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Title: Neues Altes
Author: Altenberg, Peter
Language: German
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[Illustration: Peter Altenberg]


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                              Neues Altes

                                  von

                            Peter Altenberg



                       S. Fischer, Verlag, Berlin
                                  1919



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                      _Vierte und fünfte Auflage._

      Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.
               Copyright 1911 S. Fischer, Verlag, Berlin.



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                          Gewidmet Anna Konrad


Motto:

    »Solche Männer und ihresgleichen sind einfach geniale Naturen, mit
    denen es eine eigene Bewandtnis hat; sie erleben nämlich eine
    _wiederholte Pubertät_, während andere Leute _nur einmal_ jung
    sind.«

                                        Goethe, Gespräche mit Eckermann.


    PA: Aber wie _glücklich zu preisen_ sind die, die _nur einmal_ jung
    zu sein brauchen, und dann ruhig absterben dürfen, während jene
    anderen _Unseligen_ von ewigen inneren Räuschen gefoltert
    werden — — —.


    »J’ai de mes tourments multiplié les causes — — — d’innombrables
    liens vont de mon âme aux choses!«

                                                             Baudelaire.



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                                 INHALT


                                                            Seite
       Widmungen in meine Bücher                               13
       Wesen der Freundschaft                                  17
       Was ist ein Dichter?                                    19
       Bekenntnis                                              20
       Entwicklung                                             21
       Sankt-Martins-Insel                                     23
       Konzert                                                 25
       Buchbesprechung                                         26
       Ideale                                                  30
       Ein Brief                                               31
       Variété                                                 33
       Die abgelehnte Einladung                                35
       Hypokrisie                                              37
       Strandbad »Gänsehäufel«                                 38
       Rückkehr vom Lande                                      39
       Krankenlager                                            41
       Hunde                                                   43
       H. N.                                                   45
       Helga                                                   46
       Das Telephon                                            47
       Die Lüge                                                48
       Plauderei                                               49
       Lebensbild                                              52
       Lebensbilder aus der Tierwelt                           54
       Brief an Mitzi von der »Lamingson-Truppe«               57
       Aphorismen                                              59
       Texte auf Ansichtskarten                                60
       Heilmittel                                              67
       Der Nebenmensch                                         68
       Schutz                                                  70
       Brangäne                                                72
       Der Affe Peter                                          73
       Ungeziefer                                              75
       Mutter und Tochter                                      76
       Der Dichter                                             77
       Hysterie                                                78
       Weihnachten                                             80
       Der Tag des Reichtums                                   81
       So sollte es immer sein                                 83
       Inschrift                                               85
       Tope                                                    86
       Bekanntschaft                                           87
       Eifersucht                                              89
       Goethe                                                  90
       Die Pflegeschwester Rosa Schweda                        91
       Geschwister                                             92
       Der Besuch                                              94
       Sommerabend in Gmunden                                  95
       Ästheten                                                97
       Erinnerung                                              99
       Vöslau                                                 101
       Ein Brief                                              103
       Der Fortschritt                                        105
       Über Lebensenergien                                    107
       Strandbad                                              109
       Wesen der Religion                                     110
       Wie sie es glauben wollen, so ist es                   111
       »Prodromos«                                            112
       Restaurant Prodromos                                   115
       Der Brand                                              117
       Rücksicht                                              118
       Myosa                                                  119
       Im Stadtpark                                           121
       Ehebruch                                               123
       Hamsun-Menschen                                        125
       Memoiren                                               129
       Widmung an Anna Konrad                                 130
       Der Tod                                                131
       Eine ganz wahrhaftige Beziehung                        133
       Im Volksgarten                                         135
       Ansprüche einer Romantikerin                           137
       Lebensweg                                              139
       Dienste                                                140
       Wie ich gesundet bin                                   141
       Gottesgnadentum                                        143
       An einen unmodernen Arzt                               145
       Zynismus                                               147
       Nacht-Café                                             149
       Die Nerven                                             151
       Britische Tänzerinnen                                  152
       Der Trattnerhof                                        155
       Artistische Rundschau, Wien                            157
       Parfüm                                                 159
       Übers Schreiben                                        161
       Angstschrei                                            163
       Juli-Sonntag                                           165
       Der Jagdherr                                           166
       Episode                                                169
       Josef Kainz                                            170
       Bettlerfrechheit                                       171
       Von meinem Krankenlager aus                            172
       Krankheit                                              174
       An eine Elfjährige                                     177
       Krankenbesuch                                          179
       Notiz                                                  181
       Rückkehr vom Lande                                     183
       Nichts Neues                                           185
       Das Dorf                                               187
       Gerichtsverhandlung in Wien                            189
       Semmering Ende September 1911                          190
       Peter Altenberg als Sammler                            191
       Yvette Guilbert                                        193
       Krankenpflege                                          195
       Herbst am Semmering                                    197
       Herbstanfang                                           198
       Eine Begebenheit                                       201
       Beschäftigung                                          203
       Besuch im einsamen Park                                205
       Tanz                                                   209
       Peter Altenberg                                        213



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                       WIDMUNGEN IN MEINE BÜCHER

Fräulein H. M., immer und ewig werden die Dichter an dem fast
absichtlichen »Unverständnis« geliebter, vergötterter Frauen zugrunde
geh’n — — —. Du allein brachtest mir die volle _Sicherheit_, daß mein
sonst so oft _mißverstandenes_ Dasein von dir _erkannt_ wurde, in
Weisheit und in Milde, wie von Gott selbst — — —! Heißt man das Liebe?!
Gleichviel. Es ist die »Erlösung«, die eben keine andere bringen kann!


An Frau D. M., in unzerstörbarer Freundschaft.

Freundschaft, du immer und ewig _mißbrauchtes, geschändetes Wort_! Du
bist »Erkenntniskraft des Gehirnes«, _gemildert_ durch »des Herzens
Wohlwollen«!


An Maria Maraviglia, spanische Tänzerin.

Leben, flüchtigstes, zerrinnendstes, kann ich dich nicht festhalten?!
Ja! Durch Erinnerung, Melancholie und Ergebung ins Schicksal — — —.


Frau M. B. in Aachen.

Aus Fernen kam ein begeisterter Gruß — — —. Wie selig war
ich — — — zwischen Aachen und Wien ist genügend Raum für die
Enttäuschungslosigkeit zusammengehöriger Seelen geschaffen — — —!


An die Gemahlin des Herrn J. S.

Wie eine Aristokratin sehen Sie aus des 18. Jahrhunderts — — —. Augen
voll ernster Ruhe und Noblesse, und dennoch wieder Augen der Sphinx und
der Rheinnixen! Die Nase wie von urältesten Adelsgeschlechtern
herstammend, sanft gebogen und dennoch stumpf abbrechend. Adlernase und
Stumpfnase zugleich! So aus einer Zeit von vergangener Würde und Größe.
Man sitzt neben Ihnen, betrachtet Sie, spricht ehrfurchtsvoll, wie mit
_keiner anderen_. Man ist unter einem unerklärlichen Banne. Wie wenn man
vorgestellt würde der »Kaiserin Marie Antoinette«. Man möchte zu Ihnen
sagen: »Votre Altesse Royale — — —«. Aber man muß über die kleinen
Ereignisse des Tages sprechen — — —. Und dabei blickst du wie eine
traurige Fürstin — — —!


Für P. H., die »Romantikerin«.

Sie erwünschen es sich, daß ich Ihnen von meiner einsamen Landpartie im
Vorfrühling Blätter ins Haus sende, in die enge Gasse der Vorstadt?!
Nun, ich befestigte alles einzeln vorsichtig an silbernen Drähten,
zarte, gelbgrüne Blättchen. Wie gleicht Ihr Herz doch der
Vorfrühlingslandschaft — — —! Man bedauert direkt, daß es bald zu
greifbarer Blüte und Frucht ausreifen werde im Sonnenbrande des Lebens!


_Für Gertrude Barrison, Tänzerin._

Kalt und hart scheinbar sind Sie im Leben, das alle zu leben, alle zu
erleiden, alle zu ertragen haben! Aber _hinter_ diesem »gewaltsamen
Sein« schlummert den ewigen Schlaf, besiegt und längst abgestorben, die
»vergrämte Idealistin«! _Geschreckt_ von der _Heimtücke des Daseins_,
traut sie sich nie mehr zum Vorschein — — —. Und nur des Dichters Auge
blickt noch in Welten, über die der Sargschleier, alles verbergend,
liegt — — —.


_An Miß Bessie._

Ich hatte dich irrsinnig lieb und vergeblich — — — man hat immer nur
_irrsinnig_ lieb, wenn es _vergeblich_ ist!


An Frau E. R.

Eine Welt von zärtlichster Zärtlichkeit mußte in mir ersterben, auf dein
Geheiß! Auf deinen strengen unerbittlichen Wunsch! In späteren Tagen
warst du sanftmütig und gütig zu mir; in späteren Tagen! Aber den »süßen
Wahnsinn« hast du mir gemordet, wolltest durchaus meiner Seele endlose
Welten auf ein _erfaßbares Maß_ zurückführen; vergeblich! _Stört_ euch
»unser Wahnsinn«, so enttäuscht euch schließlich noch mehr die »normale
Liebe« der anderen! Sind wir auch »übertrieben« in unserer Verehrung,
sind die _anderen allzu nüchtern_ in ihrer gesunden Gerechtigkeit!


_An Else Wiesenthal._

Immer und überall im Leben vermißt man »Hoheit und Würde« und »edle
Kindlichkeiten« zugleich! Aber in _Ihrem Tanzen_ findet man es. Deshalb
ist man so beglückt und erlöst und erleichtert. Was man an seiner
geliebtesten Geliebten schmerzlich-melancholisch vermißt, findet man,
erstaunt, gerührt, bei Ihnen! Unerbittlich und starr wird immer
naturgemäß sogleich die Seele des Mannes, falls ein _wertvolleres_ Bild
vor seine Seele tritt! Ehebruch, Treuebruch, was seid ihr für
nichtssagende Namen! Das »_Zulänglichere_« löscht einfach stets das
»_Unzulängliche_« aus! Soll man weiter verehren, was der Verehrung nicht
mehr wert ist?! Gehet von hinnen, Schwerfällige, wenn die »_idealere
Tänzerin_« naht! Die »_Gleitende_« besiegt die »_Schleichende_«!



                         WESEN DER FREUNDSCHAFT


Ich kenne nur zwei Menschen, die mir freundschaftlich gesinnt sind,
mein Bruder und A. R. Sie verstehen alles, was ich denke, empfinde,
sage, geben allen Dingen die _wohlwollendste_ Auslegung. Sie sind ganz
ohne »Fallen-stellen-wollen«. Sie vernehmen nur das Wertvolle,
_überhören_ eventuelle Mißtöne, ohne zu zucken. Sie schöpfen vom
geliebten Menschen den Rahm ab, beklagen sich nicht über die wässerige
Milch, die darunter liegt, sondern erfassen es als ein Naturgesetz,
daß der Rahm nicht bis zuunterst reichen kann — — —. Sie erläutern uns
nach unseren _in uns verborgen liegenden_ Idealen, nicht nach unseren
allen augenfälligen alltäglichen Schwächen! Sie lauern auf unsere
_seltenen_ Höhepunkte, beachten nicht unsere Verkommenheiten. Sie sind
noble Ausleger, Ausdeuter unseres _wirklichen Wesens_. Sie _begreifen_
unsere Schwächen, sie _achten_ unsere Stärke! Sie sind mit uns, wie
man mit edelrassigen Kanarienvögeln, Papageien, Staren, Hunden, Affen
ist. Man achtet ihre Eigenart, fordert von ihnen nichts Unmögliches.
Man hält sich an ihre »besonderen« exzeptionellen Eigenschaften. Diese
wohlwollend-sentimentale Art von Nervengutmütigkeit heißt:
_Freundschaft_. Jede andere ist tief verlogen. Diese edle »_ewige
Gutmütigkeit_« ist von _Gottes Gnaden_! Man hat sie zumeist erst mit
Verstorbenen. Da kommt man erst zur Besinnung über besondere Werte,
dringt tiefer ein in das Wesen desjenigen, dessen Lebendigsein uns
nicht mehr stört. So lange er lebte, beging er die störende
Ungeschicklichkeit, ein anderer zu sein an Denken und Empfinden als
wir selbst!



                          WAS IST EIN DICHTER?


Er sah am »Gänsehäufel« ein fremdes junges Mädchen, ganz lang und
schlank, goldbraune wehende Haare, lange, schmale Hände und Füße, ein
ockergelbes seidenes Trikot an dem mulattenbraunen Leibe.

Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.

Er sah in einer japanischen Akrobatentruppe ein fünfjähriges Mäderl,
gelber Teint, Stumpfnäschen, schwarze Haare wie eine Perücke. Lebendig
gewordenes Kinderspielzeug!

Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.

Er las von einer wunderschönen Preisfechterin in Venedig, aus reicher,
geachteter Familie, die ohne Grund, neunzehnjährig, sich aus ihrem
Zimmer, drei Stockwerke hoch, aufs Pflaster stürzte und starb.

Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.

Er hatte neben sich eine, ganz, ganz neben sich, hart neben sich, bei
Tag und bei Nacht.

Die konnte er aber vergessen, vergessen, vergessen!



                               BEKENNTNIS


     Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts!
 Mein Aug’, mein Ohr, mein Denken und mein Träumen
 gehörten vielleicht eher den dunklen Mädchen von den
 Sundainseln, romantischen Gebilden fremder Welten,
 die ihre stillen Wege gehn nahe dem Urwald — — —.
 Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts!
 Wie Märtyrerinnen warst du aus der Vorzeit,
 oder wie Krankenpflegerinnen fremder Menschen,
 wie sie heut’ noch sind in Krankenhäusern und in
 Klöstern — — —.
 Belohnung war dein _eigenes_ Gefühl in dir!
 Im _Geben_ nahmst du _tausendfach zurück_,
 was du gespendet. Und _davon_ lebtest du!
 Nun bist du in dem Dienste deiner heiligen Seele
 krank geworden — — —
 der magische Schein der Selbstaufopferung verlischt — — —
 du kannst nicht mehr grenzenlos ergeben sein!
 Und weinend siehst du nun zum ersten Male deines
 Lebens Not — — —.
 Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts!
 Und dennoch traure ich verzweifelt am Sarge deiner
 armen Seele — — —. Denn, glaube mir, sie starb!



                              ENTWICKLUNG


Es gibt zwei Arten von Genies. Die, die eine neue naturgemäße Sache
entdecken, und die, die es _gläubig erfassen_ und verwerten. Der
_Glaube_ an die Genialität des anderen ist die _nächstfolgende_
Genialität. _Glaube_ an neue Erkenntnisse ist bisher unterschätzt
worden. Es ist ein _zweiter Grad_ von Genialität. Die anderen sind
Skeptiker, also _ungenial_. Dann gibt es noch die _Mitläufer_ mit den
Schwindlern und Hochstaplern. Das sind die ganz Ungenialen, die einem
ebenso Ungenialen wie sie selbst sind, feige Kärrnerdienste leisten. Sie
leben von der Hoffnung, man werde sie ernst nehmen, weil sie einem nicht
ernst zu Nehmenden ernstlich Gefolgschaft leisten! Aber in Gottes Buche
ist alles verzeichnet, und dieser riesigen unerbittlichen Buchführung
über _Reelles_ und _Unreelles_ unterliegt schließlich alles! Alles wird
_aufgedeckt_, die reellen und die gefälschten Ziffern, und man sollte
eben deshalb schicksalsergeben sein. _Entwicklungskonjunkturen_
ausnützen ist jedoch eine der feigsten Gemeinheiten. Wenn man für die
»Frauenseele« zum Beispiel kämpft, muß man zeit seines langen
schrecklichen Lebens in jeder Beziehung daran auch elend verblutet sein.
Die jungen Gänseriche haben aber noch einfach ihre verfluchte Pflicht
und Schuldigkeit, ohne psychologische Mätzchen das Ihrige wie eh und je
zu leisten. Der Entdecker _leidet_, und der Gläubige an ihn _leidet_.
Aber der geschickte Ausnützer von Konjunkturen macht dabei seinen
_Rebbach_.

Dasselbe findet in der Kunst statt. Gottes Pläne sind niemandem heilig,
sondern man erstrebt es einfach, seiner eigenen verfehlten Organisation
zum Durchbruche zu verhelfen! _Freaks_ sind noch lange keine _Genies_,
obzwar Genies oft _Freaks_ waren. Sie waren es eben doch nur scheinbar.
Denn _hinter_ ihnen thronte Gott und die Natur, wenn auch ein wenig in
allzu grotesken Formen. Es gibt Räusche, in denen man Symphonien
dichtet; und es gibt Räusche, in denen man sich erbricht. Beides sind
Räusche, Ekstasen, übertriebene Zustände. Aber Rausch und Rausch sind
nicht gleich; und nicht jeder torkelnde Betrunkene schreibt dann in
seinem einsamen Zimmer Schubert-Lieder!



                          SANKT-MARTINS-INSEL


Als der Arzt ihr mitteilte, daß sie vor den dunklen Toren der
Tuberkulose stehe, sagte sie: »Na, na, dös tun mer net, mit achtzehn
Jahren?!«

Und sie eilte nach Gravosa, und lag auf der Sankt-Martins-Insel
mutterseelenallein, mit ihren Proviantvorräten, von sieben morgens bis
sieben abends, und breitete splitternackt die Arme aus, um die Heilkraft
der Natur zu empfangen.

Sie ließ sich mit Mentholfranzbranntwein täglich zweimal eine halbe
Stunde lang einreiben und nahm einen halben Liter Kakao mit sechs
eingesprudelten rohen Eidottern. Ferner Bouillons mit eingesprudelten
rohen Eidottern und Seefischfilets in großen Mengen.

Als sie gesund wurde, kam der Ehrgeiz und die Lebenslust über sie, und
sie fand ein Engagement in einem ganz kleinen Theater. Ihre erste Rolle
war die französische Gräfin Laborde-Vallais. Sie wußte durchaus nichts
damit anzufangen, aber ein junger Herr schickte ihr in die Garderobe
seine Visitenkarte.

Sie hatte sich mutig dem Tode entzogen, und bemerkte nun bald, daß das
Leben es nicht wert sei, sich so sehr darum bemüht zu haben. Sie war
dieser Gefahr »Tod« entronnen — nun kam diese größere Gefahr »Leben«!
Dem konnte man nicht mit Sonnenbädern, Kakao, gesprudelten Eidottern,
Mentholfranzbranntwein entrinnen!

Später lernte sie zufällig den Dichter kennen. Sie verstand nicht, worin
das bestehe, ein Dichter zu sein. Man schreibt Bücher, und man ist ein
Dichter. Aber was stellt es vor, und wozu ist es?!?

Aber eines Tages sagte er zu ihr: »Wie war es auf der
Sankt-Martins-Insel?!? Sie lagen da, gottergeben, und erwarteten von
Wiese, Wald und Sonne Ihre Heilung — — —.«

Und jemand sagte zu ihr: »Hören Sie mir schon auf mit Ihrer faden
Sankt-Martins-Insel! Jetzt sind wir Gott sei Dank hier!«

Da blickte sie hilfeflehend zu dem Dichter, und sie fand einen
hilfsbereiten Blick — — —.

Da wußte sie, was ein Dichter sei und wozu er da sei — — —.



                                KONZERT

Du kamst aus dem Konzert, erfüllt von Liedern und den Liedertexten, die
von Dichtern waren wie Stefan George, Richard Dehmel, Jacobsen, dem
verstorbenen Dänen, der Musik in Worten machte.

Du warst schön und prächtig, gelb und gold war dein Gewand, und deine
geliebten Augen blickten noch in Fernen, aus denen sie eben kamen. Ein
Zwerg, ein Wurm, ein gekrümmtes armseliges Reptil erschien ich dir, ans
Irdische dich feig gemahnend, die du aus hehren Fernen kamst, und meiner
Liebe allzu gewohnte Seufzer verhallten in den Tönen deiner neuen
Musikwelten.

Ich starb dahin vor Eifersucht auf das Konzert, und auf alles, was drum
herum und dran hängt an Ablenkungen selbstverständlicher Art einer
fanatisch geliebten Seele —. Ich starb dahin.

Du aber blicktest, gelb und goldig war dein romantisches Gewand, in
Fernen, aus denen du soeben kamst, gleichsam von einer langen, langen,
langen Reise —. Wo warst du, Frau?!?

Da senkte ich den Blick, der zuerst böse starrte, und ich ergab mich in
das Schicksal — — —.

Du sagtest schlicht: »Es war sehr schön; man hat sehr viel gelernt; man
blickte jedenfalls in Welten, die bisher verschlossen waren —.«

Da saß ich denn da und getraute mich nicht mehr, deine geliebten Hände
zu berühren wie eh und je —.

Und du sagtest: »Was haben Sie?!?« Und ich sagte: »Nichts — — —.«



                            BUCHBESPRECHUNG

Er hatte zu ihr gesagt: »Nun habe ich dich, _über allen Kitsch der
Künstler_ hinaus, den _Kunstwerken der Natur und des Lebens selbst_
allmählich näher gebracht, habe dich mühselig gelehrt, die Romantik des
Daseins _aus erster Hand_ zu genießen! Nun gebe ich dir einen
allerbesten, spannendsten, aufregendsten, ergreifendsten, lehrreichsten
Roman zu lesen: »_Der Volkskrieg in Tirol_ 1809« von Oberleutnant Rudolf
Bartsch.«

Und sie las es in einigen Stunden einer schlaflosen Nacht. Alle Menschen
darin standen ihr nahe, und sie zitterte um eines jeden Schicksal!
Erzherzog Johann, die Offiziere, die Diplomaten, die Bauernführer wurden
ihr zu vertrauten Freunden. Sie begann das Getriebe der Welt zu erkennen
und Freunde und Feinde in gleicher Weise zu verstehen! Sie sah die
Schlachten zwischen _Intelligenz_ und _Herz_ im Menschen, zwischen
_Vorurteil_ und _Urteil_, zwischen _Fernsicht_ und _Nahsicht_!

Sie gewann eine tiefe, tiefe Liebe zu Peter Mayr und Andreas Hofer, zu
den reinsten der Reinen, den eigentlichen Idealisten in dem Buche.

Sie weinte bitterlich und stundenlang über ihre edle Art. Sie schrieb
sich folgende Stelle auf ein Pergamentblatt heraus und ließ es einrahmen
unter dem Titel: »So sind alle, die für die _Kommenden_ von Wert sind!«

Diese Stelle lautete: Der geniale Hormayr verscherzte sich das Zutrauen
vieler, namentlich der Bauern. Als er nach dem Bankrott der
österreichischen Invasion aus dem Lande floh, _schob_ so recht das ganze
Volk von Tirol den gegen Hormayr einfältigen, aber sittenreinen Sandwirt
an die höchste Stelle — ohne dessen Zutun.

Schob: dieses Wort bezeichnet viel in Hofers Wesen und Laufbahn! Der
bedächtige Sandwirt war keine aggressive, ideenwälzende Natur wie
Haspinger, kein genial tollkühner Unfried wie Speckbacher. Viele seiner
Führer hatten weit größere Begabung als der bloß mit einem schlichten,
gesunden Hausverstand ohne weiten Blick ausgerüstete Hofer. Gedrängt,
unwiderstehlich gedrängt wurde Hofer zu allem, was er tat. Eine äußere,
aber geheime Macht, deren Walten er wohl ahnte, der er nie zu
widerstehen suchte und die er verehrte, trieb ihn: der Volksgeist von
Tirol!

Diese Macht erhob ihn hoch — er blieb demütig und schlicht; diese Macht
entriß ihm all seine Entschlüsse. Durch sie gedrängt, siegte er bei
Sterzing, am Isel und bei Leonhard. Durch sie gehalten, vermochte er
nicht zu fliehen, als die Besten des Landes das sinkende Schiff
verließen — und geschoben, ja ganz verwirrt von dem Einfluß der
Verzweifeltsten des ganzen Landes, brach er im Spätherbst 1809 zum
erstenmal in seinem Leben das Wort, verleugnete seine Unterwerfung,
erhob von neuem den Ruf zum Aufruhr, und erst als sein Körperliches
gefangen und dem Tode geweiht war, da befreite sich seine Seele, eine
tiefe Erkenntnis seines ganzen Lebenslaufes durchzuckte ihn, und da
wuchs er ins Übermenschliche. Dieser weichherzige Mann, der so leicht
die gutmütigen Augen voll Wasser bekam, nahm trockenen Auges Abschied
von einer Welt, die sich schlechter erwiesen hatte als er.

Daß man Hofer so oft verkannt und in ihm den Führer und Kommandanten des
Aufstandes gesehen hatte! Er war weniger und doch mehr. Er war seinem
Volke, was dem Soldaten seine Fahne ist: Das Panier von Tirol!

_Selbst unbeweglich_, aber von den Kühnsten und Besten getragen, _allen
voran_. Unbefleckt, rein, verehrenswürdig, ja wahrhaft geheiligt! Von
der Religion geweiht, vom Paten Johann mit einem Wahlspruch belebt, vom
Kaiser ausgezeichnet und geschmückt. In der höchsten Not entfaltet, als
alle Kommandanten versagten, siegt diese menschliche vorausgetragene
Fahne Andreas Hofer, dann sinkt sie — — und mit ihr das Land Tirol. Er
war eben der einfache, Mensch gewordene Idealismus, der embryonal in
tausend Herzen, in tausend Gehirnen, in tausend Willenskräften verborgen
lag!

Die edle Leserin machte die Hinrichtung Andreas Hofers mit, aber sie
konnte nicht, wie er von sich selbst es sagte, sagen: »So leicht kommt
mir sein Sterben an, daß mir die Augen davon nicht naß werden — — —.«

Sie aß wenig, sie sprach wenig durch viele Tage. Nur dem Freunde, der
ihr diesen »_Roman des wirklichen Lebens_« anempfohlen hatte, blickte
sie dankbarst in die Augen. Da sagte er denn zu ihr: »Dieser
Oberleutnant Rudolf Bartsch ist vielleicht ein _größerer Dichter_ als
viele protokollierte Firmen dieser Branche. Denn er hat die in den
Archiven des Lebens begrabene Poesie und Romantik der Menschheit zu
lebendigem wirkendem Leben gebracht durch sein einfaches tiefes Buch!«
Und die Dame reihte es ein in ihrer kleinen Bibliothek neben ihre
Götter: Hamsun, Strindberg, Maeterlinck, Ibsen, diese _Vermehrer des
Bestandes der allgemeinen menschlichen Seele_!



                                 IDEALE

Ein fünfzehnjähriges wunderschönes Stubenmädchen stahl ihrer Herrin
zwanzig Kronen.

Die Herrin schickte zur Polizei und machte die Anzeige von dem
Diebstahl. Da nahm die Fünfzehnjährige, die ihrer Mutter zum Namenstag
ein Geschenk hatte machen wollen, eine Flasche mit Spiritus, trank die
Hälfte aus, übergoß ihre Kleider mit der anderen Hälfte, zündete sie an.
Nach elf qualvollen Stunden verstarb sie im Wasserbett.

Einfache künftige Polizeivorschrift:

Anzeigen gegen Untergebene unter zwanzig Jahren wegen Diebstahls unter
100 Kronen werden zwar angenommen, aber sobald es sich um einen _ersten_
Fall handelt, in den Papierkorb geworfen!

Man vertröste die anzeigende »Canaille«, daß sich der Fall leider
»verzögert« habe — — —.



                               EIN BRIEF

Liebes Fräulein Marion Kaulitz, ich habe gestern in der Wiener
Werkstätte, erster Bezirk, Graben 15, die Puppenausstellung besichtigt.
Ich war ganz gerührt. Wie schrecklich sind doch diese Puppengespenster
gewesen aus der Kindheit unsrer geliebten Schwestern und Cousinen! Wie
starrten sie uns blöde herzlos an, erwiderten alle Liebe und Sorge mit
einem nichtssagenden kretinartigen Grinsen, das unsre kleinen Herzen
hätte lieblos machen müssen, wenn wir damals nicht so viel an
selbstloser Liebe aufgespeichert hätten zu adeliger Verschwendung!

Aber nun schufen Sie, Fräulein, Puppen, die wie edle, zarte
Menschenkinder blicken, träumerisch lächelnde, und solche, die sich
anschicken zu weinen und es dennoch unterdrücken! Kleine, zarte Kindchen
schufen Sie, nicht Puppen!

»Das Beste ist für unsre Kinder gerade noch gut genug«, sei der
Wahlspruch von verständnisvollen Eltern. Eine meiner kleinen
zartfühlenden Freundinnen, zwölfjährig, hat am Lande im Garten einen
Zentralkäfig aus spinnwebdünnem Stacheldraht. Innerhalb ein kleiner
ovaler Teich von Quellwasser, und blühende kleine Gesträuche. Dieser
Käfig ist bewohnt von siebzig herrlichen Vogelarten. Hier genießt sie
die Märchen der mysteriösen Natur aus allererster Hand, hat einen
kleinen bequemen Fauteuil davor gerückt, sitzt stundenlang, beglückt und
entrückt — — —.

