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Title: Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung
Author: Lux, Joseph August
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung" ***


  ##################################################################
                     Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der 1905 erschienenen Buchausgabe
erstellt. Satzzeichen wurden stillschweigend korrigiert. Ausdrucksweise
und Rechtschreibung sind oft stark regional gefärbt (z.B. ‚färbig‘
für ‚farbig‘, ‚ober‘ für ‚über‘, usw.); in Zweifelsfällen wurde die
hochdeutsche Form verwendet. Die Verwendung von ‚ß‘ bzw. ‚ss‘ ist im
Original nicht konsequent; dies wurde so belassen, wenn im Text keine
vorherrschende Variante festgestellt werden konnte.

Der Name des Architekten Max Benirschke wurde in den Bildunterschriften
gelegentlich fälschlicherweise ‚Bernischke‘ geschrieben. Dies wurde im
vorliegenden Text korrigiert.

Inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten (z.B. ‚Parvenü‘ und
‚Parvenu‘). Unwesentliche Abweichungen zwischen den Titeln des
Inhaltsverzeichnisses und der Kapitelüberschriften bleiben unkorrigiert.
Die in der ‚Druckfehler-Berichtigung‘ angegebenen Stellen wurden bereits
in den Text mit aufgenommen. Desweiteren wurden die folgenden Passagen
korrigiert:

    S. 2: ‚eigenlich‘ → ‚eigentlich‘
    S. 3: ‚jahrzehnte lang‘ → ‚jahrzehntelang‘
    S. 20: ‚massvoll‘ → ‚maßvoll‘
    S. 21: ‚Grosstun‘ → ‚Großtun‘
    S. 26: ‚faßt‘ → ‚fasst‘
    S. 27: ‚nocht‘ → ‚noch‘
    S. 31: ‚Kasetten‘ → ‚Kassetten‘
    S. 38: ‚Selbstständigkeit‘ → ‚Selbständigkeit‘ (harmonisiert)
    S. 40: ‚von einer‘ → ‚vor einer‘
    S. 67: ‚politierte‘ → ‚polierte‘
    S. 88: ‚achzig‘ → ‚achtzig‘
    S. 101: ‚von einen Ort‘ → ‚von einem Ort‘
    S. 115: ‚Raum und Mitteln‘ → ‚Raum und Mittel‘
    S. 117: ‚aus Maeterlincks mystischen‘ → ‚aus Maeterlincks
        mystischem‘ S. 120: ‚aßgelenkt‘ → ‚abgelenkt‘
    S. 124: ‚vernachläßigt‘ → ‚vernachlässigt‘; ‚unter dem Einfluß
        gekommen‘ → ‚unter den Einfluß gekommen‘
    S. 127: ‚uud‘ → ‚und‘
    S. 139: ‚Arbeitstitsch‘ → ‚Arbeitstisch‘
    S. 140: ‚austoben‘ → ‚sich austoben‘
    S. 145: ‚Sonnenaufgang und -Untergang‘ → ‚Sonnenaufgang und
        -untergang‘
    S. 152: ‚Flaçon‘ → ‚Flacon‘
    S. 164: ‚Körber‘ → ‚Körbe‘
    S. 167: ‚überflüßig‘ → ‚überflüssig‘
    S. 173: ‚der früheren Kapiteln‘ → ‚der früheren Kapitel‘

Gesperrt gedruckte Passagen sind mit Unterstrichen umgeben (_gesperrt_).

  ##################################################################



                            JOSEPH AUG. LUX

                          DIE MODERNE WOHNUNG
                         UND IHRE AUSSTATTUNG



                            JOSEPH AUG. LUX

                          DIE MODERNE WOHNUNG
                         UND IHRE AUSSTATTUNG

                    MIT 173 BILDERN UND 8 FARBIGEN
                   TAFELN NACH WERKEN UND ENTWÜRFEN
                       VON MODERNEN ARCHITEKTEN
                           UND IHREN SCHULEN

                                 1905
                             WIENER VERLAG
                           WIEN UND LEIPZIG



        DRUCK VON W. SCHLENKER, WIEN, IX., WÄHRINGERSTRASSE 26.



                             MEINER FRAU.



INHALT.


                                                  Seite

    Tradition und Moderne                             1

    „Schmücke Dein Heim“                             17

    Die Ästhetik der Miethswohnung                   25

    Wände und Decke, Vorhänge und Teppiche           31

    Lichtkörper und Heizkörper                       39

    Vorzimmer und Dienerzimmer                       44

    Die Küche                                        50

    Ästhetik des Eßtisches                           55

    Das Speisezimmer                                 64

    Der Salon                                        69

    Wie man Bilder hängt                             77

    Das Porträt im Wohnraum                          84

    Plastik im Zimmer                                94

    Junggesellenheim und Herrenzimmer               100

    Das Musikzimmer                                 112

    Schlafzimmer und Bad                            121

    Das Kinderzimmer                                136

    Das Spielzeug                                   144

    Das Mädchenzimmer                               151

    Blumen am Fenster                               158

    Blumenkörbe                                     163

    Die Offizierswohnung                            165

    Die Arbeiterwohnung                             169



Tradition und Moderne.


[Illustration: Panneau von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.]

[Illustration: Möbel um 1820. Schloß Wetzdorf.]

Ein verblühtes Lächeln von Liebenswürdigkeit und lebensfrohem Behagen
ist an den Dingen der Biedermeierzeit abzulesen. Zu den hellgelben
Kirschholzmöbeln, oder nachgedunkelten Mahagonimöbeln, zu der
unerdenklichen Fülle von Formen, Schränken und Tischen aller Art,
Damenschreibtischen und Nähtischen, stummen Aufwärtern und Kommoden,
zu den großblumigen Möbelbezügen und den hellen Gardinen, den Blumen
am Fenster und den gestickten Glockenzügen, zu all der gefühlsseligen
Geburtstagslyrik, welche den Proben des häuslichen Kunstfleißes
von den Schlummerkissen bis zu des Hausvaters Samtkäppchen oder
Samtpantoffeln, eingewebt war, gehören die Locken an der Schläfe, unter
den bebänderten Florentinerhüten hervorquellend, die weißen duftigen
Tüllkleider oder schwere Seide in abgetönten sentimentalen Farben,
heliotrop, dunkellila, altrosa und schwarz. Schwind’s Frauengestalten
mag man sich dabei gerne vorstellen. Der spätgeborene Enkel blickt
mit einer gewissen affektierten, halb spöttischen, halb gönnerhaften
Überlegenheit, hinter der sich nur allzuoft eine unbefriedigte
Sehnsucht verbirgt, auf jene großelterlichen Tage zurück, in denen
sich das Bürgertum auf seine Art auslebte, und zu jener Einheit der
Lebensäußerungen gelangte, welche die Bezeichnung Stil verdient.
Eine spätere Zeit hat diesen Stil »Biedermeier« getauft. In diesem
Worte verdichtet sich für uns die Vorstellung einer vollkommen
durchgebildeten bodenständigen Kultur, die in ungebrochener Linie von
den gewöhnlichen Tageserscheinungen bis zu den Gipfelpunkten, welche
die Namen Grillparzer, Schubert, Schwind bezeichnen, emporsteigt. Und
ein sonnenhaftes Lächeln umspielt heute alle Lippen, welche dieses
Wort nennen. Man war nicht immer so freundlich gesinnt. Die jüngst
verwichene Zeit, welche dem Kultus der historischen Stile frönte,
hat in das Wort Biedermeier jenes Maß von unsäglicher Verachtung
hineingelegt, welche der Kosmopolit, auch der vermeintliche, für das
Spießbürgertum immer bereit hat. Das Wort war eigentlich nur gemünzt
als Bettelpfennig für alles Lächerliche, Gezierte, Hausbackene,
Philisterhafte, das man, wenn man durchaus will, der Schmachtlockenzeit
anmerken konnte. Aber die Zeiten haben sich gründlich geändert und
der Kosmopolitismus, der in allen Stilepochen lebte und einen wahren
Unrat von Geschmacklosigkeit und Widersinnigkeit aufhäufte, hat
einen gräßlichen Katzenjammer hinterlassen. Wir suchen heute alle
volkstümlichen Kunstlelemente auf, die wurzelhaft sind, sofern sie
nicht in den letzten fünfzig Jahren mit Stumpf und Stil ausgerottet
wurden. Wir knüpfen dort wieder an, um uns durch ihr Vorbild zu
stärken, damit auch wir zu Formen gelangen, in denen unser Volk
und unsere Zeit lebt und die vom gewöhnlichsten Alltag bis zu den
ergreifendsten Äußerungen festlicher Weihe nur eine ungebrochene Linie
aufweist.

[Illustration: Interieur um 1800. Schloß Wetzdorf.]

[Illustration: Schreibzimmer der Gräfin Molly Zichy-Ferraris Wien 1830
nach einem Gemälde von Albert Schindler.]

[Illustration: Empfangszimmer in einem Wiener Bürgerhause um 1840.]

[Illustration: Interieur um 1810 aus Schloß Wetzdorf.]

Und wie es oft erging, was anfänglich Schimpfwort war, ward späterhin
Ehrentitel. Biedermeiers Ehrenrettung kann nicht schlagender
dokumentiert werden, als durch den liebevollen Eifer, der das alte
Gerümpel vom Speicher, wohin es jahrzehntelang verbannt war, wieder
herunterholt und in den schönsten Zimmern aufstellt. Das ist gewiß
ein rührender, herzerfreuender Vorgang, wenn sie wirklich alter
Familienbesitz, wenn sie also echt sind. Zwar werden solche Zimmer,
die vollständig mit altem Hausrat angefüllt sind, den Eindruck eines
Museums machen, aber ein solches Familienmuseum, mit dem sich viele
freundliche Erinnerungen verknüpfen, wird immer ein besonderer Schatz
sein. Weit über den persönlichen Wert hinaus, besitzen sie die
Kraft eines lehrreichen Beispiels, welches für den Ausbau unserer
häuslichen Kultur in großem Sinne vorbildlich ist. Sie sind die
Vorläufer des modernen Möbels. Mit ihrer bezwingenden Einfachheit
und Anspruchslosigkeit waren die Räume geeignet, die Geberden und
Bewegungen jener gemüt- und geistvollen Menschen maßvoll aufzunehmen,
die Stimme des Geistes und Herzens austönen zu lassen, ohne sie durch
den Unrat der Geschmacklosigkeit, durch die Wirrnis von Schnörkel und
Stilbrocken, in denen babylonisch die Sprachen aller Völker und Zeiten
ertönen, zu beschämen und lächerlich zu machen. Aus allen Winkeln
jener Interieurs, zwischen dem ernsten, einfachen Hausrat, hinter den
weißen Gardinen und zwischen den Blumen am Fenster winkt der genius
loci freundlich hervor, und es ist kein Stuhl und kein Schrank, kein
Gegenstand des Gebrauches, der nicht den Geist der Vorfahren trüge,
ihre Taten, ihre Ideale, das Wesen ihrer Persönlichkeit und ihr
Gedächtnis überlieferte. So erscheint uns Späteren das großväterische,
anspruchslose Biedermeierzimmer als das traute Heim von Menschen,
denen die Heimat nicht nur ein Wort oder Begriff war, sondern der
gesetzmäßige künstlerische Ausdruck der Persönlichkeit in den
Gegenständen der Häuslichkeit. Die Interieurs früherer Epochen, die der
Biedermeierzeit vorausgehen, besitzen keine solche Vorbildlichkeit.
Auch nicht das Empire Möbel, in dem die große Historie des barocken
Zeitalters ausklingt. Denn die Voraussetzungen, die jene historischen
Formen geschaffen haben, sind von den heutigen grundverschieden. Hof
und Kirche herrschten auch in Kunst und Kunstgewerbe. Aber es ist für
die Einheit jener Kultur bezeichnend, daß die überladenen Formen, in
welchen das Machtbewußtsein der weltlichen und geistlichen Herrschaft
adäquaten Ausdruck fand, in einem Grade volkstümlich wurden, daß
sie schließlich bis in den einfachsten Haushalt eindrangen, als
Abglanz absolutistischer und sacerdotaler Herrlichkeit. Die Armut der
barocken Originalschöpfungen, die nicht über die Repräsentationsräume
hinausgingen und das persönliche oder private Leben in einem Zustand
der grenzenlosen Verlassenheit beließen, ist noch wenig beachtet.
Dem Parvenu am Ende des Jahrhunderts erging es wie den Kindern mit
dem Märchenkönig: »Wie wohnten doch die Könige schön!« ruft er in
den Prunksälen eines alten Barockschlosses aus, »so möchte ich es
auch haben!« Und alsbald hat er eine stilgerechte Einrichtung, alles
in billigster, banalster Nachahmung. Das Um und Auf der barocken
Interieurs bestand aus Stühlen und Tischen, aus dem Paradebett und dem
Sofa. Im Übrigen wohnten auch die Fürsten in einem denkbar schlechten
Zustand und entbehrten alle Bequemlichkeit, die heutzutage jedem
gewöhnlichen Sterblichen eine selbstverständliche und unentbehrliche
Sache ist. Wer die prunkenden Barockpaläste durchwandert, die von
den alten Adelsgeschlechtern noch bewohnt werden, findet am Ende der
überladenen Prunksäle, gewöhnlich im Obergeschoß, einige einfache, mit
bürgerlicher Behaglichkeit, meistens im Empire- oder Biedermeierstil
eingerichtete Gemächer. Das ist die eigentliche Wohnung des Fürsten. Es
liegt eine feine Ironie in dieser Erscheinung, daß der Fürst, um der
niederdrückenden Wucht seiner Repräsentationspflichten zu entgehen,
seine Zuflucht zur bürgerlichen Schlichtheit und Bequemlichkeit
nimmt, während der Parvenu des 19. Jahrhunderts all sein Behagen
hingibt für das bischen Talmiglanz einer »stilgerechten« Wohnung.
In der Tat mußte der ganze Reigen historischer Stile in atemloser
Hetze wiederkehren, ehe man wieder zu dem vernünftigen Standpunkte
zurückfand, auf dem bereits unsere Großeltern standen. Die ganze
Barocke hat nicht eine Form übriggelassen, die für die heutige Kultur
brauchbar wäre. Sie bedeutet einen Abschluß. Die Revolution hat sie
samt dem ganzen absolutistischen Königtum hinweggefegt. Ein strammer
militärischer Zug geht durch die nächsten Jahrzehnte. Der kaiserliche
Stil trägt den Bedürfnissen der Zeit Rechnung, aber Empire ist noch
sehr aristokratisch. Mit dem Glanz der Napoleonzeit verschwand auch
der Empire-Stil; aus dem Kosmopolitismus und seinem politischen
Katzenjammer flüchtete man ins alte romantische Land, Uhland,
Eichendorff, Schubert weckten die schwärmerische Liebe zur Natur, und
ein Einschlag des ländlichen Elements, wohl auch schon damals der
Einfluß Englands in Modedingen, führte zu den biederben, quadratischen
und zylindrischen Formen des Biedermeier-Möbels, an dem Reminiszenzen
aus dem Barock- und Empire-Stil als dekorative Details hängen blieben.
Das Bürgertum schafft die Formen, die es braucht. Es will nicht
glänzen, nicht präsentieren, sondern bequem und behaglich leben. Es
erfüllt seine Forderungen mit strenger Sachlichkeit und zugleich mit
einem Erfindungsreichtum, der erstaunlich ist. Unsere Möbeltypen
wurden damals geschaffen. Und es bewahrt meistens eine Feinsinnigkeit,
von der wir uns nicht immer einen richtigen Begriff gebildet haben. Es
ist die Zeit Adalbert Stifters. Er ist der vollgiltige Repräsentant
seiner Zeit. Biedermeier im besten Sinne. Er erschließt uns die
Interieurs seiner Zeit, und die Interieurs seiner Traumwelt, und läßt
uns alles miterleben, was wir beim Betreten eines Altwiener Raumes
heute noch nachzuempfinden vermögen. Alle Räume dieser Art sind schwer
zugänglicher Privatbesitz, nur mehr spärlich in Vollständigkeit
erhalten, meistens als Trödelgut verschleudert, da und dort ein Stück.
Die Museen die im Banne der Kunstgeschichte stehen, hielten sich
zu vornehm, diese Dinge zu sammeln, und auch die Lebensart unserer
Großeltern zu zeigen.

[Illustration: Fenster von Arch. Georg Winkler.]

[Illustration: Glasfenster von Prof. Kolo Moser.]

[Illustration: Tür mit Portière von Architekt Max Benirschke,
Düsseldorf.]

Nun wird die Frage laut, was wir mit diesen verjährten Dingen, die
so freundlich zu uns sprechen, anfangen sollen. Sie nachahmen? Das
hieße ein altes Laster, das wir beim Haupttor hinaustreiben, durch
ein Hinterpförtchen wieder hineinlassen und den Zirkel der Stilhetze
mit diesem letzten Glied schließen. Wie von allem Vergangenen,
trennt uns auch vom Biedermeier eine tiefe Kluft. Dennoch sind diese
Dinge wertvoll durch das Beispiel, das sie lehren. Sie lehren, wie
die Menschen von damals sichs bequem und gemütlich nach ihrer Art
einrichteten, und solcherart zu Ausdrucksformen gelangten, die
organisch aus dem Leben und seinen Forderungen hervorgegangen waren,
vielleicht hie und da ein bischen unbeholfen und schwerfällig, im
ganzen aber unbekümmert, treuherzig und bieder. Sie lehren, daß wir
es auch so machen müssen. Der Lebende behält Recht. Viele Dinge sind
konstruktiv so vollkommen, daß man sie fast unverändert aufnehmen
könnte, wenn nicht unsere Zeit doch wieder ihre eigene Art hätte,
sich auszuprägen. Was uns von Biedermeier trennt, sechzig, achtzig
Jahre einer technischen, sozialen, wirtschaftlichen, künstlerischen
Entwicklung müssen durchgreifende Veränderung des Lebensbildes
herbeiführen. Schämen wir uns der Gegenwart nicht. Während vor dem
Hause das Automobil, das Fahrrad, die elektrischen Bahnen vorbeirasen,
können wir im Innern des Hauses, wo wir alle technischen Vorteile
auszunützen suchen, vom Telephon bis zu den elektrischen Glühkörpern,
nicht den historischen Biedermeier spielen. Das hieße, da wir uns eben
altdeutsch gefühlt haben, eine Rolle mit der anderen vertauschen. Wohl
aber können wir Biedermeier im modernsten Sinne sein, indem wir uns
treu zu dem bekennen, was unserer Zeit gemäß ist, so wie es unsere
Großväter für ihre Zeit getan haben. Dann wird sich von selbst ein
gewisser verwandtschaftlicher Zug mit den vergangenen Dingen der Heimat
herausstellen, wie denn überhaupt alles Echte, aus wirklichem Bedürfnis
Herausgeborene, trotz großer zeitlicher Trennung verwandter ist, als
man denkt. Denn immer ist der Mensch das Maß der Dinge. Auch die Motive
aus alter Kultur wecken in unserem modernen Gefühl ein Echo.

[Illustration: Pfeiler von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.]

[Illustration: Pfeiler v. Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.]

Nicht von oben her wird heute der Stil diktiert, sondern von unten
her. Die heutigen Produktions-Verhältnisse, die Entwicklung der
Technik, der Industrie haben die neuen sozialen Grundlagen geschaffen,
aus denen die moderne Formensprache hervorgegangen ist. Welche
Umwälzung hat z. B. das neue Beleuchtungswesen auf dem Gebiete der
Metallindustrie hervorgerufen! Die Erfindung der Elektrizität allein
hat zu Beleuchtungskörpern geführt, deren Formen aus keiner Tradition
geholt werden konnten. So geht es auch mit den anderen Gebrauchsdingen.
Das Auswachsen der Städte zu Weltstädten hat zu neuen, bis dahin nie
gekannten Lebensformen geführt. Durch das Zusammendrängen so vieler
Menschen an einem Ort und den dadurch bedingten raschen Austausch und
Verbrauch der Güter, hat das Leben eine außerordentliche künstliche
Steigerung erfahren und den Typus des Stadtmenschen verschärft. Aus
diesen Verhältnissen ist eine spezifisch moderne Aufgabe erstanden,
nämlich die: inmitten des rasselnden Getriebes der Fabriken, des
Straßen- und Geschäftsverkehres den Zustand der Wohnlichkeit
herzustellen, Räume zu schaffen, welche die Urbanität der Sitten und
Lebensgewohnheiten verkörpern, und als friedliche Inseln inmitten
des hastigen Welttreibens das Gefühl der Heimat wachhalten. In der
Tat, die moderne Stadtwohnung ist unser jüngstes Problem. Früher
kannte man es nicht. Denn wie wir oben gesehen haben, waren die
Wohnungen der Bürger zuerst von den Ausstrahlungen des Hofes und des
kirchlichen Hochgefühls bestimmt und später von den wechselnden
allgemeinen Zeitideen des Kosmopolitismus, der Romantik und noch
vor einem Jahrzehnt von der Renaissance-Illusion, vom Kultus der
historischen Stile. Weltstädte im gegenwärtigen Sinne sind ein sehr
junges Erzeugnis. Sie haben die Wohnungsfrage neu geschaffen. Der
Kern dieser Frage ist Benützbarkeit, Zweckmäßigkeit, Bequemlichkeit.
Dazu ist die Ausnützung aller modernen Hilfsmittel, aller technischen
Errungenschaften Bedingung, die zu neuen Lösungen führt. Gerade die
praktischen Forderungen des Lebens geben fruchtbare Anregungen zu neuen
Schönheitsmöglichkeiten, die im Wesen der Dinge liegen. Auf diesem Wege
gelangen wir zu dem lange gesuchten volkstümlichen Stil, welcher der
Ausdruck unserer heutigen allgemeinen Lebensformen ist.

[Illustration: Portière von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.]

[Illustration: Schablone für Wandmalerei von Arch. Max Benirschke,
Düsseldorf.]

Die Forderungen, welche die heutige Zeit an die Zweckkunst stellt,
sind in allen Kulturländern dieselben. Aus den Übereinstimmungen
ergibt sich der Zeitstil, dessen wesentliche Merkmale heute sind:
Zurückgehen auf die konstruktiven Elemente, in denen das eherne
Gesetz der Zweckmäßigkeit wirksam ist, sinnfällige Ausnützung der
Materialwerte, welche hier die zusammenfassende Kraft des Eisens,
dort die Weichheit der Fichte, die zähe Wucht der Eiche etc. sichtbar
macht und aus ihren natürlichen Eigenschaften neue dekorative Werte
zieht. Die unmittelbare Anknüpfung an die Natur, an die funktionellen
Bedürfnisse und Gewohnheiten des Menschen schließt grundsätzlich die
Wiederholung gebrauchter historischer Formen aus und eröffnet ungeahnte
Gestaltungsmöglichkeiten, die eine lebendige organische Beziehung zu
unserem Wesen unterhalten. In diesem engen Anschluß an die natürlichen
Forderungen liegt also das Gemeinsame der heutigen angewandten Kunst,
aber zugleich auch das Differenzierende. Die Lebenserfordernisse,
soweit sie in den Gebrauchsdingen des Alltags, in den Gegenständen der
Häuslichkeit zum Ausdruck kommen, sind allgemeiner Natur, wenngleich
sie überall eine andere Sprache sprechen, einen anderen Dialekt. So
spüren wir bald in der allgemeinen Kultur die persönliche, in den
typischen Formen die Individualität, im Zeitstil den Geist der Heimat,
den genius loci. In England, in Deutschland und bei uns wird nach den
allgemeinen Grundsätzen gearbeitet, allerdings überall mit anderen
Ergebnissen. Daran ist die Ortstümlichkeit schuld, die Heimatkultur,
die als Obertöne im modernen Schaffen leise mitschwingen und die
lokale Färbung erzeugen. Das wird schließlich niemand leugnen: wir alle
haben von England gelernt. Das hatte England dem Kontinent voraus, es
besaß von altersher eine ununterbrochene bürgerliche Tradition und
die großen Neuerer in Kunst und Kunstgewerbe fanden von vorneherein
einen Boden vor, auf dem ein gut Gedeihen war. Denn die altenglische
Sitte, daß jeder Bürger sein Haus allein bewohnt, kommt den Absichten
der modernen Kunst hilfreich entgegen. Das ererbte Gut volkstümlicher
Sitten und Anschauungen einerseits, die immense Vorarbeit einzelner
leuchtender Geister, vor allem Dante Rosetti, John Ruskin und William
Morris, sind die Grundlagen der Künstler, die wir heute am Werke sehen.

[Illustration: Teppich von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.]

[Illustration: Läufer von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.]

Immer mehr richten sich die Blicke auf Wien. Dort ist ein neues
Künstlergeschlecht, das zum größtenteil aus der Wagnerschule
hervorgegangen ist, aufgestanden und hat mit selten gesehener Eintracht
und Geschlossenheit die moderne Raumkunst geschaffen. Künstlerisch und
wahlverwandtschaftlich steht es der Gruppe Mackintosh am nächsten.
Es hat den Vorzug der größten Frische und Natürlichkeit. Bei aller
strengen künstlerischen Konsequenz geht ein liebenswürdiger Wienerzug
durch das ganze Schaffen dieser Künstler, die zur Sezession gehören
oder sich zu ihren Anschauungen bekennen. Sie haben sich bereits das
Ausland erobert. Heute verlangt man schon den »Wiener Stil«. Josef
Olbrich hat ihm eine Insel im Ausland geschaffen. Prof. Josef Hoffmann
ist sicherlich die stärkste und konsequenteste Kraft unter den Neuen.
Prof. Kolo Moser schafft Werke von fast femininer Grazie. Vornehm
und zweckvoll sind Leopold Bauers Schöpfungen. Was die Schulen von
Prof. Hoffmann, K. Moser, A. Roller, Baron Mirbach, A. Böhm auf allen
Gebieten des Kunstgewerbes und der häuslichen Kunst leisten, wird
bahnbrechend wirken. Zahlreiche Schüler sind erfolgreich im Auslande
tätig. Unter diesen verdient Max Benirschke in Düsseldorf besondere
Erwähnung. Die Architekten und Kleinkunst gehen hier Hand in Hand und
erreichen solcherart die bewundernswerte Einheit eines Stils, der
unmittelbar aus dem Leben quillt und für das Leben schafft. Die moderne
Wohnung und ihre Ausstattung wird solcherart, ob sie nun einfachen oder
leichten Verhältnissen entspricht, den Stempel einer vornehmen Kultur
tragen, die Wesenszüge einer geschmackvollen, gebildeten, modernen
Persönlichkeit.

[Illustration: Diverse Läufer aus Bast von Architekt Hans Vollmer,
ausgef. Prag-Rudniker Korbwarenfabrikation.]



[Illustration: Läufer aus Bast. Prag-Rudniker Korbwarenfabrikation.]



Schmücke dein Heim!


Wohnräume spiegeln immer den Geist ihrer Bewohner. Gleichviel, ob sie
mit reichen oder geringen Mitteln ausgestattet sind. So werden sie zu
Verrätern, und der überflüssige Aufwand, der sogenannte Luxus, der
vielfach für Geschmack genommen wird, offenbart nur zu oft, was er eben
zu verhüllen strebt: die Geschmacklosigkeit. Das ist eine kapriziöse
Geschichte: Geschmack ist nicht immer für Geld zu haben. Auch nicht
für viel Geld. Die ärmste Hütte kann reicher sein als der prunkende
Palast. Denn Seelenadel kann auch unter dem fadenscheinigen Kleid
und unter dem rauhen Bauernkittel wohnen. Sicherlich wird er auf die
Umgebung ausstrahlen, auf die nächste häusliche Umgebung, und dort im
Stillen wirken. Ganz unauffällig, groben Sinnen nicht wahrnehmbar.
Das »Seelische« ist es, was an den Wohnräumen interessiert, das, was
menschlich an ihnen ist. Nicht wie sie eingerichtet, ob kostbar,
ob ärmlich. Wenn ich in einem weissgetünchten Bauernhaus sorglich
gepflegte Blumen am Fenster sehe, möchte ich am liebsten verweilen.
Wie man bei lieben, guten Menschen verweilt. Die kahlste Stube, darin
Reinlichkeit herrscht und ein paar Topfgewächse stehen oder ein
Blütenzweig im Glas, birgt einen Strahl von Schönheit wie heimliches
Licht.

[Illustration: Möbelstoffe von Backhausen & Söhne, Wien, nach Entwürfen
von Arch. Fr. Dietl und Max Benirschke.]

[Illustration: Möbelstoffe von Backhausen & Söhne, Wien, nach Entwürfen
von Prof. Joseph Hoffmann, Max Benirschke und Leopold Bauer.]

[Illustration: Möbelstoff von Prof. Joseph Hoffmann, ausgeführt von
Backhausen & Söhne, Wien.]

