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Title: Humoresken (Zweites Bändchen) - Wider den Strom. - Die Feuerspritze. - Eine Abendwanderung. - - Der alte Schreiber.
Author: Eckstein, Ernst
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Humoresken (Zweites Bändchen) - Wider den Strom. - Die Feuerspritze. - Eine Abendwanderung. - - Der alte Schreiber." ***


    Anmerkungen zur Transkription


    Im Original gesperrter Text ist +so ausgezeichnet+.

    Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so ausgezeichnet~.

    Im Original fetter Text ist =so ausgezeichnet=.

    Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des
    Buches.



[Illustration: Humoresken

von

Ernst Eckstein.]



    Philipp Reclam's

    Universal-Bibliothek.

    Bis Dezember 1895 sind =3470= Nummern erschienen.

    Jedes Werk ist einzeln käuflich. -- Preis: 20 Pfennig die Nummer.

    Ein vollständiges Verzeichnis ist durch jede Buchhandlung gratis
    zu beziehen.


    Neueste Erscheinungen:

    3434. =Musiker-Biographien.= 18. Band: =Cherubini=. Von =Maxim.
        Emil Wittmann=.

    3435. =Wagner, O.=, Der stille Portier. Berliner Lebensbild mit
        Gesang in 1 Aufz.

    3436. =Staack, S. C.=, Die Else vom Erlenhof. Volksstück aus dem
        Schwarzwalde in fünf Aufzügen.

    3437. =Bornstein, Arthur=, Der Theaterarzt und andere Humoresken.

    3438. =Hebbel, Friedrich=, Demetrius. Trauerspiel in fünf Aufzügen
        und einem Vorspiel. Ergänzt und für die Bühne bearbeitet von
        =Heinrich Teweles=.

    3439. =Neera=, Die Strafe. Erzählung. Frei nach dem Italienischen
        von =~Dr.~ Siegfried Lederer=.

    3440. =Peschkau, Emil=, Moderne Probleme. Ein Zeitbrevier.

    3441. =Stobitzer, Heinrich=, Die Barbaren. Lustspiel in vier
        Aufzügen.

    3442. =Webers Demokrit.= 3. Band: Das Weib.

    3443. =Arnold, Friedrich=, Unsere einheimischen Stubenvögel.
        Schilderungen von deren Frei- und Gefangenleben, Anleitung zu
        ihrer Wartung und Pflege. 2. Bändchen. Die Körnerfresser. Mit
        einer Abbildung.

    3444. =Olden, Hans=, Thielemanns. Lustspiel in vier Aufzügen.

    3445. =Siklósy, J.=, Londoner Geschichten.

    3446--50. =Brüder Grimm=, Kinder- und Hausmärchen. Vollst. Ausgabe.
        3 Bd.

    3451--53. =Fürst Bismarcks Reden.= Mit verbindender geschichtlicher
        Darstellung herausgeg. v. =Philipp Stein=. 4. Bd.:
        Bundeskanzler Graf Bismarck. 1868--71. (Bis zur Errichtung des
        Deutschen Kaiserreichs.)

    3454. =Voß, Richard=, Die blonde Kathrein. Ein Märchenspiel nach
        Andersen in drei Teilen. Mit dem Bildnis des Verfassers.

    3455/56. =Petöfi, Alexander=, Prosaische Schriften. Aus dem
        Magyarischen von =~Dr.~ Adolph Kohut=.

    3457. =Werther, Julius v.=, Der Kriegsplan. Histor. Intriguenstück
        i. 4 Aufzügen.

    3458. =Schlicht, Frhr. von=, Militaria. Heitere Soldatengeschichten.

    3459. =Kipling, R.=, Schlichte Geschichten aus Indien. Nach dem
        Englischen von =Hans Helling=.

    3460. =Heine, Heinrich=, Ratcliff. Eine Operndichtung. Vollst.
        Buch. Herausgegeben von =C. Friedr. Wittmann=. 30. Bd.

    3461. =Bötticher, Georg=, Neue Allotria.

    3462. =Marschner=, Hans Heiling. =Vollständiges Opernbuch.= 31. Bd.

    3463. =Mikszáth, Koloman=, Gesammelte Erzählungen. Aus d.
        Ungarischen übersetzt von =C. Langsch=. 1. Bändchen.

    3464/65. =Emerson=, Repräsentanten d. Menschengeschlechts. Aus dem
        Englischen übersetzt und mit biographischer Einleitung versehen
        von =O. Dähnert=.

    3466. =Weiser, Karl=, Penelope. Lustspiel in fünf Aufzügen.

    3467. =Scott, Walter=, Des letzten Minnesängers Sang. Aus d.
        Englischen übersetzt von =C. Cornelius=.

    3468--70. =Das Buch des Propheten Jesaja.= Aus dem Grundtext
        übersetzt und mit Erläuterungen versehen von =Franz Herrmann=.
        Mit 2 Karten.


    =Einband-Decken= in Ganzleinen zur Universal-Bibliothek (wie
    dieselben zu Reclam's Miniaturausgaben) ohne Titeldruck in 9
    Größen, für Bände im Umfang von 5, 8, 12, 16, 20, 25, 30, 35 u.
    42 Bogen, sind, pro Stück 30 Pf., durch alle Buchhandlungen zu
    beziehen.



    Humoresken

    von

    Ernst Eckstein.


    Zweites Bändchen.

    Wider den Strom. -- Die Feuerspritze. -- Eine Abendwanderung.
    Der alte Schreiber.


    Leipzig.

    Druck und Verlag von Philipp Reclam jun.



Vorbemerkung.


Die erste der hier folgenden humoristischen Kleinigkeiten, die
Novellette »Wider den Strom«, basirt auf einer allerdings nicht
streng beglaubigten Mittheilung Pigault-Lebruns, der uns irgendwo die
betreffenden Briefe Napoleons und Jérôme's reproducirt, und über die
Straf-Mission des Generals Rapp kurz, aber energisch Bericht erstattet.

Der zweite Scherz, »Die Feuerspritze von Gressinet«, beruht auf freier
Erfindung. Wenn verschiedne Kritiker, die den harmlosen Schwank s.
Z. mit Referaten beehrt haben, in dem Streite zwischen Clatou und
Gressinet eine »Satire auf das politische Parteiwesen im Allgemeinen«
erkennen wollten, so lass' ich's gelten; daß einer dieser Herren
jedoch so weit ging, hinter jedem der hier geschilderten Spießbürger
eine bekannte Tagespersönlichkeit zu vermuthen, -- das ist zu viel des
interpretirenden Scharfsinns. Die Separatausgabe der »Feuerspritze von
Gressinet« war mit dem Motto von Gustav Droz geschmückt: »~... petite
fantaisie sans prétention, qui veut être lue, comme elle a été écrite;
gaiement, au coin du feu, et les pieds sur les chenets~.« Hiermit ist
in der That Alles gesagt.

Numero drei endlich, -- »Eine Abendwanderung«, -- erhebt nur die
Ansprüche eines psychologischen Stimmungsbildes.

            =E.=



Wider den Strom.

Eine Erinnerung an die lustigen Tage der Wilhelmshöhe.


Es war im August des Jahres 1810.

Durch die weitgeöffneten Fenster des königlichen Schlosses wehte eine
erquickende Abendkühle. In einem der oberen Eckzimmer saß Jérôme, der
glückliche Beherrscher des Königreiches Westphalen, und blickte hinüber
nach seiner guten Hauptstadt Kassel, deren Thürme sich im Golde des
scheidenden Tages badeten.

Er war sonst kein Schwärmer, der kleine Bruder des großen Eroberers.
Heute indeß schien das bezaubernde Landschaftsbild, das sich in
leuchtender Pracht vor ihm entfaltete, auf seine königliche Seele
einen außergewöhnlichen Eindruck hervorzubringen. Träumerisch neigte
er das Haupt rückwärts wider die Lehne des üppigen Fauteuils. Die
Hände vor dem Magen gefaltet, die Füße auf einem elastischen Tabouret
ausgestreckt -- so saß er da, ein personificirtes ~Dolce-far-niente~,
eine verkörperte Lebensregel Epikurs, ein Fürst nach dem Herzen Gottes.
Und doch lag ein leiser Schatten von Wehmuth auf diesem behäbigen
Antlitz, eine dämmernde Nüance seelischer Verstimmung, ein Hauch von
Trübsinn, der seltsam mit der herrlichen Scenerie der nächsten und
fernsten Umgebung contrastirte.

Plötzlich rang sich aus dem Busen des Königs ein tiefer Seufzer los.

»Befehlen Ew. Majestät?« erklang es im Hintergrunde des Gemaches.

Jérôme wandte unmerklich den Kopf.

»Nichts, mein lieber Pigault ...« stotterte er; »ich dachte nur ...«

Pigault-Lebrun, der Bibliothekar und Vorleser des Königs, der
sich bisher in bescheidener Verborgenheit gehalten hatte, um die
Meditationen, beziehungsweise die Verdauung seines hohen Gebieters
nicht zu stören, trat ein paar Schritte näher.

Er durfte dies wagen, denn niemand bei Hofe genoß das Vertrauen
Jérôme's in gleichem Maße wie er. Eine Bibliothek existirte nicht; vom
Vorlesen war der König kein Freund: Pigault-Lebrun hatte also eine sehr
leichte Amtsführung, und er verwendete die vierundzwanzig Mußestunden,
über die er täglich verfügte, nach Abzug eines sechsstündigen
Schlafes, ausschließlich im Interesse des allerhöchsten Amüsements.
Italienische Nächte, Feuerwerke, Bälle, Festessen, musikalische
Unterhaltungen, Liebesabenteuer, kurz die gesammten Regierungssorgen
des westphälischen Hofes standen unter seiner obersten Leitung, und da
er ein unvergleichliches Vergnügungsgenie entwickelte, so schenkte ihm
Jérôme den ganzen Schatz seiner fürstlichen Liebe.

Pigault-Lebrun trat also vor und sagte mit melodischer Stimme:

»Ah, Sire, Sie sind nachdenklich? Sollte jemand so unglücklich gewesen
sein, Dero Mißfallen zu erregen?«

Seine Majestät schüttelte das Haupt.

»Nein, Pigault,« entgegnete er langsam; »ich bin mit dir und allen
meinen Getreuen vollkommen zufrieden; allein, siehst du ...«

Er stockte.

Pigault-Lebrun näherte sich abermals um ein paar Schritte. Er konnte
jetzt dem König voll ins Gesicht sehen. Der eigenthümliche Schleier von
Melancholie, der auf diesen sonst so heiteren Zügen ruhte, berührte ihn
peinlich.

»Eure Majestät sind verstimmt,« sagte er sorglich. »Fanden Sie die
heutige Tafel nicht ganz nach Dero Geschmack ...? Ich werde sofort die
Entlassung des Küchenmeisters anordnen.«

»Beileibe nicht,« flüsterte Jérôme. »Meine Köche sind Meister ihrer
Kunst, und wenn die Etikette nicht wäre, ich würde sie sämmtlich in den
erblichen Grafenstand erheben.«

»So hat Ihnen die Königin eine Scene gemacht? Ah, Sire, ich bin sicher
... die Königin ... Ich kenne die Eifersucht Ihrer Majestät ...«

»Du irrst dich, mein Freund! ... Seitdem der Kaiser, unser gestrenger
Bruder, die kleine Helene mit Gewalt von dannen geführt hat, ist die
Königin mit mir ausgesöhnt. Sie hegt, Dank unserer Vorsicht, nicht den
geringsten Verdacht mehr ... Ah, es war ein niederträchtiger Streich
von meinem Herrn Bruder!«

»Ich wage nicht zu widersprechen, Sire. Indeß, bedenken Sie, die
Etiquette! Sie sind König, Sie müssen wenigstens den Schein wahren.
Die kleine Frau hatte Ihre Majestät ja vollständig verdrängt ... Der
ganze Hof lag Helenen zu Füßen, und Ihre legitime Gemahlin zog sich
ganz und gar aus der Öffentlichkeit zurück ... Der Kaiser ist ja auch
kein Ausbund von Tugend, aber er hält doch darauf, daß die Welt nicht
scandalisirt wird ... verzeihen Sie diesen Ausdruck ...«

Das Antlitz des Königs war mit jedem Worte seines Vertrauten finsterer
und erregter geworden. Er stützte den Kopf in die Hand und blickte eine
Minute lang starr vor sich hin.

»Pigault,« sagte er endlich, »seien wir aufrichtig! Was hältst du von
meinem Verhältnis zu meinem kaiserlichen Bruder?«

»Die Frage ist schwer zu beantworten, Sire,« erwiderte der Bibliothekar.

»Keine Phrasen, mein Freund ... Laß jetzt einmal das langweilige
Geschwätz von Sire und Majestät und steh' mir ordentlich Rede ...
Siehst du, wie ich da so hinausschaute in das herrliche Land, das ich
mein nennen könnte, wenn nicht ... wenn ... wenn es eben mein wäre ...«

»Ich verstehe Sie nicht; sind Sie nicht König?«

Ein bitteres Lächeln spielte um Jérôme's Lippen.

»König!« wiederholte er höhnisch; »ja, König, wie der König im
Schachspiel, eine Puppe, die durch die erste, beste Laune einer höhern
Potenz matt gesetzt werden kann.«

»Wie meinen Sie das, Sire?« stotterte Pigault-Lebrun.

Jérôme machte eine Bewegung des Mißbehagens.

»Pigault,« sagte er, »ich bitte dich, stell' dich nicht dümmer als
du bist. Du willst mich schonen. Du fürchtest meine Eitelkeit zu
verletzen. Das lass' ich gelten, wenn wir im Kreise unserer Höflinge
sind. Hier aber ist die Maske Luxus. Ich fordere deine Meinung, und
zwar ohne Rückhalt, verstehst du?«

»Zu Befehl, Sire. Fragen Sie!«

»Du weißt,« fuhr der König fort, »daß ich trotz aller Herrlichkeit nur
der elende Sclave meines Bruders bin ...«

»O, Sire ...«

»Aber, ich gestehe dir's offen ... ich fange nachgerade an, des
Possenspiels müde zu werden. Es ist weit gekommen, wenn dieser
... dieser Tyrann sich erlauben darf, in meine Privatverhältnisse
einzugreifen ... Ich bin fest entschlossen, bei der ersten Gelegenheit
ein eclatantes Exempel zu statuiren ... Willst du mich dabei
unterstützen?«

»Ich stehe jederzeit zu Eurer Majestät Verfügung,« lautete Pigaults
diplomatische Antwort.

»Was hieltest du zum Beispiel davon, wenn ich den Prinzen von Paderborn
kurzer Hand zum Teufel jagte? Der Kerl ennuyirt mich so wie so mit
seinem Geschwätz von Kirchenverfassung und Clerus mehr als ich sagen
kann, und die Geschichte würde stark nach Unabhängigkeit schmecken!«

»Aber die Folgen?«

Der König warf sich trotzig in die Brust.

»Pah,« entgegnete er, »der Kaiser wird sich fügen, wenn er sieht, daß
ich standhaft bin. Was kann er machen?«

»Sire,« sagte Pigault in bedächtigem Tone, »ich glaube, Sie täuschen
sich selbst ... Sie wissen nur zu gut, daß Napoleon nicht mit sich
spaßen läßt, und was Ihre eigene Standhaftigkeit anbetrifft, so
verzeihen Sie, wenn ich keine allzuhohe Meinung davon habe ...«

»Du bist aufrichtig.«

»Ich bitte Eure Majestät, mich nicht mißzuverstehen. Aber Ihre
angeborene Herzensgüte, Ihre Friedensliebe ...«

»Schon recht,« murmelte Jérôme, »spare deine Beredsamkeit! Ich glaube
selbst, der Streich wäre als erster Schritt zur Emancipation ein wenig
verwegen ... Aber weißt du nichts Besseres?«

In diesem Augenblick trat ein Kammerjäger in das Gemach und meldete in
tiefster Devotion:

»Der pariser Courier!«

Instinctiv fuhr der König von seinem Sessel auf. Es hätte wenig gefehlt
und er wäre selbst in das Vorzimmer geeilt, um die Briefschaften in
Empfang zu nehmen. Er besann sich jedoch noch zur rechten Zeit und
setzte sich wieder, während Pigault-Lebrun von dannen eilte, um nach
einigen Secunden mit einer schweren Fuhre von Papieren zurückzukehren.

»Da wir nichts Wichtigeres zu thun haben,« sagte Jérôme mit schlecht
erkünstelter Gleichgiltigkeit, »so kannst du die Geschichte einmal
durchsehen und mir das Amüsanteste vorlesen.«

Pigault setzte sich und begann seine Musterung.

»Depesche des Cultusministeriums ...«

»Weg damit!«

»Das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten an die königliche ...«

»Weiter, weiter!«

»An Ihre Majestät die Königin.«

»Von wem?«

»Nicht zu errathen. Vermutlich eine Busenfreundin ...«

»Weiter ...«

»Ein Brief des Kaisers an Eure Majestät.«

»Schon wieder ... Was kann er wollen? Gieb her ... Oder nein ... Lies
vor ... Du weißt, ich finde mich in diesen Krähfüßen nicht zurecht ...«

Pigault-Lebrun entfaltete das Schreiben und begann wie folgt:

        »Mein Bruder Jérôme Napoleon,
                König von Westphalen!«

»Wie?« fragte Jérôme, »›mein Bruder‹ schreibt er? Nicht, ›mein +lieber+
Bruder‹? Das wird mir wieder eine saubere Epistel sein! Weiter!«

Der Bibliothekar fuhr fort.

»Alles, was ich von Ihnen erfahre, liefert mir den Beweis, daß meine
Rathschläge, meine Anordnungen, meine Befehle nicht den geringsten
Eindruck auf Sie machen. Die Geschäfte sind Ihnen lästig. Die Pflicht
der Repräsentation ennuyirt Sie. Mein Bruder, bedenken Sie, daß das
Metier eines Königs gelernt sein will! Ein Souverän ohne die gehörige
Repräsentation ist ein Unding. Sie lieben die Freuden der Tafel. Sie
lieben die Frauen. Beides wird Sie zu Grunde richten. Machen Sie's wie
ich: bleiben Sie eine halbe Stunde bei Tische und lassen Sie die Weiber
-- Weiber sein!« ...

»Diese Unverschämtheit!« stammelte der König in höchster Aufregung.
»Was hat er sich darum zu kümmern, ob ich mein Leben genieße oder
nicht! So was ist in der Geschichte noch nicht dagewesen! Ich möchte
wissen, wozu ich König bin, wenn ich mich nicht amüsiren soll! Gieb
Acht, Pigault, es ist wieder auf eine von meinen ... Freundinnen
abgesehen!«

»Ach, ich glaube nicht daran ... Wir gehen zu vorsichtig zu Werke ...
Gilt die reizende Caroline nicht allenthalben für meine Gemahlin? ...
Und die deutsche Gräfin, die wir aus München geholt haben, hält man sie
nicht allgemein für die Frau Ihres Leibarztes ...?«

»Aber die kleine Heberti, die Tänzerin?«

»Pah! haben wir sie nicht als Kammerfrau bei der Justizministerin
untergebracht? Kein Gedanke, Sire! Niemand kann ernstlichen Verdacht
geschöpft haben!«

»Du siehst alles im rosigsten Lichte. Leider weiß ich nur zu genau, daß
jeder meiner Schritte überwacht wird. Wer zählt die Spione, die mein
liebenswürdiger Bruder besoldet? Nirgends sind wir sicher, nicht einmal
mehr bei unseren intimen Soupers ...«

»O, Sire, Sie sind Pessimist. Im Kreise Ihrer Vertrauten findet sich
kein Verräther!«

»Ich wollte, du hättest Recht. Aber nun lies einmal weiter! Ich bin
doch begierig zu hören, wo das hinausläuft.«

Pigault-Lebrun fuhr in der Lectüre fort:

»Der Prinz von Paderborn, den ich Ihnen zum Aumônier gegeben habe,
schreibt meinem Cultusminister, Sie gingen nie darauf ein, wenn er mit
Ihnen von kirchlichen Angelegenheiten sprechen wolle. Das ist nicht in
der Ordnung. Man muß sich mit allem befassen, sogar mit der Religion.«

»Es ist zu stark! Ich soll mich von dem langweiligen Tropf anschnattern
lassen, blos weil mein Herr Bruder die Marotte hat, das gehöre zum
Handwerk! Aber warte nur! Du sollst mich kennen lernen! -- Weiter!«

»Sie haben Ihren Kammerherrn Merfeldt nach Hannover versetzt, weil er
Ihnen, wie Sie sich ausdrückten, mit seinen beständigen Predigten über
die Etiquette lästig fiel. Ich möchte wissen, wie Sie Ihre Rolle als
König spielen wollen, wenn Ihnen der Souffleur fehlt. Ich wünsche, daß
Sie besagten Kammerherrn sofort zurückberufen, und zwar so, als thäten
Sie dies aus freien Stücken!«

»Sehr gut, sehr gut!« sagte der König erbittert. »Ich sehe wohl, daß
mein Entschluß, diesem unwürdigen Zustand ein Ende zu machen, nicht zu
früh kommt! -- Weiter!«

»Sie vernachlässigen die Königin. Ist sie Ihnen etwa nicht vornehm
genug? -- Warum berücksichtigen Sie nicht meine Wünsche? Ich erwarte
unter allen Umständen, daß ich demnächst von der bevorstehenden Geburt
eines Prinzen höre ... Meine weiteren Anordnungen übermittle ich dem
Minister Siméon. Er wird Sie davon in Kenntnis setzen. Ich verbleibe
Ihr wohlgewogener Bruder

        Napoleon.«

Der König war bei den letzten Phrasen vom Fauteuil aufgesprungen. Sein
Antlitz bedeckte sich mit einer brennenden Zornesröthe. Er ballte die
beiden Fäuste und rang sichtlich nach Athem.

»Pigault!« rief er. »Du weißt, ich verstehe nicht viel von Stylistik
und derartigem gelehrten Krame ... Aber du ... Du bist ein Genie ... Du
kennst alle Kniffe der Redekunst ... Du bist, wie man zu sagen pflegt,
mit allen Hunden gehetzt ...«

»Eure Majestät haben eine zu schmeichelhafte Meinung von mir,«
entgegnete der Bibliothekar mit einer artigen Verbeugung, indem er den
Brief des französischen Imperators wieder zusammenfaltete.

»Pigault!« fuhr der König fort, »du bist der Mann dazu: du mußt mir auf
dieses Schandgesudel eine Antwort verfassen, die sich gewaschen hat!«

»Aber Sire, bedenken Sie ...«

»Keine Ausrede; -- ich gebe dir mein königliche Wort darauf, daß ich
dich nicht verrathen werde. -- Setze mir eine Epistel auf, die der
Kaiser nicht hinter den Spiegel stecken wird! -- Ich werde den Brief
abschreiben, und dir das Original zurückerstatten. Kein sterblicher
Mensch erfährt, daß du der Urheber bist!«

»Wenn Eure Majestät mir in der That versprechen ...«

»Mein Wort darauf, Pigault, mein königliches Ehrenwort! Ich wiederhole
dir's: niemand soll den wahren Zusammenhang ahnen.«

»Gut denn, Sire. Allein ich wage nochmals einzuwenden ... Der Streich
könnte doch seine üblen Folgen haben!«

»Unsinn! Ich bin Souverän und brauche mir die Ungezogenheiten eines
fremden Machthabers nicht gefallen zu lassen. Ich will unabhängig sein:
eine bessere Gelegenheit, diesen Entschluß zu bethätigen, finde ich
nicht wieder. Also ans Werk!«

»Morgen, Sire, wenn Sie gestatten. Zu einer so wichtigen Arbeit bedarf
man der Sammlung.«

»Wie du willst. Aber je eher, je besser. Eine prompte Antwort
verdoppelt den Eindruck.«

»Morgen früh um elf sind Sie im Besitz des Brouillons.«

»Vortrefflich. Und nun wollen wir uns die Grillen aus dem Kopfe
schlagen. Was hast du für heute Abend arrangirt?«

»Eine glänzende ~Fête~ im Park ... ~Lampions, feu d'artifice~,
Ballet ...«

»Ah, sehr gut. Die Luft ist mild. Wir werden uns köstlich amüsiren.«

»Um welche Zeit werden Eure Majestät herunterkommen?«

»Gegen zehn Uhr. Lassen Sie mir vorher ein Bad rüsten.«

»Poulet?«

»Nein, Burgunder. Auf Wiedersehn.«

       *       *       *       *       *

Des andern Tags in der Frühe, als der Beherrscher Westphalens noch
tief in den Federn lag, setzte sich der gewiegte Bibliothekar an sein
Büreau, breitete den kaiserlichen Mahn- und Warnungsbrief zu seiner
Linken auf die Platte aus, und studirte Phrase für Phrase, Wort für
Wort, Silbe für Silbe.

