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Title: Die deutsche Karikatur im 19. Jahrhundert
Author: Hermann, Georg
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Die deutsche Karikatur im 19. Jahrhundert" ***


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  |                                                                  |
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[Illustration]


                               Sammlung
                      Illustrierter Monographien

                Herausgegeben in Verbindung mit Anderen

                                  von

                          Hanns von Zobeltitz

                                  2.

                        Die deutsche Karikatur
                          im 19. Jahrhundert

                         Bielefeld und Leipzig
                     Verlag von Velhagen & Klasing
                                 1901



                        Die deutsche Karikatur
                          im 19. Jahrhundert

                                  Von

                             Georg Hermann

                Mit 6 Kunstbeilagen und 177 Abbildungen

                            [Illustration]

                         Bielefeld und Leipzig
                     Verlag von Velhagen & Klasing
                                 1901


_Alle Rechte vorbehalten._


Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.



Vorwort.


Es soll in Folgendem der Versuch gemacht werden, einen Überblick zu
geben über die wichtigsten Erscheinungen der deutschen politischen
und sozialen Karikatur, sowie unserer humoristischen Zeichnung im
neunzehnten Jahrhundert.

Und wenn es vielleicht sich ermöglichen ließe, zu erkennen, welche
Bahnen diese Schaffensart technisch, geistig, künstlerisch durchlaufen
hat; wenn es gelingen sollte, hie und da den Kontakt mit der
Zeitgeschichte zu bestimmen; wenn es glücken sollte, einmal die Rolle
zu umschreiben, welche die Karikatur im Leben einer Epoche gespielt
hat, glücken sollte, zu verstehen, wie in ihr die feinen Äußerungen
des gesellschaftlichen Beieinander, der Geistes- und Gemütskultur
Deutschlands Widerhall gefunden haben, und wie in ihr das zu festen
Formen erstarrte, was sonst der rasche Tag hinweggerafft hätte, -- ich
meine all das, was _neben_ der Geschichte ist, und eben zu zart, zu
flüchtig, zu wechselnd, als daß es Klio mit ehernem Griffel in ihre
ehernen Tafeln ritzen könnte ... wenn es glücken sollte, einem oder
dem andern dieser Dinge nur annähernd gerecht zu werden, so will der
Verfasser mehr denn zufrieden sein.

Aber zu guter Stunde sei es gesagt, um den Ruhm, ein brauchbares
Nachschlagebuch zu schaffen, welches nur alles irgendwie wissenswerte
Material enthielte, geizt er nicht. Der nach allen Seiten überquellende
Reichtum des Stoffes ließe sich auch nicht in einem Büchelchen, wie
dem vorliegenden -- und sei es selbst in Gestalt der nüchternsten
Nomenclatur -- bändigen. Es kann sich darin nur um einen flüchtigen
Überblick, einen kleinen Spaziergang durch dieses interessante Gebiet
handeln.

So wird zwar das Werkchen des streng wissenschaftlichen Charakters
entbehren, aber vielleicht wird es dennoch Freunde finden; allein schon
deshalb, weil es sich mit einem Stoff beschäftigt, der in den letzten
Jahren mehr und mehr in den Vordergrund der künstlerischen Anteilnahme
gerückt ist, und der uns heute reizvoller und schätzenswerter, als je,
erscheint.

Ich bin in meinen Arbeiten in freundlicher Weise durch Bibliotheken,
Museen, Verleger, Sammler unterstützt worden und sage hiermit allen --
besonders aber den Herren Braun und Schneider, Bassermann (München),
Herrn A. Hofmann und Emanuel Mai (Berlin) -- meinen Dank.

  _Berlin_, im Mai 1900.

                                                        $Georg Hermann.$

[Illustration: _Nach einer farbigen Lithographie von L. Baltz_
(mutmaßlich Pseudonym für Löffler). Um 1855.

(Sammlung v. Lipperheide.)]



[Illustration: Abb. 1. _Daniel Chodowiecki_: Leiste mit Karikaturen.
(Originalgröße.)]



Die einzige Arbeit, welche bisher die gesamte deutsche Karikatur
im Zusammenhange darzustellen sich bemüht, hat den französischen
Kenner dieser Materie J. Grand-Carteret zum Verfasser. Sie erschien
in Paris 1885 und beleuchtet infolgedessen noch nicht die letzte,
so interessante Phase der deutschen Karikatur, welche sich fast
wie absichtlich in Gegensatz zu der jeder früheren Epoche setzt.
Das Werk Grand-Carterets hat den großen Vorzug, eine -- wenn auch
noch lückenhafte -- so doch überaus fleißige und dankenswerte
Zusammenstellung des Materials zu liefern und durch die biographischen
Notizen über die Künstler, sowie durch einen gewissenhaften Katalog der
periodisch erscheinenden und erschienenen illustrierten humoristischen
und politisch-satirischen Blätter jedem Späteren viel Mühe und Arbeit
zu ersparen. Während Grand-Carteret die Karikatur -- man fasse hier
diesen Begriff im weitesten Sinne, als Sammelwort für Darstellungen
jeder Art, welche in der Absicht geschaffen sind, unsere Heiterkeit,
unsere lachende Anteilnahme, unseren bitteren Spott, unsere Verachtung
zu erregen; man nehme Sittenschilderung, wie politische Satire in ihm
auf; ja selbst das zwecklose, liebenswürdige Spiel der künstlerischen
Phantasie rechne man zu ihm -- während der Franzose also die deutsche
Karikatur, soweit die deutsche Zunge klingt, in den Rahmen seiner
Besprechung aufnimmt, Deutschland, Oesterreich, Schweiz, wird der
Schreiber nur die Arbeiten Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert
berücksichtigen. Wenn er trotzdem den Schweizer Toepfer in der Debatte
zu Worte kommen lassen wird, so erscheint ihm dieser zuerst als
Künstler von Interesse, und er muß als geistiger Ahne des größten
niederdeutschen Humoristen und Zeichners Wilhelm Busch unserer
doppelten Anteilnahme gewiß sein.

Was man dem Werk Grand-Carterets zum Vorwurf machen könnte, ist einzig
und allein in der Herkunft des Verfassers begründet. Nicht, daß es
irgendwie tendenziös färbte, -- in diesen Fehler verfällt er nur
selten, -- aber wie ist es überhaupt denkbar, daß ein Mensch anderer
Rasse volles, eingehendes Nachempfinden für alle Eigenheiten deutscher
Arbeiten haben könnte; und wie kann es ihm möglich sein, sich in das
einzuleben, was die intimsten Eigenheiten fremder Volksseele offenbart?
Ja, uns, die doch Sprache, Denken, tausend Erscheinungen der Rasse, des
Empfindens unbewußt miteinander verbindet, wie schwer wird es schon
uns, den Witz, den Humor, die Karikatur einer vergangenen Epoche, läge
sie nur fünfzig Jahre zurück, zu verstehen, sich da hineinzufinden;
und wir haben doch schon durch Geburt vor jenen hierin einen Vorsprung
voraus, den selbst das ernsteste Streben nicht wett zu machen vermag.
Alles, was Grand-Carteret durch Arbeit und Gewissenhaftigkeit erreichen
konnte, ist erreicht; und wenn er meines Erachtens trotzdem zum
Verständnis der Bewegung nichts von Belang beigebracht hat, so hat das
seine Begründung in einem Etwas, welches stärker ist als er.

Was in der Arbeit Grand-Carterets besonders vermißt wird, ist das
Eingehen auf künstlerische Eigenart einzelner Zeichner, wie ganzer
Epochen, und der Hinweis auf die fundamentalen Änderungen, welche
die fortschreitende Entwickelung der Vervielfältigungsverfahren mit
sich brachte. Ebenso scheint mir die Entwickelung und Wandlung der
humoristischen und satirischen Momente, die vollkommene Umgestaltung
unserer seelischen Struktur im Laufe eines Jahrhunderts -- das, was
eigentlich der leitende Gedanke sein müßte, -- nirgends hervorgehoben.

[Illustration: Abb. 2. _Neujahrswunsch um_ 1800.

(Sammlung v. Lipperheide.)]

Es wäre also eine ebenso verdienstvolle, wie schwierige Aufgabe, einmal
eine Geschichte der deutschen Karikatur zu schreiben, in der die
Entwickelungslinien deutlich gezeichnet wären. Der Verfasser müßte als
Künstler, als Historiker, als kulturgeschichtlicher Forscher gleich
verständnisvoll dem Thema gegenüberstehen. Dieses Buch fehlt uns, wie
das liebe Brot; aber wer hätte wohl Mut und Fähigkeiten genug, um diese
Herkulesarbeit zu bewältigen?

[Illustration: Abb. 3-5. »_Nürnberger Schimpfwörter._« Um 1790.]

Und daß der leitende Gedanke dieser Entwickelung auch anderwärts
nirgends betont wird, das ist es, was mich davon abhält, der Begründung
und philosophischen Klärung der Begriffe nachzugehen, mit welchen
wir uns hier befassen werden. Mit all den geistvollen, ästhetischen
Erörterungen fördern wir nichts; denn nirgends ist berücksichtigt,
daß der Witz, Humor, die Karikatur Wandlungen unterworfen sind, sich
abnutzen, Neuem Platz machen; daß das, was vor fünfzig Jahren noch
als komisch, humorvoll, karikaturistisch erschien, was die Menschen
in Fröhlichkeit versetzte, uns nicht mehr lachen macht, in uns nicht
mehr _die_ Gefühle auslöst, welche erst den Dingen ihre Tendenz, ihren
Gehalt geben. Ein Messer, mit dem man nicht mehr schneiden kann, ist
und bleibt nur ein Stück Metall, und wenn es auch zehnmal die Gestalt
eines Messers hätte. Und ebensowenig, wie uns diese fernen Dinge
heute noch ergötzen, würde von Früheren unsere heutige Heiterkeit und
ihre Gründe begriffen werden. Was würde ein Jemand von vor hundert
Jahren über uns denken, wenn wir vor einem Th. Th. Heine ihm sagten:
Sieh' einmal: diese Linie erregt schon -- nur als abstrakte Linie --
durch ihre bizarre Bewegung eine Heiterkeit, oder ich finde in dem
absichtlichen Mißklang dieser Farbenzusammenstellung einen Grund zum
Lachen. Und so gut diese Dinge nichts Feststehendes in der Zeit haben,
nur in ewigem Wandel, in steter Veränderung ihr Leben fristen können,
ebenso sehr wird ihre völlige Verschiedenheit bestimmt durch örtliche
Entfernung, ist sie den Unterschieden der Rasse unterworfen. Jedes
Volk hat _seinen_ Witz; überall äußert er sich anders, -- allein schon
der norddeutsche Witz ist dem Süddeutschen oft unverständlich, und
der Norddeutsche möchte heute umgekehrt den des Süddeutschen flach
und nichtssagend finden. Rassenerbteil, Bildungshöhe, Sittlichkeit,
Denkschnelle, geistige Behäbigkeit, alles, alles beeinflußt den Witz,
scheint ihn in seinen Grundfesten umzuwandeln, und ich möchte es
leugnen, daß Humor, Witz, Karikatur überall und stets von den gleichen
Quellen unseres Geistes genährt werden und genährt wurden.

[Illustration: Abb. 6. »_Herr Alt und Frau Jung._« Handkoloriertes
Blatt; um 1810. (Sammlung v. Lipperheide.)]

Gerade, daß sich all diese Deutungen so wenig mit der bildenden Kunst
befassen, nirgends eine Analyse bildlicher Darstellung bieten, stets
das geistige, aber selten das rein ästhetische Moment betonen, macht
es uns desto leichter, über sie hinwegzugehen. Nein, mich dünkt auch
für unser Seelenleben gibt es keine Ewigkeitswerte, und mit dem
Witz des Wortes und des Bildes ändern sich auch seine Ursachen und
Wirkungen; lassen wir diese Frage offen, nur soviel: Weder scheint
mir das Komische in einer Auflösung des Erwarteten begründet, noch
möchte ich mich dem zuwenden, daß das Lustgefühl beim Komischen ein
gemischtes ist, und daß es im Anschwellen, Überheben unseres Ichs
dem Dargestellten gegenüber wurzelt, im Gegensatze zum Erhabenen,
welches ein Verdrängen, Unterdrücken unseres Ichs hervorbringt. Gerade
in der modernen Karikatur sind Momente hinzugetreten, welche meines
Erachtens in keiner Deutung restlos aufgehen, und deren Wirkung auf
mich von keiner der Erklärungen gedeckt wird, nicht von der eines Kant,
Jean Paul, Vischer, noch von der moderner Psychologen, eines Hecker,
Kraepelin, Lipps.

[Illustration: Abb. 7. _Matthieu Oesterreich_: Gesellschaftsstudie
1752. (Verkleinert.)]

       *       *       *       *       *

Für die Zwitterstellung, welche die Karikatur in der Kunst einnimmt,
indem sie in einer bestimmten Absicht geschaffen wird und vielfach
Dinge gibt, die eigentlich in das Gebiet des gesprochenen Wortes
fallen, die Grenzen der bildlichen Darstellung verschieben und
überschreiten, -- für diese eigentümliche Stellung scheint es mir
nicht ohne Belang, daß viele Schriftsteller -- Künstler des Wortes
-- bis in die modernste Zeit, bis auf Johannes Schlafs »geschundenen
Pegasus«, den Hang zur bildlichen Karikatur gezeigt haben, und daß
wirklich oftmals hier eine starke Begabung mit der litterarischen Hand
in Hand ging. Die Schöpfungen sind meist nicht reif genug, um hier
Raum zu finden; selbst die bekannten Karikaturen Schillers »Abenteuer
des neuen Telemachs« sind zu dilettantisch, um ernst beurteilt zu
werden. Eigenartig, bizarr, von leichter Hand, zeigt sich vor allem
nur Theodor Amadeus Hoffmann, in dem sicherlich das Zeug zu einem
der merkwürdigsten Karikaturenzeichner des beginnenden neunzehnten
Jahrhunderts gesteckt hat. Seine phantastischen Gestalten, -- wie die
des wahnsinnigen Kreislers, -- sind Ausgeburten krankhafter Phantasie,
Bilder eines zweiten Gesichts, grause Spukgestalten von satanischem
Humor, wie sie schreckhaft starre Augen in Fieberträumen zu sehen
wähnen. Gerade diese Note, welche wir z. B. in dem Spanier Goya, bei
Jacques Callot und in dem Belgier Félicien Rops wiederfinden, ist bis
heute der deutschen Karikatur fast vollends fremd geblieben, und doch
möchte auch sie bei uns einer eigenen Entwickelung fähig sein.

[Illustration: Abb. 8. _Spottbild auf die Gallsche Schädellehre._
Um 1800.]

       *       *       *       *       *

Wir haben zu unterscheiden zwischen humoristischer und
karikaturistischer Zeichnung. Die erste schafft tendenzlos, nur die
eine Absicht kennend, uns ihr Lachen mitzuteilen. Sie will nicht
beleuchten, aufreizen oder beruhigen, wandeln oder bessern, das
Ethische tritt vollends hinter dem Ästhetischen zurück; sie treibt
ein zweckloses, frei-künstlerisches Spiel mit den Dingen und will
uns nur ihre Weltanschauung vermitteln, eben jene, welche man Humor
nennt. Friedrich Theodor Vischer sagt vom Humor: Als poetische
Thätigkeit bringt er ein Ganzes aus sich heraus, ein Kunstwerk, das
von ihm durchdrungen ist, -- und geistvoll trifft Vischer ferner seine
Eigenheiten: »Der unendliche Widerspruch von Höhe und Niedrigkeit in
der Menschenwelt, die rührend-komische Wahrheit, daß der große Mensch
so klein, dieses weisheitsvollste Wesen so kindisch, schildert er
erfinderisch in den individuellsten Kollisionen, aber immer (?) mild
und mit Liebe. Der Humor ist voll Unschuld, aber es ist nicht die
einfache Unschuld eines Kindes, sondern eine solche, die durch innere
Wehen, durch Zerrissenheit, Kampf, Schuldbewußtsein hindurchgegangen
ist, und sich wieder mit ihrem Gott versöhnt hat. Diesen Kampf, die
Erfahrung des Abfalls vom Unendlichen, die Erkenntnis des Bösen, die
Zerstörung der jugendlich schönen Illusionen setzt der Humor allerdings
voraus.« Uns muß diese Auslassung um so wichtiger erscheinen, weil
sie aus dem Jahre 1837 von dem Gleichen stammt, der im Jahre 1880 in
Verkennung gerade dieser, hier so scharfsinnig gedeuteten Thatsachen,
Wilhelm Busch Pornographie vorwarf. -- Die humoristische Zeichnung ist
es vorzüglich, welche der steten Wandlung und Umgestaltung unterworfen
ist, und welche am reinsten deutsche Eigenart ausspricht; sie hat
bei uns die höchste künstlerische Form erreicht, im Gegensatz zu
Frankreich, wo sich seit Mitte des Jahrhunderts besonders soziale und
politische Karikatur in unerreichter Kraft und Vollkommenheit auslebt.

[Illustration: Abb. 9. _Daniel Hildebrandt_ (_Daniel Heß_): Der
Scharringelhof, Blatt 5. 1801. (Verkleinert.)]

Die soziale Karikatur, welche erst ganz neuerdings in Deutschland
mit dem klaren Bewußtsein des Klassenkampfes hervortrat, ist ein
Bindeglied zwischen humoristischer Zeichnung und der mit politischer
Tendenz, oder sie ist vielleicht nur als eine neue, vornehmere Form
der letzten zu betrachten. Sie ordnet die agitatorischen Intentionen
den künstlerischen unter, und gerade sie schafft die intimen, für
unsere Zeit eigentümlichen Kunstwerke, während der politischen
Karikatur niemand intime Wirkungen nachsagen kann. Vischer bezeichnet
die politische Karikatur in seiner Arbeit über satirische Zeichnung
als »gemischte Kunst«, und, als fürchte er einen Zusammenstoß seiner
Ästhetik mit dem Leben, setzt er hinzu: »Hat man nur erst gründlich
eingesehen, daß die Kunst mit Tendenz keine reine ist, so kann man
ihr ohne Scheu, mit voller Überzeugung, ihr großes, geschichtliches
Recht wiedergeben«. Die Erörterung, welche sich hieran knüpfen müßte,
ist müßig, manche der beigegebenen Illustrationen werden zeigen, daß
Kunstwert und Tendenz restlos ineinander aufgehen können, und daß
in keiner Weise politische Karikatur, nur weil sie handelnd in das
öffentliche Leben eingreift, eine subalterne Kunstübung ist; so wenig
wie das Schaffen eines Schrankes nun eine niedere Bethätigung wäre,
weil dieser Gegenstand neben ästhetischem Genügen noch praktischen
Zwecken dient. Jedenfalls hat die politische Karikatur so, wie sie
eine eigene Stelle im Leben einnimmt, auch eigene Gesetze in der
künstlerischen Wirkung. Eduard Fuchs versucht in seinem »1848 in
der Karikatur« die Rolle, welche diese in den politischen Wirren
als Kampfmittel gespielt hat, zu schildern: doch ist es schwer und
unmöglich, zahlengemäß die Richtigkeit der Ausführungen zu belegen.
Besser wären diese Untersuchungen bei der Dreyfußaffaire angebracht
gewesen, wo man einmal in Frankreich von Tag zu Tag den Einfluß der
führenden Zeichner: Forain, Caran d'Ache, Ibels, Léandre u. s. f. im
Psst...!, Sifflet, Rire -- auf die Stimmung der Massen hätte erkennen
können. Die neuen Arbeiten Grand-Carterets streifen ähnliche Probleme.
Eine im Wesen des politischen Bildes begründete Eigenheit ist es,
daß sie fast stets auf Seite der Opposition, des Schwächeren, des
Unterliegenden steht. Die deutschen Karikaturen, z. B. im Krieg 1870,
sind geringfügig, in minderer Anzahl und ohne Stachel, während die
Franzosen -- als Besiegte -- ihrer bittersten Spottlust alle Zügel
schießen lassen und eine Unzahl Blätter von gewaltiger, wuchtiger
Kraft geschaffen haben, -- jedes ein aufstachelndes Kriegslied,
flammend, voller Hohn und Verachtung. So wird die politische Karikatur
ihren Höhepunkt stets in den Zeiten politischer Erregtheit haben, in
ruhigeren wird sie dann wieder ebben, verflachen, um plötzlich wie eine
Springwelle von neuem emporzuschnellen. Und schon diese Linie zeigt
ihre Stellung im Streite der Mächte und Meinungen, ihre Wichtigkeit
als Kampfmittel. Man könnte sie die ~Biblia pauperum~ des öffentlichen
Lebens nennen. Wie sich die Armenbibel an die wandte, denen das
geschriebene, gedruckte Wort kein Leben gewann, um zu ihnen mit der
stärkeren Suggestion des bildlichen Eindrucks zu sprechen, so wendet
sich die politische Karikatur -- vorzüglich die frühere, welche mit
sogenannten »fliegenden Blättern«, »Einblattdrucken« oder mit Plakaten
das Land überschwemmte -- agitatorisch an die breitesten Massen derer,
welche nicht scharfsinnig den Bewegungen zu folgen verstehen. Und
selbst denen, welche im politischen Leben stehen, will sie, wie in
einer Anmerkung, einer glossierenden Fußnote zur Zeitgeschichte, noch
einmal in schlagender Weise das vorführen, was hier das Springende
ist. Kurz und klar will sie den Sinn erfassen, knapp und scharf ihn
zum Ausdruck bringen. Sie will nicht mit uns unterhandeln, uns mit
Gründen der Vernunft etwas beweisen, sondern sie will uns blenden,
uns überzeugen, ehe wir nachdenken können. Der große Nutzen dieser
Kunstübung also ist es, daß sie mit scheinbarem Spiel den indifferenten
Massen eine starke Anteilnahme am öffentlichen Leben erhält. Ohne
unsere satirisch-politischen Witzblätter würden sich die Leiter der
Politik kaum heute einer solchen Volkstümlichkeit erfreuen.

[Illustration: Abb. 10. _D. Chodowiecki_: Liberté, Égalité,
Sansculotte.]

[Illustration: Abb. 11. _Daniel Chodowiecki_: Wallfahrt nach
Französisch-Buchholz.]

[Illustration: Abb. 12. _D. Chodowiecki_: Phétion, Marat und das
Fischweib.]

[Illustration: Abb. 13. Silhouette zu _Kortums_ »Jobsiade«.]

Die Beleuchtungsart der politischen Karikatur hat etwas vom
elektrischen Scheinwerfer, welcher hier breite Lichtmassen häuft,
um sie gegen tiefschwarze Schatten noch greller wirken zu lassen.
Diese Art der Beleuchtung zwingt die politische Karikatur in ihren
Angriffen scharf und oft ungerecht zu werden, aber das ist eben in
ihrem Wesen und ihren Zielen begründet, und man kann es ihr nicht
zum Vorwurf machen. Das volle Bewußtsein der Ziele und des Wesens
hat der politischen Karikatur in der letzten Zeit, in einem Jüttner,
Feininger, Brandt, in den Franzosen Léandre, Forain einen ganz eigenen
künstlerischen Stil gegeben. Die Zeichner lernen wie Volksredner
Schlagworte münzen, schaffen Bilder, die sie suggestiv uns einprägen;
sie schreiben Lapidarschrift, weisen monumentale Züge auf, schreiten im
Gegensatz zu aller früheren Karikatur zu einer absichtlichen, kräftigen
Einfachheit, Großzügigkeit fort, welche sich trefflich für die
Wichtigkeit ihrer Aufgaben eignet; und die Zeit, in der die politische
Karikatur, -- wie Fuchs sagt, -- »als Kampfmittel unterschätzt, in
ihren Aufgaben verkannt, als Kunstwerk verachtet wurde«, ist heute
vorüber. Gerade die zum Stil gewordene Großzügigkeit zeigt uns, daß
hier Fragen im Spiele sind, die hoch über dem kleinen Leben, über dem
engen Kreise des Einzelnen stehen. Der Ton der politischen Karikatur
klingt jetzt kräftiger und doch vornehmer, wie früher; man bewahrt
einen gewissen Anstand dem Gegner gegenüber, und so witzlose, wüste
-- bildliche und wörtliche -- Schimpfereien, wie sie die Fehden der
Reformationszeit heraufbeschworen, möchte man heute anderen Gebieten
zurechnen. Die Angriffe gegen einzelne Personen sind auch schon heute
in der politischen Karikatur -- im Verhältnis zu 1848, dem eigentlichen
Geburtsjahr der deutschen satirischen und humoristischen Zeichner --
seltener geworden; und selbst dieses bedeutet einen Fortschritt; denn
man hat nicht mehr das bedrängende Gefühl, daß die Leute in ihren
Privatinteressen geschädigt werden, sondern daß, was man in ihnen dem
Spott preisgibt, das ist das, was sie vertreten; sie sind nur die
Schale, nicht der Kern. Die höchste Form der politischen Karikatur
ist die, welche, ohne Persönlichkeiten hineinzuziehen, die Zustände
geißelt; denn sie scheint ~sub specie aeternitatis~ geschaffen.

[Illustration: Abb. 14. _J. H. Ramberg_: Aus »Till Eulenspiegel«.
(Verkleinert.)]

       *       *       *       *       *

Humoristische und karikaturistische Zeichnung ist in Deutschland
jüngeren Datums; daß wir zuerst einen eigenen Stil dieser Kunstübung
aufweisen können, liegt kaum fünfzig Jahre zurück. Als verachtet hat
sie lange Männer von echter Begabung von sich fern gehalten, und nur
Talente dritten Grades haben sich in ihr bethätigt. Daß die meisten
Einzelblätter politischer Satire namenlos erschienen sind, ist in
der Lage der Dinge begründet; nur selten werden wir die früheren
Zeichner feststellen können, oft ist es auch unmöglich, die Beziehungen
zu ergründen; doch dann werden es meist Anlässe von geringfügigem
Interesse sein, welche wohl der Spezialforschung von Nutzen, aber hier
für uns in keiner Weise fördernd wären.

       *       *       *       *       *

In der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts finden wir keine
deutsche Karikatur von irgend welcher Wichtigkeit, weder politisch
noch sittengeschichtlich; es scheint überhaupt das Bedürfnis für sie
bei den gebildeten Ständen vollends geschwunden zu sein, und nur die
niederen Formen der Komik mögen beim Volk ihre Freunde finden. Das
politische Leben leidet an der großen Erschlaffung nach schwerer
Krankheit; dem Deutschen ist die Lust am Lachen gründlich abhanden
gekommen, versiegt mit den Quellen seines Spottes, und bis der
deutsche Humor wieder ein eigenes Gewand bekommt, darüber vergehen
weitere hundert Jahre. Solange leben wir fast nur von Anleihen bei den
Nachbarn oder können uns doch nicht zu einem eigenen Stil ermannen.
Der derbe, alte, deutsche Humor, der in den Steinmetzarbeiten des
romanischen und gotischen Kirchenschmucks in tausend Formen seinen
Ausdruck fand, der selbst im Spiel mit dem Grausigen, wie in Holbeins
Totentanz, seine Überkraft offenbart, der in Fischart, in Sebastian
Brandts Narrenschiff, in bösartigen, monströsen Satiren der Reformation
seine Rechte behauptete, der in der alten Sage vom Reinecke Fuchs so
viel Geist und Laune aufwies -- er ist vollends vergessen, und wie er
sich wieder hervorwagt, da ist aus seiner breiten, totschlagfreudigen
Kraft eine armselige Spießbürgerlichkeit geworden, die nicht fähig
ist, herzhaft zu lachen, noch weniger, herzhaft zu hassen. Jedes Band,
das die politische Zerrissenheit verknüpfen konnte, fehlt, und das,
was heute der deutschen Karikatur ihren Reichtum gibt, die Vielheit
der Stämme, die Summe der Centren, welche sich unter einer Einheit
zusammenfindet, stellt uns, solange diese Einheit fehlt, ihre tiefste
Ohnmacht dar. Frankreich hat im Gegensatz zu Deutschland nur eine
geistige Kraftcentrale: Paris, während sich in Deutschland eine Reihe
von Stätten der Kunst und des Wissens entwickelt hat. Jede zeigt hier
ein eigenes Gesicht, und doch werden alle heute von einem gemeinsamen
Band gehalten. In dieser Vielheit ist die Größe und Zukunft deutscher
Kultur zu sehen.

[Illustration: Abb. 15. _Napoleonskarikatur_ 1813.]

[Illustration: Abb. 16. J. M. _Volz_: Das wahre Porträt des Eroberers.
1813.]

Allen politischen Ereignissen des achtzehnten Jahrhunderts gegenüber
zeigt sich in der Karikatur eine merkwürdige Anteillosigkeit;
selbst die Kriege Friedrichs des Großen finden nur ein geringes
Widerspiel, und sogar noch die französische Revolution erreicht
kaum eine eigene Berücksichtigung. Die Almanache bringen fast nur
Nachbildungen englischer und französischer Arbeiten, und »_London
und Paris_«, eine in Weimar erscheinende Publikation, ist naturgemäß
nur mit fremden Blättern, vorzüglich von Gillray, Cruikshank,
Rowlandson ausgestattet. Die Schweizer _Heß_ und _Duncker_ sind die
Hauptkünstler der politischen Zeichnung der Revolutionszeit. _David
Heß_ (1770-1843) steht im Stil ganz unter dem Einfluß der Engländer
und hat selbst später an der Manier seiner Jugend festgehalten; und
doch muß man ihn zu den befähigtsten deutschen Zeichnern der Epoche
zählen. Die »_Hollandia Regenerata_« (London 1799) befaßt sich mit der
Verspottung der französischen Revolution und ihrer Errungenschaften.
Sie ist von dem giftigen Witz, jener uns abstoßenden Gefühlsroheit,
die auch noch der politischen Karikatur im napoleonischen Zeitalter
eigen ist; aber gerade durch ihre scharfe Gehässigkeit, durch Wut
und Verachtung wirken diese Blätter noch heute auf uns, besonders da
sie auch zeichnerisch nicht uninteressant sind und den Engländern
das manierierte, ausdrucksvolle Mienenspiel, die übertriebene
Bewegung und das Dramatische des Vorganges gut abgelauscht haben.
Diese Blätter sind verkleinert den deutschen Revolutionsalmanachen
in Stichen von _Schubert_ und _Riepenhausen_ beigegeben und hier mit
langen Erklärungen ~ad usum Delphini~ des deutschen Kleinbürgers
zugeschnitten worden. In den Almanachen verstreut finden wir hie und
da Karikaturistisches, doch wie mager diese Ernte ausfällt, zeigen am
besten »Falks Taschenbücher für Freunde des Scherzes und der Satire«,
die alles in allem herzlich matt sind. In Berlin sind es Funke und
Niegelsohn, die hin und wieder ein Blatt gegen die Revolution nach
englischen Vorbildern auf den Markt bringen. Während in der Litteratur
der englische Roman, das französische Lustspiel bald verdrängt wurden,
ist gerade in unserem Feld nur Nachahmung zu finden; oder die eigenen
Erzeugnisse sind von so plumper Form, so handwerksmäßiger Mache,
daß es sich kaum lohnt, auf sie hinzuweisen. Und doch lebt unter
der Jahrmarktsware, den Neujahrswünschen (Abb. 2), den Blättern mit
Ermahnungen, mit symbolischer Darstellung der Laster, der Kleinen wie
der Großen, der Moden wie der Sitten, noch etwas wie ein Rest der alten
Kraft. Künstlerisch bieten sie uns heute nichts mehr, und besonderen
Witz können wir ihnen nicht nachsagen, und doch ist ein Etwas an ihnen,
eine Unbefangenheit, die uns gewinnt. -- Ein häufiges Motiv ist der
arme Podagräer, der schon von Dürer und Hans Sachs her immer wieder
daran glauben muß. Alles verhöhnt den alten Sünder, und gibt er seiner
schlimmen Laune Worte, erscheint er erst recht jämmerlich und willenlos.

[Illustration: Abb. 17. Wellington und Napoleon I. 1814. Nach
_Cruikshank_.]

    Mich ärgert jetzt vor Schmerz die Fliege an der Wand,
    Und da ich fressen will, bin ich es nicht im Stand'.

[Illustration: Abb. 18. _J. M. Volz_: »Da habe ich einen netten Bock
geschossen.« (Verkleinert.)]

[Illustration: Abb. 19. _Napoleonskarikatur von 1815._]

Einen weiteren Grund zur Heiterkeit geben altmodische Typen von
Ärzten, gelahrten Herren, Bramarbassen, deren Kleidung und Gebaren,
deren originell ernste, aufgeblasene Wichtigkeit den Spott weckt. Man
schafft Gestalten, wie den Horribilescribifax oder den »achtbaren
und übernatürlich studierten Herrn Vergilius Physicgangius von
Grillenberg«, der in sehr »tiefen Spekulationen und Meditationen
wohlbedächtig und gemächlich die Straße betritt«. Diese Blätter stammen
meistenteils aus Augsburger Offizinen. Oder wir bewundern in der
Sammlung »_Nürnberger Schimpfwörter_« (Nürnberg um 1790) den großen
Reichtum an fraglichen Schmeichelworten, mit denen der lebhafte Franke
seinen Mitmenschen zu bedenken liebt. Die Figürchen (Abb. 3, 4, 5)
sind, wenn auch künstlerisch wertlos, so doch ganz lustig und geschickt
ersonnen und geben gut und klar das Gewollte. Ganze Bilderfolgen
erzählen von den Übelständen, die daraus erwachsen, wenn alte Männer
junge Frauen, oder wenn umgekehrt junge Männer sich mit alten Frauen
ehelich verbinden. Wie bescheiden dieser Witz! Bescheiden, wie die
Ansprüche des damaligen Lustspiels, und sicherlich hat das Lustspiel
hier Pate gestanden. Das beigegebene Blatt (Abb. 6) stammt aus dem
Beginn des neunzehnten Jahrhunderts und zeigt deutlich französischen
Einfluß. Es ist farbig, handkoloriert in zarten Tönen, in allem ein
treffliches Charakteristikum der Zeit. Das Verhältnis der Menschen zur
Landschaft -- den Horizont in Höhe der Kniee -- kann nur die Bühne
gegeben haben: Schauspieler, die vor einer Kulisse stehen. Die Köpfe
sind klein, die Körper überschlank und wie zugespitzt nach unten hin.
Jede Stellung hat etwas Bewußtes, Ausgeprobtes, und gar der Amant
mit den zu kurzen Armen und dem Tanzmaîtreschritt ist vollends der
jugendliche Liebhaber jener Zeit. Diese ganze gezierte Theatergrazie
wirkt doch in ihren einfachen, geraden Linien, ihrer steifen Koketterie
ungemein zart und gefällig. Andere Blätter zeigen den Tod des Herrn
Kredit, wieder andere kehren sich gegen die Verderblichkeit des
Lottospiels, aber besonders zahlreich sind doch die, welche sich
gegen die neue Reifrock-Methode und die neue Haarfrisur, die Toupets,
wenden. Allen ist das gemein, daß sie das Bildliche durch langatmige,
eingehende Erklärungen unterstützen, und dadurch wird das Beste den
Blättern genommen: ihre Wirkung durch sich selbst. Auch in Almanachen
werden die Karikaturen mit breiter Geschwätzigkeit übergossen, und da
sie vielfach noch an einer Überlastung mit Figuren leiden, von denen
jede ihre Bedeutung haben soll, wirken sie durch dies Vielzuviel heute
zerrissen und unerfreulich. In _Lavaters_ »_Physiognomik_« findet die
Karikatur reichlich Berücksichtigung. Ja, jene Art, sich aus Tierköpfen
durch langsame Umformung Menschengesichter von bestimmtem Charakter zu
konstruieren, hat sich bis heute in den deutschen Witzblättern als ein
unschuldiges, humorloses Spiel mit den Formen bewahrt. Lavater stellte
Regeln für die Karikatur auf und wandte sich besonders gegen die
Künstler im Sinne Hogarths, welche von _dem_ eine Karikatur schufen,
was in der Natur schon Karikatur war. Ihm scheint die Karikatur als
das Widerspiel des Häßlichen im Schönen, so z. B. sieht er sie in
einer hervorragenden, unförmigen Nase in einem sonst edlen Gesicht;
die Auffassung seiner Zeit mag hierin ausgesprochen sein (stellt
doch François Grose in seinen ~Principes de caricature~ [Leipzig
ohne Jahr] sogar wissenschaftlich in Tafeln auf, wie man Karikaturen
zeichnen müßte, indem er in Kreise, Kreisbogen, Dreiecke Gesichter
mit verdrehten, verdrückten Gesichtsteilen, mit schiefen Augen,
übermäßigern Mäulern einzwängt und so nur eine Deformation erreicht,
die uns mehr peinlich und bedrängend, als lächerlich erscheint) -- mit
unseren heutigen Begriffen deckt sich das keinesfalls. Auch die Fragen
der Wissenschaft regen nur wenig die Spottlust der Zeichner an. Nur
die Lavatersche Physiognomik und später die _Gall_sche _Schädellehre_
sind es, die hier heftige Angriffe erfahren. War es Lichtenberg,
der Lavaters überschätzte Theorien zusammenstürzen ließ, so ist es
vorzüglich zeichnerische Karikatur, welche sich energisch gegen die
schwindelhafte Ausbeutung der Gallschen Lehre auflehnte. Unsere
Abb. 8 zeigt Gall auf der Bühne erklärend; die Eintretenden haben
ihren Eintritt teuer genug an den Schädelkassen erkaufen müssen. Der
Freimütige rührt die Trommel der Reklame, der Harlekin schwingt das
Panier des neuen Jahrhunderts und weist auf den Gelehrten.

[Illustration: Abb. 20. _J. M. Volz_: Spottbild auf den russischen
Feldzug.]

Nicht einmal das so reiche litterarische Leben, welches in
Travestien, Parodien, Litteraturkomödien sein Gegenspiel findet,
erweckt die Karikatur; selbst der Xenienkampf bietet nur ein Blatt
von Bedeutung. Es ist den »_Trogalien zur Verdauung der Xenien von
Christian Fürchtegott Fulda_« beigegeben und stellt einen Zug von
Narren und Gesindel dar, welcher an den Thoren Jenas Einlaß begehrt.
Schiller mit Hetzpeitsche und Flasche klammert sich an den Schwanz
des Satyr-Goethe, der gehörnt, bocksfüßig, einen Ring mit dem Wort
»Tierkreis« in die Höhe hält (s. Flögel »Atlas der grotesken Komik«).
Auch einen anderen Punkt greift die Karikatur jener Zeit häufig an:
es ist das übertriebene, reich und vielfach ausgebildete Ceremoniell
des gesellschaftlichen Umgangs, das sich von Frankreich aus den Höfen,
von den Höfen den bürgerlichen Kreisen mitteilte. Ein Ceremoniell, das
dem Deutschen im Wesen vollends widersprach, und das er doch überaus
gelehrig, wie stets, aufnahm und weiterbildete. Ein Ceremoniell,
welches das Schmeichler- und Schmarotzerwesen förderte, und die
Offenheit zur Lüge umschuf. Der »_Scharringelhof_« (1801) hat den
Schweizer Zeichner _David Heß_ zum Urheber, der sich hier unter dem
Pseudonym Daniel Hildebrandt verbirgt (Abb. 9). Es zeigt den Abschied
zweier ältlicher Herren, die vor Höflichkeit und Unterwürfigkeit
voreinander ersterben. Der Witz, daß der Fortgehende bei der sechsten
Position über die vor ihm liegenden Steine stürzt, ist nicht überaus
geistvoll, aber er erscheint auch nebensächlich gegenüber der feinen
Zeichnung der Typen und der witzigen Schärfe, mit der hier eine
Modethorheit gegeißelt wird. Der Spötter Lichtenberg ist es auch
besonders, der diese Rückenbeuger und Komplimentenmacher aufs Korn
nimmt; und seine aphoristischen Studien »Bemerkungen vermischten
Inhalts« bieten manche Parallele zum Scharringelhof.

[Illustration: Abb. 21. _Gottfr. Schadow_: Spottbild auf die Entsetzung
Berlins. 1813.]