Allein das Zeugnis, das die Wohnungen für die persönliche Kultur
der Besitzer ablegen, ist nur in seltenen Fällen ein günstiges.
Ich habe die Wohnungen aller Stände gesehen und vor allem des
Mittelstandes, der den Hauptteil der Stadtbevölkerung ausmacht, und
ich habe fast durchwegs nur Variationen eines Themas gefunden, das
nichts Erquickendes bot. Auf die falsche Note des erborgten Luxus,
der den Schein höher stellt als das Sein, ist heute noch das meiste
gestimmt. Auf jeder Schwelle, die ich überschritt, hatte ich die
Empfindung, als schallte mir eine widerliche Reklamestimme entgegen:
»Schmücke Dein Heim!« Den traulichen Blumenflor, der uns die lebendige
Natur, den Frühling in die Stube zaubert, fand ich ersetzt durch
die künstliche Palme, eine erbärmliche Karikatur, die ihre starren
Blätterfinger verzweiflungsvoll nach allen Richtungen ausstreckt in
der offenbaren Absicht, das Makartbouquet traurigen Angedenkens an
Geschmackswidrigkeit zu übertrumpfen. Das beleidigte Auge, das sich
von diesem unwürdigen Anblick weg zum Fenster wendet, begegnet dort
einer neuen Schmach. Wohlfeile, klägliche Imitationen der Glasmalerei
hängen an den Scheiben und wehren dem spärlichen Tageslicht in den
engen, düsteren Gassen den Zutritt in die dämmerigen Stadtwohnungen.
Resigniert lasse ich mich auf die ach, so wohlbekannte Ripsgarnitur
nieder. Doch es könnte auch eine Plüschgarnitur sein oder eine solche
aus Halbseidendamast. Denn ich sehe sie nicht. Sie ist über und über
bedeckt mit Milieux und Schutzdeckerln aller Art, welche die »züchtige
Hausfrau, die Mutter der Kinder« in den langen Jahren des heiligen
Ehestandes gestickt und gehäkelt hat. Als ich mich wieder erhebe, habe
ich die Proben des häuslichen Kunstfleisses auf meinem Rücken hängen.
Die verlegene Miene der Hausfrau steigert meine eigene Verlegenheit,
als ich inne werde, dass die ausgenähten Lappen das Angenehme mit dem
Nützlichen verbinden, und nicht nur das Heim »schmücken«, sondern auch
als cache-misère die Blössen der verschossenen und zerschlissenen
Garnitur sorgsam verhüllen sollen. Ich bücke mich rasch, um die
verstreuten Fetzen aufzulesen, aber da hätte ich beinahe das Unglück
gehabt, von der nahen Konsole das Gelump des unnützen Kleinkrams, jene
»Kunstgegenstände« und Geschenkartikel, die wir aus den Schaufenstern
der Kronenbazare kennen, die niedlichen Schweinchen, Figürchen,
Tellerchen aus Glas und Porzellan, die für wenig Geld viel Geschrei
machen, herabzuwerfen und damit das Odium eines ungefügen Barbaren
auf mich zu lenken. Ich brauche kaum zu sagen, dass mich die erlogene
Eleganz verstimmte, dass mich die Enge drückte und dass die beständige
Gefahr, ein Unglück anzurichten, mein Benehmen unfrei und linkisch
machte. Aber ich fand es nirgends besser. Durchwegs Räume mit mehr oder
weniger Luxus, die unseren Geist und unseren Leib fesseln, die nicht
geeignet sind, unsere Bewegungen und Geberden maßvoll aufzunehmen, die,
angefüllt mit dem Unrat der Geschmacklosigkeit und einer babylonischen
Wirrnis von Stilbrocken und Schnörkeln, den Sinn für Einfachheit,
Wahrhaftigkeit und Echtheit ertöten. Ich nehme keinen Becher zur
Hand, ohne den Leib eines Mönchleins oder Gnomen zu umschliessen,
jeder Zigarrenabschneider wird mit dem Kopf Bismarck’s oder Moltke’s
maskiert, jedes Gefäss ist überladen mit Blattwerk und Guirlanden,
die Wände sind angefüllt mit schlechten Bildern, Fächern, japanischen
Schirmen und Photographien.

[Illustration: Bordüre von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.]

Die freundlichen Hausgötter der Gastlichkeit und Geselligkeit pflegen
nicht in Räumen zu wohnen, wo die Persönlichkeit sich im Widerspruch
zur häuslichen Umgebung befindet und wo selbst die Inwohner Fremdlinge
sind. Fremdlinge im eigenen Heim. An einem Herde ist nicht gut
rasten, wo unaufhörliche Dissonanzen herrschen. Die Talmi-Eleganz
unserer bürgerlichen Wohnungen, die unter der Devise »Schmücke dein
Heim!« stehen, all die billige Effekthascherei, all der anscheinende
Komfort, der keiner ist, weil er nur des Scheines wegen da ist, und
nur Plage macht, ohne für etwas gut und nützlich zu sein, mit einem
Wort: das Großtun, das ist die unaufhörliche Dissonanz. Wer mit feiner
Witterung begabt ist, spürt das schon an der Türschwelle. Und all
die Nichtigkeiten, die nur da sind, um über den wahren Zustand zu
täuschen, werden zu den schreiendsten Anklägern. Kann man wirklich
von dem »Geist« oder »Charakter« solcher Wohnräume auf das Wesen der
Menschen zurückschliessen und den einzelnen verantwortlich machen? Man
bedenke: ein Zahnarzt glaubt es sich schuldig, einen Empfangssalon à
la Louis XV. zu besitzen. Die Sache muss möglichst billig sein, darum
ist auch das Schlechteste gut genug. Aber immerhin, man sieht doch,
dass man auch wer ist! Vor einem ernsten Urteil wird der Zahnarzt kaum
als geschmackvoller oder auch nur als gebildeter Mann bestehen. Aber
seine Entschuldigung ist, dass es den Leuten gefällt, und die Masse
gibt Richtung. Im Grossen wie im Kleinen. Sie macht die Mode. Und sei
diese noch so absurd, ihrer suggestiven Kraft wird sich der Einzelne,
der Durchschnittliche, kaum entziehen. Man spricht vom Zeitstil und von
Kulturströmung, die eine Epoche charakterisiert. Der Einzelne folgt
dann seinem Herdeninstinkt. So mag man, wenn man nachsichtig sein will,
den ganzen Skandal von Lüge und Täuschung, von schäbiger Eleganz und
erlogener Vornehmheit, der in Geschmackdingen seit gut dreissig Jahren
herrscht, jener unpersönlichen Abstraktion, die man Zeitgeist nennt,
zuschreiben.

[Illustration: Flächenmuster von Architekt Max Benirschke, Düsseldorf.]

Aber schließlich müssen es doch wieder die Einzelnen sein, die eine
Wendung anbahnen. Im richtigen Verstande müsste der marktschreierische
Imperativ »Schmücke dein Heim«! einen Widerwillen erzeugen, der zum
tüchtigen Kehraus führt. Die Schmucklosigkeit wäre zunächst der grösste
Schmuck, die Befreiung von dem angepriesenen putzmachenden Tand. Man
brauchte nur damit zu beginnen, statt der künstlichen Pflanzen lebende,
echte ins Zimmer zu bringen, um Freude an ihrer Echtheit und ihrem
Gedeihen zu gewinnen, und eine Revolution ist eingeleitet. Zuerst
würden die schweren, verdunkelnden Stoffgardinen fallen, um wieder
Licht und Luft in die dumpfen Räume einzulassen. Wir müssten den echten
Blumen, so wir sie erhalten wollen, dieses Opfer bringen, und es
wäre eine gerechte Wiedervergeltung, denn gerade diese verdüsternden
Stoffgardinen waren es, die zur Zeit, als der Makartsche Atelierstil
Mode wurde, unsere Blumen verdrängt haben. So nun aber das clair-obscur
jener romantischen Rembrandt-Stimmung vor der Tageshelle gewichen ist,
entpuppt sich die Lächerlichkeit des Stimmung machenden Krimskrams an
den Gesimsen, all der Krüge, die keinem Gebrauch dienen, die weder
Wasser noch Wein fassen, der Vasen, die keine Blumen aufnehmen können,
der Teller, die zu keiner Mahlzeit verwendet werden können, und die
sich als dürftiger Gschnas vor dem hellen Tage schämen, als nicht
minder die dunkel gehaltenen Wände, die so beliebt sind, weil man den
Schmutz darauf nicht sieht. Im Schmutze leben, das macht nichts, nur
sehen darf man ihn nicht!

[Illustration: Glasluster für elektr. Licht von Arch. Leopold Bauer.]

[Illustration: Beleuchtungskörper von Architekt Max Benirschke.]

Nun aber wird der ob seiner Nichtigkeit entlarvte Prunk unerträglich,
und es beginnt ein lustiger Umsturz, vor dem nichts niet- und
nagelfest ist. Vom Hundertsten käme man ins Tausendste. Vom Fenster
zu den Wänden und den Bildern, und von diesen zu den Möbeln, bis ins
Kleinste herab. Es ist fast unabweislich, in allen Einzelheiten des
Wohnraumes die neue Wohnungsästhetik zu erhärten. Der Ausgangspunkt
dieser neuen Ästhetik aber ist, dass wir allen sogenannten Luxus aus
unseren Häusern fortschaffen und zur Aufrichtigkeit und Einfachheit
zurückkehren, wenn wir wollen, dass die Kunst wieder im Hause beginne.
Epochen mit hochentwickelter volkstümlicher Kultur haben gezeigt, daß
die Kunst immer vom Hause ausgeht und von hier aus auch das äußere
Leben ergreift. Darum muß unsere Sorge darauf gerichtet sein, daß wir
nicht die goldene Regel verletzen, die uns William Morris gegeben:
»_Behalten Sie nichts in ihrem Heim, wovon Sie nicht wissen, daß es
nützlich ist, wovon Sie nicht glauben, daß es schön ist!_«

[Illustration: Die obere Partie einer Sitzecke mit elektrischen
Beleuchtungskörpern von Arch. Max Benirschke.]



Die Ästhetik der Mietswohnung.


[Illustration: Elektr. Beleuchtungskörper v. Professor Joseph Hoffmann.]

[Illustration: Ofen von Arch. Georg Winkler.]

[Illustration: Kamin von Architekt Max Benirschke.]

[Illustration: Kaminwand von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.]

Daß die Hausarchitektur im Zeichen des Umschwunges steht, wird niemand
mehr leugnen. Die Architektur, die schwerfälligste aller Künste, folgt
dem neuen Zug freilich zuletzt, denn sie hat nicht nur das größte
Trägheitsmoment, das Schwergewicht der Gewohnheit, sondern auch die
Gewissenlosigkeit des Bauspekulantentums und die Gleichgiltigkeit des
Publikums zu überwinden. Das leichtbewegliche Kunstgewerbe, das heute
führend vorangeht, konnte viel schneller das Feld erobern, und man
kann sagen, daß die Schwenkung, die auch im Hausbau zu spüren ist,
vom Kunstgewerbe veranlaßt, ja fast erzwungen worden ist. Denn das
Kunstgewerbe verlangt einen festen Stützpunkt, eine Führung, einen
Halt, und diesen kann nur die Architektur geben. Im Einzelwohnhaus
ist da und dort dieser ursächliche Zusammenhang von Architektur
und Handwerk, von Raum und Möbel, zwar schon hergestellt oder doch
angebahnt, aber im Miethaus der Stadt, also in der Stadtwohnung,
deren ästhetische Durchbildung doch eine der nächstliegenden Aufgaben
ist, sind wir nicht immer so glücklich daran. Wie notwendig es ist,
dass Kunstgewerbe und Hausbau Hand in Hand gehen, und wie eines
ohne das andere nicht bestehen kann, will ich an einem typischen
Fall nachweisen, der auf hunderte von Beispielen paßt, die sich in
der Stadt von Tag zu Tag mehren. Jemand war des im Mittelstande
eingebürgerten Atelierstils, des Markartbouquets, der künstlichen
Palme und der verpöbelten Renaissancemöbel überdrüssig, er entfernte
die Stoffgardinen, um wieder Luft und Licht in den dämmerigen Raum
zu lassen, Zimmerpflanzen ziehen zu können und Freundlichkeit zu
verbreiten. Aber die braunen Möbel vertragen die Helligkeit nicht,
ihre Häßlichkeit und Unzweckmäßigkeit, die Erbärmlichkeit des ganzen
unechten Luxus wurde mit einem Male unerträglich und sie wurden
ersetzt durch jene gefälligen neuen Möbel, deren Wesen Einfachheit
und Natürlichkeit ist, und die in dem sogenannten Biedermeiermöbel
unserer Groß- und Urgroßeltern vorgebildet waren, die also gewiß nichts
Fremdartiges, sondern etwas durchaus Heimatliches, Bodenständiges,
Trautes waren. Aber es nützt nicht, daß man den neuen Wein in die alten
Schläuche füllte. Das Mißverhältnis zwischen Raum und Möbel trat dann
erst grell zutage. Die Möbel waren gewiß zwecklich formal gebildet,
aber die Zimmer! Das Raumausmaß war groß genug und dennoch konnte man
nichts unterbringen. An ein geschmackvolles Stellen der Möbel war nicht
zu denken. Daran waren die Türen und Fenster schuld. Denn es gehört
schon einmal zu dem eingebürgerten Begriff von einer Stadtwohnung,
daß ein Zimmer zwei Fenster haben muß. Die Fensterwand geht natürlich
fast verloren, denn links und rechts bleibt kein nennenswertes Stück
Wand, und es erübrigt nur noch der Pfeiler, der einen dunklen Schatten
mitten ins Zimmer wirft. Die Beleuchtung wird dadurch noch schlechter,
daß die Fenster das Hauptlicht nicht von oben her geben, sondern von
den untern Flügeln, so daß nur der Fußboden vor dem Fenster die
Helle empfängt, was für das Auge das denkbar ungünstigste ist. Die
einfachste und natürlichste Lösung wäre nun die, ein einziges etwas
breiteres in der Mitte anzubringen, wobei nicht nur eine ausgezeichnete
Belichtung erzielt werden kann, sondern auch links und rechts tiefe
Ecken gewonnen werden, die es gestatten, gewisse Möbelstücke, das Sofa
zum Beispiel, quer anzuordnen, oder die Nische so auszubauen, daß das
Gefühl der Geschlossenheit und Geborgenheit erhöht wird. Viel ist auf
diese Weise gewonnen, aber noch lange nicht alles. Denn da sind noch
die Türen, die unseligen großen Flügeltüren, deren manches Zimmer drei
besitzt, und die von jeder Wand ein erhebliches Stück wegnehmen. Man
behalf sich früher mit einer Draperie, um sie wenigstens dekorativ
zu gestalten, was im Wohnraum einen nichts weniger als sympatischen
theatralischen Eindruck macht. Aber immer noch besser als die nackten,
überflüssig hohen und breiten Palasttüren mit dem widersinnigen braunen
Anstrich und der ebenso widersinnigen künstlichen Maserung. Daß der
Raum auch geräumig werde, günstige Raumverhältnisse besitze, hängt
also nicht allein vom Fenster, sondern auch von der Lage und Größe
der Türen ab. Das sind die zwei Angelpunkte, um die sich die neue und
vernünftige Raumgestaltung dreht. Noch ist dadurch fast gar nicht der
Grundriß tangirt, noch ist fast keine Forderung an den Erfindungsgeist
der Architektur gestellt, sondern erst ganz einfach eine gewisse
Empfindungsfeinheit verlangt, ein Mitgefühl für die Menschen, die in
den Räumen wohnen, und darinnen die Möglichkeit finden sollen, ihr
Leben behaglich zu gestalten. Es ist ja wahr, die meisten Menschen
verlangten die bisherigen Wohnungen gar nicht besser, sie haben nicht
das Bedürfnis, ihre Umgebung künstlerisch gestaltet zu sehen, aber
das hindert nicht, daß der Architekt, wofern er ein Künstler ist, den
früher oder später ja doch eintretenden künstlerischen Bedürfnissen
vorarbeiten und dergestalt die Prämissen einer höheren Kultur schaffen
soll. Für diese Kulturarbeit ist der Architekt einer der wichtigsten
Faktoren, und man kann sagen, ohne ihn kann nichts geschehen. Aber die
Empfindungsfeinheit, die von dem künstlerischen Architekten (der andere
kommt nicht in Betracht) verlangt werden muß, wird bei dieser Tat
nicht stehen bleiben. Er wird die bürgerlichen Menschen nicht allein
von dem überflüssigen und daher schädlichen und geschmackverderbenden
Luxus, der sich in den billigen albernen Ziraten oberhalb der Tür
und in den rein äußerlichen nur auf die Außenerscheinung berechneten
Zutaten an den Fenstern äußert, befreien, sondern er wird auch sein
Auge auf die Wände, den Boden und die Decke, endlich auf den Anstrich
der Holzteile richten, er wird die Teile nicht der Obsorge des
Zimmermalers und Anstreichers überlassen, die in Geschmacksdingen
auf dem tiefsten Niveau stehen; er wird vielmehr auch hier seinen
Einfluß geltend machen und damit das niedere Handwerk wieder heben.
Denn alle Handwerkskünste sind Bestandteile der Architektur. Es hat
sich gezeigt, daß die braunen Tür- und Fensterteile, die rote, grüne
oder sonst irgendwie schmutzigfarbene Ausmalung mit den so hässlichen
Dessins jedes anständige Möbel umbringen. Nun ist die Farbenempfindung
bei der großstädtischen Menschheit ein verlorenes Gut. Jeder Bauer im
Gebirge ist uns darin überlegen. Weil aber jede ästhetische Frage im
Kern eine praktische ist, so läßt sich dieser Sache vielleicht von der
hygienischen Seite beikommen. Warum sind die dunklen Schmutzfarben
unserer Wände so beliebt? Es ist schon gesagt worden. Weil man den
Schmutz darauf nicht sieht. Überdies ist das wiederholte Neuausmalen
oder Tapezieren für den kleinen Mann zu kostspielig. Einer solchen
kulturwidrigen Vornehmtuerei auf Kosten der Reinheit und Hygiene soll
in unseren Häusern nicht Vorschub geleistet werden. Man fragt sich oft,
warum unsere Wohnungen nichts Weißes enthalten. Warum hat man Wände
und Decke nicht im einfachen Weiß, mit einem schönen Fries, so daß man
sie um billiges Geld jährlich einmal frisch tünchen kann? Die Leute
vor 80 Jahren, die noch eine feine Kultur besaßen, haben Fenster und
Türen weiß gestrichen. Sie hatten auch weiße Gardinen und Topfpflanzen.
Die Bauern in vielen deutschen Gegenden haben das noch. Und wie
traut sind solche Räume! diesen Sinn für Reinlichkeit und Helligkeit
muß man wiederbeleben, sonst ist nicht vorwärts zu kommen. Altwien
besaß hübsche im Bogen ausgebauchte Fenster, die mit Geschick wieder
verwertet werden können. Dabei ist Bedacht zu nehmen, daß im Fenster
Blumen gezogen werden können, denn die allmählig wiedererwachende
Blumenfreude ist ein wichtiger Kulturfaktor und ein erfreuliches
Symptom der Rückkehr zur Natürlichkeit und Echtheit. Der Architekt
muß alle diese halbbewußten Regungen mit feinen Sinnen erfassen und
verwerten. Es gehört viel Liebe und Geduld und Menschenfreundlichkeit
dazu, aber ohne diese Eigenschaften ist in der Kunst nichts zu machen.
Nur das Mitgefühl, das Mitleben kann Formen schaffen, die nichts
Äußerliches sind, wie die Stuckherrlichkeit moderner Zinskasernen,
sondern etwas, das von innen nach außen gewachsen ist, und unsere
bisherigen Hundelöcher wieder in menschenwürdige Wohnungen umwandelt.
Auf diesem Wege dürften sich auch die notwendigen Grundrißänderungen
ergeben. Die Badezimmer, die heute schon bei kleineren Wohnungen zu
finden sind, sollten als Annex des Schlafraumes ausgestaltet werden.
Denn es ist widersinnig und gesundheitsgefährlich, aus dem Baderaum
durch das gewöhnlich sehr kalte Vorzimmer in den Schlafraum und
umgekehrt gehen zu müssen. Diese und noch viele Änderungen können
geschehen, ohne daß die Ertragsfähigkeit des Hauses nur im mindesten
herabgesetzt wird. Daß wir trotzdem das moderne Mietshaus noch nicht
haben, ist vielmehr eine Folge der herrschenden Teilnahmslosigkeit der
Bauherrn und des Publikums, das noch nicht gelernt hat, Bedürfnisse zu
haben. Die Mitarbeiterschaft von dieser Seite her ist freilich nicht zu
entbehren.

[Illustration: Heizkörper-Verkleidung von Professor Joseph Hoffmann.]

[Illustration: Fries und elektr. Beleuchtungskörper von A.
Sumestberger.]



[Illustration: Wandfries von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.]



Wände und Decke, Vorhänge und Teppiche.


[Illustration: Decke mit Schnürlarbeit von Mizzi Ebers (Kunstschule für
Frauen und Mädchen, Wien, Prof. A. Böhm).]

[Illustration: Decke mit Schnürlarbeit von Paula Roth (Kunstschule für
Frauen und Mädchen Wien, Prof. A. Böhm).]

[Illustration: Perlenstickerei auf Leinen von Minka Podhayska
(Kunstschule für Frauen und Mädchen, Wien, Prof. A. Böhm).]

[Illustration: Perlenstickerei auf Tüll mit Applikation von Minka
Podhayska (Kunstschule für Frauen und Mädchen, Wien, Prof. A. Böhm).]

Zu den schweren geschnitzten Kassetten-Decken altdeutscher Stuben
passte dunkles Getäfel der Wände und die Ledertapete. Wo man sie heute
noch im Bürgerhause vorfindet, ist sie nicht dem modernen Gefühl,
sondern einer posthumen Butzenscheibenromantik, die noch immer nicht
ausgestorben ist, entsprungen. Wie es noch Wotansenkel im schwarzen
Salonrock gibt, die wie die alten Deutschen »immer noch eins trinken«,
so gibt es eine große Kategorie, die in ihrer Gefühlsweise bei Hans
Sachs stecken geblieben ist und Räume liebt, »wo selbst das liebe
Himmelslicht trüb durch gemalte Scheiben bricht«. Die Sache gehört
ins Museum, wo man sie billig bewundern mag. Im Alltag und im grellen
Licht der Gegenwart sind solche abgestorbenen Lebensformen immer von
Übel. Abgesehen davon, daß in Mietswohnungen eine solche pompöse
Sache nur auf den Schein berechnet sein kann und eine Lüge ist,
weil in solchen Wohnungen, wo wir eigentlich immer auf dem Sprung
stehen, nichts von Ewigkeitsdauer geschafft werden kann, außer was
sich leicht fortschaffen, auf einem Möbelwagen verpacken und in einer
neuen Wohnung ebenso leicht und gefällig wieder aufstellen läßt. Auf
ein gewisses Nomadentum ist unser Leben in Mietswohnungen gestellt.
Aus ökonomischen, sozialen und hygienischen Gründen ergibt sich die
neue Ästhetik, die für unsere Wohnung glatten und weißen Verputz an
Wänden und Decke verlangt, die je nach Geschmack mit schablonirter
Malerei oder Tapete bedeckt wurden. Damit war aber zugleich ein freier
Spielraum für die gefährlichsten Ausschweifungen der künstlerischen
Phantasie unserer Tapezierer- und Zimmermalerjünglinge gegeben.
»Vernunft ward Unsinn, Wohltat Plage.« Das Ungeheuerlichste,
Wahnwitzigste ward Mode, wenn es unter der Flagge einer falschen
»Sezession« segelte. Auch diese Modekrankheit mußte überstanden werden
und schließlich setzte sich die Arbeit ernster und tüchtig vorwärts
strebender Künstler beim Publikum durch. Große Firmen der Tapeten-,
Teppich- und Textilbranche suchen die Entwürfe solcher Künstler
zu erwerben und Geschmackvolles in den Handel zu bringen. Heute
spürt man im großen Publikum schon ein erfreuliches Bestreben nach
vornehmer Einfachheit, das nur des Entgegenkommens künstlerischer und
industrieller Kreise bedarf, um zu einer allgemeinen Niveauerhöhung
des Geschmacks zu führen. Man zieht es vor, die Wände und Decke
entweder einfach zu weißen oder färbig zu streichen und einen hübschen
Fries aufzusetzen oder mit entsprechender Tapete zu bekleiden. Bei
der Wahl der Farbe wird Bedacht genommen, daß zur Farbe der Möbel
die Wände und Decke einen komplementären Gegensatz bilden, der die
Möbelstücke hervorhebt und mit diesen, was die farbige Erscheinung
betrifft, ein harmonisches Ganzes darstellt. Dem Dessin von Tapeten
oder schablonierten Wänden steht man mit Recht mißtrauisch gegenüber,
weil es sehr viel Takt erfordert, das Rechte zu finden, das diskret
genug ist, als Hintergrund von Möbel und Bildern nicht unruhig und
anspruchsvoll zu wirken und die Harmonie zu stören. Im allgemeinen gilt
auch für die gemusterten Wandflächen die Regel, daß sie in Farbe und
Zeichnung als bloße Fläche und Untergrund, der für sich allein keine
Geltung beanspruchen darf, zu wirken hat. Daß man die hellen Farben
vorzieht, ist in dem modernen hygienischen Bedürfnisse begründet, das
nach Licht und Luft heischt, die in der Stadt kostbare Güter sind. Aus
diesem Grunde hat man die Stoffgardinen durch Vorhänge aus leichtem
dünnen Zeug ersetzt, indischer Seide oder Leinen mit Aufnäharbeit,
daran sich der Kunstfleiß der Hausfrau zeigen mag. Für Aufnäharbeit
geben die Leistungen moderner Künstler und Kunstschulen glänzende
Vorbilder. Man wählt natürlich auch für diese leichten Vorhänge helle
Farben, entweder weißes Leinen, oder, wenn es sich um durchsichtige
Gaze oder indische Seide handelt, auch orange Farbe, die einen goldenen
Schein ins Zimmer legt. Die Vorhänge hängen in geraden, schlichten
Linien herab, sind seitlich zu ziehen und laufen in Ringen offen an
einer Messingstange.

[Illustration: Decke mit Kreuzstich von Elisabeth Toffler (Kunstschule
für Frauen u. Mädchen, Wien, Prof. A. Böhm).]

[Illustration: Decke mit Bändchenarbeit von Paula Roth (Kunstschule für
Frauen u. Mädchen, Wien, Prof. A. Böhm).]

Auch der Teppich ist auf diese anheimelnde einfach vornehme
Gesamtwirkung gestimmt. Es ist aber durchaus nicht »stilwidrig«, in
einem solchen Raum einen echten Perserteppich aufzubreiten. Überhaupt
was ist Stil? Wenn irgend ein antikisierender in Holz geschnitzter
Fries, bald auf Schränken und Betten aufgetragen und auseinandergezerrt
und dann wieder auf Nachtkästchen schmal zusammengedrängt wird, so
nennt man das im Möbelhändlerverstande »stilgerecht«. Wenn aber jemand
in seiner Wohnung heterogene Dinge zusammenträgt, die ihrer Entstehung
nach, räumlich und zeitlich, sehr getrennt sein mögen, aber durchaus
echt sind, so ergibt sich vermöge dieser Echtheit eine gewisse Einheit
und diese Einheit kann man füglich Stil, vielleicht den einzig wahren
und naturgemäßen Stil nennen. Darum beleidigt es unser Empfinden
nicht, wenn wir in der neuen Wohnungs-Ausstattung einen echten Perser
und an den Wänden gar echte Gobelins vorfinden. Die orientalischen
Teppiche haben schöne geometrische Muster und die liegen uns ästhetisch
wahrhaft näher, als alle plumpen Pflanzenstilisierungen, die man in
der wohlfeilen Teppichfabrikation antrifft. Überdies hat die Moderne
auch passende Teppiche geschaffen, die in ruhigen Farben gehalten sind,
eine strenge geometrische Zeichnung oder irgend eine phantasievolle
Linienführung aufweisen und die Stimmung solcher Räume harmonisch
abschließen, Teppiche von Kolo Moser, Josef Hoffmann, Josef Olbrich,
Leopold Bauer, Peter Behrens, Max Benirschke u. v. a.

[Illustration: Vitrage mit Stilstich von Paula Roth (Kunstschule für
Frauen und Mädchen, Wien, Prof. A. Böhm).]

Die weiblichen Handarbeiten, die in diesem Zusammenhange erwähnt werden
müssen, bedürfen gleichfalls einer künstlerischen Reform. Hier sollte
eigentlich der Ausgangspunkt der häuslichen Kunstpflege sein. Leider
hat auf diesem Gebiete die Schablone jede Regung von Selbständigkeit
und Geschmack erstickt. Die Arbeit ist zu einer ermüdenden, tötlich
langweiligen Übung, zum bloßen mechanischen Ausnähen von allerlei
Lappen herabgesunken und rechtfertigt die Verachtung, mit der die
radikal Gesinnten die geistlose Beschäftigung ablehnen. Trotzdem sind
sie nicht zu entbehren. Sie werden wieder ein Segen sein, wenn die rein
mechanische Handarbeit zur künstlerischen Arbeit geadelt ist, was der
Fall sein wird, wenn die »handarbeitenden« Frauen die Muster, die sie
ausführen, selbst entwerfen auf Grund klarer Kenntnis der Technik, des
Materials und des Zweckes.