Geradeso könnte man mit Ihren Püppchen sitzen, stundenlang, Fräulein
Marion Kaulitz! Ich denke mir kinderlose zarte Damen, die dieselben
sanft an ihr Herz drückten. Im Schlafzimmer sollten sie in Sofaecken
kauern, wie kleine zarte Lebewesen! Es gibt einige darunter, die man
direkt lieb gewinnt. Ich kann es mir vorstellen, daß eine alte Jungfer
solche fünfzig ankaufte und so in ihrem Zimmer eine Welt erblühen ließe,
die ihr im realen Leben versagt geblieben ist. Eine Welt von Poesie und
ohne die Enttäuschungen. Eine ist darunter, dreißig Kronen, von der man
es sich vorstellen muß, daß sie unbedingt eine weltentrückte Dichterin
werden würde. Ich sagte zu der wunderbar schönen bleichen Verkäuferin
mit den aschblonden Haaren und der sanftmütigen Stimme: »Melden Sie es
mir seinerzeit, welche Dame diese scheinbar unscheinbare Puppe erstanden
habe! Es wird jedenfalls eine ›innerlich Adelige‹ sein — — —.« Die
bleiche Verkäuferin errötete und sagte: »Ein fremder Herr hat sie heute
bereits von selbst für mich erstanden — — —.«



                                VARIÉTÉ

»Sechs riesenstarke Männer und eine _Sechzehnjährige_, wunderbaren
verklärten Antlitzes, und gewachsen wie ein edler Knabe. Man warf sie
wie einen Gummiball, fing sie nach zahllosen Umdrehungen auf
herkulischen Schultern geschickt auf. Dennoch zitterte man jedesmal für
ihre edelzarten, unbeschreiblich rührenden, gebrechlichen Glieder. Sie
blickte ekstatisch, ließ sich in die Luft wirbeln und auffangen und
hätte, zufällig auf den Boden geschleudert und ermordet, zerbrochen,
zerquetscht, keinen Laut von sich gegeben! Ekstatisch blickend wäre sie
gestorben. Da dachte ein Graf: »Ich werde sie ihren Peinigern entziehen
und ihrem Selbstmorde. Ich werde sie schützen, pflegen und behüten!«
Aber das _wunderbar verklärte_ Antlitz hätte sie dann sogleich verloren,
und den edlen süßen Heldenblick wie in einer Schlacht, in der man gern
vor dem Tode steht! Denn »leben ohne Ehre« ist da überflüssig geworden!
O, Fräulein, gedenken Sie eines armseligen Zeitungsreferenten, der es
nicht drucken lassen darf, daß er vor Ihnen hätte hinknien mögen!
Sondern er mußte schreiben: »Einen wirklichen Rekord in der
Parterreakrobatik bot die jugendliche Tochter des Truppendirektors. Eine
Vereinigung von Kraft und Anmut — — —. Stürmischer Beifall belohnte aber
auch ihre Leistung!« O, Menschheit, pfui über dich, die du noch immer
die »spanische Stiergefechtsseele« hast, ohne Erbarmen und ohne Liebe,
pfui! Fräulein M., Ihre edelzarten Glieder sind mehr wert als das
begeisterte Gejohle einer herzlosen Menge. Gott beschütze Sie,
Allerzarteste, in Ihrem gefahrvollen Berufe! Möge dennoch ein Graf Sie
zuletzt erretten!«



                        DIE ABGELEHNTE EINLADUNG

»Sie luden ihn ein auf ihre Besitzung. Er könne dort tun und lassen, was
er wolle, niemand würde Ansprüche an ihn stellen. Er habe seine Freiheit
garantiert. Er kam nicht. Er hatte zu tiefe _Achtung_ vor dem
_Fernverkehr_ zwischen Menschen, die sich wenigstens teilweise
verstehen, zu viel _Verachtung_ für den _Nahverkehr_, der unter allen
Umständen Abgründe öffnet, in denen die Seelen zerschellen. Welche
Freiheit konnte man ihm garantieren, nachdem er als Gast von selbst
infolge seiner inneren Kultur unwillkürlich den Gastgeber ununterbrochen
berücksichtigt hätte? Die großen Abgründe sind leicht mit Freundschaft
zu überbrücken, _unüberbrückbar_ sind die allerkleinsten; was ist es,
wenn der fanatisch geliebte Hund des Gastgebers dem Gaste als ein
verwöhntes, ekelhaftes Beest erscheint? Genügt das nicht, alle Werte
umzuwerten und Verzweiflung in den Nerven zu erzeugen, wo früher edler
Friede war? Ich will von Speisen und Getränken gar nicht reden, von
Tageseinteilungen. Der Gast wird zum »hysterisch-empfindsamsten«
Menschen, weil er eben der »Gast« ist, der Gastgeber ebenfalls, weil er
eben der »Gastgeber« ist! Es entsteht eine Beziehung von
Verantwortlichkeit für das Glück des anderen. Man bemüht sich, ein
anständiges aber ungeschicktes Kompromiß zu schließen zwischen zwei
Nervensystemen. Nun gibt es aber auch noch tragischere Verwicklungen.
Zum Beispiel »Lieblingsspaziergänge«, oder »Lieblingsplätze im Garten«,
ja sogar »Lieblingsbäume und -blumen«. »Gekränkt sein« ist eine von
unserem guten, ja von unserem besten Willen unabhängige Emotion der
Seele. Wodurch könnte man es besiegen!? Durch Entfernung! Napoleon kann
bei seinem Kammerdiener zu Gaste sein, aber nicht bei einem Napoleon!
Außerdem kann man sich auch noch zu allem anderen vielleicht in das
Stubenmädchen der Hausfrau verlieben. »Distanzen lassen« in jeglichem
Verkehr ist die »Genialität der Bescheidenen«, »Distanzen nicht
einhalten« ist die »Stupidität der Größenwahnsinnigen«! Es gibt daher
für einen »_bescheidenen_« Gast eine einzige Form der Einladung an ihn:
»Liebster Freund, wir reisen heute abends ab, unsere Villa steht Ihnen
daher zur Verfügung. Die Köchin wird kochen, was Sie anbefehlen;
außerdem bekommen Sie Tagesdiäten von zehn Kronen. Gedenken Sie unser in
Liebe!«



                               HYPOKRISIE

Ich möchte ein einziges Mal im Leben ein Liebespaar, ein junges Ehepaar
antreffen, bei dem der Mann nicht in überquellender sorgsamer
Zärtlichkeit das Zigarettenrauchen der Geliebten bespräche! »Anna, du
weißt, dein Pensum ist bereits überschritten, ich habe drei Zigaretten
täglich gestattet, eine nach dem Frühstück, eine nach dem Mittagessen,
eine nach dem Nachtmahl. Ich glaube, ich bin jedenfalls ein
nachsichtiger Gatte — — —.« Nein, das bist du nicht, du Hund! Gerade
hierin also willst du ihr helfen, hast nicht die geringste Ahnung, du
Esel, wieviel Narkotika sie braucht, um deine Langweiligkeiten zu
ertragen, oder sich zu betäuben einmal auf anständige Art! Keine Frau
raucht mehr Zigaretten, als sie unbedingt braucht, denn in der Kontrolle
ihrer Genußfähigkeiten sind die Frauen begabter als die Männer, da sie
den Gesetzen der unbewußten Natur näher stehen, sie daher besser
erlauschen! Ich hasse die Männer, die ihre hypokrite zärtliche Fürsorge
gleichsam auf das scheinbar übertriebene Zigarettenrauchen ihrer
geliebten Frauen konzentrieren. Sie haben überhaupt nicht die geringste
Ahnung von der minutiösen Hygiene des Frauenleibes, der Frauenseele!
Aber vor der unschuldig-betäubenden, ja oft erlösenden Zigarette wollen
sie sie zärtlichst behüten! Der Anfang aller Ungezogenheiten einer Frau,
die sich dann allmählich und unscheinbar entwickeln, ist, ihr ihre
unschuldigen Freuden zu mißgönnen!



                        STRANDBAD »GÄNSEHÄUFEL«


Wie alt du wirst, Peter — —. Läßt dich deinen Idealen nicht mal mehr
vorstellen?!

Ich sah zwei Schwestern, sechzehn und fünfzehn, mit braunem Teint und
dunklen Haaren, stumpfnasig, edelhändig, edelfüßig.

Wie von den Inseln Ceylon, Sumatra, waren sie.

Die Sonne brannte auf den grauen mehligen Donausand des Strombades
»Gänsehäufel«.

Ein buntes Treiben; und ich sah nur euch!

Wie flügge Vögelchen im Neste, sah ich euch, von eurem Vater zart
behütet — —.

Finger, Zehen, zart zum Abbrechen.

Und eure Augen schienen noch nie ängstlich geblickt zu haben — — —.

Ein buntes Treiben auf dem Strand, im Wasser!

Familienglück mit plätschernden Babys, und Paare, denen man es ansah:
»Ihr gehört zusammen!«

Von Weidenbüschen kamen Duft und Kühle — —.

Und als die beiden braunen Schwestern ihre weißen Strandkörbe verließen,
um zu baden, hätte ich mich gern als Leibwache hinpostiert und zu jedem
gesagt: »Die Körbe sind besetzt, ich hüte meiner geliebten Herrschaft
ihre Ruheplätze — — —!«



                           RÜCKKEHR VOM LANDE


Nun ist es wieder Herbst geworden, und die Grabenkioske füllen sich zur
Abendzeit mit wohlgepflegten und gebräunten Damen.

Man hätte so viel zu erzählen, und man schweigt!

Man ist wieder in diesem Gefängnis »Großstadt«.

Man träumt von Licht und Luft und Wasser.

Man war ein anderer, besser, menschlicher.

Nun geht man seinen Trab wie eh und je.

Man fühlt sich altern, schwerfällig werden, klammert sich an dieses
unglückselige Wort: »Verpflichtungen«!

Die Wohnung will nicht in Ordnung kommen, und die Dienstboten kündigen.

»Die gnädige Frau war am Land viel netter zu uns — — —.«

Ja, das war sie.

Die Kellner in den Kiosken begrüßen alle Gäste wie Weltreisende, die
vielfache Gefahren überstanden haben — — —.

Nun nehmen sie Soda-Himbeer im sicheren Port!

Die Deklassierten, die nicht fort waren, mischen sich in die Menge der
Zurückgekehrten, als ob nichts vorgefallen wäre — — —.

Ja, sie haben sogar die naive Frechheit, zu behaupten, Wien wäre am
angenehmsten, wenn alles »auf den Ländern« weile — — —.

Damen, mit den veredelten gebräunten Antlitzen, lasset euch nicht
betrügen von dem Prunk der Großstadt! Erschauet in den Spiegeln eurer
Gemächer einen Zug auf eurem Antlitz, den Licht und Luft und Wasser und
Freiheit modelliert haben, und der nicht da war ehedem, und der
verschwinden wird im Wintertrubel!

Komödie hier, Komödie dort vielleicht — — —.

Doch unter freiem Himmel ist das _Theater_ schöner!



                              KRANKENLAGER


Ich lag wieder einmal im Sterben. Einer sandte mir daher Kalbsfußgelee
in Glasdose, statt mir seine junge, schöne Geliebte zu senden, die mich
unbedingt eher hätte erretten können als Kalbshaxen! Das Kalbsfußgelee
hatte einen geheimnisvollen, uneröffenbaren Verschluß. Daher war es auch
ganz gleichgültig, daß es vor dem Eröffnen zwei Stunden lang in Eis
liegen sollte. Einer kam sehr teilnahmsvoll und besprach es mit mir
ziemlich eingehend, ob er seiner Mitzi den Laufpaß geben solle oder
nicht, nachdem doch, wie ich wisse —. Wir berieten hin und her, und er
meinte schließlich, er sehe, ich sei nicht ganz bei der Sache. Zum
Schlusse sagte er: »Hast du große Schmerzen?! Merkwürdig, daß diese
Anfälle in letzter Zeit so häufig wiederkommen. Vielleicht sieht man
dich übrigens morgen im Gasthaus. Da können wir es weiter besprechen.«
Eine Dame kam, und ich teilte ihr mit, daß sie die schönsten Ohren,
Hände von der Welt habe. Sie meinte, ich bliebe noch in der Sterbestunde
ein Dichter, ein wirklicher Künstler. Einer kam und legte seine
Zigarettenasche auf mein Nachtkästchen aus Bambus, neben die große,
tiefe Aschenschale. Einer trug mir ein Buch weg, unter dem Vorwande, ich
könne in meinem jetzigen Zustande ohnedies nicht die Sammlung finden, es
zu lesen. Einer sagte mir, man dürfe sich nicht so sehr nachgeben,
sondern müsse die Krankheit durch Energie überwinden. Gott, wo käme er
selbst hin, wenn er sich immer gleich ins Bett legen wollte und sich
pflegte!? Eine junge Dame schrieb: »Verehrter Meister, ich höre, daß Sie
schwerkrank sind. Darf ich um ein Autogramm bitten?!« Als ich wieder
genesen war, sagte man zu mir: »Nun, Peter, du ewig Unzufriedener, hast
du es nicht jetzt wieder einmal erlebt, von wieviel Sympathie und echter
Freundschaft du in schweren Zeiten dennoch umgeben bist?!« Ich blickte
gerührt vor mich hin — das heißt, ich dachte: Verbrecher und
Schafsköpfe!



                                 HUNDE


Ich hasse die Frauen nicht nur wegen der falschen Krawatten, die sie
anhaben, wegen der falschen Schirmgriffe, der falschen Hüte, der
falschen Manschettenknöpfe und so weiter — ich hasse sie in neuerer Zeit
wegen der »Pflanzhunde«, die sie sich mit teuerm Gelde zulegen, um eine
Art von verlogener Tierromantik mit ihnen aufzuführen.

Meine wunderbar schöne Schwester fand in ihrem fünfzehnten Lebensjahre
ein schreckliches verhungertes Tier auf der Bergstraße nach Kaiserbrunn,
direkt ein Scheusal. Aber sie betreute es fanatisch; und als sie es
eines Sommermorgens im Bottich des kleinen duftenden Gemüsegartens
ertränkt fand, legte sie sich ins Bett und verweigerte acht Tage lang
die Nahrung.

Heutzutage aber kaufen sie sich für schwere Tausende prämierte Russische
Windhunde, Springer erster Klasse, die zwar unerhört hohe Barrieren
überspringen, aber nicht einmal den Seelengeruch aufbringen, die Wohnung
ihrer scheinbar geliebten Herrin allein wieder aufzufinden!

Herzlose Idioten von äußerlich schönen Tieren favorisieren sie,
schändliche Masken von Idealen, einen Abglanz ihrer eigenen leeren
Persönlichkeiten, drapiert mit modernen Gewandungen! Wie sie selbst!

Seinerzeit war der getreueste Freund des Menschen favorisiert, der
aufopferungsfähige weiße oder schwarze Pudel.

Heute aber liebt man den infam perfid treulosen Dackel, den grotesken
Clown Foxterrier, und den stupiden herzlosen und gleichgültigen
Russischen Windhund.

Heute geht man auf Farbe und Form. Aber das melancholisch-treuherzige
Auge ist euch gleichgültig geworden! Es wird sich natürlich an euch
rächen! Auch die »Ästhetik« kann nur aus den mysteriösen Tiefen des
Herzens kommen; sonst ist es eine Blüte, die an ihrer eigenen schamlosen
Kälte verkommt, verdorrt! Nur das Herz hat ewig belebende tropische
Wärme. Schönheit allein mordet!



                                 H. N.


In deinen Augen lese ich dein Leben — — — mehr brauch ich nicht zu
wissen, es ist alles. Und deine Stimme ersetzt mir die Musik der Welt!
Deine Hände zu schauen, macht dankbar gegen das Schicksal — — und sie
berühren, macht mich tief erschauern! Wie eine geknickte Blume prangst
du in der Welt, die trotzig starrt von harten Pflanzen! Nur du erzeugst
mir Sehnsucht, Gottes edle Qual! Die anderen genießt man, wenn sie da
sind, und die Entfernung legt sie zu den Toten! Von dir aus strömt des
Dichters Leid und Not, an diesem Stoffe brennen seine Flammen! Wenn du
von Lieblingsliedern sprichst, hör ich sie tönen; Wenn du von
Lieblingsbüchern sprichst, so hab ich sie gelesen! Wenn du von schönen
Frauen sprichst, so seh ich sie, wenn du von Männern sprichst, so sterb
ich vor Verzweiflung!

Und die Welt erdunkelt mir — — —. Der Bann, der Bann, Bannsegen ohne
Fluch! So bannst du mich! Du bist verstört, von tausend geheimnisvollen
Kräften hin und her getrieben, die aber mir zu Tau und Sonne werden,
indem ich sie gerührt betrachte und begreife, wie eine Mutter ihres
geliebten Kindes Rätsel — — —. Entfern dich nicht! Denn wenn du mich
verläßt, erlischt für Dich dein eigener Zauber — — und eine Welt
ersteht, die dich brutal genießen will!



                                 HELGA


Helga, mein Leitstern, bist du mir erloschen?!?

Leuchtest du mir nicht mehr in meinen Dunkelheiten?! Willst du meinen
Verdüsterungen nicht mehr Klärung bringen?! Die Nebel zerstreuen, die
sich über meiner Seele lagern, wie die Sonnenkraft auf Bergesgipfeln
beim Nebelreißen?!? Wie ein Kindchen strecke ich die Arme nach dir aus.
Hilf mir! Du gabst mir Kraft, du gabst mir Frieden! Sei ewig
bedankt — — —! Nun kommen die Liebelosen und rauben mir alles! Düstere
Nebel umwölken mein ehemals klares Gehirn — — —. Sei wieder die Sonne,
die Klarheit bringt und Licht und Wärme! Hilf mir, Helga — — —! Alle
andern Frauen nehmen und plündern, die Seele, den Leib, die Kraft des
Gehirnes — — —! Du allein _spendest_ und _spendest_ und _spendest_! Kaum
bist du fort, _umdüstert_ sich alles — — —. Die bösen Geister nehmen
mich in Besitz — — — Guter Geist, Helga, ich entbehre dich, wie ein
krankes Kind seine Baba — — —. _Gütige Kinderfrau_, Helga, ich gebe dir
_diesen_ Ehrentitel, Statt dieses schnöden, inhaltslosen Titels:
Geliebte!



                              DAS TELEPHON


»Hier Peter Altenberg — — —.«

— »Oh, Peter, guten Abend. Denken Sie, ich kann heute abend nicht an
Ihren lieben Stammtisch im ›Löwenbräu‹ kommen. Ich habe mir erst vor
einer Stunde die Haare gewaschen und sie brauchen mindestens drei
Stunden, um zu trocknen.«

»Schluß«, rief er und läutete rasend ab. —

Das war eine Art von Genugtuung. — Aber sehr bald darauf überkam ihn
eine trübe Stimmung und er dachte: »Was, oh Fraue, was wirst du mir also
noch alles antun, nachdem du dir nicht einmal rechtzeitig die Haare
waschen konntest — — —.«



                                DIE LÜGE


Eine der schrecklichsten Verlogenheiten des kleinen Lebens ist es, daß
so viele in liebenswürdig-korrekter Art fragen: »Ist es gestattet, an
Ihrem Tische Platz zu nehmen? Stört man nicht!?«

Welche verlogene Gemeinheit, eine solche perfid-jesuitische Frage zu
stellen, nachdem man es doch sicher weiß, daß niemand daraufhin den Mut
hat, zu antworten: »_Nein_!«

Möge doch jeder in seiner Vereinsamung bleiben, bis man ihn »liebevoll«
ruft! Wie viele Feindselige drängen sich scheinbar freundschaftlichst
heran, weil man mit einer Dame sitzt, auf die sie »fliegen!« Eine
horrende feige Gemeinheit. Schändliche Wölfe im Schafspelze. Wenn sie
ihre Beute »gerissen« haben, verschwinden sie! Niemand weiß, edle
Distanz zu halten, weder im Gespräch, noch in Handlungen. Eine falsche,
feige Gutmütigkeit beherrscht alles, vom liebenswürdigen, scheinbar
erfreuten Lächeln der Begrüßung an, bis in die ernsteren Komplikationen
hinein, wo die Maske fällt! »Wie geht es Ihnen?!« Jeder denkt dabei:
Hoffentlich schlecht! Das Herz traut sich nirgends hervor; es keucht,
erstickt unter Lügebergen! Niemand kann »er selbst sein«, schaut sich
daher ängstlich um, nach dem Sukkurs der andern!

Heldentum: »Ist es erlaubt, an Ihrem Tische Platz zu nehmen?!«

»Nein!«

Dann geht der feige, geprügelte Hund aber hin und rächt sich!



                               PLAUDEREI


Früher hat es naturgemäß Religionsstifter gegeben für die _Seelen_. Der
Körper war _urkräftig_, und die Seelen waren _schwächlich_. Da bedurfte
es der _Ärzte_ für die _Seelen_. Nun aber ist es umgekehrt: die Seelen
sind _erstarkt_, und die Körper sind _schwächlich geworden_. Da bedarf
es der Religionsstifter für die _Körper_!

Keuschheit zum Beispiel war früher eine »psychologische« Forderung,
heute wird es zu einer »physiologischen«! Einfachheit der Lebensweise
war früher eine »psychologische Forderung«, heute ist es eine
»physiologische« geworden!

Früher beschenkte man Arme aus »psychologischen« Gründen. Heute könnte
man fast bereits sagen: »Ich gab einem Armen 50 Heller, denn ich fühlte
es, daß mir mein Nachtmahl dann besser munden würde und ich es leichter
verdauen könnte —.«

»Seelische Angelegenheiten« beginnen zugleich »physiologisch« aufgefaßt
zu werden, also eine organische Verbindung von _Selbstlosigkeit_ und
_Ichismus_. Je mehr ich meinen _Körper_ entwickle und schone, desto mehr
kann ich _seelisch für andere leisten_! Ich bin _von mir_ befreit! _Für_
andere! Liebenswürdigkeit, Menschenfreundlichkeit ist Sache des
Verdauungsapparats.

Mörder müssen _Blähungen_ haben. Man kann nämlich auch unscheinbar
morden; es muß nicht immer Messer und Kugel sein. Auch Worte können
morden und _jegliche_ Ungezogenheit! Frauen müßten daher besonders
vorsichtig sein in bezug auf ihren gesamten Verdauungsapparat. Sie
können leicht »seelisch morden«, wenn sie unverdauliches Zeug essen, das
sie belästigt und beschwert. Ich will von einer der wichtigsten Sphären
im »physiologischen Organismus« gar nichts auch nur andeuten, in der man
entweder zum »_Übermenschen_« oder zum »_Mandrill_« wird! Aber der
kommende Religionsstifter wird die Verbrechen, die »Höllen«,
_ausschließlich_ in der »physiologischen« Sphäre erkennen, wenn auch der
»Alkoholgenuß« nur selbstverständlich den _Prügelknaben_ vorstellt, der
blöderweise für _alle anderen_ Sünden herhalten soll! »Falscher Ehrgeiz«
zum Beispiel ist ein »_physiologischer_« Mörder in uns, ein Krebs der
Seele, eigentlich aber des Leibes! Die Würmer werden mich fressen,
früher aber muß ich noch Baron werden! Sie sollen einen Baron also
annagen! Man verlästert immer die Dekadenz. Aber wann werden die
Menschen endlich nicht _mehr_ essen, als sie benötigen, nicht _mehr_
trinken, als sie _benötigen_?!? Bis sie es nicht mehr _vertragen_ vor
Schwäche! Dadurch aber werden sie dann allmählich wieder _ganz stark_
werden!

Das ist der _Werdegang_! Zuerst _völlern_, auf seine _überschüssigen_
Kräfte hin! Dann _sparsam leben_, wegen _seiner unterschüssigen_
Lebenskräfte. Und dann _infolgedessen_ gesunden, reich werden und es
_bleiben_! Dekadenz ist der _organische Übergang_ zur _Aszendenz_!
Zuerst _vergeuden_ die Menschen ihre Kräfte, weil sie _zu viel_ davon
haben. Dann _sparen_ sie damit, weil sie _zu wenig_ haben. Und
schließlich haben sie wieder _angesammelt_ und _sparen_ wegen schlimmer
Erfahrungen! Es gibt keinen anderen Weg!

Es wäre denn, daß ein »physiologischer« Religionsstifter die
_persönliche Macht_ ausübte, daß die _Verschwender_ an Lebenskräften zu
_sparen_ begännen, _ehe_ es unbedingt notwendig wäre! Dann könnte er
»gottähnliche Menschen« züchten auf Erden! »Erkenntnisse aus Not« sind
eigentlich dennoch lächerlich, sie haben keine »Verführungskraft«.
»Erkenntnisse« aus »Erkenntnis« allein haben Triebkraft. Sie zeitigen
Blüten und Früchte am Baume der Erkenntnis! Der ganze mögliche
Fortschritt also: _Erkenntnisse_ haben und sie _durchsetzen_, ohne
»physiologisch« dazu bereits _genötigt_ zu sein! Zum Beispiel also,
Krankenkost essen, ohne es _nötig_ zu haben, keusch leben, ohne es
_nötig_ zu haben, zehn Stunden schlafen, ohne es _nötig_ zu haben! Mit
diesem gewonnenen Überschuß an Lebenskräften es versuchen, ein »höherer,
besserer Mensch« zu werden!



                               LEBENSBILD


Die fünfjährige Marie Ch. mußte um 6 Uhr morgens, bei 10 Grad Kälte, nur
mit einem Hemd bekleidet, den Fußboden des Vorhauses reiben. Ein
Adeliger, ein Geschäftsmann wollte ich sagen, der zufällig in das Haus
trat, machte die polizeiliche Anzeige. Alle ärmlichen Bewohner des
weiten alten Hauses atmeten auf. Sie selbst hätten sich vor der Furie
von Mutter nicht getraut, es zu tun.

Der Richter zu der Mutter: »— — — und was ist es mit den blutigen
Striemen auf dem Leibe dieses schwächlichen todbleichen Geschöpfes?!«

»Dös Menscherl hat eh zu viel Blut — — —.«

Der Richter war empört und verurteilte sie zu 8 Tagen. Nach diesen acht
Tagen wird sie also jedenfalls das »vollblütige Menscherl« nicht mehr
den Boden des Vorhauses reiben lassen, da dort »Adelige« vorbeigehen und
die Anzeige machen könnten. Im trauten Gemache, einen Knebel im Munde,
gibt es verschwiegenere Martern für irgend etwas. Nun hat aber
höchstwahrscheinlich diese »Mutter« eine Entschuldigung. Denn sie nahm
das Mäderl von Bauersleuten weg am Lande, die es zwar sehr fürsorglich
behandelten, aber immerhin 6 bis 10 Kronen monatlich erhielten. Grund
genug, ein Kind als »unerträgliche Last« zu empfinden für durch Armut in
einem ununterbrochenen Zustande von »reizbarer Schwäche« befindliche
Nervensysteme. _Grauen befällt den Allweisen erst_ in dem gar nicht
seltenen Falle, wo Pflegeeltern ein abgöttisch geliebtes, edel gehegtes
Kindchen ohne einen Kreuzer Entschädigung à tout prix behalten wollen,
und die »Eltern« es nicht _gestatten_, sondern es nach Hause nehmen, um
es der gerechten Strafe, geboren worden zu sein, unter unermeßlichen
Qualen zu unterziehen, bis der Frevel seiner Geburt mit dem Tode gesühnt
ist!

Richter: »Ihr Kind hat es doch dort so gut gehabt, und Sie selbst haben
in zwei engen Stuben acht Kinder zu ernähren?!«

»Wo acht hungern, kann das neunte auch mithungern, soll sie’s besser
haben als mir, warum?!«

Richter: »Der Bauer, der Ziehvater, hat erklärt, er setze es zur Erbin
ein — — —.«

»Nix, dös Kind g’hört zu seine Eltern, zu seine Geschwister — — —.«

Das Kind wurde später zu Tode gemartert.

Ich stelle einen einfachen logischen Gesetzesantrag: »Kinder, die
nachweislich es bei Zieheltern, die _keinerlei Entschädigung_ dafür
verlangen, gut haben, dürfen den Eltern, falls sie in bedrängten
Verhältnissen leben, _unter keiner Bedingung wieder ausgefolgt werden_!«



                     LEBENSBILDER AUS DER TIERWELT


Ich habe mit Begeisterung diese Hefte angesehen, gelesen. Es ist endlich
die Natur »aus erster Hand«, unverfälscht durch den Künstler, der sich
seit Jahrhunderten _verbrecherischerweise_ zwischen Gott und die
Urromantik des Seins drängt, ein zwar _notwendiger_, aber für unsereinen
_überflüssiger_ Vermittler und Erklärer der Schätze des Daseins! Wir
sind selbst »_Künstlermenschen_« geworden!

Dieser »_Hochzeitstag_« z. B. der Eber im dunklen alten Forste; ja,
weshalb hat bis heute keiner von den protokollierten »Landschaftern« so
etwas gemalt?!? Diese schwarzen Ungetüme, in Liebe aufgelöst, einer auf
den anderen getürmt; die anderen schauen dumm zu, und der Forst ist voll
riesiger schwarzer Stämme. Solche Dinge bringt heutzutage die »Kamera«
fertig und beschämt den Maler, der den Eber »mit _seinem_ Auge«, also
_falsch_ sieht! Der Japaner allein bemühte sich, der Natur mit
unsäglichem Fleiße nahezukommen, beizukommen. Aber bei uns steht immer
der Größenwahn des »Menschen« der einfachen schönen Wahrheit
_heimtückisch hinderlich_ im Wege! Der Maler bringt überall »seine
Seele« hinein, für diejenigen, die nicht einmal »ihre eigene dumme
Seele« besitzen! Aber Gottes Seele, die _aus jeglichem_ ausstrahlt, muß
endlich _ohne Vermittlung_ dieses Hofmeisters »Künstler« erfaßt werden
können! Wer eine Frau erst als wertvoll, als mysteriös, als Verhängnis
empfinden, sehen, erfassen könnte, bis der geniale Maler ihre Werte
gemalt, der Dichter ihre Werte besungen hätte, dem, dem wird sie ihr
Leben lang nur ein »unenträtselbares Sexualtierchen« bleiben! Der
Künstler ist ein Lehrer und Vermittler, und solange man seiner bedarf
und er als wertvoll erscheint, ist man nur ein »Schüler des Lebens«, ein
nicht schauen und hören Könnender, in Gottes All hinein, ein Menschlein,
fern dem Herzen und Gehirne, das in der Natur überall geheimnisvoll
verborgen liegt, auf daß erst der zum wirklichen Leben »Ausgereifte« es
genießen dürfe auf seinem Weg zum Heile, zur Gottähnlichkeit! Den
anderen ist es wohlweislich verschlossen, und man schickt diese »Babies«
in die »Lebensschule« zum Herrn Lehrer »Künstler«, der ihnen
_primitiverweise_ die Anfangsgründe beibringen soll, mit leichtfaßlichen
Beispielen, »Kunstwerke« genannt!

Wir aber entnehmen diesen mit der einfachen »Kamera« aufgenommenen
»_Lebensbildern aus der Tierwelt_«, R. Voigtländers Verlag, Leipzig, und
diesen Texten, die nur klar und einfach berichten von den Ereignissen
des Tierlebens bei Tag und Nacht und zu jeder Stunde, und von den
»Homerischen Kämpfen« unter Grashalmen und Gebüschen verborgen, wir
entnehmen ihnen alle Poesien, alle Romantik, alle Tragödien, alle
Rätsel, die es hienieden gibt! Unsere Lehrer sind Gott und Natur!

Man müßte eigentlich einer geliebten Frau diese in Lieferungen
erscheinenden, »Lebensbilder aus der Tierwelt«, R. Voigtländers Verlag,
Leipzig, als Geschenk senden. Denn es ist ein absoluter Prüfstein für
ihre »inneren Werte«; wie sie darauf nämlich reagierte!?

Nun, ich habe das mit einer unbeschreiblich verehrten Dame getan.

Sie schrieb mir zurück: »Lieber Freund, sein’s mir nicht bös, aber dös
interessiert mich leider gar nicht ...«

Nun, hat es meine Anhänglichkeit an sie aber zum Schwinden gebracht?!?
Keine Spur!



           BRIEF AN MITZI VON DER »LAMINGSON-TRUPPE«, DÄNIN.


       Liebes, liebes Fräulein, Mitzi von der »Lamingson-Truppe«!

Ich weiß es nicht, wie lange Sie noch in Wien und hier im »Casino de
Paris« bleiben werden, und eines Tages können Sie fort sein, fort auf
Nimmerwiedersehen, irgendwohin in die lustige oder traurige Welt der
Künstler, der Artisten, tausend und tausend merkwürdigen Schicksalen und
Begebenheiten ausgesetzt!

Mögen Sie es daher wissen, daß ein alter armer glatzköpfiger uneleganter
Dichter Ihnen nachweinen wird und Ihre herrliche liebliche wundervolle
Persönlichkeit gleichsam im Innern seiner Augen aufbewahren wird, lange
lange lange Zeit — — —.

Man vergleicht oft junge Mädchen mit schlanken Rehen im Walde; aber
niemals, niemals hat ein Vergleich so sehr gestimmt! Sie sind das
schlanke rührende edelbeinige Reh, nicht ahnend, woher der Schuß eines
grausamen Jägers kommen wird im Waldesfrieden — — —.

Ihre lieben lieben, beim Lächeln zusammengezwickten Augen, werde ich nie
nie vergessen, nie Ihre blondbraunen Haare, Ihre aristokratisch-noblen
Glieder, Ihre edelgebogene und dennoch rechtzeitig abstumpfende Nase,
Ihren süßen Mund!

Wenn Sie fort sind, Mitzi, Fräulein Mitzi, wird es mir sein, wie wenn
mir jemand ungeheuer Liebes gestorben wäre, und ich werde Ihnen
nachtrauern und um Sie besorgt sein!

Ihre außergewöhnliche Schönheit, Ihr Leib, der wie das zarte Gedicht
eines Dichters ist, haben mich tief, tief gerührt; und ich möchte, daß
junge, reiche elegante Männer mit derselben Ehrfurcht vor Ihrer
lieblichen Herrlichkeit sich innerlich verneigen könnten wie ich alter
Mann.

Man müßte Sie betreuen und beschützen wie einen kostbaren lebendigen
Gegenstand, man müßte für Sie sorgen bei Tag und bei Nacht. — — — Mit
liebevollster Fürsorge!


Lächeln Sie nicht, wenn Sie diese Zeilen lesen, Ihre Härte könnte mich
nicht verwunden, nicht verletzen — — —.

Ich bete zu Gott, daß Sie glücklich werden, Sie Allerlieblichste!!!

                                                        Peter Altenberg.



                               APHORISMEN


Ich verstehe unter »_Kultur einer Frauenseele_«, einen Mann, dem man
sich einmal gewidmet hat, nicht zu _kränken_, bevor man nicht
aufrichtig-traurig zu ihm gesprochen hat: »Es ist Schluß!«

Eine Frau kann ihr Schlachtopfer »Mannesseele« grausam umbringen, wie
Krebse in siedendem Wasser, oder in milder Form, mit einem Schnitt wie
Kälber. Weshalb es ihnen also verzeihen, wenn sie es grausam tun?!

Grausam bereits ist der »_kokette Blick_«!!!

Sage also, Kanaille, lieber vorher: »_Es ist Schluß!_«



                        TEXTE AUF ANSICHTSKARTEN


                                _Rokoko_

In dieser Zeit lebten Menschen, die vom Leben nicht wußten, wie es
_wirklich_ und _einfach_ ist!

Sie lebten in einem »falschen Märchenlande« — —.

Denn das »echte Märchenland« ist die Romantik des _Kartoffelfeldes_ in
einer _wirklichen_ Mondnacht! Solange die menschlich-kindischen Herzen
noch nicht reif sind für die ernste »Romantik der Natur selbst«,
schaffen sie sich »kindische Spielereien«! Aber diese »Verirrten« waren
wenigstens »_Wege-Sucher_«, die sich nur kindisch _verirrten_! Das
wollen wir ihnen also _zugute_ halten!