Er wollte den Stil des gewaltigen Correspondenten an der Seine in
seiner ganzen gedrungenen Ursprünglichkeit und Derbheit, in seiner
ganzen hochfahrenden Naivetät und Frische nachahmen, und jede Zeile des
kaiserlichen Schreibens mit gleicher Münze heimzahlen. Nachdem er etwa
eine Viertelstunde lang hin und her gesonnen, ergriff er die Feder und
ließ sie hastig über das Papier gleiten. In weniger als zehn Minuten
war die Arbeit vollendet. Pigault konnte sich nicht enthalten, über das
wunderliche Product zu lächeln. Der Gedanke, daß er, der bescheidene
Vorleser Seiner westphälischen Majestät, dem gefürchteten Machthaber
Napoleon Bonaparte so vermessene Dinge sagte, berührte ihn höchst
humoristisch. Doch war dieser Empfindung eine beträchtliche Dosis von
Sorge beigemischt. Er selbst hatte es dem Könige vorgestellt: Napoleon
ließ nicht mit sich spaßen. Wehe dem unglücklichen Bibliothekar, wenn
es ans Tageslicht kam, wer der authentische Verfasser dieses unerhörten
Actenstückes war! Der Cäsar, dessen vernichtender Zorn den Buchhändler
von Nürnberg in den Abgrund geschleudert, er konnte auch den Vertrauten
Jérôme's zermalmen, wenn er beim Empfange des Briefes irgend wie
mißlicher Laune war. Im besten Falle zog die Entdeckung eine mehr oder
weniger empfindliche Freiheitsstrafe nach sich; und wahrlich, wenn man
eine Zeit lang auf dem prächtigen Schloß der Wilhelms- oder, wie sie
jetzt hieß, der Napoleonshöhe ~in dulci jubilo~ gelebt hatte, dann
spürte man wenig Lust, dieses Paradies mit einem Kerker zu vertauschen!

Pigault-Lebrun wurde ordentlich trübsinnig, als diese Gedanken durch
seine Seele zogen. Langsam klappte er die Schreibmappe zu, steckte
das Manuscript sorgfältig in die Tasche und wandelte dann die Treppe
hinunter in den Park, um die frische Morgenluft zu genießen.

Er mochte so eine Stunde zwischen dem duftenden Strauchwerk der Anlagen
auf- und abgeschritten sein, als ihm einfiel, daß er vergessen hatte,
den Brief des Kaisers zu sich zu nehmen. Rasch eilte er nach seinem
Zimmer. Auf dem Vorplatze begegnete er dem Aumônier, dem Prinzen von
Paderborn.

»Ah, schon so früh, Hochwürden?« sagte er in einem Tone, der sein
lebhaftes Befremden verrieth.

»Ja wohl, Herr Bibliothekar,« entgegnete der Prinz lächelnd. »Ich
dachte, es sei eine Sünde, den herrlichen Morgen zu versäumen. Übrigens
hören Sie? Da schlägt es neune! So gar frühe ist's also nicht mehr! Sie
haben wohl eine Promenade gemacht?«

Pigault-Lebrun erwiderte ein paar nichtssagende Worte, und begab sich
in sein Gemach. Dort angelangt, steckte er den pariser Brief in sein
Portefeuille, zündete sich eine Cigarre an und legte sich langwegs auf
das Sopha, in der Absicht, die Zeit bis zum Erwachen seines Gebieters
mit der Lieblingsbeschäftigung des westphälischen Hofes, mit Nichtsthun
hinzubringen.

Der Aumônier wollte ihm nicht aus dem Kopfe. Was hatte der geistliche
Herr da auf dem Vorplatz verloren? Seine Wohnung lag auf dem
entgegengesetzten Flügel des Schlosses.

»Ich kann diese Gesellen, die überall herumschnuppern, in den Tod
nicht ausstehen,« murmelte der Bibliothekar vor sich hin. »Schließlich
läuft doch alles auf die leidige Spionage hinaus. Der König hat Recht.
Hier ist keiner Seele mehr zu trauen. Ich möchte wohl wissen, ob unser
Verdacht betreffs des Ceremonienmeisters und des Justizministers
begründet ist ...«

Pigault überließ sich während einer halben Stunde dem Spiele seiner
ausschweifenden Phantasie. Er durchmusterte im Geiste die ganze
Hofgesellschaft und schüttelte von Zeit zu Zeit den Kopf wie ein
Mensch, der mit sich selbst nicht im Reinen ist.

Ein plötzliches Klopfen riß ihn aus seinen Träumen.

Ein königlicher Lakai trat in das Zimmer und meldete, daß Seine
Majestät den Herrn Bibliothekar zu sprechen wünsche.

»Unser allerdurchlauchtigster König befinden sich noch im Bett,« fügte
der Mann hinzu.

Pigault-Lebrun beeilte sich, dem Befehle seines Gebieters Folge zu
leisten. Er traf den König in bester Laune.

»Nimm hier auf dem Sessel Platz,« sagte Jérôme leutselig, indem er sich
halb in den Kissen aufrichtete. »Hast du dein Versprechen erfüllt?«

»Wie sollte ich nicht?« entgegnete der Angeredete halblaut. »Aber wenn
Eure Majestät mir wohl wollen, so lassen Sie uns leise reden ... Sie,
als gekröntes Haupt, haben bei der Affaire verhältnismäßig wenig zu
riskiren, während ich ...«

»Schon recht!« unterbrach ihn der König mit gedämpfter Stimme. »Wenn
es dich beruhigt, so können wir unsere Bässe moderiren; allein ich
versichere dich, deine Besorgnisse sind unbegründet. Die Wände sagt
man, haben Ohren. In meinem Schlafzimmer trifft das Sprichwort nicht
zu. Die beiden Jäger im Vorgemach sind treu wie Gold, die Säle rechts
und links stehen leer ...«

»Man kann nie wissen, Sire,« erwiderte Pigault, »durch welche Spalte
der Teufel Einen beim Schopfe packt.«

»Du bist heute ein wahrer Philosoph, ganz gegen deine sonstige
Gewohnheit. Doch zur Sache. Du hast das Manuscript bei dir?«

»Ja wohl, Sire.«

»Deutlich geschrieben? Du weißt, unleserliche Handschriften sind meine
schwache Seite.«

»Ich glaube, Eure Majestät werden zufrieden sein.«

»Zeig' einmal her.«

Der Bibliothekar zog das Papier aus der Tasche und reichte es dem König
dar.

»Hm, hm,« sagte Jérôme, »das könnte etwas deutlicher sein ... hm, hm
... da unten kommen ja schmähliche Schnörkel und Kratzfüße ...«

»Das Manuscript ist allerdings sehr schnell hingeworfen,« bemerkte
Pigault lächelnd.

»Weißt du was, du kannst mir das Ding einmal vorlesen, dann werd' ich
wohl so leidlich damit zu Stande kommen.«

»Wie Eure Majestät befehlen. Allein Sie erlauben, daß ich mich etwas
näher zu Ihnen heransetze, um nicht genöthigt zu sein, allzusehr die
Stimme zu erheben.«

»Gott, bist du heute ängstlich,« lachte der König. »Du hast wohl
etwas Katzenjammer von gestern? Apropos, das Ballet war famos, ganz
magnifique, auf Ehre. Ich hätte fast vergessen, dir mein Compliment zu
machen.«

»Eure Majestät sind zu gütig. Wenn Sie gestatten, werde ich jetzt
beginnen.«

»Nun denn, leg' los, alter Junge!«

Pigault-Lebrun setzte sich dicht an das Kopf-Ende des königlichen
Bettes, entfaltete sein Manuscript und las mit flüsternder Stimme wie
folgt:

»Mein Bruder Napoleon, Kaiser der Franzosen!«

»›Mein Bruder‹?« fragte der König. »Nicht ›mein +erhabener+ Bruder‹?
Das ist zu stark!«

»Sire,« entgegnete Pigault, »Ihre deutschen Unterthanen haben ein
Sprüchwort, das zwar nicht hoffähig, aber sehr tiefsinnig und kernig
ist. Das Sprüchwort heißt: ›Wurst wider Wurst‹. Verstehen Sie, was das
sagen will?«

»So ziemlich. Aber ich finde ...«

»Hören Sie weiter. -- Wenn Sie an meiner Fassung etwas auszusetzen
haben, so werden wir nachher die erforderlichen Änderungen vornehmen.
-- Also: ›Mein Bruder Napoleon, Kaiser der Franzosen! Ich habe Ihre
Rathschläge empfangen. -- Ich achte sie. -- Was Ihre Befehle betrifft,
so bin ich König. Ich gebe Befehle, aber ich erhalte keine ...‹«

»Stark, sehr stark!« murmelte der König; »aber gut, sehr gut!«

Der Bibliothekar las weiter:

»›Sie werfen mir vor, ich sei ein Freund von langem Tafeln. Ich
gestehe, daß ich die substantielleren Genüsse eines wohlassortirten
Tisches dem eitlen Jagen nach Gloire vorziehe. -- Ich bin Gourmand,
ohne ein Vielfraß zu sein: ich glaube nicht, daß ich hierdurch meiner
königlichen Würde etwas vergebe. Was die Weiber anlangt, so weiß ich in
der That nicht, was gerade Sie mir in diesem Punkte vorhalten könnten.
Sie beklagen sich über mein Verhalten gegen die Königin: Eure Majestät
konnte mich zwingen, sie zu heirathen, aber nicht, sie zu lieben.
-- Sie fragen, ob die Königin mir nicht vornehm genug ist. -- Eure
Majestät haben mir hundertmal wiederholt, nichts sei für den Bruder
eines Napoleon zu groß und zu vornehm: ich dagegen habe mich nie mit
einer großen Dame vermählen wollen. -- Sie werfen mir vor, ich halte
nicht genug auf eine meiner Stellung entsprechende Repräsentation. --
Wissen Sie, das Repräsentiren ist erstens langweilig, und zweitens
verträgt es sich nicht recht mit meiner Figur und meiner Tournüre --
zwei Dinge, die in unserer Familie nicht besonders imposant genannt
werden können‹ ...«

»Das ist ein malitiöser Hieb, der ihn schwer ärgern wird,« sagte Jérôme
mit hämischem Lächeln. »Du bist in der That ein beißender Satiriker,
Pigault. -- Ich sehe, ich darf mich in Acht nehmen, daß ich bei dir
nicht in Ungnade falle.«

Der Bibliothekar mußte laut auflachen.

»Hören Sie nur weiter, Sire! -- ›Übrigens habe ich meine Hofhaltung
ganz nach dem Vorbilde der Ihrigen eingerichtet. Ich kleide mich, wie
Sie: was wollen Sie mehr? -- Der Prinz von Paderborn bringt mich mit
seinen ewigen Predigten und endlosen Messen zum Gähnen. Ich werde ihn
behalten, da Eure Majestät mir ihn gegeben; aber nichts verpflichtet
mich dazu, mit ihm über Kirchenangelegenheiten und andere Dinge zu
sprechen, von denen ich nichts verstehe und nichts verstehen will.
Ich überlasse das dem Herrn Cultusminister. -- Was Merfeldt anlangt,
so habe ich ihn zum Präfecten von Hannover ernannt, denn er ist ein
vorzüglicher Verwaltungsbeamter, ohne ein angenehmer Chambellan zu
sein. Im Übrigen liebe ich es, die für meinen persönlichen Dienst
bestimmten Personen ganz nach meinen augenblicklichen Bedürfnissen
auszuwählen. Gezeichnet: Jérôme Napoleon.‹«

»›Gezeichnet‹ ...?« rief der König. »Aber das ist ja der brutalste
Kanzleistil.«

»So schreiben wir: ›Genehmigen Sie die Versicherung meiner
vorzüglichsten Hochachtung.‹«

»Mit dieser Formel begrüßt man seine Untergebenen.«

»›Ihr treuverbundner Bruder‹ ... Was halten Sie davon?«

»Sehr gut! Das sagt eigentlich gar nichts! Schreiben wir: ›Ihr
treuverbundener Bruder.‹«

Der König ließ sich nunmehr das Manuscript ins Bett reichen, und
studirte es mit vielem Eifer. Hierauf legte er's unter das Kopfkissen
und bedeutete dem Bibliothekar sich zu entfernen.

Jérôme ließ sich ankleiden und hatte nach eingenommenem Dejeuner nichts
Eiligeres zu thun, als den Brief Pigault's zu copiren. -- Er zerriß
zwei, drei Bogen, bis der vierte zu seiner Zufriedenheit ausfiel. --
Als er das kühne Schriftstück siegelte, spielte ein schadenfrohes
Lächeln um seine Lippen.

»Kein Zweifel,« murmelte er vor sich hin, »dieser Schröpfkopf wird
ziehen! Ich gäbe etwas darum, wenn ich sein verblüfftes Gesicht, seinen
brennenden Ärger genießen könnte! -- Früher oder später mußte die
Sache ja doch einmal zum Brechen kommen! -- Ich will dem erstaunten
Europa zeigen, daß ich nicht bin, was ich scheine. Selbständigkeit,
Unabhängigkeit, Würde, -- das sind doch wohl die unerläßlichen
Vorbedingungen der Achtung, deren sich ein Thron zu erfreuen wünscht!
Zum Schleppenträger meines Herrn Bruders halte ich mich zu gut.
Entweder oder! Der Würfel ist gefallen!«

In dieser selbstbewußten Stimmung überreichte er den Brief einem seiner
Kammerjäger zur sofortigen Übermittelung an den Courier.

Wenige Stunden später war das verhängnisvolle Actenstück unterwegs.

Jérôme! Jérôme!

       *       *       *       *       *

Vierzehn Tage waren verflossen.

Von den Thürmen der Stadt Kassel schlug es Mitternacht. Die braven
Unterthanen des westphälischen Gewalthabers schliefen den Schlaf der
Gerechten. Melancholisch wandelte der Wärter durch die menschenleeren
Gassen und entlockte seiner kurzen Weichselrohrpfeife eine qualmende
Wolke nach der andern.

Nicht ganz so lautlos ging es in dem sogenannten blauen Salon der
Napoleonshöhe zu. Hier saß eine kleine, aber gewählte Gesellschaft um
eine reichgedeckte Tafel. Man war beim Dessert. Prächtige Früchte,
hochfeines Gebäck, perlender Champagner und andere unerläßliche
Ingredienzen eines luxuriösen Mahles verbreiteten einen berauschenden
Duft. Die Gläser klirrten in verwegner Ungezwungenheit wider einander.
Das lärmende Chaos der Stimmen wurde nur durch die Salven eines
schallenden Gelächters oder durch die Klänge eines lustigen Refrains
unterbrochen. Mit einem Worte, der blaue Salon war wieder einmal Zeuge
eines jener intimen Soupers, die gegen elf Uhr begannen und gewöhnlich
bis drei, vier Uhr Morgens dauerten.

»Die Gesundheit des Königs!« rief jetzt eine kleine, blauäugige Dame in
prachtvoller Toilette.

Sie ergriff das Glas, setzte es an den Mund und leerte es auf einen Zug.

»Süßer Engel!« hauchte der König, indem er den Arm um ihre Taille
legte. »Dafür sollst du einen Kuß haben.«

Die Dame sträubte sich.

»Herr Gott, wie spröde!« lachte Jérôme. »Was fällt dir ein, Lili? Wir
sind ja hier unter uns! Nicht wahr, Fürstenberg, unsere kleine Heberti
braucht Euretwegen ihren Gefühlen keinen Zwang anzuthun?«

Die Gesellschaft kicherte.

»Unsere liebenswürdige Freundin,« versetzte der Angeredete, »wäre
im höchsten Grade thöricht, wenn sie sich aus irgend welcher äußern
Rücksicht den schmeichelhaften Gunstbezeugungen Eurer Majestät
widersetzen wollte.«

»Wir sind ja, Gott sei Dank, keine deutschen Philister,« fügte der Graf
Winzingerode hinzu.

»Da hörst du's, Lili. Fürstenberg, zeigen Sie der Kleinen, wie die
Sache gemacht wird. Küssen Sie Ihre Melanie!«

Der Cavalier, der trotz des ihm aufgenöthigten deutschen Namens ein
echter Pariser geblieben war, schlang den Arm ohne weiteres um den
blendenden Nacken seiner Nachbarin, und küßte ihr die rothen Lippen,
daß es laut durchs Gemach schallte.

»Ah, das ist Unrecht, lieber Fürstenberg,« rief Pigault-Lebrun mit
komischem Stirnrunzeln. »Sie machen unser Einem, der nicht so glücklich
ist, wie Sie, das Herz schwer.«

»Es thut jeder, was er kann; nicht wahr, Melanie?«

»~Eh bien~, Lili?« fragte der König.

»Ich habe Ihnen gesagt, daß ich Sie zwei Tage lang auf schmale Kost
setze,« lautete die schnippische Antwort.

»Wie? was?« erklang es im Chor. »Ein Zwist, ein Streit? Ich hätte bald
gesagt, eine eheliche Differenz?«

»Unser Täubchen ist eigensinnig,« rief Jérôme, ein Glas Schaumwein
hinunterstürzend.

»Nein, nein, nur standhaft!« entgegnete Fräulein Heberti.

»Erzählen Sie! Was ist vorgefallen?«

»Sehr einfach,« sagte die kleine Dame. »Ich habe Seine Majestät um eine
Gefälligkeit ersucht und bin abschlägig beschieden worden.«

»Ah, unerhört, Sire,« lachte Winzingerode. »Wie können Sie einem
solchen Engel was abschlagen?«

»Ein König, meine Herren,« erwiderte Jérôme, »ist nicht in allen Dingen
souverain! Es giebt gewisse Rücksichten ...«

»Aber um was handelt es sich denn? Wir wissen ja noch gar nicht ...«

»Eine Bagatelle,« schmollte Lili. »Ich bat den König um die Entlassung
des Grafen von Paderborn ...«

»Ah, der Aumônier,« sagte Fürstenberg; »eine unangenehme
Persönlichkeit.«

»Ein Spion,« ergänzte Fräulein Heberti.

»Wo denkst du hin, Lili!« stotterte Jérôme.

»Ein Spion, sage ich. Unser Aller Interesse erfordert, daß Sie ihm
schleunigst den Laufpaß geben.«

»Das ist unmöglich.«

»Unmöglich? Sind Sie nicht König ...?«

»Das sagst du wohl ... -- aber ...«

»Was ›aber‹! Es giebt kein aber!«

»Aber bedenke doch ... Du weißt ... Seine Majestät der Kaiser ...!«

»Der Kaiser! Was hat Ihnen der Kaiser zu sagen?«

»Er hat ... er ist ... bedenke nur ...«

»Ah, Sire!« rief das Mädchen mit einem Ausdruck des Stolzes, der
ihre Züge wunderbar hob, »Sie scheinen nicht zu wissen, daß wir
Frauen von dem Geliebten in erster Linie Entschlossenheit, Energie,
Unabhängigkeit, Muth fordern, wenn unsere Neigung nicht wanken soll ...«

Die Gäste blickten einander an, als wollten sie sich fragen, ob diese
Rede der kleinen Ex-Tänzerin Scherz oder Ernst sei?

Es trat eine peinliche Pause ein. Der König war sichtlich unangenehm
berührt. Niemand wollte das Schweigen brechen. Man fürchtete, den
mißlichen Eindruck, den Lili's Strafpredigt hervorgebracht hatte, durch
eine ungeschickte Bemerkung noch zu verschlimmern. --

»Fräulein Heberti,« sagte endlich Jérôme, nicht ohne Bitterkeit, »ich
hoffe Ihnen baldigst, vielleicht schon morgen, den Beweis zu liefern,
daß Ihre Vorwürfe die Adresse verfehlt haben. Wenn ich in einzelnen
wichtigen Angelegenheiten auf meinen kaiserlichen Bruder Rücksicht
nehme, so geschieht dies aus freien Stücken. Daß ich im rechten
Augenblick unabhängig, energisch, entschlossen zu sein verstehe,
sollten Sie überhaupt niemals bezweifelt haben. Da Sie indeß solchen
höchst seltsamen Zweifeln Raum geben, so gereicht es mir in der That
zur Genugtuung, daß ich, wie gesagt, binnen wenigen Tagen in der
Lage sein werde, Sie eines Bessern zu belehren. Merken Sie sich das,
Fräulein Heberti!«

Der König hatte diesen langen Discurs mit voller Würde, und so laut
und deutlich vom Stapel gelassen, daß Lili fast erschreckt die Augen
niederschlug. Sie mochte fühlen, daß sie zu weit gegangen.

Jérôme warf seinem Bibliothekar einen selbstbewußten,
verständnisinnigen Blick zu.

Dem guten Pigault fiel die Epistel, auf welche der König anspielte,
heiß auf die Seele. Jeden Tag konnte die Antwort eintreffen; der
Bibliothekar verhehlte sich nicht, daß diese Aussicht einen höchst
beklemmenden Einfluß auf seine Lebensgeister ausübte.

In diesem Augenblick ertönte im Vorzimmer ein lebhafter Wortwechsel.

Befremdet horchte man auf.

»Ich habe die gemessensten Befehle ...« sagte einer der königlichen
Hofjäger.

»Und ich habe noch gemessenere,« entgegnete eine kräftige Stimme.
»Machen Sie keine Umstände! Im Namen Seiner Majestät des Kaisers der
Franzosen, lassen Sie mich vor!«

Jérôme erbleichte. Pigault-Lebrun griff nach dem Glase, um seine
Verwirrung zu verbergen.

»So erlauben Sie wenigstens, daß ich Seine westphälische Majestät zuvor
benachrichtige,« stotterte der Kammerjäger. »Wen darf ich anmelden?«

»Den Gouverneur von Danzig!« lautete die Antwort.

Eine halbe Minute später öffnete sich die Thür des blauen Salons,
und der Gouverneur, begleitet von einem Gardeofficier, betrat das
Allerheiligste.

Alles war sprachlos.

Der Botschafter des Imperators verneigte sich voll ritterlicher Anmuth
und wandte sich dann an den König.

»Sire,« sagte er, »ich habe mich eines höchst unangenehmen Auftrags zu
entledigen.«

Jérôme ward fahl wie der Kalk an der Wand. Pigault-Lebrun saß da wie
ein armer Sünder und nestelte an seinen Manschetten.

»Ich habe diesen Auftrag,« fuhr der Gouverneur fort, »von Ihrem
erhabenen Bruder, dem Kaiser der Franzosen. Ich verließ Seine Majestät
in einem Zustande der Erregtheit und des Zornes, den ich nicht zu
schildern vermag ...«

»Aber ich bitte, mein Herr,« rief Fürstenberg, indem er die Arme vor
der Brust kreuzte, »dies ist weder die Zeit noch der Ort, solche
Aufträge auszurichten.«

»Ich bedaure,« entgegnete der Angeredete kalt, »daß ich so unglücklich
bin, Ihre geselligen Freuden zu unterbrechen, allein ich handle nach
dem ausdrücklichen Befehl meines hohen Gebieters.«

Der König war so vollständig außer Fassung gerathen, daß er vergaß dem
Gouverneur einen Stuhl, geschweige denn ein Glas Wein anzubieten. Statt
dessen hatte er selbst den Becher ergriffen und einen kräftigen Schluck
der Verzweiflung gewagt.

Winzingerode schleuderte dem fremden Eindringling finstere Blicke zu.

Die kleine Heberti betrachtete bald den Gouverneur, bald ihren
königlichen Gönner. Ein spöttisches Lächeln zuckte um ihre rosigen
Lippen.