[Illustration: Leinentischläufer mit Knoten und Stilstich von Paula
Roth (Kunstschule für Frauen und Mädchen, Wien, Prof. A. Böhm).]



Lichtkörper und Heizkörper.


[Illustration: Wartezimmer von Arch. Hans Stubner.]

Die moderne Lichtquelle, Elektrizität, hat zu Beleuchtungskörpern
geführt, deren Form keinem Vorbild entlehnt werden konnte, sondern
aus der Natur der Sache geschöpft werden mußte. Hier kann man die
lehrreiche Wahrnehmung machen, daß solchen rein sachlichen Lösungen
ein großer dekorativer Reiz innewohnt. Glühlampen an Leitungsdrähten
in wohlgemessenen Abständen von der Decke herabhängend, können durch
ihre Anordnung allein höchst erfreulich wirken. Hier bedarf es keines
weiteren Ornaments. Würde ein solches hinzutreten, so dürfte es leicht
störend empfunden werden. Die Tatsache, daß aus rein sachlichen
Lösungen die glücklichsten dekorativen Wirkungen abzuleiten sind, ließe
sich an allen bisher üblichen Beleuchtungskörpern demonstrieren, an
denen wir leider gewohnt sind, ein Übermaß der unsinnigsten Ornamente
zu sehen. Eine sachlich gelöste Petroleumlampe, die durch zweckmäßige
Form allein edel wirkt, gehört, wenn sie wirklich vorkommt, zu den
größten Seltenheiten. Für den Künstler ist hier noch immer ein Feld
offen. Für Gasbeleuchtung sind moderne Beleuchtungskörper geschaffen
worden, aus Metall und Opalscentglas, die formal zu den Schönsten
gehören, das wir in diesem Genre besitzen. Dagegen kommt es vor,
daß den Kerzenweibchen oder ehemaligen Kerzenlustern elektrische
Glühlampen aufgesetzt werden, die auf imitierten Kerzenschäften
stehen und solcherart den Anschein einer wirklichen Kerzenbeleuchtung
erwecken. Es können immer Fälle vorkommen, bei Festessen z. B.,
wo man sich lieber der edelsten Lichtquelle, der Kerze selbst
bedient, die wie kein anderes Beleuchtungsmaterial geeignet ist,
Festweihe und feierlichen Glanz zu verbreiten. Dann aber sollen es
wirkliche Kerzen sein. Aufrichtigkeit und ehrliches Bekennen, also
hier Materialbekennen, sind Grundlage jedes gesunden Geschmacks. An
elektrischen Tischglocken, Tastern, Lichtträgern und Leuchtern hat
die neue Zeit viel geschaffen. Aber auch hier ist vor einer gewissen
Überkunst zu warnen. Rein sachliche und geschmackvolle Lösungen sind
selten. Es muß dahin gestellt bleiben, ob es ein glücklicher Gedanke
ist, mit dem Zweckbegriff eine figurale Darstellung zu verbinden, die
mit der Sache eigentlich nichts zu tun hat. Wir sehen Leuchter in
Gestalt von Lichtträgerinnen, weibliche Gestalten, die Kerzen tragen,
bald schwer belastet, bald mit geschlossenen Augen hinschreitend,
als Symbol der Nacht, dann emporschwebend wie die züngelnde Flamme
oder hingekauert, den Kerzenschaft wie eine Säule umklammernd. Der
Plastiker lebt sich nur aus, wenn er an den Gebrauchsgegenständen, die
er formt, seine figuralen Ideen verkörpern kann. Unzählige Symbole
leitet seine Phantasie aus dem Lichtmotiv ab und umrankt es mit dem
üppigen Gespinnst seiner Formerfindung. Diesen Dingen gegenüber, die
ja zum Teil auch wirkliche Schönheit offenbaren, ist der Standpunkt
fernzuhalten, daß ein sehr gebildeter und disziplinirter Geschmack
die streng sachlichen Formen an allen Gebrauchsdingen vorzieht, damit
die eigentlichen Kunstwerke, die sich im Raum befinden, zu jener
unbestrittenen Geltung kommen können, die ihnen zukommt.

[Illustration: Warteraum von Arch. Alois Hollmann.]

[Illustration: Halle von Arch. Alois Hollmann.]

[Illustration: Vorzimmer von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

In Bezug auf die Heizkörper ist ähnliches zu sagen. Frühere Zeitalter,
die u. zw. Renaissance vor allem, hat Öfen gehabt, an denen die Freude
am Ornament wahre Orgien feierte. Jeder Kachel trug ein anderes
Ornament, eine andere figurale Darstellung, eine andere Farbengebung.
Das ganze war ein Wunderbau wie der babylonische Turm. Im Zeitalter
des Barock, Rokoko und Empire begegnet man weiß glasirten Öfen in
geschwungenen Linien, oder Obeliskenformen, die ein Postament für
plastische Gruppen vorstellten. Später kam die Hafnerkunst gänzlich
auf den Hund. Heute kann man dem Ofen und der Holz- und Kohlenheizung
nicht mehr das Wort reden. Eine neue Beheizungsart stellt sich vor: die
Zentralheizung durch erwärmtes Wasser oder Luft und die Gasheizung.
Gaskamine wendet man in Wohnungen sehr vorteilhaft an; man kann
sich des von der gerippten, blinkenden Metallfläche wiederstrahlten
Feuerscheins erfreuen, ein Hochgenuß für romantische Gemüter, die
nach der anheimelnden Poesie der »Fireside« der offenen Kamine,
eine unbezähmbare Sehnsucht empfinden. Sie können am Gaskamin ihrer
Sehnsucht fröhnen, ohne die Schattenseiten der begehrten Dinge zu
empfinden. Denn diese Einrichtungen sind technisch vorzüglich. Aber sie
sind vom ästhetischen Standpunkt aus unerträglich. Sie sind gewöhnlich
mit den heillosesten Stilschnörkeln verbrämt. Da hilft nur Eines: Man
gibt ihm eine hölzerne Umhüllung, weiß oder sonstwie lackiert, mit
einem Gesimse für kleine Kunstwerke versehen und mit Sitzgelegenheiten
rechts und links. Wir haben damit in unserer Stadtwohnung die
gemütlichste und traulichste Einrichtung gewonnen, wie man sie sonst
nur in einem englischen Hause zu finden gewohnt ist.

[Illustration: Vorzimmer von Arch. Karl Sumetsberger.]



Vorzimmer und Dienerzimmer.


[Illustration: Kleiderablage von Architekt Max Benirschke.]

[Illustration: Kleiderschrank v. Arch. G. Winkler.]

[Illustration: Vorraum mit Sitzgelegenheit in der Fensterecke von Arch.
Max Benirschke.]

Der erste Schritt, den wir in eine Wohnung tun, belehrt uns gewöhnlich,
wessen Geistes dieses Heim ist. Der Vorraum, den wir zuerst betreten,
ist schon für alle anderen Räume bezeichnend. Die Persönlichkeit
färbt überall ab. Ein Haus, dessen Neben- und Nutzräume nicht in
Ordnung sind, wird auch nicht ein einziges Gemach besitzen, das volles
Behagen gewährt. Umgekehrt wird sich ein ordnender und liebenswürdiger
Hausgeist auch bis auf die äußerste Schwelle bemerkbar machen.
Praktisch betrachtet, hat ein Vorzimmer zwei Aufgaben zu erfüllen. Es
dient als Warteraum für den Besuch, der sich melden läßt, um nicht
unvermittelt in die Gemächer zu treten. Der angemeldete Besuch benützt
den Augenblick, Hut und Überkleider abzulegen und mit einem prüfenden
Blick in den Spiegel sich über die Ordnungsmäßigkeit seiner Toilette
zu versichern. Demnach ergeben sich als unerläßliche Möbelstücke: eine
Kleiderablage für Röcke, Hüte, Stöcke und Schirme, ein Wandspiegel,
der gewöhnlich damit in Verbindung steht, einige Sitzgelegenheiten,
am besten einfache Stühle und ein Tischchen mit Lade. Die Hausfrau
erkennt eine weitere Aufgabe des Vorzimmers darin, daß sie es zur
Aufnahme ihrer eigenen Kleiderschränke einrichtet. Denn bei den
heutigen beschränkten Raumverhältnissen in Mietshäusern und den neuen
Raumgestaltungsprinzipien sucht man derartige große Wandschränke aus
den Wohnzimmern zu bannen und ins Vorzimmer zu verlegen. So mag man
denn an allen Wänden gleichförmige Schränke finden, die aus einem
Stück, jedoch in viele Teile zerlegbar, bestehen können. Man wird aber
gut tun, die ganze Wandhöhe bis zum Plafond schrankartig abzubauen
und die oberen Fächer, die Separattüren ober der Kopfhöhe haben,
zur Aufnahme von allerlei Schachteln und sonstigen Effekten, wenig
benützten Kleidern u. s. w. zu verwenden, denn in einem Haushalt
werden leicht alle Fächer und Schränke zu wenig, um zu beherbergen,
was sich im Laufe der Zeit ansammelt. Es kann aber auch, um nicht eine
Wand für die Kleiderablage mit Spiegelteil opfern zu müssen, eine
solche Kleiderablage und der Spiegel vorne an einem oder mehreren der
Schränke angebracht, der Spiegel in eine der Schranktüren eingelassen,
die Kleiderhaken neben den Schranktüren befestigt und solcherart alle
vier Wände mit Schränken abgebaut werden. Selbstverständlich wird man
weiches Holz zu diesem Zweck verwenden und in einer Farbe, am besten
weiß, lackieren oder streichen. Als Bodenbelag findet man vielfach
Matten, die mit einfachem Muster von Künstlern entworfen, durch die
Prag-Rudniker Korbwarenfabrikation stark in den Handel gebracht werden
und sich vortrefflich bewähren. Ein solcherart ausgestatteter Vorraum
besitzt alle Vornehmheit und Anspruchslosigkeit, deren er bedarf,
wenn er den Besucher auf die gastlichen Haupträume vorbereiten will.
Unterordnung in den Hauptgedanken der Wohnungsausstattung ist hier
Gesetz. Im Vorraum pflegt man gute Bilder und sonstige Kunstwerke nicht
unterzubringen; schlechte soll man aus Geschmacksgründen noch weniger
hinstellen, weil der Raum keine Trödelkammer sein soll und da leicht
eine geringschätzige Meinung von den Inwohnern erwecken kann. Aber
es ist keineswegs Grundsatz, daß aus den Vorräumen Kunstwerke, wie
Bilder und Plastik, verbannt sein sollen, im Gegenteil, wenn das Haus
weitläufig genug ist, und das Vorzimmer, wie es heute geschieht, mehr
den Charakter einer »Hall« empfängt, fänden sie auch hier ausgezeichnet
Platz und trügen von dem Geist und der Vorliebe der Bewohner
freundliche Spuren über die Schwelle ihrer inneren Wohnräume hinaus und
dem Besucher einladend entgegen. Wir mögen uns da nur einmal Goethe’s
Beispiel vor Augen führen und sein Haus in Weimar rekonstruieren, wie
es anfangs des 19. Jahrhunderts ausgesehen hat. Ohne glänzend zu sein,
war alles höchst edel und einfach; auch deuteten verschiedene an der
Treppe stehende Abgüsse antiker Statuen auf Goethe’s besondere Neigung
zur bildenden Kunst und dem griechischen Altertum. Der Vorraum in der
I. Etage trug die Zeichen »Salve« als freundliches Willkommen und
einer der zwei Vorräume, wo man zu warten genötigt war, war durch ein
rotes Kanapee und Stühle von gleicher Farbe überaus heiter möbliert;
zur Seite stand ein Flügel und an den Wänden sah man Handzeichnungen
verschiedener Art und Größe.

[Illustration: Vorraum mit Treppe von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Dienstbotenzimmer von Architekt Prof. Josef Hoffmann.]

So bei Goethe. Freilich zwischen dem Alt-Weimarer Hause Sr. Exzellenz
und einer modernen Stadtwohnung, ist ein Unterschied.

[Illustration: Küche von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Zu jenen Räumen, für die man im Allgemeinen auch das Schlechteste
für gut genug hält, gehören die Dienerzimmer. Es ist ein trauriges
Zeichen schlechter sozialer Begriffe und unzureichender menschlicher
Einsicht, wenn man in einem Hause die Dienstleute, denen man doch
Treue und Anhänglichkeit zum Gesetz macht, schlecht versorgt findet.
Im Dienstverhältnis gibt es nach beiden Seiten hin Pflichten und
Rechte und kein Teil, weder Dienstgeber noch Dienstnehmer, dürfte
dem anderen etwas schuldig bleiben. Für menschenwürdige Zustände im
Hinblick auf das Dienstpersonal zu sorgen, ist auch eine der ersten
Pflichten der Hausfrau, wenn sie nicht Recht behalten sollte, daß sie
wirklich »bezahlte Feinde« im Hause habe. Guter Geschmack heißt hier
wie überall Reinlichkeit und Zweckdienlichkeit. Massiv eiserne Betten
(Hohlräume sind immer Aufenthalt unausrottbarer Ungeziefer), einfache
Möbel aus weichem Holz in irgend einer Farbe gestrichen, Tisch, Stuhl,
Schrank und Waschgelegenheit möblieren den Raum vollständig und können
ihn zugleich recht wohnlich machen. Wenn für das persönliche Wohl der
Dienstleute in mustergiltiger Weise gesorgt ist, ist das immer eine
Ehre für die Hausfrau.



Die Küche.


[Illustration: Küche von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

In einem Lobliede an die Küche meint Gilles Corrozet (1534), daß es
eine schöne Sache sei um ein geschmücktes Haus, um eine behagliche
Stube, um den wohlbestellten Speicher und Keller, daß aber ein Haus
trotzdem nichts Erquickliches böte, wenn man nicht auch eine gute
Küche sehe, die gute Küche, wo die freundlichen Götter Diana, Ceres
und Bachus ihre gesegneten Gaben niederlegen, wo der freundliche,
Zufriedenheit und Wohlbehagen spendende Hausgeist im Winkel am
Herde tront und leibliche Stärkung und Mehrung der Daseinsfreude
verheißungsvoll winken.

Der gute Corrozet ist ein praktischer Idealist; wer auf guten Tisch
hält, (und wer tut das nicht) muß vor allem auf gute Küche halten,
und darum gibt er seinen Zeitgenossen eine umständliche, in zierliche
Reime geflochtene Darstellung einer ganzen Kücheneinrichtung, in der er
auch nicht »die Lichtschneutzen« vergißt und daraus man leicht ersehen
kann, welche hervorragende Wichtigkeit die Küche im damaligen Haushalt
besaß. Sie ist die Urzelle des Hauses, aus der die anderen Räume erst
nach und nach hervorgegangen sind. Noch im XVIII. Jahrhundert vollzog
sich auf den seigneuralen Gütern Frankreichs das Leben vorzugsweise
in der Küche, während die übrigen Gemächer des Hauses als bloße
Repräsentationsräume nur gelegentlich benützt wurden.

[Illustration: Küche von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Sicherlich ist die Küche der am frühesten und am vollkommensten
ausgebildete Teil des Hauses gewesen. Über deren Einrichtung läßt uns
auch die »Nürnberger Haushälterin« nicht im Zweifel, die im Jahre 1716
über das deutsche Bürgerhaus schrieb: »Von einer wohlgebauten Küche
wird vornehmlich gefordert, daß sie nicht allzuweit von der Esstube
entfernt seye, damit nicht im Winter das Essen, wenn es weit getragen
werden muß, kalt auf den Tisch gebracht werde.« Man darf sich hierbei
wohl nicht eine Stadtwohnung mit gedrängten Räumen vorstellen, sondern
ein weitläufiges altdeutsches Bürgerhaus, wo möglicherweise die Küche,
wie in den heutigen Landhäusern und Villen, im Untergeschoß gelegen
war. Daher die Mahnung der »Nürnberger Haushalterin«, die zu ihrer Zeit
die vortreffliche Einrichtung von Speiseaufzügen nicht gekannt haben
dürfte.

[Illustration: Porzellanservice von Frl. Jutta Sicka.]

[Illustration: Porzellanservice von Frl. Jutta Sicka.]

Gegenüber den alten Küchen, so vollkommen sie auch mit Gerätschaften
versehen sein mochten, haben die heutigen, von modernen Architekten
eingerichteten Küchen entschieden bedeutende Vorzüge aufzuweisen. Das
Gebot der Zweckmäßigkeit und sanitäre Rücksichten erfordern, daß die
Küchen hell seien, in modernen Landhäusern legt man daher die Fenster
breit und ziemlich hoch an, selbst wenn dies nicht durch die tiefe
Lage des Raumes im Souterrain erforderlich sein sollte, damit die
Wandflächen für die Kücheneinrichtung gut ausgenützt werden können.
Unter diesen Fenstern befinden sich in der Regel die Schränke mit
möglichst viel Laden und Stellagen, die mit Glastüren verschlossen
sind. In der Mitte der Wand, unterhalb der Fenster finden wir häufig
den Anrichtetisch, in seinen Unterteilen als Schrank ausgenützt
und von einem Gesims mit verschließbaren Fächern gekrönt. Auf der
gegenüberliegenden Seite steht der Herd. Im Gegensatz zur Küche von
einst, die man erst dann für schön erachtete, wenn das blitzblanke
Messing- und Kupfergeschirr, die bunten Töpfe aus Steingut und
Porzellan, die Zinn- und Blechgefäße an Wänden und offenen Stellagen
zum Entzücken der Hausfrau prangend ausgestellt waren, liebt man es
heute, jegliches Küchenrequisit in den Schränken abzuschließen und
hat damit vollkommen recht. Denn so kann das Geschirr von Staub und
Fliegenunrat frei gehalten werden und man erspart ein Übermaß von
Reinigungsarbeit. Nur das Kupfergeschirr läßt man frei hängen. Eine
solche Küche sieht aber auch appetitlich genug aus, namentlich, wenn
die Wände weiß verkachelt sind, wie das neuestens oft der Fall ist.
Bis zu einer gewissen Höhe wenigstens sollen die Wände verkachelt
sein, soweit eben spritzendes Wasser reicht. An Stelle der Kacheln
werden auch dünne Marmorplatten verwendet und zwar nur weiße, weil es
aus begreiflichen Gründen Grundsatz ist, daß weiß vorherrsche. Darum
werden sämtliche Holzgegenstände, also die ganze Kücheneinrichtung weiß
lackiert, wobei man den Vorteil hat, durch einfaches Abwaschen jeden
Schmutz leicht zu entfernen. Daß man auf weiß jede Unreinlichkeit
sofort sieht, ist nur ein Vorzug, denn sie soll nirgends und am
allerwenigsten in der Küche geduldet werden. Will man durchaus ein
Ornament, so soll es nur ein Flachornament sein, aufschablonirt und
sparsam angewendet. Jede Schnitzerei ist zu verpönen, sie wirkt nur als
Staubfänger. Im Übrigen hat man Bedacht auf gradlinige einfache Formen
ohne Gesimse, und auf einfache ungeteilte Holzflächen, die durch bloßes
Abwischen rein gehalten werden können. Die Küchenmöbel sollen mit ihrer
Fläche bis auf den Fußboden herabgehen und auf diesem ohne Füße fest
aufstehen, damit sich unterhalb der Schränke keine unkontrollierbaren
Schmutzwinkel bilden können. Dagegen tut man gut, die Stuhl- und
Tischflächen, die oft gerieben werden müssen, überhaupt nicht zu
streichen, sondern bloß fein gehobelt im ursprünglichen Holzton stehen
zu lassen, und so einzurichten, daß sie abnehmbar sind. Auf diese Art
können sie am besten gewaschen und gerieben werden, wovon das Holz bald
ein blühweißes Aussehen bekommt. In Bezug auf den Fußboden hat man auch
zu bedenken, daß in Küchen immer Wasser verschüttet wird, und daß er
mit Wasser abgeschwemmt und solcherart leicht gereinigt werden soll.
Darum wird man den Steinboden dem bisherigen Brettelboden vorziehen.
Der Steinboden aber bedeutet einen Angriff auf die Gesundheit der
Köchinnen, die ohnehin meistens gichtisch sind. Da bietet denn das
Xylolith einen Ausweg. Xylolith ist ein Kunststein, der auf Holz
aufgetragen wird, nicht so hart wie Naturstein ist, aber sonst alle
seine Vorzüge aufweist und noch mehr. Er ist nämlich schon in allen
Farben zu haben und man kann ihn nach seinem persönlichen Geschmack
wählen. Zu dem blinkenden Weiß der Wände passt sehr gut ein roter oder
blauer Xylolithboden.

[Illustration: Theeservice aus Silber von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Die Französin des XVIII. Jahrhunderts mußte ihr Paradebett haben,
die deutsche Frau ihre Prunkküche. Das kennzeichnet zur Genüge den
Unterschied zweier Nationen. Heute existiert beides nicht mehr. Vieles
wird heute fertig ins Haus gebracht, was einst im Hause erzeugt werden
mußte. Selbst der Kohlenherd ist in Gefahr verdrängt zu werden. Gas und
Elektrizität, Centralversorgung, spielen eine immer größere Rolle.

Wenn auch die Küche heute nicht so umfangreich ist, wie die
altdeutschen Küchen waren, so bildet sie doch noch immer eine Macht
im Hause, von der das Glück im Heimwesen zum großen Teil abhängt.
An ihr sieht man, was die Hausfrau ist oder was sie nicht ist. Es
gibt Köchinnen, die einen Dienstort verlassen, wenn ihre Werkstätte,
die Küche, nicht der Würde und Bedeutung des Raumes entsprechend
ausgerüstet ist. Die schlechtesten Köchinnen sind das sicherlich nicht.



[Illustration: Vasen von Prof. Moser, ausgeführt von Bakalowits Söhne,
Wien.]



Ästhetik des Eßtisches.


[Illustration: Tafelaufsatz und Blumengefäße von Baronesse Falcke,
ausgeführt von Bakalowits Söhne, Wien.]

Es war eine geistreiche Dame, die bei einem Diner, das sie für eine
große Gesellschaft veranstaltete, folgendermaßen verfuhr: Nach dem
Grundsatze, den die Römer schon kannten, daß eine Tischgesellschaft
nicht weniger als die Zahl der Grazien und nicht mehr als die Zahl
der Musen betragen sollte, verteilte sie die zahlreichen Gäste an
ebensoviele Tische als nötig waren, um die gesegnete Zahl herzustellen.
Und sie stimmte jeden Tisch auf eine andere Farbe. Sie hatte sich mit
den Damen ins Einvernehmen gesetzt, und sie mußten ihre Toilette der
Farbe ihres Tisches anpassen. Selbst die Tischtücher mußten Farbe
bekennen, und man sah die ganze Skala des Regenbogens vertreten,
ja sogar ein schwarzes Tischtuch war vorhanden. Die Blumen wurden
dementsprechend gewählt und verteilt. Die geistreiche Dame hatte von
ihrer meisterhaften Anordnung eine außerordentliche Wirkung erwartet
und die Wirkung war außerordentlich. Sie war nämlich außerordentlich
geschmacklos. Sie war so geschmacklos, daß man wirklich sehr
geistreich sein muß, um dergleichen einmal begehen zu dürfen. Sie
hat es sicherlich nicht wieder getan. Die feine Lehre war daraus zu
ziehen, daß für das Gedeck nur eine Farbe existiert, die den Glanz
der Frische und der Appetitlichkeit gewährt, das festliche Weiß, als
der richtige Grundton, davon sich das Silber, Krystall, Porzellan und
die freudigen Farben der Blumen schön und erquicklich abheben und
zugleich ein Schmaus für das Auge sind. Die ästhetische Befriedigung
ist ein wesentlicher Bestandteil der Tafelfreude. Nebst dem feinen
weißen Linnen, das manche Frauen, wie namentlich in früherer Zeit,
hüten wie Silber, ist es die Blume, welche dem gedeckten Tisch den
Adel künstlerischer Schönheit verleiht. Wie bei allen Dingen, kommt
es auch hiebei nicht auf die Kostbarkeit oder Seltenheit der Blumen
an, sondern auf die Art, wie sie verwendet werden. Gerade unsere
einfachen heimischen Blumen, mit schlichter Treuherzigkeit Bauernblumen
genannt, können, klug gebraucht, zu den feinsten Wirkungen gebracht
werden, und man erinnere sich nur daran, was Lichtwark über den
Löwenzahn als Tischblume sagt. Der vielverachtete Löwenzahn, der den
ganzen Tisch auf Gelb stimmt, könnte eine unvergleichliche Tischblume
abgeben. Mit gelben Blumen näht die Hausfrau gerne ihren Tischläufer
aus, und eine unbewußte Anerkennung liegt darin, daß Gelb auf weißem
Tischzeug besonders schön steht. Aber gerade hier ist viel Takt in
der Anwendung erforderlich. Streublumen sind sehr beliebt, aber sie
sehen alsbald welk aus, verursachen häßliche Flecken und eine krause
Unordnung am Tisch, die ihr freundliches Aussehen von früher bald ins
Gegenteil verwandelt. Ein Künstler hatte den glücklichen Einfall, die
Schnittblumen in kleinen würfelartigen Glasgefäßen, die in regelmäßigen
Abständen eine Reihe in der Mitte des Tisches bildeten, aufzustellen,
und er hat damit das Rechte getroffen. Heute bekommt man zu diesem
Zwecke kleine Glasgefäße mit dreieckiger Basis, die man in beliebiger
Weise zu Gruppen mit hoch- und kurzstengeligen Blumen vereinigen kann.
Hohe Blumen- und Fruchtaufsätze, welche die einander gegenübersitzenden
Personen den Blicken entziehen, haben sich als unzweckmäßig und
geschmacklos überlebt.

[Illustration: Speisezimmer von der Vereinigung „Wiener Kunst im
Hause“.]

[Illustration: SPEISEZIMMER

MÖBEL AUS BLAUGRAUER EICHE -- WAND IST RAUHER PUTZ MIT EINGESETZTEN
KACHELN

Entwurf von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.]

[Illustration: Speisezimmer von Arch. Alois Hollmann.]

Die Reform des Tafelgedeckes beginnt schon bei der Serviette. Sie hat
heute noch eine Form, die ihre Gebrauchsart längst überlebt hat. Kein
Mensch von Lebensart wird sie heute noch mit einem Zipfel unter dem
Kinn in den Kragen stecken. Man legt sie heute einfach über den Schoß.
Die zweckentsprechende Form sollte demnach jene sein, welche etwa das
Handtuch besitzt: ein längliches Rechteck. Daß die Serviette weich und
lind sei, wird zwar in der Theorie immer verlangt, aber die Praxis
kennt nur damastene Servietten, die anfangs bocksteif sind und nach
längerem Gebrauch abhaaren. Die Zeiten sind wirklich vorüber, wo Linnen
dem Silber gleichgestellt war.

[Illustration: Zimmerecke von Arch. Franz Exler.]

Über das Glas wäre manches zu sagen. Gewöhnlich sitzt das Glas wie ein
Blumenkelch auf hohem dünnen Stengel, was zwar anmutig anzusehen, aber
in sehr hohem Maße unpraktisch ist. Erstens wird die Standfestigkeit
gering, bei leiser Berührung fällt das Glas um, und zweitens ist der
Stengel beim Reinigen allzuleicht abzudrehen. Aber auch dickes Glas
ist nicht zu empfehlen, weil nicht gut daraus zu trinken ist. Zwischen
Lippe und Flüssigkeit soll sich so wenig Glaswand befinden als immerhin
möglich. Aus dieser Voraussetzung ergibt sich die organische Form
des Trinkglases von selbst; es müßte einen starken, feststehenden,
starkwandigen Fuß und Stengel haben und müßte gegen den Rand ganz dünn
verlaufen, um als angenehmes Glas empfunden zu werden. Handsam soll das
Glas sein und mundgerecht. So einfach die Lösung scheint, ich habe ein
solides Glas noch nicht gefunden.

Dem Glase steht das Porzellan zunächst. Ich weiß, daß die meisten Leute
buntbemaltes Geschirr lieben. Es macht zwar nicht viel aus, ob das
Geschirr bemalt ist oder einfach weiß, nur ist zu bedenken, daß die
Bemalung häufig Schäden des Porzellans verdecken muß. Reliefartiger
Dekor am Tellerrand ist im höchsten Grade unzweckmäßig, aber alles
Unzweckmäßige ist am häufigsten anzutreffen. Ganz weißes Geschirr ohne
bunte Streifen ist sehr vornehm in der Wirkung, aber merkwürdigerweise
selten im Gebrauche zu finden.

