adelbert!  Was fehlt dir?  Ich--bin ganz
glücklich; was ich nur träumend hoffte, seh ich, und bin wie träumend.
Ach! nun ist mein Traum aus.  Mir war's heute nacht, ich gäb dir
meine rechte eiserne Hand, und du hieltest mich so fest, daß sie aus
den Armschienen ging wie abgebrochen.  Ich erschrak und wachte drüber
auf.  Ich hätte nur fortträumen sollen, da würd ich gesehen haben, wie
du mir eine neue lebendige Hand ansetztest--Du sollst mir jetzo fort,
dein Schloß und deine Güter in vollkommenen Stand zu setzen.  Der
verdammte Hof hat dich beides versäumen machen.  Ich muß meiner Frau
rufen.  Elisabeth!

Maria.  Mein Bruder ist in voller Freude.

Weislingen.  Und doch darf ich ihm den Rang streitig machen.

Götz.  Du wirst anmutig wohnen.

Maria.  Franken ist ein gesegnetes Land.

Weislingen.  Und ich darf wohl sagen, mein Schloß liegt in der
gesegnetsten und anmutigsten Gegend.

Götz.  Das dürft Ihr, und ich will's behaupten.  Hier fließt der Main,
und allmählich hebt der Berg an, der, mit äckern und Weinbergen
bekleidet, von Euerm Schloß gekrönt wird, dann biegt sich der Fluß
schnell um die Ecke hinter dem Felsen Eures Schlosses hin.  Die
Fenster des großen Saals gehen steil herab aufs Wasser, eine Aussicht
viel Stunden weit.

(Elisabeth kommt.)

Elisabeth.  Was schafft ihr?

Götz.  Du sollst deine Hand auch dazu geben und sagen: "Gott segne
euch!"  Sie sind ein Paar.

Elisabeth.  So geschwind!

Götz.  Aber nicht unvermutet.

Elisabeth.  Möget Ihr Euch so immer nach ihr sehnen als bisher, da ihr
um sie warbt!  Und dann!  Möchtet Ihr so glücklich sein, als Ihr sie
lieb behaltet!

Weislingen.  Amen!  Ich begehre kein Glück als unter diesem Titel.

Götz.  Der Bräutigam, meine liebe Frau, tut eine kleine Reise; denn
die große Veränderung zieht viel geringe nach sich.  Er entfernt sich
zuerst vom Bischöflichen Hof, um diese Freundschaft nach und nach
erkalten zu lassen.  Dann reißt er seine Güter eigennützigen Pachtern
aus den Händen.  Und--kommt, Schwester, komm, Elisabeth!  Wir wollen
ihn allein lassen.  Sein Knab hat ohne Zweifel geheime Aufträge an ihn.


Weislingen.  Nichts, als was Ihr wissen dürft.

Götz.  Braucht's nicht.--Franken und Schwaben!  Ihr seid nun
verschwisterter als jemals.  Wie wollen wir den Fürsten den Daumen auf
dem Aug halten!

(Die drei gehn.)

Weislingen.  Gott im Himmel!  Konntest du mir Unwürdigem solch eine
Seligkeit bereiten?  Es ist zu viel für mein Herz.  Wie ich von den
elenden Menschen abhing, die ich zu beherrschen glaubte, von den
Blicken des Fürsten, von dem ehrerbietigen Beifall umher!  Götz,
teurer Götz, du hast mich mir selbst wiedergegeben, und, Maria, du
vollendest meine Sinnesänderung.  Ich fühle mich so frei wie in
heiterer Luft.  Bamberg will ich nicht mehr sehen, will all die
schändlichen Verbindungen durchschneiden, die mich unter mir selbst
hielten.  Mein Herz erweitert sich, hier ist kein beschwerliches
Streben nach versagter Größe.  So gewiß ist der allein glücklich und
groß, der weder zu herrschen noch zu gehorchen braucht, um etwas zu
sein!

(Franz tritt auf.)

Franz.  Gott grüß Euch, gestrenger Herr!  Ich bring Euch so viel Grüße,
daß ich nicht weiß, wo anzufangen.  Bamberg und zehn Meilen in die
Runde entbieten Euch ein tausendfaches: Gott grüß Euch!

Weislingen.  Willkommen, Franz!  Was bringst du mehr?

Franz.  Ihr steht in einem Andenken bei Hof und überall, daß es nicht
zu sagen ist.

Weislingen.  Das wird nicht lange dauern.

Franz.  So lang Ihr lebt! und nach Eurem Tod wird's heller blinken als
die messingenen Buchstaben auf einem Grabstein.  Wie man sich Euern
Unfall zu Herzen nahm!

Weislingen.  Was sagte der Bischof?

Franz.  Er war so begierig zu wissen, daß er mit geschäftiger
Geschwindigkeit der Fragen meine Antwort verhinderte.  Er wußt es zwar
schon; denn Färber, der von Haslach entrann, brachte ihm die Botschaft.
Aber er wollte alles wissen.  Er fragte so ängstlich, ob Ihr nicht
versehrt wäret?  Ich sagte: "Er ist ganz, von der äußersten Haarspitze
bis zum Nagel des kleinen Zehs."

Weislingen.  Was sagte er zu den Vorschlägen?

Franz.  Er wollte gleich alles herausgeben, den Knaben und noch Geld
darauf, nur Euch zu befreien.  Da er aber hörte, Ihr solltet ohne das
loskommen und nur Euer Wort das äquivalent gegen den.  Buben sein, da
wollte er absolut den Berlichingen vertagt haben.  Er sagte mir
hundert Sachen an Euch--ich hab sie wieder vergessen.  Es war eine
lange Predigt über die Worte: "Ich kann Weislingen nicht entbehren."

Weislingen.  Er wird's lernen müssen!

Franz.  Wie meint Ihr?  Er sagte: "Mach ihn eilen, es wartet alles auf
ihn."

Weislingen.  Es kann warten.  Ich gehe nicht nach Hof.

Franz.  Nicht nach Hof?  Herr!  Wie kommt Euch das?  Wenn Ihr wüßtet,
was ich weiß.  Wenn Ihr nur träumen könntet, was ich gesehen habe.

Weislingen.  Wie wird dir's?

Franz.  Nur von der bloßen Erinnerung komm ich außer mir.  Bamberg ist
nicht mehr Bamberg, ein Engel in Weibesgestalt macht es zum Vorhofe
des Himmels.

Weislingen.  Nichts weiter?

Franz.  Ich will ein Pfaff werden, wenn Ihr sie sehet und nicht außer
Euch kommt.

Weislingen.  Wer ist's denn?

Franz.  Adelheid von Walldorf.

Weislingen.  Die!  Ich habe viel von ihrer Schönheit gehört.

Franz.  Gehört?  Das ist eben, als wenn Ihr sagtet: "Ich hab die Musik
gesehen."  Es ist der Zunge so wenig möglich, eine Linie ihrer
Vollkommenheiten auszudrücken, da das Aug sogar in ihrer Gegenwart
sich nicht selbst genug ist.

Weislingen.  Du bist nicht gescheit.

Franz.  Das kann wohl sein.  Das letztemal, da ich sie sahe, hatte ich
nicht mehr Sinne als ein Trunkener.  Oder vielmehr, kann ich sagen,
ich fühlte in dem Augenblick, wie's den Heiligen bei himmlischen
Erscheinungen sein mag.  Alle Sinne stärker, höher, vollkommener, und
doch den Gebrauch von keinem.

Weislingen.  Das ist seltsam.

Franz.  Wie ich von dem Bischof Abschied nahm, saß sie bei ihm.  Sie
spielten Schach.  Er war sehr gnädig, reichte mir seine Hand zu küssen,
und sagte mir vieles, davon ich nichts vernahm.  Denn ich sah seine
Nachbarin, sie hatte ihr Auge aufs Brett geheftet, als wenn sie einem
großen Streich nachsänne.  Ein feiner lauernder Zug um Mund und Wange!
Ich hätt' der elfenbeinerne König sein mögen.  Adel und
Freundlichkeit herrschten auf ihrer Stirn.  Und das blendende Licht
des Angesichts und des Busens, wie es von den finstern Haaren erhoben
ward!

Weislingen.  Du bist drüber gar zum Dichter geworden.

Franz.  So fühl ich denn in dem Augenblick, was den Dichter macht, ein
volles, ganz von einer Empfindung volles Herz!  Wie der Bischof
endigte und ich mich neigte, sah sie mich an und sagte: "Auch von mir
einen Gruß unbekannterweise!  Sag ihm, er mag ja bald kommen.  Es
warten neue Freunde auf ihn; er soll sie nicht verachten, wenn er
schon an alten so reich ist."--Ich wollte was antworten, aber der Paß
vom Herzen nach der Zunge war versperrt, ich neigte mich.  Ich hätte
mein Vermögen gegeben, die Spitze ihres kleinen Fingers küssen zu
dürfen!  Wie ich so stund, warf der Bischof einen Bauern herunter, ich
fuhr darnach und rührte im Aufheben den Saum ihres Kleides, das fuhr
mir durch alle Glieder, und ich weiß nicht, wie ich zur Tür
hinausgekommen bin.

Weislingen.  Ist ihr Mann bei Hofe?

Franz.  Sie ist schon vier Monat Witwe.  Um sich zu zerstreuen, hält
sie sich in Bamberg auf.  Ihr werdet sie sehen.  Wenn sie einen
ansieht, ist's, als wenn man in der Frühlingssonne stünde.

Weislingen.  Es würde eine schwächere Wirkung auf mich haben.

Franz.  Ich höre, Ihr seid so gut als verheiratet.

Weislingen.  Wollte, ich wär's.  Meine sanfte Marie wird das Glück
meines Lebens machen.  Ihre süße Seele bildet sich in ihren blauen
Augen.  Und weiß wie ein Engel des Himmels, gebildet aus Unschuld und
Liebe, leitet sie mein Herz zur Ruhe und Glückseligkeit.  Pack
zusammen! und dann auf mein Schloß!  Ich will Bamberg nicht sehen, und
wenn Sankt Veit in Person meiner begehrte.  (Geht ab.)

Franz.  Da sei Gott vor!  Wollen das Beste hoffen!  Maria ist
liebreich und schön, und einem Gefangenen und Kranken kann ich's nicht
übelnehmen, der sich in sie verliebt.  In ihren Augen ist Trost,
gesellschaftliche Melancholie.--Aber um dich, Adelheid, ist Leben,
Feuer, Mut--Ich würde!--Ich bin ein Narr--dazu machte mich ein Blick
von ihr.  Mein Herr muß hin!  Ich muß hin!  Und da will ich mich
wieder gescheit oder völlig rasend gaffen.



Zweiter Akt



II. Akt, Szene 1



Bamberg.  Ein Saal

Bischof, Adelheid spielen Schach.  Liebetraut mit einer Zither.
Frauen, Hofleute um ihn herum am Kamin.

Liebetraut (spielt und singt).

Mit Pfeilen und Bogen Cupido geflogen, Die Fackel in Brand, Wollt
mutilich kriegen Und männilich siegen Mit stürmender Hand.

Auf!  Auf!

An!  An!  Die Waffen erklirrten, Die Flügelein schwirrten, Die Augen
entbrannt.

Da fand er die Busen Ach leider so bloß, Sie nahmen so willig Ihn all
auf den Schoß.  Er schüttet' die Pfeile Zum Feuer hinein, Sie herzten
und drückten Und wiegten ihn ein.

Hei ei o!  Popeio!


Adelheid.  Ihr seid nicht bei Eurem Spiele.  Schach dem König!

Bischof.  Es ist noch Auskunft.

Adelheid.  Lange werdet Ihr's nicht mehr treiben.  Schach dem König!

Liebetraut.  Dies Spiel spielt ich nicht, wenn ich ein großer Herr wär,
und verböt's am Hofe und im ganzen Land.

Adelheid.  Es ist wahr, dies Spiel ist ein Probierstein des Gehirns.

Liebetraut.  Nicht darum!  Ich wollte lieber das Geheul der
Totenglocke und ominöser Vögel, lieber das Gebell des knurrischen
Hofhunds Gewissen, lieber wollt ich sie durch den tiefsten Schlaf
hören, als von Laufern, Springern und andern Bestien das ewige:
"Schach dem König!"

Bischof.  Wem wird auch das einfallen!

Liebetraut.  Einem zum Exempel, der schwach wäre und ein stark
Gewissen hätte, wie denn das meistenteils beisammen ist.  Sie nennen's
ein königlich Spiel und sagen, es sei für einen König erfunden worden,
der den Erfinder mit einem Meer von überfluß belohnt habe.  Wenn das
wahr ist, so ist mir's, als wenn ich ihn sähe.  Er war minorenn an
Verstand oder an Jahren, unter der Vormundschaft seiner Mutter oder
seiner Frau, hatte Milchhaare im Bart und Flachshaare um die Schläfe,
er war so gefällig wie ein Weidenschößling und spielte gern Dame und
mit den Damen, nicht aus Leidenschaft, behüte Gott! nur zum
Zeitvertreib.  Sein Hofmeister, zu tätig, um ein Gelehrter, zu
unlenksam, ein Weltmann zu sein, erfand das Spiel in usum Delphini,
das so homogen mit Seiner Majestät war--und so ferner.

Adelheid.  Matt!  Ihr solltet die Lücken unsrer Geschichtsbücher
ausfüllen, Liebetraut.

(Sie stehen auf.)

Liebetraut.  Die Lücken unsrer Geschlechtsregister, das wäre
profitabler.  Seitdem die Verdienste unserer Vorfahren mit ihren
Porträts zu einerlei Gebrauch dienen, die leeren Seiten nämlich unsrer
Zimmer und unsers Charakters zu tapezieren; da wäre was zu verdienen.

Bischof.  Er will nicht kommen, sagtet Ihr!

Adelheid.  Ich bitt Euch, schlagt's Euch aus dem Sinn.

Bischof.  Was das sein mag?

Liebetraut.  Was?  Die Ursachen lassen sich herunterbeten wie ein
Rosenkranz.  Er ist in eine Art von Zerknirschung gefallen, von der
ich ihn leicht kurieren wollt.

Bischof.  Tut das, reitet zu ihm.

Liebetraut.  Meinen Auftrag!

Bischof.  Er soll unumschränkt sein.  Spare nichts, wenn du ihn
zurückbringst.

Liebetraut.  Darf ich Euch auch hineinmischen, gnädige Frau?

Adelheid.  Mit Bescheidenheit.

Liebetraut.  Das ist eine weitläufige Kommission.

Adelheid.  Kennt Ihr mich so wenig, oder seid Ihr so jung, um nicht zu
wissen, in welchem Ton Ihr mit Weislingen von mir zu reden habt?

Liebetraut.  Im Ton einer Wachtelpfeife, denk ich.

Adelheid.  Ihr werdet nie gescheit werden!

Liebetraut.  Wird man das, gnädige Frau?

Bischof.  Geht, geht.  Nehmt das beste Pferd aus meinem Stall, wählt
Euch Knechte, und schafft mir ihn her!

Liebetraut.  Wenn ich ihn nicht herbanne, so sagt: ein altes Weib, das
Warzen und Sommerflecken vertreibt, verstehe mehr von der Sympathie
als ich.

Bischof.  Was wird das helfen!  Berlichingen hat ihn ganz eingenommen.
Wenn er herkommt, wird er wieder fort wollen.

Liebetraut.  Wollen, das ist keine Frage, aber ob er kann.  Der
Händedruck eines Fürsten, und das Lächeln einer schönen Frau!  Da
reißt sich kein Weisling los.  Ich eile und empfehle mich zu Gnaden.

Bischof.  Reist wohl.

Adelheid.  Adieu.

(Er geht.)

Bischof.  Wenn er einmal hier ist, verlaß ich mich auf Euch.

Adelheid.  Wollt Ihr mich zur Leimstange brauchen?

Bischof.  Nicht doch.

Adelheid.  Zum Lockvogel denn?

Bischof.  Nein, den spielt Liebetraut.  Ich bitt Euch, versagt mir
nicht, was mir sonst niemand gewähren kann.

Adelheid.  Wollen sehn.

Jagsthausen

Hans von Selbitz.  Götz.

Selbitz.  Jedermann wird Euch loben, daß Ihr denen von Nürnberg Fehd
angekündigt habt.

Götz.  Es hätte mir das Herz abgefressen, wenn ich's ihnen hätte lang
schuldig bleiben sollen.  Es ist am Tag, sie haben den Bambergern
meinen Buben verraten.  Sie sollen an mich denken!

Selbitz.  Sie haben einen alten Groll gegen Euch.

Götz.  Und ich wider sie; mir ist gar recht, daß sie angefangen haben.

Selbitz.  Die Reichsstädte und Pfaffen halten doch von jeher zusammen.

Götz.  Sie haben's Ursach.

Selbitz.  Wir wollen ihnen die Hölle heiß machen.

Götz.  Ich zählte auf Euch.  Wollte Gott, der Burgemeister von
Nürnberg, mit der güldenen Kett um den Hals, käm uns in Wurf, er sollt
sich mit all seinem Witz verwundern.

Selbitz.  Ich höre, Weislingen ist wieder auf Eurer Seite.  Tritt er
zu uns?

Götz.  Noch nicht; es hat seine Ursachen, warum er uns noch nicht
öffentlich Vorschub tun darf; doch ist's eine Weile genug, daß er
nicht wider uns ist.  Der Pfaff ist ohne ihn, was das Meßgewand ohne
den Pfaffen.

Selbitz.  Wann ziehen wir aus?

Götz.  Morgen oder übermorgen.  Es kommen nun bald Kaufleute von
Bamberg und Nürnberg aus der Frankfurter Messe.  Wir werden einen
guten Fang tun.

Selbitz.  Will's Gott.  (Ab.)

Bamberg.  Zimmer der Adelheid

Adelheid.  Kammerfräulein.

Adelheid.  Er ist da! sagst du.  Ich glaub es kaum.

Fräulein.  Wenn ich ihn nicht selbst gesehn hätte, würd ich sagen, ich
zweifle.

Adelheid.  Den Liebetraut mag der Bischof in Gold einfassen: er hat
ein Meisterstück gemacht.

Fräulein.  Ich sah ihn, wie er zum Schloß hereinreiten wollte, er saß
auf einem Schimmel.  Das Pferd scheute, wie's an die Brücke kam, und
wollte nicht von der Stelle.  Das Volk war aus allen Straßen gelaufen,
ihn zu sehn.  Sie freuten sich über des Pferds Unart.  Von allen
Seiten ward er gegrüßt, und er dankte allen.  Mit einer angenehmen
Gleichgültigkeit saß er droben, und mit Schmeicheln und Drohen bracht
er es endlich zum Tor herein, der Liebetraut mit, und wenig Knechte.

Adelheid.  Wie gefällt er dir?

Fräulein.  Wie mir nicht leicht ein Mann gefallen hat.  Er glich dem
Kaiser hier (deutet auf Maximilians Porträt), als wenn er sein Sohn
wäre.  Die Nase nur etwas kleiner, ebenso freundliche lichtbraune
Augen, ebenso ein blondes schönes Haar, und gewachsen wie eine Puppe.
Ein halb trauriger Zug auf seinem Gesicht--ich weiß nicht--gefiel mir
so wohl!

Adelheid.  Ich bin neugierig, ihn zu sehen.

Fräulein.  Das wär ein Herr für Euch.

Adelheid.  Närrin!

Fräulein.  Kinder und Narren-(Liebetraut kommt.)

Liebetraut.  Nun, gnädige Frau, was verdien ich?

Adelheid.  Hörner von deinem Weibe.  Denn nach dem zu rechnen, habt
Ihr schon manches Nachbars ehrliches Hausweib aus ihrer Pflicht
hinausgeschwatzt.

Liebetraut.  Nicht doch, gnädige Frau!  Auf ihre Pflicht, wollt Ihr
sagen; denn wenn's ja geschah, schwatzt ich sie auf ihres Mannes Bette.


Adelheid.  Wie habt Ihr's gemacht, ihn herzubringen?

Liebetraut.  Ihr wißt zu gut, wie man Schnepfen fängt; soll ich Euch
meine Kunststückchen noch dazu lehren?--Erst tat ich, als wüßt ich
nichts, verstünd nichts von seiner Aufführung, und setzt ihn dadurch
in den Nachteil, die ganze Historie zu erzählen.  Die sah ich nun
gleich von einer ganz andern Seite an als er, konnte nicht
finden--nicht einsehen--und so weiter.  Dann redete ich von Bamberg
allerlei durcheinander, Großes und Kleines, erweckte gewisse alte
Erinnerungen, und wie ich seine Einbildungskraft beschäftigt hatte,
knüpfte ich wirklich eine Menge Fädchen wieder an, die ich zerrissen
fand.  Er wußte nicht, wie ihm geschah, fühlte einen neuen Zug nach
Bamberg, er wollte--ohne zu wollen.  Wie er nun in sein Herz ging und
das zu entwickeln suchte, und viel zu sehr mit sich beschäftigt war,
um auf sich achtzugeben, warf ich ihm ein Seil um den Hals, aus drei
mächtigen Stricken, Weiber-, Fürstengunst und Schmeichelei, gedreht,
und so hab ich ihn hergeschleppt.

Adelheid.  Was sagtet Ihr von mir?

