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Title: Schutz- und Trutzbündnisse in der Natur
Author: Bölsche, Wilhelm
Language: German
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  | Anmerkungen zur Transkription                                    |
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  | Gesperrter Text ist als _gesperrt_ dargestellt, kursiver Text    |
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  | ~antiqua~.                                                       |
  | Eine Liste der Änderungen befindet sich am Ende des Buchs.       |
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Schutz- und Trutzbündnisse
in der Natur



Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Stuttgart


Die Gesellschaft Kosmos bezweckt, die Kenntnis der Naturwissenschaften
und damit die Freude an der Natur und das Verständnis ihrer
Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Volkes zu verbreiten.
-- Dieses Ziel sucht die Gesellschaft durch Verbreitung guter
naturwissenschaftlicher Literatur zu erreichen im

  Kosmos, Handweiser für Naturfreunde

  Kriegs-Ausgabe.

  Jährlich 12 Hefte mit 4 Buchbeilagen. Preis halbjährl. M 2.80.

Diese Buchbeilagen sind, von ersten Verfassern geschrieben, im guten
Sinne gemeinverständliche Werke naturwissenschaftlichen Inhalts.
Vorläufig sind für das Vereinsjahr 1918 festgelegt (Änderungen und
Reihenfolge vorbehalten):

  $Wilh. Bölsche, Eiszeiten und Klimawechsel$ Reich illustriert.
  Geheftet M 1.--

  $Dr. Kurt Floericke, Forscherfahrt in Feindesland (Dobrudscha).$
  Reich illustriert. Geheftet M 1.--

  $Dr. Fischer-Defoy, Schlafen und Träumen$ Geheftet M 1.--

Über einen weiteren Band folgt Mitteilung im Handweiser.

Diese Veröffentlichungen sind durch _alle Buchhandlungen_ zu beziehen;
daselbst werden Beitrittserklärungen (Jahresbeitrag nur M 5.60) zum
$Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde$ (auch nachträglich noch für die
Jahre 1904/17 unter den gleichen günstigen Bedingungen, jährlich zu
M 4.80, Jahrg. 1917 M 5.60) entgegengenommen. (Satzung, Bestellkarte,
Verzeichnis der erschienenen Werke usw. siehe auf den nächsten Seiten.)
Der Kosmos kann während des Krieges auch $halbjährlich$ zum Preise von
M 2.80 mit Buchbeilagen bezogen werden.


$Geschäftsstelle des Kosmos$: Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart.



                      Schutz- und Trutzbündnisse
                             in der Natur

                                  Von

                            Wilhelm Bölsche

                  Mit vielen erläuternden Abbildungen

                            [Illustration]

                               Stuttgart

                _Kosmos_, Gesellschaft der Naturfreunde

             Geschäftsstelle: Franckh’sche Verlagshandlung

                                 1917


  Alle Rechte, besonders das Übersetzungsrecht, vorbehalten.


  ~STUTTGARTER SETZMASCHINEN-DRUCKEREI
  HOLZINGER & Co, STUTTGART~



[Illustration]



„Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust...“ Dieses Wort Fausts
ist auch dem Naturforscher unserer Tage immer einmal wieder
entgegengeklungen. Der alte Siebold mag sich daran erinnert haben,
als es ihm in einer zoologischen Überraschungsstunde gelang, einen
vertrackten Schmarotzerwurm der Karpfen, das ~Diplozoon paradoxum~,
das angeblich zwei Darmkanäle und zwei Mundöffnungen hatte, auf solche
Zweiseelenexistenz zurückzuführen: indem es sich nämlich um zwei
Wurmindividuen dabei handelte, die jedesmal auf der Höhe ihres Lebens
übers Kreuz miteinander zu einem neuen Doppelwesen verwuchsen (Abb. 1).
Die Geschichte war aber doch harmlos gegen die andere, die ums Ende
der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts von deutschen Botanikerkreisen
in die Welt ausging. Alexander von Humboldt, als er seinen „Kosmos“
schrieb, hatte einmal gleichsam des Weltalls letzte Ecken in einen
einzigen prächtigen Satz gefaßt: vom fernsten bläulich verglimmenden
Nebelfleck bis zur letzten gelben Flechte am irdischen Granitfels;
ihm erschien die Flechte dabei als die äußerste, fast kosmisch
anspruchslose Anpassungsform des Lebens, wie sie, beinahe nur noch
einer dürren mineralischen Farbkruste gleich, als einsamer Pionier
zuletzt am splitterfasernackten Hochgebirgsstein unter der unendlichen
Weltraumsöde hing. Eben von diesen Flechten insgesamt aber wurde damals
plötzlich behauptet, daß sie gar keine richtige Pflanzenklasse für sich
bildeten, sondern ebenfalls so diplozoonhaft, nur noch paradoxer, erst
durch körperliche Verwurstelung und Verknotung von je zwei Vertretern
himmelweit verschiedener Klassen einzeln zustande kämen. Ungefähr
so, wie wenn der Elefant sich eines Tages als ein Mischprodukt aus
einer Maus und einem Tintenfisch herausstellte, die nicht in kühner
Ehe ein Kind erzeugt, sondern als ausgewachsene Wesen sich ineinander
gekrempelt hätten.

[Illustration: Abb. 1. ~Diplozoon paradoxum~, ein doppelter
Schmarotzerwurm an Fischen.]

[Illustration: Abb. 2. Heinrich Anton de Bary (1831-1888).]

Der Sachverhalt erschien, abgesehen von dem großen Systemsturz, den
er bedeutete, für allgemeine Lebensfragen so einzigartig merkwürdig,
daß einer der Väter der Theorie, Anton de Bary (trotz des fremden
Namens ein geborener Frankfurter und damals Professor der Botanik
an der neuen reichsdeutschen Universität zu Straßburg, Abb. 2),
auf der Naturforscherversammlung zu Kassel von 1878 einen Vortrag
darüber für nötig hielt, der zugleich den Grundstein zu einem ganz
neuen Forschungsgebiet weit noch über die Einzelfrage hinaus setzen
sollte. De Bary legte den Schwerpunkt darauf, daß es sich hier um
ein dauerndes ganz intimes Zusammenleben handle. Und zwar nicht
bloß wie beim Diplozoon von zwei Individuen ein und derselben Art.
Sondern von Vertretern verschiedener Arten, ja Klassen oder Stämmen.
Nun kennen wir zwar eine Form solchen „innerlichen“ Zusammen- und
Ineinanderlebens auch sonst und sogar persönlich mißlich. Der Bandwurm
z. B. lebt zeitweise in unserem Menschenleibe und löffelt als übler
Schmarotzer dort auf unsere Kosten mit. Bei den Flechten aber schien
das einfache Zusammenleben zu einer im Gegensatz ganz friedlichen Lage
geführt zu haben: zu einer wirklichen Genossenschaft in einer Art
gemeinsamen Haushalts. Im einzelnen blieb hier für de Bary allerdings
noch manches unklar. Aber er meinte, es müsse auf jeden Fall für
dieses ganze hochinteressante Gebiet von engstem Zusammenhalten
verschiedener Wesen systematisch gegensätzlicher Art ein neues Wort
geschaffen werden, das zugleich ein Arbeitsprogramm für weitere
Studien bedeuten könnte. Und so übersetzte er nach dem hergebrachten
Fremdwörterbrauch der Forschung mit „_Symbiose_“, was wörtlich (aus
griechisch ~syn~, zusammen, und ~bios~, Leben) eben nur das einfache
deutsche „Zusammenleben“ wiederholt. Er ließ dabei offen, unter dieses
ganz allgemeine Wort auch den Fall Bandwurm, wo der eine Mitleber den
andern plagt, mitaufzunehmen, doch erschien auch ihm schon ersichtlich
am wichtigsten das „Zweiseelengeschöpf“, bei dem die eine „Seele“ der
andern brüderlich half. Und in diesem Zusammenhang verwies er auch
schon auf eine im Verhältnis zu der noch nicht über 10 Jahre alten
Flechtengeschichte uralte, fast hundertjährige wissenschaftliche Tat
hin, die zu ihrer Zeit allerdings auch ein Abenteuer ersten Ranges
gewesen war. Nämlich die große Entdeckung des trefflichen Rektors
Sprengel zu Spandau von 1793, daß auch zwischen Blumen und Insekten,
also genügend himmelweit verschiedenen Angehörigen sogar zweier
gegensätzlicher Lebensreiche, eine Art solcher Lebensgemeinschaft
bestehe. Die Blüte lieferte der Biene oder dem Schmetterling Honig, und
das Insekt vermittelte dafür die Befruchtung der Pflanze. Hier war zwar
von flechtenhaft oder auch nur bandwurmhaft dauerndem Ineinanderleben
der Parteien nicht eigentlich die Rede. Aber dafür trat die friedliche
Gegenseitshilfe besonders hübsch hervor, und de Bary nahm also
versuchsweise auch diese Sprengelgeschichte (die kein Geringerer als
Darwin selbst damals erneut in Umlauf gebracht hatte) unter seinen
Titel auf.

[Illustration: Abb. 3. Oskar Hertwig.]

Wie gewöhnlich, wenn ein mehr oder minder glückliches Schlagwort
zur Stelle ist, machte erst jetzt das Flechtenabenteuer der
Spezialbotaniker das Gesamtaufsehen, das es verdiente. Als im
Herbst 1883 abermals die Naturforscherversammlung tagte, diesmal in
Freiburg i. B., ergriff der damalige junge Jenenser Zoologieprofessor
Oskar Hertwig (Abb. 3) zu der Sache erneut das Wort. Er knüpfte
unmittelbar an de Barys Vortrag an, spann den Faden aber jetzt für die
Tierkunde aus. Er berichtete von wunderbaren Genossenschaftshaushalten
sehr verschiedenartiger Tierarten (auch hier aus gegensätzlichen
Klassen und Stämmen), die im Meeresgrunde bei Neapel merkbar
würden, und enthüllte ganz besonders auch einen fabelhaften Fall,
der an Sprengel anklang, indem Tiere darin ebenfalls mit Pflanzen
zusammenhielten, zugleich sich aber diesmal beide Parteien wirklich
flechtenhaft auf Lebenszeit ineinander verschachtelten. Das
Entscheidende aber war, daß Hertwig, der dem Thema nach über „Die
Symbiose oder das Genossenschaftsleben im Tierreich“ sprach (de
Bary hatte allgemein „Die Erscheinung der Symbiose“ angekündigt),
aufs unzweideutigste jetzt grade die Bedeutung der _friedlichen_,
gegenseitig _fördernden_ Genossenschaftsbildungen einseitig hervorhob
und in ihnen die eigentliche Grundlage einer „gesetzmäßigen Vereinigung
ungleichartiger Organismen“, wie sie die Symbiose darstelle, sah.
Vor einem Beispiel für schon höher entwickelte Tiere fiel bei ihm
dabei gradezu das Wort von einem „Freundschaftsbund“ der aneinander
angeschlossenen Parteien. Und das hat für die Folge, je mehr Beispiele
sie anhäufte, zunächst über den eigentlichen Gebrauchswert des Wortes
„Symbiose“ entschieden. Man hat sich gewöhnt, fortan unter wahrer
Symbiose nur eben jenes im engeren Sinne _genossenschaftlich fördernde
Zusammenleben_ zu verstehen, -- unter Ausschluß der bandwurmhaft
aussaugenden und mißbrauchenden Einwohnerschaft. Dafür paßte dann
freilich der Wortsinn nicht mehr ganz scharf, da er selbst ja nur das
Zusammenleben überhaupt betonte, während andererseits solche loseren
Fälle, wie der des alten Sprengel, die doch grade für jenen echten
Genossenschaftsaustausch so sehr beweisend sind, in ihm wieder wie
in einer zu engen Jacke steckten. Inzwischen ist’s ein Schlagwort
geworden und lebt als solches fort, wobei man, wie so oft, schließlich
nur den Klang noch hört und ihm selber den rechten Sinn unterlegt, ohne
daß es auf die Buchstaben mehr viel ankäme. Will man aber aus gutem
deutschem Ausdruck ersetzen, so würde sich das auch in unserem Titel
gewählte „Schutz- und Trutzbündnisse zwischen Tier- und Pflanzenarten“
empfehlen. Auf „Arten“ muß dabei aus gleich zu erörternden Gründen ein
Nachdruck liegen.

Die merkwürdige Naturerscheinung, die hier gefaßt ist und einige der
gewiß seltsamsten Einzelentdeckungen aus dem Lebensgebiet zugleich
berührt und erklärt, ist, wie dieser kurze Geschichtsabriß zeigt, eine
echte Errungenschaft neuerer Forschung -- noch nicht vier Jahrzehnte
dort alt. Von ihren ersten Ergründern ist de Bary erst 1888 gestorben,
Hertwig lebt und lehrt noch. So jung ist die Definition und sind (wenn
wir von Sprengels Insektengeschichte absehen) auch die Beobachtungen
dazu aus dem Naturgebiet selbst. Denn auch die Flechtensache ist im
einzelnen erst seither ordentlich geklärt worden. Freilich: über
Schutz- und Trutzbündnisse in der Tier- und Pflanzenwelt allgemein gab
es scheinbar schon die umfangreichste alte Literatur. Die ganze älteste
Zoologie ist mehr oder minder anekdotischer Beispiele voll, das Volk
erzählte davon. Dem Vater Herodot hatten sie bereits im alten Ägypten
das Vöglein (einen Regenpfeifer) gezeigt, das dem Krokodil ins offene
Maul krieche, um ihm die Zähne vom Ungeziefer zu reinigen, wofür der
gutmütige Leviathan darauf verzichte, es zu verschlucken. Das meiste
derart war aber unverfälschtes Jägerlatein. An der Krokodilgeschichte
scheint etwas Wahres zu sein, doch ist bis heute nicht geklärt, ob
sie wirklich an eine echte Symbiose anklingt. Durchweg aber steckten
in diesem alten Wust loser Berichtchen auch sonst die gewöhnlichen
Einzelfehler kindlicher Naturgeschichte. Die Sachen wurden als ganz
isolierte Wunder tierischen oder gar pflanzlichen Genies geschildert,
durchweg der Einzelintelligenz oder dem Einzelgemüt des betreffenden
Wesens je nachdem bewundernd oder gerührt zugeschrieben. Davon nun
unterscheidet sich jener neu entdeckte wissenschaftliche Begriff
der Symbiose weit und grundlegend. Durch und durch Erzeugnis modern
geschulten Naturforscherblicks, sucht er im Gegensatz eine streng
gesetzmäßige Erscheinung. Wo Symbiose in seinem Sinne auftritt, da
gehört sie, dauernd und von allen Individuen immer wieder geübt, den
betreffenden Arten an wie ein Organ, angeschlossen heute an uralt
eingepaukte Reflexe und Instinkte mit dem großen „Muß“ solcher.
So romantisch gelegentlich auch hier die Beispiele selbst klingen
mögen (wie bei den Flechten!) -- ihren Entdeckern lag alles ferner
als romantische Gefühlsregungen. Das neue Feld eröffnete sich ihnen
in ihrem nüchternsten Fachgebiet, all ihren auch sonst verwerteten
exakt wissenschaftlichen und experimentellen Methoden zugänglich.
Vor allem aber traf es bei ihnen in eine Stimmung, die keine frühere
Naturbetrachtung so haben konnte, während sie uns heute allenthalben
beherrscht. De Bary selbst gipfelte gleich seinen ersten Vortrag
in einem lebhaftesten Hinweis auf Darwin. Dem „Maschinenbetrieb“
gewissermaßen des äußeren Tier- und Pflanzendaseins auf Erden, wie ihn
Darwin genial zu zeichnen versuchte, sollte sich auch das neue Phänomen
dieser Symbiose restlos einordnen. Ich glaube, daß wir nichts Besseres
tun können, als auch unsere Betrachtung ebenfalls gleich ohne Zögern
auf diese „Darwinschau“ einzustellen.

Nun, wie bekannt, ist Darwins großes Lebensgemälde allerdings zunächst
der Idee von friedlichen Schutz- und Trutzbündnissen gewiß nicht
günstig. Kampf steht vielmehr dort im Vordergrund. Nehmen wir irgend
einen Blütenbaum. Ich erinnere mich aus dem Garten meines Elternhauses
zweier uralter ungeheurer Birnbäume. Wenn sie im Frühjahr blühten, war
es ein wahres Märchen, der ganze Garten lag noch einmal wie im Schnee,
in den die Sonne vom blauen Himmel sah und aus dem die Bienen sangen.
Oft später ist mir die ganze „Natur“, wenn ich das Wort irgendwo
gebrauchte, im Bilde dieser Zauberbäume erschienen. Für Darwin aber
ist solcher Baum zunächst nur der Schauplatz eines gradezu schaurigen
Kampfes. Unendliche Massen von Lebensformen wirft die phantastisch
schaffende Natur herauf, nur eine beschränkte Zahl aber kann bestehen.
Die äußeren Verhältnisse hauen auf die Arten, die Arten zerfleischen
sich untereinander, unzählige Individuen regnen beständig ab wie
Blütenschnee. Dante in seiner Hölle hat keine härteren Bilder gemalt,
als Darwins unbestechliche Hand hier von der Natur. Es ist wie in den
Schrecken eines Schiffbruchs: die paar Planken gönnen nur wenigen Raum,
diese stoßen sich zum Teil noch unabsichtlich herab, und die Letzten
dezimiert das gräßliche Schlachtlos in der Hungersnot. So nimmt der
Frost Blüten mit, andere fallen in der Raumnot vom Ast, soundso viele
werden von Insekten gefressen, die selbst wieder in ihren verschiedenen
Arten kannibalisch übereinander stürzen, um im ganzen von den
niedlichen Singvögeln dezimiert zu werden, denen Raubvögel nachstellen.

Aber schon in dieser harten „Maschine“ Darwins sehen wir doch auch
ein Gegenbild. Jener schauerliche Kampf mit seinen ungezählten
Schlachtopfern tobt nur zwischen den äußeren Verhältnissen und den
Arten sowie den Arten unter sich. Er schweigt dagegen ganz oder doch
größtenteils zwischen den Individuen ein und derselben Art.

Grade der eigentliche scheußliche Kannibalismus des Artkampfes ist hier
wie ausgelöscht, dafür herrschen Frieden, gegenseitige Hilfe, Sorge
des Stärkeren für den Schwachen, Hingabe des einen für andere. Das
Rotschwänzchen füttert seine Jungen, die Bienen sammeln für ihre Brut
mit und stechen als hingebende Soldaten eines großen Familienstaats,
wehrhafte Männchen schützen allenthalben die Weibchen, starke Weibchen
die unmündigen Kinder. Was bedarf es auch hier der Ausmalung! Bei
Quallen und Pflanzensprossen führt das zu unmittelbar auch körperlich
zusammengewachsenen Geschwisterstaaten, bei Ameisen und Termiten zu den
wunderbarsten freieren Instinktverbänden, und wir wissen schließlich
alle, daß sämtliche höheren Pflanzen und Tiere mit Einschluß von uns
Menschen ja als Einzelperson schon einen solchen Geschwisterbund aus
zahllosen Zellen, einen „Zellenstaat“ mit großartiger, in den Organen
offenbarter Arbeitsteilung, darstellen. Also es _gibt_ auch friedliche
Möglichkeiten, -- auch in der harten Darwinwelt des Vorteils; Frieden
muß eben hier das Vorteilhaftere sein.

Aber auch bei den so wüst einander bekämpfenden Arten selbst gewahren
wir bei genauem Hinsehen einen sehr interessanten tiefsten Sachverhalt.
Auch dort geht der noch so erbitterte Zerfleischungszwist durchweg
nicht auf wirkliche Vernichtung. Sondern es ist, als werde immer nur
ein gewisser _Überschuß_ gewaltsam abgeschöpft, der im Gesamtkonto
jeder Art entbehrt werden kann. Der Birnbaum, die Insektenarten, die
Vögel, jetzt dezimiert, sind als Art doch im nächsten Jahr wieder da,
wenigstens durchweg. Selbst die äußeren Verhältnisse mit ihren Dürren,
Frösten, Hagelschlägen schöpfen meist nur solchen Überschuß ab. Auf
die Dauer geologischer Zeiträume mögen sie allerdings mit stärkeren
Mitteln auch ganze Arten ausrotten. Aber bei den Arten unter sich
reicht offenbar in der Regel der Überschuß, der Luxus gleichsam schon
zur Erhaltung des Gleichgewichts. An sich ist das Abheben dieses
Überschusses ja eine leidige Notwendigkeit. Können doch die Tiere
im ganzen überhaupt nur leben, indem sie von der Pflanzenschöpfung
mitzehren; trotzdem grünt aber diese Pflanze in aller Fülle der Kraft
bis heute, sie hat eben offensichtlich von je so viel Überschuß in
Blättern, Wurzeln, Früchten erzeugen können, daß der ganze Grundstamm
der Tierwelt mühelos davon mit unterhalten werden konnte; was aber die
Tiere noch mehr brauchen, das erheben sie in Überschußabnahme wieder
voneinander als Tribut gefressener anderer Tiere, ohne daß doch auch
da wirkliche Werte vertilgt würden; der Leopard lebt seit undenklichen
Zeiten neben der Antilope, dezimiert sie, aber beide bleiben. Ja,
das ganze ungeheure Arsenal an Waffen und Schutzinstinkten, das die
einzelnen Arten gegeneinander aufstellen, scheint in diesem Sinne
nur dazu zu dienen, daß bei dem gewaltsamen Überschußabschöpfen kein
Mißbrauch getrieben wird, der wirklich zu solcher Vernichtung führen
könnte. Es schützt soundso viel Individuen als eisernen Bestand, der
bleiben muß, während der Rest dareingehen mag. Pfiffige Gegner meinten
wohl der Theorie z. B. von den Schutzfärbungen damit ein Bein stellen
zu können, daß sie nachwiesen, kein Schutz derart wirke unter allen
Umständen sicher. Weismann hat darauf aber schon vor Jahr und Tag
geantwortet, solcher absolute Schutz sei auch gar nicht der Zweck;
bei ihm stürze der ganze Naturhaushalt ein; soundso viel Prozent etwa
rinden- oder blattähnlicher Insekten müßten trotzdem den andern zum
Opfer fallen, dieser Überschuß könne aber entbehrt werden, wenn nur ein
gewisser Stamm oder eiserner Bestand durch den Schutz davon komme; in
der Tat ist mir keine einzige absolut wirkende Schutzanpassung bekannt.

Erwägt man aber das, so sieht man auf eine neue Möglichkeit.
Schließlich hätte sich auch hier bei den Arten am Ende alles viel
friedlicher regulieren lassen. Auf Grund dessen, daß ja doch auch
hier zuletzt nur ein gegenseitiges Unterstützungsverhältnis vorliegt.
Wenn nun der besagte „Überschuß“ allgemein _freiwillig_ abgegeben
worden wäre? Vielleicht hätte er nicht immer durch den Tod ganzer
Individuen mit allen Schrecken eines solchen zu gehen brauchen.
Jeder einzelne hätte bereits ohne Lebensgefahr seinen Teil Überschuß
abgeben können, etwa wie auf jener friedlichen Seite die Mutter Blut
oder Milch an ihre Jungen wendet, ohne daß diese Jungen sie deshalb
auffressen müßten. Dabei konnte die allgemeine Gegenseitigkeit der
Überschußnutzung vielleicht noch schärfer herausgearbeitet werden,
indem eine Art etwa geradeso viel Überschuß von der andern übernahm,
wie sie selbst gewährte. Solche Arten hätten ihre Waffen gegeneinander
abschaffen und gegen den gemeinsamen Feind in den äußeren Verhältnissen
richten können, dort sich mit dem unterstützend, was sie hier sparten.
So hätten sich Schutzverbände aufrichten können auch zwischen
Gattungen, Klassen, Reichen, die auf niederen Stufen vielleicht
wieder zu körperlichen Verwachsungen führten, auf höheren zu freier
Angliederung, wo jeder so weit selbständig blieb, aber zugleich mit
dem andern auf ~do ut des~ (Geben und dafür Nehmen) friedlich in
Geschäftsanschluß stand. Bis zu dem letzten Ideal einer vollkommen auf
Austausch und Arbeitsteilung unter sich geeinigten Lebenswelt, die sich
nun mit ganzer Kraft in immer weiter gehender Eroberung und Anpassung
mit den großen Elementargewalten dieser Erde auseinanderzusetzen hätte.
Man braucht die Dinge durchaus nicht sentimental anzusehen, um sich
doch auch hier einen großen Vorteil denken zu können.

Nun, wir wissen, daß das in _solchem_ Umfange _nicht_ erfüllt ist.
Der Kampf beherrscht tatsächlich im weitesten Maße das Artbild, wie
es vor uns steht. Ob die Natur trotz ihrer geologischen Jahrmillionen
nicht Zeit fand, auch hier die friedliche Regelung durchzusetzen?
Ob eine gewisse zentrifugale Zersplitterung auf gewisser Breite des
Lebens zu stark widersprach? Das organische Leben auf Erden hat ja von
Beginn an wohl zweifellos eine Einheitstendenz gehabt, von gemeinsamem
Urzustand her und innerster Gleichartigkeit. Aber daneben muß sich
auch eine Art zentrifugaler Bewegung früh schon in ihm geltend gemacht
haben, die sozusagen atomistisch auseinander trieb, und ihr Hauptwerk
steht ja eben in der Verschiedenheit der Arten vor Augen; möglich
also, daß grade hier zunächst zuviel entgegenstand. Oder war (hier lag
wohl Darwins eigene Meinung) auch hier zunächst noch ein Teil grober
Individuenauslese zur Stählung des Ganzen im Kampf eingeschaltet,
die nicht so rasch in allgemeine Verbandsauslese umgeschaltet werden
konnte? Doch verirren wir uns nicht in letzte Gründe, wie sie
einstweilen in all diesen Lebensfragen (auch mit Darwin) problematisch
bleiben, und halten uns weiter an das sichtbare Wirklichkeitsbild.
So wäre immerhin im Sinne des Gesagten jetzt _möglich_, daß aus ihm
_einzelne_ Beispiele auch dieses Artfriedensschlusses sich im Laufe der
Zeiten losgerungen hätten an Stellen, wo doch die höhere Nützlichkeit
schon entscheidend einmal überwog. Und hier jetzt wäre etwa der Punkt,
wo wir auch ein solches Symbiosebeispiel ohne Zwang und ganz nüchtern
mitten aus dem Darwinbilde, gewissermaßen, um das Wort zu wiederholen,
aus der großen „Maschine“ Darwins selbst, verstehen würden. Wir würden
verstehen, daß, wie die Dinge einmal liegen, seine Anfänge sich
zunächst mitten im härtesten Kampf selber zeigten, an diesen Kampf
irgendwie anknüpfend wie ein Teil von ihm, -- daß aber dieser Kampf
irgendeinen zuerst kleinen Anlaß und Ausweg geboten hätte, -- daß dann
die Maschine der größeren Nützlichkeit auch hier eingesetzt und in eine
Linie getrieben hätte, die tatsächlich aus dem Kampf fort und in den
genossenschaftlichen Frieden hineinführte. Weil eben doch hinter dem
ganzen Kampfe beständig latent die Möglichkeit eines Friedensschlusses
als höhere Instanz im Sinne des Gesagten gestanden hätte...

