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Title: Der zerstörte Tasso - Ausgewählte Gedichte
Author: Tagger, Theodor
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Der zerstörte Tasso - Ausgewählte Gedichte" ***


                                 DER
                           ZERSTÖRTE TASSO


                         AUSGEWÄHLTE GEDICHTE
                                 VON
                            THEODOR TAGGER

                               LEIPZIG
                          KURT WOLFF VERLAG

                Bücherei »Der jüngste Tag«, Bd. 62/63

            Gedruckt Ende 1918 bei E. Haberland in Leipzig



                                INHALT


   OHNMACHT UND AUFRUHR                      Seite
   Drei Stoßgebete                               9
   Der Dichter                                  12
   Abraham und Lot                              15
   Eva und Susanna                              18
   Die Eselin                                   20
   Lilie                                        21
   Fantasia Contrappuntistica                   23
   Preludio, Fughetta ed Fuga Esercizio         25
   Die Irren                                    28
   Ariadne                                      32
   Bilder und Aufraffung des Einsamen           35
   Der Löwenbändiger                            38
   Das Bett                                     42
   Der zerstörte Tasso                          44

   LANDSCHAFTEN
   Mann am See                                  51
   Abendsonne                                   52
   Späte Landschaft                             54
   Nacht                                        55
   Ohnmächtige Stunde, Versailles               56
   Landschaft                                   57
   Nasser Abend                                 58
   Mitternacht                                  59
   Mittag                                       60
   Winter                                       61
   Sommerabend                                  62

   PSALMEN DAVIDS
   Der erste Psalm                              65
   Der sechzehnte Psalm                         66
   Der einhundertundzweite Psalm                67
   Der siebenundsechzigste Psalm                70
   Der fünfundvierzigste Psalm                  71
   Der dreiunddreißigste Psalm                  72
   Der neununddreißigste Psalm                  74
   Der einhundertundneununddreißigste Psalm     76
   Der einhundertvierundvierzigste Psalm        80
   Der einhundertsiebenundvierzigste Psalm      83
   Der einhundertfünfzigste Psalm               86



                         OHNMACHT UND AUFRUHR



                             STOSZGEBETE


                                  I.

   Ich liebe dich, Herr. Aufgerissen
   über alle Maßen stehe ich
   zwischen den Tagen. Ich habe keine
   Hinneigung mehr, bin nur noch Schwanken,
   allem zugeöffnet --, und beraubt.
                                     Aber
   es kommt einmal deine Hand
   und du verschließt mich
   leise, daß ich reife und mich
   ausblaue in mir. O,
   hebe mein Weinen auf, Herr,
   laß mich erseligen
   an dir, du Grünen und du Träne an den Zweigen des Frostes.


                                 II.

   Herr, du mein Mond,
   o scheine mir wieder nächtliche Erlösung.
   Gieße die heißen
   und dunkelen Balsame aus deinen Händen,
   hebe die Lider vor den Psalmen deiner Augen.

   O, wie kannst du kühlen, sänftigen und verscheinen!
   O, wie kannst du, Herr, überschleiern!

   Sieh, ich leide hier an den schmerzlich schreckvollen Tagen,
   ach, die brennenden Tumulte der Sonne wirren mich müd
   und schwindelig, daß vor meinen Augen alles
   auseinandersplittert. Ich fasse nicht mehr,
   was die Erscheinungen sagen,
   ich höre nicht mehr die Stillen in den Stimmen,
   nur mehr das Klirren, ununterbrochen
   und sehne mich, Herr, ach, nach dir, o du, du Herr,
   du Nacht, du Dunkelblau der Tröstungen, du Überschleierer aller
      Anblendungen.


                                 III.

   Alles in mir brüllt zu dir hin,
   alles reißt sich dir zu.
   Ich bin nicht mehr dein Baum und dein Wild,
   dein Knecht und dein Kind.
   Ich bin dein Hunger, deine Müdigkeit,
   der Schlag aus deinem Mund,
   und der Schmerz aus deiner Hand.

   O Herr, o Donner
   der über meine Himmel weht,
   ich will zu dir restlos mich verflüchtigen,
   o Blitz du, streife mich an und verbrenne
   mich in die Landschaft.



                             DER DICHTER


                                  I.

   Alle Schritte führen
   mich den einen Weg,
   südliches Orchester des Herzens
   tausend Stimmen unter einem Stab.
   Ich habe keine Bilder
   und keine Gesichte stelle ich
   vor den Blick, ihn zu verschließen.

   Ungeheuer bauen sich
   meine Leben auf.
   Was ich fasse
   zerteilen meine Hände in die Verse
   des Augenblicks,
   Ding weilen
   in Sänften meines Denkens.
   Lang und im geduldigen Lauf
   trage ich sie vorüber an den Denkmälern
   vergessenen Aufwands.
   Anhauchen Herzen,
   steigen schlagend vor meinem Munde auf,
   Verzückungen der Knie -- o welche Strophen!
   Lieder, menschliches Veräußern,
   strenge Hände, angelehnte Blicke,
   und das weibliche Verschaukeln der Schultern,
   aufgestellte Seelen und die Verschlingungen des Teppichs
   umrasen sanft meine segelnde Stirn.


                                 II.

   Führen
   Zypressen der Blicke
   mich in einen Hain,
   drehen elektrische Bahnen
   auf der Straße,
   und klein um mich herum,
   Menschen schwimmen.
   Aber ich gehe,
   wie Moses,
   auf den Wellen
   schaukelnd über sie hin.

   Winkt der Turm Verheißung der Sammlung,
   und ich breite die Arme, mich zu zerstreun.
   Bahnhofshallen dunkeln
   kirchlich an,
   Wiesen blühen auf den Asphalten,
   Autos werden breite, mähende Kühe,
   die Welt steht still auf einer platten Scheibe.
   Gott herbstet
   vor meinen Augen,
   aber ich trage mich nicht
   zu seinem Verwelken hin.
   Ich blüte,
             unbegrenzt
   kommen Farben ohne zu verfallen.


                                 III.

   Pole sammeln mit fechtenden Spitzen sich wieder,
   meine Brust trägt sie beide im Schoß.
   Sommernächtig verkupfern kaum angekündete Lieder,
   lösen langsame Blätter von den Herzen sich los.

   Blutig wandet die Seele Blick und Gedächtnis,
   alles wird Einkreis, Brot und gequält.
   Bleibt ein Traum, schwarzes, dünnes Vermächtnis,
   plötzlich stehen und verzählt.

   Landschaften wellen keinen Hügel, und die berauschten
   weißen Hirsche springen nicht mehr auf und ab.
   Milchstraße, äthernde Augen, ländliches Geräusch vertauschten
   sich und dunkelten in den Morgen hinab.

   Zinnober und Sepia wäscht der gelbe Aufgang
   aus dem Gesichte der Nacht. Ich gehe, unbändig angetan,
   fröstelnd und vergeblich lang
   über die Wiesen der Gassen hinan.



                           ABRAHAM UND LOT


                                  I.