Liebetraut.  Die lautre Wahrheit.  Ihr hättet wegen Eurer Güter
Verdrießlichkeiten--hättet gehofft, da er beim Kaiser so viel gelte,
werde er das leicht enden können.

Adelheid.  Wohl.

Liebetraut.  Der Bischof wird ihn Euch bringen.

Adelheid.  Ich erwarte sie.  (Liebetraut ab.) Mit einem Herzen, wie
ich selten Besuch erwarte.

Im Spessart

Berlichingen.  Selbitz.  Georg als Reitersknecht.

Götz.  Du hast ihn nicht angetroffen, Georg!

Georg.  Er war tags vorher mit Liebetraut nach Bamberg geritten und
zwei Knechte mit.

Götz.  Ich seh nicht ein, was das geben soll.

Selbitz.  Ich wohl.  Eure Versöhnung war ein wenig zu schnell, als daß
sie dauerhaft hätte sein sollen.  Der Liebetraut ist ein pfiffiger
Kerl; von dem hat er sich beschwätzen lassen.

Götz.  Glaubst du, daß er bundbrüchig werden wird?

Selbitz.  Der erste Schritt ist getan.

Götz.  Ich glaub's nicht.  Wer weiß, wie nötig es war, an Hof zu gehen;
man ist ihm noch schuldig; wir wollen das Beste hoffen.

Selbitz.  Wollte Gott, er verdient' es und täte das Beste!

Götz.  Mir fällt eine List ein.  Wir wollen Georgen des Bamberger
Reiters erbeuteten Kittel anziehen und ihm das Geleitzeichen geben; er
mag nach Bamberg reiten und sehen, wie's steht.

Georg.  Da hab ich lange drauf gehofft.

Götz.  Es ist dein erster Ritt.  Sei vorsichtig, Knabe!  Mir wäre leid,
wenn dir ein Unfall begegnen sollt.

Georg.  Laßt nur, mich irrt's nicht, wenn noch so viel um mich
herumkrabbeln, mir ist's, als wenn's Ratten und Mäuse wären.  (Ab.)

Bamberg

Bischof.  Du willst dich nicht länger halten lassen!

Weislingen.  Ihr werdet nicht verlangen, daß ich meinen Eid brechen
soll.

Bischof.  Ich hätte verlangen können, du solltest ihn nicht schwören.
Was für ein Geist regierte dich?  Konnt ich dich ohne das nicht
befreien?  Gelt ich so wenig am Kaiserlichen Hofe?

Weislingen.  Es ist geschehen; verzeiht mir, wenn Ihr könnt.

Bischof.  Ich begreif nicht, was nur im geringsten dich nötigte, den
Schritt zu tun!  Mir zu entsagen?  Waren denn nicht hundert andere
Bedingungen, loszukommen?  Haben wir nicht seinen Buben?  Hätt ich
nicht Gelds genug gegeben und ihn wieder beruhigt?  Unsere Anschläge
auf ihn und seine Gesellen wären fortgegangen--Ach ich denke nicht,
daß ich mit seinem Freunde rede, der nun wider mich arbeitet und die
Minen leicht entkräften kann, die er selbst gegraben hat.

Weislingen.  Gnädiger Herr!

Bischof.  Und doch--wenn ich wieder dein Angesicht sehe, deine Stimme
höre.  Es ist nicht möglich, nicht möglich.

Weislingen.  Lebt wohl, gnädiger Herr.

Bischof.  Ich gebe dir meinen Segen.  Sonst, wenn du gingst, sagt ich:
"Auf Wiedersehn!"  Jetzt--Wollte Gott, wir sähen einander nie wieder!

Weislingen.  Es kann sich vieles ändern.

Bischof.  Vielleicht seh ich dich noch einmal, als Feind vor meinen
Mauern, die Felder verheeren, die ihren blühenden Zustand dir jetzo
danken.

Weislingen.  Nein, gnädiger Herr.

Bischof.  Du kannst nicht nein sagen.  Die weltlichen Stände, meine
Nachbarn, haben alle einen Zahn auf mich.  Solang ich dich hatte--Geht,
Weislingen!  Ich habe Euch nichts mehr zu sagen.  Ihr habt vieles
zunichte gemacht.  Geht!

Weislingen.  Und ich weiß nicht, was ich sagen soll.

(Bischof ab.--Franz tritt auf.)

Franz.  Adelheid erwartet Euch.  Sie ist nicht wohl.  Und doch will
sie Euch ohne Abschied nicht lassen.

Weislingen.  Komm.

Franz.  Gehn wir denn gewiß?

Weislingen.  Noch diesen Abend.-Franz.  Mir ist, als wenn ich aus der
Welt sollte.

Weislingen.  Mir auch, und noch darzu, als wüßt ich nicht wohin.



II. Akt, Szene 2



Adelheidens Zimmer

Adelheid.  Fräulein.

Fräulein.  Ihr seht blaß, gnädige Frau.

Adelheid.--Ich lieb ihn nicht, und wollte doch, daß er bliebe.  Siehst
du, ich könnte mit ihm leben, ob ich ihn gleich nicht zum Manne haben
möchte.

Fräulein.  Glaubt Ihr, er geht?

Adelheid.  Er ist zum Bischof, um Lebewohl zu sagen.

Fräulein.  Er hat darnach noch einen schweren Stand.

Adelheid.  Wie meinst du?

Fräulein.  Was fragt Ihr, gnädige Frau?  Ihr habt sein Herz geangelt,
und wenn er sich losreißen will, verblutet er.

(Adelheid.  Weislingen.)

Weislingen.  Ihr seid nicht wohl, gnädige Frau?

Adelheid.  Das kann Euch einerlei sein.  Ihr verlaßt uns, verlaßt uns
auf immer.  Was fragt Ihr, ob wir leben oder sterben.

Weislingen.  Ihr verkennt mich.

Adelheid.  Ich nehme Euch, wie Ihr Euch gebt.

Weislingen.  Das Ansehn trügt.

Adelheid.  So seid Ihr ein Chamäleon?

Weislingen.  Wenn Ihr mein Herz sehen könntet!

Adelheid.  Schöne Sachen würden mir vor die Augen kommen.

Weislingen.  Gewiß!  Ihr würdet Euer Bild drin finden.

Adelheid.  In irgendeinem Winkel bei den Porträten ausgestorbener
Familien.  Ich bitt Euch, Weislingen, bedenkt, Ihr redet mit mir.
Falsche Worte gelten zum höchsten, wenn sie Masken unserer Taten sind.
Ein Vermummter, der kenntlich ist, spielt eine armselige Rolle.  Ihr
leugnet Eure Handlungen nicht und redet das Gegenteil; was soll man
von Euch halten?

Weislingen.  Was Ihr wollt.  Ich bin so geplagt mit dem, was ich bin,
daß mir wenig bang ist, für was man mich nehmen mag.

Adelheid.  Ihr kommt, um Abschied zu nehmen.

Weislingen.  Erlaubt mir, Eure Hand zu küssen, und ich will sagen.
Lebt wohl.  Ihr erinnert mich!  Ich bedachte nicht--Ich bin
beschwerlich, gnädige Frau.

Adelheid.  Ihr legt's falsch aus: ich wollte Euch forthelfen; denn Ihr
wollt fort.

Weislingen.  O sagt: ich muß.  Zöge mich nicht die Ritterpflicht, der
heilige Handschlag-Adelheid.  Geht!  Geht!  Erzählt das Mädchen, die
den "Theuerdank" lesen und sich so einen Mann wünschen.  Ritterpflicht!
Kinderspiel!

Weislingen.  Ihr denkt nicht so.

Adelheid.  Bei meinem Eid, Ihr verstellt Euch!  Was habt Ihr
versprochen?  Und wem?  Einem Mann, der seine Pflicht gegen den Kaiser
und das Reich verkennt, in eben dem Augenblick Pflicht zu leisten, da
er durch Eure Gefangennehmung in die Strafe der Acht verfällt.
Pflicht zu leisten! die nicht gültiger sein kann als ungerechter
gezwungener Eid.  Entbinden nicht unsere Gesetze von solchen Schwüren?
Macht das Kindern weis, die den Rübezahl glauben.  Es stecken andere
Sachen dahinter.  Ein Feind des Reichs zu werden, ein Feind der
bürgerlichen Ruh und Glückseligkeit!  Ein Feind des Kaisers!  Geselle
eines Räubers! du, Weislingen, mit deiner sanften Seele!

Weislingen.  Wenn Ihr ihn kenntet-Adelheid.  Ich wollt ihm
Gerechtigkeit widerfahren lassen.  Er hat eine hohe unbändige Seele.
Eben darum wehe dir, Weislingen!  Geh und bilde dir ein, Geselle von
ihm zu sein.  Geh! und laß dich beherrschen.  Du bist freundlich,
gefällig-Weislingen.  Er ist's auch.

Adelheid.  Aber du bist nachgebend und er nicht!  Unversehens wird er
dich wegreißen, du wirst ein Sklave eines Edelmanns werden, da du Herr
von Fürsten sein könntest.--Doch es ist Unbarmherzigkeit, dir deinen
zukünftigen Stand zu verleiden.

Weislingen.  Hättest du gefühlt, wie liebreich er mir begegnete.

Adelheid.  Liebreich!  Das rechnest du ihm an?  Es war seine
Schuldigkeit; und was hättest du verloren, wenn er widerwärtig gewesen
wäre?  Mir hätte das willkommner sein sollen.  Ein übermütiger Mensch
wie der-Weislingen.  Ihr redet von Euerm Feind.

Adelheid.  Ich redete für Eure Freiheit--Und weiß überhaupt nicht, was
ich vor einen Anteil dran nehme.  Lebt wohl.

Weislingen.  Erlaubt noch einen Augenblick.  (Er nimmt ihre Hand und
schweigt.)

Adelheid.  Habt Ihr mir noch was zu sagen?

Weislingen.--Ich muß fort.

Adelheid.  So geht.

Weislingen.  Gnädige Frau!--Ich kann nicht.

Adelheid.  Ihr müßt.

Weislingen.  Soll das Euer letzter Blick sein?

Adelheid.  Geht, ich bin krank, sehr zur ungelegnen Zeit.

Weislingen.  Seht mich nicht so an.

Adelheid.  Willst du unser Feind sein, und wir sollen dir lächeln?
Geh!

Weislingen.  Adelheid!

Adelheid.  Ich hasse Euch!

(Franz kommt.)

Franz.  Gnädiger Herr!  Der Bischof läßt Euch rufen.

Adelheid.  Geht!  Geht!

Franz.  Er bittet Euch, eilend zu kommen.

Adelheid.  Geht!  Geht!

Weislingen.  Ich nehme nicht Abschied, ich sehe Euch wieder!  (Ab.)

Adelheid.  Mich wieder?  Wir wollen dafür sein.  Margarete, wenn er
kommt, weis ihn ab.  Ich bin krank, habe Kopfweh, ich schlafe--Weis
ihn ab.  Wenn er noch zu gewinnen ist, so ist's auf diesem Wege.  (Ab.
)

Vorzimmer

Weislingen.  Franz.

Weislingen.  Sie will mich nicht sehn?

Franz.  Es wird Nacht, soll ich die Pferde satteln?

Weislingen.  Sie will mich nicht sehn?

Franz.  Wann befehlen Ihro Gnaden die Pferde?

Weislingen.  Es ist zu spät!  Wir bleiben hier.

Franz.  Gott sei Dank!  (Ab.)

Weislingen.  Du bleibst!  Sei auf, deiner Hut, die Versuchung ist groß.
Mein Pferd scheute, wie ich zum Schloßtor herein wollte, mein guter
Geist stellte sich ihm entgegen, er kannte die Gefahren, die mein hier
warteten.--Doch ist's nicht recht, die vielen Geschäfte, die ich dem
Bischof unvollendet liegen ließ, nicht wenigstens so zu ordnen, daß
ein Nachfolger da anfangen kann, wo ich's gelassen habe.  Das kann ich
doch alles tun, unbeschadet Berlichingen und unserer Verbindung.  Denn
halten sollen sie mich hier nicht.--Wäre doch besser gewesen, wenn ich
nicht gekommen wäre.  Aber ich will fort--morgen oder übermorgen.
(Geht ab.)

Im Spessart

Götz.  Selbitz.  Georg.

Selbitz.  Ihr seht, es ist gegangen, wie ich gesagt habe.

Götz.  Nein!  Nein!  Nein!

Georg.  Glaubt, ich berichte Euch mit der Wahrheit.  Ich tat, wie Ihr
befahlt, nahm den Kittel des Bambergischen und sein Zeichen, und damit
ich doch mein Essen und Trinken verdiente, geleitete ich Reineckische
Bauern hinauf nach Bamberg.

Selbitz.  In der Verkappung?  Das hätte dir übel geraten können.

Georg.  So denk ich auch hintendrein.  Ein Reitersmann, der das voraus
denkt, wird keine weiten Sprünge machen.  Ich kam nach Bamberg, und
gleich im Wirtshaus hörte ich erzählen: Weislingen und der Bischof
seien ausgesöhnt, und man redte viel von einer Heirat mit der Witwe
des von Walldorf.

Götz.  Gespräche.

Georg.  Ich sah ihn, wie er sie zur Tafel führte.  Sie ist schön, bei
meinem Eid, sie ist schön.  Wir bückten uns alle, sie dankte uns allen,
er nickte mit dem Kopf, sah sehr vergnügt, sie gingen vorbei, und das
Volk murmelte: "Ein schönes Paar!"

Götz.  Das kann sein.

Georg.  Hört weiter.  Da er des andern Tags in die Messe ging, paßt
ich meine Zeit ab.  Er war allein mit einem Knaben.  Ich stund unten
an der Treppe und sagte leise zu ihm: "Ein paar Worte von Euerm
Berlichingen."  Er ward bestürzt; ich sahe das Geständnis seines
Lasters in seinem Gesicht, er hatte kaum das Herz, mich anzusehen,
mich, einen schlechten Reitersjungen.

Selbitz.  Das macht, sein Gewissen war schlechter als dein Stand.

Georg.  "Du bist Bambergisch?" sagt' er.--"Ich bring einen Gruß vom
Ritter Berlichingen", sagt ich, "und soll fragen--"--"Komm morgen
früh", sagt' er, "an mein Zimmer, wir wollen weiterreden."

Götz.  Kamst du?

Georg.  Wohl kam ich, und mußt im Vorsaal stehn, lang, lang.  Und die
seidnen Buben beguckten mich von vorn und hinten.  Ich dachte, guckt
ihr--Endlich führte man mich hinein, er schien böse, mir war's
einerlei.  Ich trat zu ihm und legte meine Kommission ab.  Er tat
feindlich böse, wie einer, der kein Herz hat und 's nit will merken
lassen.  Er verwunderte sich, daß Ihr ihn durch einen Reitersjungen
zur Rede setzen ließt.  Das verdroß mich.  Ich sagte, es gäbe nur
zweierlei Leut, brave und Schurken, und ich diente Götzen von
Berlichingen.  Nun fing er an, schwatzte allerlei verkehrtes Zeug, das
darauf hinausging: Ihr hättet ihn übereilt, er sei Euch keine Pflicht
schuldig und wolle nichts mit Euch zu tun haben.

Götz.  Hast du das aus seinem Munde?

Georg.  Das und noch mehr--Er drohte mir-Götz.  Es ist genug!  Der
wäre nun auch verloren!  Treu und Glaube, du hast mich wieder betrogen.
Arme Marie!  Wie werd ich dir's beibringen!

Selbitz.  Ich wollte lieber mein ander Bein dazu verlieren, als so ein
Hundsfott sein.  (Ab.)

Bamberg

Adelheid.  Weislingen.

Adelheid.  Die Zeit fängt mir an unerträglich lang zu werden; reden
mag ich nicht, und ich schäme mich, mit Euch zu spielen.  Langeweile,
du bist ärger als ein kaltes Fieber.

Weislingen.  Seid Ihr mich schon müde?

Adelheid.  Euch nicht sowohl als Euern Umgang.  Ich wollte, Ihr wärt,
wo Ihr hinwolltet, und wir hätten Euch nicht gehalten.

Weislingen.  Das ist Weibergunst!  Erst brütet sie, mit Mutterwärme,
unsere liebsten Hoffnungen an; dann, gleich einer unbeständigen Henne,
verläßt sie das Nest und übergibt ihre schon keimende Nachkommenschaft
dem Tode und der Verwesung.

Adelheid.  Scheltet die Weiber!  Der unbesonnene Spieler zerbeißt und
zerstampft die Karten, die ihn unschuldigerweise verlieren machten.
Aber laßt mich Euch was von Mannsleuten erzählen.  Was seid denn ihr,
um von Wankelmut zu sprechen?  Ihr, die ihr selten seid, was ihr sein
wollt, niemals, was ihr sein solltet.  Könige im Festtagsornat, vom
Pöbel beneidet.  Was gäb eine Schneidersfrau drum, eine Schnur Perlen
um ihren Hals zu haben, von dem Saum eures Kleids, den eure Absätze
verächtlich zurückstoßen!

Weislingen.  Ihr seid bitter.

Adelheid.  Es ist die Antistrophe von Eurem Gesang.  Eh ich Euch
kannte, Weislingen, ging mir's wie der Schneidersfrau.  Der Ruf,
hundertzüngig, ohne Metapher gesprochen, hatte Euch so zahnarztmäßig
herausgestrichen, daß ich mich überreden ließ zu wünschen: möchtest du
doch diese Quintessenz des männlichen Geschlechts, den Phönix
Weislingen zu Gesicht kriegen!  Ich ward meines Wunsches gewährt.

Weislingen.  Und der Phönix präsentierte sich als ein ordinärer
Haushahn.

Adelheid.  Nein, Weislingen, ich nahm Anteil an Euch.

Weislingen.  Es schien so-Adelheid.  Und war.  Denn wirklich, ihr
übertraft Euern Ruf.  Die Menge schätzt nur den Widerschein des
Verdienstes.  Wie mir's denn nun geht, daß ich über die Leute nicht
denken mag, denen ich wohlwill; so lebten wir eine Zeitlang
nebeneinander, es fehlte mir was, und ich wußte nicht, was ich an Euch
vermißte.  Endlich gingen mir die Augen auf.  Ich sah statt des
aktiven Mannes, der die Geschäfte eines Fürstentums belebte, der sich
und seinen Ruhm dabei nicht vergaß, der auf hundert großen
Unternehmungen, wie auf übereinander gewälzten Bergen, zu den Wolken
hinaufgestiegen war: den sah ich auf einmal, jammernd wie einen
kranken Poeten, melancholisch wie ein gesundes Mädchen und müßiger als
einen alten Junggesellen.  Anfangs schrieb ich's Euerm Unfall zu, der
Euch noch neu auf dem Herzen lag, und entschuldigte Euch, so gut ich
konnte.  Jetzt, da es von Tag zu Tage schlimmer mit Euch zu werden
scheint, müßt Ihr mir verzeihen, wenn ich Euch meine Gunst entreiße.
Ihr besitzt sie ohne Recht, ich schenkte sie einem andern auf
Lebenslang, der sie Euch nicht übertragen konnte.

Weislingen.  So laßt mich los.

Adelheid.  Nicht, bis alle Hoffnung verloren ist.  Die Einsamkeit ist
in diesen Umständen gefährlich.--Armer Mensch!  Ihr seid so mißmütig,
wie einer, dem sein erstes Mädchen untreu wird, und eben darum geb ich
Euch nicht auf.  Gebt mir die Hand, verzeiht mir, was ich aus Liebe
gesagt habe.

Weislingen.  Könntest du mich lieben, könntest du meiner heißen
Leidenschaft einen Tropfen Linderung gewähren!  Adelheid! deine
Vorwürfe sind höchst ungerecht.  Könntest du den hundertsten Teil
ahnen von dem, was die Zeit her in mir arbeitet, du würdest mich nicht
mit Gefälligkeit, Gleichgültigkeit und Verachtung so unbarmherzig hin
und her zerrissen haben--Du lächelst!--Nach dem übereilten Schritt
wieder mit mir selbst einig zu werden, kostete mehr als einen Tag.
Wider den Menschen zu arbeiten, dessen Andenken so lebhaft neu in
Liebe bei mir ist.

Adelheid.  Wunderlicher Mann, der du den lieben kannst, den du
beneidest!  Das ist, als wenn ich meinem Feinde Proviant zuführte.

Weislingen.  Ich fühl's wohl, es gilt hier, kein Säumen.  Er ist
berichtet, daß ich wieder Weislingen bin, und er wird sich seines
Vorteils über uns ersehen.  Auch, Adelheid, sind wir nicht so träg,
als du meinst.  Unsere Reiter sind verstärkt und wachsam, unsere
Unterhandlungen gehen fort, und der Reichstag zu Augsburg soll
hoffentlich unsere Projekte zur Reife bringen.

Adelheid.  Ihr geht hin?

Weislingen.  Wenn ich eine Hoffnung mitnehmen könnte!  (Küßt ihre Hand.
)

Adelheid.  O ihr Ungläubigen!  Immer Zeichen und Wunder!  Geh,
Weislingen, und vollende das Werk.  Der Vorteil des Bischofs, der
deinige, der meinige, sie sind so verwebt, daß, wäre es auch nur der
Politik wegen-Weislingen.  Du kannst scherzen.

