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Title: Unser täglich Gift - Gedichte
Author: Krzyzanowski, Otfried
Language: German
As this book started as an ASCII text book there are no pictures available.


*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Unser täglich Gift - Gedichte" ***


                         OTFRIED KRZYZANOWSKI



                          UNSER TÄGLICH GIFT


                               GEDICHTE

                               LEIPZIG
                          KURT WOLFF VERLAG

                  BÜCHEREI »DER JÜNGSTE TAG« BAND 67

              GEDRUCKT BEI DIETSCH & BRÜCKNER IN WEIMAR



                         PHANTASIA DESPERANS


   Anmutig, leicht, lebendig!
   Einsam auf schneebedecktem Feld:
   Doch ist der Hunderthändig
   Meines Gedichtes Held.

   Der Hunderthändig ohne Kopf!
   Doch spielt er mit -- einem Schädel.
   Macht ihm aus welkem Gras einen Schopf,
   Gelb wie der welke Nebel.

   Was gilt der Schopf? Nichts gilt der Kopf!
   Und ich bin gut und edel.
   Der Hunderthändig ohne Kopf
   Spielt Ball mit einem Schädel.



                                FRAGE


   Ist deine Liebe wie eine Herde von Wölfen!
   Lautlos rennt sie durch die endlose Steppe;
   Ihnen heißt der Himmel, der endlos grau
   Über den Wütigen hängt, ihr Hunger.

   Oder lauerst du auf Beute:
   Im Geröll als Natter verborgen?

   Wer bist du? Gib acht: eine flüchtige Katze
   Nimmt deine Seele mit sich.



                               CANTATE


   Ach, dir gehört die Liebe,
   Leichter Flieder!
   Und dir gehört die Jugend,
   Leben! Tod!

   Und zwischen hohen Häusern
   Schreiten Mädchen,
   Sie schreiten unter blauem
   Himmel hin.

   Und zwischen grauen Häusern
   Spielen Buben.
   Dir gelten Mut und Bangen:
   Hohe! Welt!

   Und dir gehört die Liebe,
   Leichter Flieder!
   Ach, dir gehört die Jugend,
   Leben! Tod!



                                ABEND


   Wenn der Abend uns bezwingt
   Und die Klage in uns singt:
   Fühlst der bangen Seele Flug,
   Weißer Mädchen Atemzug.

   Fremd ist Friede, fremd der Streit,
   Wann entrinnen wir der Zeit?
   Und kein Alter macht uns klug:
   Fühlst der Seele Abendflug.



                              ERFÜLLUNG


   Was tun? Du Ranke! Danken!
   Dir und der Stunde danken.
   Das Glück gibt Demut: Fleisch und Brot
   Und Wein -- und Tod!

   Als hätte ich Sehnsucht gelitten,
   Machst du mich traurig.
   O Gott, die traute Stunde
   Verrät mir, wie böse mein Stolz war.

   Glück gibt uns Demut: Fleisch und Brot,
   Wein, Weib: von Gott kommt Stolz und Tod!
   Was tun? Man darf nur danken
   Dir und der frohen Stunde.



                          ES GIBT DOCH SÜSSE


   Es brennt die Scham: denn grabhin zieht
   Uns Torheit durch die Stunden.
   Ich hätte bald ins böse Lied
   Ins Urteil mich gefunden.

   Es gibt doch Süße! Zu gestehn
   Fällt schwer: ein Kind kann zwingen.
   Es bleibt die Scham: denn grabhin sehn
   Wir Furcht und Klagen schwingen.



                               BALLADE


   Ein geschändeter Leichnam
   Erschlagen im Walde.

   Seinen Feinden wehe zu tun
   Hat keiner verstanden wie er.

   Nacht war's und einsam der Weg,
   Da horcht er: Sie lauern ihm auf.

   Narrheit ist Betteln, ist Angst,
   Verlangt es die Wölfe nach Blut.

   Tauch auf! Es enttauchte der Furcht
   Seine Seele und lachte der Kälte.