[Illustration: Speisezimmer von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

[Illustration: Buffet von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Und nun das Silber. Es ist ja heute noch der Stolz jedes wohlhabenden
Hauses, der wohlgehütete Schatz, den man nur zu besonderen Festtagen
oder zu Ehren eines Gastes zu verwenden wagt. Die Silberlöffel
im Alltag zu gebrauchen, würde der Mehrzahl der Hausfrauen als
beispiellose Verschwendung erscheinen. Ich weiß wirklich nicht aus
welchem Grunde. Gerade für den Alltagsgebrauch ist echtes Edelmetall
wie Silber allein zu verwenden, weil es widerstandsfähiger und
sauberer zu halten ist als billiges Zeug, das oftmals erneuert werden
muß, immer übel aussieht und zuguterletzt viel höher zu stehen kommt
als Silber. Der wahrhaft ökonomische Sinn wird sich immer nur des
letzteren bedienen. Gewöhnlich aber ist für die Hausfrau das Silberzeug
bloß Gegenstand des platonischen Genusses, ohne weiteren Daseinszweck,
als »still im eigenen Glanz zu ruhen«, und als Brautgeschenke
gefühlsame Erinnerungen der Hausfrau zu bewahren. Den Kranz so frommer
Tugenden aber wollen unsere ungeweihten Hände nicht zerreißen. Sprechen
wir lieber von der Form, die das Silberzeug erhalten hat. Die Liebe
der Künstler hat sich ja dem Silber in besonderem Maße zugewendet, und
gerade in den letzten Jahren ist viel an dem Tafelbesteck probiert
worden. Bei der heutigen Art, Messer und Gabel leicht zu halten, hat
das Besteck auch jene Leichtigkeit und Zierlichkeit erhalten, die man
ihm wünschen mag. Jedermann hat sich schon über die Gabel geärgert, die
absolut keine Sauce fassen will. Als aber Oberbaurat Otto Wagner sein
Reformbesteck ausstellte, gab es dennoch eine kleine Erschütterung.
Man ist die alte Form schon so gewöhnt, daß die wenigsten Menschen
einsehen wollen, daß es da noch etwas zu reformieren gibt. Da gab aber
eines Tages ein einarmiger General den Anstoß zu einer Revolution. Der
wollte eine Gabel, mit der er nicht nur spießen, sondern auch schöpfen
und nötigenfalls auch schneiden konnte. Die Gabel wurde gefertigt; sie
besaß eine flache löffelartige Form mit drei kurzen Zinken, so daß man
damit bequem spießen und zugleich Sauce fassen konnte.

[Illustration: Standuhr von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Diese Gabel ist sicherlich der reformierteste Teil des Reformbesteckes.
Sie dürfte allgemeine Annahme finden, denn auch von der hygienischen
Seite her ist ihr Angenehmes wegen ihrer leichten Reinbarkeit
nachzusagen.

In den Ansprüchen, die wir in ästhetischer Hinsicht an den Eßtisch
stellen, prägt sich ein guter Teil unserer Erziehung und unserer
persönlichen Kultur aus. Die Mahlzeiten sind Feste des Leibes, die
bei Homer, der von seinen Helden getreulich berichtet, wann sie
die Hände zum lecker bereiteten Mahle erhoben, eine Art fröhlicher
Gottesdienst werden. Der Adel der Form kommt später hinzu. Es genügt
dem Kulturmenschen nicht, daß das Mahl lecker bereitet sei. Die
schöne Form ist nicht zu entbehren. Sie ist das halbe Essen. Die
ästhetische Forderung wird geradezu zur körperlichen. Eine gewisse
absolute Schönheit des Eßtisches hat sich herausgebildet, die sich mit
Einfachheit wohl verträgt und die nur eine Verschiebung hinsichtlich
der Kostbarkeit verträgt. Diese ist aber sicherlich zu entbehren.
Eine Sehnsucht nach Schönheit geht durch unser Zeitalter. Wenn nichts
fruchtet, will man wenigstens »in Schönheit sterben«. Das ist gewiß
sehr edel, aber anmutsreicher ist: »in Schönheit leben«. Und dazu
gehört: »in Schönheit essen«.



Das Speisezimmer.


[Illustration: Standuhr v. Arch. Max Benirschke.]

Vor Jahren sah es freilich noch anders aus. Wie es in den meisten
Wohnungen heute noch aussieht. Altdeutsch war es, oder was man darunter
versteht. Der Plüschdekorationsdivan trug die ach so bekannten
Dekorationsteller. Die altdeutsche Kredenz war geschnitzt, zwar sehr
roh und albern, aber im großen und ganzen trug das Möbel eine Façade
wie ein italienischer Palazzo. Säulen waren an jedem Türchen, aber sie
hatten nichts zu stützen. Sie waren angeklebt und bewegten sich mit der
Tür auf und zu. Ich erzähle das nur, um auf den Widersinn einer solchen
Ornamentik, die man an jedem derartigen Möbel finden kann, gebührend
aufmerksam zu machen. Die anderen Einrichtungsstücke paßten dazu --
insofern waren sie wirklich »stilgerecht«. Der massive Speisetisch
hatte unten eine kreuzweise Verspreizung, so daß man nie recht wußte,
wie man die eigenen Beine unter dem Tische unterbringen soll. Es war
zu wenig Platz, und sie auf die Verspreizung zu stellen, litt die
Hausfrau nicht. Die üblichen Speisezimmersesseln standen herum, mit
Sitzflächen aus Holz, das figurale Ornamente eingepreßt hatte, so daß
man sich nicht niedersetzen konnte, ohne sich einer schönen Marke
mitten ins Gesicht zu setzen -- herrlich! Natürlich war auch ein
Pfeilerspiegel da mit Trumeau, dunkle Vorhänge, um alles in allem die
beziehungsreiche, wurstrot- und sauerkrautfarbene Gesamtstimmung zu
erzeugen, die seit einer Generation in Speisezimmern so beliebt ist.

[Illustration: Schrank und Wandmalerei von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Buffet von Arch. Max Benirschke.]

Schlägt man die Tageszeitungen auf, so findet man spaltenlange
Annoncen, darin solche Intérieurs angepriesen werden. Man mag daraus
ersehen, daß sie noch immer ein Publikum finden, das diese Mühe und
Kosten verlohnt.

[Illustration: Schrank von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: AUSGEFÜHRT IN WEIS, BLAU UND SCHWARZ GEBEIZT -- UND
POLIERTEM AHORNHOLZ

Standuhr von Architekt Max Benirschke.]

Beim Stuhl begann die Revolution. Man verlangte, daß er Bequemlichkeit
gewähre, und bestimmte die Sitzhöhe nach dem körperlichen Maß.
Eigentlich hat man das auch in Goethes Zeiten getan und vielleicht
schon zu Moses Zeiten, aber man hat seit der Zeit, da man fremde
Stile kopierte, darauf vergessen. Die Querleisten zwischen den Beinen
wurden als lästig empfunden und blieben weg. Dann kam die Lehne in
Betracht. Hiebei ist die Atmung zu berücksichtigen. Geht die Lehne im
Bogen, so muß sie unter den Schultern abschließen, sonst verursacht sie
Atembeklemmungen. Geht sie höher, so schließe sie besser gerade ab.
Doch soll sie möglichst niedrig sein, sonst bildet sie ein Hindernis
beim Servieren. Von der Stuhlform hängt der Tisch ab. Die richtige
Höhe ist bei Speisetischen sehr wichtig. Ausziehtische sind natürlich
bevorzugt, wenn sie auf guten Rollen laufen. Die Zarge darf nicht
so weit herabreichen, daß sie das Knie des Sitzenden beengt. Die
Querstangen sind absolut zu vermeiden. Man hat neuestens den Tischfuß
mit gehämmertem Messing umkleidet, darauf man unbekümmert die Füße
stellen kann. Buffet, Teetisch, Serviertisch ergänzen das Mobilar.
Das Ornament besteht höchstens in eingelegten Linien, im flachen
Dekor. Glatte polierte Formen, die anmutige Reflexlichter erzeugen,
den Glanz des Silberzeugs, die Weiße des Porzellans widerspiegeln,
sind durchaus beliebt. Die Tafelaufsätze sind niedrig, einfach und
zweckvoll. Den Hauptschmuck bilden die Blumen, auf der Tafel und am
Fenster. Dort hängen keine Stoffgardinen mehr, die Rembrandtstimmung
ist dahin, alles ist auf Luft und Licht und Farbe gestimmt, auf helle,
freundliche Farben. Durchsichtige Gardinen, seitlich aufzuziehen,
hängen in geraden Falten herab. Die Wände sind natürlich auch hell,
keine Tapeten, keine Dessinierung. Perlgrau zum Beispiel. Das Möbelwerk
gebeizt oder lackiert. Mahagoni ist schön und teuer. Rot gebeiztes
Holz tut es auch. Stühle und Tisch in diesem Ton, dagegen die Buffets,
die Kaminverkleidung, der Blumenständer etc. weiß lackiert. Das gibt
einen schönen Akkord. Unter Kaminverkleidung verstehe ich die Umhüllung
des Gaskamins, mit Fächern zur Aufnahme von allerlei Kleinkunst. Für
den Bodenbelag findet man heute schon gutes und billiges Zeug in
geeigneten Farben, entweder einfärbig oder gestreift oder sonst mit
einem ruhigen Linienornament. Wo elektrisches Licht ist, hat man den
Vorzug einer gleichmäßig verteilten Deckenbeleuchtung. Auch bei den
Beleuchtungskörpern lasse man es nur auf reine Zwecklichkeit ankommen
und verschmähe allen ornamentalen und figuralen Kram, der sich in
dieser Form immer wieder anpreist. Erst wenn man von jedem Ornament
absieht, wird man zu ruhigen, einheitlichen Wirkungen und zu einer
stillen und vornehmen Schönheit gelangen. Wenn man einmal so weit sein
wird, die Farbe zu würdigen, die ungebrochenen einfachen Farben, nicht
die schmutzig aussehenden, dann wird man im Raum glückliche Ergebnisse
erzielen, die man nur andeuten kann.

[Illustration: Standuhr v. Arch. Max Benirschke.]



Der Salon.


[Illustration: Buffet von Arch. Franz Exler.]

Die Hausfrau, der stets die Sorge um ein standesgemäßes Heim am Herzen
liegt, steht dieser Frage häufig ratlos gegenüber. Bei den anderen
Räumen gibt es keine solchen Schwierigkeiten, deren Einrichtung ergab
sich notgedrungen, aus dem Bedürfnisse heraus. Aber beim Salon --
das ist etwas anderes. Hier spricht das Bedürfnis nicht so laut; man
wohnt nicht darin; man hat ihn gewöhnlich nicht für sich, sondern
für die anderen. Also um darin zu repräsentieren. Es gehört zu den
Herkömmlichkeiten, daß selbst jede kleinere Wohnung ihren »Salon« hat.
Dazu wählt man fast immer das beste und größte Zimmer, die anderen
Räume werden ins Hintertreffen gerückt. Ich halte zwar die Gemächer,
die meinem persönlichen Dasein dienen, für weitaus wichtiger, aber das
gehört nicht hieher. Im Salon kann man zeigen, daß man auch »wer« ist,
und das erklärt alles. Also wendet sich die ratlose Hausfrau an ihr
Hausblättchen, von dem sie gewöhnlich auch die Kochrezepte bezieht:
»Bitte, wie richte ich meinen Salon ein?« und erhält alsogleich
probaten Rat in der herkömmlichen Form: »Man nimmt ein paar Stühle
verschiedener Form und Größe, mit beliebigem Seidenstoff gepolstert,
kleine Tischchen, ein Sopha, Fauteuils etc.« Die Durchschnittssalons
der bürgerlichen Wohnungen schmecken alle nach diesem Rezept.
Der Möbelhändler liefert den bric-à-brac, den billigen Tand, die
Gipsstatuen und all den Kram, der für wenig Geld viel Geschrei machen
soll.

[Illustration: Buffet von Arch. Hans Stubner.]

Dieselbe Öde und Langeweile, den Mangel jeder persönlichen Regung
findet man von Haus zu Haus. Was auch die praktischen Ratgeber
und Möbelhändler sagen mögen, _so richtet man einen Salon nicht
ein_. Wozu haben wir überhaupt einen Salon? Welche Aufgabe soll
er in dem Organismus unseres Hauses erfüllen? Soviel steht fest: In
der Form, wie wir ihn meistens finden, bildet er einen toten Raum.
Sollte der »Salon« nicht derart zu gestalten sein, daß er auch von dem
Leben erfüllt werde, das die anderen Räume beherrscht, daß er nicht
bloß einer unzulänglichen Repräsentanz diene, sondern wirklich der
Bedeutung gleichkomme, die man ihm auf Kosten der Bequemlichkeit in der
bürgerlichen Wohnung einräumt? Die Sache ist der Untersuchung wert.

[Illustration: Speisezimmer von Arch. R. Bräuer.]

Schon das Fremdwort »Salon« besagt, daß wir es mit einem Raume zu
tun haben, der aus einer fremden Kultur stammt. Die italienische
Renaissance veratmet in dem Wort. »Salone«, »großer Saal«, so hieß der
große Empfangsraum im italienischen Palazzo. Was wir heute unter dieser
Bezeichnung in unseren Durchschnittswohnungen finden, ist freilich eine
Farce auf den ursprünglichen Geist eines solchen Raumes. Soll der Salon
für unsere Verhältnisse wieder Sinn und Zweck bekommen, dann müssen wir
ihn seines anscheinend repräsentativen Charakters, der für die große
Mehrzahl ohnehin bedeutungslos ist, entkleiden, und ihm das Gepräge
eines persönlich intimen Raumes geben. Nach einer gesunden Auffassung
von der Sache hat aber der bürgerliche Salon die Aufgabe, alle Dinge
aufzunehmen, welche die Persönlichkeit, ihre Neigungen und ihre Ideale
charakterisieren. Jegliches Ding darin müßte von der Persönlichkeit
etwas auszusagen haben. Für die gebildete Hausfrau oder den gebildeten
Hausherrn wird der Salon recht eigentlich Bibliothek oder Arbeitszimmer
sein, wo die Lieblingsbücher stehen und die Studien gepflegt werden,
wo an den Wänden in geeigneten, zum Auswechseln gerichteten Rahmen
die Kunstblätter hängen, die Sammlungen aufgestellt sind und aus
allen Dingen die geistigen Wesenszüge der Bewohner sprechen. Hier,
wo man von allen Gegenständen seiner Neigungen umgeben ist, wird man
am angenehmsten plaudern, und die Langeweile, dieser tötliche Feind
aller Lebensfreude, wird solchen Räumen sicherlich fernbleiben. Die
Unterhaltung, die von diesen Gegenständen her Nahrung empfängt, wird
leicht und fesselnd sein, weil sie solcherart die Eigenart der
Bewohner auf unauffällige und sympathische Weise offenbart, und eine
anziehende Neuheit darin besitzt, daß sie sich nicht um die Schwächen
des abwesenden lieben Nächsten zu drehen braucht.

[Illustration: Buffet von Arch. Georg Winkler.]

Wo diese Auffassung platzgreift, stellen sich die neuen Grundsätze
für die zweckmäßige Einrichtung ungerufen ein. Die gute Hausfrau, die
bereits gemerkt hat, um was es sich handelt, weiß nun mit einemmal,
was sie für ihren Salon braucht. Sie wird Wände und Plafond in
einfachen ruhigen Farben halten, vielleicht einfärbig bloß mit einem
herumlaufenden Fries, oder sie wird, wenn sie Stofftapeten haben
will, zu einem modernen Muster greifen. In Stofftapeten ist auch mehr
Farbenfreude und Lebhaftigkeit der Zeichnung statthaft. Sie wird die
Möbel so einfach, aber auch so gediegen herstellen lassen als möglich,
vielleicht aus Mahagoni oder rotgebeiztem Holz, mit dem sich auch
weiße Lackmöbel gut verbinden lassen. Die Möglichkeiten sind nicht
auszudenken, der gute Geschmack wird mit allen Mitteln das richtige
treffen. Die Anordnung der Möbel wird selbstverständlich von der
bisherigen Aufstellung sehr verschieden sein müssen. Man wird in einem
solchen intimen Raum Wert darauf legen, eine gemütliche Plauderecke
zu besitzen, ein cozy-corner, das eine Ecke des Zimmers füllt, eine
halbkreisförmige gepolsterte Sitzgelegenheit enthält, und ein Tischchen
davor, wo man behaglich sitzen kann, den ganzen Raum beherrscht und
sich dennoch abgeschlossen und geborgen fühlt. Das Fenster, das bei der
Art unserer Zimmer leider so wenig Raum an der Wandseite läßt, wird
einfach zur unteren Hälfte verkleidet, wenn es sich nicht anders tun
läßt. Von diesem Platze aus ergibt sich die geschmackvolle Aufstellung
der anderen Möbelstücke, die immer nur nach Maßgabe des persönlichen
Bedürfnisses vorhanden sein werden, ganz leicht.

[Illustration: Speisezimmer von Arch. Karl Witzmann.]

[Illustration: Speisezimmer von Arch. Max Benirschke.]

Man glaube indessen nicht, daß die Sache so brandneu ist, daß man es
nicht wagen dürfe, sie aufzunehmen. Bei den Künstlern gehört es zur
Überlieferung, die ganz selbstverständlich ist, daß sie ihre Gäste im
Arbeitsraum, also in der Werkstatt, im Atelier empfangen. Das Atelier
ist zugleich ihr Salon. Darum unterhält man sich bei den Künstlern am
besten, weil man von ihrem geistigen Wesen ganz umgeben ist, von allen
Dingen, die diese Geistigkeit sichtbar machen. Auf diese Art kann es
jedermann halten. Nicht jeder ist Künstler, wird man sagen. Aber jeder
Gebildete hat geistige Interessen irgendwelcher Art oder treibt einen
geistigen Sport, musiziert, sammelt, liest. Oder sollte ich allzu
optimistisch sein? Man gebe einem Salon das Gepräge eines geistigen
Sammelpunktes. Wer aber in den neuen, oben dargestellten Grundsätzen
eine Festigung durch das Beispiel der altehrwürdigen Tradition braucht,
der lese die folgende Schilderung des idealen Zimmers, das sich
Adalbert Stifter einrichten wollte, den man in dieser Hinsicht ganz gut
als einen Vorläufer der Modernen betrachten kann.

[Illustration: Speisezimmer mit Erker von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Buffet von Arch. Georg Winkler.]

»Zwei alte Wünsche meines Herzens stehen auf. Ich möchte eine Wohnung
von zwei großen Zimmern haben, mit wohlgebohnten Fußböden, auf denen
kein Stäubchen liegt; sanft grüne oder perlgraue Wände, daran neue
Geräte, edel massiv, antik einfach, scharfkantig und glänzend; seidene
graue Fenstervorhänge, wie matt geschliffenes Glas, in kleine Falten
gespannt, und von seitwärts gegen die Mitte zu ziehen. In dem einen
der Zimmer wären ungeheuere Fenster, um Lichtmassen hereinzulassen,
und mit obigen Vorhängen für trauliche Nachmittagsdämmerung. Rings
im Halbkreise stände eine Blumenwildnis, und mitten darin säße ich
mit meiner Staffelei und versuchte endlich jene Farben zu erhaschen,
die mir eben im Gemüte schweben und nachts durch meine Träume dämmern
-- ach, jene Wunder, die in Wüsten prangen, über Ozeane schweben
und den Gottesdienst der Alpen feiern helfen. An den Wänden hinge
ein oder der andere Ruysdael oder ein Claude, ein sanfter Guido und
Kindergesichtchen von Murillo. In dieses Paphos und Eldorado ginge ich
dann nie anders, als nur mit der unschuldigsten, glänzendsten Seele,
um zu malen oder mir sonst dichterische Feste zu geben. Ständen noch
etwa zwischen dunkelblättrigen Tropengewächsen ein paar weiße ruhige
Marmorbilder alter Zeit, dann wäre freilich des Vergnügens letztes Ziel
und Ende erreicht.«



Wie man Bilder hängt.


Im »Turmalin«, einer Geschichte, so dunkel wie der Edelstein, nach
dem sie benannt ist, erzählt Adalbert Stifter von einem wunderlichen
Manne, der die vier Wände seines Wohn- und Arbeitszimmers vollständig
mit Bildnissen berühmter Männer behing. Es war kein Stückchen, auch
nur handgroß, das von der ursprünglichen Wand zu sehen gewesen wäre.
In der Sache lag System, und sie dürfte zu des seligen Biedermeiers
Zeiten Schule gemacht haben. Denn als ich einmal in einem Schlosse zu
Gast war, das in jenen Tagen eingerichtet wurde und die ursprüngliche
Einrichtung heute noch unverändert besitzt, sah ich ganze Wände mit
schmalen, einfachen Goldrahmen dicht behängt, darin Lithographien,
ebenfalls Bildnisse berühmter Männer, zumeist der Kriegsgeschichte
angehörig, zu sehen waren. Wie ich nachträglich hörte, hatte das Schloß
einem berühmten Feldherrn zum Aufenthalte gedient.

[Illustration: Sitzgelegenheit in einem Salon von Architekt Georg
Winkler.]

Diese Anordnung erscheint mir aus zwei Gründen beachtenswert. Erstens
waren es nur bedeutsame Bilder, die als Original-Lithographien einen
gewissen Wert besaßen und durch ihren Inhalt ein ganz bestimmtes
Verhältnis zu ihrem Besitzer ausdrückten, und zweitens war in dem
Arrangement eine klare, dekorative Absicht ausgeprägt.

Ich meine aber durchaus nicht, daß man die Sache nachahmen dürfte.
Sie ist nur deshalb sympathisch, weil sich in ihr überhaupt ein
Gestaltungsgrundsatz geltend macht. Im Übrigen könnte man sehr
viel Gegenteiliges einzuwenden haben, denn eine Sammlung von
Kunstblättern gehört doch viel eher in die Mappe, die man nur in
musenfreundlichen Stunden dem schönheitsuchenden Auge erschließt,
und dann genügt dieses briefmarkenähnliche Aufkleben nicht mehr dem
modernen Formsinn. Außerdem möchte ich der Gefahr begegnen, daß man
meine Sympathie zugunsten jener wigwamartig mit Trophäen behängten
Schauspielerwohnungen auslegt, wo die Wände über und über mit
Photographien in protzigen Goldrahmen bepflastert sind, die das liebe
Ich, von vorn und hinten gesehen und in allen möglichen und unmöglichen
Lebenslagen variiert, möglichst aufdringlich zur Schau stellen. Diesem
indianerhaften Zustand möchte ich nicht einmal den Schein eines
freundlichen Arguments gönnen.

[Illustration: Einfaches Speisezimmer von Architekt Prof. Joseph
Hoffmann.]

Kehren wir zu Biedermeier zurück und gestehen wir, daß die alte
Ordnung, wo sie noch unverfälscht in den Räumen von anno dazumal
vorhanden, recht artig aussieht. Im traurigen Gegensatz zu dieser Art
Bilder zu hängen, haben die Durchschnittswohnungen in den heutigen
Miethäusern kein Prinzip ausgebildet. Oder doch nur eines: nämlich
die Löcher in der Wand zu verdecken. Beim Beziehen einer neuen
Wohnung geben diese garstigen Löcher, mit Gyps verschmiert, aus der
schmierigen Wandbemalung grell hervorstechend, der ratlosen Hausfrau
die einzige und getreulich befolgte Auskunft auf die Frage: »Wie sollen
wir die Bilder hängen?«

[Illustration: Einfaches Buffet von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Und sind sie glücklich gehängt, gerade dort, wo der göttliche Zufall,
der für die Löcher sorgt, sie haben wollte, dann freut sich Groß und
Klein über die schöne Wohnung. Ich habe nichts so himmlisch und nichts
so verderblich gefunden, als diese Anspruchslosigkeit. Als ich einmal
über den ordinären Schund loszog, mit dem gewöhnlich die Wände der
Durchschnittswohnung angefüllt werden, schrieb mir eine Dame: »Da
haben Sie sich einmal gründlich blamiert! Sie dürften ganz gut wissen,
wozu die Bilder gehören! Oder ist es schöner, wenn überall die Löcher
hervorschauen? Glauben Sie vielleicht, daß sich jeder Erste Beste
einen Böcklin kaufen kann? u. s. w.« Die zeitgemäße Dame, die mir so
temperamentvoll widersprach, ahnte wahrscheinlich gar nicht, wie sehr
sie mir recht gab. Der Aufschrei war sicher ein Beweis, daß ich den
Finger auf eine Wunde gelegt hatte. Ich glaube wahrlich nicht, daß in
ein derartiges Milieu ein Böcklin besser passen würde, als etwa eines
jener fabriksmäßigen Ölbilder, die der Rahmenhändler als Draufgabe für
einen geschmacklosen und lärmenden Goldrahmen liefert. Dagegen ist um
dasselbe billige Geld gute und echte Kunst zu haben.

[Illustration: Einfaches Wohnzimmer v. Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Für die Hängung der Bilder ist entscheidend, daß nicht die Wand die
Hauptsache und das Bild der bloße hinzutretende Schmuck, sondern daß
die Wand bloß Hintergrund und das Bild die Beseelung und Belebung
der Fläche ist. Der Kunstfreund, der von diesem Grundsatze ausgeht,
wird bei der Hängung seiner Bilder nicht leicht einen Mißgriff
tun. Er wird die Wand als Hintergrund behandeln und sie daher so
anspruchslos halten, als immerhin möglich. Die beliebten Tapetenblumen
können der Bildwirkung immer nur schädlich sein. Er wird seine Wände
entweder weißen lassen, was am schönsten ist, oder er wird sie in
einfachen, ruhigen Farben halten und sich auf die ruhige Tonwirkung
beschränken, die allerdings ein feines Farbengefühl bedingt. Und er
wird staunen, welche Macht die sparsam verteilten Originalblätter der
Reproduktionskunst auf diesem Hintergrund gewinnen können. Sparsam
verteilt und in menschlich dimensionierter Höhe müssen sie gehalten
sein, denn sie sollen die Wandflächen gliedern und mit ihrem Inhalt
deutlich zu dem Beschauer sprechen.

Hier wäre es am Platze, ein Wort über den Rahmen zu sagen. Der Rahmen
hat die Bedeutung einer Grenze, die die Welt des Bildes von der
Umgebung abschließt. Er soll das Bild heben und daher selbst einfach
und anspruchslos sein. Um das Bild zu heben, hat man außer Gold auch
sonstige Farben versucht, die gute Wirkung haben, wobei freilich als
Grundsatz zu beachten ist, daß es eine Farbe sei, die im Bilde nicht
vorkommt und einen komplementären Gegensatz bildet. Der Form nach
werden immer die geraden Leisten am besten sein; vor den verzierten
Rahmen, die auf den Namen »Kunsthändler-Rahmen« lauten, ist durchaus
zu warnen. Es wird oft die Frage aufgeworfen, ob man den weißen Rand
an reproduzierten Blättern stehen lassen soll. Bei Radierungen, die
den Plattenrand haben, ist der weiße Rand sicherlich von großer
Berechtigung, in allen Fällen aber ist er an und für sich schon ein
Rahmen. Man muß sich in diesem Falle begnügen, einen ganz schmalen,
einfachen Holzrahmen herumzulegen, der ganz gut weiß sein kann, ja
man braucht nur einen schmalen Streifen Papier um den Glasplattenrand
umzukleben, um des vorteilhaftesten Aussehens gewiss zu sein.

[Illustration: Einfaches Wohnzimmer von Architekt Prof. Joseph
Hoffmann.]

Ich denke hiebei immer zuerst an die kleinere Wohnung in den
Miethäusern, wo ja die Misère am größten ist und oft mit geringen
Mitteln eine gewisse Schönheit erzielt werden könnte. Große
Wohnungsverhältnisse, in Einzelwohnhäusern und Villen, wo der Luxus für
einen ziemlichen Aufwand, wenn nicht notwendigerweise für Geschmack --
o, im Gegenteil! -- sorgt, kommen für uns zunächst nur in bedauernder
Hinsicht in Betracht, daß sie kaum mehr, wie in früheren Zeiten, das
große Wandbild aufweisen, das in Hallen, Loggien etc. seinen rechten
Platz fände, und solche Wände, wenn das Bild etwa nach Art der alten
Gobelins oder mit dem Geiste eines Puvis de Chavannes gemalt wäre,
mit der bezaubernden und ungestörten Harmonie edler Linien und großer
einfacher Farbenklänge erfüllen müßte. Solche Heimstätten müssten die
eigentliche Pflegestätte des großen Ölbildes und der Wandmalerei sein.

[Illustration: Bücherschrank v. Arch. Georg Winkler.]

Für die Durchschnittswohnung muß die Reproduktionskunst in den meisten
Fällen genügen, wenn überhaupt auf Kunst Wert gelegt wird. Wird nach
den gegebenen Anhaltspunkten verfahren, dann kann sich an den Wänden
eine ungeahnte Schönheit entfalten. Um die Kunstwerke mit größerer
Geschlossenheit zu vereinigen, wird in manchen Wohnungen in der
Augenhöhe eine Holzverkleidung geführt mit regelmäßigen, rahmenartigen
Ausschnitten, darin die Kunstblätter hinter Glas stehen und beliebig je
nach dem Inhalt der Mappe ausgewechselt werden können. Der Kunstfreund
ist solcherart stets im gegenwärtigen Genuß seiner Sammlung und kann
den Turnus wechseln, so oft es ihm beliebt, von der feinen dekorativen
Wirkung dieses Arrangements ganz zu schweigen. Ob man nun auf die
eine oder andere Art vorgeht, dafür sich immer neue und interessante
Gestaltungsmöglichkeiten in unseren modernen Ausstellungen lernen
lassen, man wird sich bald auf einem höheren Niveau demselben Ideal
nahe finden, das schon unseren Großvätern erstrebenswert schien, man
wird nämlich ein ganz bestimmtes Verhältnis zu dem Bilderbesitze mit
einer klaren dekorativen Absicht zu verbinden wissen. Diese feine Lehre
liegt im dunklen »Turmalin« und in manchem alten Räume, darin die
Ahnenstimme lebt.