Adelheid.  Ich scherze nicht.  Meine Güter hat der stolze Herzog inne,
die deinigen wird Götz nicht lange ungeneckt lassen; und wenn wir
nicht zusammenhalten wie unsere Feinde und den Kaiser auf unsere Seite
lenken, sind wir verloren.

Weislingen.  Mir ist's nicht bange.  Der größte Teil der Fürsten ist
unserer Gesinnung.  Der Kaiser verlangt Hülfe gegen die Türken, und
dafür ist's billig, daß er uns wieder beisteht.  Welche Wollust wird
mir's sein, deine Güter von übermütigen Feinden zu befreien, die
unruhigen Köpfe in Schwaben aufs Kissen zu bringen, die Ruhe des
Bistums, unser aller herzustellen.  Und dann--?

Adelheid.  Ein Tag bringt den andern, und beim Schicksal steht das
Zukünftige.

Weislingen.  Aber wir müssen wollen.

Adelheid.  Wir wollen ja.

Weislingen.  Gewiß?

Adelheid.  Nun ja.  Geht.

Weislingen.  Zauberin!

Herberge Bauernhochzeit.  Musik und Tanz draußen

Der Brautvater, Götz, Selbitz am Tische.  Bräutigam tritt zu ihnen.

Götz.  Das Gescheitste war, daß ihr euern Zwist so glücklich und
fröhlich durch eine Heirat endigt.

Brautvater.  Besser, als ich mir's hätte träumen lassen.  In Ruh und
Fried mit meinem Nachbar, und eine Tochter wohl versorgt dazu!

Bräutigam.  Und ich im Besitz des strittigen Stücks, und drüber den
hübschten Backfisch im ganzen Dorf.  Wollte Gott, Ihr hättet Euch eher
drein geben.

Selbitz.  Wie lange habt ihr prozessiert?

Brautvater.  An die acht Jahre.  Ich wollte lieber noch einmal so lang
das Frieren haben, als von vorn anfangen.  Das ist ein Gezerre, Ihr
glaubt's nicht, bis man den Perücken ein Urteil vom Herzen reißt; und
was hat man darnach?  Der Teufel hol den Assessor Sapupi!  's is ein
verfluchter schwarzer Italiener.

Bräutigam.  Ja, das ist ein toller Kerl.  Zweimal war ich dort.

Brautvater.  Und ich dreimal.  Und seht, ihr Herrn: kriegen wir ein
Urteil endlich, wo ich so viel Recht hab als er, und er so viel als
ich, und wir eben stunden wie die Maulaffen, bis mir unser Herrgott
eingab, ihm meine Tochter zu geben und das Zeug dazu.

Götz (trinkt).  Gut Vernehmen künftig.

Brautvater.  Geb's Gott!  Geh aber, wie's will, prozessieren tu ich
mein Tag nit mehr.  Was das ein Geldspiel kost!  Jeden Reverenz, den
euch ein Prokurator macht, müßt ihr bezahlen.

Selbitz.  Sind ja jährlich Kaiserliche Visitationen da.

Brautvater.  Hab nichts davon gehört.  Ist mir mancher schöne Taler
nebenaus gangen.  Das unerhörte Blechen!

Götz.  Wie meint Ihr?

Brautvater.  Ach, da macht alles hohle Pfötchen.  Der Assessor allein,
Gott verzeih's ihm, hat mir achtzehn Goldgulden abgenommen.

Bräutigam.  Wer?

Brautvater.  Wer anders als der Sapupi?

Götz.  Das ist schändlich.

Brautvater.  Wohl, ich mußt ihm zwanzig erlegen.  Und da ich sie ihm
hingezahlt hatte, in seinem Gartenhaus, das prächtig ist, im großen
Saal, wollt mir vor Wehmut fast das Herz brechen.  Denn seht, eines
Haus und Hof steht gut, aber wo soll bar Geld herkommen?  Ich stund da,
Gott weiß, wie mir's war.  Ich hatte keinen roten Heller Reisegeld im
Sack.  Endlich nahm ich mir 's Herz und stellt's ihm vor.  Nun er sah,
daß mir 's Wasser an die Seele ging, da warf er mir zwei davon zurück
und schickt' mich fort.

Bräutigam.  Es ist nicht möglich!  Der Sapupi?

Brautvater.  Wie stellst du dich!  Freilich!  Kein andrer!

Bräutigam.  Den soll der Teufel holen, er hat mir auch funfzehn
Goldgülden abgenommen.

Brautvater.  Verflucht!

Selbitz.  Götz!  Wir sind Räuber!

Brautvater.  Drum fiel das Urteil so scheel aus.  Du Hund!

Götz.  Das müßt ihr nicht ungerügt lassen.

Brautvater.  Was sollen wir tun?

Götz.  Macht euch auf nach Speier, es ist eben Visitationszeit,
zeigt's an, sie müssen's untersuchen und euch zu dem Eurigen helfen.

Bräutigam.  Denkt Ihr, wir treiben's durch?

Götz.  Wenn ich ihm über die Ohren dürfte, wollt ich's euch
versprechen.

Selbitz.  Die Summe ist wohl einen Versuch wert.

Götz.  Bin ich wohl eher um des vierten Teils willen ausgeritten.

Brautvater.  Wie meinst du?

Bräutigam.  Wir wollen, geh's wie's geh.

(Georg kommt.)

Georg.  Die Nürnberger sind im Anzug.

Götz.  Wo?

Georg.  Wenn wir ganz sachte reiten, packen wir sie zwischen Beerheim
und Mühlbach im Wald.

Selbitz.  Trefflich!

Götz.  Kommt, Kinder.  Gott grüß euch!  Helf uns allen zum Unsrigen!

Bauer.  Großen Dank!  Ihr wollt nicht zum Nacht-Ims bleiben?

Götz.  Können nicht.  Adies.



Dritter Akt



III. Akt, Szene 1



Augsburg.  Ein Garten

Zwei Nürnberger Kaufleute.

Erster Kaufmann.  Hier wollen wir stehn, denn da muß der Kaiser vorbei.
Er kommt eben den langen Gang herauf.

Zweiter Kaufmann.  Wer ist bei ihm?

Erster Kaufmann.  Adelbert von Weislingen!

Zweiter Kaufmann.  Bambergs Freund!  Das ist gut.

Erster Kaufmann.  Wir wollen einen Fußfall tun, und ich will reden.

Zweiter Kaufmann.  Wohl, da kommen sie.

(Kaiser.  Weislingen.)

Erster Kaufmann.  Er sieht verdrießlich aus.

Kaiser.  Ich bin unmutig, Weislingen, und wenn ich auf mein
vergangenes Leben zurücksehe, möcht ich verzagt werden; so viel halbe,
so viel verunglückte Unternehmungen! und das alles, weil kein Fürst im
Reich so klein ist, dem nicht mehr an seinen Grillen gelegen wäre als
an meinen Gedanken.

(Die Kaufleute werfen sich ihm zu Füßen.)

Kaufmann.  Allerdurchlauchtigster!  Großmächtigster!

Kaiser.  Wer seid ihr?  Was gibt's?

Kaufmann.  Arme Kaufleute von Nürnberg, Eurer Majestät Knechte, und
flehen um Hülfe.  Götz von Berlichingen und Hans von Selbitz haben
unser dreißig, die von der Frankfurter Messe kamen, im Bambergischen
Geleite niedergeworfen und beraubt; wir bitten Eure Kaiserliche
Majestät um Hülfe, um Beistand, sonst sind wir alle verdorbene Leute,
genötigt, unser Brot zu betteln.

Kaiser.  Heiliger Gott!  Heiliger Gott!  Was ist das?  Der eine hat
nur eine Hand, der andere nur ein Bein; wenn sie denn erst zwei Hände
hätten, und zwei Beine, was wolltet ihr dann tun?

Kaufmann.  Wir bitten Eure Majestät untertänigst, auf unsere
bedrängten Umstände ein mitleidiges Auge zu werfen.

Kaiser.  Wie geht's zu!  Wenn ein Kaufmann einen Pfeffersack verliert,
soll man das ganze Reich aufmahnen; und wenn Händel vorhanden sind,
daran Kaiserlicher Majestät und dem Reich viel gelegen ist, daß es
Königreich, Fürstentum, Herzogtum und anders betrifft, so kann euch
kein Mensch zusammenbringen.

Weislingen.  Ihr kommt zur ungelegnen Zeit.  Geht und verweilt einige
Tage hier.

Kaufleute.  Wir empfehlen uns zu Gnaden.  (Ab.)

Kaiser.  Wieder neue Händel.  Sie wachsen nach wie die Köpfe der Hydra.


Weislingen.  Und sind nicht auszurotten als mit Feuer und Schwert und
einer mutigen Unternehmung.

Kaiser.  Glaubt Ihr?

Weislingen.  Ich halte nichts für tunlicher, wenn Eure Majestät und
die Fürsten sich über andern unbedeutenden Zwist vereinigen könnten.
Es ist mit nichten ganz Deutschland, das über Beunruhigung klagt.
Franken und Schwaben allein glimmt noch von den Resten des innerlichen
verderblichen Bürgerkriegs.  Und auch da sind viele der Edeln und
Freien, die sich nach Ruhe sehnen.  Hätten wir einmal diesen Sickingen,
Selbitz--Berlichingen auf die Seite geschafft, das übrige würde bald
von sich selbst zerfallen.  Denn sie sind's, deren Geist die
aufrührische Menge belebt.

Kaiser.  Ich möchte die Leute gerne schonen, sie sind tapfer und edel.
Wenn ich Krieg führte, müßten sie mit mir zu Felde.

Weislingen.  Es wäre zu wünschen, daß sie von jeher gelernt hätten,
ihrer Pflicht zu gehorchen.  Und dann wär es höchst gefährlich, ihre
aufrührischen Unternehmungen durch Ehrenstellen zu belohnen.  Denn
eben diese kaiserliche Mild und Gnade ist's, die sie bisher so
ungeheuer mißbrauchten, und ihr Anhang, der sein Vertrauen und
Hoffnung darauf setzt, wird nicht ehe zu bändigen sein, bis wir sie
ganz vor den Augen der Welt zunichte gemacht und ihnen alle Hoffnung,
jemals wieder emporzukommen, völlig abgeschnitten haben.

Kaiser.  Ihr ratet also zur Strenge?

Weislingen.  Ich sehe kein ander Mittel, den Schwindelgeist, der ganze
Landschaften ergreift, zu bannen.  Hören wir nicht schon hier und da
die bittersten Klagen der Edeln, daß ihre Untertanen, ihre Leibeignen
sich gegen sie auflehnen und mit ihnen rechten, ihnen die hergebrachte
Oberherrschaft zu schmälern drohen, so daß die gefährlichsten Folgen
zu fürchten sind?

Kaiser.  Jetzt wär eine schöne Gelegenheit wider den Berlichingen und
Selbitz; nur wollt ich nicht, daß ihnen was zuleid geschehe.  Gefangen
möcht ich sie haben, und dann müßten sie Urfehde schwören, auf ihren
Schlössern ruhig zu bleiben und nicht aus ihrem Bann zu gehen.  Bei
der nächsten Session will ich's vortragen.

Weislingen.  Ein freudiger beistimmender Zuruf wird Eurer Majestät das
Ende der Rede ersparen.  (Ab.)

Jagsthausen

Sickingen.  Berlichingen.

Sickingen.  Ja, ich komme, Eure edle Schwester um ihr Herz und ihre
Hand zu bitten.

Götz.  So wollt ich, Ihr wärt eher kommen.  Ich muß Euch sagen:
Weislingen hat während seiner Gefangenschaft ihre Liebe gewonnen, um
sie angehalten, und ich sagt sie ihm zu.  Ich hab ihn losgelassen, den
Vogel, und er verachtet die gütige Hand, die ihm in der Not Futter
reichte.  Er schwirrt herum, weiß Gott auf welcher Hecke seine Nahrung
zu suchen.

Sickingen.  Ist das so?

Götz.  Wie ich sage.

Sickingen.  Er hat ein doppeltes Band zerrissen.  Wohl Euch, daß Ihr
mit dem Verräter nicht näher verwandt worden.

Götz.  Sie sitzt, das arme Mädchen, verjammert und verbetet ihr Leben.

Sickingen.  Wir wollen sie singen machen.

Götz.  Wie!  Entschließet Ihr Euch, eine Verlaßne zu heiraten?

Sickingen.  Es macht euch beiden Ehre, von ihm betrogen worden zu sein.
Soll darum das arme Mädchen in ein Kloster gehn, weil der erste Mann,
den sie kannte, ein Nichtswürdiger war?  Nein doch! ich bleibe darauf,
sie soll Königin von meinen Schlössern werden.

Götz.  Ich sage Euch, sie war nicht gleichgültig gegen ihn.

Sickingen.  Traust du mir nicht zu, daß ich den Schatten eines Elenden
sollte verjagen können?  Laß uns zu ihr!  (Ab.)

Lager der Reichsexekution

Hauptmann.  Offiziere.

Hauptmann.  Wir müssen behutsam gehn und unsere Leute so viel möglich
schonen.  Auch ist unsere gemessene Order, ihn in die Enge zu treiben
und lebendig gefangenzunehmen.  Es wird schwerhalten, denn wer mag
sich an ihn machen?

Erster Offizier.  Freilich!  Und er wird sich wehren wie ein wildes
Schwein.  Überhaupt hat er uns sein Lebelang nichts zuleid getan, und
jeder wird's von sich schieben, Kaiser und Reich zu Gefallen Arm und
Bein daranzusetzen.

Zweiter Offizier.  Es wäre eine Schande, wenn wir ihn nicht kriegten.
Wenn ich ihn nur einmal beim Lappen habe, er soll nicht loskommen.

Erster Offizier.  Faßt ihn nur nicht mit Zähnen, er möchte Euch die
Kinnbacken ausziehen.  Guter junger Herr, dergleichen Leut packen sich
nicht wie ein flüchtiger Dieb.

Zweiter Offizier.  Wollen sehn.

Hauptmann.  Unsern Brief muß er nun haben.  Wir wollen nicht säumen
und einen Trupp ausschicken, der ihn beobachten soll.

Zweiter Offizier.  Laßt mich ihn führen.

Hauptmann.  Ihr seid der Gegend unkundig.

Zweiter Offizier.  Ich hab einen Knecht, der hier geboren und erzogen
ist.

Hauptmann.  Ich bin's zufrieden.  (Ab.)

Jagsthausen

Sickingen.

Sickingen.  Es geht alles nach Wunsch; sie war etwas bestürzt über
meinen Antrag und sah mich vom Kopf bis auf die Füße an; ich wette,
sie verglich mich mit ihrem Weißfisch.  Gott sei Dank, daß ich mich
stellen darf.  Sie antwortete wenig und durcheinander; desto besser!
Es mag eine Zeit kochen.  Bei Mädchen, die durch Liebesunglück gebeizt
sind, wird ein Heiratsvorschlag bald gar.

(Götz kommt.)

Sickingen.  Was bringt Ihr, Schwager?

Götz.  In die Acht erklärt!

Sickingen.  Was?

Götz.  Da lest den erbaulichen Brief.  Der Kaiser hat Exekution gegen
mich verordnet, die mein Fleisch den Vögeln unter dem Himmel und den
Tieren auf dem Felde zu fressen vorschneiden soll.

Sickingen.  Erst sollen sie dran.  Just zur gelegenen Zeit bin ich
hier.

Götz.  Nein, Sickingen, Ihr sollt fort.  Eure großen Anschläge könnten
darüber zugrunde gehn, wenn Ihr zu so ungelegner Zeit des Reichs Feind
werden wolltet.  Auch mir werdet Ihr weit mehr nutzen, wenn Ihr
neutral zu sein scheint.  Der Kaiser liebt Euch, und das Schlimmste,
das mir begegnen kann, ist, gefangen zu werden; dann braucht Euer
Vorwort und reißt mich aus einem Elend, in das unzeitige Hülfe uns
beide stürzen könnte.  Denn was wär's?  Jetzo geht der Zug gegen mich;
erfahren sie, du bist bei mir, so schicken sie mehr, und wir sind um
nichts gebessert.  Der Kaiser sitzt an der Quelle, und ich wär schon
jetzt unwiederbringlich verloren, wenn man Tapferkeit so geschwind
einblasen könnte, als man einen Haufen zusammenblasen kann.

Sickingen.  Doch kann ich heimlich ein zwanzig Reiter zu Euch stoßen
lassen.

Götz.  Gut.  Ich hab schon Georgen nach dem Selbitz geschickt, und
meine Knechte in der Nachbarschaft herum.  Lieber Schwager, wenn meine
Leute beisammen sind, es wird ein Häufchen sein, dergleichen wenig
Fürsten beisammen gesehen haben.

Sickingen.  Ihr werdet gegen die Menge wenig sein.

Götz.  Ein Wolf ist einer ganzen Herde Schafe zu viel.

Sickingen.  Wenn sie aber einen guten Hirten haben?

Götz.  Sorg du.  Es sind lauter Mietlinge.  Und dann kann der beste
Ritter nichts machen, wenn er nicht Herr von seinen Handlungen ist.
So kamen sie mir auch einmal, wie ich dem Pfalzgrafen zugesagt hatte,
gegen Konrad Schotten zu dienen; da legt' er mir einen Zettel aus der
Kanzlei vor, wie ich reiten und mich halten sollt; da warf ich den
Räten das Papier wieder dar und sagt: ich wüßt nicht darnach zu
handlen, ich weiß nicht, was mir begegnen mag, das steht nicht im
Zettel, ich muß die Augen selbst auftun und sehn, was ich zu schaffen
hab.

Sickingen.  Glück zu, Bruder!  Ich will gleich fort und dir schicken,
was ich in der Eil zusammentreiben kann.

Götz.  Komm noch zu den Frauen, ich ließ sie beisammen.  Ich wollte,
daß du ihr Wort hättest, ehe du gingst.  Dann schick mir die Reiter,
und komm heimlich wieder, Marien abzuholen, denn mein Schloß, fürcht
ich, wird bald kein Aufenthalt für Weiber mehr sein.

Sickingen.  Wollen das Beste hoffen.  (Ab.)

Bamberg.  Adelheidens Zimmer

Adelheid.  Franz.

Adelheid.  So sind die beiden Exekutionen schon aufgebrochen?

Franz.  Ja, und mein Herr hat die Freude, gegen Eure Feinde zu ziehen.
Ich wollte gleich mit, so gern ich zu Euch gehe.  Auch will ich jetzt
wieder fort, um bald mit fröhlicher Botschaft wiederzukehren.  Mein
Herr hat mir's erlaubt.

Adelheid.  Wie steht's mit ihm?

Franz.  Er ist munter.  Mir befahl er, Eure Hand zu küssen.

Adelheid.  Da--deine Lippen sind warm.

Franz (vor sich, auf die Brust deutend).  Hier ist's noch wärmer!
(Laut.) Gnädige Frau, Eure Diener sind die glücklichsten Menschen
unter der Sonne.

Adelheid.  Wer führt gegen Berlichingen?

Franz.  Der von Sirau.  Lebt wohl, beste gnädige Frau!  Ich will
wieder fort.  Vergeßt mich nicht.

Adelheid.  Du mußt was essen, trinken, und rasten.

Franz.  Wozu das?  Ich hab Euch ja gesehen.  Ich bin nicht müd noch
hungrig.

Adelheid.  Ich kenne deine Treu.

Franz.  Ach, gnädige Frau!

Adelheid.  Du hältst's nicht aus, beruhige dich, und nimm was zu dir.

Franz.  Eure Sorgfalt für einen armen Jungen!  (Ab.)

Adelheid.  Die Tränen stehn ihm in den Augen.  Ich lieb ihn von Herzen.
So wahr und warm hat noch niemand an mir gehangen.  (Ab.)

Jagsthausen

Götz.  Georg.

Georg.  Er will selbst mit Euch sprechen.  Ich kenn ihn nicht; es ist
ein stattlicher Mann, mit schwarzen feurigen Augen.

Götz.  Bring ihn herein.

(Lerse kommt.)

Götz.  Gott grüß Euch!  Was bringt Ihr?

Lerse.  Mich selbst, das ist nicht viel, doch alles, was es ist, biet
ich Euch an.

Götz.  Ihr seid mir willkommen, doppelt willkommen, ein braver Mann,
und zu dieser Zeit, da ich nicht hoffte, neue Freunde zu gewinnen,
eher den Verlust der alten stündlich fürchtete.  Gebt mir Euern Namen.

Lerse.  Franz Lerse.

Götz.  Ich danke Euch, Franz, daß Ihr mich mit einem braven Mann
bekannt macht.

Lerse.  Ich machte Euch schon einmal mit mir bekannt, aber damals
danktet Ihr mir nicht dafür.

Götz.  Ich erinnere mich Eurer nicht.

Lerse.  Es wäre mir leid.  Wißt Ihr noch, wie Ihr um des Pfalzgrafen
willen Konrad Schotten feind wart und nach Haßfurt auf die Fastnacht
reiten wolltet?

Götz.  Wohl weiß ich es.

Lerse.  Wißt Ihr, wie Ihr unterwegs bei einem Dorf fünfundzwanzig
Reitern entgegenkamt?

Götz.  Richtig.  Ich hielt sie anfangs nur für zwölfe und teilt meinen
Haufen, waren unser sechzehn, und hielt am Dorf hinter der Scheuer, in
willens, sie sollten bei mir vorbeiziehen.  Dann wollt ich ihnen
nachrucken, wie ich's mit dem andern Haufen abgeredt hatte.