                           _Frau E... R....._

    Schaffst du denn Symphonien, weibliches Beethoven-Antlitz?!?
    Du bist ein _Weib_, kannst dich nicht _austönen_!
    Nicht dich _erlösen_!
    Ein _Spiegelbild der Welt_ kannst du nicht sein!
    Zur _Tagestat_ zu groß, zur _ewigen_ zu _klein_!
    So _bleibst_ du Weib und kannst’s dennoch nicht sein!!


                       _Fräulein Barbara von G._

»_Nichts_ ist gekommen, nichts _wird kommen_ für meine Seele — — —.

Ich habe _gewartet_, _gewartet_, oh, _gewartet_ —.

Die Tage werden dahinschleichen —.

Und _umsonst_ wehen meine aschblonden seidenen Haare um mein bleiches
Antlitz — — —.«


Über die Grenzen des All blicktest du sinnend hinaus;

Hattest nie Sorge um Hof und Haus!

_Leben_ und _Traum vom Leben_ — — — — plötzlich ist alles aus — — —.

Über die Grenzen des All blickst du noch sinnend hinaus — — —!


Nach Jahren kommt eine _unaussprechliche Dankbarkeit_ in uns für die
Frau, die wir »unglücklich liebten« — — —. Aus _Bürgern des strengen
Tages_ machte sie uns nämlich zu _weltentrückten Poeten_, _erschloß_ uns
unseres eigenen Herzens Tiefen, _erhöhte_ uns zu »inneren tragischen
Helden«! _Unsere Tränen_ gab sie uns, bannte das _leere Lächeln_! Sie
sei also bedankt und gepriesen!


                             _Schneesturm_

Seele, wie bist du schöner, tiefer, nach _Schneestürmen_ — — —.

Auch du hast sie, gleich der Natur — — —.

Und über beiden liegt noch ein _trüber Hauch_, wenn das Gewölk sich
schon _verzog_!


  Bloß ein Feld voll Zwiebeln — — —.
  Stillt es die _Not_ dessen, der es bebaut,
  Stimmt es _andächtig_ den, der es nur _als Künstler beschaut_!

Gräber von berühmten Toten sollen uns streng ermahnen, den Tag und die
Stunde wertvoll zu gestalten, da wir _noch_ sind — — —!


Helle Wolken und schwarze Bäume!

Für Kinder zum Schrecken, Gespenster!

Für Dichter zum Weinen!

Und der gewöhnliche Mensch geht dran gelassen vorüber, sagt: »Das wäre
etwas für Kinder zum Schrecken, und für Dichter zum Weinen!«

                            _Wald im Winter_

Ein kleines Mäderl sagte: »Onkel, aber, nicht wahr, hinten ist die böse
Hexe, die die Kinder stiehlt?!« — Ich sagte: »Natürlich«; und bat den
_friedevollen_ Wald um Entschuldigung — — —. Gewisse Menschen _wollen_
eben keinen Frieden — — —. Sie suchen selbst im Walde die böse Hexe, die
die Kinder stiehlt — — —. Sonst hat er für sie gar keinen Reiz!

                            _Weg im Winter_

Geliebter verträumter verschneiter Weg! Ging ich hier mit Anita?!? Oder
träumte ich nur, daß ich hier mit ihr gehen möchte?! Fußspuren im
Schnee, ihr paßt nicht zu Anitas geliebten Schuhen —.


Hie und da rauschen Schneeklumpen zur Erde. Wie wenn der Frühling es
versuchte, den Winter bereits abzuschütteln!

»Das Betreten der Kulturen ist strengstens untersagt« — — —; man wird es
dennoch ewig tun! Betreten, zertreten! —


Zaun, wie machst du die Landschaft melancholisch! Im Grenzenlosen etwas
Abgegrenztes!


Hier ist Friede — — —. Hier weine ich mich aus über alles. Hier löst
sich mein unermeßliches unfaßbares Leid, das meine Seele verbrennt.
Siehe, hier sind keine Menschen, keine Ansiedlungen. Hier tropft Schnee
leise in Wasserlachen — — —.

Hier suchte sie die ersten Blüten, und fand nichts. Und ich sagte zu
ihr: »Diese gelbgrünen feuchten Rasenflecke, die der zerrinnende Schnee
bloßlegt, sind schöner als Blumen — — —.« Da sah sie hin und _erkannte_!

Hier bleibe stehen mit deiner geliebtesten Freundin, und _belausche_ ihr
Antlitz — — —! Fühlt sie _dasselbe_ wie du, dann kannst du _beruhigt_
mit ihr weiterschreiten, in _die Gelände des Lebens_!

Ich suchte eine Frau, die den Schnee _wirklich_ liebte; und ich fand
keine! Sie _benützten_ nur den Schnee, für ihre Sheerns! —


Junge Ochsen auf der Weide. Einst im Sonnenbrande, ziehend am allzu
schweren Gespanne, könnt ihr euch nicht mehr der kühlen Weide erinnern.
Aber in eurem _traurig-dummen_ Auge spiegelt sich alles, und kein Gram
geht verloren in der gramvollen Welt — — —.


Margeritten im hohen Grase. Alles blüht und atmet Frieden! Auf dem Boden
leben aber und sterben lautlos hunderttausend Insekten. Nur der Mensch
erhebt seine Stimme und beklagt sein Schicksal. Kann er es ändern?! Ja.
Er kann wenigstens weinen und schreien. Und falls er es nicht kann, tun
es _für ihn_ liebevoll die _Dichter_!


Manche Frauen würden nicht elende »Treuebrecherinnen«, »Ehebrecherinnen«
werden, wenn sie stets imstande wären, an den Schätzen der friedevollen
mysteriösen Natur ihre zerfahrenen Seelen wieder und immer wieder
aufzurichten!


Natur und Frau sollten in _gleicher Weise_ wirken, uns zu adeligen,
_all_-verstehenden, sanftmütigen _Weltgeschöpfen_ zu transformieren!
Einer Frau diese _geniale Aufgabe_ als _süße Pflicht_ beibringen, heißt:
sie glücklich machen!


Sahst du nach dem Gewitterregen den Wald?!?

Alles rastet, blinkt und ist schöner als zuvor — —.

Siehe, Fraue, auch du _brauchst Gewitterregen_!

                      _Portrait d’une jeune femme_

»Je suis venue pour _donner_ — — — prenez, prenez, _prenez_!!«

                            _Cléo de Mérode_

Unzerstörbares Antlitz; Zeit und Erlebnis versuchen es vergebens, in
deinem edlen Erz sich einzugraben — — —!

                    _Prinzessin Ruprecht von Bayern_

»Und dein Antlitz ist die ›Materie gewordene‹ Seele selbst!!«

                            _Kronprinzessin_

Geboren, einem Kaiser Kinder zu gebären und zu Fürstlichkeiten zu
erziehen im Leben! Aber der Dichter erschaut in dir dennoch nur die
einfache Vollkommenheit ohne Zweck und Ziel!

           _Kronprinzessin Maria von Rumänien Glockenblumen_

Umringt bist du von deinen Lieblingsblumen, hehre Fraue! Aber du blickst
und stehst nicht in Frühlingsfroheit, sondern ermüdet und enttäuscht.
Vier allerherrlichsten Kindern gabst du das Leben, _deine eigenen
Kräfte_, behieltest dennoch deine _heilige Mädchengestalt_ bei! Das
Altern hat dich _nicht_ verändern können; deshalb blickst du _erstaunt_
und _wehmütig_!!! Du gabst und gabst und kannst noch immer geben und um
Dich herum altert die alltägliche Welt — — —!

        _Kaiserin Elisabeth von Österreich, Königin von Ungarn_

Wohin, träumerische Fraue, wandertest du, rastlos?!?

                        — »Weg _von der Lüge_!«

                          _Kaiserin Elisabeth_

Gott erschuf dich in Seiner tiefsten _künstlerischen Liebe_: zuerst, in
der Jugend, wie man sich auszudrücken pflegt, ein _wildes Füllen_ in
Berg und Tal, mit wirren Locken; und späterhin alle Leiden tragend von
enttäuschten Dichtern; das _innere ewige Klagen_, und das Erschauen, daß
Gottes Reich noch nicht gekommen sei für _Seinesgleichen_.

                      _Kaiserin-Elisabeth-Denkmal_

Ich hätte dich umringt mit dunklen Legföhren, Rhododendronbüschen,
Edelweiß, Speik, und allen Blüten der Bergalmen!

Ich hätte die Tiere der freien Berglüfte in silbernen Käfigen um dich
herum gestellt — — —. Bergdohle und Murmeltier.

Aber man stellte dich in einen Garten, gepflegt und gehegt, und _wider
die freie heilige Natur!!!_

                 _Manöver: Feld-Telephon und Fernrohr_

»Fern von der Schlacht, und dennoch mitten drinnen! So wie die Dichter!«

                        _Mein Lebensleitmotiv:_

»Nie über einen Graben springen, eine Hürde, wenn man _nicht_ ganz
_gesichert_ ist, hinüberzugelangen mit _leichter_ Anmut!«



                               HEILMITTEL


Ich habe in einer Blumenhandlung in einer Kristallglaswanne zwei goldene
japanische Zwergfische gesehen, mit riesigen durchsichtigen Flossen und
dunklen hervortretenden Augen, mit der Anmut von modernen Tänzerinnen
sich bewegend, und dabei doch reserviert gelassen ihrem Wärter, Pfleger
an die Glaswand zuschwimmend. Ich begreife es absolut nicht, wieso
reiche Damen sich diesen Schatz der Natur entgehen lassen können und
sich nicht eine kleine Herde dieser allerentzückendsten Tiere
anschaffen. Einer kostet allerdings 16 Kronen. Der Boden muß aus kleinen
Kieseln bestehen, die jeden zweiten Tag herausgenommen und in warmem
Wasser gereinigt werden müssen. Die Nahrung ist ausschließlich das
Pulver »Piscidin«, das auf die Wasseroberfläche hingestreut wird. Man
kann stundenlang vor dieser goldenen Anmutpracht verweilen. Die Tiere
lernen uns baldigst kennen und lieben. Viele Frauen würden dadurch vor
ihren bösen Gedanken, bösen Instinkten, und vor allem vor ihrer
gefährlichen inneren Leere und vor Gelangweiltsein gerettet werden
können. Gehet hin, Damen, und kaufet daher japanische Goldfische!



                            DER NEBENMENSCH


Neunzig Prozent unsrer Lebensenergien raubt uns die Ungezogenheit, die
Taktlosigkeit unseres Nebenmenschen. Jedes falsch angebrachte Wort
zerstört unser zart empfindliches Nervensystem. Nicht Distanzhalten von
der Welt des andern, die man ja doch nicht begreifen kann, mordet die
Nerven. Die unverständliche Welt des andern nicht achtungsvoll und scheu
behandeln, ist eine bodenlose Feigheit. Es ist, wie wenn man jemandem,
der unsäglich an Migräne litte, sagte, er bilde sich diese Leiden nur
ein! Gläubig sein, ist aristokratisch; bezweifeln, ironisieren, ist
plebejisch! Durch Gläubigkeit erweitert man seinen Horizont um den des
andern, durch Skeptizismus bleibt man ewig in seine eigenen engen
Grenzen eingebannt.

Niemandem wehe tun, falls es nicht unbedingt notwendig wäre, ist die
natürliche Wirkung geistiger Kultur. Jedermann werde erfrischt, ja
erlöst durch deine Gesellschaft, ja, er suche sie auf, wie das bedrückte
Menschenkind den Beichtstuhl. — — —

Aber unsre Nebenmenschen sind noch Satan, Jago, Mephistopheles, Franz
Moor; selbst zu ewiger innerer Unruhe verdammt, drängt es sie, auch in
uns nur böse Unruhe zu erzeugen, damit wir ja nicht besser, nicht
vornehmer werden als sie selbst es sein können. Sie gönnen uns nicht
höhere innere Entwicklungen, wollen uns _absichtlich degradieren auf ihr
eigenes erreichbares Niveau_! Nur der Dichter erlebt träumend künftige
Entwicklungen gläubigen Herzens, und die, die sich ihm anschließen,
tragen jedenfalls diese idealen Möglichkeiten kommender besserer Welten
schweigend-demütig bereits in ihrem Herzen! Der Nebenmensch ist ein
Gegenmensch. Er will nicht helfen, sondern schädigen. Wäre er selbst ein
Zufriedener, wünschte er nur Zufriedenheit zu verbreiten; als
Unzufriedener wünscht er uns ebenfalls nur Friedlosigkeit!



                                 SCHUTZ


Unter Yellowstone-Park versteht man bei uns bereits irgendeine wertvolle
urwaldartige, mit allen ihren geheimnisvollen Schätzen an Pflanzen,
Tieren, Steinen und Quellen erfüllte Gegend, die unter den Schutz des
Staates gestellt wird, gegen die zerstörende unnachsichtige Barbarei der
Menschheit. Eine Art von idealer Menagerie der Natur selbst! Solch einen
Yellowstone-Park wird man nun in der Schweiz im Scarltal und seinen
Nebentälern errichten, um die kostbaren Alpenpflanzen, um Bär, Luchs,
Wildkatze zu erhalten. Und alles, was da blüht, kreucht und fleucht.
Solche Yellowstone-Parke sollte man nun auch endlich für
Menschenerhaltung errichten, für exzeptionell herrliche Frauen, für
exzeptionell herrliche Männergehirne, die sonst verloren gingen in den
zahlreichen Gefahren! Oasen für Denker und Träumer, in der Wüste des
Lebens, die versengt, und verdorren macht. Oasen für wunderbar schöne
Frauen, zu denen man pilgern dürfte, ihre schmalen schneeweißen langen
Finger an die Lippen zu drücken und daran zu genesen, mehr als an
Guber-Quelle, Virchow-Quelle, Hofbrunnen und Königsbrunnen, mehr als an
den Mysterien Gasteins, Kissingens, Franzensbads, Karlsbads.
Männergehirne, die man für die Menschheit schützen müßte vor dem
Zugrundegehen, Frauenkörper, Frauenseelen, die man für die Menschheit
schützen müßte vor dem Vernichtetwerden in zügellosen Orgien und
Egoismen, in Treibjagden auf Seele und Leib! Yellowstone-Parke müßten
geschaffen werden, Reviere, in denen wertvolle Gehirne, wertvolle
Seelen, wertvolle Leiber, geschützt vor feigen Verfolgungen, die Ideale
der Natur repräsentieren könnten für die verkommende Milliarde der
Unzulänglichen!

Ein Mädchen zum Beispiel, zu dem man spräche: Pflege die Pracht deiner
zarten, gebrechlichen, adeligen Glieder, deinen Milchteint und deine
Beweglichkeiten! Du sollst in einem Tempelchen hausen und keinerlei
Sorge haben! Auf daß die andern hinpilgerten und, schamvoll in sich
gekehrt, es versuchten, dir nachzugeraten ein wenig!

Aber bisher schützt man nur Edelexemplare unter den Pflanzen und Tieren,
ja sogar heiße Springquellen mit Marmorbecken. Aber Menschen, Menschen
schützt man noch nicht — — —.



                                BRANGÄNE


Ich kenne eine Sache im Leben, die mich am tiefsten ergreift von allen,
die ich erlebt habe. Es ist in der Stille des nächtlichen Liebesgartens
der Gesang der edlen Wächterin Brangäne. Es ist die tönend gewordene
Selbstlosigkeit, inmitten der nächtlichen Liebesgefahren. Es ist die
Warnung an die Allzuirdischen, die in der Melodie des Herzens zugleich
eigentlich von selbst ertönt; es ist die Klage der tiefsten, echtesten
Freundschaft, hineingesungen in den dunklen Garten. In jedem Menschen
sind solche Gefühle aufgespeichert, besonders in den alten Kinderfrauen,
die man entläßt von ihren Lieblingen, wenn man sie nicht mehr braucht.
Aber sie weinen sich im stillen aus, alle diese Herzvollen, während bei
Brangäne das Leid und die edle Sorge um einen geliebten Menschen
helltönend wird, und in die dunkle, harte, grausame Welt hinaus stöhnt!
Auch unsre alte Bedienerin Luise sang uns ein unvergeßliches Lied, als
sie beim Abschiede mir und meinem Bruder schrieb: »Die sieben Jahre in
Ihren Diensten, meine Herren, waren das Glück und der Segen meines
ganzen Lebens — — —.« Alle diese versteckten, edel-tragischen Dinge der
dienenden Menschenherzen ertönen in Brangänens Gesang. Alle in der
Menschheit bisher leider vergeblich aufgestapelten Selbstlosigkeiten und
Ergebenheiten werden da zu singender Klage; aber die Menschen der
leidenschaftlich irrigen Stunden vernehmen nichts davon als ihre
eigenen, zum Abgrund führenden Sündhaftigkeiten, deren Brausen alles
übertönt — — —.



                             DER AFFE PETER


Der große Affe Peter ist wirklich ein Wunder der Natur. Denn ich
bemerkte sogleich zu meinen Freunden in meiner Loge, daß dieser Affe
unmöglich zum Radfahren abgerichtet sein könne, sondern daß es eine
Naturanlage sein müsse, und es dem Tiere ein leidenschaftliches
Vergnügen bereite, wie einem Kind eine geliebte Spielerei, Hutschpferd
oder Schaukel. Direktor Brill bestätigte mir auch diese meine Ansicht.
Die Freudigkeit und Geschicklichkeit des Tieres, ein junges
wunderliebes Mädchen mit dem Fahrrad zu verfolgen, erregt im Publikum
Enthusiasmus. Man wird jedenfalls viele brave Kinder hinführen müssen.
Dieser Affe könnte unbedingt die allerschwierigsten Radfahrtricks
spielend erlernen. Nur sollte von seiten des vorführenden Herrn eine
menschlich-freundschaftlichere Beziehung vorhanden sein, wie sie
bisher stets zwischen den Besitzern berühmter Schimpansen, Orangs
stattgefunden hat, ja direkt rührend zärtliche Anhänglichkeiten, wie
zu edlen Pferden, edlen Hunden. Man braucht natürlich nicht die
verlogene Komödie einer exaltierten Freundschaft zu dem Tiere dem
Publikum vorzumachen, aber man muß Zuneigung spüren beiderseits. Ein
berühmter Affendresseur machte sich seinerzeit durch seine harte
Nervosität, den Tieren gegenüber, fast unbeliebt, trotz der
wunderbaren Kunststücke. Nicht was er dem Tiere einlernt, sondern was
er sonst noch übrig hat an Liebe und Verständnis, das macht einem den
Tierdresseur sympathisch. Wie war die Beziehung des aristokratischen
Severus Schäffer zu seinen Hunden! Wie ein jagender Landedelmann mit
seiner Lieblingsmeute! Alle Dresseure müssen etwas von einem
dilettierenden Aristokraten an sich haben. So ritt Direktor Schumann
seine Pferde, nonchalant-vornehm-liebenswürdig. Ich glaube, daß er
seine Pferde nie schlagen konnte. Oder wenigstens sah er danach aus.
Mit einem der Menschenaffen wie Peter aber muß ein tiefes
freundschaftliches echtes Verhältnis entstehen. Er speist nach der
Vorstellung im Restaurant wie ein wohlerzogener Mensch. Er gab mir die
Hand, wollte sie sogar zart an seine Lippen drücken. Bei solchen
Tieren spürt man es, daß man sie nur mit äußerster Zärtlichkeit und
selten angewandter gerechter Strenge zu ihren eigenen erreichbaren
Höhen bringen könne. Die wunderbare Schimpansin Maja im Tiergarten,
1896, haßte jede Dame, die in meiner Gesellschaft oder gar in mich
eingehängt ihr Zimmerchen betrat, und drängte sie weg, umarmte mich
absichtlich stürmisch und liebevoll. Ich glaube, es war das einzige
weibliche Wesen, das an mir ernstlich Gefallen fand. Für edle Tiere
gehört vielleicht ein Philosoph mit einem tiefen Herzen! Frauen geben
es billiger und machen sich nichts daraus. Und Die, die sich wirklich
etwas daraus machen, sind eben ganz so wie edle gutmütige Tiere, siehe
A. R.



                               UNGEZIEFER


Alle hatten sie gern, sie amüsierte, und war anders wie die meisten.
Daher nützte man sie aus.

Von Tag zu Tag sah sie schlechter aus, wie eine Besiegte in der Schlacht
des Lebens, die sich verwundet wegschleicht, hinter einem Busche zu
krepieren — — —.

Da sagte der Dichter: »Nun, können Sie es mir nicht klagen?!«

»Ich wohne, bitte, in einem Zimmer, wo Wanzen sind. Man erträgt alles
tagsüber von den Menschen, und nachts benehmen sich die Wanzen ebenso
schamlos-feig und stören uns — — —. Da bricht man halt zusammen.«

Der Dichter machte eine Kollekte, steuerte aber selbst vorsichtig ein
Paket Insektenpulver bei.

Er sagte: »Für _diese_ Tiere gibt es Mittel; aber für die
_Menschenwanzen_ gibt es keine. Ihre Nachtruhe ist nunmehr gesichert,
Fräulein; aber _Tagesruhe_ gibt es nicht. Da sind die _Menschenwanzen_
unausrottbar an der Arbeit!«



                           MUTTER UND TOCHTER


Ich sah eine Mutter tief verzweifelt, daß ihr geliebtes Töchterchen
keine »gute Partie« machen wollte — — —.

Sie zankte mit ihr, aber in ihrem Innersten hatte sie dennoch Rührung
und Anerkennung.

Sie sagte zu ihr: »Das Leben ist nun einmal so, ich habe es auch einst
auf mich nehmen müssen, meine Liebe, — — —.«

Die Tochter blickte die Mutter schief und bitterböse an.

Dann heiratete sie aber doch endlich einen reichen Mann, der sie
betreute und beschützte.

Da sagte sie zu der Mutter: »Ich hatte einst falsche Vorstellungen,
Ideale. Ich bin nun ganz glücklich und zufrieden — — —.«

Da blickte die Mutter ihre Tochter schief und bitterböse an — — —.



                              DER DICHTER


Du sagst mir, ich hätte so viele ewige Quellen der Begeisterung.
Überall, auf allen Wegen blühe es doch auf, für mich Gesalbten — — —!?!

Und gerade du sagst mir das kalt, die mir eben alle diese Wege
verstellt, verrammelt hat?!?

Gerade du, die sich fast heimtückisch an Stelle setzte aller
Weltenprächte?! Durch deine eigene Pracht?!?

Du schlossest mir, Geliebteste, die Pforten; und nun verlangst du, ich
solle wieder hingehn in das weite Land, woraus dein Zauber mich gerade
verstoßen und vertrieben hat?!? Die Welt besingen, die für mich
gestorben ist durch dich?! Auf _deiner_ edlen Stirne prangt nun die
Weltenpracht,

von _deiner_ Stimme tönen die Weltenmelodien,

_du_ selbst vertriebst mich aus dem Paradies der Weltenschönheit durch
deine _eigene_!

Um mich nun aufzufordern, dahin zurückzukehren, woher ich stammte,
fingst du mich also schnöde ein, jetzt, da ich Pfad und Mut und Kraft
verloren hab’ zum Wandern — — —!? Teufeline!

So nehm’ ich Abschied denn von dem und jenem Wege,

da du die Flügel mir beschnitten hast zu dem und jenem Pfad — — —.

Leb’ wohl, geliebte Frau,

du botest mir statt Weltenpracht die eigene — — —

ich zürn’ dir nicht, daß du mich nun entläßt in eine Welt, die erst
durch dich, und nur durch dich, mir leer geworden ist — — —!



                                HYSTERIE


Sie stand hoch über allen anderen Frauen, die »_wie in düsteren Nebeln_
dahintorkeln, _schicksalstrunken_ und irre!« Sie aber, die
Neunzehnjährige, ging dahin bereits im Lichte der Wahrhaftigkeiten und
hatte es gelernt, an ihren _bittersten Tränen_ mehr zu lernen, als an
den _flachen Freudigkeiten_! Ihr Arzt hatte ihr die »Eitelkeit«
_exstirpiert_, diesen »Krebs der Frauenseele«, der alles, alles Bessere
ihr _wegfrißt_. Bescheidenheit ist Göttlichkeit. Er hatte sie gelehrt,
ein getreuer edler Hund zu sein! Sie hätte bei einer berühmten
englischen »Schau«, um den berühmten »cup«, unbedingt den ersten Preis
erhalten für »getreueste Hundeseele«! Sie konnte blicken wie ein
»Leonberger«, abstammend vom ersten »Bary«, so ganz tieftraurig. Ihre
Intelligenz war licht, tief und einfach. Sie war weder häßlich noch
hübsch, aber manchesmal sah sie verklärt aus, entrückt, und ein Dichter
würde in solchen Momenten über ihren rotgoldenen Haaren einen
Heiligenschein erblickt haben! Jedenfalls fehlte wenig dazu.

Aber die Damen der Gesellschaft sagten über sie: »Schade um das junge
Geschöpf, sie hat gute Anlagen, aber sie gehört in eine ›feste Hand‹,
sie stellt sich das Leben noch anders vor, als es ist; wir leben nicht
in ›Wolkenkuckucksheim‹, sondern, bitte, auf der Erde!«

Über ihrem Bette, an einer wunderbaren japanischen Matte hingen in
schweren Mahagonirahmen die Photographien von Beethoven, Wagner,
Maeterlinck, Bismarck, diesem Deutschland gründenden _Realidealisten_.
Da blickte sie denn oft vor dem Einschlafen hinauf zu ihren Helden und
dankte ihnen herzinnigst für alles, was sie ihr mitgegeben hatten in die
strengen Tage des Lebens. Und daß sie gekämpft und gelitten hatten
eigentlich für sie!

Eines Tages erhielt sie Besuch von einer Dame. »Sind das Ihre Götter?!?«
sagte die Dame.

»Es sind meine Erzieher! Ich befinde mich hier in ›fester Hand‹, man
läßt mir nichts durchpassieren, was nicht menschlich ist!«

Die Dame dachte beim Weggehen: »Es ist schade um das junge Geschöpf, ich
wollte für meinen geliebten Sohn um ihre Hand anhalten, aber es gäbe
unter solchen Umständen nur ein Unglück — — —.«

So blieb sie denn allein! Allein?!? Mit allen Getreuen, den Denkern und
Idealisten, lebte sie in »_Gemeinschaft_«, und niemals, niemals während
ihres ganzen _wahrheitsvollen_ Lebens beneidete sie die, die doch nur
angeblich »glücklich und zufrieden« waren — — —.



                              WEIHNACHTEN


Er versenkte sich ganz in ihr Wunschleben, in diese Träumereien von
unerfüllten kleinen Realitäten. Nie äußert man es, außer durch ein
unaufhaltsames Verweilen vor Schaufenstern oder in Geschäftsläden, durch
einen fast hysterisch-melancholischen Blick auf den geliebten
Gegenstand, oder durch die schüchterne beklommene Frage, was er koste?!
So erstand er denn für sie eine japanische Bettwandmatte, strohgelbes
Geflecht mit braunen und rostroten eingewebten Flecken. Ferner einen
bosnischen handgewebten Blusenstoff, kornblumenblau mit malachitgrünen
Fäden. Ferner einen großen französischen Parfümzerstäuber aus Nickel,
für Menthol-Franzbranntwein; ein kaltes Bad, ohne zu baden, wenn man den
ganzen Leib damit anstäubt! Ferner eine Zigarettenschachtel aus
sibirischer Birke, viereckiges Format, für fünfundzwanzig Zigaretten
Inhalt. Ferner eine Schachtel Schreibfedern und zehn riesig dicke
chinesische Rohrfederstiele dazu, federleichte. Und viele andere
erfüllbare Träume ihres Daseins. Er schuf einen Einklang seiner eigenen
Welt und der ihren. Er schenkte ihr nur das, was in gleicher Weise sie
erfreute, es zu bekommen, ihn erfreute, es zu geben! Es war also ein
Akkord verdoppelten Genießens! Und dann schrieb er: »In Deinem Namen
zwanzig Kronen gespendet der Kinderschutz- und Rettungsgesellschaft für
die mißhandelte zwölfjährige Maria B.« Da fühlte sie: »Siehe, wir haben
einen vollständigen Familienweihnachtsabend —.«



                         DER TAG DES REICHTUMS


Ich wollte einmal einen halben Tag lang das Leben eines Reichen erleben.
Ich ließ mich von einer reizenden Frau und ihrem Gatten in ihrem
Mercédès vom Hause aus abholen. Ich fuhr zu meinem Raseur,
Teinfaltstraße, mich verjüngen zu lassen, besonders mit der
Menthol-Franzbranntwein-Spritze auf den Kopf. Ein Ersatz für jedes kalte
Bad! Dann fuhren wir nach Baden. Dort badeten wir in den
Kurhauswannenbädern, vierundzwanzig Grad Celsius. Dann ließen wir uns
kühle Hotelzimmer aufsperren und schliefen eine halbe Stunde lang. Dann
aßen wir Solospargel, Hirn en fricassé. Dann fuhren wir weiter, nach
Heiligenkreuz. In kühler Halle tranken wir duftenden Tee mit Zitrone.
Abends zurück, in eiliger Fahrt.

Die Wiesen dufteten, und die Wälder standen schwarz und
unbeweglich-melancholisch unter dem Abendhimmel, der leise leuchtete.

In Wien verabschiedete ich mich.

Im Café Ritz fand ich jene junge Dame, die schon lange meine Augen
beglückte. Braunes Haar, blauer Strohhut, Stumpfnase. Ich wollte den Tag
feierlich beschließen. Ich sandte ihr drei wunderbare ganz dunkle Rosen
und einen Eierpunsch, dieses Lieblingsgetränk der meisten solchen Damen.
Sie nahm es huldvollst an, ausnahmsweise.

Sie kam an meinen Tisch und sagte:

»Macht es Ihnen wirklich eine so große Freude, mir Aufmerksamkeiten zu
erweisen?!?«

»Ja, gewiß, sonst täte ich es ja nicht!«

»Also, dann brauche ich ja nicht dankbar dafür zu sein — — —!?«

»Nein, keineswegs. Sondern ich Ihnen!«

Das war der Tag des Reichtums — — —.



                        SO SOLLTE ES IMMER SEIN


Ein Herr trat auf mich zu im Café und sagte: »Ich bin ein fanatischer
Verehrer von Ihnen.«

»Bitte sehr«, sagte ich. »Da werden Sie vielleicht gern einen edlen
Champagner zahlen?!?«

»Mit allergrößter Freude.«

Wir tranken drei Flaschen G. und H. Mumm, extra dry, süß.

Es wurde sieben Uhr morgens. Ich ging ins Zentralbad, 27 Grad,
Porzellanwanne. In der Kassa saß eine junge Dame mit edelzarten Händen.
Ich sagte ihr mit meinen Augen: »Süßeste Kassierin —« Und: »Man sollte
dich miterstehen dürfen — — —.«

Dann frühstückte ich in einer Charcüterie: kalten geräucherten Stör aus
der Wolga, das Deka 12 Heller. Crevettes aus Ostende. Grüne große Oliven
aus Spanien, zehn Stück 60 Heller. Prager Schinken, das Deka 6 Heller,
90 Heller. Zwei Bananen, goldgelb-schwarz gefleckt, aus Afrika, das
Stück 30 Heller, 60 Heller.

Dann kaufte ich mir eine blaue phototypierte Ansichtskarte: »Weg, am See
entlang.« In einer Winterlandschaft.

Ich dachte sie mir eingerahmt in einem fünf Zentimeter breiten
Eschenholzrahmen.

Ich kam infolge dieser Träumereien um halb zehn Uhr morgens nach
Hause. Da sagte das junge Hausmeistermädchen, die mich zum Aufzuge
führte, zu mir: »Herr Altenberg haben gewiß wieder heute nacht
umgeschmissen — — —.«

»Jawohl,« sagte ich, »die Weltordnung der Philister!«

Sie dachte: »Nun, er hat 40 Heller bezahlt für den Aufzug, obzwar es im
Zins bereits schon miteingerechnet ist — — —.«



                               INSCHRIFT
                  auf der Photographie eines Mädchens
                         aus gutem Bürgerhause:


Adelige schmale Hände hast du, adelige Füße und Zehen, müde edle Anmut
ist in deinem Gehen und Sitzen und Kauern, und deines biegsamen Leibes
eidechsenschlanke Linien sind wunderbar, Yolanthe Maria!

Aber zum Zu-Grunde-gehen, zum langsamen, armseligen, bist du bestimmt!
Zum Verfaulen bei lebendigem Leibe!

Denn _sicher_ willst du gehen, _Unsichere_!

_Auf geebnetem Pfade willst_ du _Gipfel erklimmen_?!?

_Schamlose, Feige!_ Willst du Lord Byrons edlen Feueratem spüren, _mußt
du bereit sein, eventuell dich zu versengen_!