Die bildmäßig dekorative Verwendung anderer Materialien, wie etwa
getriebene Paneele in Messing, Kupfer oder Silber, die Kachelschnitte,
Mörtelschnitte, Mosaikbilder, Email und Perlmutter etc., die in die
Mauer eingelassen werden, kann nur im eigenen Wohnhaus in Betracht
kommen, wo der Kunst ein viel größerer Spielraum gegeben ist.

[Illustration: ENTWÜRFE FÜR LACKMÖBEL

Tischchen von Architekt Max Benirschke.]



[Illustration: Salonecke von Arch. Karl Bräuer.]



Das Porträt im Wohnraum.


[Illustration: Wohnzimmer von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Sitzgelegenheit mit Bücherablage von Architekt Max
Benirschke.]

Eine Stadt, die hunderttausend Einwohner hat, kann keine zwei
Porträtmaler ernähren. Das gibt zu denken. Im Nebenzimmer hängt das
Porträt der Großmutter. Sie sieht aus, wie in ihren besten Jahren,
als Frau, da sie schon alle ihre Kinder gehabt hat. Acht an der Zahl.
Wie gut sie aussieht! Die dunklen Haare sind in der Mitte gescheitelt
und ziehen in schönem Schwung stark in die Schläfen herein. Das blaue
Seidenkleid ist tief ausgeschnitten, ein feines Spitzentuch trägt sie
darüber. Um den schönen Hals läuft eine neunfache Perlenschnur, vorne
von einer großen Brosche zusammengehalten. Sie trägt die großen, aber
ungemein fein und leicht gearbeiteten Ohrgehänge aus den Dreißiger-
und Vierziger-Jahren und schön gefaßte Ringe: Topas, Amethyst und
Chrysopras. Stundenlang könnte man sie ansehen. Wie schön sie ist!
Überallhin folgen einem ihre Blicke. Stellt man sich links, rechts, in
die Mitte, immer blickt sie einem an mit den braunen, klaren, gütigen
Augen. Der Maler ist gar nicht bekannt. Aber das Bild lernt man lieben,
und im Bilde die Frau. Bald hat sie einen unverlierbaren Platz in der
Seele und lebt mit uns, obzwar sie längst tot ist. Im Leben haben
wir sie nie gesehen. Ein Jugendbildnis ist noch da. Da war sie noch
Mädchen, trug einen bebänderten Florentinerhut und weiße, duftige
Tüllkleider. Ein Pastell, blaß und rührend anzusehen. Ausgebleicht,
aber rosig umhaucht, wie verdorrte Rosen. Das war eine kunstfrohe
Zeit, Großmutters Jugendtage. Aus allen Familien sind uns von damals
Bildnisse überliefert, Ölporträts, Pastelle, Lithographien, Miniaturen,
von Daffinger und Genossen auf Elfenbein kunstreich gemalt. Dieselben
Personen meistens in den verschiedensten Lebens-Epochen dargestellt,
Grillparzer, die Fröhlichs, Schubert, all die Großen ihrer Zeit, noch
aus ihren unberühmten Tagen, was das Bemerkenswerte ist. Von den
Bildnissen Unberühmter, die nur Familienwert haben, gar nicht zu
reden. Diese ganze Kunstblüte ist untergegangen.

[Illustration: Salonschrank von Arch. Max Benirschke.]

Auf hunderttausend Einwohner kommen heute keine zwei Porträtmaler.
Wie werden wir unseren Enkeln im Gedächtnis bleiben! Wird unser Bild
in ihren Seelen leben, gegenwärtig sein, mitwirkend in ihrem Tun und
Lassen, geliebt und verehrt wie unsere selige Großmutter? Wir lassen
uns photographieren. In einer Anzahl von Jahren ist die Photographie
verblaßt, ausgeblasen, unkenntlich, eine Fratze. Vielleicht heben sie
die Nachkommen auf, vielleicht! Aber ansehen tut man sie nicht, zeigen
noch weniger. Es ist unerquicklich. Name sind wir dann, leerer Schall.
Und dann erst wirklich gestorben. Liebe Großmutter, du lebst! Nein, wir
lassen uns auch porträtieren. Wir gehen in eine große photographische
Anstalt, wo viele junge Maler im Taglohn angestellt sind, und bestellen
das »Porträt«. Es ist zwar nur ein photographischer Grund, aber schön
angefärbelt. Sehr süß und schmeichelhaft, als ob wir nicht Menschen,
sondern Porzellanpüppchen wären. Aber es gefällt den Leuten, und es ist
modern. Darum tut es nichts, daß dieser Schund siebzig bis achtzig
Gulden kostet. Meistens soll es eine Überraschung sein, ein Geschenk
für die Frau des Hauses, für den Ehegatten. O Glück! O Wonne! Alles
ist Festfreude. Am Geschenk darf man nicht mackeln, darum wird der
kritische Verstand beizeiten totgeschlagen, wofern er überhaupt da war.
Zum Schlusse liebt man, was man hat, und sieht nur das sündhafte Geld
darin, das es gekostet hat.

[Illustration: Schmuckkästchen von Arch. Max Benirschke.]

Für dasselbe Geld bekommt man auch ein gutes Porträt. Man wende
sich an die Akademie, an die Kunstvereine, an die jungen, fertigen
Künstler. Die gehen mit Feuereifer daran, sie brauchen nicht mehr
unwürdige Arbeit tun, Bilderbogen kolorieren, Nikolo und Krampusse
für den Christkindlmarkt fabrizieren, um das Leben zu fristen. Alle
Porträtmaler hätten auf einmal zu tun. Und in jedem Hause könnten ein
paar Bildnisse sein, die einen wahren Familienschatz bilden.

[Illustration: Salon, Sitzecke von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Lackmöbel von Arch. Max Benirschke.]

Aber dem steht manches entgegen. Leider zum Teil die jungen und
fertigen Künstler selbst. Die sind betört durch das Riesenphantom, das
»Künstlerpreis« heißt, den die Künstler von Ruf zu erzielen pflegen.
»Warum sollten wir nicht auch -- -- --?« Kommt man in eine von
jungen Künstlern veranstaltete Ausstellung, fällt nichts so sehr auf
als die hohen Preise. Es ist ein offenes Geheimnis, daß dieselben
Bilder um tatsächliche Kaufbeträge erhandelt werden, die zwergenhaft
sind im Vergleiche zu den verlangten Riesensummen. Mehrstellige
Künstlerpreise kommen mit dem steigenden Ansehen und Alter von selbst.
Während unsere Künstler darben, sind beispielsweise die französischen
Maler das Verkaufen gewöhnt. Das machen die billigen Preise.

[Illustration: Stuhl von Arch. Max Benirschke.]

Und dann die Leute. Die sagen, die Photographie tut denselben Dienst.
Das ist nicht wahr. Die Photographie gibt zwar alle Einzelheiten genau
wieder, aber rein äußerlich, auf chemisch-mechanische Weise. Darum
hat sie immer etwas Mechanisches, Seelenloses. Ich finde es ganz
begreiflich, daß Leute die gelungenste Photographie mit den Worten
zurückweisen: »Das bin ich nicht!« In den photographischen Ateliers
kommt das täglich vor. Nicht wie wir im Auge des leblosen mechanischen
Apparates uns darstellen kommt es an, sondern darauf, wie wir im Auge
des Menschen erscheinen. Darauf ist unser Empfinden, ja unser ganzes
Sein gestellt. Darum kann die Photographie nie die Geltung eines
Porträts haben.

Da gibt es Leute, die behaupten, die Bildniskunst sei die niedrigste
Gattung der Malerei. Es ist gelegentlich schon geschrieben worden. Es
ist gesagt worden, daß es eigentlich recht widerwärtig sein müsse,
täglich fremde Augen, Ohren, Nasen zu malen, nichtssagende Gesichter,
die dem Maler doch langweilig und gleichgültig sein müssen. Da tut er
eben seine Pflicht, schafft treu und fleißig wie ein Handwerker, und
was derlei Aussprüche mehr sind.

[Illustration: Fauteuil von Arch. Max Benirschke.]

Ich habe immer eine heimliche Sehnsucht gehabt, Porträtmaler zu sein.
Bildniskunst, sie ist der Gipfel der Malerei. Ich habe die ganz klare
Empfindung, daß ein Maler, der Künstler ist, nichts malt, was ihm
gleichgültig ist, daß er Psycholog genug ist, um in jedem Antlitz
einen Schimmer Seele zu entdecken, und daß er den Pinsel nicht eher
anrührt, bis er sich über den inneren Menschen klar geworden. Denn das
ist seine Kunst, daß er den Menschen nicht wie die Photographie in der
äußerlichen Zufälligkeit des Augenblicks darstellt, sondern dessen
innere Züge ergreift und den Charakter mit allen seinen Möglichkeiten
offenbart. Diese innere Ähnlichkeit ist künstlerisch wichtiger als
die bloß äußere. Ihm werden die feinen Linien und Fältchen des
Antlitzes, die der ungeschickte Photograph, der schmeicheln will, mit
Vorliebe wegretouchiert, besonders kostbar sein, und er wird das Auge,
das wir immer zuerst suchen, wie den Weg zur Seele, als wichtigste
Offenbarungsquelle behandeln. Das Porträt ist Geschichtsmalerei im
höchsten Sinne. Nicht allein für den Maler ist die Sache interessant,
auch für den Besteller. Der weiß, der Künstler malt aus innerer
Anschauung heraus, also das Bild, das er in seiner Seele von ihm
gewonnen hat. Er malt ihn, wie wir im Auge des Menschen erscheinen. Es
liegt darin etwas, das uns allen sehr nahe geht. Das Auge des Nächsten
ist in Wahrheit unser Wächter. Der einsame Mensch verwildert. Unsere
gesellschaftliche Kultur ist auf das fremde Auge gestellt. Sie spitzt
sich im Kerne auf die unausgesprochene Frage zu: »Werde ich gefallen?«
Das Maßgebendste aber wird sein, wie uns der Künstler mit seinen
verfeinerten und verschärften Sinnen auffaßt. Er wird uns mit keiner
Wahrheit verschonen. Wir werden in seiner Darstellung nicht aussehen
wie im stumpfen Alltag, sondern wie an einem Festtage des Lebens, etwa
in seinem höchsten Augenblick, in dem sich unser verborgenstes Wesen
zum stärksten Ausdruck sammelt.

[Illustration: Fauteuil und Tischchen von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Stuhl von Arch. Maurice Herrgesell.]

Kann das die Photographie leisten?

Ich habe von der Großmutter keine Photographie, das gab es zu ihrer
Zeit noch nicht. Angenommen, es gäbe eine solche, und ich besäße nichts
von ihr als diese Photographie, so würde sie wirken wie erblindete
Spiegel. Die Großmutter wäre sodann nie für mich gewesen. Die
Bildniskunst hat mich verehren gelehrt.



[Illustration: Plastik von Prof. Franz Metzner.]



Plastik im Zimmer.


Eine edle Plastik im Zimmer zu haben, ist immer eine Angelegenheit
kunstfroher Geister. Die Porträtplastik kommt im Hause zur
hervorragenden Geltung. Ebenso wie die nach dem Leben gearbeitete
Medaille. »Bloß zu beider Art Monumenten kann ich meine Stimme geben«,
sagt Goethe. »Was hat uns nicht das fünfzehnte, sechzehnte und
siebzehnte Jahrhundert für köstliche Denkmale dieser Art überliefert,
und wie manches Schätzenswerte auch das achtzehnte! Im neunzehnten
werden sich gewiß die Künstler vermehren, welche etwas Vorzügliches
leisten, wenn die Liebhaber das Geld, das ohnehin ausgegeben wird,
würdig anzuwenden wissen. -- Leider tritt noch ein anderer Fall ein.
Man denkt an ein Denkmal gewöhnlich erst nach dem Tode einer geliebten
Person, dann erst, wenn ihre Gestalt vorübergegangen und ihr Schatten
nicht mehr zu haschen ist. Nicht weniger haben selbst wohlhabende,
ja reiche Personen Bedenken, hundert bis zweihundert Dukaten an eine
Marmorbüste zu wenden, das doch das unschätzbarste ist, was sie ihrer
Nachkommenschaft überliefern können. Mehr weiß ich nicht hinzuzufügen,
es müßte denn die Betrachtung sein, daß ein solches Denkmal überdies
noch transportabel bleibt und zur edelsten Zierde der Wohnung gereicht,
anstatt daß alle architektonischen Monumente an den Grund und Boden
gefesselt, vom Wetter, vom Mutwillen, vom neuen Besitzer zerstört und,
so lange sie stehen, durch das An- und Einkritzeln der Namen geschändet
werden«.

[Illustration: Porträtplastik von Prof. Franz Metzner.]

Fünfzig Jahre später lebte noch ein Abglanz dieses überragenden
Geistes. Die Großelternzeit lebte in Goethe. Vom idealen Zimmer Adalb.
Stifters wurde schon erzählt. Ein Fernrohr durfte nicht fehlen, denn
das ist die Art der Dichter, daß sie immer wie durch Fernrohre sehen.
In die Zukunft hinein. Da ist die Rede von weißen ruhigen Marmorbildern
alter Zeit, die den Gipfel seiner Wünsche bilden.

[Illustration: Salonecke von Arch. Maurice Herrgesell.]

Die Wiener Kunstwanderungen erschlossen die Wohnungen, die den
Kunstsinn der letzten zwanzig bis dreißig Jahre offenbarten. Die Sache
war lehrreich genug. Von wirklich edler Plastik war wenig zu sehen.
Kaum hie und da eine Porträtplastik. Dagegen hatte die Galvanoplastik
einen breiten Raum. Man denke Michel Angelos’ Moses in einer
elektro-chemischen Wiedergabe, natürlich gegen das Original gemessen
aufs winzigste verkleinert, einem Tafelaufsatze nicht unähnlich.
Gypsstatuen mit Goldbronze belegt, standen umher. Jeder Sinn für
Echtheit ward verleugnet. Es war die Art, wie man in der Zeit des
Parvenü- und Protzentums die Kunst verstand und pflegte. Der ganze
Götterhimmel, der den Bildungsbezirk des Großbürgertums umstand,
hatte eine Wendung ins Operettenhafte gemacht. Soweit Offenbach’s
»Schöne Helena« von der Iliade entfernt ist, soweit entfernt sich
der Kunstverstand des Mrs. Jourdains anno 1870 von der Erkenntnis
Michel-Angelesker Größe.

[Illustration: Sitzecke von Arch. Karl Witzmann.]

[Illustration: Schreibmappe mit Lederschnitt von Fräulein Trethahn.]

Heute ist das Kunstgewissen weiterer Kreise wieder empfänglicher
geworden. Man lächelt über die Geschmacklosigkeiten unserer jüngsten
Vergangenheit. Man sagt sich wieder, das plastische Kunstwerk muß
sich in den Raum einordnen, soll an bedeutsamer Stelle steh’n, einen
Augenruhepunkt bilden und dem prüfenden Blick standhalten können.
Nachbildungen von räumlich größeren Kunstwerken sind durchaus
verwerflich. Größere plastische Werke haben im Wohnraum nicht Platz,
sie fallen aus dem Rahmen, sie stören die Harmonie empfindlich,
wenn sie mit der räumlichen Umgebung nicht im Einklang stehen. Die
Kleinplastik nahm in den letzten Jahren einen großen Aufschwung. Sie
liefert den plastischen Schmuck unserer Wohnung, wofern es nicht
auch eine gute Porträtplastik sein kann. Aber was die Bazare an
kleinplastischem Schmuck liefern, ist selten von künstlerischem Wert,
meist nur süßliche allgefällige Publikumsware. Man gewöhnt sich also
schon allmählich daran, zum Künstler selbst zu gehen, wie es in den
besten Kunstjahren war. Man braucht den Zwischenhändler nicht, der ja
niemals künstlerische Interessen, sondern nur Handelsinteressen hat,
oft zum Schaden des guten Geschmackes. Der Bevormundung durch den
unwissenden Verkäufer, der den ärgsten Plunder unter dem Schlagwort
»Modern« oder »Sezzessionistisch« den Kunden aufschwatzt, hat sich
das deutsche Publikum noch nicht zu entziehen gewußt. Irgend ein
einzelner Gegenstand ohne Kunstwert, in irgend einem Laden gekauft,
kostet meistens ebensoviel, als ein kleines Originalwerk im Atelier.
Die Segnungen einer solchen Kunstfreude würden nicht lange ausbleiben
und ihr erster Erfolg wäre der, daß Leute, die nicht in der Lage sind,
solche Kunstsachen zu besitzen, den häßlichen Plunder der Bazare,
der fälschlich für Wohnungsschmuck ausgegeben wird, lieber nicht
aufstellen, und wenigstens durch diese Enthaltsamkeit die erfreulichen
Zeichen eines gesunden Geschmackes geben, anstatt durch lächerliche
Surrogate das peinliche Gefühl wachzurufen, daß das Gewollte doch ganz
anders sein müßte.

[Illustration: Schreibmappe mit Lederschnitt von Fräulein Trethahn.]



[Illustration: Salonschrank von Arch. Max Benirschke.]



Junggesellenheim u. Herrenzimmer.


Das Studium alter Kulturen hat uns gelehrt, daß je erhabener die
Kunst, desto größer die Einfachheit war. Wenn wir wollen, daß die
Kunst ihren Ausgangspunkt in dem Hause nehme, dann müssen wir
aus unseren Häusern alle überflüssigen und störenden Gegenstände
fortnehmen, den sogenannten Luxus, den Komfort, der in Wirklichkeit
gar kein Komfort ist, weil er nur unnötige Plage macht und für nichts
gut und nützlich ist. Der wirklichen Gebrauchsgegenstände sind
verhältnismäßig wenige. Wenden wir uns einmal an die kleinste Wohnung,
die von einer alleinstehenden Person bewohnt wird, an das sogenannte
Junggesellenheim, so finden wir in der Regel ein einziges Zimmer, in
dem geschlafen und gearbeitet wird, wobei eine Arbeit vorausgesetzt
ist, die nicht viel Unordnung verursacht. Wir finden darin einen
Bücherschrank, der eine Menge Bücher enthält, ein Bett, das mit weißen
weichen Leinenvorhängen, die mit Aufnäharbeit versehen, abnehmbar und
waschbar sind, verschlossen ist, und bei Tag, wenn die Vorhänge, die in
metallenen Ringen laufen, zurückgezogen sind, als Divan benützt werden
kann. Das Nachtkästchen, wie ein einfaches Schränkchen gebaut, dient
bei Tag als Bücherablage, als Ständer für Vasen und Rauchzeug. Dann
ein Tisch, der sicher steht, um daran zu schreiben oder zu arbeiten.
Mehrere Stühle, die sich leicht von einem Ort an den anderen bringen
lassen, ein Kleiderschrank mit Schubkästen für Wäsche und derlei,
und solche Bilder und Stiche, als es die Mittel erlauben, ja keine
Lückenbüßer, sondern wirkliche Kunstwerke, was heute unschwer für
wenig Geld zu haben ist; auch eine oder zwei Vasen gehören hieher, um
Blumen hineinzutun, namentlich wenn man in einer Stadt lebt. Ein Ofen
gehört natürlich ins Zimmer, aber man zieht einen kleinen Gaskamin vor,
der, artig von einem Holzgehäuse umgeben, an seinem Bord allerlei,
Gegenstände der Kleinkunst aufzunehmen geeignet ist.

[Illustration: Schrank von Arch. Max Benirschke.]

Weiter ist nichts nötig, besonders wenn der Fußboden gut ist. Wenn dies
nicht der Fall ist, so würde ein kleiner Teppich, der in zwei Minuten
zur Reinigung aus dem Zimmer geschafft werden kann, gute Dienste
leisten; doch müßte dafür gesorgt sein, daß er schön ist, sonst würde
er schrecklich stören.

[Illustration: Schrank von Arch. Max Benirschke.]

Das ist rein alles, was wir in unserem Junggesellenheim brauchen, wenn
wir nicht musikalisch sind und ein Klavier haben müssen (in Bezug auf
deren Schönheit wir übel daran sind), und wir können nur sehr wenig
zu diesen notwendigen Dingen hinzufügen, wenn wir nicht sowohl beim
Arbeiten wie beim Nachdenken und Ausruhen gestört sein wollen. Wenn
diese Dinge für die geringsten Kosten, für die sie gut und dauerhaft
ausgeführt werden können, hergestellt würden, würden sie nicht viel
Auslagen verursachen, und sie sind so wenig, daß die, welche die Mittel
haben, sie überhaupt anzuschaffen, sich auch bemühen könnten, sie
gut ausgeführt und schön anzuschaffen, und alle die, denen die Kunst
am Herzen liegt, sollten sich sehr bemühen, dies zu tun, und dafür
sorgen, daß keine Scheinkunst sie umgibt, nichts, dessen Herstellung
oder Verkauf einen Menschen herabgewürdigt hat. »Und ich bin fest
überzeugt, daß, wenn alle, denen die Kunst am Herzen liegt, sich
dieser Mühe unterzögen, dies einen großen Eindruck auf das Publikum
machen würde.« Mit diesen Worten entwirft der englische Kunstgewerbler
und Dichter William Morris, der als Apostel der neuen und eigentlich
uralten Glaubenssätze allerortens eine sich täglich mehrende Gemeinde
hat, einen solchen einfachen Raum und sagt: »Diese Einfachheit können
Sie andererseits so kostbar herstellen wie Sie wollen oder können;
Sie können Ihre Wände mit gewirkten Tapeten behängen, statt sie
zu weißen oder mit Papiertapeten zu bekleben; oder Sie können sie
mit Mosaikarbeiten verdecken, oder auch durch einen großen Maler
Freskomalerei darauf anbringen lassen -- all dies ist nicht Luxus,
wenn es um der Schönheit willen und nicht zum Zwecke der Schaustellung
geschieht.« Das kann man der Liebhaberei des Bestellers überlassen. Im
allgemeinen wird die größte Einfachheit auch hier das Zweckdienlichste
sein. Es gibt allerdings Leute, die sich ein prächtiges Studio
einrichten und darin allen erdenklichen Luxus anhäufen, um sich
Stimmung zur Arbeit zu machen. Sicher ist, daß in solchen Studios kaum
jemals ernstlich studiert wird. Wer ernst arbeitet, weiß, das man
im Arbeitszimmer nicht Zerstreuung braucht, sondern Sammlung. Hier
soll aber die größte Einfachheit walten. Man kann auf das Beispiel
Goethes hinweisen, das sich in diesem Zusammenhang einstellt. Den
meisten Besuchern Weimars einst und jetzt dürfte die Schlichtheit
seines Arbeitszimmers unliebsam aufgefallen sein, und man hört oft
Äußerungen der Verwunderung darüber, daß einem so großen Geiste die
Dürftigkeit des Raumes genügen mochte. Herr Dr. W. Bode spricht in
seinem Buche: »Goethes Lebenskunst« darüber aus: »Wir sind nicht wenig
erstaunt, wenn wir das Häuschen betreten, das sieben Jahre hindurch
dem Busenfreunde des Landesherrn, dem weithin berühmten Dichter des
»Werther« und »Götz«, das einzige Heim war. So bescheiden hätten
wir es uns doch nicht vorgestellt. Unten ist gar kein bewohnbares
Zimmer, höchstens kann man einen Raum, an dessen Wände Pläne von
Rom hängen, im Sommer wegen seiner Kühle schätzen; oben sind drei
Stuben und ein Kabinettchen, alle klein und niedrig, mit bescheidenen
Fensterchen und schlichten Möbeln; zuerst ein Empfangszimmer mit harten
steifen Stühlen, dann das Arbeitszimmer mit kleinem Schreibtisch,
daranschließend ein Bücherzimmer und zuletzt das Schlafzimmer, in dem
noch die Bettstelle steht, die zusammengeklappt und so als Koffer auf
die Reise mitgenommen wurde...

[Illustration: Rauchtisch von Architekt Franz Messner.]

[Illustration: Salontischchen von Architekt Max Benirschke.]

So ist das Gartenhaus eingerichtet. Aber auch vom Stadthause hat man
keinen anderen Eindruck. Nichts deutet auf einen vornehmen reichen
Besitzer. Die Studierstube, in der er seine unsterblichen Werke schuf,
würde heute nur Wenigen genügen, die sich zum Mittelstande rechnen; für
»standesgemäß« würde sie niemand halten. Alles darin ist zur Arbeit
bestimmt, zum Lesen, Schreiben oder Experimentieren; kein Sopha, kein
bequemer Stuhl, keine Gardinen, sondern nur einfachste dunkle Rouleaux.
Auch an den Büchern ist keine Pracht, seine gesammelten Werke sind
auf das schlichteste eingebunden, er nahm ja auch seine berühmtesten
Dramen oder Gedichte jahrzehntelang nicht wieder in die Hand. Nur ein
Möbel hatte Goethe in dieser Stube, das wir nicht kennen -- ein kleines
Korbgestell, das sein Taschentuch aufnahm. Und auf dem Tische lag ein
Lederkissen, auf das er die Arme legte, wenn er dem gegenübersitzenden
Schreiber diktierte....« Zu Eckermann äußerte Goethe einmal: »Prächtige
Gebäude und Zimmer sind für Fürsten und Reiche. Wenn man darin lebt,
fühlt man sich beruhigt, man ist zufrieden und will weiter nichts.
Meiner Natur ist es ganz zuwider. Ich bin in einer prächtigen Wohnung,
wie ich sie in Karlsbad gehabt, sogleich untätig und faul. Geringe
Wohnung dagegen, wie dieses schlechte Zimmer, worin wir sind, ein
wenig unordentlich ordentlich, ein wenig zigeunerhaft, ist für mich
das Rechte; es läßt meiner Natur volle Freiheit, tätig zu sein und aus
mir selber zu schaffen.« Und ein andermal sagte der Achzigjährige:
»Sie sehen in meinem Zimmer kein Sopha, ich sitze immer in meinem
alten hölzernen Stuhl und habe erst seit einigen Wochen eine Art
von Lehne für den Kopf anbringen lassen. Eine Umgebung von bequemen
anspruchsvollen Möbeln hebt mein Denken auf und versetzt mich in einen
passiven Zustand.« Einen Schmuck besaß die einfache Studierstube aber
doch, den höchsten und herrlichsten zugleich, der alle Dürftigkeit
überglänzte: Goethes Geist, der in diesem Raume schuf.

[Illustration: Entwürfe für ein Damenzimmer und ein Herrenzimmer von
Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Salonschrank von Architekt Max Benirschke.]

[Illustration: Damensalon von Arch. Franz Exler.]

Ein Zusammenhang zwischen Junggesellenwohnung und Herrenzimmer ist
durch den Umstand gegeben, daß auch das letztere Wohn- und Arbeitsraum
oder auch Salon des Hausherrn ist, wie der Name »Herrenzimmer«
überdies schon sagt. Es kommt im Hauswesen dort vor, wo die Hausfrau
entweder ihren »Damensalon« oder ihr »Boudoir« hat, oder wo man
aus Ökonomie auf den »Salon« überhaupt verzichtet und das eine zu
erübrigende Gesellschaftszimmer vorzugsweise auf die Bedürfnisse des
Hausherrn hin zurechtmacht. Massive, dunkel gebeizte oder polierte
Möbel mit einfachen blanken Beschlägen finden sich darin, ein großer
Bücherschrank, ein entsprechender Arbeits- oder Schreibtisch, große
gepolsterte Sitzmöbel mit grauem oder braunem Lederüberzug, alles ernst
und einfach und von der gewissen Vornehmheit, die in der Gediegenheit
überhaupt liegt. Ist der Hausherr Waffensammler, so findet sich ein
Waffenschrank vor, überhaupt Möbel, die seinen besonderen Liebhabereien
oder Berufszwecken dienen. In einfachen Rahmen hängen Bilder oder
Stiche, manche kühne Modernität, »le Nu au Salon«, warum nicht? Ein
Tropfen Pikanterie vermengt sich mit dem Duft schwerer Zigarren. So
findet man es häufig. Aber das dominierende, ehrfurchteinflößende Möbel
ist der große Schreibtisch. An ihn werden heute die persönlichsten
Anforderungen gestellt, nicht weniger als an den guten Sessel. Hier
hat eine gute Tradition mitgearbeitet. Aus dem Anfang des neunzehnten
Jahrhunderts sind große, sorgfältig erdachte Schreibtische überliefert,
große Diplomatenschreibtische mit verschließbarem Pultdeckel, einfach
geistreich kombiniert, dem amerikanischen roll desk nicht unähnlich,
ferner eine Unzahl verschiedenartiger Damensekretäre mit zahlreichen
Fächern und durchaus verschließbar, als ein glänzendes Zeichen einer
geistig ungeheuer regsamen Zeit. Man schrieb fleißig Tagebücher,
unterhielt mit allen Zeitgenossen regen, brieflichen Verkehr. Auch
der Schreibtisch von damals bildet gewissermaßen ein menschliches
Dokument. Was so ein verwittertes Möbel nicht für Geheimnisse verbirgt,
und was so einem Kasten für anmutige Rätsel abzulesen sind, diesen
Läden, die einst vollgestopft waren mit Gedichten, Liebesbriefen,
Prozessen und Romanzen, schweren Locken und anderen Liebeszeichen,
gleich einem Riesensarg, der mehr Tote enthielt als mancher Gräberhain.
Sentimentalitäten, nicht wahr? Aber ein Persönlichkeitszug ging
durch die Dinge des Hausrats, das wollte festgestellt sein. Und
einen Persönlichkeitszug will man den Dingen heute wieder geben. Der
Schreibtisch sollte seinem Besitzer angemessen sein wie ein Kleid.
Konstruktiv besitzt der amerikanische verschließbare Schreibtisch
viele Vorteile, für das Privatzimmer ist er aber allzu bureaumäßig. Im
Halbkreis geht die Tischplatte um den Sitzenden, auch die äußersten
Enden in den Bereich seiner Hände rückend. Van de Velde’s Schreibtisch,
der diese Form aufwies, war eine Sensation.