Lerse.  Aber wir sahn Euch und zogen auf eine Höhe am Dorf.  Ihr zogt
herbei und hieltet unten.  Wie wir sahn, Ihr wolltet nicht
heraufkommen, ritten wir herab.

Götz.  Da sah ich erst, daß ich mit der Hand in die Kohlen geschlagen
hatte.  Fünfundzwanzig gegen acht!  Da galt's kein Feiern.  Erhard
Truchseß durchstach mir einen Knecht, dafür rannt ich ihn vom Pferde.
Hätten sie sich alle gehalten wie er und ein Knecht, es wäre mein und
meines kleinen Häufchens übel gewahrt gewesen.

Lerse.  Der Knecht, wovon Ihr sagtet-Götz.  Es war der bravste, den
ich gesehen habe.  Er setzte mir heiß zu.  Wenn ich dachte, ich hätt
ihn von mir gebracht, wollte mit andern zu schaffen haben, war er
wieder an mir und schlug feindlich zu.  Er hieb mir auch durch den
Panzerärmel hindurch, daß es ein wenig gefleischt hatte.

Lerse.  Habt Ihr's ihm verziehen?

Götz.  Er gefiel mir mehr als zu wohl.

Lerse.  Nun, so hoff ich, daß Ihr mit mir zufrieden sein werdet; ich
hab mein Probstück an Euch selbst abgelegt.

Götz.  Bist du's?  O willkommen, willkommen!  Kannst du sagen,
Maximilian, du hast unter deinen Dienern einen so geworben!

Lerse.  Mich wundert, daß Ihr nicht eh auf mich gefallen seid.

Götz.  Wie sollte mir einkommen, daß der mir seine Dienste anbieten
würde, der auf das feindseligste mich zu überwältigen trachtete?

Lerse.  Eben das, Herr!  Von Jugend auf dien ich als Reitersknecht,
und hab's mit manchem Ritter aufgenommen.  Da wir auf Euch stießen,
freut ich mich.  Ich kannte Euern Namen, und da lernt ich Euch kennen.
Ihr wißt, ich hielt nicht stand; Ihr saht, es war nicht Furcht, denn
ich kam wieder.  Kurz, ich lernt Euch kennen, und von Stund an
beschloß ich, Euch zu dienen.

Götz.  Wie lange wollt Ihr bei mir aushalten?

Lerse.  Auf ein Jahr.  Ohne Entgelt.

Götz.  Nein, Ihr sollt gehalten werden wie ein anderer, und drüber,
wie der, der mir bei Remlin zu schaffen machte.

(Georg kommt.)

Georg.  Hans von Selbitz läßt Euch grüßen.  Morgen ist er hier mit
funfzig Mann.

Götz.  Wohl.

Georg.  Es zieht am Kocher ein Trupp Reichsvölker herunter; ohne
Zweifel, Euch zu beobachten.

Götz.  Wieviel?

Georg.  Ihrer funfzig.

Götz.  Nicht mehr!  Komm, Lerse, wir wollen sie zusammenschmeißen,
wenn Selbitz kommt, daß er schon ein Stück Arbeit getan findet.

Lerse.  Das soll eine reichliche Vorlese werden.

Götz.  Zu Pferde!  (Ab.)



III. Akt, Szene 2



Wald an einem Morast

Zwei Reichsknechte begegnen einander.

Erster Knecht.  Was machst du hier?

Zweiter Knecht.  Ich hab Urlaub gebeten, meine Notdurft zu verrichten.
Seit dem blinden Lärmen gestern abends ist mir's in die Gedärme
geschlagen, daß ich alle Augenblicke vom Pferd muß.

Erster Knecht.  Hält der Trupp hier in der Nähe?

Zweiter Knecht.  Wohl eine Stunde den Wald hinauf.

Erster Knecht.  Wie verläufst du dich denn hieher?

Zweiter Knecht.  Ich bitte dich, verrat mich nicht.  Ich will aufs
nächste Dorf und sehn, ob ich nit mit warmen überschlägen meinem übel
abhelfen kann.  Wo kommst du her?

Erster Knecht.  Vom nächsten Dorf.  Ich hab unserm Offizier Wein und
Brot geholt.

Zweiter Knecht.  So, er tut sich was zugut vor unserm Angesicht, und
wir sollen fasten!  Schön Exempel!

Erster Knecht.  Komm mit zurück, Schurke.

Zweiter Knecht.  Wär ich ein Narr!  Es sind noch viele unterm Haufen,
die gern fasteten, wenn sie so weit davon wären als ich.

Erster Knecht.  Hörst du!  Pferde!

Zweiter Knecht.  O weh!

Erster Knecht.  Ich klettere auf den Baum.

Zweiter Knecht.  Ich steck mich ins Rohr.

(Götz, Lerse, Georg, Knechte zu Pferde.)

Götz.  Hier am Teich weg und linker Hand in den Wald, so kommen wir
ihnen in Rücken.

(Sie ziehen vorbei.)

Erster Knecht (steigt vom Baum).  Da ist nicht gut sein.  Michel!  Er
antwortet nicht?  Michel, sie sind fort!  (Er geht nach dem Sumpf.)
Michel!  O weh, er ist versunken.  Michel!  Er hört mich nicht, er ist
erstickt.  Bist doch krepiert, du Memme.--Wir sind geschlagen.  Feinde,
überall Feinde!

(Götz, Georg zu Pferde.)

Götz.  Halt, Kerl, oder du bist des Todes!

Knecht.  Schont meines Lebens!

Götz.  Dein Schwert!  Georg, führ ihn zu den andern Gefangenen, die
Lerse dort unten am Wald hat.  Ich muß ihren flüchtigen Führer
erreichen.  (Ab.)

Knecht.  Was ist aus unserm Ritter geworden, der uns führte?

Georg.  Unterst zu oberst stürzt' ihn mein Herr vom Pferd, daß der
Federbusch im Kot stak.  Seine Reiter huben ihn aufs Pferd und fort,
wie besessen.  (Ab.)

Lager

Hauptmann.  Erster Ritter.

Erster Ritter.  Sie fliehen von weitem dem Lager zu.

Hauptmann.  Er wird ihnen an den Fersen sein.  Laßt ein funfzig
ausrücken bis an die Mühle; wenn er sich zu weit verliert, erwischt
Ihr ihn vielleicht.

(Ritter ab.--Zweiter Ritter geführt.)

Hauptmann.  Wie geht's, junger Herr?  Habt Ihr ein paar Zinken
abgerennt?

Ritter.  Daß dich die Pest!  Das stärkste Geweih wäre gesplittert wie
Glas.  Du Teufel!  Er rannt auf mich los, es war mir, als wenn mich
der Donner in die Erd hineinschlüg.

Hauptmann.  Dankt Gott, daß Ihr noch davongekommen seid.

Ritter.  Es ist nichts zu danken, ein paar Rippen sind entzwei.  Wo
ist der Feldscher?  (Ab.)

Jagsthausen

Götz.  Selbitz.

Götz.  Was sagst du zu der Achtserklärung, Selbitz?

Selbitz.  Es ist ein Streich von Weislingen.

Götz.  Meinst du?

Selbitz.  Ich meine nicht, ich weiß.

Götz.  Woher?

Selbitz.  Er war auf dem Reichstag, sag ich dir, er war um den Kaiser.

Götz.  Wohl, so machen wir ihm wieder einen Anschlag zunichte.

Selbitz.  Hoff's.

Götz.  Wir wollen fort! und soll die Hasenjagd angehn.

Lager

Hauptmann.  Ritter.

Hauptmann.  Dabei kommt nichts heraus, ihr Herrn.  Er schlägt uns
einen Haufen nach dem andern, und was nicht umkommt und gefangen wird,
das läuft in Gottes Namen lieber nach der Türkei als ins Lager zurück.
So werden wir alle Tag schwächer.  Wir müssen einmal für allemal ihm
zu Leib gehen, und das mit Ernst; ich will selbst dabei sein, und er
soll sehn, mit wem er zu tun hat.

Ritter.  Wir sind's all zufrieden; nur ist er der Landsart so kundig,
weiß alle Gänge und Schliche im Gebirg, daß er so wenig zu fangen ist
wie eine Maus auf dem Kornboden.

Hauptmann.  Wollen ihn schon kriegen.  Erst auf Jagsthausen zu.  Mag
er wollen oder nicht, er muß herbei, sein Schloß zu verteidigen.

Ritter.  Soll unser ganzer Hauf marschieren?

Hauptmann.  Freilich!  Wißt Ihr, daß wir schon um hundert geschmolzen
sind?

Ritter.  Drum geschwind, eh der ganze Eisklumpen auftaut; es macht
warm in der Nähe, und wir stehn da wie Butter an der Sonne.  (Ab.)

Gebirg und Wald

Götz.  Selbitz.  Trupp.

Götz.  Sie kommen mit hellem Hauf.  Es war hohe Zeit, daß Sickingens
Reiter zu uns stießen.

Selbitz.  Wir wollen uns teilen.  Ich will linker Hand um die Höhe
ziehen.

Götz.  Gut.  Und du, Franz, führe mir die funfzig rechts durch den
Wald hinauf; sie kommen über die Heide, ich will gegen ihnen halten.
Georg, du bleibst um mich.  Und wenn Ihr seht, daß sie mich angreifen,
so fallt ungesäumt in die Seiten.  Wir wollen sie patschen.  Sie
denken nicht, daß wir ihnen die Spitze bieten können.  (Ab.)

Heide

Auf der einen Seite eine Höhe, auf der andern Wald.

Hauptmann.  Exekutionszug.

Hauptmann.  Er hält auf der Heide!  Das ist impertinent.  Er soll's
büßen.  Was!  Den Strom nicht zu fürchten, der auf ihn losbraust?

Ritter.  Ich wollt nicht, daß Ihr an der Spitze rittet; er hat das
Ansehn, als ob er den ersten, der ihn anstoßen möchte, umgekehrt in
die Erde pflanzen wollte.  Reitet hinterdrein.

Hauptmann.  Nicht gern.

Ritter.  Ich bitt Euch.  Ihr seid noch der Knoten von diesem Bündel
Haselruten; löst ihn auf, so knickt er sie Euch einzeln wie Riedgras.

Hauptmann.  Trompeter, blas!  Und ihr blast ihn weg!  (Ab.)

(Selbitz hinter der Höhe hervor im Galopp.)

Selbitz.  Mir nach!  Sie sollen zu ihren Händen rufen: "Multipliziert
euch!"  (Ab.)

(Lerse aus dem Wald.)

Lerse.  Götzen zu Hülf!  Er ist fast umringt.  Braver Selbitz, du hast
schon Luft gemacht.  Wir wollen die Heide mit ihren Distelköpfen
besäen.  (Vorbei.)

(Getümmel.)

Eine Höhe mit einem Wartturn

Selbitz verwundet.  Knechte.

Selbitz.  Legt mich hieher und kehrt zu Götzen.

Erster Knecht.  Laßt uns bleiben, Herr, Ihr braucht unser.

Selbitz.  Steig einer auf die Warte und seh, wie's geht.

Erster Knecht.  Wie will ich hinaufkommen?

Zweiter Knecht.  Steig auf meine Schultern, da kannst du die Lücke
reichen und dir bis zur öffnung hinaufhelfen.

Erster Knecht (steigt hinauf).  Ach, Herr!

Selbitz.  Was siehest du?

Erster Knecht.  Eure Reiter fliehen der Höhe zu.

Selbitz.  Höllische Schurken!  Ich wollt, sie stünden und ich hätt
eine Kugel vorm Kopf.  Reit einer hin! und fluch und wetter sie zurück.
(Knecht ab.) Siehest du Götzen?

Knecht.  Die drei schwarzen Federn seh ich mitten im Getümmel.

Selbitz.  Schwimm, braver Schwimmer.  Ich liege hier!

Knecht.  Ein weißer Federbusch, wer ist das?

Selbitz.  Der Hauptmann.

Knecht.  Götz drängt sich an ihn--Bauz!  Er stürzt.

Selbitz.  Der Hauptmann?

Knecht.  Ja, Herr.

Selbitz.  Wohl!  Wohl!

Knecht.  Weh!  Weh!  Götzen seh ich nicht mehr.

Selbitz.  So stirb, Selbitz!

Knecht.  Ein fürchterlich Gedräng, wo er stund.  Georgs blauer Busch
verschwindt auch.

Selbitz.  Komm herunter.  Siehst du Lersen nicht?

Knecht.  Nichts.  Es geht alles drunter und drüber.

Selbitz.  Nichts mehr.  Komm!  Wie halten sich Sickingens Reiter?

Knecht.  Gut.--Da flieht einer nach dem Wald.  Noch einer!  Ein ganzer
Trupp!  Götz ist hin.

Selbitz.  Komm herab.

Knecht.  Ich kann nicht.--Wohl!  Wohl!  Ich sehe Götzen!  Ich sehe
Georgen!

Selbitz.  Zu Pferd?

Knecht.  Hoch zu Pferd!  Sieg!  Sieg!  Sie fliehn.

Selbitz.  Die Reichstruppen?

Knecht.  Die Fahne mittendrin, Götz hintendrein.  Sie zerstreuen sich.
Götz erreicht den Fähndrich--Er hat die Fahn--Er hält.  Eine Handvoll
Menschen um ihn herum.  Mein Kamerad erreicht ihn--Sie ziehn herauf.

(Götz.  Georg.  Lerse.  Ein Trupp.)

Selbitz.  Glück zu, Götz!  Sieg!  Sieg!

Götz (steigt vom Pferd).  Teuer!  Teuer!  Du bist verwundt, Selbitz?

Selbitz.  Du lebst und siegst!  Ich habe wenig getan.  Und meine Hunde
von Reitern!  Wie bist du davongekommen?

Götz.  Diesmal galt's!  Und hier Georgen dank ich das Leben, und hier
Lersen dank ich's.  Ich warf den Hauptmann vom Gaul.  Sie stachen mein
Pferd nieder und drangen auf mich ein.  Georg hieb sich zu mir und
sprang ab, ich wie der Blitz auf seinen Gaul, wie der Donner saß er
auch wieder.  Wie kamst du zum Pferd?

Georg.  Einem, der nach Euch hieb, stieß ich meinen Dolch in die
Gedärme, wie sich sein Harnisch in die Höhe zog.  Er stürzt', und ich
half Euch von einem Feind und mir zu einem Pferde.

Götz.  Nun staken wir, bis sich Franz zu uns hereinschlug, und da
mähten wir von innen heraus.

Lerse.  Die Hunde, die ich führte, sollten von außen hineinmähen, bis
sich unsere Sensen begegnet hätten; aber sie flohen wie Reichsknechte.

Götz.  Es flohe Freund und Feind.  Nur du kleiner Hauf hieltest mir
den Rücken frei; ich hatte mit den Kerls vor mir genug zu tun.  Der
Fall ihres Hauptmanns half mir sie schütteln, und sie flohen.  Ich
habe ihre Fahne und wenig Gefangene.

Selbitz.  Der Hauptmann ist Euch entwischt?

Götz.  Sie hatten ihn inzwischen gerettet.  Kommt, Kinder! kommt,
Selbitz!--Macht eine Bahre von ästen;--du kannst nicht aufs Pferd.
Kommt in mein Schloß.  Sie sind zerstreut.  Aber unser sind wenig, und
ich weiß nicht, ob sie Truppen nachzuschicken haben.  Ich will euch
bewirten, meine Freunde.  Ein Glas Wein schmeckt auf so einen Strauß.

Lager

Hauptmann.

Hauptmann.  Ich möcht euch alle mit eigner Hand umbringen!  Was,
fortlaufen!  Er hatte keine Handvoll Leute mehr!  Fortzulaufen, vor
einem Mann!  Es wird's niemand glauben, als wer über uns zu lachen
Lust hat.--Reit herum, Ihr, und Ihr, und Ihr.  Wo ihr von unsern
zerstreuten Knechten findt, bringt sie zurück oder stecht sie nieder.
Wir müssen diese Scharten auswetzen, und wenn die Klingen drüber
zugrunde gehen sollten.

Jagsthausen

Götz.  Lerse.  Georg.

Götz.  Wir dürfen keinen Augenblick säumen!  Arme Jungen, ich darf
euch keine Rast gönnen.  Jagt geschwind herum und sucht noch Reiter
aufzutreiben.  Bestellt sie alle nach Weilern, da sind sie am
sichersten.  Wenn wir zögern, so ziehen sie mir vors Schloß.  (Die
zwei ab.) Ich muß einen auf Kundschaft ausjagen.  Es fängt an heiß zu
werden.  Und wenn es nur noch brave Kerls wären!  Aber so ist's die
Menge.  (Ab.)

(Sickingen.  Maria.)

Maria.  Ich bitte Euch, lieber Sickingen, geht nicht von meinem Bruder!
Seine Reiter, Selbitzens, Eure sind zerstreut; er ist allein,
Selbitz ist verwundet auf sein Schloß gebracht, und ich fürchte alles.

Sickingen.  Seid ruhig, ich gehe nicht weg.

(Götz kommt.)

Götz.  Kommt in die Kirch, der Pater wartet.  Ihr sollt mir in einer
Viertelstund ein Paar sein.

Sickingen.  Laßt mich hier.

Götz.  In die Kirch sollt Ihr jetzt.

Sickingen.  Gern--und darnach?

Götz.  Darnach sollt Ihr Eurer Wege gehn.

Sickingen.  Götz!

Götz.  Wollt Ihr nicht in die Kirche?

Sickingen.  Kommt, kommt!

Lager

Hauptmann.  Ritter.

Hauptmann.  Wie viel sind's in allem?

Ritter.  Hundertundfunfzig.

Hauptmann.  Von vierhunderten!  Das ist arg.  Jetzt gleich auf und
grad gegen Jagsthausen zu, eh er sich erholt und sich uns wieder in
Weg stellt.



III. Akt, Szene 3



Jagsthausen

Götz.  Elisabeth.  Maria.  Sickingen.

Götz.  Gott segne euch, geb euch glückliche Tage, und behalte die, die
er euch abzieht, für eure Kinder.

Elisabeth.  Und die laß er sein, wie ihr seid: rechtschaffen!  Und
dann laßt sie werden, was sie wollen.

Sickingen.  Ich dank euch.  Und dank Euch, Maria.  Ich führte Euch an
den Altar, und Ihr sollt mich zur Glückseligkeit führen.

Maria.  Wir wollen zusammen eine Pilgrimschaft nach diesem fremden
gelobten Lande antreten.

Götz.  Glück auf die Reise!

Maria.  So ist's nicht gemeint, wir verlassen Euch nicht.

Götz.  Ihr sollt, Schwester.

Maria.  Du bist sehr unbarmherzig, Bruder!

Götz.  Und Ihr zärtlicher als vorsehend.

(Georg kommt.)

Georg (heimlich).  Ich kann niemand auftreiben.  Ein einziger war
geneigt; darnach veränderte er sich und wollte nicht.

Götz.  Gut, Georg.  Das Glück fängt mir an wetterwendisch zu werden.
Ich ahnt's aber.  (Laut.) Sickingen, ich bitt Euch, geht noch diesen
Abend.  Beredet Marie.  Sie ist Eure Frau.  Laßt sie's fühlen.  Wenn
Weiber quer in unsere Unternehmung treten, ist unser Feind im freien
Feld sichrer als sonst in der Burg.

(Knecht kommt.)

Knecht (leise).  Herr, das Reichsfähnlein ist auf dem Marsch, grad
hieher, sehr schnell.

Götz.  Ich hab sie mit Rutenstreichen geweckt!  Wieviel sind ihrer?

Knecht.  Ungefähr zweihundert.  Sie können nicht zwei Stunden mehr von
hier sein.

Götz.  Noch überm Fluß?

Knecht.  Ja, Herr.

Götz.  Wenn ich nur funfzig Mann hätte, sie sollten mir nicht herüber.
Hast du Lersen nicht gesehen?

Knecht.  Nein, Herr.

Götz.  Biet allen, sie sollen sich bereit halten.--Es muß geschieden
sein, meine Lieben.  Weine, meine gute Marie, es werden Augenblicke
kommen, wo du dich freuen wirst.  Es ist besser, du weinst an deinem
Hochzeittag, als daß übergroße Freude der Vorbote künftigen Elends
wäre.  Lebt wohl, Marie.  Lebt wohl, Bruder.

Maria.  Ich kann nicht von Euch, Schwester.  Lieber Bruder, laß uns.
Achtest du meinen Mann so wenig, daß du in dieser Extremität seine
Hülfe verschmähst?

Götz.  Ja, es ist weit mit mir gekommen.  Vielleicht bin ich meinem
Sturz nahe.  Ihr beginnt zu leben, und ihr sollt euch von meinem
Schicksal trennen.  Ich hab eure Pferde zu satteln befohlen.  Ihr müßt
gleich fort.

Maria.  Bruder!  Bruder!

Elisabeth (zu Sickingen).  Gebt ihm nach!  Geht!

Sickingen.  Liebe Marie, laßt uns gehen.

Maria.  Du auch?  Mein Herz wird brechen.

Götz.  So bleib denn.  In wenigen Stunden wird meine Burg umringt sein.


Maria.  Weh!  Weh!

Götz.  Wir werden uns verteidigen, so gut wir können.