   Da der Herr Abraham aus seinem Lande rief, ihm zu folgen:
   sanft mit des Gläubigen unbedunkeltem Herzen nahm Abraham sich auf
      und folgte.
   Fünfundsiebzigjährig zog er aus Haran mit den leichten Schritten des
      Jünglings
   bis zum berühmten Tale und nahm Mühsal und Unruh späten Aufbruchs
   mit der milden Demut des Wanderers zu Gott.
   Gab voll Verheißung sein Weib dem Pharao preis, um zu leben,
   und war Abraham wie der Strauch Strauch ist und blüht
   und nicht fertig wird, es zu sein. Dieweil Lot sich krümmte
   und feilschte um die Worte des Herrn, verbrannt sein Gesicht war
   und nicht schimmerte zu den blauen Wiesen trächtiger Einfalt.
   Doch der Herr hat verflucht sein Geschlecht und mit der Faust
   gestoßen in die dunklen Keller von Neugier und Verbrechen.
   Ließ erstarren sein Weib und die Töchter schänden vom Vater,
   daß in die Ewigkeit sie der Mißbrauchnis des Lebens
   unzüchtiges, drohendes Beispiel sind. Straflos schreien
   die Taten des Herrn, aus der Menschen Lust und Wildnis
   brechen geschlossene Leiber auf, und die Hände des Richters
   pressen Eiter und Blut der Verruchnis aus den klaffenden Herzen.


                                 II.

   Doch werden einmal Abraham und Lot
   freundlich aufeinandergehen und sich umarmen.
   Der eine bricht dem andern langsam von dem Brot,
   aus dem die Paradiese bluten für die Armen.

   Der jüngste Tag errötet alle Städte
   und Sodom und Gomorrha duften unter Flieder,
   die Wollust kauert sanft an einem Knabenbette,
   nächtige Sünder singen Morgenlieder --

   der Tiger hebt die ungekrallte Tatze,
   schon lächeln Mörder und Blutschänder leise,
   sorglos sitzt der Dieb und kaut auf offnem Platze,
   und alles Leben stummet auf in niegehörter Weise.



                           EVA UND SUSANNA


                                  I.

   Strahlt deine Keuschheit Schuschan durch das geläuterte Glas erhaben
   in das betörte sündenflammende Babel
   leicht mit dem Geruch des jungfräulichen Knaben,
   der aus dem getöteten Abel
   noch heute duftend strömt. Tausend Wege schäumender Verführung
      miedest du
   in der Stadt lauten Versündens sanft wie ein Gruß
   des Herzens. Die Wasser der Wollust schiedest du
   und gingst, eine himmlische Wolke mit unbeflecktem Fuß.
   Dieweil Eva, deine Schwester, in die Gärten
   mildesten Verscheinens eine Schlange lockte und die Äpfel giftete.
   Panther, Tauben und Hyänen nährten
   sich vom sanften Anblick, aber deine Schwester überließ
   sich dunkelnder Versuchung kleiner Triebe, und sie stiftete
   Elend, Verfolgung und Scham in der Stadt warmen Verstillens, dem
      Paradies.


                                 II.

   Doch werden einmal schwesterlich umschlungen
   die beiden in den Himmel fahren
   und ihre Körper auferstehend runden.
   Engel haben dünne Zungen
   schon angehoben, und wilder Honig sprießt ihnen entgegen.
   Umringt von selig aufkläffenden Hunden
   und freundlich angetan mit den zahlreichen Jahren,
   kommt Gott und breitet über Niederungen
   die eine Hand. Schmelzen die Sünden ausgesungen
   und stehen Götter, Heilige und Scharen
   himmlischer Geschwister -- und alle leuchten im Gesang --
   um dich und sehn dich an --
   liegst, Eva, du im Paradiese wieder ausgestreckt,
   keusch gehen deine Schenkel auf
   und deine Blöße schimmert sanft und lang.



                              DIE ESELIN


   Hat der Heiland dich verkannt, du stilles Tier,
   und setzte sich auf deinen Rücken, als er einzog.
   War es nicht, als wollte er noch mit größerer Zier
   strahlen von dir ab, die du so arm bist?

   Aber unsäglicher Glanz ging aus von dir,
   kahl und voller Dürftigkeit erschienest du auf
   und zogst die Blicke nach den ungereinten Hufen,
   hinter deinem klaffenden und harten Lauf
   sprachloser Magdschaft. Alles auf der Erde hier

   färbt ab von deinem langgedrückten Rufen
   und erschrickt zu sich und seiner Nüchternheit
   und wird ärmlich kahl und schier,
   und es grauen die Gefühle an. Auf allen Stufen

   stehen Dürftige zu Gott gewandt. Deine Demut schreit
   häßlich und geschlagen von der Niedertracht,
   während Jesus noch in Lumpen auf dir sitzt und strahlt.

   Doch mild und von den Einfalten des Herzens eingeschlossen
   sind deine Blicke blind und offen vorgerichtet und es lacht
   die Landschaft blitzend erst von weißen Rossen
   sanft in seligem Eindummen, während sie schon fahlt.



                                LILIE


   Die heilige Gertrudis und Anton von Padua stehen angetan,
   aufrechte Statuetten auf den Lüften in deinem rosenlichten Glanz.
   Schimmernd umweißt dein sanftes Blühen den heiligen Franz,
   dich trägt Josef auf den Bildern mit Maria, der jungfräuliche Mann.

   Die keusche Schuschan hat ihren Namen schon von dir,
   und sie blaut noch immer vor den Augen angesonnt.
   In den Kirchen aus dem Stengel kelcht der Welten Horizont,
   und es umarmen deine Linnen schmelzend Mensch und Tier.

   Du arbeitest nicht und du spinnest nicht, und selbst Salomon
   hat Gott nicht bekleidet wie dich und deine Blumen.
   Du wächst leise scheinend in den überhellten Ruhmen
   aus des Heilands rechtem Auge, sitzt beim Weltgericht er auf dem
      Thron.

   Schießt das Schwert aus seiner Linken gegen die Verdammten,
   Lilie, den Verklärten öffnet deine Taufe sich und leuchtet lang,
   überscheinet sie wie Morgensonne rot verperlt und samten,
   und sie sternen vor dir ein, fromm und langsam zu Gesang.



                      FANTASIA CONTRAPPUNTISTICA


                                                   An Ferruccio Busoni

   Choral auf dem Klavier, der vergeistigten Orgel.
   Sanfte Weisen des Orchesters scheinen eines Chores ausspannenden
      Meergesang.
   Gott ist in den Welten, geistlich Lied: die Welt,
   männliches Thema, von mondenen Wolken bald umspielt und
      himmelgezogen.
   Sanft und leicht, leise und begeistert
   ruht entscheidender Aufstieg
   auf frauenhaften Schultern.
   Hebt des Chores Inbrunst
   entbürgerlichten Bach in die Reiche
   volkloser, geistoffenbarter Musik.
   Wunder,
   das Pianoforte von erlauchter Überstimmenschaft,
   überstrahlt feuernd der Orgel erstickendes Gleichmaß,
   blendet in Farben, orange, purpur und ocker
   kommen die Klänge, festliche Gestalten,
   Prozessionen mit Fahnen, Weihrauch und marienhaftem Blau.
   Arien der Madonna
   in leise durchlichtetem Sopran
   lagern, schweben schäferwolkenweiß über den Köpfen mit.
   Aber Nerven und Zuckungen und
   die Konfessionen ekstatischen Gefühls
   verschmelzen, aus Tasten gehoben
   zu lebendigem Zittern angespannte Saiten.
   Kommt die Fuge, zweifach,
   dreifach und vierfach in das Firmament der Klänge
   und die Wölbungen der Kontrapunkte aufgebaut.
   Majestätisch, gütig, schweigsam und erhaben dringt B, A, C, H
   in die Führung vor, und es gehen
   mild und im milden Duft der Milch
   die vier Stimmen schwesternhaft
   ineinander ein.
   Noch einmal erbraust, aus dem erstickenden Gleichmaß der Pfeifen
      gehoben,
   der lebendigen, verzückt aufgespannten Saitenleiber
   unbeschreibliches Schwingen,
   ehe sie selig verklingend sich in der Ruhe südlicher Sonne dehnen
   und das weiße Meer der Tasten
   ebbt zur klaren, sanft spiegelnden Fläche.