Welch ein Mangel, trotz Chodowiecki, an jeder sittengeschichtlichen
Darstellung war, zeigt uns der Beifall, den _Hogarth_ in Deutschland
fand und der durch die Erklärungen eben jenes kleinen, witzigen
Physikers, des vorzüglichen Kenners englischer Zustände, _Georg
Christoph Lichtenberg_, noch erhöht wurde. Und doch erscheinen uns
diese Ausführungen (Göttingen 1794), so scharf und geistvoll sie
immer sein mögen, von jenem Witz, der ein jonglierendes Spiel mit
Worten und Begriffen treibt und oft Lehren hineingeheimnist, zu
Betrachtungen überleitet, welche sicher dem bildenden Künstler fern
lagen. Aber außerordentlich treffend sind doch manche Bemerkungen, so
z. B. wenn Lichtenberg in der Erklärung des dritten Stiches aus dem
»Wege des Liederlichen«, des Blattes, das das äußerste an Völlerei,
Bezechtheit und Sittenlosigkeit wiedergibt, ganz beiläufig bemerkt:
»Dieses Blatt mögen diejenigen beherzigen, welche das Landleben nur
aus Schäfergedichten kennen.« Und in einen knappen Satz preßt er den
Hauptunterschied zwischen dem hastigen Zusammenströmen in London
und der kleinen deutschen Stadt des achtzehnten Jahrhunderts: »Mit
Geld läßt sich in London aus jedem Zimmer alles machen, Bibliothek,
Bildergalerie, Museum oder Harem -- und das in kurzer Zeit.« Wir
vermögen heute in Hogarth kaum noch das Karikaturistische zu erkennen;
wir bewundern den Sittenschilderer, der eine ganze Zeit mit ihren
Lastern heraufbeschwört, der in starker Charakteristik die Typen
auseinander hält, staunen über seine eingehende Kennerschaft der
menschlichen Unzulänglichkeiten, wenn wir uns auch nicht enthalten
können, die Gesten oder Affekte oft schauspielerisch zu finden; aber
bei Lob oder Tadel scheint uns im letzten Grunde immer wieder und
wieder doch das Moralisierende allzu hervorstehend, und das Gefühl der
Heiterkeit oder der lächelnden Befriedigung wird unser nicht Herr.

[Illustration: Abb. 22. _Gottfr. Schadow_: Klage der Napoleonsfreunde
nach seiner Gefangennahme.]

Aber dieses Gefühl wird unser Herr bei einem deutschen Künstler, der
uns aus dem Leben des Berliner Bürgers des achtzehnten Jahrhunderts --
des Jahrhunderts der Originale, der verschrobenen, verknöcherten Käuze,
der Freigeister und Schwärmer -- feine Züge bewahrt hat, die, ohne
im Sinne oder in der Darstellung gerade karikaturistisch, ja selbst
absichtlich humoristisch zu sein, uns zugleich traulich und lächerlich
erscheinen. Traulich -- weil es etwas in sich birgt, das einmal unser
war, und das uns das brausende Durcheinander der Moderne täglich
mehr und mehr entreißt, so sehr wir es auch zurückerstreben: das
ruhige Leben der Familie, die saubere, würdevolle Wohlanständigkeit,
auch alltags jene seltene Sonntagsnachmittagsstimmung, in deren
feierlich-engem Kreis gemach die lauten Wünsche entschlafen;
lächerlich -- weil es tausend unnötige Gewohnheiten züchtet,
Phlegma, Selbstüberhebung, Beschränktheit, Philistertum, Weißbier
und Kannegießerei fördert, weil es die Frauen zu raffinierter
Bestienfütterung, die Töchter zu Klaviergeklimper und Männerfang
anhält, weil es der Indifferenz in jedem Sinne Vorschub leistet und
oftmals Menschen hervorbringt, von denen man nichts sagen kann, als von
jenem Greis in Gellerts Fabel: »Er lebte, nahm ein Weib und starb.«

[Illustration: Abb. 23. _Alexander Orlowski_: Modekarikatur.
(Handzeichnungskabinett der Berliner Nationalgalerie.)]

[Illustration: Abb. 24. _Alex. Orlowski_: Modekarikatur.]

Ja, und wenn dieses Künstlers Werk auch nicht einmal im eigentlichen
Sinne humoristisch ist, wenn er bei aller Vornehmheit und Delikatesse
doch stets kühl und ein wenig nüchtern bleibt -- nüchtern wie das
verstandesklare Preußentum --, so hat er doch die erste Vorbedingung
des norddeutschen Humors: die Freude am Heim; bei aller Steifheit der
äußeren Form: die seßhafte, verweilende Gemütlichkeit; ein behäbiges
Betrachten, eine angewandte, klare, erkennende Philosophie, welche
das einfache Leben liebt in allen seinen Äußerungen und sich in ihm
einrichtet, so gut es geht. Steif und ruhig, verständig; eine kleine
Freude am Witz, ein wenig spöttisch, wohl auch rührselig, wie es die
Zeit mit sich brachte; im Wesen stark beeinflußt durch die Führer
auf litterarischem Gebiet; begabt mit feinem, scharfem Blick für das
Charakteristische und voll Liebe und Können, voll Geschmack und Anmut;
ausgestattet mit einem außerordentlich malerischen Sinn, der sich in
der Lichtverteilung seiner Kompositionen ausspricht -- das ist _Daniel
Chodowiecki_. Er, der ruhige Realist, ist der einzige, der alle intimen
Dinge seiner Zeit uns bewahrt, in dessen kleinen, winzigen Blättchen
-- er schuf meist Illustrationen zu Almanachen -- sich ein gut Teil
vom Berlin der Fridericianischen Zeit krystallisierte. Trotz seiner
Danziger Herkunft ist Chodowiecki einer der wenigen, spezifisch
berlinischen Künstler, in allem -- auch in seinem unglaublichen Fleiß,
wie in seiner verstandesmäßigen Kälte; und was er versuchte: die
Lebenswerte, das Kolorit der Stadt, ihrer Bewohner, ihr Zusammenleben
in der Familie, wie in öffentlichen Bethätigungen auf der Straße, bei
Volksfesten -- all das künstlerisch mit einem Anflug von Ironie zu
verarbeiten, das zu bewältigen ist immer wieder das Streben einzelner,
bis herab auf Hans Baluschek, gewesen. Und gerade jener Anflug von
Ironie, der sich bei den wachsenden sozialen Gegensätzen jetzt bis
zum bitteren Sarkasmus gesteigert hat, wird auch immer wieder, wie
von selbst, mit in die Betrachtung einfließen müssen; so daß das
Wenige, was wir als typisch berlinische Kunst bezeichnen möchten,
meist mit der Karikatur im engen Zusammenhange steht. Chodowieckis
Wallfahrt nach »Französisch-Buchholz« (Abb. 11) zeigt mit der
übermäßigen Anhäufung eßbarer Gegenstände, mit dem armen, überlasteten
Eselchen, das nach Busch-Manier seinem Mißfallen Ausdruck gibt, mit
den glückseligen, erwartenden Blicken, welche alle Eselreiter auf den
behangenen Bratspieß der Karawanenführerin werfen, deutlich, daß hier
die Futterkobersucht, in die sich die Naturliebe des Berliners schon
damals umgesetzt hatte, zur Zielscheibe des Spottes gemacht ist.

[Illustration: Abb. 25. _Gottfr. Schadow_: Klatschbasen. (Sammlung
Raczinski.)]

Während der Witz meist eine Handlung in sich einschließt, ist der
Humor verweilend, stellt einen Zustand dar. Chodowiecki ist Humorist,
und so sind es vorzüglich Gruppen, Straßentypen, kleine, bespöttelte
Eigenheiten seiner Mitmenschen, die er -- dem didaktischen Zug seiner
Zeit folgend -- aufs Korn nimmt. Eine der reizendsten Schilderungen,
die wir überhaupt vom Bürgerleben des achtzehnten Jahrhunderts
überkommen haben, ist die Reise nach Danzig; Skizzen, welche
Chodowiecki gelegentlich eines Besuches bei seiner Mutter sammelte und
später einer Überarbeitung unterzog. Mit verweilendem, behäbigem Humor
werden uns hier kleine Alltagserlebnisse erzählt, in liebenswürdiger
Redseligkeit. Aber auch in der Travestie des Götterwesens und der
Antike, in den Blättchen, die der Stecher zu Blumauers Änëide
geschaffen, zeigt er sich geistvoll und witzig, mehr als der
Schriftsteller. Wie er den Zeus als alten Herrn mit Schlafhaube,
die anderen je nach Würde in mehr oder minder ehrbaren Alltagstypen
gibt, wie sich, statt der Trojaner, Berliner mit Waffelbäckern und
Schornsteinfegerjungen (sie vertreten die späteren Schusterlehrlinge)
um das große Pferd drängen, das ist noch heute von unmittelbarer
Wirkung, trotzdem wir nun nachgerade genug Travestien in Wort, Bild, ja
sogar in Opern über uns haben ergehen lassen müssen; aber daß selbst
die unsterblichen Götter der Abwandlung und Degeneration unterliegen
können, dieser Gedanke wird immer wieder fruchtbar sein, er gehört mit
zum eisernen Bestand des deutschen Humors. In ihm eint sich Mitleid und
Schadenfreude, in ihm fühlt man sich behaglich; denn der Humor erkennt
nicht gern Dinge an, die über ihm sind.

[Illustration: Abb. 26. _Spottbild auf sächsische Soldaten aus der
Napoleonszeit._ Farbiger Kupferstich.]

Dramatisch Bewegtes zu schaffen, lag nicht in Chodowieckis Naturell,
ebensowenig war ihm der scharfe Spott gegeben, und so ist die
politische Karikatur nur selten und mit wenig Glück von ihm gepflegt
worden. Zwei Blättchen gegen die französische Revolution sind
ohne jeden Stachel, und recht unschuldige Scherze: »Pétion Marat
und das Fischweib« (Abb. 12) und »Liberté, Égalité, Sansculotte«
(Abb. 10). Das erste persifliert nicht ungeschickt die stolzen
Römerattitüden der Revolutionsmänner, das zweite soll die bösen
Früchte der Freiheit und Gleichheit darstellen und zeigt, wie ein
nacktbeiniger Schornsteinfegerjunge mit einem Fräulein der besseren
Gesellschaft schön thut, welche gerade ausholt, um sich thatkräftig
den Zudringlichen vom Leibe zu halten. Weder das eine, noch das
andere trifft den Kern der Sache. Die politische Karikatur konnte
damals nicht in Deutschland, und am wenigsten in der Anschauung und
ruhigen Lebenssphäre dieses Künstlers ihren Boden finden. Gerade
seine Stellung und sein Urteil über Hogarth zeigen, daß er es seiner
Schule -- denn Hogarths Einfluß auf die englischen Karikaturisten ist
unleugbar -- überlassen mußte, dieses Gebiet zu pflegen. Außerdem war
Chodowiecki zur Zeit, als die Ereignisse der Nachbarländer auch für
Deutschland bodenbereitend für die politische Karikatur hätten wirken
müssen, zu alt, um sich in diese neuen Aufgaben schicken zu können. In
wieweit im einzelnen die Litteratur auf die Karikatur im achtzehnten
Jahrhundert Einfluß geübt hat, kann hier nicht berührt werden; gerade
in der Figur des Chodowiecki begegnen sich aber die litterarischen
Strömungen und einen sich.

Ludwig Kaemerer charakterisiert dies Zusammenspiel in der Monographie
des Künstlers (Velhagen & Klasing 1897): »Obzwar Chodowiecki in
manchen Zügen Wahlverwandtschaft mit dem Dichter der Minna von
Barnhelm verbindet, der gleich ihm das deutsche Bürgerleben für die
Kunst entdeckt hat, wäre es doch verwegen, ihn etwa den Lessing
der Malerei zu nennen. Wohl aber spüren wir in seinem Wesen und
seiner Auffassung der Dinge, die um ihn her geschehen, etwas von
der kindlichen Naivität des Wandsbecker Boten Claudius, dem Witz
Hippels, der Innigkeit Pestalozzis, der Satire Lichtenbergs, etwas von
Matthissons Sentimentalität, Ifflands theatralischem Geschick, Nicolais
und Engels Nüchternheit, Seumes männlicher Art -- und all das nicht
in widerspruchsvollem Nebeneinander, wie etwa bei Lavater, sondern in
ausgeglichener Mischung als Ausdruck einer anpassungsfähigen und doch
kernhaften Natur.«

[Illustration: Abb. 27. _J. M. Volz_: Der Antizeitgeist. Nürnberg 1819.]

Es scheint verfrüht, wenn wir hier schon _J. Heinrich Ramberg_ (1763
bis 1840) erwähnen, aber seine Kunst zeigt ihn von solch einer
eklektischen Vielseitigkeit, einer so glatten Rokokoliebenswürdigkeit,
einer so hofmännischen Grazie, daß wir ihn ruhig in das achtzehnte
Jahrhundert hineinzwängen wollen, als einen letzten Ausläufer
eines, wenn auch oberflächlichen, so doch schönheitsfreudigen und
leichtsinnigen Kunstregimes. Ramberg lebte als Hofmaler in Hannover, er
zeigte auch auf dem Gebiet der Karikatur eine fruchtbare Thätigkeit.
Neben politischen Blättern ist ein Reinecke Fuchs zu erwähnen, und
besonders ein »Till Eulenspiegel«. Abb. 14 mit den gedrungenen,
ausdrucksvollen Typen verrät ein fleißiges Studium der Holländer.
Wie wir überhaupt dem Einfluß von Brouwer, Steen, Ostade noch häufig
begegnen werden. Der prächtige derbe Humor der alten Holländer findet
sich in ähnlicher, verwandter Form beim Niederdeutschen wieder.
Ja, weist doch Busch in seiner Selbstbiographie (neue Ausgabe »vor
Pater Filucius«) darauf hin, daß diese Künstler seine Lieblinge und
unerreichbare Vorbilder wären.

Von allen humoristischen Werken hat nur eines seinen Einfluß bis in
unsere Tage erstreckt.

      Hier sitz' ich auf dem Meilenstein
    Und schaue froh verwundert,
    Wie du auf deinem Rößlein fein
    Hertrabst durch das Jahrhundert.

So begrüßt Wilhelm Busch _Karl Arnold Kortum_, welcher die Batzen in
Buschs alten Deckel werfen muß. Schon ist er vorüber. --

      Es sitzt so stramm der Reiter,
    Wie lustig wackelt ihm der Zopf --
    Zack, zack, so geht es weiter.

»_Leben, Meinungen und Thaten von Hieronymus Jobs, dem Kandidaten._« In
diesem breiten, anspruchsvollen Titel steckt eine ganze Allongeperücke
voll Wichtigkeit und Selbstgefälligkeit, »und wie er sich weiland
viel Ruhm erwarb«, unsere ehrfürchtige Erwartung steigt noch vor der
Gelahrsamkeit dieses Herrn. Und plötzlich -- so ganz beiläufig, aber
wie ein Eselsfußtritt -- auch endlich als Nachtwächter zu Sulzburg
starb.

[Illustration: Abb. 28. _Der Klub der Denker._ Um 1820.]

Die Jobsiade (Münster 1784), deren Titelsilhouette (Abb. 13) wir als
Karikatur auf die deutsche Silhouettomanie, wenn wir es so nennen
dürfen, beigegeben haben, ist -- »vorn und hinten und in der Mitten,
geziert mit schönen Holzschnitten; eine Historia, lustig und fein,
in neumodischen Knittelverselein.« Und die Beherrschung dieses
Knittelverses, der nachhinkt und uns jedesmal wie mit einem Wassersturz
übergießt, die Heranziehung der Komik im Reim hat sich auf Busch
vererbt. So schlecht Kortums Verse scheinen -- als ob ein Wagen über
einen Knüppeldamm führe --, so leicht folgen sie doch jeder Stimmung,
jeder Absicht. Man lese sich nur einmal das prächtige Examen daraufhin
durch, wie vorzüglich hier Stimmen und Charaktere, auch im Klang der
Verse, auseinander gehalten sind.

      Ich als zeitlicher ~pro tempore~ Inspektor
    Und der hiesigen Geistlichkeit Direktor,
    Frage Sie ~quid sit episcopus~.

Alles weist uns auf das sonore, würdige Organ.

      Nun folgte Herr Krisch, ohn' Verweilen,
    Und fragte: aus wieviel Teilen
    Muß eine gute Predigt bestehn,
    Wenn sie nach Regeln soll geschehn.

Klingt da nicht schrill das piepsige Stimmchen, und sieht man nicht den
dürren, sanguinischen Herrn? In der Jobsiade gehen meines Erachtens
das erstemal die Mittel mit der Darstellung Hand in Hand, ist für
humoristische Dinge ein eigner Stil des Wortes geschaffen, während in
der Karikatur jener Zeit stets nur der Gegenstand karikaturistisch
aufgefaßt worden ist, aber nie für die Darstellung eine eigne Sprache
der Linie, der Kunstmittel gefunden wurde. Das, was hier Kortum für
den Vers gethan, hat nach achtzig Jahren Wilhelm Busch auch für
die bildliche Darstellung erobert. Er hat bewiesen, daß auch die
Karikatur ihre eigenen Kunstmittel haben muß, daß zu dem _Was_ des
Dargestellten, zu der Auffassung erst noch als Drittes das _Wie_ der
Darstellung kommen muß, um das zu ergeben, was wir unter einer modernen
Karikatur verstehen. Wir haben uns deshalb etwas eingehender mit Kortum
beschäftigt, weil er in der Art seines trocknen Humors, wie in der
Behandlung des Verses ein Vorbild seines späteren Landsmanns Wilhelm
Busch ist, mit dem ihn viel Gemeinsames verbindet: jene Behäbigkeit,
die Freude am Essen und Trinken, und besonders die nicht allzugroße
Freundschaft mit den Menschen, welche beide aus dem ff kennen, und
denen sie beide mit gutem Recht eher das Schlechteste als das Beste
zutrauen. Und, wenn auch Kortum lustig der Zopf wackelt, so ist er
doch der einzige, der als Karikaturist des Wortes aus dem achtzehnten
Jahrhundert für uns heute noch in Betracht kommt. Nicht allein das
sittengeschichtliche Interesse ist es, sondern es steckt in dem Humor
dieses Bändchens etwas, das bleibend und das auch noch heute wertvoll
ist, während andere komische Heldengedichte -- denn, wenn man überhaupt
klassifiziert, muß man die Jobsiade dieser Gattung zuzählen -- längst
jenen Stachel für uns verloren haben, und während humoristische Romane
jener Zeit, wie Nicolais »Sebaldus Nothanker«, uns angähnen.

[Illustration: Abb. 29. _Die Krähwinkler entdecken den Nordpol._ Um
1820.

(Sammlung v. Lipperheide.)]

Wenn wir nun noch einmal das achtzehnte Jahrhundert überschauen, so
ist die Ausbeute in künstlerischer Beziehung keine übermäßig reiche
gewesen. Die politische Karikatur ist in Deutschland fast verschwunden,
und die wenigen Blätter fallen kaum ins Gewicht. Die humoristische
Zeichnung im heutigen Sinne ist auch fast unbekannt, höchstens ist
es die Sittenschilderung, die Mode, welche stärker den Bilderspott
herausfordert, und in welcher Dinge von Wert geschaffen werden; diese
allein können uns hier interessieren. In dem engen Rahmen, den wir für
unser Thema haben, gehen wir durch unser Gebiet wie ein Spaziergänger
durch eine Landschaft; werfen hier einen Blick auf die Baumgruppe, dort
auf das Gebüsch, freuen uns über den murmelnden, schnellfließenden
Bach, aber machen keine geologischen Studien und zählen nicht die
Staubgefäße jeder Blume, die am Weg steht. Bis jetzt sind uns auf
unserm Spaziergang zwei freudige Überraschungen geworden: Chodowiecki
und Kortum ...

[Illustration: Abb. 30. _Der Krähwinkler mit dem Wegweiser._ Um 1820.
(Sammlung v. Lipperheide.)]

       *       *       *       *       *

Zuckte von der französischen Revolution hin und wieder nur ein heller
Schein wie fernes Wetterleuchten über Deutschland, so zog jetzt das
Unwetter vollends herauf mit grellen Blitzen und erschütterte das
Land in seinen Grundvesten. Heute, wo längst die Wunden vernarbt
sind, kann wohl zugegeben werden, daß die napoleonische Zeit für die
politische und kulturelle Entwickelung und Stärkung Deutschlands von
unendlichem Nutzen war, und daß wir sie eher als Segen, denn als Fluch
ansehen müssen. Die Begeisterung, mit der man in ganz Westdeutschland
und auch in Berlin dem Kaiser zujubelte, hatte -- abgesehen von der
übermächtigen Persönlichkeit des Eroberers -- seine gute Berechtigung;
denn es war nicht allein Preußen, welches vor Frankreich unterlag,
sondern eine neue Zeit, die eine alte besiegte. Und wenn auch später
der Sieg Frankreichs reichlich wettgemacht wurde, der Sieg der
neuen Zeit ließ sich doch nicht vollends ungeschehen machen. In der
napoleonischen Zeit tritt naturgemäß die politische Karikatur in den
Vordergrund, während der feinere Sinn für Humor abhanden kommen muß.
Die politische Karikatur steht in Deutschland ganz und gar unter dem
Einfluß englischer Zeichner. Wie beschaffen diese englische Karikatur
ist, und wie sie so eigentlich gar nichts Deutsches besitzt, das
können wir gut in der Sonderpublikation _Grand-Carterets »Napoleon I.
in der Karikatur«_ (deutsch Leipzig 1899) studieren. Hier wird der
Lebenslauf des Kaisers von dem Ende der neunziger Jahre bis zu seinem
Tode, bis nach St. Helena uns in Spottbildern voll Haß, Hohn und Wut,
teuflischem Lachen und Verzerrung vorgeführt -- die bittersten Satiren
des modernen Léandre scheinen gegen diese Blätter nur wie gutmütige
Vermahnungen. Teufel und Galgen, Verrat und Unzucht, das sind die
mindesten Ingredienzien, mit denen man diese Blätter gewürzt hat.
Welche Summe von Haß und Verachtung muß in diesen Zeichnern Rowlandson,
Cruikshank, Gillray gesteckt haben: man trägt Napoleons Kopf auf der
Mistgabel umher; hetzt ihn als Fuchs mit Hunden zu Tode; zeigt ihn als
Prahler, Feigling und Verräter, in ohnmächtiger Wut sich verzehrend,
hauptsächlich aber als den kleinen armseligen Boney. Die Karikatur von
Volz (Abb. 16), welche sein Antlitz aus Leichen gebildet uns zeigt,
trägt nach Grand-Carteret die Unterschrift:

  Napoleon der erste und letzte, durch den Zorn des Himmels Kaiser
  der Jakobiner, Beschützer der Confédération der Spitzbuben,
  Bevollmächtigter der Höllenliga, Großkreuz der Unehrenlegion,
  kommandierender General der Legionen von Skeletten, zurückgelassen
  in Moskau, Smolensk, Leipzig etc. Der Schnellste an der Tête
  der Ausreißer, After-Priester von Sanhedrin, After-Prophet der
  Mohammedaner, hohle Säule des christlichen Bekenntnis.

[Illustration: Abb. 31. _Postillon_: Kommen Sie man ruhig, Madamken,
ick habe Wasserstiebeln an.

Franz Burch. Doerbeck. (Kupferstichkabinett Berlin.)]

Und wie wenig entspricht jene berühmte Karikatur Cruikshanks (Abb. 17)
-- die Nachahmungen und Kopien in der ganzen Welt fand --, wie wenig
entspricht sie der geschichtlichen Wahrheit! Der große Wellington
läßt den kleinen Napoleon auf seinem Daumen reiten und gibt ihm
Nasenstüber. Die deutsche Kopie trägt folgende Unterschrift:

      Ein Männlein kam aus Korsika,
    Und meinte groß zu werden,
    Und zu verschlucken fern und nah
    Die Völker all auf Erden.
    Allein es war sein Spiritus
    Durch eines Mannes Erbsenschuß
    Gar jämmerlich getroffen.

      Da kam das Männlein wiederum
    Aus Elba hergefahren,
    Und lockte in sein Kaisertum
    Von neuem unsre Scharen,
    Da sah ihn gar der große Mann
    Für einen Daumenreiter an
    Und gab ihm Nasenstüber.

Nun ich meine, hier setzt sich die Karikatur in offenbares Unrecht,
und nur der ärgsten Verblendung kann das Verhältnis zwischen dem
Riesengeist Napoleons und Wellington in so falschem Licht erscheinen.

[Illustration: Abb. 32. _Berliner Redensarten._ Von _F. B. Doerbeck_.

(Kupferstichkabinett Berlin.)]

Von allen politischen Karikaturen dünkt mich das Kapitel der
Napoleonkarikaturen das unerfreulichste, und wenn man sie auch durchaus
nicht alle mit Grässe erbärmlich und geistlos finden möchte, ja selbst
manche der deutschen Blätter wie »der glückliche Jäger« (Abb. 18), mit
der Unterschrift: »da habe ich einen netten Bock geschossen« und dem
Teufel mit Napoleon als Wickelkind (Abb. 19): »das ist mein lieber
Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe«, durch das Kurze und Schlagende
der Pointe uns noch heute in Erstaunen setzen, so erscheint es uns
doch, als ob sich die Gestalt Napoleons nicht zur Karikatur eignete,
als ob es eine Blasphemie wäre. Und dieselbe Empfindung läßt wohl
Grand-Carteret seinem Werk als Schluß eine Reproduktion des Bildes
von Dabos -- eine Apotheose auf Napoleon -- beigeben. Der jugendliche
Kopf des Kaisers schwebt in einer Gloriole über dem Erdball; Adler
tragen den Purpur mit seinem Namen. »Großes, strahlendes Gestirn, es
erhellt, es befruchtet, nach seinem Gefallen leitet es die Geschicke
der Welt.« Besonders aber verstimmt es uns, daß die Menge der deutschen
Karikaturen ins Gewaltige wächst nach Bonapartes Fall. Das ist ein
Zeichen der Unreife.

[Illustration: Abb. 33. _Berliner Witze._ Von _F. B. Doerbeck_.
(Kupferstichkabinett Berlin.)]

Nach dem Sturz Louis Philipps brachte der »Charivari« in Paris, der
mit allen Mitteln des Geistes und Spottes gegen ihn gearbeitet hatte,
keine Karikaturen mehr auf den Entthronten, in voller Erkenntnis, daß
die politische Karikatur nicht gegen Tote, sondern gegen Lebendige zu
kämpfen hat, und daß es unser Gefühl beleidigt, wenn Gefallene verhöhnt
werden.

[Illustration: Abb. 34. _Berliner Witze._ Von _F. B. Doerbeck_.
(Kupferstichkabinett Berlin.)]

Zwei Künstler sind es in jener Zeit, die Erwähnung verdienen:
_Johann Michael Volz_ (1784 bis 1858), _Johann Gottfried Schadow_
(1764-1850). Volz, der Süddeutsche, der für die Kunstanstalten in
Nürnberg, Stuttgart, Regensburg, Frankfurt, für die Schweiz arbeitete;
Schadow, der Berliner. Zu ihnen käme noch _Geisler_, der Leipziger.
Karl Hagen hat (Stuttgart 1863) eine ausführliche Würdigung des
süddeutschen Illustrators geboten. Und wenn er auch die Qualitäten
des Zeichners durchaus überschätzt -- wie man überhaupt bei längerer
Beschäftigung mit einer Künstlerpersönlichkeit gern gewillt ist, sie
höher einzuschätzen, als sie es verdient --, so bietet uns die Arbeit
doch viel kulturell Interessantes über den deutschen Buchhandel und
den Vertrieb der Einzelblätter und berührt hier ein Gebiet, von dem
wir nur wenig Nachricht haben. Fast alle bekannten Napoleonkarikaturen
(zahlreich in der v. Lipperheideschen Sammlung und im Berliner
Kupferstichkabinett) stammen von Volz, und bis in die dreißiger Jahre
hinein hält er den Markt der Karikatur mit Blättern gegen Kornwucher,
mit Krähwinkliaden und anderen unschuldigen Dingen. Die Arbeiten
sind handkolorierte Kupferstiche, mit leichter, nicht unharmonischer
Farbengebung; eine Technik, die zum erstenmal wieder ausgiebig der
Schweizer Aberli (1723-86) anwandte, und die bald in der ganzen Welt
Nachahmung fand. Sie war bis hinein in die Mitte des Jahrhunderts
gang und gäbe, ohne doch sich zu besonderer Höhe und Vollendung zu
entwickeln; ja, bei der wachsenden Größe der Auflagen sank sie mehr
und mehr zu flüchtiger, mechanischer Ausübung herab. Volz ist ein
Volkskünstler, der eine starke Vielseitigkeit, ein Anpassungsvermögen
für jeden von ihm geforderten Stoff besitzt; religiös, historisch,
Schlachten- und Zeitbild, Karikatur, Klassikerillustration, Genrebild,
Trachtenschilderung, Gebräuche, Typen, Bilderbücher, Kartonagen,
Bonbonvignetten, Neujahrswünsche, Porträts und Zeichenvorlagen -- für
alles versteht er die richtige Form zu finden. Ihn zeichnet eine ruhige
Nüchternheit und Leichtverständlichkeit aus. Hagen rühmt von ihm, daß
seine Schlachten keine modernen Gemetzel sind, sondern eher in uns den
Eindruck einer griechischen Ringschule erwecken. Dieses wäre ja nach
der heutigen Auffassung gerade kein Vorteil. Und wenn Hagen ihn als das
nachahmenswerte Vorbild eines Volkskünstlers hinstellt -- so mögen wir
auch dem nicht beistimmen. Seine Kunst nimmt ein so niedriges Niveau
ein, ist so kühl und nüchtern, daß sie dem Geschmack der Menge nur
entgegenkommt, ohne ihn im geringsten zu heben. Und gerade, daß Volz
und seine Schule in Süddeutschland die einzigen Vertreter der Karikatur
sind, zeigt uns die niedere Rolle, welche die Karikatur noch zu spielen
sich genötigt sah, und wie man ihren Wert und ihre Mission kaum höher
anschlug, als den der Jahrmarktsware. Sämtliche Napoleonkarikaturen
sind von Volz für den Campeschen Verlag zu Nürnberg geschaffen worden.
Hagen zählt aus den Jahren 1814/15 deren dreißig Blatt auf. Sie haben
vor den englischen, denen sie an Ausdrucksfähigkeit und künstlerischer
Persönlichkeit so weit nachstehen, doch den Vorzug klarer und
einheitlicher Anordnung voraus. Besonders verfallen sie nicht in den
Fehler, daß die Worte, welche ein jeder ausruft, wie in Hauchwolken
aus dem Munde der Personen ausgehen, und das Blatt mit dem Gewirr
von Buchstaben bedecken, so daß man, anstatt das Bild als Ganzes zu
betrachten, rechts, links, oben und unten die Ausrufe und Inschriften
zu entziffern sich bemüht. Solange eine Karikatur diese Hilfe braucht,
ist sie sich ihrer Mittel noch nicht bewußt. Die Arbeiten von Volz
möchten, wenn sie nicht so ledern und trocken wären, sicherlich in
ihrer Geschlossenheit und in der Prägnanz des Gedankens angethan sein,
uns auch noch heute beachtenswert zu erscheinen, aber der Mangel
jeglicher Handschrift, die handwerksmäßige Flachheit läßt dieses
Interesse nicht zu. Wenn man Napoleon auf St. Helena als wildes Tier
im Käfig darstellt oder ihn im Höllenfeuer jammern läßt -- wenn man,
wie in einer moralischen Kindererzählung, sein Leben in zehn Stufen
vorführt, mit Hirtenknabe beginnend und mit Höllenpein endigend, so
können wir diesen Dingen nur sehr wenig Geschmack abgewinnen. Der
Spott auf den unglücklichen russischen Feldzug aber -- in dem auch
Tausende von Deutschen umkamen vor Kälte und Hunger -- scheint uns
erst recht deplatziert. Wie diese in Lumpen gehüllten Gestalten über
das tote Pferd herfallen (s. Abb. 20), das kann, im Gegensatz zu
ihrem sonstigen Verhalten, nur unser Mitleid wecken; während andere
Blätter, welche Napoleons Flucht von der Armee geißeln, schon eher den
angreifbaren Punkt herausgefunden haben. Einen gewissen seelischen
Takt muß eben selbst die politische Karikatur bewahren, und nur in
Zeiten äußerster Erregung, wie hier, läßt es sich verstehen, wenn auch
nicht entschuldigen, daß dieser letzte Rest von Menschlichkeit über
Bord geworfen wird, und alle unterirdischen Kräfte sich hervorwagen,
die tief in uns gefesselt liegen sollen, letzte tierisch-atavistische
Regungen. Auch wenn Hagen vorschlägt, man sollte Volz in den Kabinetten
als Sittenschilderer sammeln, wie Chodowiecki, so weiß man wohl zur
Genüge, weshalb man es nicht thut. Von den sonstigen Blättern wäre noch
das »Kaffeelisel«, gegen die Kontinentalsperre gerichtet, eine breite,
rohe, aber nicht uncharakteristische Arbeit zu erwähnen. Auch ist es
interessant, daß jetzt wieder die Karikaturen gegen die Juden an Boden
gewinnen; selbst eine Napoleonkarikatur zeigt einen Juden, welcher
der hinter dem Hügel niedergehenden Sonne zuruft: »Au weih! Sonne von
Austerlitz, wie biste gesunken!« Daß gerade in diesem Zeitpunkt sich
das Spottbild von neuem nachdrücklich gegen die Juden wandte, ist darin
begründet, daß Napoleon ihnen als Bürger des Staates die gleichen
Rechte wie den Christen einräumte.

[Illustration: Abb. 35. _Der Totengräber._ Von _F. B. Doerbeck_.
(Kupferstichkabinett Berlin.)]

[Illustration: Abb. 36. _»Wat?! sie will mir?«_ Von _F. B. Doerbeck._
(Kupferstichkabinett Berlin.)]

       *       *       *       *       *

Künstlerisch auf bedeutend höherer Stufe stehen die Arbeiten
von _Schadow_, dem Berliner Bildhauer; die Akademie der Künste
bewahrt viele von diesen Blättern, desgleichen das Königliche
Kupferstichkabinett und die v. Lipperheidesche Sammlung zu Berlin. Auch
im Handel begegnet man ihnen häufiger. Sie sind entweder im scharfen
Umrißstich gestochen, oder wie die Abb. 21 mit tonigen Flächen in Licht
und Schatten gesetzt. Bezeichnet sind sie »Gilrai à Paris«, während
sich der englische Zeichner James Gillray mit ll schreibt. Zwar kann
man auch in Schadow den englischen Einfluß nicht verkennen, aber die
Dinge sind doch geistreich in der Erfindung, wie in der Behandlung,
und voll Leben. Jedenfalls ist es hier schon ein Spott, der auf einer
scharfen Beobachtung der Schwächen des Gegners beruht und nicht in
jene infernalischen Verzerrungen ausartet, wie bei den Engländern.
Der preußische Grenadier (Abb. 21), der russische Bär und John Bull
haben den Feind aus Berlin herausgejagt und sperren nun mit ihren
drei gewichtigen Gestalten das Hallesche Thor. Draußen empfangen die
Fliehenden die Kanonen vom Windmühlenberg aus, und ein Grenadier mit
erhobenem Kolben schlägt auf sie ein. Die Figuren der französischen
Militärs im Vordergrund, das erstaunte Äffchen mit den langen Armen,
und der lange Gardist mit den kurzen Armen sind von stark komischer
Wirkung. Auch die »Klage der Napoleonsfreunde bei seiner Gefangennahme«
soll Schadow zum Urheber haben (Abb. 22). Sie scheint gut genug, um von
ihm herrühren zu können. Außer dem Interesse, das wir dem Gegenstand
abgewinnen, eint dieses Blatt noch alle damals gebräuchlichen Moden
der Herrenkleidung und ist uns so zugleich kulturell von Wichtigkeit.
(Hier sollen auch die genialen Zeichnungen von Orlowski (Abb. 23 u.
24) (Berlin, Nationalgalerie, Handzeichnungssaal) ihre Stellen finden;
die vorzüglichsten Modekarikaturen jener Zeit, Blätter von einer
Kühnheit und breiten Wucht des Striches, wie sie erst viel späteren
Zeichnern eigen sind.) Außer jener Serie von Napoleonkarikaturen,
auf denen es nicht gerade immer anständig zugeht, hat Schadow noch
manches Humoristische in Einladungen zu Künstlerfesten geschaffen und
einzelne merkwürdige Typen vom Jahrmarkt des Lebens, eigenartige Käuze,
scharf und treffend wiedergegeben. Die Raczynski-Sammlung bewahrt ein
derartiges kleines, in Wasserfarben ausgeführtes, karikaturistisches
Gemälde (Abb. 25). In diesen Dingen spricht sich noch mehr eigner Stil
aus, wie in der politischen Karikatur Schadows.

[Illustration: Abb. 37. _Karikatur_ um 1830.]

       *       *       *       *       *

Die napoleonische Zeit ist, alles in allem, reichhaltig, aber
unerfreulich an deutschen, politischen Karikaturen. Unerfreulich mit
wenigen Ausnahmen; so erscheint zum Beispiel Abb. 26, welche sächsische
Soldaten, altmodische Herren mit Gamaschen, Zopf und Dreispitz uns
zeigt, die einen kühnen Bajonettangriff gegen ein unschuldiges
Kätzchen richten, witzig und von künstlerischer Eigenart. Und doch
hat die napoleonische Zeit den Vorzug, dem Bedürfnis für Karikatur in
Deutschland einen breiteren Boden gewonnen zu haben. Die politische
Karikatur bleibt von jetzt an in ununterbrochener Thätigkeit, ist ein
Faktor geworden, welcher mitspricht, so sehr er von der Zensur immer
wieder und wieder unterdrückt werden mag. Und als 1848 mit den andern
Fesseln die der Zensur abgeschüttelt werden, da tritt sie plötzlich
hervor, als eine gewaltige Macht im Kampfe, und entwickelt sich zu
früher nie gekannter Höhe. Wir können sie nicht bis zum Jahre 1848
verfolgen und müssen wieder Abschied vom politischen Spottbild nehmen.
Nur zwei Blätter, welche gegen die Reaktion gerichtet sind und der Zeit
der Burschenschaftsbewegung entstammen, sollen hier Platz finden. Hatte
erst die politische Karikatur sich gegen Napoleon gewandt, so wendet
sie sich jetzt gegen die, welche das dem Volk nehmen wollten, was ihm
Napoleon gegeben, welche den Zeiger zurückdrehten und wie Wilhelm von
Hessen-Kassel meinten, »daß sie sieben Jahre geschlafen hätten und nun
noch alles wie einst wäre«. Das eine ist »der Antizeitgeist« von Volz
(Abb. 27). Ein Esel im Staatsrock, mit Allongeperücke, dem Stammbaum
als Steckenpferd, stößt das Licht um und tritt auf die Nachtmütze. Die
Sonne verfinstert sich; Eulen und Fledermäuse haben sich hervorgewagt
und umflattern ihn, Kröten und Molche kriechen am Boden, Giftblumen
öffnen ihre Kelche. Das Ganze ist eine vorzügliche Karikatur im
Gedanken; ein Vorwurf, aus dem vielleicht bei einem Daumier eine
unsterbliche Schöpfung erwachsen wäre, und der doch hier langweilig,
nüchtern, steif, ohne jede persönliche Eigenart wirkt.

[Illustration: Abb. 38. _Doerbeck_: Frauchen, wat kost der Iklei!]

Der »Klub der Denker« (Abb. 28) steht höher und ist in den einzelnen
Typen von zwingender Komik; sie denken, daß der Schädel knackt, jeder
in anderer Stellung, aber wortlos, denn der Maulkorb verschließt den
Mund, und noch Dutzende von Maulkörben hängen oben für Neuankommende.
Auch die Frage der Tagesordnung: »Wie lange mag uns das Denken noch
erlaubt bleiben?« ist treffend und lustig. Überhaupt ist dieses Blatt
eine der witzigsten Verspottungen, die mir bekannt geworden. Besser
und schärfer kann die geistige Bevormundung kaum gegeißelt werden.
Und auch die unschuldigen Krähwinkliaden, welche nun in Mode kamen,
zeigen eigentlich einen politischen Hintergrund; denn sie wenden sich
indirekt gegen den Zopf, die Altertümelei, die Stagnation des Lebens,
sie spotten der deutschen Mittelstadt und des Bureaukratismus. Sie
alle sind wohl stark durch das Lustspiel der Zeit beeinflußt, und
Kotzebues Lustspiel Deutsche Kleinstädter (Leipzig 1803) ist das
Urbild -- geistvoll und unerreicht -- dieser Dinge gewesen. Gerade
durch das bürgerliche Lustspiel sind der Karikatur jener Zeit eine
Unzahl Typen zugeführt worden, und wenn sie auch auf dem Umweg über
das Theater ihr zugeflossen sind, so haben sie doch dazu beigetragen,
die Lebenswahrheit der Blätter zu erhöhen, ein tieferes, schärferes
Eingehen auf die kleinen Eigentümlichkeiten von Menschen, Sitten und
Ständen zu veranlassen. Wenn es auch der Zeit bis 1848 an großen,
namhaften Talenten fehlte, so ist hier doch eine ganz deutliche Linie
der Entwickelung, ein ruhiges Wachsen. Der Witz dieser Krähwinkliaden
ist der, daß irgend eine Redensart wörtlich aufgefaßt wird, ähnlich
wie es Till Eulenspiegel thut -- nur während es dieser aus Klugheit
thut, ist es hier die unverfälschte Beschränktheit. Unter »Krähwinkler«
von Volz finde ich im Hagenschen Verzeichnis das Nordpolblatt nicht
erwähnt (Abb. 29), ebenso den Bürger jener Weltstadt dem man riet,
einen Wegweiser auf die Reise mitzunehmen (Abb. 30). Man sehe, wie er
es befolgt hat! Das Blatt ist außerordentlich geschickt komponiert,
kräftig und frisch in der Bewegung. Es mag wohl vom Schweizer Duncker
stammen. Auch die Nordpolentdeckung ist lustig und, trotz der
übertriebenen Typen, eine erfreuliche Leistung. Für Sitten, Moden und
Trachten der Biedermaierzeit bieten diese Krähwinkliaden ein gutes
Studienfeld, und die hellen Farben, mit denen sie koloriert sind,
lassen uns den Eindruck jener Zeit noch frischer erscheinen.