Maria.  Mutter Gottes, hab Erbarmen mit uns!

Götz.  Und am Ende werden wir sterben, oder uns ergeben.--Du wirst
deinen edeln Mann mit mir in ein Schicksal geweint haben.

Maria.  Du marterst mich.

Götz.  Bleib!  Bleib!  Wir werden zusammen gefangen werden.  Sickingen,
du wirst mit mir in die Grube fallen!  Ich hoffte, du solltest mir
heraushelfen.

Maria.  Wir wollen fort.  Schwester, Schwester!

Götz.  Bringt sie in Sicherheit, und dann erinnert Euch meiner.

Sickingen.  Ich will ihr Bette nicht besteigen, bis ich Euch außer
Gefahr weiß.

Götz.  Schwester--liebe Schwester!  (Küßt sie.)

Sickingen.  Fort, fort!

Götz.  Noch einen Augenblick--Ich seh Euch wieder.  Tröstet Euch.  Wir
sehn uns wieder.

(Sickingen, Maria ab.)

Götz.  Ich trieb sie, und da sie geht, möcht ich sie halten.
Elisabeth, du bleibst bei mir!

Elisabeth.  Bis in den Tod.  (Ab.)

Götz.  Wen Gott lieb hat, dem geb er so eine Frau!

(Georg kommt.)

Georg.  Sie sind in der Nähe, ich habe sie vom Turn gesehen.  Die
Sonne ging auf, und ich sah ihre Piken blinken.  Wie ich sie sah,
wollt mir's nicht bänger werden, als einer Katze vor einer Armee Mäuse.
Zwar wir spielen die Ratten.

Götz.  Seht nach den Torriegeln.  Verrammelt's inwendig mit Balken und
Steinen.  (Georg ab.) Wir wollen ihre Geduld für'n Narren halten, und
ihre Tapferkeit sollen sie mir an ihren eigenen Nägeln verkäuen.
(Trompeter von außen.) Aha! ein rotröckiger Schurke, der uns die Frage
vorlegen wird, ob wir Hundsfötter sein wollen.  (Er geht ans Fenster.)
Was soll's?

(Man hört in der Ferne reden.)

Götz (in seinen Bart).  Einen Strick um deinen Hals.

(Trompeter redet fort.)

Götz.  "Beleidiger der Majestät!"--Die Aufforderung hat ein Pfaff
gemacht.

(Trompeter endet.)

Götz (antwortet).  Mich ergeben!  Auf Gnad und Ungnad!  Mit wem redet
Ihr!  Bin ich ein Räuber!  Sag deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche
Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respekt.  Er aber, sag's ihm,
er kann mich--(Schmeißt das Fenster zu.)

Belagerung.  Küche

Elisabeth.  Götz zu ihr.

Götz.  Du hast viel Arbeit, arme Frau.

Elisabeth.  Ich wollt, ich hätte sie lang.  Wir werden schwerlich lang
aushalten können.

Götz.  Wir hatten nicht Zeit, uns zu versehen.

Elisabeth.  Und die vielen Leute, die Ihr zeither gespeist habt.  Mit
dem Wein sind wir auch schon auf der Neige.

Götz.  Wenn wir nur auf einen gewissen Punkt halten, daß sie
Kapitulation vorschlagen.  Wir tun ihnen brav Abbruch.  Sie schießen
den ganzen Tag und verwunden unsere Mauern und knicken unsere Scheiben.
Lerse ist ein braver Kerl; er schleicht mit seiner Büchse herum; wo
sich einer zu nahe wagt, blaff, liegt er.

Knecht.  Kohlen, gnädige Frau.

Götz.  Was gibt's?

Knecht.  Die Kugeln sind alle, wir wollen neue gießen.

Götz.  Wie steht's Pulver?

Knecht.  So ziemlich.  Wir sparen unsere Schüsse wohl aus.

Saal

Lerse mit einer Kugelform.  Knecht mit Kohlen.

Lerse.  Stell sie daher, und seht, wo ihr im Hause Blei kriegt.
Inzwischen will ich hier zugreifen.  (Hebt ein Fenster aus und schlägt
die Scheiben ein.) Alle Vorteile gelten.--So geht's in der Welt, weiß
kein Mensch, was aus den Dingen werden kann.  Der Glaser, der die
Scheiben faßte, dachte gewiß nicht, daß das Blei einem seiner Urenkel
garstiges Kopfweh machen könnte!  Und da mich mein Vater zeugte,
dachte er nicht, welcher Vogel unter dem Himmel, welcher Wurm auf der
Erde mich fressen möchte.

(Georg kommt mit einer Dachrinne.)

Georg.  Da hast du Blei.  Wenn du nur mit der Hälfte triffst, so
entgeht keiner, der Ihro Majestät ansagen kann: "Herr, wir haben
schlecht bestanden."

Lerse (haut davon).  Ein brav Stück.

Georg.  Der Regen mag sich einen andern Weg suchen!  Ich bin nicht
bang davor; ein braver Reiter und ein rechter Regen kommen überall
durch.

Lerse.  (Er gießt.) Halt den Löffel.  (Geht ans Fenster.) Da zieht so
ein Reichsknappe mit der Büchse herum; sie denken, wir haben uns
verschossen.  Er soll die Kugel versuchen, warm wie sie aus der Pfanne
kommt.  (Lädt.)

Georg (lehnt den Löffel an).  Laß mich sehn.

Lerse (schießt).  Da liegt der Spatz.

Georg.  Der schoß vorhin nach mir (sie gießen), wie ich zum
Dachfenster hinausstieg und die Rinne holen wollte.  Er traf eine
Taube, die nicht weit von mir saß, sie stürzt' in die Rinne; ich dankt
ihm für den Braten und stieg mit der doppelten Beute wieder herein.

Lerse.  Nun wollen wir wohl laden und im ganzen Schloß herumgehen,
unser Mittagessen verdienen.

(Götz kommt.)

Götz.  Bleib, Lerse!  Ich habe mit dir zu reden!  Dich, Georg, will
ich nicht von der Jagd abhalten.

(Georg ab.)

Götz.  Sie entbieten mir einen Vertrag.

Lerse.  Ich will zu ihnen hinaus und hören, was es soll.

Götz.  Es wird sein: ich soll mich auf Bedingungen in ritterlich
Gefängnis stellen.

Lerse.  Das ist nichts.  Wie wär's, wenn sie uns freien Abzug
eingestünden, da Ihr doch von Sickingen keinen Entsatz erwartet?  Wir
vergrüben Geld und Silber, wo sie's mit keiner Wünschelrute finden
sollten, überließen ihnen das Schloß, und kämen mit Manier davon.

Götz.  Sie lassen uns nicht.

Lerse.  Es kommt auf eine Prob an.  Wir wollen um sicher Geleit rufen,
und ich will hinaus.  (Ab.)

Saal

Götz, Elisabeth, Georg, Knechte bei Tische.

Götz.  So bringt uns die Gefahr zusammen.  Laßt's euch schmecken,
meine Freunde!  Vergeßt das Trinken nicht.  Die Flasche ist leer.
Noch eine, liebe Frau.  (Elisabeth zuckt die Achsel.) Ist keine mehr
da?

Elisabeth (leise).  Noch eine; ich hab sie für dich beiseite gesetzt.

Götz.  Nicht doch, Liebe!  Gib sie heraus.  Sie brauchen Stärkung,
nicht ich; es ist ja meine Sache.

Elisabeth.  Holt sie draußen im Schrank!

Götz.  Es ist die letzte.  Und mir ist's, als ob wir nicht zu sparen
Ursach hätten.  Ich bin lange nicht so vergnügt gewesen.  (Schenkt ein.
) Es lebe der Kaiser!

Alle.  Er lebe!

Götz.  Das soll unser vorletztes Wort sein, wenn wir sterben!  Ich
lieb ihn, denn wir haben einerlei Schicksal.  Und ich bin noch
glücklicher als er.  Er muß den Reichsständen die Mäuse fangen,
inzwischen die Ratten seine Besitztümer annagen.  Ich weiß, er wünscht
sich manchmal lieber tot, als länger die Seele eines so krüppligen
Körpers zu sein.  (Schenkt ein.) Es geht just noch ein mal herum.  Und
wenn unser Blut anfängt, auf die Neige zu gehen, wie der Wein in
dieser Flasche erst schwach, dann tropfenweise rinnt (tröpfelt das
Letzte in sein Glas), was soll unser letztes Wort sein?

Georg.  Es lebe die Freiheit!

Götz.  Es lebe die Freiheit!

Alle.  Es lebe die Freiheit!

Götz.  Und wenn die uns überlebt, können wir ruhig sterben.  Denn wir
sehen im Geist unsere Enkel glücklich und die Kaiser unsrer Enkel
glücklich.  Wenn die Diener der Fürsten so edel und frei dienen wie
ihr mir, wenn die Fürsten dem Kaiser dienen, wie ich ihm dienen
möchte-Georg.  Da müßt's viel anders werden.

Götz.  So viel nicht, als es scheinen möchte.  Hab ich nicht unter den
Fürsten treffliche Menschen gekannt, und sollte das Geschlecht
ausgestorben sein?  Gute Menschen, die in sich und ihren Untertanen
glücklich waren; die einen edeln freien Nachbar neben sich leiden
konnten und ihn weder fürchteten noch beneideten; denen das Herz
aufging, wenn sie viel ihresgleichen bei sich zu Tisch sahen und nicht
erst die Ritter zu Hofschranzen umzuschaffen brauchten, um mit ihnen
zu leben.

Georg.  Habt Ihr solche Herrn gekannt?,

Götz.  Wohl.  Ich erinnere mich zeitlebens, wie der Landgraf von Hanau
eine Jagd gab und die Fürsten und Herrn, die zugegen waren, unter
freiem Himmel speisten und das Landvolk all herbeilief, sie zu sehen.
Das war keine Maskerade, die er sich selbst zu Ehren angestellt hatte.
Aber die vollen runden Köpfe der Bursche und Mädel, die roten Backen
alle, und die wohlhäbigen Männer und stattlichen Greise, und alles
fröhliche Gesichter, und wie sie teilnahmen an der Herrlichkeit ihres
Herrn, der auf Gottes Boden unter ihnen sich ergetzte!

Georg.  Das war ein Herr, vollkommen wie Ihr.

Götz.  Sollten wir nicht hoffen, daß mehr solcher Fürsten auf einmal
herrschen können?  Daß Verehrung des Kaisers, Fried und Freundschaft
der Nachbarn und Lieb der Untertanen der kostbarste Familienschatz
sein wird, der auf Enkel und Urenkel erbt?  Jeder würde das Seinige
erhalten und in sich selbst vermehren, statt daß sie jetzo nicht
zuzunehmen glauben, wenn sie nicht andere verderben.

Georg.  Würden wir hernach auch reiten?

Götz.  Wollte Gott, es gäbe keine unruhige Köpfe in ganz Deutschland!
Wir würden noch immer zu tun genug finden.  Wir wollten die Gebirge
von Wölfen säubern, wollten unserm ruhig ackernden Nachbar einen
Braten aus dem Wald holen und dafür die Suppe mit ihm essen.  Wär uns
das nicht genug, wir wollten uns mit unsern Brüdern, wie Cherubim mit
flammenden Schwertern, vor die Grenzen des Reichs gegen die Wölfe die
Türken, gegen die Füchse die Franzosen lagern und zugleich unsers
teuern Kaisers sehr ausgesetzte Länder und die Ruhe des Reichs
beschützen.  Das wäre ein Leben!  Georg! wenn man seine Haut für die
allgemeine Glückseligkeit dransetzte.  (Georg springt auf.) Wo willst
du hin?

Georg.  Ach ich vergaß, daß wir eingesperrt sind--und der Kaiser hat
uns eingesperrt--und unsere Haut davonzubringen, setzen wir unsere
Haut dran?

Götz.  Sei gutes Muts.

(Lerse kommt.)

Lerse.  Freiheit!  Freiheit!  Das sind schlechte Menschen,
unschlüssige bedächtige Esel.  Ihr sollt abziehen mit Gewehr, Pferden
und Rüstung.  Proviant sollt Ihr dahintenlassen.

Götz.  Sie werden sich kein Zahnweh dran kauen.

Lerse (heimlich).  Habt Ihr das Silber versteckt?

Götz.  Nein!  Frau, geh mit Franzen, er hat dir was zu sagen.

(Alle ab.)

Schloßhof

Georg (im Stall, singt).

Es fing ein Knab ein Vögelein,

Hm!  Hm!  Da lacht' er in den Käfig 'nein,

Hm!  Hm!

So!  So!

Hm!  Hm!

Der freut' sich traun so läppisch,

Hm!  Hm!  Und griff hinein so täppisch,

Hm!  Hm!

So!  So!

Hm!  Hm!

Da flog das Meislein auf ein Haus,

Hm!  Hm!  Und lacht' den dummen Buben aus,

Hm!  Hm!

So!  So!

Hm!  Hm!


Götz.  Wie steht's?

Georg (führt sein Pferd heraus).  Sie sind gesattelt.

Götz.  Du bist fix.

Georg.  Wie der Vogel aus dem Käfig.

(Alle die Belagerten.)

Götz.  Ihr habt eure Büchsen?  Nicht doch!  Geht hinauf und nehmt die
besten aus dem Rüstschrank, es geht in einem hin.  Wir wollen
vorausreiten.

Georg.

Hm!  Hm!

So!  So!

Hm!  Hm!  (Ab.)


Saal

Zwei Knechte am Rüstschrank.

Erster Knecht.  Ich nehm die.

Zweiter Knecht.  Ich die.  Da ist noch eine schönere.

Erster Knecht.  Nicht doch!  Mach, daß du fortkommst.

Zweiter Knecht.  Horch!

Erster Knecht (springt ans Fenster).  Hilf, heiliger Gott! sie
ermorden unsern Herrn.  Er liegt vom Pferd!  Georg stürzt!

Zweiter Knecht.  Wo retten wir uns!  An der Mauer den Nußbaum hinunter
ins Feld.  (Ab.)

Erster Knecht.  Franz hält sich noch, ich will zu ihm.  Wenn sie
sterben, mag ich nicht leben.  (Ab.)



Vierter Akt



IV. Akt



Wirtshaus zu Heilbronn

Götz.

Götz.  Ich komme mir vor wie der böse Geist, den der Kapuziner in
einen Sack beschwur.  Ich arbeite mich ab und fruchte mir nichts.  Die
Meineidigen!

(Elisabeth kommt.)

Götz.  Was für Nachrichten, Elisabeth, von meinen lieben Getreuen?

Elisabeth.  Nichts Gewisses.  Einige sind erstochen, einige liegen im
Turn.  Es konnte oder wollte niemand mir sie näher bezeichnen.

Götz.  Ist das Belohnung der Treue? des kindlichen Gehorsams?--Auf daß
dir's wohl gehe und du lange lebest auf Erden!

Elisabeth.  Lieber Mann, schilt unsern himmlischen Vater nicht.  Sie
haben ihren Lohn, er ward mit ihnen geboren, ein freies edles Herz.
Laß sie gefangen sein, sie sind frei!  Gib auf die deputierten Räte
acht, die großen goldnen Ketten stehen ihnen zu Gesicht-Götz.  Wie dem
Schwein das Halsband.  Ich möchte Georgen und Franzen geschlossen sehn!


Elisabeth.  Es wäre ein Anblick, um Engel weinen zu machen.

Götz.  Ich wollt nicht weinen.  Ich wollte die Zähne zusammenbeißen
und an meinem Grimm kauen.  In Ketten meine Augäpfel!  Ihr lieben
Jungen, hättet ihr mich nicht geliebt!--Ich würde mich nicht satt an
ihnen sehen können.--Im Namen des Kaisers ihr Wort nicht zu halten!

Elisabeth.  Entschlagt Euch dieser Gedanken.  Bedenkt, daß Ihr vor den
Räten erscheinen sollt.  Ihr seid nicht gestellt, ihnen wohl zu
begegnen, und ich fürchte alles.

Götz.  Was wollen sie mir anhaben?

Elisabeth.  Der Gerichtsbote!

Götz.  Esel der Gerechtigkeit!  Schleppt ihre Säcke zur Mühle, und
ihren Kehrig aufs Feld.  Was gibt's?

(Gerichtsdiener kommt.)

Gerichtsdiener.  Die Herren Kommissarii sind auf dem Rathause
versammelt und schicken nach Euch.

Götz.  Ich komme.

Gerichtsdiener.  Ich werde Euch begleiten.

Götz.  Viel Ehre.

Elisabeth.  Mäßigt Euch.

Götz.  Sei außer Sorgen.  (Ab.)

Rathaus

Kaiserliche Räte.  Hauptmann.  Ratsherren von Heilbronn.

Ratsherr.  Wir haben auf Euern Befehl die stärksten und tapfersten
Bürger versammelt; sie warten hier in der Nähe auf Euern Wink, um sich
Berlichingens zu bemeistern.

Erster Rat.  Wir werden Ihro Kaiserlichen Majestät Eure
Bereitwilligkeit, Ihrem höchsten Befehl zu gehorchen, mit vielem
Vergnügen zu rühmen wissen.--Es sind Handwerker?

Ratsherr.  Schmiede, Weinschröter, Zimmerleute, Männer mit geübten
Fäusten und hier wohl beschlagen (auf die Brust deutend).

Rat.  Wohl.

(Gerichtsdiener kommt.)

Gerichtsdiener.  Götz von Berlichingen wartet vor der Tür.

Rat.  Laßt ihn herein.

(Götz kommt.)

Götz.  Gott grüß euch, ihr Herrn, was wollt ihr mit mir?

Rat.  Zuerst, daß Ihr bedenkt: wo Ihr seid? und vor wem?

Götz.  Bei meinem Eid, ich verkenn euch nicht, meine Herrn.

Rat.  Ihr tut Eure Schuldigkeit.

Götz.  Von ganzem Herzen.

Rat.  Setzt Euch.

Götz.  Da unten hin?  Ich kann stehn.  Das Stühlchen riecht so nach
armen Sündern, wie überhaupt die ganze Stube.

Rat.  So steht!

Götz.  Zur Sache, wenn's gefällig ist.

Rat.  Wir werden in der Ordnung verfahren.

Götz.  Bin's wohl zufrieden, wollt, es wär von jeher geschehen.

Rat.  Ihr wißt, wie Ihr auf Gnad und Ungnad in unsere Hände kamt.

Götz.  Was gebt Ihr mir, wenn ich's vergesse?

Rat.  Wenn ich Euch Bescheidenheit geben könnte, würd ich Eure Sache
gut machen.

Götz.  Gut machen!  Wenn Ihr das könntet!  Dazu gehört freilich mehr
als zum Verderben.

Schreiber.  Soll ich das alles protokollieren?

Rat.  Was zur Handlung gehört.

Götz.  Meinetwegen dürft Ihr's drucken lassen.

Rat.  Ihr wart in der Gewalt des Kaisers, dessen väterliche Gnade an
den Platz der majestätischen Gerechtigkeit trat, Euch anstatt eines
Kerkers Heilbronn, eine seiner geliebten Städte, zum Aufenthalt anwies.
Ihr verspracht mit einem Eid, Euch, wie es einem Ritter geziemt, zu
stellen und das Weitere demütig zu erwarten.

Götz.  Wohl, und ich bin hier und warte.

Rat.  Und wir sind hier, Euch Ihro Kaiserlichen Majestät Gnade und
Huld zu verkündigen.  Sie verzeiht Euch Eure übertretungen, spricht
Euch von der Acht und aller wohlverdienten Strafe los, welches Ihr mit
untertänigem Dank erkennen und dagegen die Urfehde abschwören werdet,
welche Euch hiermit vorgelesen werden soll.

Götz.  Ich bin Ihro Majestät treuer Knecht wie immer.  Noch ein Wort,
eh Ihr weitergeht: Meine Leute, wo sind die?  Was soll mit ihnen
werden?

Rat.  Das geht Euch nichts an.

Götz.  So wende der Kaiser sein Angesicht von Euch, wenn Ihr in Not
steckt!  Sie waren meine Gesellen, und sind's.  Wo habt Ihr sie
hingebracht?

Rat.  Wir sind Euch davon keine Rechnung schuldig.

Götz.  Ah!  Ich dachte nicht, daß Ihr nicht einmal zu dem verbunden
seid, was Ihr versprecht, geschweige-Rat.  Unsere Kommission ist, Euch
die Urfehde vorzulegen.  Unterwerft Euch dem Kaiser, und Ihr werdet
einen Weg finden, um Eurer Gesellen Leben und Freiheit zu flehen.

Götz.  Euern Zettel.

Rat.  Schreiber, leset!

Schreiber.  "Ich Götz von Berlichingen bekenne öffentlich durch diesen
Brief: Daß, da ich mich neulich gegen Kaiser und Reich
rebellischerweise aufgelehnt"-Götz.  Das ist nicht wahr.  Ich bin kein
Rebell, habe gegen Ihro Kaiserliche Majestät nichts verbrochen, und
das Reich geht mich nichts an.

Rat.  Mäßigt Euch und hört weiter.