                   PRELUDIO, FUGHETTA ED ESERCIZIO


                                                   An Ferruccio Busoni


                                  I.
                               PRELUDIO

   Zartgestrichene Monotonie
   italienischer Landschaft,
   und braungrauende Horizonte wandern
   in gleichmäßigen Hügeln.
   Langsam beschattet die Sonne
   unbewegte Luft und die getragenen Züge
   ferner Schalmei.

   Winzer im offenen Hemd
   lesen gebückt und in frommer Trägheit.
   Und der jungen Mägde gedehnter Ton
   geht bedürfnislos und lang.

   Pianopianissimo schreiten tänzerische Quarten
   Triolen abwechselnd mit Achteln
   durch die einschlafende Campagna.


                                 II.
                               FUGHETTA

   Hebt mit süßer Ausdruckslosigkeit des Kanons
   junger Bursche dunkelen Tenor in C.
   Kommen bald die Mägde weich im Mezzo
   und der Alten melodischer Baß.
   Führen ihre unbesorgten Stimmen
   freundlich und in abendlicher Rast.
   Schimmerndes Untergehn der Sonne
   rötet ihre offenen Brüste an.
   Nun noch knabenhaft Soprane
   singen ihr die letzten Töne nach,
   lassen schon die Stimmen etwas steigen
   weil es dunkler wird.
   Unversehens
   kommen sie zu viert in den Choral,
   breiten angehaltne Töne
   ehrfürchtig und dankbar.
   Gehn die Mägde jetzt nach Brot und Beeren
   und der Mezzoalt verstummt.
   Werden die Tenöre ruhiger,
   wischen sich die Stirn,
   und die Bässe sagen wenig,
   legen noch befriedigt, ungenau
   letzte, tiefe, angeruhte Töne,
   und verstummen trocken.


                                 III.
                              ESERCIZIO

   Lachen schon in einem Walzer
   ihre ländlichen Gesichter,
   bläst der Hirt die Melodie
   durchgehend und ohne einmal
   seine Flöte aus dem Mund zu nehmen.
   Steht er plötzlich allegretto elegante
   im Vierviertel, bleibt das tanzgewohnte Mädchen der Gitarre
   doch entschlossen auf dreiviertel.
   Lautes Durcheinander
   rhythmischer Vergnügung,
   springt der Bursch mit seinem Mädchen
   unbeirrt im festen Tritt und heiß.
   Geht der Weinkrug bei den Alten
   her und hin, und sie lachen rot.

   Sanfter, angelehnter Hirte,
   schwarz gelockt und umschattet
   sind die Augen, er verläßt den Takt jetzt gänzlich,
   stürzt vom höchsten F
   in sprudelnden Triolen
   delikat herunter,
   läßt sich kurz nur fangen
   und wird wieder boshaft,
   und die Tänzer, schwitzend, braun und ohne Atem,
   lösen ihre abendlichen Reihn.



                              DIE IRREN


                                  I.

   Wenn sie langsam die Arme breiten,
   mit glashart aufgezückten Mienen,
   dann ist es ihnen
   als würden ihre Herzen schreiten
   in Prozessionen unter Baldachinen.

   Die Hände weihrauchweit in dem Empfang
   und jenseits aller Berge stehn die Augen.

   Doch manchmal halten sie, plötzlich aufgestummt,
   als würden sie das Graun
   gräßlich weiß und grell
   ihrer Tage schauen:
   sie haben die unbegrenzte Welt in sich,
   und Wärterschritte rund herum.


                                 II.

   Doch finden sie zu der Unendlichkeit die Brücken,
   wenn ihre Seele einen Festtag fastet,
   da ihnen königliche Herrlichkeiten glücken.
   Nur schmerzt sie etwas, daß auf ihrem Rücken
   der schwere Purpurmantel großer Herren lastet.

   Als wenn sie über allen Hindernissen
   ein wenig müde, aber sicher ständen,
   sprechen sie viel von ihren Überflüssen
   und greifen ein fühlbares Besitzenwissen
   in ihren aufgeweißten Händen.

   Sie haben eine enge Zelle.

   Ihr Geist entfliegt, weil sie ihn quälen.
   Er türmt sich sichtlich groß und stürzt in das Gefälle
   ihrer Gedanken, wild, breit, und da wird der helle
   Osterhimmel ein wallender Mantel ihrer Seelen.


                                 III.

   Auf Filzspuren kommt die Nacht.
   Fisteldünne Stimmen, müd gemacht,
   singen in den geschlossenen Zisternen
   Lieder von unerhört aufgetanen Fernen.

   Jetzt ziehn Legenden durch das Herz der Kranken.
   Wie gekühlt von schmalen Scheiben Eis
   fühlen sie die Stirn.
   Es summen selige Gedanken
   in dem verwundeten Gehirn.

   Immer dunkler eingeträumt, kommt,
   auf Filzspuren, mondangepflanzt, die Nacht.
   Nun sehn sie sich, einer hinter dem andern, in ihren weißen
      Nachtgewändern
   und barfuß schreiten
   auf Seide, Düften, Seligkeiten,
   die sie unter die Füße hingedacht.


                                 IV.

   Jetzt, da sie wie die Kinder schlafen,
   mit offnem Munde und ganz leicht,
   fühlen sie die Stunde nicht mehr, die vorüberschleicht
   und die Wunden nicht mehr, die sie einstmals trafen.

   So werden sie mit offnem Munde sterben,
   und wie hinübergleitend, und leise
   aufgestummt in das Gestern.



                               ARIADNE


                                  I.

   Schreiende Landschaft steht gefaltet
   gegen den bergigen Himmel auf. Bäume blasen
   Verlassenheit, und ich finde dich nicht. Täglich altet
   ruhig Sonne bronzen auf dem Rasen.

   Dringen zisternende Lieder schmerzlich aus mir her,
   wachsen vergeblich Schiffe und verschwinden wieder,
   irrvoll gelassen, übernächtig duftend geht das Meer,
   Arien und Einsamkeit senken sich undurchdringlich nieder.

   Immer gleichförmig schaukelt das rote Beet
   von Himmel und Wasser. Ich winke, Nacht tanzt,
   am fernen Firmament, dünn und heiß, steht
   Theseus mit dem Rücken gegen mich und verglanzt.


                                 II.

   Habe ich dich gerettet aus gefräßigen Händen,
   aber du fliehst. Brüllen schon Gräser mich an,
   die ich wachsen sehe langsam an den Wänden,
   Kuh und Hirsch und die Leoparden werden Untertan

   meiner Verlassenheit. Alle geben mir ihr Gefühl,
   ich zerfalle langsam und die langsamen Gesänge
   halten mich nicht mehr. Kommt ein dünner Kiel,
   leicht und unhörbar, an den ich meine Augen hänge,

   landet er leer, und ich versinke staubend
   zurück in meine monotone Ausfahrt.
   Alle deine Bilder und die Küsse klaubend
   bleibe ich arm und verwesend aufgespart.


                                 III.

   Theseus, o deine Schritte runden
   in meinem Leib. Ich reiße deine Spuren laut
   aus mir heraus, ich schlage mich
   in deine Augen zurück. Dröhnt schon
   mein Körper dir entgegen? Ich fahre aus,
   ich segle nicht mehr mit den Augen,
   und nehme Schiffe, Lanzen, Steinwerfer,
   Leoparden und wilde Hunde,
   aufgehetzte Hähne jage ich
   in dein Gesicht und fahre aus gegen dich,
   dich zu zerbeißen. Meine Fäuste, meine Arme,
   mein Mund, o Theseus, werden dich langsam verschlingen.