[Illustration: Abb. 39. Aus Rethels »_Totentanz_«.]

Langsam beginnt man Volz zu überwinden. In München und Düsseldorf
bilden sich Kunstzentren, deren Teilhaber bald ihren Anteil mit
zur Karikatur stellen und sie auf ein höheres Niveau heben, ihr
eine bessere Stellung im Kunstleben verschaffen. Bald beginnen nun
auch die _ersten illustrierten, humoristischen Zeitschriften_ zu
erscheinen. Von dem politischen Leben wendet man sich mehr und mehr
der bürgerlichen und Standessatire zu. Daß sich der Wert der Arbeiten
hebt, findet auch seine Begründung in dem Sieg der Lithographie
über den steifen Kupferstich. Die Lithographie -- jene prächtig
ausdrucksvolle Technik, welche die letzten Intentionen des Künstlers
wiedergibt, sich anschmiegt wie Wachs und uns ein klares Abbild
der Handschrift und all ihrer Eigenheiten gibt, die in den Händen
eines Berufenen zum ausdrucksvollsten Mittel werden kann, farbig,
tonig, mit Schlaglichtern, mit Kernschatten, Halbschatten, feinen,
unmerklichen Übergängen. Ist es auch nicht zu leugnen, daß das Weiche,
Verschwimmende des Korns oft eine gewisse Flauheit in das Ganze bringt,
so wird doch trotz dieses Nachteils die Lithographie von keiner der
modernen Vervielfältigungsarten übertroffen, und besonders hält sie
durchaus die Rivalität des malerisch behandelten Holzschnittes aus,
den später in Deutschland die »Fliegenden Blätter« durch Schulung
ihrer Stecher bis zu einer erstaunlichen Ausdrucksfähigkeit entwickelt
haben. Gewiß entsprechen die modernen Verfahren mehr den Anforderungen,
welche die Zeit, der ins Enorme gesteigerte Bedarf stellt, sie sind
billiger, handlicher und leichter, schneller druckfertig. Aber -- bei
allem -- künstlerischer sind sie nicht. Der Lithographie verdanken wir
auch, daß von jetzt ab die Persönlichkeiten mehr hervortreten; bringen
doch die Künstler vielfach ihre Arbeiten selbst auf den Stein, und
geht nicht jede Eigenheit durch schematische Arbeit handwerksmäßiger
Stecher verloren. Wie sehr viel Gutes wir in der Karikatur durch den
Holzschnitt verloren haben, geht unter anderem daraus hervor, daß die
Arbeiten des vorzüglichen Steub und des genialen Oberländer eine Zeit
lang -- als jene Technik im Argen lag -- in den »Fliegenden Blättern«
anonym erschienen, weil die Zeichner die veröffentlichten Werke nicht
für ihre eigenen ansehen mochten. So wenig gelang dem Holzschnitt eine
Wiedergabe der künstlerischen Absichten. Nur die für Linienschnitt
geschaffenen Arbeiten, die eben von vornherein in dieser Technik
gedacht wurden, wie die Arbeiten von Richter, Schwind, Ille bewahrten
auch in der Reproduktion die Eigenart des Zeichners, wenn auch das
Original in seiner ganzen Liebenswürdigkeit selten oder nie erreicht
wurde.

[Illustration: Abb. 40. _Politiker._ Karikatur von 1830.]

[Illustration: Abb. 41. _Karikatur auf die Ehegesetze._ Berlin um 1845.
(Sammlung Mai.)]

Die Lithographie fand besonders in Berlin, Leipzig, München,
Düsseldorf, Frankfurt ihre Stätten, und bis zu welcher farbigen
Delikatesse diese Technik entwickelt wurde, das mag ein wundervolles
Blatt (Titelabb.) aus einer Folge lustiger Männer und Frauenzimmer,
cancantanzender Figuren beweisen, welches so reizvoll und prickelnd in
der Mache ist, so prächtig und dezent in der Farbenwahl, daß es eine
helle Freude ist, es zu betrachten. Der Künstler, über den ich trotz
meiner Bemühung nichts erfahren konnte, hat wohl französische Schulung
genossen. Hier ist dieses Blatt nur beigegeben, um zu zeigen, mit
welcher Meisterschaft (um 1850) auch in Berlin die farbige Lithographie
gepflegt wurde.

[Illustration: Abb. 42. _Karikatur auf Georg Herwegh._ um 1843.
(Sammlung Mai.)]

Derjenige Künstler, welcher uns in Karikaturen die treusten Typen
aus dem Berlin um 1830 bewahrt hat, ist _Franz Burchard Doerbeck_
(1799-1835). Er kam nach 1823 nach Berlin. Nach ihm bethätigt sich
_Theodor Hosemann_ (1807-75) als Schilderer der gleichen Sphäre.
Als Vorgänger der Doerbeckschen Karikatur müssen wir die Folgen von
Ausrufertypen, Figuren der Kleinhändler, wie sie das Straßenleben in
London, Paris und Hamburg mit sich brachte, betrachten. »Berliner
Witze«, »Berliner Redensarten« heißen die bei Gropius erschienenen
Sammlungen Doerbecks. Sie decken sich ungefähr mit den litterarischen
Leistungen _Glasbrenners_, welche später in »Berlin, wie es ißt und
trinkt« uns diese für uns sonst spurlos verschollene Welt mit all
ihren Eigenheiten, ihrem Witz, der vor nichts stillstand, mit ihrer
schnoddrigen Lustigkeit, ihrer Lebenslust und besonders mit ihren
sozialen Gegensätzen auszeichnete. Niemals später mehr hat sich
das Berliner Volksleben karikaturistisch so rein und fast restlos
umgesetzt wie in den dreien: Doerbeck, Hosemann, Glasbrenner, und
wenn wir dazu noch die geistvollen Schilderer des alten Berlins
und seiner Lebensbedingungen, _Lenz_ und _Eichler_, _Dronke_ und
den satirisch scharfen _Hermann Lessing_ (vor und nach dem März)
rechnen, so haben hier Schriftsteller und Zeichner im Vereine eine
künstlerische Umwertung der preußischen Residenz geschaffen, die
sie uns mit allen seinen Zügen heute wieder vor unseren inneren
Augen erstehen läßt. Ein eigentümliches Leben, ein Kampf zwischen
Alt und Neu, Zopf und Stagnation, Aufstreben und Bewegung, Witz und
wieder Witz, Kritik an allem, an den Mitmenschen, am Staat, an der
Regierung, Schlagfertigkeit, stark entwickeltes Volksleben, eine
Fülle charakteristischer Straßentypen, fromme Vereine und Laster
-- -- und alles gleichmäßig bewacht von einer väterlichen Polizei und
einer Zensur, der, wo es angeht, eine Nase gedreht wird. Der Berliner
Volkswitz, der Berliner Jargon nimmt seinen Siegeslauf durch ganz
Deutschland; der König bedient sich seiner, und der Zar von Rußland
versäumt bei keinem Besuch, sich persönlich nach seinem Befinden zu
erkundigen. Die Eckensteher geben ihre eigne Philosophie zum besten,
die Glasbrenner in folgende Reime gebracht hat:

      Das beste Leben hab' ick doch,
    Ick kann mir nich beklagen,
    Pfeift och der Wind durchs Ärmelloch,
    Det will ick schonst verdragen.
    Des Morgens, wenn mir hungern dhut,
    Eß ick 'ne Butterstulle,
    Dazu schmeckt mir der Kümmel jut
    Aus meine volle Pulle.
    Und drag' ick endlich mal was aus,
    So dhu' ick Jroschens kneifen,
    Hol' wieder meine Pulle raus
    Und dhue eenen pfeifen.

Die Hökerfrau wirft uns Freundlichkeiten an den Kopf, der Guckkästner
treibt Politik, der Holzhacker, der Sandjunge aus den Rehbergen, der
Schusterjunge, beginnen eine komische Rolle zu spielen. Über den
Ellenreiter, den Mühlendammer, den Tütendreher macht man sich lustig,
der Stralower Fischzug, die Mottenfeste sind eine bedeutungsvolle
Dokumentierung des Volkslebens. Und überall hat man das Gefühl, hier
brodelt und gärt es, hier ist Leben und Entwickelung, und gerade dieses
Zusammenspiel von Überlebtem und Aufsteigendem gibt jener Zeit den Reiz.

[Illustration: Abb. 43. _Fliegendes Blatt aus dem Jahre 1848._ (Königl.
Bibliothek, Berlin.)]

»Berlin -- was man auch dagegen einwenden mag -- ist eine große Stadt,
und wenn man auch nicht viel darin erleben kann, weil die Verhältnisse
an einer gewissen Ledernheit leiden, so kann man doch nicht leugnen,
daß es alle Elemente zur großstädtischen Entwickelung in sich trägt,
und in fünfzig Jahren ein Weltleben ausgebildet haben wird.« So
prophezeit mit sicherem Blick Eichler bereits im Jahre 1842. Für
die Karikatur wird also hier schon für Deutschland der vierte Stand
entdeckt, wenn auch anders, unschuldig, komisch, friedlich, eher als
ein gemütliches Kuriosum, das uns lachen macht, denn als jene gärenden,
unheimlichen Massen voller Armut, Laster und Häßlichkeit, welche uns
heute so bitter aus Blättern eines Baluschek entgegengrinsen. Die
Beschäftigung mit dem vierten Stand gibt der Karikatur einen neuen
Lebensboden und leitet sie ab von der übermäßigen Anteilnahme an dem
Theater und den litterarischen Dingen, auf welche sie sich aus Mangel
an hinreichender politischer Bethätigung geworfen hatte. Figuren,
die hier viel Gelegenheit zur Verspottung gaben, waren in Berlin und
München Saphir und seine Anhänger. -- Nebenbei bemerkt, eine wenig
sympathische, litterarische Erscheinung.

Die Zeit war friedfertiger, die Gegensätze waren weniger scharf, und
doch soll man ja nicht den sozialen Charakter der Berliner Karikatur
verkennen. Nur weil sie zur Unterhaltung der behäbig-liberalen
Bürgerschaft geschaffen wurde, hat sie auch jenen behäbigen Charakter
bewahrt, der uns heute anheimelt und uns glauben läßt, es wäre alles
eitel Gemütlichkeit und Friedfertigkeit gewesen. In der zweiten Hälfte
der vierziger Jahre kehrt sie die soziale Seite nach außen. In dem
von _Hosemann_ illustrierten Bändchen _Glasbrenners_ »_Verein der
Habenichtse, für sittliche Bildung der höheren Stände_« zeigt das
Titelblatt einen Handwerker, der seinem reichen Bruder droht: »Schämen
Sie sich nich, daß ick in den Wetter so zerlumpt rumlofen muß un nischt
zu essen habe, haben Sie denn vergessen, daß ick Ihr Bruder bin?«

[Illustration: Abb. 44. _Der Zug der Tiere._ Von _Theodor Hosemann_.
1848.

(Sammlung v. Lipperheide.)]

Wir haben absichtlich von Doerbeck etwas mehr Illustrationen beigegeben
(31-36), als von ihm eigentlich in diesem Rahmen gebracht werden
dürften, und damit vielleicht an anderen ein Unrecht begangen; aber
die Dinge sind heute fast vergessen, und doch so außerordentlich
charakteristisch und witzig, daß wir es schon verantworten können.
Gerade die Lebenswerte Berlins haben sich im Gegensatz zu Paris so
wenig in Kunst umgesetzt, daß wir uns freuen müssen, wenn wir ihnen
einmal in so reicher Form begegnen. Man sehe sich nur einmal die
Hökerfrau an: »Wat? sie will mir?« (Abb. 36.) Wie echt der Typus, die
Stellung, wie vorzüglich hier diese ganze giftgeschwollene Impertinenz,
die sich im nächsten Augenblick in einem breit dahinrollenden Strom
gekeifter Schimpfworte ausgeben wird; oder den Totengräber (Abb. 35)
mit dem frömmelnden Himmelsblick und der Armenbüchse, ganz Wehmut,
Amt und Würde. Und wenn Doerbecks Personen auch häufig etwas von
Possenfiguren haben und manchmal der Hintergrund nur als Kulisse
behandelt ist, so stehen dem doch wieder andere Blätter gegenüber von
überraschender Echtheit; die Straße mit den Bänken vor der Thür neben
den Kellerhälsen, die Marktstände, Höfe, die Brunnen -- oder Plumpen,
wie der Berliner sagt -- mit den schweren, eisernen Schwengeln; das
ganze heute vergessene Milieu, von dem hie und da noch ein letzter
Rest in irgend einem kulturverlassenen Winkel zurückgeblieben ist,
steigt wieder vor uns auf; und in ihm bewegen sich Menschen, deren
Trachten, Frisuren, Hüte uns lachen machen; nicht, daß sie uns häßlich
erscheinen, aber sie erscheinen uns altväterlich und komisch. Wir sehen
sie unwillkürlich im Vergleich zu unserer Tracht, denken, wie würden
_wir_ uns darin ausnehmen? Wie wäre es mit geblümter Weste, blauem
Frack mit gelben Messingknöpfen, mit würdevoll erhobenem Haupt und
breiter, steifer Kravatte, in der eine dicke, goldne Lyra als Nadel
prangt? So bieten in der Mode noch nicht zu lang verflossene Epochen
uns Stoff zur Heiterkeit. Bei weiter zurückliegenden fällt der Grad
des Vergleichs fort, und unser Interesse wird kalt und unpersönlich.
Kommende oder eben überwundene Moden geben uns am ehesten Grund zum
Spott, und nichts erscheint uns so komisch, wie die Cylinderform von
vorgestern oder morgen. Es spricht sich in Doerbecks Werken soviel von
der Zeit aus. Die Trachten der einzelnen Stände sind noch schärfer
unterschieden; wir erkennen den Studenten, wie den Kaufmann, den
Litteraten, wie den Gelehrten, die Grisette, wie die Handwerkersfrau,
den wirklichen Geheimrat, wie den Weißbierbürger; während die Mode
heute die Gegensätze nivelliert hat und eine Art Uniform schafft, auch
des Ausdrucks; all die Errungenschaften der Neuzeit beeinträchtigen
eben mehr und mehr die Selbstherrlichkeit des Einzelwesens, machen uns
zu Ziffern, Nullen oder Einsen in den langen Zahlenreihen.

[Illustration: Abb. 45. _Berliner Krakehler._

Karikatur auf Lola Montez.]

[Illustration: Abb. 46. _Anonyme Karikatur auf Lola Montez_ (nach
Rubens' gleichnam. Bild) Erschienen: München 9. Febr. 1848.

(Sammlung Mai.)]

Und wie Doerbeck und Hosemann, von dem wir unter 1848 einiges bringen
werden, das Berlin von ehemals abkonterfeien, so regt es sich auch
in München, Hamburg und Wien. Wird doch Adolf Glasbrenner von dem
Verleger Jakowitz auf acht Monate nach Wien geschickt, um dort analog
dem »_Berlin wie's ißt und trinkt_« humoristische Skizzen des Wiener
Volkslebens aufzunehmen. Wie unschuldig aber man noch damals war, und
wie wenig Stachel manchmal der Witz hatte, das zeigt jenes kleine
Blättchen: »_Die zu enge Straße_« (Abb. 37). Das Mißgeschick, sich an
einem Wagen vorbeidrücken zu müssen, entbehrt für uns jeder Komik,
ist nur eine kleine Eventualität auf unserm Lebensweg, die jenseits
von Ernst oder Heiterkeit liegt. -- Wie es Adolf Glasbrenner gelang,
dem Berliner Witz jene Souveränität zu geben, welchen er später 1848
behauptete, das hat _Fedor Wehl_ in der »Deutschen Schaubühne« launig
und geistvoll dargestellt. »Der Berliner Witz war bis dahin nur ein
Gassenjunge gewesen, ein Element, das auf allen Brunnenschwengeln,
Treppengeländern und Fenstersimsen saß, mit den Beinen schlenkerte und
schnoddrige Redensarten machte, aber von niemandem recht beachtet
wurde -- ausgenommen von denen, welchen er seine Schabernacke spielte.
Adolf Glasbrenner erhob ihn aus dieser etwas unbequemen Situation,
um ihn in eine epochemachende Stellung zu bringen. Er versuchte ihm
begreiflich zu machen, was er eigentlich sei: ‚Berliner Witz, du bist
kein bloßer, dummer Junge‛, sagte er ihm, ‚du bist das Genie Berlins,
der souveräne Geist der Bevölkerung. Wenn du deiner selbst bewußt
wirst, so kannst du es zu etwas bringen, so zu sagen, ein Mann bei
der Spritze werden. Du mußt dich nur gewöhnen, deinen Blick höher und
über die sogenannten Kellerhälse der Häuser hinaus zu richten, du mußt
dich um Gott und die Welt und zuletzt auch ein wenig um Politik und
Geschichte kümmern‛ ...«

[Illustration: Abb. 47. _Ein Heuler._

Aus den »Münchener Leuchtkugeln«.]

[Illustration: Abb. 48. _Der Bureaukrat._

Aus den »Münchener Leuchtkugeln«.]

Und dies that er von nun an in reichlichem Maße. Die Zensur beschnitt
ihn nicht; der alte närrische Dichter Langbein -- weiland Inhaber der
großen Schere -- ließ ihn gewähren, bis alle Maßregeln den sieghaften
Berliner Witz nicht mehr zu unterdrücken vermochten.

[Illustration: Abb. 49. _Ein Wühler._

Aus den »Münchener Leuchtkugeln«.]

In allem bereitete sich der Umschwung der Dinge vor, selbst in den
feuchtfröhlichen Karnevalsblättern des Rheines -- die Deutschen hatten,
so wie sie wieder zur Ruhe kamen, den alten Humor des Trinkens mit
erneuten Kräften aufgenommen. Sie haben ihn bis heute sorgsam gepflegt,
als ein schon von Urvätern her überkommenes Erbe, das in Ehren gehalten
werden muß; selbst in den Düsseldorfer Künstlerkreisen (gerade die
bildenden Künstler sind es, welche sonst in politischen Fragen meist
indifferent sind; hierin liegt auch eine große Schwierigkeit für die
Leiter politischer Witzblätter, geeignete Illustratoren zu erhalten
oder heranzubilden!) -- selbst bis dorthin drang die Unzufriedenheit,
und suchte, mit Wort und Bild sich Geltung zu verschaffen. Im
allgemeinen spricht sich sonst im Karnevalsleben, wie in den
Narrengesellschaften, eine nüchterne Komik aus, die mit rohen Mitteln,
nach dem Schema ~F.~ einer auf Paragraphen gezogenen Spießerlustigkeit
arbeitet, und die wir daher hier kaum zu berühren brauchen. --

[Illustration: Abb. 50. _Fliegendes Blatt aus dem Jahre_ 1848.]

[Illustration: Abb. 51. _Anonyme Karikatur._ Berlin. (Kommißbrot-)
Soldat. Beziehungen unbekannt. Schwarzbrot-Bürgerwehr, vielleicht das
Gerücht betreffend: Leichen gefallener Soldaten wären in Kähnen nach
Spandau geschafft und dort heimlich begraben worden.]

Heine, Börne, Herwegh, Freiligrath waren Vorkämpfer gewesen. Arg waren
die Unterdrückungen der Zensur, unter denen das freie Wort zu leiden
hatte, der Zensur, welche sich in alles mischte und welche, z. B. in
Berlin, die Bestimmung enthielt, daß neue Theaterstücke erst nach der
dritten Aufführung in den Zeitungen besprochen werden durften.

      Es blüht der Lenz, es platzen die Schoten,
    Wir atmen frei in der freien Natur,
    Und wird uns der ganze Druck verboten
    So schwindet am Ende auch die Zensur --

singt der unermüdliche Spottvogel Heine.

Es ist eine eigenartige Zeit, dieses 1848, und man mag es beurteilen,
wie man will, das eine ist unleugbar, nie hat die deutsche Karikatur
eine bewegtere und reichere Zeit durchlebt, und kaum ist ein Jahr
befruchtender für jede geistige und künstlerische Thätigkeit gewesen.
Man lachte und spottete so laut und kräftig, wie nie zuvor, und bei
allem Ernst, aller Erbitterung, allem Blutvergießen offenbarte man
einen prächtig lebensfähigen Humor, einen Witz, der ins Schwarze
trifft, ja man verliert selbst im Kugelregen und Kartätschenhagel
nicht die gute Laune. Niemals hat der deutsche Humor wieder so tief
in das öffentliche Leben eingegriffen. Es ist ja wahr, daß diese
Zeit mit ihren unreifen Wünschen, mit ihrem mißverstandenen Wollen,
außerordentlich viel Stoff zu feinerer Komik bot; -- keiner hat das
wohl stärker zum Ausdruck gebracht, wie der alte Burschenschafter Fritz
Reuter in seinem Stavenhagener Reformverein der »Stromtid« -- aber
es ist doch auch in der gröberen Karikatur jener Zeit ein gesunder
Zug gegenüber den Arbeiten unserer westlichen Nachbarn, die unter
gleichen Umständen entstanden sind. Geht hier der Spott sofort bis
zur höllischen Grausamkeit, wirft man im Augenblick alle moralischen
Bedenken über Bord, kämpft mit allen Mitteln, gut oder böse, so
bewahrt sich der Deutsche auch hier sein Bestes, seinen Humor, ohne
deshalb minder scharf oder treffend zu sein. Ihm kommt der Witz von
Herzen, dem Franzosen aus der Galle. Es ist nur ein Gegengewicht, eine
Reaktion der Seele gegen die andrängenden äußeren Übel.

[Illustration: Abb. 52 und 53. _Karikatur._ Aus den »Leuchtkugeln«.]

»Das Leben ist so ernsthaft,« steht 1848 in dem Vorwort der
»Düsseldorfer Monatshefte«, »daß es auch dem ernsthaftesten Menschen
mitunter zu toll wird, dann sehnt er sich nach einer Erholung und
sucht den Dingen eine andere Seite abzugewinnen, indem er nach Laune
mit ihnen spielt. Nicht selten kommt alsdann erst die wahre Seite zum
Vorschein, öfter noch die schwache, faßbare, -- denn alles in der Welt
hat seine schwache Seite ...«

[Illustration: Abb. 54. _Anonyme Karikatur auf die Berliner Bürgerwehr_
1848.]

Und es gab viele Schwächen und Jämmerlichkeiten in jener Zeit, viel
zu weinen und viel bitteres Unrecht, aber es gab auch viel zu lachen.
Zu lachen über den Lärm um nichts, die Kannegießerei und Unreife,
die Kleinlichkeit; zu lachen über die Verwirrung bei Fürsten und
Volksführern, die nicht wußten, was zu thun, und wie Wetterfahnen
hin- und herschwankten; über die roten, langbärtigen Volksführer der
Linken, die, wenn ihnen später das Glück gewogen war, Minister wurden
und dann, wie die Butterbrote, auf die rechte Seite fielen; über die
Dichter, welche glühende Freiheitslieder schrieben und dann, wenn sie
vor dem Fürsten ein freies Wort hätten reden können, vor Verwirrung
nicht wußten, was sie sagen sollten (Abb. 42): Herwegh, die eiserne
Lerche, die in der richtigen Überzeugung, daß der Märtyrer nichts
beweist, endlich den besseren Teil der Tapferkeit ergriff. Zu lachen
gaben Lola Montez und die friedliche Revolution der Bayern -- es ging
nur um die Verfassung, nicht um die Bierpreise. -- Zu lachen gab es in
der Frankfurter Paulskirche, wo man die Siege mit Silben zu Niederlagen
umschuf, und Worte das verdarben, was Hände errungen. Zu lachen gab
es über alles Alte, den Bureaukratismus, den gähnenden, deutschen
Michel mit der Schlafhaube, über den Zopf und über die Bürgerwehr, die
Kuhfüße, die Kokarden in der Größe der Kuchenteller. Zu allem, was
sich ereignete, Woche für Woche, pfiff die Karikatur ihre Spottverse.
Wie wenn ein Wehr aufgezogen wird, das lange einen Wasserlauf staute,
so brechen plötzlich, nach Beseitigung der Zensur, Druckschriften,
Spottblätter in vollen Massen über das Land herein, und man wird stets
von neuem erstaunen über die Unsummen geistiger Kräfte, die plötzlich
geweckt wurden. Die ersten, deutschen Witzblätter entstanden, die Form
der Einzeldrucke wird das letzte Mal in großem Maßstab angewandt. Das
Plakat, der Maueranschlag, ernst oder karikaturistisch, hochdeutsch
oder im Jargon, hat eine ungeheure Macht gewonnen. Wie stark der
Einfluß dieser Anschläge war, und wie mit ihnen alles ausgefochten
wurde, das zeigt das Blatt (Abb. 43): »_Ein Plakatkampf_«, welcher
nebenbei zu den besseren der im allgemeinen ziemlich minderwertigen
Berliner Arbeiten gehört. Im Jahre 1848 kommt das erste Mal der
Tagesschriftsteller, der Litterat zur vollen Geltung; er wird eine
wortführende, anstachelnde, richtende Macht. Die gesamte Presse
nimmt einen ungeheuren Aufschwung, Leute von geistiger Bedeutung und
gewandter Feder, Männer von kaustischem Witz treten in den Kampf ein.
Die Tradition -- gutes Deutsch zu schreiben -- wird noch von Börne,
Menzel, Görres bewahrt und ist ihnen noch nicht, wie den heutigen
Journalisten, zur frommen Sage geworden. Der Zeitungsverkäufer tritt
in die Rolle des Eckenstehers, als volkstümliche Figur. Das Leben
verlegt seinen Schwerpunkt aus dem Innern der Häuser auf die Straßen.
Als gangbarste und schnellste Reproduktionsform wird meist noch die
Lithographie oder der lithographische Umdruck gewählt, aber auch der
Holzschnitt, welcher ohne jede Schwierigkeit in den Druckspiegel
eingefügt werden kann, beginnt wieder an Boden zu gewinnen.

[Illustration: Abb. 55. _Metamorphose des Marschalls Druff._ Karikatur
auf Wrangel 1848. (Berliner Krakehler.)]

Über die Karikatur des Jahres 1848 hat _Eduard Fuchs_ 1898 eine
vorzügliche Sonderpublikation mit reichem Bilderschmuck bei M. Ernst in
München erscheinen lassen. Auch _Hans Blum_ »Die deutsche Revolution
1848« (E. Diederichs, Leipzig 1898) bringt eine Unzahl Nachbildungen
von Spottblättern, belegt Schritt für Schritt seine Ausführungen mit
diesen Dokumenten. _Grand-Carteret_ reproduziert besonders süddeutsche
Karikaturen aus den »Leuchtkugeln« und »Fliegenden Blättern«, und
wir hoffen diese Anzahl von Blättern um manches interessante Stück
bereichert zu haben, so daß sich heute selbst der, welchem Sammlungen
und Archive nicht zugänglich sind, ein ausreichendes Bild der Karikatur
des Jahres 1848 verschaffen kann.

[Illustration: Abb. 56. _Karikatur_ von _W. Scholz_. Aus dem
»Kladderadatsch« 1848. Verlag von A. Hofmann & Comp. in Berlin.]

In »_Der Kladderadatsch und seine Leute_« (Berlin 1898) findet man
eine ziemlich vollständige Übersicht der litterarisch-humoristischen
Erscheinungen der Zeitschriften, Anschläge, Witzblätter jener
Tage, und selbst die wenigen dort angeführten Proben des Inhalts
lassen uns ahnen, welch ein seltener Reichtum, ein Stück deutscher
Kulturgeschichte in diesen Dokumenten niedergelegt ist. Künstlerisch
sind Düsseldorf, Frankfurt, München führend. Litterarisch steht Berlin
obenan. Leider sind uns viele der Künstler, aus erklärlichen Gründen,
unbekannt geblieben, -- bei manchen mag es uns gleichgültig sein, aber
in einigen Fällen möchte es uns doch freuen, wenn wir wüßten, wem diese
charakteristischen Schöpfungen zuzuschreiben sind. -- --

[Illustration: Abb. 57. _Zwei fliegende Buchhändler._

_Lude_: Nu sag mal Fritze, wat machen wir nu, nu Allens verboten ist?

_Fritze_: Dat will ick Dir sagen, mein Junge! Du schreist
Kladderadatsch aus, und ick denuncier' Dir bei Hinkeldeichen. Ich
kriege zwei Thaler und Du eenen Tag Ufhebung der persönlichen Freiheit.
Dann schreie ick wieder Kladderadatsch, und Du denuncierst mir, un uf
die Art können wir'n Belagerungszustand aushalten.

Kladderadatsch 1848. (A. Hofmann & Comp., Berlin.)]

Und doch ist dieses 1848 ein grausames, ein tolles Jahr, das mit Witzen
und Lachen über Tausende von Leben und Existenzen hinschreitet, das
ganze junge Saaten von Hoffnungen niedertritt. Das grausige Symbol
des Jahres bleibt doch der »Tod«, der die Menschen in das Verderben
führt, der »_Tod als Barrikadenkämpfer_« (Abb. 39), den uns _Rethel_
geschaffen. Nächst ihm hat nur noch einer diese Tragik des Jahres 1848
voll erfaßt, ein Geistesverwandter, Gigant wie er: Max Klinger in
seinen Dramen.

Wie zahlreich die Mißstände waren, welche zu dieser Krisis führten,
hat wohl niemand knapper und geistvoller dargestellt, als _Theodor
Hosemann_ in dem vorzüglichen »_Zug der Tiere_« (Abb. 44). Alle
Gründe, welche die Revolution schufen, alles, was in dem Jahre 1848
zusammenprallte, ist hier treffend versinnbildlicht, und daß die
Geldaristokratie es ist, welche an der Spitze marschiert -- die
Kornwucherer (mit Nationalkokarde), welche folgen -- das zeigt wohl am
besten, daß es nicht allein der Liberalismus war, der kämpfte, nicht
nur Fragen, wie Preßfreiheit, Versammlungs- und Stimmrecht, um welche
man sich stritt; sondern, daß auch diese Erhebung ihre Wurzeln im
Proletariat, im vierten Stand hatte.

       *       *       *       *       *

[Illustration: Abb. 58. _Gespräche an der Berliner Börse._

A.: Nu was habe ich Ihnen gesagt, 3 Tage Belagerungszustand und die
Corsche 3 Prozent gestiegen.

B.: Nu was hab ich Ihnen gesagt, wenn ma wärd aufhängen alle
de Nischtthuers, alle de Litteraten, wer'n mer bekommen
Staatsschuldscheine 98½.

A.: 98½? Nu warum hängt man se nich uf?

Kladderadatsch 1848. (A. Hofmann & Comp., Berlin.)]

Wenn wir der Reihe nach vorgehen, so haben wir zuerst München zu
erwähnen, wo Lola Montez und Ludwig I., der Partizipien-Dichter, dem
Spott reichlich Stoff boten. Über Lola Montez in der Karikatur ist
bereits eine Arbeit in der »Zeitschrift für Bücherfreunde« erschienen,
eine größere Publikation mit gegen sechzig Karikaturen auf die »Gräfin
von Kainsfeld« bereitet Eduard Fuchs vor. Sechzig Karikaturen! Ein
Zeichen dafür, welche Macht die bildliche Verspottung in jenen Tagen
hatte. Wir bringen hier den »Engelsturz« (Abb. 46), die künstlerisch
am höchsten stehende Arbeit. Lola, getragen vom Gensdarmeriehauptmann
Bauer, fährt samt dem suspendierten Corps »Allemania (oder Lolamannia«,
wie es genannt wurde) hinab in den flammenden Höllenrachen. Geschart
um den bayerischen Löwen stehen Professoren und Studenten, Michael mit
dem Flammenschwert, mit dem Schild, auf dem Münchens Wahrzeichen in der
Umschrift steht: »Einigkeit macht stark«, stößt sie hinab. Eine zweite
Karikatur stellt Lola auf der Tribüne dar, mit einem bärtigen Gesicht,
eine stofflich interessante, künstlerisch durchaus minderwertige
Arbeit. -- Eine dritte ist eine kleine Verspottung (Abb. 45) in
altertümelnder Holzschnittmanier aus dem »Berliner Krakehler«, Lola als
Hexe auf einem Besen reitend. Viele der Lolablätter befassen sich mit
ihren galanten Abenteuern und sind, wenn auch künstlerisch wertvoll,
inhaltlich nicht gerade salonfähig. Wie man es überhaupt in so erregten
Zeiten nicht allzugenau auf die Goldwage legt, was gemeinlich gesagt
werden darf, und was nach sittlichem Übereinkommen nicht in die Debatte
gezogen werden dürfte.

[Illustration: Abb. 59. _Müller und Schulze._ Kladderadatsch 1848. A.
Hofmann & Comp., Berlin.]

[Illustration: Abb. 60. A. _Achenbach_: Alles besetzt. Düsseldorfer
Monatshefte 1848.]

[Illustration: Abb. 61. _Schröder_. Düsseldorfer Monatshefte 1848.]

Aber außer diesen Einblatt-Drucken hat die Karikatur in München
aus dem Jahre 1848 noch einen dauernden Gewinn gezogen. Ende 1847
erschienen die »_Leuchtkugeln, Randzeichnungen zur Geschichte der
Gegenwart_« (1848 bis 1851); schon vor 1848 waren die »_Fliegenden
Blätter_« hinausgeflattert. Sie sind durch ein halbes Jahrhundert das
führende humoristische Organ Deutschlands gewesen, der Sammelpunkt
für fast alle karikaturistischen Talente Süddeutschlands, der Platz
der Bethätigung von hunderten, bedeutenden, von Künstlern des Wortes
und des Stifts. Ich möchte schon hier ein wenig auf den Humor
eingehen, der in den »Fliegenden« eine Heimstätte fand, und nur
kurz erwähnen, daß sie ihre ersten Triumphe der politischen Satire
verdanken, und daß ihnen die Reise des Barons Eisele und seines
Hofmeisters Dr. Beisele, der Wühlhuber und Heulmayer, Figuren, welche
_Caspar Braun_ erfand, der Staatshämoridarius von _Pocci_ -- sowie
die witzige Kritik der Zustände, welche sich hieran knüpfte, eine
außerordentliche Popularität gaben. Bald aber zogen sie sich völlig
von jeder Kritik -- sei es nun des sozialen Lebens oder der Politik
-- zurück, mit übermäßiger Vorsicht, und sie sind vielfach heute
deshalb für uns antiquiert und nichtssagend. Fred. Walter, der in
der »Kunst unserer Zeit« (Mai-Heft 1898) eine eingehende Studie über
die »Fliegenden« veröffentlicht hat, charakterisiert die Art des
später hier gepflegten Humors zutreffend: Behaglich sehen wir zum
Fenster hinaus, und draußen treibt das Narrenschiff vorbei, mit den
Narren aller Stände, Geschlechter und Kategorien. Sie treiben vorbei
und wissen nicht, daß sie die Schellenkappe tragen, und zeigen ihre
Schwächen in naiver Harmlosigkeit, und wir lachen über sie und erkennen
sie als Kinder ihrer Zeit. Schon recht, nur schauen wir nicht mehr
behaglich zum Fenster hinaus, und haben alle Gründe, nicht mehr an die
naive Harmlosigkeit der anderen zu glauben. So haben sie in letzter
Zeit heftige Angriffe erfahren, auch einmal von dem Verfasser.
Ganz anders aber muß unser Urteil lauten, wenn wir uns fragen, was
die »Fliegenden Blätter« geleistet haben, und was ihre Arbeit von
fünfzig Jahren für Deutschland bedeutet. Sie haben eine Centrale des
süddeutschen und bayerischen Witzes gebildet, die Stelle geboten, wo
Künstler wie Busch und Oberländer und Schwind sich ausgeben konnten.
Die litterarischen Bewegungen haben dort ihr Gegenspiel, wie ihre
Parodie in Bild und Wort gefunden. Der Humor, der zwecklose Humor,
wie ihn nur der Deutsche kennt, hat sich nirgends liebenswürdiger
geäußert. Die Vervielfältigung, der Holzschnitt hat sich bis zu einer
seltenen Höhe entwickelt. Reproduktionen nach Tuschblättern z. B. von
Marold wurden dort geschaffen, gut genug um die Mappen der Sammler zu
zieren. Gewiß, das soll alles anerkannt werden: die »Fliegenden« waren
und sind eine große künstlerische That. Und doch ist selbst der Humor
der »Fliegenden« dem Norddeutschen oft fremd; es ist zu bedauern,
daß kein norddeutsches Blatt ihnen das Gegengewicht halten kann, daß
mit den beginnenden fünfziger Jahren die guten Ansätze des Berliner
Humors durch die stete Umformung der Stadt und ihrer Bewohner nie zur
Entwickelung kommen konnten, und daß wir hier weder die Kräfte, noch
die Schulung und besonders nicht die Stätte und das Entgegenkommen der
Massen besitzen. Gerade der in den »Fliegenden« gepflegte Witz besitzt
oft nur lokales Interesse, hat als Hintergrund Dinge, Zustände, die dem
Norddeutschen fremd und fern; so schätzt man es mehr des zeichnerischen
Inhalts als des geschriebenen wegen. Ebeling, Kinkel, Fr. Th. Vischer
haben schon vordem diese Unzulänglichkeiten empfunden und ausgesprochen.

[Illustration: Abb. 62. _Th. Hosemann._ Düsseldorfer Monatshefte 1848.]

[Illustration: Abb. 63. _Der wirkliche Geheimrat._ Düsseldorfer
Monatshefte 1848.]

Was uns aber immer wieder zu den »Fliegenden« hinzieht, das ist der
Stab zeichnender Mitarbeiter, humoristischer Talente ersten Ranges.

Mehr als die »Fliegenden« hätten uns die so früh verblaßten
»Leuchtkugeln« bringen können, die in witziger und treffender Weise
das Jahr 1848 glossieren. Sie sind es besonders, welche die Zopfträger
verspotten, und mit das Beste an Karikatur des Jahres 1848 wird von
ihnen geboten (Abb. 47 bis 49, 52 u. 53). Ist doch sogar ein Kaulbach
unter ihren Mitarbeitern.

[Illustration: Vergessen.

Von A. _Achenbach_: Aus den Düsseldorfer Monatsheften von 1848.]

Wenden wir uns nun Berlin zu. Hier entsteht 1848 der
»_Kladderadatsch_«, das einzige Blatt, das durch lange Jahrzehnte
der Vertreter der Berliner Kultur war, und zwar wächst es vollkommen
aus dem Milieu heraus, aus kleinen Anfängen: »Organ von Bummlern für
Bummler.« Von Berliner Zeichnern sind nur _Hosemann_ und _Scholz_
namhaft. Ersterer hat sein Bestes in jener Zeit für die »Düsseldorfer
Monatshefte« gearbeitet; es sind noch eine Anzahl anonymer Künstler
thätig, den meisten thäte man aber keinen Dienst, wenn man sie der
Vergessenheit entrisse. Vor allem wäre es nur erfreulich, wenn man
feststellen könnte, wer jener mit ~X~ signierende Zeichner gewesen
ist, von dem, außer den beiden hier vervielfältigten Einzelblättern:
»Alarm der Bürgerwehr« (Abb. 51), »Nach Spandau« (Abb. 54), noch
Eduard Fuchs zwei Karikaturen von hohem, künstlerischem Reiz und
überzeugender Kraft bringt. Ein Künstler mit einer eigenartigen
Vorliebe für spukhafte Verzerrung, der sich technisch an den Zeichnern
des Charivari gebildet hat. Auch Hirschfeld beschäftigte einen nicht
unbegabten Lithographen, den Künstler des »Plakatkampfes« und des
»Verbrüderungsfestes« (Abb. 50). Sonst sind die Dinge, denen wir
begegnen, meist roh, handwerksmäßig, besonders der Berliner Holzschnitt
ist es; er unterscheidet sich durch eine so entsetzliche Nüchternheit
von dem Münchener, daß wir lieber von ihm ganz schweigen. Durch seinen
fetten, langweiligen Strich hat er es vermocht, daß man selbst später
an dem geistreichen, kräftigen Zeichner Wilhelm Scholz, dem einzigen,
der wirklich den Stil der politischen Karikatur erfaßt hatte, keine
Freude haben kann.