Willst du _finden_ können, so mußt du _suchen_ können, gleiten und
_stürzen_ können!

Auf geebnetem Pfade kommt nur Herr Kohn daher, reicht dir die Hand, daß
du nicht »_fallest_«!



                                  TOPE


Ich dichte hie und da auch Toiletten. Immer nur für eine einzige Dame.
Sie ist natürlich lang und ganz schlank, wie ein Marathonsieger, hat
eine Stumpfnase, Gott sei Dank großen Mund und starke Lippen, hechtgraue
Augen, rotbraune Haare und anliegende papierdünne, edelgemuschelte
Ohren. Hände und Füße sind lang-schmal. Sie sieht aus wie eine junge
slowakische Bäuerin, an der der adelige Gutsherr mitgearbeitet hat.

Ich entwarf die Toilette Tope (Der Maulwurf): Ein seidendünner
maulwurfgrauer Samt (Pan), die Bluse ohne Naht, nur wie ein
zusammengelegtes Tuch, aber lang. Ein Gürtel, riesig breit, aus
dunkelgrauen und weißen Glasperlen, riesige Schließe aus oxydiertem
grauen Silber. Riesige kugelige graue Perlmutterknöpfe. Der Rock
vollkommen bis hinab zum Zuknöpfen, mit denselben Riesenknöpfen. Grauer
Sombrero mit grauem breiten Lederband und weißer, an der rechten Seite
herabwallender Straußfeder. Grauer Seidenschirm mit grauem dicken
Perlmuttergriff. Grauseidene Strümpfe, graue Antilopenhandschuhe, graue
Schuhe aus mattem dünnem Leder.

Ich sagte zu der Dame: »Machen wir zusammen ein Gedicht —.«

»?!?«

»Ich komponiere eine Toilette, und Sie tragen sie. Das ist das schönste
Gedicht!«



                             BEKANNTSCHAFT


Er sah sie zum erstenmal. Sie sah aus wie eine riesig hohe, schlanke,
aschblonde russische Studentin, nur sehr müde von ungekämpften Kämpfen.
Ein Königgrätz ohne Schlachtendonner. Tief verwundet ohne Bleigeschoß.
Das Sein an und für sich besiegte sie. Das bloße Sein des Tages und der
Stunde. Was sich jeweilig ergab, ereignete, verletzte, kränkte sie.
Sahst du Fische aus dem Gebirgswasser in Wasserbottichen?! In ihrem
starren Gesichtsausdruck, wie eh und je, sucht man ihr Leiden zu
erspähen, und findet nichts und findet dennoch alles! Er sagte: »Gehen
Sie nicht in wohlgepflegte Gärten, gehen Sie in offene Felder, wo
niemand etwas Besonderes findet; fern dem Getriebe. Gehen Sie spazieren,
wo niemand spazieren geht, so zwischen brauner Erd’ und blauem Himmel!«

Und sie sagte: »Man verwehrt es mir!«

»Kaufen Sie sich einen getreuen schwarzen Pudel, dem Sie manches Opfer
bringen können an Zeit und Güte — — —.«

»Man verwehrt es mir — — —.«

Er schwieg.

Und sie: »Weshalb raten Sie mir nicht, ich solle mich an einen Menschen
klammern, anklammern?!«

»An einen Menschen! Ja. Aber ich kenne keinen! Die Tiefe der Natur, die
Treue des Pudels, die kenne ich! Aber einen Menschen für Sie, den kenn’
ich nicht — — —.«

Und später sagte sie: »Sie haben sich geirrt! Denn ich fand einen, der
mich einsam meine Wege wandern ließ, zwischen brauner Erd’ und blauem
Himmel, und der mir einen schwarzen Pudel kaufte und getreulich stets
beiseite stand — — —.«

Er blickte sie tief freundschaftlich an — — —.

Da sagte sie: »Vielleicht verdanke ich es Ihnen, daß ich mir einen
suchte, der so war — — —!?«

Dann neigte sie sich tief zu seiner Hand und küßte sie — — —.

Und dann kam der edle Jüngling, den sie erwählt hatte, und küßte sie auf
ihre melancholische Stirn —.

Und er sagte zu dem Dichter:

»Ich folgte nur Ihrem Rate, Ihrer Weisung, danke — — —. Es hat mir eine
Seele gewonnen!«

Da wandte sich der Dichter entrüstet und tief verzweifelt ab.

Denn _von Gott_ müssen solche Erkenntnisse _direkt_ in unsere Herzen
kommen, da die Wirkung sonst nicht _von Dauer_ ist und unheilig — — —!



                               EIFERSUCHT


Sie war sehr, sehr krank. — Der Arzt verordnete einen halben Liter heiße
Zitronenlimonade, ein wollenes Tuch um den Kopf und stundenlang
schwitzen.

Sie war aber arm, und die Quartiersfrau, bei der sie wohnte, konnte ihr
nur eine dünne Bettdecke geben. Da sandte ihr der Dichter seine grünrote
Flanelldecke, die er selbst benötigte, und sein Freund, der Baron,
sandte eine Pelzdecke aus selbstgeschossenen Wildkatzenfellen, die er
gar nicht gebrauchte.

Als nun der Dichter sie besuchte, fand er die Pelzdecke direkt auf ihrem
heißen, glühenden Leibe liegen, die Flanelldecke dagegen zuoberst. Er
sagte es ihr sogleich ziemlich brutal, daß er dieses für einen
»Treubruch« halte, wenn auch in den ersten Anfangsstadien.

Sie erwiderte: »Ich wollte deine Decke streicheln können, immer und
immer mit meinen zärtlichen Fingern. Deshalb gab ich sie zuoberst.« »Du
Falsche! — — —« sagte der Dichter und ging zürnend weg.

Später kam der Arzt und sagte: »Ich würde Ihnen vorschlagen, Fräulein,
die schwere Pelzdecke zuunterst zu legen, und die leichtere Flanelldecke
oben darauf; es ist zweckmäßiger!«

»Nein,« sagte sie, »das tue ich nicht.« Als sie endlich gesund war,
sagte der Arzt von ihr: »Die Hysterie solcher Patientinnen erschwert den
Heilungsprozeß ganz besonders. Selbst in nichtigen Kleinigkeiten müssen
sie ihren lächerlichen eigensinnigen Willen durchsetzen. —«



                                 GOETHE


Ein ungeheuer wichtiger und daher ganz unbekannter Ausspruch Goethes:

        »Man könnte erzogene Kinder gebären,
        Wenn die Eltern erzogen wären!«

Dieser Satz allein ersetzt in der Entwicklungslehre ganze Bände und
Studien. Deshalb erwünschen sich auch die meisten ungezogenen,
eigenwilligen, herzlosen, dumm lebenslustigen Frauen unbewußt keine
Kinder. Sie haben wenigstens davor Achtung, diesen unglückseligen
Nachkommen nicht ihre eigenen Ungezogenheiten und Lebenshärten
mitvererben zu wollen auf dem schon ohnedies genug schweren
Lebenswege —.



                    DIE PFLEGESCHWESTER ROSA SCHWEDA


Ich habe viel erlebt und erlitten, natürlich, in meinem
Pflegerinnenberufe. Aber die Nacht des 5. März als Pflegerin des Peter
Altenberg war die schrecklichste und merkwürdigste. Am Tage vorher hatte
ich sein Buch »Bilderbogen des kleinen Lebens« gekauft und gelesen.

Nun sah ich ihn da liegen, ganz verwahrlost, von Leiden zerfressen. Ich
fühlte es, daß er über seinen eigenen Untergang tief verzweifelt sei.
Sein Idealismus war untergegangen, und es blieb die Ruine übrig. — Ich
bemitleidete ihn nicht, sondern die _vielen_, _vielen_, denen so die
Früchte seines Geistes, seines großen Herzens _entgehen_ sollten. —

Ich hatte die Empfindung: »Hund, du darfst noch nicht verrecken, du hast
uns Ärmsten noch manches zu spenden, du hast uns noch aufzuklären, hast
uns sogar besser zu machen! Was schleichst du dich fort, Sünder, ehe du
alles für uns ausgesprochen hast?!«

So schändlich egoistisch dachte ich über diesen sich windenden Wurm in
diesen schrecklichen bangen Nachtstunden. Ich richtete ihm die Polster,
wischte ihm den Angstschweiß ab, aber es geschah in einer verbissenen
Bitterkeit gegen ihn! Den Helfer!

Wer, wer hätte sich denn gesund und ewig lebendig erhalten müssen als
er? Und indem ich an die Werke dachte, die er uns _vorenthielt_, pflegte
ich mit Widerwillen einen unglückseligen Kranken, der zum vorzeitigen
Sichfortschleichen aus der Welt gar nicht das Recht hatte uns
gegenüber — — —.



                              GESCHWISTER


Meine Schwester, Sektionsrätin M., besuchte mich, und sagte an meinem
Krankenlager: »Du, diese so überaus wirksame Schlammbadkur in Bad X.
wurde vollkommen um den Effekt gebracht durch einen merkwürdigen und
schrecklichen Umstand, der meine Nerven einfach ermordete. Denke dir,
dort stopft man noch die Gänse, diese allerunglücklichsten Geschöpfe
einer ohnedies schon genug furchtbaren und unerbittlichen Welt! In
dunklen Kellern, in den glühheißen Augustnächten, hocken diese
Unglückseligen in absichtlich zu eng gemachten Holzkäfigen, werden Tag
und Nacht gewaltsam gefüttert, und es wird ihnen durch all diese
grausigen Wochen hindurch das Trinken von Wasser verwehrt! Das
entsetzliche Schicksal dieser Unglückseligen in den unterirdischen
Folterzellen hat mich den Ort zu fliehen gezwungen. Mein Töchterchen
Hilde, die die ganze Sache entdeckt hatte, ging täglich oftmals
insgeheim mit einer Kindergießkanne in die Folterkammer, und goß den
gemarterten Gefangenen Wasser in die weit aufgesperrten Schnäbel. Die
wunderschöne junge Slowakin Viktora aber lachte dazu aus vollem Halse,
als sie das Samariterwerk sah, und sagte: »Fräulein Hilde, wird sie auch
eingesperrt werden so, wenn Frau sie erwischt — — —?« Aber unsere
französische Gouvernante Hélène sagte: »Madame, en Suisse cela ne se
fait pas, on ne connait pas ces martyrs infames —.«

Ich erwiderte meiner Schwester: »Ich bin ganz, ganz erstaunt über deinen
Bericht. Gerade von dir, meiner Schwester, die ich jahrelang nicht sehe
und spreche! Welcher merkwürdige Zusammenhang der Nerven! Gerade vor
einem Jahre schrieb ich nämlich folgende Skizze:

Man führte die edle Zwölfjährige nach Berlin, um ihr alles zu zeigen,
was es dort Herrliches gebe. Automobilfahrten zu allen Seen, Variété,
Theater; man ließ ihr das Paradies »Berlin« erstehen, soweit es für eine
Zwölfjährige seine Tore überhaupt öffnen konnte. Als sie wieder nach
Wien zurückkehrte, fragte sie eine Dame: Nun, Lilly, wo ist es besser zu
leben, in Deutschland oder in Österreich?! Und Lilly H. erwiderte: Nur
in Deutschland kann man existieren! Da habe ich bemerkt, daß die armen
Pferde an den Lastwagen viel geschickter und rücksichtsvoller
angebrachtes Riemenzeug tragen als bei uns, das ihnen die Arbeit
erleichtert und Torturen erspart. Und dann habe ich auch noch erfahren,
daß es in ganz Deutschland bei strengster Strafe verboten ist, Tiere
künstlich zu mästen, und daß geheime Agenten, in der Verkleidung von
reichen Viehkäufern, sämtliche Bauerndörfer Jahr für Jahr daraufhin
kontrollieren und für jeden entdeckten Fall hohe Belohnungen erhalten!«

Meine Schwester nahm meine Hand und sagte ruhig: »Nun, was ist dabei,
wir sind eben Geschwister — — —!«



                               DER BESUCH


Eine junge Frau, die ich seit lange als eine fast Heilige an Demut und
Sanftmütigkeiten verehre, kam an mein Krankenbett, bleich und verstört.

Sie erzählte mir, daß ihr Mann, der sich für sie aufopfere,
Gesichtsneurose habe und sich, mit ihrer Einwilligung, der Operation auf
Tod und Leben unterziehen wolle. Sie wisse nicht, ob sie es gestatten
solle. »Soll ich, soll ich nicht, soll ich?! Ich werde es also an meinen
Knöpfen abzählen —.«

Ich lag da, von meinen Leiden zerfressen, und sie stützte den Kopf in
die Hand.

Da sagte sie: »Nicht, Peter, das Leben ist eigentlich komisch —.«

Und ich sah eine Träne, vielleicht die heißeste, verzweifeltste, die je
geweint wurde.

Drei Tage später saß sie an meinem Krankenbette: »Peter, ich habe es ihm
gestattet, und er ist daran gestorben. Peter, nicht wahr, die Welt ist
komisch —.«

Ich lag da, von meinen Leiden zerfressen — — —.

Ich zählte es an den Knöpfen ab, was, weiß ich nicht. Aber immerhin, an
den Knöpfen —. Soll man, soll man nicht, soll man?!



                         SOMMERABEND IN GMUNDEN


Wir, die nicht genug haben an den Taten des Alltages, wir Ungenügsamen
der Seele, wir wollen unseren rastlosen, enttäuschten und irrenden Blick
richten auf die Wellensymphonien des Sees, auf den Frieden überhängender
Weidenbäume und die aus düsterem Grunde steil stehenden Wasserpflanzen!

Auf die Menschen wollen wir unsern impassiblen Blick richten, mit ihren
winzigen Tragödien und ihren riesigen Lächerlichkeiten; mit düsterer
Verachtung wollen wir nichts zu tun haben, und mildes Lächeln soll der
Panzer sein gegen ihre Armseligkeiten!

Dem Gehen edler anmutiger Menschen wollen wir nachblicken, dem Spiele
adeliger Gebärden und der Noblesse ihrer Ruhe! Ein Arm auf einer
Sessellehne, eine Hand an einem Schirmgriff, das Halten des Kleides bei
Regenwetter, süßes kindliches Bacchantentum bei einem Quadrillefinale,
wortloses Erbleichen und wortloses Erröten, stummer Haß und stummes
Lieben, und alles Auf und Ab der eingeschüchterten und zagen
Menschenseele — — das, das alles wollen wir Stunde um Stunde in uns
hineintrinken und daran wachsen!

Rastlos aber, vom Satan Gejagten gleich, stürmen die Anderen
enttäuschungsschwangeren Zwecken entgegen, und ihre Seele bleibt
ungenützt, verdirbt, schrumpft ein, stirbt ab!

Jeder Tag bringt einen Abend, und in der Bucht beim Toscana-Garten steht
Schilf, und Weiden, und Haselstauden hängen über, ein Vogel flüchtet,
und alte Steinstufen führen zu weiten Wiesen. Nebel zieht herüber, du
lässest die Ruder sinken, und niemand, niemand stört dich!



                                ÄSTHETEN


Ich habe zwei Ästheten erster Güte kennen gelernt, einen jungen Mann und
seine junge Gattin. Sie schaut aus, wie man sich den siebzehnjährigen
Dante vorstellt. Sie trägt arabischen und indischen Schmuck. Sie leben
im Tessin, am Lago Maggiore, in einem alten Steinhaus inmitten eines
Edelkastanienurwäldchens. Jeder Satz, den sie äußert, ist ganz tief aus
dem Geiste der Menschheit herausgeschöpft. Was sind eigentlich Ästheten,
die uns brutaleren, zynischeren Naturen doch gänzlich ferne liegen?! Es
sind Organisationen, bei denen sich die Urinstinkte völlig in
Betrachtung und Genießen der zahllosen wertvollen Dinge der Welt
aufgelöst, ja verflüchtigt haben. Alle Gemeinheiten, denen wir noch wie
böse Tiere hie und da unterworfen sind, sind nicht mehr in ihnen. Der
Friede ist in sie eingezogen, durch den ewigen Anblick von Gottes
Weltenschönheiten, Weltenmerkwürdigkeiten. Solche Frauen blicken
verklärter als alle anderen, denn ihr Reich ist, trotz allen Anscheins,
nicht hienieden. Sie werden erlöst von der Sünde in jeglicher Beziehung;
deshalb blicken sie mystisch, in kommende Welten hinein — — —. Jeder
Mensch kann sich aus eigener Macht zu einem geistig-seelischen
Organismus hinaufgestalten; und er und seine Umgebung hätten den Vorteil
davon. Aber nur wenige unternehmen es. Ästheten sind, für brutale
Organisationen betrachtet, wie gebrechliche Spielzeuge des Lebens, in
linden Lüften und linden Düften dahinschaukelnd, tödlich verwundet von
jedem rauhen Wort sogar. Es gibt Dinge, die man in ihrer Gegenwart nie
auszusprechen wagte. Man muß durch sie von selbst ein feinfühligerer
Mensch werden im Augenblick, obzwar man sich natürlich dadurch beengt
fühlt. Aber mit Jeanne d’Arc hätte man ja auch nicht ungezogen oder
sexuell sein können. Um gewisse Organisationen lagert eben die
Atmosphäre Gottes, und da erlischt dann allmählich in den Augen des
Lebenszynikers sein satanisch-ironisches Lächeln! Heil ihnen! Sie haben
mehr gesegneten Frieden als wir anderen, wir Barbarischen — — —. Sie
sind »Naturmenschen« einer erhöhteren, erst anbrechenden Kultur, die
dann nach langer Zeit zu einer zweiten Natur werden wird! Ästheten sind
übertriebene Vorläufer einer gottgefälligeren Seelenentwicklung!



                               ERINNERUNG


Der Rathauspark duftet nun von edlen Bäumen und edlen Sträuchern. Es ist
kühl und schattig. Aber damals war es eine endlose graue Wiese mit
eingetretenen staubigen oder kotigen schmalen Fußwegen. Eines Tages
stand eine grüne Bretterbude da, das erste Wandelpanorama in Wien,
genannt »Der Rigi«. Es roch nach Öllämpchen, und mein Hofmeister und ich
saßen in der ersten Reihe auf Strohsesselchen. Der Rigi und alle Seen
und Bergesketten zogen an uns vorüber, zu den Klängen eines
italienischen Werkels. Dann wurde es allmählich finster, und die
Berghotelfenster beleuchteten sich, denn sie waren ausgeschnitten und
dahinter Licht. Das gefiel mir. Später machten wir eines Tages die erste
Pferdetramwayversuchsfahrt mit, vom Schottenring bis Dornbach. Es fiel
mir auf, daß es fortwährend klingelte, was bisher bei den Fuhrwerken
nicht zu beobachten war. Man hielt das Ganze für gefährlich und unsicher
und glaubte nicht recht daran, daß es sich einbürgern werde.

Die Sonntage wurden in Hietzing bei »Domayer« verbracht. Es fiel uns
angenehm auf, daß unser Vater dem Fiaker, der uns führte, _du_ sagte und
sich in leutselige Gespräche mit ihm einließ. Er kam uns vor wie ein
milder Potentat. Die Trinkgelder waren enorm, gleichsam die
Entschädigung für das vertrauliche _du_. Die Rückfahrten vom Lande
abends sind das Schönste; da schläft man wie ein Toter. Man verflucht
den Moment der Ankunft, der Wagen ist das wunderbarste Bett gewesen.
Aber jetzt kommt Stiegensteigen, Ausziehen, eine unsäglich beschwerliche
Arbeit.

Gebratene Äpfel spielten bei uns eine große Rolle. Alles duftete in den
Zimmern danach. Das ist ganz abgekommen. Auch gedünstete Kastanien,
goldigglänzend, auf schwarzgrünem Kohlpüree, waren eine Festspeise, die
jetzt im Absterben begriffen ist. Die neue Generation macht sich nichts
daraus.

Wir vergötterten unsere Hofmeister und Gouvernanten, und sie uns. Die
Eltern spielten nur eine zweite diskretere Rolle, traten erst in Aktion
bei außergewöhnlichen Ereignissen. Sie waren einfach der »Oberste
Gerichtshof«. Wir lebten »romantische Idyllen«, deshalb fiel es uns
später so schwer, dem realen Leben Genüge zu leisten — — —.



                                 VÖSLAU


Vöslau, eigentümlicher Ort, einzige wirkliche Sentimentalität, die ich
habe. Deine grünbefranste Station ist geblieben wie eh und je. Nur
meine wunderschöne Mama, die mich im Damenbade sorgsam auf ihren Armen
wiegte, ist längst nicht mehr. Die Lindenblüten rochen wunderbar, und
das sonnengedörrte Holz der Kabinen und die Wäsche der triefenden
Schwimmanzüge. Der Kies brannte die zarten Kinder- und Frauensohlen.
Vom Wald kam Tannenharzduft, und von den Hausgärten kamen
Millefleursgerüche. Meine Mama hielt mich zärtlichst mitten im Teiche,
der für mich ein Ozean war! Sie verschwendete ihre romantische
Zärtlichkeit an ein egoistisches, verständnisloses Kindchen, das ihren
Hals in Angst umklammerte. Wunderbar ist der eingedämmte Bach, von der
Station aus bis zum Bade. Links ungeheure üppige Wiesen, die zu nichts
zu dienen scheinen und herrliches, dichtes Unkraut produzieren, für
nichts und wieder nichts. Der Wind rauscht eigentümlich in den Tannen.
Man hält es für einen mysteriösen Aufenthalt für Rekonvaleszenten, für
kleine zarte Mäderln. Es ist so ein Sanatorium für müde Menschen. Die
graublaue Ursprungsquelle von vierundzwanzig Grad Celsius ist wie
lebenspendend. Sie spricht nicht viel, sie murmelt und gewährt! Viele
Hausgärten sind voll von Frieden und Pracht. Im Cafégarten hart beim
Bade ist es kühl vor Baumschatten wie in einem Keller. Daneben ein
unbekannter Park wie ein Urwald. Niemand hat ihn vielleicht je
betreten, ihn gestört in seinen überschüssigen Kräftespendungen! Wozu
braucht man Brasilien und Lianenverstrickungen und Blütendunst und
Geranke?!? Dieser Park ist Urwald. Vöslau, immer noch, seit
fünfundvierzig Jahren, ist deine Station grünbefranst, und in dem
Bache plätschern lustig die Enten, die unmittelbar darauf abgestochen
werden, denn der murmelnde Bach ist nur ein letztes Reinigungsbad,
gleichsam eine Vorleichenwaschung. Beim Bade duftet es nach
Lindenblüten. Nichts hat sich verändert. Nur meine Mama ist nicht
mehr.



                               EIN BRIEF


    Lieber Stefan Großmann,

in meinen entsetzlichen Qualen habe ich heute soeben Ihren herrlichen
Essay über und für _Frau_ Tolstoi gelesen. Es ist großartig. Nur eines:
Das männliche Genie geht eben in seinen langsamen Weltentwicklungen
_zuerst_ vom _gewöhnlichen_ allgemeinen _irdischen_ Leben aus, völlert,
bekehrt sich sodann, gründet Familiensegen, sucht Frieden wie ein jeder
gewöhnliche Sterbliche. Dann, im Alter aber erschaut es die idealeren
Welten, ist jedoch von seinen vorherigen Entwicklungsstufen _gebunden_,
ja _geknebelt_, kann und darf sie nicht los werden, und lebt doch
_bereits zugleich_ in Welten, die das bisherige althergebrachte irdische
Sein _überflügelt_ haben. — — — Wie wenn einem Heranwachsenden noch
immer die getreueste Mutterbrust ihre Milch anböte, während er _längst_
über diese Periode seiner irdischen schwächlichen Kleinlichkeit
hinausgewachsen ist!?! Der Träumer, der Denker, der Prophet, der
Vorherseher, der Menschen-_Erhöher_ schwingt sich von selbst, _ohne es
zu wissen_, in Regionen einer _anderen_ künftigen Konstellation, während
er historisch-atavistisch noch mit den ehernen Klammern _alltäglicher_
und _gewohnter Notdurften_ am bisherigen gebräuchlichen Dasein
festverankert ist! Das ist seine Tragik! Daher seine _organische
Undankbarkeit_ gegen jene, die einem Stoffe in ihm dienen, den zu
_überwinden_ und _immaterieller_ zu machen, er die ersten genialen
Versuche unternimmt. — — — Man degradiert ihn also in allerbester
Intention, zu einer bereits geistig überwundenen Entwicklungsstufe
seiner selbst. Preisen wir seine adeligen Betreuerinnen, aber vergessen
wir dabei _zugleich nie_, daß es in genialen Prophetengehirnen
_Entwicklungsembryos_ gibt, denen Frauen und Freunde _ratlos_, ja
_unbewußt feindselig_, sich entgegenstemmen! Die Henne brütet ein
Entlein aus, betreut es, sucht es vor allem vor der Gefahr »Bächlein« zu
bewahren. Aber das Entlein strebt nach dem fließenden klaren Wasser, und
die mütterliche Henne blickt _in Todesangst_ den Schwimmkünsten des
Entleins in seinem ihm organischen Elemente nach! Henne, bescheide dich,
Entlein, schwimme, tauche! Genie, du bist zwar undankbar, aber es ist
eine organische, von Gott gesegnete Undankbarkeit, die den kommenden
Menschen _zugute_ kommen muß. Die Frauen betreuen die _Genies_, aber die
Genies betreuen die _Menschheit_! Beide gehen zugrunde in ihrem
merkwürdigen unentrinnbaren Lebenswerke, das in der Weltentwicklung
vorgesehen, vorbedacht und wohlerwogen wurde vom göttlichen, meist noch
gänzlich unfaßbaren Willen!

Frau Tolstoi, du bist nicht minderwertig; Herr Tolstoi, du bist nicht
mehrwertig; in allen lebt und webt die göttliche Seele, unerforschlich,
und dennoch geahnt und gespürt von einigen wenigen — — —.

                                                    Ihr Peter Altenberg.



                            DER FORTSCHRITT


Es ist tragisch genug, daß die meisten Verbesserungen in jeglicher
Sphäre des Lebens wie von einer heimtückischen bösen Macht, vor allem
vom bösen Zauberer »Gewohnheit« hintertrieben, aufgehalten, zerstört
werden. Bei vielen Dingen kann man Gründe dafür finden, und sich
daher wenigstens teilweise historisch-philosophisch über das
Beharrungsvermögen des menschlichen Geistes beruhigen. Es gibt jedoch
eine ganze Anzahl herrlicher Neuerungen, deren Nichtpopulärwerden man
absolut nicht begreift. Dazu gehört die amerikanische Schuhputzmaschine.
Ich kenne eine einzige in ganz Wien, im Hausflur des Cafés am Mehlmarkt.
Man wirft zehn Heller in den Spalt, und dein Fuß wird dir sanft
hineingezogen in die Maschine, und der Schuh dabei von Staub und Kot
gereinigt. Dann wird er ebenso sanft wieder herausgeschoben und dabei
gewichst und glänzend gebürstet! Man muß nur die Hose ein bißchen
hochheben, da diese weder gewichst noch auch glänzend gemacht zu werden
wünscht. Auch muß dein Fuß der Maschine völlig nachgeben, denn sie
allein weiß, was für deinen Schuh zweckmäßig ist, und sie entläßt ihn
erst zur rechten Zeit. Weshalb sind solche herrlichen und gutmütigen
Maschinen nicht schon längst in den Vestibülen von Hotels, Cafés,
Theatern aufgestellt?! Es ist fast eine Tragödie, es zu erleben, wie
selbst in den allereinfachsten Dingen niemand das Herz und den Sinn
dafür hat, seinen Nebenmenschen das Leben ein bißchen zu erleichtern.
Dabei wäre es noch ein Geschäft, natürlich für beide Teile. Wie muß man
da im vorhinein verzichten, in noch schwierigeren Lagen, unterstützt,
betreut zu werden!?

Jemand sagte zu mir: »Es paßt mir nicht, daß diese Maschine mir meine
zarten Chevreauschuhe mit einer minderwertigen Creme putzt!« Ich
erwiderte ihm, daß die Maschine nur Staub und Kot entferne und dann
glänzend bürste, also eigentlich mit jener Creme, die ein jeder Schuh
schon von selbst habe. »Ach so,« sagte er tief enttäuscht darüber, daß
er der neuen Schuhputzmaschine, die bescheiden ihre Pflicht erfüllt,
kein Klampfl anhängen konnte, ihr kein Bein stellen konnte, über das sie
schmählich stürzen müßte!



                          ÜBER LEBENSENERGIEN


Die allerwenigsten Menschen haben auch nur die geringste Ahnung von dem
Inhalt des Wortes »Lebensenergien«. Es ist ein mysteriöses und ganz
simples Wort zugleich: es bedeutet alle Kraft, die unser Nervensystem
enthält, zur Betätigung unsers Lebens. Diese Kraft erhalten, vermehren,
heißt eigentlich: ein Kultivierter sein; sie schwächen, verringern,
heißt: ein Unkultivierter sein. Wir verlieren täglich, stündlich
Tausende wertvollster Lebensenergien durch irrige Lebensführung
jeglicher Art, und dann noch durch den Mangel an Rücksicht der
Nebenmenschen auf unser Nervensystem. Tausend Ungezogenheiten und
Taktlosigkeiten der Menschen zerstören unsre angesammelten
Lebensenergien. Ferner Sorge, Kummer, Eifersucht, Alkohol, schlechtes
Essen, ungezogene Kellner, ungezogene Friseure, ungezogene Freunde,
alles, alles das frißt uns täglich, stündlich unsre angesammelten
Lebensenergien weg, und zwar auf eine merkwürdig schwächende, lähmende,
Zuckerkrankheit vorbereitende Art! Frauen besonders sind genial
geschickte Zerstörerinnen unsrer aufgestapelten Lebensenergien, durch
Erzeugung von Eifersucht, diesem Krebsbazillus der Seele! Man wird
plötzlich grün und gelb, und die Lebenselastizität läßt nach. Jeder
Mensch ist eigentlich ein feiger heimtückischer Mörder eines jeden, den
er in Unruhe setzt ohne zwingendsten Grund! Einem Menschen seine
Lebensenergien erhalten wollen, sie schützen, ja, sie vermehren wollen,
heißt allein: ihn wirklich lieb haben! Alles andre ist Seelenmumpitz!
Wer mich in irgendeiner Sphäre meiner Lebensbetätigungen schwächt,
stört, lähmt, statt mich zu fördern, ist mir feindselig gesinnt, wie er
sich auch sonst stellen möge! Die Erhaltung der Lebensenergien meines
Organismus sei die Sehnsucht einer jeden ernstlich freundschaftlichen
Seele. »In meiner Gegenwart hatte sie einen unbeschreiblich elastischen
Gang, alles an ihr schien leichter und von Erdenschwere befreiter zu
werden — — —«; das wäre das ehrendste Zeugnis für eine wirklich
liebevolle Mannesseele. Seine Verluste an Lebensenergien rechtzeitig
spüren, seine Gewinne freudig buchen im Lebenskonto, würde viele der
angenehmen Fähigkeit näherbringen, das hundertste Jahr, das Pfeifchen
schmauchend, zu überschreiten. Ich bin einmal unerbittlich gegen den
göttlichen Leichtsinn, ich bin für die erdenschwere Bedenklichkeit. Ich
glaube, wenn Franz Schubert mein Intimus gewesen wäre, ich hätte ihm
noch weitere zweitausend Lieder entlockt, indem ich ihn beschworen
hätte, sich der seiner bedürfenden Menschheit zu erhalten durch
allersorgfältigste Schonung seiner Lebensenergien. »Ja, pardon, aber ein
Typhus raffte ihn hinweg — — —.« Aufgestapelte Lebensenergien nehmen hie
und da sogar den erfolgreichen Kampf mit solchen Feinden wie Typhus, mit
einer solchen Hunneninvasion, auf! »Ja, aber, mein Herr Schreiber dieser
Zeilen, weshalb nehmen Sie selbst so wenig Rücksicht auf diese immerhin
beherzigenswerten Lehren, in Ihrem eigenen werten Dasein?!?« Weil ich
dann vielleicht Lebensenergien entwickelte, um noch einige solcher
Bücher wie bisher zu schreiben, und das muß unbedingt hintertrieben
werden durch ungeordnete Lebensführung.



                               STRANDBAD


Nun sah ich dich, Unbekannte, mit deiner bräunlichen Haut und dem
krebsroten nassen seidenen Schwimmtrikot, am »Gänsehäufel«, und bin an
dir vor Sehnsucht erkrankt. Immer, immer seh ich dich mit deinen
unbeschreiblich edlen Gliedern an Wassers Rand entlanggehen mit weiten
Schritten —.