Suchen wir uns das jetzt an ein paar einfachen Beispielen, zunächst
mitten aus dem Kampfe selbst entnommen, zu vergegenwärtigen.

[Illustration: Abb. 4. Wegwespen mit ihrer Beute (Spinnen).]

Daß der Artenkampf heute noch im weitesten Umfange tobt, dafür braucht
es als Zeugnis nur eines einzigen Kreuzspinnennetzes etwa mit seinen
Schlachtopfern. An sich, als Kampffalle, ist solches Spinnennetz ja
ein Wunderding. In jedesmal unendlicher Feinarbeit hat die Spinne
erst ein Fadendreieck hergestellt, dann ein Viereck eingesetzt, in
ihm Speichen gezogen und zuletzt über diese Speichen eine riesige
Spirale aus Klebfäden gerollt. An einer Stelle des Ganzen lauert sie,
bis eine Erschütterung in der Spirale sie wie mit einem Klingelzug
benachrichtigt; nun fährt sie ein, packt das angeklebt sich sträubende
Insekt, knebelt es in raschem Herumwirbeln ganz, tötet es durch Giftbiß
und verzehrt es, indem sie eigenen Magensaft in den Leib des Opfers
ergießt und den so vorverdauten Inhalt aufsaugt. Alle diese sinnreichen
Dinge aber dienen nur dem Schlächterhandwerk. Kein Zweifel: hier ist
reiner Kampf ohne Gnade; das Opfer, um verzehrt zu werden, wird gepackt
und augenblicklich ganz zerstört. Der gleiche Kampf bietet aber nun
auch ein Bild, wo es gelegentlich der Spinne selbst an den Kragen
geht. Auf unsern Waldpfaden kann man die bekannten muntern Wegwespen
(Abb. 4) beobachten, wie sie dicke Kreuzspinnen mit ihrem Giftstachel
geschickt ins Bauchmark stechen und die so gelähmten in ihre Nesthöhlen
schleppen, wo das wehrlose Opfer in einer Art Narkose oder Scheintod
so lange liegen und warten muß, bis die junge Wespenlarve auskriecht
und es wie eine Proviantwurst bei lebendigem Leibe auffrißt. Fabre hat,
wie man weiß, anziehend von der Treffsicherheit solchen vorläufigen
Stichs zu erzählen gewußt, und M. Müller hat gelegentlich festgestellt,
daß die unglückliche Spinne über 70 Tage so in Lähmung, aber immer
noch lebend, liegen kann. Man könnte sich aber vielleicht eine noch
sinnreichere Methode denken, bei der das Ei unmittelbar in die Spinne
selbst gelegt würde, die dann frei herumlaufen könnte und doch den
Tod mit sich trüge. Und auch das machen Schlupfwespen mit gewissen
Raupen vor (Abb. 5). Die Schmetterlingsraupen werden mit Wespeneiern
bestiftet, die erst nach einiger Zeit in ihnen auskommen. Die Raupen
leben eine Weile noch hin, als sei nichts geschehen, und mästen sich
weiter wie kleine Fettschweinchen, die Schlächter aber sitzen ihnen
im Leibe. Eines Tages kriechen die Larven auch hier aus und beginnen
von innen zu fressen. Kommen die Raupen noch zur Verpuppung, so werden
die Puppen leer gefressen und die Wespenpuppen treten an Stelle ihres
Inhalts. Vollzieht sich das Verhängnis bereits in der Raupe, so wird
berichtet, daß die Fresser anfangs noch die edleren Teile des Opfers
schonen, um möglichst lange Profit von seinem Leben zu haben, und sogar
ihre eigenen Exkremente unterdrücken, um ihr Mastschweinchen nicht vor
der Zeit zu vergiften. Und erst wenn sie selber zur Verpuppung reif
sind, durchlöchern sie rücksichtslos die Haut der entkräfteten Raupe,
die nun unter letzten Qualen abstirbt. Die ausquellenden flockigen
Wespenkokons an der vertrockneten Haut sind dann die „Raupeneier“ des
Volksglaubens, es handelt sich aber, wie man sieht, um einen weit
grausigeren Vorgang, als bloß eine normale Geburt wäre.

[Illustration: Abb. 5. Raupe eines Spinners, aus der sich die
ausgewachsenen Larven einer Schlupfwespe hervorbohren, um sich zu
verspinnen.]

Bei diesen letzten Beispielen, die an sich ebenfalls kraß im Kampf
verharren, erscheint doch, wie man beachten möge, schon ein feiner
Unterschied. Auf der einen Seite schlägt der Raupenfall ausgesprochen
in jene engere Kampfesart, die wir schon beim Bandwurm erwähnten: der
Schlächter oder Fresser mietet sich unmittelbar im Opfer selbst ein.
Lange ehe das Wort Symbiose geschaffen wurde, hat man das bereits
gewohnheitsmäßig als „Parasitismus“ bezeichnet. Der Parasitismus ist
offenbar von früh an eine der allererfolgreichsten Kampfesformen
gewesen, denn seine Beispiele dort sind Legion, -- von der bösen
~Cuscuta~, dem Teufelszwirn, der sich wie ein Polyp an andere Pflanzen
saugt, die eigene Wurzel aufgibt und dafür mit gierigen Freßmäulern in
Gestalt eingesenkter Zellbündel den fremden Pflanzenleib durchwühlt
und ausnutzt, -- bis zu einem so hochentwickelten Tier wie noch dem
Fisch Neunauge, das als Inger Dorschen oder Butten unter den Bauch
kriecht, die Haut durchraspelt, dann (man versteht, unter was für
Qualen für das Opfer) mit ganzer Person einschlüpft und das Innere
ausräumt. Eben dieser Parasitismus stellt aber zwischen Vernichter
und Beute ganz von selbst ein näheres Verhältnis her in dem Sinne,
daß sich dieser Vernichter zunächst noch eine Weile mit dem noch
_lebenden_ Opfer beschäftigen muß. Er muß so lange mit ihm hausen,
sich seinen eigenen Gewohnheiten anpassen, in eine tatsächliche kurze
Lebensgemeinschaft mit ihm treten, wenn auch eine im letzten Zweck
feindliche. Damit verknüpft sich aber alsbald ein zweites. Bei der
Spinne als lebendiger Dauerwurst wie bei der Raupe als Fettschweinchen
gewinnt der Schlächter im Banne der Naturzüchtung ein Interesse,
sein Schlachttier vorübergehend (wenn auch mit bösester Endabsicht)
in diesem Leben selber noch zu _schonen_, ja Mittel und Wege seiner
zeitweisen Lebens_erhaltung_ von sich aus zu suchen, -- wie das ja
besonders in der bloß narkotisierten Spinne hervortritt. Ein Schritt
nur scheint es, daß das Opfer auch schon so lange gradezu geschützt,
daß es mit verteidigt würde. Dazu aber nun ein weiteres Exempel.

[Illustration: Abb. 6. ~A~ Bernsteinschnecke auf Pflanzenblatt
mit sogenanntem ~Leucochloridium~ (in die Fühler einwachsenden
Keimschläuchen eines Wurmes, die Vögel zum Abreißen und Fressen
animieren). Natürl. Größe. Nach Loos, ~B~ Das ganze aus der Schnecke
herauspräparierte ~Leucochloridium~. Dreifache Vergr. Nach Vosseler.]

Auf unsern Sumpfwiesen leben die kleinen Bernsteinschnecken, die mit
ihrer Blätternahrung öfter die Brut eines Saugwurms, des ~Urogonimus
macrostomus~, verschlucken und damit solchen lebenden Wurm als
Parasiten in den Leib bekommen. Dieser Wurm hat aber nicht den Trieb,
die Schnecke selbst innerlich auszufressen, sondern er erwartet, daß
sie von einem Vogel, etwa einem Rotkehlchen, gefressen werde, worauf
er im Vogeldarm wirklich bandwurmhaft saugen kann. Dabei aber liegt es
ebensosehr in seinem Interesse, daß die Schnecke nicht bloß _einmal_
so gefressen werde, denn dann käme er jedesmal nur in einen Vogel,
während seine Kraft tatsächlich langt, in solcher Schnecke schon
mehrere Generationen aus sich hervorzutreiben, die für verschiedene
Vögel reichten. Zu dem Ende stellt er an der Schnecke das sogenannte
„Leucochloridium“ her, eines der wunderbarsten Gebilde des gesamten
Naturkampfs. Er treibt nämlich je einen wurstartigen Schlauch, mit
junger Brut gefüllt, in jeden der beiden Fühler der Schnecke, der
diesen Fühler prall zum riesigen Kolben ausweitet, der die bunten
Ringel und den Kopf einer fetten Insektenmade vortäuscht und sich auch
in entsprechenden Windungen an der Schnecke bewegt (Abb. 6). Die Vögel
reißen die Dinger in der Tat als vermeintliche Leckerbissen solcher Art
ab und verschlucken sie, so mit dem Wurm in dieser Generation gesegnet,
während die Schnecke im ganzen davonkommt und auf Grund erstaunlicher
eigener Lebenszähigkeit bald die Verstümmelung ersetzt, -- worauf
der Wurm bandwurmhaft sprossend ein neues Leucochloridium baut und
einen neuen Vogel mit einer neuen Keimfracht seines Volkes täuschend
belädt. Und so fort bis zum natürlichen Altersende von Schnecke und
Wurm. Inmitten der Gewaltsamkeit des Kampfes treten hier offenbar neue
lehrreiche Züge hervor. Einerseits bei der Schnecke selbst: sie opfert
immer nur, wenn schon unter Gewalt und Verlust, einen _Teil_ von sich
auf, kommt aber dafür im ganzen davon. Viel bedeutsamer aber noch ist
das Verhalten des Wurms. In seinem Vorteil liegt es, die Schnecke
zwar immer wieder zu einem Opfer zu nötigen, aber zugleich auch zum
Zweck der Wiederholung zu erhalten. So erzwingt er das Teilopfer,
rettet sie aber grade dadurch im ganzen; denn durch den befriedigenden
Lockbissen des Leucochloridiums werden offensichtlich soundso viel
herumstöbernde hungrige Vögel abgehalten, die Schnecke ganz aus ihrem
Hause herauszufressen. Recht besehen, tritt auch hier bereits ein
merkwürdiges _Wechsel_verhältnis beider Teile inmitten einer scheinbar
noch wüsten Kampfbrutalität und Ausnutzung in Kraft: der Parasit hat
Vorteil vom Opfer, aber auch dieses Opfer zieht jenseits aller Roheit
des Eingriffs einen überwiegenden Vorteil vom Parasiten, indem er ihm
sein Leben im ganzen verlängert und es gleichsam dazu erzieht, durch
Aufgabe eines mehr oder minder überschüssigen Teils das Ganze zu retten.

[Illustration: Abb. 7. weiblicher Bitterling (~Rhodeus amarus~), der
mit Hilfe seiner Legeröhre ein Ei in eine lebende Malermuschel (~Unio
pictorum~) legt.]

Wir betrachten aber noch einen Fall. Ein kleiner hübscher Fisch
unserer Gewässer aus der Verwandtschaft der Karpfen, der im
Hochzeitskleid vielfarbig schillernde Bitterling, praktiziert mit Hilfe
einer langen Legeröhre seine Eier sehr geschickt in die bekannten
Malermuscheln (Abb. 7), wo in den Kiemen des lebendigen Muscheltiers
die junge Fischbrut auskommt, -- im äußern Bilde also wie Wespe zu
Raupe, nur daß sich diesmal die Jungfischchen mit der geschützten
Wiege im Fremdtier begnügen und nachher gänzlich harmlos wieder
ausschwärmen, ohne an der Muschel selber gefressen zu haben. Umgekehrt
aber klammert sich die Jungbrut der Muschel, wenn sie ausgeschwärmt
ist, an erwachsene Bitterlinge oder in Ermangelung andere Fische und
läßt sich von ihnen eine Weile herumtragen, bis sie einen guten Fleck
zum dauernden Neuansiedeln findet, -- wobei von ihr immerhin etwas,
aber auch in der Regel harmlos, vom Fisch gezapft wird. Diesmal ist
man wirklich schon nahezu über die Wasserscheide zwischen Kampf und
Frieden hinaus. Man könnte fast versucht sein, von dem zu reden, was
ein ebenfalls älteres Forscherwort „Synökie“ genannt hat (von ~oikos~
griechisch Haus): einfaches indifferentes Sicheinmieten eines Wesens
bei einem andern ohne Schaden des Wirtes. So sitzen am Seestrande die
allbekannten kleinen weißen Seepocken (in Wahrheit seßhafte Krebschen
in ihren Kalkhäuschen) auf den blauen Miesmuscheln auf, sich selbst
zur Bequemlichkeit, für die Muschel indifferent. Oder es geht der
sogenannte Schiffshalterfisch mit einer Kopfscheibe gleichsam angeklebt
am Bauch großer Haifische oder auch der Menschenschiffe friedlich mit
als einem kostenlosen Fahrzeug zweiten Grades, das den kleinen „blinden
Passagier“ gar nicht merkt. Immerhin ist bei der Muschel am Bitterling,
wie gesagt, noch eine geringe Selbstschröpfung auch des Trägers da,
aber es wäre ein leichtes, auch sie noch friedlicher umzudenken in
der Weise eben jenes Schiffshalters, der nicht mehr an seinem Fisch
körperlich saugt, wohl aber gern von den äußeren Nahrungsabfällen
des Großen profitiert. Das Interessanteste aber ist wieder die
Gegenseitigkeit der Hilfe: dem Fisch bietet die Muschel Unterschlupf
und er selber ihr Fahrgelegenheit. Die Sache ist auch hier noch nicht
ganz rein, sozusagen noch verzettelt; die Muschel kann gelegentlich
auch andere Fische benutzen als den Bitterling wieder selbst; aber man
fühlt, wie rasch diesmal ein ganz mathematisch klappender Fall auf ~do
ut des~ unter weitestem Friedensanschluß sich durch etwas dramatische
Zusammenschiebung auf Orts- und Zeiteinheit herausdenken ließe. Wenn
aber jeder schließlich reinen Vorteil vom Domizil am andern hat: wie
nahe läge auch hier irgend eine Mitverteidigung dieses gastlichen
Domizils durch ihn selbst? Manche selbst winzigen Fischchen schirmen
wütig ihr Nest, z. B. die Stichlinge: hier ist das Nest die Muschel,
warum also nicht sie ebenfalls schützen, wovon dann sie selbst wieder
den Dank ihrer Patenschaft hätte? Fast wundert man sich, daß es im
Beispiel nicht wirklich schon so ist. Und selbst von den Muscheljungen
am Fisch (den „Glochidien“, wie man sie zu nennen pflegt) ließe sich
zur Not so etwas aussinnen, wenn man sieht, wie sich gelegentlich
solche Mollusken (z. B. viele Schnecken) mit allerhand Stink- und
Farbsäften (der bekannte Purpur ist nur solche Schutztinte), ja im
äußersten Falle sogar mit richtiger ausgespritzter Schwefelsäure,
die auch dem heftigsten Angreifer des Fischs nicht genehm sein
könnte, verteidigen. Friedensschluß, Gegenseitigkeit, synökische
Sitzgelegenheit für den Unrast und ebensolche Wandermöglichkeit für
einen Sitzer, Nährabfall als bequemster Überschuß ohne Teilverlust am
Leibe selbst, Waffenaustausch: -- mit diesen Einzelstücken können wir
uns aber jetzt schon folgende Geschichte fast ganz aufbauen, soviel
eigene Besonderheit sie im üppigen Proteusspiel der Natur wieder haben
mag.

Jene Säureschnecken (es sind besonders die großen Tritonen, die so
Seeigel wie mit chemischen Stichflammen in ihrem Stachelpanzer
anbrennen und zersetzen) dürfen uns an ein anderes Tiervolk mit
allgemein solchem ähnlichen Höllenapparat erinnern. Das war ja eine
der schauerlichsten Vorstellungen alter Sage: der Lindwurm, der gegen
seinen Siegfried rotes Feuer spie, -- eine Vorstellung, bei der ich
in diesem Falle übrigens immer an die flammrote vorgeschnellte Zunge
unserer heute noch großen und einst in junger geologischer Zeit
riesigen Waraneidechsen habe denken müssen. Wenn auch nicht mit solchem
echten Feuer, so doch mit Ätzhauch zu arbeiten, ist aber wieder eine
wirkliche uralte Kampfpraxis der Natur. Der Bombardierkäfer macht
Angriffe mit knallender Salpetersäure, unsere roten Waldameisen gehen
mit hohen Garben Ameisensäure vor. In den kanülenhaft durchbohrten
und bei Berührung oben abbrechenden Schutzhaaren der Brennessel
wird das zum richtigen Giftdolch, in den Brenngift einfließt, und
wieder dessen tierischer Gipfel ist der ähnlich hohle und von
Giftspeichel durchströmte Mordzahn der Viper. Eng an die Brennessel
knüpfen zunächst nun als Naturtechniker ersten Ranges auf diesem
Gebiet auch die unmittelbar so genannten Nesseltiere (Cnidarien vom
griechischen Wort für Nessel) an, als Stamm auch als Cölenteraten und
Pflanzentiere, im engeren volkstümlicher als „Polypen“ bezeichnet,
wobei aber nicht der Polyp als Tintenfisch (der zu den Mollusken
zählt), sondern etwa unser kleiner grüner Süßwasserpolyp, die Hydra,
oder, im Anschluß daran, alle Seerosen, Korallen und Genossen, sowie
die auch wieder da hinein eng verschwisterten Quallen oder Medusen
gemeint sind. Die meisten dieser Polypentiere führen trotz echter
Tiernatur doch noch wieder ein pflanzenhaft seßhaftes Leben, und auch
die zwar frei schwimmenden Quallen (die ursprünglich übrigens alle
nur zeitweise zu Geschlechtszwecken abgelöste Sitzpolypen darstellen)
haben bei schutzlos weichem, größtenteils wasserdurchsetztem
Körper nur erst äußerst mangelhafte Selbstbestimmung. So taten
hier brennesselhafte Wehr- und Lähmwaffen besonders not, die bei
Fremdberührung gewissermaßen einen geheimen Zauberbann um die zarte
tierische Blüte zogen und in denen das einfache Nesselprinzip sich
dann mit dem Explosionsprinzip vereinigte. Auch diese Explosion,
allerdings die nicht feurige, kalte, ist ja eine alte Naturtechnik:
die wilde Balsamine, das „Kräutchen-rühr-mich-nicht-an“ unserer
Wälder, streut schon durch Spiralfederschuß seiner Schoten bei
Berührung seine Samenkörner herum, und die italienische Vexiergurke
schleudert durch eine ähnliche innere Federmechanik beim Abbrechen dem
Nichtsahnenden ihren ganzen Ekelinhalt weithin ins Gesicht. Am Polypen-
und Quallenkörper aber sitzen durchweg ungeheure Massen winziger
Kapseln, von denen jede eine Art solchen kleinen, aber mit Brennstoff
zugleich geladenen Explosivkörpers darstellt, bereit, ebenfalls
bei der Berührung oder schon bloßen Annäherung eines feindlichen
Fremdkörpers auf ein Nervenzeichen hin mit aller Wucht zu explodieren.
In zusammenfassendem Bilde (die Einzelmethoden schwanken je nach der
Art) kann der Hergang etwa so beschrieben werden, daß auf irgend einen
gröberen oder feinen, mechanischen oder chemischen Nervenreiz hin
auf der Spitze der Kapsel ein Deckelchen sich lüftet, worauf Wasser
(alles spielt sich ja im Wasser ab) in das Innere eindringt und dort
eine quellbare Gallertsubstanz zur elastischen Explosion bringt;
dadurch wird ein handschuhfingerartig hineingestülpter Schlauch mit
voller Gewalt ausgekrempelt und ausgestoßen, mit scharfen Dornen in
die Haut des Angreifers eingebohrt und nachgeschoben, während sich
gleichzeitig aus seinem Innern die konzentrierteste Brennflüssigkeit
in die Wunde ergießt. Die Verletzung ist höchst unangenehm, wie
vielleicht im kleinen mancher Leser aus dem Zusammentreffen mit einer
gewöhnlichen Qualle im Seebade weiß. Es gibt aber Riesenquallen
und große schwimmende Quallenkolonien (z. B. Physalia), die nackte
Schwimmer auf Tod und Leben so verbrennen können. Vielfach werden
die Giftkapseln von besonderen Sammelstellen entsandt, oder sie
können auch selber noch einmal an langen, über und über gespickten
Schleuderlassos sitzen, und ihre Macht ist einzeln furchtbar genug,
sich spielend selbst durch den harten Panzer eines Krebses zu ätzen. Wo
die Polypen- oder Quallentiere, wie es in diesem Reiche häufig Brauch,
zu größeren Familiengenossenschaften mit Arbeitsteilung der Geschwister
zusammenhalten, da tritt auch diese Verteidigung sinnreich in den
Verbandsdienst, indem sie besonderen Soldaten in der Kolonie einseitig
anvertraut wird. In vielköpfigem Gewimmel sitzt in solchem Falle etwa
ein Polypenvolk von in sich gleicher Art auf irgendeiner Unterlage
beisammen, alle auf diesem Fundament noch einmal durch ein besonderes
Wurzelgeflecht mit Kanalanschluß körperlich verknüpft. In diesem Kanal
wird eine gemeinsame Familiensuppe rund getrieben, die von einigen
besonders gierigen und maulbegabten „Freßpolypen“ für alle mit bereitet
wird. Daß aber das Ganze nicht von außen bedroht werde und zugleich
diesen „Familienmägen“ die nötigen Schlachtopfer zugewiesen werden
können, dafür sorgen in der sinnigen Berufsteilung die „Wehrpolypen“,
die, mit Kapseln wurfbereit ausgerüstet und gleichsam am ganzen eigenen
schlanken Leibe in solche Schleuderlassos verwandelt, ständig auf der
Lauer gegen Feinde oder zu lähmende unvorsichtige Beutetiere liegen.
Blumenschön und blumenhaft wehrlos, wie diese bunten, oft kristallhaft
durchsichtigen Nixenkinder in ihren Wassergründen erscheinen, bilden
sie doch mit dieser raffinierten Technik dort eine keineswegs zu
verachtende Großmacht des unteren Lebenskampfs.

Aber sonst leiden sie doch auch an mancherlei Übelständen der
Seßhaftigkeit. Vom freien Ortswechsel auf der Nahrungssuche, diesem
Obervorrecht sonst des Tieres, das doch nicht wirklich pflanzenhaft den
Boden am Fleck aussaugen kann, erscheint der Polyp, solange er sitzt,
leidig entfremdet. Wohl kann er seine Unterlage selbst gelegentlich
sinnreich verbessern, sich durch eigene mineralische Ausscheidung
sozusagen auf immer besseren Stuhl setzen, -- wie ja das hierher
gehörige üppige Tropenvolk der Korallen in vereinter Kraft seiner
Generationen durch solchen fort und fort nachwachsenden Kalkbau dem
Sinken eines ganzen Ozeanbodens Trotz zu bieten wagt. Dennoch müßte der
einzelnen Seerose oder solcher Polypenkolonie manchmal recht erwünscht
sein, wenn sie auch noch die Gabe des Märchens besäßen, den Fels, an
dem sie haften, nicht bloß aufwärts zu strecken, sondern wagerecht mit
ihnen fortkriechen zu machen. Und da mag es seit alters geschehen sein,
daß der Zufall nachhalf. Einzelne Kiesel, an die sich solche Seerose
im sonst schlecht faßbaren Schlick angeklammert, rollten im Flutspiel
ein Stück weit mit ihr dahin, oder ein leeres, leicht verschobenes
Schneckenhaus tat noch williger diesen passiven Dienst. Aber es geschah
auch, daß in diesem Haus von tierischer Arbeit noch die Erbauerin,
die Schnecke selbst, saß. Die Seerose war dann wieder Gast der
Hausbesitzerin in zunächst harmloser „Synökie“. Solcher Schnecke selbst
aber war nicht bloß zufälliger, sondern jederzeit selbstwilliger, wenn
auch langsamer Ortswechsel beschieden, bei dem sie alle Male jetzt den
blinden Passagier auf dem Dach ihrer schwerfälligen dicken Postkutsche
mitgehen ließ, oft jedenfalls neuen und besseren Fleischtöpfen zu,
die ja auch die Schnecke selbst, wenn sie zu den räuberischen ihrer
Sippe gehörte, aufsuchte. Noch heute beobachtet man vielfältig solche
Seerosen auf Schnecken, besonders den zur Anheftung hervorragend
geeigneten wulstigen Murexarten, zu denen die erwähnte sabbernde
echte Purpurschnecke gehört. Bereits im alten Fischbuch Gesners von
1558 finde ich solche von zwei Polypen berittene Purpurschnecke in
trefflichem Holzschnitt verewigt. Aber mit solchen Schneckenhäusern
hatte es da unten in der Nixentiefe noch eine besondere Bewandtnis.

Zu den leeren und den noch von der Meisterin selbst bewohnten Schalen
gibt es einen dritten, an sich auch allbekannten Möglichkeitsfall. Das
ist jetzt wieder ein großes Kapitel im Naturkampf: Tiere, die sich
selber mit Fremdmaterialien zweiter Hand verteidigen, anstatt bloß
mit eigenem Organ. So wirft der kleine Ameisenlöwe automatisch aus
seiner Grube mit Sand, und der Schützenfisch schießt nach Insekten
mit hochgeschnellten Wassertropfen. Immer hat diese Stufe etwas, das
bereits wie Vorspiel unserer menschlichen Werkzeugtechnik anmutet.
Hierher gehört aber auch, daß ein Tier in findigem Instinkt sich
den hinterlassenen Schutzpanzer eines andern zum eigenen Harnisch
überstülpt. Und daraus haben gewisse Krebse, Tiere mit verwickelten
Trieben wie auch nicht schlechter persönlicher Wahlintelligenz, bei
Schneckenhäusern seit alters eine Spezialität gemacht. Von grauen Tagen
an (die Spuren gehen wohl mindestens schon bis ins älteste Tertiär
der Erdgeschichte zurück) holt das Volk der Paguriden, der Bernhards-
oder Einsiedlerkrebse, sich durchweg solches leere Schneckenerbe,
stopft den Hinterleib hinein und nutzt den fremden Küraß noch zu dem
eigenen, wobei im Laufe der Dinge die Sitte bereits so fest geworden
ist, daß sie der findigen Diebsgesellen eigenen Körperbau beeinflußt,
den natürlichen Panzer wenigstens an dem so „hinten im Faß“ verwahrten
Hinterteil als Ballast beseitigt und das Krebsende zugleich selber
schneckenhaft in der Achse gedreht hat.