»Sire,« fuhr der Gesandte fort, »ich hoffe, Sie werden den Botschafter
nicht die Unannehmlichkeiten der Botschaft entgelten lassen ... und mir
verzeihen, wenn ich Ihnen hier, laut den gestrengen Instructionen, die
ich empfangen habe, folgenden eigenhändig geschriebenen Cabinetsbefehl
des Kaisers vorlese ...«

»O, durchaus nicht,« stammelte Jérôme in höchster Seelenangst; »das
heißt ... Sie wissen ... Könnten wir nicht dort in das Zimmer treten?«

»Ich bedaure, Sire ... Die Anordnungen Seiner Majestät sind sehr
formell. Sie müssen schon gestatten, daß diese Herrschaften
unfreiwillige Zeugen einer Scene sind, die mir ebenso fatal ist, als
Ihnen selbst, Sire.«

Der König senkte das Haupt, wie Einer, der entschlossen ist, alles ohne
Widerstand über sich ergehen zu lassen.

»Aber das ist unerhört,« sagte Fürstenberg.

Der Gouverneur zuckte die Achseln. »Ich wiederhole Ihnen, es ist nicht
meine Schuld,« entgegnete er. »Das Decret lautet wie folgt:

»›Cabinetsbefehl des Kaisers. Unser Aide-de-Camp, der General Rapp,
Gouverneur von Danzig, wird sofort nach Cassel abreisen und daselbst
den Obersten Müller, Kommandanten der königlichen Garden, zu sich
citiren. Er wird mit besagtem Müller unverzüglich zum König gehen und
Seine Majestät diesem Officier zur Bewachung übergeben. Der König wird
achtundvierzig Stunden im Arrest bleiben. Pigault-Lebrun, der Verfasser
des flegelhaften Briefes, den unser Bruder uns geschrieben hat, wird
zwei Monate lang ins Gefängnis gesteckt und dann unter sicherer
Bedeckung nach Frankreich transportirt werden. Wir ertheilen unserm
Aide-de-Camp Generalvollmacht, die westphälischen Truppen in Anspruch
zu nehmen, falls man sich in wahnwitziger Verblendung der Ausführung
unserer Befehle widersetzen sollte. Gezeichnet: Napoleon.‹«

Jérôme sank vernichtet in seinen Fauteuil zurück. Pigault-Lebrun
runzelte die Brauen und ballte die Fäuste. Fürstenberg und Winzingerode
sperrten Mund und Nase auf. Melanie weinte. Die kleine Heberti warf
einen Blick der grenzenlosesten Verachtung auf ihren Liebhaber und
erhob sich stolz aus dem Sessel.

»So haben wir hier weiter nichts zu suchen!« sagte sie kalt. »Herr
Commandant, thun Sie Ihre Pflicht.«

Der Aide-de-Camp des Kaisers verabschiedete sich, und Jérôme schwankte
in Begleitung des Obersten Müller nach seinen Gemächern, um sie erst
nach abgebüßter Strafe wieder zu verlassen. Die Ermächtigung, die
der Kaiser dem General Rapp ertheilt hatte, im Nothfalle Truppen zu
requiriren, war eine überflüssige Maßregel. Der gute Jérôme parirte
wie ein wohlerzogenes Kind; seine friedliche Seele war himmelweit
entfernt von jener ›wahnwitzigen Verblendung‹, die das allerhöchste
Decret vorsehen zu müssen glaubte. Ah, hätten die ehrfurchtsvollen
Unterthanen des Königs von dem unerhörten Schauspiele, dessen Theater
der königliche Palast, dessen leidender Held ihr vielgeliebter Jérôme
war, eine dämmernde Ahnung gehabt! Es ist doch gut, daß der Pöbel nicht
in alle Geheimnisse der Diplomatie eingeweiht wird!

Pigault-Lebrun wurde in den Kerker geworfen. Eine nachträgliche
Ordre des Kaisers verbot dem gesammten Hofpersonal, den Gefangenen
zu besuchen. Der König schrieb seinem gestrengen Bruder einen
demüthigen Brief, in welchem er hundertmal um Verzeihung bat und um
die Freilassung seines Vertrauten flehte. Umsonst. Der Kaiser ließ
ihm antworten, Pigault werde seine zwei Monate absitzen und alsdann
unverzüglich das Land verlassen. Nach langem Betteln gestattete er dem
König, den Bibliothekar bei sich zu behalten, falls derselbe gesonnen
sei, einen weitern Monat hindurch im Gefängnis zu schmachten. Pigault
war mit Freuden bereit. Das Leben am westphälischen Hofe bedünkte ihm
jedes Opfers werth.

Am 22. November 1810 war seine Marterzeit vorüber. Blaß und abgemagert
trat er vor seinen Gebieter und lächelte ein schmerzliches Lächeln.

»Nicht wahr, Sire,« sagte er, »künftighin besinnen wir uns zweimal, ehe
wir einen Brief zur Post geben?«

Jérôme seufzte.

»Du hast schwer gebüßt, mein Freund,« flüsterte er niedergeschlagen;
»aber auch mich traf ein trübes Verhängnis ...«

»Ah, Sire, die achtundvierzig Stunden ...?«

Der König schritt nach seinem Pulte und nahm ein rosenrothes Billet
heraus.

»Da, lies!« sagte er. »Das schrieb mir die liebste, die reizendste, die
treueste meiner Freundinnen am Tage nach deiner Verhaftung.«

Pigault las. Das Billet lautete:

        »Sire,

Ich verlasse Sie und Ihr Land für immer. Ich habe mich aufs Kläglichste
in Ihnen getäuscht. Wenn ich die Pflichten, die uns die Selbstachtung
und die Rücksicht auf das öffentliche Urtheil auferlegt, mit Füßen
trat; wenn ich bei einem Ihrer Höflinge Sclavendienste that: so geschah
dies nur, weil ich Sie liebte -- so wahr und glühend wie nur ein Weib
zu lieben vermag! Dies Bekenntnis wird mich in Ihren Augen, wenn nicht
rechtfertigen, so doch entschuldigen. Aber ich kannte Sie nicht. Ich
hielt Sie für edel, für stolz, für ritterlich. Ich habe mich vom
Gegentheil überzeugt. Ich verachte Sie.

            Elise Heberti.«

Pigault-Lebrun versetzte kein Wort. Gesenkten Blickes gab er dem König
das Schreiben zurück.

Jérôme schloß es wieder ein und sagte dann tonlos zu seinem
Bibliothekar:

»Es läßt sich halt nicht gegen den Strom schwimmen! Dein Sprüchwort:
›Wurst wider Wurst‹ mag für unsere hessischen Bauern passen, aber nicht
für die Familie Bonaparte.«

Sprach's, ging hin, und blieb ein gehorsamer Bruder.



Die Feuerspritze.


Erstes Kapitel.

Das Städtchen Clatou, einige Meilen von St. Quentin gelegen, erfreute
sich unter dem milden Scepter seines Bürgermeister seit undenklichen
Zeiten eines blühenden Wohlstandes und einer Höhe der geistigen Cultur,
um die es von der Gemeinde Ulrichstein im hessischen Vogelsberge
ohnstreitig glühend beneidet worden wäre, wenn sich der Ruf von
seiner Existenz überhaupt bis über die Grenzen des Departements
verbreitet hätte. Aber die Clatounesen waren von der Giltigkeit
jener altgriechischen These, die den Ruhm für eitel Wind erklärt, so
aufrichtig überzeugt, daß sie in keiner Weise nach irdischem Glanze
haschten, sondern schlicht und recht in den Tag hinein lebten; wiewohl
ihre Verhältnisse ihnen reichlich gestattet hätten, alle vier Wochen
eine lobende Erwähnung im »Figaro« zu bezahlen. Still und zurückgezogen
pflagen sie ihrer Privatangelegenheiten und kümmerten sich weder um
die aufregenden Dispute des Pariser ~Corps Législatif~, noch um die
politischen Schachzüge Beust's und Bismarck's. Der Name Jules Favre's
war kaum jemals über die Lippen eines Clatounesen gekommen, und von
der Neugestaltung Deutschlands hatte nur Herr Clamard, der Maire, eine
chaotisch dämmernde Vorstellung. Kurz, Clatou, das weise und gerechte
Städtchen unweit von St. Quentin, trug keine Schuld an dem schändlichen
Friedensbruch, den Frankreich so theuer bezahlen sollte ...

Im Laufe der sechziger Jahre zweigte sich von Clatou eine kleine
Colonie ab.

Die neue Gründung nannte sich Gressinet. Sie blieb zwar mit der
Mutterstadt in regem Wechselverkehr, allein schon nach kurzer Frist
entwickelten sich im Schooße der Tochter jene Emancipationsgelüste,
die vor einem Jahrhundert auf der westlichen Erdhälfte die Losreißung
Nordamerika's von England zur Folge hatten ...

Ahmte indessen Gressinet das glorreiche Beispiel der Union nach, so
befolgte Clatou -- und insbesondere Herr Clamard, der Bürgermeister
-- die Haltung Großbritanniens und verweigerte den Rebellen jegliches
Zugeständnis.

Vor allem bestritt der Maire ihnen das Recht, sich eine Gemeinde zu
nennen.

»Ihr gehört zu +unsrer+ Gemeinde,« hieß es in seinen amtlichen
Manifesten, -- »ihr seid +mir+ zinspflichtig, und jede gegentheilige
Bestrebung ist als ein Akt der Insurrection und des Hochverraths zu
betrachten.«

Die Gressineter protestirten. Einer der ihrigen, Jules Pierrot, der
ein Jahr lang als Handlungsdiener in Paris gewesen, verfaßte ein
Gegenmanifest, in welchem das Selbstbestimmungsrecht der Nationen
nachdrücklich betont und das Axiom ausgesprochen war, daß man im
neunzehnten Jahrhundert nach anderen Grundsätzen regieren müsse, als im
fünfzehnten.

Diese Phrase vom neunzehnten Jahrhundert mußte den Maire in der
tiefsten Tiefe seines amtlichen Bewußtseins verletzt haben, denn er
antwortete in einem neuen Erlaß, es komme hier durchaus nicht auf
den Unterschied zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit an, wie von
gewisser Seite heuchlerischer Weise behauptet werde, sondern auf die
Frage, ob die Verfassung gehalten oder gebrochen werden solle. Er,
der Maire, werde dem Gesetze die gebührende Achtung verschaffen und
jedermann, der es übertrete, ohne Ansehen der Person vor die Schranken
der Tribunale citiren.

Die Gressineter schäumten vor Wuth. Ließ sich von jetzt ab ein
Clatounese in Gressinet blicken, so wurde er von den beleidigten
Patrioten dergestalt mißhandelt, daß er für die nächsten drei
Wochen arbeitsunfähig war. Zur Revanche überfielen die Clatounesen
eines schönen Tages den Haupträdelsführer der Gressineter, den
Handlungsdiener Jules Pierrot, mit Steinwürfen. Pierrot rettete
sich nur durch die schleunigste Flucht. Ganz außer Athem, von
Schweiß triefend wie ein gehetzter Eber, mit Staub bedeckt und am
Hinterhaupte nicht unbedeutend verletzt, langte er in Gressinet an,
-- eine lebendige Aufforderung zum Kreuzzug gegen die freveltrotzigen
Clatounesen.

Sofort eilte er zu seinem Busenfreunde, dem Schulmeister ...

Henri Jérôme Croquepeu, den die Gressineter -- dem Maire von Clatou
zum Trotz -- aus eigenen Mitteln bezahlten, war nächst Pierrot der
eifrigste und angesehenste Vertreter der Selbstständigkeitsidee.

Er empfing den Gesinnungsgenossen mit den Zeichen der höchsten
Verwunderung.

»Ist's möglich, Jules? Sie haben es gewagt ...? Aber das ist ja
himmelschreiend, diabolisch, infernalisch, kymmerisch!«

»Croquepeu,« erwiderte Jules mit halberstickter Stimme, indem er sich
das Taschentuch auf die Wunde legte, »Croquepeu, -- sieh her! Dieses
Blut heischt eine furchtbare Rache! -- Sprich, Schulmeister, hast du je
geliebt ...?«

»Wie so?«

»Hast du nie anbetend vor einem Wesen gekniet, dessen Lächeln ...
dessen Blicke ...«

»Ah, so! Jetzt erst begreife ich, was du sagen willst. Du meinst, ob
niemals Eros mein Herz berührt ...? Du mußt dich deutlicher ausdrücken.«

»Nun denn ... antworte mir! Wenn deine Brust niemals in heiligen
Flammen stand, so fehlt dir das Verständnis für den Schmerz, der mir
siedend durch alle Adern geht ... Sprich, Kindertyrann!«

»Ja, Jules! Ich war achtzehn Jahre alt, -- da liebte ich Eugenien, die
Tochter des Dorfschmieds ... Ich darf wohl sagen: auch ich war ihr
nicht gleichgiltig, -- aber ach! Du weißt! Die Verhältnisse ... Die
Umstände ... Sie hat einen anderen geheirathet ...«

»Gut! So wirst du erfassen, welch ein wahnsinniger Zorn meine
empfindsamen Nerven durchtobt. Höre mich an! Ich liebe ...«

»Nicht möglich? Seit wann ...?«

»Seit vier Wochen. Sie ist ein Engel ...! Ach, Schulmeister, ich sage
dir, wenn sie einen mit ihren großen, himmelblauen Augen so über die
Achsel ansieht, -- das Herz möchte einem zerspringen wie eine reife
Kastanienschale! Aber leider, leider giebt es nichts Vollkommenes auf
der Welt!«

»Schielt sie?«

»Du bist verrückt.«

»So findest du keine Gegenliebe?«

»Croquepeu, du wirst beleidigend ...«

»Je nun, so erkläre dich näher ... Überhaupt weiß ich nicht, was deine
Liebe mit dem clatounesischen Attentat zu thun hat.«

»Schulmeister! Meine Geliebte vereinigt alle guten Eigenschaften des
Leibs und der Seele ... aber sie ist eine Clatouneserin!«

»Heiliger Antonius Paduensis! Das ist allerdings ein bedenklicher
Übelstand! Und wer ist's, Pierrot? Wohl gar Louison, die Tochter des
Notars? Herr Brassou ist ein glühender Feind unserer Autonomie; er haßt
dich als den gefährlichsten Verfechter unserer municipalen Rechte: nie
und nimmer wird er einwilligen, daß seine Louison ...«

»So laß mich doch nur zum Worte kommen, geschwätziger Ruthenfürst!
Louison ist mir so gleichgiltig wie dem Heiden der Sonntag. Meine
Angebetete heißt Marion Leclerc.«

»Alle Götter der Ober- und Unterwelt! Die Mündel des Bürgermeisters?
Pierrot, bist du bei Troste? Da wäre noch eher daran zu denken, daß
der Notar dir seine Louison gäbe!«

»Vorläufig handelt es sich gar nicht um Geben oder Nichtgeben. Alles
das wird sich später finden. Marion liebt mich. Im Nothfall entführe
ich sie ...«

»Himmel! Das wird einen saubern Skandal absetzen!«

»Mir gleich. Zunächst aber gilt es, meine Ehre wieder herzustellen.
Denke dir, Croquepeu: die Geliebte meines Herzens war Zeuge des
entsetzlichen Auftrittes! ... Sie sah, wie ich fliehen mußte! O, ich
hätte vor Wuth und Scham bersten mögen! -- Aber die Steinwürfe ließen
mir keine Wahl; sie würden mich zu Brei zermalmt haben. Begreifst du,
Knaben-Despot, was es heißt, vor den Augen seiner Geliebten die Rolle
eines Feiglings spielen zu müssen?«

»Ah, ich weiß es nur zu gut! Unter uns gesagt, Pierrot, -- du erzählst
es nicht weiter -- ich bin überzeugt, Eugenie heirathete nur darum
den Epicier, weil er mich einst vor ihren Blicken ohrfeigte, ohne daß
ich meinerseits ... Du verstehst! Es fehlt mir im allgemeinen nicht
an Courage, aber Raoul war ein baumlanger Kerl, und so dachte ich,
besser eine geringe Injurie einstecken, als sich einer tödtlichen
Körperverletzung aussetzen. Aber, wie gesagt, das beklemmende Gefühl
von damals ist mir noch sehr wohl erinnerlich ... Haben sie dich auch
geohrfeigt?«

»Das nicht. Allein ich mußte Fersengeld geben, wie ein Äpfeldieb, und
das Hohngelächter der Clatouneserinnen verfolgte mich bis an die Grenze
des Weichbildes. Man macht eine erbärmliche Figur, Croquepeu, wenn
man so durch die Straßen sprengt und von den ungezogenen Gamins mit
Pflaumen und Chausseesteinen geworfen wird! Ich bedarf einer glänzenden
Genugthuung, sonst bin ich in den Augen Marion's für allezeit
discreditirt. Willst du mir beistehen?«

»Was kann ich thun?«

»Berufe die angesehensten Bürger für heute Abend in die Scheune
des alten Grimmont! Ich werde ihnen den Fall vortragen und ihre
Unterstützung in Anspruch nehmen.«

»Gut. Auf sieben Uhr.«

»Und nun begleite mich in die Weinstube; ich verdurste bald. Um halb
zwei muß ich ins Geschäft; also laß uns die Frist benutzen! Du wirst
deine Einladungen dringlicher vorbringen, wenn du erst ein paar Tropfen
Rebenblut in den Adern spürst.«

Sie gingen zur Schenke und leerten einige Gläser auf das Wohl
Gressinet's. Dann verfügte sich Jules Pierrot, der Handlungsdiener, in
sein bescheidenes Magazin, während Croquepeu von Haus zu Haus wanderte
und die Bürger zu einer wichtigen Berathung nach der Scheune entbot.


Zweites Kapitel.

Fünf Minuten nach sieben war die Versammlung vollzählig.

Pierrot ergriff das Wort und schilderte in den lebhaftesten Farben
die erlittene Unbill. Er forderte die Gressineter auf, diese blutige
Beleidigung durch eine exemplarische Bestrafung der Mutterstadt
glorreich zu sühnen.

Nach längeren Debatten faßte man den Beschluß, Clatou am nächsten
Sonntag während der Kirche zu überfallen, dem Haupturheber des
frevelhaften Attentates die Fenster einzuwerfen und einen etwaigen
Widerstand mit bewaffneter Hand zu bewältigen ...

Das war eine verwegene Idee. Ihre Annahme läßt sich nur aus der
krankhaften Steigerung des intermunicipalen Hasses erklären, der bei
den Gressinetern die Stimme der Vernunft völlig übertäubte. O, hättet
ihr den Plan Jules Pierrot's verworfen! Ihr würdet ihm und euch viel
Trauer und Herzeleid erspart haben!

Der verhängnisvolle Sonntag kam heran. Die Glocken von Clatou hatten
langsam ausgeläutet. Die gesammte Bürgerschaft -- mit der einzigen
Ausnahme eines lüderlichen Zecherkleeblatts und verschiedener
Greise, Wöchnerinnen und Kranken -- befand sich im Gotteshause. Herr
Laloupon, der Geistliche, predigte über die Bibelstelle: »Selig sind
die Friedfertigen --« und erging sich in eifrigen Angriffen auf die
Störer der öffentlichen Ordnung. Die Clatounesen schmunzelten, denn sie
fühlten, daß Herr Laloupon auf die Gressineter stichelte.

Da zog aus den Thoren der rebellischen Colonie eine Schaar von fünfzig
oder sechzig kräftigen Burschen -- so ziemlich die ganze waffenfähige
Mannschaft des Pflanzdorfes -- und wandte sich in raschem Halbtrabe dem
arglosen Clatou zu.

Nach fünf Minuten war die Mutterstadt erreicht. Jean, der alte
stelzfüßige Polizist, wurde über den Haufen gerannt. Dann plötzlich
klirrte ein Hagel von Steinen wider die Façade eines der stattlichsten
Häuser der Hauptstraße, und ein lautes Hurrah des Rächercorps
verkündete, daß die Salve von wunderbarster Wirkung gewesen.

Alsbald regte es sich in den Hallen der Kirche. Die Weiber und Kinder
erhoben ein klägliches Angstgeschrei. Die Männer rüsteten sich zur
Gegenwehr. Die clatounesische Übermacht gestattete keinen Zweifel
über den Ausgang des Handgemenges. Jules Pierrot, der unter den
Vordersten war, wurde an der Kirchentreppe von einem gigantischen
Schlossergesellen in Bearbeitung genommen. Zu seinem wahnwitzigsten
Entsetzen bemerkte er unter den Damen, die sich nach der Pforte des
Gotteshauses drängten, Marion Leclerc, die Geliebte seines Herzens.
Sie sollte jetzt zum zweiten Male mit ansehen, wie ihr treuer Cavalier
von pöbelhaften Fäusten mißhandelt wurde. Jules Pierrot rang wie ein
Verzweifelter; aber der Schlossergeselle war ein Hercules, legte ihn
über das Knie und erteilte ihm eine Lection, wie sie Herr Croquepeu,
der Schulmeister, seinen Zöglingen nicht kunstgerechter hätte
angedeih'n lassen können. Ähnlich wie dem Liebhaber Marion's erging es
den meisten Gressinetern; nur Wenige schlugen sich rühmlich durch und
erreichten die Colonie; die Übrigen wurden schauderhaft zerwalkt und
dann in Masse nach der »Violine«, das heißt nach der Wache gebracht.

Herr Clamard, der Maire, rieb sich die Hände. Die Gressineter
knirschten vor Schmerz und Erbitterung. Herr Laloupon, der Pfarrer,
ließ ein Tedeum anstimmen.

Drei Tage später wurden sämmtliche an dem Krawall betheiligten
Colonisten mit mehreren Wochen Polizeigefängnis bestraft.


Drittes Kapitel.

Auch dieses Leid trug dazu bei, den Zorn der Gressineter zum Paroxysmus
zu steigern.

Als die Gemaßregelten die Freiheit wieder erlangt hatten, berief Jules
Pierrot die Bürgerschaft des unglücklichen Pflanzdorfes zu einer
abermaligen Generalversammlung in die Scheune des ehrwürdigen Herrn
Grimmont.

Die Eingeladenen erschienen mit mathematischer Pünktlichkeit. Drei
oder vier der besiegten Sonntagskämpfer trugen noch die Spuren ihrer
Niederlage in den finster blickenden Gesichtern. Über der ganzen
~corona civium~ lagerte eine düstere, unheilschwangere Stimmung.

Jules Pierrot ergriff das Wort.

»Mitbürger!« sagte er langsam und feierlich. »Die Würfel sind gefallen!«

Ein dumpfes Murmeln ging durch die Reihen der Zuhörer.

»Eine schamlose Vergewaltigung, wie wir sie in den Annalen unserer
vaterländischen Geschichte nicht zum zweiten Male verzeichnet finden,
hat die letzten Bande der Pietät, die uns an das verabscheuungswürdige
Clatou knüpfen mochten, für alle Zeiten zerrissen!«

Lange anhaltender Applaus.

»Mitbürger!« fuhr Pierrot fort, »wir müssen Clatou moralisch
vernichten ...«

Athemlose Spannung.

»Es genügt hinfür nicht mehr, daß sich Gressinet eine Gemeinde +nennt+:
wir müssen eine Gemeinde +werden+! Setzen wir Gut und Blut an die
Erreichung dieses glorreichen Zieles!«

»Hoch! hoch!« schrieen die Gressineter in donnerndem Chorus.

»Patrioten! Suchen wir Clatou zu verdunkeln, zu überflügeln, zu
zermalmen! Clatou besitzt eine Schule mit zwei Elementarlehrern:
stellen wir, dem Tyrannen Clamard zum Hohne, drei Elementarlehrer mit
je zweihundert Franken Gehalt und freiem Holz an!«

»Unterstützt! Unterstützt!« riefen drei oder vier der eifrigsten
Vaterlandsfreunde. »Ich zeichne zehn Franken!« -- »Ich zwölf!« -- »Ich
fünfundzwanzig!«

»Aber nicht genug,« fuhr Pierrot fort, »daß wir im Punkte der
Intelligenz die Clatounesen überholen müssen: es gilt auch die
municipalen Institute dergestalt zu entwickeln, daß man höheren Ortes
unsere Reife erkennt und, Herrn Clamard zum Trotz, unsere Berechtigung,
als selbstständige Gemeinde aufzutreten, +amtlich sanctionirt!+«

»Sehr wahr! Hört, hört!«

»Bürger! Zu den wichtigsten Errungenschaften eines municipalen
Gemeinwesens gehört unstreitig der Besitz einer unabhängigen
Feuerspritze! Schaffen wir eine Feuerspritze an!«

»Hoch! hoch!« schrieen die begeisterten Gressineter. »Es lebe Jules
Pierrot! Hoch! hoch!«

»Aber eine Feuerspritze kostet ein Heidengeld!« bemerkte einer der
Versammelten.