Von den Berliner Blättern, welche bald wieder verschwanden, sind »_Der
Berliner Krakehler_« (Ernst Litfaß), und die »_Tante Voß mit dem
Besen_« (Glasbrenner, freie Blätter) witzige Organe, während andere,
wie das »_Berliner Großmaul_«, »_Berliner Charivari_«, »_Teufel in
Berlin_«, »_Ewige Lampe_« weniger von Bedeutung sind. Der illustrative
Schmuck der meisten ist geringfügig. Aus dem »Krakehler«, dem einzigen
Blatt, dessen Kopf in verschiedenen Farben gedruckt wurde, bringen wir
die geistreiche Metamorphose des Marschall »Druff« (Abb. 55), eine
überaus treffende Satire, ein komisches Decrescendo, das seine Wirkung
noch heute ausübt.

[Illustration: Abb. 64. _Adolf Schrödter_: Abenteuer des Abgeordneten
Piepmeyer. Frankfurt 1848. Lithographie. (Kgl. Bibliothek Berlin.)]

Desto ergiebiger und reichhaltiger ist aber der Witz, die Karikatur des
Wortes, welche in den Zeitschriften und den Plakaten die lustigsten
Tänze aufführt. Sie handhabt den Vers mit seltenem Geschick, hat im
Berliner Dialekt und im jüdischen Jargon -- er spielt 1848 eine starke
Rolle -- Mitkämpfer, die wirklich wie geschaffen sind für die Mission
der politischen Satire, Dr. _Cohnfeld_ und _A. Hopf_ sind die Meister
des humoristischen Plakats. »August Buddelmeyer, Tagesschriftsteller
mit'n jroßen Bart«, »Ullo Bohmhammel, Vizegefreiter bei de Börgerwehr«,
»Nante als Nationalversammelter«, »Rede, geredt zu seine Frau
Hannche, von Jakob Leibche Tulpenthal, emanzepierter Israelit aus'n
Großherzogtum Posen« -- wie sie verstehen auf die Massen zu wirken,
Sprache und Vers zu handhaben, volksrednerisch und doch volkstümlich!
Wieviel Schlagfertigkeit und Geist sie besitzen, und wieviel Humor
bei allem Ernst der Sache ihnen immer noch bleibt, das ist zugleich
erstaunlich und erfreulich. Aus diesen Ansätzen hätte z. B. das
Berliner Chanson entstehen können:

    Allens is nu wieder jut,
    Bloß der Magistrat nich,
    Na, denn laß ihn böse sind,
    Ludekin, det schad nich!

Es ist lustig zu beobachten, wie die parlamentarischen Formen, welche
die Versammlungswut und Vereinsmeierei gezüchtet, glossiert werden.

Nante zu Brennecke: »Da muß ick Dir aber mit allgemeinem Jelächter
unterbrechen!«

       *       *       *       *       *

Nante: »Brennecke, gehörst Du einem Klub an?«

Brennecke: »Diese Frage muß ich in verneinendem Sinne beantworten. Det
Abends jeh ick nach de Zelten un lasse mir politisch bilden. Ick helfe
Komiteemitglieder ernennen for de Adressen, hebe bei de Abstimmung
eene Hand auf und helfe demonstrieren. Darauf beschränkt sich meine
politische Wirksamkeit.«

[Illustration: Abb. 65. _Adolf Schrödter_: Abenteuer des Abgeordneten
Piepmeyer auf der zu konstituierenden Nationalversammlung. Frankfurt
1848. (Königl. Bibliothek Berlin.)]

       *       *       *       *       *

Welche Kritik trotzdem angelegt wurde, und wie der Humor seine
souveräne Stellung behauptet und nach rechts und links Hiebe und
Ermahnungen austeilt, wenn nötig, das zeigt z. B. das Blatt: »_Ihr
sollt euch nicht butzkoppen!_« »Ick begreife man nich, wie ihr so
verbohrt und vernagelt sin könnt, daß ihr jlauben thut, politische
Ideen lassen sich durch viehsische Jewalt fortpflanzen un uffproppen.
Is dazu de Presse freijejeben, daß ihr eure Wünsche mit Eisenstangen
durchfechten sollt? Ick muß mir ja bei meine Bekannten vor euch
schämen. Die sagen mir jradezu: ‚Buddelmeierken‛, sagen se, ‚loof,
loof, mit deine janze Demokraten is es och faul; die Kerls haben och
nischt verjessen un nischt gelernt!«

Bei scheinbarer Oberflächlichkeit, bei salopper Form, steckt in
all diesen Berliner Blättern doch ein gutes Stück Geistesbildung,
politischer Reife und künstlerischen Vermögens. Aus diesem ganzen
Milieu heraus, in dem sich Volkstümlichkeit und reifer, vergeistigter
Humor durchdrangen, ist der »Kladderadatsch« erwachsen, und so will
er verstanden sein (Abb. 57 bis 59). Das einzige Blatt, von dem man
wirklich sagen kann, es hat die Fahne hochgehalten, wenn es auch im
Lauf der Jahre politischen Schwankungen unterworfen war.

[Illustration: Abb. 66. _A. Schrödter_: Piepmeyer. (Königl. Bibliothek
Berlin.)]

Künstlerisch am höchsten stehen Düsseldorf und Frankfurt. Die
»_Düsseldorfer Monatshefte_«, welche in letzter Zeit recht selten
geworden, waren in Ausstattung und nach dem Stab ihrer Mitarbeiter
das vornehmste, je in Deutschland erschienene Witzblatt. Der Text ist
reich mit Holzschnitten illustriert, und außerdem sind dem Jahrgange
an siebzig Lithographien, meist Zweiplattendrucke -- (eine schwarze
Platte und eine Tonplatte -- Gelb oder Braun, Grünlich oder sogar
Rot) beigefügt. Später hat man sogar im Text lithographisch bezw.
autographisch die Werke der Künstler vervielfältigt. Textlich sind
die »Düsseldorfer Monatshefte« weniger bedeutend, doch kommt der
freie, künstlerische Humor manchmal prächtig zu Wort. Glänzend ist
die Reihe der Mitarbeiter: Andreas und Oswald Achenbach, Camphausen,
Clasen, Hasenclever, Hildebrandt, Hosemann, Hübner, Jordan, Lessing,
Henri Ritter, Meyer von Bremen, Sonderland, Wieschebrink, Schröder,
Schroedter: die ganze Düsseldorfer Malerschule, Historienmaler,
Landschafter, Genre- und Anekdotenmaler. Es ist das erste Mal,
daß die Karikatur so sich völlig durchsetzt, so ein gemeinsames
Streben eines ganzen Künstlerkreises wird. Aber man kann ein
sehr fähiger Künstler sein und doch hier vollends versagen. Hier
muß eine eigene Begabung vorliegen, welche sich nur bei wenigen
der Mitarbeiter findet. Außerordentlich überrascht uns die Gabe
des Spottes bei dem Landschafter A. Achenbach, der Arbeiten von
satirischer Schärfe und voll malerischer Reize geschaffen hat, wie
das bekannte »Metternichblatt«. »Vergessen« (Abb. zw. Seite 48/49),
der eingeschneite, einsame Soldat, welchen die Eiszapfen an den Mund
frieren, ist wohl ohne nähere Beziehung und nur als Angriff auf den
Militarismus zu deuten. Auch jenes andere reizende Blättchen ist von
geistreich, prickelnder Mache. Sein Inhalt besagt: Metternich und eine
andere hochgestellte Persönlichkeit landen in England. Aber der dicke
Thorwächter bedeutet ihnen, daß kein Platz mehr, schon alles dicht
besetzt wäre. Unter den Figuren über dem Rand der Festungsmauer erkennt
man den durch die Karikatur weltberühmten Birnenkopf Louis Philipps.
Der Bürgerkönig freut sich, die Ankömmlinge begrüßen zu können
(Abb. 60).

Ein Beitrag _Hosemanns_ gehört zu seinen charakteristischen Zeichnungen
von _Berliner Typen_ (Abb. 62). Eine merkwürdig phantastische Begabung
begegnet uns in _Schröder_, dem wohl die anonymen Rezensenten (Abb. 61)
zuzuschreiben sind. Einer der fleißigsten Mitarbeiter aber ist der
geistreiche _Henri Ritter_, ein loser Spottvogel, voller Humor. Man
sehe nur den kleinen Blut und Wasser schwitzenden Bürgermeister (Abb.
zw. Seite 64/65), die in Ehrfurcht sich neigenden Honoratioren,
Blumenpforte, Ehrenjungfrauen und das belustigte Gesicht des reisenden
Fürsten ob dieser Kleinstädterei. Schon den Frack des Bürgermeisters
möchte man einem Museum übergeben. Auch der Humor des Trinkens, der
Feste und Kirchweihen des leichtlebigen, rheinischen Völkchens kommt
bei den »Düsseldorfer Monatsheften« nicht zu kurz; vor allen bei dem
liebenswürdigen Sonderland und dem feinen Menschenkenner _Hasenclever_.
Das »Lesekabinett« (Berlin, Nationalgalerie) gibt am besten von
allen Schöpfungen der Zeit den politischen Übereifer wieder, mit dem
man sich auf das Lesefutter der Zeitungen stürzte; die traurigen,
eingetrockneten, verstaubten Gestalten, welche diese Bethätigung
schuf, sind hier witzig parodiert. Nebenbei ist das Lesekabinett eines
der wenigen Gemälde rein karikaturistischen Inhalts. Bis auf die
allerneueste Zeit, die eines Th. Th. Heine, hat man es nur ganz selten
in Deutschland gewagt, das edle Material auch zu der subalternen Kunst,
welcher unsere Besprechung gilt, heranzuziehen.

Die »Düsseldorfer Monatshefte« sind ein echtes Künstlerorgan, politisch
ein wenig indifferent, nicht allzu scharf, aber manchmal nicht ohne
Stachel:

[Illustration: Abb. 67. _Henri Ritter_: Politischer Struwelpeter.
Blatt I.]

»Kennzeichen des Deutschen: Man findet ihn fast nur in seinem Land.
Er stirbt, wo er geboren ist, doch hat sich dies seit der Entdeckung
Amerikas geändert, seit welcher Zeit er öfters auf der See verhungert.
(Hessische Auswanderer.)«

       *       *       *       *       *

Amtmann (zu den Auswanderern): »Drüben werden Euch die gebratenen
Tauben auch nicht in den Mund fliegen, Bauern!«

»Ja, aber wenn sie's thun, dann essen wir sie allein!«

       *       *       *       *       *

Die vier größten Kunstschöpfungen des Jahres 1848 stammen aus Frankfurt
und Düsseldorf. Die gewaltigste: Rethels »Totentanz«, die witzigste,
Adolf Schroedters »Piepmeyer«. Als Karikatur die bedeutendste:
»Ätzblätter aus dem Frankfurter Parlament« von Friedrich Pecht, und die
volkstümlichste Henri Ritters »politischer Struwelpeter«.

[Illustration: Abb. 68. Aus _Henri Ritters_: »_Politischer
Struwelpeter._« Geschichte von Peter dem Wühler.]

Rethel (Abb. 39) kommt heute wieder mehr und mehr zur Anerkennung;
Gurlitt hat ihm in seiner »Deutschen Kunst im XIX.« eine der
allerersten Stellen eingeräumt, und wirklich ist seit Dürer und Holbein
nichts Wirkungsvolleres, Größeres geschaffen worden, als dieser
Totentanz, dessen fünftes Blatt den grausigen Grundgedanken des Jahres
1848 am packendsten zum Ausdruck bringt. Überwältigend ist noch ein
anderes Blatt, es zeigt den Tod im Heckerhabit, wie er einer Stadt
zureitet; die Cigarre zwischen den Zähnen, die Sense in der Hand, so
stuckert der dürre Geselle daher. Ein Anblick -- fast so grausig, wie
jene Dürersche Zeichnung der Malcolm-Sammlung: der reitende Tod. Und
von Dürer und Holbein ist auch die Technik des großzügigen, kräftigen
Linienschnittes übernommen. Mit ihnen hat er ferner das gemein, was
mit so unheimlicher Wucht zu uns spricht, das »Geisterhafte« -- wie
Vischer sagt -- der Abgrund der Seele, wo Grauen und Fiebertraum
wohnen, Grauen und Fiebertraum, wie in Dürers Apokalypse, die Welt des
Jenseits, des Dämonischen. Von allen Beurteilern erfährt er nur durch
den geistvollen Arsène Alexandre (~l'Art de la Caricature et de Rire~),
eine absprechende Bewertung, doch ist es klar, daß der Franzose vom
Wesen der Revolution eine andere Ansicht hat und für das Herbe, Eckige,
Dornige des am Dürerschen erstarkten Stils kein Nachempfinden besitzt.

[Illustration: Abb. 69. _Burger_: Karikatur auf v. Soiron.]

»Thaten und Meinungen des Herrn Piepmeyer, Abgeordneter zur
konstituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main.« Text von
J. H. D. (_Joh. Herm. Detmold_) und Zeichnungen von A. S. mit dem
Korkenzieher, dem Küferzeichen (_Adolf Schroedter_). Über dieses
köstliche Bändchen könnte man Seiten lang schreiben. Man sehe sich
nur den Herrn Piepmeyer recht genau an (Abb. 64)! Wie prächtig
schon die Unterschrift mit dem Schnörkel voll Aufgeblasenheit und
Selbstüberschätzung, die Haltung, der riesige Mund, die Schleuse für
Phrasen, die Furche von der Nase herab, das Zeichen aller Berufsredner,
die herrische Nase, selbst die ehrfurchtgebietende Glatze dieses
Piepmeyer, in dessen Kopf es so wirr wie in einem Kramladen aussieht,
dem Politik nur ein Geschäft ist, in das ihn sein Ehrgeiz treibt;
der stets die Konjunktur benutzt und von ganz links nach ganz rechts
schwenkt, zum Schluß nach Berlin fährt, um dort Minister zu werden
-- wir verfolgen ihn durch alle Phasen seiner ruhmreichen Laufbahn;
wir sehen ihn begeistert und zweifelnd, redend -- die Paulskirche
entleert sich schleunigst; sehen ihn zu Haus vor seiner Familie, seinen
Wählern -- denen er je nach Bedarf die unwandelbare Festigkeit seiner
monarchischen oder republikanischen Gesinnung versichert; sehen,
wie er erst sich rot gebärdet, sich einen Bart stehen läßt und sich
den Parlamentshut kauft (Abb. 65), sich darin übt, die heldenmütig
entblößte Brust den Spitzen der Bajonette der Soldaten preiszugeben,
und wie er dann Tanzstunde nimmt, sich wieder rasiert und unter Orden
und Epaulettes sich wohl sein läßt (Abb. 66). Die Neugier treibt ihn
sogar einmal in die Registratur der volkswirtschaftlichen Abteilung,
und dort staunt er die Bibliothek an. Ein ganzes Fach voll Werken über
die Verbesserung von Hosenträgern, ein anderes über die Benutzung der
Cigarrenasche als Düngmittel, ein drittes über verschiedene Mittel
gegen Ungeziefer. Nur in einem kleinen Fach ist gar nichts, kein
Blättchen: zur deutschen Reichsverfassung.

Und wie witzig ist das gezeichnet! In einer Technik, die in ihrer
scheinbaren Naivität sich allem anpaßt und schon das Geheimnis der
Wirkung -- den Hauptzug der modernen Karikatur, erfaßt hat: Viel zu
geben mit wenig Mitteln. Die Anordnung des Ganzen, wie die Technik
ist wohl nicht unbeeinflußt von Toepfer, ebenso wie die Art der
Reproduktion die gleiche ist; Federzeichnung autographisch auf den
Stein übertragen.

[Illustration: Abb. 70. _Anträge für die Nationalversammlung._ Aus den
Pfennigsmagazinen. (Sammlung E. Mai.)]

Vom politischen Struwelpeter, einem Buch mit zwölf schön kolorierten
und verständlichen Tafeln für deutsche Kinder unter und über sechs
Jahren, -- eine geistreiche Nachbildung des Hofmannschen -- sind so
reiche Illustrationen beigegeben (Abb. 67, 68), daß hier ein weiteres
Eingehen übrig erscheint. Nur noch die paar Verse zu dem vielköpfigen
Ungeheuer:

    Sieh einmal hier steht er,
    Der deutsche Struwelpeter,
    Viele Köpfe hat er,
    Manche Unart that er,
    Teils ist er guter Royalist,
    Teils mäßig und teils Terrorist,
    Bald ist er Preuß', bald Öst'rreichs Kind,
    Bald lutherisch, bald röm'sch gesinnt.
    Bald ist er Wühler, Heuler bald,
    Er trägt ein Röcklein morsch und alt,
    Aus sechsunddreißig Flicken
    Bedeckt's ihm kaum den Rücken.

Von allen Blättern, welche das Parlament betreffen, und deren
gibt es eine große Anzahl, auf die einzelnen Führer, auf wichtige
Ereignisse, Reden, Maßregeln, stehen (Abb. 69-74) -- trotzdem die
drei Radaubrüder der Linken (Abb. 73) witzige und tüchtige Arbeiten
sind -- obenan die Ätzblätter zum Frankfurter Parlament von Pecht
(Abb. 76). Diese Parlamentskarikaturen von trefflicher Zeichnung,
unerbittlicher Charakteristik und einer Satire, wie sie kaum wieder
geboten worden ist, sind, besonders im »Ministerium der Gegenwart«
und dem »Ministerium der Zukunft«, gradezu einzig in Deutschland. Sie
erinnern an die Parlamentskarikaturen Daumiers und des modernen Léandre
in ihren giftigen Verzerrungen. Zu der Parlamentsschaukel besagt eine
Ermahnung im Sinn und der Gestalt der Kapuzinerpredigt, nicht so wild
zu wippen und mehr nach der Mitte zuzurücken, sonst möchte Brett und
Bock zusammenbrechen, und sich mancher in die blaue Luft setzen. Noch
höher als Pecht steht vielleicht Eduard Steinle -- der Madonnenmaler
-- als Karikaturist. Was er für ein feiner, ausdrucksvoller Zeichner
ist, dafür mag das Gesicht des alten, gichtischen Monarchen Zeugnis
ablegen (Abb. 75), in dessen geschwächtem Hirn nur ein matter
Verständnisschimmer aufleuchtet für das, was ihm Jungfrau Germania hier
mitzuteilen hat. Aus Württemberg und Baden sind mir keine künstlerisch
bedeutenden Karikaturen begegnet. Pfau, der geistreiche Ästhetiker, gab
in Stuttgart den »Eulenspiegel« heraus; »Das neue Lied vom Hecker« und
das vom »Struwwelputsch« (auf Struwe) finden sich in den »Musenklängen
aus Deutschlands Leierkasten« (Leipzig, um 1850) einem mit hübschen,
für die Zeit charakteristischen Holzschnitten gezierten Bändchen.

    Seht, da steht der große Hecker
    Eine Feder auf dem Hut,
    Seht, da steht der Volkserwecker,
    Lechzend nach Tyrannenblut,
    Wasserstiefeln, dicke Sohlen,
    Säbel trägt er und Pistolen,
    Und zum Peter saget er:
    Peter, sei du Statthalter!

Auch Leipzig und Dresden haben manches zur Karikatur beigesteuert, so
ist jenes Blatt, auf dem man den Kanonen so tiefe Reverenz erweist, daß
die Zöpfe nur so fliegen, Leipziger Herkunft (Abb. 77).

[Illustration: Abb. 71. _Parlamentskarikatur._ (Sammlung E. Mai.)]

Das tolle Jahr ist für die Karikatur von großer Bedeutung gewesen, ja,
es ist das eigentliche Geburtsjahr der deutschen Karikatur. Jetzt sind
wir künstlerisch stark genug, um keiner Anleihen mehr zu bedürfen.
Unter Kanonendonner ist die deutsche Karikatur aus der Taufe gehoben
worden, und sie hat kräftig geschrieen. Sehen wir jetzt einmal, wie
sie sich weiter entwickelt hat. Aber wir können ihr nicht mehr Tag für
Tag folgen. Nur hie und da können wir einen raschen Blick auf ihre
Wandlungen werfen, eine knappe Würdigung ihrer vorzüglichsten Vertreter
anstreben.

       *       *       *       *       *

Mit dem Beginn der fünfziger Jahre tritt die politische Karikatur ein
wenig wieder auf der öffentlichen Schaubühne zurück, aber ganz entwöhnt
man sich ihrer nie mehr. Humoristische Witzblätter entstehen, wenige
halten sich, viele verwelken -- um mit Heine zu reden -- noch ehe sie
geblüht. Es seien erwähnt, mit Ausnahme derer, welche heute noch in
Flor stehen:

  Die Berliner illustrierte Montagszeitung von Glasbrenner,

  Berliner Dorfbarbier (1879),

  Berliner Feuerspritze (1853 bis 1856),

  Humoristische Blätter, Berlin (1884),

  Der kleine Reaktionär (1862 bis 1864),

  Schalk, Stuttgart, Leipzig, Berlin (1878),

  Berliner Wespen (Stettenheim, Berlin),

  Leipziger Charivari (1858),

  Deutsche Reichsbremse, Leipzig (1849-51),

  Puck, Leipzig (Konstantin von Grimm. 1876-78),

  Cricri, Dresden (1877),

  Doktor Eisenbart (Reinhardt, Dresden 1873),

  Industrieller Humorist (Hamburg 1868),

  Figaro, München,

  Hofbräuhauszeitung, München (1880),

  Neue fliegende Blätter, München (1881),

  Neuer Kikeriki, München (1882-83),

  Münchener Punsch (1874-75, Martin Schleich),

  Eulenspiegel (Stuttgart, Pfau, 1848 bis 50, 51-52, 62-63),

  Krokodilsthräne (1884, Stuttgart),

  Die Frankfurter Laterne (Redakteur der Dialekthumorist Stolze,
  1860),

  Trumpfaß (Düsseldorf 1853-60).

[Illustration: Abb. 72. _Der Parlamentspinsel._ (Sammlung E. Mai.)]

Auch viele Zeitschriften wie »Über Land und Meer«, »Gartenlaube« u. s.
f. hatten ihre humoristischen Ecken; das Bedürfnis für Karikatur
war ein allgemeines geworden. All diese Blätter sind entweder schon
heute eingegangen oder spielen doch nur eine untergeordnete Rolle,
so daß wir nicht weiter auf sie eingehen werden. Von allen sei
nur der Frankfurter Laterne, dem Schalk, den Berliner Wespen, der
Illustrierten Montagszeitung ein rühmliches Andenken gewahrt. Es
soll hier nicht gerechtet werden, wie wenig künstlerisch meist die
Leitung, wie untergeordnet die Stellung, wie ausdruckslos die Art der
Vervielfältigung, -- nicht gerechtet werden, ob diese Blätter nun
wirklich das gegeben, was sie hätten geben können, oder ob nicht an
ihrer Stagnation und ihrer langsamen Auflösung ein völliges Verkennen
der Aufgaben der Karikatur, eine künstlerische Unbildung schuld war.
Oder ob es schwer war, Zeichner von Bedeutung für sie zu gewinnen,
während heute eine bessere Schulung, ein reiferes Können einer ganzen
Künstlergeneration eigen ist. Was der Mehrzahl der Illustratoren --
ich rede hier nur vom breiten Troß der Namenlosen, der Eintagsfliegen
-- fehlt gegenüber selbst denen, welche heute an zweiter und dritter
Stelle stehen, das ist das Zeichnenkönnen, das Naturstudium, der
malerische Sinn, die Glaubhaftigkeit. Phantasie, Gestaltungsgabe, Humor
sind oft entwickelt, aber das »Wie« der Mache hält nicht Schritt mit
ihnen. Die »Fliegenden« haben diesen Hauptzug des deutschen Künstlers
von damals fein verspottet: Einem englischen, einem französischen,
einem deutschen Maler gibt ein Mäcen den Auftrag, ein Kamel zu malen.
Der Franzose geht in den ~jardin des plantes~ und malt es dort, der
Engländer fährt in die Wüste, um das Tier in seiner Umgebung zu
studieren, der Deutsche aber geht in sein stilles Kämmerlein und
schöpft das Kamel aus der Tiefe seines Gemütes. Trefflicher kann das
nicht gesagt werden, und so möchte ich der alten Karikatur -- im
allgemeinen -- nachsagen: sie ist im stillen Kämmerlein ersonnen,
geschöpft, wie das Kamel, aus der Tiefe des Gemütes. Die Moderne aber
ist draußen erlebt, gesehen im Leben und kräftig erfaßt mit malerischer
und zeichnerischer Schulung. Und deswegen beginnt sie auch eine andere
Stelle einzunehmen, eine andere Rolle zu spielen, als vordem.

Neben diesen Witzblättern sind noch viele Zeitschriften zu erwähnen,
welche nur im engeren Kreis der Künstler Verbreitung fanden. So die
Münchener »Allotria«, 1882, und die »Kneipzeitung«, karikaturistische
Blätter des Düsseldorfer Malkastens; überhaupt ist der deutsche Humor
überall da zu seinem Recht gekommen, wo sich unter den Künstlern ein
engerer Zusammenschluß gebildet hat. In Einladungen für Feste ist
manche Perle der Karikatur niedergelegt worden. All diese Dinge drangen
aber kaum in die Öffentlichkeit. Der »Kunst für Alle« verdanken wir
hier manche schätzenswerte Mitteilung; so über Künstlerkarikaturen
von Kaulbach, Stuck, Nagel, des Malkastens u. s. f. Für den Humor der
Berliner Künstlerschaft finden sich in der Akademie der Künste und der
Sammlung Mai reiche Belege.

[Illustration: Abb. 73. _Erste Räumung der Galerie._ »Was wird nun die
arme Linke ohne uns anfangen.« Anonyme Karikatur. Frankfurt a. M.,
Wagner, 1848. (Sammlung E. Mai.)]

Der Berliner Witz, die Berliner Kultur spricht sich am ehesten im
»Kladderadatsch« und seinen Publikationen, Kalendern, Plakaten aus.
Scholz schafft aus dem Milieu heraus Schilderungen des öffentlichen
Lebens. Reinhardt, der feine Bilderhumorist, der vorzüglich für
Leipziger Verleger gearbeitet hat, sei genannt. »Der Löwe kommt« ist
eine noch heute beliebte Bilderhumoreske. Auf einem Jahrmarkt ist
der Löwe aus der Menagerie ausgebrochen und ruft ein belustigendes
Tohuwabohu der Panik, ein wüstes Durcheinander von Menschen, Hunden,
Dingen, einen aufgeschreckten Ameisenhaufen kleiner, wimmelnder Wesen
hervor. Und in all diesem putzigen Hasten und Jagen, Durch- und
Übereinanderfallen, das voller komischer Episoden ist, nur ein ruhiger
Punkt: ein kleines, zitterndes Männchen in einem Rollstuhl; ruhig
und treu harrt der Pudel bei ihm aus, während der Bediente das Weite
gesucht hat. Es ist der Künstler selbst, welcher an den Füßen gelähmt
war und im Stuhl gefahren wurde.

[Illustration: Abb. 74. _Frankfurter Karikatur._ (Sammlung E. Mai.)]

[Illustration: Abb. 75. _Eduard Steinle_. Frankfurt. Dem Ȋltesten
deutschen Monarchen« wird die Kaiserkrone angeboten (Sammlung v.
Lipperheide.)]

Herbert König, der geistvolle Zeichner, von dem in der Montagszeitung
einige treffliche, lithographische Beigaben erschienen sind, so: zum
Jubiläum Gerns; so: David Kalisch auf dem Schoß Thalias, in den Armen
den Kladderadatsch haltend (siehe »Kladderadatsch und seine Leute«),
-- ist zu Unrecht fast vergessen. L. Löffler, der Berliner Gavarni,
der für den »Dorfbarbier« gearbeitet hat, ist ein interessanter
Sittenschilderer; besonders ist es die Frau um 1860, die sich in seinen
Werken spiegelt, nur trägt er zu viel der französischen Grazie in die
doch weniger eleganten Berliner Verhältnisse. Auch der Witz schmeckt
manchmal etwas französisch, und die Untreue und Flatterhaftigkeit der
Saison-Liebsten, wohl auch die Halbwelt und ihre Anschauung spielen
schon ein wenig mit hinein. Die Silhouette erfährt eine Neubelebung,
und hier ist manches Reizvolle, Poetische, Graziöse, Witzige geleistet
worden. Grand-Carteret weist darauf hin, daß hier eine Bethätigung
wäre, die echt deutsch sei und ein spezifisches Ausdrucksmittel unserer
Eigenart bilden könnte. Besonders sind es illustrierte Blätter, welche
die Silhouette pflegen. Als Künstler von Bedeutung sind Schulz und
Ahrendts zu erwähnen und vor allem der leider so früh verstorbene,
graziöse Paul Konewka (1840-71). Das »Faustalbum« (Amsler und
Ruthardt 1864), »Der Sommernachtstraum« (Bassermann, München) sind
allbekannt. Nannte doch selbst Menzel den »Osterspaziergang« die beste
Illustration zu Faust. J. Trojan, der Schwager des Künstlers, hat in
den Velhagen & Klasingschen Monatsheften eine Würdigung von Konewkas
Fähigkeiten gegeben. Und noch heute, wo uns die Silhouettenkunst fremd
geworden ist, und uns die schwarzen, bewegungslosen Schatten, mit
den kleinlichen, prickelnden Umrißlinien, mit den Kunststücken der
Schere nur wie Kuriosa erscheinen, noch heute wirkt Paul Konewka. Auf
der Illustratorenausstellung 1897 im Akademiegebäude trat er in der
historischen Abteilung, -- trotz Richter, trotz Schwind, -- frisch
und unmittelbar vor uns hin, nicht verstaubt noch antiquiert. Sein
vornehmes, ansprechendes Talent wird ihm noch lange Zeit Freunde
schaffen.

[Illustration: Abb. 76. _Pecht_. Die Parlamentsschaukel. (Sammlung v.
Lipperheide.)]

Ein Münchener Silhouettist, der für die »Fliegenden«, ebenso für
Bilderbogen des Braun und Schneiderschen Verlages viel gearbeitet hat,
ist Theodor von Kramer. Er steht aber bedeutend unter Konewka.

Im Anschluß hieran -- wenn auch nicht im Zusammenhang, denn er nimmt
eine Sonderstellung ein, -- möchte ich Albert Hendschel erwähnen. Was
uns heute wieder zu ihm hinzieht, das ist das Zeichnenkönnen -- nicht
im akademischen Sinne --, das aus seinen Werken, seinen Skizzenbüchern
spricht. Dieses Fahrige, Verflatternde der Linie, die wie eine
künstlerische Impression wirkt und doch von feinster, genauester
Beobachtung von Form und Licht zeugt; der Geist, mit dem das alles
gemacht ist, das scharfe Auge, welches es gesehen! Was er gibt, ist
unschuldig: witzige Typen, irgend ein komischer Vorgang aus der großen
Welt oder, lieber noch, aus der kleinen der Kinder; ein Schusterbube;
ein Malerlehrling, der ratlos auf dem Gerüst steht und sich nicht vor-
und rückwärts getraut, da man ihm den Hut über das Gesicht geschoben
hat; mit einem Wort: karikaturistische Anekdoten -- oft treffend in
den Typen. Wir haben für sie ja heute nicht allzuviel mehr übrig, und
doch sehen wir die Werke Hendschels gern an, wir erfreuen uns daran,
wie jemand mit so unschuldigen, ungetrübten Blicken in die Welt sehen,
so harmlos als Mensch und dabei so geistreich als Künstler sein kann.
Wieweit Hendschel für das Frankfurter Leben das Richtige getroffen, wie
weit seine Typen der Zeile der Wirklichkeit entsprechen, vermag ich
nicht zu entscheiden.

[Illustration: Abb. 77. _Leipziger Karikatur von_ 1848.]

Da wir gerade bei dem liebenswürdigen Humor verweilen, so müssen hier
endlich zwei Künstler genannt werden, die eine ganze Welt für sich
bilden. Feine, stille, friedfertige Humoristen, deutsche Poeten in
allem, was sie anfassen mögen. Die wärmende, goldige Sonne des Humors,
das liebevolle _Sich_ versenken, Einspinnen, Hineinträumen, Zauber
in Haus und Stadt, Märchen in Wald und Feld, Lust am Plaudern, am
Fabulieren, ein Hauch von Romantik, und doch kerngesund im Herzen --
wer dächte da nicht an Schwind und Richter?

Schwind und Richter sind in Vielem Vorläufer der Moderne gewesen, und
eine deutliche Linie führt von ihnen herab zu Hans Thoma. Wir hätten
Richter längst erwähnen sollen, seine Thätigkeit hat schon früh in
den dreißiger Jahren ihre Höhe erreicht und bleibt durch Jahrzehnte
unvermindert an Kraft und Schönheit. Niemand hat zu Richters Kunst
geistvollere Kommentare gegeben, uns besser gezeigt, wie sie in ihm
verwachsen, und welche Eindrücke ihn bestimmten, wie das Milieu, in
dem er lebte, ihn erzogen hat, als er selbst. Seine Autobiographie
reicht in manchem an Goethes Wahrheit und Dichtung heran, so klar,
liebenswürdig und anschaulich sind Menschen, Zeitläufe, Verhältnisse,
Umgebung gezeichnet. Es ist eines der wichtigsten Dokumente über die
Kunst der ersten Hälfte des Jahrhunderts und zeigt wiederum, daß es
die Schaffenden sind, welche gleichzeitig das Beste über ihre Kunst zu
sagen vermögen.

In Richter verkörpert sich uns eine schon verstorbene Welt, die
des kleinbürgerlich-deutschen Hauses, wo in traulicher Einfalt, in
schlichter Religiosität die Menschen dahinleben, tagsüber fleißig
ihrer Thätigkeit obliegen, abends mit den Kindern spielen oder still
auf den Bänken vor ihren Hütten sitzen, und in den klaren Himmel
schauen, in den noch scharf die Linien von Bäumen und Büschen,
Giebeln und Türmen hineinschneiden, während fern Wald und Feld schon
verdämmern; wo die Hausfrau kocht, backt, alles blitzblank hält, wo
alte Großväter schmauchend im Sorgenstuhl sitzen und Großmütter am
Ofen den lauschenden Kleinen vor dem Schlafengehen Märchen erzählen
von verwunschenen Prinzessinnen, von Hänsel und Gretel und der bösen
Alten im Knusperhäuschen; einer Welt, die unschuldig lacht und sich
freut über die kleinen Vorkommnisse im Hause. Der Männer Politik
spielt im Wirtshause und gebärdet sich superklug vor abgehobelten
Tischen. Eine Welt der niedlichen, artigen Kinder mit Pausbäckchen
und Batterbeinchen und der keuschen Jungfrauen mit Gretchenzöpfen,
die züchtig und ehrsam ihre Blumen am Fenster gießen, während
Wanderburschen von staubiger Straße die Hüte schwenken und zu ihnen
hinaufgrüßen. Aber auch Originale gab es in jener Welt mehr als genug:
Hagestolze, die den Anschluß verpaßten und nun bei einem Glase Wein
philosophieren; dicke, würdige Bürger mit Cylinder und spanischem Rohr
mit Goldknopf; Nachtwächter mit Tuthörnern und schnurrbärtigen Spitzen.
Und Volksfeste, Jahrmärkte gab es für die kleine Welt und für die große
mit Karussell und Würfelbuden, wo man an Kasperltheatern, Seiltänzern,
Bajazzi sein Kunstbedürfnis befriedigte. Es ist ein liebes, lustiges
Völkchen, frisch, lebhaft. In einem hübschen Landstrich haust es, dort
an der Elbe, wo Hügel zu dem Fluß abfallen, und unten im engen Thal
am Silberband kleine, rote Städtchen liegen mit malerischen Winkeln,
Giebeln, Erkern; wo in den Wäldern von Laub und Nadel, an den Bächen
üppige, breitblätterige Pflanzen stehen, wo die blumigen Wiesen sich
hügelan ziehen in sanften Linien, und jubelnde Kinder durch das Feld
streichen. Jene ganze Welt muß in der Betrachtung einen gewissen
Humor enthalten, eine Liebenswürdigkeit, Frische, etwas Trauliches,
Märchenhaft-Deutsches. Humor im Gegensatz zur Umwertung der Großstadt,
z. B. Berlin, London, Paris, welche stets einen Beigeschmack von Ironie
haben wird.

[Illustration: Abb. 78. _Der deutsche Michel von Fremden bedient_. 28.
Juni 1848.]

Die Poesie der kleinen Elbstadt, ihr Verhältnis zur Landschaft hat uns
heute ein Moderner wieder näher gerückt, der insofern ein Nachfolger
Richters ist: Zwintscher aus Meißen; auch er Humorist, ein fast
unbekannter, aber durchaus eigenartiger Künstler.

Inwieweit man übrigens Richters Werk -- er war hauptsächlich
illustrativ thätig für den Holzschnitt und schuf im Sinne der
Linientechnik -- als karikaturistisch bezeichnen kann, ist schwer zu
entscheiden. Die beiden Illustrationen unseres Bandes tragen jedenfalls
karikaturistisches Gepräge, und auch manches zum Studentenleben, zum
Leben der Trinkstube, Illustrationen zu Musäus, Typen von Volkssängern,
Zeichnungen zu Volksliedern, zu Gedichten von Hebbel oder Klaus Groth
mag mit in unser Gebiet hinüberragen.

[Illustration: Abb. 79. _Karikatur auf die geplante Kaiserkrönung_.
1818.]

Anders wie Richter -- und doch ihm nah verwandt -- ist Moritz von
Schwind (geb. 1804 zu Wien, gest. 1871 zu München). Liegt bei Richter
der Schwerpunkt seines Schaffens eigentlich im deutschen Hause, so
liegt er bei Schwind draußen im deutschen Wald, in der Natur. Im
mittel- und süddeutschen Gebirgswald mit seinen reichen Formen hat er
seine Märchen erlebt, und alles was er anfaßt, wird ihm zum Märchen;
die Freude am Fabulieren, Ausspinnen liegt ihm im Blut. Farne, Moose
und Steine, starre Tannen in engen Waldthälern, Bäche, die über Platten
rieseln und in feinen Strahlen zu kleinen, klaren Becken herabsickern,
Wurzeln, die sich über den Felsen ziehen, geduckte Weiden mit dicken
Knubben, Pilze, die einbeinig Wacht halten, Rehe und Häslein, die
durchs Gebüsch schlüpfen -- alles wird ihm zum Märchentraum. Aber es
ist nie die düstere, bedrängende Macht, nicht die unheimliche Gewalt
zwischen Tag und Nacht, nicht brodelnder Nebel wie im Erlkönig, nicht
Hexenspuk und Geisterbann: es ist die helle, liebe Freude an der Natur,
das Sicheinleben, es ist der Kranz des Dichters auf dem Haupt, und ein
Zauber ist in dem Kranz.

    Saß ich am Bache, so tauchten und sprangen
    Hervor aus der Flut mit ihrem langen
    Silberschleier und flatterndem Haar
    Die Wasserbachanten, die Nixenschar.

    O schöne Zeit, wo voller Geigen
    Der Himmel hing, wo Elfenreigen
    Und Nixentanz und Koboldscherz
    Umgaukelt mein märchentrunkenes Herz.

So klagt Heine in seiner Matratzengruft um Verlorenes.

[Illustration: Von _Henri Ritter_: Aus den Düsseldorfer Monatsheften
von 1848.]

[Illustration: Abb. 80. _Frankfurter Karikatur_.]

Und was uns so zu Schwind hinzieht, das ist sein märchentrunkenes Herz;
dabei ist der Mann im Leben alles eher wie Romantiker, keiner, der
sich in seinen Träumen verliert und in weichen Tönen des Ungreifbaren
zerschmilzt -- Schwind ist sensibel, aber doch kerngesund; reizend
ist die kleine Aquarelle von ihm (aus der Sammlung Maillinger), die
Grand-Carteret reproduziert hat: Ein kurzer, dicker Philister mit
Münchener Bierbauch, weißer Weste, kurzen Elefantenbeinen, Spießerrock,
Spießercylinder, Spazierstock, -- und diese Selbstkarikatur trägt die
Unterschrift: »Da moane die Leut', wenn oaner g'sund ausschaut, könnt'
er koan g'schickter Künstler sein! Schaut's nur mi an!«

Und geschickt als Künstler ist Schwind noch zu allen seinen
sonstigen Vorzügen, er konnte sogar malen in unserem heutigen Sinne,
man sehe sich nur die beiden Bildchen der Schack-Galerie an »Auf
der Hochzeitsreise« und »Am Fenster«. Wer die Keuschheit einer
Morgenstimmung, den klaren Lichteinfall in ein Zimmer so wiedergeben
kann, ist ein Maler. Und wie wunderbar ist bei ihm die Komposition der
Dinge, wie fügen sich die Figuren zu einander, passen sich in den Raum
ein, wie klar und frisch ist die Bewegung erfaßt, wie viel Geist und
Laune spricht aus jedem Zug; wie ist die Technik, der Linienschnitt
verstanden und zur höchsten Wirkung ausgenutzt! Es gehört mit zu den
ungetrübtesten Freuden, die man an deutscher Kunst haben kann, wenn
man das Schwind-Album von Braun und Schneider durchblättert. Dinge wie
»Der gestiefelte Kater«, »Herr Winter«, »Der Teufel und die Katz'«,
das sind Perlen, blinkend und blitzend von Humor und phantasievoller
Gestaltungskraft.