Auch auf solchen Fremdschalen mit Krebsinvasion aber siedelten sich
Polypen und Polypenkolonien an. Und da sieht man denn auf den ersten
Blick: das mußte doch noch wieder bedeutsam Neues hinzubringen. Der
Krebs läuft trotz und mit der Huckepackschale immer noch gar viel
behender als der Schneck, muß also seine blinden Passagiere, die er
mit der Fremdkutsche übernommen, noch ganz anders zu ihrem Gewinn
herumschütteln. Aber solcher Krebs ist auch, abgesehen vom Laufen,
ein ganz anders unruhiger Geselle, immerzu strudelt er mit Beinen
und Kiefern im Grundmoder herum, wühlt alle Sorten Stoff durch und
durch, wirft herauf und auseinander, und als noch wilderer Räuber lebt
er sozusagen auf Schritt und Tritt im Schlachthause, packt, zerbeißt
und hackt, was er nur kriegen kann, daß die Abfallfetzen nur so
fliegen. Hat das Polypenvolk also gelegentlich schon von der Schnecke
nicht bloß als Kutsche zum Wirtshaus profitiert, sondern unmittelbar
etwas Kriegskost mit abbekommen, so muß sich das hier gradezu zum
Hauptnutzen steigern. Immer mehr kann der „Storch auf dem Dach“ da
selber gebrauchen gleich den aufräumenden Marabus in unsern indischen
Menschenstädten, und zuletzt ist ihm die Ortsbewegung wirklich fast
gleichgültig gegen den Krebs in Person, der ihn, wo immer er Mittag
hält, ohne Absicht aus den Brosamen seines Reichtums selber mitfüttert.
Man versteht, daß Polypen auf Schalen mit solchen Bernhardskrebsen
allmählich fetter wuchsen als irgendwo sonst, und daß also die
Naturzüchtung (wie immer man sich im einzelnen nun deren Wege denken
mag) grade solche Bewohnung als „Synökie“ mit freier Kost obenein
auch in ihren Trieben begünstigen und die Polypen zum lebhafteren
Anschlußbedürfnis grade hier herüber drängen mußte. Wie einfach war
aber dann wieder eine weitere Logik.

Solcher Krebs ist gewiß ein verwegener Kerl, der es als reisiger
Kriegsmann mit manchem aufnimmt. Aber auch er hat doch Feinde, die
ihm „über“ sind, größere seines Volks, wehrhafte Beißer unter den
Fischen, die wilden „Kraken“ oder Tintenfische, die auch schon bei
kleinem Kaliber eine tyrannische Macht üben in den Jagdgründen da
unten. Um sich dagegen zu schützen, hat sich der Einsiedler ja schon
den steinharten Fremdharnisch der Schnecke selbst übergezogen, in den
er sich nötigenfalls völlig zurückzuziehen, ja den er durch kunstvoll
in der Öffnung gekreuzte Scheren oft wunderbar noch zu sperren weiß.
Aber der ganz geschickte Gegner versteht es doch das eine- oder
anderemal, ihn auch in dieser Festung zur Übergabe zu zwingen, wobei
es dann keinen Pardon gibt. Da aber mußte es soundso oft ganz von
selber auch geschehen, daß der böse Feind unversehens den aufsitzenden
Polypen zu nahe kam. Und gereizt schnurrte alsbald deren ganzer eigener
Schutzapparat ab: es hagelte plötzlich von der einzelnen Seerose oder
den Soldaten des Polypengärtleins da oben Explosivkapseln dem Fisch
oder Tintenfisch auf den Kopf, daß ihm Hören und Sehen verging und er
in vielen Fällen nun doch noch jammervoll Reißaus nahm, also daß der
bedrängte Krebs wunderbar wieder Luft bekam. Die Sache entwickelte
eine neue Seite auch für den Krebs selbst! Der gleichgültige „Synöke“
da oben brachte ihm im Wechselspiel selber einen Gewinn: nämlich
noch eine sehr wirksame Hilfsverteidigung. Das „Dach mit Storchnest“
erwies sich als wesentlich wertvoller als das einfache Dach. Und
abermals begreift man, wie auch dieser Vorteil nach Tierbrauch sich
allmählich in festem Trieb gleichsam anlegen mußte, der, wie er den
Polypen Schneckenhäusern mit Krebsen darin geneigter machte, so im
Krebsinstinkt Schneckenhäuser mit Polypen darauf begünstigte.

Auf dieser einfachen logischen Basis gewahren wir nun ein gegebenes
Bild, das wieder schon früh den Beobachtern am Meeresstrande sich
aufdrängte, ohne ihnen doch gleich so verständlich zu werden. In Menge
sehen wir verschiedene Bernhardinerarten Polypen herumschleppen, als
müßte es so sein. Bald sitzt eine große einzelne Seerose, riesig
im Verhältnis wie ein prunkvoller Federschmuck, auf der erbeuteten
Rüstung, bald drängen sich dort sogar mehrere, gleich bunten Schirmen
entfaltet schwebend oder auch einer fetten Schwarte ähnlich den ganzen
Harnisch noch einmal umklammernd. Sagartia- und Adamsia-Arten kommen
in unseren Gewässern so besonders in Betracht. Oder das ganze hängende
Gärtlein der Semiramis ist in Gestalt solcher auf Arbeitsteilung
vereinten polypischen Geschwisterkolonie dem Dach eingebaut
(Hydractinia und Podocoryne).

[Illustration: Abb. 8. Symbiose von Seeanemonen (~Sagartia parasitica~)
mit einem Einsiedlerkrebs (~Pagurus striatus~), zwei davon geschlossen
mit ausgestoßenen Akontien. Zum Teil nach Faurot in Hesse-Doflein,
Tierbau und Tierleben, Bd. ~II~.]

Betrachtet man aber genauer das Verhältnis, so merkt man alsbald,
wie die allgemeinen Anschlußtriebe beider Parteien innerhalb dieser
geläufigsten Typen bereits stufenweise Steigerung erfahren haben.
Die schon häufig getragene ~Sagartia parasitica~ (früher wohl auch
als die Adamsia des Rondeletius bezeichnet, Abb. 8), eine große, wie
eine Sommerhose braun und weiß gestreifte Seerose, die manchmal bis
zu sieben Mann hoch auf der gleichen Krebsklause stolz gleich den
Haimonskindern der Sage reitet, führt doch noch ein halb selbständiges
Leben, erst in ihrer Reife sorgt sie sich um einen Krebs, die
verschiedensten Klausner sind ihr aber eben recht, und wenn’s sein muß,
kann sie auch ohne einen bleiben, so wie auch die Eremiten selber ihrer
nicht unbedingt benötigen zum Lebensglück. Das vertritt offensichtlich
noch eine ältere, losere Stufe. Aber bereits die echte ~Adamsia~, die
der Tierkundige die ~palliata~, die „mantelhafte“, nennt, kennt es
nicht mehr anders, als daß sie schon von früher Jugend an mit ihrem
schön bunten, oft prächtig weiß mit rosa geäugten Mantelleibe stets
ein und dieselbe Krebsart, den ~Eupagurus Prideauxi~, beglückt, den
man sich denn auch seinerseits gar nicht mehr ohne sie vorstellen
kann. Und ebenso blühen gewisse hängende Koloniegärtchen, wie jene
Podocoryne, allemal auf bestimmtem Krebs, und der Krebs lauert nur
unter ihnen wie der zugehörige Drache ihres kleinen Paradieses, der
allerdings selber noch von dem feurigen Engelsschwert dieses Paradieses
profitiert. Hier muß schon längst alles im eingefahrenen Geleise
laufen über jede zufällige Gelegenheit hinaus. Und damit ja kein
Zweifel bleibe, entdecken wir diesmal auch schon körperliche Folgen des
Daueranschlusses selbst. Die Anpassung mit ihrer großen ausgleichenden
Maschine hat eingesetzt, indem sie zunächst den Polypenleib noch
enger auf den neuen geselligen Nutzzweck zurechtschneiderte. Jene
Adamsia heißt nicht umsonst die mit dem Pallium, die mantelartige.
Sie hat die sonst so stolz nach oben blühende Rose ihres Körpers
abgeschafft zugunsten einer Art derber Knospe, die mantelhaft von
unten her das Schneckenhaus des Krebses umgreift. Sie umgreift es
aber von unten, weil so ihr ehemaliger oberer Rosenmund unmittelbar
hinter dem Krebsmund, wie er abwärts geneigt aus der Schnecke kommt,
sich einstellen, den Abfall des Krebsmahls aus erster Quelle fassen
oder wohl gleich am Krebsbissen mitfressen kann, etwa wie ein junges
Äffchen, das der Mutter unter dem Leibe hängt und der Alten listig
ab und zu etwas vom Munde fortstiehlt, grade da sie es sich selber
zu Gemüte führen will. Dabei zeigt aber eben solche Adamsia noch
ein Besonderes. Sie versteht nämlich, zu kurze Schneckenhäuser auf
dem Krebs selbsttätig durch Abscheidung horniger Substanzen vorne
anzulängen, als wachse die tote Schnecke gespenstisch noch weiter.
Die alte felsbildende Kraft des Polypenstammes scheint noch einmal
in ihr aufgelebt. Dem Krebs aber ist auch das von entschiedenem
Nutzen. Als kleiner Kerl hat er schon solches Schneckenhaus, damals
doch natürlich ein entsprechend kleines, bezogen. Wenn er nun wächst,
muß er öfter ausziehen, ein neues, größeres suchen. Wie hübsch aber,
wenn das Haus selber eine Möglichkeit zeigt, über ihm zu wachsen.
Ganz wird’s ja nicht gehen, zuletzt wird er doch noch einmal wechseln
müssen, immerhin ist’s schon Gewinn, wenn ein zu kleines Dach nur
noch etwas länger brauchbar bleibt. Und man versteht, daß der Polyp
hier auch auf des Krebses Organisation rückwirken mußte: er kann sich
mit kleineren Häusern und weniger Häusern behelfen, ja man könnte
sich denken, daß er unter Umständen gar kein echtes Schneckenhaus
mehr brauchte, sofern ihm der Polyp nur selber eines auf den Leib
mißt. Und bei den hängenden Gärtlein jener ganz mitgeschleppten
Polypenkolonien geschieht’s wirklich so: da zersetzt der Dachgarten
zuletzt die echte Schneckenhülse, baut aber dafür im gleichen Schritt
einen solchen eigenen hörnernen Schutzsack ganz zwischen Krebs und
sich ein, der genügt und zugleich den Gewinn des eigenen Nachwachsens
bringt. Solcher Ganzersatz ist dann wieder besonders wertvoll in der
Tiefsee geworden, wo die gehäufte Kohlensäure ohnehin den Schneckenkalk
angreift und fremde Kalkhäuser zum Wechseln selten macht. Unsere
deutsche Valdivia-Expedition hat aus dem südatlantischen Ozean von
einer Bank in nicht ganz 1000 ~m~ Tiefe zahllose Einsiedlerkrebse
gezogen, deren Körper von großen rosettenförmig angeordneten violetten
Seerosen bis zu einem Dutzend an der Zahl besetzt waren; mit unten
verknüpften Leibeshöhlen stellten auch diese Polypen eine Art Kolonie
dar, in deren knorpelharter Grundmasse der Schneckenhauskalk bis auf
den ursprünglichen Hornbelag völlig aufgelöst erschien, während der
einfache derbe Knorpelsack dem Krebs allein genügenden Hinterhalt bot.
Daß der Krebs so auch die Tiefsee bestehen konnte, bedeutete auch ihm
aber wieder eine beträchtliche Erweiterung seines Lebenshorizonts.

Nun mag ja solcher Zug zum eigenen Ersatzfels von gewissen Polypen
auch hier bereits mitgebracht worden sein, als sie zum Krebs kamen,
-- wie er denn bei den hängenden Gärtchen den Kolonieverband selber
als Grundrost vermitteln hilft und auch in eigenen Brustwehrspitzen,
gleichsam zackigen Zinnen über der Kolonie, für die Deckung der zarten
Persönchen auf rollender Unterlage verwertet wird. Aber bei der
Adamsia sieht’s doch auch wie etwas Neues zum Zweck aus, und dieser
Zweck scheint nicht bloß mit eigenem Bessersitzen und Stühlchenrücken
zum gemeinsamen Tisch erschöpft, sondern die körperliche Änderung
des Polypen scheint hier bereits auf _den Nutzen des Krebses selbst_
zu zielen als abermals neue Stufe. Und das jetzt wieder finden
wir unzweideutig durchgeführt bei den Verteidigungskapseln der
Polypenpartei.

[Illustration: Abb. 9. Der Einsiedlerkrebs ~Eupagurus constans~.
Sein Gehäuse wurde auf Unterlage eines Schneckenhauses von einer
Polypenkolonie (~Hydractinia~) erbaut. Zum Teil nach Hesse-Doflein,
Tierbau und Tierleben. Bd. ~II~.]

Wir sahen, wie sie dem Krebs entscheidend mithalfen, zunächst schon
sozusagen rein zufällig, -- wie der Blitz den mittrifft, der sich
unvorsichtig unter den Baum setzt. Im enger werdenden Anschluß versteht
man dann, daß die Kapselwaffen sich oben wohl verstärken mußten, da
sie fortan mit ziemlicher Regel durch zwei Feinde, neben eigenen auch
noch die des Krebses, zur Reizung kamen. Bei all den krebsreitenden
Einzelrosen treten also neben den gewöhnlichen Hautkapseln noch jene
schon erwähnten, mit Millionen von Explosionskapseln gespickten
Schleuderlassos in wirksamster Form auf, lange Fäden, Akontien (vgl.
Abb. 8), zu deutsch Wurfspieße, genannt, die durch das Mundtor oder
besondere kleine Leibesschießscharten entsandt und dem Angreifer
weithin auf den Pelz gebrannt werden können. Die Einschaltung mag dabei
ein interessantes Naturbild geben, daß ein einziger Seerosenfangarm
unter Umständen 43 Millionen einzelner Kapseln führen kann, was bei 150
vorhandenen Armen die hübsche Summe von 6000 Millionen verfügbarer
Geschosse in solchem ätherischen Blumenkind vermeintlicher Unschuld
ergibt. Schon vor langen Jahren hat Eisig im schönen Neapeler Aquarium
die Grundbeobachtung gemacht, wie eine solche Seerose mit besonderen
Akontien einen großen bösen Oktopus, also einen Tintenfisch, der
den Krebs vermittelst eines seiner langen Schröpfkopfarme aus dem
Schneckenhaus ziehen wollte, wie ein Feinschmecker bei uns eine leckere
gekochte Weinbergschnecke auswickelt, in jähe Flucht und vorsichtige
Fernbetrachtung trieb. Aber die Umwandlung ist nicht bei dieser
einfachen Verstärkung stehen geblieben.

[Illustration: Abb. 10. Randstück einer Polypenkolonie (~Hydractinia~)
auf einem Schneckenhause. Vorne gekrümmte Wehrpolypen, dahinter und
an den Skelettstacheln Freßpolypen. Stark vergrößert. Unter Benutzung
eines Originals von Stechow in Hesse-Doflein, Tierbau und Tierleben.
Bd. ~II~.]

Bei den Nixengärtchen der Podocoryne und Hydractinia tritt die
Anordnung der Kolonie ausgesprochen vom eigenen Schutz _zum
Krebsschutz_ über (Abb. 9 u. 10). Jene besonderen kapselgespickten
Wehrpolypen, die hier die Akontien der Einzelrose gleichsam
genossenschaftlich mit ganzer Person wiederholen, setzen sich nämlich
sämtlich genau über den oberen offenen Rand der Schneckenhöhle,
also sozusagen auf die Logenbrüstung unmittelbar über dem Parkett
das der Krebs innehat, -- die denkbar geeignetste Stellung zur
Krebsverteidigung als Erstzweck. Untätig lassen sie wie Troddeln
gleichsam ihre Beine auf den Krebs herabbaumeln oder bei ganz
eingezogener Lage des Krebses vorweg pendeln, oder sie stehen auch,
spiralig gerollt, sprungbereit auf dem Anstand: sobald aber ein
Verdächtiges gegen den Krebs anrückt, schlagen sie (wie Weismann
berichtet) „alle wie auf ein gegebenes Signal gleichzeitig von oben
nach unten und wiederholen das drei- bis viermal“. Bei künstlichen
Versuchen soll man die Eruption (auch nach Weismann) schon durch
einfaches kräftiges Heranstrudeln von Wasser hervorlocken können, das
offenbar bereits als Annäherung eines Feindes selbst genommen wird,
-- ein Beweis, wie automatisch die eigentliche Technik auch hier noch
läuft. Die Polypentierchen sehen ja selber in Ermangelung echter
Augen weder ihren Krebs noch seine Feinde, sie reagieren nur auf ein
allgemein Nichtgeheures, das unter großem Wasseraufruhr von vorne
und in der Richtung nach unten ins Parkett hinein naht. Aber eben
dieses von vorne und nach unten umschließt schon den „Krebsblick“ auch
dieser dunkel tappenden Tast- oder sonst irgendwie Fühlgeister als
das Entscheidende, -- den Krebsschutz als Ziel. Und alsbald sehen wir
weiter, daß es doch auch nicht bei einfachem Richtungs-Automatismus,
sosehr der auch den Ausgangspunkt gebildet haben mag, diesmal geblieben
ist.

Es haben sich zunächst jetzt wieder bei dem Krebs als einem für
höhere, verwickelte Instinkte durchaus schon geeigneten, „seelisch“
geweckten Tiere starke Instinkte solcher Art an die von oben gebotene
Unmittelbarverteidigung angeschlossen. Dieser Krebs bevorzugt in den
engeren Fällen längst nicht mehr bloß allgemein Schneckenhäuser mit
bestimmten Polypen darauf: er sorgt durch ganz feste Handlungen, die,
allgemein instinktiv zu werten, doch im Einzelfalle sogar mit einem
gewissen Maß Wahlintelligenz angewendet und eingepaßt werden müssen,
dafür, daß er keinen Augenblick ohne Schutzpolypen bleibt. Schon
in jenem grundlegenden Vortrag von 1883 hat Oskar Hertwig das mit
durchweg dauergültigen Sätzen festgelegt: „Man versuche nur einmal,
den Freundschaftsbund der beiden Genossen zu stören; man nehme,
wie es im Aquarium zu Neapel geschehen ist, einen Einsiedlerkrebs
aus seiner Schneckenschale heraus, stopfe die Höhlung ... mit
kleinen Leinwandstückchen fest zu und bringe sie wieder in das
Meerwasser zurück. Bald wird man jetzt der Zuschauer bei einer höchst
merkwürdigen Szene werden. Zunächst strengt sich der Einsiedler an,
die Leinwandstückchen aus seiner alten Wohnung, auf welcher sich noch
die alte Seerose befindet, zu entfernen, und erst dann, wenn ihm nach
vielem Bemühen sein Vorhaben nicht gelingt, sucht er in einer leeren
Schneckenschale, welche der Experimentator mit in das Aquarium gelegt
hat, seinen Leib in Sicherheit zu bringen. Aber noch fehlt ihm seine
Genossin. Er wandert jetzt zu der verlassenen alten Behausung hin,
betastet die Seerose mit seinen Scheren und Füßen, sucht sie von ihrer
Unterlage loszulösen und ruht nicht eher, als bis auch sie, seiner
Ermunterung folgend, auf die neue Schneckenschale mit übergewandert
ist. Einige Beobachter geben sogar an, daß, wenn durch Zufall die
neue Wohnung dem Geschmack der Seerose nicht zusagt, der Krebs eine
andere aufsucht, bis seine Gefährtin vollkommen befriedigt ist.“ Der
letzte Satz mag etwas unbestimmt bleiben, wie es sich auch bisher
z. B. nicht hat wieder bestätigen wollen, daß der Krebs seine Seerose
geradezu absichtlich füttere; prinzipiell würde aber auch dieser
letztere kleine Zug nichts Unwahrscheinliches mehr hinzutun, da (wie
Kammerer in seiner trefflichen Schrift über „Genossenschaften von
Lebewesen auf Grund gegenseitiger Vorteile“ mit Recht dazu bemerkt
hat) Mantelaktinien ohne ihren Einsiedler im Aquarium trotz der sonst
leichten Eingewöhnung dieser Rosen dauernd nicht zu erhalten sind,
sondern auch bei Doppelfutter absterben, als seien sie durchaus von
ihrem Krebs mit besonderen Bissen verwöhnt. Und es ändert auch nichts
an den immer wieder gleichartig beobachteten Grundtatsachen, daß im
einzelnen Umschläge vorkommen, gewissermaßen launische Instinktabfälle,
wo, wie ein Tier trotz Elterninstinkt einmal plötzlich seine Jungen
auffrißt, der Krebs seinen (irgendwie widerspenstigen) Polypen bei der
Verpflanzung schlachtet.

Nun aber dazu wieder im Ausgleich krönt ein packendster Schachzug
das Ganze. Dem hochentwickelten Krebs traut man solche gewissermaßen
geistig dirigierenden Instinkte schon zu, und man freut sich ihrer
besonders, da sie eine so gute Probe auf das Exempel geben. Immer, wenn
zu körperlichen Umwandlungen auf einen wahrscheinlichen Zweck hin auch
noch gleich gerichtete Instinkte kommen, steigt ja beträchtlich die
Wahrscheinlichkeit, daß es sich wirklich um solchen Zweck (also hier
die Genossenschaft) handle. Das ist doch auch dauernd die entscheidende
Grundlage der berühmten, so viel bestrittenen Farbanpassungstheorie,
wo z. B. ein Tier auf Grün schutzgrün ist: hat es zu der grünen Farbe
auch noch den Instinkt, sich bei Wahl verschiedener bunter Unterlagen
allemal auf Grün zu setzen (wie die kleinen Virbiuskrebse das z. B.
so hübsch tun), so wird diese Doppelzüchtung in zwei parallelen
Wegen unmöglich einen zwecklosen Zufall darstellen können, wie immer
wieder soundso viele meinen. Aber irgend etwas derartig Instinktives
muß nun auch bei der systematisch doch so sehr viel niedrigeren
Polypenpartei auf die Dauer der Schutzangliederung ihrer Waffen an
den Krebs möglich geworden sein, so schwer es dem Kenner zunächst
eingehen will. Der Einzelpolyp oder die Polypenkolonie, automatisch
sonst gewöhnt, gegen jeden Fremdangreifer des Krebses schon beim
geringsten auch nur scheinbaren Anzeichen augenblicks mobil zu machen,
ihre vielmillionenhaft vergifteten Akontien zu schnellen oder ihre
Wehrsoldaten alle zugleich von ihrem Bock da oben herabbrennen zu
lassen, -- sie wenden ihre Einzelwaffe oder Armee _niemals gegen den
Krebs selbst_. Gelegenheit im Sinne einer einfachen automatischen
Reizauslösung wäre ja auch dazu wahrlich genug. Wenn ein einfach
verstärkter Wasserdruck schon die Wehrpolypen der Podocoryne weckt,
wieviel mehr könnte es der immerfort im Tastbereich dieser tapfern
Vorposten strudelnde und „krebsende“ Krebs selber tun. Oder gar jener
selbstherrische Krebsbruder, der in Hertwigs anmutiger Aquariennovelle
die akontienreiche Seerose von ihrer Unterlage hebt und auf ein neues
Dach zu versetzen sucht, wie unbedingt müßte er dazu reizen, -- zumal
wenn man weiß, wie schwer und widerstandszäh sich solche Tierblume
gegen jeden Eingriff eines Menschenwerkzeugs wehrt, ja sich lieber in
kleine Fetzen zerreißen läßt, ehe sie ihre Sohle preisgibt. Wenn der
Krebs aber kommt, so sanft wie solche Panzerfäuste können, aber doch
sicherlich nicht bloß Sammet, so fügt die Rose sich schon von sich
aus unverkennbar glatt darein wie zu einem Liebesakt, machen kann er
mit ihr, was immer er mag, ja laut Doflein (in seinem wundervollen
Werk über „das Tier als Glied des Naturganzen“) „kriecht sie event.
sogar selbst auf seine Schneckenschale hinüber“. Die Akontien aber
feiern bei ihr wie drüben die Wehrpolypen, als sei ein Signalzeichen
diesmal eingestellt: gut Freund, kein Bandit. Und nicht einmal die
einfache Praxis scheint geübt zu werden, die wir alle von unsern
sensitiven Rosen des Seestrandes doch so gut kennen: daß die Blüte bei
der Berührung sich schließt wie ein Mimosenblatt. Kein Zweifel mehr:
auch hier waltet ein streng korrespondierender Instinkt, einerlei
nun, durch was für spezielle Merkzeichen er gerade vom Krebs in
dem blinden Polypen ausgelöst wird, und vor solcher Sachlage hört
der letzte Rest des Zufälligen, des vielleicht doch noch von Fall
zu Fall Vorübergehenden oder der voreilig menschlichen Deutung in
diesem Beispiel endgültig auf. Wir stehen vor einer Glied um Glied
körperlich und (immer in tierischen Verhältnissen gesprochen) geistig
ineinandergreifenden Gesetzmäßigkeit. Der typische Fall der „Symbiose“
ist diesmal gegeben, indem wir mit Einsiedler und Polyp zugleich das
Beispiel berühren, das Oskar Hertwig damals seiner Begründung der
Symbiose auch auf der tierischen Seite zugrunde legte als „_ein auf
vollständiger Gegenseitigkeit beruhendes Zusammenleben zweier ganz
verschiedenartiger Tiere_“.

Im engern schart sich um diesen entscheidenden Fall für unsere heutige
Kenntnis aber sofort noch ein ganzer Kreis gleichsam erläuternder
Nebenfälle mehr oder minder scharfer Art.