»Das ist wahr!« versetzte ein Zweiter.

»Sehr richtig!« murmelte ein Dritter.

»Patrioten!« schrie Pierrot ... »Wo es die Ehre Gressinet's gilt,
da ist keine Ausgabe unerschwinglich! Denkt euch übrigens nur einmal
folgenden Fall! Die Clatounesen, von dem leidenschaftlichen Drange
ihres Hasses getrieben, nahen uns eines schönen Tages mit Fackeln und
Pechkränzen! Sie zünden uns insgeheim das Haus über dem Kopfe an! ...
Bürger! Was soll aus uns werden, wenn wir unter sothanen Umständen
keine Feuerspritze besitzen?«

»Er hat Recht! Wir sind es nicht nur unserer Ehre, sondern mehr noch
unserer Sicherheit schuldig, nichts zu versäumen, was die schmachvollen
Pläne der Clatounesen vereiteln kann! ~Vae victis~, sagt der Lateiner!
Schaffen wir eine Spritze an!«

Es war Croquepeu, der Schulmeister, der durch diesen pathetischen
Mahnruf die Versammelten elektrisirte und einen neuen Sturm des
Beifalls entfesselte.

»Ich bitte noch für einige Augenblicke um eure Aufmerksamkeit!«

»Reden Sie, reden Sie! Ruhe! Jules Pierrot hat das Wort! Wollt ihr
still sein dahinten? Reden Sie!«

»Meine Freunde! Wir leben im neunzehnten Jahrhundert ...«

»Sehr wahr! Bravo!«

»Ruhe! Ruhe!«

»Das neunzehnte Jahrhundert ist das Jahrhundert der Bildung, der
Intelligenz, des allgemeinen Stimmrechts, der öffentlichen Meinung! Was
aber ist der bedeutsamste Hebel der öffentlichen Meinung ...«

»Die Weiber!« schrie im Hintergrund eine volltönende Baßstimme ...

»Die Presse!« vollendete Jules Pierrot mit theatralischer Würde. »Ja,
meine Mitbürger, die Journalistik ist heutzutag' eine Großmacht. In
Paris, unsrer heiligen Metropole, habe ich ihren Einfluß kennen und
achten gelernt. Männer von Gressinet! Gründen wir eine Zeitung!«

Lautlose Stille.

»Aha, ein Wochenblatt,« meinte endlich Goguenard, der Weinwirth ...
»Ich bin dabei, lieber Herr Jules!«

»Ein Journal?« rief der Krämer Léon ... »Das wird amüsant. Ich mache
mit, lieber Pierrot!«

»Gründen wir eine Zeitung!« sagte jetzt auch Croquepeu, indem er
sich nach Möglichkeit in die Brust warf. »Clatou besitzt seit einem
Jahre den ›Clatouneser Beobachter‹! Schaffen wir ein Organ, das die
schamlosen Verleumdungen dieses ›Beobachters‹ energisch zurückweisen
und der staunenden Welt zeigen kann, daß der alte glorreiche Sinn der
Gressineter noch nicht ausgestorben ist, daß wir die Standarte der
Wahrheit hochhalten, und die angestammten Rechte eines freien Volkes
unbeugsam zu wahren wissen!«

Die Versammlung applaudirte begeistert. Man schritt zur Abstimmung.
Sämmtliche Anträge Pierrot's wurden mit großer Majorität angenommen.

Goguenard, der Weinwirth, trat an die Spitze der Spritzencommission.

Léon, der Krämer, erklärte sich bereit, die Collecte für die
Schulmeister zu leiten.

Das zu gründende Journal wurde dem Antragsteller persönlich überlassen.

Es sollte vorläufig dreimal monatlich erscheinen und in St. Quentin auf
Gemeindekosten gedruckt werden.

Man setzte schließlich als Titel die geschmackvolle Bezeichnung: ›Der
unverzagte Streiter von Gressinet‹ fest und verpflichtete den Redacteur
Pierrot, in jeder Nummer eine eclatante Schandthat der Clatounesen dem
Urtheile Europa's Preis zu geben.

Hierauf erklärte Jules die Versammlung für aufgehoben. Jean-Baptiste
Grimmont, der Älteste im Rathe, umarmte den kühnen Jüngling unter
lautem Schluchzen, blickte zum Himmel auf und sprach:

»Ich danke dir, Herr, daß du mich aufbehalten hast, diese Freude noch
zu erleben! Ich werde jetzt, so du gebeutst, gern in die Grube fahren.«

Jules Pierrot war sichtlich gerührt. Ein leises Zucken spielte wie
Wetterleuchten um die sonst so mannhaften Lippen.

»Ehrwürdiger Freund!« sagte er mit tremulirender Stimme ... »ich thue
nur meine Pflicht! Nicht an mich dürfen Sie sich wenden, wenn Sie
Ihren Gefühlen Ausdruck verleihen wollen, sondern an das Volk, an die
gesammte Bürgerschaft. Wir alle sind ja von dem gleichen Gedanken
beseelt, der in den heiligen Worten gipfelt: Vorwärts mit Gott für
unser geliebtes, glorreiches Gressinet!«


Viertes Kapitel.

Die Angelegenheiten der jungen Gemeinde nahmen von dieser Stunde an in
der That einen Aufschwung, der den Segen des Himmels deutlich erkennen
ließ.

Die Schulmeister wurden engagirt, wiewohl man den vorgeschlagenen
Gehalt nachträglich auf siebzig Franken jährlich verringerte.

Die Feuerspritze wurde gekauft und in der Scheuer Grimmont's sorgfältig
untergebracht.

Die erste Nummer des ›Unverzagten Streiters von Gressinet‹ erschien
in Klein-Octav und erfreute sich des allgemeinsten Beifalls. Der
Leitartikel, von Croquepeu verfaßt, behandelte das mehrfach erwähnte
Steinwurf-Attentat der Clatounesen unter dem pittoresken Titel: ›Wie
man in Clatou das Recht freier Bürger achtet!‹; -- während Jules
Pierrot unter der Rubrik: ›Clatounesische Lügen‹ nachzuweisen suchte,
daß in ganz Clatou kein vorurtheilsloser Ehrenmann lebe, und daß
insbesondere die Justiz viel zu wünschen lasse.

Bereits wenige Tage nach erfolgtem Ankauf der Feuerspritze begann
Gressinet mit den Übungen.

Es war ein feierlicher Moment, als die Bürgerschaft sich vor das
roth und blau lackirte Instrument spannte und vor das Dorf auf die
»Gemeindewiese« marschirte, wo das erste Probespritzen stattfinden
sollte.

Croquepeu dichtete aus Anlaß dieses bedeutsamen Ereignisses eine
Cantate, deren Refrain also lautete:

    »So fürchten wir nie des Verrathes Brand:
    wir spritzen für Freiheit und Vaterland.«

Unter den weihevollen Klängen einer großen Harmonika wurden die ersten
Stöße geleistet. Das Pumpwerk übertraf an Promptheit und Energie alle
Erwartungen. Diese Spritze zu bedienen, war eine Lust, eine ideale
Beschäftigung, die an das freie Schaffen des gottbegnadeten Künstlers
erinnerte.

Die Gressineter waren just in der besten Arbeit, als unvorsichtiger
Weise Herr Laloupon, der Pfarrer von Clatou, vorüberging. Alsbald
erinnerte man sich des Tedeums, das dieser entartete Priester aus
cynischer Freude über die Mißhandlung des Gressinetischen Rächercorps'
hatte anstimmen lassen. Eine diabolische Wuth bemächtigte sich aller
Gemüther. Croquepeu, der die Spitze des Schlauches hielt, wechselte mit
Jules Pierrot einen Blick des Verständnisses, wartete, bis der Pfarrer
etwa zehn Meter entfernt war, und richtete dann den straffen Strahl mit
seiner vollen Vehemenz auf die unteren Rückenwirbel des Dahinwandelnden.

Die Wirkung war colossal. Der Diener der Kirche wurde nicht nur
vollständig durchnäßt, sondern auch empfindlich contusionirt.
Zornglühend hinkte er nach Hause und sandte alsbald dem Maire ein
langes Klageschreiben, worin er um Genugthuung für die erlittene
Injurie bat, Gott zum Zeugen für die fortschreitende Entartung des
Menschengeschlechts anrief, und die Gressineter mit den Philistern und
anderen heidnischen Völkerschaften verglich.

Des anderen Tages schickte der Bürgermeister zwei berittene Gensdarmen
aus und ließ die Feuerspritze im Namen des Gesetzes confisciren.

Alle Reclamationen der Betroffenen blieben erfolglos. Der Maire
gab zur Antwort, Gressinet gehöre zur Gemeinde Clatou, und sobald
es in Gressinet brenne, werde er, Clamard, von Amtswegen für die
erforderlichen Löschmaßregeln Sorge tragen. Eine eigene Spritze sei
subordinationswidrig.

Der ›Unverzagte Streiter von Gressinet‹ brachte in seiner nächsten
Nummer einen Leitartikel, betitelt: ›Wo soll das enden?‹ Herr Clamard
war in besagtem Aufsatze auf's Leidenschaftlichste angegriffen.
Croquepeu schloß mit der bedeutsamen Wendung: »Und so werden wir,
angesichts der obwaltenden Verhältnisse, höheren Ortes das Recht
suchen, das uns von maßgebender Seite in einer so durchaus nicht näher
zu qualificirenden Weise verweigert wird.«

Diese Drohung des ›Unverzagten Streiters von Gressinet‹ ward noch in
derselben Woche verwirklicht.

Jules Pierrot verfaßte eine Adresse an den Sous-Préfet, die sich
alsbald mit Unterschriften bedeckte.

Das ebenso klar als taktvoll gehaltene Document hob die Wichtigkeit
einer municipalen Entwickelung Gressinets aufs Nachdrücklichste hervor
und betonte die hohe culturgeschichtliche Bedeutung gut organisirter
Lösch-Apparate. Dann ging die Adresse auf den speciellen Fall ein und
erhärtete mit allen Mitteln der Logik, daß Herr Clamard, der Maire,
sich eines Gewaltstreiches schuldig gemacht habe, um dessen geneigte
Abstellung man um so dringender bitte, als bereits die Presse anfange,
die Angelegenheit in unangenehmer Weise zu interpretiren. Die Ehre
Gressinet's erheische eine schleunige und glänzende Satisfaction.

Leider hatte der Unterpräfect eine Nichte der Schwägerin des
angeheirateten Onkels des Bürgermeister zur Frau.

Die Petition wurde zurückgewiesen.

Man wandte sich nun mit einer neuen Beschwerde an den Präfecten.

Leider war der Präfect ein Duzbruder des Unterpräfecten.

So machten denn die Gressineter abermals Fiasco.

Das journalistische Organ der jungen Gemeinde führte indeß nicht
umsonst den Titel: ›Der unverzagte Streiter‹! Die wackern Bürger
ließen sich durch das mehrmalige Fehlschlagen ihrer Hoffnungen nicht
abschrecken.

Es war seit einiger Zeit das dunkle Gerücht nach Gressinet gedrungen,
Napoleon III. und sein Gouvernement seien liberal geworden.

Die Gressineter wußten zwar nicht genau, was sie sich unter diesem
›Liberalismus‹ zu denken hatten, aber eine instinctive Ahnung sagte
ihnen, Liberalismus sei etwas Ähnliches wie Liberalität; und da
überdies Jules Pierrot versicherte, in Paris sei jeder anständige
Mensch liberal und der Kaiser folge nur dem Gebote der öffentlichen
Meinung, wenn er sich gleichfalls zum Liberalismus bekehrt habe,
so beschloß man, die Sache bis aufs Äußerste zu treiben und in
Angelegenheiten der Feuerspritze eine Adresse an Se. Excellenz den
Minister des Innern aufzusetzen.

Am 14. Juli 1870 ging also ein recommandirtes Sendschreiben nach
Paris ab. Nachschriftlich war dem Document die Bitte um recht baldige
Erledigung beigefügt, da es ja leicht einmal in Gressinet brennen
könne, und die Bürgerschaft alsdann in die größte Verlegenheit gerathen
würde, wenn keine Spritze zur Hand sei.

Die Patrioten warteten von Tag zu Tag, aber es kam keine Antwort. Wohl
aber erschreckte sie eines schönen Morgens die Nachricht, daß der große
Staatsmann Emil Ollivier an Preußen den Krieg erklärt habe.

»O weh,« sprach Croquepeu, als er am Abend nach dieser verhängnisvollen
Botschaft mit Jules Pierrot in der Weinschenke des würdigen Goguenard
saß, »da sieht's schlecht aus mit unserer Petition! Die Herren in Paris
werden jetzt an größere Dinge zu denken haben, als an Gressinet und die
Feuerspritze.«

»Pah,« erwiderte Goguenard, »haben wir nicht ausdrücklich um rasche
Erledigung gebeten? Es ist ja doch wahrhaftig keine große Mühe, ein
›Genehmigt‹ an den Rand zu schreiben, und das Ding auf die Post zu
geben.«

»Goguenard, Goguenard, ich verstehe mich besser auf diese Späße. Unsere
Spritze ist für immer zu den Todten geworfen.«

»Unsinn! Wie lange wird denn der Krieg dauern! Die paar Kosacken nehmen
wir auf den kleinen Finger. Nun, und wenn sie erst wieder Frieden
gemacht haben und die rothen Bänder vertheilen, hernach wird auch
unsere Spritze erledigt. Man muß die Geduld nicht verlieren. Nicht
wahr, Herr Jules?«

»Hm, hm,« versetzte Jules Pierrot, -- »ich glaube zwar auch, daß wir in
höchstens vierzehn Tagen Preußen so ziemlich erobern werden, aber mit
dem Friedenschließen geht's nicht immer so glatt, wie man denkt. Als
ich in Paris war, da schlugen sich die Deutschen drüben über dem Rhein.
Nun, die Geschichte hat auch nicht lange gedauert, was die eigentliche
Kriegführung betraf; aber bis alles wieder im Reinen war, ist doch
manches Quart die Seine hinuntergeflossen. Ich meinestheils wäre der
Ansicht, wir warteten gar nicht ab, was das Ministerium beschließt,
sondern holten uns die Spritze auf eigene Faust.«

»Das ist ein Gedanke!« rief Croquepeu. »Weiß Gott, Jules, du hast
mitunter prächtige Einfälle! Wo steht die Spritze?«

»Im Hinterhofe des Maire,« versicherte Goguenard. »Aber schwer wird
sie zu kriegen sein. Der Hof ist ummauert und vor der Thür liegt ein
Schloß, das seine vier Kilogramme wiegt. Nein, Kameraden, so wird
nichts ausgerichtet!«

»Nicht heute, nicht morgen, aber vielleicht in einigen Wochen,«
erwiderte Jules mit Würde. »Ich will euch was sagen. Es gilt hier vor
allen Dingen, die richtige Gelegenheit auszukundschaften. Ich will
spioniren.«

»Aha!« schmunzelte Croquepeu mit einem verständnißreichen Augenzwinkern.

»Goguenard,« sagte Jules, »da Sie uns eigentlich auf diese Idee
gebracht haben, so sollen auch Sie erfahren, was ich bis jetzt nur
meinem vertrautesten Freunde, dem hier anwesenden Schulmeister Henri
Jérôme Croquepeu mitgetheilt habe ...«

Der Weinwirth horchte auf.

»Ja, Meister Goguenard,« fuhr Jules mit geheimnisvoller Betonung
fort, -- »ich bin der Mann, der die Verhältnisse in dem Clamard'schen
Hinterhofe gründlich in Augenschein nehmen und den geeigneten Moment
der That mit Zuverlässigkeit berechnen kann. Sie sind discret,
Goguenard ...«

Der wackere Bürger legte zur Betheuerung seiner Verschwiegenheit die
rechte Hand in die Herzgrube.

»Nun denn ...« flüsterte Jules, »ich bin der Verlobte der schönen
Marion Leclerc ...«

»Nicht möglich!« rief Goguenard. »Sie, Herr Jules, der feurigste
Patriot, der glühendste Gegner der Clatounesen, der ... wie soll ich
nur sagen ... Sie, der Chef der ganzen Agitation ...«

»Liebster Freund,« versetzte Jules bedeutungsvoll, »es giebt
Angelegenheiten, in denen die Parteiunterschiede aufhören. Nehmen sie
z. B. einmal an, die Preußen trügen über unsere glorreichen Heere den
Sieg davon ...«

»Pah!« lachte Goguenard.

»Nun natürlich, es ist nur eine Annahme! Aber gesetzt den Fall ... die
feindlichen Armeen überschwemmten unser Departement ... Glauben Sie,
daß im Angesicht des gemeinsamen Gegners der Zwist der Gressineter
und Clatounesen fortbestehn würde? Goguenard! Ich bin Gressineter mit
Leib und Seele! Sie kennen meine Thaten, -- ich brauche daher keine
überflüssigen Worte zu machen! Aber so unversöhnlich wir auch die
verrätherischen Bewohner von Clatou hassen -- eins werden wir doch
nie und nimmer vergessen: sie sind Franzosen! Gegen die Bajonnete der
Preußen würden wir selbst die Clatounesen bis auf den letzten Mann
vertheidigen. Habe ich Recht?«

»Ohnstreitig!« rief Croquepeu begeistert, während er das volle Glas zum
Mund führte.

»Wenn's die beiden Herrn sagen, dann muß es wohl wahr sein,« versetzte
Goguenard nachdenklich ...

»Nun, sehen Sie wohl: wie's im Krieg ist, so ist es auch mit der Liebe.
Amor fragt nicht lange, ob sein Gegenstand diesseits oder jenseits der
Gemarkung wohnt. Kurz und gut, Marion ist meine Braut ...«

»Aber ihr Vormund?« fragte Goguenard mit hochgezogener Braue.

»Das ist's eben!« erwiderte Jules. »Just mit Rücksicht auf den Herrn
Maire habe ich diese Gelegenheit benutzt, um Sie in mein Geheimniß
einzuweihen ...«

»Wie so?«

»Hören Sie mich an. Ich schleiche mich jeden Mittwoch und jeden
Sonnabend als Fuhrknecht verkleidet nach der Mairie und verplaudere
ein Stündchen mit meiner Herzallerliebsten. Der Alte ist dann nicht
zu Hause, und Marion weiß es stets so einzurichten, daß mir auch
im Treppenbau niemand begegnet. Von ihrem Fenster aus kann man
den Hinterhof überblicken. Wenn ich mich bis jetzt gehütet habe,
hinauszugaffen, so geschah dies aus leicht begreiflicher Vorsicht.
Jetzt, da ich weiß, welche Interessen auf dem Spiele stehen, werde
ich die Sache riskiren und die Verhältnisse auskundschaften. Die
Feuerspritze von Gressinet wird gerettet werden, und Sie, Meister
Goguenard, sollen die Lorbeeren des glorreichen Unternehmens unverkürzt
einheimsen.«

»Mit Vergnügen! Ich bin zu allem bereit. Gressinet geht mir über Leib
und Leben.«

»O, es ist keine Gefahr vorhanden,« fuhr Jules fort. »Wenn Sie sich an
die Spitze von vier, fünf geriebenen Burschen stellen, so wird es Ihnen
ein Leichtes sein, die Angelegenheit zum gewünschten Ziele zu führen.
Ich meinestheils verzichte auf jeden Ruhm. Sie, lieber Goguenard, Sie
allein werden den Gressinetern das geraubte Kleinod zurückerobert
haben.«

»Das läßt sich hören. Sie sind in der That ein großmüthiger Charakter,
Herr Jules.«

»Nicht wahr, Croquepeu,« sagte Pierrot eifrig, »die Perspektive,
die ich da unserem trefflichen Weinwirth eröffne, darf geradezu als
glänzend bezeichnet werden?«

»Als kymmerisch, als phänomenal,« bestätigte der diensteifrige
Schulmeister.

»Das wäre denn abgemacht!« rief Jules. »Und nun, mein wackerer
Goguenard, bitte ich Sie um einen Gegendienst!«

»Reden Sie!«

»Marion's Vormund, der Tyrann von Clatou, ist natürlich +mir+ vor allen
Gressinetern spinnefeind ...«

»Das gereicht Ihnen nur zur Ehre, Herr Jules.«

»Er wird mir das Mädchen nie und nimmer gutwillig zur Frau geben ...«

»Das glaub' ich selbst.«

»Aber Marion liebt mich, und mein Entschluß, sie zu heirathen, steht so
felsenfest, daß kein Himmel und keine Hölle ihn erschüttern werden.«

»Löblich, sehr löblich, Herr Jules.«

»Da ich nun das Ziel meiner Wünsche auf dem gewöhnlichen Weg nicht
erreichen kann, da eine friedliche Vereinbarung nicht möglich ist --«

»So machen Sie's wie der Kaiser und erklären den Krieg!«

»So ist's! Ich werde Marion entführen.«

»Alle Wetter!«

»Ja, würdiger Weinverzapfer! Ich bin nicht gesonnen, demüthig
den Nacken zu beugen und zu entsagen, wo der Kampf mir die Krone
verschaffen kann. Marion hat bereits eine Ahnung von meinem Vorhaben
... Ich zweifle nicht, daß sie mir folgen wird, -- folgen -- folgen --
bis an das Ende der Welt.«

Jules Pierrot streckte den rechten Arm aus, um anzudeuten, wie
unendlich weit Marion ihm folgen würde. Goguenard nickte bedächtig mit
dem röthlich schillernden Haupte, während Croquepeu von neuem das Glas
zum Mund führte.

»Und was kann ich bei dieser Angelegenheit thun?« fragte der Weinwirth
nach einer Pause.

»Hören Sie weiter,« versetzte Jules. »Ich werde also Marion aus dem
Kerker der Mairie mit Gewalt befreien, und zwar in derselben Nacht, in
welcher Sie, an der Spitze Ihrer Getreuen, die Feuerspritze erobern ...«

»Und da soll ich das Mädel wohl auf die Spritze setzen?« fragte
Goguenard im Ton eines Mannes, dem eine bedeutsame Idee aufdämmert.

»Unsinn! Marion wird mit der Expedition, die Sie commandiren, nicht
in die mindeste Berührung kommen. Ich besorge die Entführung meiner
Geliebten auf eigene Faust. Nein! Sie sollen dem reizenden Kind ein
Versteck gewähren. Ihre Frau ist klug und verschwiegen; es wird ihr ein
Leichtes sein, die Kleine so lange zu verbergen, bis der Bürgermeister
seine Einwilligung gegeben hat. Ist Marion erst in Sicherheit, dann
werde ich Herrn Clamard schon auftrumpfen. Das Spiel ist dann so gut
wie gewonnen.«

»Mein Haus steht Ihnen und Ihrer Dame jederzeit zur Verfügung,«
erwiderte Goguenard, indem er Herrn Jules freundschaftlich die Hand
reichte. »Sobald der Moment gekommen ist, winken Sie! Ich werde die
Feuerspritze im Sturm nehmen und Fräulein Marion so meisterhaft
verstecken, daß alle Häscher des Tyrannen von Clatou nicht im Stande
sein sollen, das Geheimnis zu enträthseln.«

»Ich danke Ihnen, Goguenard! Also es bleibt dabei! Vorwärts mit Gott
für Freiheit und Gressinet!«

»Und Marion Leclerc!« ergänzte der Wirth mit einem vielsagenden
Lächeln. »Erst freilich kommt der Patriotismus -- aber gleich dahinter
folgt Amor! Nicht wahr, Verehrtester? Die Liebe glüht fast ebenso heiß
wie das Pflichtgefühl?«

»Sie sind ein kleiner Schwerenöther!« sagte Jules, indem er sich erhob.
»Komm, Croquepeu, wir haben heute genug geleistet! Laß uns den Rest des
Abends unserm Journal widmen!«

Croquepeu leerte sein Glas, hing seinen Arm in den des Handlungsdieners
und verließ in bedenklichem Menuetschritt die Schenke des würdigen
Goguenard, der artig sein Käppchen lüftete und seinen scheidenden
Gästen und Gesinnungsgenossen ein lebhaftes »Auf Wiedersehn!« nachrief.


Fünftes Kapitel.