   Die Luft wühlt deinen Namen über das Wasser
   und erreicht dich doch nicht --,
   wie du flohst, feig und betrügerisch.

   Ich werde herrisch mich vor dir errichten,
   und meine Rache wird entsinnend sein,
   erdrosselt lege ich dich in meine Arme wieder,
   kühl, langsam und ohne Leidenschaft befriedigen
   sich meine heißen und verletzten Glieder
   an deinem törichten Gesicht.



                  BILDER UND AUFRAFFUNG DES EINSAMEN


                                  I.

   Einmal kommen die letzten Wunden
   aus dem Blut herauf, durch sanfte
   Erdrückungen fallen wir
   in die Knie:
   o gib leichtes
   und ungläubiges Leben uns noch einmal,
   scheinen nicht alle Wege
   ausgeweitet zum roten Horizont?
   Bohrmaschinen und Kräne wühlen
   dröhnend, qualmig und mit rußvollen Spuren
   täglich unser Herz heraus.
   Es blutet längst nicht mehr rauschend,
   aber die Tropfen,
   wie Quallen und giftig,
   verlassen uns schmerzvoll.


                                 II.

   Eine Nacht, übergossen
   und eingeschnitten von unbelaubten Zweigen,
   schärfen in schreckenvollen Strichen,
   und wie Messer stoßen sie mich ein.
   Große aufgedunsene Steine
   stehen einsam am Weg,
   blähen meinen Hungermagen auf
   und wackeln. Aber ich sehe
   die beulende Landschaft aus Pappe,
   schiefe Häuserfronten erzittern leinern und wild,
   und ein Mensch mit aufgehobenem Kragen, und er
   allein unter Regen,
   spreizt sich, ein Drache, vor mir aus.

   Zäune stehen stechend um leere
   Bauplätze und Geröll. Große
   Löcher schwimmen auf der Erde,
   trockene Häuser sehe ich fern in den Dunkelheiten
   eines Schlundes stehn. Es dröhnt nächtlich auf
   aus den Kulissen, und ein Stück Eiter
   springt mich an -- ein gelber Mensch
   grinst höhnisch und schlotternd,
   seine Zähne schwimmen
   in einer roten Lache und wehen
   hin und her. Ich fliehe
   vor den Schrecknissen seiner Hände,
   dieser gequälten, hungrigen und sprunglauernden Tiere,
   die er an den Seiten hängen hat.


                                 III.

   Das schien eine Mauer, an die ich stieß,
   ich falle furchtbar verletzt, das Haus dröhnt
   in meinem Kopfe wider, schreit die Nacht
   aus meinem Mund, und die Nasenflügel
   knallen auf. Sterne, schießt
   mir euern Schleim ins Gesicht!
   Überbricht mich, denn ich will
   nicht mehr leben, aber erstickt zugleich
   vor meiner Wut. Ich fahre
   in euren bettüberzogenen Himmel,
   ich reiße die Laken des lieben Gottes herunter,
   er soll nicht schlafen, wenn ich leide,
   und nicht sitzen, wenn ich komm'.
   Er soll nicht scheinen, wenn ich rufe,
   nicht spielen, wenn ich vergeh' --
   zittern vor dem Weltgericht, das hinter
   meiner Stirn auffährt --
   und wenn meine gebeulte Faust aufschlägt
   soll er sich verteidigen, der Angeklagte,
   der Hauptangeklagte unaussprechlicher Vergehn,
   und der Einsame wird Richter sein
   über ihn und seine vorgetäuschten Leben.



                          DER LÖWENBÄNDIGER


   Er ist im roten Frack mit einem Orden und macht
   gerecht Verbeugungen nach allen Seiten.
   Das Publikum, gespannt und einfältig,
   klatscht in die Hände. Er sieht
   die lauten Galerien um sich und tausend Menschen,
   die ihm nie helfen werden. Er sammelt sich und fühlt:

   sein Kopf steht gut. Die Angst ist fern. Doch wären
   die tausend Menschen nicht, die lebhaft
   und selbst ungewollt
   in diesem Zirkus auf die Dunstwand malen,
   wie plötzlich er aussähe, zerfleischten ihn die Tiere,
   und wäre der Direktor nicht, der alles überrechnet,
   klein, hager, jüdisch und eingebildet Honorare dreht
   nach dem Applaus, und wäre nicht die nächste Nummer
   schon wartend hinter dem Samtvorhang voll Staub --, und er,
   Timolnandi, der berühmte Löwenbändiger,
   auf den Programmen fettgedruckt und zweimal
   mit schwarzen, weisenden Zeigefingern ergebenst angekündigt,
   und hielten jetzt nicht plötzlich der Musik
   dröhnende Blechklänge wie abgeknackst in heißer Luft:

   er träte einfach ein zu seinen sanften Tieren,
   versteckte fast die Peitsche, gäbe jedem
   langsam und klar ein Zeichen und sein Wort,
   ließe sich nieder auf den Stuhl und schliefe
   leicht auch und beruhigt ein.
   Denn diese Welt ist gieriger als der Löwe,
   und seine Wildheit weckt sie
   nur immer wieder auf.
   Wie wurde um den frommen Urwald seines Herzens
   erst ein Gefängnis eingebaut, und diese Stäbe
   lassen durch enge Streifen Luft seinen
   ausschnellenden Schmerz nie sich beruhigen.
   Immer wieder, wenn schon sein Auge väterlich
   sich schließen will, eilen auf jener andern Seite
   Gestalten, reizend; und er liegt im Käfig fest, Sand,
   nasses Laub und das Strecken der ungeheueren Ebene
   noch in der Nase.

   Doch die Manege der Galerien wartet,
   trampelt und klatscht schon anspruchsvoll,
   und statt still einzutreten in den Käfig,
   macht Timolnandi, man verlangt Gefahr zu zeigen,
   einen Sprung und knallt. Schon kreisen
   die gallonierten Diener aufgeregt mit großen Stangen
   und bieten eifrig, eingelernt und ahnungslose
   Hilfe jedem sichtbar auf der Galerie. Die Löwen
   liegen träg herum, doch man will Wildheit in den Logen,
   Verfolgung, Katzensprung und Fellgeruch,
   Timolnandi weiß es, und er knallt, feixt und springt.
   Die Löwin sieht ihn ernst und freundlich an,
   und alle Tiere stehen auf zur Arbeit. Sie machen
   den Rundgang, der sie wenig unterhält,
   und geben ihre Gruppenbilder. Der große Löwe
   auf dem Stuhl öffnet den Schlund mit Furchtbarkeit und wartet
   gehorsam auf den grellen Pfiff,
   und schließt ihn wieder. Nun hebt die Löwin
   seit langem stets nach jenem Pfiff die Tatze,
   schon hat der Bändiger den Kopf darunter,
   die Diener bleiben sprungbereit und halten selbst
   den Atem. Es kommen noch die kunstvollen Figuren,
   die Pyramide, eine Löwenwendeltreppe,
   nun kommt noch der verfluchte Peitschenschlag,
   den jene Bestien mit dem Geld von ihm verlangen,
   und Timolnandi, tief betroffen, schmerzlich
   ein jedesmal,
   gibt einem Löwen mit der Peitsche dieses Opfer eines Hiebs.
   Der Löwe brüllt und alle andern brüllen,
   wie fühlt sein Herz mit ihnen ob der Schmach
   während er springt, fuchtelt und pfeift,
   die Diener laufen angstvoll und entsetzt zweimal
   um den Käfig, und das Programm ist aus.
   Timolnandi läßt den Karren wieder schieben,
   das Publikum sieht lüstern seinen unberührten Frack,
   der auch für morgen abend nicht gebügelt werden braucht,
   und jenes vielsagende Zirkuslächeln auf der Lippe,
   das ebenso bezahlt wird wie die Schauer
   gequälter unschuldiger Wildheit, die gefangen ist.
   Während der Bändiger vor Logen wie vor Galerie,
   als wären es ausschließlich Fürsten, sich tief verbeugt
   und ehrfurchtsvoll die Arme breitet,
   die Hände schaukelt, sich immer wieder streckt
   und wendet und verbeugt: »Und hinten hab' ich einen Hintern«.