[Illustration: Sitzgelegenheit mit seitlichen Schränken von Architekt
Max Benirschke.]

[Illustration: Billardzimmer von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Rauchzimmer.]

[Illustration: Spielzimmer von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Zimmerecke von Arch. Franz Exler.]

Allein er war kein Vorbild. Van de Velde’scher Stil hat nur für
einen einzigen Menschen in der Welt Berechtigung, für van de Velde
selbst. Er drückt ein allzu Persönliches aus, das, wenn es Mode
wird, aufs nachdrücklichste bekämpft zu werden verdient. Für die
Allgemeinheit hat van de Velde keine brauchbaren Typen geschaffen. Mit
dem Schreibtisch geht es uns wie mit dem Sessel. Wer einen passenden
Schreibtisch sucht, findet ihn nicht. Er muß mit seinem Architekten
oder Tischler beraten, um zu finden, was für seine Person das Beste
ist. Es ist der einzige Weg, der zum Rechten führt. Der Konsument
müßte in allen Dingen, die seine persönlichen Bedürfnisse angehen,
Mitarbeiter des Künstlers sein, was aber wohl voraussetzt, daß er ein
wohlunterrichteter, einsichtsvoller Mensch sei. Sieht er sich dann nach
einem passenden Schreibzeug um, dann hat er wieder seine liebe Not. Die
Dinge dieser Art, die sich im Handel vorfinden, sind fast nie sachlich
gelöst. Im besten Falle müssen Bureau-Utensilien herhalten. Ebenso
ergeht es einem mit den Rauchrequisiten. Hier ist fast alles erst zu
tun. Ein weites Feld steht für den Künstler der Kleinplastik offen,
wenn erst der Publikumsgeschmack zur strengen Sachlichkeit erzogen sein
wird. Einstweilen sind es nur einige moderne Architekten, die sich
ihrer erziehlichen und kulturellen Aufgabe vollends bewußt sind.



[Illustration: Salonschrank von Architekt Max Benirschke.]



Das Musikzimmer.


[Illustration: Klavier von Arch. K. Bräuer.]

[Illustration: Pianino von Arch. Georg Winkler.]

[Illustration: PIANINO SAMMT EINLEGEARBEIT

Arch. Max Benirschke.]

Der Zufall spielt mir die Reproduktion eines Bildes von Schwind in
die Hände. Schubert-Abend ist es betitelt. Eine Stimmung strömt
aus dem Blatt, zart wie der Duft verdorrter Rosen; ein Hauch der
legendären liebenswürdigen Wiener Geselligkeit weht durch den Raum. Es
ist ein Altwiener Bürgersalon, großväterischer Hausrat steht umher,
Gastlichkeit und Gemütlichkeit, der genius loci winkt aus allen Winkeln
hervor, ein Klavier steht in die Mitte des Zimmers herein, eines jener
spinettartigen Instrumente, zierlich und schlank, im wohltuenden
Gegensatz zu den Monstren unserer heutigen Klaviere, Schubert davor
und ein Kreis von Kunstsinnigen um ihn herum, die Schwestern Fröhlich,
selbstverständlich auch Grillparzer, dann der gefeierte Opernsänger
Vogel und alles, was damals zur geistigen Elite gehörte. Damals war
noch die Glanzzeit der Hausmusik. Die vielen Duos, Trios, Quartette und
Quintette, von den berühmten Tonkünstlern jener Zeit zu diesem Zwecke
verfaßt, und die Zusammenstellung der Instrumente sind an und für sich
ein sprechender Beweis für den eifrigen Betrieb der Hausmusik. Bach
und Händel waren in jedem Hause gekannt und geliebt. Finden wir heute
noch gute Hausmusik? Die Frage dürfte nicht ohneweiters zu bejahen
sein. Zwar findet sich in jeder Wohnung ein Klavier vor, fingerübende
Musikbeflissene bilden mehr denn je die Verzweiflung nervöser Nachbarn,
aber die Pflege der Hausmusik ist heutzutage seltener geworden. Man
geht lieber in den Konzertsaal, der in früheren Zeiten nicht so viel
des Abwechslungsreichen und Interessanten bot als die Neuzeit, die
jeden Tag eine beliebige Anzahl musikalischer Berühmtheiten auf das
Podium stellt. Da kann man auch Toiletten zeigen und sehen, und selber
gesehen werden. Bei den meisten weiß man kaum, was sie antreibt, die
Musik oder das andere. Die biedere, hausbackene, ehrsame Hausmusik
kommt in Verfall. Daran ist aber in Wahrheit nicht so sehr der
Konzertsaal schuld, als vielmehr der Verfall des Hauswesens selbst.
Die freundlichen Genien der Gemütlichkeit und Gastlichkeit, die man
vor fünfzig Jahren bei viel geringeren Lebensansprüchen noch unter
jedem Dache finden konnte, sind aus den Städten, Großstädten zumal,
meist entschwunden. Und in der Provinz? Die verzehrt sich in Sehnsucht
nach der gleißenden Pracht der Großstadt, der sie ihre besten Kräfte
abgibt. Kalt und ungastlich ist es fast an jedem Herde geworden. Hier
bringen auch die besten Tonwerke keine Harmonien hervor. Irgend ein
Gassenhauer, wild und gehackt, eine beliebte Nummer aus dem Varieté
deckt in der Regel das Bedürfnis nach musikalischen Genüssen. Bachs
gravitätische Gavotten, ein liebliches Adagio Mozarts, eine Sonate
Beethovens sind im Hause der Disharmonien bloßer Lärm. Verständnis und
Pflege guter Musik sind ebenso sehr Sache des gebildeten Geschmacks wie
gute Manieren und vorteilhafte gesellschaftliche Haltung. Also Teil der
persönlichen Kultur, die auch in der häuslichen Umgebung und in allen
Dingen, die im Bereich der Persönlichkeit liegen, zum Ausdruck kommt.
Man sollte glauben, daß ein feines Gefühl für die Ästhethik der Farben
und der Formen von vorneherein die Bedingungen zum Verständnis edler
Musik besitzen müßte. In einem Hauswesen, wo die edle Farbe herrscht
und die edle Linie, und der Sinn, der aus dem Zweckmäßigkeitsprinzip
des Alltags die Schönheit abzuleiten weiß, wird man in der Regel
auch gute Musik antreffen. Denn ein gemeinsamer künstlerischer
Grundzug führt von der sichtbaren Harmonie auf die hörbare. Eine nach
vernünftigen modernen Grundsätzen eingerichtete Stadtwohnung braucht
aus bloß ästhetischen Grundsätzen durchaus kein eigenes Musikzimmer
zu besitzen, abgesehen davon, daß Raum und Mittel hiefür selten
bereitstehen. Es wird mit den äußeren Merkmalen unserer mit edlem
Geschmack eingerichteten Wohnung nicht im Widerspruch stehen, wenn
wir im Speisezimmer oder im Raume, den wir gewöhnlich Salon nennen,
den unsterblichen Werken der höheren Tonkunst lauschen und in einem
dieser Zimmer das Klavier und den Notenschrank aufstellen. Aber da
sind wir schon in arger Verlegenheit. Das Klavier in seiner heutigen
ungeheuerlichen Form paßt zu den schlanken, raumsparenden Möbeln noch
viel weniger als es zu den altdeutschen oder sonstigen »stilgerechten«
Einrichtungen gepaßt hat. Es verstellt in den verhältnismäßig kleinen
Wohnzimmern den besten Raum, steht breit und sperrig da und zerstört
jede irgendwie versuchte harmonische und zweckvolle Gliederung des
Gemaches. Es ist überhaupt ein Möbel, das, zwar, wenn seine Seele
ausklingt, der mächtigsten, erschütterndsten und himmlischesten
Wirkungen fähig ist, in seiner äußerlichen Erscheinung ein wahres
Scheusal genannt werden muß, das wegen seiner höchst unpraktischen
Form am allerwenigsten als eigentliches Hausinstrument gedacht zu sein
scheint. In den Zeiten, da Schubert am Klavier saß, da hatte dieses
Instrument eine Form, die mit dem übrigen bürgerlichen Hausrat im
Einklang stand. Es hatte eine schmächtige, zierliche, fast elegante
Form und fiel nirgends plump aus dem Rahmen der gesamten Wohnungskunst,
wie es das heutige tut. Es wuchs sich selbständig und unabhängig aus
und gewann solcherart seine umfangreiche, wenig ansprechende Form. Die
Klavierfabrikanten haben bis heute wenig Lust gezeigt, sich mit ihren
Klavierformen der neuen Bewegung, welche im Hause so durchgreifende
Veränderungen herbeigeführt hat, anzuschließen und ein bischen darüber
nachzudenken, ob man nicht durch eine veränderte Konstruktion zu
gefälligeren, zierlicheren Gehäusen gelangen könnte. Vor dem Koloß
eines Klavieres heutiger Konstruktion steht auch der genialste
Entwurfskünstler in Verlegenheit da, er weiß sich nichts anzufangen.
Baut er ein Gehäuse, das der einfachen strengen Linienführung des
heutigen Möbels entspricht, so sieht es womöglich noch sperriger und
ungeheuerlicher aus. Der schottische Künstler Mackintosh hatte einem
Kunstfreunde ein Musikzimmer eingerichtet und es mit allen Finessen
einer raffinierten Künstlerschaft ausgestattet. Als dekoratives Motiv
dieses ganz in Weiß gehaltenen Raumes war eine symbolische Darstellung
»der sieben Prinzessinnen«, aus Maeterlincks mystischem Märchenspiel
verwendet. In einem wundersamen Linienklang kehrt dieses Motiv an
allen Teilen wieder als Paneele, als Verkröpfung an den Holzteilen, am
Kamin, an den hohen Stühlen, am Fenster, am Klavier. Alles ist Musik,
sichtbare Musik in dem eigenartigen Raum, der in mattem Elfenbeinweiß
strahlt, darin da und dort färbige Stücke eingesetzt sind, die in ihrer
dekorativen Linienfassung wie seltsame Märchenaugen aussehen und in
dem toten, starren Material ein geheimnisvolles Leben erwecken, als ob
draußen der leibhafte Prinz stünde und mit bangen, sehnlichen Blicken
durch die Scheiben ins Gemach sähe, wo wie bleiche schöne Schatten die
Prinzessinnen schlafen, wie der Wohllaut, der in den Saiten schläft,
angstvoll gehütet, daß kein Mißton von draußen ihr zartes Leben mordet.

[Illustration: Schrank (Lackmöbel) von Architekt Max Benirschke.]

[Illustration: Schrank (Lackmöbel) von Architekt Max Benirschke.]

[Illustration: Wohnzimmer von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Schreibtisch von Architekt Alois Hollmann.]

Wenn ein Künstler sein Bestes getan hat, ist es nicht seine Schuld, daß
es trotzdem unverhältnismäßig hoch und breit und störrisch dasteht.
Klaviere sind einmal so. Man müßte, um einmal die wohltemperierte
Klavierform zu finden, sich einmal an George Logan in Greenock
(Schottland) wenden, von dem aus der Turiner Ausstellung 1902 ein
Musikzimmer bekannt ist, das uns der Künstler zwar nur als Aquarellbild
zeigen konnte. Aber es genügt, um den Traum eines Künstlers kennen zu
lernen. Eine heitere, kindlich fröhliche Mozartstimmung herrscht in
dem Raum, über den Teppich schreitet man wie auf einer blumigen Au,
an den weißgetäfelten Wänden stehen in hohen Vasen Blütenzweige, die
einen Frühling ins Gemach zaubern, und man mag es glauben, daß hier die
Töne hell und lustig fliegen wie muntere Spielbälle. Zwei sitzen am
Klavier, wahre Blumenerscheinungen, und das Klavier, aus Ebenholz mit
sparsam verteilten hellen Einlagen ist von ganz idealer Erscheinung.
Zart und einfach gebaut, fügt es sich harmonisch in den Raum ein.
Hier stört kein Mißton, auch kein sichtbarer. Ist es auch nur ein
Künstlertraum, so mag, da er greifbare Formen gefunden, die Möglichkeit
nicht fern sein, daß er ganz reale Wirklichkeit werde, wofern die
Klavierfabrikanten wollen. In bürgerlichen Wohnungen wird man sich mit
einem Pianino begnügen müssen, die bereits ganz moderne Formen, ohne
jeden Stilschnörkel aufweisen.

[Illustration: Stehpult von Arch. Karl Sumetsberger.]

Wenn Sie aber Lust und Mittel haben, ein eigenes Musikzimmer
einzurichten, dann versagen Sie sich jedwede ornamentale Ausstattung,
denn die bedarf, wenn die Sache nicht plump und aufdringlich werden
soll, eines höchst delikaten, künstlerischen Geschmackes, der zu
den größten Seltenheiten gehört. Vermeiden Sie also jeden Zierrat,
dulden Sie selbst keine Musikerbüsten oder Porträts, denn sie
tragen zur musikalischen Stimmung nichts bei, sie stören viel eher.
Bringen Sie lieber eine harmonische Wirkung durch die kunstreiche
Anwendung von Form und Farbe hervor und wirken Sie dadurch im Äußeren
musikalisch. Auch hiebei wird sich zeigen, daß in der Beschränkung die
Meisterschaft liegt. Halten Sie den Musiksalon bloß in ganz einfachem,
edlem, elfenbeinartigem Weiß, ohne jedweden Dekor, und stellen Sie
nichts hinein als ein schwarzpoliertes Piano, ein schwarzpoliertes
Notenschränkchen, einige Blütenzweige in Vasen und denken Sie sich in
diesem Raum eine schöne Stimme, ein paar kunstreiche Hände, die starke
goldene Töne ums Haupt winden, und Sie werden in diesem Raum unbeirrt
und von keinem fremden Eindruck abgelenkt, wahre Feste in Moll feiern.



[Illustration: Schreibkasten, geschl., v. Prof Kolo Moser.]

[Illustration: Schreibkasten, offen, von Prof. Kolo Moser.]



Schlafzimmer u. Bad.


[Illustration: Schreibkasten von Johanna Hollmann.]

Was für die Vorfahren das Schlafzimmer bedeutete, davon können wir uns
nach den heutigen Wohnungszuständen keinen rechten Begriff machen.
Das Schlafzimmer galt so ziemlich als der Hauptraum des Hauses.
Es sah aus wie ein Thronsaal. Das mächtige Bett, zu dem seitlich
Stufen emporführten und das baldachinartig überwölbt war, stand, mit
dem Kopfende an der Wand, mitten im Raum. Im Zeitalter der Gothik
und der Renaissance gab die Kunst ihren Segen dazu, wundervolle
Schnitzereien finden sich selbst an den Betten bürgerlicher Häuser
vor. Im siebzehnten Jahrhundert vollzieht sich ein guter Teil des
gesellschaftlichen Lebens im Schlafzimmer. Es ist Toilettenzimmer,
Wohnraum, Empfangsraum, Speisezimmer, sogar Küche, wenigstens für
die leichteren Speisen. Die Französin hatte ihr Paradebett, sie
empfieng den großen Besuch im Bette liegend oder sich ankleidend. Der
Barockstil hat darum auch keine anderen Möbel ausgebildet, als das
Himmelbett, den Schreibtisch, der nach unten zu Wäscheschrank ist,
und oben als Glasschrank Thee- und Kaffeeservice enthält, das Sopha
und die gepolsterten Stühle und das alles in Formen, die für unser
heutiges wahres Sein unverwendbar geworden sind. Sie gehören der
Historie an. Zur Zeit des Empire, um 1800, glich das Schlafzimmer einem
Tempel. Die Antike hatte es allen angetan. Man wollte frei sein von
der Überlieferung und geriet unversehens in die ärgste Sklaverei. Das
Schlafzimmer sollte nicht wie ein Schlafzimmer aussehen. Menschliche
Notwendigkeiten galten als durchaus unästhetisch. Es war die Zeit der
Götterpose. Das Bett fand häufig in einem Alkoven Platz, dessen Front
ein griechisches Tempelfries trug oder es war reich und kunstvoll
drapiert. Sinnreiche Symbole deuteten an, daß hier Aphroditens geweihte
Stätte sei. Das Nachtkästchen erhielt die Form eines Opferstockes. Der
Waschtisch war als Altar der Reinigung gleichfalls als Opferstätte
charakterisiert. Der praktisch bürgerliche Sinn der Biedermeierzeit
vertrug diesen ästhetischen Ballast nicht. Er reduzierte die Formen
auf das konstruktiv Notwendige, schuf sie nach seinen leiblichen
Bedürfnissen um. Könige sind damals Bürger geworden, sie entflohen
der Ungemütlichkeit der Schlösser und dem Druck der Repräsentation,
um sich in der »Eremitage« wieder menschlich zu fühlen. Heute möchte
der kleine Bürger wie ein König leben. Der Möbelspekulant ist der
große Hexenmeister, der alle Illusionen geben kann. Alle Stilarten
liefert er, die Gothik, die Renaissance, Barock, Rokoko, Empire. Nicht
um das Sein handelt es sich, sondern um den Schein. Die Möbel sind
darnach. Die Nutzräume treten zurück. Das Schlafzimmer ist die letzte,
erbärmlichste Kammer. Mein Gott, die kleine Wohnung erlaubt es nicht
anders! Und überhaupt! In’s Schlafzimmer kommt niemand hinein!

[Illustration: Arbeitszimmer (Bureau) einer Dame mit modernem Gobelin
von Arch. Karl Witzmann.]

[Illustration: Arbeitszimmer und Bibliothek von Arch. Hans Stubner.]

Ein englischer Architekt, Frank Brangwyn, A. R. A., sagt sehr
zutreffend, daß die meisten Schlafzimmer vom Standpunkte einer
zweckentsprechenden Ausstattungskunst betrachtet, vernachlässigt sind,
weil sie nicht den kritischen Blicken unserer Freunde und Bekannten
ausgesetzt sind. Sie werden selten von jemandem Andern gesehen, als
von ihren Eigentümern. Wenn die Schlafzimmer in dem Maße zugänglich
wären, wie die Gesellschaftsräume, so würden sie unter den Einfluß
jenes seltsamen Wetteifers gekommen sein, der seit den frühesten
Zeiten zur Ausschmückung jedes Gebrauchsgegenstandes geführt hat, der
der öffentlichen Beachtung ausgesetzt war und Neid oder Bewunderung
erregen konnte. Es würde sehr wenig Kunst geben, wenn die Menschen
unempfindlich wären für den Ansporn des Lobes oder der Nadelstiche des
Spottes und Neides. Die volkstümlichsten Kunstformen, wie etwa die
griechischen Statuen, und die Bilder italienischer Kirchen aus dem
fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert sind immer hervorgegangen aus
den besten Traditionen und folglich den größten Meistern. Weltfremde
Einsamkeit führt die Kunst hinweg von dem Hauptstrom des befruchtenden
Lebens, und landet sie in irgend einem ungesunden Sumpfwasser, wo sie
schwach und hinfällig wird, im kleinlichen Ehrgeiz eingebildeter Größe
befangen. Erinnern wir uns daher, daß die Kunst nichts so notwendig
braucht, als öffentliche Anerkennung und öffentliche Nachfrage.

[Illustration: Arbeitszimmer und Bibliothek von Arch. Hans Stubner.]

[Illustration: Arbeitszimmer von Arch. A. Hollmann.]

Bei dieser Sachlage ist es wichtig, daß die allgemeine Aufmerksamkeit
auf den schlechten Zustand der sehr schlechten Schlafzimmer gelenkt
wird, welcher heute in 99 von 100 Fällen vorkommt. In den meisten
Schlafzimmern findet man weit weniger Kunst, als in der roh zubehauenen
Holzhütte eines Südsee-Insulaners. Es ist seltsam, daß wir nach
Jahrhunderten des Fortschritts in anderen Dingen ein so geschmackloses
und achtloses Volk geblieben sind in Bezug auf die Dinge, die unserem
persönlichsten Gebrauch dienen.

Was soll ein Schlafzimmer sein? Ein paar praktische Betrachtungen
werden die Besonderheiten klarlegen.

1. Man kann annehmen, daß der Raum, der einem zur Verfügung steht,
klein ist, wie in den meisten Schlafzimmern. Man wird daher mit den
Dimensionen das Möglichste tun, um den Eindruck von Geräumigkeit und
Luftigkeit hervorzubringen. Der Raum soll nicht nur angenehm sein für
den Schlafenden, sondern auch für das Erwachen.

[Illustration: Herrenzimmer (Arbeitszimmer) von Arch. Petru Balan.]

2. Ein Schlafzimmer ist nicht nur ein Raum um darin zu schlafen,
sondern auch ein Raum, in welchem eine kranke Person für Wochen, ja
Monate liegen kann, und deshalb soll sich nichts Übertriebenes in der
Ausstattung vorfinden, nichts das sich dem Auge mit ermüdender und
langweiliger Beharrlichkeit aufdrängt. Aus demselben Grunde ist es
gut, das Bett so zu stellen, daß die kranke Person auf das Winterfeuer
im Kamin blicken kann und angeregt und erfreut wird von seinem
lustigen und hellen Flackern. Man mag vielleicht lächeln über diese
Kleinigkeiten, aber sie sind sehr wichtig.

[Illustration: Bureau von Arch. M. Herrgesell.]

3. Die bisherigen Betrachtungen haben rasch über die Grundzüge
des Entwurfes belehrt. Die Notwendigkeit, die man fühlt, das
Zimmer weiter, geräumiger und luftiger erscheinen zu lassen als es
wirklich ist, führt mit der Logik des gesunden Menschenverstandes zu
verschiedenen praktischen Lösungen. Man entscheidet sich zum Beispiel,
keine gemusterte Tapete zu nehmen. Wenn eine Wand über und über
gemustert ist, so lockt sie von allen Standpunkten die Aufmerksamkeit
auf sich, sie scheint sich dem Auge dadurch näher zu bringen und dem
Raum einiges von seiner Länge und Breite zu rauben. Man entscheidet
sich auch dafür, daß die Einrichtung nicht mehr Raum einnehmen darf,
als unbedingt erforderlich ist; daher muß die handwerkliche Leistung
die höchsten konstruktiven Vorzüge aufweisen, damit man den höchsten
Grad von Annehmlichkeit und Zweckmäßigkeit mit dem geringsten Aufwand
von Holz erreicht. Nachdem das Zimmer ein Schlafzimmer ist, hat man
ganz recht, das Bett als das wichtigste Möbelstück zu betrachten, und
es aus Holz herzustellen, teils weil gut gearbeitetes Holz so schön
und ruhig harmonisch wirkt, teils weil Messingbetten nicht immer
mit den Farben übereinstimmen, welche man im Auge hat, und endlich,
weil sich Metall zu frostig anfühlt. Das Bett wird nicht so niedrig
sein, daß sich die Magd versucht fühlen könnte, die Reinigung des
Fußbodens darunter zu vernachlässigen, noch wird es so hoch sein, daß
der Raum zwischen Matratze und Fußboden als Speicher für Schachteln
und für Staubansammlung geeignet erscheint. Wenn man zum Schluß das
Schlafzimmer als Krankenzimmer auffassen will, ist der Grundsatz
der Wohnlichkeit unerläßlich, ebenso eine ruhige Heiterkeit in der
Farbengebung.

[Illustration: Bureau der österr. Bedburger Linkrusta Werke Alfred
Hoffmann, von Architekt Max Benirschke.]

4. Man wird vielleicht Bilder in diesem Schlafzimmer anbringen wollen.
Man hänge keine goldenen Rahmen auf den Grund der Tapete, sondern
treffe eine solche Anordnung, daß die Malerei einen tektonischen Teil
der Wand selbst bildet. In andern Worten, man wähle einen Fries oder
ähnliche andere dekorative Malereien, die man seinem Urteile nach für
gut findet. Das Werk muß einigermaßen mehr sein als interessant; es muß
beitragen zur frischen und ursprünglichen Farbengebung, die man als
passend für ein Schlafzimmer findet, und man führt sie daher so durch,
daß die Malerei nicht aus der Mauer hervorspringt, sondern flächig
wirkt, und im ganzen eine ebenso wirkungsvolle als bescheidene Rolle
spielt.

[Illustration: Briefkassette von Architekt Otto Prutscher.]

5. Welches Holz soll man verwenden? Es ist klar, daß die dekorative
Verwendung von Materialien zwingt, streng und einfach zu sein; aber
der Strenge des Stils kann durch eine glückliche Wahl des Holzes
entgegen gewirkt werden. Nußholz würde zu schwer im Ton sein und Eiche
zu steif und unbiegsam in Substanz und Masse. Was man braucht, ist ein
leichteres Holz, freundlicher von Aussehen, und so scheint es nach
mancher Überlegung und manchen Versuchen empfehlenswert, Zuflucht zu
Kirschholz zu nehmen. Es hat eine schöne Textur, der Ton ist hell,
warm, freundlich und es hat auch eine Art von häuslicher Eleganz. Von
ebenso glücklicher Wirkung sind weißlackierte Möbel. Zu ihrem Lobe kann
nicht genug gesagt werden. Und wenn nun das Werk vollendet ist und die
Morgensonne in das Zimmer tritt, so wird man das Zimmer heimlich und
traut finden, als einen freundlichen Raum, sich darin anzukleiden und
dem Tag einen guten Anfang zu geben.

Glücklicherweise gewinnt diese gesunde Auffassung wieder Raum. Man
fühlt sich wieder, die Persönlichkeit wächst. Man hat persönliche
Bedürfnisse. Das Schlafzimmer braucht kein Thronsaal zu sein, auch kein
Tempel. Aber luftig soll es sein. Wir sind alle Fanatiker der Hygiene
geworden. Mit Luft, Licht, Sauberkeit und Einfachheit bestreiten wir
unsere Interieurstimmungen. Und siehe da, es wirkt ganz famos. Was
dem Körper zugute kommt, gibt auch der Seele Nahrung. Wenn wir auch
zum guten Glück auf das Ornament verzichtet haben, so gibt es für den
künstlerischen Geschmack doch noch sehr viel zu tun. Vielleicht mehr
als früher. Denn das Einfache, das ist doch das Allerkomplizierteste.
Die Anordnung der Massen, die Gliederung des Raumes, die Behandlung
der Farbe, die zwecklich formale Erfüllung der Bedürfnisse, das sind
Dinge, in denen sich das Persönliche klar ausspricht. Ist Harmonie in
der Persönlichkeit, dann wird sie auch im Raum sein. Und, das ist das
Allerwichtigste, der Einzelne, der angefangen hat nachzudenken, muß mit
seinem Tischler, mit seinem Architekten arbeiten, wenn er das Seine
haben will.

[Illustration: Herrenzimmer aus Wiener Kunst im Hause.]

Auf Licht und Luft also kommt es an. Man wird sich daher helle Farben
wünschen, die Wände ganz licht, die Betten und Schränke in hellgelbem
Kirschholz, oder weiß lackiert, oder in unverhüllter Naturfarbe, wobei
man die Flächen durch Einsetzen anders färbiger Holzstücke beleben
kann. Sonst hat man gerne eine Ottomane dem Bette am Fußende vorgelegt,
ja mit diesem auch in einem konstruktiv verbunden. Hat man einen
besonderen Toilettenraum, dann brauchen Wäsche- und Kleiderschränke
nicht im Schlafraume stehen. Die Einrichtung der modernen Schränke
dieser Art ist für den Inhalt genau ausgemessen. Der Hängeraum muß so
hoch sein, um die Röcke gut aufnehmen zu können. Oberhalb derselben im
Inneren befindet sich häufig auch ein Brett für die Hüte. Die Hosen und
Westen werden in die breiten Laden gelegt. Eine Lade für das Schuhwerk
befindet sich zu unterst. Kleinere separate Laden und Fächer sind da
für Spitzen, Bänder, Kravatten, Handschuhe, Krägen, Manschetten etc.
Für die Schmutzwäsche gibt es einen truhenähnlichen Behälter, der im
Vorzimmer steht und häufig als Sitzgelegenheit ausgenützt ist, mit
einem Deckel oben zur Aufnahme der Schmutzwäsche und der von unten
aufklappbaren Vorderseite zur Herausnahme derselben; alles versperrbar,
natürlich.