Mehr als zwei Monate waren verflossen. Der große Tag von Sedan hatte
das übermüthige Frankreich belehrt, daß man nicht ungestraft mit
dem Glück einer friedlichen Nation spielt. Unaufhaltsam drangen die
siegreichen Heere der Deutschen vorwärts. Paris, die Metropole,
in deren Schooß das frevelhafte Unterfangen der Kriegserklärung
herangereift war, Paris, die eigentliche Urheberin des fluchwürdigen
Verbrechens, war bereits von dem ehernen Ringe der Belagerung
vollständig umzingelt. Immer neue Heeresmassen wälzten sich von Osten
her über das unglückliche Land, das seinen Übermuth nun so furchtbar
zu büßen hatte. Fast jeder Tag brachte die Nachricht von einem neuen
Erfolge der deutschen Waffen. Wo der Adler der Hohenzollern sich
zeigte, da zerstoben die demoralisirten Schaaren der Gallier wie Spreu
vor dem Winde und trugen die blasse Angst und das zitternde Entsetzen
weiter in die Reihen ihrer zagenden Brüder. Ganz Frankreich befand
sich in einem Zustande der Aufregung, der Wuth, der Verzweiflung,
dessen düstere Färbung nur mit der Feder eines Dante nachgemalt werden
könnte.

Auch Gressinet fühlte sich zum ersten Male als Mitglied eines großen
gemeinsamen Vaterlandes und schrie mit Jules Favre: »Keinen Fuß breit
unseres Bodens! Keinen Stein unserer Festungen!« Der ›Unverzagte
Streiter von Gressinet‹ beschäftigte sich eifrig mit der Frage, was
zu thun sei, wenn man die Preußen wieder über den Rhein getrieben
habe, und verfocht die Ansicht, man müsse sich mit der Annexion der
bayerischen Pfalz begnügen, da eine Eroberung preußischen Gebietes zu
erneuten Kriegen Anlaß geben würde. Ja, Croquepeu ging schließlich so
weit, den Verzicht auf jede Grenz-Erweiterung zu empfehlen, und die
Entrichtung einer Kriegsentschädigung von acht Milliarden als diejenige
Bedingung zu bezeichnen, deren Erfüllung den besiegten Barbaren am
leichtesten fallen würde. Dem bekannten Sprüchworte von den goldenen
Brücken zufolge, müsse er als echter Patriot immer wieder auf diese
acht Milliarden zurückkommen. »Frankreich,« so schloß Croquepeu eines
Tags wörtlich, »ist das Land der Großmuth ~par excellence~! Zeigen
wir dem staunenden Europa, daß wir trotz der schmachvollen Übergriffe
unserer Feinde diese unsere Nationaltugend nicht verlernt haben!«

Bildeten indeß die kriegerischen Ereignisse einen hochwichtigen Faktor
in den Materien des ›Unverzagten Streiters von Gressinet‹, so ward
um dieser äußeren Angelegenheit willen das Innere des Gressineter
Gemeinwesens keineswegs von der Tagesordnung verwiesen. Im Gegentheil.
Die municipale Fehde mit Clatou wogte jetzt lebhafter denn je. Der
›Unverzagte Streiter‹ behauptete, es sei ein evidenter Mangel an
Vaterlandsliebe, wenn der Maire sogar im Angesichte des Feindes
sich weigere, die Selbstständigkeit Gressinets anzuerkennen und die
Feuerspritze herauszugeben; -- während der ›Clatouneser Beobachter‹
die Emancipationsbestrebungen der Gressineter unter den obwaltenden
Verhältnissen zwiefach hochverrätherisch und unpatriotisch fand und die
Einwohner der Colonie als »Spione Bismarck's« verdächtigte ...

-- -- Jules Pierrot hatte bisher vergeblich auf eine günstige
Gelegenheit zu der geplanten Doppel-Eroberung gelauert. Hundertmal
fragte Goguenard, ob er noch nicht »marschiren« könne, und hundertmal
erwiderte Jules achselzuckend: »Noch nicht, aber bald!«

Jetzt endlich schien der entscheidende Augenblick gekommen ...

Es war am 29. September, Abends neun Uhr. Herr Clamard, der
Bürgermeister, war in Amtsangelegenheiten nach St. Quentin gereist;
sein Adjunkt lag an einem Bronchialkatarrh ernstlich darnieder; der
Schreiber war bei dem Notar Brassou zur Kindtaufe geladen; und der
Bureaudiener konnte als taub und altersschwach nicht in Betracht
kommen. Die Haupt-Persönlichkeit, die bis zur Stunde die Pläne der
Gressineter vereitelt hatte, Fanchon, die pflichttreue Köchin, war des
Tags zuvor ihres Amtes entlassen worden. An ihrer Stelle figurirte
jetzt eine alte Bäuerin, Namens Marguérite, die sich vermittelst
eines Hundert-Sousstücks überreden ließ, die Schlüssel zum Hinterhofe
herauszugeben und die Expedition Goguenards gewähren zu lassen.

Die Glocken von Clatou hatten also, wie gesagt, die neunte Abendstunde
verkündigt. Die Einwohnerschaft des Städtchens dachte allmählich
an's Schlafengehen. Die Nacht war düster und wolkig. Über der ganzen
Landschaft lagerte es wie die Vorahnung bedeutsamer Ereignisse.

Da traten aus der Weinschenke des Bürgers Goguenard sieben Männer ins
Freie.

Sie trugen blaue Blousen und niedrige Mützen mit kurzen Schildern
aus grün lackirtem Leder. Ihre Züge athmeten eine unverkennbare
Entschlossenheit.

Sie wandelten schweigend nach der »Gemeindewiese«. Dort angelangt
machten sie Halt und schüttelten sich, wie zur Erneuerung eines
brüderlichen Bundes, die Hände.

»Patrioten,« sagte Jules Pierrot, »ich überlasse euch jetzt dem
Commando dieses trefflichen Weinwirths! Gressinet erwartet, daß
Jedermann seine Pflicht thue!«

Ein beifälliges Murmeln flog durch die Reihen der Verschworenen.

»Ich gehe voran,« fuhr Pierrot fort, »und sorge dafür, daß ihr die
Pforte offen findet. Nach gelungener That treffen wir uns wieder hier
auf der Gemeindewiese!«

»So sei es!« flüsterten die entschlossenen Blousenmänner.

»Also auf Wiedersehn!«

Jules eilte hastig von dannen.

»Es ist noch früh,« sagte Goguenard, als der Handlungsdiener im Dunkel
des Septembernebels verschwunden war. »Vor zehne dürfte es kaum rathsam
erscheinen, ans Werk zu gehen.«

»Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf,« versetzte Croquepeu, »so
würde ich vorschlagen, die Sache auf Mitternacht zu verschieben. Unserm
Pierrot wird bei seiner Marion die Zeit wohl nicht allzu lang werden,
-- und übertriebene Vorsicht ist stets besser als Leichtsinn.«

»In der That,« meinte ein Anderer, »es wäre äußerst fatal, wenn wir
vorzeitig entdeckt würden. Haben wir die Spritze nur einmal aus Clatou
heraus, dann wollen wir schon dafür sorgen, daß sie den Clatounesen
nicht wiederum in die Hände fällt. Aber ein ungelegener Allarm, ehe die
Eroberung vollbracht ist, -- und alles ist unwiderruflich verloren.
Bedenkt, Brüder, was auf dem Spiele steht!«

Nach langem Hin- und Herreden wurde dieser Antrag genehmigt. Da man
indeß keine Lust verspürte, die Geisterstunde unter freiem Himmel zu
erwarten, so kehrte man in die Goguenard'sche Weinschenke zurück und
becherte, bis die Kuckuksuhr über dem zinnbeschlagenen Ecktische elf
rief. Dann begaben sich die Verschworenen in Goguenards Privatgemächer,
um nicht die Aufmerksamkeit des von dem Clatouneser Maire besoldeten
Polizeidieners zu erregen, und harrten daselbst unter begeisterten
Gesprächen des ersehnten Glockenschlags.

Endlich! Zu je zweien schlichen sie über die Schwelle und eilten dann
geräuschlos der Wiese zu ... Croquepeu hatte diesen Modus befürwortet
... Von der Wiese aus nahm Goguenard mit zwei handfesten Burschen
die Richtung nach dem südlichen Thore von Clatou, wo die Mairie lag,
während Croquepeu mit den Andern von Westen her operirte.

Alles ging nach Wunsch. Die Bürgerschaft von Clatou lag ahnungslos in
den Federn. Die Straßen waren wie ausgestorben. Im Vorhofe der Mairie
athmete keine Seele. Goguenard war mit den Seinen zuerst am Platze.
Zwei Minuten später kam Croquepeu. Die Pforte nach dem Hinterhofe
stand offen. Die Verschworenen drangen ein, packten die roth und blau
lackirte Feuerspritze mit einem halb unterdrückten Jubelruf bei der
Deichsel und zogen sie langsam ins Freie. Nach kurzer Frist war das
südliche Thor erreicht. Niemand hatte den kühnen Griff der Gressineter
bemerkt. Jetzt, im offenen Felde angelangt, setzte sich die Colonne in
Trab. Etwa drei Minuten lang brauste die wilde Jagd durch die neblige
Dämmerung dahin, -- unheimlich, gespenstisch, wie eine Schaar von
ruh'losen Geistern. Dann machten sie Halt.

»Triumph, Triumph!« jauchzte Croquepeu. »Nicht fünfzig Franken nähme
ich für diese beseligende Wollust des Siegesbewußtseins!«

»Bürger!« sagte Goguenard, »wir haben unsere Schuldigkeit gethan! Wir
können stolz auf uns sein!«

»Aber nun schafft die Beute in Sicherheit!« mahnte Croquepeu. »Die
Geschichte kann schneller entdeckt werden, als wir uns träumen lassen,
und es wäre doch bitter ...«

»Herr Schullehrer,« versetzte Goguenard mit Nachdruck, »jetzt, wo
wir das Ding einmal haben, soll es uns eine Armee von Teufeln nicht
wiederum aus den Händen reißen! Uebrigens bin ich ganz Ihrer Ansicht,
daß wir das kostbare Kleinod sofort nach dem verabredeten Versteck
bringen. Hier auf der Gemeindewiese können wir die Spritze nicht
länger stehen lassen. He, Leute, -- ihr Beiden da --, ihr könntet euch
vorspannen und das Symbol unserer communalen Selbständigkeit, wie der
Herr Schullehrer sagt, hinüberfahren -- ihr wißt ja, wohin.«

Die beiden Vaterlandsfreunde nickten, griffen zu und verschwanden mit
der Feuerspritze von Gressinet hinter dem Buschwerk.

»Aber wo bleibt unser Pierrot?« fragte Croquepeu, als das Knirschen der
Räder in der Ferne verhallt war.

»Hier ist er, ihr Unglückseligen!« erwiderte eine athemlose Stimme.

Es war Jules selber, der querfeldein der Gemeindewiese zueilte.

Nach wenigen Secunden stand er mitten unter den Verschworenen.

»Nein! daß ich so was erleben muß! Goguenard, Weinwirth, wo haben
Sie Ihre fünf Sinne gehabt? Ich warte wie ein Narr eine, zwei, drei
Stunden, aber kein Goguenard läßt sich blicken!«

»Sehr einfach ...« versetzte der Angeredete.

Jules ließ ihn nicht zum Worte kommen.

»Sehr einfach!« wiederholte er in gereiztem Crescendo. »Eine schöne
Einfachheit, die mir meinen ganzen Plan verpfuscht hat! Es ist
unerhört!«

»Aber so erlauben Sie doch ...«

»Und du, Croquepeu! Wahrhaftig, ich habe dich für einen zuverlässigen
Menschen gehalten! Schnöde Verblendung! Nichts ist diesem Jahrhundert
mehr heilig! Wir leben in der Aera des Schwindels, des Betrugs und der
Dummheit ...«

»Aber was ist denn passirt? Die Spritze ist in sicherem Gewahrsam. Und
wo hast du deine Marion?«

»Satanischer Schulmeister, das ist es ja!« wetterte Jules im höchsten
Zorne. »Lautete unsere Verabredung nicht auf halb zehn? Solltet ihr
nicht erst die Spritze holen? Wollte ich nicht alsbald mit Marion
nachkommen?«

»Nun, und? -- Ich wiederhole dir, die Spritze ist gerettet.«

»Aber ihr habt mir durch eure himmelschreiende Unpünktlichkeit
das ganze Spiel verdorben! Warum in Teufels Namen kommt ihr nicht
rechtzeitig? Alles war in schönster Ordnung. Marion hatte Ja gesagt.
Schluchzend lag sie in meinen Armen und schwur mir, sie werde mich bis
ans Ende der Welt begleiten ...«

»Nun, und ...?«

»Nun, ich war selig und gewärtigte in jedem Augenblick eurer Ankunft.
Ich konnte doch nicht vorher durchgehen. Eine derartige Verwegenheit
hätte die Rettung der Feuerspritze compromittirt, denn die alte
Marguérite war zwar mit der Entführung dieses Instrumentes, nicht aber
mit der ihrer jungen Gebieterin einverstanden ...«

»Aber ich verstehe immer noch nicht.«

»O menschliche Beschränktheit! Wäret ihr nun gleich zur Stelle gewesen,
so würde Alles wie am Schnürchen gegangen sein. Aber nein! Minute um
Minute verrinnt. Ich horche: nichts! Ich lausche: nichts! Ich gucke:
nichts! Absolut nichts! Nun, Marion konnte doch nicht von neun bis
zwölf unausgesetzt in meinen Armen liegen und schluchzen. Sie geht
also nach dem nächsten Fauteuil und nimmt Platz. Ich nehme auch Platz.
Nun fängt mir das Mädel an, zu überlegen. Sie malt sich die Folgen
ihrer Flucht immer lebhafter und bedenklicher aus. Sie blickt ernst
und ernster ... ›Was fehlt dir, Marion?‹ frag' ich besorgt. ›Ach
nichts, liebster Jules!‹ stammelt sie verlegen und ängstlich. Immer
schweigsamer starrt sie in die Ecke ... Es schlägt zehn ... Es schlägt
elf ... ›Ach, Jules, ... mir ist so bange ...!‹ ›Warum denn?‹ -- ›Ach,
Jules, was wird der Onkel sagen?‹ ... Und so ach-Jült sie mir weiter,
bis ich im Hof eure Tritte höre ... ›Auf, Geliebte! Der Moment ist da!‹
ruf' ich in unterdrücktem Jubeltone. Ja wohl! Hat sich was zu jubeln!
›Ach Jules,‹ sagt sie, ›ach Gott, ach, ich getrau' mir's nicht ... Ach
Jules, es ist Sünde! Ach, der Onkel bringt mich um ... Nein, nein, ich
thu's nicht, ich thu's nicht!‹ Vergeblich demonstrir' ich ihr vor,
daß Liebe kein Verbrechen sei; daß es sich ja nur um einen listigen
Schachzug handle, der uns die Partie gewinnen solle ... Sie bleibt bei
ihrem ›Nein, nein, ich thu's nicht!‹ -- und damit Basta!«

»O Weiber, Weiber!« rief Croquepeu pathetisch.

»Ja, jetzt hast du gut über Weiber schimpfen, du pflichtvergessener
Kinderfuchtler! Wer ist denn an der ganzen Geschichte Schuld? Ihr! Ihr!«

»Aber wir dachten ...«

»Ihr habt nichts zu denken! Ein Mann, ein Wort! Wer sich verabredet,
der hat seinem Versprechen zu genügen, sonst ist er nicht werth, Bürger
von Gressinet zu sein.«

»Nun, da hast du sie also sitzen lassen?« fragte der Schulmeister
neugierig.

»Sitzen lassen? Wie verstehst du das? Meiner Liebe thut das nicht
Abbruch. Im Gegentheil! Ich weiß die Motive des Mädchens zu
würdigen ...«

»Aber sagen Sie einmal, Herr Jules,« rief jetzt einer der Umstehenden,
»das ist ja das erste Wort, das wir hören! Was? Sie haben mit einer
Clatouneserin zu schaffen?«

»Ja, Kameraden. Hat Goguenard euch nicht heute Nachmittag in dieses
Geheimniß eingeweiht? Ich autorisirte ihn.«

»Ja, er hat uns davon erzählt, aber ich dachte, es wäre nur eine Finte,
um uns desto eifriger auf's Gelingen erpicht zu machen. Nein, Herr
Jules, -- eine Clatouneserin! Das ist stark für einen Patrioten.«

»Bürger, Sie reden, wie Sie's verstehen! Aber vergeuden wir nicht die
Zeit mit unnöthigem Geschwätz! Macht, daß ihr heim kommt! Der Maire ist
da!«

»Was? wie? wo? ist's möglich?« klang es im Chore.

»Ja, nicht nur möglich, sondern thatsächlich. Ihr laßt mich ja nicht
ausreden. Aber wenden wir uns dem Dorfe zu. Der Tyrann könnte den Raub
der Spritze noch in dieser Nacht entdecken ... Es ist besser, wir sind
vorsichtig ...«

Die Colonne setzte sich in Marsch.

»Also,« fuhr Pierrot fort -- »ich will eben Marion noch einmal bei
ihrer Liebe zu mir beschwören ... da öffnete sich die Thüre, und herein
tritt Herr Clamard, der Bürgermeister von Clatou!«

»Ha! oh! ah!«

»Ja wohl! der Bürgermeister! Ich glaube, der Schlag soll mich rühren.
Wie er mich erblickt, kreuzt er die Arme vor der Brust, runzelt die
Stirne und fragt mit fürchterlicher Stimme: ›Was thun Sie hier?‹
Ich stammle einige Worte der Erwiderung und platze endlich mit dem
Bekenntnis heraus: ›Ich liebe Marion Leclerc!‹«

»Welcher Muth! Dem das so ins Gesicht zu sagen!« unterbrach Croquepeu
den Bericht seines Freundes.

»Es fehlt mir +nie+ an Courage,« versetzte Jules Pierrot nachdrücklich.

»Das weiß der Himmel und Clatou!« rief Goguenard.

»Nun,« fuhr Pierrot fort, »ich gesteh' also meine Neigung ... Da hättet
ihr den Wütherich sehn sollen! -- ›Was?‹ ruft er ... ›Sie lieben meine
Nichte? Ei, so machen Sie doch so schnell als möglich, daß Sie die
Treppe hinunter kommen, sonst lass' ich Sie vor die Thüre werfen, daß
Ihnen alle Knochen im Leibe knacken!‹«

»Im Leibe knacken!« wiederholte Goguenard. »Das ist eine Injurie, wie
sie im Buche steht. Sie müssen den Bürgermeister belangen. Unter vier
Wochen darf er nicht wegkommen.«

»Eine Injurie!« versetzte Pierrot eifrig. »Das hab' ich auch gesagt.
›Herr Maire,‹ sagte ich, ›Sie reden da in einem Tone ...‹ -- ›Was?‹
schreit er, ›ich rede in einem Tone ...? Marion, du hast's gehört, der
Spitzbube sagt, ich rede in einem Tone!‹ -- ›Aber Herr Maire!‹ rufe
ich, ›Ihre Nichte erwiedert meine Liebe.‹ -- Umsonst! -- ›Hinaus!‹
donnert er in höchster Entrüstung. ›Entweihen Sie nicht dieses Haus
durch Ihre unsaubere Gegenwart! Nie werde ich meine Marion an einen
Gressineter wegwerfen; lieber stecke ich sie in's Kloster! Hinaus,
wiederhole ich, oder ich lasse Sie arretiren!‹«

»So eine Unverschämtheit!« bemerkte Goguenard heftig.

»Hat der Mensch denn kein Herz im Leibe?« seufzte Croquepeu. »Einen
Liebenden so vor der Geliebten zu verunglimpfen!«

»Das ist jetzt schon das dritte Mal!« sagte Jules, indem er die Faust
ballte. »Erst die Steinwurf-Affaire, dann der Schlossergeselle, und
jetzt der Bürgermeister in eigenster Person! Aber warte, verdammtes
Nest! Rache!«

»Und was geschah weiter?« fragte Goguenard.

»Nun, was sollte ich thun? ›Herr Maire,‹ sagte ich entschlossen, ›hören
Sie mich an! Wenn Sie mir in dieser unerhörten Manier auftrumpfen und
mir in Gegenwart des Wesens, das ich mehr liebe, als Licht und Leben,
so schroff die Thür weisen, und überhaupt in jeder Beziehung meine Ehre
beleidigen, -- wissen Sie was, Herr Maire, was ich dann thue? Dann
überlass' ich Sie Ihrem Gewissen! Leben Sie wohl, Herr Maire!‹«

»Nun, und?«

»Und dann ging ich.«

»Armer Jules,« sagte Croquepeu. »Aber du hast's ihm doch wenigstens
tüchtig heimgezahlt.«

»Nicht wahr?«

»Gründlich, auf Ehre! Leider wird dir das wenig helfen. Ich fürchte, du
mußt deine Flamme aufgeben.«

Jules seufzte.

»Aufgeben, Croquepeu? Geh, du hast nie geliebt! Ich gestehe dir zwar,
daß ich nicht mehr viel hoffe, -- aber aufgeben? Nein, Croquepeu! So
lange ein Pulsschlag ...«

Sie waren in Gressinet angelangt. Die Patrioten schüttelten sich die
Hände, um sich zu trennen.

»Jules,« sagte der Schulmeister, »nicht wahr, du verzeihst uns, daß wir
dir, ohne es zu wollen, einen Strich durch die Rechnung gemacht haben?«

»Bürger,« versetzte Jules, indem er die Rechte ausstreckte, »ich hege
keinen Groll! So schwer ihr mich auch geschädigt habt, -- ich vergebe
euch!«

Und somit eilte er um die Ecke.


Sechstes Kapitel.

Des andern Tages las man an allen Mauern Clatou's und Gressinet's
folgendes Manifest:


        »+Einwohner!+

»Ein schamloser Diebstahl ist in der Nacht von gestern auf heute
innerhalb eures Weichbildes verübt worden. Die s. Z. den Gressineter
Insurgenten confiscirte Feuerspritze wurde, unter gewaltsamer
Erbrechung der Pforten, aus dem Hinterhofe der Mairie entführt, ohne
daß es bis jetzt gelungen wäre, der ruchlosen Thäter habhaft zu werden.

»Einwohner der Gemeinde Clatou-Gressinet! Dieses unerhörte Attentat
auf die Gesellschaft bildet einen unauslöschlichen Schandfleck auf dem
Ehrenschilde unserer geliebten Vaterstadt! Ich fordere daher alle guten
Bürger auf, das Ihrige zur Entlarvung der Missethäter beizutragen. In
einem Augenblicke, wo Frankreich von einer Prüfung heimgesucht wird,
wie sie in den Annalen unserer glorreichen Geschichte ohne Beispiel
sein dürfte, erscheint ein Verbrechen wie das vorliegende doppelt
verwerflich. Soll dereinst die Chronik berichten, Clatou-Gressinet habe
sich die durch die feindlichen Siege hervorgerufene Verwirrung zu Nutz
gemacht, um dem Gesetze Hohn zu sprechen? Einwohner! Patrioten! Die
Augen von ganz Europa sind auf euch gerichtet! Duldet nicht, daß man
euren guten Namen ungestraft der Verachtung aller civilisirten Nationen
Preis gebe! Frankreich ist, so tief es auch in diesem Augenblicke
darniederliegt, das Land der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der echten
Bürgertugend. Thut das Eurige, um diesen Ruf aufrecht zu erhalten!

»Der Weinwirth Goguenard, den der dringende Verdacht trifft, um das
Attentat zu wissen, ist bereits in Haft genommen. Die unterzeichnete
Behörde sieht weiteren Enthüllungen von zehn bis vier Uhr im Bureau der
Bürgermeisterei entgegen.

        Der Maire von Clatou-Gressinet.
            C. Clamard. †*
        Für die Ausfertigung: Coquerel, Adjunkt.«

Die Clatounesen schäumten vor Wuth. Der desselbigen Abends erscheinende
›Beobachter‹ verlangte im Namen Frankreichs eine »exemplarische
Züchtigung dieser entarteten Söhne des Vaterlandes« und ließ ziemlich
unverblümt durch die Zeilen blicken, +wen+ er nach so mannigfachen
Antecedentien für schuldig erachten müsse ...