Mit dem Krebs in seinem Schneckenhaus können meerbewohnende
Borstenwürmer (Chätopoden aus der Gattung Nereis) in einer
Genossenschaft zweiten Grades leben, die, wie mit langen Hälsen
vorgestreckt, ebenfalls sozusagen aus seiner Schüssel mitfressen,
ihm dafür aber mit harten Kiefern tranchieren helfen oder Ungeziefer
seiner Höhle wegfangen, während er sie ebenso freundlich schont wie
seine Rose. Solche Würmer haben auch sonst (in Seesternen, andern
Würmern oder Fischen) Neigung zum Schmarotzen, was dann auch bei ihnen
zuletzt in Symbiose umgeschlagen scheint. Interessant ist dabei, daß
sie, die vorher frei beweglich waren, sich nachträglich zum Zweck
erst wieder unter gewisser Verkümmerung seßhaft gemacht haben, um
sich gleich den Rosen fremd herumfahren zu lassen. Umgekehrt können
in den Seerosenblüten Asseln hausen, die der Polyp nicht frißt, noch
brennt, weil sie ihm (nach Kammerer) unwillkommene Abfälle fortzuräumen
scheinen. Diese kleinen Reinigungsunternehmer zählen gleich unsern
bekannten Kellertieren selber zu den Krebsen, so daß also hier zweiter
Hand auch noch ein ursprünglich frei beweglicher Krebs mit der
Polypenpartei lebte, die selbst nur wieder durch einen zweiten Krebs
beritten gemacht wird. Die anfangs zweiseitige Symbiose erscheint zu
einer selbdritt und selbviert erhöht. Umgekehrt wird der anfängliche
Fall vereinfacht, wenn die Seerose sich unmittelbar auf dem Krebs
ansiedelt, sich Krabben, die nie ein Schneckenhaus schleppen, einfach
auf den breiten Rücken oder eine der Scheren setzt. Wenigstens der
Brennvorteil bleibt ja auch so, und man versteht, wie jene von Möbius
so anziehend geschilderten kleinen Krabben der Korallenriffe, die
Polydectinen (Melia u. a.), sich gewöhnen konnten, die immer wieder
sorgsam aufgelesenen polypischen Stichflammen ihrer Scheren bei noch
etwas geweckterer Selbsthilfe dauernd mit der Scherenzange selbst
umkneipt zu halten und so dem Feinde gleichsam wie einen schußbereiten
Revolver drohend entgegenzustrecken (Abb. 11). Dazu wieder im Gegensatz
ließe sich mit geringer Phantasie ein Fall ausmalen, wo in dem
Schneckenhause des Bernhardskrebses auch noch die lebende Schnecke
_neben_ ihm erhalten bliebe und in die Symbiose einträte. Denn die
sog. „Muschelwächter“, zahlreiche kleine Krabben und Flohkrebse (am
bekanntesten ~Pinnotheres veterum~, den schon die Antike feierte) leben
genau so bei dem lebenden Muscheltier in Austern und Steckmuscheln mit,
laufen bei geöffneter Klappschale frei aus und ein und profitieren in
der Gefahr von dem Mitverschluß, den sie der Sage und vielleicht auch
Wahrheit nach selber durch eilige Flucht ins Innere herbeiführen, so
auch dem stumpfen Muscheltier Nutzen bringend. Dächte man sich auf die
Muschel hier eine Seerose gepflanzt, die von dem frei ausschwärmenden
Krebs Vorteil zöge, so wäre auch in dieser Gestalt die schönste
Drei-Symbiose fertig.

[Illustration: Abb. 11. Die Krabbe ~Melia tessalata~ auf einer
Riffkoralle (~Madrepora~). Sie hält in jeder Schere eine kleine
Seerose, die sie mit ihren Nesselbatterien als wirksamer
Verteidigungswaffe Feinden entgegenstreckt. Vergr. Unter Benutzung
einer Skizze nach Borradaile in Hesse-Doflein, Tierbau und Tierleben,
Bd. ~II~.]

Eine neue Variante trifft dann eine Eigenschaft der Polypenpartei,
die wir in dem Grundbeispiel bisher übergangen hatten, weil sie dort
nebensächlich war: aufsitzende Blume oder hängendes Gärtchen geben dem
Krebs auch darin Schutz, daß sie ihn unkenntlich, nämlich mit seinem
ganzen Hause einem harmlosen Pflanzengebild wirklich gleich machen.
Daß der Krebs auch darauf spekuliert, merkt man, wenn man Krabben, die
keine Rosen tragen, sich doch künstlich drapieren, Algenpflänzchen
pflücken, sich aufpflanzen und an den feinen Angelhäkchen des Rückens
befestigen sieht, bis auch das echte Gärtchen da oben weiterwächst, --
wobei sogar gelegentlich sehr sinnreich auf rotem Grunde rote Algen
gewählt werden und auf grünem grüne. Auch das aber konnte für sich
Anlaß zu Teil-Symbiosen werden: nicht nur Schnecken leben ähnlich
mit Rasen bildenden Moostierchen (Bryozoen, Kolonien wurmähnlicher
Geschöpfchen), die zugleich maskieren und die Schalen gegen Stöße
verdicken helfen, sondern gewisse Bernhardiner verbinden sich statt mit
Polypen gewohnheitsmäßig mit derben roten Korkschwämmen so (auch der
Schwamm ist in diesem Falle ein niedriges Tier), die ihnen ebenfalls
allmählich das Schneckenhaus auflösen und mit ihrer ekeln Knolle
ersetzen und, wenn sie schon nicht nesseln können, doch den Insassen
mit einem für alle andern Tiere widerwärtigen Unflat decken; ganz
glatt scheint übrigens diese Symbiose noch nicht zu klappen, denn der
rote Schwamm mauert in blödem Wachstum gelegentlich den Krebs wie eine
gefallene Vestalin lebendig ein.

Um so schönere Parallelfälle bieten sich dafür wieder, wo die
Polypenbatterien als solche sich auch mit andern Genossen als grade
Krebsen verbinden. Da sieht man kleine Polypenkolonien (~Hebella~),
die sich, efeugleich rankend, an größere heranwinden, der Zwerg
noch von den Kanonen des Riesen profitierend und wohl auch als
Spatz im Hühnertrog pickend. Oder es spielt solcher Wurm, wie
wir ihn gelegentlich beim Krebs als Unterpartner fanden, für die
Polypenbatterie selber gleichsam den Krebs: Röhrenwürmer, wie die
Schraubensabelle (~Spirographis spallanzani~), nehmen sie auf ihren
Lederschlauch, der zwar diesmal auch angeheftet sitzt, aus dem heraus
aber der entfaltete ungeheure Kiemenkranz des Wurms einen solchen
Maëlstrom zum Anstrudeln rettungslos mitgerissener Schlachtopfer
erzeugt, daß beide Parteien auf die Kosten kommen, während die Batterie
gegen größere Seeungeheuer zugleich den Wurm frei schießt, wie dort
den Krebs. Doch auch solcher Ganzwurm (~Aspidosiphon~, aus der etwas
entfernteren, wieder frei beweglichen Sipunkulidengruppe) kann sich
selber einsiedlerhaft in ein Schneckenhaus einquartieren, das er
nun genau wie der Bernhardskrebs schleppt und ebenso gern von einer
Polypenkolonie bereiten läßt, die darauf blitzt und auf die Dauer auch
hier ein eigenes, für ihn noch wohnlicheres Blitzhaus an Stelle der
ursprünglichen Schneckenhülle durch Zersetzung und Nachfundamentierung
baut. Ein besseres äußerliches Parallelbeispiel zu dem Krebsfall selbst
kann es nicht leicht geben.

Erscheint aber darin der Wurm immerhin als ein niedrigerer
Gesellschafter als der Krebs, dem man kaum so vollendete innere
Instinkte zuschreiben würde, wie jenem, so springt gerade in dieser
Linie auch ein noch viel höheres Tier gelegentlich ein: nämlich
als Partner der Brennbatterie ein Fisch. Richard Semon beobachtete
auf der Sundainsel Amboina einmal eine große Qualle aus der
Gruppe der Rhizostomiden, die seinen Fangversuchen stets mit der
ganzen Geschicklichkeit solchen Fischs und nicht der gewöhnlichen
Hilflosigkeit dieser Schwimmblumen auszuweichen verstand. Es stellte
sich heraus, daß die Qualle in der Tat mit einem kleinen Fisch (~Caranx
auratus~, einer Makrelengattung) in Symbiose stand, der, im Innern
verborgen, ihrer durchsichtigen Glasglocke wie ein kluger Kapitän durch
geschickte Steuerstöße Richtung gab, während sie ihn mit dem unnahbaren
Brunhildfeuer, das auch solche Qualle umloht, verteidigte. Ähnlich
fahren (Schwimmer diesmal im Schwimmer) ganze Geschwader zierlicher
Meeräschen (Hirtenfischchen, ~Nomeus~) regelmäßig in jenen furchtbaren
großen Staatsquallen der Physalia, ballonhaft am Meeresspiegel
dahinschwebenden Polypengärten mit ähnlicher Arbeitsteilung des
Geschwisterhaushalts wie bei jenen hängenden Semiramisgärten der
Podocoryne, deren Brennstrahlen, wie gesagt, ein Mensch erliegen kann.
Und wieder noch andere Fischarten wohnen und schwimmen aus und ein in
den tropischen Korallenparadiesen mit ihrer bunten Blütenpracht oder
auch unmittelbar den großen Einzelrosen selber, wie sie der Krebs
sucht. Sie schleppen ihre Beute zu dem lebenden Haus und halten Tafel
dort, wobei beim Herumschlucken und Mundgerechtmachen mancher Bissen
auch auf die Rose abfallen mag. Der Fisch scheut sich hier durchaus
nicht, in seine Rose selbst einzusteigen, wie drüben der Krebs in sein
leeres Schneckenhaus: er hält sein Schläfchen in der geschlossenen,
spaziert in ihrem Magen herum und reinigt wohl auch die nicht eben
glücklich hier angelegte, oben im Munde selbst wieder zurückmündende
Kloakeneinrichtung der Partnerin. Mit Staunen sieht man solchen Fisch
(~Anthias dofleini~) auf Dofleins Bild aus dem japanischen Meer sogar
täuschend genau die gelbe und rote Livree seiner Korallenpolypen
tragen, so daß er daran hinschwebend selber nur wie ein abgelöstes
Stückchen Korallengrund erscheint. Immer aber auch hier scheint die
Macht der Symbiose die ganze schaurige Waberlohe der Polypenburg wie
mit einem Gegenzauber eingeschläfert zu haben: auch der Fisch schreitet
wie der Siegfried der Sage gefeit durch alle Flammen.

Man hat allerdings in diesem Falle noch eine Sondertheorie
dazu aufgestellt. Es gibt eine Anzahl räuberischer Fische, die
gewohnheitsmäßig Quallen verzehren, z. B. der direkt danach benannte
Quallenfresser ~Schedophilus medusophagus~. Dazu müssen nun auch sie
bis in den Schlund hinunter brennfest sein, ohne daß eine hemmende
Ausschaltung von seiten der Qualle selbst in Frage kommen würde. Man
nimmt also an, daß es sich hier um eine mitten im Kampf erworbene
Giftfestigkeit des Fischs handle, wie wir sie ähnlich beim Igel gegen
Schlangengift oder bei unsern Raupen des kleinen Fuchses vor der
mühelos verdauten Brennessel finden. Der Fisch hat davon im eigenen
Verteidigungskampf noch den Nutzen, daß das aufgenommene Fremdgift
sein persönliches Fleisch ungenießbar, ja gefährlich und von anderen
Tierinstinkten gemieden macht, -- was wieder an den geradezu glänzenden
Schachzug gewisser Schnecken, der Aeolidier, erinnert, die, ebenfalls
so brennfest, Polypen fressen, durch den sinnreichsten Innenmechanismus
aber nicht explodiert verschluckte Kapseln der Polypen in ihre
eigenen äußeren Hautanhängsel wandern lassen, wo sie nun explodieren,
wenn ein Fremdangreifer die Schnecke beim Fell packt. Aus solcher
Brennfestigkeit, von den Ahnen im Kampf erworben, soll nun auch bei
den heutigen symbiontischen Fischen ihre Siegfriedkraft, bloß jetzt
friedlich gewendet, übrig geblieben sein, und das würde also einen
besondern Polypeninstinkt (oder was man sich darunter denken will) auch
hier ganz überflüssig machen. Da man indessen bei der Krebssymbiose
keinesfalls ohne solchen auskommt (der Polyp _versucht_ ja dort
überhaupt nicht zu brennen), sehe ich keinen strengen Grund, ihn nicht
auch hier mitspielen zu lassen statt der immer etwas künstlichen
Ahnenerklärung, -- zumal man grade Fische in jenen Tropenmeeren auch in
einer friedlichen Symbiose mit großen, beim Angriff wehrhaft ihre (auch
oft vergifteten) Stacheln aufsperrenden Seeigeln findet, wo doch von
einem früheren Verzehren solcher harten Seeigeldolche keine Rede sein
kann.

Ein anderes, etwas strittiges symbiontisches Geheimnis liegt
dagegen immer noch über dem schon seit Jahrhunderten solcher
Dinge verdächtigen, äußerlich aalartigen Fierasfer-Fischchen in
Seegurken. Die Seegurken sind träge, wurstförmige Gesellen aus der
(nicht polypischen) Verwandtschaft jener Seesterne selbst. In ihre
Hinteröffnung schlüpfen nun die schlanken Fischlein ein und stellen
sich mit geschmeidiger Drehung kerzengerade wieder rückwärts um, den
Leib in kiemenhaften Darmanhängen des grotesken Wirtes geborgen,
die freche Schnauze aber am Hintertor, wo sie dann bissig die Gurke
verteidigen soll, während sie selber von durch die ganze Gurke
gestrudelten Krebschen profitiert. Es bleibt indessen bis heute unklar,
ob die Gurke wirklich von ihnen beschirmt wird, und ob sie nicht
(was bei einer Art bereits feststeht) Selbstfresser an ihr sind nach
Art der Wespenkinder in der Unglücksraupe. Nesseln kann die Gurke
übrigens nicht, wohl aber erlaubt sie sich bei allzu großer Belästigung
gelegentlich sozusagen im ganzen zu explodieren, indem sie den eigenen
Eingeweidebestand ausspuckt, wobei dann allerdings auch die Unruhgäste
~nolens volens~ herausfliegen.

Inzwischen, so sieht man, erweitert dieser Kreis von
Parallelbeispielen, sosehr er auch die symbiontische Sitte schon in
dieser Tierschicht nicht als ganz vereinzelte Ausnahme, sondern bereits
als etwas ziemlich weit Verbreitetes dartut und lehrreiche Details
einflicht, doch das Grundbeispiel prinzipiell noch nicht, wie er auch
noch keinen im ganzen harmonischeren, darüber hinaus vervollkommneten
Fall geben kann. Um dahin zu kommen, müssen wir vielmehr erst wieder
eine kleine Phantasieerweiterung uns gewissermaßen nachschaffend
ausdenken.

Solcher Polyp und Krebs sind gewiß himmelweit voneinander geschiedene
Tiertypen. Gleichwohl macht ihre Symbiose aus ihnen schon einen
gewissen neuen Einheitskörper. Die Genossen im Spiel bekommen etwas
von Organen: der Krebs als Bewegungs- und Kauorgan, die Rose als
Brennorgan. Jedes engste Zusammenhalten führt wieder zu solcher
Organähnlichkeit: man kennt das alte Gleichnis des Menenius Agrippa
von den Organen am Menschenleibe, die sich gegenseitig helfen mußten,
statt verderblichen Zwists; die Lunge hilft den Muskeln, der Darm
der Lunge, die Leber dem Darm und so weiter. Das ist bei ein und
demselben Wesen der gleichen Art. Aber wo immer „Hilfe“ auftaucht,
da muß sich ein Entsprechendes durchsetzen. In der Polypenkolonie
werden die Einzelindividuen erneut zu einer Form von Organen im
Geschwisterverband, wie soll’s nicht auch auf Polyp und Krebs zuletzt
treffen. Und man könnte sich nun denken, daß das auch hier noch viel
weiter ginge. Jene Aeolidier-Schnecken, die den Rosen so sinnreich
ihre Kapseln abnehmen, um sie bei sich selbst abzubrennen, geben einen
Anhalt, was da auch friedlich noch an unentwirrbarer Durchdringung
möglich wäre. Bei den Krebsen gibt es (allerdings hier auch noch auf
der Kampfseite) einen Schmarotzer, den Wurzelkrebs, der sich Krabben
unter den Leib beißt und ihren ganzen Körper bis in die feinsten
Verzweigungen mit einem eigenen Wurzelgeflecht durchspinnt. So könnte
am Ende der Polyp sich mit seinem Zellgewebe in den Krebs verzetteln,
der Krebs aber sozusagen im Polypen ausfließen, bis der Zoologe vor dem
Rätsel stände, wo ihm das eine Tier anfinge und das andere aufhörte.
In jenen gleichen Seegurken wohnt auch (zwar wieder feindlich) eine
parasitische Muschel, die ~Entoconcha~ mit dem Beiwort der ~mirabilis~,
der wunderbaren, die so eng dort gleichsam innerlich eingeschraubt ist,
daß noch ein Anatom solchen Ranges wie unser Johannes Müller sich einst
verblüffen ließ, sie sei wirklich nur ein Stück Gurkenleib, das dann
die unmöglichsten Allotria trieb, bis zu einem Wirrsal, das Müller,
man kann wohl sagen, damals geradezu den Verstand gekostet hat. Dieser
Knoten wickelte sich allerdings auseinander, als man die gesonderte
Fortpflanzung entscheiden ließ, die aus der Gurke wieder Gurken, aus
der Schachtelmuschel Muscheln ergab. Aber wenn nun auch da die Symbiose
einen letzten Trumpf spielte?

Unsere symbiontischen Bernhardiner erzeugen aus ihren Eiern ebenfalls
brav Jungkrebse und die Polypen Schwimmjunge oder doch abgelöste
Geschlechtsquallen, aus denen wieder Polypensaat hervorgeht. Aber
weshalb sollte die fortschreitende Symbiose nicht zustande bringen, was
eigentlich bereits in den Abenteuern des Bitterlings nahe lag: daß das
Polypenjunge sich etwa schon an das Jungkrebschen klammerte, um gleich
zur Stelle zu sein, wie Swinegel im Märchen, der „auch schon da“ war;
oder daß gar die Eier der beiden in Konnex träten? Auf diesem Wege
würde die neue Einheit sich selbst in der Fortpflanzung zu schließen
beginnen! Mag das in unserm Beispiel einstweilen bloß Phantasie sein,
die wie mit einem Nebelbilderapparat das alte Bild zu einem neuen,
noch kühneren verschwimmen läßt: wir stehen in Wahrheit damit nur
bei der _wirklichen_ Fortsetzung, die einst bei jener Begründung
des Symbiosebegriffs durch de Bary geradezu bereits die _erste_
geschichtliche Voraussetzung gebildet hatte. Wir berühren nämlich das
große Grundbeispiel der Symbiose aus der Pflanzenwelt: die Flechte.

Jeder kennt sie. In der Granitregion unseres Riesengebirges ist
der Wanderer stundenlang schon mit ihr allein, wie sie als gelbe
Krustenflechte den Stein bemalt; hier erscheint sie wirklich wie
eine Urform des Lebens, die zuerst den ungefügen Fels benagt und
anschmilzt, letzter Grundtyp aller Urbarmachung dieser Erde. Als
grauer Rübezahlbart hängt sie dann von den Wetterfichten, sie färbt,
wie den nackten Stein, so auch die trockenste Baumrinde, kriecht in
scheinbarem Blatt- und Strauchwerk oder verkrumpelten Gallerthäufchen
am Boden dahin; sie nährt als Renntierflechte in letzter dürrer
Wiese noch das Polartier und macht damit seine Breite auch dem
Menschen noch bewohnbar. Kaum ein Naturgebild von den kleinen der
Erdlandschaft, das sich so fest, so allgegenwärtig uns von früh an
einprägte. Hören wir aber (im engen Anschluß zunächst an de Barys
erste Darlegung selbst), als was sich dem Botaniker solche Flechte
entpuppen mußte. Von den mehrtausend Arten der Flechten, Lichenen,
wie das botanische Fremdwort sagt, lernte man lange in der Schule,
daß sie eine besondere Kryptogamengruppe bildeten, die mit den Pilzen
in der Fortpflanzung übereinstimmte, aber etwas besäße, das sonst den
Pilzen absolut fremd ist. Der Pilz wird zwar zu den Pflanzen gezählt,
hat aber kein Chlorophyll, also nicht den bekannten wunderbaren
„Kochtopf“ der grünen Pflanze, mit dem sie im Licht aus anorganischem
Stoff Lebenssubstanz kocht; er kann nur wie das Tier von schon
vorgebildeter Substanz solcher Art leben, die er für gewöhnlich am
Lebendigen und Toten zweiter Hand schmarotzernd sich verschaffen muß.
In diesen Flechtenpilzen aber lagen außerdem stets chlorophyllführende
Zellmassen, die jene Kunst besaßen und übten. Man fand im
Flechtenkörper, dem „Thallus“, wie man das nennt, stets zunächst
verflochtene Zellreihen (Fäden, Hyphen), die Sporenfrüchte mit
keimfähigen Sporen nach Pilzart trugen. Das waren offenbar echte Pilze,
der bei uns gangbaren Form nach Schlauchpilze, also vom Morchel- oder
Trüffelstamm. Aber was bedeuteten die chlorophyllhaltigen lebendigen
Einlagen? Man nannte sie hergebracht die „Gonidien“ der Flechte, nahm
sie aber als Organe des Pilzes, die in diesem Falle grünen Algen
ähnelten (Abb. 12). „Flechte“ war also ein algennaher, mit einer Art
Metamorphose seines Wachstums in Algentyp übergehender Pilz, bei dem
die Gonidien anscheinend als kleine Zweiglein aus den Pilzfäden selber
hervorwuchsen. Doch schien die Fortpflanzung dunkel zu bleiben, die
aus isolierten Sporen nur reine, stets rasch vergängliche Pilze ergab,
während in andern Fällen die Gonidien wie durch Hexerei hineingezaubert
schienen. So sprach „auf Grund dieser und ähnlicher Bedenken“ de Bary
1866 aus, wenigstens _einige_ Flechten möchten aus einer Vereinigung
eines jedesmal bestimmten Pilzes mit einer echten Alge hervorgehen.
Und das dehnte dann Schwendener, nachdem man die Gonidien allenthalben
mit auch selbständig vorkommenden Algen zu identifizieren begonnen,
auf sämtliche Flechten aus und entwickelte es zur festen Theorie,
worauf es Reeß und dem hochverdienten Stahl gelang, durch Vereinigung
solcher bestimmten, selbständig wachsenden Algen mit den geeigneten
Pilzen einen Flechtenthallus absichtlich zustande zu bringen, also die
Probe auf das Exempel zu geben. De Bary aber begründete, wie erzählt,
mit dem ganzen enträtselten Sachverhalt die umfassende neue Lehre von
der Macht der Symbiose, die hier einen chlorophyllosen Pilz mit einer
chlorophyllführenden Alge buchstäblich bis zur äußeren Unkenntlichkeit
zu einer neuen Genossenschaftseinheit verschweiße. Denn daß auch hier
eine gegenseitige Hilfe in glücklichstem Ausgleich vorliege, wurde
schon de Bary selbst als eigentlichste Erklärung wahrscheinlich, und
die Folge hat es auch nur bis zum äußersten bestätigen können.

[Illustration: Abb. 12. stark vergrößerter Querschnitt durch einen
Flechtenkörper mit den in dem Pilzgeflecht eingelagerten zahlreichen
kugeligen Algen.]

Die in den Pilz mehr oder minder wie eine oberflächliche Stickerei
eingewebte grüne Alge kocht in ihrer Chlorophyllküche mit Lichtheizung
nicht nur Lebensnahrung für sich, sondern sie erzeugt auch in der Fülle
der Kraft Überschuß genug, den hungrigen Pilz mitzunähren, friedlich,
ganz im Sinne des früher Gesagten, ohne daß er selber an ihr fressen
muß. Der Pilz aber, der gewissermaßen hier die Alge als Kochtopf auf
seinen Händen sich vorhält, wie oben die kleine Korallenriffkrabbe
ihren Seerosen-Revolver, tut ihr dafür den Gegendienst des umsichtigen
Gärtners, der sein Bäumchen hegt, daß es für ihn fruchte, -- selbst
kann er nicht an seine innere Kraft, wie ein Glückswunder auch für sich
muß er sie hinnehmen, wohl aber darf er der Wurzel den besten Stand
geben, den Boden düngen und wässern, damit die Frucht so reichlich
werde, daß er selber ohne Schaden der Pflanze davon mitleben kann;
so saugt auch der Pilz der Flechte Wasser samt den darin enthaltenen
Mineralsalzen und leitet sie der Küche als Betriebsstoff zu, er
kondensiert das Wölkchen noch am unfruchtbarsten Fels und Holz, und
er gräbt selbst im härtesten Granit mit eigener ätzender Säure immer
wieder ein Töpfchen gleichsam aus, in dem das Ganze zwischen Himmel
und Abgrund haften mag. Daß solche genossenschaftliche Fabrik, wo die
eine Partei, noch an den nacktesten Prometheusfelsen gekettet, aus
Licht und Luft süße Speise zu bereiten versteht und die andere dafür
alle grobe Handlangerarbeit versieht, noch ausdauern kann, wo sonst
Alge wie Pilz allein, ja jegliches bekannte Leben erlahmen müßte,
begreift man, -- bewundernd aber sieht man dabei auf die Symbiose hier
als eine Mehrerin nicht bloß des Einzelraumes einer Art, sondern des
ganzen Lebens auf Erden, während man zugleich auch an eine gewisse
geschichtliche Verkettung denkt, die wohl gerade in dieser Pilzsymbiose
stecken könnte. Denn der Pilz, heute von der eigenen elementaren
Bereitung des pflanzlichen Lebensbrotes abgeschnitten, ist, so darf
man vermuten, selber doch wohl ursprünglich nur ein verlorener Sohn
der Pflanzenwelt gewesen, ein abgelenkter Zweig etwa der Algen selber,
der diese Gabe nachträglich verloren hatte, weil er sich gewöhnt, in
der lichtfernen Bodentiefe dem Abhub des Lebenstisches der andern bei
Tod und Verwesung nachzugehen. Aus dieser Tiefe ist er aber dann
doch wieder vielfältig als ein schlimmer Fresser und Parasit auch am
wirklich Lebendigen erstanden. Bis in solcher Symbiosenform abermals
eine Art neuen Ausgleichs auch für ihn eintrat, bei dem er friedlich
von oben das verlorene Brot wiederbekam, dafür aber jetzt seine als
Bergmann und Schatzspürer in der Tiefe erworbene Kraft in den Dienst
dessen stellte, der ihm dieses Brot gab, -- womit auf weitem Umweg der
Natur etwas geschaffen war, das auch im ganzen da oben im Licht eine
glückliche Neuerung und Erweiterung darstellte.