O, weshalb durft’ ich dir nicht sagen: »Kaiserin des Strandbads!« Dir
hätte es nichts geschadet, und mich hätt’ es erlöst, wie es müde
enttäuschte Menschen erlöst, wenn sie in stillen Kirchen vor einer
heiligen Frau niederknien —. So aber wandle ich, krank an meiner
fanatischen Zärtlichkeit, dahin —. Kaiserin des Strandbads — — —.

An Unzulänglichem werden wir vorzeitig alt und müde, verlieren den
Glauben an die Realisierbarkeit von Gottes Träumen. Da seh ich dich,
Edelstgegliederte, und fange wieder an zu glauben —!

In Kleidern, geschützt durch Seide und Batist, oder im Bett, wo des
Mannes Leidenschaft sein Auge trübt, wohlan! Da nehmen wir vorlieb,
begnügen uns!

Jedoch, aufrechten Ganges, in Licht und Luft getaucht, in nassem
Schwimmtrikot, da besteht keine außer dir diese zärtliche Prüfung! Nun
sah ich dich und wurde krank an dir, weil ich nicht wenigstens flüstern
durfte: »Kaiserin!«



                           WESEN DER RELIGION


Der Pastor zu einer armen Frau, die bis dahin ziemlich ungläubig war,
den Satzungen der Religion gegenüber:

»Nun, liebe Frau, sind Sie durch meine Worte jetzt endlich gläubigern
Sinnes geworden?!?«

»Herr Pastor,« erwiderte die Frau, »seitdem ich weiß, daß Gott alles
sieht, wische ich in dem Hause, in dem ich bedienstet bin, den Staub
auch _unter den Teppichen_ auf — — —.«

Vielleicht ist auch dies gerade das tiefste Wesen der Liebe, einer Art
von Realreligion: die Frau hält ihre Seele rein, sogar dort, wo niemand
es mehr sieht und bemerken kann!



                 WIE SIE ES GLAUBEN WOLLEN, SO IST ES!


P. A. erhob sich von seinem Schmerzenslager, ging auf den Blumenmarkt,
kaufte purpurrote Buchenzweige, schneeweiße Tazetten, zitronengelbe
Nelken, dunkle Veilchen und riesig viele goldgelbe Mimosen mit
graugrünen gefiederten Blättchen.

Und das ihre Dame vergötternde Stubenmädchen rief ihn an telephonisch:
»Meine Gnädige schläft noch. Sie wird sich freuen beim Erwachen. Sie hat
ein wunderschönes Bukett bekommen.«

Und er: »Von wem kann es denn sein?!?«

»Hoffentlich von Herrn L. Das würde sie am meisten beglücken.«

»Ja, es ist richtig von Herrn L.! Aber bitte, sagen Sie nicht, daß Sie
es durch mich erfahren haben, sondern nur als Ihre eigene Vermutung.«

Und am nächsten Tage sagte die Dame beglückt zu Herrn L.: »Ich habe
wunderbare Blumen erhalten gestern ...«

Und Herr L. erfuhr durch das süße Stubenmädchen, wie die Sache sich
eigentlich wahrscheinlich verhalten habe ...

Sie fühlte es als ihre Pflicht, es ihm zu sagen.

Da sandte er denn am nächsten Tage die herrlichsten Blumen, unter dem
Namen P. A.

Und die Dame sagte zu ihrem Stubenmädchen: »Sieh, auch P. A. hat mir
Blumen gesandt, sehr nett von ihm, man hätte es ihm nicht zugetraut.
Nun, aber die von Herrn L. am Vortage waren schöner, so wirklich mit
Geschmack und Zärtlichkeit ausgesucht ...«



                              »PRODROMOS«


Ich habe den Menschen, die im Tagesgeschäfte festgerannt waren, nie viel
geben können, trotz meiner sogenannten Freiheit, die mir Gelegenheit
gab, über die Dinge des Daseins _rücksichtslos nachdenken zu
dürfen_ — — —. Aber es gibt dennoch wertvolle und höchst wichtige Dinge;
vor allem:

Sorge Tag und Nacht für die Edelfunktion deines Darmes! Das »Bauchherz«
ist wichtiger wie das, was wir verhältnismäßig unnötigerweise unter der
linken Brustwarze tragen. Von der Funktion des Darmes hängt _unser
ganzes Denken_, _Fühlen_ und _Sein_ ab, unsere _Größe_, unsere _Güte_,
unsere _Menschlichkeit_ und unsere _Weisheit_! Wehe dem, der 24 Stunden
lang, also als Sünder und Verbrecher, _unpurgiert_ dahinwandelt! Er wird
millionenmal mehr Schaden anrichten als ein Raubmörder und
Kinderschänder! Er wird in den kleinsten Dingen sein Menschentum
_verleugnen_, das ihm Gott in seiner Gnade mitgegeben hat. Nur der
äußerlich und innerlich purgierte Mensch kann auch geistig _und_
seelisch purgiert sein! _Existieren_ können, ohne Darmfunktion wie die
Taube, die es im Fluge von sich läßt, ohne sich in ihren edlen
Schwingungen auch nur 1/100 Sekunde dadurch stören zu lassen, ist ein
schändliches Verbrechen an sich und vor allem seinen Nebenmenschen, an
denen man seinen Unmut, den man sich selbst gezüchtet hat, in
heimtückischer Weise dann Tag und Nacht ausläßt.

Abführmittel sind _theosophische Geheimmittel_, die imstande sind, den
Menschen zu einer höheren Art hinaufzuentwickeln! Im Moment, wo das
Genie seine heiligen Darmfunktionen geschwächt fühlt, fühlt es sich
degradiert zur »_Herde der Gewöhnlichen_«! Seine Schwingen sind ihm —
wenn auch in anderer Weise — beschnitten und gelähmt.

Bauchherz, nervus sympathicus, plexus solaris, unbekanntestes Phänomen
unter den mysteriösen Phänomenen dieser Welt, möge dir die Forschung und
die Arbeit der künftigen Genies geweiht sein! Unten frei, oben frei!
Unten gebunden, oben gebunden! So ist es!

Es gibt fast keine Schädlichkeit, die wir unserem Organismus antun, die
nicht durch eine absolut vollkommene Verdauungskraft besiegt werden
könnte! Unsere Darmnerven sind wichtiger wie unsere Gesamttätigkeiten
unseres Organismus, als alle andern Organe zusammen! Mit einem absolut
leichten Stuhlgang müßte man sich theoretisch eine »ewige Jugend«
verschaffen können. Der obstipierte Mensch ist _kein menschliches
Wesen_! Seine Heiligkeit, seine Gottähnlichkeit beginnt erst, wenn die
Darmfunktionen eine _fast ideale_ Leistungsfähigkeit erreicht haben. Die
tiefste Genialität eines Organismus ist, mehr Rücksicht auf seine
Darmnerven zu nehmen, als auf alle andern zusammen! Man schont damit vor
allem _Herz und Gehirn_.


                             Der Philister

Ewige Rache, die Gott, Schicksal und Natur am Philister nehmen: Sie
verhindern ihn, Tag und Nacht _Tonika_ zu suchen, Belebungs- und
Erregungsmittel dieser Stoffwechselmaschine »Mensch«! Sie wollen immer
glatt und beruhigt überall durchkommen; daher verlieren sie die einzige
Kraft, die es für die menschliche Maschine gibt: den Stoff-_wechsel_!


                               Genialität

Das geniale Gehirn hat nie die _kleinliche_ Todesangst des Philisters,
sondern die _absolute_ eines Bismarck, der _wußte_, daß bei einer
verlorenen Schlacht von Königgrätz ihm nur mehr die Revolverkugel übrig
bliebe. — Selbst _Goethe_ hatte ein Jahr lang den geladenen Revolver auf
seinem Nachtkastel liegen. Sich schützen?!? Vor dem Altwerden, vor dem
_Sterben_?!? _Wozu also?!_ Das Genie bringt sich _rechtzeitig_ um, wenn
es seine Mission erfüllt hat, oder sie _nicht_ erfüllen konnte! Aber
diese andern _paktieren_ mit dem Leben, das dann doch _keines ist_ und
keinen Pakt zuläßt!



                          RESTAURANT PRODROMOS


Ein Restaurant ersten Ranges, von einem modernen Architekten unerhört
einfach-primitiv, aber zugleich aristokratisch-apart eingerichtet. Es
wirken in der Küche in idealer Gemeinschaft ein französischer Koch und
ein junger Arzt, Diätetiker, Hygieniker, und der Dichter. Jede Speise
ein unerhört leichtverdauliches Gedicht für den Verdauungsapparat!
Lauter Speisen, die in drei bis fünf Stunden verdaut sind ohne
Rückstände! Reiche Stoffwechselkranke, Nervenkranke, Magenkranke,
Darmkranke würden hier ein absolut sicheres Asyl finden! Die
internationale Püreemaschine würde auf jedem Tische stehen. Einige
Umdrehungen, und jede Speise hat die Konsistenz erhalten von
Erdäpfelpüree, Erbsenpüree! Schöne Zähne sind eine ästhetische
Angelegenheit, aber man soll sie nicht gebrauchen! Den Speisen ihre
Seele ausziehen, ihr Wertvollstes, und das Unverdauliche den Hunden, den
Schweinen! Kein Essig, sondern Zitrone! Ganz, ganz neue
Zusammenstellungen. Zum Beispiel durchpassiertes Kalbfleisch in
Eiersauce. Pürees und Saucen in noch nie dagewesenen neuen Verbindungen!
Man kann sich krank essen und bleibt dennoch gesund! Die Diätetik eine
reale Romantik geworden! Erfüllbare Ideale! Die Zähne haben ihre
miserable dilettantische Zerkleinerungstätigkeit einzustellen, sobald
die internationale Püreemaschine ihre Dienste ideal ersetzt. Man putze
sie und halte sie als Kunstwerkchen in Ehren! Der Edelmaschine darf man
nicht Lasten aufbürden, sondern muß sie ihr zu ersparen suchen! Das
Kindchen saugt an der Mutterbrust, und die müde und nervös gewordene
Menschheit will desgleichen! Jeder komplizierten Maschine sucht man die
Widerstände so viel als möglich zu ersparen; nur dieser unglückseligen
und allerherrlichsten Maschine: »menschlicher Verdauungsapparat« nicht!
Weshalb?! Gründet das Restaurant Prodromos! Es soll eine Oase werden.
Nach jeder Mahlzeit kann man sich hinlegen auf ideale Ruhestühle, was
riesig wichtig ist! Es gibt Zimmerchen, in denen man, wenn auch nur für
zehn Minuten schlafen kann! Eine Regenerationsanstalt, als Restaurant
geführt. Ein Gasthaussanatorium! Teuer, aber fast kostspielige Kuren
ersetzend! Weshalb warten mit der Ausführung?! Gibt es denn keine
Idealisten, die dennoch verdienen möchten?! Sind denn das Gegensätze, um
Gotteswillen?! Was sollte denn reellerweise eigentlich belohnt werden
auf Erden als der wohlverstandene Idealismus?!? Gründet das Restaurant
Prodromos! Und gedenket meiner, des Urhebers!



                               DER BRAND


Um zwei Uhr morgens kam die Nachricht in die American Bar, daß ein
Palais nächst dem Stadtpark in Flammen stehe. Wir ließen unsre
wunderbaren Mischungen sofort stehen, fuhren im Fiaker rasend hin.

Auf dem Dache des fünfstöckigen Palastes leuchteten die weißen
Magnesiumfackeln der Feuerwehr, und goldgelbe und rote Funken fielen zur
Erde. Unten im Finstern der Straßen leuchteten die Lampen der
Feuerwehrautomobile wie getreue Wächterhundeaugen! So besorgt-gutmütig!

Der Stadtpark war schwarz und einsam. Auf einer Bank saßen Zwei, Hand in
Hand. Sie betrachteten den Brand des Palais, hörten die
Feuerwehrsignale: »Wasser! Wasser! Wasser!«, und sie waren und sie
blieben versunken in ihrem eigenen unentrinnbaren Schicksal, Hand in
Hand.

Das Palais brannte, und man erließ für die obern Parteien bereits die
Nachricht, sie möchten delogieren und herabkommen — — —.

Der Stadtpark war einsam und im Dunkeln — —.



                               RÜCKSICHT


Sie trug ein wunderbares, stark dekolletiertes schulterfreies Kleid.
Ihre Freunde bewunderten ihre herrlich modellierten Schultern. Da stand
sie auf, ging in ihre Garderobe zurück und zog ein viel dezenteres Kleid
an, das nur Hals und Arme frei ließ.

Einige Augenblicke später kam ihr Bräutigam.

»Natürlich,« sagte er, »man muß sich für die fremden Männer
dekolletieren!«

»Herr Bräutigam,« sagte ein Baron, »das ist doch gerade das Schöne an
Ihrer Freundin, daß sie immer so einfach und dezent gekleidet ist und
gar nichts aus sich macht. Schließlich und endlich muß es doch auch
Ihnen schmeicheln, wenn andere Sie darum beneiden und sie bewundern!«

»Anita,« sagte der Bräutigam, »gehe doch in die Garderobe und ziehe dir
mal das neue schulterfreie Kleid an, das ich für dich entworfen habe. Du
bist ja nicht mehr im Sacré Coeur — — —.«

Die Dame stand auf und ging in die Garderobe, das noch körperwarme
schulterfreie Kleid wieder anzulegen — — —.

Die Freunde sagten hypokrit: »Das ist wirklich etwas gewagt und
auffallend — — — Aber wenn es Ihnen recht ist, Herr Bräutigam — — —?!?«



                                 MYOSA


Mademoiselle Myosa, das Original mit dem tiefen wunderbaren Blick, in
dem direkt eine Art von fanatischer Tanzmission glüht und fiebert, ist
von unbeschreiblicher Anmut. Die übrigen Tänzerinnen tanzen, aber sie
ist der Tanz selbst, sie versinkt, ertrinkt im Tanzen. Sie existiert
nicht mehr. Sie kann sich, auch im Leben, in nichts anderm äußern. Man
hat die Empfindung: sie ißt nicht, sie trinkt nicht, sie schläft nicht,
sie will kein Geld und keine sonstigen scheinbar unentrinnbaren
Leidenschaften — — — sie will tanzen, tanzen, tanzen! Der Fisch will
Wasser, nur Wasser; und sie will den Tanz, nur den Tanz! Sie ist das
erste Tanzgenie, das ich je erblickt habe, wegen ihrer fast
pathologischen Konzentration. Sie rührt und macht erstaunen. Hat Gott
die Welt nur erschaffen, damit Myosa sich darin austanze?! »Ja!« sagen
ihre düstern Blicke. Sie hat Bewegungen, die man noch nie bei einer
Tänzerin gesehen hat, wie wenn oft ihr wunderbarer kindlicher Leib von
einer inneren Macht gezwungen würde. Dabei ist sie ununterbrochen
verzweifelt, daß es in diesem Vergnügungsetablissement nicht still und
feierlich ist während ihres heiligen Tanzens wie in einer Kirche;
sprechen, lachen, verletzt sie tödlich; ein Zug unaussprechlichen
ergreifenden Leidens ist da mitten im Tanzen auf ihrem herrlichen
Antlitz. Da haßt sie die Menschen und die Welt! Sie ist eine tragische
Persönlichkeit, feindselig und abhold dem leichten Dasein der Stunde.
Sie ist ein Phänomen, eine Einzige, eine in sich Gekehrte, starre
Unerbittliche des Tanzes! Und das alles dort, wo man sich bei uns
amüsieren, zerstreuen will!? Arme, arme Myosa — — —!



                              IM STADTPARK


Als Kinder saßen wir Abend für Abend mit unsern geliebten Eltern im
Stadtpark, im Kursalon. Wir bekamen Eis und Hohlhippen und hatten
keinerlei Sorgen. Der Vater geht nun seit Jahren nicht aus seinem
bequemen Zimmer mehr heraus, und die Mutter nicht aus dem bequemen
Totenschrein. Ich, glatzköpfig und sorgenvoll, komme nun in den
Stadtpark, Kursalon, auf die Terrasse, an denselben Tisch, an welchem
wir einst sorgenlos mit den geliebten Eltern saßen. Ich bestelle
dasselbe Eis, Himbeerschokolade, wie als Kind, mit recht vielen und
knisternden, also frischen Hohlhippen. Vor mir die Gartenbeete wie
einst, ein bißchen bunter, origineller. Ich sehe Eltern mit ihren
Kindern. Sie zanken und schelten. Unsre Eltern zankten und schalten nie,
nie. Vielleicht war es schlecht, daß sie es nie taten, aber sie hatten
Achtung vor ihren eigenen Erzeugnissen, und Zuversicht! Wir haben sie
enttäuscht; aber sie haben es hingenommen als Schicksal und Verhängnis.
Wir haben ihre Tränen, die sie um uns weinten, nie gespürt — — —. Nun
sitze ich, Glatzköpfiger, Sorgenvoller, wieder im Stadtpark, im
Kursalon, auf der Terrasse, an demselben Tisch wie einst mit den
geliebten Eltern, esse dieselbe Portion Himbeerschokolade wie einst, mit
vielen knisternden, also frischen Hohlhippen — — —. Die Gartenbeete, auf
die ich herabblicke, sind ein wenig bunter, origineller. Aber sonst hat
sich nichts verändert, in den Zeiten vom dummen Kind zum müden Mann! Ich
sehe Eltern, die ihre Kinder im Park schelten; unsre Eltern schalten uns
nie; sie erhofften es, daß wir sie einst belohnen würden für ihre Güte;
aber wir taten es nicht. Wir hatten eine schöne Kinderzeit; so tauchen
wir denn hinab in Erinnerungen, da wir vom seienden Tage nicht leben
können. Wir hatten allzu sanftmütige, hoffnungsfreudige,
schicksalergebene Eltern. Es war ein Fluch und ein Segen! Man kann nun
an Zeiten zurückdenken, die paradiesisch waren — —. Nicht jeder, der vor
sich das Dunkel sieht, kann liebevollen Herzens der lichten Zeiten
dankbar sich erinnern — — —.



                                EHEBRUCH


Ich verzeihe dir! Vier Tage und vier Nächte habe ich mich durchgerungen.
Die Nächte besonders waren voll von Qual. Wenn du gewußt hättest, was du
mir angetan hast an Leid, du hättest es wahrscheinlich nicht getan. Aber
ihr wißt es eben nicht, wollt, könnt es nicht wissen! Unser verstörtes
Antlitz sagt euch nichts. Prügel sind der Ausbruch für euch unserer
verletzten Eigenliebe. Und sogar Mord ist doch in Eueren Augen nur
Rachgier! Unsere Zärtlichkeit könnt ihr nicht ahnen, die wir für euer
Leben haben, wie jedes Muttertier für seine Jungen, oder wie der Storch,
der sich auf dem brennenden Dache niederläßt, um mit den Jungen, die er
nicht mehr erretten kann vor Qualm und Hitze, selbst zu verbrennen! So
sind wir mit euch! Mit euch verbrennen, wenns keine Rettung gibt — — —.
Das zarte Nest ist in Gefahr, das wir euch errichtet mit allen Mühen
unseres armen Lebens; das Nest ist in Gefahr — — —. Ich will dich
retten, doch der Qualm betäubt mich. Anita, oh Anita — — —! Vier Tage
und vier Nächte hab’ ich mich durchgerungen. Die Nächte besonders waren
voll von Qual. Ich will dich retten vor dir und vor den anderen! Ich
liebe dich, es bleibt mir keine Wahl — — —. In mir sind Gottes
Zärtlichkeiten für jedes Geschöpf, konzentriert auf dich! Bis du es aber
spürst, vergehen Jahre, Jahre. Mir ist die Kraft verliehen, an deiner
Bahre, in deinem toten Antlitz noch verständnisvollen Dank mir endlich
zu erspähen! Vier Tage und vier Nächte hab ich mich durchgerungen. Die
Nächte besonders waren voll von Qual. Ich liebe dich, es bleibt mir
keine Wahl. Wir wollen den Schmerz begraben, der uns begrub — — —. Nimm
also dein neues Kleid, wir wollen zu fremden Menschen gehen, die
fröhlich sind, Geliebte!



                            HAMSUN-MENSCHEN


Ich habe irgendwo einen geistreichen Essay gelesen — leider geist-reich,
aber wahrheits-arm — über das Wesen der sogenannten Hamsun-Menschen, das
heißt: jener Menschen, die Hamsun in seinen Romanen beschreibt.

Es sind nämlich ganz einfach Menschen, die die Lächerlichkeit des
menschlichen Geistes und der menschlichen Seele durchschaut haben und
dahinter gekommen sind, daß alles öder Mumpitz ist! Ich bin überzeugt,
daß Shakespeare die Eifersucht des Othello, den Ehrgeiz des Macbeth, die
Liebe des Romeo für ebenso lächerliche und wertlose Dinge, für
übertriebene Irrsinne, für groteske Stupiditäten von Monomanen oder
Paralytikern gehalten habe; nur hatte er damals noch die sogenannte
gesunde Kraft, aus diesen Irrsinnen scheinbar menschliche Dramen zu
fabrizieren! Hamsun hingegen hält Markensammler, Münzensammler und
Liebesleute für lächerliche Persönlichkeiten, und nichts in der Welt
kann ihm ein Interesse abgewinnen als die schändliche und infame
Lächerlichkeit, mit der alle Menschen die ihnen wichtig erscheinenden
Dinge auch ernstlich für wichtig halten! Diejenigen Unglückseligen, die
in der Mitte schwanken zwischen der Bejahung und Negierung des Daseins,
machen sich ein Geschäft daraus, Hamsun-Menschen fälschlich erklären zu
wollen, indem sie selbst weder den Mut haben, bejahende Normalmenschen
noch negierende Perverse zu sein. Der sogenannte gesunde Mittelweg ist
die Straße des feigen Idioten. Er allein ist der ungerechte und ewig
mißtrauische Nichtsversteher! Sie wollen in den Abgründen des Daseins
sich ein Pfädchen herausschinden, auf dem sie scheinbar noch sicher
dahin schreiten könnten! Aber vergeblich! Es handelt sich nur um einige
Jahre, und auch sie werden zur Browningpistole innerlich greifen müssen.
Hamsun erkannte die Nichtigkeit, die Lächerlichkeit, die Bösartigkeit,
die Gemeinheit des Lebens in jeder Minute, in jeder Stunde, an jedem
Tage; aber die, die noch nicht die Kraft haben, das ganz zu erfassen,
klammern sich an irgend einen Popanz fest, der sie hoffentlich irgend
einmal zugrunde richten wird.

Hamsun-Menschen haben ganz einfach einen milliardenmal tiefem Einblick
in die Lächerlichkeit und Wesenlosigkeit des Daseins, als die andern
Menschen, und derjenige, der sich aus diesen unentrinnbaren Wahrheiten
herausretten will, beweist damit nur die Feigheit, daß er mit einem
wertlosen Leben den wertlosen Kampf noch immer vergeblich aufnimmt. Alle
Menschen sind Münzen- und Markensammler, und wer ihre absolut wertlosen
Irrsinne nicht erkennt, ist ein ebensolcher Idiot, wenn er auch in
seelischer und geistiger Beziehung andre, aber ebenso wertlose
Sammlungen anlegt! Sich über die letzten Erkenntnisse eines
Hamsun-Gehirns hinüberschwingen zu wollen, ist die infamste Feigheit
eines Menschen, der nicht imstande ist, eine Stunde lang ein
wahrheitsvolles Leben zu führen.

Das Leben ist eine feige Lächerlichkeit, mit frechen Ambitionen, und es
gehören alle Verlogenheiten der menschlichen Seele und des menschlichen
Geistes dazu, um es auch nur eine Minute lang ernst zu nehmen!
Strindberg wußte, was er von Frauen zu halten hatte, die, statt ihn zu
schützen und zu schonen, ihm seine göttlichen Kräfte auf allen Wegen und
Stegen zu rauben suchten. Er hatte die Genialität, an die
Anständigkeiten der Frau zu glauben, fand aber nur herzlose Tyranninnen,
die die Schwächen selbst der genialen Organisation auf perfideste und
heimtückischste Weise ausnutzten! Was August Strindberg dichtete und
dachte, war ihnen eine nebensächliche Erscheinung, aber sein
persönliches Liebesleben kontrollierten sie mit ihren unfähigen und
niedrigen Sinnen! Alle Männer sollten wie Strindberg es erhoffen, daß
man ihre edelsten Kräfte schonen und schützen werde, und sie nicht
ausnutzen werde zur gemeinen Bequemlichkeit des Tages- und Nachtlebens.
Eine Frau, die auch nur eine Stunde lang einen August Strindberg quälte,
wäre wert, von der ganzen Menschheit boykottiert und gefoltert zu
werden, denn für ihre Glückseligkeit würde der Kommis einer Seidenfirma
bessere Dienste leisten! Sie rächt sich in ihrem ewigen
Vier-Wochen-Turnus an den ewigen Entwicklungsfähigkeiten des Mannes, und
das Genie Strindbergs bäumte sich für hunderttausend gequälte andre
Genies auf gegen den Mangel an Respekt einer geliebten Frau vor der
Geistigkeit des Mannes!

Hamsun nahm die Sache nicht so tragisch, sondern mehr von der ironischen
Seite, und selbst Shakespeare war ein Strindberg und ein Hamsun im
Grunde seiner Seele, aber er hatte leider noch die gesunde Kraft, es in
fünfaktige Dramen umzusetzen, deren eigentliche tiefe Ironie der Welt
nie verständlich wurde!

Der Ansichtskartensammler ist kein größerer Narr als alle andern, die
sich an angeblich wichtigere Objekte Tag und Nacht anklammern, um ihr
Leben damit auszufüllen und in kümmerlicher, armseliger, schamlos-feiger
Weise zu fristen. Je weniger Spesen sie dabei haben, desto normaler sind
sie. Es gibt Schriftsteller, die die Geschicklichkeit haben, einem
Hamsun und Strindberg sogar ihre Irrsinne nachzuweisen! Ich selbst
begnüge mich mit der Ansicht, daß sich außerhalb des Lebens zu bewegen
und mit ihm keine anderen Zusammenhänge zu haben wie die eines
satanischen Lächelns, die einzige Sache und Aufgabe eines genialen
Menschen sei!

Wer die Kraft hat, dem Leben mit aufgezogenem Visier ins Auge zu
blicken, der wird das große Mauer-Oehling und Steinhof der Menschheit in
Ernst und Ruhe erkennen, und seine Stunde, die ihn von dem Stumpfsinn
und der Stupidität endgiltig befreit, mit Freude erwarten —.



                                MEMOIREN


Ich lese die Geschichte vom Grafen von Lavalette, und sie interessiert
mich gar nicht. Er war ein Getreuester Napoleons des Ersten.

Aber ich habe bisher es nicht eingesehen, wodurch dieser »geniale
Feuergeist«, dieses »Ungetüm an Lebensenergien«, der Gesamtmenschheit
irgendwie geholfen habe!?! Die Geschichte seiner »Getreuen« interessiert
mich daher um so weniger. Aber als Lavalette, dieser »Tatendurstige«
(ein schreckliches Wort für den Lebenskundigen) eingesperrt und
hingerichtet werden sollte, gab ihm seine Frau ihre Kleider, und er
entfloh. Sie selbst wurde im Kerker derart mißhandelt, daß sie irrsinnig
wurde.

Da begann ich mich für die Gräfin von Lavalette zu interessieren, die in
den Memoiren gar nicht erwähnt ist.

Ehre ihrer Seele!



                         WIDMUNG AN ANNA KONRAD


O Fraue,

Nicht was du _bist_, bist du!

Das, was _wir_ von dir träumen, _das_ bist du!

Was in der dunklen Wehmut unseres begeisterten Blicks erschimmert, das
bist du!

Der Duft deines Atems, der uns den Duft der ganzen blühenden
geheimnisvollen Welt bringt, _das_ bist du!

Deine _nicht erfüllten_ Sehnsuchten, die auf deinem lieblichen Antlitz
kauern, und die _wir_ mehr miterleben, _miterleiden_ als du selber,

_Das_ bist du!

Die Träne, die aus unsern Augen langsam herabrieselt (wir selber wissen
nicht, aus welchem Leid sie ihre Quellen hat) _das_, _das_ bist du!

Und _unser Lächeln_ bist du, wenn du kommst — — —!

Und unsere _ernste Stille_, wenn du von uns gehst — — —!

Wenn du _uns_ kränkst und wenn du _uns_ verwundest,

Nimmst du _dir selbst_ die Pracht des eigenen Lebens,

Denn was wir von dir fühlen, _das_ bist _du_! Bleib darum milde — — —.

Dreh’ nicht der Nachtigall den Hals um, wenn sie in die lichte Mondnacht
schmettert,

Denn _ihr Lied_ macht erst die Mondnacht zu dem, was sie _ist_!

O Fraue, laß uns singen, sagen, klagen — — —.

Was du _von uns_ vernimmst, _das_ erst bist _du_!



                                DER TOD


Wann soll ich sterben, mich umbringen?! Es ist an der Zeit.

Es ist fünf Uhr morgens. Man sieht noch nicht die großen braunroten
Dächer der alten Wallnerstraßenpaläste. Man hört die Uhren von fünf
Kirchtürmen. Sie folgen einander so merkwürdig, wie um sich nicht
gegenseitig zu stören, lauschendes Menschenohr nicht zu verwirren, das
Ohr von Kranken, die dem heimlichern Tage bang entgegenlauschen — — —.

Wann soll es sein?!

Sie darf nicht geweckt werden aus ihrem mir heiligen Schlaf, durch eine
Nachricht, die jedenfalls erregt und schadet — — —. Wenns ihr auch
schmeichelt, daß es ihretwegen ist — — —.

Ich muß also warten, bis die völlig Ausgerastete die merkwürdige
Botschaft hört,

    daß ihr fanatisch getreuester Ritter sie dennoch verlassen mußte,
    mitten im Seelendienste, der ihn brach und sie nur störte, die
    einsam kranke Frau — — —.

    Nach Hamburg wird die Kunde später dringen, und H. M. ist gewappnet
    mit Ergebenheiten!

    In ihrer Religion sind Kreuzigungen vorhergesehen, und sie wird
    leben aus innern Kräften, durch Leid erhöht, betaut, befruchtet!

Bessie wird in Leysin, im Paradies des Wintersports am Genfersee, die
Nachricht hören, und in meinen Briefen vielleicht kramen, die sie
besitzt.

Die Hauptsach’ ist, daß meine vergötterte Frau in Wien nicht durch die
Nachricht aus dem Schlafe kommt, den sie so nötig hat.

Man muß sichs also einzuteilen wissen. Tag, brich an!

Lebet wohl — — —!

Der grelle Tag macht freilich den Abschied schwerer als des
Wintermorgens düstre Dämmerungen!

Jedoch die Frau darf’s erst vernehmen, wenn sie ausgerastet ist von
langem Schlafe — — —.



                    EINE GANZ WAHRHAFTIGE BEZIEHUNG


Sie saß an einem riesigen Parterrefenster, das fast den Boden der
staubigen grauen elenden Dorfstraße berührte, und nähte an einer schönen
blinkenden Nähmaschine. Blusen, von morgens bis abends. Ihre Augen
hatten einen Ausdruck von Verzweiflung. Aber sie selbst wußte nichts
davon. Sie nähte, nähte und nähte. Sie war ganz mager, ungeeignet für
den Sturm des Daseins, der Seelen und Körper schüttelt und hinwegfegt.
Abends aß sie das kalte Gemüse vom Mittagstisch. Das sah ich alles durch
das riesige Parterrefenster hindurch, und sie sah, daß ich alles sah.

Eines Abends stand sie vor dem Haustor so angelehnt. Da sagte sie: »Ich
habe eine Stellung angenommen in Mariahilf in einer Blusenfabrik, ich
werde nicht mehr privat arbeiten müssen in diesem einsamen Zimmer.«

Da dachte ich: »Dorfstraße, Dorfstraße, du hast deinen Glanz, du hast
deinen Reichtum eingebüßt!«

»Man muß sich seine Lage verbessern, nicht wahr!?« sagte sie, »ich habe
Sie übrigens immer an meinem Fenster vorübergehen sehen, dreimal des
Tages. Dreimal des Tages sind Sie freilich vorübergegangen. Aber in
Mariahilf werden vierzig Mädchen sein, und man wird plaudern können, und
arbeiten wie in einem Ameisenhaufen — — —.«

»Sie, Fräulein, ich werde auch dreimal noch täglich an Ihrem Fenster
vorübergehen, wenn Sie nicht mehr dasitzen — — —.«

»Ja, werden Sie das?!? Da werde ich also doch auch zugleich zu Hause
sein wie früher in meiner Heimat — — —.«

»Lassen Sie vielleicht Ihre blinkende kleine Nähmaschine am Fenster
stehen, und dabei eine ihrer angefangenen Blusen — — —.«

»Ja, bitte, das werde ich — — —.«

Das war die einzige wahrhaftige Beziehung mit einer Frauenseele während
meines ganzen ereignisreichen Lebens — — —.