   Enttaucht! Wie lüsternen Grimms
   Er nach seinem Dolche griff!

   Ein geschändeter Leichnam
   Erschlagen im Walde.



                                UNLUST


   Die Begierde hat sich schlafen gelegt,
   Es bleibt das Fieber.
   Der köstliche Mut der Entsagung
   Er wäre mir heute gegeben.

   Die Liebe aus. Was ich liebte, gelöst.
   Die weiblichsten Glieder
   Versagend an meiner Ermattung,
   Ich sehe sie über mir schweben.



                               WERBUNG


   Durch Hoffen und durch Warten wird
   Der Sinn gemein.
   Du Holde! Frag nicht lang!
   Will dich befrein.

   Auf junge Blüten fällt
   Nacht: nicht so wunderbar,
   Wie gegen deinen Hals
   Dämmert dein Haar.

   Dein Auge fragt: Mein Wort
   Klang fremd: es klang doch rein.
   Oh, ich will ewig fremd
   Deinem Bangen sein.

   Das Müssen und das Leiden schenkt
   Kein Abend so klar.
   Demütig reicht die Freude
   Den Becher dar.



                             SPÄT NACHTS


   Woher dein Licht, entlaubter Hain?
   Du schimmerst in tiefem Blau.
   Wie Adern sind Deine Äste.
   Ist's von der Stadt: der Widerschein?

   Ich kam dorther. Die Nacht war trüb und die Gassen
   Klangen vom Regen: beim matten Glanz der Laternen
   Und sonst von allem Licht verlassen.
   O Hain, du nimmst dein Licht aus weiten Fernen!



                              GESTÄNDNIS


   Ich hasse vor allen Dingen den Tod
   Und will mich töten.
   Dies letzte, verzweifelte Wagen
   Ist mir bis heute geblieben.

   Wo fährst du hin, verfahrener Sinn
   Auf polterndem Wagen?
   Es müßte in Scham jetzt erröten
   Die Wange mir, könnte ich lieben.

   Man wirft sich in die Arme des Tods
   Noch immer am besten.
   Den Bettel den Bettlern lassen.
   Den Tod im Sturze noch hassen!



                              ERINNERUNG


   Es will kein Baum
   So wie die Linde blühen!
   Und ist: Die Zeit und ist
   Der Duft. O Traum.

   Es war ein Morgenwind,
   Sollt' ich dich küssen:
   Ich hätte weinen müssen
   Im Morgenwind!



                             MORGENTRÄUME


   Mit der Morgenröte erstem Lohen
   Ist ein braunes schlankes Pferd entflohen:
   Klingt sein Hufschlag in den hohlen Gassen,
   Hat uns alter tiefer Gram verlassen.

   Dringt der Hall an unsre Träumerohren,
   Weckt er Drang und Lust, die neugeboren
   Aller Not entkamen: Ein Versöhnen
   Wiegt uns in der Erde dumpfes Dröhnen.

   Lassen wir uns wiegen: fort uns tragen --
   Fern im Saal, wo Raum und Wände ragen
   Wandeln wir dahin mit leichten Schritten,
   Alle Schwere ist vom Kleid geglitten.



                             MELANCHOLIE


   Ein nacktes Jungfräulein hängt
   An einem Galgen: das Blut, das von Mund und Nase
   Und sonst herunter geflossen, bildet im Rasen
   Eine rote Lache, die mählich schwarz gerinnt
   So wie das Blut der lehmigen Pfützen umher
   Mit der sterbenden Abendröte vergeht.
   Sie sind: die Pfützen, die Augen der Dämmerung.
   Doch gegen das weiße ungeküßte Knie des Weibes
   Fliegt ein Rabe: Wie unmelodisch
   Ein Rabenflügel sich gegen den Rasen zeichnet
   Ehe die Dämmerung ganz herein ist.



                                UNMUT


   Spart euch den Trost! Der Wahnsinn ist
   Der Gläubiger der Geschlagenen.
   Und ihm verfällt des Elends wache Brut.
   Spart euch den Spott.