Herr Clamard versäumte indessen nichts, was die aufgeregte öffentliche
Meinung beruhigen konnte. Schon in aller Frühe hatte er, wie sein
Manifest besagte, den Weinwirth Goguenard verhaften lassen. Seine
zweite Maßnahme bezog sich auf den ›Unverzagten Streiter von
Gressinet‹, der bereits vor mehreren Wochen unter dem Titel: »Wie
löschen wir?« einen höchst bedenklichen Artikel gebracht hatte. Damals
war jener Aufsatz nicht ernstlich beachtet worden: jetzt gewann er
angesichts des heimtückischen Attentats eine sehr compromittirende
Färbung. Herr Clamard suspendirte den ›Unverzagten Streiter‹ von
Amtswegen, belegte das redactionelle Material -- eine Schreibmappe,
eine Scheere, ein Tintenfaß, vier Hefte Conceptpapier, drei
Stahlfedern, vier Gänsekiele und ein zweiklingiges Federmesser -- mit
Beschlag und beauftragte die competenten Behörden mit der Einleitung
eines Preßprocesses.

Nach Erledigung dieser von dem Publikum mit größter Befriedigung
aufgenommenen Präliminarien ordnete Herr Clamard eine regelrechte
Haussuchung bei sämmtlichen Bürgern von Gressinet an.

»Die Spritze soll und muß wiedergefunden werden!« sprach er zu seinen
Leuten ... »Bedenkt, daß nicht nur die Ehre Clatou's, sondern auch die
Würde meines Amts auf dem Spiele steht! Ich werde Denjenigen, der mir
die Spritze wiederbringt, zum Kreuz der Ehrenlegion vorschlagen.«

Die Leute gingen und suchten. Sie kehrten ganz Gressinet um und um.
Jede Schublade wurde aufgezogen; keine Rocktasche blieb undurchstöbert;
unter jede Bettlade ward geschnüffelt: umsonst! Die Spritze war
nirgends aufzutreiben.

Herr Clamard erließ ein erneutes Manifest. Er sicherte Demjenigen, der
über den Verbleib des vermißten Instruments irgend welche Anhaltspunkte
zu geben vermöchte, eine Belohnung von 100 Francs zu. Aber unter den
Patrioten Gressinet's fand sich kein Verräther. Die Spritze war und
blieb verschwunden wie eine Stecknadel.

Was half es dem Herrn Bürgermeister, daß Jules Pierrot und Croquepeu
wegen Aufreizung zu einer verbrecherischen Handlung je vierzehn Tage
ins dunkle Verließ des städtischen Kerkers geworfen wurden?

Was half es, daß der ›Unverzagte Streiter‹ verstummt war?

Die Spritze war fort, und aller officieller und officiöser Zorn des
Pascha's war nicht im Stande, sie wieder herbeizuschaffen.


Siebentes Kapitel.

Wochen und Monate verstrichen. Der kühne Dictator Gambetta --
getreu seinem Grundsatze, lieber sein Vaterland zu ruiniren, als
die erlittenen Niederlagen einzugestehen -- hatte den Krieg gegen
die siegreichen deutschen Heere mit ebenso wenig Glück als Verstand
fortgesetzt. In der Nähe von St. Quentin stand der General Faidherbe an
der Spitze der sogenannten Nord-Armee den kampferprobten Truppen des
General Göben gegenüber. Das ganze Departement, Clatou und Gressinet
nicht ausgenommen, zitterte und bebte; denn Jedermann fühlte, daß es
binnen kürzester Frist zu einem entscheidenden Schlag kommen mußte,
und Frankreich hatte bereits zu oft die Wucht der deutschen Hiebe
empfunden, als daß die siegesgewissen Phrasen der Delegation und ihrer
Feldherren ernstlich hatten verfangen können.

Eine klare, frostige Winternacht breitete ihre sternbeglänzten Fittiche
über den Erdball. Clatou und Gressinet hatten im Arme des Traumgottes
ihre Zwistigkeiten und das Unglück ihres einst so übermüthigen
Vaterlandes ziemlich vergessen. Nur zuweilen fuhr ein Clatounese
jählings zusammen und stammelte schlaftrunken die heroischen Worte:
»Keinen Stein unserer Festungen!« Nur zuweilen entschlüpfte einem
Gressineter der selbstzufriedene Ausruf: »Sie ist gerettet!«

Der Mond schien hell; die Eiszapfen des städtischen Brunnens flimmerten
feenhaft; breit und leer lagen die hartgefrorenen Straßen, und an den
Fensterscheiben malte die Kälte bereits in undurchsichtigen Schichten
ihre phantastischen Blumen und Arabesken.

Vom Thurme Clatou's schlug es drei ... Da horch! Klang das nicht aus
der Ferne wie das Grollen eines herannahenden Gewitters? Horch! Wieder
und wieder erneut sich der dumpfe, unheimliche Schall; immer näher und
näher wälzt sich das seltsame Dröhnen und Donnern!

Jetzt wird es in Clatou lebendig. Allenthalben blitzt Kerzenschein
durch die eisbedeckten Scheiben. Hie und da öffnet sich ein Fenster,
und lange, weißgekleidete Gestalten in wallenden Zipfelmützen strecken
ängstlich schnuppernd die Nasen ins Freie. Man klappert vor Frost und
Entsetzen. Wilde Flüche auf Ollivier und Napoleon III. mischen sich mit
dem Schreckensrufe: »Die Preußen!«

Nach zehn Minuten ist die ganze Gemeinde Clatou auf den Beinen. Die
Weiber stürzen mit fliegenden Haaren und gerungenen Händen auf die
Straße. Die Männer stehen stirnrunzelnd vor den Hausthüren und gaffen
in die mondhelle Nacht hinein. Jetzt naht der Wächter und bläst Alarm.
Der Küster eilt nach der Kirche, um die Glocken zu läuten. Bleich
wie der Tod tritt der Herr Maire auf den Balkon seines ›Palastes‹
und starrt hinunter in das rath- und trostlose Gewühl. Zwei der
beherztesten Patrioten eilen vor das südliche Thor, um die Situation
auszukundschaften.

In Gressinet hat sich unterdessen die gleiche Comödie aufgespielt.
Jules Pierrot und Croquepeu rennen in voller Nationalgarde-Uniform
durch die Straßen und rufen die Bürger nach der Scheune des alten
Grimmont. Die Weiber schreien ganz in derselben Tonart wie die
Clatouneserinnen, und die Familienväter fluchen noch lauter als ihre
Collegen in der Mutterstadt. Auch Gressinet sendet Kundschafter aus.

Inzwischen kommt das Gefecht näher und näher. Es ist eine versprengte
Abtheilung französischer Truppen, die von einigen deutschen Bataillonen
verfolgt und mit jeder Minute mehr in die Enge getrieben wird.
Jetzt treffen die ersten Flüchtlinge in Clatou ein. Sie bringen die
Schreckensnachricht, daß gestern eine große Schlacht stattgefunden,
die General Faidherbe verloren habe. Kaum hat man ihnen etwas Speise
und Trank gereicht, als auch schon die ersten feindlichen Granaten
aufs Straßenpflaster einschlagen. Alles rennt, rettet und flüchtet.
Der Bürgermeister verkriecht sich in den untersten Keller der Mairie;
das Verließ, in welchem der arme Goguenard noch immer von Amtswegen
schmachtet, wird erbrochen, denn es ist bombenfest. Zehn, zwanzig,
dreißig Bürger leisten mit einem Mal dem erstaunten Weinwirth
Gesellschaft. Goguenard, nicht faul, benutzt die Gelegenheit zur Flucht
und langt athemlos in Gressinet an, wo er zwar freundlich, aber ohne
Enthusiasmus empfangen wird. Die Angst lähmt alle anderen Empfindungen.

Zitternd lauschen die Patrioten aus ihren Verstecken dem stets
wachsenden Schlachtlärm. Die ganze Schaar der flüchtigen Franzosen
hat sich auf Clatou geworfen. Der Feind überschüttet die Stadt mit
einem furchtbaren Hagel von Projektilen. Die Franzosen suchen sich zu
verschanzen: ein eitles Beginnen. Nach Verlauf einer halben Stunde
sind sie zum westlichen Thore hinausgeworfen. Mit Hurrah dringen die
Preußen nach. Die Soldaten Gambetta's erkennen ihr Schicksal ... In
Béricourt, eine Stunde westwärts von Gressinet, werden sie umzingelt.
Sie capituliren.

Clatou athmet auf. Der Kampf ist vorübergebraust. Aber, o Entsetzen!
Welcher Anblick bietet sich der erschütterten Bürgerschaft, als sie
sich endlich aus den Kellern und Verließen hervorwagt! Clatou brennt!
In der Mairie, im Spritzenhause und an drei anderen Stellen haben die
feindlichen Granaten gezündet. Sprachlos begaffen die Patrioten das
drohende und immer weiter um sich greifende Unheil. Keiner rührt sich,
keiner legt Hand an, um der Flammen Herr zu werden ...

»Bürger!« ruft endlich Herr Clamard, der sich in der Mitte des
Marktplatzes auf einen Stuhl gestellt hat, -- »Bürger! Ihr habt soeben
einer dräuenden Gefahr mit einem Muthe, den die Geschichte anerkennen
wird, ins Auge geschaut! Auf! Laßt uns auch angesichts dieser noch
schwereren Heimsuchung nicht verzagen! An die Spritzen!«

»Das Spritzenhaus brennt,« erwidern die Bürger in zitternder
Herzensangst.

»An die Spritzen, sage ich, im Namen des Gesetzes!«

Einige der Beherztesten eilen nach dem Spritzenhause. Wehklagend kehren
sie zurück.

»Die Spritzen liegen beide in Trümmern!« rufen sie schon von Weitem.
»Die Granaten haben alles kurz und klein geschlagen. Wir sind verloren.«

»Man läute Sturm!« ruft Herr Clamard im Tone der höchsten Verzweiflung
... »Gott wird uns nicht verlassen, Patrioten!«

»Wenn er nur löschen wollte! Nur Einen ordentlichen Wolkenbruch! Aber
bei dieser Kälte kann selbst der liebe Gott nicht regnen lassen. O
heilige Jungfrau, -- wie sind wir geschlagen!«

Da rasselt etwas über das Straßenpflaster. Alles blickt auf. Ein Hurrah
schallt den Angstbeklommenen entgegen. »Es lebe Frankreich!« tönt es
von zwanzig vaterländisch gesinnten Lippen.

... Hatte Jules Pierrot nicht einst zu Croquepeu gesagt: »Den Preußen
gegenüber sind wir alle Franzosen, alle Söhne einer großen, gemeinsamen
Mutter!« --?

Die Gressineter bewiesen jetzt durch die That, daß dieses erhebende
Wort ihres Stimmführers keine gehaltlose Phrase war.

»Die Feuerspritze von Gressinet!« jauchzten die Clatounesen ... »Rasch,
rasch, ihr Wackeren, eh' es zu spät wird!«

Majestätisch rollte die roth und blau lackirte Feuerspritze vor die
Mairie. Im Nu war Wasser in Hülle und Fülle zur Hand. Die Gressineter
hatten nicht umsonst den Pfarrer von Clatou zum Ziel ihres Strahles
genommen! Mit derselben Accuratesse, die damals den Diener der Kirche
verunglimpfte, richteten sie nun den rettenden Schlauch in die
Flammen. Ha! wie zischte und knirschte das wüthende Element unter
den gewaltigen Fluthen des rastlosen Sprührohres! Wie prasselte das
siegreiche Naß in die lodernden Sparren des Dachstuhls! Eimer um Eimer
verschwand in dem ölgestrichenen Bauch der gebenedeiten Maschine, und
Eimer um Eimer entlud sich in die immer schwächer werdende Glut. Ganz
Clatou bildete eine einzige große Kette, die sich alle möglichen und
unmöglichen Gefäße von Hand zu Hand reichte ... Nach Verlauf einer
Viertelstunde war die Mairie und ein daranstoßendes Wohnhaus -- die am
meisten gefährdeten Baulichkeiten des schwer geprüften Städtchens --
glücklich gerettet.

Inzwischen hatte das Feuer freilich an den übrigen Punkten um sich
gegriffen, aber das Schwierigste schien überwunden ... An dem isolirt
stehenden Spritzenhause war wenig gelegen; die beiden Privathäuser
stießen dicht aneinander und konnten abwechselnd mit erfrischenden
Güssen bedacht werden. Überdies traf jetzt aus einem der benachbarten
Dörfer Hilfe ein. Nach kurzer Frist arbeitete eine zweite Pumpe an der
Seite der roth und blau lackirten Gressineterin, und ehe der metallene
Mund der Glocken die sechste Morgenstunde verkündete, beschränkte
sich der Brand auf einige qualmende Scheiter, die man vermittelst
der städtischen Feuerhaken vom Firste eines der betroffenen Häuser
heruntergerissen hatte. Der angerichtete Schaden belief sich auf
eine verhältnismäßig unbedeutende Summe: Clatou konnte mit seinen
Schutzgöttern zufrieden sein.

Als die Spritze von Gressinet ihren letzten Strahl entsandt hatte, als
Jules Pierrot, vor Eifer und Anstrengung glühend, sein Taschentuch zog,
um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, da trat Herr Clamard, der
Maire, auf ihn zu, umarmte ihn im Angesicht des versammelten Volkes und
sprach also:

»Bürger der Gemeinde Clatou! Bürger der Gemeinde Gressinet! Laßt uns
alle Streitigkeiten, die uns bisher trennten, in diesem erhebenden
Augenblicke zu Grabe tragen! Ihr, wackere Gressineter, habt Anspruch
auf unseren wärmsten, thatkräftigsten Dank. Ich erkläre euch hiermit
feierlichst, daß ich mich an geeigneter Stelle verwenden werde, um eure
communale Selbständigkeit dauernd und in allen Punkten zu begründen.
Ihr seid meiner väterlichen Obhut entwachsen. Gut denn! Wenn ihr
nicht länger meine Kinder sein könnt, so laßt uns treue Freunde und
engverbundene Nachbarn sein!«

Donnernder Applaus. Die Gressineter sanken sich unter Thränen der
Rührung in die Arme und riefen: »Es lebe der Maire von Clatou! Es lebe
Gressinet!«

»Bürger!« fuhr der Maire fort, »es ist Sitte, die Versöhnung zweier
Völkerschaften durch das Weben zarter Privatbande so zu sagen
symbolisch zu versinnlichen. Bürger! Seht diesen entschlossenen,
charakterfesten, patriotischen jungen Mann! Ich bin Herrn Jules Pierrot
in mehr als einer Beziehung eine Genugthuung schuldig. He, Marion, wo
steckst du?«

Marion trat vor. Ein zierliches, pelzverbrämtes Mäntelchen umschloß
die anmuthig-schlanke Gestalt mit vollendeter Grazie. Die Röthe der
jungfräulichen Verwirrung lieh der ganzen Erscheinung etwas Berückendes.

»Bürger!« rief Monsieur Clamard mit immer steigendem Pathos, indem
er mit der Linken die Hand seiner Nichte, mit der Rechten die des
hochbeseligten Jules ergriff ... »Bürger! Die jungen Leute hier lieben
sich ...«

»Ah!« klang es im Kreis der erstaunten Hörer.

»Seit lange verbindet sie eine ebenso innige, als tugendhafte Neigung
... Wohlan, meine Kinder, im Namen des Gesetzes, ich verlobe euch!«

Jules schwamm in überschwänglichen Wonnefluten. Marion reichte ihm die
Rechte und flüsterte ihm bebend vor Glück und Entzücken die Worte ins
Ohr:

»Nicht wahr, Jules, ich hatte doch Recht, als ich nicht mit dir
durchgehen wollte? Ist's nicht so besser, mein Geliebter?«

Jules Pierrot antwortete nicht. Sein Herz war voll zum Zerspringen.

Der Bürgermeister hatte indessen noch nicht geendet.

»Es versteht sich von selbst, meine wackeren Gressineter,« sagte er
nachdrücklich, -- »daß diese ruhmreiche Feuerspritze von jetzt ab euer
unbestrittenes, rechtsgültiges Eigenthum bleibt. Wir unsererseits
werden Sorge tragen, daß unsere zerstörten Maschinen binnen kürzester
Frist durch neue ersetzt werden, damit wir auf alle Fälle gerüstet
sind. Möchte es recht bald einmal bei euch brennen, damit wir euren
heroischen Opfermuth wett machen und den Liebesdienst, den ihr uns
geleistet habt, nach Würden vergelten können!«

»Hoch! hoch!« schrieen die begeisterten Bürgerschaaren.

»Hoch! hoch!« jauchzten die Frauen und Jungfrauen.

Der Wächter blies einen Tusch, und die Straßenjungen pfiffen auf den
Fingern, daß dem Bürgermeister die Ohren gellten.

Seitdem lebt Clatou mit Gressinet in der rührendsten Eintracht. Marion
ist die glückliche Gattin Pierrot's. Herr Laloupon, der einst so
übel mitgenommene Priester, hat die Ehe des liebenswürdigen Paares
eingesegnet und mit Zugrundelegung des ehedem in anti-gressinetischem
Sinne ausgedeuteten Bibelwortes: »Selig sind die Friedfertigen!« eine
ebenso ergreifende als wohlwollende Rede gehalten.

Oft noch erinnern sich die Bürger von Clatou und Gressinet jener
frostigen Schreckensnacht und der schauderhaften Attake der Preußen.
Wenn sie dann alles durchgesprochen und recapitulirt haben, dann nicken
sie bedächtig mit den würdigen Häuptern und murmeln das altbekannte
Sprüchwort, dessen Wahrheit ihnen früher nicht so recht einleuchten
wollte:

»~A quelque chose malheur est bon!~«

Möchte es ihnen gleichwohl erspart bleiben, die deutschen Granaten zum
zweiten Mal kennen zu lernen!



Eine Abendwanderung.


Da schlägt die Wanduhr auf meinem Corridor sechs ... Schon seit mehr
als einer Stunde sitze ich hier bei dem wuchtigen Quartband, ohne über
die erste Seite hinauszukommen. Die Wahrheit geredet, es ist eine
polizeiwidrige Thorheit, sich so gegen Laune und Behagen zum Studium
zu zwingen. Diese ewigen Theorien! Diese unablässigen Philosopheme!
Man verliert schließlich vor lauter ästhetischer Fachbildung den
unbefangenen Blick und den naturwüchsigen Geschmack. Eine Stunde vor
der Danaë Tizian's ist, alles in allem, fruchtbarer, als hundert
Erwägungen über die Gesetze der Farbengebung; und wer die Schönheit
nicht in den lebendigen Originalen bewundern kann, dem frommt kein
Speculiren und Grübeln: sein Urtheil bleibt ewig laienhaft.

Ist ein wahrhaft ästhetisch angelegtes Naturell überhaupt mit dem
Joch der Ehe vereinbar? Ich bin jetzt seit elf Monaten verheirathet.
Meine Josephine ist die Liebenswürdigkeit selber ... und doch trage
ich das unbestimmte Bewußtsein mit mir herum, daß ich vom Standpunkt
des rein Menschlichen etwas eingebüßt habe. Ich bin so häuslich, so
philiströs solide geworden, daß die Musen mich gewiß schon halb und
halb zu den verlorenen Söhnen rechnen. Wenn ich bedenke ... ehedem ...
die burschikose Ungebundenheit, die Frische der Weltanschauung, die
genialische Lust an Abenteuern ... und jetzt ...! Bei Gott, ich glaube,
es vergehen manchmal drei, vier Wochen, ohne daß ich einer einzigen
gediegenen Kneiperei anwohne. Und nun läßt sie mich seit einigen Tagen
überdem noch allein, anstatt, wie sonst, drüben in der Ecke auf der
kleinen Ottomane zu sitzen und meine Studien mit einer Handarbeit zu
begleiten. Mein Geburtstag ist in der Nähe, und da es eine Überraschung
gilt, so verbleibt sie in ihrem Boudoir und hält eine strenge Clausur
ein. Die gute Seele! Sie meint es so ehrlich, und es ist eigentlich
undankbar, daß ich mich in dieser misanthropischen Stimmung befinde,
aber die Thatsache ist nicht zu ändern, und alle Gefühle der Zuneigung
können mich nicht abhalten, diese ehrsame Monotonie des bürgerlichen
Daseins hin und wieder ein wenig farblos zu finden.

Warum bin ich eigentlich so gutmüthig, mir diese aufgezwungene
Einsamkeit gefallen zu lassen? Das Wetter ist herrlich, drei Grad
Kälte und mondhell ... Bis zum Thee habe ich noch zwei Stunden Zeit.
Wer weiß, ob mir da draußen nicht irgend etwas begegnet, was mich aus
dem Cirkel meiner Alltagsempfindungen herausreißt. Apollo ist mein
Zeuge, daß ich nur aus rein künstlerischen Gesichtspunkten, nur um
diese schlichte Existenz etwas effectvoller zu coloriren, nur um der
ästhetischen Anregung willen ... Doch ich thue gerade als bedürfte
ich vor mir selber einer Entschuldigung! Lächerlich! Ich kenne meine
Pflichten, aber auch meine Rechte.

Langsam richte ich mich empor, lege die ~Opera omnia~ meines
Theoretikers bei Seite und fahre in meinen Überzieher. Den Hut
setze ich ein wenig nach links auf's Ohr; das verleiht der ganzen
Erscheinung etwas Keckes und Selbstbewußtes und wirkt indirect auf die
Gemüthsverfassung.

So, und nun den Stock -- nicht jenes biedere, wuchtige Olivenholz mit
der familienväterlichen Krücke, das ich gewöhnlich zu tragen pflege,
sondern dieses elegante Bambusrohr, mit dem ich einst in den goldenen
Tagen der süßen Jugendeselei den alten Seligmann abgefuchtelt, als er
mir in gar zu dringlicher Weise ein unangenehmes Papier präsentirte.

An der Gasflamme der Hausflur zünde ich mir im Vorbeigehen eine Cigarre
an, qualme ein paar bedeutungsvolle Rauchwolken wider die Decke und
schreite dann elastischen Wandels durch die mächtige Bogenpforte ins
Freie.

Ein herrlicher Abend! Friedlich kräuselt sich der Rauch über den
Dachfirsten, wie versilberte Wölkchen, die unter dem Kusse des
Mondscheins im Azur zerfließen. Die Façaden der Südseite liegen fast
in tagheller Beleuchtung: nur in den kleinen Vorgärten flimmert eine
sanfte bläuliche Dämmerung. Es ist still hier draußen in dem einsamen
Parkviertel, still wie in dem Dasein eines christlichen Ehemanns. Nur
selten wandelt ein Ereignis in Gestalt eines sorgfältig frisirten
Livréebedienten oder eines Dienstmädchens über den hart gestampften
Bürgersteig. Alles athmet eine behäbige Ruhe, eine zahlungsfähige
Sicherheit. Selbst das Rollen der Equipagen beschränkt sich hier auf
bestimmte Stunden des Tages, und jetzt, um sechs Uhr, ist in dem ganzen
Quartier keine Achse in Bewegung. Das Theater beginnt erst um sieben,
und die Spazierfahrten endigen mit hereinsinkender Dämmerung.

Allmählich führt mich der Weg in belebtere Stadtviertel. Rechts und
links tauchen Magazine und Läden auf. Die Zahl der Fußgänger vermehrt
sich: auf dem Damm kreuzen sich die Droschken und Lastwagen. Noch zehn
Minuten, und ich befinde mich mitten im Herzen des großstädtischen
Verkehrs. Hinter den glänzend erleuchteten Spiegelscheiben winken
mir alle Schätze Europa's in geschmackvoller Anordnung. Ein wahres
Chaos von Fuhrwerken nimmt die ganze Länge und Breite der Straße ein.
Die Schaaren der Fußgänger schieben sich in buntem Gewimmel an den
blitzenden Etalagen vorüber. Die ganze Atmosphäre summt und dröhnt von
jenem unentwirrbaren Ineinanderklang hundert verschiedener Geräusche,
deren Ensemble auf die Nerven des Großstädters ebenso wohlthätig wirkt,
wie die Landluft auf das Naturell eines Dorfpastors.

Von allen Seiten bestürmen mich neue, bewegende Eindrücke. Nahezu
sechs Wochen sind verflossen, seit ich zum letzten Mal eine abendliche
Flanade über diese Trottoirs unternahm, und es war damals obendrein
eine äußere Veranlassung, die mich hierher führte, ein specieller
Zweck -- was dem eigentlichen Esprit des Bummelns bekanntermaßen
zuwiderläuft. Nein, ich begreife mich nicht! Sechs Wochen halte ich's
aus da drüben in meiner beschaulichen Einsamkeit, und hier wogt und
brandet ein Ocean von Bildern und Stimmungen, wie ihn die Seele
farbenprächtiger nicht wünschen kann.