Götz.  Ich will nichts weiter hören.  Tret einer auf und zeuge!  Hab
ich wider den Kaiser, wider das Haus österreich nur einen Schritt
getan?  Hab ich nicht von jeher durch alle Handlungen bewiesen, daß
ich besser als einer fühle, was Deutschland seinen Regenten schuldig
ist? und besonders was die Kleinen, die Ritter und Freien, ihrem
Kaiser schuldig sind?  Ich müßte ein Schurke sein, wenn ich mich
könnte bereden lassen, das zu unterschreiben.

Rat.  Und doch haben wir gemessene Ordre, Euch in der Güte zu
überreden, oder im Entstehungsfall Euch in den Turn zu werfen.

Götz.  In Turn? mich?

Rat.  Und daselbst könnt Ihr Euer Schicksal von der Gerechtigkeit
erwarten, wenn Ihr es nicht aus den Händen der Gnade empfangen wollt.

Götz.  In Turn!  Ihr mißbraucht die Kaiserliche Gewalt.  In Turn!  Das
ist sein Befehl nicht.  Was! mir erst, die Verräter! eine Falle zu
stellen, und ihren Eid, ihr ritterlich Wort zum Speck drin aufzuhängen!
Mir dann ritterlich Gefängnis zusagen, und die Zusage wieder brechen.


Rat.  Einem Räuber sind wir keine Treue schuldig.

Götz.  Trügst du nicht das Ebenbild des Kaisers, das ich in dem
gesudeltsten Konterfei verehre, du solltest mir den Räuber fressen
oder dran erwürgen!  Ich bin in einer ehrlichen Fehd begriffen.  Du
könntest Gott danken und dich vor der Welt groß machen, wenn du in
deinem Leben eine so edle Tat getan hättest, wie die ist, um welcher
willen ich gefangen sitze.

Rat (winkt dem Ratsherrn, der zieht die Schelle).

Götz.  Nicht um des leidigen Gewinsts willen, nicht um Land und Leute
unbewehrten Kleinen wegzukapern, bin ich ausgezogen.  Meinen Jungen zu
befreien, und mich meiner Haut zu wehren!  Seht Ihr was Unrechts dran?
Kaiser und Reich hätten unsere Not nicht in ihrem Kopfkissen gefühlt.
Ich habe Gott sei Dank noch eine Hand, und habe wohl getan, sie zu
brauchen.

(Bürger treten herein, Stangen in der Hand, Wehren an der Seite.)

Götz.  Was soll das?

Rat.  Ihr wollt nicht hören.  Fangt ihn!

Götz.  Ist das die Meinung?  Wer kein ungrischer Ochs ist, komm mir
nicht zu nah!  Er soll von dieser meiner rechten eisernen Hand eine
solche Ohrfeige kriegen, die ihm Kopfweh, Zahnweh und alles Weh der
Erden aus dem Grund kurieren soll.  (Sie machen sich an ihn, er
schlägt den einen zu Boden, und reißt einem andern die Wehre von der
Seite, sie weichen.) Kommt!  Kommt!  Es wäre mir angenehm, den
Tapfersten unter euch kennenzulernen.

Rat.  Gebt Euch.

Götz.  Mit dem Schwert in der Hand!  Wißt Ihr, daß es jetzt nur an mir
läge, mich durch alle diese Hasenjäger durchzuschlagen und das weite
Feld zu gewinnen?  Aber ich will Euch lehren, wie man Wort hält.
Versprecht mir ritterlich Gefängnis, und ich gebe mein Schwert weg und
bin wie vorher Euer Gefangener.

Rat.  Mit dem Schwert in der Hand wollt Ihr mit dem Kaiser rechten?

Götz.  Behüte Gott!  Nur mit Euch und Eurer edlen Kompanie.--Ihr könnt
nach Hause gehn, gute Leute.  Für die Versäumnis kriegt ihr nichts,
und zu holen ist hier nichts als Beulen.

Rat.  Greift ihn.  Gibt euch eure Liebe zu euerm Kaiser nicht mehr
Mut?

Götz.  Nicht mehr, als ihnen der Kaiser Pflaster gibt, die Wunden zu
heilen, die sich ihr Mut holen könnte.

(Gerichtsdiener kommt.)

Gerichtsdiener.  Eben ruft der Türner: es zieht ein Trupp von mehr als
zweihunderten nach der Stadt zu.  Unversehens sind sie hinter der
Weinhöhe hervorgedrungen und drohen unsern Mauern.

Ratsherr.  Weh uns! was ist das?

(Wache kommt.)

Wache.  Franz von Sickingen hält vor dem Schlag und läßt euch sagen:
Er habe gehört, wie unwürdig man an seinem Schwager bundbrüchig
geworden sei, wie die Herrn von Heilbronn allen Vorschub täten.  Er
verlange Rechenschaft, sonst wolle er binnen einer Stunde die Stadt an
vier Ecken anzünden und sie der Plünderung preisgeben.

Götz.  Braver Schwager!

Rat.  Tretet ab, Götz!--Was ist zu tun?

Ratsherr.  Habt Mitleiden mit uns und unserer Bürgerschaft!  Sickingen
ist unbändig in seinem Zorn, er ist Mann, es zu halten.

Rat.  Sollen wir uns und dem Kaiser die Gerechtsame vergeben?

Hauptmann.  Wenn wir nur Leute hätten, sie zu behaupten.  So aber
könnten wir umkommen, und die Sache wäre nur desto schlimmer.  Wir
gewinnen im Nachgeben.

Ratsherr.  Wir wollen Götzen ansprechen, für uns ein gut Wort
einzulegen.  Mir ist's, als wenn ich die Stadt schon in Flammen sähe.

Rat.  Laßt Götzen herein.

Götz.  Was soll's?

Rat.  Du würdest wohl tun, deinen Schwager von seinem rebellischen
Vorhaben abzumahnen.  Anstatt dich vom Verderben zu retten, stürzt er
dich tiefer hinein, indem er sich zu deinem Falle gesellt.

Götz (sieht Elisabeth an der Tür, heimlich zu ihr).  Geh hin!  Sag ihm:
er soll unverzüglich hereinbrechen, soll hieher kommen, nur der Stadt
kein Leids tun.  Wenn sich die Schurken hier widersetzen, soll er
Gewalt brauchen.  Es liegt mir nichts dran umzukommen, wenn sie nur
alle mit erstochen werden.

Ein großer Saal auf dem Rathaus

Sickingen.  Götz.  Das ganze Rathaus ist mit Sickingens Reitern
besetzt.

Götz.  Das war Hülfe vom Himmel!  Wie kommst du so erwünscht und
unvermutet, Schwager?

Sickingen.  Ohne Zauberei.  Ich hatte zwei, drei Boten ausgeschickt,
zu hören, wie dir's ginge?  Auf die Nachricht von ihrem Meineid macht
ich mich auf den Weg. Nun haben wir sie.

Götz.  Ich verlange nichts als ritterliche Haft.

Sickingen.  Du bist zu ehrlich.  Dich nicht einmal des Vorteils zu
bedienen, den der Rechtschaffene über den Meineidigen hat!  Sie sitzen
im Unrecht, wir wollen ihnen keine Kissen unterlegen.  Sie haben die
Befehle des Kaisers schändlich mißbraucht.  Und wie ich Ihro Majestät
kenne, darfst du sicher auf mehr dringen.  Es ist zu wenig.

Götz.  Ich bin von jeher mit wenigem zufrieden gewesen.

Sickingen.  Und bist von jeher zu kurz gekommen.  Meine Meinung ist:
sie sollen deine Knechte aus dem Gefängnis und dich zusamt ihnen auf
deinen Eid nach deiner Burg ziehen lassen.  Du magst versprechen,
nicht aus deiner Terminei zu gehen, und wirst immer besser sein als
hier.

Götz.  Sie werden sagen: Meine Güter seien dem Kaiser heimgefallen.

Sickingen.  So sagen wir: Du wolltest zur Miete drin wohnen, bis sie
dir der Kaiser wieder zu Lehn gäbe.  Laß sie sich wenden wie Aale in
der Reuse, sie sollen uns nicht entschlüpfen.  Sie werden von
Kaiserlicher Majestät reden, von ihrem Auftrag.  Das kann uns einerlei
sein.  Ich kenne den Kaiser auch und gelte was bei ihm.  Er hat immer
gewünscht, dich unter seinem Heer zu haben.  Du wirst nicht lang auf
deinem Schlosse sitzen, so wirst du aufgerufen werden.

Götz.  Wollte Gott bald, eh ich 's Fechten verlerne.

Sickingen.  Der Mut verlernt sich nicht, wie er sich nicht lernt.
Sorge für nichts!  Wenn deine Sachen in der Ordnung sind, geh ich nach
Hof, denn meine Unternehmung fängt an reif zu werden.  Günstige
Aspekten deuten mir: "Brich auf!"  Es ist mir nichts übrig, als die
Gesinnung des Kaisers zu sondieren.  Trier und Pfalz vermuten eher des
Himmels Einfall, als daß ich ihnen übern Kopf kommen werde.  Und ich
will kommen wie ein Hagelwetter!  Und wenn wir unser Schicksal machen
können, so sollst du bald der Schwager eines Kurfürsten sein.  Ich
hoffte auf deine Faust bei dieser Unternehmung.

Götz (besieht seine Hand).  Oh! das deutete der Traum, den ich hatte,
als ich tags darauf Marien an Weislingen versprach.  Er sagte mir Treu
zu, und hielt meine rechte Hand so fest, daß sie aus den Armschienen
ging, wie abgebrochen.  Ach!  Ich bin in diesem Augenblick wehrloser,
als ich war, da sie mir abgeschossen wurde.  Weislingen!  Weislingen!

Sickingen.  Vergiß einen Verräter.  Wir wollen seine Anschläge
vernichten, sein Ansehn untergraben, und Gewissen und Schande sollen
ihn zu Tode fressen.  Ich seh, ich seh im Geist meine Feinde, deine
Feinde niedergestürzt.  Götz, nur noch ein halb Jahr!

Götz.  Deine Seele fliegt hoch.  Ich weiß nicht; seit einiger Zeit
wollen sich in der meinigen keine fröhlichen Aussichten eröffnen.--Ich
war schon mehr im Unglück, schon einmal gefangen, und so, wie mir's
jetzt ist, war mir's niemals.

Sickingen.  Glück macht Mut.  Kommt zu den Perücken!  Sie haben lang
genug den Vortrag gehabt, laß uns einmal die Müh übernehmen.  (Ab.)

Adelheidens Schloß

Adelheid.  Weislingen.

Adelheid.  Das ist verhaßt!

Weislingen.  Ich hab die Zähne zusammengebissen.  Ein so schöner
Anschlag, so glücklich vollführt, und am Ende ihn auf sein Schloß zu
lassen!  Der verdammte Sickingen!

Adelheid.  Sie hätten's nicht tun sollen.

Weislingen.  Sie saßen fest.  Was konnten sie machen?  Sickingen
drohte mit Feuer und Schwert, der hochmütige jähzornige Mann!  Ich haß
ihn.  Sein Ansehn nimmt zu wie ein Strom, der nur einmal ein paar
Bäche gefressen hat, die übrigen folgen von selbst.

Adelheid.  Hatten sie keinen Kaiser?

Weislingen.  Liebe Frau!  Er ist nur der Schatten davon, er wird alt
und mißmutig.  Wie er hörte, was geschehen war, und ich nebst den
übrigen Regimentsräten eiferte, sagte er: "Laßt ihnen Ruh!  Ich kann
dem alten Götz wohl das Plätzchen gönnen, und wenn er da still ist,
was habt ihr über ihn zu klagen?"  Wir redeten vom Wohl des Staats.
"Oh!" sagt' er, "hätt' ich von jeher Räte gehabt, die meinen unruhigen
Geist mehr auf das Glück einzelner Menschen gewiesen hätten!"

Adelheid.  Er verliert den Geist eines Regenten.

Weislingen.  Wir zogen auf Sickingen los.--"Er ist mein treuer Diener",
sagt' er; "hat er's nicht auf meinen Befehl getan, so tat er doch
besser meinen Willen als meine Bevollmächtigten, und ich kann's
gutheißen, vor oder nach."

Adelheid.  Man möchte sich zerreißen.

Weislingen.  Ich habe deswegen noch nicht alle Hoffnung aufgegeben.
Er ist auf sein ritterlich Wort auf sein Schloß gelassen, sich da
still zu halten.  Das ist ihm unmöglich; wir wollen bald eine Ursach
wider ihn haben.

Adelheid.  Und desto eher, da wir hoffen können, der Kaiser werde bald
aus der Welt gehn, und Karl, sein trefflicher Nachfolger,
majestätischere Gesinnungen verspricht.

Weislingen.  Karl?  Er ist noch weder gewählt noch gekrönt.

Adelheid.  Wer wünscht und hofft es nicht?

Weislingen.  Du hast einen großen Begriff von seinen Eigenschaften;
fast sollte man denken, du sähest sie mit andern Augen.

Adelheid.  Du beleidigst mich, Weislingen.  Kennst du mich für das?

Weislingen.  Ich sagte nichts dich zu beleidigen.  Aber schweigen kann
ich nicht dazu.  Karls ungewöhnliche Aufmerksamkeit für dich
beunruhigt mich.

Adelheid.  Und mein Betragen?

Weislingen.  Du bist ein Weib.  Ihr haßt keinen, der euch hofiert.

Adelheid.  Aber ihr?

Weislingen.  Er frißt mir am Herzen, der fürchterliche Gedanke!
Adelheid!

Adelheid.  Kann ich deine Torheit kurieren?

Weislingen.  Wenn du wolltest!  Du könntest dich vom Hof entfernen.

Adelheid.  Sage Mittel und Art.  Bist du nicht bei Hofe?  Soll ich
dich lassen und meine Freunde, um auf meinem Schloß mich mit den Uhus
zu unterhalten?  Nein, Weislingen, daraus wird nichts.  Beruhige dich,
du weißt, wie ich dich liebe.

Weislingen.  Der heilige Anker in diesem Sturm, solang der Strick
nicht reißt.  (Ab.)

Adelheid.  Fängst du's so an!  Das fehlte noch.  Die Unternehmungen
meines Busens sind zu groß, als daß du ihnen im Wege stehen solltest.
Karl!  Großer trefflicher Mann, und Kaiser dereinst!  Und sollte er
der einzige sein unter den Männern, dem der Besitz meiner Gunst nicht
schmeichelte?  Weislingen, denke nicht mich zu hindern, sonst mußt du
in den Boden, mein Weg geht über dich hin.

(Franz kommt mit einem Brief.)

Franz.  Hier, gnädige Frau.

Adelheid.  Gab dir Karl ihn selbst?

Franz.  Ja.

Adelheid.  Was hast du?  Du siehst so kummervoll.

Franz.  Es ist Euer Wille, daß ich mich totschmachten soll; in den
Jahren der Hoffnung macht Ihr mich verzweifeln.

Adelheid.  Er dauert mich--und wie wenig kostet's mich, ihn glücklich
zu machen!  Sei gutes Muts, Junge.  Ich fühle deine Lieb und Treu, und
werde nie unerkenntlich sein.

Franz (beklemmt).  Wenn Ihr das fähig wärt, ich müßte vergehn.  Mein
Gott, ich habe keinen Blutstropfen in mir, der nicht Euer wäre, keinen
Sinn, als Euch zu lieben und zu tun, was Euch gefällt!

Adelheid.  Lieber Junge!

Franz.  Ihr schmeichelt mir.  (In Tränen ausbrechend.) Wenn diese
Ergebenheit nichts mehr verdient, als andere sich vorgezogen zu sehn,
als Eure Gedanken alle nach dem Karl gerichtet zu sehn-Adelheid.  Du
weißt nicht, was du willst, noch weniger, was du redst.

Franz (vor Verdruß und Zorn mit dem Fuß stampfend).  Ich will auch
nicht mehr.  Will nicht mehr den Unterhändler abgeben.

Adelheid.  Franz!  Du vergißt dich.

Franz.  Mich aufzuopfern!  Meinen lieben Herrn!

Adelheid.  Geh mir aus dem Gesicht.

Franz.  Gnädige Frau!

Adelheid.  Geh, entdecke deinem lieben Herrn mein Geheimnis.  Ich war
die Närrin, dich für was zu halten, das du nicht bist.

Franz.  Liebe gnädige Frau, Ihr wißt, daß ich Euch liebe.

Adelheid.  Und du warst mein Freund, meinem Herzen so nahe.  Geh,
verrat mich.

Franz.  Eher wollt ich mir das Herz aus dem Leibe reißen!  Verzeiht
mir, gnädige Frau.  Mein Herz ist zu voll, meine Sinnen halten's nicht
aus.

Adelheid.  Lieber warmer Junge!  (Faßt ihn bei den Händen, zieht ihn
zu sich, und ihre Küsse begegnen einander; er fällt ihr weinend um den
Hals.)

Adelheid.  Laß mich!

Franz (erstickend in Tränen an ihrem Hals).  Gott!  Gott!

Adelheid.  Laß mich, die Mauern sind Verräter.  Laß mich.  (Macht sich
los.) Wanke nicht von deiner Lieb und Treu, und der schönste Lohn soll
dir werden.  (Ab.)

Franz.  Der schönste Lohn!  Nur bis dahin laß mich leben!  Ich wollte
meinen Vater ermorden, der mir diesen Platz streitig machte.

Jagsthausen

Götz an einem Tisch.  Elisabeth bei ihm mit der Arbeit; es steht ein
Licht auf dem Tisch und Schreibzeug.

Götz.  Der Müßiggang will mir gar nicht schmecken, und meine
Beschränkung wird mir von Tag zu Tag enger; ich wollt, ich könnt
schlafen, oder mir nur einbilden, die Ruhe sei was Angenehmes.

Elisabeth.  So schreib doch deine Geschichte aus, die du angefangen
hast.  Gib deinen Freunden ein Zeugnis in die Hand, deine Feinde zu
beschämen; verschaff einer edlen Nachkommenschaft die Freude, dich
nicht zu verkennen.

Götz.  Ach!  Schreiben ist geschäftiger Müßiggang, es kommt mir sauer
an.  Indem ich schreibe, was ich getan, ärger ich mich über den
Verlust der Zeit, in der ich etwas tun könnte.

Elisabeth (nimmt die Schrift).  Sei nicht wunderlich.  Du bist eben an
deiner ersten Gefangenschaft in Heilbronn.

Götz.  Das war mir von jeher ein fataler Ort.

Elisabeth (liest).  "Da waren selbst einige von den Bündischen, die zu
mir sagten: ich habe törig getan, mich meinen ärgsten Feinden zu
stellen, da ich doch vermuten konnte, sie würden nicht glimpflich mit
mir umgehn; da antwortet ich:" Nun, was antwortetest du?  Schreibe
weiter.

Götz.  Ich sagte: "Setz ich so oft meine Haut an anderer Gut und Geld,
sollt ich sie nicht an mein Wort setzen?"

Elisabeth.  Diesen Ruf hast, du.

Götz.  Den sollen sie mir nicht nehmen!  Sie haben mir alles genommen,
Gut, Freiheit-Elisabeth.  Es fällt in die Zeiten, wie ich die von
Miltenberg und Singlingen in der Wirtsstube fand, die mich nicht
kannten.  Da hatt' ich eine Freude, als wenn ich einen Sohn geboren
hätte.  Sie rühmten dich untereinander und sagten: "Er ist das Muster
eines Ritters, tapfer und edel in seiner Freiheit" und gelassen und
treu im Unglück."

Götz.  Sie sollen mir einen stellen, dem ich mein Wort gebrochen!  Und
Gott weiß, daß ich mehr geschwitzt hab, meinem Nächsten zu dienen, als
mir, daß ich um den Namen eines tapfern und treuen Ritters gearbeitet
habe, nicht um hohe Reichtümer und Rang zu gewinnen.  Und Gott sei
Dank, worum ich warb, ist mir worden.

(Lerse.  Georg mit Wildbret.)

Götz.  Glück zu, brave Jäger!

Georg.  Das sind wir aus braven Reitern geworden.  Aus Stiefeln machen
sich leicht Pantoffeln.

Lerse.  Die Jagd ist doch immer was, und eine Art von Krieg.

Georg.  Wenn man nur hierzulande nicht immer mit Reichsknechten zu tun
hätte.  Wißt Ihr, gnädiger Herr, wie Ihr uns prophezeitet: wenn sich
die Welt umkehrte, würden wir Jäger werden.  Da sind wir's ohne das.

Götz.  Es kommt auf eins hinaus, wir sind aus unserm Kreise gerückt.

Georg.  Es sind bedenkliche Zeiten.  Schon seit acht Tagen läßt sich
ein fürchterlicher Komet sehen, und ganz Deutschland ist in Angst, es
bedeute den Tod des Kaisers, der sehr krank ist.

Götz.  Sehr krank!  Unsere Bahn geht zu Ende.

Lerse.  Und hier in der Nähe gibt's noch schrecklichere Veränderungen.
Die Bauern haben einen entsetzlichen Aufstand erregt.

Götz.  Wo?

Lerse.  Im Herzen von Schwaben.  Sie sengen, brennen und morden.  Ich
fürchte, sie verheeren das ganze Land.

Georg.  Einen fürchterlichen Krieg gibt's.  Es sind schon an die
hundert Ortschaften aufgestanden, und täglich mehr.  Der Sturmwind
neulich hat ganze Wälder ausgerissen, und kurz darauf hat man in der
Gegend, wo der Aufstand begonnen, zwei feurige Schwerter kreuzweis in
der Luft gesehn.