   Denn wie ein Schiff der sturmzerpeitschten Flut
   Sind Worte mir zur Last: verhaßt die Blicke
   Der Gütigen.

   Ich hasse: wenn weit durch das zitternde Land
   Der Frühling mit grünschattenden Pfeilen zielt.
   Ich liebe es, wenn um der Männer Stirn
   Das Grün des Elends spielt.

   Ihr seid mir Brüder: in Todes Hirn
   Begraben will ich allen freien Mut.



                             DER EINSAME


   Und bald erlischt der Kerze Flackerlicht.
   O meine Seele! Jetzt noch ein Gedicht!

   Die Welt ist grau und bleiern wog der Tag,
   Wie er oft kommt und wie ich ihn nicht mag.
   Das Leben ist mir wie die Liebe weit
   Und bald umfängt mich tiefe Dunkelheit.

   Auf eines Knaben Schulter mein Knabenkuß
   Mir Leben noch und Tod durchleuchten muß.



                          DER INDIVIDUALIST


   Ein Weib zu suchen! Wozu? _Das_ Geschäft
   Besorgen noch immer hundert und aberhundert.

   Sterben! Warum? _Die_ Arbeit
   Wird heute von tausend gesunden Männern getan.
   Was kann ich Besonderes tun? Ohne Sorge sein.



                                ABEND


   Was wünscht die Seele? Tod zu spenden oder
   Sich dem Abend preiszugeben, wie das Rohr
   Dem Wind die schwanken Rispen preisgibt: schlanke Rehe
   Schmiegen sie sich. Nieder auf sie
   Sinkt im Dämmern
   Furcht.



                               TANZLIED


   Es gibt kein Schmeichelwort, hold wie dein Tanz.
   Und ich muß hier sein, dich zu sehn und frage mich:
   Du Schöne, muß ich sein und frage dich
   Wie komme ich her? Nicht Leben noch Tod
   Ist Trost für mich. Verloren, verloren.
   Ich fühle mein Gerippe, hasse mich.
   Es gibt kein Wort so traurig wie dein Tanz.



                                MORGEN


   Es hebt sich, senkt sich des Windes Flüstern.
   In des Morgens ragende Räume
   Stechen die goldenen Zweige der Bäume
   Unbewegt: so leicht sind die Blätter.
   Trinke! Die Kühle des Morgens in durstigen Zügen,
   Süß: wie den Vertrauenden betrügen.

   Tausend Lockungen
   Tanzendes, springendes
   Lichtes, strahlendes Gold!
   Traue dem Freund nicht!
   Alles sind Lügen.
   Einsam ist der Genuß,
   Ist die Lust am Gold
   Allen gemeinsam die Gier, ich bin nach Einsamkeit lüstern.



                                SORGE


   Schwarzgraue Wolken hangen hernieder,
   Das Gewicht der Wolken an der Himmelswage
   Vermag die Sorge nicht zu heben,
   Die Sorge, die mich zermalmen wird.

   Und die Gedanken fliehn
   Vor der Not in die Irre.
   Und ich spreche zum Freunde, zum guten: Wie alt,
   Wie alt und gestorben grau diese Wolken sind!
   Keine Glut noch Farbe in ihnen. Ein Totenschädel,
   Ein alter Schädel, der nicht mehr im Dunkel leuchtet,
   Wäre noch hell gegen sie wie der glimmende Mond.



                      ERWACHEN BEI DER GELIEBTEN


   Die Holde schläft: zu früh bin ich erwacht:
   Ein Wort ist süß und gelte diese Nacht.
   Ich werd' es heute nicht, nicht morgen tun
   Doch irgendwann und selig kann ich ruhn.
   Ich töte dich.



                                WUNSCH


   Ein einfaches, leichtes Kleid!
   Ein leichter Gang!
   Ein Mädchen, das hie und da
   Meine Lenden geschmeidiger macht,
   Ihm dankbar sein dürfen und eins!
   Verschont die Seele.