[Illustration: Bett von Prof. Kolo Moser.]

Das Nachtkästchen gibt ebenfalls Möglichkeiten zu neuen sinngemäßen
Lösungen. Man kann einen kleinen, glasschrankartigen Aufsatz damit
verbinden, der die Hausapotheke aufzunehmen hat. Leichte, helle
Vorhänge, seitlich aufzuziehen, schützen das Gemach gegen Blicke von
außen her, sperren aber nicht das Licht aus. Vor dem Fenster steht die
Toilette: ein vertikaler Spiegel mit zwei im Winkel stehenden Flügeln,
ein Gesimse davor, und links und rechts vom Sitz kleine Laden für die
gesammte Kosmetik. Das alles ist sehr zierlich, sehr einfach, sehr
elegant.

[Illustration: Schlafzimmer von Arch. Max Benirschke.]

Das Bad ist in unmittelbarer Nähe des Schlafzimmers zu halten. Jede
bessere Stadtwohnung hat ihr Badezimmer. Ein regelrechtes Bad,
mit seinen weißen glänzenden Kacheln, der vertieften Wanne, den
blankgeputzten Hähnen in der Marmorverschalung, den glänzenden
Apparaten, den technisch vorzüglich eingerichteten Waschtischen sieht
immer einladend aus. Im Schlafzimmer kann man sodann den Waschtisch
entbehren. Gerade was die Badeeinrichtung angeht, so haben wir eine
unbescholtene Vergangenheit. In den glanzvollen Zeiten des Hausrats
von der Gothik bis zum Rokoko ist keine Rede von Badeeinrichtungen.
Die »Kunst« befasste sich nicht damit, es blieb eine rein technische
Angelegenheit der neueren Zeit, darum haben wir es heute in vollkommen
von Stilarchitekturen unbeirrten, praktischen Formen vorgefunden.
Nur römische Vorbilder existieren und die sind sicherlich auch
mustergiltig. Früher war man weniger heikel in dieser Hinsicht. Heute
ist das Bad tägliches Bedürfnis für einen Menschen, der reine Wäsche
trägt.

[Illustration: Bett von Arch. Hans Stubner.]

Man sieht, ein vollkommener Wandel in der bürgerlichen Wohnung ist
im Zuge. Die Nutzräume treten wieder in den Vordergrund. Gesund zu
schlafen ist eine Vorbedingung des persönlichen Wohlseins. Man wird
wieder den geeignetesten Raum als Schlafzimmer einrichten, und die
anderen Räume in zweiter Linie und nach Maßgabe ihrer Wichtigkeit
bedenken. Bei diesen anderen Räumen aber ist Einschränkung am Platze.
Man muß keinen Salon haben; man kann das Wohnzimmer als solchen
benützen oder man kann das Wohnzimmer mit dem Speisezimmer verquicken,
den Salon mit dem Arbeitszimmer, was gewiß das allerrichtigste ist,
oder es kann auch, wenn es nicht anders geht, ein Raum für drei dienen,
Wohnzimmer, Salon und Speisezimmer in einem sein. Das Schlafgemach
muß hingegen ungeteilt bleiben, den Fremden verschlossen, der Ort
der Ruhe und der Träume. Der wahre Kulturgrad zeigt sich in seiner
Beschaffenheit.

[Illustration: Schlafzimmer von Arch. Max Benirschke.]



[Illustration: Schlafzimmer von Arch. Hans Stubner.]



Das Kinderzimmer.


[Illustration: Schlafzimmer von Arch. Hans Stubner.]

Ein Zimmer kenne ich, das eitel Freude ist. Kunst im vornehmen Sinne
hat wenig dort zu schaffen, aber das ist ganz recht. Die Kinder, denen
dieser Raum zum Aufenthalt dient, brauchen nicht zu fürchten, irgend
einen kostbaren Gegenstand zu beschädigen. Nichts hemmt die Freiheit
ihrer Bewegung. Sie müssen sich nicht benehmen, wie jene biblischen
vierzig Kinder, die sich samt und sonders betrugen wie eines, sondern
hier darf sich jedes Kind betragen, wie vierzig. Und das ist gut. Luft,
Licht und Freiheit muß das Kinderzimmer gewähren. Entweder die kleine
Schar tollt im Raum umher und erfüllt ihn mit fröhlichem Lärm, oder sie
hocken still zusammen, betrachten die kindlich einfachen Darstellungen
an dem herumlaufenden Wandfries, wo allerlei Tiere dargestellt sind, in
jenen primitiven flächig behandelten Formen, die der rege schaffenden
Phantasie der Kleinen noch genug freien Spielraum zur Selbstbetätigung
geben. Diese Bilder, ebenso wie das Spielzeug, das auf ähnliche
Weise primitiv und der kindlichen Anschauungsweise angemessen sein
muß, wollen die Sinne erziehen und vor allem das Auge. Darum ist im
Kinderzimmer die Farbe von so großer Wichtigkeit. Gottfried Keller’s
Wort gilt: »Die Erhaltung der Freiheit und Unbescholtenheit des Auges«.
Dazu gehört, daß man alles Häßliche, Verlogene und Imitierte aus der
Kinderstube fern hält. Eine Mutter stellte die Frage, wann sie mit
der Erziehung ihres vier Jahre alten Kindes beginnen sollte. Sie ist
aber nicht die Einzige, die es nicht weiß, daß mit der Erziehung des
Kindes vom ersten Schrei an, den es in der Welt tut, begonnen wird, und
daß die Umgebung, die Kinderstube, auf rein sachliche Art erziehlich
wirken muß. Die Erziehung der Farbenfreude beginnt hier, damit das Auge
einmal der getreue Hüter und Wächter des Paradieses der farbenvollen
Weltherrlichkeit werde, an dem die Meisten wie Ausgestoßene blind
vorübergehen. Darum wird es gut sein, im Kinderzimmer, dessen Wände
im einfachen Farbenton und sehr hell gehalten sein müssen, farbige
Wandbilder aufzuhängen, die in Rahmen zum Auswechseln angebracht sind,
damit man den Kindern von Zeit zu Zeit etwas Neues bieten und den
Kreis ihrer Anschauungen erweitern kann. Der schönste Märchen- und
Tierfries, der an die Wand gemalt ist, wird auf die Dauer langweilig
und die geheime Wirkungskraft, so groß sie auch Anfangs immer sein
mag, versagt schließlich ganz. Auf die Wandbilder, die im Verlage von
Teubner und Voigtländer, Dresden, Leipzig, erschienen sind, sei bei
dieser Gelegenheit empfehlend hingewiesen. Die Unternehmung bringt
farbige Original-Steinzeichnungen von hervorragenden Künstlern zu
wohlfeilen Preisen auf den Markt und man kann ihnen das Zeugnis eines
vortrefflichen, volkstümlichen Erziehungsmittels ausstellen. Die
Heimatkunde, die Sage, das Märchen, das Tierleben, Bilder aus Dorf und
Stadt bringen sie in gelungener Weise zur Anschauung und geben dem
kindlichen Gemüt reichen Vorstellungsinhalt.

[Illustration: Kleider- und Wäscheschrank von Architekt Hans Stubner.]

[Illustration: Schlafzimmer von Arch. A. Hollmann.]

[Illustration: Toilettegarnitur von Prof. Kolo Moser.]

Während der untere Teil der Wände eines Kinderzimmers am besten in
lichtem Holz getäfelt wird, entweder hell gebeizt oder lackiert oder
auch im Naturton gehalten, um abgerieben zu werden, setzt oberhalb
des Getäfels der farbige Fries ein, oder eine Reihe von Wandbildern,
in Leisten gefaßt, ziemlich außerhalb des Bereiches der Hände; die
Wand setzt sich oberhalb bis zur Decke in hellen Farben fort und
trägt ganz oben ein Blumenfries. Aber nicht einmal das ist nötig;
Wand und Decke können weiß bleiben. Zur Blumenpflege soll man Kinder
früh anregen, sie ist das beste Mittel zur Erziehung der Naturfreude
und der Beobachtungsgabe. Deshalb wird man gut tun, unterhalb des
Fensters ein Brett anzubringen, wo die Blumentöpfe stehen, die von den
Kindern selbst gewartet werden. Das Licht soll von oben her auf die
Pflanzen fallen, Tische und Stühle läßt man am besten nur säuberlich
gehobelt ohne Anstrich herstellen, um sie stets gut waschen und reiben
zu können, was im Kinderzimmer sicherlich sehr häufig notwendig ist.
Wo es möglich ist, läßt man ein kleines Turngerät anbringen. Ein
Arbeitstisch mit allerhand Werkzeugen ist hier gut am Platze, denn
zu bauen und zu arbeiten fangen Kinder frühzeitig an. Im Allgemeinen
soll aber das Kinderzimmer kein Kramladen sein. Namentlich mit
Spielsachen soll es nicht überhäuft werden. Sonst erzieht man zur
Sprunghaftigkeit und Zersplitterung der Aufmerksamkeit. Zu zeichnen
haben Kinder immer. Das ist die erste bildnerische Regung, die man
an ihnen beobachtet. Die Eindrücke auf die Kinderseele sind so stark
und plastisch, daß sie alle unwillkürlich ihre Gedanken graphisch
darzustellen streben. Dieser Kunsttrieb, der wie eine schwache Saat
aufsproßt und umsichtiger, sorgfältiger aber unaufdringlicher Pflege
bedürfte, wird leider selten mit Verständnis behandelt und verkümmert
allzufrüh. Man wird daher sehr gut tun, an einer Wandstelle eine
große Tafel mit Kreide und Schwamm anbringen zu lassen, daran der
bildnerische Sinn der Kleinen sich austoben mag. Vor allem aber lasse
man sie mit Farbe und Pinsel arbeiten. Nicht pedantisch nach Vorlagen
oder Vorbildern, sondern nach ihrer eigenen Lust und Wahl. Man lasse
ihnen darin volle Freiheit; sie sollen ihre Welt darstellen, so, wie
sie sie sehen. Was dabei herauskommt, ist das erste schwache Pflänzchen
eines künstlerischen und zugleich ursprünglichen Schaffens. Daß dieses
Pflänzchen nicht verkümmere oder erstickt werde, ist Sache einer
weiteren kunstpädagogischen Umsicht, die freilich schon außerhalb des
Kinderzimmers liegt. Feldblumen, bunte Steine, alles was die Kinder
im Freien sammeln und als kostbare Schätze daheim ausbreiten,
bringen die Märchenstimmung in das kleine Reich, das sie mit den
Gestalten ihrer ungebrochenen Phantasie bevölkern. Von der Zeit der
ersten Gehversuche bis zum zwölften Jahre ungefähr währt die fröhliche
Herrschaft. Wenn das Kind älter wird, tritt die illusionschaffende
Seite der Phantasie zurück, das Vorstellungsgewebe füllt sich immer
mehr aus und die Ansprüche werden größer. Sobald das Mädchen nicht mehr
den Schemel als Puppenbett verwenden will, die Knaben aus umgestürzten
Stühlen nicht mehr eine »wirkliche« Eisenbahn herstellen mögen oder
in einem Brett ein Schiff und im Fußboden das Meer erblicken, sobald
die Kinder sich nicht mehr mit Eifer in die Rolle eines Tieres
versetzen, seine Stimme und Bewegung nachahmen wollen und aufhören,
sich gelegentlich als Lokomotive oder Dampfschiff zu fühlen, wird ihnen
das Puppenheim zu eng. Sie fangen an, die Kinderschuhe auszutreten.
Das zwölfjährige Mädchen fühlt sich als Fräulein und bekommt ein neues
Zimmer, eine neue Welt. Die Buben »studieren«. Weit hinten liegt die
Kindheit, wie eine selige Insel und an ihr gestrandet eine ganze Arche
Noah’s voll Kindersächelchen, entseelt und entzaubert. Ein Reich in
Trümmern. Fernab und vergessen.

[Illustration: Toilette von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Schlafzimmer v. Arch. Georg Winkler.]

[Illustration: Schlafzimmer von Arch. Max Benirschke.]



[Illustration: Schlafzimmer von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]



Das Spielzeug.


[Illustration: Kinderspielzeug v. Maler Ferdinand Andri.]

Eine mittelalterliche Sage erzählt von einem zauberkräftigen Beryll,
der in seinem Spiegel alle vergangenen und künftigen Dinge zeigte, alle
Schönheit der Erde, ferne Länder und Meere. Doch bedurfte er eines
reinen gläubigen Gemüts, das von dem Weltgift des Zweifels noch nicht
angenagt war, um das holde Wunder zu sehen, sonst blieb der wundersame
Stein trüb und dunkel. Noch geschehen Wunder. Kinder erleben sie
täglich aufs Neue. Nicht einmal ein Beryll oder sonst ein kostbarer
Edelstein ist nötig, es genügt ein ganz wertloser Stein, den sie mit
der jungen Kraft ihrer ungebrochenen Phantasie begaben, das Mirakel zu
bewirken. Mit staunendem Ergötzen sehen sie in dem schillernden Ding
Sonnenaufgang und -untergang, eine große farbenreiche Welt von Wundern,
mit einem Wort, ihre eigene Welt. Mit Verwunderung sieht man sie oft
an kostbarem, mühsam ersonnenem Spielzeug achtlos vorübergehen und
an irgend ein unscheinbares Ding ihre Liebe hängen. Ein unbedachtes
Wort, Spott oder Vorwurf und die holde Wundergläubigkeit ist dahin,
das zauberhafte Juwel wird blind und taub und erscheint nur mehr
als das, was es ist, als wertloser Stein oder Glasscherben. Und ein
Stück Unschuld geht damit zugrunde. Man begnügt sich in der Regel,
zu sagen, daß Kinder leicht zufrieden zu stellen seien. Das ist ein
sehr oberflächliches Urteil. Ich bin viel eher geneigt zu glauben,
daß es kein schwerer zu befriedigendes Publikum gibt, als gerade die
Kleinen. Der Witz der Großen, die für sie denken und bilden, wird
an ihnen gewöhnlich zu schanden. Die schönsten Spielsachen finden
zumeist dann erst Wert in ihren Augen, wenn sie sie zertrümmert haben,
um sie in ihrem Sinne wieder aufzubauen. Sowohl diese als viele
andere Erscheinungen sind Beweise, daß das Kind in dem Spielzeug
das _Rohmaterial_ sucht, mit dem seine Phantasie freischaffend
verfährt. Der Wert des Spielzeuges liegt nicht in dem, was es ist,
sondern in dem, was es werden kann, was das Kind mit ihm machen soll.
Bedeutung und Beseelung, gleichsam den künstlerischen Ausbau, empfängt
es aus dem kindlichen Schaffenstrieb. Diesen anzuregen, zu heben und zu
kräftigen, ihm die rechten Mittel bereit zu stellen, ist der Zweck des
Spielzeuges.

[Illustration: Toilette v. Arch. Georg Winkler.]

[Illustration: Toilette von Arch. Georg Winkler.]

Auch die Kinderstube ist ein Spiegelbild ihrer Zeit. Eine Welt für
sich, die aber ihren Inhalt aus dem großen Leben empfängt und jeden
Kulturwandel mitmacht. Der Naturalismus der letzten Jahrzehnte
hat auch in dieser kleinen Welt ein Echo gefunden und in der
Spielzeug-Manufaktur jenen konsequenten Wirklichkeitssinn erzeugt,
der wohl den Verstand nährt, aber das Herz leer läßt. Puppen werden
erzeugt von panoptikumartiger Wirklichkeitstreue, den Babies zum
Verwechseln ähnlich, »stilgerechte« Steinbaukästen, Spielschiffe
und Eisenbahnen mit kompliziertem Betrieb, die ein getreues Modell
dieser Verkehrseinrichtungen darstellen. Wir leben ja im Zeitalter der
Technik, so mag der künftige Ingenieur schon in der Kinderstube sein
Talent an solchen Modellen nähren. Das ist die Meinung so mancher
Eltern, die bei der Geburt des Kindes schon seinen Beruf vorbestimmen
und den Fachmann bilden wollen, ehe sie den Menschen gebildet haben.
Von den Großen wird das Spielzeug gewählt, anstatt von den Kleinen.
Aber was das sentimentale Kindlichkeitsgefühl der Großen gutheißt,
billigt nicht immer der naive Sinn der Kleinen. Diese armen Kinder der
Reichen! In eine Kinderstubenwelt werden sie gestellt, die fertig ist
und ausgebaut und die nichts übrig läßt zu vollenden. Und nun heißt
es: spiele! Spielen um des Spielens willen? Für das Kind ist das Spiel
notwendige Arbeit, daran es seine Kräfte übt und entwickelt. In dieser
fertigen Welt beginnt die Arbeit mit dem Zertrümmern. Zertrümmern, um
neu aufzubauen. Um wie viel reicher sind oft die Kinder der Armen!
Ein Stück Holz wird zur Puppe, von der kleinen Mutter sorgfältig in
armselige Lappen gehüllt und aufs zärtlichste betreut. Mit der Sorge
wächst die Liebe. Man sage der Kleinen nicht, das ist keine Puppe,
das ist nur ein Stück Holz! Wo gewöhnliche Augen nur ein Stück Holz
sehen, da hat die kindliche Phantasie bereits ein Wunder bewirkt.
An dem selbsterschaffenen beseelten Gegenstand übt das junge Herz
seine Fähigkeiten. Und dieser Gegenstand hat alle Bedeutung, die es
hineinlegt. Er ist das rechte Spielzeug geworden.

[Illustration: Bad von Arch. Leopold Bauer.]

Die Jungen auf dem Dorfe kennen den Steinbaukasten und seine zwei bis
drei Gestaltungsmöglichkeiten nicht. Sie kennen nur den Lehmhügel am
Bach und den Sandhaufen, die der Baulust keine Grenze setzen. Hier hat
es der Formsinn leicht. Brücken entstehen, Wälle, Befestigung, Minen,
Werke der augenblicklichen Eingebung, die im nächsten Augenblicke
wieder anderen weichen. Immer ist es kurzweilig und zweckvoll. Der
willige Baustoff fügt sich jeder Regung des Schaffenstriebes. Und
die ungestörte Phantasie bevölkert alle diese Bauten, die Gruben
und Löcher, mit spukhaften Geheimnissen. Es ist die Zeit, da das
Märchen zur Wirklichkeit wird, die Wirklichkeit zum Märchen. Das
Spielzeug verhält sich zu den Dingen des Alltags wie das Märchen
zur Wirklichkeit. In beiden ist die reale Welt vorgebildet, aber
zugleich auf die einfachsten, sinnfälligsten Elemente reduziert. Die
gemeine Logik reicht gar nicht aus, um diese Elemente zu würdigen.
Man müßte denn die Welt mit den Augen des Kindes ansehen, naiv,
voraussetzungslos sagen wir künstlerisch. In diesem Betrachte ist auch
das Spielzeug künstlerisches Neuland. Es erfordert einfach organisierte
Seelen, wie es der Toymaker Caleb Plummer und seine blinde Tochter
in Dickens »Heimchen am Herde« sind. Solche Seelen wissen, daß eine
Reihe von Sardinenbüchsen, mit einem Bindfaden zusammengehalten, dem
Volk der Kleinen eine bessere Illusion von einem Eisenbahnzug gibt,
als das technisch vollkommenste Modell. In unseren Straßen gehen
arme Slovaken herum mit billigem Spielzeug, das sie selbst aus Holz
schneiden, nach ihrer eigenen unverbildeten, kindlichen Anschauung.
Der blasierte Großstädter kann diesen Dingen keinen Reiz abgewinnen,
er sagt, »es ist nichts d’ran«. Es ist allerdings nichts d’ran, als
eine entzückende Naivität, eine überraschende Kindlichkeit, die uns
Großen abgeht. Die Kleinen haben wohl ein anderes Urteil darüber, und
wie mich dünkt, ein weit richtigeres. Nehmen wir ihnen doch nicht schon
von der Kinderstube an jene Kindlichkeit, die ihr gutes Recht ist,
ihre Kraft und Schönheit. Sie zu hüten und für das Leben zu bewahren,
ist ein wichtiger Teil der Erziehung. Und im Dienste dieser Erziehung
steht das Spielzeug. Ferdinand Andri hat den immerhin interessanten
Versuch gemacht, Spielzeugtypen grotesker Art zu schaffen, die an den
primitiven Charakter der besprochenen alten volkstümlichen Spielsachen
anknüpfen.

[Illustration: Bad von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Badezimmer von Arch. Karl Bräuer.]



[Illustration: Waschgeschirr von Frl. Jutta Sicka. Porzellanmanufaktur
Joseph Böck, Wien.]



Das Mädchenzimmer.


[Illustration: Kinderschlafzimmer von Arch. Leopold Bauer.]

[Illustration: Badezimmer von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Kinderarbeitszimmer von Arch. Leopold Bauer.]

[Illustration: Mädchenzimmer-Ecke von Arch. Max Benirschke.]

Die Stellung der Frau im heutigen Leben ist ein Kampf, ihr Kampf
ist ein Suchen. Ihr Streben ist Gleichberechtigung mit dem Manne in
sozialen, beruflichen und politischen Dingen. Auf allen Gebieten
wetteifert sie mit ihm als ebenbürtige Genossin -- oder Rivalin. Das
spürt man schon im Mädchenzimmer. Die Nervositäten des Tages vibrieren
bis in die Stille des jungfräulichen Gemaches. Der Studiengang ist von
fast männlicher Strenge und Härte, auf den künftigen Struggle for life
vorbereitend. Und dennoch liegt über den Dingen ein milder Abglanz
weiblicher Grazie, die die Frau auch in den Härten des Berufes als
unschätzbares Gut bewahren will. Die Zwittererscheinungen des dritten
Geschlechts gehören einer kurzen Uebergangsperiode an und sind mit dem
Fluche der Lächerlichkeit beladen von der Bildfläche verbannt. Das
Mädchenzimmer vor fünfzig Jahren ist gegen das heutige eine friedvolle
Welt. Das war damals ein liebliches Hindämmern an Bändern und Kram,
bis der Großvater kam und die Großmutter nahm. Vielleicht gleicht
das heutige Mädchenzimmer dem damaligen sehr stark an äußerlichen
Stimmungselementen, aber innerlich ist es von ganz anderem Leben
erfüllt. Eine satte, lavendelschwere Luft lag in dem Raum, wo durch
weiße Gardinen der Tag hell herein schien, der Schreibtisch mit den
dicken zylindrischen Füßen barg Schleifen und Andenken, himmelblaue
Vergißmeinnichtlyrik auf antikisierenden Wunschkarten gedruckt, ein
Päckchen Briefe voll lispelnder Ach!, in steifer Schrift geschrieben,
abgestandene Parfums entsendend, wie ein altes leeres Flacon, und aus
dem spindeldürren Spinet entstiegen in dünnen gebrechlichen Tönen
Mozarts graziöse Menuetts, Schuberts kindlich fröhliche Weisen, während
durch die Straßen die sentimentalen Klänge zogen: »wann’s Mailüfterl
säuselt...« Die Lavendelstimmung ist heute auch aus dem Mädchenzimmer
entschwunden. Im Notenständer neben dem Klavier finden wir Richard
Wagner, Hugo Wolf, Richard Strauß, Schubert und Beethoven sind
geblieben. Auf dem Tische häufen sich Bücher, sogar Zeitschriften,
Maeterlincks »Leben der Bienen« liegt da; es liegt nicht nur da, es
wird auch gelesen. Was unter dem Titel »Mädchenliteratur« einstens
beliebtes Lesefutter war, ist nicht vorzufinden. Das Nähtischchen im
Fenster mit dem Strickkörbchen im Fuße ist ebenfalls verschwunden, es
ist samt der »Mädchenlekture« in der Rumpelkammer der Vergangenheit
begraben. Blumen stehen am Fenster, wie es auch einst war, Rosen im
Glas und, wenn es die Jahrzeit will, auch weiße Lilien. Das ganze
Gemach ist darauf gestimmt, eine Symphonie in Weiß. Das Bett steht
unsichtbar hinter den weißen Vorhängen, die vom Plafond heruntergehen
und tagsüber zugezogen sind. Weiße feine Vorhänge, seitlich zu öffnen,
verhüllen das Fenster, weiß sind Decke und Wände, durch die bandartig
ein Fries geht, und an den Wänden hängen, in schmalen, glatten Rahmen
Reproduktionen nach Burne Jones, trauernde Frauengestalten mit
keuschem Leib und sehnsüchtigen Blicken, »love in ruins« und andere
schmachtende Legenden, die der knospenhaft unerschlossenen Gestalten
präraffaelitischer Meister, die nun seit einigen Jahren modern sind.
Schmalhüftige hochgezogene Möbel stehen herum, fußfrei, so daß man
unten bis zur Wand blickt, was den Raum größer erscheinen läßt,
ein weiter Bücherschrank, zierliche Schränkchen und Stühle, ein
Toilettetisch mit fazettiertem Glas ohne Rahmen und mit Laden, die
Toiletteartikel darin zu versperren, im übrigen alles blitzblank und
sauber anzusehen, hie und da ein erlesenes Stück eigenen Kunstfleißes,
ein Tischläufer, eine Schutzdecke, sauber ausgenäht, mit modernem
Muster. Der Bodenbelag ist einfärbig ohne Dessin, oder fast ohne
solchen, graublau im Ton und die Möbel sind lackirt. Blau steht zu
weiß sehr schön. Dunkles Rot kann auch verwendet werden. Hellgelbes
Kirschholz ist von bezwingender Anmut. Ein solches Gemach wirkt schon
durch die Farbe wie ein Frühling. Stehen ein paar feine Gläser am
Schränkchen, einige kleine Kunstgegenstände gut verteilt, Vasen,
Porzellan aus Kopenhagen, blank und schimmernd, dann mutet es an wie
ein Festtag im Mai.

[Illustration: Mädchenzimmer von Arch. Alois Hollmann.]

[Illustration: Toilette von Arch. Karl Bräuer.]

Solcherart erscheint das Mädchenzimmer als ein Spiegel der
Persönlichkeit, die darin lebt.

Und nicht nur der Persönlichkeit, sondern auch ihrer Zeit. Was die
Ideale, Wünsche und Hoffnungen der Gegenwart sind, kann und soll man
ja auch an diesem Ort verspüren. Die Zeiten sind jedenfalls vorbei,
wo die Mädchenerziehung kein anderes Ziel kannte, als unter die Haube
zu kommen. Nichtsdestoweniger ist es sehr erfreulich, wenn sich im
heutigen Mädchenzimmer auch ein Kochbuch vorfindet. Die genaue Kenntnis
des Hauswesens auf Grund eigener Betätigung ist auch für jede gebildete
Dame eine selbstverständliche Voraussetzung. Die Vorbereitung auf
irgend einen selbständigen Beruf und auf das Leben, das draußen harrt,
soll unter allen Umständen auch der Entwicklung häuslicher Tugenden
Raum gewähren. Was immer die Zukunft erheischen möge, das Leben dürfte
in diesen Raum nichts hereintragen, was irgendwie geschmackswidrig,
schmutzig und anstößig ist. Man muß nicht hausbacken und prüde sein,
aber man muß in allen Fällen auf _seelische Hygiene_ bedacht
sein, sowohl im Umgang mit Menschen, als mit Büchern und Dingen.
Im allgemeinen dürfte das Mädchenzimmer in allen Verhältnissen den
oben geschilderten Charakter empfangen, bald einfacher, bald reicher
ausgestattet, je nach den persönlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten.
Seine besondere Prägung wird es natürlich von dem Geiste erhalten, der
darin haust. Die Wohnungspsychologie kann nicht leicht Fehlschlüsse
ziehen. Man wird es auf den ersten Blick erkennen, ob die Inwohnerin
Kunstgewerblerin, Beamtin oder Studentin ist. Die Individualität soll
ja in den Dingen der Häuslichkeit am stärksten sprechen. Reinheit und
Nettigkeit machen hier, wie überall den Hauptschmuck aus. Die Grazien
werden sicherlich auch das Gemach erfüllen, wenn sie die Inwohnerin mit
ihren Gaben beglückt haben, was natürlich nicht zu bezweifeln ist. Wenn
auch die junge Dame ein angehendes »Fräulein Doktor« ist, braucht ihre
Stube nicht auszusehen wie eine Studentenbude. Es ist eine bedenkliche
Atmosphäre, wo Parfum mit Zigarettenqualm vermischt ist.

[Illustration: Mädchenzimmer von Arch. Maurice Herrgesell.]



Blumen am Fenster.