[Illustration: Abb. 81. W. _Ammon_: Der letzte Censor. Berlin 1848.]

Und wenn ich Schwind und Richter betrachte, wenn ich vor Böcklin und
Thoma stehe, dann muß ich immer daran denken, wie mir einmal ein
sehr guter Rheinwein vorgesetzt wurde, und der Spender in gerechtem
Stolz bemerkte: »Man mag sagen, was man will, aber hinter einem
wirklich guten Rheinwein können sich doch die Franzosen mit all ihren
Rotspöhnern und Champagnern verstecken ...«

Bevor wir uns nun etwas eingehender mit der süddeutschen Karikatur,
dem süddeutschen Humor -- dessen Würdigung in der Geschichte der
Fliegenden Blätter eingeschlossen ist -- befassen, wollen wir auf
_Kaulbach_, Oheim und Neffe, hinweisen. Es ist eigenartig, wie
in diesen beiden Künstlern, deren ganze Begabung nichts weniger
als karikaturistisch genannt werden kann, ein Gegenpol zu ihrer
sonstigen Natur zu stecken scheint. Die karikaturistisch-satirischen
Kompositionen des Älteren sind »Der Verbrecher aus verlorener Ehre«,
»Totentanz«, »Das Narrenhaus« (vergl. Hogarths letztes Bild aus dem
Leben eines Liederlichen), der »Reinecke Fuchs« (Abb. 95) und dann noch
einige, ein wenig kräftige Dinge. Was all diese Sachen auszeichnet,
ist Geist und Größe, ein kühner, kräftiger Zug. Und wenn, -- wir mögen
es zugeben oder nicht, -- uns die Fresken im Neuen Museum belanglos
geworden sind, und es vorzüglich durch Muthersche Publikationen zum
guten Ton gehört, von dem nicht Zeichnen- und Komponieren-können, dem
akademischen Schema ~F.~, der schönen Linie, von langweiliger, steifer,
gemalter Weltgeschichte, didaktisch-philosophischer Afterkunst zu
reden, wenn wir diese ganze Schaffenszeit für Deutschland als verloren
betrachten, wenn jeder Schuljunge Kaulbach Eklektiker nennt, -- --
-- wenn das alles zum künstlerischen Glaubensbekenntnis gehört, so
sollen wir doch lieber, ehe wir aburteilen, auch die andere Seite
seines Schaffens betrachten. Tierkarikaturen, wie die zu Reinecke
Fuchs (Abb. 96) gibt es nicht viele, selbst bei Oberländer. Zugegeben,
daß ein Hokusaï die Tiere besser kennt und zeichnet, ein Heine doch
ganz anders die Hundetypen individualisiert, die Rassen auseinander
hält, aber eine so geistreiche Übertragung menschlicher Eigenschaften
und Gefühlsäußerungen auf Tiere hat noch niemand nach Kaulbach fertig
gebracht. Die Folgen allgemeiner Bezechtheit: Aussöhnung alter Feinde,
Verbrüderung, Zärtlichkeit und Selbstmordgedanken, stumpfsinniges
Insichhineintrinken; äußerste Höflichkeit, äußerste Lustigkeit sind
hier vertreten; eine ganze Gesellschaft ordensbesternter Würdenträger
hat sich gütlich gethan. Der einzig Nüchterne in der ganzen Sippe ist
das untergeordnete Äffchen im Vordergrund. Höhnisch lacht es über den
Knoten, mit dem es die Schwänze seiner königlichen Herrschaft verknüpft
hat. Aber die Betroffenen merken nichts davon, denn sie haben Besseres
zu thun. Was dieses Blatt so auszeichnet, das Restlose der Wiedergabe
der Affekte, im völligen Verschmelzen des Mensch- und Tiercharakters,
-- ist eine bittere, große Satire.

[Illustration: Abb. 82. _März-Errungenschaften_. Schlußbild von 1848.
(K. König?)]

Friedrich August von Kaulbach ist mit seiner Karikatur nur in engem
Kreis geblieben; er hat die Künstlergesellschaft beim Kegelschieben
parodiert, hat für die Allotria manches Blatt geschaffen. Von
besonderer Komik ist die »Lenbachiade«: der große und lange Porträtist
mit der schlanken Taille, den Haaren des Hauptes und des Bartes,
welche alle in geschwungenen Linien gen unten streben, und der großen,
goldenen Brille mit den kreisrunden Gläsern wird hier hergenommen;
diese Brille begleitet ihn auf allen Lebensphasen, schon als Säugling
-- an den Brüsten der Kunst -- hat er sie auf der Nase, und in Berlin
blickt sie stolz herab auf den Chorus ekstatischer, schwarzäugiger
Bankiersfrauen des Sündenpfuhls, des Tiergartenviertels. Die
Lenbachiade ist nicht von der Größe und Bedeutung der Karikaturen
des Oheims, aber was an ihr auffällt, ist die außergewöhnliche
Anschmiegungsfähigkeit des Striches, welcher mit wenigem viel gibt,
etwas von der Sicherheit eines Wilhelm Busch besitzt; am nächsten mag
sie den Arbeiten des Jugendkarikaturisten Arpad Schmidhammer stehen.
Gerade, daß dem Maler die Karikatur nur ein freies, künstlerisches
Spiel ist, erfunden für einen lustigen Kreis, und daß er sie keinen
Frohndienst für ein Witzblatt leisten läßt, zeigt eigentlich, wie hoch
er sie schätzt, wie persönlich lieb sie ihm ist.

[Illustration: Abb. 83. _Deutsche Karikatur auf die Eisenbahn um_ 1840.]

[Illustration: Abb. 84. _Lithographische Textillustration_.
Düsseldorfer Monatshefte 1852.]

Für die Illustrationen zu den nun folgenden knappen Ausführungen
möchte ich erstens auf die Aufsätze in der ‚Kunst unserer Zeit‛ 1894
Mai, Juni von Fred. Walter »Fliegende Blätter, eine Jubiläumsstudie«,
ferner auf das Essay von Georg Bötticher in der ‚Zeitschrift für
Bücherfreunde‛, November 1898, hinweisen. Walter bespricht eingehend
die Illustrationen, Bötticher den litterarischen Teil des Blattes.
Ebenso mag man die Reihe allbekannter Sonderpublikationen des Braun
und Schneiderschen Verlags zu Rate ziehen. Vorerst die Münchener
Bilderbogen. Der vor mir liegende Katalog zählt nicht weniger wie 1200
auf; die rein humoristischen Inhalts belaufen sich auf 300; Bechstein,
Caspar Braun, Bromberger, Busch, Fröhlich, Gehrts, Graetz, Haider,
Harburger, Hengeler, Horschelt, Ille, Kramer, Meggendorfer, v. Nagel,
Oberländer, Pocci, Reinicke, Schließmann, Schmidhammer, Schwind,
Stauber, Spitzweg, Steub, Vogel, Zopf -- der ganze Künstlerstab der
»Fliegenden« ist hier als Mitarbeiter vereint. Auch sind eine Reihe
humoristischer Kinderbücher aus dem Verlage in die Welt gewandert,
und manch ein ständiges Thema des Witzes, -- wie Tierkarikatur,
Sommerfrische, Humor aus den Kolonien, Kinderstreiche, Kriegs- und
Friedensbilder, -- ist zu Sonderpublikationen zusammengestellt worden;
ebenso wie das Beste des Werkes einzelner Künstler, Harburger, Marold,
v. Nagel, Haider, Meggendorfer, Oberländer seine Buchausgabe gefunden
hat.

[Illustration: Abb. 85. _Münchener Karikatur um_ 1850. »Wenn Dir Mama
nicht die Nase wischt, muß ich es wohl thun.«]

Was uns heute die »Fliegenden« bedeuten, welche Rolle sie in der
deutschen Kultur spielen und gespielt haben, wo ihr künstlerischer Wert
beginnt, und wo ihr geistiger Wert -- mehr oder minder -- aufhört,
darüber ist schon oben gesprochen worden.

Sehen wir einmal die ganze Reihe der Künstler durch, ob sie noch
heute zu uns reden, oder ob sie mit Recht vergessen werden können.
Caspar Braun: ein sehr geschickter, geistreicher Herr, der gut
charakterisiert, aber uns doch jetzt selbst mit seinem Eisele und
Beisele nur noch von historischem Interesse. Anders mit Spitzweg und
Ille; Spitzweg, dieser kleine Böcklin, der auf Cigarrenbrettchen seine
Farbenorgien feierte, der die kleine, alte Stadt, das stille Dahinleben
alter, halbnärrischer Junggesellen so entzückend schilderte, der in
dem »Eremiten« (Berlin, Nationalgalerie) die ganze Poesie einer engen
Waldschlucht noch vor Böcklin erschloß -- hat viel für die »Fliegenden«
geschaffen. Auch sein Humor, besonders wo er Bummlern und Kneipanten
gilt, ist durch das Studium der Holländer beeinflußt, und es scheint
ihm die herrliche Brouwer-Sammlung der Pinakothek angethan zu haben.

    Kennst du das wunderbare Bild von Brouwer,
    Es zieht dich an wie ein Magnet!

singt Wilhelm Busch in der »Kritik des Herzens«.

[Illustration: Abb. 86. _Drei Tage aus dem Leben eines Vatermörders_.
Düsseldorfer Monatshefte.]

Eduard Ille war bis vor Kurzem der Veteran der »Fliegenden«, und was
uns heute an ihm fesselt, ist der starke Sinn für die Biedermaierzeit,
den er längst vor der Moderne, den ~Fin de siècle~-Künstlern, gehabt
hat, und die stilisierende, karikaturistische Schilderung der
Alten. Er ist nicht der erste Künstler, der jene Zeit geschildert,
aber der erste, der die heutige Distanz zu ihr gewonnen hat. Zu
den Eichrodtschen Gedichten an »Weiland Gottlieb Biedermayer,
Schulmeister in Schwaben«, zu den »Litteraturballaden«, dem
Goethe-Schiller-Engelmann-Trio, den Scherzen Edwin Bormanns, --
hat Ille manches gezeichnet, was uns modern anmutet in der ganzen
Intention, und modern mutet uns sein Verständnis für fremde Stile
an. Ganze Epochen, wie einzelne Künstler -- er weiß das Springende
hervorzuheben und weiß, welche Art der Auffassung, welche kleine
Übertreibung dazu gehört, um es als Manier lächerlich zu machen. Ille
ist noch heute uns interessant; anders Max Haider. Seine komischen
Jagdscenen sagen uns nichts mehr; wir sind erzogen, mit anderen Augen
in die Natur zu sehen, und sind durch die Japaner, Liljefors und andere
moderne Tierschilderer zu verwöhnt, um hieran noch Gefallen finden
zu können. Überhaupt sind mir auch in der Moderne keine deutschen,
guten Humoristen und Karikaturenzeichner der Jagd -- den Sonntagsjäger
der »Fliegenden« rechne ich nicht hierzu -- begegnet. Und hier wäre
ein Bethätigungsfeld; die Jagd, als vornehmes Vergnügen, als nicht
berufliche Bethätigung, muß wie jeder andere Sport in seinen Äußerungen
den Unbeteiligten zum Spott anreizen. Zu Dyck, dem bedeutendsten unter
den ehemaligen Politikern der »Fliegenden«, kann ich keine Stellung
gewinnen, er zeigt ein sicheres Können und Geist, und doch stehe
ich den Arbeiten anteillos gegenüber. Im Jahre 1848 ist Dyck neben
Braun der Revolutions- und Freiheitsmann des Blattes. Von Busch und
Oberländer später. Ludwig Bechstein, Stauber sind heute antiquiert.
Etwas von einem Menzelschen Charakter in der Art der Auffassung von
Volksgewühl und Menge steckt in dem früh verstorbenen Horschelt.

[Illustration: Abb. 87. Aus _Albert Hendschels Skizzenbuch_. (Verlag
von M. Hendschel in Frankfurt a. M.)]

»Ein Pferdekenner, Pferdepsycholog und Pferdehumorist ohne gleichen
ist Ludwig v. Nagel (+ 1898); er ist einer von denen, die an keinem
Pferd, und wäre es der abgetriebenste Sandführergaul, vorübergehen
können, ohne auf irgend etwas aufmerksam zu werden. Er hat darum auch
ein Gedächtnis für hippologische Erscheinungen, das ans Fabelhafte
grenzt. Dabei versteht er vom Reiter soviel wie vom Pferde selbst. Es
genügt ihm nicht, einen Mann leidlich richtig auf das Tier zu setzen,
sondern der Mann kommt bestimmt so aufs Pferd, wie er nach seiner und
des Pferdes Eigenart unter den besonderen Umständen im Sattel sitzen
muß. In gleicher Weise versteht der Künstler auch, dem Verhältnis des
Kutschers zum Wagenpferde Ausdruck zu geben. Er kennt alle Fehler
und alle Unarten, alle Launen und Charaktereigenschaften, Rassen und
Dressurunterschiede und weiß, ohne je zur übertriebenen Karikatur
überzugehen, ihre Empfindung meisterlich mit sicheren Strichen
festzuhalten.«

[Illustration: Abb. 88. Aus _Hendschels_ Skizzenbuch: Kunstmission.
(Verlag von M. Hendschel in Frankfurt a. M.)]

Diese treffliche Charakteristik des Künstlers von Fred. Walter zeigt
deutlich, woran es liegt, daß uns doch Nagel, bei aller Langweiligkeit
der Mache, so außerordentlich modern erscheint; ihm ist nämlich
nicht das Pferd ein Tier mit vier Beinen und einem Schwanz --
geschöpft, wie jenes Kamel, aus der Tiefe des deutschen Gemütes,
ein Fabeltier, das nun je nach Absicht variiert wird -- sondern es
ist seine ganze Liebe, sein ganzes Studium; und dieses Basieren auf
eingehender, künstlerischer Anschauung ist es, was Nagels Pferde- und
Sportkarikaturen den Reiz auch noch heute gibt. Wären die Sachen nur
witzig oder gut gezeichnet, sagten sie uns längst nichts mehr; aber, da
sie die Psychologie eines Tieres enthalten und eines Standes, welcher
mit und für dieses Tier lebt, bleiben sie modern. Wir haben eine ganze
Reihe der Sportkarikaturen beigegeben, weil sie uns fast einzig in
ihrer Art scheinen. Ein Leben so scharf, so ausgesprochen in seiner
Eigenart, dieses Jockeyleben, und von der deutschen Karikatur noch
vollends unerschlossen! Nur Bruno Paul, Feldbauer haben hin und wieder
einige Rennplatztypen und Jockeys gegeben; aber der wirkliche Philosoph
des Pferdes in allen seinen Rollen und Stellungen, der Philosoph des
grünen Rasens und dieser Jockeynaturen (Abb. 97 bis 107), der Menschen,
vertrocknet, dürr, und doch beweglich wie aus Gummi elasticum,
waghalsig und zäh, dieser fremden Gewächse auf unserem Boden -- wie
überhaupt die ganze Welt der Rennplätze für uns etwas Fremdes hat --
der einzige deutsche Karikaturist all dieser Dinge war v. Nagel.

Wilhelm Diez hat viel und lange Jahre für die »Fliegenden« geschaffen;
Dinge, die zeichnerisch sehr wirkungsvoll waren, aber wohl eher dem
Gebiet der Illustration zuzurechnen sind, als daß sie hier Platz
verdienten. Anders müssen wir uns zu Harburger stellen; während man
ihn eine Zeit lang überschätzte, wird er jetzt oft weniger bewertet,
als er es verdient. Seine Mache ist geschickt, aber sie ist in letzter
Zeit freilich zur Manier geworden, ebenso wie seine Typen aus den
letzten Jahren nicht selten an übermäßigen Übertreibungen leiden. Der
ewige Student, das Bierfaß auf zwei Beinen, der Professor mit der
Mommsenmähne und dem eingetrockneten Pergamentgesicht, der plattfüßige
Kommerzienrat und seine Rebekka, die in die Breite gehämmert
worden sind, der dicke Münchener Protz, diese bei Harburger immer
wiederkehrenden Typen, das sind doch Possenfiguren, unglaubwürdige
Petrefakten, die in nichts der Wirklichkeit entsprechen. Es ist
ein so enger Horizont, eine solche Armut an Typen, wie sie bei
einem Karikaturenzeichner selten ist, und es erschöpft nicht einmal
den Stand. Mit dieser Übertreibung harmoniert in keiner Weise die
minutiöse, raffinierte Technik. Würde er noch seine Menschen in
flotten, burlesken Linien hinschreiben! Aber hier hat die Mache nichts
von Karikatur und bleibt sich, wie die Typen, ewig gleich -- geschickt,
aber kalt und reglos. Wenn die Bildergedanken und Unterschriften vom
Künstler selbst stammen -- es geht ein gemeinsamer Zug durch sie -- so
ist das nicht zu unterschätzen; mancher sehr sarkastische und komische
Gedanke, mancher lustige Einfall ist darunter!

[Illustration: Abb. 89. _Ludwig Richter_: Wem solche Thaten nicht
erfreuen. (Verlag von Alphons Dürr in Leipzig.)]

[Illustration: Abb. 90. _Ludwig Richter_: Bürgerstunde. Aus »Für's
Haus.« (Verlag von Alphons Dürr in Leipzig.)]

  Professor der Chemie zu München. »H_{2}O, das Wasser, meine Herren,
  ist eine hellklare, durchsichtige Flüssigkeit, welche den Menschen
  früherer Zeiten zum Getränk diente.«

[Illustration: Abb. 91 u. 92. Aus dem _Moritz von Schwind-Album_: Der
Teufel und die Katz. (Verlag von Braun & Schneider in München.)]

  Dichter (bei der Arbeit): »Jetzt plage ich mich schon acht Tage
  mit der einen Strophe herum, es ist mir unbegreiflich, wie das
  Schicksal einem Dichter so wenig Phantasie hat geben können.«

  Lehrer: »Einen Lessing brauchen wir halt wieder in der Litteratur!
  Herrgott, wenn ich die Zeit hätt'!« -- --

  Bummlerphilosophie: »Nur einmal im Leben möcht' ich mir begegnen,
  wenn i a Geld hätt'!«

[Illustration: Abb. 93. _Moritz von Schwind_: Das organische Leben in
der Natur. (Fliegende Blätter.)]

Ganz anders wie Harburger, ist der viel weniger beachtete Steub
zu bewerten. Auch mir war er kaum aufgefallen, höchstens einmal
von ihm eine kernige Bauernprügelei (Abb. 108), ein Jagdgehilfe,
ein Holzschläger, ein Antiquar, der mitten in einem malerischen
Durcheinander von tausend Dingen vor einem altertümlichen Schrank
steht; aber im allgemeinen hätte ich diesen Künstler kaum bemerkt,
bis ich zum erstenmale Originale von ihm sah und ihn in seiner ganzen
Echtheit und künstlerischen Vornehmheit, Sicherheit der Zeichnung
würdigen konnte. Heute, wo die Reproduktionstechnik so vorgeschritten
ist, können wir ihn auch in der Vervielfältigung genießen. Auch bei
Steub ist der Einfluß der Holländer und besonders Brouwers, der das
wilde Leben der Bauern so dramatisch schildert, unverkennbar. Was an
Steub erfreut, ist die impressionistische Zeichnung der Bewegung,
Skizzen im Rembrandtschen Stil, ein kühner Zug, ein dramatisches
Regieren der Massen. Wenn er eine Prügelei schildert, so stürmt alles
auf den einen Punkt zu, konzentriert sich um das Hauptknäuel der
Rädelsführer, und mit Fäusten und Stuhlbeinen und Maßkrügen wird da
aufeinander losgeschlagen, daß man zu hören meint, wie es klatscht und
kracht.

[Illustration: Abb. 94. _Moritz von Schwind_: Der Teufel und der
Kartoffelwucherer. (Fliegende Blätter 1847.)]

Auch Franz Stuck hat für die »Fliegenden« gearbeitet, so »Amors Mission
in den zwölf Monaten des Jahres«, »Der Bauer in der Kunstausstellung«,
sogar eine Sonderpublikation ist von ihm erschienen: »Hans Schreier,
der große Mime«. Sie fand gerechterweise keinen sonderlichen Beifall.

[Illustration: Abb. 95. _Wilhelm v. Kaulbach_: Teil des Titelblattes
zu Reinecke Fuchs. (Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung, Nachf.,
Stuttgart.)]

Die schon von Löffler in Deutschland angeregte Gesellschaftsschilderung
hat in den »Fliegenden« eine Reihe Vertreter gefunden. Meist sehen
sie, wie Zopf, Mandlick, Flashar, allzu liebenswürdig die Dinge und
Menschen an, und verbinden mit dem Begriff chic eine gewisse Hohlheit
und Oberflächlichkeit der Charakteristik. Eine höhere Stufe nimmt
Schlittgen ein, der aber nicht das gehalten hat, was er versprach,
wenigstens nicht als Zeichner. Als Farbenkünstler ist er mir heute von
größerem Interesse. Seine Art des langen, geistvollen Federstrichs, der
scheinbar so sicher trifft, der an- und abschwillt mit der Bewegung,
sein Verständnis für die Form, den Schnitt eines Militärrocks, den
Faltenwurf eines Beinkleides, für Interimskleidung der Offiziere und
die Balltoilette der Damen, für Strandkostüme, Straßenkleider, mit
einem Wort für allen Chic in der Kleidung der vornehmen Welt, ebenso
wie seine Schilderungen ihrer Vergnügungen, ihres verfeinerten,
geistreichelnden Flirts -- das alles war einst ebenso neu wie
überraschend. Und warum sind wir heute von ihm zurückgekommen? Fred.
Walter sagt von dem Künstler: »Schlittgen generalisiert immer die
Klasse, es ist _die_ Weltdame, _der_ Gardeleutnant, _die_ reiche
Erbin, _der_ Roué, was er uns vorführt; nicht eine unerschöpfliche
Fülle einzelner Gestalten und Charaktere hält er nacheinander fest,
er verdichtet die Eigenheiten eines ganzen Standes zu wenigen, dann
aber außerordentlich kennzeichnenden Erscheinungen«: deshalb haben
wir an ihm, gegenüber anderen Interpreten des gleichen Standes, keine
Freude mehr; wir wissen nun, wie Schlittgens Leutnants, Schlittgens
Weltdame aussehen, und sie erscheinen uns von Tag zu Tag weniger echt.
Wir vermissen in den Typen das Individuelle, und sie sind uns nur
noch hohle Abstraktionen. Auch in René Reinicke ist dieser Chikismus
etwas erstarrt. Die ganze Technik dieser tonigen Gouacheblätter
ist uns heute überhaupt etwas fremd geworden in ihrer überaus
weichen Zierlichkeit und ihrer meist verblasenen Formengebung, der
geistreichelnden Lichtverteilung. Dem Schreiber wenigstens fällt es
schwer, zu dieser Gruppe Stellung zu gewinnen. Der einzige, dessen
Verdienste und Können ihm rückhaltlose Bewunderung abnötigen, ist
L. Marold. Er hat nur wenige Jahre für die »Fliegenden« gearbeitet,
ist jung (1899) in seiner Vaterstadt Prag gestorben. Das Marold-Album
(Braun und Schneider) ist, ganz abgesehen von seinem Inhalt als
Holzschnittwerk, eine Leistung, die den besten amerikanischen und
englischen Arbeiten dieser Technik an die Seite zu stellen ist. Hier
sind Intérieurs von einem Schimmer von Licht durchrieselt, hier
sind Strand, Wiesen in Sonne gebadet, Blütenbüsche und üppiges,
hochgeschossenes Kraut, umflimmert von tausend Strahlen, getaucht in
Licht. Für Stillleben von Kannen, Geschirr, für Palmen und Blumen,
Möbel mit geistvoll-schnörkeligem Schnitzwerk, für Kronen- und
Kerzenglanz, für harmonisch abgestimmte Innenräume, für alles Vornehme
an Pferd und Weib hat Marold Sinn und Verständnis; und wie die Welt,
die er schildert, aristokratisch ist, so sind auch die Mittel, mit
denen er sie schildert, künstlerisch vornehm; manchmal ist er etwas
zu leicht, zu sehr geistvoller Plauderer, man möchte gern ein ernstes
Wort hören, aber er hat doch immer unsere Bewunderung für sich. Seine
Menschen sind hübsch, schlank, ~à quatre épingles~, Pariser Vorbild;
seine Frauen sind ein wenig zu gleichmäßig liebenswürdig, haben in den
Köpfchen noch etwas vom Modejournal. Trotzdem ist Marold als Schilderer
des Highlife von kultureller Bedeutung, er hat es uns in allen seinen
Lebensäußerungen bewahrt, in all seinen fashionablen Bethätigungen --
überall -- nur nicht bei der Arbeit. Im Badeort, am Strand, auf dem
Tennisplatz, im Segelschiff, auf dem Dampfer, im Boudoir, im Garten,
in der Gesellschaft, hauptsächlich aber immer wieder im luxuriös
ausgestatteten Wohnraum, dessen Licht -- abgeblendet durch Gardinen und
Stores -- alles in weichem Helldunkel löst. Was Marold ganz versteht,
das ist die Mode und die Wiedergabe des Stoffes. Nicht, daß er ein
Kleid durchzeichnete, so daß es einer Modistin zum Vorbild dienen
könnte -- wie es Heilemann oft thut -- aber es sitzt, und es sieht echt
in der Form aus, flott, chic.

[Illustration: Abb. 96. _Wilhelm v. Kaulbach_: Aus Reinecke Fuchs.
(Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung, Nachf., Stuttgart.)]

Auch Marolds Witz halte man ja nicht für so überaus nichtssagend und
unschuldig, es zeigen sich in ihm vielmehr die Anfänge unsrer modernen
Gesellschaftssatire, wie sie heute im Simplicissimus und an anderen
Stellen gepflegt wird; die Moderne verdankt technisch und inhaltlich
Marold mancherlei. Thöny, Heilemann, Recznicek bauen in vielem über ihn
hinaus, verfeinern, vertiefen im Kulturellen; aber in einem bleiben sie
hinter ihm zurück -- nämlich im Künstlerischen.

Ob die witzigen Unterschriften für die Zeichnungen Marolds von ihm
selbst stammen, ob sie auf der Redaktion verfertigt und Marold zur
Illustration überwiesen wurden, weiß ich nicht, jedenfalls geht durch
alle der gleiche charakteristische Zug, der sich in der Zeichnung
findet.

  »Sag mir, Adolf, wie gefällt dir denn unser neues Dienstmädchen?«
  »Ausgezeichnet!« »So -- deshalb habe ich ihr auch gekündigt.«

       *       *       *       *       *

  »Wie kommt es, daß der Legationsrat drei Orden besitzt?« »Sehr
  einfach, den dritten hat er bekommen, weil er die beiden anderen
  hatte, den zweiten, weil er den ersten hatte, und den ersten, weil
  er noch keinen hatte!«

       *       *       *       *       *

  Reiche Erbin (nach dem Hausball): »Lina, sieh mal nach, ob noch
  irgendwo ein Leutnant kniet.«

       *       *       *       *       *

Diese Proben mögen genügen, um zu zeigen, daß hier eine abwägende, ja
fast tendenziöse Betrachtungsart der Dinge vorherrscht, und daß diese
Gesellschaftskritik im Kern schon das gleiche enthält wie die der ~Fin
de siècle~-Künstler.

[Illustration: Abb. 97. _Nagel_: Reiter-Sprache. (Fliegende Blätter.)]

[Illustration: Abb. 98. _Nagel_: Jockey John.]

[Illustration: Abb. 99. _Nagel_: Wer nimmt so elegant Mauern, wie John.]

[Illustration: Abb. 100. _Nagel_: John beim Sprung.]

[Illustration: Abb. 101. _Nagel_: Ob John die Schanze aufwärts oder
abwärts klimmen soll, ist ihm gleich.]

[Illustration: Abb. 102. _Nagel_: Wie saust John auf flacher Bahn
dahin.]

[Illustration: Abb. 103. _Nagel_: John in der Pace.]

[Illustration: Abb. 104. _Nagel_: John setzt über einen Graben.]

[Illustration: Abb. 105. _Nagel_: John geschlagen.]

[Illustration: Abb. 106 u. 107. _Nagel_: John als Sieger; John bleibt
immer derselbe. (Fliegende Blätter.)]

[Illustration: Abb. 108. _Steub_: Ländliche Prügelei. (Fliegende
Blätter.)]

[Illustration: L. _Marold_: _Junge Ehe_. (Fliegende Blätter.)]

Von den übrigen Künstlern sei noch Hengeler, Reinicke und Graetz
erwähnt, feine Humoristen, die allen Dingen zwischen Himmel und Erde
die komische Seite abgewinnen. Hengeler ist von den dreien der feinste.
Reinicke und Graetz schmecken etwas nach Philister, beide haben sich an
Oberländer gebildet. Vor mir liegen drei Bändchen: »Lustige Bilder aus
unseren Kolonien«, »Humor in der Tierwelt«, »O diese Kinder, lustige
Bubenstreiche.« In die Tierkarikatur teilen sich vornehmlich Hengeler
und Reinicke. Hengeler ist hier überaus putzig und von unerschöpflichem
Witz der Einfälle. Was bei ihm so besonders lustig, ist stets der
Ausdruck der Augen, lachend, schadenfroh, neugierig, verliebt, stolz,
behäbig, stillvergnügt, schreckhaft, sentimental. Bei kleineren,
jüngeren Tieren ist er von der dumm-verträumten Erstauntheit wie bei
einem vegetierenden Baby im Steckkissen. Welcher Art diese Witze und
komischen Bilderfolgen sind, und welche Tiere besonders hergenommen
werden -- Nilpferde, Hühner, Hunde, Giraffen, Schlangen, Flamingos,
Elefanten, alle Wesen mit bizarren Formen --, ist genugsam bekannt.
Zwei Affen und ein Stachelschwein sitzen in der Wüste unter einer Palme
und spielen -- ihr Pfeifchen schmauchend -- Skat. Da ringelt sich von
oben die Riesenschlange herab; entsetzt entfliehen die Affen; das
Stachelschwein wird verschlungen; aber während die Stacheln sich beim
Hineinschlingen niederlegen, richten sie sich alsbald wieder auf und
töten die Mörderin. Die Affen bestaunen -- in würdiger Entfernung --
das Phänomen, die Stachelschlange, und einer hebt, wie docierend, die
Hand gleich Onkel Nolte, als ob er meinte: »Ja, ja, das kommt davon.«
Oder es sind Kinderstubenstreiche, urkomisch ersonnen und voller
Spitzen. Die Mutter kommt heim und sieht, was die Kinder angerichtet
haben; die Sache ist zwar so geistreich und fein ausgeklügelt, wie sie
die Kinder nie ausführen würden, aber das verzeihen wir gern. Auch wie
Hengeler Idyllen der niederen Tierwelt schafft, Frösche, die auf die
Jagd gehen, mit Hummeln als Hunden, und die Treiber anschießen -- jener
ewige Scherz der »Fliegenden« --, wie Hengeler sich aus Grashälmchen
und Farren, mit Bienen und Käfern eine kleine, friedlich-komische Welt
baut, das bringt ihn Hermann Vogel-Plauen nahe. Zu H. Vogel vermag
der Verfasser keine Stellung zu finden; und ihn, wie Fred. Walter,
zwischen Schwind und Richter in seiner Kunst zu stellen, in ihm einen
Ausgleich der beiden zu sehen, dazu mag er sich nun ganz und gar nicht
entscheiden. Mir ist die spitze Kleinlichkeit Vogels unsympathisch,
ich finde es ausgeklügelt, zusammengetragen und zusammengesucht, hier
Wichtelmännchen, dort Eulen, dort Frösche, dort Elfen im Silberschleier
mit Goldkronen, alte Kräuterweiblein, jagende Ritter mit Hifthörnern,
scheue Rehe und krächzende Raben -- aber dabei bleibt es. Der Wald,
in all seinen märchenhaft-traulichen Heimlichkeiten, wird es nie und
nimmer. -- Damit ist der Mitarbeiterkreis der »Fliegenden« erschöpft
bis auf zwei: Kirchner werden wir zu den ~Fin de siècle~-Künstlern
rechnen müssen -- und Oberländer. Oberländer!

Oberländer, Busch und Th. Th. Heine, das ist das Dreigestirn, welches
von unsrer deutschen Karikatur einmal hell leuchten wird, wenn all die
kleinen Sterne verblaßt sind!

[Illustration:

  Phot. Ad. Baumann, Hofphotograph in München.

Abb. 109. Oberländer]

Über Oberländer ist viel geschrieben worden, so z. B. von Fr. Th.
Vischer in »Altes und Neues 1882«, von Adolf Bayersdorfer in »Kunst für
Alle«, von Ola Hansson in der »Zukunft 19. IX. 96«; auch Muther widmet
ihm eine ausführliche Besprechung in seiner »Geschichte der Malerei des
neunzehnten Jahrhunderts«.

Hansson sieht Oberländer verzerrt, sein feinsinniges Essay bietet nur
eine treffliche Charakteristik, und das ist die Ola Hanssons. »Es
gleicht dem Geist, den du begreifst, nicht mir!« hätte Oberländer von
dieser Studie sagen können. Vischer stimmt mit Hansson überein, der
den Zusammenhang Oberländers mit der Tendenz der »Fliegenden« leugnet
und sagt: »Was haben diese Zeichnungen mit den Witzen zu thun, die
zufällig darunter stehn?« -- Er gibt zu, daß die Freiheit der Regung
dem Zeichner in den »Fliegenden« fehlt, um sich zur einschneidenden
Kraft auf dem Felde der höheren Satire zu entwickeln.

Jedenfalls ist Oberländers Kunst weder so harmlos, wie sie Fred. Walter
in »Kunst unserer Zeit« darstellt, noch so bitter und zersetzend, wie
sie dem geistvollen Ola Hansson erscheint. Bayersdorfer hat das große
Geheimnis ihrer Wirkung scharf in die Worte gekleidet: »Oberländers
Kunst ist eine seherhafte Physiognomik«; und ich meine, in dem Wort
»seherhaft« liegt es schon begründet, daß er nicht der große Spötter,
der Verächter des Heutigen ist, wie ihn Hansson uns schildert, sondern
daß er zuerst und zuletzt Künstler und Humorist ist, der ebenso der
Welt, wie seinen Träumen angehört. Wenn man das ganze Werk Oberländers
durchblättert und diese schwellende Lebensfülle, den Gestaltenreichtum
an sich vorüberziehen läßt, so wird man sich sagen: ein so
nüancenreiches Schauspiel an Dingen und Wesen, Affekten und Stimmungen
bietet das Leben keinem. All das muß im Grunde schon Oberländer in sich
getragen haben von Anfang an, als ein künstlerisches Ahnungsvermögen
für Form und Ausdruck -- eine seherhafte Physiognomik. Und deswegen hat
seine Kunst gerade soviel Kraft und Kritik des Lebens, wie sie braucht,
um ganz auf dem Boden zu bleiben, und soviel Traumhaftes, soviel
künstlerische Einfalt, wie sie bedarf, um nicht zur sachlichen Kritik
herabzusinken.

Nicht allein der Witz des Gedankens, die Komik der Darstellung ist
es, die uns so sehr in den Bann Oberländers zieht, sondern die hohe
Vornehmheit, mit welcher hier alles gegeben ist, die Empfindung des
reifen, abgerundeten Könnens, das zu uns spricht. Bei allen Vorzügen,
bei der schlichten Lieblichkeit des landschaftlichen Ausschnittes
(Muther vergleicht Oberländer mit Cazin); bei dem wunderbaren
Verständnis für Stil in Häusern wie Straßen, in Menschen wie Kleidung,
in Tieren wie Pflanzen, bei der außerordentlichen Glaubhaftigkeit
seiner Bewegungsmotive tritt nie »das Seherhafte« zurück; es ist stets
ein vollkommenes Verarbeitethaben im Werk, eine völlige geistige
Überwindung des Modells.

[Illustration: Abb. 110. _Oberländer_: Ein fideles Gefängnis.
(Fliegende Blätter.)]

So prägnant seine Typen, nie wird man in ihnen volle Realität sehen,
nie wird man sagen: hier ist das und das zum erstenmal erschlossen,
niemand hat es uns vordem künstlerisch nahe gebracht; nie wird man
sagen: sieh, ein echter Landstreicher, ein echter Professor, ein
echter Münchener Partikularist, Bankier, Künstler, sondern immer wird
es heißen: ein echter Oberländer. Und das schließt alles in sich ein.
Nicht wie vor manchen Modernen wird bei uns zuerst das Gefühl der Armut
und Verelendigung, des Spottes, der Bitterkeit wach, und zu zweit
denken wir erst an das künstlerische Erfassen.

Und dieses Durchtränken auch des Kleinsten mit seiner Persönlichkeit
ist das Geheimnis seiner Kunst und bewirkt es, daß Oberländer, selbst
wenn er Bedrängendes gibt, nie bitter wird, stets der Humorist, der
lachende Philosoph bleibt, ohne Haß, ohne Verachtung, aber voll
Verständnis für die lächerlichen Schwächen an Menschen und Dingen.

Und dieses Künstlersein in allem, dieses Darin- und zugleich
Darüberstehen, das völlige sich Durchdringen zweier Welten, ist es,
was uns so zu Oberländer hinzieht -- trotz aller Modernen, wenn diese
auch Wesen und Dinge in den Kreis ihrer Karikatur hineintragen, die uns
vielleicht heute eher bewegen, dem Herzen der Zeit näher stehen.

[Illustration: Abb. 111. _Oberländer_: Wie der kleine Moritz am Ende
des Monats mit seinem Papa Cirkus spielt. (Fliegende Blätter.)]

Wenn Oberländer Geschichten aus dem Hundeleben gibt, so ist er hierin
ein Vorgänger Th. Th. Heines, und gewiß haben seine Bilderscherze
satirischen Sinn, aber Oberländer sagt nicht mit Montaigne: »~Plus
je connais l'homme, plus j'aime le chien~.« Und wenn hier Heine mit
besonderer Vorliebe des Tierischen im Menschen spottet, erkennt
Oberländer das Menschliche im Tier.

Man sehe sich nur die Gefängnis-française an (Abb. 110); was sind das
für gemütliche Vagabunden, und mit welcher komischen Grazie tragen
sie ihre Zerlumptheit! Der Dicke mit dem Plaid um den Schultern, ein
Lebenskenner, ein Philosoph der Flasche; der Schlanke, der Stutzer, mit
dem Taschentüchel aus der Brusttasche -- wie ein Schweineschwänzchen
--, noch ganz gentlemanlike in der etwas knappbemessenen Erbschaft,
die er angetreten, oder dem schäbigen Rest früherer Dandyschaft; der
dritte, zermürbt und zerrieben vom Leben, aber doch ruhig, zufrieden.
Was seinem Nebenmann an Kleidung zu knapp, ist ihm zu reichlich
bemessen, denn alles schlottert an ihm, schlägt breite Falten. Und nun
der Partner, wie unterthänig verbeugt er sich, als danke er demütig für
ein empfangenes Almosen. Hände und Füße schieben sich weit vor aus zu
kurzen Kleidern; und selbst im Hintergrund der ein wenig unheimliche
Bruder mit der Ballonmütze bläst so ruhig und seelensvergnügt seine
Mundharmonika, als wüßte er gar nicht, daß man ein Messer auch zu etwas
anderen Verrichtungen wie zum Brotschneiden brauchen kann. Dieses
Vagabundentum ist in keiner Weise dramatisch, finster wie das moderner
Franzosen oder das eines Heine oder Baluschek, sondern nur komisch.
Alle Insassen der Zelle sagen sich -- wie der bekannte Vogel bei Busch,
der flatternd und fest auf dem Leim sitzt und die Katze mit »Augen
gluh« heranschleichen sieht:

    Und weil mich doch der Kater frißt,
    So will ich keine Zeit verlieren,
    Will noch ein wenig quinquilieren
    Und lustig pfeifen wie zuvor.
    Der Vogel, scheint mir, hat Humor.

[Illustration: Abb. 112.]

[Illustration: Abb. 113.

In Sparhausen, wo die Schulverhältnisse wenig günstig sind, muß
eine zweiklassige Schule eingerichtet werden. Die respektable Länge
des Lehrers Bakel kommt der Gemeinde sehr zu statten und macht die
Anstellung eines zweiten Lehrers ganz überflüssig, indem Bakel den
Unterricht für die zwei Klassen zu gleicher Zeit erteilen kann.
(Fliegende Blätter.)]