                                FREUDE


   Durch den blauen See zu schwimmen! Du feuchtes Vergessen,
   Durch den klaren Tag zu wandeln! O holdes Erwachen!
   Durch eisigen Sturm zu schreiten! Du ewiges Bangen!
   O munteres Leben!



                               WEINLIED


   Starker, goldener Wein! Du bist
   Wie das Glück im Spiel.

   Ewig gleich aus deinem Innern, ob
   Wir wild werden, toll werden, bös werden,
   Strahlt die Verlockung.

   Du und ein fragendes Kind! Ihr weckt
   Das arge Wissen in uns, doch ihr
   Gebt auch das Vergessen.

   Du bist die Lust zu gestehen, bist
   Die Lust zu verhehlen, dein
   Ist Klarheit und Heimlichkeit.

   Ewig gleich aus deinem Innern, ob
   Wir traurig sind, ob wir froh sind,
   Strahlt die Verlockung.

   Und du bist wie die großen Geister.
   Du machst uns stolz, bis wir
   Hintaumeln, machst uns stark, bis du
   Uns umwirfst. Freund, Verführer und Herr!
   Denn dein heiliges Sein
   Ist nicht erkannt, nicht gewürdigt.



                             ARISTOGEITON


   Drei Frühlingstage war ich bang um dich.
   Ich wußte nichts. Doch ahnte ich -- Böses.
   Schöner Knabe, folgsam der Sünde!
   Später vergaß ich.

   Drei Wochen später! Da erzähltest du mir.
   Ich dachte: daß diese Dinge
   Ewig die gleichen sind!
   Das ist das Schöne.

   Daß er dir Gift geschickt hat!
   Weil -- du ihn batest darum
   In der Stunde der Scham,
   Ist schön. Ich mußte doch lachen.

   Das Gewissen tilgt den Dünkel nicht.
   Und die Götter müssen uns verdammen.
   Alles Tun und unsre Einsicht ist
   Furchtbare Frechheit.

   Einst war mir der Gedanke traurig,
   Daß diese Dinge ewig die gleichen:
   Jugend, Sünde, Scham, Verwirrung, Erwachen.
   Dann fand ich das Ewige schön.

   Jugend, Sünde, und: daß du mir all das
   Erzählen mußtest: folgsam den Göttern,
   Schöner Knabe, dem Tode entronnen!
   Wie ich dich liebe!



                               ZWEIFEL


   Ach, wir wissen von keinem Gedanken, wann er
   Neu war, von keiner Schönheit, wann sie
   Schwand und erschien, von keiner Tat, wir erkennen
   Unsre Schuld nicht.

   Darum laßt uns verehren, es wäre ja schmählich,
   Wollten wir deshalb verehren, weil wir wüßten:
   Denn von jeher liebte ein Mensch, ins Hirn dem
   Andern zu spucken.



                          KLAGE UM DEN WEIN


   Der Wein, wo kam er hin? Er gab uns Glut,
   Dem Geist Besinnung und dem Toren Mut.
   Der gute Wein, wo ist er hingekommen?
   Ich glaube: die Klugen haben ihn fort genommen.
   Die Männer starben. Weiber halten haus.
   Der Trost der Klugen hielte den Wein nicht aus.
   Der Wein, der würde verraten: es weint das Land,
   Es trauert der Geist, nur Bureaumädchen blieb noch Verstand.



                                ELEND


   Komm, schneller Tod. Der Morgen blaut so heiter.
   Ich wandle durch die Gassen, Tod, so matt.
   Mich stiert ein Kind an. Flammen über die Stadt!
   Ein welkes Kind nicht weit von seinem Vater.
   Der bange Mann hofft immer weiter.
   Tod, leichter Reiter! Flammen über die Stadt!
   Komm, schneller Tod!



                             ERNÜCHTERUNG


   Gestorben ist das Abenteuer
   Und auch mein Hürchen hat es satt.
   Der Morgen graut: Erloschen ist das Feuer,
   Das Hündchen Liebe liegt zu Tode matt.