Nun aber sollte es noch etwas sein, auf das ebenfalls bereits de Bary
selbst hinweisen konnte. Grüne Einzelalgen sitzen auch auf dem Lande
schon in Menge an Bäumen und Felsen allein, brauchen nicht allzuviel
Feuchte und fliegen in ihrem eingetrockneten und abgeblätterten
Zellenmaterial weit mit dem Winde umher. Ebenso aber fliegen Pilzsporen
herum, der alte Kerner hat seinerzeit unübertrefflich geschildert, wie
man beider Schwärmerei sozusagen an aufgestellten Leimruten nachweisen
kann, -- einfach, daß sie also gelegentlich sich immer wieder auch
einten und die Flechte erzeugten, wobei gewisse Pilzarten (wie gesagt,
bei uns regelmäßig nur Schlauchpilze, in den Tropen aber wohl auch
einmal ein Ständerpilz von der entfernten Champignonverwandtschaft)
nur recht gediehen, wenn sie mit gewissen schon in altem Erbe
prädisponierten Algen so zusammenträfen, während die Algen sich
wahlloser gäben, aber in bestimmten Arten schließlich doch auch des
Pilzes nicht mehr ganz entbehren möchten. Wo solches zusammenbestimmte
Flechtenvolk von heute dann bereits in Kolonien beisammen sitzt, da
wird ja durch Abstäuben grade dieser Pilzsporen und Abschilfern dieser
Algenzellchen auch der engere Bund immer wieder erleichtert werden.
Und doch ist auch das noch nicht das Ganze. Grade der letzteren Hilfe
hat sich erst das vollkommenste Symbiosenwunder diesmal angeschlossen.
Wo Alge und Pilz sich glücklich in bestimmter Art zusammengefunden
haben, wo sie in der Reife der Kraft lange schon genossenschaftlich
gewirtschaftet haben: da endlich gelingt es ihnen, _ihre Fortpflanzung
wirklich zusammenzulegen_. Sie bringen sogenannte Soredien hervor.
Soredon bedeutet im Griechischen etwas Gehäuftes. Nicht das einfache
Häufchen ist aber hier das Bezeichnende, sondern entsprechend der
Symbiose das Zusammengehäufte, aus zwei Parteien zu gemeinsamem Zweck
Ineinandergehäufte. Aus der Oberfläche der Flechte erwachsen, oft
in besonderen Gärtchen, winzige Körperchen, ebenso lösbar und vom
Winde verführbar wie der gewöhnliche Pilzstaub oder Algenschorf.
Aber diese Soredien sind diesmal nicht bloß Pilz oder Alge. Sie
sind schon saatreife junge Neuflechten: Genossenschaftsableger. In
jedem sitzt eine gewisse kleine Zellprobe Alge, umsponnen von einem
Fadenteil Pilz. Die Flechte, zum Zweiseelenwesen geworden, entsendet
ein siamesisches Zwillingspaar. Zwar ist’s auch in der geschicktesten
Variante noch keine eigentliche Ei-Verschmelzung, sondern hat stets
mehr vom doppelten Ablegerzwilling, aber wer will auf dieser Stufe des
Liebeslebens das noch so scharf trennen! Grundlegend ist vom Wesen
aller Fortpflanzung aus jedenfalls, daß auch hier schon der _Zufall_
der nachträglichen Begegnung _ausgeschaltet_ wird: die Soredien
_müssen_ wieder neue Flechten der betreffenden Art erzeugen, wie nur
irgend eine Froschart Frösche, eine Käferart Käfer ihrer Art erzeugt.
Und so wäre auch unser kühnstes Phantasiebild hier erfüllt...

Die Entlarvung der Flechte als eines im Kleinleben der Natur gradezu
allgegenwärtigen Symbiosefalls war aber kaum erfolgt, als sich an
sie eine noch viel umfassendere Entdeckung anschließen sollte. Alge
wie Pilz sind an sich Niederformen der Pflanzenreihe, wie sie trotz
ihrer Allverbreitung doch auch in unserm Wald- und Gebirgsbilde
gleichsam nur eine Deckfarbe bilden. Da aber traten mit Mitte der 80er
Jahre abermals deutsche Botaniker (zuerst Frank, nachher auch wieder
besonders Stahl) mit der überraschenden Erklärung hervor, daß auch
der ganze obere Grundstamm unseres heimischen Vegetationsbildes, der
Wald mit all seinen Eichen, Buchen, Birken, Kiefern, Tannen, Fichten
und seinem ganzen Strauchwerk an Preiseln, Ginster und so fort bis in
den unendlichen Teppich der Heidekräuter hinaus und im Hochgebirge bis
in den obersten Ring der Alpenrosen hinauf nichts anderes darstelle
als eine einzige unfaßbar ungeheure Symbiose mit einer dämonisch
unsichtbaren Unterweltsmacht. Das wunderbare Problem der „Mykorrhiza“
war es, das hier aufdämmerte.

Der Ausdruck, von Frank eingeführt, bedeutet griechisch Pilzwurzel.
Das Entscheidende liegt aber auch hier wieder in der symbiontischen
Doppelbeziehung Pilz und Wurzel. Bei all diesen landschaftsbestimmenden
Holzgewächsen unserer Forste und Heiden treffen die unterirdisch
wühlenden feinen Saugwurzeln in der Heide- und Dammerde auf
allenthalben dort wucherndes und aus Sporenkeimen immer wieder
reichlich nacherzeugtes Tiefengeflecht (sogenanntes Myzel) von Pilzen.
Dabei umspinnt dieses Pilzmyzel aber die Wurzeln mehr oder minder
dicht, dringt bisweilen bis ins Innere selbst vor oder umkleidet sie
doch mit einem so vollkommenen Mantel, daß sie selber, von Wasser
und Mineralsalzen abgeschnitten, elend mit ihrem ganzen aufruhenden
Walde und Heidekraut vergehen müßten, wenn nicht eben wundersamerweise
die Pilze selber einträten, von sich aus den Boden weithin in der
findigsten Weise bearbeiteten, durchstöberten, auslaugten und
kanalisierten und das Ergebnis ihrer eigenen Bergmannsarbeit den
fremden Wurzeln ausgiebig zuführten. Auf den ersten Anblick könnte
man versucht sein, hier bloß einen Glückszufall der Natur zu sehen:
genötigt, in den allenthalben dick infizierten Pilzboden zu gehen und
dem Umsponnenwerden hilflos preisgegeben wie eine Fliege im Netz, kämen
die Wurzeln durch irgendeine Durchlässigkeit der strotzenden Pilzfäden
grade noch mit einem blauen Auge davon. Die Sache liegt aber auch
diesmal entschieden tiefer und läuft auf die kolossalste Symbiose der
Natur hinaus. Alle jene Wurzeln verkümmern heute ohne Pilz. Deswegen
kann man Eriken, Azaleen, junge Tannen und Lärchen, wie jedem Gärtner
bekannt, nicht in reiner Gartenerde, die keine Wald- oder Heidepilze
enthält, ziehen. Der Pilz ersetzt offenbar der Wurzel nicht bloß, was
er ihr nimmt, sondern er hat von je selbständig zugegeben und die
Pflanze hat sich gewöhnt, ihn als unentbehrlich zu betrachten. Der
einleuchtendsten Erklärung nach handelt es sich bei all diesen Bäumen
und Sträuchern um von Natur mäßige Wassersauger, die aus eigener Kraft
auf schlechtem Boden oder bei starker Konkurrenz stets versagt hätten,
der Pilz aber pumpt ihnen erst die volle Bodennutzung zu. Erst durch
ihn, den geschickten Gnomen der Tiefe, ballt sich der schöne Wald
da oben auf, prangt die Heide in ihrem Purpur, wirft sich die Matte
in Alpenrosenglut. Warum aber leistet er der fremden Wurzel, die in
gewissem Sinn auch seine Konkurrentin ist, diesen Dienst? Nun eben,
weil auch hier Symbiose mit Gegengeschenk wirkt, eine ganz ähnliche wie
in der Flechte, -- ob nun dort nur ein paar grüne Algenzellen auf dem
Pilz ruhen oder hier ein ganzer tausendjähriger Eichbaum: der Pilz kann
selber aus den Elementarstoffen wieder keine Nährsubstanz kochen, denn
ihm fehlt das grüne Pflanzenblatt oben im Licht. Baum und Heidekraut
aber vermögen es, und was sie oben so fabriziert, dessen strömt der
Überschuß jetzt unten aus der Wurzel wieder dem offen angeschlossenen
Pilz selber zu. Und so waltet auch hier der große Vertrag: er reichert
die Küche von unten an und teilt dafür den fertigen Mittagstisch.

Wenige, die durch den würzigen Buchen- und Tannenduft wandern, mögen
ahnen, was für dunkle Wege die Natur erst hat abschreiten müssen,
um diesen lichten Naturzauber zu ermöglichen. Man denke sich aber
Wald und Heide auch nur aus unserm deutschen Heimatbild fort und man
begreift, daß Symbiose kein verlorener Einzelfall und auch nicht
bloß eine Gebietserweiterung ist: sie ist eine Grunderscheinung des
irdischen Lebens, an seinem Kern und Herzen allerorten in Kraft. Wobei
es einen hübschen Einklang noch geben mag, daß man Mykorrhizabildung
(die grade auch unserm lebenden Bärlapp nicht fremd ist) bereits an
den urweltlichen Wäldern der Steinkohlenzeit nachgewiesen haben will.
Während man zugleich auch hier wieder im Sinne des oben angeschlagenen
Gedankens den Pilz ahnt, der sich aus seinem Tartarus erneut zum
Licht gefunden; diesmal hat er es, ohne den Tiefengrund selber zu
verlassen, aber gerade so doch erst in der allerwirksamsten Weise, die
uns statt des Bildes vom verlorenen Sohn fast den Satz wagen läßt,
daß durch seine Existenz das Pflanzenwesen als Ganzes gleichsam in
zwei vollkommene Anpassungsformen auseinandergespalten sei: die eine
nach oben für das Licht und die andere ebenso denkbar gut für die
Unterwelt -- und daß die Symbiose das dann wieder zu einem ergänzenden
Überorganismus zusammengeschmiedet hat, mit Meile um Meile Wald und
Heide als Lichtorgan und entsprechend mitlaufendem Pilzgeflecht als der
wahren Wurzel dazu.

Hinsichtlich der Fortpflanzung ergreift die Mykorrhiza zwar sogleich
die ersten Seitenwürzelchen des höheren Pflanzenkeims, geht aber im
Walde für gewöhnlich noch nicht an den Samen selbst, ein so enger
Anschluß war hier wohl nicht nötig, da ja jeder Waldhumus von Pilzen
ohnehin wimmelt und auf die engere Art diesmal noch weniger anzukommen
scheint; immerhin bemerkt man z. B. bei den auch hier anschließenden
Orchideen bereits eine Pilzinfizierung des Samenkorns im Boden als
notwendige Voraussetzung, wenn es überhaupt keimen soll, der Weg
lag also auch klar offen. Auf der andern Seite kommen natürlich bei
so riesiger Ausdehnung dieser Symbiose (sie macht auch mit unserer
gemäßigten Zone nicht halt) auch wieder kleine Schwankungen vor, wo
das durchweg friedliche Verhältnis einmal etwas stärker von seiten der
Wurzel oder des Pilzes in ausbeutenden Übergriff umschlägt: man muß
eben immer bedenken, daß der Frieden dem Kampf ursprünglich abgelistet
war und den alten Pferdefuß noch nicht völlig verleugnet. Auch bestehen
über die Einzelheiten, was besonders der Pilz der Wurzel an Stoffen
liefert, noch mancherlei Meinungsverschiedenheiten der Forscher, aus
denen sich doch, soviel ich sehe, die hier vorgetragene Form als die
allgemeinste ergibt, ohne daß es für unsern Zweck hier eines engern
Eingehens auf diese mehr pflanzenphysiologische Seite der Sache
bedürfte. Aber im ganzen ragt auch hier das Beispiel, das an Größe
nicht mehr zu überbieten ist. Und ihm schließt sich sofort noch ein
zweites an, das, nicht ebenso universal für den Naturhaushalt, doch im
Menschenhaushalt Epoche gemacht hat, seit man auch seinen Berg mit dem
Sesam der Symbiose zu öffnen verstand.

Die vollkommene Pflanze braucht zu ihrer Lebensküche außer der
Luftkohlensäure und anderem stets auch Stickstoff als Material. Aber
obwohl sie im ungeheuren Stickstoffmeer unsrer Luft beständig schwimmt,
kann sie doch dieser Luft selber keinen Stickstoff zur Eiweißbereitung
entnehmen, muß ihn vielmehr mit der Wurzel aus den gelösten Salzen des
Bodens ziehen. Rätselvoll ist diese Lücke ihres Haushalts, auf einen
Urzusammenhang im Baum des Lebens schauen wir hier, den unser Blick
heute nicht durchdringt. Auf ihm aber beruht umgekehrt wieder unsere
menschliche Kunst des Düngens. Auf Boden, arm oder schon ausgelaugt an
jenen Salzen, fügen wir (nach dieser Seite dem ursprünglichen Baume
des Lebens immer mehr überlegen) künstlich neuen Stickstoffgehalt zu
und mehren so selbsttätig der auch uns wertvollen Pflanze Kraft. Aber
eben in diesen Dingen zeigte sich seit alters auch ein neues Geheimnis.
Gewisse Pflanzen (Leguminosen) kamen auch mit stickstoffärmstem Boden
aus, und dennoch speicherten sie in sich fortwachsend Stickstoff an.
Wenn man sie grün wieder einpflügte, war der vorher sterile Boden von
ihnen selbst wie gedüngt. Hier beruhte die Bedeutung der Lupine, die
den schlechtesten Boden für Korn reif machte, wenn man sie vorher
pflanzte und dann eindüngte. Konnte diese Lupine also doch auch
Luftstickstoff verwerten? Nein, keine grüne Pflanze kann’s, und des
Rätsels Lösung bleibt abermals eine wundervolle Symbiose. Es gibt auch
in solchem schlechten Acker gewisse winzige Wesen, zu den Bakterien
gehörig. Meist nennt man solche Bakterien Spaltpilze, aber eigentlich
stehen sie noch ihr Stück auch unter dem echten Pilz als ganz einfache
Urwesen. Schon von solchem echten Pilz selbst ist nun gelegentlich
bei der Mykorrhizafrage vermutet worden, er sei ein heimlicher
Luftstickstoff-Fänger in seinem Tartarus, doch bleibt das einstweilen
problematisch. Die hier gemeinten Bakterien, noch ein Stück elementarer
als er, können aber wirklich, was die Pflanze auch als Leguminose nicht
vermag: sie können bei bestimmter eigener Kraftfütterung aus der auch
da unten noch verbreiteten Erdluft wirklich unmittelbar Stickstoff
umsetzen. Und solche Stickstoffbakterien sind nun abermals mit den
Wurzeln jener Leguminosen in Symbiose getreten in einer etwas zum Zweck
abgeänderten Mykorrhizaform, indem sie kolonienweise dort eindringen,
die Wurzeln ähnlich den bekannten, die Blätter oben anstechenden
Gallwespen zu kleinen knöllchenartigen Wucherungen bringen (Abb. 13),
in denen sie sich nun häuslich einrichten, Wohnung und Wochenstube
finden und einen höchst erstaunlichen Kost- und Fabrikbetrieb mit der
Pflanze eingehen. Die grüne Pflanze kocht ihnen, was sie bei all ihrer
noch weiteren Alchymistenkunst doch auch nicht können, Lebenssuppe
und leitet sie ihnen von oben zu. Sie aber gewinnen eben davon in
ihren Nestchen jenes Mehr an Energie, um nun Luftstickstoffabriken
herzustellen, die sie wieder der Pflanze nutzbar machen. So kann die
Pflanze wunderbar gedeihen wie im nicht endenden Mistbeet, und wenn sie
selber in den Grund von uns eingebuttert wird, versteht man, daß sie
den Boden neu aufbessern muß, als sei sie selber ein konzentrierter
Stickstoffdünger: daher das Wunder der Lupine.

[Illustration: Abb. 13. Wurzel der Saubohne mit Bakterienknöllchen ~K~.]

Auch in diesem Fall ist unsere Weisheit jung, so gut auch schon die
Antike die Praxis der Lupine kannte, kaum daß auch sie über das Ende
der 80er Jahre zurückgeht; und auch hier laufen noch die Theorien mit
manchem Wenn und Aber, auch sollen wieder kleine parasitische Züge,
vielleicht doch nur unnormal, nebenher eingehen. Umgekehrt wächst aber
der anfangs kleine Umkreis auch dieser Dinge schon ersichtlich weiter,
schon kennt man von unsern Erlen ähnliche Stickstoffsammelknöllchen,
und wer weiß, wie sich die echte Mykorrhiza gar noch mit diesen
Bakterienfabriken eines Tages kombiniert erweisen könnte, -- so reißt
die symbiontische Betrachtung jedenfalls auch hier wieder etwas wie ein
Tor auf, indem sie zugleich ein uraltes Saisbild der Landwirtschaft
entschleiert und damit dem Menschen als dem großen entscheidenden
Landwirt im Naturhaushalt dieser Erde bedeutsam wird. Hat man doch
neuerdings mit einigem Erfolg sogar schon versucht, die Leguminosen
künstlich noch wieder aufzubessern, indem man ihren Boden mit in
Reinkultur gezüchteten Stickstoffbakterien impfte: wieder ein Übergang
zu neuer Dreisymbiose, wo der Mensch zu Pflanze und Spaltpilz tritt
oder in dem Lupinenfall gar einer vierfachen, in der erst das spätere
Korn dem Menschen wieder den Einsatz zurückbringt. Worein sich freilich
hier schon eine Leitkraft seitens des überlegensten Wesens mischt, die
wir erst gleich näher zu beachten haben werden.

Inzwischen ist bei den letzten Beispielen zunächst noch
charakteristisch und neu, daß die echte grüne Pflanze darin
vergesellschaftet erscheint mit solchen Grenzwesen, wie Pilzen oder
gar Spaltpilzen, die selber (sei es nachträglich oder ursprünglich)
ganz unpflanzliche, im echten Pilzfall der Haupternährung nach gradezu
eher tierische Natur besitzen. Kein großer Schritt also von hier zur
Möglichkeit einer Symbiose unmittelbar zwischen Pflanze und Tier.

Es war nun wieder in den 50er und im Anfang der 60er Jahre des
19. Jahrhunderts, daß eine überaus merkwürdige Gruppe kleiner
meerbewohnender Tierchen in der Zoologie Aufsehen zu machen begann:
die seither vielbesagten sogenannten Strahltierchen oder Radiolarien.
Der alte treffliche Berliner Infusorienforscher Ehrenberg hatte
aus den Abgründen der Tiefsee dort im Schlamm gelagerte, gradezu
künstlerisch schöne Kieselskelette beschrieben, und Huxley, Johannes
Müller und Haeckel hatten die zugehörigen, durchweg mikroskopisch
winzigen Geschöpfchen selbst gefunden. Nun tobte aber Streit, wo diese
niedlichen Radiolarien im System hingehörten. Ehrenberg hielt sie für
hochentwickelte Stachelhäuter, Verwandte also jener Seegurken, die
ihren verwickelten Bau bloß in liliputanischer Winzigkeit verstecken
sollten. Huxley dagegen nahm sie als primitive einzellige Urtierchen
vom Schlage der Rhizopoden oder Wurzelfüßer. Dem glaubte aber ihr
erster Monograph großen Stils, der junge Haeckel, widersprechen zu
müssen, indem er zwar nicht die urtümliche Rhizopodennatur im ganzen,
wohl aber den Aufbau aus nur _einer_ Zelle bestritt, da sich doch an
eine Hauptzelle in deren äußerem Gallertmantel durchweg noch eine
Anzahl anderer anschlössen. Die Grundfrage schien damit geklärt,
und die Radiolarien paradierten zunächst nur durch ihre besagte
kristallhaft regelmäßige Gestalt, zu der allmählich die großen
Tiefsee-Expeditionen Tausende von immer prächtigeren Varianten liefern
sollten. Da aber brachte 1871 der russische Botaniker Cienkowski auch
jene anatomische Sache neu in Fluß durch die überraschende Behauptung,
jedes Radiolar sei dennoch nur ein Tier aus einer einzigen Zelle,
denn jene gelben Zusatzzellen in ihm seien in Wahrheit einzellige
Algen, also Pflänzchen, die nur als fremde Eindringlinge in dem
tierischen Radiolar lebten, gleichsam die beiden großen Naturreiche
lebendig vermischend auf denkbar engstem Raum; denn solches Radiolar
maß durchweg nur einen Millimeterbruchteil, während oft mehrere
hundert solcher strittigen Zellen in seinem Leibe eingeschachtelt
steckten. Die Behauptung machte als überkühn zunächst lachen, erwies
sich dann aber besonders durch Brandts Bemühungen als wahr. Es gibt
ja schließlich chemische Feinmethoden, eine Pflanzenzelle von einer
Tierzelle in ihrer Lebensäußerung zu unterscheiden. Nicht nur, daß
sie meist einen Mantel von Zellulose, also pflanzlichem Holzstoff,
führt (solche Zellulose können sehr ausnahmsweise auch einmal Tiere
wie die bekannten, den Wirbeltieren nahen Manteltiere, die Aszidien
und Verwandten, entwickeln), sondern sie scheidet vor allem als Regel
wenigstens im Tageslicht bei ihrer Arbeit Sauerstoff aus als Abfall
ihrer Kohlenstoffabrik, während die Tierzelle atmend fortwährend nur
Kohlensäure haucht, und diesen „Schornstein“ ihres gegensätzlichen
Maschinenbetriebes behaupten solche Liliputer auch mitten im engsten
Ineinanderstecken, wenn man die Dinge nachprüfend auf die Goldwage
legt. Kaum aber war diese eigenartige und in ihrer Weise epochemachende
Entdeckung getan, so schloß sich auch an sie bereits wieder eine
umfassendere an.

Jene besagte merkwürdige Elementarküche der echten Pflanzen vom
winzigsten einzelligen Algenpflänzchen bis zu einem ganzen grünen Walde
zeigt sich bekanntlich geknüpft an jenen erwähnten Stoff, den man
Chlorophyll nennt und der sich äußerlich bei den Pflanzenblättern durch
die auffällig grüne Farbe auszuzeichnen pflegt; sie ist hier wirklich
mehr oder minder die Farbe des typischen chemischen Pflanzenkochtopfs,
wobei wir die bis heute noch ungelösten Geheimnisse dieses Chlorophylls
als eine rein pflanzenphysiologische Frage wieder beiseite lassen
können. Genug, man kannte aber schon längst da doch auch einzelne
Tiere, die ebenfalls unverkennbar intensiv pflanzengrün waren und diese
Blattfarbe allem Anschein nach wirklich auch solcher Chlorophylleinlage
in ihrem Tierleibe verdankten, -- so war, wenn auch nicht unser rein
farblich grüner Laubfrosch, doch unser ebenfalls sehr allbekannter
kleiner grüner Süßwasserpolyp, die ~Hydra viridis~ (ein auch sonst
von je die Beobachtung durch sein enormes Wiederherstellungsvermögen
beim Zerschneiden, sowie als unmittelbarer Seerosen-Vetter unserer
Binnenwasser fesselnder kleiner Kerl), ein sinnfälligstes Beispiel
dieser Art. Bisher hatte man sich damit abgefunden, daß hier also auch
ein Tier gelegentlich Chlorophyll erzeugen könnte, -- seltsam nur, daß
diese so ganz unsäglich wichtige Gabe, die solchem Tier ja zugleich
alle Urkraft der Pflanze verlieh (mit solcher Kraft würden wir Menschen
heute von Luft und mineralhaltigem Wasser leben können, eine hübsche
Lösung der sozialen Frage!), so launisch bloß über ein paar Arten (eine
zweite Art z. B. schon dieser Hydra besaß sie nicht) verteilt sein
sollte. Hier aber fiel es nun beim Aufrollen der Radiolariensache auf
einmal wie Schuppen von den Augen: ob nicht alle diese vermeintlichen
„Chlorophylltiere“ tatsächlich auch auf solche mit einem Tier lebend
kombinierten Pflanzeneinlagen hinauslaufen könnten? Die grüne Farbe
brauchte dabei, nebenher bemerkt, nicht allein ausschlaggebend zu sein,
denn jene Radiolarienalgen waren selber gelb, und das Chlorophyll kann
an und für sich auch eine etwas andere Färbung gelegentlich annehmen,
ohne zu verlieren, was es ist.