Dorfstraße, graue staubige Dorfstraße, du hast nun deinen Glanz, du hast
deinen Reichtum eingebüßt — — —. Sie, sie geht nun in die Arbeit, in die
Welt — — —!



                             IM VOLKSGARTEN


Juli im Volksgarten. Die holde Frische der Gewächse ist vorüber. Nur
Rosa Crimson Rampler blühen als dunkelrotes Gebüsch. Auf dem Teich vor
dem Elisabethdenkmal sind die Seerosen verblüht. Nur die Blätter liegen
papierflach auf grünschillerndem Wasser. In den riesigen hellgrauen
Tonkübeln blühen hellrosa Hortensien. Die marmornen Kindergesichter an
den Brunnen strahlen Lieblichkeit aus sondergleichen. Es sollen die
Kinder des Bildhauers selbst sein. Heil ihm! Ein Mäderl von neun Jahren
zeigt uns alle ihre herrlichen Künste. Sie hat nur ein weißes Hemd an
mit einer dicken roten seidenen Schnur. Sie läuft Springschnur wie ein
griechischer Marathonläufer. Sie spielt Diabolo wie ein Champion. Sie
spielt zugleich mit zwei Raketts und zwei roten Gummibällen. Ich rufe:
»Bravo, bravo!« als säße ich in einem Variété. Sie hat nackte
Gazellenbeine. Sie macht alles von nun an infolge des Applauses für mich
und meine edle Freundin. Einmal heben wir ihr einen Ball auf. Sie weiß,
sie befindet sich in unsrer Gunst. Sie hat fremde Menschen für sich
gewonnen, sie hat die enge Sphäre von Papa, Mama, Onkel, Tante
überflogen, sie ist in das Land eingedrungen objektiver Anerkennungen.

Und da sagte ihre Mama: »Spiele doch zu mir zu, ich will dich auch
sehen, nicht immer nur deinen Rücken.«

Da wandte sich das Kind von uns ab und spielte gegen die Mama zu. Nur
hie und da blickte sie sich um nach ihren fremden Verehrern.

Später kam der Papa, ermüdet vom Geschäfte.

»Amüsierst du dich, Anna?!?« sagte er zu seinem Töchterchen.

»Amüsieren, amüsieren —« dachte Anna, »man bewundert mich, man staunt
mich an —.«



                      ANSPRÜCHE EINER ROMANTIKERIN


Wenn dir, Du angeblich Liebender, jeder Atemhauch meines Mundes ebenso
berauschend wäre wie meinem Peter,

wenn dich mein Gehen, Stehen, Sitzen, und jede Linie meines Leibes
ebenso entzücken könnte,

wenn der dunkle Klang meiner Stimme, wie Peter sagt, aus dem
Gaumen-Resonanzboden,

dir ebenso lieblich tönen könnte,

und ebenso berauschend das Rauschen meiner seidenen Unterkleider wie
ihm,

wenn du in das Waschwasser meines Lavoirs, in dem ich badete, ebenso
liebevoll deinen Kopf untertauchen könntest wie er,

gleichsam um zu ertrinken in heiliger Flut;

wenn du mich ebenso nähmest als überirdisches Wesen, das ich natürlich
nicht bin und nicht sein kann, bei Tag und Nacht,

wenn du also gleich ihm aus meinen Armseligkeiten eine verklärte
Dichtung machen könntest, die dich beglückte und Leben spendete wie Tau
und Sonne den zarten Pflanzen — — —

wer weiß, ob ich mich dann nicht verführen ließe, dir zu dienen gleich
ihm — — —.

Aber du kannst, du wirst es nicht zusammenbringen!

Es sind Mysterien, aufbewahrt von Gott den wirklich liebevollen
Herzen!!!

Das zu erkennen, ist unser einziger, unser bester Schutz!

Es gibt nur immer einen, dem wir ein Verhängnis werden! Den anderen sind
wir Zitronen, die man auspreßt, und deren Schale man in die Latrine
wirft!



                               LEBENSWEG


Der Ältere und der Jüngere waren anfänglich kolossal eifersüchtig
aufeinander. Bis der Ältere ihr einen geläuterten Brief schrieb. Darin
stand unter anderm: »Der Jüngere ist der Jüngere. Daher hat er den
momentanen Sieg. Aber der Ältere ist der Ältere. Daher hat er einen
Vorsprung, welcher Art immer. Es wird sich schon zeigen —.« Sie verstand
kein Wort davon. Infolgedessen versöhnten sich die beiden Rivalen.

Dem Jüngeren ward sie aber zu einfach, zu ruhig mit der Zeit. Der Ältere
ruhte bei ihr aus, von den Strapazen seiner Seelenweltreisen. Der
Jüngere hatte sie lieb, solange sie nicht da war, der Ältere erst, wenn
sie neben ihm dahinging wie ein verlorenes Kindchen. Er dachte dabei an
die »Ludern«, denen er unnützerweise sein Denken, sein Dichten, sein
Träumen geweiht hatte durch Jahre, und die doch nur sich-überhebende
freche Püppchen gewesen waren zeitlebens.

Aber auch er hatte bald genug von ihr, obzwar er sie brüderlich zärtlich
lieb hatte und sie ganz verstand und achtete. Der Jüngere feierte hie
und da dennoch immer wieder Orgien mit ihr und behauptete dann, sie sei
doch die einzige von allen. Der Ältere brachte sie zum Chor der
Operette. Es begann ihr sehr gut zu gehen. Aber immer wieder kam sie zu
dem Jüngeren zurück ohne Grund, und zu dem Älteren sagte sie sanft:
»Wissen Sie noch, wie Sie mir die Pfirsiche geschenkt haben?!« Später
fuhr sie im eigenen Automobil. Sie vergaß ganz des Jüngeren. Aber so oft
sie den Älteren erblickte, sagte sie sanft: »Servus, Pfirsich-Herr!«



                                DIENSTE


Man kann vielen Menschen riesige Dienste in den geringsten Kleinigkeiten
leisten. Aber niemand tut es. Zum Beispiel einer Dame zu sagen: »Wenn
Sie sich abends mit einem trockenen englischen Reibhandschuh,
fleshglove, den ganzen Leib leicht rosig reiben lassen werden, ganz,
ganz zart, ohne Reibeisengefühl, so werden sie gegen Zugluft vollständig
immun werden!«

Ich trat einst auf eine wunderbar schöne Frau zu und sagte zu ihr:
»Gnädige Frau, ich könnte Ihnen einen wesentlichen Lebensdienst leisten,
den Ihnen wahrscheinlich sonst niemand leisten würde —.« »Nun, worin
besteht er?!« »Sie haben in Ihrem wunderbar modellierten Ohr einen
schwarzen Mitesser, den ich auf die zarteste Weise mit einem geschickten
Druck meiner zwei Finger entfernen könnte. Mancher Mann könnte daran
enttäuscht werden, und es könnte Ihren edlen Lebensweg erschweren —.«

Die Dame erbleichte, stand auf, ging mit mir hinaus. Ich entfernte ihr
den schwarzen Mitesser aus dem rosigen Ohr.

Dann sagte sie: »Sie, Herr, wie kommen Sie eigentlich zu solchen
Unverschämtheiten?! Was gehen Sie denn meine Ohren an?!«

»Nichts«, erwiderte ich und entfernte mich befriedigt.



                          WIE ICH GESUNDET BIN


Ich bin nämlich gar nicht gesundet, sondern aus dem Grabe, wie ein
Gespenst meiner selbst auferstanden. Aber ich habe in Inzersdorf bei
Wien einen schönen stillen Park gehabt mit Naturwiesen, einen
allerbesten Direktor Emil Fries, einen Gentleman vom Kopf bis zu den
Sohlen, seine edle französische Frau zu meiner idealen Gesellschaft,
taktvoll und herzlich vom Kopf bis zu den Sohlen; Fräulein Herta, die in
sich Gekehrte ... Und die Gouvernante der Kinder war eine edle
Melancholikerin, die die Bürde des Lebens tragisch auf sich nahm. Der
Park hatte eine Allee mit großen holzgeschnittenen Löwen, die Wappen
trugen, und in den riesigen runden dunklen Gebüschen nisteten Vögel.

In diesem Milieu, wo nichts mich marterte, lugte ich noch einmal aus dem
Grabe heraus, so ein letzter Blick auf wahre Werte der arg verworrenen
Menschheit.

In einem dunklen Gartenparterrezimmer sitzen seit Jahren Graf C. und
Herr von D. hart nebeneinander in alten Lederfauteuils, wortlos, ohne
sich zu rühren, stunden- und stundenlang wie Wachsfiguren, bis jemand
kommt und sie zu Bette legt. Nie, nie, nie sprechen sie einen Wunsch
aus, rauchen nicht, langweilen sich nie, warten auf die Tage, die
Monate, die Jahre, wie alte Bäume im Frieden der Natur.

Ich bin nicht gesundet; meine Qualen haben sich ins Maßlose gesteigert,
ich ringe um Tag und Stunde und um irgendeinen Lichtblick, wie es die
englische Tänzerin Esther war, die am ersten Abend zu mir gesagt hat: »I
have been in the whole world, but I have learned only one important
thing: To hate the man! Was will er ewig von uns, während unsere Seelen
noch kalt sind, und wir ihm doch schon unser Bestes, ja unser Liebstes,
unser Tanzen spenden?!?« Esther, Esther, o Esther — Sie sagte: »Du, ich
werde dich besuchen, aber nur wenn du ganz krank bist, ganz, und mit
geschlossenen Augen daliegst, denn da brauchst du nicht mit mir zu
sprechen.«

Ich bin nicht gesundet und werde es nie, nie mehr wieder. Ich ringe mir
noch irgendeinen Lichtblick ab, und dann adieu. —



                            GOTTESGNADENTUM


Gott, der in der Natur _geheimnisvoll_ thront, um Ideale abzuwarten, die
sich endlich _realisieren_ sollen, will für alle, alle, alle,
leidenschaftlichst ihre Entwicklung zu ihrer Vollkommenheit, zur
Glückseligkeit, zu ihrem eigenen inneren und äußeren Frieden! Er
überträgt daher vorerst den Herrschern diese zarte und schwierige
Mission, solange das Volk noch _unmündig_ ist. Aber später fühlt es
leider der Herrscher nicht, daß seine Milliarde von Schützlingen _aus
eigener Kraft_ Gottes Wege zu wandeln bereits erstarkt sind! Wie wenn
ein Achtzigjähriger noch immer von seinem fünfzigjährigen Sprößling
sagte: »Karlchen hat sich verkühlt — er muß einige Tage das Bettchen
hüten — — —«. So behandeln die Monarchen ihr geliebtes Volk, haben keine
Ahnung, daß es _längst mündig_ geworden ist, sie selbst aber unterdessen
_greisenhaft_.

Gottes Gnade kann einem einzelnen verliehen sein, der für alle
_zugleich_ sorgt; sie kann aber _später_ allen verliehen sein, die
_einzeln für sich selbst sorgen_! Vom einzelnen und von der Gesamtheit
jedoch kann Gottes Gnadentum in gleicher Weise mißbraucht werden! Es
kann einer für alle das Glück verschaffen oder verhindern; es können
alle es für sich selbst ebenso!

Gottes Gnade strömt aus Gottes Geist, aus Gottes Herzen; und ein kleiner
zarter Knabe kann sie ausüben, wenn er tausend Erwachsene vor einer
Gefahr bewahrt, die sie selbst nicht ahnen in ihrer rastlosen
Geschäftigkeit. Wenn der Herrscher die _wirkliche Gnade Gottes_
repräsentiert in bezug auf ein ganzes Volk, so hat er das Recht, von
seinem _Gottesgnadentum_ zu sprechen!

In diesem Falle aber wird selbstverständlich das ganze Volk diese
Repräsentation auch unbedingt bis in die innersten Nerven hinein spüren,
und daher _aufjubeln_ und Dankgebete für ihn verrichten! Wenn das aber
nicht geschieht, sondern _Murren_ und _bange Verzweiflung_ in den Landen
losbrechen, dann ist es an der Zeit, für die Weisen der Nation, Einkehr
zu halten, Ausschau, und dem _Bedenken_ ihre geistigen Tore weit zu
öffnen!

Es gibt kein Zurück, nach Gottes Ratschluß! Es gibt nur ein Vorwärts,
Vorwärts, Vorwärts, in jeglicher Sphäre menschlicher Betätigungen! Wer
das unternimmt, ein einzelner oder alle, steht unter Gottes Gnadentum!



                        AN EINEN UNMODERNEN ARZT


Werde gläubig! Gehe doch endlich von deinen eingewurzelten Prinzipien
ab, die für niemanden passen als eventuell für dich selbst, und siehe,
für dich sogar _vielleicht auch nicht_! Denn du sogar bist _besser_ als
dein eigenes Wissen!

Wolle neue, dir unbekannte, dir noch unverständliche Welten kennen
lernen, öffne deine Augen und Ohren den neuen merkwürdigen Ereignissen!

Was du selbst weißt und erfahren hast, ist alt, vermodernd und tot!

Was andere dir bringen aus anderen Welten, kann dich erneuern!

Schaue mit _ihren_ Augen, horche mit _ihren_ Ohren, fühle mit _ihren_
Seelen, denke mit _ihrem_ Geiste!

Wehe dir, wehe, wehe, der du deine eigene Welt den anderen
_aufoktroyieren_ willst!

Solches durfte nur der Heiland — — —. Denn er _wußte_ es, _wofür_ er
sich kreuzigen ließ — — —.

Aber du hast dich ewig zu _bescheiden_ und den Welten der _anderen_ zu
lauschen, von denen du Töne vernehmen kannst, die dir bisher leider
fremd waren!

Nicht was du _bisher_ wußtest, kann dich bereichern, sondern das, was du
bisher _nicht_ wußtest!

Aus der Weltenwurzel ewig neuartige Säfte, Kräfte ziehen, heißt, ein
feiner, nobler, kultivierter Mensch sein!

Sein eigenes armseliges Weltchen den ungeheuren Komplikationen des
Weltenalls _entgegenstemmen_ wollen, ist eine _feige Gemeinheit_!

Ergib dich den neuen, dir noch unverständlichen Wundern, und erhoffe es
dir, durch neue Erfahrungen _dich selbst endlich desavouieren zu
dürfen_!



                                ZYNISMUS


Ein neunzehnjähriger Gymnasiast tötet eine Fünfzehnjährige mit fünf
Revolverschüssen. Er verteidigt sich in keiner Weise. Was liegt also
vor?!? Es liegt vor das unbewußte Bewußtsein aller Höllenqualen, die
einem liebenden Manne noch Zeit seines verdammten Daseins bevorstehen
und die eine dumme, verwöhnt werdende fünfzehnjährige Schöne den Männern
bis zu ihrem 35. Lebensjahre unbedingtest allmählich noch bereiten wird!
Rettung gibt es da nicht in diesem Höllenpfuhle. Die mörderische
Schlacht ist vorzeitig, ist also rechtzeitig entbrannt, und muß zu Ende
gekämpft werden, von dem _unbewußt voraussichtigen_ Desperado, mit fünf
heimtückischen Todesschüssen, weil die 15jährige Geliebteste,
Allergeliebteste, von einem Nachbar in »kindlicher Freude« fünf Rosen
annahm, einen Don Juan von Kellner daran liebenswürdig-holder Weise
riechen ließ, und dieselbe Gnade dem unglückselig Liebenden dann
ironisch versagte! Seine Voraussicht kommender grauenvoller Leiden war
seine _verbrecherische Genialität_! Das Fräulein beginnt bereits, ganz
geheimnisvoll, sich zu fühlen als Beherrscherin und Zerstörerin dieser
unglückseligen zarten Welt »männliche Zuneigung«, und der
neunzehnjährige Rüpel weiß nicht anders die schreckliche Gefahr zu
bannen, als indem er fünf tödliche Schüsse auf die Schuldig-Unschuldige
abgibt! Die Frau, die zartfühlende, menschenfreundlich-adelige hat eine
_Verpflichtung_ gegen an ihr erkrankte Männerseelen! Nicht gerade die
Verpflichtung, endgültige Erlösungen ihnen zu spenden, jedesfalls aber
nicht mutwillig in eiternden Wunden herumzustochern — — —. Es ist keine
große Kunst und keine Lebensaufgabe, Männer irrsinnig und seelenkrank zu
machen; aber ihnen wenigstens wie ein milder, menschenfreundlicher Arzt
die äußersten und unnötigen Qualen zu ersparen, das wäre beginnendes,
zartes, strahlendes, sich selbst vor allem belohnendes Menschentum!



                               NACHTCAFÉ


Was ist ein Nachtcafé?! Etwas Unverlogenes. Die Mädchen wollen leben und
nicht Frondienste leisten, nicht Schaffel reiben und Nachttöpfe fremder
Menschen reinigen, solange sie noch entzückende Leiber haben. Sie wollen
sich andererseits betrinken, um zu vergessen, daß das alles nicht so
weiter geht, in infinitum. Sie stehen vor stündlichen Gefahren, müssen
sich berauschen an irgend etwas, um sich Mut zu machen für die Schlacht
des Lebens! Niemand behandelt sie nach ihres jungen Herzens Wunsche!
Infolgedessen rächen sie sich, wie sie es können, bald so, bald anders!
Heimtückische, feige Marodeure sind nur die Männer! Eine, der ich in
Briefen meine tiefste Sympathie, mein gerechtestes Verständnis bewiesen
hatte, sagte dennoch: »Du mußt mir die zwanzig Kronen im vorhinein
bezahlen — —! Wir haben es leider gelernt, selbst romantisch veranlagten
Dichtern nicht mehr zu trauen — — —!«

Die Damenkapelle ist eine Oase. Sie sind verheiratet, Bräute, oder sonst
treu irgend jemandem. Sie haben ein konsolidierteres Schicksal. Sie
haben irgend etwas gelernt, wodurch man sich weiterbringt. Sie haben
sich der Lebensordnung eingefügt. Ob sie glücklicher sind, nicht andern
Enttäuschungen, Gefahren ausgeliefert?!? Zwei Welten, hart aneinander,
einander gleich in ihren schweren Kämpfen. Keine Damenkapelle ohne diese
Hetären, keine Hetären ohne diese Damenkapelle! Nur die Männer sind das
perfide Element. Sie möchten alle zusammen unglücklich machen, ihre ewig
hungrigen Eitelkeiten mästen mit den unglückseligen Blicken verliebter
Frauen! Damenkapelle oder Hetäre gilt ihnen gleich, ihre innere rohe
Leere mit einem liebevollen dummen Frauenherzen auszufüllen — — —!
Nachtcafé, du kleine miserable Welt, du Abbild der großen, noch viel
miserableren!



                               DIE NERVEN


Ich hatte einen Freund, einen höchst intelligenten Menschen. Aber seine
Nerven, oh, die waren gar nicht intelligent ...

Eines Abends im Café sagte er zu mir: »Du, Peter, du könntest mir einen
riesigen Freundschaftsdienst erweisen! Ich fühle mich heute wieder so
greisenhaft, so ausgelöscht ... Bitte sage mir nach fünf Minuten, daß
ich heute besonders frisch und jugendlich aussehe ...«

Ich nahm die Uhr, legte sie auf den Tisch, und sagte nach fünf Minuten:
»Du, sage mir, was ist heute los mit dir? So jugendlich frisch hast du
wirklich schon lange nicht ausgesehen ...!«

Er wurde ganz rot vor Freude, ganz begeistert, und erwiderte: »Wirklich?
Das freut mich! Solche angenehme Sachen sagt einem halt niemand auf der
Welt wie du!«



                         BRITISCHE TÄNZERINNEN


Im Wiener Moulin Rouge ist jetzt eine Truppe von acht jungen
Engländerinnen, die angeblich nicht viel tanzen können. Das ist aber
grundfalsch und eine echt dilettantische Auffassung. Die Art, wie eine
Frau ihre Persönlichkeit in Bewegung, in Tanz wiedergibt, ist das
Wertvolle an ihr und an ihrer Darbietung! Das allein! Das Schreckliche
an unsern frühern Tänzerinnen war eben, daß die Schulung und die
Künstlichkeit ihre persönliche Grazie, ihre individuelle Bewegungsart
auslöschen, vernichten mußten! In der modernen Welt wird aber die
Persönlichkeit frei, und man verzichtet gerne auf die sogenannte hohe
Schule! Diese jungen acht Engländerinnen, die angeblich nicht viel
können, wie die Tanzmeister an den Tanzschulen behaupten, diese jungen
acht Engländerinnen repräsentieren in Art und Gebärde dennoch die
keusche, kindliche, merkwürdige Anmut aller englischen Mädchen und
Frauen, die von Natur aus und ganz von selbst mit unbeschreiblichem
Geschmack und Takt begabt sind und niemals mehr vorstellen wollen im
Leben, als ihnen von Natur und Schicksal beschieden ist! Sie bleiben
kindlich-herzig unter allen Umständen, in jeder Situation, in jeder
Lebenslage; sie akkomodieren sich nicht feigerweise, wünschen lieber zu
langweilen, als mit übertriebener Lustigkeit aufzuwarten! Sie tanzen,
wie Kinder im Volksgarten, im Stadtpark tanzen würden; oder im Hofe bei
einem Werkel, oder sonstwo für sich allein — — —. Sie rühren, ergreifen,
und ihre Tanznatürlichkeit besiegt die entsetzliche Tanzkunst, die sich
eine jede fast in emsigem Bemühen erwerben kann! Möchten wir uns doch
endlich, in jeder Hinsicht, von der schrecklichen historischen
Überlieferung emanzipieren, dieser Arterienverkalkung der menschlichen
Seele! Es gibt heutzutage bereits einige Tänzerinnen, die nur ihr
eigenes Wesen in Bewegung umsetzen, ihre persönliche Grazie allein
wirken lassen! Mögen sie bei den Tanzmeistern durchfallen, bei den
Meistern des lebendigen Lebens werden sie reüssieren. Diese acht jungen
Engländerinnen tanzen wie die allerherzigsten Kindchen, sie rühren und
ergreifen, sie geben sogar eine Idee von Englands Frauen überhaupt!
Seien wir ihnen vor allem dankbar, daß sie uns die manierierten,
affektierten, berechnenden Frauen noch unausstehlicher machen durch den
Kontrast!

»Ich hole mir eine arme englische Tänzerin zur Frau«, sagte einmal ein
genialer welterfahrener Mann zu mir.

»Bravo,« erwiderte ich, »aber wissen Sie auch, weshalb Sie das tun?!?«

»Es sind kindliche und dankbare Geschöpfe, die es einem nie vergessen,
daß man sie errettet hat vor dem und jenem, was immerhin passieren
könnte. Außerdem ist ihnen der sichere Ehrentitel »Missis so und so«
wertvoller als die flüchtigen Triumphe, denen Enttäuschung auf dem Fuße
folgt!«

Ich glaube, die anständige, angeblich temperamentlose Engländerin macht
das bessere Geschäft auf Erden, als die leichtsinnigen, lebensunkundigen
andern. Anständigkeit ist Willenssache. Aber diesen Willen eben haben
wollen, in allem und jedem, ist Kultur und Adel. Die Engländerin will
eben anständig sein! Möge sie daher Frieden, Achtung und Sorglosigkeit
einheimsen! Man gönne es ihr ...



                            DER TRATTNERHOF


Also dieser aristokratisch-einfache, zweckmäßig gegliederte alte Bau
soll nun auch verschwinden!

Statt dessen werden schreckliche Unnötigkeiten erstehen, Türmchen mit
Kupferplatten versehen, oder eiserne schwarze, oder vergoldete; riesige
Emailplatten in allen Farben; kleine Balkone, auf die niemand
hinaustreten kann, mit Geländern wie irrsinnig gewordene Schlänglein!
Ein Tohuwabohu von Unzulänglichkeiten! Ein architektonischer Hexensabbat
alles Unnötigen, Unzweckmäßigen, blöd Verschwendeten auf Erden! In
unseren geliebten Spielereischachteln einstens waren Häuser mit glatten
edlen Wänden, breiten Fenstern, hohen Dächern, großen Haustoren. Da
konnten wir uns weite, stille, abgeschiedene Zimmer hineindenken, in
denen man ein Refugium fand vor den Stürmen des äußeren Lebens! Aber
heutzutage ist man ehrlich; an der Schnickschnackfassade sollst du es
nämlich sogleich zu spüren bekommen, daß du auch in deinem eigenen, von
dir selbst bezahlten Zimmer, keinerlei klösterlichen Frieden, Ruhe,
Sicherheit, Vereinsamung, Abgeschlossenheit mehr finden könntest — — —!
Die Menschen suchen Ornamente, Verschnörkelungen, _Zieraten_ (ein
ekelerregendes Wort), weil sie zu ihren eigenen, in sie von Gott
gelegten _Paradieseseinfachheiten_ noch nicht vorgedrungen sind!

Der alte, einfache, edle Trattnerhof hat durch Jahrzehnte niemanden
gestört, belästigt. Ich sehe nun schon alle Künsteleien ihre
schändlichen Orgien feiern. Häuser werden zum Bewohntwerden errichtet,
meine Herren Architekten; architektonische Knockabouts gehören in den
Wurstelprater!



                      ARTISTISCHE RUNDSCHAU, WIEN


_Djellah_. Über diese Künstlerin wollen wir einem berufenen Fachmann und
zwar dem Altmeister _Peter Altenberg_ das Wort lassen, welcher folgendes
schreibt:

Es ist sehr schwer für mich, über den »Clou« des Etablissements
»Tabarin« zu schreiben. Denn es ist geradeso, wie wenn man sein eigenes
Kindchen zu loben hätte öffentlich. Und stets betrachtete ich diesen
speziellen Typus von adeliger, schlankster brauner Frauenschönheit als
meine geliebten vergötterten Kindchen. Ich meine in diesem Falle die
malayische Tänzerin Djellah. Nicht was sie kann, was sie ist, ist ihr
Besonderes! Ihr Sein, die Form ihrer Glieder, der Ausdruck ihrer Augen,
die Modellierung von Stirn und Nase, die Farbe ihrer Haut, die Zartheit
ihres Wesens ist ihr Besonderes. Man würde sie ebenso verehren, wenn sie
langsam durch Lianenwälder schritte, oder in einem kleinen Rindenboote
säße, oder in einem Dorfe vor einer niederen Hütte kauerte — — — Sie
repräsentiert eine _andere_ Welt, eine schlanke, biegsame braune Welt,
erfüllt mit natürlicher Anmut und sanfter Bewegungsfreudigkeit. Die
unbeschreibliche Schönheit ihrer gelbbraunen Beine zu schildern, wäre
geschmacklos. Vor Idealen verstummt man, falls man nicht ein ganzes
Feuilleton darüber zu schreiben den ehrenden Auftrag erhalten hätte. Da
freilich muß man loslegen, coute que coute. Djellah ist in der Richtung
der herrlichen Ruth St. Denis; nur leidenschaftsloser, weniger
prunkvoll, selbstverständlich, ohne Cobragiftdekoration. Um so edler und
wertvoller. Bei uns kümmert man sich leider noch immer viel zu viel um
das »Können« von Menschen, als ausschließlich um ihr »Sein«. Das
Erlernbare ist »erlernbar«, aber vor dem »Unerlernbaren«, in jeglicher
Richtung, da müssen wir »Habt Acht« stehen und ehrfurchtsvoll
salutieren. Heil Djellah — — —! Können, erlernen, ist gar nichts; aber
es von Schicksals Gnaden mitbekommen haben, Glieder, Hände, Füße,
Gelenke, Teint usw. usw., das ist das wirklich Besondere auf
Erden — — —! Da beginnt nämlich die _physiologische Aristokratie_!



                                 PARFÜM


Als Kind fand ich in dem Schreibtisch meiner geliebten wunderbar schönen
Mama, der aus Mahagoni war und geschliffenem Glase, in einer Lade einen
leeren Flacon, der aber noch immer intensiv nach einem bestimmten, mir
unbekannten Parfüm duftete.

Oft schlich ich mich hin und roch dann.

Ich verband dieses Parfüm mit aller Liebe, Zärtlichkeit, Freundschaft,
Sehnsucht, Traurigkeit, die es überhaupt gibt.

Aber alles bezog sich auf meine Mama. Später überfiel uns das Schicksal
wie eine unvorhergesehene Hunnenhorde und bereitete uns allenthalben
schwere Niederlagen.

Und eines Tages zog ich denn von Parfümeriehandlung zu
Parfümeriehandlung, um in kleinen Probefläschchen vielleicht das Parfüm
zu entdecken aus der Mahagonischreibtischlade meiner geliebten
verstorbenen Mama. Und endlich, endlich entdeckte ich es: Peau
d’Espagne, Pinaud, Paris.

Da gedachte ich der Zeiten, da Mama das einzige weibliche Wesen war, das
mir Freude und Schmerz, Sehnsucht und Verzweiflung bereiten konnte, das
mir immer, immer wieder aber alles verzieh, und das um mich sich sorgte,
und vielleicht sogar insgeheim abends vor dem Einschlafen für mein
künftiges Glück gebetet hatte ...

Viele junge Damen sandten mir in kindlich-süßen Begeisterungen später
ihre Lieblingsparfüme, dankten mir herzlichst für ein von mir erfundenes
Rezept, jedes Parfüm nämlich unmittelbar nach dem Bade direkt auf die
nackte Haut des ganzen Leibes einzureiben, so daß es wie echte eigene
Hautausdünstung wirke! Aber alle diese Parfüme waren wie die Gerüche von
wunderschönen, aber eher giftigen exotischen Blumen. Nur Essence Peau
d’Espagne, Pinaud, Paris, brachte mir melancholischen Frieden, obzwar
meine Mama nicht mehr vorhanden war und mir nichts mehr verzeihen konnte
von meinen Sünden!



                            ÜBERS SCHREIBEN


Ich bin durch einen Brief meines wirklichen Freundes und
freundschaftlichsten (er schreibt unerhört flink auf einer allerbesten
Schreibmaschine) Fr. W. erst zur Erkenntnis gekommen, zur plötzlichen
einbrechenden einfachsten Erkenntnis, daß _gut_ Briefe schreiben nur
bedeuten könne, _so_ zu schreiben, als _höre_ der Briefempfänger während
des Lesens unmittelbar den neben ihm sitzenden Schreiber des Briefes
laut und eindringlich mit ihm _sprechen_! Diesen Unterschied des
_schweigend_ Schreibenden und des _tönend_ Sprechenden ausgleichen
können, vollständig, in einem Briefe, heißt Brief _schreiben können_!
Alles andere ist literarischer Mumpitz mit Lorbeeren gekrönt à la
Schweinskopf. Temperament, Ungezogenheiten, Eigenheiten, Frechheiten,
Dummheiten, alles muß _herausgellen_, gellen, gellen; sonst ist
es eine gemachte, verlogene und daher _ennuyante_ Sache!
Briefmomentphotographie!

Zu mir kam einmal einer meiner Freunde, der Uhrmacher Josef T. Er hatte
seine wunderbare 23jährige Geliebte zu Grabe geleitet.

»Peter, Sie kennen mich, helfen S’ mir! Eine Grabschrift von Ihnen für
meinen marmornen Gedenkstein! Wann darf ich hoffen, daß Ihnen was
Passendes einfallen dürfte?!?«

»_Sofort_,« erwiderte ich mitten auf der Straße, »oder _nie_!«

Er riß sein Notizbuch heraus.

Ich schrieb:

 »Ich war der Uhrmacher Josef T.,
 Und dann war ich im Paradiese durch Dich — — —.
 Und jetzt bin ich wieder der Uhrmacher
                                Josef T. — — —.«

So rasch, so prompt muß man seine Menschlichkeiten ausschütten; denn
später wird es eine fade Sauce! Daher die vielen faden Saucen — — —.



                              ANGSTSCHREI


Es gibt nur einen einzigen, einen allereinzigsten Beweis einer Frau,
ihrer echten, menschlichen, aufrichtigen, anständigen Beziehung zu uns:
das ist, uns mit Absicht und heiligem Willen jegliche Eifersuchtsqual zu
ersparen, ja sie in jedem Augenblick einfach unmöglich zu machen! Dieser
gütige Wille allein beweist uns ihre wirkliche Zusammengehörigkeit mit
uns! Diesen gütigen Willen kann sie sich zulegen! Sonst bekommt unser
Edelgehirn den Verfolgungswahn, gleich diesem adeligsten Gehirn
Strindbergs!