   Es mag das Tier nichts Rechtes wittern
   Wie wir: seitdem die Lust entflog.
   Noch lacht in uns der Spott: ein armes Zittern!
   Des Morgens Drohn lügt, wie die Nacht uns log.



                         ÄSTHETIK DES KRIEGS


   Nur der erschaut die schönen Berge wirklich,
   Der keine Zeit hat, sie zu bewundern.
   Die Soldaten im Süden, nicht die Touristen sehn
   Die Dolomiten am besten.

   Denn die Natur, ob sie schön oder grausam sei:
   Für unsre leere Zeit ist sie nicht gemacht.
   Und wirklich sieht den Krieg nur einer, der irgendwie
   Keine Zeit für ihn hat.

   Der Soldat vielleicht, wenn er daheim
   Bei seinem Weibe ruht.



                                HERBST


   Der Abendhimmel, grau und taub
   Sei Tafel meinem Stift.
   Der starren Bäume fahles Laub
   Sei meines Liedes Gift.

   Das Spiel von Liebe und von Tod
   Kann warten keine Stund'.
   Noch leuchtet ihm des Waldes Rot,
   Noch sind die Karten bunt.



                               STIMMEN


   Er:
   Laß mich allein, ich falle zur Beute
   Dem, was die tiefste Schmach du nennst.
   Das »Morgen« gilt mir nicht, nicht mehr das »Heute«,
   Nur eine Stunde noch, die du nicht kennst.

   Staub bin ich dann und fremder Stürme Raub und Erde:
   Auf mir lastet die Nacht.
   Bald schlummert ein Schmerz: Was in mir wacht,
   Ist Kummer, Angst, Beschwerde.

   Sie:
   Du reißt dich los. Ich höre noch: Du sinkst.
   Weiß nicht, in welchem Meer du ertrinkst.
   Bin ich jetzt die Verlassene, Befreite?
   War stets doch die zu jedem Schmerz Bereite.



                          REUE DES DICHTERS


   Meine Gedichte --
   Alle miteinander
   Verbrennen!
   Nur eines schrieb ich
   Einstens! das feiert den Mut
   Des Helden und heißt: Keine Furcht!
   Keine Furcht vor dem Wein!



                           LIED DER HELDEN


   Ob wir liegen und harren oder den Tod
   Zu belauern, -- hinaus schreiten:
   Wir fühlen das Schöne, daß wir nicht wissen, woher
   Uns der Mut kommt.

   Wir müssen siegen.
   Dann haben wir im Frieden mehr zu essen!
   Ach, jeden überkommt einmal die Stunde
   Der Furcht.

   Wo der Tod uns treffe! Einsam oder bei den andern:
   Nicht zu wissen, ist gut.
   Das göttlich Schöne ist, daß wir nicht wissen, woher
   Uns der Mut kommt.



                           DER UNTAUGLICHE


   Es liegt doch ein köstlicher Spott darin,
   Sage ich es der Einsamkeit oder einem holden Mädchen?
   Es ist doch ein eigentümlicher Hohn Gottes,
   Daß ich lebe, wenn Tausende sterben.

   Es ist doch ein köstliches Ausruhn,
   Sage ich es der Einsamkeit oder einem holden Mädchen.
   Ich danke es der ewigen Hoheit
   Der Nacht, daß ich froh bin zu atmen.



                   DER TRINKER AUF DEM SCHLACHTFELD


   Du! schläfst im fließenden Wein!
   Du! rufst im Traum.
   Hier, Tod, hat dein Spiel
   Lichten freien Raum.

   Resignation.
   Du große Stille! Der Ruf nach Heldentum ist
   Verzweiflung des Herzens. Und doch gibt es Männer.
   Ihr leuchtenden Sterne! Der Ruf nach Schönheit ist nur
   Verzweiflung der irren Sinne. Du große Stille!



                                 RUF


   Du hoher Ton der Geige! Diese Zeit
   Ist nicht die meine und die Tage fliehn.