Diese humoristischen Galgenvögel sind heute seltener als man annimmt,
die Zeit der krassen sozialen Gegensätze, der bittere Lebenskampf, um
nicht ganz zu sinken, ist dieser Abgeklärtheit wenig zuträglich. Ein
mir bekannter, in Berlin lebender, dänischer Maler hat nach genauesten
Lokal- und Menschenstudien das Bild einer Berliner Wärmehalle gemalt,
prächtige, individuelle Typen. In jedem Kopf eine Lebensgeschichte:
Armut, Verelendigung, Roheit, Stumpfsinn -- alle Leiden der hungernden,
frierenden Großstadt bei einander. Nur einer fiel mir darunter auf,
ein roter, versoffener Mensch mit lustigen Zügen. Er blickte mit einer
gewissen Beschaulichkeit vor sich hin. »Den Mann habe ich gern,« sagte
der Maler, »er ist der einzige von allen, in dem ein Stück Philosoph
steckt.« -- Und hier eine ganze Kolonie dieser Lebenskünstler?! --

Th. Th. Heine hat das Schulhaus aus Ostelbien auf der deutschen
Abteilung der Pariser Weltausstellung gezeichnet. Eine baufällige,
strohgedeckte Hütte, auf deren Dach eine Ziege ihr Futter sucht. Am Weg
steht mit bloßen Füßen und zerrissenem Rock der halbverhungerte Lehrer,
um die Vorübergehenden anzubetteln. Wieviel geistvoller ist Oberländers
(Abb. 112, 113) langer Präzeptor, der in zwei Klassen unterrichtet.
Zuerst die prächtig eigenartige Komik des Gedankens, das Unmögliche
und doch überraschend Glaubhafte; der lächerlich unwahre und doch so
echte Typus; der stete Gegensatz zwischen vom Rohrstock beherrschter
Wohlanständigkeit der Rangen und der Rüpelei ~in optima forma~ -- ein
echter Oberländer; und nachdem wir genugsam darüber gelacht, kommt
uns der Gedanke: aha, Schulnot ... Ostelbien, Lehrer, die in mehreren
Klassen zugleich unterrichten müssen ... Räume, so niedrig, daß man
nicht in ihnen aufrecht stehen kann ...

[Illustration: Abb. 114. _Oberländer_: Marterholzes Fingergymnastiken
für die Kraft des Anschlages. (Fliegende Blätter.)]

Oder Oberländer gibt Satiren auf die moderne Erziehung. Wie leicht
und fest prägt sich uns diese Geschichte ein: Ein Entenpaar hat
vier Kinder, zwei Jungen, zwei Mädchen, alles Erdenkliche läßt es
sie erlernen, schickt sie zur Universität, ins Institut. Wie sie
heimkommen, sind sie zwar voller Gelehrsamkeit, aber das Schwimmen
haben sie verlernt. Dies Überwiegen des rein Künstlerischen läßt selbst
in den schärfsten Arbeiten die Tendenz zurücktreten, und dadurch gerade
bleiben sie uns als Ganzes unvergeßlich.

[Illustration: Abb. 115. _Adolf Oberländer_. Titel des
Oberländer-Album. 9. Teil. (Fliegende Blätter, Verlag von Braun &
Schneider in München.)]

Eine der witzigsten und zugleich schärfsten Satiren auf die Gegenwart
ist die bekannte Folge: »Alt-Athen und Isar-Athen.« Die Erziehung des
Jünglings und der Jungfrau von Kindesbeinen bis zur Heirat. Was die
Satire jedem, der die Blätter gesehen, unvergeßlich macht, ist die
wunderbare Beherrschung der griechischen Kontur der Vasenzeichnung,
das Treffliche des Gegensatzes in Wiedergabe und Inhalt: links streng
und edel, gerade und schön, rechts kraus und kleinlich, Unnatur und
Übertreibung. In Alt-Athen die Kinder im Freien an der Mutter Brust,
in Isar-Athen zwei schreiende Würmer, halb vergraben in Bergen von
Bettkissen; ein ganzer Tisch mit Surrogaten, mit Malzextrakt, mit
Nestlés, mit Liebigs und Timpes Präparaten, mit kondensierter Milch
und hundert anderen Flaschen. Und während in Alt-Athen sich die Kinder
an Spiel und Lehre gleichmäßig erfreuen, hocken sie in Isar-Athen
in völlig überfüllten Räumen, in Reihen wie die Krähen, altklug,
kurzsichtig. Und während sie im Gymnasion Diskus werfen, schwitzen
rechts bei der Prüfung ausgemergelte, junge Menschen. Auch das Mädchen
hat einen anderen Bildungsgang, links spinnt und webt sie, rechts
Musikmappen und Mädcheninstitut, altkluge Jüngferchen mit hohen Hacken
von der frechen Koketterie der eingebildeten Überbildung. Und der
Tanz! Links edle Anmut; die Mädchen tanzen allein über Rosen um die
bekränzte Herme zum Klang der Flöte; und rechts ein Tänzerpaar von
burlesker Komik, er mit Storchbeinen und Schnabelschuhen, sie mit
Wespentaille und Lockenbau. So üben sie die »ahnungsreiche Kunst,
die alle schätzen, welche lieben«. (Zur Psychologie des modernen
Tanzes hat überhaupt die Karikatur das Beste gegeben.) Während in
Alt-Athen der Jüngling studierend dem Philosophen lauscht, drückt
er in Isar-Athen in der Trunkenheit armselige Passanten gegen die
Wand. Und während Fackelträger die Neuvermählten leiten, stürzen sie
in Isar-Athen in Sturmschritt nach dem Bahnhof. Das ist wohl eine
der witzigsten Verspottungen der Gegenwart. Gleich witzig ist die
berühmte Folge vom Kuß, die aufgefundene Gemäldesammlung. Bei jedem
der Vorgeführten, Menzel, Max, Makart, Rethel, Tadema, Courbet, dem
fabelhaften Costuminski, Genelli, bei jedem dieser Künstler ist
gezeigt, wie leicht und um ein Kleines ihre treffliche Eigenart doch in
Manier umschlagen könnte. Wie tief ist ein jeder verstanden und überaus
geistvoll ~ad absurdum~ geführt; zeichnerisch ist hier das gegeben, was
Fritz Mauthner in »Nach berühmten Mustern« litterarisch uns gab. Nur
_eine_ wirklich geistvolle Verspottung der modernen Kunst in den Phasen
ihrer Entwickelung ist mir noch begegnet. Die »Jugend« brachte eine
Folge von Selbstporträts aus dem letzten Jahrzehnt, die des Münchener
Malers Manierowitsch, welche ihn nach jeweiliger Mode im Defreggerstil,
Pleinair, Pointillismus u. s. f. zeigten. Solche Stilkarikaturen sind
im allgemeinen sehr heilsam; denn gerade dadurch gehen uns erst die
Vorzüge und Schwächen, die Grenzen der Meister und Richtungen auf --
Anfang und Ende.

Zu den besten Schöpfungen Oberländers zählen »Der Konzertbildhauer«,
»Vegetarier auf dem Lande«, »Der Jahrmarkt in Timbuktu«, »Traum
des Savoyarden« u. s. f. Denken wir nur an seine Satiren auf
jüdischen Spekulationsgeist, auf neue Errungenschaften der Technik,
Riesenventilatoren, denken wir daran, wie er in der Vorstellung eines
Kindes oder Ungebildeten zeichnet; erinnern wir uns einmal: wie
versteht er das verschobene Gesichtsbild eines Trunkenen wiederzugeben,
ebenso komisch wie das in Unordnung geratene stabile Gleichgewicht
des Heimschwankenden. Von unerreichter Feinheit sind die heimlichen
Randzeichnungen aus dem Schreibheft des kleinen Moritz (Abb. 111), das
Genialste was in der einfachen Mache der Kinderzeichnung geschaffen
ist. Wie hier fast mit einem Nichts Ausdruck in den Mienen, ein
kompliziertes Spiel widerstreitender Gefühle gegeben ist, wie hier
in diesen unsicheren Strichen eine Bewegung erfaßt ist, das steht
nächst Busch einzig da. Man sehe sich den kleinen Moritz an, wie in
den Zügen neben der Furcht doch noch eine gewisse Verschmitztheit sich
ausspricht über den wohlgelungenen Streich, durch umgeworfene Stühle
eine Hindernisbahn geschaffen zu haben; die beschwörende Stellung
der Mutter, die Thränen der Rührung auf ihrer Backe, weil das liebe
Söhnchen Prügel bekommen soll; Maxi und Fritzi voller Schadenfreude;
Paula schwachnervig, ängstlich, sie könnte auch etwas abbekommen;
die Amme voller Mitleid; der Herr Hauslehrer in Würde; Poldi mit
rein psychologischer Anteilnahme; das Dienstmädchen in der Thür
erstaunt: was gibt's denn? -- Und dies alles gezeichnet mit kindischer
Unbeholfenheit, aber mit Oberländerscher Reife in der vereinfachten,
psychologischen Darstellung.

Das ganze Spiel seiner reichen Phantasie gibt sich besonders in den
Umschlägen seiner Alben aus. Wie er hier alles in Beziehung bringt, uns
den ganzen Guckkasten seiner komischen Figuren vorüberziehen läßt, ein
buntes, lächerliches Wirrwarr, einen Reichtum an Komik, eine Vielheit
auf einem Blatt, an der andere ein Leben zehren würden, ist einzig
dastehend. Oberländer hat unstreitig auch starken Einfluß auf einzelne
Künstler, wie z. B. Hengeler geübt. Vor allem muß aber bemerkt werden,
daß Caran d'Ache, der weltberühmte französische Karikaturist, am
Studium der Deutschen erstarkt ist.

[Illustration: L. _Marold_: _Backfische_. (Braun & Schneider.)]

Welche Kreise Oberländers Kunst umfaßt, ist nicht zu umschreiben;
nichts Menschliches ist ihm fremd, und doch ist seine Kunst in
allem echt bayerisch, durchtränkt von Rasse. »Auf keinem Gebiet
kehrt sich die allertiefste Eigenart der verschiedenen Stämme und
Rassen so greifbar nach außen, wie auf dem der Komik. Oberländer ist
der bayerische Humorist; unter den Deutern des Bayerischen in der
heutigen Kunst der Erste. Das ganze heutige Bayern lebt in ihm in
der verdoppelten Lebendigkeit der künstlerischen Gestaltung --«, so Ola
Hansson.

Mit Oberländer nehmen wir Abschied von den »Fliegenden«; er ist ihr
Stolz und ihre Größe. Wie weit er ihnen zugehört, will ich nicht
entscheiden. Aber wenn die »Fliegenden« im Humor das Organ für das
bayerische Volk, und Oberländer der echteste bayerische Künstler, so
gehören sie freilich zusammen.

[Illustration: Abb. 116. _Oberländer_: Friseur-Intelligenz. »Wollen der
Herr Assessor heute melancholisch oder sanguinisch frisiert werden?«
(Fliegende Blätter.)]

Was den »Fliegenden« uns heute weniger und weniger Sympathie
entgegenbringen heißt, ist das Vorherrschen des Clichéwitzes, das
Arbeiten mit abgebrauchten Typen, das natürlich auch bei den Künstlern
langsamen Stillstand der Fähigkeiten mit sich bringen muß. Die
»Fliegenden« haben nichts vergessen, aber auch nur wenig zugelernt,
sie sind leider nicht genug bei der Zeit in die Schule gegangen. Sie
sollten an das Wort Ibsens denken: daß eine gute, lebensfähige Wahrheit
fünfzehn, höchstens zwanzig Jahre alt wird, um dann Lüge zu werden.
Was den »Fliegenden« wenig zur Ehre gereicht, sind auch die ewigen,
wirklich oft geistlosen Angriffe auf die moderne Kunst, welche selten
oder nie den Kern treffen. Gerade sie zeigen, wie sehr die »Fliegenden«
zurückgeblieben sind. Oder sollten sie nicht wissen, daß gewissermaßen
nur der Tag lebt, und daß auch wir nur mit dem Tage leben? So sehr und
herzlich wir uns an Altem erfreuen mögen, es entstand für Menschen mit
anderen Sinnen, in anderer Zeit, es erfüllt uns nun einmal nicht mehr
ganz. Es bleibt ein Rest des Neuen, Ungemünzten. Aber alles Werdende,
das unsere halbempfundenen Leiden und Freuden zuerst ausspricht -- und
wenn es auch noch gährend und wild ist und sich selbst kaum kennt --,
ist uns inniger, brüderlicher an das Herz gewachsen, »denn es liebt
allein unserer Kinder Land, das Unentdeckte auf fernen Meeren«. --

[Illustration: Abb. 117. _Oberländer_: Jagd-Automat für Sonntagsjäger.
(Fliegende Blätter.)]

Setzt sich in Süddeutschland die Kunst hauptsächlich im Bilde um,
so in Norddeutschland im Wort; die bildende Kunst kommt ein wenig
knapp dabei fort, man bleibt stets ein wenig kulturlos und steril.
In Norddeutschland aber entsteht dafür der Stil der politischen
Karikatur. Der _Kladderadatsch_ hat hier in _Wilhelm Scholz_ einen
geeigneten Vertreter, herb, knapp, großzügig und wohl befähigt,
eine gute Bilderidee wirkungsvoll zu gestalten. Der Kladderadatsch
ist Bismarck gefolgt, erst spottend, dann anerkennend, schließlich
bewundernd. Scholz ist mit der wachsenden Bedeutung Bismarcks auch in
der künstlerischen Form mehr und mehr seiner Aufgabe gerecht geworden,
und seine Bismarckkarikaturen bilden ein Stück deutscher Geschichte,
sein von ihm erschaffener Typus des Reichskanzlers (Abb. 118) ist
uns in Fleisch und Blut übergegangen mit seinen herben, wie in Erz
geschnittenen Zügen, in dieser herben Manier. Der Kladderadatsch
hat die Bismarckkarikaturen wie die Bismarckgedichte seines Blattes
gesammelt und in chronologischer Folge erscheinen lassen. Auch die
Franckhsche Verlagsbuchhandlung in Stuttgart hat sich ein Verdienst
damit erworben, daß sie eine Sammlung von 230 Bismarckkarikaturen
aller Länder zusammenstellte, zu denen K. Walter den verbindenden
Text schrieb. Solche Sammlungen geben oft bessere und schneller
verständlichere Kommentare zur Geschichte, wie sie uns das geschriebene
Wort zu geben vermöchte, und Grand-Carterets Sonderpublikationen,
ebenso wie die vom Verlag der »Lustigen Blätter« herausgegebenen
Sammlungen der Karikaturen auf die »Dreyfußaffaire«, auf die
»Abrüstungsfrage«, den »Burenkrieg«, werden manchem Späteren eine gute
Handhabe zum Verständnis der Bewegungen bieten; sie bleiben für die
Stimmungen des Volkes, im Für und Wider, für das, was wir nicht aus den
nüchternen Akten geschichtlicher Darstellung herauslesen können, eine
Quelle der Erkenntnis.

Der deutsch-französische Krieg fand meines Erachtens in der
Karikatur nur ein geringes und künstlerisch nicht sehr bedeutendes
Widerspiel, wenn auch die Figur Napoleon III. viel Gelegenheit zur
Persiflage bot, eine der meist verspotteten dieses Jahrhunderts; sein
Polichinellgesicht mit der grandiosen Nase, der spitze Schnurrbart,
sein Wanst und die dünnen Beine gaben viel her. Man zeichnet ihn als
Hahn, als Nußknacker u. s. f. Die »Allegorie des Krieges« (Abb. 121),
Napoleon, der den Sarg seiner Herrlichkeit mit den Pferden Hunger und
Elend durch sein Land fährt, ist aber doch gegenüber französischen
Arbeiten der Zeit schwächlich und zeigt, daß der kühle, norddeutsche
Zeichner nicht fähig ist, Dinge von satirisch zwingender Kraft zu
erschaffen, während ihm eine ruhige, kühle Größe weit besser liegt.
Ein besonders feiner Zeichner, ein überraschend witziger Künstler ist
Scholz wohl nie gewesen, aber in ihm ist der Zug des aufstrebenden
Preußens, des wachsenden, sich entwickelnden Deutschlands in der
politischen Karikatur zu machtvollem Stil erstarkt. Von den heutigen
Zeichnern des Kladderadatsch seien Stutz und Brandt erwähnt. Brandt von
prächtiger Kühnheit der Handschrift.

Der im Jahre 1870 entstandene »_Ulk_« ist in seinen litterarischen
Leistungen sehr ungleich und oft wenig erfreulich, auch hat er noch
heute ein besonderes Geschick darin, den illustrativen Teil durch
unpersönliche, langweilige Zeichner herstellen zu lassen. Der einzige
_Feininger_ bildet eine Ausnahme. Wir werden später von ihm sprechen.

[Illustration: Abb. 118. W. _Scholz_: Bismarcktypen aus dem
»Kladderadatsch«. (Verlag von A. Hofmann & Comp. in Berlin.)]

Die beiden beigegebenen Illustrationen (Abb. 124, 125) des »_Schalk_«
von Simmler und Wisniewski mögen bezeichnend für die künstlerische
Karikatur der Mitte der achtziger Jahre in Norddeutschland sein,
wirkungsvoll, aber etwas nüchtern, gut gezeichnet, aber ein
wenig humorlos. Von den Mitarbeitern des »Schalks« nenne ich nur
_Schlittgen_, C. _von Grimm_, _Grot-Johann_, _Oskar Pletsch_,
_Simmler_, _Paul Thumann_, _Knaus_, _Werner_, _Skarbina_, _Wellner_,
_Meyerheim_, _Schlitt_ -- gewiß bekannte Namen --, und doch ist es dem
Blatt nicht gelungen, uns das zu geben, was wir fordern. Aber viele
Ansätze, viel Gutes war in ihm. Vieles, das später wieder in anderer
Form auftrat.

       *       *       *       *       *

[Illustration: Abb. 119. W. _Scholz_: Die Entscheidung naht.
Kladderadatsch 1865. (A. Hofmann & Comp. in Berlin.)]

Zwei Künstler sind es, die sich nicht einer zeitlichen Einteilung
fügen, die in allem eine Sonderstellung einnahmen, und die, wenn auch
voneinander grundverschieden, doch einzig miteinander vergleichbar
sind. Der Genfer: _Rudolph Toepfer_ und der Norddeutsche: _Wilhelm
Busch_.

Rudolph Toepfer, weniger bekannt in Deutschland, in Frankreich sehr
geschätzt; Busch in aller Munde und Herzen, ein echter Volkskünstler.

[Illustration: Abb. 120. W. _Scholz_. Kladderadatsch 1884. (A. Hofmann
& Comp. in Berlin.)]

Toepfer ist ein französischer Schweizer von deutscher Herkunft. Er war
von Beruf Professor der Ästhetik an der Universität zu Genf, Zeichner
und Schriftsteller in einer Person; geboren 1799 in Genf, starb er
daselbst 1846. In Toepfer einen sich die Merkmale beider Rassen, mischt
sich Germanisches und Romanisches.

Seine komischen Bilderromane, lustige Geschichten und Karikaturen des
berühmten Verfassers der »Genfer Novellen« hat in deutscher Übertragung
Paul Neff, Stuttgart, neu herausgegeben -- ein sehr verdienstvolles
Werk. Von Toepfer haben wir eigene Mitteilungen über die Art seiner
Kunst, über die Entstehung dieser komischen Bilderfolgen, wie
er geistvoll mit Dingen und Menschen Fangball spielt, das große
Künstlerkind -- im letzten Grunde aus dem gleichen kindlichen Trieb des
Spielens. Eine eingehende Charakteristik und Analyse seiner Eigenart
versuchte schon i. J. 1846 Fr. Th. Vischer mit Glück zu geben. Auch
das Essay von Johannes Schlaf in der Sonntagsbeilage der Vossischen
Zeitung, 10. September 1899, ist eine gute Arbeit; Schlaf geht mit
feinem Verständnis der Eigenart des Stils, wie der Zeichnung nach.

[Illustration: Abb. 121. _Wilh. Scholz_. Kladderadatsch 31. Juli 1870.
(A. Hofmann & Comp. in Berlin.)]

Wenn wir ein Blatt von Toepfer betrachten, so erscheint es uns zuerst
geradezu kindlich; diese naiven unzusammenhängenden Haarstriche, diese
bröcklige Formengebung, diese grotesken, knochigen Typen glichen
Arbeiten eines begabten Schuljungen. Aber bei längerem Zusehen
erkennen wir den Geist der Mache, und aus dem kindischen Gekritzel
entsteht uns ein moderner Impressionismus, eine erstaunliche Kunst,
welche die flüchtigste Augenblicksregung in Mensch und Dingen, Luft,
Licht und Landschaft festzuhalten vermag. Und dieses scheinbare
Nicht-zeichnen-können wandelt sich in reifes zeichnerisches Verstehn;
der bröcklige Strich wird zu schwankend bewegter Kontur. Es hat
meines Erachtens nach keiner darauf aufmerksam gemacht, daß zwischen
Toepfer und den großen Japanern eine Ähnlichkeit, eine Verwandtschaft
besteht -- wie z. B. der Gegner des Herrn Altholtz in das Mühlwehr
gelangt, vom Rad erfaßt und dort einige Monate herumgedreht wird,
auftaucht, strömend aus Mund, Haar, Nase und Kleidung, um dann gleich
wieder untergetaucht zu werden --, das ist geradezu von japanischer
Kunstwirkung, so momentan und bewegt, so geistvoll im Haarstrich mit
leisem, schwellendem Druck. Man könnte meinen, eine Skizze Hokusaïs
vor sich zu haben, und wie die Japaner hat Toepfer einen seltenen
Sinn für die Vielheit, für bunte, bewegte Massen, kribbelnde Mengen
kleiner Wesen, in denen ein Einzelwesen untergeht. Er hat einen Sinn
für Licht und hat Blätter geschaffen in dieser Kindertechnik, auf denen
breit und voll die Sonne liegt. Und doch ist hier jeder äußere Einfluß
ausgeschlossen. Was uns noch so sehr überrascht an Toepfer, das ist
der moderne Sinn für das Landschaftliche, das Verstehen der Luft-
und Lichtwirkungen, der Baumsilhouetten, der Linien eines Waldthals
(Abb. 126), eines Hohlwegs, der Blumenmuster einer Wiese, der fernen
Bergzüge -- überhaupt jeder Bewegung des Bodens; und ebenso versteht
er das Stadtbild, das Haus in seiner grünen Umgebung (Abb. 127),
alles klar, lebhaft und doch nur angedeutet in diesem kritzeligen
Impressionismus. Nicht die persönliche, feste Handschrift wie bei Busch
mit Haar- und Grundstrich, nein zag, unbeholfen -- wirklich ein Rätsel
in der Wirkung; und rätselhafter noch, wenn man bedenkt, was nun alles
damit gegeben ist, welche unglaubliche Variationsfähigkeit der Affekte,
des Ausdrucks -- der ganze Kreis des menschlichen Gemütes. Dinge, die
man zeichnerisch kaum für möglich halten sollte, er löst sie: ein
Mensch ist in einen Sack gesteckt und hüpft und läuft, und in dieser
plumpen, formlosen Masse zeichnen sich -- übertragen -- die Bewegungen,
die Proportionen des Körpers -- und alles das ist mit geradezu
kindlichen Mitteln wiedergegeben.

[Illustration: Abb. 122. G. _Brandt_: »Das wird sich schwer ersetzen
lassen, ohne daß man den Schaden sieht ...« (Verlag von A. Hofmann &
Comp. in Berlin.)]

Toepfers Werke sind zusammenhängende Bilderfolgen, Bilderromane,
altfränkisch, steif; heute sind sie uns inhaltlich etwas fremd
geworden, aber sie amüsieren uns doch in ihrer burlesken,
romanhaften Abenteuerlichkeit »kraus, launenhaft, kunterbunt im
Aufbau; Wirklichkeit mit hyperbolisch märchenhaften, phantastisch
arabeskenhaften Elementen verbindend, eine unendlich verzwickte und
komplizierte Handlung mit behaglicher Breite ausführend« -- so Johannes
Schlaf.

[Illustration: Abb. 123. _Schulze und Müller_. Kladderadatsch 1870. (A.
Hofmann & Comp. in Berlin.)]

Alle Gesetze der Natur sind ausgeschaltet; mit irgend einer ganz
kleinen Thatsache, einem Blatt Papier, das in die Luft geweht wird,
beginnt die Geschichte und schlägt immer weitere Kreise, setzt den
ganzen Staatsmechanismus, Wissenschaft, Regierung, Volk, alles in
Bewegung; jedes und jeder bekommt da seine Pille zu schlucken,
aber endlich löst sich alles in Wohlgefallen, und wir erwachen wie
aus einem bunten Traum. Alle Naturgesetze sind ausgeschaltet --
Wirbelstürme blasen Menschen in der Luft umher, monatelang; treiben
sie wieder zusammen; pusten sie auseinander, je nach Laune; Menschen
sind da im Kasten eingesperrt und krabbeln umher, und dieser Kasten
nimmt vollends die Bewegung (Abb. 129) und den Ausdruck des Menschen
an, Leute begehen Unmöglichkeiten, hungern, dürsten, erleiden alle
Strapazen der Welt als Fanatiker irgend einer bizarren Idee; aber
all diese lächerlichen Unglaubwürdigkeiten sind ausgestattet mit
allen Zeichen der Glaubwürdigkeit, nicht ein Wort, das unbestimmt
bliebe -- und sei es für die absurdesten Geschehnisse --, nicht eine
Nebenperson, die namenlos aufträte, nicht eine Zahl, ein Zeitraum, der
nicht genau angegeben wäre. Eine reale Phantastik; Unmögliches, Spiel
des Geistes wie der Feder, im Stil nüchterner, breiter, einfacher
Chronik der Möglichkeit. Und in dieser Möglichkeit des Gewandes,
da ist die Geißelung der Zustände, des Staates, der Charlatanerie
der Gelehrtenwelt, des Erziehungswesens, der übertriebenen
Liebesromantik -- Toepfer immer als der getreue Schilderer, ein Stück
Kulturhistoriker, ein närrisches Echo seiner Zeit. Kein Vers, der die
Wirkung unterstützt, wie bei Busch, sondern trockene, umständliche
Prosa. Den tiefen Lebensgehalt, den wir aus dem philosophischen Humor
eines Busch ziehen, bietet uns Toepfer nicht. Er ist lustig, aber auch
in seiner Bizarrerie etwas altmodisch. Diese merkwürdig verknöcherten
Typen seiner Helden, mit ihrem komischen Pathos der Übertreibung, dem
ständigen Forte des Gefühls in Dur oder Moll, haben etwas Französisches
im Blut, und doch wieder ist eine gewisse Beschaulichkeit, ein Humor
in den Dingen deutsch an ihnen. Die bedeutendsten Werke Toepfers sind:
Griffonade, Docteur Festus (1840), Voyage en Zickzack, Monsieur Pencil,
Monsieur Jabot, Monsieur Vieux-bois u. s. f. Letztes scheint mir
zeichnerisch seine reifste Leistung.

[Illustration: Abb. 124. W. _Simmler_: Einer der nicht auf den Leim
geht. (Schalk.)]

Johannes Schlaf weist mit Recht darauf hin, daß Toepfers Bilderromane
im Stofflichen uns heute nur von historischem Interesse -- im
Technischen sind sie aber wieder aktuell und bieten eine Fülle
feinster, ästhetischer Genüsse.

Und nun zu _Wilhelm Busch_, dem größten deutschen Humoristen der
Zeichnung, dem feinsten, überraschendsten Humoristen des Wortes.
Für Toepfer ist das Leben seiner Zeit Problem; Busch ist das Leben
selbst Problem, so, wie es ist, war und sein wird. Toepfer hat den
Biedermaier verkohlt -- man verzeihe dieses Wort! -- Busch nimmt sich
den Menschen an sich aufs Korn, dieses zweibeinige Wesen, das schläft,
ißt, trinkt, heiratet, Kinder bekommt, stirbt, das vom Leben gezwackt
und gequält wird, ewig zur Schule geht und doch nichts lernt. Busch ist
Philosoph in Allem, ein ausgefeimter Schopenhauerianer, der Mann des
pessimistischen Humors -- vielleicht der einzigen Anschauung, die mit
gutem Recht in dieser schlechtesten der Welten bestehen kann -- der
einzigen Anschauung, die uns nach rechts und links deckt und uns das
seelische Gleichgewicht erhält, komme was da mag.

[Illustration: Abb. 125. _Wienieski_: Tanzsaalstudie. Aus den 80er
Jahren. (Schalk.)]

Busch ist der verkörperte niederdeutsche Humor; in breiter Behäbigkeit
sitzt er auf seinem Sorgenstuhl, stellt lachend seine Betrachtungen
an und orakelt über sich selbst, über Welt und Menschen; er sagt
mit tiefsinniger Miene selbstverständliche Wahrheiten, und mit
selbstverständlicher Miene Tiefsinniges; er freut sich an allem
Seßhaften, Bequemen, gutem Essen und Trinken, ruhigem Lebens- und
Liebesgenuß und scheut sich wohl auch nicht, Dinge beim richtigen Namen
zu nennen: »Lachen ist mir der Ausdruck relativer Behaglichkeit, ich
bin ein Mensch und erfreue mich gern an den kleinen Verdrießlichkeiten
und Dummheiten anderer Leute. Der Franzl hinterm Ofen freut sich der
Wärme um so mehr, wenn er sieht, wie sich draußen der Hansel in seine
rötlichen Hände pustet. Zum Gebrauch in der Öffentlichkeit habe ich
doch nur Phantasiehanseln genommen. Man kann sie sich auch besser
zurichten nach Bedarf und sie eher sagen und thun lassen, was man will.
Gut schien mir oft der Trochäus für biederes Reden, stets praktisch der
Holzschnittstrich für stilvoll, heitere Gestalten. So ein Konturwesen
macht sich leicht frei von dem Gesetze der Schwere und kann besonders
-- wenn es nicht schön ist -- viel aushalten, ehe es uns weh thut. Man
sieht die Sache an und fühlt dabei ein behagliches Selbstgefühl über
den Leiden der Welt, ja über den Künstler, der gar so naiv ist.« So
Wilhelm Busch in »Von mir über mich.«

[Illustration: Abb. 126. Aus _Rudolf Toepfers_ Bilderromanen.]

Und wahrlich, Ungezählte hat Busch über die Leiden der Welt
hinausgehoben, hat ihnen frohe Stunden bereitet durch die wunderbare
Kunst seiner naiven Zeichnung, wie durch die seltene Prägnanz in Geist
und Form seiner leichtflüssigen, musikalischen Knüttelverse. Nichts
ist bei Busch Gemeinplatz, jedes Wort Eigenart, alles blitzblank. Die
überraschende Schlagfertigkeit, die erstaunliche Selbstverständlichkeit
seiner Verschen, ebenso wie die leichte und schnelle Art, mit der sie
sich uns einprägen, haben viele von ihnen schon zu Citaten werden
lassen, die man fast täglich hört. Und sie erscheinen uns wieder und
immer wieder neu. Wir erfreuen uns an der plastischen Wirkung und
an der überraschenden Einfachheit des Bildes, so oft wir sie auch
hören mögen, gerade so, wie uns die Zeichnung stets einen neuen,
staunenswerten Reichtum offenbart. Selbst wenn wir die Dinge vollkommen
in uns verarbeitet haben, kramen wir sie doch gern wieder hervor aus
der Schachtel unseres Gedächtnisses und spielen mit ihnen.

[Illustration: Abb. 127. Aus _Rudolf Toepfers_ Bilderromanen.]

Besonders dort, wo uns Busch seine Lebensanschauung zu besten gibt, wo
sein pessimistischer Humor still-traurig und heiter lächelt -- wie in
der »Kritik des Herzens«, in einzelnen Stücken aus »Dideldum«, auch
in manchen seiner umständlichen Vorreden, Nachworte, Ermahnungen,
Sentenzen --, dort wird er für uns zum Weisen. Das Beste, was
vielleicht humoristisch über das Wesen der Kunst gesagt worden ist,
steht im Vorwort zum »Maler Klecksel«, und jedem, der da heiratet,
möchte man raten, daß er sich vorher erst einmal recht genau mit der
»Knopp-Trilogie« befasse und die tiefen Wahrheiten der Vorreden zu
»Herr und Frau Knopp« und »Julchen« in sich aufnehme. Für Kinder sind
sie nicht geschrieben, jene »verheirateten Geschichten«, in denen Paul
Lindau (Nord und Süd 1878) kurzsichtig und engherzig Buschs Vorliebe
für heikle Stoffe sieht, weil sie die Gegenseite unseres Lebens
humoristisch erläutern; jene Gegenseite unseres Lebens, die sich zwar
der öffentlichen Debatte entzieht, aber von desto einschneidenderer
Bedeutung für unser ganzes Sein ist. Gerade in jenen Betrachtungen über
die Ehe, ihre Pflichten, Freuden und Nachteile zeigt sich Busch als
der große Lebenskenner, hat er eine vereinfachte Formel für unser Sein
gefunden und in das bunte Gewand des Humors gesteckt -- der Schalk,
mit dem vielsagenden Lächeln. Mit einem stillen, vielsagenden Lächeln
sieht er auch den Sensenmann anrücken, hört, wie im Sauseschritt die
Zeit läuft, blickt herab auf die kurze Spanne Zeit der Freuden, die
uns in dieser närrischen Welt gegeben ist, zeigt uns, wie die Menschen
später älter, müder und kälter werden. Und ein leises Ausklingen
mancher seiner lustigen Geschichten stimmt uns ernst und nachdenklich,
läßt uns aber doch auch wieder lächeln über diese lustige und traurige
Welt:

      Alles geht zu End' allhier,
    Tinte, Feder, Tobak und auch wir.
    Zum letztenmal wird eingetunkt,
    Dann kommt der große, schwarze ●

So schließt die Kortum-Buschische Jobsiade. Oder in das Geklingel der
Narrenschellen des trinkfreudigen, talentlosen »Malers Klecksel« --
ein hoffnungsvoller, junger Mann gewöhnt sich leicht das Malen an! --
tönen mit einem Mal die ernst bedenklichen Worte, ein ~memento~ der
Vergänglichkeit:

      Hartnäckig weiter fließt die Zeit,
    Die Zukunft wird Vergangenheit.
    Von einem großen Reservoir
    Ins andre fließet Jahr für Jahr.

      Und aus den Fluten steigt hervor
    Der Menschen buntgemischter Chor,
    Sie plätschern traurig oder munter
    Ein wenig rum, dann gehn sie unter,
    Und werden merklich abgekühlt
    Für längre Zeit hinweggespült.

[Illustration: Abb. 128. _Rudolf Toepfer_: Monsieur Vieuxbois.]

Aber man muß sich gerade bei Busch vor dem Citieren hüten, denn wenn
man hier einmal beginnt, so ist man nicht so leicht gewillt, wieder
damit aufzuhören, eine solche Fülle von Versen, lustigen Reimereien,
schelmischen Sentenzen drängt sich uns auf. Jedes eine ganze Wahrheit.
Paul Lindau hat versucht zu erklären, worin die Komik und Eigenart
der Buschschen Poesie besteht. Er erwähnt seinen außergewöhnlichen
Reichtum an klangmalenden Worten, seine Findigkeit in der Wahl von
Namen; erwähnt, wie er oft des Reimes wegen der Grammatik Zwang
anthut; er nennt altmodische Wendungen, umständliche Umschreibungen,
-- das alte, schon von Rabelais angewandte Mittel des grotesken
Humors -- die Worthäufung und Aufzählung; er führt Beispiele für das
deplatzierte Pathos an, für überraschend Gegensätzliches, das unter
gleicher Kappe vereint wird, »auf dem Antlitz Seelenruhe, an den
Füßen milde Schuhe«. Er bewundert das Aussinnen und Ausspinnen von
Zufällen, die Steigerung komischer Situationen; allen äußerlichen
Mitteln seines Humors, der Art seiner Komposition geht er nach. Die
Sache im Kern trifft er meines Erachtens nach nicht. Buschs Humor
ist angewandte Philosophie. Er besteht darin, daß er die einfachsten
Äußerungen des Lebens, die alltäglichsten und niedrigsten Bethätigungen
mit den Blicken und Ansprüchen des Philosophen sieht, gerade so, wie
uns heute z. B. ein Jerome-Jerome ein kleines geistvolles Essay über
Theekochen oder das Einschlagen von Nägeln schreibt und in diesem
Kleinsten das gleiche Bild sieht, wie die Künstler des Gedankens
in den größten und tiefsten Verrichtungen der Menschen und des
Menschengeistes. Buschs Humor besteht -- abgesehen von der Komik in den
Fabeln seiner Bildererzählungen -- darin, daß er in dieser kleinen,
lächerlich trivialen Welt Ausblicke auf das große Sein, das große,
rauschende Leben des Kosmos uns öffnet. Daß er bei einer Ohrfeige
materialistisch über Kraftverwandlung, bei einem Maulwurf über Leben
und Tod philosophiert, daß er in Kinderstreichen das Gute und Böse
sieht und bei Hunden Hinweise auf Erziehungsfrage bietet. Buschs Humor
ist die reife Lebensanschauung, übertragen auf den Alltag. Und Buschs
Humor ist pessimistischer Humor, denn Busch ist Schopenhauerianer.
Aber nicht ganz und gar. In ihm kämpfen zwei Weltanschauungen, die
von der großen Lebensverachtung, von der Nichtigkeit des Seins, von
der Vergänglichkeit, von der Zeit, welche nur gebärt, um wieder
zu zertrümmern, und die von der Lebensfreude, von der ruhigen
Seßhaftigkeit, des Sicheinrichtens in dieser Welt, so gut es geht. Aus
dem Widerstreit der Gefühle heraus entsteht der Humor, von dem schon
Heine sagt, daß er die »lachende Thräne« im Wappen führt.

[Illustration: Abb. 129. _Rudolf Toepfer_: Monsieur Vieuxbois.]

[Illustration: Abb. 130. W. _Busch_: Aus »Plisch und Plum.« (Fr.
Bassermannsche Verlagshandlung, München.)]

Busch ist im Jahre 1832 zu Wiedensahl im Hannöverschen geboren und hat
die größte Zeit seines Lebens in seinem Heimatsort zugebracht, wo er
noch heute, unverheiratet, bei seiner Schwester haust, ein stiller,
behäbiger Mann; in Freundschaft mit den guten und besten Werken seiner
Zeit; wenn es ihm einmal zu einsam wird, so bringt ihn die Bahn nach
dem benachbarten Kassel, und dort findet er von neuem Freude und
Anregung an seinen Lieblingen, den Holländern. Trotzdem Busch in den
letzten Jahrzehnten nur wenig geschaffen hat, ist sein Werk doch reich
und umfänglich. Er ist in seinen »Bilderbogen« (Braun & Schneider),
sowie in dem »Humoristischen Hausschatz« (Bassermann, München), ebenso
wie in den Kinderschriften »Max und Moritz«, »Hans Huckebein, der
Unglücksrabe« u. s. f. in aller Händen.

[Illustration: Abb. 131. _Busch_. Gemalt von Lenbach, radiert
von Wilhelm Hecht. Aus »Nord und Süd«, Verlag der Schlesischen
Buchdruckerei und Verlagsanstalt (vorm. S. Schottlaender) Breslau.]