Eine geliebte Frau muß uns schützen wollen zu jeglicher Stunde, da wir
einmal in bezug auf ihren geliebten, vergötterten Leib in einer Art von
mysteriöser Hypnose uns befinden! Diese unsre schreckliche, durch sie
allein erzeugte Krankheit muß sie behandeln wie ein Arzt einen
unglückseligen schwer Erkrankten, der seiner Obhut sich gläubig
überläßt! Wehe, wenn sie diesen ohnedies schwer Leidenden auch noch
absichtlich schwächen wollte, statt ihm Heilung zu bringen, da es doch
nur von ihrem edlen anständigen Willen abhängt, es zu erreichen!

Diese Heimtücke, uns absichtlich unglückselig zu machen, ist die
Schlange in ihr. Denn jede anständige Persönlichkeit hat den natürlichen
Wunsch, ihren armen Nebenmenschen zu helfen und zu dienen, soweit es
nämlich möglich ist! Die Zerstörungselemente sind eine gottlose infame
Gemeinheit, die nur in teuflischen Organisationen liegt. Jede andre
sucht zu schützen und zu helfen, soweit es möglich ist!

Eifersucht ist eine schwere Erkrankung des Gehirns, die von jeder
menschenfreundlich gesinnten Frau gebannt, geheilt werden kann. Wenn sie
es absichtlich unterläßt, so ist sie eine Teufeline, eine, die sich an
der Zerstörung unsrer heiligen Lebenskräfte weidet, weil sie nur Böses
überhaupt leisten kann und Zerstörendes, nicht aber Leben, Freudiges und
Gedeihendes!

Mögen die wertvollen, kultivierten Männer ein wenig genauer zusehen,
wodurch ihnen der größte Teil ihrer wertvollsten Lebensenergien
eigentlich vollkommen grundlos täglich geraubt und vernichtet wird, und
mögen sie endlich anfangen, sich ernstlich zu schützen vor dieser
tiefsten Gefahr: Ungezogenes, eitles, freches und sich überhebendes
Weib! Teufeline statt Schutzengel!



                              JULI-SONNTAG


Fünf Uhr morgens. Alles ist gebadet in gelbem Sonnenlicht. Noch ist es
frisch und kühl. Viele Touristen erheben sich aus dem Schlaf,
unausgeschlafen, der Sonne entgegen. Leicht wird es ihnen, mit kaltem
Wasser das Schlafbedürfnis zu bannen. Noch ist es kühl, und man
schreitet dem heißen Tag entgegen, wie in die heiße Schlacht!

Viel zu wenig bieten der Tag und die Stunde den meisten. Und auch das
genügsamste Herz lechzt nach Außergewöhnlichem. Da kommt der
Juli-Sonntag in grellem gelbem Licht! Juli-Sonntag, du sollst es
bringen!

Überallhin echappiert die unzufriedene Menschheit. Müde gelaufen fällt
sie dann zurück in die Pflicht! Montag, wie wärest du sauer, wärest du
nicht die Quelle und Ursache sonntäglich kommenden süßen Glücks!
Sonntags siehst du die Müden in Wiesen und Wäldern gelagert, rein
gebadet vom Schmutz der vergangenen Woche, kommender Woche gefaßter
entgegenharrend.



                              DER JAGDHERR


»Herr Baron, weshalb sehen Sie heute so gedrückt und verstimmt aus?!
Wenn _Sie_ nicht froh und sorglos aussehen sollten, wer könnte es dann
noch überhaupt?!?«

»Sie scheinen es nicht zu wissen, daß jetzt der Herbst ist und die
›Hirschbrunft‹ anfängt. Nein, wie mir mein Oberförster gemeldet hat, daß
die Hirsche bereits ›röhren‹, da begann meine Verzweiflung. Ich hörte
schon die stundenlangen, endlosen Gespräche meiner geehrten Jagdgäste
darüber, weshalb und aus welchen komplizierten Gründen sie den
Vierzehnender nicht _getötet_ haben. Ich sage zu meinen Jagdgästen immer
absichtlich ›getötet‹, denn da giften sie sich am meisten; denn
eigentlich müßte man sagen —, aber das stupide technische Wort kann ich
mir, oder will ich mir vor allem, nicht merken. Meine Gäste wären so
nette Menschen, wenn sie nicht jagen würden! Ich verstehe absolut nicht,
weshalb ein Hirsch, der vierzehn Enden hat, interessanter sein sollte
als einer, der überhaupt kein Ende hat. Jedenfalls, so viel Enden kann
kein Hirsch haben, daß er für mich an Interesse gewänne! Ich esse nicht
einmal sein Fleisch, da es schwarz, saftlos und meistens zäh ist. Einmal
sagte mir ein Weiser:

›Wissen Sie, Herr Baron, weshalb ich so gern Hirschbraten esse?!?‹

›Nein,‹ erwiderte ich, ›das kann ich mir gar nicht denken — — —.‹

›Wegen der Sauce Cumberland, die so gut dazu paßt, aus
Hetschepetschfrüchten, Rosenfrucht, bereitet!‹

›Aber, lieber Freund, da essen Sie doch die Hetschepetschsauce für sich
alleine!?‹

›Ja, Herr Baron, wenn man _das_ könnte; aber das _kann_ man nicht — — —!
Sie gehört zum Hirschbraten‹.

Ein Jagdgut ist sehr angenehm natürlich, aber nur wegen der Mühlen,
Kalkbrennereien und so weiter, die dazu gehören. Die vielen Hirsche
stören mich, sie lenken mich ab von einer anständigen, fruchtbringenden
und sinnvollen Tätigkeit. Besonders die Vierzehnender hasse ich; über
die wird nämlich am meisten und wichtigsten Blödsinn geredet. Am
tragischsten aber ist es für mich, wenn dieses Tier nicht getötet,
sondern nur angeschossen wird. Da erreicht die Aufregung meiner
Jagdgäste den Höhepunkt. Man glaubt jedesmal, sie hätten die Schlacht
von Sedan verloren oder wären plötzlich entthront worden. ›Man wird es
schon finden, das arme Tier,‹ sage ich da jedesmal, um sie zu giften.
›Es wird in einem Gebüsch _gestorben_ sein, etsch!‹ Beim Wort
›gestorben‹ möchten sie mich alle ohrfeigen — — —.

Aber lieber ist es mir, das arme Vieh werde sogleich ins Herz
geschossen, damit es die Leiden erspare und ich meine Ruhe haben könne
beim Souper. Nun werden Sie mich natürlich fragen, weshalb ich überhaupt
eine Jagd habe und Jagdgäste dazu einlade. Da kann ich Ihnen nur mit dem
_mysteriös-philosophischen_ Satze, den noch _kein Kultivierter_ je
ergründet hat, antworten: ›Mein lieber Herr, das verstehen Sie nicht,
_es gehört einmal dazu_!‹«

Der Baron schwieg; dann sagte er:

»Einer meiner geehrten Herren Hirschgeweihjagdgäste lud mich aus
Dankbarkeit wieder zu seiner ›Wildschweinjagd‹ ein. Ich war gezwungen,
irgendwo auf einem Balkon, der mit Reisig eingefriedet war, auf das
gutmütige und häßliche Vieh zu warten. Endlich erschien es und knabberte
schnauzend an einem Hügelchen von Kukuruz, das als Lockspeise eigens
listig errichtet war. Da schoß ich es, pumps, ins Herz, und bekam als
Trophäe die Stoßzähne, die ich in den Abort warf — — —.«



                                EPISODE


Zwei elegante junge Leute stellen sich verlegen vor:

»Wir sind seit langem begeisterte Verehrer Ihrer Dichtungen und bitten
Sie um die Ehre, an unserm Tische mit uns Champagner zu trinken — — —.«

»Meine Herren, ich bin sehr, sehr krank, und bitte Sie daher, mir vorher
alle Garantien zu bieten, daß man sich in vollster Korrektheit benehmen
werde!«

»Aber Herr Altenberg, würden wir sonst um die Ehre Ihrer Gesellschaft zu
bitten überhaupt wagen?!?«

Zwei Stunden später: »Sie, Peterl, mir san ganz gewöhnliche naive
Menschenkinder, aber Sie haben doch das Raffinement, Sie verstehen doch
diese Sachen aus dem ff. Sie, bitt’ Sie, mir beide fliegen so kolossal
auf dös Menscherl dort am dritten Tisch. Gehn’s, kobern’s es uns zu —
spielen Sie den Vermittler!«

Ich stand auf, sagte: »Meine Herren, Sie vergessen Ihre zugesagten
Garantien! Ich muß Sie ernstlich daran erinnern — — —.«

»Was Garantien — wir wollen uns für unser Geld amüsieren.«

Darauf stand ich brüsk auf, ging zu der Dame hin und brachte sie an den
Tisch. Eine Pause entstand beklommener Verlegenheit. Dann sagte ich:
»Sie haben nun für Ihr Geld Ihr Vergnügen! Apropos, es gebühren mir aber
noch für die Vermittlung zwei Flaschen Schampus! Also her damit! Ich
werde sie aber _allein_ an einem anderen Tische trinken!«



                              JOSEF KAINZ


      Habt ihr Wasser über Felsen donnern, krachen gehört?!
      Hagel aufschlagen in taubeneigroßen Körnern?!
      Wolkenbrüche auf Dächern niedersausen?!
      Sturmwind durch Wälder fegen?!
      Felder gemäht werden vom Winde?!
      Seewellen an Land hingepeitscht werden?!
      Und die Geräusche aller übrigen entfesselten Naturkräfte?!?
      Seht, so, so war Josef Kainzens Stimme!!!
      So ähnlich muß Gottes Stimme getönt haben,
      Als er bei Erschaffung der Welt befahl:
      »So und so will ich es!!!«



                            BETTLERFRECHHEIT


Es ist doch selbstverständlich, daß ein Bettler, der in einem
palastartigen Zinshause im ersten Stocke schüchtern-bescheiden anklopft
oder vielmehr auf den elektrischen Knopf kurz drückt und in äußerster
Zerknirschung um ein Stückchen Brot bittet, es erwartet, daß man ihm ein
Beefsteak mit Spiegelei und extra eine Krone bar hinausreiche.

Sollte aber jemand naiverweise den Wunsch nach einem Stückchen Brot à la
lettre erfüllen, so darf er sich über die vollständig korrekte Antwort
nicht wundern: »Dös können’s selber fressen!«

Daher zeugt die Art, ohne demütig zerknirscht anzuklopfen, sondern ernst
und in gerader Haltung 1000 Kronen _geborgt_ zu verlangen, von tieferer
Menschenkenntnis; denn hier klammert sich das Opfer der »ungerecht
verteilten Lebensgüter im Dasein« wenigstens an diese letzte Hoffnung:
»Er wird zurückzahlen, falls er kann — — —.« Nein, Esel, falls er will!
Aber er will nie, nie, nie. Denn wenn er die Kraft mitbekommen hätte von
seines Gehirnes Gnaden, zurückzuzahlen, so hätte er auch vor allem die
Kraft mitbekommen, so sparsam zu leben, daß er nie in eine so
verzwickte, also bereits der _Unanständigkeit_ und dem _Betruge_ nahe
Lage gebracht worden wäre!



                      VON MEINEM KRANKENLAGER AUS


Ich lese so viel wertlose Bücher annonciert, besonders die, deren
Illustrationen ebenso unverständlich blöd wie die »Sand in die Augen
streuenden« pathologisch-aufgeblasenen Texte dazu sind. Ich gelte selbst
als unverständlich und verworren. Das ist aber ein großer Irrtum. Ich
bin nämlich ganz einfach zu verstehen für Leute, die eine _Seele_ haben
und sogenannte »_Hyperästhesien_«, wie wir Griechen uns auszudrücken
belieben, damit das _Volk_ uns nicht sogleich verstehe. Auf Deutsch
heißt es: _Überempfindlichkeiten_. Und daran krankt oder, wie tiefer
Denkende es auffassen, daran _gesundet_ allmählich unser, bisher ein
bißchen zu brutales Zeitalter. Aber, um auf das Thema dieses Aufsatzes
zu kommen, dessen Einleitung bisher ziemlich verschroben und unnötig
gewesen ist — — —, ich fühle mich eben in diesen verworrenen
Zeitläuften, wo schlecht von gut deshalb schwer zu unterscheiden ist,
weil so viele talentlose Idioten die Konjunktur »Richard Wagner war auch
einst verkannt und mißverstanden« frecher- und tölpelhafterweise
ausnützen, ich fühle mich eben in diesen verworrenen Zeitläuften
verpflichtet, ein unbeschreiblich einfaches, Kindern verständliches,
herrliches, rührendes Buch öffentlich zu erwähnen: Philippe Monnier:
Blaise, der Gymnasiast, übersetzt von Dr. Rudolf Engl und Marie
Döderlein, Verlag Albert Langen. Ich glaube, viele unserer
Literatursnobs werden sich schämen, wenn sie die Wirkung dieses unerhört
einfachen Buches verspüren werden in ihren, zu gordischen Knötchen
verschlungenen Gehirnchen! Es ist keine sonderliche Kunst, sich, indem
man andere, Contemporains, bewundert, den Erfolg eines adelig denkenden
Unabhängigen, Vorurteilslosen zu ergattern! Aber solche _Manöver_ wird
man dem todeskranken, bereits in lichteren Sphären befindlichen Autor
der ausgezeichneten Bücher »Wie ich es sehe« und »Was der Tag mir
zuträgt« keineswegs zumuten können. Blaise, der Gymnasiast, versetzt
feinfühlige Menschen in alle poetisch-romantisch-alltäglichen
Vorkommnisse ihrer Jugend, deren Erlebnisse niemand _vor_ dem 40.
Lebensjahr zu genießen oder literarisch zu verwerten weiß! Jugendzeit,
du goldene Zeit — — —, aber mit welchen _tiefen Niaiserien_ ist sie in
diesem Buche vorgeführt! Man erholt sich von sogenannten talmimodernen
Malern, Dichtern, Bildhauern und Frauen. Wenn ich einfach sein _will_,
so muß ich es vor allem auch wirklich sein _können_. Nicht ein jeder
darf nämlich als »_härener Pilger_« uns belästigen! Etsch!



                               KRANKHEIT


Wenn sogenannte Freunde einen Schwerkranken besuchen, haben sie
ausschließlich die Absicht, alles schön zu färben. Niemals hat er
blühender ausgesehen, ja direkt verjüngt. Man möchte es nicht glauben,
in dieser kurzen Zeit! Die Hoffnung, mit dem billigsten, was es auf
Erden gibt, dem schönen liebenswürdigen Wort, sich aus der Affäre zu
ziehen, ist größer als der Zwang der Anständigkeit, den die schlichte
Wahrheit erfordert. Man findet sein Zimmer ganz einfach süperb, viel
gemütlicher als sein einstiges Heim, obzwar man genau weiß, daß er mit
allen Fasern seines Herzens an jedem Winkel seines geliebten
Heimatzimmerchens hing. Man vermeidet es geschickt, zu fragen, wer denn
alles bezahle, und fragt diskret an, ob die drei Kronen, die man einmal
rekommandiert geschickt habe, auch wirklich angekommen seien. Bei
bejahender Antwort verklärt sich das Antlitz des Spenders, und er sagt:
»No, siehst du, Peter, wie man dich nicht verläßt in deinen schweren
Zeiten!?«

Der Kranke wird plötzlich zu einem Verfemten, mit dem man geschickt
lavieren muß. Den Gesunden konnte man auf verschiedene und eigentümliche
Art ausnützen und verwerten: War er gescheiter, so konnte man seine
eigene Stupidität hinter ihm bequem verbergen; war er liebenswürdiger,
so konnte man die eigene Roheit durch ihn geschickt kaschieren. Aber der
Kranke ist zu nichts Rechtem mehr zu gebrauchen. Ihn den Würmern noch
für längere Zeit vorzuenthalten, ist scheinbar eine schlechte
Spekulation; aber ein gewisses Schamgefühl verhindert sie dennoch, den
Unterschied zwischen der Beziehung zu dem Gesunden und zu dem
Schwerkranken allzu augenfällig zu machen. Außerdem könnte es ja doch
unter der Million von Idioten einen geben, der die ganzen Manöver
durchschaute.

Man liebte den Gesunden selbstverständlich ebensowenig wie den Kranken,
aber man hatte damals wenigstens keine Gelegenheit, ihn als eine direkte
Last zu empfinden, und infolgedessen hielt man die natürlichen
Grausamkeiten ihm gegenüber in gewissen Schranken der sogenannten
Wohlerzogenheit. Trotzdem gönnte ihm niemand Zeit seines Lebens Freude
und Glück, und wenn er es sich trotzdem errang, so geschah es unter
merkwürdig schwierigen, belastenden Umständen, die aus dem Neid der
sogenannten besten Freunde entsprangen. Dem Gesunden gönnte man nicht
eine Stunde lang seine Kraft, zu leben, begeistert zu sein, zu lieben
und aufwärts zu kommen, und erst der Schwerkranke befreit die Freunde
von der stündlichen Gefahr, daß er ihnen über den Kopf wachse. Wenn die
Erfahrungen, die der Kranke macht, dem Gesunden zugute gekommen wären,
wäre er fast ein Genie geworden an Lebenskunst; so aber wurde er das
selbstverständliche Opfer der heimtückischen Lüge des Lebens.

Oscar Wilde starb, wie keiner von der Million der Enterbten je
dahingestorben ist; aber viele Jahre nach seinem Tode setzte ihm eine
Pariser Dame einen Grabstein, der vierzigtausend Franken kostete. Könnte
der Tote seine geniale Hand emporrecken, so würde er die wertlosen
steinernen und bronzenen Dekorationen zertrümmern, die eine Gans seinen
vermoderten wertlosen Gebeinen gesetzt hat. Gebt dem Lebendigen die
Kraft, alle Genialitäten seines Hirns, seines Herzens für euch
Stumpfsinnige, Keuchende, Kriechende zu verwerten und ausleben zu
lassen, und überlasset die Sorge um die sechs Rappen, die den
Leichenwagen des zu Tode Gemarterten ziehen werden, der Entreprise des
pompes funèbres!



                         AN EINE ELFJÄHRIGE (†)


Hilde, Elfjährige, ich wußte nichts bis dahin über dich — — —.

Nun aber habe ich deine Stimme vernommen, deine wunderbar klare tönende
Stimme,

wie Seelenglocken so hinaustönend in die dumpfe stumpfe Welt!

Und diese Stimme wird alles viel deutlicher, viel tiefer, viel
erhabener, viel verzweifelter einst sprechen, was das Leben des Tages
und der Stunde uns zu sagen zwingt!

Wie wird diese Stimme einst sagen: »Bleibe bei mir!?«

Wie wird sie es sagen: »Du liebst mich nicht mehr!?« Und: »Adieu,
adieu — — —.«!?

Diese Stimme ist so klar und rein wie Gottes Träume über das Leben der
Menschen!

Aber das Leben der Menschen selbst ist unklar und schmutzig-trübe! Diese
Stimme wird hineintönen wie eine Seelenglocke, ernst, erhaben,
liebevoll, feierlich, rührend, in das dumpfe Gebrause der Menschheit,
sie wird verklingen, übertönt werden und ausgelöscht — — —. Sie wird
ihren tönenden Glockenklang verlieren und dumpf werden wie die Umwelt
— — —.

Aber ein alter Dichter auf dem Sterbebett hat sie noch vernommen und
nimmt den Klang mit aus einer dumpfen stumpfen Welt, tief gerührt und
ergriffen — — —.

Stimme der elfjährigen Hilde, klare tönende Seelenglocke, läute, töne,
solange, solange es irgendwie geht — — —.

Und wenn sie dumpf wird im Brausen des Lebensgetriebes, dann gedenke,
Hilde, des unglückseligen Dichters, der noch die Seelenglocke deines
edlen elfjährigen Herzens im Ohre mit hinübernahm — —.



                             KRANKENBESUCH


Die Freunde wollten dem todkranken Dichter eine nach ihrer Ansicht ganz
exzeptionelle vollkommene Schönheit, eine Künstlerin aus München,
vorführen. Sie nahmen daher ein Auto und fuhren hinaus zu ihm in das
Sanatorium.

Die Dame war ganz einfach angekleidet, ganz in Schwarz. Sie hatte
ungefähr die Gestalt der Kaiserin Elisabeth, ein bleiches Gesicht,
aschblonde, fast hellgraue Haare.

Die freiwillige Pflegerin des Dichters begrüßte vor der Zimmertür die
Ankommenden und warf einen flüchtigen, merkwürdigen Blick auf das
unbeschreiblich schöne Perlenkollier an dem nackten Hals der fremden
jungen Dame.

Darauf sagte einer der Freunde des Dichters: »Sie, Fräulein, der Dichter
befindet sich immer in schweren ökonomischen Krisen. Wenn er dies
herrliche Kollier an Ihnen sieht, wird es ihn bei seinen sowieso
zerrütteten Nerven aufregen, daß es Künstler gibt, die anders bezahlt
werden als er.«

»Oh,« sagte sie, »glauben Sie wirklich, daß ihn das aufregen wird? Dann
will ich es ablegen.« Sie nestelte an der Goldschließe, nahm das Kollier
in die hohle rechte Hand — — —.

»Sie sind eine liebe, feine Person!« sagte einer der Freunde. »So etwas
Takt- und Geschmackvolles, diesen halb irrsinnigen Dichter so zu
schonen! Ich muß wirklich sagen, ich könnte Ihnen die Hand dafür
küssen.«

Die Dame trat als erste ruhig in das Krankenzimmer an das Bett des
Dichters, nannte ihren Namen, gab ihm ihre wunderschöne rechte Hand und
ließ ihm das darin befindliche Perlenkollier in der seinen.

Beim Abschied sagten die Freunde: »Jetzt ist keine Gefahr mehr. Jetzt
können Sie Ihr herrliches Perlenkollier schon wieder anlegen.«

»Ich will es lieber in der Tasche behalten«, erwiderte ruhig die
Dame — — —.



                                 NOTIZ


Die Polizei hat die Vorführung einer Reihe von Filmen in den
Kinematographentheatern, diesen modernsten, theoretisch wenigstens
_einzig möglichen_ Bildungsstätten für das Volk, verboten, weil sie
Tiermißhandlungen (Ausreißen der Straußenfedern auf Farmen, Stopfen,
Mästen der Gänse in Pistyan usw. usw.) _selbstverständlich_ in derselben
schamlos krassen Art zur Darstellung gebracht haben, in der sie aber
_tatsächlich_ ausgeübt werden. Die _Entrüstungsrufe_ des Publikums
sollen zu dieser polizeilichen Verordnung den Anstoß gegeben haben. Die
Menschen sollen es also _nicht_ erfahren, welche _Schändlichkeiten_ aus
Erwerbszwecken begangen werden. Das erinnert allzu sehr an die alte
Anekdote, in der ein Millionär seinen Kammerdienern befahl: »Werft’s mir
diesen alten unglücklichen Hausierer hinaus, er zerbrecht mir das Herz!«

Nur ein _unerbittlicher Einblick_ in das Unglück, das so viele Wesen
schuldlos trifft, kann die stumpfen, trägen Herzen der Menschen
_aufrütteln_, zu Verbesserungen und wahrhaftiger Menschlichkeit! Ich
füge ein Erlebnis hinzu, das zwar nicht daher paßt, aber immerhin einen
Einblick gewährt in die in Vertiertheiten schlummernde Seele der
heutigen Menschen. Einer meiner Bekannten, ein fanatisches Mitglied des
Tierschutzvereines, stellte einmal einen brutalen Kutscher zur Rede, und
als dies nur nachteilige Folgen für die armen Pferde hatte, machte er
die Anzeige gegen den Kutscher. Vor der Verhandlung sagte der edle
Rechtsanwalt Dr. Kr. meines Bekannten zu ihm: »Sagen Sie nicht allzu
schroff ungünstig gegen den Kutscher aus, und verlangen Sie besonders
nicht seine Bestrafung, weil er drohend gegen Sie den Peitschenstiel
erhob. Es geht nur _an den armen Pferden aus_! ›Wart’s, Ludern, dös
sollt’s mir büßen‹ — — —!«

In Deutschland ist das _künstliche_ Stopfen, Mästen von Geflügel
strengstens _bei hoher Strafe_ verboten. »Friß, so lang’ du fressen
kannst und magst!« ist ein humaneres Prinzip als: »Friß, ob du magst
oder nicht — — —!«

Ein bisserl Anständigkeit, meine Herrschaften, man verlangt ja eh nicht
viel! Die Gansleber wird auch schmackhaft nach sechs Monaten, laßt’s
doch dem armen Vieh Zeit, seine Leber dem niederträchtigen,
wollüstig-feigen Gaumen der Menschen zuliebe maßlos zu vergrößern! Man
muß ja nicht mit den verbrecherischen Fingern und Federkielen
nachhelfen; Tiere wie Menschen _fressen sich ja eh zu Tode_, wenn man
sie nur laßt!



                           RÜCKKEHR VOM LANDE


Nun ist es wieder Herbst geworden, und die Graben-Kioske füllen sich zur
Abendzeit mit wohlgepflegten und gebräunten Damen.

Man hat sich so viel zu erzählen, und man schweigt!

Man ist wieder in diesem Gefängnis »Großstadt«.

Man träumt von Licht und Luft und Wasser.

Man war ein anderer, besser, menschlicher, mit einem Wort »beweglicher«.

Nun geht man seinen Trab wie eh und je.

Man fühlt sich altern, schwerfällig werden, klammert sich an dieses
unglückselige Wort: Verpflichtungen!

Die Wohnung will nicht in Ordnung kommen, und die Dienstboten kündigen.

»Die gnädige Frau war am Lande viel netter zu uns — — —.«

Ja, das war sie.

Die Kellner in den Kiosken begrüßen alle Gäste wie Weltreisende, die
vielfache Gefahren überstanden haben — — —.

Nun nehmen sie Soda-Himbeer im sichern Port!

Die Deklassierten, die nicht fort waren, mischen sich in die Menge der
Zurückgekehrten, als ob nichts vorgefallen wäre — — —.

Ja, sie haben sogar die naive Frechheit, zu behaupten, Wien wäre am
angenehmsten, wenn alles »auf den Ländern« weile — — —.

Damen, mit den veredelten gebräunten Antlitzen, lasset euch nicht
betrügen von dem Prunk der Großstadt! Erschauet in den Spiegeln eurer
Gemächer einen Zug auf eurem Antlitz, den Licht und Luft und Wasser und
Freiheit modelliert haben, und der nicht da war ehedem, und der
verschwinden wird im Wintertrubel!

Komödie hier, Komödie dort vielleicht — — —.

Doch unter freiem Himmel ist das Theater schöner!



                              NICHTS NEUES


So viele Menschen, man könnte sie _Strindberg-Organisationen_ nennen,
nach ihrer Art, physiologisch-psychologisch zu reagieren, erwarten immer
und immer von der geliebten Frau _etwas ganz Besonderes_, als ob sie die
Verpflichtung hätte, plötzlich die Seele eines indischen Theosophen zu
bekommen, der Gott um Milliarden Kilometer näher steht als alle anderen
_nur sogenannten_ Menschen!

Da erinnere ich mich immer und immer wieder dieses Franz Schubert,
Liederdichters, zu dem seine vierzehnjährige Schülerin Komtesse
Esterhazy einmal bei der Klavierlektion gesagt hat: »Das ist aber gar
nicht schön, Herr Schubert, daß Sie mir nie eines Ihrer Lieder
widmen — — —!«

Da erwiderte der gottbegnadete Mann: »Aber sie sind ja eh alle nur für
Sie geschrieben — — —.«

Ja, ist das nicht das Höchste, einem Franz Schubert mitgeholfen zu haben
zu seinen Liedern, wie Sonne, Tau und Regen mithelfen zum Wachsen von
Pflanzen!?

Was braucht sie also an und für sich zu sein, diese Vierzehnjährige,
unter dem öden Mikroskop herzloser verständnisarmer Menschen?!? Sie
verhalf ihm zu seinen Liedern, und ohne sie wären sie nicht
entstanden — — —!

Ich formulierte das später in die Verse:

»Oh Fraue, nicht was du _bist_, _bist_ du!

_Das_ bist du, was _wir_ von dir träumen!

_Unsere_ durchweinten Nächte um _deinet_willen, _das_ bist du!

_Gelassen_ nimmst du unsere Huldigung und unseren Schmerz entgegen — — —

Denn nimmer weißt du, wie es kam, weshalb, woher, wozu, zu welchem
Ende!?!«



                                DAS DORF


Ich hatte eine unglückliche Liebe zu einer Dreizehnjährigen, deren Blick
allein aus den hechtgrauen Augen mit den schwarzen Wimpern, allen
Blicken gleichkam der Heiligen in den Kirchen. Sie hatte keine rechte
Freude am Leben, als ob sie die Wirrnisse des irdischen Jammertales
vorausahnte, die eigentlich allen so schwermütig Blickenden in Aussicht
stehen. — Ich machte ihre Tragödien mit, die noch nicht vorhanden waren,
und vor dem Leben beschützen konnte ich sie dennoch nicht. Sie war die
Tochter eines Schuhmachers in dem kleinen, armseligen, felderumrankten
Orte J.. Er hatte 11 Kinder. Die, die schon verdienten, verdienten. Aber
die Kleinen mußten von meiner Dreizehnjährigen betreut werden. Wie
liebevoll wurden sie betreut! Darüber kann man gar nichts schreiben. Sie
mußte die 15 Enten hüten, die Schweine füttern, und die kleinen Kinder
brauchten dies und jenes. Ich liebte Anna, aber selten kam sie in meine
Nähe, und auch dann glitt mein Blick von freundschaftlichster
Zärtlichkeit an ihren Augen ab, wie Öl über Wasser.

Eines Abends saß ich allein auf der Bank, in der alten verstaubten
Lindenallee und wartete auf Anna vergebens. Da kam ihre siebenjährige
Schwester Josefa, die für mich immer und immer einen Blick von tiefer
Menschenfreundlichkeit hatte, aus ihren zwei verschieden blickenden
Nachtfalteraugen, so reell-gutmütig, so leichtverständlich, so wie das
a-b-c des Menschenherzens — — —. Sie hatte mich lieb!

Ich führte sie in die nahegelegene Meierei, ließ ihr Schlagsahne geben
und Biskuits. Immer lächelte sie mich an, wie von edler
Liebenswürdigkeit getrieben. Da küßte ich sie auf Stirne, Haare, Augen.
Sie rührte sich nicht, empfand es als Pflicht der Dankbarkeit, sich
küssen zu lassen — — —.

Da vergaß ich meiner Leiden um Anna, die mein gequältes Herz stets ruhig
aus ihren geliebten hechtgrauen schwarzbewimperten Augen betrachtet
hatte. Da sagte Josefa: »Schenkens mir noch zwei Biskuits, ich trag’ sie
nach Haus für die Annerl. Sie darf net kommen mit Ihnen, weil sie schon
zu groß ist. Was kann sie dafür, daß sie schon zu groß ist?!?« Da gab
ich ihr 20 Biskuits mit für ihre Schwester, die wirklich nichts dafür
konnte, daß sie dem Blicke eines unermeßlich liebevollen Menschenherzens
mit mißtrauischer Gleichgültigkeit bereits begegnen mußte, wie im
vorhinein gepanzert gegen die hinterlistige Männerwelt — — —!



                      GERICHTSVERHANDLUNG IN WIEN


Fräulein Str., eine arme Klavierlehrerin, kannte alle Schandtaten ihres
Herrn Bruders. Aber sie schickte Geld und Geld, wenn er darum schrieb.
Und Geld und wieder Geld. Immer galt es ihr, ein wertvolles Leben noch
zu retten, das aber wertlos war. Und übrigens, wer könnte das
entscheiden?!

Der Richter sagte: »Ihr Vorgehen, Fräulein, ist strafbar, aber es macht
Ihrem Herzen alle Ehre — —.«

Das Fräulein erwiderte: »Für irgend etwas muß man sich doch abplagen.
Nur seinen armseligen Hunger stillen?!? Wenn er nicht wär’, no, so wärs
halt was anders, die Kirche oder eine Leidenschaft — — —. Für irgend
etwas muß man sich doch abplagen.«

Man verurteilte sie wegen Vorschubleistung.

Als die Blicke der beiden verurteilten Geschwister sich begegneten,
begannen einige Menschen im Auditorium zu weinen — — —.