Götz.  Da leiden von meinen guten Herrn und Freunden gewiß unschuldig
mit!

Georg.  Schade, daß wir nicht reiten dürfen!



Fünfter Akt



V. Akt, Szene 1



Bauernkrieg. Tumult in einem Dorf und Plünderung

Weiber und Alte mit Kindern und Gepäcke.  Flucht.

Alter.  Fort!  Fort! daß wir den Mordhunden entgehen.

Weib.  Heiliger Gott, wie blutrot der Himmel ist, die untergehende
Sonne blutrot!

Mutter.  Das bedeut Feuer.

Weib.  Mein Mann!  Mein Mann!

Alter.  Fort!  Fort!  In Wald!

(Ziehen vorbei.--Link.)

Link.  Was sich widersetzt, niedergestochen!  Das Dorf ist unser.  Daß
von Früchten nichts umkommt, nichts zurückbleibt.  Plündert rein aus
und schnell!  Wir zünden gleich an.

(Metzler vom Hügel heruntergelaufen.)

Metzler.  Wie geht's Euch, Link?

Link.  Drunter und drüber, siehst du, du kommst zum Kehraus.  Woher?

Metzler.  Von Weinsberg.  Da war ein Fest.

Link.  Wie?

Metzler.  Wir haben sie zusammengestochen, daß eine Lust war.

Link.  Wen alles?

Metzler.  Dietrich von Weiler tanzte vor.  Der Fratz!  Wir waren mit
hellem wütigem Hauf herum, und er oben auf'm Kirchturn wollt gütlich
mit uns handeln.  Paff!  Schoß ihn einer vorn Kopf.  Wir hinauf wie
Wetter, und zum Fenster herunter mit dem Kerl.

Link.  Ah!

Metzler (zu den Bauern).  Ihr Hund', soll ich euch Bein' machen!  Wie
sie zaudern und trenteln, die Esel.

Link.  Brennt an! sie mögen drin braten!  Fort!  Fahrt zu, ihr
Schlingel!

Metzler.  Darnach führten wir heraus den Helfenstein, den Eltershofen,
an die dreizehn von Adel, zusammen auf achtzig.  Herausgeführt auf die
Ebne gegen Heilbronn.  Das war ein Jubilieren und ein Tumultuieren von
den Unsrigen, wie die lange Reih arme reiche Sünder daherzog, einander
anstarrten, und Erd und Himmel!  Umringt waren sie, ehe sie sich's
versahen, und alle mit Spießen niedergestochen.

Link.  Daß ich nicht dabei war!

Metzler.  Hab mein Tag so kein Gaudium gehabt.

Link.  Fahrt zu!  Heraus!

Bauer.  Alles ist leer.

Link.  So brennt an allen Ecken.

Metzler.  Wird ein hübsch Feuerchen geben.  Siehst du, wie die Kerls
übereinanderpurzelten und quiekten wie die Frösche!  Es lief mir so
warm übers Herz wie ein Glas Branntwein!  Da war ein Rixinger, wenn
der Kerl sonst auf die Jagd ritt, mit dem Federbusch und weiten
Naslöchern, und uns vor sich hertrieb mit den Hunden und wie die Hunde.
Ich hatt' ihn die Zeit nicht gesehen, sein Fratzengesicht fiel mir
recht auf.  Hasch! den Spieß ihm zwischen die Rippen, da lag er,
streckt' alle vier über seine Gesellen.  Wie die Hasen beim Treibjagen
zuckten die Kerls übereinander.

Link.  Raucht schon brav.

Metzler.  Dort hinten brennt's.  Laß uns mit der Beute gelassen zu dem
großen Haufen ziehen.

Link.  Wo hält er?

Metzler.  Von Heilbronn hieher zu.  Sie sind um einen Hauptmann
verlegen, vor dem alles Volk Respekt hätt'.  Denn wir sind doch nur
ihresgleichen, das fühlen sie und werden schwürig.

Link.  Wen meinen sie?

Metzler.  Max Stumpf oder Götz von Berlichingen.

Link.  Das wär gut, gäb auch der Sache einen Schein, wenn's der Götz
tät; er hat immer für einen rechtschaffnen Ritter gegolten.  Auf!  Auf!
wir ziehen nach Heilbronn zu!  Ruft's herum.

Metzler.  Das Feuer leucht uns noch eine gute Strecke.  Hast du den
großen Kometen gesehen?

Link.  Ja.  Das ist ein grausam erschrecklich Zeichen!  Wenn wir die
Nacht durch ziehen, können wir ihn recht sehen.  Er geht gegen eins
auf.

Metzler.  Und bleibt nur fünf Viertelstunden.  Wie ein gebogner Arm
mit einem Schwert sieht er aus, so blutgelbrot.

Link.  Hast du die drei Stern gesehen an des Schwerts Spitze und
Seite?

Metzler.  Und der breite wolkenfärbige Streif, mit tausend und tausend
Striemen wie Spieß', und dazwischen wie kleine Schwerter.

Link.  Mir hat's gegraust.  Wie das alles so bleichrot, und darunter
viel feurige helle Flamme, und dazwischen die grausamen Gesichter mit
rauchen Häuptern und Bärten!

Metzler.  Hast du die auch gesehen?  Und das zwitzert alles so
durcheinander, als läg's in einem blutigen Meere, und arbeitet
durcheinander, daß einem die Sinne vergehn!

Link.  Auf!  Auf!  (Ab.)

Feld

Man sieht in der Ferne zwei Dörfer brennen und ein Kloster.

Kohl.  Wild.  Max Stumpf.  Haufen.

Max Stumpf.  Ihr könnt nicht verlangen, daß ich euer Hauptmann sein
soll.  Für mich und euch wär's nichts nütze.  Ich bin Pfalzgräfischer
Diener; wie sollt ich gegen meinen Herrn führen?  Ihr würdet immer
wähnen, ich rät nicht von Herzen.

Kohl.  Wußten wohl, du würdest Entschuldigung finden.

(Götz, Lerse, Georg kommen.)

Götz.  Was wollt ihr mit mir?

Kohl.  Ihr sollt unser Hauptmann sein.

Götz.  Soll ich mein ritterlich Wort dem Kaiser brechen und aus meinem
Bann gehen?

Wild.  Das ist keine Entschuldigung.

Götz.  Und wenn ich ganz frei wäre, und ihr wollt handeln wie bei
Weinsberg an den Edeln und Herrn, und so forthausen, wie rings herum
das Land brennt und blutet, und ich sollt euch behülflich sein zu
euerm schändlichen rasenden Wesen--eher sollt ihr mich totschlagen wie
einen wütigen Hund, als daß ich euer Haupt würde!

Kohl.  Wäre das nicht geschehen, es geschähe vielleicht nimmermehr.

Stumpf.  Das war eben das Unglück, daß sie keinen Führer hatten, den
sie geehrt, und der ihrer Wut Einhalt tun können.  Nimm die
Hauptmannschaft an, ich bitte dich, Götz.  Die Fürsten werden dir Dank
wissen, ganz Deutschland.  Es wird zum Besten und Frommen aller sein.
Menschen und Länder werden geschont werden.

Götz.  Warum übernimmst du's nicht?

Stumpf.  Ich hab mich von ihnen losgesagt.

Kohl.  Wir haben nicht Sattelhenkens Zeit, und langer unnötiger
Diskurse.  Kurz und gut.  Götz, sei unser Hauptmann, oder sieh zu
deinem Schloß und deiner Haut.  Und hiermit zwei Stunden Bedenkzeit.
Bewacht ihn.

Götz.  Was braucht's das!  Ich bin so gut entschlossen--jetzt als
darnach.  Warum seid ihr ausgezogen?  Eure Rechte und Freiheiten
wiederzuerlangen?  Was wütet ihr und verderbt das Land!  Wollt ihr
abstehen von allen übeltaten und handeln als wackre Leute, die wissen,
was sie wollen, so will ich euch behülflich sein zu euern Forderungen
und auf acht Tag euer Hauptmann sein.

Wild.  Was geschehen ist, ist in der ersten Hitz geschehen, und
braucht's deiner nicht, uns künftig zu hindern.

Kohl.  Auf ein Vierteljahr wenigstens mußt du uns zusagen.

Stumpf.  Macht vier Wochen, damit könnt ihr beide zufrieden sein.

Götz.  Meinetwegen.

Kohl.  Eure Hand!

Götz.  Und gelobt mir, den Vertrag, den ihr mit mir gemacht,
schriftlich an alle Haufen zu senden, ihm bei Strafe streng
nachzukommen.

Wild.  Nun ja!  Soll geschehen.

Götz.  So verbind ich mich euch auf vier Wochen.

Stumpf.  Glück zu!  Was du tust, schon unsern gnädigen Herrn den
Pfalzgrafen.

Kohl (leise).  Bewacht ihn.  Daß niemand mit ihm rede außer eurer
Gegenwart.

Götz.  Lerse!  Kehr zu meiner Frau.  Steh ihr bei.  Sie soll bald
Nachricht von mir haben.

(Götz, Stumpf, Georg, Lerse, einige Bauern ab.--Metzler, Link kommen.)

Metzler.  Was hören wir von einem Vertrag?  Was soll der Vertrag?

Link.  Es ist schändlich, so einen Vertrag einzugehen.

Kohl.  Wir wissen so gut, was wir wollen, als ihr, und haben zu tun
und zu lassen.

Wild.  Das Rasen und Brennen und Morden mußte doch einmal aufhören,
heut oder morgen! so haben wir noch einen braven Hauptmann dazu
gewonnen.

Metzler.  Was aufhören!  Du Verräter!  Warum sind wir da?  Uns an
unsern Feinden zu rächen, uns emporzuhelfen!--Das hat euch ein
Fürstenknecht geraten.

Kohl.  Komm, Wild, er ist wie ein Vieh.  (Ab.)

Metzler.  Geht nur!  Wird euch kein Haufen zustehn.  Die Schurken!
Link, wir wollen die andern aufhetzen, Miltenberg dort drüben anzünden,
und wenn's Händel setzt wegen des Vertrags, schlagen wir den
Verträgern zusammen die Köpf ab.

Link.  Wir haben doch den großen Haufen auf unsrer Seite.

Berg und Tal.  Eine Mühle in der Tiefe

Ein Trupp Reiter.  Weislingen kommt aus der Mühle mit Franzen und
einem Boten.

Weislingen.  Mein Pferd!--Ihr habt's den andern Herrn auch angesagt?

Bote.  Wenigstens sieben Fähnlein werden mit Euch eintreffen, im Wald
hinter Miltenberg.  Die Bauern ziehen unten herum.  Überall sind Boten
ausgeschickt, der ganze Bund wird in kurzem zusammen sein.  Fehlen
kann's nicht; man sagt, es sei Zwist unter ihnen.

Weislingen.  Desto besser!--Franz!

Franz.  Gnädiger Herr?

Weislingen.  Richt es pünktlich aus.  Ich bind es dir auf deine Seele.
Gib ihr den Brief.  Sie soll vom Hof auf mein Schloß!  Sogleich!  Du
sollst sie abreisen sehn, und mir's dann melden.

Franz.  Soll geschehen, wie Ihr befehlt.

Weislingen.  Sag ihr, sie soll wollen.  (Zum Boten.) Führt uns nun den
nächsten und besten Weg.

Bote.  Wir müssen umziehen.  Die Wasser sind von den entsetzlichen
Regen alle ausgetreten.

Jagsthausen

Elisabeth.  Lerse.

Lerse.  Tröstet Euch, gnädige Frau!

Elisabeth.  Ach, Lerse, die Tränen stunden ihm in den Augen, wie er
Abschied von mir nahm.  Es ist grausam, grausam!

Lerse.  Er wird zurückkehren.

Elisabeth.  Es ist nicht das.  Wenn er auszog, rühmlichen Sieg zu
erwerben, da war mir's nicht weh ums Herz.  Ich freute mich auf seine
Rückkunft, vor der mir jetzt bang ist.

Lerse.  Ein so edler Mann-Elisabeth.  Nenn ihn nicht so, das macht neu
Elend.  Die Bösewichter!  Sie drohten, ihn zu ermorden, und sein
Schloß anzuzünden.--Wenn er wiederkommen wird--ich seh ihn finster,
finster.  Seine Feinde werden lügenhafte Klagartikel schmieden, und er
wird nicht sagen können: Nein!

Lerse.  Er wird und kann.

Elisabeth.  Er hat seinen Bann gebrochen.  Sag Nein!

Lerse.  Nein!  Er ward gezwungen; wo ist der Grund, ihn zu verdammen?

Elisabeth.  Die Bosheit sucht keine Gründe, nur Ursachen.  Er hat sich
zu Rebellen, Missetätern, Mördern gesellt, ist an ihrer Spitze gezogen.
Sage Nein!

Lerse.  Laßt ab, Euch zu quälen und mich.  Haben sie ihm nicht
feierlich zugesagt, keine Tathandlungen mehr zu unternehmen, wie die
bei Weinsberg?  Hört ich sie nicht selbst halbreuig sagen: Wenn's
nicht geschehen wär, geschäh's vielleicht nie?  Müßten nicht Fürsten
und Herrn ihm Dank wissen, wenn er freiwillig Führer eines unbändigen
Volks geworden wäre, um ihrer Raserei Einhalt zu tun und so viel
Menschen und Besitztümer zu schonen?

Elisabeth.  Du bist ein liebevoller Advokat.--Wenn sie ihn
gefangennähmen, als Rebell behandelten, und sein graues Haupt--Lerse,
ich möchte von Sinnen kommen.

Lerse.  Sende ihrem Körper Schlaf, lieber Vater der Menschen, wenn du
ihrer Seele keinen Trost geben willst!

Elisabeth.  Georg hat versprochen, Nachricht zu bringen.  Er wird auch
nicht dürfen, wie er will.  Sie sind ärger als gefangen.  Ich weiß,
man bewacht sie wie Feinde.  Der gute Georg!  Er wollte nicht von
seinem Herrn weichen.

Lerse.  Das Herz blutete mir, wie er mich von sich schickte.  Wenn Ihr
nicht meiner Hülfe bedürftet, alle Gefahren des schmählichsten Todes
sollten mich nicht von ihm getrennt haben.

Elisabeth.  Ich weiß nicht, wo Sickingen ist.  Wenn ich nur Marien
einen Boten schicken könnte.

Lerse.  Schreibt nur, ich will dafür sorgen.  (Ab.)

Bei einem Dorf

Götz.  Georg.

Götz.  Geschwind zu Pferde, Georg!  Ich sehe Miltenberg brennen.
Halten sie so den Vertrag?  Reit hin, sag ihnen die Meinung.  Die
Mordbrenner!  Ich sage mich von ihnen los.  Sie sollen einen Zigeuner
zum Hauptmann machen, nicht mich.  Geschwind, Georg.  (Georg ab.)
Wollt, ich wäre tausend Meilen davon, und läg im tiefsten Turn, der in
der Türkei steht.  Könnt ich mit Ehren von ihnen kommen!  Ich fahr
ihnen alle Tag durch den Sinn, sag ihnen die bittersten Wahrheiten,
daß sie mein müde werden und mich erlassen sollen.

(Ein Unbekannter.)

Unbekannter.  Gott grüß Euch, sehr edler Herr.

Götz.  Gott dank Euch.  Was bringt Ihr?  Euern Namen?

Unbekannter.  Der tut nichts zur Sache.  Ich komme, Euch zu sagen, daß
Euer Kopf in Gefahr ist.  Die Anführer sind müde, sich von Euch so
harte Worte geben zu lassen, haben beschlossen, Euch aus dem Weg zu
räumen.  Mäßigt Euch oder seht zu entwischen, und Gott geleit Euch.
(Ab.)

Götz.  Auf diese Art dein Leben zu lassen, Götz, und so zu enden!  Es
sei drum!  So ist mein Tod der Welt das sicherste Zeichen, daß ich
nichts Gemeines mit den Hunden gehabt habe.

(Einige Bauern.)

Erster Bauer.  Herr, Herr!  Sie sind geschlagen, sie sind gefangen.

Götz.  Wer?

Zweiter Bauer.  Die Miltenberg verbrannt haben.  Es zog sich ein
Bündischer Trupp hinter dem Berg hervor und überfiel sie auf einmal.

Götz.  Sie erwartet ihr Lohn.--O Georg!  Georg!--Sie haben ihn mit den
Bösewichtern gefangen--Mein Georg!  Mein Georg!-(Anführer kommen.)

Link.  Auf, Herr Hauptmann, auf!  Es ist nicht Säumens Zeit.  Der
Feind ist in der Nähe und mächtig.

Götz.  Wer verbrannte Miltenberg?

Metzler.  Wenn Ihr Umstände machen wollt, so wird man Euch weisen, wie
man keine macht.

Kohl.  Sorgt für unsere Haut und Eure.  Auf!  Auf!

Götz (zu Metzler).  Drohst du mir!  Du Nichtswürdiger!  Glaubst du,
daß du mir fürchterlicher bist, weil des Grafen von Helfenstein Blut
an deinen Kleidern klebt?

Metzler.  Berlichingen!

Götz.  Du darfst meinen Namen nennen, und meine Kinder werden sich
dessen nicht schämen.

Metzler.  Mit dir feigem Kerl!  Fürstendiener!

Götz (haut ihn über den Kopf, daß er stürzt.  Die andern treten
dazwischen).

Kohl.  Ihr seid rasend.  Der Feind bricht auf allen Seiten 'rein, und
ihr hadert!

Link.  Auf!  Auf!

(Tumult und Schlacht.--Weislingen.  Reiter.)

Weislingen.  Nach!  Nach!  Sie fliehen.  Laßt euch Regen und Nacht
nicht abhalten.  Götz ist unter ihnen, hör ich.  Wendet Fleiß an, daß
ihr ihn erwischt.  Er ist schwer verwundet, sagen die Unsrigen.  (Die
Reiter ab.) Und wenn ich dich habe!--Es ist noch Gnade, wenn wir
heimlich im Gefängnis dein Todesurteil vollstrecken.--So verlischt er
vor dem Andenken der Menschen, und du kannst freier atmen, törichtes
Herz.  (Ab.)

Nacht, im wilden Wald.  Zigeunerlager

Zigeunermutter am Feuer.

Mutter.  Flick das Strohdach über der Grube, Tochter, gibt hint nacht
noch Regen genug.

(Knab kommt.)

Knab.  Ein Hamster, Mutter.  Da!  Zwei Feldmäus.

Mutter.  Will sie dir abziehen und braten, und sollst eine Kapp haben
von den Fellchen.--Du blutst?

Knab.  Hamster hat mich bissen.

Mutter.  Hol mir dürr Holz, daß das Feuer loh brennt wenn dein Vater
kommt, wird naß sein durch und durch.

(Andre Zigeunerin, ein Kind auf dem Rücken.)

Erste Zigeunerin.  Hast du brav geheischen?

Zweite Zigeunerin.  Wenig genug.  Das Land ist voll Tumult herum, daß
man seins Lebens nicht sicher ist.  Brennen zwei Dörfer lichterloh.

Erste Zigeunerin.  Ist das dort drunten Brand, der Schein?  Seh ihm
schon lang zu.  Man ist die Feuerzeichen am Himmel zeither so gewohnt
worden.

(Zigeunerhauptmann, drei Gesellen kommen.)

Hauptmann.  Hört ihr den wilden Jäger?

Erster Zigeuner.  Er zieht grad über uns hin.

Hauptmann.  Wie die Hunde bellen!  Wau!  Wau!

Zweiter Zigeuner.  Die Peitschen knallen.

Dritter Zigeuner.  Die Jäger jauchzen holla ho!

Mutter.  Bringt ja des Teufels sein Gepäck!

Hauptmann.  Haben im Trüben gefischt.  Die Bauern rauben selbst, ist's
uns wohl vergönnt.

Zweite Zigeunerin.  Was hast du, Wolf?

Wolf.  Einen Hasen, da, und einen Hahn; ein Bratspieß; ein Bündel
Leinwand; drei Kochlöffel und ein Pferdzaum.

Sticks.  Ein wullen Deck hab ich, ein Paar Stiefeln, und Zunder und
Schwefel.

Mutter.  Ist alles pudelnaß, wollen's trocknen, gebt her.

Hauptmann.  Horch, ein Pferd!  Geht!  Seht, was ist.  (Götz zu Pferd.)

Götz.  Gott sei Dank!  Dort seh ich Feuer, sind Zigeuner.  Meine
Wunden verbluten, die Feinde hinterher.  Heiliger Gott, du endigst
gräßlich mit mir!

Hauptmann.  Ist's Friede daß du kommst?

Götz.  Ich flehe Hülfe von euch.  Meine Wunden ermatten mich.  Helft
mir vom Pferd!

Hauptmann.  Helf ihm!  Ein edler Mann, an Gestalt und Wort.

Wolf (leise).  Es ist Götz von Berlichingen.

Hauptmann.  Seid willkommen!  Alles ist Euer, was wir haben.

Götz.  Dank Euch.

Hauptmann.  Kommt in mein Zelt.



V. Akt, Szene 2



Hauptmanns Zelt

Hauptmann.  Götz.

Hauptmann.  Ruft der Mutter, sie soll Blutwurzel bringen und Pflaster.

Götz (legt den Harnisch ab).

Hauptmann.  Hier ist mein Feiertagswams.

Götz.  Gott lohn's.