                               DAS BETT


   Heilige Heimat,
   meiner Ausgesetztheit
   unbeschreibliches Gehäuse,
   und nach den Umdonnerungen des Gehenden
   windgestillte Zuflucht, o du
   weiße Madonna der Beschützung:
   Trost vor den Erschütterungen des Draußen
   und seinem ungleichen, bösen Schwanken.
   Trostreiche Mutter, die mich einwiegt
   in Ruhe und Sammlung --,
   und die sanftesten Verzückungen des Ichs,
   Einkehr zu mir und Aufruf
   meiner Abgeschiedenheiten schenkt.

   Maßlos versplittert und angetan mit den erbärmlichsten Geschwüren
      der Feinde
   und den Aussätzen mitmenschlicher Berührung --
   wie linderst du aufgepflanzte Wunden und Angriffe gegen mein inneres
      Leben,
   das nun auf ruhigen, strömenden Bahnen leise zurückkehrt,
   und heilst mit den Wärmen,
   Geborgenheiten
   und Verschmelzungen des Schoßes
   Willkür und Verzweiflung.
   Das Blut aus deinen linnenduftenden Armen
   übergeht in meine Verwirrungen,
   kühlt fiebernde Pulse und den heroischen
   Aufwand
   vergeblichen Einsatzes. Du,
   marienhaft,
   senkst schwesterliche Rührung
   und die verzeihenden Gefühle
   demütiger Unerreichbarkeit
   in die Flocken meines Herzens,
   einst das zerstückelte wieder
   zu den sanften, gesammelten und ergriffenen
   Schlägen gläubiger Aufrichtung und des glückselig lächelnden
      Aufblickes zu Gott.



                         DER ZERSTÖRTE TASSO


                                  I.

   Das dünne Zirpen der Harfen
   um mein Haupt, und leblos lösen
   Akkorde von den Ohren sich,
                         große unwirtliche Töne.
   Durch die Waldung schimmern
   Tücher sanfter Rötung hin und her.
                         Abendliche
   Szene taut hinter Blumen gelb auf, es folgen dicht
   die weißen, kleinen Wolken.
   Ich hebe die Hand mit gespreizten Fingern,
   leise, schmerzlich löst sich Krampf
   gegen die Landschaft, und die Knöchel spüre ich
                         gebettet
   in segelnder Luft.


                                 II.

   Himmel spannt gefasert.
   Grün liegt aufgeschlagen auf den
   weiten Flächen der Erde,
   ein Hügel wellt gelenkig
   in den Horizont hinauf.
   Stürmische Sonne umsticht mich,
   daß ich wirrend fliehe, schreiend
   mein Herz verweißt.
   Und ich gehe schon ganz auf und auseinander
   in den Äther und die rinnende Bläue sprengt
   meine Lunge mich aus.


                                 III.

   Fäuste schließen mich ein,
   Gewänder werfe ich ab. Ich stehe
   selbstlos angedrängt und verzweifelt
   wie eine zerwindete Fahne gezückt
   gegen den zudunkelnden Himmel,
   ich, Dichter der Leben, schreiender Gott,
   vertausendfacht geboren und gelebt,
   in die Stunden
   der millionen Leben hineingesaugt.
   Flucht, o tobsüchtige Befreiung,
   aber wie sich herausbeißen
   aus den geschlossenen Lippen der Sänger
   und aufbrechen die Münder der Mädchen?


                                 IV.

   Nackte Zehen klatschen
   über meiner Stirn. Bin ich wach, sind
   die Nächte aller Frauen
   mir auferlegt?
   Gehen die Türen,
                 die Gemächer verdunkeln,
   Fackeln stehen nicht mehr. Huschen
   weiße Hemden und eilige Beine
   an mir vorbei.
                 Erfaßte ich eine.
   Ich zerdrückte sie tödlich an
   meinem gestemmten Körper.
   Meine Hände kriechen schon. Ich liege
   versteckt und geduckt auf den Fließen.
   Ruft der Mond euch heraus?
   Aber ich zerfresse euch die Schritte,
   ich zerschlage eure Knöchel klirrend.
   Kommt nur, mit meinen Liedern, auf dem bereiten Mund,
   an mir vorbei. Die Stunden sind wild gezählt.
   Ich breche von unten
   mit meinen Fäusten in euch hinein.


                                  V.

   Dunkler Kerker, angeleuchtet
   von meinen Augen. Deine Wände zerschmelzen
   vor meinem Finger. Und ich gehe
   über die geschlossenen Wiesen,
   die hinter dir stehn.
                         Meine Schritte sind heilig,
   die Schritte des Dichters,
   und auf Wasser sinken sie nicht ein.
   Ich fliehe mit den Spitzen auf den Spitzen der Gräser,
   selig breiten Mücken summende Gefolgschaft aus,
   aufschreien gebückte Fische,
   Würmer und Schlangen, Elefanten mit roten Satteln
   schweben langsam hin und her. Hunderttausend
   Hirsche fliegen mit dünnen Beinen.
   Der Himmel dreht sich mir wie ein Teppich entgegen,
   er verblättert zu Zweigen unter meinen Füßen,
   und die Fanfaren des befreiten Jerusalem
   stehen als brennende Kugeln den Weg.



                             LANDSCHAFTEN



                             MANN AM SEE


   Der Mann steht unter dem eingedrückten Hut schon spät
   in der Landschaft. Kühl und von grauenden Nebeln verwäscht
   die Luft. Weißer Riese, der Berg, geht
   über den See, dunkeln die Wasser, und es verlöscht
   links geräuschvoll der Wald. Blauen die Sterne schon angestrengt
   herunter, nasse Lichter ziehen um die Horizonte herum,
   der See geht auf, biegen die Ufer, und er versenkt
   immer wieder sich in den Himmel, eine große Kehle. Stumm
   segeln Küsten vorbei. Rufe, sagenhaft, schlagen
   an das Herz des späten Mannes, doch er bleibt herbstend, ungenau
      erregt,
   während auf den Wassern Bäume in schattenhaften Kugeln jagen
   über den Berg und den Wald, der sich immer wieder hebt und in die
      Kniee legt.



                              ABENDSONNE


   Grüne Berge, weitgeflächt, schaukeln in den Himmel auf,
   Schluchten rote Rosen, ausgefaltet, scheinen himmelauf.
   Flüsse werden gläsern dicht und brennen in der Erde,
   springen weiße schlanke Hirsche durch die Luft,
   schwarze Pferde, aufgenüstert seliger Gebärde,
   sternen glanzvoll ein in Duft.

   Schreie wiegen über Gipfel und der See voll roten Mohn
   rundet sich zu einem dünnen angestrengten Ton.
   Schäumende Sonnen
   voller Salz geht mein Atem
   abendverzückt und ciaconnen
   über Wiesen und Herz. Flüsse fiebern in den Fersen,
   Knie spannen sich verzückt
   und aus weitgetanen Seelen glückt
   tierisches Verversen.