Buschs Humor ist, ich sagte es schon, der des Niederdeutschen. Es geht
bei ihm oft derb zu, sein Lachen ist breit und voll. Seine Menschen
sind äußerlichen, schmerzhaften Unannehmlichkeiten ausgesetzt. Blut
muß fließen dabei, und wie böse Buben oder das harte Schicksal seinen
Helden mitspielen, das ist oft von einer raffinierten Grausamkeit
und Verzerrung. Was seinen Helden alles zustößt, in welche peinliche
Situationen sie gebracht werden, wie leicht bei ihm Dinge umstürzen,
zerbrechen, Menschen fallen, andere mit sich reißen, ist tragikomisch;
zum Schluß spielt sich oft ein ganzes Feuerwerk von Beziehungen,
ein allgemeines Durcheinander ab. Die Freude an der Verwirrung ist
Busch eigentümlich; sie begleitet ihn von seinen ersten Werken bis
zu seinen letzten. Aber nie wirkt er hierin peinlich. Stets ist der
Humor des Wortes erlösend, man sagt sich: es ist ja doch nur ein
Scherz. »Luft im Laub und Wind im Rohr, und alles ist zerstoben.« In
seinen frühen Werken ist sich Busch noch nicht der ganzen Tragweite
seiner Kunst bewußt. Es sind geistvolle, witzige Bilderfolgen; in
der Zeichnung oft besser wie im Vers. Erst später schreibt er, wenn
ich es so nennen darf, seine philosophischen Abhandlungen: die
Knopp-Trilogie, Maler Klecksel -- während sich in »Balduin Bählamm«
ein ~decrescendo~ bemerkbar macht. Wäre Busch uns nicht so in Fleisch
und Blut übergegangen, es würde wohl Pflicht sein, hier auf diese
Werke einzugehen, es ließe sich hierbei wohl leicht ein Anfang --
schwer aber ein Ende finden; und darum wollen wir hier nur noch seiner
zeichnerischen Bedeutung gerecht werden. Busch ist der Schöpfer der
modernen Karikatur, mit ihm beginnt der Stil, der Humor der Linie.
Wie in kräftig-persönlichen Zügen einer Handschrift, schreibt er für
die Holzschnittmanier fest und sicher die Menschen in ihrer Eigenart
hin. Eine individuelle Technik, nur geeignet zu humoristischer
Darstellung -- eigene, vereinfachte Mittel für den eigenen Zweck.
Und was mit diesen einfachen Mitteln gegeben werden kann, ist
erstaunlich. Wenn ein Junge mit einer Peitsche schlägt, so ist die
ganze Figur Bewegung, jeder Zoll des Körpers schlägt mit -- jede
Linie scheint sich fortzusetzen in die geschwungene Peitschenschnur.
Welch einen unglaublichen Reichtum an Affekten -- wie sich dieselben
in Stellung und Gesicht aussprechen --, zeigt er, wenn er irgend eine
Person handelnd darstellt und diese Handlung nun in eine Fülle von
Einzelheiten zerlegt. So der Brief der frommen Helene an den lieben
Vetter Franz, so die Predigt des Hieronymus Jobs (Abb. 132-139)
(nebenbei in ihren Einzelheiten eine freie Erfindung des Bearbeiters).
In dem ganzen Kreis der Gefühlsäußerungen, vom starrsten Schreck --
welcher Menschen nur in ein Spiel geschwungener Linien verwandelt --
bis herab zum feinen, kaum merklichen Schmunzeln, ist ihm nicht eine
fremd. Er spielt damit wie der Virtuose auf seinem Instrument. Oder
kann man sich eine bessere Charakteristik vorstellen (Abb. 130), wie
die aus »Plisch und Plum«:

      Keine Antwort geben sie,
    Sondern machen bloß hi, hi!
    Während er, der leise pfiff,
    Wiederum das Wort ergriff.

[Illustration: Abb. 132-137. _Wilhelm Busch_: Aus »Bilder zur
Jobsiade«. (Fr. Bassermannsche Verlagshandlung, München.)]

[Illustration: Abb. 138 und 139. _Wilhelm Busch_: Aus »Bilder zur
Jobsiade«. (Fr. Bassermannsche Verlagshandlung, München.)]

[Illustration: Abb. 140. _Busch_: Der Virtuos. »Silentium!« (Verlag von
Braun & Schneider in München.)]

[Illustration: Abb. 141. W. _Busch_: Der Virtuos. »Scherzo.« (Verlag
von Braun & Schneider in München.)]

Köstlich ist diese völlige, geistige Überlegenheit des Lehrers -- der
abwartend mit den Fingern trommelt --, und köstlich dies spitzbübische
Lächeln bei den Jungen, in das sich doch schon ein gewisses Gefühl
von Angst vor der Überlegenheit des dicken, pfeifenden Herrn mischt!
Ja, Busch spielt mit seinen Affekten wie der Virtuose auf seinem
Instrument, wir sind die Zuhörer -- und er bringt uns dorthin, wo er
uns haben will. Bei seinem Scherzo (Abb. 141) hüpfen wir -- gleich
jenem -- wie elektrisiert vom Stuhl und lächeln, bei seinem Capriccioso
(Abb. 142) winden wir uns in schnörkeligen Verdrehungen, bei seinem
Adagio schneiden wir mit ihm lächerlich gerührte Gesichter, bei seinem
Fortissimo (Abb. 143) treten uns vor Staunen die Augen aus den Höhlen,
und zum Schluß klatschen auch wir Bravo, Bravissimo (Abb. 144).
Von den Werken der früheren Epoche Buschs ist »Hans Huckebein, der
Unglücksrabe« mir das liebste. »Ein monströses Vieh, wie ein böser
Traum.« Von späteren ziehe ich einzelnes aus den »Haarbeuteln« (der
Undankbare, der Silen), »Plisch und Plum«, »Die Knopp-Trilogie« und den
»Maler Klecksel« den übrigen vor.

[Illustration: Abb. 142. W. _Busch_: Der Virtuos. »Capriccioso.«
(Verlag von Braun & Schneider in München.)]

Busch ist eine Weltberühmtheit, seine Werke sind in viele Sprachen
übersetzt und haben eine große Zahl von Auflagen erlebt. In der
einfachen Ausdrucksfähigkeit seiner Zeichnung findet er in Alt-Europa
nicht seinesgleichen. Nicht einmal bei den -- von ihm so geliebten --
Holländern. Es mag eigentümlich klingen, aber die einzigen Künstler,
welche ich mit Busch vergleichen könnte, sind die japanischen Zeichner.
Keine äußerlichen Merkmale wie bei manchen Modernen -- welche die
Technik übernommen haben -- verbinden sie; aber sie haben bei aller
äußerlichen Verschiedenheit, eine innerliche Verwandtschaft, einen
Impressionismus der Kunst und des Striches. Von allen deutschen
Zeichnern und Humoristen des Jahrhunderts, all denen, welche für unser
Gebiet geschaffen haben, gebührt Busch die erste Stelle, als der
künstlerisch und geistig stärksten Potenz. Auch die hervorragendsten
anderen Künstler haben in der Karikatur nur ihre Zeit mit dem
Brennspiegel beleuchtet. Busch ist der erste und einzige, der uns in
seiner Kunst karikaturistisch die Kommentare gegeben hat -- zum Leben
des ~homo sapiens~, wie er ist, war und sein wird.

[Illustration: Abb. 143. W. _Busch_: Der Virtuos. »Fortissimo
vivacissimo.« (Verlag von Braun & Schneider in München.)]

[Illustration: Abb. 144. W. _Busch_: Der Virtuos. »Bravo, Bravissimo
...« (Verlag von Braun & Schneider in München.)]

       *       *       *       *       *

Mit dem Beginn der neunziger Jahre regte sich allenthalben Neues in der
Kunst -- und damit auch in der Karikatur. Man war müde des Gebotenen,
denn man empfand, daß es nicht mit der Zeit Schritt gehalten. Es trat
ein Bruch der Generationen ein. Die Jungen fühlten sich verlassen, das
Alte gab ihnen nichts mehr; aber vorerst hatten die Jungen nichts als
ihr Streben und ihre Sehnsucht. Bedrängt von den inneren und äußeren
Werten des Lebens, schrieen sie nach Entlastung. Sie wollten dem
Sein mehr Form und Inhalt geben, wie vordem, sie wollten nicht mehr
oberflächlich spielen mit dem Leben, sondern sich in seine Mysterien
versenken. Das graue, soziale Beieinander und Gegeneinander -- das
zugleich anlockte und abstieß -- fand seinen Gegenpol im Labyrinth der
Brust, in Träumen von junger Farbenschönheit, im Einspinnen in eine
Welt, in der andere Gesetze walteten, andere Wesen wandelten. Sie
wurden sensibel, die Jungen; nach außen wie nach innen wollten sie
vordringen. Alles wollten sie umspannen, alles sollte das Ihre werden,
ihnen den süßen Rausch der Kunst gewähren -- ihre Schmerzen, wie ihre
Wonnen, ihr grauer Alltag, wie ihre hellen Sommernächte. Und doch war
auch etwas von Kampf in den jungen Herzen, und von Selbstüberhebung,
wie sie der Kampf mit sich bringt. Erst fielen Worte, dann Thaten.

[Illustration: Abb. 145. _Th. Th. Heine_: Aus d'Aubecq »Die Barrisons.«]

[Illustration: Abb. 146. _Th. Th. Heine_: Aus d'Aubecq »Die Barrisons.«]

Man versenkte sich in das Wesen des Kunstwerks und seiner Wirkung,
man lernte in dem simplen Naturausschnitt das abgeschlossene Bild
erkennen, lernte noch einmal zeichnen, nicht im akademischen Sinne
der kalligraphisch-schönen Linie, sondern im Sinne der Japaner, in
genauester Beobachtung des Wesentlichen in Form und Bewegung, in
organischem Zusammenhang -- und doch vereinfachend, stilisierend -- mit
einem Hang zur monumentalen Auffassung; man lernte auch auf neue Art
sehen. Das Auge wurde empfindlich selbst für die feineren Intervallen
des Tones, und man stimmte die Werte vornehmer als früher, -- zu
deutsch: -- man lernte malen, man empfand die Freude an der Farbe.
Und zu dem kam noch, daß man der Forderung dekorativer Kunst, des
Flächenschmuckes, der Raumverteilung voll bewußt wurde.

[Illustration: Abb. 147. _Th. Th. Heine_: Aus d'Aubecq »Die Barrisons.«]

[Illustration: Abb. 148. _Th. Th. Heine_: Aus d'Aubecq »Die Barrisons.«
(Verlag von Schuster & Löffler in Berlin.)]

Die Schulung in Zeichnung und Farbe wurde eine allgemeine. Verstaubte
Regeln hing man an den Nagel; jeder trat als einzelner Kämpfer der
Natur gegenüber, sah sie in ihrem ewig wechselnden Spiel der Stimmungen
und suchte ihrer Herr zu werden auf seine Weise.

Der Reiz der Stimmung, des Unwägbaren, der Beziehungen der Dinge zu
einander -- eines Dorfes zu seiner landschaftlichen Umgebung, eines
Menschen zu seinem Wohnraum -- erschloß sich den Jungen. Mit einem
Wort: Der Reiz des Milieus. Ebenso wie der Reiz des Unmittelbaren,
Unfertigen, Halbempfundenen, Halbverschwiegenen, der Mache -- der Reiz
der künstlerischen Impression. Wir, die Beschauer, die Außenstehenden
lernten bald die persönliche Sprache der Zeichner schätzen, lernten uns
freuen an ihrer neuen, eigenartigen Stilistik.

All dieses Sehnende, Werdende: Liebe, Abscheu schroffer
Persönlichkeiten -- sprach sich auch besonders stark in der Karikatur
aus. Sie dehnte sich aus, wollte tiefer wie vordem in das politische
und soziale Leben Deutschlands eingreifen, und sie gewann an
künstlerischem Wert, indem sie sich enger und fester an das Dasein
anschmiegte, es reicher und besonders formvollendeter bespiegelte.

[Illustration: Abb. 149. _Heine_: Bilder aus dem Familienleben.

»Pfui, Cäsar, schämst du dich nicht, eine so schmutzige Hose in den
Mund zu nehmen!..« (Verlag von Albert Langen, München.)]

Es soll gewiß nicht geleugnet werden: diese junge Bestrebung, welche
oft ebenso rücksichtslos wie anspruchsvoll im »Simplicissimus«, in der
»Jugend« und dem gestrandeten »Narrenschiff« debütierte, die, wenn auch
ein wenig verflaut, in den »Lustigen Blättern« sich bewährt hat, die
im »Süddeutschen Postillon« unter der geschickten Leitung von Eduard
Fuchs sich künstlerisch hervorthut -- sie hat manchen Fehlgriff gethan,
viele zurückgestoßen durch einseitige oder absichtlich verzerrte
Betrachtungsweise. Sie muß noch weite Strecken sich unterthan machen,
wird noch manche Wandlungen erfahren müssen, noch lange Zeit vieles
und viele von sich abstoßen. Aber bei alledem hat sie Gutes geleistet,
Neues und Wertvolles geschaffen, in kurzer Lebensdauer eine Anzahl
starker Begabungen erweckt.

Schon durch die Neuerung des Druckverfahrens, die Zinkätzung, die
Anwendung einiger weniger Farbenplatten u. s. f., wurde der Karikatur
eine bisher ungeahnte Größe und Geschlossenheit der Wirkung gegeben.
Jetzt hieß es für diese neuen Mittel aus anderen Gesichtspunkten --
wie vordem -- schaffen. Jetzt mußte Wirkung, Fläche gegen Fläche --
und sei es auch nur in schwarz und weiß -- erzielt werden. Es mußte
interessante Fleckenverteilung bedacht, auf Gegensätze komponiert
werden.

[Illustration: Abb. 150. _Bruno Paul_: Mißraten.

»Sie hier? Nun, was ist denn aus Ihnen geworden, lieber Baumann?« --
»Ich bin Maler, Herr Rektor.« »Maler!? Ach und Ihr seliger Vater war
doch ein so braver, anständiger Mann ...« (Simplicissimus, Verlag von
Albert Langen in München.)]

Die Linie der Kontur gab in kräftiger Betonung mehr als früher, denn
ihrer Führung bleibt -- da Licht und Schatten jetzt nur untergeordnet
zur Geltung kommen -- die Modellierung überlassen. Und es ist
erstaunlich, wie schnell sich unser Auge dem angepaßt hat, wie wir dort
Rundung, Form, Bewegung sehen, wo nur Linie und Fläche gegeben ist.
Zwei andere wichtige Faktoren sind durch diese technischen Neuerungen
für die moderne Karikatur hinzugetreten. Dadurch, daß man den Dingen
wieder Farbe gab, lag es auch nahe -- das Stoffliche an ihnen zu
betonen. Man begann die Musterung der Kleider, sowie ihre rauhe oder
glatte Oberfläche, die Struktur von Holz und Stein -- soweit es mit
den einfachen Mitteln anging -- kenntlich zu machen. Und dadurch, daß
man auf anderer Seite in einer gewissen Beschränkung nur über wenige
Farben verfügte, wurde man auf das Wichtigste gelenkt: die »Stimmung«.
Und mit diesem Eindringen der Stimmung vollzieht sich erst die große
Umwandlung der Karikatur.

[Illustration: Abb. 151. _Rudolf Wilke_: Typen von der Waterkant.
(Münchener Jugend.)]

[Illustration: Abb. 152. _Rudolf Wilke_: Fraktion Schultze. (Münchener
Jugend.)]

[Illustration: Abb. 153. W. _Caspari_: Liebe mit Erfolg! Das
Rendez-vous. (Münchener Jugend.)]

[Illustration: Abb. 154. W._Caspari_: Liebe mit Erfolg! Der Kuß.
(Münchener Jugend.)]

Erst jetzt verstehen wir das Landschaftliche in seiner ganzen
Bedeutung, achten auf Intimität und Charakter; erst jetzt erfassen
wir ganz den Wert des Intérieurs, erst jetzt beginnt die Karikatur
ihre Wesen nicht mehr allein und losgelöst zu geben, sondern legt
gleiches Gewicht auf die Sphäre, die Umgebung, in welche ihre Gestalten
hineingehören, und welche mit ihnen gleichsam verwachsen sein muß. Erst
jetzt schafft die Karikatur in ihrem Sinne »Bilder«. Man könnte am
ehesten von einer »dekorativen« Bildwirkung der »modernen« Karikatur
sprechen.

[Illustration: Abb. 155. W. _Caspari_: Liebe mit Erfolg! Die Schwelle
der Ehe. (Münchener Jugend.)]

[Illustration: Abb. 156. E. _Neumann_: Dienstmänner. (Verlag der
Lustigen Blätter in Berlin.)]

Die Künstler haben sich schnell für die neuen Techniken eingearbeitet,
haben gelernt, zweckdienlich das Zeichenmaterial zu wählen, beginnen
mit Tusche und Deckweiß, Feder, Schabpapier und Messer zu arbeiten,
wieder die Spritzmanier zu verwenden; schaffen für Konturplatten,
Farbplatten und Halbtöne, und versuchen durch Kombinierung der
Verfahren reiche, schillernde Wirkungen zu erzielen. Mit dem
Vollbewußtsein der Künstler -- Neues sagen zu können, erweitert die
Karikatur ihre Kreise, gewinnt an Ausdehnung, wie an Tiefe.

Die engeren Kreise des Humors von vordem konnten nur einen geringeren
Typenreichtum aufweisen, sie hatten stets noch etwas von Schablone,
weil ihnen ernstes Naturstudium und damit die letzte Fähigkeit der
Variation fehlte. Die soziale Karikatur aber -- welche gleichmäßig
alle Gesellschaftsschichten umfaßt, hoch wie niedrig, -- hat uns einen
ungeahnten Typenreichtum erschlossen. Die soziale Karikatur zieht auch
wieder eine ganze Kette von Neueroberungen nach sich.

[Illustration: Abb. 157. B. _Wilke_: Engländer.

»Ich finde, das Turnen der Deutschen ist kein Sport, es ist eine
Gemütskrankheit ..«

(Simplicissimus, München.)]

Mit dem intimeren Studium der Technik muß Hand in Hand eine schärfere
Bespiegelung der wechselnden Moden in der Kleidung gehen, und diese
wird noch besonders durch den Farbendruck begünstigt.

Mit dem intimeren Studium der Typen vereint sich zu geschlossener
Wirkung nun die genaueste Kenntnis der Lebensbedingungen, all jener
Stilunterschiede in Wohnung und Umgebung, der flüchtigen Stimmung in
Landschaft und Straßenbild.

[Illustration: Abb. 158. E. _Thöny_: Der Leutnant. »Reich bin ich jrade
nich, aber blödsinnig bejütert ...« (Albert Langen, München.)]

Nicht nur unsere Thätigkeit, unser »äußeres« Leben, findet so seinen
Widerhall in der modernen Karikatur, auch unser »inneres« Leben,
unsere Geschmacksrichtungen in der Kunst, unsere Vorliebe für das
Landschaftliche verkörpern sich hier. Die ganze Sensibilität der Nerven
einer Decadence findet hier ihren Ausdruck, und sei es auch nur im Fluß
abstrakter Linien, ja man möchte fast sagen, daß die verschiedensten
litterarischen Richtungen sich hier wiederfinden. In Heine z. B.
die Unerbittlichkeit der Norweger und ihre glühend eigenartige
Phantastik, in Baluschek etwas vom Berliner Vorstadtroman u. s. f. Am
auffallendsten aber ist das wunderbare Verständnis einiger moderner
Zeichner für die Biedermaierzeit -- jene Zeit der Romantik, der wir
uns heute wieder litterarisch so nähern, mit dem Zurückgehen auf
Anfängliches in der Kunst, der Vorliebe für das Märchenhafte, der fast
übergroßen Empfindsamkeit der Natur gegenüber, dem Winkelig-Bizarren im
altertümlichen Stadtbild.

[Illustration: Abb. 159. _Wilhelm Schulz_: Die Sippe. (Simplicissimus,
München.)]

Über das Wesen der modernen, deutschen Karikatur, wie ihrer
Hauptkünstler, ist einiges von Johannes Schlaf, Franz Servaes
und dem Verfasser geschrieben worden. Sie haben in breiterer
Ausführung versucht, diese Errungenschaften zu werten. Die moderne
Karikatur schafft an zwei Centren, München und Berlin. München mit
»Jugend«, »Simplicissimus«, »Süddeutschem Postillon«, Berlin mit dem
gescheiterten »Narrenschiff«, dem auch nur kurzlebigen »Münchhausen«
und dem illustrativ tüchtigen Organ der »Lustigen Blätter«. Aber
die wirkliche Berliner Karikatur, welche heute mit einem Schlage
hervorzuzaubern wäre, und für die genug lebensfähige Ansätze sich in
den letzten Jahren schon gezeigt haben, sie hat auch heute wieder keine
Stätte zur Entfaltung, und so müssen wir Berliner -- wie ehemals aus
den »Fliegenden« -- wieder von München her eine künstlerische Nahrung
in uns aufnehmen, welche uns doch nie und nimmer Brot werden kann. Der
Einfluß, den diese Münchener Blätter auf die gesamte deutsche Karikatur
und das Illustrationswesen in Deutschland geübt haben, wird ihnen immer
zum Ruhm gereichen, -- wenn auch vielleicht einmal die Zeit kommen
wird, wo sie als Organe abgewirtschaftet haben werden. Von der »Jugend«
ist dies weniger bald zu erwarten, denn sie ist nicht so einseitig
tendenziös -- man möchte sagen -- so fortschrittlich reaktionär --
wie der »Simplicissimus«, in dem sich, ganz abgesehen von der manchmal
unliebsamen, nicht immer unanfechtbaren Tendenz, in letzter Zeit bei
den gewiß hochbefähigten Zeichnern eine gewisse Erstarrung bemerkbar
macht. Die künstlerische Eigenart mancher ist drauf und dran, Manier zu
werden.

[Illustration: Abb. 160. _Arpad Schmidhammer_: Zu »Der Neue Plutarch«.
Goethe und Fräulein von Göchhausen. (Münchener Jugend.)]

[Illustration: Abb. 161. _Arpad Schmidhammer_: Zu »Der Neue Plutarch«.
Schiller und Goethe. (Münchener Jugend.)]

[Illustration: Abb. 162. _Eugen Kirchner_: »Faß' Moritzche an, geht vor
und rechnet ein Bißchen zusammen ...« (Fliegende Blätter, München.)]

Aber dieser augenblicklich etwas schiefe Stand der Dinge hindert -- bei
aller gegensätzlichen Stellung! -- in keiner Weise, anzuerkennen, was
uns bisher von München aus, rein künstlerisch, geboten worden ist. Vor
allen Th. Th. Heine; er ist als moderner Zeichner auch für all die,
welche er durch seine Bitterkeit gegen sich hat, eine interessante
Erscheinung und kann in künstlerischer Potenz nur mit Oberländer und
Busch zusammen genannt werden. Zweifellos ist er am Studium der Japaner
und an dem englischer Stilisten, -- besonders des genialen, so früh
verstorbenen Schwarz-Weiß-Künstlers Aubrey Beardsley -- erstarkt. Aber
Heine hat eine vollkommene eigene Sprache der Stiftführung gefunden
und hat es verstanden, das Leben in seiner ganzen Vielgestaltigkeit
in seine herben Linien zu pressen. Er hat einen wunderbar scharfen
Blick für das Charakteristische an Menschen, Dingen, Landschaft und
Kunstepochen; und er stellt alles hin, hart wie in Stein geschnitten.
Zu Heines Sinn für kleine und feine Eigenarten und Merkmale der
Gesellschaftsstände und Rassen kommt noch das eingehende Verständnis
für das passende Milieu, die passende Umgebung hinzu, -- ein
Verständnis, das mit seinem ganzen Scharfblick geradezu einer geistigen
Analyse gleich kommt. Immer wieder wird man bei Heine erstaunen über
die Einfachheit des Vortrages, das Feste, die Sicherheit, wie über die
Vielfältigkeit in der Darstellung von Gemütsbewegungen jeder Art, von
einfachen bis zu feineren, komplizierteren, auch dann, wenn man sich
selbst mit seiner Richtung nicht befreunden kann, ja, derselben schroff
gegenübersteht.

Aber diesem tiefen Eindringen, dieser scharfen, oft unerfreulichen
Erkenntnis des Realen gegenüber steht bei Heine eine märchenhafte,
glühend eigenartige Phantastik, mit Fabelwesen, Höllenherrschern,
Drachen und Schrecken, Ausgeburten einer überregten Einbildungskraft;
und seiner ätzenden Satire gegenüber, die ihm so viele Feinde
geschaffen, steht bei Heine eine Sehnsucht nach Schönheit der Form und
Linie, ein Sinn für Anmut und Vornehmheit.

[Illustration: Abb. 163. _Anonyme Karikatur auf die
Frauenemancipation_. (Süddeutscher Postillon, München.)]

Auch in der Ornamentik, im Buchschmuck hat Heine eine eigenartige
Linienkarikatur geschaffen, und das Werkchen: Die Barrisons von Aubecq
(Lindner) war für uns im gewissen Sinne bahnbrechend (Abb. 145-148).
Heines Weltanschauung ist die Karikatur, und so hat er auch das
Plakat ihr unterthan gemacht, ja, er wählt selbst für seine Bilder
karikaturistische Vorwürfe. Er hat sich an alle Gesellschaftsschichten
mit seiner stets bissigen Kritik gewagt. Bleibend werden wohl die
»Bilder aus dem Familienleben« sein (Abb. 149 u. Einschaltbild zw.
S. 120 u. 121). Sie sind im letzten Grunde noch diktiert von den
Gefühlen des Abscheus, die der Künstlergeist vor den kleinen Kreisen,
der Roheit und Engherzigkeit der Philister hat, und es steckt in ihnen
ein Stück modernster Philosophie. Was aber an den Dingen seinerzeit
so überraschend wirkte, war das Stilgefühl, das feine Abstimmen der
Intérieurs und das Hineinpassen der Menschen in ihre Umgebung. So tief
war man vordem noch nicht in die Äußerungen des Lebens eingedrungen;
es war bei aller absichtlichen Verfärbung doch mehr Wirklichkeit, mehr
Sehen und Erfassen in den Dingen, und weniger Grübeln und Sentiments
über sie, wie vordem.

Etwas von unserer modernen Ruhelosigkeit, der Gehetztheit, der
Zerrissenheit, Unzufriedenheit ist in Heines Welt, wie etwas von
den starren Linien, welche uns erst die Maschine gegeben, in seiner
Zeichnung. Und dem gegenüber scheint sein reiches Verständnis,
das er dem nervösen, perversen Rokoko, dem wohlanständigen,
glatt-langweiligen Empire, dem müden Ausklingen alter Schönheitsstile
entgegenbringt -- wie ein leiser Spott, wie ein absichtliches
Zurückflüchten. Aber gerade in jenem halb spöttischen Zurückflüchten
lebt sich sein inniger Schönheitskult aus, da schwelgt er in Linien,
da berauscht er sich am zarten Duft müder, verblaßter Farben. Ich mag
begreifen, daß man nicht ein Freund Heines sein kann, auch daß man kein
Verständnis für das dekorative Streben seiner Kunst offenbart, aber man
mag denken über ihn wie man will, dem Reiz der Persönlichkeit wird man
sich nicht verschließen können.

[Illustration: Abb. 164. _Hans Baluschek_: »Er und Sie.« (Narrenschiff,
Berlin.)]

Das Gleiche gilt von Bruno Paul. Auch die Tendenz seiner Kunst mag man
verdammen und in ihr nur Verderbliches sehen, seine Künstlerschaft
steht auf einem anderen Felde. Heine ist Meister in der Führung der
Linie, Paul in der Anordnung der Fläche. Er vereinfacht im Plakatstil
und erzielt in manchen Blättern Wirkungen von gewaltiger Kraft.
Paul scheut im Gegensatz zu Heine nicht vor Übertreibung zurück,
er ist vielleicht in der Tendenz noch herber wie sein Vorgänger,
noch ernster, großzügiger. Er haßt geradezu die Menschen; in seiner
Betrachtungsweise liegt etwas von Verachtung. Aber mit dieser grotesken
Satire vermischen sich zu eigenartiger Wirkung künstlerische Qualitäten
von hoher Schönheit: ein Zeichnenkönnen, ein malerischer Sinn, ein
Liniengefühl, herb, hart, ernst, wie seine ganze Betrachtungsweise.
Paul ist derjenige von den Künstlern, der am meisten Stil besitzt,
am tiefsten empfindet, und auch in seinen Schmerzen walten Schönheit
und Größe. Paul ist ehern, unerbittlich, schwerfällig; nicht leicht
beweglich wie Heine, nicht geistreich wie jener: wenn jener manchmal
lächelt, vielsagend spöttisch, so lacht Paul bitter und anklagend,
lacht aus Haß. In Pauls Welt fällt kein Hoffnungsschimmer, kein
Kinderlachen, kein Sonnenblick; selbst die Kinder sind kleine, arme
Proletarierwürmer, dickköpfige Tiere mit bösen Augen wie Gnomen,
denen ihre Laufbahn vorgeschrieben ist, und die schon frühzeitig alle
Laster, bis herab zum Alkoholismus kennen lernen. Pauls Arbeiter sind
geistlose Maschinen, in Menschenform aufgestapelte Energien, roh,
massig, -- mit Riesenpranken und Füßen von ~x~ Quadratmetern Fläche. --
Seine ganze mitleidslose Kunst ist wie die Wilkes ein Zurückflüchten,
eine Verteidigung ihrer leicht verletzlichen Seelen vor dieser
unerbittlichen Welt, die ihnen täglich mit ihren rohen Bildern breite,
blutende Wunden schlägt.

[Illustration: Abb. 165. K. _Schnebel_: Der Gast. (Verlag der Lustigen
Blätter, Berlin.)]

Wilke ist Paul verwandt, doch etwas beweglicher, geistiger. Auch er übt
eine herbe Kritik, ist voll Bitterkeit und Verachtung. Seiner Karikatur
fehlt absichtlich jede äußere Schönheit, seine Typen sind unerfreulich,
von mürrischer Häßlichkeit. Aber trotz dieser Häßlichkeit ist er von
überraschend scharfer Charakteristik. Wie Wilke als Mensch etwas
weicher ist, als Paul, so ist er auch als Künstler ein wenig intimer.
Seine Kunst hat nicht das ewige ~forte~ des Gefühles. Wilkes Art zu
sehen ist vielleicht noch malerischer, als die seines Vorgängers, und
wie er die Dinge in den Raum einfügt, wie er stets eine abgerundete
Bildwirkung erzielt, ist von äußerster Feinsinnigkeit; zu all dem kommt
noch sein starkes, eigenartiges zeichnerisches Vermögen. Geben die
beiden Proben aus der »Jugend« mehr Beweise seines malerischen Sinnes,
so ist der »Engländer« (Abb. 157) ein Beweis für sein eminentes,
zeichnerisches Können, sein eingehendes Naturstudium. Wie viel
Formverständnis steckt hier in dieser harten, breiten Linie. Seiner
Zeit erschien diese Zeichnung neben einer Einzelfigur Thönys, und der
geistvolle Thöny erschien daneben flau und unfähig. Wenn wir auch Wilke
geistig nicht unter die ersten der ~Fin de siècle~-Karikaturisten
rechnen können, so verdient er künstlerisch diese Stelle. Zu den
eigentlichen Karikaturisten müssen wir auch noch _Walter Caspari_
rechnen, den wir hier nur als Schöpfer witzigen Buchschmuckes
(Abb. 153-155) betrachten wollen. Er ist ein feines, zartes Talent,
überaus zierlich in seiner beabsichtigten Naivität. Er hat sich in das
Empire, den Biedermaierstil, völlig eingelebt, und es ist ihm geglückt,
zu einem eigenartigen Stil zu gelangen, dem Stil der Münchener
Decadence. Wenn Caspari auch keine gleich kräftige Erscheinung ist, wie
seine Vorgänger, so ist er doch ein liebenswürdiges Talent, an dessen
schalkhaftem Humor man seine Freude haben kann.

[Illustration: Abb. 166-168.

_Edmund Edel_: Aus der Philharmonie.

(Verlag der Lustigen Blätter, Berlin.)]

Der stilisierenden Karikatur, welche Wesen und Dinge unter bestimmtem
Gesichtswinkel sieht, sie in bestimmte, feste Formen preßt, steht
im »Simplicissimus« die eigentliche Gesellschaftsschilderung in
Thöny, Heilemann, Reznicek gegenüber. Es ist im Grunde die gleiche
Betrachtungsweise, welcher wir schon bei Marold begegnet sind. Nur
gesehen aus einer anderen Tendenz, geschaffen mit anderen Mitteln, für
andere Vervielfältigungsarten. Die Künstler bemühen sich ein möglichst
getreues Abbild von Kleidung, Sitten, Typen der Gegenwart zu geben,
bemühen sich, der Psychologie dieser Erscheinungen nachzugehen. Die
Tendenz der Gesellschaftsschilderung ist eine schärfere geworden,
wie vordem. Und doch steckt unter all dem Spott, all den Angriffen,
bei den Zeichnern die Freude an aristokratischen Gestalten und
aristokratischen Lebensgewohnheiten. Thönys »Der Leutnant« (Abb. 158)
zeigt ein feineres, eingehenderes Verständnis für Uniformen und
Offizierstypen, für alle Äußerungen ihrer Lebensführung, als jede
frühere Militärkarikatur, übertrifft an psychologischem Verständnis bei
weitem die Arbeiten von Nagel oder Schlittgen; aber nicht allein für
den Offizier in der Karikatur hat Thöny das erlösende Wort gesprochen,
auch noch eine ganze Reihe von Ständen und Kreisen hat er unserer Kunst
erobert. Alte, feudale Sektonkel, wie freche, prunkende Kokotten,
Dachauer Bauern und Tiroler Naturburschen -- ein ganzes Zauberrad voll
Typen hat er an uns vorüberziehen lassen, eine nach der anderen, in
rascher Folge. Als geistige Macht, als feinsinniger Kulturschilderer
muß Thöny anerkannt werden, als Künstler und Zeichner scheint er mir
aber vielfach überschätzt; es steckt etwas von Schablone, etwas von
Auswendig-Gelernthaben in seiner Technik und Formengebung.

Heilemann ist insofern interessant, daß er eine ganz eigene
Gesellschaftssphäre karikaturistisch beleuchtet. Den Deutsch-Amerikaner
mit seiner hageren, langen Eleganz und seiner blasierten
Regungslosigkeit in dem hübschen, langweiligen Gesicht. Vor allem
treffliche Kleiderstöcke, stets nach neuester Mode behangen; ja
Heilemanns Damen haftet sogar etwas vom Typus »Modejournal« an.
Heilemann lebt in Berlin, und die Modelle für seine Kunst haben sich
in letzter Zeit hier bedenklich vermehrt, so daß seine Karikatur für
uns nicht ohne Bedeutung ist. Er ist vielleicht auch der raffinierteste
Zeichner dieser Gruppe, aber seine Kunst läßt den Beschauer vollends
kalt.

Reznicek zeigt den Einfluß, den die Wiener Mode auf Süddeutschland
ausübt, und besitzt etwas Leichtgeschürztes, eine gewisse bestechende
Grazie, die uns an das »Brettl« gemahnt, chic, liebenswürdig und
oberflächlich.

[Illustration: _Th. Th. Heine_: _Bilder aus dem Familienleben_. »Papa,
was willst Du eigentlich 'mal werden?« (Albert Langen, München.)]

Hier möchten wir auch gleich E. Neumanns gedenken, von dem wir eine
Arbeit aus den »Lustigen Blättern« (Abb. 156) bringen. Weil Neumann
nichts Augenbestechendes besitzt, wird er weniger geschätzt, und doch
bietet er uns technisch, sowie in seiner vornehmen Betrachtungsweise
reiche, ästhetische Genüsse.

[Illustration: Abb. 169. L. _Feininger_: Hohenlohe und Chronos
(bezüglich der Aufhebung des Vereinsgesetzes). (Ulk, Berlin.)]

Die Gruppe der Neu-Romantiker mit Eichler, Münzer, Georgi, welche durch
die »Jugend« ihre intimen Schöpfungen uns mitteilte, gehört kaum noch
in unser Gebiet. In ihr setzen sich die künstlerischen Absichten eines
Richter und Schwind fort, wenn auch in anderer Weise, getragen von
einem modernen, verfeinerteren Empfindungsleben. In den Neu-Romantikern
spiegeln sich die junge, neuerwachende Poesie, das innige Sicheinleben
in die Zauber von Wald und Feld, von hellen Mondnächten und stillen
Weihern mit weißen Wasserrosen. Sie haben ihr Gegenspiel in der
jung-deutschen Lyrik, die in einem Eichendorff, Hölderlin, Mörike heute
die ersten Deuter ihres inneren Lebens sieht. Und doch spielt etwas
von einer karikaturistischen Betrachtungsweise mit hinein in die Werke
unserer Zeichner, ein leiser Anflug von Humor, ein leiser Anflug von
Spott über sich selbst, wie ihn stets der Gegensatz im Soll und Haben
unseres Lebens ergibt. Aber mit mehr Recht als die Vorigen gehört
Wilhelm Schulz in unsere Besprechung. Was sich in den Märchenbildern
dieses Künstlers ausspricht, hat vordem noch nicht seinesgleichen
gefunden. Hier tritt mit einemmale eine neue Linie in das Bild unserer
Kunst-Entwickelung. Es ist etwas von dem Volksmärchen, das in Schulz
nach bildlicher Gestalt und nach wörtlichem Ausdruck ringt. Nicht der
süddeutsche Wald, noch die bizarren Linien in Feld und Berg sind es,
nicht Nixen und putzige Kobolde, nicht Dryaden und gute Feen, sondern
es ist die öde, kahle Heide in einfacher, trauriger Schönheit; es ist
das halbreife, schmächtige Prinzeßlein, das sehnsüchtig in die Weite
schaut, es ist der junge, unschuldige, täppisch starke Ritter, der
Parzival, der ausreitet, suchend, in die Welt, nur mit ungestilltem
Sehnen im Herzen. Schulz ist ein Märchenseher. Die einfachen Dinge
des Lebens, ein Mädchen, das seinen Kranz verliert, ein junges
Ding, das einen Alten heiraten muß, ein armer Jüngling, der sein
Bestes bei einem jungen Weib verliert, all das formt sich ihm um zu
Märchenklängen, eint sich mit seiner stillen, großen Naturandacht. Das
alte Lüneburg ist seine Heimat, in der Heide erlebt er seine Träume,
und die altertümliche, eckige Tracht, wie sie uns in den schnurrigen
Holländern der Tulpenzeit begegnet, mit großen Hüten, langen, glockigen
Röcken, mit Aufschlägen an den Ärmeln, mit Mühlsteinkrausen --
verbindet er zu einer eigenartigen Märchenphantastik mit den Trachten
der beginnenden Renaissance. All seine Märchenwesen haben etwas von
Karikatur, etwas Scheues, Eckiges, Winkeliges, und wir möchten lachen,
wenn wir ihnen im Leben begegnen. Und doch sind sie wieder von einer
merkwürdigen Anmut. Jedenfalls ist Schulz eine der eigenartigsten
Erscheinungen der Moderne. Auch er besitzt das starke, zeichnerische
und malerische Können, eine suggestive Kraft des Vortrages. Er hat auch
einige großzügige, soziale Satiren geschaffen, und der »Dreibund wie er
ist und werden wird«, »Der Krieg vertreibt Handel und Gewerbe« gehören
mit zu den gedanklich-größten und ernstesten Schöpfungen der Moderne.
Manches von Schulz wie die »Heidehochzeit«, »Waldmittagszauber«, »Die
Sippe« muß -- so denkt der Verfasser wenigstens -- seinen Wert behalten
(Abb. 159).

[Illustration: Abb. 170. _L. Feininger_: Eingeregnet. (Narrenrad,
Sonderheft des Narrenschiff, Berlin.)]

[Illustration: Abb 171. _L. Feininger_: Großpapa auf dem Rad.
(Narrenrad, Sonderheft des Narrenschiff, Berlin.)]

[Illustration: Abb. 172. _L. Feininger_: Sylvesterspuk. (Narrenschiff,
Berlin.)]

Unter den Karikaturisten der »Jugend« verdienen Kubinyi mit seinen
Variété-Typen und der politische Zeichner Arpad Schmidhammer Erwähnung.
Schmidhammer ist witzig und von kräftiger, persönlicher Handschrift.
Seine Zeichnungen zum »Neuen Plutarch« (Abb. 160 u. 161) machen uns
lachen durch die einfache, energisch-komische Charakteristik. Auch die
»Fliegenden Blätter« verfügen über einen Zeichner, welcher in der Art
seiner Begabung unter den Künstlern dieses Blattes einzig dastehend
ist, und dessen wir erst hier unter den ~Fin de siècle~-Karikaturisten
gedenken wollen. Es ist Eugen Kirchner. Kirchner ist kein Satiriker
großen Schlages. In den »Fliegenden« möchte ihm auch nicht der Raum
für eine solche Bethätigung geboten werden. Aber Kirchner besitzt
einen durchaus persönlichen Stil, die Gabe, Studien nach dem Leben in
eigener Weise zu verarbeiten, und Typen von individueller Zeichnung
bei vorzüglicher Komik der Auffassung zu schaffen. Die beigegebene
Illustration ist von so reifem Verständnis der Rasse, von so sicherem
Blick für das Lächerliche und zugleich Typische in der Kleidung dieser
Mitbürger, ist so voll von der schmunzelnden, witzelnden Behäbigkeit,
welche diesen sonnabendlichen Spaziergängen eigen ist, daß wir das
Bildchen nicht ohne laute Ausbrüche unserer Lustigkeit in Augenschein
nehmen werden. Auch für alle Reize moderner Landschaft ist Kirchner
empfänglich. Bei ihm hat sich der Humor noch nicht zur Satire
verhärtet, und deshalb ist er eine der wohlthuendsten Erscheinungen
unter den modernen Karikaturisten (Abb. 162).