(Mutter verbindt ihn.)

Hauptmann.  Ist mir herzlich lieb, Euch zu haben.

Götz.  Kennt Ihr mich?

Hauptmann.  Wer sollte Euch nicht kennen!  Götz, unser Leben und Blut
lassen wir für Euch.

(Schricks.)

Schricks.  Kommen durch den Wald Reiter.  Sind Bündische.

Hauptmann.  Eure Verfolger!  Sie sollen nit bis zu Euch kommen!  Auf,
Schricks!  Biete den andern!  Wir kennen die Schliche besser als sie,
wir schießen sie nieder, eh sie uns gewahr werden.

Götz (allein).  O Kaiser!  Kaiser!  Räuber beschützen deine Kinder.
(Man hört scharf schießen.) Die wilden Kerls, starr und treu!

(Zigeunerin.)

Zigeunerin.  Rettet Euch!  Die Feinde überwältigen.

Götz.  Wo ist mein Pferd?

Zigeunerin.  Hierbei.

Götz (gürtet sich und sitzt auf ohne Harnisch).  Zum letztenmal sollen
sie meinen Arm fühlen.  Ich bin so schwach noch nicht.  (Ab.)

Zigeunerin.  Er sprengt zu den Unsrigen.

(Flucht.)

Wolf.  Fort, fort!  Alles verloren.  Unser Hauptmann erschossen.  Götz
gefangen.

(Geheul der Weiber und Flucht.)

Adelheidens Schlafzimmer

Adelheid mit einem Brief.

Adelheid.  Er, oder ich!  Der übermütige!  Mir drohen!--Wir wollen dir
zuvorkommen.  Was schleicht durch den Saal?  (Es klopft.) Wer ist
draußen?

(Franz leise.)

Franz.  Macht mir auf, gnädige Frau.

Adelheid.  Franz!  Er verdient wohl, daß ich ihm aufmache.  (Läßt ihn
ein.)

Franz (fällt ihr um den Hals).  Liebe gnädige Frau.

Adelheid.  Unverschämter!  Wenn dich jemand gehört hätte.

Franz.  O es schläft alles, alles!

Adelheid.  Was willst du?

Franz.  Mich läßt's nicht ruhen.  Die Drohungen meines Herrn, Euer
Schicksal, mein Herz.

Adelheid.  Er war sehr zornig, als du Abschied nahmst?

Franz.  Als ich ihn nie gesehen.  Auf ihre Güter soll sie, sagt' er,
sie soll wollen.

Adelheid.  Und wir folgen?

Franz.  Ich weiß nichts, gnädige Frau.

Adelheid.  Betrogener törichter Junge, du siehst nicht, wo das hinaus
will.  Hier weiß er mich in Sicherheit.  Denn lange steht's ihm schon
nach meiner Freiheit.  Er will mich auf seine Güter.  Dort hat er
Gewalt, mich zu behandeln, wie sein Haß ihm eingibt.

Franz.  Er soll nicht!

Adelheid.  Wirst du ihn hindern?

Franz.  Er soll nicht!

Adelheid.  Ich seh mein ganzes Elend voraus.  Von seinem Schloß wird
er mich mit Gewalt reißen, wird mich in ein Kloster sperren.

Franz.  Hölle und Tod!

Adelheid.  Wirst du mich retten?

Franz.  Eh alles! alles!

Adelheid (die weinend ihn umhalst).  Franz, ach uns zu retten!

Franz.  Er soll nieder, ich will ihm den Fuß auf den Nacken setzen.

Adelheid.  Keine Wut!  Du sollst einen Brief an ihn haben, voll Demut,
daß ich gehorche.  Und dieses Fläschchen gieß ihm unter das Getränk.

Franz.  Gebt.  Ihr sollt frei sein!

Adelheid.  Frei!  Wenn du nicht mehr zitternd auf deinen Zehen zu mir
schleichen wirst--nicht mehr ich ängstlich zu dir sage: "Brich auf,
Franz, der Morgen kommt."

Heilbronn, vorm Turn

Elisabeth.  Lerse.

Lerse.  Gott nehm das Elend von Euch, gnädige Frau.  Marie ist hier.

Elisabeth.  Gott sei Dank!  Lerse, wir sind in entsetzliches Elend
versunken.  Da ist's nun, wie mir alles ahnete!  Gefangen, als Meuter,
Missetäter in den tiefsten Turn geworfen

Lerse.  Ich weiß alles.

Elisabeth.  Nichts, nichts weißt du, der Jammer ist zu groß!  Sein
Alter, seine Wunden, ein schleichend Fieber und, mehr als alles das,
die Finsternis seiner Seele, daß es so mit ihm enden soll.

Lerse.  Auch, und daß der Weislingen Kommissar ist.

Elisabeth.  Weislingen?

Lerse.  Man hat mit unerhörten Exekutionen verfahren.  Metzler ist
lebendig verbrannt, zu Hunderten gerädert, gespießt, geköpft,
geviertelt.  Das Land umher gleicht einer Metzge, wo Menschenfleisch
wohlfeil ist.

Elisabeth.  Weislingen Kommissar!  O Gott!  Ein Strahl von Hoffnung.
Marie soll mir zu ihm, er kann ihr nichts abschlagen.  Er hatte immer
ein weiches Herz, und wenn er sie sehen wird, die er so liebte, die so
elend durch ihn ist--Wo ist sie?

Lerse.  Noch im Wirtshaus.

Elisabeth.  Führe mich zu ihr.  Sie muß gleich fort.  Ich fürchte
alles.

Weislingens Schloß

Weislingen.

Weislingen.  Ich bin so krank, so schwach.  Alle meine Gebeine sind
hohl.  Ein elendes Fieber hat das Mark ausgefressen.  Keine Ruh und
Rast, weder Tag noch Nacht.  Im halben Schlummer giftige Träume.  Die
vorige Nacht begegnete ich Götzen im Wald.  Er zog sein Schwert und
forderte mich heraus.  Ich faßte nach meinem, die Hand versagte mir.
Da stieß er's in die Scheide, sah mich verächtlich an und ging hinter
mich.--Er ist gefangen, und ich zittre vor ihm.  Elender Mensch!  Dein
Wort hat ihn zum Tode verurteilt, und du bebst vor seiner Traumgestalt
wie ein Missetäter!--Und soll er sterben?--Götz!  Götz!--Wir Menschen
führen uns nicht selbst; bösen Geistern ist Macht über uns gelassen,
daß sie ihren höllischen Mutwillen an unserm Verderben üben.  (Setzt
sich.)--Matt!  Matt!  Wie sind meine Nägel so blau!--Ein kalter,
kalter, verzehrender Schweiß lähmt mir jedes Glied.  Es dreht mir
alles vorm Gesicht.  Könnt ich schlafen.  Ach-(Maria tritt auf.)

Weislingen.  Jesus Marie!--Laß mir Ruh!  Laß mir Ruh!--Die Gestalt
fehlte noch!  Sie stirbt, Marie stirbt, und zeigt sich mir an.--Verlaß
mich, seliger Geist, ich bin elend genug.

Maria.  Weislingen, ich bin kein Geist.  Ich bin Marie.

Weislingen.  Das ist ihre Stimme.

Maria.  Ich komme, meines Bruders Leben von dir zu erflehen.  Er ist
unschuldig, so strafbar er scheint.

Weisling.  Still, Marie!  Du Engel des Himmels bringst die Qualen der
Hölle mit dir.  Rede nicht fort.

Maria.  Und mein Bruder soll sterben?  Weislingen, es ist entsetzlich,
daß ich dir zu sagen brauche: er ist unschuldig; daß ich jammern muß,
dich von dem abscheulichsten Morde zurückzuhalten.  Deine Seele ist
bis in ihre innersten Tiefen von feindseligen Mächten besessen.  Das
ist Adelbert!

Weislingen.  Du siehst, der verzehrende Atem des Todes hat mich
angehaucht, meine Kraft sinkt nach dem Grabe.  Ich stürbe als ein
Elender, und du kommst, mich in Verzweiflung zu stürzen.  Wenn ich
reden könnte, dein höchster Haß würde in Mitleid und Jammer
zerschmelzen.  O Marie!  Marie!

Maria.  Weislingen, mein Bruder verkranket im Gefängnis.  Seine
schweren Wunden, sein Alter.  Und wenn du fähig wärst, sein graues
Haupt--Weislingen, wir würden verzweifeln.

Weislingen.  Genug.  (Zieht die Schelle.)

(Franz in äußerster Bewegung.)

Franz.  Gnädiger Herr.

Weislingen.  Die Papiere dort, Franz!

Franz (bringt sie).

Weislingen (reißt ein Paket auf und zeigt Marien ein Papier).  Hier
ist deines Bruders Todesurteil unterschrieben.

Maria.  Gott im Himmel!

Weislingen.  Und so zerreiß ich's!  Er lebt.  Aber kann ich wieder
schaffen, was ich zerstört habe?  Weine nicht so, Franz!  Guter Junge,
dir geht mein Elend tief zu Herzen.

Franz (wirft sich vor ihm nieder und faßt seine Knie).

Maria (vor sich).  Er ist sehr krank.  Sein Anblick zerreißt mir das
Herz.  Wie liebt ich ihn! und nun ich ihm nahe, fühl ich, wie lebhaft.

Weislingen.  Franz, steh auf und laß das Weinen!  Ich kann wieder
aufkommen.  Hoffnung ist bei den Lebenden.

Franz.  Ihr werdet nicht.  Ihr müßt sterben.

Weislingen.  Ich muß?

Franz (außer sich).  Gift!  Gift!  Von Euerm Weibe!--Ich!  Ich!
(Rennt davon.)

Weislingen.  Marie, geh ihm nach.  Er verzweifelt.  (Maria ab.) Gift
von meinem Weibe!  Weh!  Weh!  Ich fühl's.  Marter und Tod!

Maria (inwendig).  Hülfe!  Hülfe!

Weislingen (will aufstehn).  Gott, vermag ich das nicht!

Maria (kommt).  Er ist hin.  Zum Saalfenster hinaus stürzt' er wütend
in den Main hinunter.

Weislingen.  Ihm ist wohl.--Dein Bruder ist außer Gefahr.  Die übrigen
Kommissarien, Seckendorf besonders, sind seine Freunde.  Ritterlich
Gefängnis werden sie ihm auf sein Wort gleich gewähren.  Leb wohl,
Maria, und geh.

Maria.  Ich will bei dir bleiben, armer Verlaßner.

Weislingen.  Wohl verlassen und arm!  Du bist ein furchtbarer Rächer,
Gott!--Mein Weib-Maria.  Entschlage dich dieser Gedanken.  Kehre dein
Herz zu dem Barmherzigen.

Weislingen.  Geh, liebe Seele, überlaß mich meinem Elend.--Entsetzlich!
Auch deine Gegenwart, Marie, der letzte Trost, ist Qual.

Maria (vor sich).  Stärke mich, o Gott!  Meine Seele erliegt mit der
seinigen.

Weislingen.  Weh!  Weh!  Gift von meinem Weibe!--Mein Franz verführt
durch die Abscheuliche!  Wie sie wartet, horcht auf den Boten, der ihr
die Nachricht bringe: er ist tot.  Und du, Marie!  Marie, warum bist
du gekommen, daß du jede schlafende Erinnerung meiner Sünden wecktest!
Verlaß mich!  Verlaß mich, daß ich sterbe.

Maria.  Laß mich bleiben.  Du bist allein.  Denk, ich sei deine
Wärterin.  Vergiß alles.  Vergesse dir Gott so alles, wie ich dir
alles vergesse.

Weislingen.  Du Seele voll Liebe, bete für mich, bete für mich!  Mein
Herz ist verschlossen.

Maria.  Er wird sich deiner erbarmen.--Du bist matt.

Weislingen.  Ich sterbe, sterbe und kann nicht ersterben.  Und in dem
fürchterlichen Streit des Lebens und Todes sind die Qualen der Hölle.

Maria.  Erbarmer, erbarme dich seiner!  Nur einen Blick deiner Liebe
an sein Herz, daß es sich zum Trost öffne, und sein Geist Hoffnung,
Lebenshoffnung in den Tod hinüberbringe!

In einem finstern engen Gewölbe

Die Richter des heimlichen Gerichts.  Alle vermummt.

ältester.  Richter des heimlichen Gerichts, schwurt auf Strang und
Schwert, unsträflich zu sein, zu richten im Verborgnen, zu strafen im
Verborgnen Gott gleich!  Sind eure Herzen rein und eure Hände, hebt
die Arme empor, ruft über die Missetäter: "Wehe!  Wehe!"

Alle.  Wehe!  Wehe!

ältester.  Rufer, beginne das Gericht!

Rufer.  Ich, Rufer, rufe die Klag gegen den Missetäter.  Des Herz rein
ist, dessen Händ rein sind zu schwören auf Strang und Schwert, der
klage bei Strang und Schwert! klage! klage!

Kläger (tritt vor).  Mein Herz ist rein von Missetat, meine Hände von
unschuldigem Blut.  Verzeih mir Gott böse Gedanken und hemme den Weg
zum Willen!  Ich hebe meine Hand auf und klage! klage! klage!

ältester.  Wen klagst du an?

Kläger.  Klage an auf Strang und Schwert Adelheiden von Weislingen.
Sie hat Ehebruchs sich schuldig gemacht, ihren Mann vergiftet durch
ihren Knaben.  Der Knab hat sich selbst gerichtet, der Mann ist tot.

ältester.  Schwörst du zu dem Gott der Wahrheit, daß du Wahrheit
klagst?

Kläger.  Ich schwöre.

ältester.  Würd es falsch befunden, beutst du deinen Hals der Strafe
des Mords und des Ehebruchs?

Kläger.  Ich biete.

ältester.  Eure Stimmen.

(Sie reden heimlich zu ihm.)

Kläger.  Richter des heimlichen Gerichts, was ist euer Urteil über
Adelheiden von Weislingen, bezüchtigt des Ehebruchs und Mords?

ältester.  Sterben soll sie! sterben des bittern doppelten Todes; mit
Strang und Dolch büßen doppelt doppelte Missetat.  Streckt eure Hände
empor, und rufet Weh über sie!  Weh!  Weh!  In die Hände des Rächers.

Alle.  Weh!  Weh!  Weh!

ältester.  Rächer!  Rächer, tritt auf.

Rächer (tritt vor).

ältester.  Faß hier Strang und Schwert, sie zu tilgen von dem
Angesicht des Himmels, binnen acht Tage Zeit.  Wo du sie findest,
nieder mit ihr in Staub!--Richter, die ihr richtet im Verborgenen und
strafet im Verborgenen Gott gleich, bewahrt euer Herz vor Missetat und
eure Hände vor unschuldigem Blut.

Hof einer Herberge

Maria.  Lerse.

Maria.  Die Pferde haben genug gerastet.  Wir wollen fort, Lerse.

Lerse.  Ruht doch bis an Morgen.  Die Nacht ist gar zu unfreundlich.

Maria.  Lerse, ich habe keine Ruhe, bis ich meinen Bruder gesehen habe.
Laß uns fort.  Das Wetter hellt sich aus, wir haben einen schönen
Tag zu gewarten.

Lerse.  Wie Ihr befehlt.

Heilbronn, im Turn

Götz.  Elisabeth.

Elisabeth.  Ich bitte dich, lieber Mann, rede mit mir.  Dein
Stillschweigen ängstet mich.  Du verglühst in dir selbst.  Komm, laß
uns nach deinen Wunden sehen; sie bessern sich um vieles.  In der
mutlosen Finsternis erkenn ich dich nicht mehr.

Götz.  Suchtest du den Götz?  Der ist lang hin.  Sie haben mich nach
und nach verstümmelt, meine Hand, meine Freiheit, Güter und guten
Namen.  Mein Kopf, was ist an dem?--Was hört Ihr von Georgen?  Ist
Lerse nach Georgen?

Elisabeth.  Ja, Lieber!  Richtet Euch auf, es kann sich vieles wenden.

Götz.  Wen Gott niederschlägt, der richtet sich selbst nicht auf.  Ich
weiß am besten, was auf meinen Schultern liegt.  Unglück bin ich
gewohnt zu dulden.  Und jetzt ist's nicht Weislingen allein, nicht die
Bauern allein, nicht der Tod des Kaisers und meine Wunden--Es ist
alles zusammen.  Meine Stunde ist kommen.  Ich hoffte, sie sollte sein
wie mein Leben.  Sein Wille geschehe.

Elisabeth.  Willt du nicht was essen?

Götz.  Nichts, meine Frau.  Sieh, wie die Sonne draußen scheint.

Elisabeth.  Ein schöner Frühlingstag.

Götz.  Meine Liebe, wenn du den Wächter bereden könntest, mich in sein
klein Gärtchen zu lassen auf eine halbe Stunde, daß ich der lieben
Sonne genösse, des heitern Himmels und der reinen Luft.

Elisabeth.  Gleich! und er wird's wohl tun.

Gärtchen am Turn

Maria.  Lerse.

Maria.  Geh hinein und sieh, wie's steht.

(Lerse ab.--Elisabeth.  Wächter.)

Elisabeth.  Gott vergelt Euch die Lieb und Treu an meinem Herrn.
(Wächter ab.) Maria, was bringst du?

Maria.  Meines Bruders Sicherheit.  Ach, aber mein Herz ist zerrissen.
Weislingen ist tot, vergiftet von seinem Weibe.  Mein Mann ist in
Gefahr.  Die Fürsten werden ihm zu mächtig, man sagt, er sei
eingeschlossen und belagert.

Elisabeth.  Glaubt dem Gerüchte nicht.  Und laßt Götzen nichts merken.

Maria.  Wie steht's um ihn?

Elisabeth.  Ich fürchtete, er würde deine Rückkunft nicht erleben.
Die Hand des Herrn liegt schwer auf ihm.  Und Georg ist tot.

Maria.  Georg! der goldne Junge!

Elisabeth.  Als die Nichtswürdigen Miltenberg verbrannten, sandte ihn
sein Herr, ihnen Einhalt zu tun.  Da fiel ein Trupp Bündischer auf sie
los.--Georg! hätten sie sich alle gehalten wie er, sie hätten alle das
gute Gewissen haben müssen.  Viel wurden erstochen, und Georg mit: er
starb einen Reiterstod.

Maria.  Weiß es Götz?

Elisabeth.  Wir verbergen's vor ihm.  Er fragt mich zehnmal des Tags,
und schickt mich zehnmal des Tags zu forschen, was Georg macht.  Ich
fürchte seinem Herzen diesen letzten Stoß zu geben.

Maria.  O Gott, was sind die Hoffnungen dieser Erden!

(Götz.  Lerse.  Wächter.)

Götz.  Allmächtiger Gott!  Wie wohl ist's einem unter deinem Himmel!
Wie frei!--Die Bäume treiben Knospen, und alle Welt hofft.  Lebt wohl,
meine Lieben; meine Wurzeln sind abgehauen, meine Kraft sinkt nach dem
Grabe.

Elisabeth.  Darf ich Lersen nach deinem Sohn ins Kloster schicken, daß
du ihn noch einmal siehst und segnest?

Götz.  Laß ihn, er ist heiliger als ich, er braucht meinen Segen nicht.
--An unsrem Hochzeittag, Elisabeth, ahnte mir's nicht, daß ich so
sterben würde.--Mein alter Vater segnete uns, und eine
Nachkommenschaft von edeln tapfern Söhnen quoll aus seinem Gebet.--Du
hast ihn nicht erhört, und ich bin der Letzte.--Lerse, dein Angesicht
freut mich in der Stunde des Todes mehr als im mutigsten Gefecht.
Damals führte mein Geist den eurigen; jetzt hältst du mich aufrecht.
Ach daß ich Georgen noch einmal sähe, mich an seinem Blick wärmte!
--Ihr seht zur Erden und weint--Er ist tot--Georg ist tot.--Stirb,
Götz--Du hast dich selbst überlebt, die Edeln überlebt.--Wie starb
er?--Ach fingen sie ihn unter den Mordbrennern, und er ist
hingerichtet?

Elisabeth.  Nein, er wurde bei Miltenberg erstochen.  Er wehrte sich
wie ein Löw um seine Freiheit.

Götz.  Gott sei Dank!--Er war der beste Junge unter der Sonne und
tapfer.--Löse meine Seele nun!--Arme Frau!  Ich lasse dich in einer
verderbten Welt.  Lerse, verlaß sie nicht.--Schließt eure Herzen
sorgfältiger als eure Tore.  Es kommen die Zeiten des Betrugs, es ist
ihm Freiheit gegeben.  Die Nichtswürdigen werden regieren mit List,
und der Edle wird in ihre Netze fallen.  Maria, gebe dir Gott deinen
Mann wieder.  Möge er nicht so tief fallen, als er hoch gestiegen ist!
Selbitz starb, und der gute Kaiser, und mein Georg.--Gebt mir einen
Trunk Wasser.--Himmlische Luft--Freiheit!  Freiheit!  (Er stirbt.)

Elisabeth.  Nur droben, droben bei dir.  Die Welt ist ein Gefängnis.

Maria.  Edler Mann!  Edler Mann!  Wehe dem Jahrhundert, das dich von
sich stieß!

Lerse.  Wehe der Nachkommenschaft, die dich verkennt!



Ende dieses LibraryBlog Etextes "Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand"
von Johann Wolfgang Goethe



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