   Rasen mildgedehnte Hände
   und das gezeltete Gehirn
   abendsternt. Gehen die verschichteten Gelände
   der Luft über das himmlische Angesicht,
   verschmelzen im Blitz der blauenden Brände
   Ampel und Dunkelheit, Mond und Licht.

   Grünen die Büsten auf gefeuerten Balkonen,
   Brust der Menschheit wehet auf,
   dröhnen die wiegenden Anemonen
   mitten im himmlischen Verlauf.



                           SPÄTE LANDSCHAFT


   Die Bitterkeit der Abende fließt
   sickernd durch die Landschaft auf das Feld.
   Gezinkter Stern für Stern verschießt.
   Stumpf und mit der Fülle Mond entseelt
   ein großer Wald sich ein.
   Gehäusig und verdichtet fällt
   der Himmel ständig und ein Stein
   auf diese unerschöpflich dunkle Nebelwelt.

   Schweben langsam Himmelstücher auf
   und eine Wolke schaukelt vor den Mond.
   Summende Erde wiegt verschlossen auf
   und über allen Gräsern tont
   ein Schatten aquamarin, körperlos gefüllt.
   In Schleier grau und wehend eingehüllt
   frauengleichem Moll weich schreiten Terzen,
   und unaufhörlich rollt um sanft gespannte Herzen
   der nächtliche Verlauf.



                                NACHT


   Magischer Urwald des Himmels breitet
   sich, Wolken schleichen
   schwarze Panther. Grau verliert
   ihr Schritt. Der Mond reitet
   auf, das große Zeichen
   der gekreuzten Sterne
   phosphoresziert
   grün und grundlos. Voller Nässe
   wäscht die Ferne zusammen und schwimmt aufgeblasen,
   Nacht und Regenmesse
   dröhnt mit schwarzen Stimmen
   an die Scheiben der Luft,
   heimatlos und irrend
   unter keinem Dach.
   Menschen schon verglimmen
   und die dunklen Spiegel rasen.



                    OHNMÄCHTIGE STUNDE, VERSAILLES


   O, gehn wir den Weg bis zum Wasser,
   den langen, ausgehöhlten,

   die Bäume stehen kalt und grau
   auf beiden Seiten in Kutten,
   die Mönche des Herbstes.

   Der Weg ist bilderlos und lang,
   wie ein Gang
   in den Klöstern.

   Kein Leben schreit auf,
   nicht eine Krähe wirrt und der See
   glänzt bös und angefault.

   Mein Herz schlägt ohne Atem,
   angehalten, fröstelnd und schwer
   in den Klöstern des Bluts.



                              LANDSCHAFT


   Der Berg geht über den Wiesen auf
   großtümlich und mit offenen Armen. Kühe
   weiden ernst und voll sanfter Bückung.
   Fern und in glänzender Verrückung
   faltet sich mit einiger Mühe
   der Himmelssturz hinauf.

   Seine Fasern gelben wie alterndes Pergament
   und die Wolken eilen fußlos unten vorbei,
   segelnde Unbesorgtheit. Weit und leise
   tönt ihre weiße Reise
   zurück, Krähen stechen, mit dickem Schrei
   blitzen sie ein in das Firmament.



                             NASSER ABEND


   Dumpfen die kugelnden Sternbilder nassen Abend ein
   und die Luft schleiert in den hängenden Fäden des Regens
   langsam und grau zu einem Weiher ein. Dünn geht ein Schein
   durch die hängenden Wasser und in die Ermüdung eines Bewegens
   aufglotzender Chimären, naßstechend, bettet sich Spleen.
   Fernen stehen undurchsehbar um mich herum,
   und welches Wissen, daß sie ohne mich weiter unter dem Himmel ziehn,
   sonnig blau beschienen und freundlich, während ich stumm
   einsame unter den fallenden Kuttichen, wie ein Mönch mich zwänge
   durch der Regen lange, drohend dunkle kalte Klostergänge.



                             MITTERNACHT


   Über die sich verschließenden Wiesen jagen
   letzte, tuschtiefe Wolken leicht,
   Nacht schwebt in Sänften vorübergetragen,
   Monde galeeren, Sterne verflaggen
   und das Firmament glast und entweicht.

   Gehen die stürmischen Himmel schon ein
   in das verzückte Luftreich da oben,
   sammelt sich rötlich verfließender Schein,
   Wolken verweiden, Bläuen vertoben,
   schaukeln die Erde in Finsternis ein.

   Herrisch ziehen die Planeten auf
   wachsen zu Wäldern, Schluchten und Ozean
   schleifen zerstörend stromauf --
   sinken die Sterne und der Mond, vertan,
   spreizt ein breites Gesicht. Zartes wogendes Bewegen
   schleiert und dunkelt, und das Herz seelt aufgetan
   durch die Landschaften des Äthers nachtverwegen.



                                MITTAG


   Opium kriecht spurig im Gedächtnis
   auf, schwarzes Morphium tont die Welt,
   der Landschaft weißkohlenes Vermächtnis
   mittagdunkelt überhellt.

   Rote Striche schießen nieder,
   platzt das kugelnde Firmament,
   heiß wirren die gezogenen Lider,
   das kühle Zimmer verbrennt.

   Maulwurf hält leise angeschienen,
   Sonne knäult das Blut,
   in den Hintergründen tut
   Muschel des Horizonts sich auf.

   Jagen über die Gipfel der Herzen Blumen
   und ich verstreue mein Blut an die staubende Seele,
   himmelhoch schichtet mein Fuß in den Ruhmen --
   stürzet die Landschaft und bronzen zerwässert der Tag.



                                WINTER


   Steinen die Gefühle in müder Erschrockenheit unerwartet ein,
   und in der Menschen sich schließenden Brust verglasen
   die Weiher. Vor dem schon immermehr dünnenden Sonnenschein
   steht in geschichteten Scheiben die Luft, klirrend
   und gefroren und das heiße Rasen
   der Herzen hält verwirrend.
   Breitet das Eis sich hart und stumm
   auf Bewegen, steifen die Gedanken
   und verloren, plötzlich schon alt,
   fahlen Gesichter und letzte herbstrote Ranken.
   Tiere in Käfigen gehen unruhig um,
   werden sprachlos und kalt.



                             SOMMERABEND


   Gehen über den Fluß leichte versonnte Schritte des Himmels schon
   und die Wolken schatten einen blauen undurchwirkten Ton
   auf die rundenden Wellen. Dunkelt der Grund grün und scheinen
   schlanke blitzende Forellen vorbei, sickert ein grelles Weinen
   der gehenden Sonne nach durch die Fasern der Luft,
   Feldblumen schließen sich, Büsche und Sträucher schleiern in Duft.
   Silbern verschießen Villen und Brunnen und der Polarstern heilt,
   nachtblauender Heiland. Bäume verelfen aufrecht und hinter der
      weißenden Wiese
   steht der Horizont getan, hebt breite Hände gleichmäßig gegen diese
   verballende Abendnacht, die kühl und schäumend sich verteilt.



                            PSALMEN DAVIDS



                           DER ERSTE PSALM


   Der nicht wandelt mit den Gottlosen
   gebenedeit, der nicht die Sünde geht
   und bei den Spöttern nicht ruht
   lobsingt des Herren Worte Tag und Tag.

   Ist ein Baum an den eilenden Bächen
   ruhig reift klar,
   nie braunen die Blätter ihm,
   dem alles gerät und sich versammelt

   doch die Gottlosen zerstreuen.
   Im Wind sind Spreu
   werden nicht geduldet im Gerechten
   und versinken ihre Wege vor Jehova.