Und wirklich gelang es gleich den Brüdern Oskar und Richard
Hertwig 1879, einen solchen Fall teils gelber, teils grüner
Chlorophylleinschlüsse in der Darmschicht jetzt einmal wieder
unserer mehrerwähnten guten Seerosen mit Glück aufs Korn zu nehmen,
-- wobei sich klipp und klar herausstellte, daß auch hier tief
in den Bauchzellen des Seerosentiers eine ganze dicke Vegetation
bestand, ein wahrer kleiner unterirdischer und nur im Farbton
grünlich oder braungelb durchscheinender Wald von echten Algen, die
alle ihre Schornsteine mitten im Tierhaushalt ruhig nach Weise ihrer
Pflanzenfabrik weiter rauchen ließen. Brandt konnte (nachdem hier schon
der ungarische Zoolog Géza Entz sogar vor den Hertwigs erfolgreich
vorgearbeitet hatte) bereits 1881 das gleiche vom Hydrapolypen
nachweisen, der selber eben auch nur so salatgrün war, weil auch in
ihm, etwas bildlich gesprochen, wirklich Salat in ganzen Feldern
grünte. Und in der Folge ist dann diese innere Salatversetzung noch
bei den verschiedensten Grüntieren festgestellt worden: von selbst
noch radiolarienhaft einzelligen grünen Amöben bis zu den schönsten
Polypen der Korallenbänke und wieder dem Strudelwurm Convoluta, bei
dem die Pflänzchen sogar ohne Zellulosemäntelchen unmittelbar nackt in
den tierischen Nacktzellen der Haut zu stecken scheinen. Von gewissen
grünen Seerosen hat Weismann erzählt, daß er sie gelegentlich an der
Küste von Korsika gradezu für eine Seegraswiese gehalten habe, so
täuschend hatten sie sich mit ihren eigenen Salatbeeten maskiert. Oskar
Hertwig in seinem berühmten Symbiosenvortrag von 1883 aber gab nun
auch diesem Komplex unwahrscheinlicher und doch wahrer Erscheinungen
wieder die Tiefe, indem er sie als einen weiteren Fall seiner
Symbiose selbst proklamierte. Die grünen Schmuggelpflänzchen lebten
mit den betreffenden Tieren abermals im Schutz- und Trutzbündnis auf
Gegenseitigkeit. Sie wurden von dem Tier, auch wo sie, wie bei der
Hydra und den Seerosen, in den hier innerlich verdauenden Magenzellen
saßen, selber nie oder doch in der Regel nicht (Hungersnöte sollen
einzelne Ausnahmen schaffen) mitverdaut im Sinne wirklich verschluckten
Salats, fanden vielmehr hier das üppigste Treibhaus, ja vielleicht
eine Art Mistbeet. Ihre pflanzliche Küche, die tagsüber Sauerstoff
rauchte (nachts wirft die jetzt rein atmende, nicht kochende Pflanze
auch Kohlensäure aus wie das Tier selbst), paffte diesen Sauerstoff als
erquickende Atemluft unmittelbar in das umschließende Tierhaus hinein,
dieses Tier aber, aus dem immer nur Kohlensäure raucht, warf wieder
solche als vorzüglichen Brennruß ständig in die kleinen Pflanzenküchen
zurück. Auf engstem Raum konzentriert wirksam erwies sich hier etwas,
das eigentlich schon im ganzen freien Tier- und Pflanzenleben auf
Erden eine gewisse an Symbiose immerhin anklingende Rolle spielt.
Ich habe oben einmal gesagt, das Tier sei im großen Freßkampf eine
Art urbestimmten Schmarotzers an der Pflanze gewesen. Das ist vom
echten Magenfreßkampf aus auch richtig, trifft aber doch nicht so die
merkwürdige ständige Luftausgleichung der beiden, die ebenso von je
etwas friedlich Ergänzendes besessen hat: wenn nämlich die kochenden
grünen Pflanzen eben immerzu auch im Ganzen Sauerstoff rauchen, der
von den atmenden Tieren gebraucht wird, und die Tiere dafür die dort
erwünschte Koch-Kohlensäure. Nennen könnte man auch das schon eine
große Ursymbiose der ganzen beiden Reiche, doch müßte man dann auch den
ganzen Kreislauf des Stoffs heranziehen: wie das Leben der Pflanze am
eigenen und des Tieres Abfall und Tod, an Verwesung, Fäulnisbakterien,
Neubefreiung von Nährsalzen hängt und das Tier wieder daran durch die
Pflanze, -- womit aber der echte Symbiosebegriff sich ins Uferlose
des ganzen physiologischen Lebensprozesses verflüchtigte, so daß man
das im engeren Zweck des einheitlichen Bildes lieber wieder liegen
läßt. Jedenfalls aber mußte bei solchem engsten Zusammendrängen von
ganzen Gewächshäusern in Tierleibern auch dieser Gasaustausch eine
nicht unwesentliche Rolle des ~do ut des~ spielen. Darüber hinaus ist
dann, wenn nicht ganz einstimmig, so doch seither immer entschiedener,
behauptet worden, daß Alge und Tier sich auch noch gegenseitig im
Freßsinne richtig fütterten. Die Alge soll der Seerose Überschüsse an
Zucker und Stärke abgeben, wie sie ihre Küche schafft, und dafür von
drüben allerlei Abhub, auf dem sie gleichsam wie im Mistbeet sitzt,
erhalten, -- und gewiß ist, daß die Alge unter dem tierischen Glasdach
Schutz hat, zumal wenn wieder ein Polyp (auch die kleine Hydra ist
darin ein richtiger) sein Brennschwert besser als Vogelscheuchen und
Stacheldraht über ihren Beeten schwingt. Bei den Einzelheiten muß die
Debatte da naturgemäß wieder auseinandergehen, ist es doch nicht immer
ganz leicht, auch mit den feinsten Experimenten so etwas zu erweisen
(z. B. also, ob ein Hydrapolyp ohne Algen etwas an Kost vermißt), wenn
die Ernährungstheorie solcher Wassertiere im ganzen noch so schwankt;
nach einer viel besprochenen Theorie Pütters enthält jedes beliebige
Teich- und Ozeanwasser nämlich allgemein schon so viel abgelösten
Pflanzenzucker, daß seine Tiere sämtlich nahezu davon allein leben
könnten, eine Ansicht, die allerdings wieder von andern heftig befehdet
wird, aber doch zur ernsten Debatte steht. Und auf alle Fälle hat
das Tier mit dem grünen Salat im Leibe, der durchschimmernd seine
eigene Farbe bestimmt, auch noch einen eigenen äußeren Deckvorteil: es
verschwimmt im Pflanzenwald da unten selber wie ein grünes Kräutlein
nach dem Prinzip der Mimikry.

Das Verblüffendste aber an dem Ganzen ist auch jetzt wieder das
Eindringen der Symbiose in die Fortpflanzung. Bei dem Süßwasserpolypen
ist sie in unzweideutiger Weise beobachtet worden, und sie geht
tatsächlich jetzt noch ein Stück über den Flechtenfall hinaus. Man
nennt diese symbiontisch grünfärbenden Tieralgen hier Zoochlorellen
(im Gegensatz zu den gelbfärbenden Zooxanthellen) und sieht nun
die Zoochlorellen im Mikroskop gewöhnlich in Massen der inneren
Hydrawand als kleine Grünkörnchen eingelagert. Sobald sich aber in dem
Außenteil der durch eine Stützlamelle wie durch eine verschlossene
Tür gesonderten Doppelwand des Polypen ein Ei dieses Polypen bildet,
durchbohrt ein Teil der Algenkörnchen die Tür und steigt drüben
_in das Ei selbst_ ein, dem so schon auf seine spätere befruchtete
Ablösung hin die nötige Dosis Algensaat für den aus ihm entstehenden
Neupolypen gleich mitgegeben wird, -- etwa wie wenn im Hühnerei bereits
ein Salatblatt mitginge, das dem werdenden Hühnchen dort sofort in
den Bauch mit einwüchse. Da die Süßwasserpolypen schon richtige
Geschlechtszeugung (neben Knospung) besitzen, also auch Mannessamen zu
ihren Eiern produzieren, wäre unschwer zu denken, daß auch in ihn die
Algen vorsorgend einkröchen, und wenn es nicht geschieht, so liegt es,
abgesehen von der Winzigkeit jetzt solcher Samenzellen, wohl wesentlich
an der Überflüssigkeit, da jede Samenzelle ja doch erst noch zu einer
Eizelle hinmuß; man könnte sich aber auch mit ebensolcher Leichtigkeit
nach Analogie anderer Romane des Liebeslebens vorstellen, daß, wenn
die Algen zu ihrer Fortexistenz geschlechtliche Zeugung nötig hätten,
auch das auf diesem Wege der Doppelbestiftung der zueinander eilenden
Samen- und Eizellen des Polypen mit Mannes- und Weibesalgen, deren Akt
mit jenem dort zusammenfiele, zu machen gewesen wäre. Das einfache
Einkriechen in die Eizelle kommt übrigens auch in Medusenpolypen im
Meer vor, während bei jenem Wurm Convoluta die ganz junge Larve zuerst
ihr Beetchen überpflanzt bekommt.

Wie vorher, so schließt sich auch um diese Tieralgen wieder ein
engerer Kreis verwandter Erscheinungen, an denen vor allem die weite
Verbreitung auch dieser Symbiosenform erhellt. Nimmt man statt
der Algen wieder echte Pilze oder gar bakterische Spaltpilze, so
leben sowohl Hefepilze wie echte Spaltpilze in vielen Insekten,
z. B. Hefepilze regelmäßig in den Zikaden und Wanzen. Auch sie
besetzen bereits das Ei des Insekts und hausen in der Larve wie dem
fertigen Tier, daß man unwillkürlich an jene schlimmen Schlupfwespen
erinnert wird, tun aber dem Wirt durchaus kein Leid, leben vielmehr
gewohnheitstreu in jedem Exemplar, zur Art dort mit besonders
angepaßter eigener Art gesellt: kurz auch hier kaum ein Zweifel, daß
man vor einer alt eingefahrenen Symbiose steht. Bakterien aber, der
Gabe teilhaftig, Pflanzenzellulose selber aufzulösen und in Nährstoffe
umzuwandeln, erfüllen in viel weiterem Maße die Vormägen und langen
Blinddärme pflanzenfressender Säugetiere, vor allem der Wiederkäuer, wo
auch sie ihrem Herbergsvater keineswegs bandwurmhaft fertige Nahrung
fortfressen, sondern grade umgekehrt die eigene vorverdauen, eine
Sache, die, erst neuerlich erkannt, abermals bereits der Symbiose
verdächtig ist, die in diesem Falle für zahllose große Säugetiere
mindestens so wichtig und unentbehrlich wäre wie die Mykorrhiza für
unsern Wald. Es ist sicherlich noch nicht aller Tage Abend mit den
Entdeckungen an dieser Ecke. Nimmt man den Algenkreis umgekehrt um ein
geringes höher, so ziehen sich Algenfäden vielfach durch Schwämme, z. B.
unsern Süßwasserschwamm, in einer Weise, die ganz und gar an das
symbiontische Gewebe in der Flechte, bloß hier nicht von Alge mit Pilz,
sondern mit echtem Tier auf nicht ganz Polypenhöhe, erinnert. Ganze
Algengarben tragen laut Kammerer auf ihrer Außenfläche nicht nur jene
schon einmal erwähnten Krebse, sondern besonders auch die räuberischen
Libellenlarven unsrer Binnengewässer mit sich herum, die, bei Häutungen
sorgsam gerettet, als »wandelnder Wald« beim Berücken armer Opfer
vermummen sollen, während der echte Pflanzengarten hier wieder den
Transportvorteil des Pflanzentiers im Polypenbeispiel genieße. Ja hoch
im brasilianischen Urwald trägt das Faultier, also ein Säugetier, vor
seinem Blätterdickicht ein solches grünes Mimikrykleid aus Algen (je
einer besonderen Trichophilus- und Cyanoderma-Art bei jeder seiner
beiden Gattungen), die sein struppiges, verkehrt gescheiteltes Haar
durchspinnen wie jene den Bauch des Hydrapolypen; nimmt man den
baumfrohen Gesellen aus der Heißfeuchte seines Tropenwaldes so stirbt
die Vegetation im Pelze ab, und er wird mißfarbig graubraun, in der
Heimat aber hat ihm die Alge über das symbiontische Schutzverhältnis
hinaus gar die Motten in den Pelz gezogen, den Faultierschmetterling
~Bradypodicola~, einen Zünsler, dessen Räupchen dort wieder selber
parasitisch die Algenwiese abweiden. Seit vielen Jahren hinter
Symbioseerscheinungen her, gestehe ich doch, daß mir grade dieses
Beispiel, als es mir zuerst in der Fachliteratur aufstieß, am meisten
Spaß gemacht hat, wie es denn in den äußern Umständen bis heute
vielleicht das paradoxeste von allen ist.

Mit den bisher geschilderten Erscheinungen ist der Kreis dessen
ungefähr abgeschritten, was man _enger_ Symbiose nennt. Ein paar
kleine Beispiele sind als unsicher oder unwesentlich übergangen, geben
jedenfalls nichts Änderndes mehr hinzu. Dagegen ist jetzt noch eine
Linie zu verfolgen, die, bei der ersten Begründung ebenfalls schon
eingeschlagen, doch unverkennbar eine Sonderrichtung bewahrt, wenn auch
eine für sich wieder ungemein lehrreiche, da sie unmittelbar auch zur
Anwendung des Prinzips auf den Menschen führt.

Ich habe erwähnt, daß die Teilnehmer einer solchen echten Symbiose eine
Neigung zeigen, wieder in Organe eines neuen Gesamtkörpers überzugehen,
und wir sahen das gesteigert bis zur systematischen Unkenntlichkeit, ja
zum Zusammenschluß der Fortpflanzung. Aber eben in dieser körperlichen
Organbildung selbst gewahren wir mit ansteigender Lebensentwicklung
eine bedeutsame Neuerung: über die andern Organe erhebt sich auf
der tierischen Seite noch einmal besonders das Gehirn, das den Rest
als überlegen meistert und lenkt, sei es schon mit Intelligenz,
sei es (entscheidend noch beim Tier unterhalb des Menschen) mit
verwickelten Instinkten. Auch dazu aber finden wir nun Analogie in
den symbiontischen Verhältnissen, ja sie tritt ein im unmittelbaren
Abglanz von dort. Höher entwickelte, weiter vorgeschrittene Lebewesen
verbinden sich mit niederen, und es kann nicht ausbleiben, daß auch
hier das höhere eine _überragende_ Stellung gewinnt. Sie bleiben zwar
friedlich, fallen nicht wieder in den rohen Zerstörungskampf, aber die
obere Partei greift selbsttätig bei der niederen ein, modelt sie am
lebendigen Leibe stärker für den Zweck, regelt ihre Überschüsse noch
erwünschter; die andere braucht dabei keineswegs schlecht zu fahren,
sie bleibt auch der ersten unersetzlich, aber die Balanze verschiebt
sich _geistig_ nach einer einseitigen Hauptleitung: das eine Wesen
wird tatsächlich zum Gehirn des andern. Schon in dem Polypenbeispiel
war der Polyp ersichtlich geringwertiger als Krebs oder Fisch.
Zuletzt aber haben wir die Pflanze, die Alge, im Tier getroffen, und
hier berühren sich unverkennbar bedeutendste Höhengegensätze. Aller
vollkommenen Gleichmacherei in der Natur tritt, wenn jetzt nicht der
Individualismus, so die Ungleichartigkeit der Stammbaumentwicklung
entgegen, die hier zurückbleiben ließ, dort gesteigert hat. Und
man versteht, daß sich das nur immer mehr verstärken mußte, je
entschiedener überlegene Tiere in den Bund eintraten, und daß hier
zuletzt eine Symbiosenform auftaucht, die innerlich noch wieder zu
etwas Drittem verschoben wird, das weder Kampf, noch reine Symbiose
ist, sondern vielleicht ein neues, dem geistigen Umgriffenwerden durch
die eine Partei entsprechendes Wort verdiente. Ohne zunächst auf die
Wortsuche zu gehen, betrachten wir auch hier ein paar Beispiele,
vielleicht daß sich das Wort dabei von selbst gibt.

Bei de Barys Symbiosenbegründung hatte, wie erzählt, die Entdeckung des
weiland Spandauer Rektors über die Blütenbefruchtung durch Insekten
sogleich eine Rolle gespielt. Sprengel hatte diese merkwürdige Hilfe
schon bei ungefähr 500 Pflanzarten nachweisen können, später leider
durch Amtsentsetzung (wegen einiger beim Botanisieren versäumten
Sonntagspredigten!) am Verfolg seiner Studien behindert, und die
Wahrheit war dann langsam, aber glänzend durchgedrungen, daß auch
hier ein entschiedenes Wechselverhältnis auf ~do ut des~ vorliege.
Die Blüte gibt freiwilligen Überschuß: eiweißhaltigen Pollen und
ein Kohlenhydrat (Honig) her, und die Fliege oder Biene oder der
Schmetterling übertragen bei Gelegenheit des Tischbesuchs, von
Blüte zu Blüte gleicher Art gehend, den Staub auf fremde Griffel zu
Kreuzbestäubung, die zur Verminderung der Inzucht im Liebesleben der
Pflanzen not tat; die Grunddinge stehen heute in jedem Schulbuch und
erübrigen sich für uns hier. Pflanze und Insekt leben, d. h. wohnen
allerdings hier in der Regel nicht beisammen, sondern das Insekt
besucht die Pflanze nur, aber das läuft für den Symbiosebegriff,
wie gesagt, doch nur auf einen Wortstreit. Geschichtlich können wir
diesmal den Finger fast noch genau auf den Zeitpunkt legen, in dem die
Verbindung begonnen haben muß: erst in der Kreidezeit waren die höheren
Blütenpflanzen (Gipfel des ganzen Pflanzenstammbaums) und höchsten
Insekten da, und zwar sind beide damals offensichtlich schon in
aufeinander gestimmter symbiontischer Doppelanpassung entstanden. Und
der Weg dazu ist auch noch recht deutlich. Im Mittelpunkt stand wieder
wie bei Krebs und Seerose das alte Bewegungsproblem. Die Landpflanze
auch in ihrer Höchstform wurzelte, das Insekt dagegen war (das Wie ist
in meinem Kosmosbändchen „Stammbaum der Insekten“ erzählt) als Flieger
ein erstklassiger Ortswechsler geworden. Die seßhafte Pflanze war,
um ihren Blütenstaub wenigstens fremd zu vertreiben, lange genötigt
gewesen, unermeßliche Pollenmassen zu verschwenden, die der Wind auf
gut Glück entführte, damit ein paar Stäubchen drüben landeten. Im
Grunde ja eine seltsame Sorte Überschuß, da jedes Pollenkörnchen doch
ein echtes Stück Leben, eine halbe Individualität darstellt, aber das
Liebesleben kennt in dem Punkt von je keine Rücksicht, man denke nur
an die wahnsinnige Verschwendung unsrer menschlichen Samenzellen,
deren 200 Millionen in jedem Erguß mitgehen. Da aber zeigte sich nun,
daß, wenn die Insekten ein Teil Pollen abfraßen und dabei die Blüten
wechselten, der Rest angeklebt an ihren Körper weit sicherer ans Ziel
kam. Und so wurde der Pollen unmittelbar in Insektenbrot verwandelt
und die Blüte in einen offenen Bäcker- oder Konditorladen mit allen
Lockmitteln des Gratisbetriebs, wobei immerhin ein großer Nebenversuch
fast gelang, wirklich doch auch das lebendige Pollenbrot, in dem immer
Leben zerstört wurde, durch reinen Abfallzucker (Honig) zu ersetzen.

Man kennt den Riesenapparat, den die Naturzüchtung hier an der
Pflanze herausgearbeitet hat: Pollenläden mit weithin leuchtenden
Farbenschildern (erst hier ist die Pracht unserer Blumenwiesen
entstanden, wieder ein riesiger landschaftsbildender Faktor aus Macht
der Symbiose!), weit offene Honigtöpfe, endlich kunstvoll langhalsige
Honigflaschen, wunderbarer Duft, besondere Wegzeichen (Saftmale)
wie eine Art Schrift, -- alles doch zugleich im Zweck des möglichst
ausgiebigen Bepulverns und Beklebens mit Mitnehmesamen; dieser
Samenstaub selber dem Insekt durch harmlose Schlagwerke und Explosionen
beim Betreten der Konditorei übergestreut, -- der Honig (wie bei den
Orchideen) in besondern Schränkchen mit einer Bank davor aufbewahrt --
nimmt das Insekt Platz und steckt das lüsterne Köpfchen in den Schrank,
so kleben sich ihm dort zwei Samenklumpen wie Hörner vor die Stirn,
die sich dann selbsttätig auf seinem Weiterflug so einkrümmen, daß
sie genau ins nächste Schränkchen mit eingehen und dort befruchten.
Die Kunststücke können noch viel weiter gehen bei weniger feinen
Insekten, es braucht auch kein uns angenehmer Duft dabei mitzuspielen:
im Aronstab (um nur noch ein Beispiel flüchtig zu streifen) stinkt die
Blüte nach Klosett, lockt grade damit Fliegen, die dann durch eigene
Heizung der Pflanze zunächst in die warme Backstube gelockt werden,
worauf sich aber hinter ihnen eine Fischreuse schließt und sie tagelang
bei Proviant eingesperrt hält, bis sie den Samen gründlich abgeladen
oder neuen angeschmiert bekommen haben, -- kleine Zwangslisten, die
doch das Einvernehmen nicht stören können. Demgegenüber nun das Insekt
mit seinen entsprechenden körperlichen Einbauten zum Proviantzweck:
ungeheure Saugrüssel der Schmetterlinge, je enger der Honigkelch,
desto länger, bis 25 ~cm~ einer Madagaskarart, zu der man erst den
Orchideensporn so tief fand, bis man dann richtig auch den Heber
entdeckte; bei den Honigbienen besondere Kröpfe für den Honig, Körbe
(Höschen) für den hier obenein gewährten Pollenüberschuß, die diesmal
nicht bloß dem Eigenkonsum dienen, sondern an deren ins Nest getragenen
Vorrat das Insekt hier seine eigene Jugendpflege angeschlossen hat,
wie dort die Pflanze an den Insektenvertrieb ihre Fortpflanzung. Wobei
noch bemerkt sei, was vielleicht nicht jeder kennt, daß nicht bloß
Insekten so wirken, sondern auch Vögel (Kolibris und Nektarinien),
denen die Pflanzen ebenso buntfarbige Signallaternen und Sitzbänke
(z. B. bei den Strelitzien) aufstecken, sowie Fledermäuse und selbst
ein durch Honigsaugen fast zahnlos gewordenes australisches Beuteltier
(~Tarsipes~). Im ganzen jedenfalls die wunderbarste Nutzung wieder
auf Gegenseitigkeit mit der Pracht ineinandergreifender Glieder einer
Präzisionsmaschine, woran auch hier kleine Begleitzüge nichts ändern;
der Kampf geht ja als Naturunterströmung immer mit: die friedliche
Blütenfalle des Aronstabes wird nebenan im Blatt der insektenfressenden
Pflanze zur scheußlichsten Zyklopenhöhle, und wo auch die Blüte das
Insekt, wenn es rein räuberisch auftritt, nicht „will“, sperrt sie auch
ihm den Weg mit den wildesten Stacheldrähten und Leimtöpfen; aber gegen
solchen Kontrast hebt sich nur erst recht auch hier die Symbiose ins
Licht.

Inzwischen scheint aber, wenn irgendwo, auch der Fall einseitiger
geistiger Überlegenheit jetzt gegeben. Die Pflanze ist zwar die
höchste ihres Reichs, aber daneben steht das Tier auf der Stufe,
wenn nicht gar des Vogels oder Säugetiers, so doch des begabtesten
Insekts, wie es etwa durch das Gehirn einer Honigbienen-Arbeiterin
gekennzeichnet ist. Das Gehirn solcher Biene, entsprechend dem
Nervenbau hier als obere Schlundmarkverdickung ausgebildet, wiegt
1/174 des Gesamtkörpers im Gegensatz von nur 1/3500 beim Maikäfer:
was besagt, daß noch der Maikäfer „ein absolut kleineres Gehirn hat
als die 40mal kleinere Biene“ (Hesse). Man hat daraus mit vielleicht
nicht allzuviel Übertreibung gefolgert, daß schon unter den Insekten
selbst hier Geistesgegensätze bestehen müßten, wie zwischen Frosch und
Mensch, wobei man (was für unsern Zweck hier, wie gesagt, genügt) noch
immer nicht in die Trennungsfrage von freier Intelligenz und vererbten
Gehirntrieben einzugehen braucht, um doch die ungeheure Überlegenheit
des blütenbesuchenden Insekts gegen die Blüte zu ahnen. Nun wird man
allerdings zunächst etwas enttäuscht. So wundervoll die körperlichen
Anpassungen der beiden Parteien sind (bei der Pflanze eigentlich noch
besser als beim Tier), so ist doch von jeher aufgefallen, daß gerade
eine entscheidende Hauptsache, wie die Befruchtung der Pflanze, selbst
durchaus _nicht_ in den unmittelbaren Gehirninstinkt des Insekts
aufgenommen ist. Das Insekt besucht von sich aus die Blume lediglich
zum Nahrungszweck, die Bestäubung bleibt _ihm_ aber Zufallssache.
Drastisch gesagt: es wischt sich beim Futterholen immer wieder etwas
Schmutz an den Rockärmel und schmiert ihn drüben ebenso achtlos wieder
ab, -- anstatt daß auch diese ihm zuletzt im Erfolg so hochwichtige
Sache von seinem _eigenen_ Instinkt mit umfaßt werde; denn wenn die
Befruchtung sich nicht vollzöge, gingen seine Nährlieferanten, wie die
Dinge heute stehen, ja doch herunter oder ein, während umgekehrt, wenn
das Insekt auch diese Sache in seine unzweideutigen Instinkte aufnähme
und ohne Zufall mit der ganzen Sicherheit solchen Instinkts selbständig
vollzöge, der Mehrvorteil ein außerordentlicher sein könnte. Das Insekt
hätte die Fortpflanzung der Pflanze damit selber in der Hand. Noch in
weit engerem als bloß bildlichem Sinne hinge die Pflanze von ihm fortan
als einem kundigen Gärtner ab. Es könnte ihre Existenz zweckgerecht
stärken unter Ausschaltung jeden Zufalls. Unwillkürlich träumt man,
was für einen Aufschwung die Insektenblüten unter dieser Regelung
noch genommen haben könnten, -- wenn die Propagation der Art an eine
_Pflicht_ des Insektengehirns angeschlossen würde. Man fühlt aber auch,
was dieser Anschluß im Sinne jener einseitigen Überlegenheit bedeutet
hätte: die Pflanze kam aus der Zucht des Zufalls einseitig in die des
Insektengehirns. Nun, eben in der erdrückenden Masse der Fälle ist es
aber hier noch nicht so geworden. Die Dinge müssen sich ungefähr auch
so durchgesetzt haben, und die Natur scheint einmal wieder den Weg des
kleinsten Kraftmaßes gegangen zu sein (soviel wir uns unter diesem Wort
vorstellen können): nämlich nicht mehr zuzulegen, als unbedingt nötig
war.

Ganz genau besehen, gewahren wir indessen in einem höchst bedeutsamen
Einzelfall auch hier schon wenigstens einen Ansatz. Seit einer Reihe
von Jahren weiß man, daß es _ein_ Beispiel gibt, wo vom Insekt die
Blütenbefruchtung mit voller Instinktabsicht tatsächlich bereits
vollzogen wird, -- nämlich bei der amerikanischen Yukkamotte,
der ~Pronuba yuccasella~, einem kleinen, metallisch glänzenden
Nachtschmetterling in den prachtvollen großen, nur nachts geöffneten
und dann weithin im Mondlicht lockenden weißen Glocken der
Yukkapflanze. Diese Yukkamotte, an sich ein so unscheinbares Kerlchen
wie andere, erklettert die Staubgefäße der Yukka und bemächtigt sich
dort mit Hilfe ihrer eigens dazu umgestalteten, griffartig klemmenden
Kiefertaster eines Ballens Blütenstaub, den sie nun weder frißt, noch
als Proviant fortschafft, sondern im Fluge zu einer zweiten Blüte
hinüberträgt und dort genau in die Griffelnarbe stopft, solchermaßen
unter völliger Zufallsausschaltung ihre Pflanze jedesmal zielgerecht
fremdbestäubend. Der Fall steht, wie gesagt, ungefähr einzig da,
beweist aber unzweideutig, daß die Sache auch so bereits nicht nur
möglich, sondern vereinzelt sogar schon realisiert war. Die Yukkamotte
leistet tatsächlich ihrer Pflanze, was beispielsweise menschliche
Kunstgärtnerei des Orients in uralter, bis ans Grau vorgeschichtlicher
Tage sich verlierender Überlieferung mit der Dattelpalme macht, wo auch
herausgenommene und zerschnittene reife Pollenkolben künstlich in die
lebendigen weiblichen Blütenscheiden gestopft werden.