                     SEMMERING, ENDE SEPTEMBER 1911


Immer noch dieses Nachtgebrause im Göstritzwalde, immer noch um 7
morgens diese silbergrauen Nebelschleier. Aber meine Seele ist krank,
weil Du nicht da bist, Anna Konrad! Du gehst, unausgeschlafen, müde, in
die Schule, lernst mechanisch, daß Hannibal den Giftbecher trinken mußte
aus irgendeinem Dir unverständlichen Grunde. Du kannst nicht mehr abends
beim Abschiede zu mir sprechen: »Also schicken Sie mir bestimmt heute
noch ›halb und halb‹; das hieß: Für 20 Heller Extrawurst, und für 20
Heller Zuckerln als Dessert!« Ich kam mir da jedesmal vor wie Kaiser
Josef in den Volksstücken, der Leute beglückte, indem er einfach sagte:
»Was braucht Ihr zu Eurem Glücke?! 10000 Gulden? Da habt Ihr sie!« Nun
bist Du ferne, Anna Konrad! Immer noch dieses herrliche Nachtgebrause im
Göstritzwalde, immer noch um 7 morgens die dichten silbergrauen
Nebelschleier um Berg und Wald — — —.

Anna, Anna, Anna Konrad, ich liebe Dich!

                                                        Peter Altenberg.



                      PETER ALTENBERG ALS SAMMLER


Die »Internationale Sammlerzeitung« veröffentlicht in ihrer eben
erschienenen Nr. 13 eine interessante Rundfrage über den Wert des
Sammelns. Die Zeitschrift bringt unter anderem Beiträge vom
Unterrichtsminister Grafen Stürgkh, Alfred Lichtwark, Alma Tadema,
Harden, Paul Heyse, Max Kalbeck, Eduard Pötzl, Felix Salten, Balduin
Groller, Ginzkey. Peter _Altenberg_ gab auf die Frage nach seiner
Sammelliebhaberei die folgende interessante Antwort: »Es ist ganz
merkwürdig, daß Sie sich gerade an mich wenden in dieser Angelegenheit.
Denn Sie können es absolut nicht wissen, daß ich, ein ganz Armer, seit
vielen Jahren ein einfach fanatischer Sammler bin, und mir, gleich den
Milliardären, eine heißgeliebte, gehegte und mit vielen Opfern zustande
gebrachte herrlichste Bildergalerie verschafft habe: 1500
Ansichtskarten, 20 Heller das Stück, in zwei herrlichen japanischen
Kästchen mit je sechs Fächern. Es sind ausschließlich _photographische_
Aufnahmen von Landschaften, Frauen, Kindern, Tieren. Ich fand vor
einigen Wochen, daß der wirklich Ausgebildete des Lebens sich seiner
Schätze _entäußern_ müsse, um das _tiefste einzige_ Glück des »Gebens«,
des »Spendens« auch noch bei seinen Lebzeiten _miterleben_ zu können an
seinen »Beschenkten«. Daher sandte ich beide japanische Kästchen mit den
seit 1897 gesammelten 1500 Ansichtskarten nach Hamburg an die junge
Dame, die allein von allen Frauen dieses Geschenk zu werten weiß.
Seitdem sammle ich desto eifriger, desto leidenschaftlicher, um nun die
Sammlung meiner Freundin zu komplettieren. — — Hier also sind gleich
zwei heilsamste Ablenkungen von dem gefährlichen Bleigewicht des eigenen
Ich: erstens das Glück des Sammelns selbst, zweitens das Glück, es _für
einen anderen_, ebenso Verständnisvollen tun zu können! »Sammeln« heißt,
sich auf etwas außerhalb der eigenen Persönlichkeit Liegendes
konzentrieren können, das aber nicht so gefahrvoll und undankbar ist wie
eine geliebte Frau — — —.«



                            YVETTE GUILBERT


Sie ist das Wunder des Chansons, das, an und für sich nichtig, farblos,
leblos, durch sie eine Fülle von Tragik, grotesken Dingen, Lieblichkeit,
Koketterie erhält. Ihre Augen bereits drücken alles aus, was es an
seelischen Dingen überhaupt gibt, aber auch ihre Arme und Hände sprechen
überaus eindringlich. Ihre Wirkungen grenzen an das Wunder. Und diese
nur andeutende Art, diese wechselnden Nuancen, der clin d’œuil, der
alles sagt, was zu sagen ist. Sie allein von allen hat die Macht, ein
Lied auszuschöpfen, ja, es erst in seiner Fülle zu dichten! Ganze
Schicksale bringt sie in einen sinnlosen Refrain, und man staunt über
das Außerordentliche, das sich da ereignet. Aus einem Nichts ein Alles
machen, darin könnten alle von ihr lernen, wenn es erlernbar wäre. Le
minimum d’effort et le maximum d’effet ist auch ihre Devise. Den
Höhepunkt ihrer Chansons bildet unbedingt »Les cloches de Nantes«. Wie
ein düsteres Schicksal erdröhnen von allen Seiten die großen Glocken in
den alten Kirchentürmen. Da gibt sie sich ganz aus, bricht los, bewirkt
Enthusiasmus! Die Guilbert gehört zu den wenigen Erscheinungen, die
einen als etwas nie wieder in die Welt Kommendes ergreifen. Man darf es
nie versäumen, sie wieder und wieder zu sehen, zu studieren, so oft sich
die Gelegenheit bietet. Für mich gehören zu solchen Erscheinungen
Mitterwurzer, Girardi, Hermann Winkelmann. Es sind Menschen, die nicht
ersetzt werden! Ihre Macht ist nicht zu definieren, da sie irgend etwas
Rätselhaftes hat. Man befürchtet stets, daß sie einmal sterben werden,
und geschieht es, ist man untröstlich, hat ein persönliches Leid
erfahren. Man möchte in Trauer gehen um sie. So eine Organisation ist
auch Yvette Guilbert. Diseusen, ach, lernet doch von ihr das leider
Unerlernbare!



                             KRANKENPFLEGE


Eine Frau, die, während ihr Geliebter im Sterben liegt, sich ebenso
pflegt, wäscht, mit hundert Salben salbt, wie eh’ und je, und keinerlei
Bedenken hat, sich ebenso zu pflegen und zu hegen, wie sie es gewohnt
war, hat ihn nie, nie wirklich lieb gehabt! Sie müßte plötzlich alles
aufgeben, sich schmutzig werden lassen, sich verkommen lassen, auf ihre
adelige Körperpflege vollkommen verzichten können, sich Hände und
Gesicht nicht mehr waschen wollen, ja sogar die schönen Haare nicht mehr
pflegen, sich in einen Abgrund stürzen lassen, wo das reale Leben
zerschellt und aufhört — — —.

Es müßte alle ihre weibliche Eitelkeit plötzlich ersterben, nicht mehr
sein — — —. Sie müßte zu einem Aschenbrödel werden, ganz in sich
zurückgezogen und unbeachtet, nur in der edlen Pflege aufgehend und
unscheinbar werdend vor Aufmerksamkeiten! Sie müßte unwillkürlich aus
einer Dame zu einer »Pflegerin« werden, sich degradieren, um sich zu
erhöhen!

Ihre Fingernägel müßten ihre Edelpolitur verlieren, ihre Strümpfe müßten
Löcher bekommen und Knöpfe müßten ihr an der Bluse fehlen. Ihre werdende
Ungepflegtheit müßte ihre Ehre sein! Ihre Freundinnen müßten zu ihr
sprechen: »Du siehst gealtert aus, meine Liebe, schließlich muß man doch
auch ein bißchen auf sich schauen, solange man jung und hübsch
ist — — —.«

»Dazu habe ich jetzt, Gott sei Dank, keine Zeit mehr übrig — — —.«

»Gott sei Dank?!« sagten die Freundinnen und kicherten: »Sie muß immer
apart sein — — —.«



                          HERBST AM SEMMERING


Müde schleichen die Stunden dahin. Noch einmal ist es mir Zähestem
vergönnt, die herbstliche Pracht meines Kindheitsparadieses (damals gab
es nur Gasthof »Nedwall«) zu erschauen! Brennesselgebüsche und
dunkelbraune vertrocknete Sträucher. Ein kleines Mäderl in Lederhöschen,
mit dicken, rostbraunen Zöpfen, in die grellrote Seidenbänder
eingeflochten sind, repräsentiert mir die »Schönheit der ganzen Welt«.
Die Eltern nennen sie, tief entzückt, schlimm und übermütig. Wie wenn
die Saharet, Ruth St. Denis, Grete Wiesenthal, schlimm und übermütig
sein könnten! Der Schneeberg trieft von zerrinnendem Schnee, und das
Elisabethkirchlein ragt in graue Wolken. Ein Direktor reitet, kranke
Frauen fahren langsam durch den Fichtenwald. Lila Enzian, kurzstengelig,
und Löwenzahn. Aber meine »heilige Stunde« ist von 3 bis 4. Da spielt
nach dem Essen die Amerikanerin mit ihrem großen schlanken Freunde im
Café Karambol. Er belehrt sie natürlich väterlich, die doch _alles_
bereits mitbekommen hat vom Schicksal, Anmut und Beweglichkeit und
Gazellenglieder und Feenhände. Jede ihrer Bewegungen ist vollkommen. Das
ist meine »heilige Stunde«, da ich menschliche Vollkommenheit erblicke.
Da vergesse ich, daß Gottes Träume sich noch nicht realisiert haben — —.



                              HERBSTANFANG


Freitag nachts, Marien-Feiertag, 8. September. Eine verzweifelte
Stimmung ist in mir, ich fühle es, ich spüre es, _alles geht zu Ende_.
Die dunklen Herbstabende kommen, Deine Schule, A. K., fängt an, und
böse, heimtückische, neidische, lieblose Menschen _zerstören_ mir mein
Paradies, das ich in meiner alten, kranken, dem _Untergange geweihten_
Dichterseele für Dich, einzig und fast irrsinnig _geliebtes Geschöpf_,
errichtet habe unter Tränen. _Du_, _Du_ allein bist auf dieser traurigen
Erde in meinem gefolterten Herzen, und Du weißt nichts davon, kannst,
wirst davon, willst davon nichts wissen — — —. Nie wirst Du meine
Anhänglichkeit ahnen. Dein _Blick_, Deine _Stimme_, _alles_, _alles_ an
Dir ist der Balsam meines todeswunden, todesmüden Herzens. Ich habe Dich
lieb, lieb, wie niemand Dich je lieb haben wird — — —. Und nun spüre ich
das Ende heranschleichen, sonst könnte ich nicht so traurig, so
lebensmüde sein, und beim Erwachen am Morgen so bitter weinen und
weinen, obzwar mir eigentlich nichts Böses geschehen ist — — —. Ich
verlange nichts von Deiner kindlichen dreizehnjährigen Seele, Anna K.,
als daß Du es mir glaubst in Deinem tiefsten Herzen, daß schon im
_Anfang_ Deines ins _ungewisse gefahrvolle_ Leben hinein aufblühenden
Lebens, ein Mann _in unbeschreiblicher Zärtlichkeit_ an Deiner
geliebten, merkwürdigen, kindlichen und dennoch bereits tief
melancholischen Persönlichkeit, mit _ergebenster liebevollster_ Seele
gehangen ist, und viel, viel um Dich getrauert hat, weil die anderen
Menschen alles _mißverstehen_ und _böswillig_, _heimtückisch deuten_!

Ich wollte Dir mit der kleinen Uhr eine besondere Freude bereiten, Dir
meine _vollkommen selbstlose Anhänglichkeit_ zu verstehen geben, aber
auch das haben die hartherzigen, mißtrauischen Menschen nicht _Dir_,
nicht _mir_ gegönnt!

Bleibe mir _gütig gesinnt_, Anna, lasse Dich _von niemandem_ auf falsche
Gedanken bringen! Ein Atemzug Deines Mundes, ein Blick Deiner Augen, ein
Schritt Deines müden kranken Fußes bedeuten mir _die Schönheit_, _die
Traurigkeiten der ganzen Welt_!

                                                   Dein Peter Altenberg.


»Annerl, hast du den Brief heute Samstag erhalten, den ich noch gestern
Freitag nachts an dich geschrieben habe?!? Und hast du ihn verstanden?!«

»Selbstverständlich. Was soll ich daran nicht verstehen?! Ich kenn’
Ihnen doch auswendig und inwendig — — —.«

Pause.

»Sie, nächste Woche fangen die Schulen an. Da brauch’ ich
schöne Schulrequisiten. Also zwei solche schöne dicke
Tonking-Bambus-Federstiele, wie Sie sie immer benützen, dann 20 von
Ihnere Stahlfedern, Kuhn 201, aber wirklich 20, oder wissen S’ was, 25,
daß es eine gerade Zahl gibt. Und dann ein schönes Zeichenheft. Und dann
einen Radiergummi. Und dann, no, Sie werden doch wissen, was ich sonst
noch in der Schule brauche. Ja, richtig, einen Bleistiftspitzer, wie Sie
einen haben, in einem kleinen Schachterl. Gott, die Schul’, na
wenigstens is ma in der Schul’. Was haben S’ denn, Sie, Herr Peter?!?«

»Nichts — — —«, erwiderte ich.



                            EINE BEGEBENHEIT


Ich lernte eine junge, sehr, sehr empfindsame Frau kennen, die Martyrien
durchmachte wegen der Ruhe und Gleichgültigkeit ihres entzückenden
Gatten. Sie sah Gespenster von fünfzehnjährigen, sechzehnjährigen
Mädchen, lebte in unglückseliger innerer Hast dahin, verzehrte sich
selbst. In dieser schweren Krankheit ihrer süßen kindlichen Seele
entwickelte sich in ihr der Plan, für dieses endlose Martyrium Strafe,
eventuell Erlösung zu haben. Sie begann daher, einem netten gutmütigen
Manne Avancen zu machen. Der Gatte rührte sich nicht. Das machte sie
noch kranker. Sie trieb sich kopfüber hinein. Der Gatte rührte sich
nicht. Als ich diese gefährliche Situation überblickte, las ich eines
Abends nach dem Nachtmahle den beiden mein Gedicht »Das Bangen« vor.

Das Gedicht lautet:


                              _Das Bangen_

    Mir bangt um dich, Anna — — —.
    Weshalb mir bang ist, weiß ich nicht,
    Ich weiß nur, daß mir bang ist.
    Mir ist bang!
    Wie einer Mutter bang ist ohne Grund,
    Noch sind sie alle munter und gesund — — —!
    Und wie dem Schiffer bang ist, bange, bange,
    Während die anderen noch lange
    Den wolkenlosen Himmel blöd betrachten,
    Und den Warner ob seiner Weisheit nur verachten.
    Mir bangt, wie einem bangt,
    Der Kinder auf dem Meer-Sand-Hügel spielen sieht,
    Und weiß, daß nun die Flut vom Land sie abtrennt — flieht!
    Mir bangt, wie einem bangt,
    Der weiß, er wird gehenkt um sieben Uhr früh.
    So, so bangt mir um dich — — —
    Du bist _mein Leben_, es bangt mir um mich
    Du aber, du gehst deinen Weg von mir,
    Nicht bangt vor meinem bangen Bangen dir
    Dem neuen Schicksal treibst du jach entgegen — — —
    Und perlt mein Todesschweiß auf deinen Pfad hernieder,
    Nimmst du’s als Tau auf neuen Morgenwegen!

Ich las es langsam und eindringlich vor.

Pause.

Der Mann erhob sich, trat langsam auf mich zu, nahm meine Hand in seine
beiden Hände, sah mich lange, lange, lange an — — —. Die Frau starrte
hin, starrte hin, schrie auf: »Er liebt mich, er leidet, oh, er liebt
mich! Ich Unglückliche — —!« und fiel hin.

Ich hatte das Gedicht um vierundzwanzig Stunden zu spät vorgelesen.


              _In das Gedenkbüchlein einer Amerikanerin:_

»It’s inside in the human nature, to hate all those, who are better
speaking, better dancing, better thinking, better feeling as we self!«


                      _Wintersport am Semmering:_

»Schneeglöckchen, immer sangen die Dichter von dir, du läutest den
Frühling ein — — —.

Für mich _begräbst_ du den herrlichen Winter!«



                             BESCHÄFTIGUNG


Ich erfinde nichts, daher bin ich kein Schriftsteller und kein Dichter.
Das Leben trägt mir alles zu, ich habe nichts dabei zu verrichten, als
das Zugetragene _nicht_ zu verfälschen oder den anderen absichtlich
plausibler machen zu wollen, denn man hilft ihnen ja doch nicht dadurch.

Ich kannte vor vielen Jahren die Frau eines Literaturprofessors an der
Universität W. Eines Tages sagte sie zu ihm: »Ich liebe diesen jungen
Schauspieler, den wir vor vier Tagen (so lange brauchen nämlich die
Reizungen des Nervus sympaticus, um dringend zu werden in der Seele)
gemeinsam im Theater genossen haben — —«

»Lade ihn aber vorerst zu uns zu einem Souper ein, damit man sehen
könne, ob er dieselbe Wirkung auf dich ausübt außerhalb seines
Idealterrains — —«

Nach dem Souper sagte sie zu ihrem Gatten:

»Es ist nichts mit diesem Manne. Oh, du, du, du einziger — — —.«

Als ihr Mann in jungen Jahren gestorben war, sprach sie einst einen
fremden Herrn vormittags, Ecke Kärntnerstraße und Graben an: »Ich
ersuche um Ihren Namen und Ihre Adresse — — —.«

Seitdem arbeitete sie tagelang an Dingen der sogenannten Nadelmalerei,
wobei man mit verschiedenfarbiger Seide die zarten Nuancen von
Gegenständen nachzuahmen versucht. Alle diese Dinge schickte sie dem
fremden Manne und war glücklich dabei und vor allem friedvoll, seelisch
beschäftigt. Später unterrichtete sie Dorfkinder umsonst im
Französischen, ihrer Muttersprache. Und dann hörte ich nichts mehr über
sie 35 Jahre lang. Aber stets gedenke ich ihrer, besonders wenn ich an
die modernen Tennisspielerinnen denke! Die suchen sich auch »die Zeit zu
vertreiben«!?!



                        BESUCH IM EINSAMEN PARK


Wie wenn die müde Seele noch einmal auf längst gesprungenen Saiten ihre
begeisterten Klagen singen dürfte, so ist es, wenn du zu mir kommst,
Helene N.!

Der Alltag weicht da wie ein böser Zauber, der uns gefangen hielt, in
einem Leben, das nicht die Stunde wert ist, die es bringt! Man lebte dem
Tode entgegen!

Das alte Zauberreich von melancholischen Zärtlichkeiten erblüht durch
dich, und der fade Park wird zum mysteriösen Urwald, wenn dein geliebter
Schritt die alten öden Wege wandelt — — —.

Dein Sprechen wird wieder zu Musik, der Hauch des Atems wird wieder zum
Wehen von Frühlings-Gebirgsalmen mit Kohlröschen und Seidelbast und
Knieholz.

Dein Sitzen beglückt und dein Stehen und dein Wandeln — — —.

Alles, was _dich_ unglücklich macht, wird zugleich _mein_ Unglück, und
deine Klage trifft ein exaltiertes Bruderherz; indem ich leide und dir
die Last abnehme unverstandenen Kummers, _jauchzt_ meine Seele, daß sie
_mit dir leiden darf_!

Ich möchte dich ins Zauberreich entführen,

wo du mein Kindchen wirst, gewiegt, getragen, beschützt, in
überzärtlichen Armen, an einem für dich bebenden Herzen — — —,

weg von den Ungetümen »Menschen«, die dich mit ihrem feigen
Unverständnis morden!

Bist du denn ein Distelstrauch am Wege, ein Unkraut oder
Brennesselgebüsch?! Bist du dem Tritt des schweren frechen Fußes
ausgesetzt?!

Bist du nicht eine zarte Blüte Gottes, die behütet werden muß vor jedem
rohen Hauche?!

Bist du nicht die, die unser totes Herz zum Leben wieder zaubert?!?

und deren zarte, edle Gliederpracht aus unseren glitzernden, stieren
Fischaugen ein gerührtes Künstlerauge wiederzaubert?!?

In welche Welt bin ich geraten, pfui!?! Wo alles sich in schnöder
Ordnung abhaspelt!? Du bist die _andere_! Anders wie die andern! Wie
Ambrosia anders war als Rumpsteak mit Salat! Göttliche Kräfte bringst
du, ohne es zu wissen! Und pflichtlos sinken wir zu deinen Füßen hin!
Nur eine Pflicht erkennend, vor dir hinzuknien!

Das zugeschnittene Maß, das alle _fördert_, ist uns _verächtlich_ und
_vergiftet_ uns! Der _ekle Friede_ sorgenlosen Daseins macht unsere
Kräfte _stocken_ und _vertrocknen_. Wir müssen brennen, glühen und
vergehen!

Und unsere innere Träne, wenn du beim Scheiden uns ruhig die Hand
reichst,

macht uns erst wieder leben, leiden und verzweifeln, und auf eine Stunde
hoffen, da du, Gebenedeite, wiederkehrst! Für diese Stunde leben wir in
Not!

_Die da sind, morden uns_;

doch die da kommen, um _von uns zu scheiden_, bringen uns das Glück des
_abgrundtiefen Seelenschmerzes wieder_!

Wir wollen rauschen, brausen und zerschäumen!

Des Lebens eingedämmte Ordnung ist unser heimtückischer Feind, für
dumpfes Erdenleben ganz geeignet, das uns, unter der feigen Maske der
Rettung, nur lahmlegt und vernichtet und vorzeitigem Tod entgegentreibt.

Helene N., komme, auf daß ich hundert Stunden lang in Fieberzehrung dich
erwarten könne — — —. In Fieber mich _verzehren_, ist mein _Leben_!

Und scheide von mir, auf daß ich tausend Stunden dir _nachtrauern_
könne — — —.

Mein Geist lebt nicht vom _Sein_, das lahm macht und gebrechlich — — —;

mein Geist lebt nur vom Hoffen und Verzweifeln!

Du kamst, Helene N., und alles ward belebt und blühte auf — — — —.

Du gingst, und Trauerflore hingen über der dunklen ausgestorbenen
Welt — — —.

Die Welt der Pflichten ist vielleicht gesünder und fordert manches
Wertvolle in kleinerem Kreise — —.

Wir aber wollen lieber an unseren inneren Symphonien elend scheitern;
des Alltags Werkelton mordet uns ebenso, nur langsamer und
qualvoller — — —. Wie stumpfe Messer gegen scharfe Klingen!

Der Folter wollen wir entgeh’n des leeren Lebens, das unseren Organen
ihre Kraft entzieht;

und in der Schlacht trifft rücksichtsvoller uns der Tod, und herrlich
plötzlicher,

als _vorbereitet_ zu jeder Stunde eines Lebens, das weniger als nichts
für uns bedeutet!

Helene N., komm’ wieder in den Park,

wo Irre ihre irren Träume träumen — — —.

_Du_ wirst hier doch vielleicht _mehr_ Menschlichkeiten finden,

als in der Welt, die sich _frech fälschlich_ für die _normale_ hält!!!



                                  TANZ


Elsa Wiesenthal, schlichte, rätselhafte Naturkraft, wie Rittner,
Mitterwurzer, Girardi, bringst du uns nun wieder den Geist, der
geheimnisvoll, diskret verborgen in den Dingen lebt?! Bringst du uns
wieder Hoheit, Ruhe und Würde in deinem adeligen Tanzen?! Oder hast du
dich vom »Geist« verführen lassen wie alle, die der geistvollen,
geistleeren Herde sich verständlich machen wollen?!? Gib uns nicht mehr,
als was _du_ kannst und _deine_ Kunst! Sei eine schweigende Fürstin des
Lebens, die lieber unverstanden dahingleitet, als scheinbar verständlich
Leidenschaft markiert! Sei du mit deiner süßen merkwürdigen Schwester
Berta, wie einst ein edles Beispiel, wie man aus einem Nichts ein Alles
macht!



                            PETER ALTENBERG

                       Von Hans Franck (Hamburg)


Es gibt viele, die seiner lachen.

Und wir, denen er mit wenigen inhaltsschweren Worten die Märchen des
Lebens gedeutet, die »Bilderbogen des kleinen Lebens« koloriert, die er
die Erlebnisse des Tages anders sehen gelehrt hat, wir können ihnen
nichts dawider sagen. Müssen ihnen Recht geben, müssen zugestehen: Was
ihr in Händen habt, was ihr seht, sind Lächerlichkeiten. Es ist, wie ihr
es seht! Ihr!

Es ist, wie die Spötter sagen. Aber es ist zugleich anders. Die Kunst
Altenbergs kann, wie das vielfarbige Leben, wie die widerspruchsvolle
Natur — nach Fr. Th. Vischers Wort — an einem Ende gemein, am andern
seelisch fein, nicht mit einem so oder so umgrenzt werden, sondern nur
mit einem so und so.

Sie ist voller Lächerlichkeiten und Schönheiten, voller Gequältheiten
und Feinheiten, voller Leerheiten und Vollheiten, voller nichtssagender
Gewolltheiten und vielsprechender Gekonntheiten.

Sie ist — um wieder Vischers Wort von der Natur aufzunehmen — ein
seltsam Ding.

Für die Formung der tausendfältigen kleinen und kleinsten Gaben, die so
ein Buch Peter Altenbergs birgt, wurde der bewußte Gegensatz zu der
Kunst der vielen klingenden Worte maßgebend. Die Wortkünstler sind dem
Dichter Lügner und Charlatane. Sind ihm gewöhnliche Menschen, die ihre
Geistesblöße mit dem wallenden Wortmantel zuzudecken suchen, die ihre
Empfindungsarmut durch einen bloßen Wortreichtum auszugleichen glauben.
»Ich hasse und verachte sie — ruft Peter Altenberg in seinen Märchen des
Lebens — Wortreichtum ist Seelen- und Geistesarmut! Man verkriecht sich,
versteckt sich dahinter, wie wenn man verzweifelt wäre, daß man nichts
Wichtiges mitzuteilen hätte! Zwei und drei ist fünf kann nicht wortreich
gesagt werden! Und dennoch verläßt man sich darauf, daß es eine Herde
von Idioten gibt, die an dem »Wortklang« sich berauschen. — — Wehe, wehe
denjenigen, die die Fähigkeiten dazu hätten, und nur ihrem Geisteswahne,
ihrer Eitelkeit dienen! Auf einer Stradivariusgeige spielen sie, aber
keine einfachen Adagios, die zu Tränen rühren, sondern verblüffende
Passagen, die kalt lassen!«

                  *       *       *       *       *

Altenberg ist der Virtuose der Wortskizze. Ist es, weil er dem Reichtum
des Lebens dienen will. Einem kleinen Ausschnitt sich willenlos
hinzugeben und in unendlichem geduldigem Mühen nach höchster
vollkommener Bildwirkung sich vor dem übrigen zu verschließen, daran
hindert ihn die drängende Fülle, die ihm nicht Ruhe läßt. So springt er
von einem zum andern, immer auf der Spur des schnellfliehenden Lebens.
Zur Beschaulichkeit ist keine Zeit. Nicht zum Schwelgen. Es gilt zu
erjagen, zu erraffen, gilt, flüchtiger als das fliehende Geschehen zu
sein.

Daß diese Eigenart Altenbergs ihren Wert und Unwert in Einem hat, daß
ihre Stärke die Mutter ihrer Schwäche ist, versteht sich. Es zu
beweisen, wird man mir erlassen.

Dem _Leben_ gilt Altenbergs Kunst.

Diesem Wunder aller Wunder, mit dem wir täppisch, wie wir sind, auf Du
und Du stehen. Das wir hinnehmen mit großen, blöden, dummdreisten Augen.
Das wir zu kennen wähnen, und das doch von tausend Schleiern bedeckt
ist. Das Wunder, das uns zum kahlen Alltag wurde, wird hier wieder ein
blühendes Märchen, dem wir mit gläubigen Kinderaugen aus der Ferne
zuschauen. Wunder des Alltags. Um sie geht es. Oder wie es der schönste
unter allen Buchtiteln Altenbergs faßt, um die »Märchen des Lebens«.
Unermüdlich trachtet der Dichter, die kleinen Dinge des Alltags
besonders zu sehen, die Perlen am flachen Strand zu finden. Hundertmal
mag er wertlose Kiesel auflesen und bei den kalten Besserwissern
höhnisches Lächeln dafür ernten: plötzlich funkelt ein winziges Ding in
seinen Händen und läßt uns die Augen übergehen.

Mitten hinein in die zarten Wortskizzen drängt sich plötzlich eine
breite, schwerwiegende Untersuchung mit einer Überzahl unterstrichener
Worte. Der Dichter wandelt sich in einen Propheten. Der Mann der zarten
Worte in einen glaubensstarken Prediger, der lauthallende Straf- und
Mahnreden auf die sündige Menschheit herabschleudert. Der eben noch ein
ganz Besonderer, ein starker Einzelner, ein Außenseiter war, wird
plötzlich zum Bruder Schultze-Naumburgs, des Kunstwartmannes, des Vaters
des Reformkleides und der Reformstiefel.

Mit eindringlichen, treffsicheren Worten predigt er von seinem Ideale:
der naturgemäßen Körperkultur. Anbetend neigt er sein Haupt vor dem
großen Gotte Gesundheit. Worte fallen, die der Unnatur die
gleißnerischen Kleider vom Leibe reißen und doch nichts bessern werden.
Wann hätte diese Dame und ihr lästerliches Töchterlein Mode, je die
Scham gekannt? Sie kann noch stärkeres ertragen als Altenbergs
fanatische Predigten und seine gutgemeinten Insultierungen.

Darum ist es, schauen wir zurück auf die leidenschaftlichen Bekenntnisse
zur Göttin Gesundheit, letzten Endes nicht das Gegenständliche, der
Inhalt der Rede, der uns in den Bann der Worte zwingt, sondern die
Persönlichkeit, die ungehinderter als in den formgewordenen Dichtungen,
innerstes Sein und Meinen offenbart. Auch hier steht Altenberg im
Dienste des großen, göttlichen, uneingezwängten Lebens. Auch hier will
er jedem Pulsschlag freie Bahn schaffen. Auch hier erlösen von dem
Drucke, den Steifheit und Gutmeinen, Enge und Schwerfälligkeit dem
Wunder aller Wunder zufügten und bis in die Undenkbarkeit zufügen
werden.

So geht auch diese Besonderheit mit dem Allgemeinen zusammen. In das
Werk des Schöpfers der »Märchen des Lebens«, des Suchers im Alltag, des
eigenwilligen Sehers fügt sich das Prodromosbuch ein, das Glied einer
Kette. Der Unmittelbarkeit des unverfälschten Lebens trachtet der
Dichter so gut wie der Prediger nach. Und die sprunghafte, das
Wortemachen hassende Form eint beides auch nach außen hin.

                                      (Königsberger Hartungsche Zeitung)



                      _Werke von Peter Altenberg_


                            Wie ich es sehe
      _Fünfzehnte vermehrte Auflage._ Geh. 6 M. 50 Pf., geb. 9 M.

                        Was der Tag mir zuträgt
         _Achte vermehrte Auflage._ Geh. 6 M. 50 Pf., geb. 9 M.

                               Prodromos
       _Sechste Auflage._ Geheftet 5 Mark, gebunden 7 Mark 50 Pf.

                           Märchen des Lebens
        _Sechste vermehrte Auflage._ Geh. 5 M. 50 Pf., geb. 8 M.

                              Neues Altes
      _Vierte und fünfte Auflage._ Geh. 5 Mark, geb. 7 Mark 50 Pf.

                            »Semmering 1912«
       _Siebente vermehrte Auflage._ Geh. 6 M., geb. 8 M. 50 Pf.

                                Fechsung
       _Sechste Auflage._ Geheftet 6 Mark, gebunden 8 Mark 50 Pf.

                              Nachfechsung
       _Fünfte Auflage._ Geheftet 7 Mark, gebunden 9 Mark 50 Pf.

                               Vita ipsa
       _Zehnte Auflage._ Geheftet 6 Mark, gebunden 8 Mark 50 Pf.

                            Mein Lebensabend
       _Achte Auflage._ Geheftet 6 Mark 50 Pf., gebunden 9 Mark.

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            _Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig_



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                          Transcriber's Notes

Im Original gesperrte Schrift wird kursiv wiedergegeben.

Offensichtliche Satzfehler wurden stillschweigend korrigiert.

S. 15: »Deshalb ist man o beglückt ...« wurde korrigiert zu »Deshalb ist
man so beglückt ...«.

S. 177: Der Titel enthält das Symbol † für »verstorben«.


Type originally set in spaced text has been changed to italics.

Quotation marks have been modernized to » « and › ‹.

Obvious printer errors have been silently corrected.

On page 15, “Deshalb ist man  o beglückt ...” has been corrected to
“Deshalb ist man so beglückt ...”

On page 177 the title contains “(†)”. Its meaning is “deceased”.





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