                         DER SECHZEHNTE PSALM


   Hüte mich, Herr,
   denn ich bin eingezogen in Dich.

   Ich bin gut
   Deinen Heiligen und Herrlichen --
   fahlen unnennbare
   Läufer hinter erlogenem Gott.

   Du aber, Herr, wirst mein Erbe,
   der immer sitzt an meiner Rechten,
   und meine Ehre ist fröhlich,
   in den Nächten gehe ich auf,
   sicher liegt mein Fleisch.

   Du wirst Deinen Heiligen nicht
   verwesen lassen -- ist
   ewig der liebliche Atem um Dich.



                    DER EINHUNDERTUNDZWEITE PSALM


   Nicht länger verberge Dein Antlitz, Herr,
   Stunden meiner Angst -- jetzt
   neige Dich mir und rasch
   antworte gleich, rufe ich Dich auf.

   Gehen meine Tage vorüber
   wie der Rausch
   und es verbrennen mir
   die Knochen im innern Herd.

   Geschlagen wurde mein Herz
   und es verdorrt
   wie das Gras

   und ausgebrannt ist mir Gedächtnis
   und ich vergaß mein Brot.

   Aber ich heule mich
   aus und auseinander
   und es erdrückt mein Fleisch
   schon die Knochen.

   Ich bin ein Pelikan in der Einöde
   und die Nachteule in den Ruinen
   und ich wache verlassen --
   ein Sperling allein auf dem Dach.

   Meine Feinde schmähen mich
   und höhnen meinen Namen,
   denn ich aß die Asche wie das Brot
   und Weinen kam in meinen Trank
   vor Deiner Ungnade und Wut,
   aufhobst Du mich und schleudertest
   mich weit -- meine Stunden
   sind wie der Schatten
   wenn er verweht --,
   und ich trockne ein.

   Aber Du herrschest, Ewiger,
   unabänderlich dauerst Du
   die Zeitalter,

   Du stehest auf in Mitleid,
   denn es ist Zeit über Zion,
   denn der Augenblick ist gekommen,
   denn wir lieben diese Steine
   und haben Schmerz für den Staub.

   Dann werden die Völker
   fürchten den Namen des Ewigen
   und alle Könige der Erde
   den Glanz.
   Herr, wiedergebaut steht Zion
   und strahlt Deinen Glanz --
   Betteln die Verlassenen laut
   und Du verjagst sie nicht --
   melden es kommenden Geschlechtern
   Dich zu loben,
   Deine Erscheinung auf den
   Erhöhnissen der Heiligkeit --
   herabfielen Deine Augen
   von den Himmeln
   und du hörst das Zittern der Schuldigen
   und machst los
   die vor dem Tod sich neigten.

   Sammeln sich alle Völker
   und die Königreiche Dir zu dienen.

   Er schlug ab meine Kraft unterwegs,
   er kürzte meine Tage.
   Herr! Nehme mich nicht heraus
   aus der Mitte meiner Tage.
   Deine Jahre gehen immerdar
   durch die Zeitalter.
   Du hast die Erde geschmolzen
   wurden die Himmel
   von Deinen Händen gemacht.
   Sie zerfallen -- Du überwährst,
   sie altern wie ein Kleid -- Du
   wirfst sie fort und wechselst
   sie wie ein Kleid.
   Immer bist Du, Gott, Dir gleich
   und Dein Jahr ist ohne Aufhör.



                    DER SIEBENUNDSECHZIGSTE PSALM


   Möchte
   Gott Mitleid mit uns
   haben und uns benedein.
   Ließe
   sein Angesicht herab
   er auf uns scheinen.
   Gekannt wird Deine Stimme
   auf Erden
   und Dein Gruß
   bei allen Nationen.

   Alle Völker werden
   Dich preisen
   Lob singen alle Völker
   führest sie zur Erde, Herr.



                     DER FÜNFUNDVIERZIGSTE PSALM


   Dichter Herz lobsingt einem König --
   schönster Du der Menschen
   holdselige Lippen,
   umgürte leicht das Schwert
   und ziehe gerechten Weges.
   Wendet Deine Hand Stütze
   und Erhaltung den Armen.

   Versende die Pfeile,
   fallen Völker in die Knie
   und es fällt der Feinde König.
   Unverrückbar in die Tage
   steht der Herr Dein Stuhl
   und es steilt der Szepter,
   unter Freudenöl wandelt

   des Königs Kopf und
   Myrrhen sind Deine Gewänder
   trittst Du aus den chryselephantinen Palästen.



                     DER DREIUNDDREISSIGSTE PSALM


   Gerechte erfreut Euch des Herrn
   lobredet! Feiert ihn mit der Harfe
   singt ihn auf den zehn Saiten der Lyra --
   singt ein neues Lied, daß
   Eure Stimmen zittern und die Instrumente.

   Aufrecht ist das Wort des Herrn
   und seine Werke sind treu,
   sein Wort schuf die Himmel,
   die Heere des Himmels schuf
   der Atem aus seinem Munde mit
   einem Mal. Er sammelt
   die Meerwasser auf einen Haufen
   und er spricht, so ist es geschehn

   und er zerstreut die Entschlüsse der Nationen
   und wendet das Schicksal der Völker,
   doch die Schicksale seines Herzens dauern
   durch die Zeitalter.
   Herabblickt vom Himmel er
   auf alle Kinder der Menschen,
   keines Königs Macht errettet
   vor dem Herrn,
   und kein Pferd kann fliehn
   vor dem Herrn:
   liegt sein Auge auf die ihn fürchten
   und auf die ihn erwarten,
   daß er befreie die Seele vom Tod
   und stütze in der Hungersnot.



                     DER NEUNUNDDREISSIGSTE PSALM


   Ich überwache meine Stimmen
   daß ich nicht Sünde begehe
   mit der Zunge, Herr.
   Ein Zaun bindet
   den Mund mir, solang der Böse
   vor mir schwebt
   und zu verführen versucht.
   Ich stumme in der Stille ein,
   Enthaltung des Wortes
   übe ich bis zum Verschweigen des Guten --
   doch mein Schmerz schwillt
   immer lauter an

   hitzt mein Herz in mir,
   und das Klagelied
   umschlingt mich leidenschaftlich:

   Herr, zeige mir mein Ende
   und das Ausmaß meiner Tage.
   Du schufst meine Dauer
   vier Finger breit -- und ich
   bin nichts vor Dir -- ach jeder Mensch,
   aufrecht und stehend
   ist nichts als Vergeblichkeit
   alles ist Eitelkeit.

   Ach der Mensch lustwandelt
   sicher doch ein farbloser Schatten
   ach und vergeblich und eitel
   jede Bewegung und Sammeln von Gütern
   -- doch wer wird sie besitzen?

   Befreie mich, Herr, ich schweige, laut
   geschlossen bleibt der Mund,
   weil Du ihn mir schlossest,
   doch wende ab die Züchtigung,
   ich vergehe vor dem Schlag Deiner Hand.

   Fassest Du den Menschen an den Sünden
   zerfällt wie von Motten zerfressen
   selbst Schönheit an ihm --
   alles ist Eitelkeit und vergeblich.

   Höre mich, Herr, sei
   vor meinen Tränen nicht taub,
   ich bin nur ein Fremder vor Dir
   ein Vorübergeher wie meine Väter

   o lasse mich los,
   daß ich
   meine Kräfte versammele
   bevor ich gehe und nicht mehr bin.