Nun ist aber wieder bedeutsam, daß gerade bei dieser Yukkamotte die
Symbiose selbst sich auf ihren ursprünglichen Sinn zugleich wieder
verengt hatte, nämlich vom losen Blütenbesuch durch das Insekt erneut
zur wirklichen zeitweisen Wohngemeinschaft zwischen Tier und Pflanze
übergegangen war. Auch die Biene, die doch Wohl und Wehe ihrer Brut an
Brot und Honigbelag ihrer Blüten angeschlossen hat, hat diese Brut
anderswo und holt nur drüben für sie ein; die Yukkamotte dagegen legt
dieses Heim ihrer Brut unmittelbar wieder in den Fruchtknoten der Yukka
selbst, den sie (sehr sinnreich hat hier auch der Schmetterling einen
Legestachel wie eine Schlupfwespe) mit ihren Eiern bestiftet und in dem
die kleinen Raupen auskriechen und bis zu ihrer Verpuppung gefüttert
werden, ohne daß erneut etwa hier Raupenparasitismus umgekehrter Art
entstände: die Pflanze opfert vielmehr, wie der Biene Pollen, so hier
der stets beschränkten Zahl Räupchen einen kleinen Überschuß ihrer
Samenkörner (von 100 vorhandenen jedem Räupchen etwa 20), was sie um
so leichter kann, als sie ihrer Befruchtung hier ja noch weit übers
Gewöhnliche hinaus gewiß sein darf. Wer Anstoß daran nimmt, daß doch
auch solches Samenkorn schon vollwichtiges Neu-Leben darstellt, also
die Pflanze eigentlich auch schon ein ~ver sacrum~ im antiken Sinne,
ein Stück Weihefrühling ihres Geschlechts, daran gibt, der muß sich
eben auch hier mit den „Ausnahmen“ des Liebeslebens abfinden, das
z. B. am Eierstock jedes Menschenweibes 72000 Eier anlegt, von denen
höchstens doch ein paar reifen können, der Rest aber auch vergeht.
Jedenfalls bekommt man aber den Eindruck, daß das Insekt zur ganzen
Entfaltung seiner _überragenden_ Instinkte erst kam, als es auch wieder
in irgendeine Art näheren Hausanschlusses mit der Pflanze getreten war,
-- wie doch auch wir Menschen uns geschichtlich erst ganz intim mit
einer Pflanze befaßt haben vom Augenblick an, da wir sie gewissermaßen
in unsern Hausgarten aufnahmen. Sobald aber wieder möglich wurde,
daß die Pflanze auch die Kinderstube oder (der Schritt ist ja sehr
klein) überhaupt das eigene Wohnhaus des Insekts wurde (wie nahe läge
z. B., daß jene zeitweisen Gefangenen des Aronstabes nach Fall der
Liebesgatter auch weiter die behagliche Pflanzenstube als Quartier
benutzten!), mußten sich zunächst noch wieder anschließende ältere
Symbiosenvorteile einseitig betätigen: das wehrhafte Insekt mochte sein
Haus, die Pflanze, verteidigen. Dieser Weg ist für sich auch zwischen
höherer Pflanze und Insekt nun wieder reichlich beschritten worden,
wenn wir von der Befruchtungssymbiose selbst zunächst noch einmal mehr
oder minder absehen wollen.

Anfänge von Blütenverteidigung durch bissige Insekten liegen bereits
auf der Grenze vor allem symbiontischen Anschluß, wenn Blüten rein im
Kampf gegen rohe Blütenfresser hemmenden Kleber nach Art der Pechnasen
an alten Burgen träufeln, dieser Kleber bei Kornblumen wegen seines
Honiggehalts aber von Ameisen gesucht und nun von diesen Ameisen gegen
blütenfressende Rosengoldkäfer (Cetoniden) wütend verteidigt wird, --
wobei ich offen lasse, ob nicht auch hier durch Hin- und Herlaufen der
Ameisen auf dem Blütenbeet solcher Komposite auch Kreuzbefruchtungen
nebenher vermittelt werden könnten. Wenn wir aber dabei schon auf die
Ameisen (die sonst als Vermittler nicht so in Frage kommen) geraten,
so wären hier ein bereits viel anschaulicheres und selber fest
eingefahrenes symbiontisches Beispiel die unmittelbar so benannten
„Ameisenpflanzen“, falls man sie (es liegen hier Streitfragen) noch
gelten lassen will. Der einfache Sachverhalt läuft in dem bekanntesten
und oft beschriebenen Fall des brasilianischen Imbaubabaumes,
einer Cecropia-Art, darauf hinaus, daß gewisse räuberische Ameisen
(Atta-Arten) zu einem besonderen Zweck dort oft ganze Bäume ihrer
Blätter berauben, wogegen andere, sehr tapfere Ameisenvölker einer
Azteca-Art nun jenen Baum gewohnheitsmäßig durch wütige Gegenangriffe
schützen sollen; und die Imbauba bietet ihnen dafür der Erzählung nach
ihre nach Doldenart hohlen und übereinander gekammerten Stengel als
Wohnung, zu der besonders vorgesehene dünne Wandstellen sich leicht als
Außen- und Falltüren öffnen lassen, sowie in besonderen eiweißhaltigen
Überschußbildungen (hier doch ohne Bezug zum Pollen) auch eigene
Hauskost. Ähnlich sollen andere „Schutzameisen“ zu den ungeheuren
eigenen Wehrdornen amerikanischer Akazien noch eine persönliche
Garde fügen, die in solchen Stacheln selber haust und ebenso durch
besonderes Fettbrot an den Blattspitzen beköstigt wird. Und endlich
leben schirmende Ameisenheere in den kaktusartigen Knollenstengeln
der auf indischen Urwaldstämmen sitzenden Myrmekodien, die üppige
Wasserreservoire dieser Pflanzen für die Trockenzeit bilden und deshalb
häufig von durstigen Tieren bedroht sind, während die Ameisen einen
lebendigen Stachelwall, besser als jede echte Kaktuswehr, darumziehen.
Im Engeren scheinen sich in diese Schilderungen kleine Irrtümer
gemischt zu haben, die Gegengaben der Pflanzen sollen auf nicht mehr
hinauslaufen, als sie ohne Ameisen auch schon lieferten, und die
Ameisen ihr zufällig gefundenes Haus nur eben als „ihres“ verteidigen
ohne sonst stärker durchgeführte Symbiose. Unserer Betrachtung aber
mag wieder vollständig genügen, ohne daß sie mehr und Strittiges
aufzurollen brauchte, wenn eben dieser Hausschutz nur schon auf Grund
fester Insekteninstinkte betrieben wird. Auf noch ein Weiteres führt
uns dann schlicht ein Zug der Geschichte selbst, der als solcher
niemals bezweifelt worden ist: nämlich eben das Blättersammeln jener
andern, der Atta-Ameisen. Die Ameisen, die das tun, haben ihr Haus und
Nest nicht in der Pflanze, sondern tragen die Blätter erst dorthin
fort. Daß sie es (feindlich hier zur Pflanze) tun, ist an sich nicht
wunderbarer, als daß die Bienen es friedlich mit dem Pollen machen.
Aber was die Atta-Völker jetzt daheim mit den Blättern vollführen, das
ist nochmals etwas ganz Neues und Überraschendes.

Die den verschiedensten Pflanzen feindlich ausgeschnittenen
Blattstücke, von den Ameisenprozessionen zierlich wie kleine
Sonnenschirme auf dem Heimzug hochgehalten, werden, nährarm, wie sie
für verwöhntere Tiere sind, zu Hause nicht selber verzehrt, sondern
als Futter für eine gewisse andere Pflanze verwertet, die jetzt in
friedlicher Symbiose mit der Ameise lebt, -- allerdings in einer
Symbiosenform, die nunmehr aufs allersinnfälligste die einseitige
Überlegenheit des Insektengehirns zum Ausdruck bringt. Die Ameise
hat diese wichtigste Pflanze in die Unterräume ihrer eigenen Burgen
(Atta-Arten bauen Haufen bis zu 2½ Meter Höhe im feuchten Waldgrund)
als „Hauspflanze“ aufgenommen. Im dunkeln Keller solchen Mulmhaufens
wird man allerdings schwerlich eine Blütenpflanze vermuten, und
es ist auch diesmal keine, sondern wieder erst einmal ein Pilz,
dessen unterirdisches Sauggeflecht (Myzel) von den Ameisen mit jenen
angeschleppten Blättermassen aufs sorgfältigste gefüttert wird.
In dem Ameisenbau werden die zweckgerecht zerkauten Blatteile in
besonderen Kammern als Mistbeeten dem wuchernden Pilz unter Ausjäten
aller unkrauthaften Eindringlinge bereit gemacht. Eine körperlich
angepaßte Kaste des Volks aus kleinen Arbeitern besorgt als „Gärtner“
diesen Dienst. Ihr liegt aber noch eine wichtigste Handlung an dem
übermäßig so gedeihenden Kulturpilz selber ob: indem die Gärtner
bestimmte wucherkräftige Triebe daran beständig kappen, scheinen
sie den Pilz immer wieder zur Bildung eigentümlicher eiweißhaltiger
Stauknötchen anzutreiben, die jetzt eine wirklich höchst brauchbare
verdichtete Nahrung für das Ameisenvolk abgeben, ohne daß der Pilz von
dem Abernten dieser Produkte, die er sonst frei wuchernd wohl wieder
verbraucht hätte, Schaden erführe. Ein solches übermäßiges Wuchern
aber ist ihm auch nicht nötig, denn die Ameise gibt ihm auch auf engem
Raum immer wieder volle Neukraft, indem sie nicht nur übers Maß ihn
füttert, sondern auch von Zeit zu Zeit als umsichtiger Gärtner das
ganze ausräumt, mit Neumaterial als Nährbeet ersetzt und darin einem
zweckgerecht bewährten Treibstück des alten Myzels frischen Raum zum
Wuchern gibt, als wäre der Pilz mit einem jungen Sproß in wirkliches
Neuland gelangt. Wenn aber überhaupt ganz neue Ameisenbauten errichtet
werden sollen durch ausziehendes Jungvolk der Ameisen selbst, so wird
solcher Rest der alten Pilzkultur noch viel raffinierter auch dorthin
überstiftet: die befruchtete Ameisenkönigin, der jedesmal obliegt,
das neue Volk und Nest zu begründen, nimmt stets ein solches lebendes
Pilzzweiglein in einer besonderen Kinnbackentasche (sozusagen in
einem hohlen Zahn) mit; am neuen Fleck nährt sie es dann zunächst
mit eigenem Stuhl, zu dessen wohltätigem Abgang sie einen Teil ihrer
selbstgelegten Eier sich wieder als nährenden Eierkuchen zu Gemüte
führt, bis aus dem Rest der Eier neue Gärtnerameisen erwachsen sind,
die nun abermals allmählich Blätter zu holen beginnen und das so lange
mühsam durchgepäppelte heilige Pflänzchen neuen großen Staatsmistbeeten
einverleiben, auf daß es nun erneut zum segnenden Fruchtbaum für alle
mit werde. Kein Zweifel: diesmal sieht man das Insekt wirklich ganz und
gar die Pflanze umgreifen, -- friedlich, auch sie kunstvoll erhaltend,
-- aber gerade so übermächtig -- als der leitende Herr. Es schützt
sie im eigenen Haus, es füttert sie bis zur Mästung, es schließt ihre
Fortpflanzung an neuem Fleck an seine eigene an; man erinnert sich
des Verhältnisses des Pilzes zur Flechte, aber wie unendlich viel
straffer hängt hier alles in der Instinktregie der höheren Partei, --
selbst der Krebs tritt weit dagegen zurück. Denn vor allem: sogar die
Gegenleistung der Pflanze erscheint in entscheidendem Grade erst als
eine Handlung der Ameise, die sie selbsttätig bestimmt, wenn sie als
Gärtnerameise wenigstens heute unzweideutig auch die Überproduktion
hervorruft.

[Illustration: Abb. 14. Schematischer Durchschnitt eines Termitenhügels
mit den durch dünne Gänge verknüpften, dunkel schattierten Pilzgärten
im Innern. (Nach Escherich.)]

Man glaubt durchaus zu verstehen, daß auch diesmal die Dinge
geschichtlich nicht durch Hexerei entstanden sind. Diese Ameisen fanden
wohl seit alters natürliches Pilzmyzel in ihren Bauten wuchernd.
Anfangs war’s lästig. Sie beschnitten also seine sperrenden Ranken,
dabei aber zeigten sich wohl jene merkwürdigen Stauprodukte zunächst
rein pathologisch auf die Hemmung und den Reiz hin; man denkt wieder
unwillkürlich an die bekannten Gallen, dicke Nährwucherungen, die
sich auf Blättern entwickeln, die eine Gallwespe angestochen und
mit einer sich entwickelnden Made versehen hat, eine übrigens für
sich noch bis heute sehr rätselvolle Sache, aus der sich vielleicht
selber noch einmal eine geheimnisvolle Symbiose schält. Aber wieviel
weiter geht auch das hier heute schon, indem die Pflanze mit dem
Mistbeet zur Überproduktion großen Stils regelrecht vom Konsumenten
selbst gemästet wird. Auch das Verschleppen anhaftenden Pilzmyzels
in neue Haufen ist vielleicht anfangs nur ein Zufall gewesen, wie
oben die Blütenbefruchtung. Jetzt aber schaltet sich auch das an den
Gehirninstinkt, der den Zufall ausschließt. Damit ist die Fortpflanzung
der Pflanze faktisch diesmal auch in der Macht des Insekts, wie es
nur je oben unsere Phantasie erdenken konnte. Müßte der Pilz durch
Befruchtung fortgepflanzt werden, statt daß Stecklinge hier dauernd
zu genügen scheinen, so dünkt selbstverständlich, daß die Ameise auch
das so gut wie die Yukkamotte durchführen würde. Ja so ganz und gar
ist die Pflanze heute vom Insekt umgriffen, daß es bereits geht wie
bei gewissen unserer eigenen Kulturpflanzen: man weiß gar nicht mehr,
wo der Ameisenpilz der Atta heute noch wild vorkommt, sondern kennt
ihn nur mehr in der Ameisenzucht. Wie weit auch diese wunderbare
Pilzsymbiose aber wieder in der Natur verbreitet ist, lehrt ihr fast
genau so, nur noch besser entwickeltes Auftreten bei einer Masse von
Termitenarten, also bei von den Ameisen weit verschiedenen, doch auch
sehr instinktklugen Insekten aus der Nähe unserer Küchenschaben, in
deren riesigen, bis 6 ~m~ hohen Burgen sich die Pilzkulturen nur so
drängen. Die Pilze der Pilzkammern (Abb. 14) werden hier mit zerkautem
und vorverdautem Holz gemästet, wozu die Termiten ihre bekannten,
so furchtbar verheerenden Zerstörungszüge vollführen. Man hat den
künstlichen Futterknötchen dort wie hier einen Namen gesucht, indem
man mit menschlichen Kunstzüchtungen eßbarer Dick- und Luxusteile
bei Kulturpflanzen verglich: Blumenkohl oder Kohlrabi. Auch Ambrosia
nennt man’s wohl. Dieser Name stammt aber wieder selber von längst
beobachteten Pilzgeflechten in den Fraß- und Kinderstubengängen unserer
im tiefen Holz bohrenden Borkenkäfer, und das Bild wird vollends groß,
wenn man berichtet, daß neuerlich auch alle diese heimischen Käfer
unserer Waldbäume der Pilzzucht verdächtig sind. Die Pilze scheinen
ihnen den feinsten Nährextrakt des weithin durchsponnenen Kernholzes in
ihre Gänge zu leiten und in ähnlichen Luxusknöllchen dort zu servieren,
die Käfer aber sollen die Pilzsporen (absichtlich oder unabsichtlich)
jedesmal wieder in ihre Neubauten mit übertragen: vielleicht noch keine
so vollkommene, aber doch eine bereits werdende Symbiose, die da wieder
durch alle unsere deutschen Wälder geht.

Man hat indessen auch schon von viel höheren Pflanzen behauptet,
daß Ameisen sie entsprechend in Kultur hätten. Die Ernteameise des
Mittelmeergebiets, die schon Salomo nicht entgangen war, treibt
mit zunächst rein feindlich geräuberten Getreidekörnern seltsame
Entkeimungsprozeduren, wobei sie nach gewissen Beobachtungen die Samen
im Sinne richtigen Mälzens zuerst in der Feuchte zwingt, keimend Zucker
anzusetzen, und dann die Keimung künstlich wieder durch Abbeißen hemmt,
damit der Zucker sich nicht normal selber verbrauche. Selbst wenn der
letzte Sinn etwas einfacher wäre (die Deutung schwankt noch), möchte
man solchen Brauern aber wohl willig auch noch weitere Feldkunststücke
zuschreiben, und die unmittelbar so benannte „ackerbautreibende
Ameise“ in Texas sollte also künstlich Gras zu eigenen Feldern ansäen,
in Reinkultur jäten und zur rechten Zeit abernten. Heute wird das
bestritten, aber man wundert sich fast, daß es nicht sein soll, so
gut paßte es in die Linie; denn massenhaft säen Ameisen überall die
bekanntesten unter unsern Waldblumen (Veroniken, Lamien, Veilchen
und andere) dadurch aus, daß sie die Samen gewisser Ölteile wegen
verschleppen, anknabbern und dann wieder wegwerfen, worauf der Samen
doch noch keimt, weil auch dieser Ölanhang eine Art Luxussache war; daß
nicht auch da schon Symbiosen mitspielen sollten, erscheint mir gradezu
unwahrscheinlich.

In Summa aber: das Wort, das wir oben suchten, -- ich meine, es hat
sich uns bereits soundso oft durch das beständig aufgenötigte Bild
jetzt von selber ergeben: diese Symbiosenform zwischen Insektenhirn
und Pflanze _ist_ einfach schon die des Ackerbaues, der Gärtnerei, der
künstlichen Pflanzenzucht, der Kultur im engeren Sinne, wo eine weit
überlegene Macht die Pflanze in Schutz und Zucht nimmt, sie als Art
sorgsam erhält, aber zugleich auf das Maximum ihrer Produktion treibt,
ihre Überschüsse künstlich regelt und lockt, ja ihren ganzen Organismus
schließlich in den Grenzen seiner Begabung umzüchtet, bis er nur mehr
wirklich ein Organ ist, das gleichsam am Nervenfaden des Gehirns von
drüben hängt. Lassen wir die Frage nach Instinkt oder Intelligenz dabei
nach wie vor aus dem Spiel, so ist das _objektive_ Bild des Tieres
hier durchaus schon das menschliche, während sich umgekehrt für unsern
menschlichen Ackerbau selbst die interessanteste allgemein-biologische
Einordnung ergibt: der Ackerbau des Menschen erscheint ebenfalls
untergeordnet dem großen Begriff der Symbiose! Wenn wir uns gewöhnen,
in dem Menschen überhaupt ein natürliches Wesen zu sehen, das sich
trotz aller unermeßlichen Überlegenheit und allen Systemwechsels
dem oberen Lebensstammbaum geschichtlich einfügt, so kann auch in
dieser Vergleichung wohl nichts Paradoxes liegen. Wir wissen, daß der
Ackerbau beim Menschen sich erst auf einer gewissen, verhältnismäßig
gar nicht mehr so ganz jungen Stufe hinzugefunden hat: die ganze
lange Diluvialzeit sah noch keinerlei Kulturgewächs in der Zucht
und Gesellschaft ihrer Menschenrassen. Erst nach ihr hat die erste
Symbiose mit dem Weizen, der Gerste, dem Hafer eingesetzt. Man erinnert
sich auch, wieviel später noch erst wieder die mit der Weinrebe oder
gar der Kartoffel sich entwickelt hat; ausgeblieben ist übrigens
schließlich auch die mit dem Pilz nicht. Auf alle Fälle aber hat der
Mensch seine Überlegenheit sogleich darin bewährt, daß er jene Form
der _ungleichen_ Symbiose zwischen sich und der Pflanze durchgeführt
hat, und so gibt er uns heute das sichtbarste, nächste Beispiel
auch für sie, ein Beispiel, uns längst geläufig, ehe wir von andern
Symbiosen überhaupt erfuhren. Wir entnehmen daraus das Recht, nun auch
rückschauend das Wort von ihm für die vorahnenden Beispiele unter ihm
zu entlehnen, und ich finde kein kürzeres als eben _Kultursymbiose_
dafür. Der Begriff „Kulturpflanzen“ ist uns allen geläufig. In dem
Wort Kultur steckt das einseitig Umwandelnde. Der Mensch verwandelt
die Natur im ganzen, wenigstens versuchsweise, mit Kultur. Kultur ist
höher. Zugleich wahrt das Wort aber doch etwas Friedliches. Die Kultur
vernichtet nicht die Natur, aber sie umgreift sie. So tritt der eine
Symbiont hier zugleich friedlich und doch höher dem andern gegenüber.

Die allgemeine Anwendung des Begriffs der Symbiose auch auf menschliche
Kulturzüchtung ist wohl 1893 zuerst von dem ausgezeichneten
Haustierforscher Konrad Keller in Zürich gemacht worden. Keller ging
dabei aber nicht von den Kulturpflanzen, sondern den Haustieren des
Menschen aus, bei denen er „alle Voraussetzungen und charakteristischen
Züge der tierischen Symbiose“ zutreffen sah. Und es ist nun wieder
interessant und wirkt wie eine Art Probe aufs Exempel, daß sich in der
Tat auch zu der Kultursymbiose unserer Haustierzucht Beispiele schon in
der gleichen Schicht Leben nachweisen lassen, die uns die Pilzkultur
der Insekten zeigt. Die gleichen Ameisen, die in Südamerika mit Pilzen
leben, leben bei uns in der bekannten ausgesprochenen Kultursymbiose
mit den Blattläusen. Die Blattlaus erscheint selbst schon von Natur
als ein geborener Überschuß-Arbeiter. Sie überfrißt sich sozusagen an
Pflanzensäften auf der Suche nach dem geringen Eiweißgehalt darin und
wirft den Überschuß beständig hinterwärts in wahren Verdauungskaskaden
ab, die als süßer Honigtau von den am pflanzlichen Zellsaft mit ihren
Saugschnäbeln angeschlossenen Blattlauskolonien niederzugehen pflegen;
der Schreiber dieser Zeilen arbeitet zuzeiten nicht leicht in seinem
Garten, ohne daß ihm jedes Manuskriptblatt von diesem Segen klebte.
Diesen indirekten Pflanzenhonig machen sich nun die Ameisen nutzbar,
melken durch Betrillern die Läuse regelrecht (die bei manchen Arten
ihrerseits schon so symbiontisch angeschlossen sind, daß sie mit
der Entleerung zaudern, bis die nötige Ameise kommt), verteidigen,
versteht sich, auch ihr Vieh mit bekannter Ameisenbravour, pferchen
es gelegentlich in kunstvolle Schutzgewölbe aus Erde und regeln seine
Fortpflanzung, indem sie die Eier der Blattläuse einholen, im eigenen
Hause überwintern und zum Frühjahr gleichsam wieder aussäen, -- kurz
unzweideutige Haustierzucht! Weniger bekannt pflegt zu sein, daß auch
gewisse Zikaden (also nahe Verwandte der Blattläuse) der Gattung
~Tettigometra~ in ähnlicher Ameisenhut leben, die auf Getreidehalmen
über den Ameisennestern ihre Weide haben und zur Eiablage freiwillig
und ungestört ins Nest selber kommen, in dem dann ihre Larven nachher
die eigentlichen Zuckerlieferanten zu bilden scheinen. Und entsprechend
gedeihen die Räupchen unserer reizenden Bläulinge (Lyzäninen) unter den
Schmetterlingen in einer kulturellen Ameisengemeinschaft dergestalt,
daß die Ameisen die fressenden Raupen als Schutzgarde umschwärmen,
auch bei den ersten Anzeichen nahender Verpuppung in ihren Bau tragen
und sorgsam mit loser Erde umhüllen; nachher sollen sie sogar noch dem
Schmetterling beim Auskriechen behilflich sein; die Raupe aber lockt
und lohnt sie dafür mit besonderem Parfüm und einer feinen Leckerei,
die beim Betasten aus einem Rückenwärzchen quillt.