   Du Jubelton der Geige! Ach, es starb
   Die Jugend und mich freut kein Siegen mehr.

   Du Siegeston der Geige! Ewig frißt
   Der Gram! Ihr Armen! Laßt die Bäume blühn.



                              BEKENNTNIS


   Um des Geistes Morgenschlummer
   Aufzuwecken, schreibe ich das Gedicht.
   Da aus all dem toten Kummer
   Eine Stimme meinem Glühen Antwort spricht.

   Stimme eines schlanken, frohen
   Mädchens, das kein andres Opfer kennt
   Als ein Lachen, kühlend: die da lohen
   Nachtgeborne Flammen, sonst kein Opfer kennt.

   Nimm den ewig grünen dunkeln
   Lorbeer auf dein Haupt, wie Feuer brennt,
   Berge ragen und die Sterne funkeln:
   So bekenne: ob man stolz dich nennt.

   Dem erstummt die Welt und Einsamkeiten
   Dich im Fragen sternengleich umziehen
   Wie im Traume, wenn du meinst zu schreiten
   Über hohe Dächer, Türme hin.



                               MAHNUNG


   Stille! Freund! Es lernt sich alles.
   Wer die Scham verlernt hat, ist
   Jeglichen Verbrechens fähig.

   Längst begehrt mein Herz: zu sehen
   Wie im Kampf der Feige kühn wird
   Und wie aus dem kältesten Grauen
   Jäh die Grausamkeit erwacht.

   Preist nicht den Gewinn der Arbeit!
   Ja: der Durst begehrt nach Säure!
   Wohl! Bedenk: Das Herz verlangt nicht
   Obst: es will gestohlene Früchte.

   Meide Worte, die uns rühren:
   Sie verführen, und im Herzen,
   Das Verführung schon gekostet
   Und verspürt hat, wacht die Tücke.

   Schweigt von Gott! Schweigt von der Plage!
   Glaubens Reden stört die Andacht,
   Stört die stille Scham des Mannes.
   Schweigt von Tugend und von Sünde.

   Darum still! Und müßt ihr reden,
   Sprecht in leichten lockern Worten,
   Die den Tänzer nicht beschweren,
   Nicht des Weines Licht verdunkeln.



                               ABSCHIED


   Es ertrinken die Sterne
   In tiefem Blau.
   Des Morgens Kahn ziehn ferne
   Schimmernde Segel,
   Zeigen uns, wie unergründlich tief
   Die schwindende Nacht ist.

   Freund! Gefahr und Weib
   Gilt. Was? Kopf hoch und munter.
   Torheit ist unser Wundern,
   Torheit ist das Verachten.
   Freund!



                           INHALTSÜBERSICHT


                                     Seite
   Phantasia desperans                   5
   Frage                                 5
   Cantate                               6
   Abend                                 6
   Erfüllung                             7
   Es gibt doch Süße                     7
   Ballade                               8
   Unlust                                8
   Werbung                               9
   Spät nachts                           9
   Geständnis                           10
   Erinnerung                           10
   Morgenträume                         11
   Melancholie                          11
   Unmut                                12
   Der Einsame                          12
   Der Individualist                    13
   Abend                                13
   Tanzlied                             13
   Morgen                               14
   Sorge                                14
   Erwachen bei der Geliebten           15
   Wunsch                               15
   Freude                               15
   Weinlied                             16
   Aristogeiton                         17
   Zweifel                              18
   Klage um den Wein                    18
   Elend                                19
   Ernüchterung                         19
   Ästhetik des Kriegs                  20
   Herbst                               20
   Stimmen                              21
   Reue des Dichters                    21
   Lied der Helden                      22
   Der Untaugliche                      22
   Der Trinker auf dem Schlachtfeld     23
   Ruf                                  25
   Bekenntnis                           24
   Mahnung                              25
   Abschied                             26



Anmerkungen zur Transkription


Hervorhebungen, die im Original g e s p e r r t sind, wurden mit
Unterstrichen wie _hier_ gekennzeichnet.





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