              DER EINHUNDERTUNDNEUNUNDDREISSIGSTE PSALM


   Mein Lot, Herr,
   warfst Du
   und erkanntest mich.
   Alles weißt Du
   jetzt, wann ich sitze
   und wann ich
   mich erhebe,
   und von der Ferne
   enthüllst meinen Gedanken,

   der Du siehst
   wann ich gehe,
   und wie ich mich
   hinlege -- alle Wege in mir
   vollenden Dich.

   Ach Herr, noch
   ist das Wort auf meiner Zunge,
   und der Gedanke endet
   in Deinem Gedächtnis schon.
   Du hast mich geschlossen
   vorne und hinten,
   und Deine Hand liegt
   mir oben und unten --
   o welche Weisheit
   mir so unerreichbar
   mir -- wohin
   ginge ich,
   und wäre nicht
   in Deinem Geist,
   wohin flöhe ich
   und wäre
   nicht vor Deinem
   Angesicht?

   Steige ich in den Himmel
   und Du bist da,
   liege ich im Bett der Hölle
   Du bist da,
   trügen die Flügel
   der Tagesdämmerung
   mich an das Ende des Meeres:
   wieder, Herr, wieder
   Deine Hand
   unterstünde
   mich und Deine
   Rechte
   beschützte mich.

   Wollten
   mich die Nebel
   überhüllen -- aber
   die Nacht um mich
   leuchtet an,
   hell scheinen und sanft
   die Nebel Dir
   und aufleuchtet in Strahlen
   die Nacht,
   in den blendenden Finsternissen.

   In der Nacht des Schoßes
   schufen Deine Hände
   mein Bildwerk
   und die Nieren.
   Ich lobe herrlich Dich,
   der ich gemacht wurde
   auf eine wunderbare Weise.
   Sind Deine Werke alle
   erfremdend wunderbar,
   und im Geheimnis
   meine Knochen:
   schufst Du
   wie die Gewebe
   gearbeitet sind
   unbeschreiblich
   in den Orten
   unter der Erde.

   Deine Augen sehen mich,
   da noch
   im Teig der Lebenden
   ich unterging,
   und meine Tage
   hast Du eingetragen
   in das Buch
   und in die Reihe geordnet,
   da sie nicht einmal begonnen.
   O wie teuer,
   Herr, sind mir Deine Gedanken,
   o wie groß,
   Herr, ihre Anzahl!

   Lasse Du
   sterben den Bösen --
   gehet ihr Männer des Blutes
   von mir --
   ihr schwöret falsch
   seinen Namen, schändet ihn
   nicht Missetat?

   o ihr Bösen,
   wachet auf aus
   den brüllenden Höhlen
   der Verruchnis:
   ihr verbrechet an Euch.



                DER EINHUNDERTVIERUNDVIERZIGSTE PSALM


   Herrlich der Vater
   stehet ein Fels,
   führet die Hände im Kampf
   und in den Schlachten unsere Finger!

   O Wohltat Du,
   o meine hohe Zuflucht,
   Befreier,
   Schild meiner Rückkehr,
   was ist der Mensch,
   daß ihn siehst
   und um ihn sorgst,
   und der Sohn des Menschen
   daß Du
   in den Augen ihn hältst?

   Und er gleichet
   dem Windhauch,
   sind seine Tage
   wie der Schatten,
   der vorübergeht.

   O Herr! senke
   Deine Himmel nieder
   und steige herab,
   rühre die Berge an
   daß sie flammen!
   mache blitzen und
   zerstöre sie,
   schütte Deine Pfeile über sie
   und sie fliehen.

   Erhebe, ach, Deine Hand auf,
   und befreie mich
   und ziehe
   aus den großen Wassern
   mich heraus,
   und aus der Hand
   des fremden Sohnes,
   dessen Mund laut wagt
   die Lüge
   und dessen Rechte betrügt.

   O Herr, ich singe Dir
   ein neues Lied,
   ich lobpreise Dich
   auf den zehn Saiten der Leier --

   Dich, ach, der Befreiung gibt
   den Königen --
   der errettet David,
   Deinen Diener,
   vor dem tödlichen Schwert.

   Laß unsere Söhne
   wie die wachsenden Pflanzen
   sein in ihrer Jugend,
   und zierlich geschnitten
   Gärten in den Palästen
   unsere Töchter.

   Fülle
   unsere Gewölbe,
   und lasse die Lämmchen
   vertausendfachen sich auf den Feldern,
   und die Ochsen überlade
   mit ihrem Fett,
   und gebe, Herr
   keinen Lärm und Angriff,
   _und keine Abbrüche_
   _in den wohnlichen Straßen_.



               DER EINHUNDERTSIEBENUNDVIERZIGSTE PSALM


   Lobet den Herrn,
   psalmet den Herrn,
   es ist gut,
   es ist süß,
   es ist verseligend.

   Er schuf Jerusalem
   und eint
   die Zerstörten,
   und heilt
   die zersplitterten Herzen,
   und überspannt
   die klaffenden Plagen.

   Er zählt die Zahl der Sterne,
   _allen_ ruft er
   einen Namen aus.
   Unser Herr
   ist groß und von Macht,
   und kein Ende hat
   seine Klugheit:
   die stützt die Elenden
   und niedertritt die Bösen
   unter die Erde.

   Besingt die Wohltaten
   psalmet
   seinen Namen.

   Er füllt mit Unwetter
   die Himmel, und bereitet
   für die Erde den Regen,
   und läßt auf den Bergen
   ausschlagen die Körner
   und nährt die Tiere
   und die schreienden Kleinen des Raben.

   Nicht vollendet ist
   der Herr im Pferde,
   und in den leichten
   Männern des Wettlaufs,

   aber ihn erfreuen
   die ihn fürchten
   und die warten: --
   seine Güten kommen.

   O Jerusalem, lobe
   den Herrn,
   der kräftigt
   Deiner Tore Stangen,
   und segnet
   die Kinder in Dir,
   und hält den Frieden in Dir,
   und die Weizenmärkte
   macht er sättigend.

   Aussendet er die Befehle
   zu Erden, und es laufen
   über sie eilig seine Worte,
   sinket wie Leinen
   sein Schnee und Raureif
   streut er wie Asche aus.
   Und er schleudert in Stücken das Eis --
   wer _hält_
   vor der Kälte des Herrn?

   Aber er kennt sein Wort
   und alles schmilzt

   _bläst sein Hauch --_
   _und die Wasser_
   _gehen davon_.



                    DER EINHUNDERTFÜNFZIGSTE PSALM


   Lobet!
   Lobet für die Heiligkeit!
   und diese Ausweitung der Macht!
   Lobet für die hohen
   Tatsächlichkeiten des Herrn
   ihn ohne Aufhör,

   im Ruf der Drommete
   in den Winden der Leier
   und Harfen
   und mit den
   Pauken des Tanzes
   und den Streichern
   und flötend: lobet!
   lobet!

   lobet!
   und mit den
   tiefen, strömenden Zymbeln
   und den Zymbeln,
   die widerhallen
   unaufhörlich
   widerhallen hallen
   HALLELUJA!



Anmerkungen zur Transkription


Hervorhebungen, die im Original g e s p e r r t sind, wurden mit
Unterstrichen wie _hier_ gekennzeichnet.

Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt
(vorher/nachher):

   [S. 18]:
   ... und gingst, eine himmliche Wolke mit unbeflecktem Fuß. ...
   ... und gingst, eine himmlische Wolke mit unbeflecktem Fuß. ...

   [S. 39]:
   ... Doch die Manege der Galerien wartet ...
   ... Doch die Manege der Galerien wartet, ...





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