Ich setze meinen Hut noch um eine Nüance schiefer auf's Ohr, fasse den
Stock in der Mitte und runzle die Stirn wie ein übermüthiger Dandy, der
im nächsten Augenblick eine Welt zu erobern gedenkt.

Jetzt begegnet mir eine Mutter mit zwei Töchtern. Wohlgebaute
Blondinen im Stile Paolo Veronese's. Wahrhaftig, die eine hat ein
ganz allerliebstes Gesichtchen: etwas geistlos, das ist wahr: aber du
lieber Gott, am Ende ist der Geist nur ein Vorurtheil, und von der
Leinwand wirkt das üppige Incarnat eines blühenden Nackens jedenfalls
energischer, als der seelische Duft einer feingeschnittenen Lippe. Beim
Himmel, wenn ich ebensoviel Technik als Verständnis besäße, ich möchte
diese saftige Blondine malen, wie Tizian seine Catarina Cornari gemalt
hat, als schlichtes Porträt ohne irgend welche artistische Zuthat ...
Und jetzt diese büßende Magdalena ... So wahr ich lebe, das Original
~in optima forma~ zu dem famosen Gemälde Murillo's! Es ist eine wahre
Schande, daß ich mir seit Monaten eine so peinvolle Reserve auferlege,
und lediglich aus Rücksicht ... Alle Vorzüge können sich doch nun
einmal unmöglich in einer und derselben Person vereinigen. Josephine
ist hübsch, freundlich, aufmerksam, zärtlich, liebenswerth, -- kurz,
vom Standpunkt eines christlich germanischen Alltaglebens betrachtet,
das Ideal einer jungen Frau. Aber in rein künstlerischer Beziehung,
mit dem Auge eines Rafael oder eines Correggio gesehen ... Pah, man
wird nothgedrungen einseitig, wenn man sich jeder anderweitigen
Bewunderung enthalten will ...

Nachdenklich setze ich meine Wanderung fort. Ein gelinder Groll
gegen unsere sociale Ordnung spinnt seinen Nebelschleier um meine
pessimistisch angekränkelte Seele. Warum nehmen es die Frauen auch
nur so heillos übel, wenn man gelegentlich eine ihrer Mitschwestern
hübsch findet! Ich erinnere mich noch des seltsamen Blickes, den mir
Josephine zuwarf, als ich im verwichenen Herbst jene dunkeläugige
Unbekannte im Foyer des Victoriatheaters mit dem Lorgnon fixirte. Für
etwas Romantisches haben diese Töchter aus guter Familie absolut keinen
Sinn. Als ob meine Neigung unter einer derartigen praktischen Studie
im mindesten leiden könnte. Ein künstlerisch angelegtes Herz verlangt
mehr als die bloße häusliche Glückseligkeit, und schließlich -- der
Teufel weiß, wie es zugeht, aber das Factum bleibt unanfechtbar --
schließlich haben diese Unbekannten immer ein gewisses Etwas, das den
uns so wohlbekannten Gattinnen abgeht, ein ~nescio quid~ von poetischem
Zauber, einen Hauch von geheimnisvoller Novellestik, dessen nähere
Definition ebenso unmöglich ist, wie die Analyse des Schönen überhaupt.

Was ist das zum Beispiel für eine reizende, graziöse Gestalt, die da
quer über die Straße kommt und jetzt in den Galanterieladen eintritt!
Ein Füßchen zum Entzücken, und eine Anmuth in jeder Bewegung, wie man
sie eben nur bei Unbekannten findet.

Ich trete an das Schaufenster. Ein Seufzer entringt sich meiner Brust,
lang und gepreßt, wie ein Passus aus Schopenhauer's Kapitel über das
Leiden der Welt. Zwischen den Fächern und Schmuckkästchen hindurch
dringt mein Blick in das Innere des Gewölbes. Die schöne Unbekannte
kehrt mir den Rücken. Jetzt beugt sie sich über den Ladentisch, um
eine Waare in Augenschein zu nehmen ... Wie pittoresk war diese Wendung
des Armes! Und wie geschmackvoll sie gekleidet ist! Hier erkennt man
so recht den Unterschied zwischen dem Schlicht-Bürgerlichen und dem
Classisch-Poetischen. Mich dünkt, ich habe eine ähnliche Jacke auch
bei Josephinen gesehen: aber wie ganz anders war der Effect! Hier eine
gewisse Genialität im Faltenwurf, dort eine nüchterne Accuratesse, eine
ruhige Einfachheit, die für gewisse Charaktere ihren Reiz haben mag,
aber auf die Dauer eine ästhetische Lücke läßt. Kleider machen Leute,
sagt das Sprüchwort; mit der gleichen Berechtigung kann man die These
umkehren. Dasselbe Gewand von verschiedenen Personen getragen ist nicht
mehr dasselbe. Die Individualität haucht dem Kleidungsstück ihr ganzes
Wesen ein. Ich glaube, Aspasia wäre im Stande einen Zwillichkittel so
zu drapiren, daß er einen königlichen Purpur beschämte.

Und diese reizende Robe! Einfach und anspruchslos, und doch
bedeutsam und charakteristisch. Diese stahlfarbene Nüance hat etwas
Aristokratisches. Warum Josephine einen derartigen Stoff nicht gewählt
hat? Aber es ist nun einmal nicht zu ändern. Gewisse Dinge existiren
nicht für die normale deutsche Hausfrau: man entdeckt sie nur fernab
von dem Weichbilde des heimischen Herdes.

Wie lange sie wählt und prüft! Auch hierin offenbart sich ein
distinguirter Charakterzug. Da ... da ... um ein Haar hätte ich ihr
Gesicht zu sehen bekommen. Das Stückchen Wange, das mir in duftiger
Verklärung entgegengeleuchtet hat, erweckt eine unwiderstehliche
Sehnsucht in mir, das ganze ambrosische Angesicht aus der nächsten Nähe
zu schauen. Ich interessire mich jetzt so glühend für diese schöne
Käuferin, daß es mich bereits nach ihrer Biographie gelüstet. Wo mag
sie wohnen? Wie mag sie heißen? Das beste ist, ich lasse sie hier
vorbeipassiren und gehe ihr dann nach, sittsam und in bescheidener
Entfernung, wie es einem verheiratheten Ästhetiker geziemt ... oder
nein ... ich sehe nicht ein, weshalb ich so übermäßig bescheiden sein
sollte. Mein Naturell steht mit einem solchen Vorsatz in diametralem
Widerspruch. ... Nun, wir werden ja sehen.

Ah, da kommt mein trefflicher Freund Leo. Schon von fern lacht er mich
mit dem ganzen Vollmond seines biederen Kneipgesichts an, als wollte er
sagen: »Trifft man dich auch endlich wieder einmal unter den Lebenden?«

Auch ich bin erfreut, dich zu sehen, wackerer Genosse meiner
akademischen Ausschweifungen, unvergleichliches Danaidenfaß, in
dessen bodenlosem Schlunde so manches Quart Lagerbier und so manche
Punschbowle ein ruhmloses Ende gefunden.

Er schüttelt mir mit der grübchenreichen Herkulesfaust die Rechte und
brummt im tiefsten Basse eine Phrase freundschaftlichen Entzückens.

»Wie jammerschade,« fügt er nach einer Weile hinzu, »daß ich gerade
jetzt nicht Herr meiner Zeit bin.«

Er sieht auf die Uhr.

»Ich muß meine Tante ins Concert führen,« seufzt er stirnrunzelnd, »und
gewahre mit Schrecken, daß ich bereits eine Viertelstunde Verspätung
habe.«

»Ah, die Hofräthin! Nun, sie molestirt dich selten genug, und als
Erbtante verdient sie einige Rücksicht. Ich will dich bei Leibe nicht
abhalten.«

Noch einmal schüttelt er mir die Hand und poltert dann fürbaß über das
Pflaster.

Verflucht! In der Zwischenzeit ist mir meine schöne Unbekannte
entwischt. Hole der Henker alle Kneipkameraden und Hofräthinnen. Doch
halt, dort biegt die Holdselige um die Ecke. Das war noch gerade Zeit,
sonst hätte ich den Engel für immer verloren. Auf und ihr nach!

In weniger als einer Viertelminute habe ich mich ihr auf fünfzehn
Schritte genähert. Es hält schwer, sie bei dem dichten Menschengewühl
im Auge zu behalten. Dabei schreitet sie tüchtig zu ... Ja, ja, solche
novellistische Naturen sind stets gute Fußgängerinnen. Im Sommer
begegnet man ihnen auf dem Gipfel des Pilatus oder auf den Gletschern
des Chamounithals. Ich kenne die Sorte ...

Jetzt schwenkt sie seitwärts ab. Aha, sie nimmt den Weg nach der
Gertraudenstraße quer über den Markt. Nun, um so besser; auf diese
Weise entferne ich mich nicht von dem Parkviertel. Es ist sieben, ich
habe also vollauf Muße, mein peripatetisches Abenteuer bis auf die
Hefe auszukosten. Ich +muß+ jetzt erfahren, welche Göttin in dieser
reizenden Hülle wandelt, oder meine Mißstimmung erklärt sich in
Permanenz!

Wie seltsam doch mitunter der Zufall spielt! Da biegt sie richtig in
die neue Anlage ein! Ich kann ihr also unter allen Umständen ohne
Zeitverlust bis an ihre Wohnung folgen, und wenn sie am äußersten Ende
der Stadt residirte. Wirklich, Fortuna ist mir hold. Es hätte sich
doch ebensogut treffen können, daß die kleine Zauberin mich nach dem
Ludwigshain oder den Bernstädter Linden gelockt hätte!

Jetzt scheint sie bemerkt zu haben, daß ich ihr auf den Fersen bin.
Sie hat leise den Kopf gewendet, sie beschleunigt ihre Schritte.
Das ist entweder ein Zeichen von hohem sittlichem Ernst, oder von
reizender Koketterie. Aber Gott sei Dank! Noch bin ich nicht so sehr
zum Philister geworden, daß ich nicht im Stande wäre, eine solche
Parforcepromenade auszuhalten. Noch habe ich mich von dem Embonpoint
deutscher Familienväter freizuhalten gewußt. Bei den Göttern, diese
Eilfertigkeit steht ihr entzückend. Wie fest und doch wie schmiegsam
sie auftritt. Das ist eine Poesie des Wandels, an der sich ein Apollo
berauschen könnte.

Jetzt beginnt die Sache in der That humoristisch zu werden. Das
räthselhafte Geschöpf schlägt immer entschiedener dieselbe Route
ein, die ich wählen müßte, wenn ich direct nach meiner heimischen
Wilhelminenstraße eilen wollte. Wäre ich ein gläubiger Romantiker aus
der alten Schule, so dächte ich jetzt an eine moralisch gesinnte Fee,
an eine ideale Personificirung meines ehelichen Gewissens. Die schöne
Huldin wäre etwa Titania, die, von heiligem Schmerz erfüllt, ihren
Liebling auf Irrwegen zu sehen, die Gestalt einer bestrickenden Sirene
angenommen hätte und mich nun, ohne daß ich es ahnte, zu den Laren des
häuslichen Herdes zurückführte.

So wahr ich selig werden will, da sind wir an der Ecke der
Wilhelminenstraße, und jetzt wendet sie sich nach links, -- ganz der
Weg, den die alltägliche Moral mir vorzeichnen müßte. Am Ende ist sie
eine von den schönen Engländerinnen in Nummer 20, die ich bereits
drei- oder viermal durch mein Taschenteleskop zu bewundern die Ehre
hatte. Das wäre in der That ein höchst pikantes Zusammentreffen! Wenn
sie nur nicht so verteufelt liefe, -- daß ich ihr einmal ~en passant~
ins Gesicht sehen könnte. Aber sie scheint instinktiv zu fühlen, wie
sehr sie mein Herz entzündet hat, und so scheut sie sich wohl vor
einem Rencontre. Verdammt, daß der Weg an meiner Wohnung vorüberführt.
Es wäre mir doch unangenehm, wenn Josephine ... und wer garantirt
mir dafür? Bei Mondschein sitzt sie oft stundenlang am Fenster und
vertieft sich in die wundersamen Lichtspiele ... Heute freilich ist sie
beschäftigt ...

Aber was sehe ich? Bin ich von Sinnen? Da hüpft mein bezauberndes
Räthsel in meine Hausflur und eilt meine Treppe hinan. Um aller
Heiligen willen, was habe ich angestellt? Gewiß eine gute Freundin
Josephinens, die mich erkannt hat und mich nun ~in flagranti~ verklagen
will. Soll ich ihr folgen? Oder ist es rationeller, so schnell als
möglich umzukehren? Aber nein, das wäre eine Schwäche, die den Edlen
entwürdigt. Was kann sie überdies sagen? Es ist nur zu begreiflich,
daß ich den nächsten und bequemsten Weg nach meiner Wohnung einschlage,
und die Straße ist Gemeingut. Nein, sie würde sich mit der geringsten
Andeutung nur lächerlich machen; sie muß etwas anderes in Petto haben;
also vorwärts!

Ich stürme ihr nach. Die Corridorthüre hat sich inzwischen bereits
geschlossen. Ich klingle. Man öffnet mir. Und wer öffnet mir? Vor mir
steht, in dem malerisch drapirten Tuchpaletot, in dem stahlblauen
Promenadenkleide, das kleine Packet in der Hand, das sie auf der Straße
getragen -- meine Frau!

Sie schaut mir mit einem unbeschreiblich schelmischen Ausdruck ihrer
dunkelbraunen Augen ins Angesicht, wünscht mir »Guten Abend«, und eilt
dann, mir nochmals herzlich zunickend, in ihr Zimmer.

Keines Wortes mächtig, starre ich ihr nach; dann entledige ich mich
stumm und geräuschlos meines Überziehers, schleiche in mein Gemach
und werfe mich in den Lehnstuhl. Die Hände über der Brust gefaltet,
suche ich mir meine lehrreichen Erlebnisse zurecht zu legen. Nur
ungern gestehe ich mir's, aber die Wahrheit bricht schließlich durch:
ich bin wüthend, wüthend auf mich, wüthend auf Josephine, wüthend auf
meine künstlerischen und nicht künstlerischen Bestrebungen, wüthend
auf alles Bekannte und Unbekannte. Ich habe mich vor meiner eigenen
reinen Vernunft so colossal blamirt, daß ich nicht weiß, ob ich jemals
wieder in der Lage sein werde, mir die volle ursprüngliche Hochachtung
zu zollen. Mein ganzes Ich verfällt in einen Zustand moralischer
Zerrissenheit; ich möchte mich ohrfeigen.

Da legt sich ein Arm um meinen Nacken, zwei frische blühende Lippen
senken sich auf die meinen, und eine weiche Hand streichelt mir wie
beschwichtigend über die Stirne.

Der seltsame Bann ist gelöst. Noch immer verlegen, gewinne ich doch
allgemach mein seelisches Gleichgewicht wieder. Josephine erwähnt das
Vorgefallene mit keiner Silbe, aber ich sehe es ihrem schalkhaften
Lächeln an, daß sie meine ganze Thorheit durchschaut hat.

Zwei Tage später überrascht sie mich mit den Früchten ihres
improvisirten Abendganges. Ein reizendes Geburtstagsgeschenk, viel
sinniger und liebenswürdiger, als es ein Mann verdient, der die
poetischen Anregungen außer dem Hause sucht. Ich schließe Josephine an
mein Herz und schwöre mir insgeheim, mich nie wieder von den Launen
einer selbstbetrügerischen Verstimmung gängeln zu lassen. Der erste
Versuch einer unerlaubten Romantik ist zu schmachvoll mißglückt, als
daß ich Lust verspürte, mich zum zweiten Male auf's Glatteis zu wagen.



Der alte Schreiber.

Eine Studie nach der Natur.


Mein Onkel Feodor war Rechtsanwalt in einer mitteldeutschen
Provinzialstadt. In den letzten Jahren seines Lebens, als die einst
so blühende Advocatur merklich zur Neige ging, beschäftigte er einen
Scribenten mit Namen Trendler. Ich weiß nicht, ob der würdige Federheld
noch lebt. Sollte er indeß die folgenden Zeilen zu Gesicht bekommen,
so wird er gewiß einem strebsamen Collegen, der bei seinen indiscreten
Studien die edelsten Zwecke verfolgt, die scheinbare Profanation zu
Gute halten und lächelnd vor sich hinmurmeln: »Ja, ja, das bin ich!«

Also ~in medias res~!

Über den Dachfirsten der Provinzialstadt leuchtet ein kalter, klarer
Wintermorgen. In den beschneiten Straßen erblickt man nur hin und
wieder einen eilfertigen, theatralisch vermummten Barbier oder eine
blaugefrorene Köchin.

Es schlägt neun. Mein Onkel sitzt bereits seit einer Stunde bei der
Arbeit. Der lodernde Ofen verbreitet eine erquickliche Wärme. Die lange
Pfeife läßt ihre blauen Rauchkringel, wie Opferdüfte, zur angegrauten
Decke emporsteigen. Auf dem eichengeschnitzten Schreibtisch herrscht
eine gemüthliche Unordnung. Da prangt die chemische Zündmaschine
neben dem Petschaftkasten; die Wasserflasche neben dem gestickten
Hauskäppchen; die goldene Repetiruhr neben dem bunten Fidibusbecher.
Die halbgeleerte Tasse steht dem Arbeitenden zur Linken. Eifrig
raschelt die Feder über das dicke Conceptpapier.

Da öffnet sich die Thüre. Ein röthliches Antlitz, dessen Züge etwas
vom Geier haben, erscheint in der Spalte. Es ist Herr Trendler. Mit
gekniffenen Äuglein mustert er das Zimmer. Dann tritt er zwei Schnitte
vor und spricht mit klangloser Stimme:

»Guten Morgen, Herr Justizrath!«

Mein Onkel wendet den Kopf.

»Sie kommen wieder eine halbe Stunde zu spät, Trendler. Wie oft soll
ich Ihnen sagen, daß ich die Pünktlichkeit liebe?«

»Entschuldigen Sie, Herr Justizrath, ich hatte mich gestern etwas
später zu Bett gelegt, weil ich noch den Bericht an das königliche
Obertribunal erledigen wollte ...«

Trendler beginnt nun seinen Paletot auszuziehen. Er versucht es
zunächst mit dem linken Ärmel. Auf der Hälfte des Weges erfaßt ihn die
Reue. Er tritt auf der linken Seite den Rückweg an, und wirft sich
auf die rechte. Nach einigem Zögern kommt er mit der Entkleidung zu
Stande, und verfügt sich nun, den Überzieher sorgfältig an der Schlinge
haltend, nach dem Nagel, wo er ihn langsam aufhängt, -- nicht ohne
zuvor einige imaginäre Stäubchen von dem schadhaften Sammetkragen
hinweg zu blasen. Der aufgehängte Paletot wird mit zärtlicher Hingebung
drapirt ... Die Außenseite muß nach innen gekehrt und vor jeder
Berührung mit der atmosphärischen Luft aufs Peinlichste geschützt und
geschirmt sein ...

Nach befriedigender Lösung der Paletot-Frage kommt die Reihe an den
Rock. Unter den nämlichen Manövern, die wir beim Überzieher wahrnahmen,
vertauscht Herr Trendler diesem Unter-Kleidungsstück mit seinem
sturmerprobten Amt- und Dienstkittel. Ist auch diese Metamorphose
beendet, so hustet er dreimal mit steigender Heftigkeit und zieht das
Taschentuch, um sich zu schneuzen.

»Nun, Trendler, wird's bald?« fragt mein Onkel stirnrunzelnd.

»Entschuldigen Sie, Herr Justizrath, ich wollte mich nur schneuzen,
mit Respect zu vermelden. Ich habe einen starken Stockschnupfen, seit
letzthin das Wetter so umgeschlagen hat!«

Mein Onkel arbeitet weiter.

Trendler begiebt sich in gemessenem Menuettschritt nach dem Ofen,
ergreift die Feuerzange, und wühlt in den Bränden.

»Donnerwerter, machen Sie doch keinen solchen Rauch!« ruft mein
Onkel ärgerlich. »Das Feuer brennt, -- was haben Sie also dran
herumzustochern?«

»Verzeihen Sie, Herr Justizrath, ich dachte nur, wenn man das Feuer
nicht rechtzeitig schürt, so könnte es ausgehen. Erlauben Sie
vielleicht, daß ich so ein kleines Klötzchen auflege?«

»Gut, so legen Sie auf, aber schnell! Sie haben da Ihren ganzen Tisch
voll Arbeit!«

»O, damit wollen wir schon fertig werden, was das anbelangt ...«

Er bläst in die Flammen. Der Qualm schlägt ihm ins Gesicht. Er schließt
die Ofenthür und tritt an den Spiegel.

»Nun, was giebt's?« fragt mein Onkel.

»Ach, Herr Justizrath, nehmen Sie's nicht übel, es ist mir was ins
Auge gekommen ... Gleich hab' ich's ... so ... Wie das einen genirt,
man sollt's nicht glauben! ... Au, au ...! Das ganze Auge ist roth
davon ...!«

»Trendler! Der Teufel holt Sie, wenn Sie jetzt nicht an die Arbeit
gehen! Wenn Sie was am Ofen auszusetzen haben, so rufen Sie die Magd!«

»Schön, Herr Justizrath.«

Er öffnet die Stubenthüre.

»Therese! Therese!«

»Das zieht ja zum Tollwerden!« zürnt der alte Herr in wachsendem
Mißmuth. »Wollen Sie augenblicklich zumachen! ...«

»Die Magd scheint nicht da zu sein,« versetzt der Schreiber. »Ich will
mal nachsehen!«

Er begiebt sich nach der Küche. Drei, vier, fünf Minuten verstreichen.
Endlich erscheint die rothe Physiognomie wieder auf der Schwelle.

»Die Magd ist nach dem Wochenmarkt gegangen,« stammelt er mit einem
Lächeln der Genugthuung. »Da muß ich wohl selbst Hand anlegen, Herr
Justizrath.«

Mein Onkel antwortet nicht.

Trendler verfügt sich wieder an den Ofen. Er klappert und rasselt, und
rasselt und klappert, bis das Feuer glücklich verloschen ist.

»Ich komme doch nicht so recht zu Stande damit, wenn man's bei Licht
betrachtet. Wir müssen warten, bis die Therese vom Markt zurückkommt.«

»Sie sind der größte Esel, der mir jemals in meiner Praxis aufgestoßen.«

»Aber, Herr Justizrath ...«

»Setzen Sie sich! Ich habe keine Lust, mit Ihnen zu discutiren.«

Schmollend faßt er auf seinem Stuhle Posto. Noch einmal muß das
Schnupftuch für die Unbilden der Witterung büßen. Hierauf durchsucht
er sämmtliche Taschen der Weste, des Rocks und der Beinkleider. In der
letzten findet er den Schlüssel zur Schublade seines Schreibtisches.

Er betrachtet das eiserne Instrument von allen Seiten. Dann bläst
er einige Sonnenstäubchen aus dem Loch über dem Kamme und veranlaßt
dadurch einen gellen Pfiff.

»Was fällt Ihnen bei, Trendler? Wiederholt sich denn bei Ihnen jeden
Tag dasselbe Possenspiel?«

»Um Vergebung, Herr Justizrath, aber diesmal thun Sie mir Unrecht. Wenn
sich nämlich das Loch am Kamme verstopft, so geht mehrstentheils das
Schloß nicht.«

Langsam öffnet er die Schublade und nimmt zwei tintenbeklexte
Schreibärmel, zehn Gänsekiele und ein doppelklingiges Federmesser
heraus. Sämmtliche Gegenstände breitet er sorgfältig vor sich hin. Er
befolgt dabei die Regeln der Symmetrie und des goldnen Schnitts.

Plötzlich springt er vom Sitz empor und eilt nach der Thüre.

»Was giebt's?«

»Ich will einmal sehen, ob die Friederike heimgekommen ist. Mir war's,
als hätte ich klingeln hören.«

»Dummes Zeug! Bleiben Sie bei der Arbeit!«

Trendler setzt sich nieder und ergreift einen der beiden Schreibärmel.
Er nestelt am Zuge. Die Schnur will nicht weichen. Nach einer
andauernden Bemühung von fünf Minuten gelingt es ihm, den Knoten zu
lösen. Die Schiene rutscht knisternd über den Arm und wird mit vieler
Accuratesse befestigt.