Die Hausgärten sind aus unserer Stadt ziemlich verschwunden. Der
Utilitarismus der Bauunternehmer hat nicht bedacht, daß die Naturfreude
mit zu den täglichen Lebensbedürfnissen der Stadtmenschen zählt. In
dem Maße aber, als Garten und Feld zurückwichen und die Natur den
ungastlichen Mauern entfloh, erwuchs in der Trostlosigkeit dieser
Steinwüste eine seltsame, bleiche Stubenpflanze, die Natursehnsucht,
die recht eigentlich ein Großstadtprodukt ist. Und zugleich ein
wichtiger Faktor der Kultur. Wie tief diese Sehnsucht wurzelt, kann
man an Sonn- und Feiertagen sehen, wenn die Menge »aus der Straßen
quetschender Enge« ins Freie drängt, wenn sie an Waldungen und
Feldrainen Blumen errafft, um sie in die traurigen Stuben zu stellen,
wo sie sterbend noch einen Abglanz von Sonnenfreude und Sommerlust
verbreiten. Wenn es irgend ein Vollkommenes gibt, so ist es gewiß das
schöne, stille Sein der Pflanze und die Reinheit ihres Lebens. Und was
die Menschen für das Feinste ansehen, ist ihre Schönheit und ihr Duft.
Sie wirkt mit der Kraft eines Symbols. Ein einziger Zweig ins Zimmer
gebracht, und ein ganzer Frühling ist zu Gast!

[Illustration: Kassette von Arch. Max Benirschke.]

[Illustration: Rauchtisch von Architekt Max Benirschke.]

[Illustration: Blumenständer von Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Die unklare Natursehnsucht des Städters gibt einen klaren
Fingerzeig. Etwas sehr wertvolles liegt darin, vielleicht ein neuer
Zivilisationsfaktor, den man nur zu organisieren braucht. Anfänge
sind vorhanden, um in die naturverlassene Stadt wieder die Gärten
einzuführen. Jedermann in der Stadt kann seinen Garten vor dem Fenster
haben. Einen winzigen allerdings, aber ein Gärtchen immerhin. Einen
Meter lang, ein Drittel breit, nicht größer als es das Fenstergesimse
erlaubt, und die grün oder weiß gestrichene Einfassung, die dort
aufzustellen ist. Für wenig Geld liefert der Markt die schönsten
Blumen, und zwar je stärker die Nachfrage, desto billiger. Die Sache
hat auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung. Ein wichtiger Zweig der
Landwirtschaft käme ins Aufblühen, die Blumenzucht. Man bedenke, was
die Blumenkultur in Holland und in Frankreich wirtschaftlich bedeutet.
Keine Stadt hat größeren Blumenbedarf als Paris und nirgends sind die
Blumen billiger. Die Blumenmärkte von Paris sind eine Sehenswürdigkeit.
Bei uns ist kaum noch der Sinn dafür aufgegangen, welche reiche Quelle
von Freuden ein solches Blumenbrett ist, ein gut bestandenes und
schön gepflegtes, natürlich. Wenn aus dem Gesimse eine Blumenwildnis
hervorblüht, die duftet und leuchtet in den prangendsten Farben, ist
die Stube mit einemmal verwandelt. Die freundlichen Hausgötter der
Traulichkeit und Wohnlichkeit sind plötzlich eingekehrt und walten mit
Zaubermacht, mag auch der Hausrat noch so ärmlich sein. Es ist nicht
nur eine liebliche Augenweide, o, noch viel mehr! Öffnet man am Morgen
das Fenster, dann wälzt der Lufthauch ganze Wolken von Wolgerüchen
herein, die das Gemach erfüllen. Und welche Labsal ist es, abends
hinter diesem Hausgarten zu sitzen! Eine Fülle von Segen strömt vom
Fenster her in die Stube und in das Herz der Inwohner und hilft wol
irgend ein Gutes im Leben zu fördern. Diese Blumenwildnis vor dem
Fenster ist zwar kein vollkommener Garten, nicht einmal eine Laube,
wie man sie einst hatte, aber sie ist etwas, was unter Umständen noch
viel mehr sein kann, weil sich ein persönliches damit verbindet. Denn
die Liebe, die auf dem Grunde eines jeden guten Werkes ist, muss sich
auch hier betätigen. Wer hier nicht säet, wird auch nicht ernten.
Die Blumen am Fenster gedeihen nicht ohne aufmerksame Pflege. Das
verursacht zwar eine kleine Mühe morgens und abends, aber was tut’s?
Kann man denn etwas lieben, um was man sich gar nicht zu bemühen
braucht? Zumindest ist hier die Mühe eine Freude, die man nicht dem
Dienstmädchen überlassen soll. Der bloße Pflichtbegriff ist giftiger
Mehltau für die Blumenpracht am Fenster. So etwas merkt man gleich.
Nein, die Blumenpflege gehört der Dame des Hauses zu. Dann wird das
Blumenbörtel zum Symbol, wo jede Pflanze von der Sorgfalt und Liebe der
gewiss liebenswerten Gärtnerin erzählt. Oft kommt man an einem Hause
vorbei, wo an einem der Fenster Hortensien stehen und Nelken und Rosen,
Pelargonien und brennende Liebe und je nach der Jahreszeit manche
andere schöne Pflanze. Die schönen weißen Hände, die sichtbar werden,
um mit so viel Liebe den Blumenstand am Fenster zu pflegen, zur eigenen
Herzenslust und zur stillen dankbaren Freude des Vorübergehenden,
geben ein sehr edles Beispiel. Eine neue Schönheit zieht in unsere
Straßen ein. Da und dort bricht aus den Gesimsen eine solche blühende
und duftende Blumenwildnis hervor. Und nun denke man sich diesen
Blumenreichtum über alle Fenster, an allen Häuserreihen, bis ins
höchste Stockwerk verbreitet: er müsste die Stadt in einen reizenden
Garten verwandeln. Es müsste ein Segen sein fürs Auge und fürs Herz und
auch für die Gesundheit. Die lebt ja bekanntlich vom Schönen, ebenso
wie das Gute.

[Illustration: Mädchenzimmer von Arch. Franz Exler.]

[Illustration: Mädchenzimmer von Arch. Franz Exler.]

[Illustration: Blumenkübel. Prag-Rudniker Korbfabrikation.]

[Illustration: SALONKASTEN UND DIE DAZUGEHÖRIGE EINLEGEARBEITEN.

Arch. Max Benirschke.]

Aber nicht nur nach außen hin würde der Wandel eintreten, sondern
auch nach innen. Eine Revolution hat die Blume in den Wohnungen
hervorgebracht. Der Fall ist typisch: Ist in irgend einem Hause
die Blumenfreude intensiv geworden, dann spürt man die Woltat der
Blumenherrschaft in allen Räumen. Die schweren Stoffgardinen, welche
die vordem so beliebte Rembrandt’sche clair-obscur-Stimmung erzeugen
sollten, werden entfernt. Luft und Licht strömen nun in vollen
Fluten herein. Nun zeigt es sich auf einmal, welch’ ein lichtscheues
Gesindel von Nippes und lächerlichem Aufputz die Wohnung verunstaltete,
vom Makart-Bouquet angefangen bis zu den japanischen Schirmen und
Photographieständern, wie viel unkontrollierbare Staubwinkel allen
Wänden und Möbeln entlang vorhanden sind. Die Umwälzungen, die von
der stillen selbstgenügsamen Blume ausgehen, füllen ein lustiges
Kapitel. Wir wollen uns einmal flüchtig daran erinnern, daß unsere
Großeltern eine solche feine Kultur besaßen, zu der wir jetzt erst
wieder den Anfang machen. Treten wir in die Tür unserer Großväter,
dann finden wir ein helles Gemach mit weißen Gardinen, einfarbigen
oder weißen Wänden, hellgelbe Kirschholzmöbeln, und als Herrscherin
und Hüterin dieser einladenden, traulichen Stimmung die Blumen, unsere
heimatlichen Bauernblumen in weißen Töpfen, lieblich anzuschauen. In
der Blumenliebe liegt etwas sehr Edles. Der Anfang von Kunst liegt
in ihr. Was die Blumenpflege für die Kultur bedeutet, mag man in der
ausgezeichneten Schrift »Makartbouquet und Blumenstrauß« von Alfred
Lichtwark nachlesen. Von den Blumen der Heimat muß man ausgehen, sie
passen zu unserem Dasein. Wir finden sie in den beliebten Blumenstücken
der früheren Zeit, in den Vorgärten der alten Landhäuser und in den
Bauerngärten. Nur die Modesucht hat sie verachtet. Darum sollen sie zu
Ehren gebracht werden.



Blumenkörbe.


[Illustration: SALONKASTEN UND DIE DAZUGEHÖRIGE TREIBARBEIT

Arch. Max Benirschke.]

Das wissen alle Hausfrauen ganz gut, daß die reichlich verwendeten
Blumenkörbe fast immer absolut geschmacklos und unpraktisch waren. Daß
Niemand in seinem Hause einen praktischen und ästhetisch befriedigenden
Blumenkorb aufweisen konnte, hatte einen ganz einfachen Grund. Es gab
keinen also beschaffenen Blumenkorb. Was bislang für geschmackvoll
galt, war ein Blumenkorb mit einem aus imitiertem Astwerk gefertigten
Gestelle, womöglich braun gestrichen oder gar bronziert oder sie
waren geflochten und hatten Voluten und andere stilvolle Ornamente
aus Weidenruten und Flechtwerk aufgesetzt, die als wahre Staubfänger
in kurzer Zeit ein scheußliches Aussehen bekamen und ob ihrer
augenscheinlichen Zwecklosigkeit in das Gebiet des lächerlichsten
Unfugs gehören. Künstler und Kunstgewerbler haben sich in letzter Zeit
mit den Formen des Blumenkorbes befaßt. Soweit diese Lösungen bekannt
geworden und in den Handel gekommen sind, läßt sich ein bedeutender
Schritt zur Zweckmäßigkeit und wohltuenden Einfachheit konstatieren.
Formen sind im Handel, die aus Pfefferrohr und Flechtwerk hergestellt,
die Ansprüche des guten Geschmackes wohl erfüllen. Aber es liegt
immerhin noch ein weites Feld für die Erfindung schöner und praktischer
Formen, sowie für die Anwendung geschmackvoller Farben offen. Der
große Anreger auf kunstgewerblichem Gebiete, Alfred Lichtwark, erzählt
in seinem Buche »Blumenkultur« (das jedermann lesen sollte, ebenso wie
alle seine anderen Schriften), daß ihm berichtet wurde, in Hamburg
hätte man früher statt der Blumentöpfe vor jeden Fensterflügel einen
langen, eckigen Korb gestellt, als Hülle für vier oder fünf Töpfe.
Diese Körbe wären innen und außen gestrichen gewesen. Gesehen hat er
sie nicht mehr.

[Illustration: Zusammenlegbares Buffet einer Offizierswohnung v. Arch.
Exler.]

Diese Einrichtung ist schön und praktisch und Lichtwark knüpft daran
die Erörterung der Farbe. »Es ist nichts im Wege, daß man neben dem
Grün auch Weiß -- was sehr günstig ist -- und unter Umständen auch Rot
verwendet oder Weiß mit grünen, Grün oder Rot mit weißen Querstreifen.
Auch Blau, Purpur, Orange und Gelb sind denkbar, aber schwieriger zu
verwenden, sobald man es mit mehr als einer Blume zu tun hat. Für
größere alleinstehende Zimmerpflanzen sind Topfhüllen in Gestalt schön
bewegter und geschmackvoll gefärbter runder Körbe -- Korbvasen --
ausgezeichnet zu verwenden. Sie sehen gut aus und haben den Vorzug,
nicht zu zerbrechen«.



Die Offizierswohnung.


Die Frau des Offiziers beginnt heute einzusehen, daß es für ihre
Wohnung nichts unpraktischeres geben kann, als den billigen Prunk und
lächerlichen Zierrat, der in den durchschnittlichen Stadtwohnungen
einen täuschenden Schein von Luxus und Eleganz erwecken soll. Der
Begriff: standesgemäß, für den militärischen Beruf bindender, als für
jeden anderen, hat in Bezug auf die Offizierswohnung eine seltsame
Umwertung durch das Beispiel jener bürgerlichen Wohnungen erfahren, die
von einer gedankenlosen marktlichen Massenfabrikation beherrscht, einen
nicht mehr zu unterbietenden Tiefstand des Geschmackes bezeichnen.

[Illustration: Offizierswohnung von Arch. Alois Hollmann.]

Standesgemäß, das sollte ursprünglich wohl heißen zweckgemäß, lebt
heute nur der ledige Offizier. Er hat die typische Offizierswohnung
ausgebildet, die in ihrer Einfachheit und Mobilität auf das Zelt
zurückweist. Da steht sein eisernes Bett, ein Bücherbrett, ein paar
Feldstühle, ein großer zusammenklappbarer Tisch, darauf er bequem
Pläne, Skizzen, Bücher und Schreibzeug ausbreiten kann. Ordnung und
Nettigkeit geben dem Raum den einzigen, aber auch wirksamsten Schmuck.
Sobald der Offizier verheiratet ist, verliert seine häusliche Umgebung
in der Regel ihren typischen Charakter. Die Frau des Hauses, welche in
der Wohnungsfrage zu entscheiden hat, hält sich an das Beispiel, das
die Masse gibt. Sie richtet die Wohnung so ein, wie sie Geschäftsleute
und Beamte haben, die nie oder nur selten in die Lage kommen, ihren
Wohnsitz zu wechseln. Dann sieht man an den Möbeln jene schleuderhaften
Schmuckformen, deren Daseinszweck nur darin besteht, die unsolide Mache
zu verkleiden und ein Übermaß täglicher Reinigungsarbeit zu verursachen.

Man kann sich leicht die Verwirrung vorstellen, wenn die Notwendigkeit
eines Garnisonswechsels eintritt, auf den der aktive Offizier gefaßt
sein muß. Trotz der ungeheuren Verpackungsmühen und der erforderlichen
unverhältnismäßig großen Anzahl von Transportwägen, welche die
Transferierungskosten enorm erhöhen, ist das Mobilar, das einer
solchen Inanspruchnahme nicht gewachsen ist, schweren Beschädigungen
unterworfen.

[Illustration: SPEISE ZIMMER

Offizierswohnung von Arch. Alois Hollmann.]

Man mußte sich erst über alle Unzulänglichkeiten klar werden, um
wieder die Möglichkeiten einer standesmäßigen, das heißt, zweckmäßigen
Offizierswohnung auf Grund einer klaren Erkenntnis der Bedürfnisse zu
finden.

Das praktische Möbel ist selten teuerer, meistens sogar billiger,
als die schleuderhaft und gedankenlos fabrizierte Marktware. Raum,
Zeitersparnis und Bequemlichkeit muß die Möbelkonstruktion für die
Offizierswohnung gewähren, vor allem die Möglichkeit kompendiös zu
packen, so daß vier Zimmer in einem Transportwagen ohne die Gefahr der
Beschädigung gut untergebracht werden können. Zusammenlegbarkeit nach
Art der amerikanischen Missionärmöbel oder der einfache Kofferstil
werden in diesen Fällen zu den besten Lösungen führen. Auf Schmuck
kommt es beim praktischen Möbel nicht an. Er ist auch keine Bedingung
der Schönheit.

Schönheit entsteht hier nicht durch die äußerliche Zutat von
Schmuckformen, sondern kann im Wesentlichen nur aus der Zweckmäßigkeit
entwickelt werden. Auch die übrige Dekoration des Zimmers mit Vasen
und Kleinplastik müßte sehr zurückhaltend, aber so gediegen als
möglich sein. Was nicht den prüfenden Blick aushalten kann, hat keine
Berechtigung im Raum zu existieren. An Stelle der Schmuckform würde die
edle, feinempfundene Farbe treten. Diese einfachen, geradlinigen und
augenscheinlich gediegenen und praktischen Möbel würden, koloristisch
behandelt, im Verein mit weißen, waschbaren Gardinen und einigen
Blumen am Fenster in jedem Raum, der nur weiße, kalkgeputzte Wände
hat, die traulichste Stimmung erzeugen und zugleich ein Beweis für den
höheren Geschmack der Offiziersfrau sein, die ein auf den besonderen
Berufserfordernissen beruhendes Studium der Möglichkeiten nicht
gescheut hat. Von einem modernen Architekten, den sie etwa zu Rate
gezogen, unterstützt oder im persönlichen Kontakt mit dem Handwerker,
dem sie Angaben macht und dessen Arbeiten sie wachsam verfolgt, müßte
sie zu einer Einrichtung gelangen, von der man nicht behaupten dürfte,
daß sie paßt, wie schlechtsitzende Kleider. Sie würde ebenso wie bei
den Kleidern auch das Maß der Stühle und Tische bis auf den Millimeter
durchprobieren und den Bedürfnissen des Körpers anpassen lassen. Der
gute Stuhl in ihrem Hause müßte alle Bequemlichkeiten bieten und
den darauf Sitzenden dennoch elegant erscheinen lassen. Querleisten
zwischen den Beinen würde man an diesen Stühlen nicht finden, weil
sie überflüssig und unpraktisch sind. Denn erstens will man die Füße
unter den Stuhl bequem einziehen können und dann kommen Sporen mit den
Querleisten leicht in Kollision. Überall würde darauf geachtet sein,
daß nicht mehr Material zur Verwendung kommt, als unbedingt nötig ist,
um den Formen keine unnötige Schwere zu geben.

[Illustration: SCHLAF Z.

Offizierswohnung von Arch. Alois Hollmann.]

Bei Stühlen, die an die Wand gerückt werden, müßten die Hinterbeine
weit ausladen, damit die Lehnen die Wand nicht abschrammen können.
Auch bei dem Tisch sind die Querstangen zur Festigung nicht nötig und
daher nur dort zu dulden, wo ihre Abnutzung nicht stört, wie etwa in
der Bauernstube, wo das Holz gewaschen werden kann und das Aufstellen
der Füße keinen Schaden anrichtet. Die Reise um das Zimmer ließe sich
bequem fortsetzen und von Gegenstand zu Gegenstand der Beweis führen,
wie unpraktisch das für die Bedürfnisse der Massen hergestellte
Marktmöbel in jedem besonderen Falle ist. Die Offiziersfrau, die sich
in jedem einzelnen Falle darauf besinnt, was ihrer Wohnung zum Vorteil
gereicht, wird keine Einrichtung haben wie eine Krämersfrau, auch
nicht wie eine Banquiersfrau. Sie wird ein Heim haben, das sich von
allen anderen unterscheidet als die standesgemäße Offizierswohnung.
Und sicherlich wird jeder, der eine solche Wohnung sieht, anerkennen
müssen, daß es eine tapfere und geschmackvolle Dame ist, die den
Mut hat, durchaus zu scheinen, was sie sein soll, nämlich wahrhaft
standesgemäß. Dazu gehört sicherlich eine vornehme Gesinnung und ein
selbstbewußter Charakter, der an all der erborgten und verlogenen
Eleganz, die man heute sieht mit einem Lächeln der Geringschätzung
vorübergeht und tut, was seiner Art gemäß ist.

[Illustration: Offizierswohnung von Arch. Alois Hollmann.]



Die Arbeiterwohnung.


[Illustration: Einfache Wohnung. Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Auf meiner Suche nach einer wahren Volkskunst innerhalb der
ausgestalteten Häuslichkeit stieg ich tiefer hinab zu jenen breiten
Volksschichten, denen nicht um den Schein, sondern um das Sein zu tun
sein muß, um die bloßen Kräfte, die in den Mauern, Bögen, Fenstern,
Pfeilern, wirksam sind, also um den nackten Zweckbegriff, um das rohe
Gerüst praktischer Schränke, Tische und Stühle, denen als einziger
Schmuck die natürlichen Eigenschaften des Materials, die Struktur
des Holzes etc. zugute kommen, zu jenen Volkskreisen also, die nicht
Zeit und Geld haben, ihr Leben mit Schmuck und Tand herauszuputzen,
sondern die auf das Gesunde, Primitive, Einfache losgehen. Dort
dürften Anregungen und die Offenbarung einer wahren Volkskunst zu
erwarten sein. Mit diesem Gedanken kehrte ich beim Kleinbürger ein,
bei jenen besseren Handwerksleuten, die überhaupt Anspruch auf ein
geordnetes Hauswesen erheben. Nichts von dem, was ich erwartete,
habe ich dort gefunden. Alles wollte mehr scheinen, als es wirklich
war, mit einem erborgten Schein über die grinsende Nacktheit und
Armseligkeit der Wohnräume hinwegtäuschen. Bei Leuten war ich, die sich
neu eingerichtet hatten. Kalt und hart standen ein paar Möbelstücke im
Raum; fabriksmäßig schleuderhaft gearbeitete, vom Händler um schweres
Geld gelieferte Betten, Tische und Stühle, in diesem oder jenem »Stil«,
neuestens gibt es auch solche im »Sezessionsstile«. Der Stolz der
Leute hing an ihnen, sie saßen in der Küche, um das einzige schöne
Zimmer zu schonen und lauschten am Abend ängstlich auf das mörderische
Krachen des zerlechzenden Holzes, wobei es ihnen jedesmal wie ein
Dolchstoß durchs Herz fuhr. Die Ärmsten waren gewiß am schlimmsten
daran; sie hatten am teuersten gekauft und konnten an ihrem Heim keine
rechte Freude haben. Da lobe ich mir die ärmste Bauernhütte, wo man
Blumen im Fensterrahmen stehen sieht. Hier offenbart sich wenigstens
die Liebe zur Natur, welche gleichzeitig die Liebe zur Heimat und zum
Heim ist und der eigentliche Anfang aller Kultur und Kunst. Mehr als
aller Trödlerkram ladet ein solcher Raum den Gast zum behaglichen
Verweilen ein, wenngleich seine Geräte, Tisch und Bank nur aus blankem
Holze roh gezimmert wären.

[Illustration: Einfache Wohnung. Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

[Illustration: Einfache Wohnung. Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Ein Begriff beherrscht die Anschauungen aller Klassen, der die Lebens-
und Wohnverhältnisse bis in die tiefsten Schichten der arbeitenden
Bevölkerung herab, vergiftet hat, der Begriff: Luxus. Es ist im Vorigen
wiederholt dargelegt worden: Luxus, als das schlechthin Überflüssige,
und darum eigentlich Schädliche. Das Wort und die Sache, die es
deckt, kam eigentlich dadurch auf, daß eine reiche Lebenshaltung auf
Kreise übertragen wurde, die keine Bedürfnisse in dem angemessenen
Maßstabe besaß, und die sich der übernommenen Dinge nur bedienten, den
Anschein von Vornehmheit und Größe zu erwecken. Die Sache ward Mode,
und wer sich nicht mit kostbaren Dingen umgeben konnte, begnügte sich
mit billigem Kleinkram und den rohen, effekthaschenden Zierraten,
die man sogar an der erbärmlichen Trödelware entdecken kann. Dieser
uneigentliche »Luxus« brachte die gesunde Anschauung, die auf das rein
Zweckliche ausgeht und in deren Erfüllung alle Schönheitsmöglichkeiten
liegen, zum Verfall. Die ganze moderne Bewegung bezweckt letztenendes
die Wiedererweckung jener gesunden Grundsätze. Die große Menge, die
sich zu kalt anstauendem Besuch in unsere Ausstellungen drängt,
verharrt in ihrem Heim gewöhnlich in den kulturwidrigsten Verhältnissen
und verbarrikadiert sich gegen alle Sanierungsversuche mit dem viel
verbreiteten Vorurteil, daß die moderne Einrichtungsfrage sich
lediglich auf die Formel zuspitze, »Thu’ nur Geld in Deinen Beutel!«
Die große Masse, die sich heute noch aus Oekonomie mit dem vom Trödler,
Ratenhändler oder Möbelfabrikanten gelieferten, roh ornamentierten
Plunder begnügt, ist nicht zur Einsicht erzogen, daß die solide,
zeitgemäße Ausgestaltung des Heimwesens durchaus mit keinem Mehraufwand
verbunden sein muß. Der Luxus mag sich dann je nach der Börse und den
persönlichen Ansprüchen richten und kann der Hauptsache nach nur in
der Verwendung von mehr oder weniger kostbarem Material bestehen. Im
Prinzip aber werden alle in den vorigen Kapiteln dargelegten Grundsätze
auch für die Arbeiterwohnung gelten müssen und eine Verschiebung nur in
Bezug auf größere Schlichtheit und beschränktere Wohnungsräumlichkeiten
eintreten können.

[Illustration: Einfache Wohnung. Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Auch die Arbeiterwohnung kann ein Schmuckkästchen sein, was Nettigkeit
und Ordnung betrifft, ein trauter Raum, in dem man gerne verweilt,
der nicht nur bewohnbar, sondern auch wohnlich ist und dem Kneipen
und Tingltanglwesen wirksam entgegenarbeitet. Der Andrang in Kneipen
und Tingltangln, die rohe Duzbrüderschaft lassen unfehlbar auf ein
zerrüttetes Hauswesen schließen. Soll man also die arme volkreiche
Stadt, wo sich die Wohnungen aneinander und übereinander bauen,
zahllos wie die Zellen eines Bienenkorbes, wohnlich finden und das
Gefühl der Heimatlosigkeit verlieren, so muß von dem Innern der Häuser
her, aus den Wohnungen der Eindruck verschwinden, daß fast alle, ob
arm oder reich, Fremdlinge im eigenen Heim geworden sind. Nun bilden
die erfreulichen Bildungsbestrebungen der modernen intelligenten
Arbeiterschaft freilich die sicherste Gewähr dafür, daß sich der
Ausbau einer inneren Kultur langsam vollzieht, der sich denn auch nach
außen hin in höheren Geschmacksanforderungen da und dort geltend macht.
Im Allgemeinen aber sieht es noch ziemlich schlimm aus. Aber auch
dem einfachsten Manne, der von diesen geheimen Triebkräften berührt,
Aufklärung sucht, wie er es in seiner Wohnung anfangen müsse, kann
geholfen werden. Aus den Andeutungen der früheren Kapitel müßte sich
eigentlich alles ableiten lassen, was der kleinen Wohnung des Arbeiters
oder Handwerkers frommt. Die Wände des Zimmers und der Kammer werden
jedenfalls ganz weiß getüncht sein, ein einfaches Fries tragen und
jedes Jahr mit wenig Kosten nachgetüncht werden können. Einfaches,
helles Zeug hängt als Zuggardine, seitlich aufzuziehen, in schlichten
Falten von den Fenstern herab, wo Blumen stehen und dem ganzen Raum
eine freundliche Stimmung geben.

[Illustration: Einfache Wohnung. Arch. Prof. Joseph Hoffmann.]

Die Möbel sind ganz einfach, aus weichem Holz, gut und sorgfältig
gemacht, in geraden Leisten und Brettern zusammengefügt. Reines,
einfaches Tischlererzeugnis -- ohne Künstelei. Die Farbe kann an
solchen Möbeln, wofern sie nur in guten und richtigen Verhältnissen
hergestellt, alle Schönheit hervorbringen. Überhaupt müßte die
Schönheit des Raumes zum Teil in der farbigen Wirkung gesucht werden.
Das weiche Holz läßt sich auf verschiedenartige Weise beizen und man
könnte zu dem Weiß der Wände einen graublauen Holzton oder einen
dunkelblauen oder kirschroten vorteilhaft verwenden, von zahllosen
anderen Abstufungen nicht zu reden. Man vermeide durchaus, irgend
ein Zierrat anbringen zu wollen. Schönheit kommt aus der zweckvollen
Durchbildung, aus der schönen Proportion der Masse und endlich aus der
glücklichen Farbenwirkung. Nur ein paar Haupttöne sollen vorherrschen.
Nebst dem Weiß der Wände irgend ein kräftiger farbenfroher Ton an den
Möbeln, der auch die einfachsten Stücke bedeutsam macht und den Sinnen
näher rückt. Man ahnt für gewöhnlich gar nicht, wie leicht die Sinne
auf die farbige Erscheinung reagieren. Weißlackierte Möbel, wie die
hier abgebildeten, sind das Kennzeichen einer ganz feinen Kultur. Für
billigen und echt künstlerischen Wandschmuck hat der Verlag Teubner und
Voigtländer, Leipzig, in vorzüglicher Weise gesorgt.

In allen Städten sind die Künstler am Werke, auch dem kleinen Mann
zu geben, was des kleinen Mannes ist. Eine wesentliche Aufgabe aller
Jener, die am Ausbau der modernen Kultur betätigt sind, ist es, das
Interesse des Volkes auf die Dinge zu lenken, die sein eigenes Wohl
betreffen und zur Mitarbeit an diesem Kulturgedanken anzuregen. Jeder
kann an der Schönheit der Erde und des Lebens mittun und Kulturarbeit
verrichten. Jeder tut es, der sein eigenes Feld wohlbestellt und bei
seinem Hause, bei seiner Wohnung, seinem Heim anfängt. Im Sinne dieses
Kulturgedankens wolle auch dieses Buch verstanden und als Freund und
Führer benützt werden.



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      „    23   „    „Krimkskrams“           „   „    Krimskrams

      „    25   „    „Artelierstils“         „   „    Atelierstils

      „    28   „    „künstlich“             „   „    künstlerisch

      „    28   „    „die“                   „   „    diese

      „    31   „    „trübe“                 „   „    liebe

      „    36   „    „Künstlerschulen“       „   „    Kunstschulen

      „    56   „    „Falche“                „   „    Falke

      „    59   „    „Hellmann“              „   „    Hollmann

      „    63   „    „Förderung“             „   „    Forderung

      „    64   „    „Dekorationssteller“    „   „    Dekorationsteller

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