Weniger Beachtung findet das in München erscheinende, sozialistische
Witzblatt, der »Süddeutsche Postillon«, welches von dem vorzüglichen
Karikaturenkenner Eduard Fuchs geleitet wird. Die Zeichner dieses
Blattes bleiben meist anonym. Ganz abgesehen von der Tendenz muß
zugegeben werden, daß dieses Blatt vielleicht das einzige deutsche
Blatt ist, welches in der politischen Karikatur durchweg Stil zeigt,
kräftig und großzügig ist in allem, was es gibt. Wir bringen an
dieser Stelle nur ein Spottbild (Abb. 163), welches der »Süddeutsche
Postillon«, anläßlich eines Ausspruchs einer »Genossin« auf dem
Parteitage, brachte. Eine der kräftigsten und witzigsten bildlichen
Äußerungen über Frauenemanzipation.

[Illustration:

Abb. 173. _Franz Christoph_: Serenissimus auf der Saujagd.
(Narrenschiff, Berlin.)]

»Meggendorfers Humoristische Blätter« mit der Redaktion München und
Wien sind auch farbig ausgestattet. Jedoch wirken das glatte Papier und
der manchmal etwas langweilige Buntdruck süßlich. Unter den Talenten
zweiten Grades, welche in diesem Blatt sich bethätigen, ragen als
moderne Erscheinungen Zwintscher und Margarete Ade hervor. Zwintschers
Eigenart gedachten wir schon anläßlich Ludwig Richters, mit dem ihn
zwar keinerlei äußere Ähnlichkeit, aber doch etwas wie eine innere
Verwandtschaft verbindet. Vor fünfzig Jahren wäre vielleicht Zwintscher
ein Ludwig Richter geworden -- und Richters Kunst hätte nach fünfzig
Jahren etwas vom Gewand Zwintschers erhalten. Willi Pastor hat in einem
Essay die Eigenart Zwintschers gut getroffen, wenn er auch in dem
Werdenden schon einen Gewordenen sieht. Die liebenswürdige, bizarre,
lustige Margarete Ade ist die einzige Dame, der wir in unserem Buch
Erwähnung thun, und es freut uns zugeben zu können, daß ihre Eigenart
etwas durchaus Selbständiges besitzt.

[Illustration: Abb. 174. F. _Jüttner_: Dreyfußkarikatur. (Verlag der
Lustigen Blätter, Berlin.)]

Hat die moderne Münchener Karikatur in den letzten Jahren in
Deutschland, und wohl auch noch außerhalb des Reiches von sich reden
gemacht, so ist die Berliner Karikatur, dank der Indifferenz des
Berliners, kaum an ihrem Geburtsort bekannt geworden. Der Versuch, im
»Narrenschiff« ein Organ zu gründen, welches typisch für das Leben der
Weltstadt am Ende des Jahrhunderts sein sollte, scheiterte, desgleichen
der des »Münchhausens«; heute sehen wir erst, was es uns gegeben hat,
und wünschten wohl in neuerer, reiferer Form eine Fortsetzung des
Unternehmens, mit seinen Vorzügen, aber ohne seine Fehler.

Berlin ist eine Stadt mit ganz eigenem Gepräge, eigener Stimmung,
eigenen Geschehnissen. Die Worte Eichlers sind zur Wahrheit geworden;
das alte, behäbige Berlin mit Eckenstehern und Weißbierstuben, mit
Gardeleutnants, Philosophen und Linden-Stutzern, mit Schauspielerkult
und ästhetischen Thees ist verschwunden. Die alten Werte haben sich
umgeprägt, aber die neuen sind noch künstlerisch unerschlossen. Gewiß,
es erscheinen ja dutzendweise »Berliner« Romane, »Berliner« Skizzen;
aber wie wenig treffen meist gerade diese litterarischen Erzeugnisse
das heutige Lokalkolorit. Wie triefen sie von falscher Sentimentalität,
glauben mit einigen Schlagworten, einem mißverstandenen Jargon alles
gethan zu haben. Entweder sehen sie nur die leuchtende, lustige
Weltstadt, in der sich die Fremden vergnügen, und in der Berlin von
einigen tausend jungen Nichtsthuern und ihrem weiblichen Verkehr
repräsentiert wird, oder sie sehen das Ungeheuer »Weltstadt«, den
schwarzen Sündenpfuhl, in dem die Existenzen versinken. Entweder kennen
sie nur die Welt, in der man ißt, trinkt, protzt und spekuliert, heute
auf Gummirädern und morgen im »grünen Wagen« fährt, oder sie schaffen
eine sozialistisch-tendenziöse Elendskunst, wo der schwere Tritt der
Arbeiterkolonnen hineinschallt in das sich mästende Protzentum der
Fabrikbesitzer, die sich von »Blut und Schweiß« der Lohnsklaven nähren
und in »Völlerei« die Angst vor der Vergeltung zu übertäuben suchen.
Wie wenig ist das unser Berlin, die Stätte des Fleißes und des Kampfes!
Die Dramen unserer Stadt vollziehen sich anders, schöner, bitterer,
oft auch unendlich roher, als diese Herrn sich träumen lassen. Das
Malerische der Steinwüste, die großen, einheitlichen Stimmungen in
den sauberen Straßenzügen, die eigenartige Melancholie der weiten
Armenviertel des Vorstadtringes, das Humoristische, Bitter-Satirische,
das Tragische des dortigen Lebens, es ist schärfer, bestimmter im
Schnitt, als jene Künstler es erkannt haben. In der bildenden Kunst
macht sich fast nur in der Berliner Karikatur eine beginnende Umwertung
bemerkbar. --

Der Maler Skarbina, dem nachgesagt wird, daß er Berliner Lokalkunst
repräsentiere, trägt zuviel von der Lebensanschauung seiner Pariser
Lehrmeister hinein, sieht dort Chic und Grazie, delikate, malerische
Reize, wo Herbheit der Töne, harte knöcherne Formen vorherrschen.
Anders Hans Baluschek. Seine Kunst hat wie jede, die auf Berliner
Milieu, Berliner Boden erwachsen, einen durchaus karikaturistischen
Grundzug. Baluschek ist der eingehendste Schilderer des Vorstadtrings,
der Gegend, in der armselige Zeichen großstädtischer Kultur und
eine magere, früh entblätterte Natur -- mit verstaubten Bäumen und
verbrannten Grasflächen -- zusammenprallten, wo halbfertige Neubauten
stehen, und auf noch unbebauten Grundstücken Arbeiterfrauen am
Nachmittag ihre kleinen, im Sande spielenden Göhren beaufsichtigen.
Baluschek schildert den Arbeiter, aber nicht den, welchen die Arbeit
geadelt hat, wie den Bergmann Meuniers, sondern den, welchen sie müde
und stumpf gemacht hat, hart und roh (Abb. 164). Oder er schildert die
Deklassierten, welche abseits stehen und in Hunger und Laster ihr Leben
dahinbringen, abgejagt, ruhelos, ohne Aussicht auf Zukunft, nur den Tod
vor sich. Und doch liegt es über all diesem Ernst wie der Hauch einer
wehmütigen Poesie. Nichts von einer Romantik, scheinbar kein Mitgefühl,
und -- doch Poesie. Der Typus seines Menschen ist nicht der des
eigentlichen Berliners -- höchstens die Kinder mögen schon hier geboren
sein -- sondern der des in den letzten Jahrzehnten eingewanderten
Ostdeutschen, jener kulturlosen, harten, arbeitsamen Massen, die uns
täglich und täglich mehr zuströmen und der Bewohnerschaft der äußeren
Stadt schon einen anderen Typus, eine veränderte Zusammensetzung geben.
Baluschek schreitet stets fort; er wird einmal einer der wenigen
Berliner Künstler von kulturhistorischer Bedeutung sein.

Mit der Art seiner Darstellung sich zu befreunden, fällt nicht leicht.
Sie ist hart, hölzern, gegensätzlich, bei erster Betrachtung ohne jede
intimen Reize. Und doch muß man zugeben, daß gerade sie für das, was
sie bespiegelt, die einzig wirksamen Mittel enthält.

Eine gewisse Verwandtschaft mit Baluschek zeigt Karl Schnebel
(Abb. 165). Ja, er ist vielleicht noch tendenziöser wie sein Vorgänger,
Schnebel ist technisch interessanter, aber geistig und kulturell nicht
von gleicher Bedeutung für uns. Doch er möchte sich bei geeigneter
Beschäftigung überraschend entwickeln.

Auch Edmund Edel -- der, wie Schnebel, vorzüglich Plakatzeichner
ist -- hat Blätter von echtem Lokalkolorit geschaffen. Er besitzt
eine stark satirische Ader und sieht den rassereinen Emporkömmling
von Berlin W. in treffender Charakteristik, macht sich geschickt
über dessen geheuchelte, künstlerische Interessen, die ihm ebenso
wie die raffinierten Abfütterungen zu schalem Lebensgenuß gehören,
lustig. Auch Edel möchte an geeigneter Stelle sich entwickelungsfähig
zeigen. So brachte er z. B. in den »Lustigen Blättern« einmal eine
Reihe Karikaturen aus dem philharmonischen Konzert, welche zum
ersten Male mit gutem Recht die verschiedensten Arten der Berliner
Musikenthusiasten -- vom Entrepreneur, dem Virtuosen, bis herab zum
gestrengen Fachkritiker, zum Anglo-Amerikaner, dem Wunderkind, der
blond bemähnten Hochschülerin, welche »selbst nichts kann, aber
viel versteht« -- durchhechelten. Drei vorzügliche Zeichnungen des
Dirigenten mit der Künstlerlocke und den schönen Händen, für den
sämtliche Backfische, von den jüngsten Jahren bis in das höchste
Greisenalter schwärmen, haben wir beigegeben. Edels künstlerische
Qualitäten halten nicht vollends mit seinen geistigen Schritt, aber
auch er wird sich -- sobald sich die Berliner Karikatur hebt -- reicher
entwickeln (Abb. 166-168).

[Illustration: Abb. 175. F. _Jüttner_: Miquel als ~Little Titch~.
(Verlag der Lustigen Blätter, Berlin.)]

Der erste von den Berliner Zeichnern ist Lionell Feininger; wenn in ihm
als einem geborenen Deutsch-Amerikaner auch noch etwas von Yankeetum,
Snobbismus, ein Hang zu burlesker Übertreibung steckt, so hat sich
in ihm doch ein eigener typisch-berlinischer Stil herausgebildet.
Feininger ist jeder Aufgabe gewachsen, er schafft politische Blätter
von monumentaler Wirkung in kräftigen Gegensätzen, wie jenes »Hohenlohe
und Chronos« aus dem »Ulk«, er überstreut ebenso ein Blatt mit lustigen
Figürchen, krausen Einfällen einer spielerischen Zeichenkunst, wie
in ihm eine ganz eigene Märchenphantastik von zwingender Komik ruht.
Für alles, was mit dem modernen Maschinenwesen, mit der Technik, der
Schiffahrt in Zusammenhang, hat er ein eingehendes Verständnis; er
belebt wie ein Rudyard Kipling alte, dickhalsige Lokomotiven, die
mit glühenden Augen durch die Nacht schleichen, merkwürdig geformte
Luftschiffe, Tropensegler mit bauschig geschwellter Leinwand und
altmodisch verzwickter Takelage, wie moderne, weißgraue Kriegsschiffe,
eiserne, feuerspeiende Ungeheuer. Aber das Beste, was er geleistet,
hat er doch in der Karikatur des Radfahrers gegeben. Er ist der
Psychologe des Rades und des Sportsmannes, des Berufsfahrers, wie des
Kilometerfressers, überhaupt all derer, die sich auf der Maschine
fortbewegen, er hat diesen modernen Kulturfaktor karikaturistisch
gewertet, ebenso wie Nagel den Pferdesport. »Das Narrenrad«, eine
Sonderpublikation des »Narrenschiffes«, hat zu Unrecht wenig Beachtung
gefunden. Wie hier das Rad verstanden ist! Es ist keine einfache
Maschine aus Stahl, sondern es ist fast wie ein lebendes Wesen gesehen,
mit solcher Liebe und Freude, mit solchem Eindringen in alle seine
Eigenheiten. Feiningers Satiren auf den sportlichen Stumpfsinn, auf
jene eigentlich nutzlose Welt, gehören mit zu den besten Verspottungen
dieses ebenso nützlichen, wie in der Übertreibung unsinnigen Sportes.
In ihm steckt ein außerordentliches zeichnerisches Können, ein
außerordentliches Formenverständnis. Und gerade, daß seine, in allem
so durchaus moderne Begabung nirgends sich in den Dienst irgend einer
Tendenz stellt, stets sich ihre freie, rein künstlerische Anschauung
bewahrt, läßt uns an ihm eine reine Freude haben (Abb. 169-172).

[Illustration: Abb. 176. F. _Czabran_: Typen vom Rennplatz. (Verlag der
Lustigen Blätter, Berlin.)]

In Franz Christoph einen sich außergewöhnlich reiche Gaben. Er
ist als Künstler vollkommen Autodidakt, hat sich nur durch das
Kopieren japanischer Meister gebildet, hat sich einen eigenen Stil
der starren Linie geschaffen. Christoph ist noch härter als Heine,
verfügt über eine noch bitterere, prägnante Charakteristik. Als
früherer Schauspieler kommt ihm ein außerordentliches mimisches
Vorstellungsvermögen zu Gute, ein sich Einlebenkönnen in das innerste
Wesen fremder Charaktere. »Serenissimus auf der Saujagd« ist eine
der besten Karikaturen auf altertümelndes Hofschranzentum, eine der
stilvollsten und zugleich schärfsten Arbeiten der Moderne (Abb. 173).
Christoph verfügt über die schärfste Satire, und in Nebendingen seiner
Zeichnungen verbirgt sich oft die bitterste Kritik moderner Zustände.

Die »Lustigen Blätter« sind im Gebiet der modernen Karikatur für Berlin
ein halbwegs fortschrittliches Organ. Die meisten der oben erwähnten
Zeichner sind in ihnen vertreten. Für die politische Karikatur schaffen
Jüttner (Abb. 174, 175), Czabran (Abb. 176), besonders Jüttner versteht
es, seinen Aufgaben wirkungsvoll und ganz gerecht zu werden. Auch in
Bezug auf die farbige Ausstattung haben in letzter Zeit die »Lustigen
Blätter« gute Fortschritte gemacht.

       *       *       *       *       *

Wir haben gesehen, wie von schwankenden, zagen Anfängen die deutsche
Karikatur zu echter Eigenart erstarkte, wie der deutsche Humor in
reinen Formen den ganzen Reichtum der deutschen Volksseele bespiegelte.
Und mag nicht vielleicht der Humor, diese angewandte Lebensphilosophie,
ein Grundzug des deutschen Wesens, ja vielleicht der Grundzug des
deutschen Wesens überhaupt sein? Was war unser größter, deutscher
Künstler anders, als Humorist? Ja, ist nicht sogar in seiner Kunst
stark die karikaturistische Seite ausgesprochen? Die Steinmasken am
Museum zu Basel sind fast die einzigen Karikaturen in der Plastik.
Böcklin hat uns gezeigt, daß wir uns an den Dingen der Kunst, wie an
den Werten des Lebens einfach erfreuen sollen, und nichts ist ihm
verhaßter, als der Kritiker, der nüchterne Verstandesmensch, der
auf seine Paragraphenästhetik schwört und ohne Freude, ohne inneren
Zusammenhang, mit scharfer Feder über Kunst und Künstler herfällt.

[Illustration: Abb 177. _Arnold Böcklin_: Kritikermaske. (Basel,
Museum.) (Phot. Verlagsanstalt Bruckmann, München.)]

       *       *       *       *       *

Man hat lange Zeit der Karikatur eine untergeordnete Stelle im
Kunstleben zugewiesen. Sehr zu Unrecht. Die Karikatur hat den innigsten
Zusammenhang mit dem Leben, folgt jeder Wandlung und Schwankung,
und ihre führenden Vertreter stellen stets das fortschrittliche
Element dar, sind kühne Vorposten in dem Krieg, den die Kunst mit dem
Leben führt; vorwärts dringend eröffnen sie immer neue Gebiete dem
ästhetischen Genießen. Ihr Werk verdient um so größere Beachtung,
hat um so tiefere Bedeutung, da es naturgemäß durch die Art seiner
Verbreitung einer der wirksamsten Faktoren in der allgemeinen
künstlerischen Erziehung ist.



Sach- und Namenregister.


  A.

                                                             Seite

  Aberli (1723-1786)                                            25

  Achenbach, Andreas (1815)                                     51

  Achenbach, Oswald (1827)                                      51

  Ade, Margarete                                               124

  Ahrendts, Konrad (1855)                                       60

  Alexandre, Arsène (französischer Kunstschriftsteller)         54

  Allegorie des Krieges (1870, Kladderadatsch. Scholz)          91

  Allotria (München 1882)                                       57

  Änëide (Blumauer)                                             18

  Antizeitgeist, der (Karikatur von Volz)                       28

  Atlas der grotesken Komik                                     14


  B.

  Baluschek, Hans (1870)                                        17

  Bayersdorfer, Adolf (Kunstgelehrter, gest. 1901)              81

  Beardsley, Aubrey (engl. Stilist von markanter
    Eigenart, gest. um 1895)                                   116

  Bechstein, Ludwig (1843, Fliegende Blätter)                   68

  Berliner Witze von Franz Burchardt Doerbeck,
    erschienen bei Gropius                                      24

  Berliner Redensarten von Franz Burchardt
    Doerbeck, erschienen bei Gropius                            24

  Berlin, wie es ißt und trinkt, von Glasbrenner,
    erschienen bei Jakowitz, Leipzig                            32

  Berliner Krakehler (1848)                                     36

  Berliner Großmaul (1848)                                      49

  Berliner Charivari (1848)                                     49

  Berliner Typen von Franz Burchardt Doerbeck,
    erschienen bei Gropius                                      51

  Berliner illustrierte Montagszeitung von Glasbrenner          56

  Berliner Dorfbarbier (1879)                                   56

  Berliner Feuerspritze (1853-1856)                             56

  Berliner Wespen (Stettenheim, Berlin)                         56

  Bilderbogen (Busch)                                          103

  Blätter, Fliegende                                             8

  Blum, Hans (Geschichte der Revolution
    1848), Leipzig 1898                                         43

  Blumauer, Aloys (1755-1798, Schriftsteller)                   18

  Böcklin, Arnold (1827-1901)                                  128

  Börne, Ludwig (1786-1837, Schriftsteller)                     40

  Bötticher, Georg (Kunstschriftsteller)                        68

  Brandt (Zeichner des Kladderadatsch)                           8

  Brandt (Brant), Sebastian (1458-1521)                         10

  Braun, Caspar (1807-1877)                                     46

  Bromberger (Fliegende Blätter)                                68

  Brouwer, Adriaen (1605-1638)                                  19

  Bücherfreunde, Zeitschrift für (Leipzig-Bielefeld)            68

  Burenkrieg, Karikaturen des (Berlin 1900)                     90

  Busch, Wilhelm (geb. 1832 zu Wiedensahl in Hannover)          98


  C.

  Callot, Jacques (1592-1635)                                    5

  Camphausen, Wilhelm (1818-1885)                               51

  Caran d'Ache (moderner französischer Karikaturist)             7

  Caspari, Walter (Jugend)                                     119

  Cazin (französischer Landschaftsmaler)                        82

  Charivari (politisches französisches Witzblatt
    des Bürgerkönigtums)                                        24

  Chodowiecki, Daniel Nicolaus (1726-1801)                      14

  Christoph, Franz (Narrenschiff)                              128

  Clasen, Carl                                                  51

  Claudius, Matthias (Schriftsteller, 1740 bis 1815)            19

  Cohnfeld, Dr. (1848, Berliner Litterat)                       50

  Courbet, Gustave (1819-1877, französischer Maler)             88

  Cri-Cri (1877, Dresden)                                       56

  Cruikshank, Isaac (1756-1810)                                 10

  Czabran (Lustige Blätter)                                    128


  D.

  Dabos (französischer Maler)                                   24

  Daumier, Honoré (1810-1879)                                   29

  Detmold, Johann Hermann (1807-1856,
    deutscher Politiker)                                        54

  Deutsche Revolution 1848, die (E. Diederichs,
    Leipzig 1898)                                               43

  Deutsche Reichsbremse (1849-1851, Leipzig)                    56

  Diez, Wilhelm (1839, Fliegende Blätter)                       72

  Doerbeck, Franz Burchardt (1799-1835)                         32

  Doktor Eisenbart (Reinhardt, Dresden 1873)                    56

  Dreyfußaffaire, Karikaturen der (Berlin 1899)                 90

  Dronke (Berlin, vormärzlicher Schriftsteller)                 33

  Duncker, Balthasar Anton (1746-1807)                          10

  Dürer, Albrecht (1471-1528)                                   11

  Düsseldorfer Monatshefte (1848-1886)                          41

  Dyck, Hermann (Fliegende Blätter)                             70


  E.

  Ebeling (Bearbeiter von Flögel, Geschichte
    des Grotesk-Komischen)                                      48

  Edel, Edmund (Lustige Blätter)                               126

  Eichendorff, Johann, Freiherr von (1788 bis
    1857, Dichter)                                             121

  Eichler, R. M. (Jugend)                                       33

  Engel, Johann Jakob (1741-1802, philosophischer
    Schriftsteller)                                             19

  Eulenspiegel (Stuttgart, Pfau, 1848-1850, 1851-1852,
    1862-1863)                                                  57

  Ewige Lampe (Berlin 1848)                                     49


  F.

  Falk, Johann Daniel (1768-1826, Schriftsteller)               11

  Feininger, Lionell (1871), Ulk, Lustige Blätter              127

  Feldbauer (Jugend)                                            72

  Figaro (München)                                              57

  Fischart, Johann (1545-1590)                                  10

  Flashar, M. (1855), Fliegende Blätter                         76

  Flögel, Carl Friedrich (1729-1788, Litterarhistoriker)        14

  Forain (bedeutender franz. Karikaturist)                       7

  Frankfurter Laterne (deren Redakteur der
    Dialekthumorist Stolze, 1860)                               56

  Freiligrath, Ferdinand (1810-1876)                            40

  Fröhlich (Zeichner der Fliegenden Blätter)                    69

  Fuchs, Eduard (Kunstschriftsteller, Redakteur, München)        6

  Fulda, Christian Fürchtegott (Schriftsteller
    im 18. Jahrhundert)                                         14

  Funke (Berliner Stecher, Beginn des 19. Jahrhunderts)         11


  G.

  Gall, Franz Joseph (1758-1828, Anatom)                        13

  Gavarni, Pseudonym des franz. Zeichners
    Paul Chevalier (1801-1866)                                  60

  Gehrts, Johannes (1854-1899)                                  69

  Genelli, Buonaventura (1798-1868)                             88

  Genfer Novellen (Toepfer)                                     94

  Georgi, Walter                                               121

  Gern (Schauspieler, Berlin, Mitte des 19. Jahrhunderts)       60

  Gillray, James (1757-1815)                                    10

  Gilrai à Paris (Pseudonym der Karikaturen
    von Gottfried Schadow)                                      27

  Glasbrenner, Adolf (1810-1876, humoristischer
    Schriftsteller)                                             32

  Görres, Joseph von (1776-1848, Publizist)                     42

  Goya, Francisco de (span. Maler, 1746-1828)                    5

  Graetz (Fliegende Blätter)                                    69

  Grimm, C. von (Zeichner; Schalk, Puck und
    Kladderadatsch)                                             91

  Grose, François                                               13

  Grotjohann, Philipp (1841-1892)                               91

  Groth, Klaus (1819-1900)                                      64

  Gurlitt, Cornelius (1850, Kunstgelehrter)                     52


  H.

  Hagen, Carl                                                   24

  Haider, Max (1807-1843)                                       69

  Hansson, Ola (norwegischer Essayist, lebt in
    Deutschland)                                                81

  Harburger, Edmund (geb. 1846)                                 69

  Hasenclever, Johann Peter (1810-1853)                         51

  Hebel, Johann Peter (1760-1826, Dialektdichter)               64

  Hecker, Friedrich Carl Franz (1811-1881,
    badischer Volksführer)                                       4

  Heilemann, Ernst (Lustige Blätter, Simplicissimus)           120

  Heine, Heinrich (1797-1856)                                   40

  Heine, Thomas Theodor                                        116

  Hendschel, Albert (1804-1883)                                 61

  Hengeler, Adolf                                               88

  Herwegh, Georg (1817-1875)                                    40

  Heß, David (1770-1843)                                        10

  Hildebrandt, Ferdinand Theodor (1804 bis 1874)                51

  Hippel, Theodor Gottlieb (1741-1766, Schriftsteller)          19

  Hirschfeld (Berliner Verleger, Mitte des
    19. Jahrhunderts)                                           49

  Hofbräuhauszeitung (München 1880)                             57

  Hoffmann, Theodor Amadeus (1776-1822)                          5

  Hogarth, William (1689-1764)                                  13

  Hokusaï (1760-1849)                                           95

  Holbein, Hans d. J. (1497-1543)                               10

  Hölderlin, Friedrich (1770-1843)                             121

  Hollandia Regenerata (1799, London)                           11

  Hopf, A. (Publizist, Mitte des 19. Jahrh.)                    50

  Horschelt, Theodor (1829-1871)                                69

  Hosemann, Theodor (1807-1875)                                 32

  Humoristische Blätter (Berlin 1884)                           57


  I.

  Ibels (franz. Zeichner)                                        7

  Iffland, August Wilhelm (1750-1814, Theaterdichter)           19

  Ille, Eduard (1823-1900)                                      31

  Industrieller Humorist (1868, Hamburg)                        57


  J.

  Jobsiade (Kortum)                                             20

  Jordan, Rudolph (1810-1884)                                   51

  Jüttner, Franz (Lustige Blätter)                             128

  Jugend (München)                                             109


  K.

  Kaemerer, Ludwig (Kunsthistoriker)                            19

  Kaffeelisel (Voltz)                                           27

  Kalisch, David (1820-1872, Schriftsteller)                    60

  Kant, Emanuel (1724-1804, Philosoph)                           4

  Kaulbach, Friedrich August v. (geb. 1850)                     67

  Kaulbach, Wilhelm v. (1805-1874)                              66

  Kinkel, Gottfried (1815-1882, Dichter und
    Kunstästhetiker)                                            48

  Kipling, Rudyard (moderner engl. Schriftsteller)             127

  Kirchner, Eugen (Fliegende Blätter)                           81

  Kladderadatsch, der, und seine Leute (Berlin 1898)            43

  Klinger, Max (geb. 1857)                                      44

  Knaus, Ludwig (geb. 1829)                                     91

  Koenig, Herbert (1820-1876)                                   60

  Konewka, Paul (1840-1871)                                     60

  Kortum, Paul Arnold (1745-1824, Schriftsteller)               20

  Kotzebue, Aug. Fr. Ferd. v. (1761-1819)                       29

  Kraepelin (moderner Psychologe)                                4

  Kramer, Theodor von (Fliegende Blätter)                       69

  Krokodilsthräne (Stuttgart 1884)                              56

  Kubinyi (Jugend)                                             123


  L.

  Land und Meer, Über                                           57

  Lavater, Johann Kaspar (1741-1801)                            13

  Léandre (mod. franz. Karikaturenzeichner)                      7

  Leipziger Charivari (1858)                                    56

  Lenbachiade (Kaulbach)                                        67

  Lenz (Publizist)                                              33

  Lessing, Hermann (Publizist)                                  19

  Leuchtkugeln (München 1848)                                   43

  Lichtenberg, Johann Christoph (1742-1799)                     13

  Liljefors, Bruno Andreas (Tiermaler, geb. 1860)               70

  Lipps (moderner Psychologe)                                    4

  Löffler, Ludwig (1819-1876)                                   60

  Lustige Blätter                                              128


  M.

  Maillinger (Sammlung)                                         65

  Makart, Hans (1840-1884)                                      88

  Mandlick (Fliegende Blätter)                                  75

  Marold, Ludek (1865-1898)                                     48

  Matthisson, Friedrich von (1761-1831)                         19

  Mauthner, Fritz (Kritiker, geb. 1849)                         88

  Max, Gabriel (geb. 1840)                                      88

  Meggendorfers humoristische Blätter                          124

  Menzel, Adolf von (geb. 1815)                                 42

  Meunier, Konstantin (geb. 1831, Bildhauer Maler)             126

  Meyerheim, Paul (geb. 1842)                                   91

  Meyer von Bremen (1813-1886)                                  51

  Mörike, Eduard (1804-1875)                                   121

  Musäus, Johann Karl August (1735-1757)                        64

  Musenklänge aus Deutschlands Leierkasten
    (Leipzig um 1850)                                           56

  Muther, Richard (Kunstschriftsteller)                         81


  N.

  Nagel, Ludwig von (1836-1898)                                 71

  Napoléon I. in der Karikatur (Grand-Carteret)                 23

  Narrenrad, Das (Feininger etc.)                              127

  Neuer Kikeriki (München 1882-1883)                            57

  Neumann, E. (Jugend)                                         120

  Neue fliegende Blätter (München 1881)                         57

  Nicolai, Christoph Friedrich (1733-1811)                      19

  Niegelsohn (deutscher Stecher, Anfang des 19. Jahrh.)         11


  O.

  Oberländer, Adolf (1845)                                      81

  Orlowski, Alexander Ossipowitsch (1772 bis 1832)              28

  Ostade, Adriaen (1610-1685)                                   19


  P.

  Pastor, Willi (Kunstschriftsteller)                          124

  Paul, Bruno (Simplicissimus)                                 118

  Paul, Jean (Friedrich Richter) (1763-1825)                     4

  Pecht, Friedrich August (geb. 1814)                           52

  Pegasus, Der geschundene (Johannes Schlaf)                     4

  Pestalozzi, Johann Heinrich (1746-1827)                       19

  Pfau, Ludwig (1821-1894, Schriftsteller
    und Kunstästhetiker)                                        56

  Physiognomik (Lavater)                                        13

  Piepmeyer (Schrödter)                                         52

  Pletsch, Oskar (1830-1888)                                    91

  Plutarch, Neuer (Jugend)                                     123

  Pocci, Franz von (1807-1876)                                  69

  Postillon, Süddeutscher                                      109

  ~Principes de caricature~ (François Grose)                    13

  Psst...! (Karikaturenblatt der Dreyfußaffaire)                 7

  Puck (Leipzig, Constantin von Grimm, 1876 bis 1878)           56


  R.

  Ramberg, Heinrich (1763-1840)                                 19

  Reaktionär, Der kleine (1862-1864)                            56

  Reznicek, von (Simplicissimus)                               120

  Reinhardt, Karl August (1818-1878)                            58

  Reinecke Fuchs (Kaulbach, W.)                                 66

  Reinicke, René (1860)                                         19

  Rethel, Adolf (1816-1859)                                     44

  Reuter, Fritz (1810-1874)                                     40

  Richter, Ludwig (1803-1884)                                   31

  Riepenhausen, Ernst Ludwig (1765-1840)                        11

  ~Rire, Le~ (französisches Witzblatt)                           7

  Ritter, Henri (1816-1853)                                     51

  Rops, Félicien (1833-1898)                                     5

  Rowlandson, Thomas (1756-1827)                                10


  S.

  Sachs, Hans (1494-1576)                                       11

  Saphir, Moritz Gottlieb (1795-1858, Publizist)                34

  Schadow, Johann Gottfried (1764-1850, Bildhauer)              24

  Schalk (Stuttgart, Leipzig, Berlin)                           56

  Scharringelhof (Daniel Hildebrandt = David Heß, 1801)         14

  Schiller, Friedrich von (1759-1805)                            5

  Schimpfwörter, Nürnberger (um 1790)                           12

  Schlaf, Johannes, Schriftsteller                               4

  Schließmann, Hans (geb. 1855)                                 69

  Schlitt, Heinrich (geb. 1849)                                 91

  Schlittgen, H. (geb. 1859)                                    91

  Schmidhammer, Arpad (Jugend)                                 123

  Schnebel, Karl (Lustige Blätter, Narrenschiff)               126

  Scholz, Wilhelm (1824-1893)                                   48

  Schroedter, Adolf (1805-1875)                                 51

  Schröder, Karl (1802-?)                                       51

  Schubert, Johann David (1761-1822)                            11

  Schulz, Wilhelm (geb. 1867)                                  122

  Schwind, Moritz von (1804-1871)                               64

  Sebaldus Nothanker (Nicolai)                                  21

  Seume, Johann Gottfried (1763-1810)                           19

  Servaes, Franz (Kunstschriftsteller)                         113

  Sifflet, Karikaturenblatt der Dreyfußaffaire                   7

  Simplicissimus                                               109

  Simmler, Wilhelm Karl Melchior (geb. 1840)                    91

  Skarbina, Franz (geb. 1849)                                   91

  Sonderland, Adolf (1805-1875)                                 51

  Spitzweg, Carl (1808-1885)                                    69

  Stauber, Carl (geb. 1815)                                     69

  Steen, Jan (1626-1679)                                        19

  Steinle, Eduard (1810-1886)                                   55

  Steub, Fritz (geb. 1844)                                      31

  Stuck, Franz (geb. 1863)                                      58

  Stutz (Kladderadatsch)                                        91

  Struwelpeter (politischer)                                    52

  Struwwelputsch                                                56


  T.

  Tante Voß mit dem Besen (1848)                                49

  Telemach (Abenteuer des Neuen)                                19

  Teufel, Der, in Berlin (1848)                                 49

  Trumpf Aß (Düsseldorf, 1853-1860)                             57

  Thöny, Ernst (Simplicissimus)                                119

  Thumann, Paul (geb. 1834)                                     91

  Till Eulenspiegel (Ramberg)                                   19

  Toepfer, Rudolf (1799-1846)                                   92

  Thoma, Hans (geb. 1839)                                       62

  Totentanz, Rethel                                             52

  Trojan, J. (Schriftsteller, geb. 1837)                        61


  V.

  Verbrüderungsfest (1848)                                      49

  Vischer, Friedrich Theodor (Ästhetiker, 1807 bis 1887)         4

  Vogel-Plauen, Hermann (Fliegende Blätter)                     80

  Voltz, Johann Michael (1784-1858)                             23


  W.

  Walter, Fred. (Schriftsteller, Kunst und Zeit)                46

  Wehl, Fedor von (Schriftsteller, 1821-1890)                   36

  Wellner (Lustige Blätter)                                    129

  Werner, Anton von (geb. 1843)                                 91

  Wilke, Rudolf (Jugend, Simplicissimus)                       119

  Wieschebrink (Düsseldorf)                                     51

  Wisniewsky                                                    91


  X.

  Xenien, Trogalien zur Verdauung der                           14


  Z.

  Zopf (Fliegende Blätter)                                      69

  Zwintscher (Meggendorfers Humoristische Blätter)              63



  +--------------------------------------------------------------+
  | Anmerkungen zur Transkription                                |
  |                                                              |
  | Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen  |
  | gebräuchlich waren, wie:                                     |
  |                                                              |
  | Adolf -- Adolph                                              |
  | anderen -- andern                                            |
  | Burchard -- Burchardt (Doerbeck)                             |
  | eigene -- eigne                                              |
  | Einblatt-Drucken -- Einblattdrucken                          |
  | Frauenemancipation -- Frauenemanzipation                     |
  | Gefühles -- Gefühls                                          |
  | goldene -- goldne                                            |
  | Grotjohann -- Grot-Johann (Philipp)                          |
  | Napoléon -- Napoleon                                         |
  | Napoleonkarikatur -- Napoleonskarikatur                      |
  | Rudolf -- Rudolph (Toepfer)                                  |
  | Schrödter -- Schroedter                                      |
  | unserem -- unserm                                            |
  | unsere -- unsre                                              |
  | Verlages -- Verlags                                          |
  | Verstehen -- Verstehn                                        |
  | Vieux-bois -- Vieuxbois                                      |
  | Volz -- Voltz                                                |
  | Vorstadtringes -- Vorstadtrings                              |
  | Wienieski -- Wisniewski -- Wisniewsky                        |
  |                                                              |
  |                                                              |
  | Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert.               |
  | Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen:              |
  |                                                              |
  | S. 4 »Kraeppelin« in »Kraepelin« geändert.                   |
  | S. 5 »Franzosen Felicien Ropps« in »Belgier Félicien         |
  |      Rops« geändert.                                         |
  | S. 7 »Pssst« in »Psst...!« geändert.                         |
  | S. 8 »Egalité« in »Égalité« geändert.                        |
  | S. 8 »seltner« in »seltener« geändert.                       |
  | S. 10 »Gillrai« in »Gillray« geändert.                       |
  | S. 14 »Floege« in »Flögel« geändert.                         |
  | S. 16 »National-Gallerie« in »Nationalgalerie« geändert      |
  |       (Abb. 23).                                             |
  | S. 18 »Raczinsky« in »Raczinski« geändert (Abb. 25).         |
  | S. 19 »Brower« in »Brouwer« geändert.                        |
  | S. 19 »F. M. Volz« in »J. M. Volz« geändert.                 |
  | S. 23 »Gillrai« in »Gillray« geändert.                       |
  | S. 27 »deplaziert« in »deplatziert« geändert.                |
  | S. 27 »Gillrai« in »Gillray« geändert.                       |
  | S. 29 »Ueberhaupt« in »Überhaupt« geändert.                  |
  | S. 34 »Baluscheck« in »Baluschek« geändert.                  |
  | S. 34 »Escheinung« in »Erscheinung« geändert.                |
  | S. 41 »Uebel« in »Übel« geändert.                            |
  | S. 45 »Uebereinkommen« in »Übereinkommen« geändert.          |
  | S. 49 »Littfaß« in »Litfaß« geändert.                        |
  | S. 51 »Wischebrink« in »Wieschebrink« geändert.              |
  | S. 57 »Münchner Punsch« in »Münchener Punsch« geändert.      |
  | S. 60 »Uebereinanderfallen« in »Übereinanderfallen«          |
  |       geändert.                                              |
  | S. 63 »Karussel« in »Karussell« geändert.                    |
  | S. 67 »Aeffchen« in »Äffchen« geändert.                      |
  | S. 69 »Schwindt« in »Schwind« geändert.                      |
  | S. 72 »Jokeys« in »Jockeys« geändert.                        |
  | S. 81 »sehn« in »sehen« geändert.                            |
  | S. 82 »sehn« in »sehen« geändert.                            |
  | S. 82 »stehn« in »stehen« geändert.                          |
  | S. 84 »Baluscheck« in »Baluschek« geändert.                  |
  | S. 88 »Pointlismus« in »Pointillismus« geändert.             |
  | S. 96 »in Kasten« in »im Kasten« geändert.                   |
  | S. 101 »deplazierte« in »deplatzierte« geändert.             |
  | S. 102 »Wiesendahl« in »Wiedensahl« geändert.                |
  | S. 117 »komplicierteren« in »komplizierteren« geändert.      |
  | S. 127 »Uebertreibung« in »Übertreibung« geändert.           |
  | S. 129 »Anëide« in »Änëide« geändert.                        |
  | S. 129 »Wiesendahl« in »Wiedensahl« geändert.                |
  | S. 130 »1471-1628« in »1471-1528« geändert.                  |
  | S. 130 »Dyk« in »Dyck« geändert.                             |
  | S. 130 »Gillrai« in »Gillray« geändert.                      |
  | S. 130 »Grätz« in »Graetz« geändert.                         |
  | S. 130 Überschrift »J.« eingefügt.                           |
  | S. 130 »Jordan, Rudolph (1810-1884)« in »Jordan, Rudolf      |
  |        (1810-1887)« geändert.                                |
  | S. 131 »Pssst« in »Psst...!« geändert.                       |
  | S. 131 »Felicien« in »Félicien« geändert.                    |
  | S. 131 »Kroeppelin« in »Kraepelin« geändert.                 |
  | S. 131 »Loeffler« in »Löffler« geändert.                     |
  | S. 131 »Matthison« in »Matthisson« geändert.                 |
  | S. 131 »(1761-1838)« in »(1761-1831)« geändert.              |
  | S. 131 »Nikolai« in »Nicolai« geändert.                      |
  | S. 131 »Publicist« in »Publizist« geändert.                  |
  | S. 131 »Reinicke Fuchs« in »Reinecke Fuchs« geändert.        |
  | S. 132 »Schroeder« in »Schröder« geändert.                   |
  | S. 132 »Struwelputsch« in »Struwwelputsch« geändert.         |
  | S. 132 »Thoeny« in »Thöny« geändert.                         |
  | S. 132 »Wischlbrink« in »Wieschebrink« geändert.             |
  |                                                              |
  | Folgende Schreibweisen wurden nicht korrigiert:              |
  |                                                              |
  | »Dreyfuß« statt »Dreyfus« nicht geändert.                    |
  | »Struwelpeter« statt »Struwwelpeter« nicht geändert.         |
  | »Reinecke Fuchs« statt »Reineke Fuchs« nicht geändert.       |
  |                                                              |
  | Seite 64 »Hebbel« vs. »Hebel« im Index konnte nicht          |
  | aufgelöst werden.                                            |
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