Der zweite Ärmel erfordert eine geringere Anstrengung. Schon nach drei
Minuten sitzt er wie angegossen.

Es schlägt halb zehn.

Trendler reibt sich im Bewußtsein, sehr glücklich debütirt zu haben,
die Hände und zieht die Tabaksdose hervor. Sechs- oder achtmal schlägt
er geräuschvoll auf den Deckel. Dann öffnet er, schüttelt den Inhalt
von einer Seite nach der andern und spitzt die Finger zur Prise.
Plötzlich besinnt er sich eines Besseren. Er muß im Heiligthum der
Dose einen fremden Gegenstand entdeckt haben. Das rothe Geiergesicht
beugt sich vor; die kurzsichtigen Äuglein beblinzeln den Tabak aus
allen Richtungen der Windrose. Eine Minute verrinnt in prüfender
Beschaulichkeit. Er nickt, als habe er den mikroskopischen Eindringling
erkannt, setzt die Dose bedächtig auf den Tisch nieder und ergreift mit
siegesgewisser Miene das zweiklingige Federmesser. Die Klinge springt
auf und wird, wie um ihre Elasticität zu erproben, zwei-, dreimal auf
die Tischplatte gedrückt. Dann stöbert das Metall zwei Minuten lang in
der gepulverten Nießwurz herum und spießt endlich eine todte Fliege,
die nach genauer Inspection unter den Stuhl geworfen wird. Jetzt erst
hält sich Trendler für berechtigt, eine Prise zu nehmen; vorher wischt
er indeß die Klinge des Messers mit sorglicher Peinlichkeit am Ärmel
ab.

Die Dose wird wieder geschlossen und neben das Tintenfaß gestellt.

Trendlers Blick gleitet nun nach dem Fenster. Die Scheiben sind stark
beschlagen. Er erachtet es für geboten, das auf der Rampe liegende Tuch
zu benutzen. Die Klärung gelingt.

Aber es zieht! Das Fenster scheint heute wieder gar nicht zu schließen.
Auch hier muß das Wischtuch abhelfen. Es wird der Länge nach unten vor
die Ritze gelegt.

»So!«

Es schlägt drei Viertel.

Trendler wendet sich nunmehr seinen Federn zu. Er dreht sie zehn-
bis zwölfmal hin und her und wählt dann eine graue, großfasrige,
starkposige Prachtfeder.

Das zweiklingige Messer wird abermals betreffs seiner Elasticität
geprobt. Dann beginnt die Procedur des Schneidens.

Zunächst wird der Kiel der Länge nach geschabt. Dann zimmert der blanke
Stahl nach streng-architektonischen Gesetzen den Rohbau der Spitze.
Diese unvollendete Spitze wird fünfzigmal befühlt und betrachtet und
schließlich auf dem Nagel des linken Daumens gespalten.

Ist die Spalte gelungen, so ruht sich Trendler ein wenig aus: denn
jetzt fängt erst die eigentliche künstlerische Aufgabe an, und zu jeder
vollkommenen Leistung bedarf man der Sammlung.

Neu gekräftigt geht der wackre Scribent an die Krönung des Gebäudes.
Hundertmal hält er den Kiel gegen das Licht; hundertmal probirt er mit
der Zungenspitze, ob der gewünschte Grad der Vollendung erreicht ist.
Er schnitzelt und raspelt und kratzt und glättet, als handle es sich
um die Darstellung eines Prototyps, einer »Feder an sich«, wie der
Philosoph sagen würde. Die immer fester zusammengekniffenen Augenlider
verleihen seinem Antlitz etwas Denkerhaftes! Wüßte ich nicht, daß es
der Schreiber meines Onkels ist, den ich da vor mir sehe, so würde ich
ihn für einen Professor der Metaphysik halten.

Endlich! Ein breites Lächeln übergießt die Geierphysiognomie wie mit
den Fluten eines rosigen Sonnenscheins! Verstünde er Griechisch, er
würde »Heureka!« ausrufen! Schwer aber glücklich!

Noch achtmal wiederholt sich diese umständliche Comödie. Dann ordnet
Trendler die Geschnittenen nach dem Grundsatze der Anciennität, und
legt das Messer neben die Schnupftabaksdose.

Es schlägt halb elf.

Trendler wendet sich nunmehr dem Papier zu. Er sucht und blättert
in den unbeschriebenen Folioheften herum, als forsche er nach einer
hochwichtigen Stelle im Corpus Juris. Die Wahl scheint ihm Qual zu
machen. Er schließt bald das eine Auge, bald das andere, -- nach Art
raffinirter Kunstfreunde, die ein Gemälde betrachten. Dann kehrt er
die Mappe um, als müsse ihm die endgiltige Entscheidung so besser
gelingen. Er streichelt die Bogen, wie der Kenner ein Pferd streichelt.
Gott weiß, was ihn schließlich veranlaßt, eines der Hefte an die Nase
zu führen und es nachdenklich zu beschnüffeln. Nach fünf Minuten ist
er mit sich und dem Papier einig ... Die Mappe wird schreibgerecht
ausgebreitet, die Bogen erhalten ein paar Daumenstriche ... Trendler
ist Meister in der kunstgemäßen Anwendung dieses natürlichen Falzbeins
... So!

Es ist inzwischen empfindlich kalt geworden. Der alte Herr beginnt zu
frieren.

»Trendler,« sagt er unwillig, »Sie haben richtig das Feuer ausgemacht!
Rufen Sie die Magd!«

»Schön, Herr Justizrath. Therese, Therese!«

Die Dienerin erscheint in der Pforte, und beeilt sich die verglimmenden
Kohlen wieder anzufachen.

Trendler schaut ihren Bemühungen andächtig zu.

»Was gaffen Sie da? Ich wette, Sie kommen auch heute nicht mit der
vermaledeiten Klage zu Stande. Drei Tage kauen Sie jetzt schon an den
paar Bogen.«

»Um Vergebung, Herr Justizrath; ich wollte mich nur überzeugen ...«

»Schweigen Sie und setzen Sie sich!«

Die Magd verläßt das Zimmer. Trendler faßt wieder Posto. Er holt das
Concept hervor, das er zu copiren gedenkt. Es währt geraume Zeit, bis
er enträthselt hat, wo er gestern stehen geblieben. Endlich kommt er
auch über diesen Punkt ins Klare ... Er bezeichnete die betreffende
Stelle durch das daraufgelegte Federmesser, und holt den letzten Bogen
der in Arbeit befindlichen Reinschrift aus der Mappe ...

Jetzt könnte Herr Trendler mit Gottes Hilfe ans Werk gehen! So spricht
der leichtsinnige Leser! Sein ungründliches Gemüth vergißt, daß zur
gedeihlichen Handhabung der Feder eine tadellos gebraute und gereinigte
Tinte erforderlich ist! Ehe sich Herr Trendler vergewissert hat, daß
in dieser Beziehung alles in Ordnung ist, kann die eigentliche Arbeit
nicht ihren Anfang nehmen. Ist es nicht etliche Mal vorgekommen, daß
des Herrn Justizrath böswilliger Neffe dem armen Herrn Trendler Sand,
Oblaten, oder leichten Canaster No. 5 in das Tintenfaß geworfen?
Vorsicht ist also nirgends mehr am Platze, als Angesichts dieses
mehrfach mißhandelten Tintenfasses. Soll die musterhafte Spitze der
»grauen, starkposigen Prachtfeder« gleich beim ersten Einstippen
ruinirt werden?

Trendler nimmt sein Rühr- und Probirhölzchen und taucht es hinab in
die dunkle Tiefe. Es geht glatt. Von Sand keine Spur, ebensowenig von
Tabak oder Oblaten. Trendler läßt die schwarzen Tropfen langsam vom
Stäbchen niederträufeln. Die Tinte ist klar. Vielleicht ein bischen zu
dicklich ...

Er nimmt eine seiner frischgeschnittenen Federn, leckt sie, füllt sie
und schreibt zur Probe zwei Zeilen auf den Linienbogen.

»Hm! Ein wenig Wasser könnte nicht schaden!« murmelte er vor sich hin,
und erhebt sich, um die Caraffe zu holen.

Vorsichtig gießt er ein. Dann rührt er von neuem mit dem zierlichen
Hölzchen, und macht einen zweiten Versuch auf dem Linienbogen.

»Viel zu blaß!« sagte er kopfschüttelnd.

»Was?« fragt mein Onkel.

»Ach, entschuldigen Sie, Herr Justizrath, die Tinte ist zu blaß.
Wollten Sie mir nicht gefälligst den Schlüssel zur Tintenflasche geben?«

»Ich weiß nicht, was Sie an der Tinte auszusetzen haben. Der Schlüssel
liegt drüben auf dem Büchergestell rechts.«

Trendler geht nach dem Büchergestell und sucht.

Nach zwei Minuten:

»Herr Justizrath, der Schlüssel ist nicht da!«

»Rechts auf dem Brett! Thun Sie die Augen auf!«

Abermals verstreicht eine längere Frist.

»Da liegt ein Schlüssel, Herr Justizrath, aber es will mich bedünken,
als wär' das nicht der Schlüssel zum Eckschrank, wo die Tintenflasche
steht!«

»Esel!«

»Was meinen Sie, Herr Justizrath?«

»Heilige Kreuzschockmillionendonnerwetter, lassen Sie Ihr ewiges ›Herr
Justizrath‹, und beeilen Sie sich!«

»Wenn Sie meinen, das wär' der Schlüssel ...«

»Freilich ist er's!«

»Er kam mir nur so vor, als ob der Kamm größer wäre. Er wird's aber
wohl sein, Herr Justizrath.«

Er wandert nach dem Eckschrank, öffnet und nimmt mit zögernder
Bedächtigkeit die Flasche heraus.

Das Tintenfaß wird vollgeschüttet, die Flasche wieder eingeschlossen,
der Schlüssel aufs Bücherbrett gelegt. Abermals arbeitet das
Probirhölzchen, abermals stellt die Feder ihr Examen an. Diesmal
lautet der Urtheilsspruch des würdigen Scribenten auf genügend.

Er rückt nochmals die Mappe zurecht, berührt alle Gegenstände, die vor
ihm ausgebreitet liegen, drei- oder viermal mit der flachen Hand, und
taucht dann den Kiel frisch und fröhlich in die dunkle Flut.

Trendler hat nicht bedacht, daß er das Faß bis zum Rande gefüllt.
Die Feder, anderthalb Zoll weit mit Tinte getränkt, weint auf das
jungfräuliche Papier einen großen, rundlichen Klex.

Trendler ist nicht der Mann, sich durch eine solche Kleinigkeit aus
der Fassung bringen zu lassen. Mit philosophischem Gleichmuth ergreift
er das Sandfaß, bestreut die Lache mit einer mächtigen Trockenschicht,
und hebt so den ganzen Klex bis auf einen grauschwarzen Fleck vom
Bogen ab. Dann erfaßt die Rechte das mehrfach genannte Messer, läßt
die Radirklinge herausspringen, und beginnt in sanftem Adagio zu
schaben. Allgemach wird die Musculatur Trendler's lebhafter. Das Adagio
verwandelt sich in ein sehr taktfestes Allegro. Deutlich unterscheiden
wir die Melodie des bekannten Volksliedes:

    »Mädele, ruck, ruck, ruck an meine grüne Seite ...«

Mein Onkel wird aufmerksam. Prüfend hebt er das kluge, graue Auge. Eine
Minute lang steht er dem musikalischen Radirkünstler ruhig zu. Ein
Lächeln fliegt über seine sonst so ernsten Züge.

»Trendler,« sagt er mit fast väterlicher Milde, »Sie sind ein
Kindskopf! ...«

Der Scribent fährt aus seinen Träumen empor.

»Was befehlen der Herr Justizrath?«

»Ich wünsche, daß Sie Ihre Spielereien lassen!«

»Aber, entschuldigen Sie, ich spiele nicht, ich radire. Die Tinte
fleckt so.«

Mein Onkel wendet sich kopfschüttelnd zu seinen Akten.

»Es geht nicht länger mit dem Menschen,« murmelt er vor sich hin. »So
leid mir der arme Teufel thut, ich muß ihm den Laufpaß geben!«

Dieser Monolog fließt nicht heute zum ersten Mal über die Lippen des
alten Herrn. Zehnmal war er bereits entschlossen, Herrn Trendler zu
verabschieden, und zehnmal hat die wohlwollende Gutmüthigkeit seines
Herzens den Sieg davon getragen.

Trendler hat inzwischen den Bogen glücklich durchradirt. Er läßt sich
jedoch auch durch dieses Mißgeschick nicht aus dem Gleichgewicht
werfen. Freilich hat er jetzt noch anderthalb Seiten mehr zu copiren,
aber das thut nichts. Trendler erhält seine monatliche Gage von vierzig
Gulden eben so pünktlich, wenn er hundert Bogen zu Stande bringt, als
wenn er deren zwölfe liefert! Er hat ja Zeit!

In diesem Augenblick ertönt Musik von der Straße. Trendler ist, wie
oben bemerkt, musikalisch. Schmunzelnd horcht er auf. Leise wiegt
er das Haupt nach den Klängen des rauschenden Marsches. Es ist das
siebzehnte Jägerregiment, das nach dem Bahnhofe zieht. Die Stadt
erwartet irgend eine hoch- oder höchstgestellte Persönlichkeit zum
Besuch, ich glaube einen Schwarzburg-Rudolstädtischen Prinzen. Trendler
kann es nicht über sich gewinnen, -- er muß durch das Fenster blinzeln.
Schmucke Gesellen, diese Jäger! Wie die blanken Waffen in der Sonne
blitzen! So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage ...

Das Regiment ist vorbeimarschirt; die Musik hallt nur noch, wie
ein ersterbendes Echo, aus der Ferne. Trendler geht wieder an sein
Manuscript.

Gott sei Dank! Der erste Federstrich! Trendler fühlt sichtlich die
Bedeutsamkeit dieses Momentes, denn er belohnt sich alsbald durch ein
frisches Glas Wasser und eine stoffreiche Prise.

Weiter, weiter! Der Kiel malt langsam die fingerlangen Buchstaben. Zwei
Zeilen sind leserlich zu Papier gebracht.

Da klopft es an die Thüre.

Es ist ein Client, ein Bauer aus dem benachbarten Hochlande ...

Trendler springt auf, um dem Eintretenden einen Stuhl herbeizuschleppen.

»Bleiben Sie nur bei Ihrer Arbeit!« sagt der alte Herr, indem er den
Gruß des Bauern erwidert ... »Was bringen Sie?«

Der Client setzt sein Anliegen auseinander. Trendler hört mit
gespannter Aufmerksamkeit zu und kaut an der großposigen Prachtfeder.

»Warum schreiben Sie nicht?«

»Ich besann mich nur, ob ... ob ›competent‹ mit einem harten oder
weichen T geschrieben wird. Es ist nicht recht zu erkennen im Concept.«

»Mit T wird's geschrieben! Und jetzt stören Sie mich nicht! Sie sind
unausstehlich, Trendler!«

Der Scribent beugt sich über die Mappe und schreibt etwa eine Seite.
Dann legt er plötzlich die Feder über das Tintenfaß und reibt sich
heftig die linke Kniekehle. Der Tisch wackelt. Ein Bleistift und ein
Lineal fallen zu Boden.

»Was ist denn nun wieder los?« fragt der Justizrath.

»O, bitte sehr,« stammelt der Schreiber, ... »ein Privatverhältnis ...
das Bein war mir nur ein bischen eingeschlafen.«

Nach einigen Minuten scheint der Schläfer erwacht zu sein. Trendler
schreibt weiter. Mein Onkel verhandelt mit dem Bauern über den noch
unverständlichen Rechtsfall und explicirt ihm eben, daß er vor allen
Dingen die und die Beweisstücke beibringen müsse, als Trendler abermals
aufspringt, und, das Concept in der Linken, den Zeigefinger der Rechten
fest auf einen lateinischen Passus gepreßt, auf den alten Herrn
eindringt und mit zwinkernden Äuglein fragt:

»Verzeihen Sie gütigst, Herr Justizrath, wie soll das heißen ...?
~Judex a ... a ...?~«

»~A quo~,« ergänzt mein Onkel. »Hundertmal haben Sie das Wort schon
geschrieben! ...«

Es schlägt halb zwölf. Der Bauer verabschiedet sich. Trendler trinkt
ein weiteres Glas Wasser und beendet glücklich die dritte Seite. Dann
streicht er sich das Haar aus der Stirn, räuspert sich und beginnt also:

»Nichts für ungut, Herr Justizrath, aber wenn Sie heute ausnahmsweise
für den speciellen Fall einmal freundlichst gestatten wollten, ein
wenig früher aufzuhören, so hätte ich heute nämlich einmal gerade
ausnahmsweise Besuch, indem meiner Schwester Sohn aus Hirzenheim
zufällig gestern Abend hier eingetroffen ist und nur bis morgen da
bleibt, wegen des Schweinemarktes, und sonst könnt' ich ja auch die
Klage da heut' Nachmittag fertig schreiben, wenn Sie freundlichst
erlauben.«

»Meinetwegen! Machen Sie, daß Sie fortkommen!«

Trendler zieht die Schreibärmel aus, packt ein, hängt den Kittel an den
Nagel und wirft sich in Rock und Paletot.

»Wenn Sie sonst noch was zu befehlen haben, Herr Justizrath,« sagt er,
den Hut in der linken Hand, den Stock in der rechten.

»Nein, nein, nein! Lassen Sie mich nur jetzt ungeschoren, ich bin
beschäftigt!«

»So wünsch' ich recht guten Appetit, und bedanke mich! Herr Justizrath,
auf Wiedersehn!«

Er verschwindet mit devotem Bückling. Nach anderthalb Minuten erscheint
er von Neuem.

»Um Vergebung, ich hatte den Schlüssel stecken lassen. Sie wissen ja,
Herr Justizrath, -- es ist von wegen Ihren werthen Herren Neffen.
Nichts für ungut, und somit empfehl' ich mich!«

»Einfältiger Schwätzer, geh' zum Teufel!« brummt der alte Herr im Tone
des höchsten Verdrusses. Trendler aber geht zu seiner Schwester Sohn,
der ihn im »Adler« beim Bier erwartet.

Seitdem habe ich manchen Trendler bei der Arbeit gesehn, -- und stets
mußte ich des Schreibers meines guten Onkels gedenken. ...

Und dann las ich allerlei fulminante Artikel über die sociale Frage,
über das Verbrechen des Capitals und die offenen und geheimen Schäden
der modernen Weltordnung.

Meisterhaft! raunte mein Genius ... Der Gedanke, die Gesellschaft
zu reorganisiren, ist unsterblich, und des Schweißes der Edlen
werth. Aber die Edlen versäumen die unerläßlichste Vorarbeit; eine
statistisch-philosophische Studie über den Einfluß Trendler's auf die
materielle Lage der Arbeiter ...

Mein Onkel war ein durchaus liberaler, fortschrittlich gesinnter Mann.

Als Trendler ihn jedoch eines Tages um Lohnerhöhung anging, da warf
er ihn vor die Thüre. Stand diese Handlungsweise mit dem Geiste des
neunzehnten Jahrhunderts im Widerspruch? Die Leute vom Fach werden
antworten!


        Ende.



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        von Passow. 1039. 1040. Geb. 80 Pf.

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        in 4 Aufzügen. Deutsch v. W. Lange. 916.

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    =Denison, M. A.=, So'n Mann wie mein Mann. Eine
        Ehestands-Humoreske. 2141. 2142. Geb. 80 Pf.

    =Eggleston, Edward=, Der Weltuntergang. Eine amerikanische
        Dorfgeschichte. 2405. 2406.

    =Habberton, John=, Allerhand Leute. Lebensbilder aus dem
        amerikanischen Westen. Deutsch von Alfred Mürenberg. 1517.
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        2611--2615. Geb. 1 M. 50 Pf.

    =Mark Twain=, Ausgewählte Skizzen. Deutsch v. W. Lange. 1019. 1079.
        1149. 2072.

    =Pajeken, Friedrich J.=, Aus dem wilden Westen Nordamerikas.
        Erlebnisse und Skizzen. 2752.

    =Roe, Edwin, P.=, Wie sich Jemand in seine Frau verliebt.
        Amerikanische Dorfgeschichte. Deutsch v. K. Knortz. 2593.

    =Ruppius, Otto=, Der Pedlar. Roman aus dem amerikanischen Leben.
        1141--1143. Geb. 1 M.

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    =Vacano, E. M.=, Humbug. Eine wunderliche Historie. 2321.

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        Humoristisch-satirische Novelletten und Bluetten. 2546. 2547.

    Schlicht, Frhr. v., Militaria. Heitere Soldatengeschichten. 3458.

    Schnadahüpfln, Tausend, Gesammelt u. mit Einleitung, erklärendem
        Wörterverzeichnisse und acht Singweisen herausgegeben v. Fr.
        Gundlach. 3101. 3102. -- Geb. 80 Pf.

    Schönthan, Fr. u. P. v., Kleine Humoresken. 4 Bändchen. 1680. 1790.
        1939. 2279.

    --,
        P. v., Kindermund. Gesammelte Ansprüche und Scenen aus dem
        Kinderleben. 2188. -- Geb. 60 Pf.

    Schönthan, P. v., Der Kuß. Gereimtes u. Ungereimtes über den Kuß.
        Zweite vermehrte Auflage. 2311. -- Geb. 60 Pf.

    Schröder, Willem, De Plattdüdsche Sprückwörder-Schatz. 493.

    --,
        Plattdüdsche Leeder un Döntjes. 928.

    --,
        W. u. A., Humoresken. 7 Bände. 451. 488. 611. 790. 1178. 1575.
        2706.

    Sienkiewicz, H., Die Dritte. -- ~Lux in tenebris lucet.~ Eine
        heitere u. eine ernste Erzählung a. d. Künstlerleben. Deutsch
        von H. Majdanska. 3053.

    Stell, B., Lustigi Thurgauer G'schichte. Humoresken in Thurgauer
        Mundart. 2490.

    --,
        Studentenrache und andere heitere Geschichten. 2719.

    Sterne, L., Empfindsame Reise durch Frankreich und Italien. Deutsch
        von Friedr. Hörlek. 169. -- Geb. 60 Pf.

    --,
        Leben und Meinungen des Herrn Tristram Shandy. Deutsch von
        Adolf Seubert. 1441--1445. -- Geb. M. 1.50.

    Tagebuch eines bösen Buben. Aus dem Englischen von J. Botstiber.
        3149. 3150. -- Geb. 80 Pf.

    Tewfik, Die Schwänke des Naßr-ed-din, und Buadem. Deutsch von Dr.
        E. Müllendorff. 2735.

    Vacano, E. M., Humbug. Eine wunderliche Historie. 2321.

    --,
        Komödianten. 2607.

    Velde, C. F. v. de, Das Liebhaber-Theater. Humoreske aus dem erstem
        Zehntel des 19. Jahrhunderts. 112.

    Viola, Die Nadel der Kleopatra und andere Humoresken. 2577.

    Volger, Ed., Allerhand Dummheiten. Humoresken. 3113.

    Weisflog, C., Das große Loos. 312.

    Weiß, Julian, Von der heiteren Seite. Humoresken aus Ungarn. 3091.

    Wolzogen, Alfred Frhr. v., Zwei Humoresken. (Die Unke. -- Lori.)
        1697.

    Zachariä, Der Renommist. 307.

    Zschokke, H., Tantchen Rosmarin. -- Das blaue Wunder. Zwei
        Humoresken. 2096.



    Weitere Anmerkungen zur Transkription


    Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde stillschweigend
    korrigiert.

    Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.

    Korrekturen (das korrigierte Wort ist in {} eingeschlossen):

    S. 19: wieder → wider
      Wurst {wider} Wurst

    S. 20: eine → ein
      ohne {ein} Vielfraß zu sein

    S. 21: den → dem
      bedeutete {dem} Bibliothekar sich zu entfernen.

    S. 51: nun → nie
      Er wird mir das Mädchen {nie} und nimmer

    S. 58: Vorschworenen → Verschworenen
      stand er mitten unter den {Verschworenen}

    S. 62: ihre → Ihre
      durch {Ihre} unsaubere Gegenwart

    S. 94: nnd → und
      betrachtet {und} schließlich auf dem Nagel

    S. 96 mißhandelteu → mißhandelten
      mehrfach {mißhandelten} Tintenfasses





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