In diesem Bläulingsfall mischt sich allerdings gleich auch eine
Besonderheit ein, die bis heute noch wieder das Verständnis eines
großen, auch hier anschließenden Gebiets erschwert und in gewissem
Sinne nochmals einen Weg oder, wir sagen wohl besser, einen Abweg
dieser Symbiose angedeutet hat, ohne daß es doch auch dazu an
sehr bekannten, ja berüchtigten Menschenvergleichen fehlte. Reine
Zuckeraufnahmen haben bei Tier wie Mensch ja stets etwas, das so sachte
schon vom Nährmittel zum Genußmittel hinüberführt. Gehen wir aber vom
Honig zu Met oder der Süße zum Sekt, so sind wir beim Menschen inmitten
der reinen Luxusgenüsse. Bei diesen Lyzäninenraupen scheint es sich
nun auch bereits um solche für die Ameisen zu handeln, zur Gewißheit
aber wird das bei den Unmengen besonders kleiner Käferchen, die sowohl
in den Ameisen- wie den Termitenburgen dauernd und gewohnheitsmäßig
gehalten und dort von uns in der Regel auch als „Haustiere“ oder
doch als Gäste und Freunde (Myrmekophilen, Termitophilen) bezeichnet
werden. Am bekanntesten ist aus dieser bunten Gesellschaft unser
blindes, völlig auf Ameisenfütterung angewiesenes Keulenkäferchen
~Claviger~, etwa 2,5 Millimeter groß und systematisch nahe an die
Kurzflügler (Staphyliniden) anschließend, doch zählen die Vertreter
in Wahrheit nach vielen Hunderten, worunter sich bei den indischen
Termiten auch eine flugunfähige Fliege, die ~Termitoxenia~, mischt,
deren Flügel in bequeme Greifhenkel umgewandelt sind, an denen die
Stallbesitzer ihr Viehchen hin und her zerren können. Auch hier
bestehen alle äußern Anzeichen zunächst der Kultursymbiose: Füttern,
Schützen, Wohnunggeben, nachhaltigste Jungenpflege, auch sind die
„Gäste“, wie die beiden Beispiele schon zeigen, in denkbar weitestem
Maße an die Hut selber angepaßt oder, besser noch gesagt, ihr einseitig
ausgeliefert. Bei alledem steuern auch sie aber durchweg nur solche
Genußmittel bei und nicht solide Nahrung, Genußmittel „anscheinend
wohl narkotischer Natur“, wie sich ein neuester Schilderer (Werner)
ausdrückt, -- stellen also bildlich Kühe dar, aus denen Sekt gemolken
wird. Feine Haarpinsel und andere Begleiterscheinungen verraten
die Anwesenheit von Luxusextrakten, auf die hier gezüchtet ist,
aromatisch-narkotischen Essenzen, wobei wir uns erinnern, daß Tiere
allenthalben sich auch auf unsere menschlichen Alkoholika wie gewisses
Parfüm höchst erpicht zeigen und sich unheimliche Räusche antrinken
können, -- wie denn nach Oskar Hertwigs Angabe bereits die Eizellen
von Tieren künstlich in eine Rauschlähmung versetzt werden können und
dann die Sperrungen, die sonst der Überfruchtung (Aufnahme von mehr
als einem Samenfaden in das weibliche Ei) wehren, vernachlässigen.
(Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte, 8. Aufl., S. 62.) Und solche
Luxussymbiose, wenn sie auch noch so sehr unter die einseitige
Kultursymbiose im ganzen fällt, wie diese unter die Symbiose überhaupt,
zeigt erklärlich auch hier ebensolche Gefahren für die herrschende
Partei selbst, wie sie bei uns jeder nicht vergeistigte, sondern
grob materielle Luxus ergibt. Es stellen sich in der Volkswirtschaft
auch dieser Insekten Schäden ein, wie wenn ein ganzes Land bloß noch
mit Burgunderreben überzogen würde unter völliger Vernachlässigung
von Korn und Kartoffeln, ja noch tiefer greifende persönliche. Wenn
die Ameisen solche Bläulingsraupen finden, lassen sie plötzlich ihre
Blattläuse im Stich. Die Sache wird aber ärger, wenn sich in der Rolle
solcher Sektgeber böse Räuber einschmuggeln (schon bei jenen Raupen
gibt es fleischfressende, ameisenfressende Arten) und um des Genusses
willen unmittelbar toleriert werden. Paussus, Lomechusa und andere
geradezu vergötterte Helden gewisser Ameisenstaaten, auch jene seltsame
Termitenfliege, sind ganz eigentlich solche Kannibalen, besonders
Fresser an armen Larvenkindern ihres Gastgebervolks. Es ist, als habe
die Symbiose ihnen den alten im Blute steckenden Räuber diesmal nicht
abzuerziehen brauchen, da das narkotische Genußgift die Symbionten
so pervers gemacht hatte, daß sie auf diesen schlimmsten Rückstand
diesmal gar kein Gewicht legten, vielmehr wohl selber eine wahrhaft
selbstmörderische Verkehrtauslese ins Werk setzten. Die fremden
Kinder des Erzräubers Lomechusa (eines Kurzflüglerkäfers) werden in
gewissen Ameisenvölkern derartig in der Pflege bevorzugt, daß die
eigene Ameisenbrut darüber entartet. Bei den Termiten ist der immerhin
schon normal bedenkliche Brauch eingerissen, im eigenen Volke die
nötige Königinnenpflege bei den Arbeitern nicht bloß an einen strengen
Pflichtinstinkt, sondern auch eine Luxuszugabe zu ketten: die Königin
läßt beständig von ihren Flanken eine Art narkotischen Saftes träufeln,
der wie in einer großen Staatskneipe von den Pflegern abgetrunken wird.
Daran aber hat sich nun wieder angeschlossen, daß sich hier öfter
solche fremden Räuber, die durch Fressen von Königinnenmast gleicher
Gabe teilhaftig geworden, im blinden Volk gradezu an Stelle solcher
Königin schmuggeln und entsprechend verhätschelt und beschützt werden,
obwohl sie zyklopengleich die wartende Schar fortgesetzt dezimieren.
Erklärlich, daß an solcher mörderischen Symbiose ganze Einzelstaaten
zugrunde gehen, ja auf die Dauer die Arten im ganzen sich wie mit einer
„sozialen Krankheit“, wie Doflein sich einmal ausgedrückt hat, behaftet
zeigen müssen. Unwillkürlich denkt man an unsere Südseeinsulaner, die
am Branntwein und gewissen Lasterkrankheiten absterben. Die gesunde
Kultursymbiose ist hier zur _Lastersymbiose_ geworden, ob nun Ameise
oder Mensch. Wobei noch an eine andere Gefahr dieser Kultursymbiose
erinnert sei, die man ebenfalls bei beiden studieren kann: wenn sich
nämlich die überlegene Partei schließlich so sehr von der andern
mästen und aushalten läßt, daß sie das eigene Arbeiten ganz abschafft
und verlernt, hoffnungslos faul und hilflos und so schließlich selber
wieder zum abhängigen Teil wird. Wir erleben das bei gewissen der
sogenannten Sklavenameisen (~Polyergus~, Amazonenameisen), wo die eine
Partei sich von ursprünglich andersartigen Ameisen füttern und bedienen
läßt, die sie zunächst (nicht symbiontisch) aus andern Ameisennestern
gewaltsam als Puppen geraubt hat, mit denen sie aber dann soweit ganz
gut symbiontisch weiterlebt, doch mit dem unsinnigen Extrem, daß sie
selber nicht mehr allein fressen kann, sondern verhungert, wenn ihr
die fremden Genossen nicht „einholen“ und die fertigen Bissen in den
Mund stecken. Den Schluß dieser neuen Form von Lastersymbiose stellen
vielleicht gewisse Ameisenpersonen aus im ganzen längst zerfallenen
eigenen Staaten dar, die sich heute als fette, hilflose Müßiggänger
einzeln in andern Nestern herumtreiben und dort wohl nur Unheil
anrichten, nachdem sie sich in ihrem Bettlerstande wahrscheinlich auch
auf perverse Gaukelkünste jener andern Art geworfen haben. Man sieht,
daß die einseitige Überlegenheit in den Schutzgenossenschaften in
dauernden und gesunden Traditionen immer nur normal bestehen bleiben
kann, wenn sie zuletzt auf einer Gehirnüberlegenheit und nicht auf
Genußlastern und Faulheit beruht!

Es wäre zum Schluß noch eine Symbiosenform als Möglichkeit auch im Tier
zu besprechen, bei der wir, doch jetzt bei der Menschenfortsetzung
angelangt, am geeignetsten zunächst vom Menschen unmittelbar ausgehen.
Unsere Symbiose hat uns (auch mit Einschluß selbst ihrer Auswüchse)
wesentlich zuletzt schon an das Gehirn anknüpfen lassen. Dieses
Gehirn ist nun bei uns Menschen auf der einen Seite das überragende
Intelligenzorgan, nachdem sich bei den Tieren zunächst hauptsächlich
die höheren und verwickelten Instinkte hier angeschlossen hatten.
Inwiefern doch auch bei den Tieren sich in steigendem Maße nach oben in
die Symbiosen schon solche echte Intelligenz eingemischt haben könnte,
möchte ich hier dahingestellt sein lassen, die Entscheidung ist deshalb
so schwer, weil wir gerade bei den entschieden schon intelligentesten
Tieren (in der Wirbeltierreihe von den Fischen an aufwärts)
merkwürdigerweise nur ganz vereinzelte und meist kaum über die Vorstufe
der noch fast indifferenten Synökie (Hausgemeinschaft) hinausgelangende
Beispiele haben, andererseits aber die fest eingeführten Symbiosen
grade ihrem Wesen nach nicht eigentlich in die Einzelintelligenz
fallen wollen, sondern beim Tier ohne menschliche Überlieferungsart
notwendig etwas Vererbtes und damit Triebhaftes wahren müssen; wie sie
im Einzelfall _ausgeübt_ wurden innerhalb des vererbten Grundgesetzes,
daran mag ja die Intelligenz wachsend nach oben Anteil genommen haben,
doch entzieht sich das grade durchweg unserer Betrachtung, die das
Gesetzmäßige sucht. Die paar bisher bekannt gewordenen, früher noch
nicht miterwähnten Fälle oberster Wirbeltiersymbiosen lassen sich fast
an den Fingern abzählen: der altertümliche Hatteria-Saurier, der in
seinem Zusammenwohnen auf neuseeländischen Klippen mit Sturmvögeln in
gleichen Höhlen von Schauinsland so anschaulich geschildert und im
Museum zu Bremen in prachtvollen Modellen verewigt worden ist, -- die
Indizien echter Symbiose bleiben aber ziemlich schwach; die Kuhreiher
und Nashornstare (Madenhacker), die den großen tropischen Büffeln
und Rhinozerossen Ungeziefer stochernd auf dem Rücken reiten und bei
Gefahr warnend auffliegen, -- in Einzelheiten noch nicht geklärt wie
jene hier angrenzende Geschichte vom Krokodilwächter; Präriehunde mit
Klapperschlangen und Eulen, also gefährlichen Feinden, im gleichen
Bau, -- vorläufig ganz unklar; wobei immerhin erwähnt sei, daß auch
vorratsammelnde Nagetiere (Wurzelmäuse) sich an gewissen narkotischen
Wurzeln (Eisenhut) weniger beköstigen, als berauschen sollen und die
südamerikanischen geselligen Viscachas durch fortgeworfene Kerne
auf ihren Bauten immer wieder kleine Melonengärten ansiedeln, ohne
daß doch weder sie noch unser Hamster, bei dem es so nahe läge, zu
wirklichem Ackerbau übergegangen wären; endlich Zebras, Gnuantilopen,
Giraffen, Strauße, an sich schon keine feindlichen Gegensätze, in
Afrika zu genossenschaftlichen Herden regelmäßig vereint, wie auf
unseren heimischen Seen die verschiedensten Entenarten und Taucher,
-- Schillings hat davon die reizvollsten Bilder gegeben, doch wird
man kaum über die Gesetze einfacher Herdenbildung der gleichen Arten
unter sich hinausgeführt. Die Beispiele, die der russische Fürst Peter
Kropotkin in einem bekannten Buche über „Gegenseitige Hilfe in der
Entwicklung“ zusammengestellt hat, beziehen sich fast ausnahmslos
überhaupt nur auf solches Sozialleben _gleicher_ Arten, haben also mit
echter Symbiose nichts zu tun; da grade dieses Buch wiederholt als
„Begründung der Symbiosenlehre“ gefeiert worden ist, sei dazu noch
vermerkt, daß Kropotkins älteste Veröffentlichungen über den Stoff
nicht über die 90er Jahre zurückgehen, also auch in diesem Sinne für
eine Priorität nicht entfernt in Betracht kommen können.

Die Fülle der echten Beispiele setzt jedenfalls erst wieder ganz ohne
Übergang (grade von echter Affensymbiose ist mir nichts bekannt)
beim Menschen selbst ein. Aber wir haben bei diesem Menschen noch
etwas anderes an sein Gehirn angeschlossen. Neben der Intelligenz
im Sinne auch möglichst kluger Einzelabwägung jeden Vorteils und
praktischer persönlicher Erfindung zum Nutzzweck zeigen sich
hier die Gemütserregungen: Freundschaft, Mitleid, Liebe in einem
vergeistigt-gefühlsmäßigen Sinne, persönliche Sympathie auf einem
keineswegs bloß verstandesmäßigen, vorteilsuchenden Wege. Die
Empfindung, mit der ein Mensch sich beispielsweise zu seinem Hunde
zu stellen pflegt, geht entschieden außerordentlich weit über diesen
kalten Nutzanschluß seiner Kultursymbiose hinaus. Ich möchte hier
unmittelbar von einer _Gemütssymbiose_ sprechen. Und es darf wohl
die Frage zuletzt aufgeworfen werden, inwieweit solche persönliche
Gemütssymbiose immerhin auch in alle Einzelfälle wenigstens höchster
tierischer Symbiosen (und vielleicht auch ihre Entstehung hier
schon im ganzen) hineingewirkt haben könnte. Es gibt ja eine ganze
Zoologenschule heute, die behauptet, wir hätten überhaupt kein Mittel,
Gefühle bei den Tieren zu erkennen, ein Standpunkt, mit dem sich meines
Erachtens nicht streiten läßt, da er in der hellen Sonne die Sonne
nicht mehr sieht. Aber ich denke, auch der erbittertste Gegner echten
tierischen Gemütslebens wird die Möglichkeit des Falles mindestens beim
Hunde und seiner Symbiose zum Menschen als gegeben erachten, -- und
zwar auf seiten des Hundes sowohl wie des Menschen.



Sachregister.


  Ackerbautreibende Ameise, angebliche 68 f.

  ~Adamsia palliata~ 26 ff.

  Anolidier (Schnecken) 38

  Akontien 27, 29, 33

  Alge und Pilz 42 ff.

  Ameisen als Pilzzüchter 66 ff.

  Ameisen und Waldblumen 69

  Ameisenpflanzen 64

  ~Anthias dofleini~ (Fisch) 38

  Aronstab 60, 63

  ~Aspidosiphon~ 37

  Asseln in Symbiose 34

  Atta-Ameisen 64 f.


  Bakterien, Stickstoff- 49 f.

  --„-- im Darm 56

  Bandwurm 7

  Bernsteinschnecke 17

  Bernhardinerkrebse (Einsiedlerkrebse) 24 ff.

  Bitterling (Fisch) 19

  Blattläuse und Ameisen 70 f.

  Bläulingsraupe und Ameisen 71

  Blumen und Insekten als Symbiose 7, 58 ff.

  Blütenverteidigung durch Insekten 63 f.

  Bombardierkäfer 21

  Borkenkäfer als Pilzzüchter 68

  Borstenwurm in Symbiose 34

  ~Bradypodicola~ (Schmetterling) 57

  Brennfestigkeit von Fischen 38 f.

  Brennkapseln der Polypen 22, 25, 29

  Bryozoen in Symbiose 36


  ~Caranx~ (Fisch) 37

  Chlorophyll 41, 43, 52 ff.

  --„--, angebliches in Tieren 52

  Cienkowski 51

  ~Claviger~ (Käfer) 71

  Cnidarien (Nesseltiere) 21

  ~Cuscuta~ (Teufelszwirn) 16

  ~Convoluta~ (Wurm) 53, 55


  Darwin 8, 10 ff., 13 f.

  Daseinskampf 10 ff.

  de Bary 6 ff., 41 f., 58

  ~Diplozoon paradoxum~  5

  Doflein 27, 29, 30, 33, 35, 38

  Drei-Symbiose 35, 50


  ~Entoconcha mirabilis~ (Muschel) 40

  Ernteameise 68

  Escherich 67

  Explosionsprinzip in der Natur 21


  Faultieralgen 56

  ~Fierasfer~ (Fisch) 39

  Flechten 6, 41 ff.

  Frank 45

  Freßpolypen 22, 30


  Gehirn der Biene 61

  Gemütssymbiose 76

  Glochidien 20

  Gonidien 42


  Haeckel 51

  Hatteria 75

  ~Hebella~ 36

  Hertwig, Oskar 7 ff., 31, 52 f., 72

  Hertwig, Richard 52

  Humboldt, Alexander von 5

  Hund und Mensch 76

  ~Hydra viridis~ 52 ff., 55

  ~Hydractinia~ 26, 29 f.


  Kammerer 32, 34, 56

  Keller, Konrad 70

  Kolibri 60

  Korkschwamm in Symbiose 36

  Krebsschutz durch Polypen 30 ff., 58

  Krokodilwächter 9, 75

  Kropotkin 75

  Kuhreiher 75

  Kultursymbiose 70


  Lastersymbiose 73

  Leguminosen, Symbiose bei 48 ff.

  ~Leucochloridium~ 17, 18

  ~Lomechusa~ (Käfer) 72 f.

  Lupinendüngung, Sinn der 48 f.

  Luxussymbiose 72


  Malermuschel 19

  Müller, Johannes 40

  Muschelwächter (Krebs) 35

  Mykorrhiza, Problem der 45 ff.

  Myrmekophilen (Ameisengäste) 71


  Neunauge 16

  ~Nomeus~ (Fisch) 37


  Orchideen in Symbiose 47, 59 ff.


  ~Paussus~ (Käfer) 72

  Parasitismus 16

  ~Physalia~ 37

  Pilze in Insekten 56

  ~Podocoryne~ 26, 37

  Polydectinen (Krebse) 35

  Purpurschnecken 24

  Pütter 54


  Quallenfresser (Fisch) 38


  Radiolarien 50 f.

  Raupe mit Wespenlarven 16 f.


  ~Sagartia parasitica~ 26, 27

  Säureschnecken 20

  Schillings 75

  Schraubensabelle in Symbiose 36

  Schutzpolypen 30 f.

  Seegurken 39

  Semon, Richard 37

  Sklavenameisen 73

  Soredien 44 f.

  Spinnennetz 14

  Sprengel 7, 58

  Stahl 42, 45

  Stickstoffbakterien 49

  Symbiose, Definition des Wortes 7-9

  Synökie 20 f., 23, 25, 74


  ~Tarsipes~ 60

  Termiten als Pilzzüchter 67 f.

  Termitenkönigin, Luxussaft der 73

  Termitophilen 71

  ~Termitoxenia~  72

  Tintenfisch im Kampf mit Krebs und Polypen 25, 30


  ~Urogonimus macrostomus~ 17


  Vexiergurke 21 f.

  ~Virbius~ (Krebs) 33


  Wegwespe und Kreuzspinne 15

  Wehrpolypen 23, 30, 33

  Weismann 12, 31

  Wurzelkrebs 40


  Yukkamotte 62


  Zikaden und Ameisen 71

  Zoochlorellen 55

  Zooxanthellen 55



  Naturwissenschaftliche Bildung
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  ~I.~ Die Monatsschrift Kosmos, Handweiser für Naturfreunde. Reich
  bebildert. Preis für Nichtmitglieder M 3.60.

  ~II.~ Die ordentlichen Veröffentlichungen. 4 Buchbeilagen.

  Nichtmitglieder zahlen den Einzelpreis von M 1.-- für jeden Band.

  Wilhelm Bölsche, Schutz- und Trutzbündnisse in der Natur.
  Dr. Kurt Floericke, Plagegeister.
  H. Besser, Natur- und Jagdstudien in Deutsch-Ostafrika.
  Dr. Alfred Hasterlik, Von Speise und Trank.

  Über die für 1918 in Aussicht genommenen ordentlichen
  Veröffentlichungen siehe Anzeige vor dem Titel.

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  naturwissenschaftlichen Werken.


  Jedermann kann jederzeit Mitglied werden.
  Bereits Erschienenes wird nachgeliefert.



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  auf geschäftlicher Grundlage) will in erster Linie die Kenntnis
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  naturwissenschaftlichen Handweisers (§ 5); durch Herausgabe
  neuer, von hervorragenden Autoren verfaßter, im guten Sinne
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  ihren Mitgliedern $unentgeltlich$ oder $zu einem besonders billigen
  Preise$ zugänglich macht, usw.

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  § 5. Siehe Seite 78.

  § 6. Die Geschäftsstelle befindet sich bei der $Franckh’schen
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Kosmos

Handweiser für Naturfreunde

Kriegs-Ausgabe.

Erscheint jährlich zwölfmal und enthält:

  $Originalaufsätze$ von allgemeinem Interesse aus sämtlichen Gebieten
  der Naturwissenschaften und den Grenzgebieten. Reich illustriert.

  $Regelmäßig orientierende Berichte$ über Fortschritte und neue
  Forschungen auf allen Gebieten der Naturwissenschaft.

  $Auskunftsstelle -- Wertvolle kleine Mitteilungen.$

  $Mitteilungen über Naturbeobachtungen$, Vorschläge und Anfragen aus
  dem Leserkreise.

  $Bibliographische Notizen$ über bemerkenswerte neue Erscheinungen der
  deutschen naturwissenschaftlichen Literatur.



Die ordentlichen Veröffentlichungen

früherer Jahre erhalten Mitglieder, solange vorrätig, zu
Ausnahmepreisen:


1904

(Handweiser vergriffen) zusammen für M 4.-- (Preis für Nichtmitglieder
M 5.-), geb. für M 6.20 (für Nichtmitglieder M 8.40):

  $Bölsche, W., Abstammung des Menschen.$
  $Meyer, Dr. M. W., Weltuntergang.$
  $Zell, Ist d. Tier unvernünftig?$ (Doppelbd.)
  $Meyer, Dr. M. Wilh., Weltschöpfung.$


1905

1906

(Handweiser vergriffen) je für M 4.-- (Preis für Nichtmitgl. M 5.--),
geb. für M 6.75 (für Nichtmitgl. M 9.--):

  $Bölsche, W., Stammbaum der Tiere.$
  $Welten, Die Sinne der Pflanzen.$
  $Zell, Dr. Th., Tierfabeln.$
  $Teichmann, Dr. E., Leben und Tod.$
  $Meyer, Dr. M. W., Sonne und Sterne.$
  $Welten, Wie die Pflanzen lieben.$
  $Meyer, Dr. M. Wilh., Rätsel d. Erdpole.$
  $Zell, Dr. Th., Streifzüge durch d. Tierwelt.$
  $Bölsche, Wilh., Im Steinkohlenwald.$
  $Ament, Dr. W., Die Seele des Kindes.$


1907

1908

(Handweiser vergriffen) je für M 4.-- (Preis für Nichtmitgl. M 5.--),
geb. für M 6.75 (für Nichtmitgl. M 9.--):

  $Francé, Streifzüge im Wassertropfen.$
  $Zell, Dr. Th., Straußenpolitik.$
  $Meyer, Dr. M. W., Kometen u. Meteore.$
  $Teichmann, Fortpflanzung u. Zeugung.$
  $Floericke, Dr. K., Die Vögel des deutschen Waldes.$
  $Meyer, Dr. M. W., Erdbeben u. Vulkane.$
  $Teichmann, Dr. E., Die Vererbung.$
  $Sajó, Krieg u. Frieden im Ameisenstaat.$
  $Dekker, Naturgeschichte des Kindes.$
  $Floericke, Dr. K., Säugetiere des deutschen Waldes.$


1909

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden
für M 8.80 (für Nichtmitglieder M 13.25):

  $Francé, Bilder aus d. Leben d. Waldes.$
  $Meyer, Dr. M. Wilh., Der Mond.$
  $Sajó, Prof. K., Die Honigbiene.$
  $Floericke, Kriechtiere u. Lurche Deutschl.$
  $Bölsche, Wilh., Der Mensch in der Tertiärzeit und im Diluvium.$


1910

1911

ungebd. zus. M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M
8.80 (für Nichtmitglieder M 13.25):

  $Koelsch, Pflanzen zwisch. Dorf u. Trift.$
  $Dekker, Fühlen und Hören.$
  $Meyer, Dr. M. W., Welt der Planeten.$
  $Floericke, Säugetiere fremder Länder.$
  $Weule, Kultur der Kulturlosen.$
  $Koelsch, Durch Heide und Moor.$
  $Dekker, Sehen, Riechen und Schmecken.$
  $Bölsche, Der Mensch der Pfahlbauzeit.$
  $Floericke, Vögel fremder Länder.$
  $Weule, Kulturelemente der Menschheit.$


1912

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden
für M 8.80 (für Nichtmitglieder M 13.25):

  $Gibson-Günther, Was ist Elektrizität?$
  $Dannemann, Wie uns. Weltbild entstand.$
  $Floericke, Fremde Kriechtiere u. Lurche.$
  $Weule, Die Urgesellschaft und ihre Lebensfürsorge.$
  $Koelsch, Würger im Pflanzenreich.$


1913

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden
für M 8.80 (für Nichtmitglieder M 13.25):

  $Bölsche, Festländer und Meere.$
  $Floericke, Einheimische Fische.$
  $Koelsch, Der blühende See.$
  $Zart, Bausteine des Weltalls.$
  $Dekker, Vom sieghaften Zellenstaat.$


1914

1915

ungebd. zusammen M 4.80 (für Nichtmitgl. M 7.80) und gebunden für M
8.80 (für Nichtmitgl. M 13.25):

  $Bölsche, Wilh., Tierwanderg. i. d. Urwelt.$
  $Floericke, Dr. Kurt. Meeresfische.$
  $Lipschütz, Dr. A., Warum wir sterben.$
  $Kahn, Dr. Fritz, Die Milchstraße.$
  $Nagel, Dr. Osk., Romantik der Chemie.$
  $Bölsche, Wilh., Der Mensch der Zukunft.$
  $Floericke, Dr. K., Gepanzerte Ritter.$
  $Weule, Prof. Dr. K., V. Kerbstock z. Alphab.$
  $Müller, Alfr. Leop., Gedächtn. u. s. Pflege.$
  $Besser, H., Raubw. u. Dickhaut. i. D.-Ostaf.$


1916

ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden
für M 8.80 (für Nichtmitglieder M 13.25):

  $Bölsche, Stammbaum der Insekten.$
  $Dekker, Dr., Heilen und Helfen.$
  $Floericke, Dr., Bulgarien.$ Doppelbd.
  $Weule, Krieg in den Tiefen d. Menschheit.$


1917

ungebunden zusammen M 5.60 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden
für M 9.25 (für Nichtmitglieder M 13.25):

  $Besser, Natur- u. Jagdstudien in D.-Ostafr.$
  $Floericke, Dr., Plagegeister.$
  $Hasterlik, Dr., Speise und Trank.$
  $Bölsche, Schutz- u. Trutzbündn. i. d. Natur.$


=Allen Jahrgängen, außer 1904-1908, werden die 12 Hefte des betr.
Handweiser-Jahrg. beigefügt.=

Sämtl. noch vorhand. Jahrgänge der Kosmos-Veröffentlichungen (s. obige
Zusammenstellung) liefern wir an Mitgl.: geh. für M 55.-- (Preis für
Nichtmitgl. 98,20), geb. (auch Handw.) f. M 88.50 (Preis f. Nichtmitgl.
163.65) auch nach $Vereinbarung gegen monatl. Ratenzahl.$



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  | Anmerkungen zur Transkription                                    |
  |                                                                  |
  | Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen      |
  | gebräuchlich waren, wie:                                         |
  |                                                                  |
  | anderen -- andern                                                |
  | äußeren -- äußern                                                |
  | Bernhardskrebs -- Bernhardinerkrebs                              |
  | besonderen -- besondern                                          |
  | Drei-Symbiose -- Dreisymbiose                                    |
  | engeren -- engern                                                |
  | Pflanzarten -- Pflanzenarten                                     |
  | ums -- um das                                                    |
  | unseren -- unsern                                                |
  | unserer -- unsrer                                                |
  | Volkes -- Volks                                                  |
  |                                                                  |
  | Folgende Änderungen wurden vorgenommen:                          |
  |                                                                  |
  | Der Zensurstempel "A. g. XIII." auf der Titelseite wurde nicht   |
  | übernommen.                                                      |
  | S. 18 "Leukochloridium" in "Leucochloridium" geändert.           |
  | S. 27 "Podokoryne" in "Podocoryne" geändert.                     |
  | S. 30 "Hydraktinia" in "Hydractinia" geändert.                   |
  | S. 30 "Podokoryne" in "Podocoryne" geändert.                     |
  | S. 33 "Podokoryne" in "Podocoryne" geändert.                     |
  | S. 35 "Polydektinen" in "Polydectinen" geändert.                 |
  | S. 37 "Podokoryne" in "Podocoryne" geändert.                     |
  | S. 53 "Geza Entz" in "Géza Entz" geändert.                       |
  | S. 56 "Bradypicola" in "Bradypodicola" geändert.                 |
  | S. 62 "Blütenscheiben" in "Blütenscheiden" geändert.             |
  | S. 73 "Viskatschas" in "Viscachas" geändert.                     |
  | S. 75 "Bradypicola" in "Bradypodicola" geändert.                 |
  | S. 75 "Hydraktinia" in "Hydractinia" geändert.                   |
  | S. 75 "Polydektinen" in "Polydectinen" geändert.                 |
  | S. 77 , eingefügt.                                               |
  | S. 78 . eingefügt.                                               |
  |                                                                  |
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