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Title: Die Familie Selicke
Author: Holz, Arno, Schlaf, Johannes
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Die Familie Selicke" ***


                          Die Familie Selicke.



                     Arno Holz -- Johannes Schlaf.



                                  Die
                            Familie Selicke.


                        Drama in drei Aufzügen.

                            Vierte Auflage.



                              Berlin 1892.
              Verlag von Wilhelm Issleib (Gustav Schuhr).



                                Vorwort.


Am 8. April 1890, einen Tag später nachdem »Die Familie Selicke« über
die »Freie Bühne« gegangen war, schrieb Theodor Fontane in der
»Vossischen Zeitung«:

»Die gestrige Vorstellung der »Freien Bühne« brachte das dreiaktige
Drama der Herren Arno Holz und Johannes Schlaf: Die Familie Selicke.
_Diese Vorstellung wuchs insoweit über alle vorhergegangenen an
Interesse hinaus, als wir hier eigentlichstes Neuland haben. Hier
scheiden sich die Wege, hier trennt sich Alt und Neu._ Die beiden am
härtesten angefochtenen Stücke, die die »Freie Bühne« bisher brachte: G.
Hauptmann's: »Vor Sonnenaufgang« und Leo Tolstois: »Die Macht der
Finsterniss,« sind auf ihre Kunstart, Richtung und Technik hin
angesehen, keine neuen Stücke; die Stücke, bezw. ihre Verfasser, haben
nur den Muth gehabt, in diesem und jenem über die bis dahin traditionell
innegehaltene Grenzlinie hinauszugehen, sie haben eine Fehde mit
Anstands- und Zulässigkeitsanschauungen aufgenommen und haben auf diesem
Gebiete dieser kunstbezüglichen, im Publikum gang und gäben Anschauungen
zu reformiren getrachtet, aber nicht auf dem Gebiete der Kunst selbst.
Ein bischen mehr, ein bischen weniger, das war Alles; die Frage, »wie
soll ein Stück sein?« oder, »sind Stücke denkbar, die von dem bisher
Ueblichen vollkommen abweichen?«, diese Frage wurde durch die
Schnapskomödie des einen und die Knackkomödie des anderen kaum berührt.
Ich darf diese Worte wählen, weil ich durch mein Eingenommensein für
Beide vor dem Verdachte des Uebelwollens geschützt bin.«

In seinem Buche: »Die Kunst«, Berlin, Gustav Schuhr, Herbst 1890,
reproducirt der Jüngere von uns diese Stelle und fährt dann fort:

»Ich citire hier diesen Absatz, weil es uns eine Freude ist, konstatiren
zu können, dass es grade Theodor Fontane gewesen, der die jähe Kluft,
die uns von aller bisherigen Bühnenproduktion trennt, Ibsen nicht
ausgeschlossen, als _Erster_ wahrgenommen hat.

Nichts kann uns in der That mehr lächeln machen, nichts zeugt mehr von
der urkomischen Verwirrung, die wir Aermsten unter unseren verehrten
Herren Kollegen, den Schreibern der Zeitungen, nun einmal angerichtet
haben, als wenn man uns in seiner Herzensnoth, die nach Schablonen
schreit, als Nachtreter der grossen Ausländer etikettirt.

Möge man es sich daher gesagt sein lassen. In aller Ruhe, bewusst und
aus unserer Ueberzeugung heraus. Uns ist darum nicht bange. Es wird
dereinst erkannt werden: noch nie hat es in unserer Literatur eine
Bewegung gegeben, die von Aussen her weniger beeinflusst gewesen wäre,
die so von innen heraus gewachsen, die mit einem Wort _nationaler_ war,
als eben grade diejenige, vor deren weiteren Entwicklung wir heute stehn
und die mit unserm »Papa Hamlet« ihren ersten, sichtbaren Ausgang
genommen. Die »Familie Selicke« ist das deutscheste Stück, das unsere
Literatur überhaupt besitzt. Es ist auch nicht ein einziges Element in
ihr und wäre es auch noch so winzig, das uns von jenseits der Vogesen
zugeflogen wäre, von jenseits der Memel, oder von jenseits der Eider.
Und wenn uns _nichts_ dafür ein Beweis gewesen wäre, nicht einmal die
Thatsache selbst, die unerhörten Beschimpfungen, die damals auf uns
niederprasselten, hätten uns hinlänglich darüber die Augen öffnen
müssen. Sätze, wie: »diese _Thierlautkomödie_ ist für das _Affentheater_
zu schlecht!« werden sicher nicht allzu oft niedergeschrieben, selbst in
den bewegtesten Zeiten nicht. Und gar als das Stück erst angekündigt war
in den Zeitungen, als acceptirt zur Aufführung an der »Freien Bühne«,
schrieb dasselbe Blatt: ».... dann wird eben keine Frau, die auf
Reputirlichkeit Anspruch erhebt, sich dort sehen lassen dürfen und die
Herren werden sich in diese Vorstellungen hineinstehlen müssen, wie man
das beim Besuche zweifelhafter Lokale thut.« Mit einem Wort: Es fehlte
nur noch, dass man den Vorschlag machte, uns ins Irrenhaus zu sperren. O
bêtise!

Nun, dieser Vorschlag ist unterdessen, wenn allerdings auch noch nicht
gemacht, so doch »in der That nur mit Mühe unterdrückt worden.«
Vergleiche »Die Grenzboten.«

Offen gestanden: aber es wäre uns doch lieber gewesen, der sogenannte
Idealismus unserer verehrten Herren Gegner hätte sich als etwas Anderes
entpuppt.

Als _was_ er sich entpuppt hat?

Nun, unserem Dafürhalten nach, als jene berühmte Heine'sche Wanze,
»welche stinkt, wenn man sie tödtet.«

_Berlin_, August 1891.

                                                            Arno Holz.
                                                      Johannes Schlaf.



                               Personen:


   Eduard Selicke, Buchhalter.
   Seine Frau.
   Toni,    22 Jahre alt  }
   Albert,  18   "    "   } ihre Kinder.
   Walter,  12   "    "   }
   Linchen,  8   "    "   }
   Gustav Wendt, cand. theol., Chambregarnist bei ihnen.
   Der alte Kopelke.

                 _Zeit_: Weihnachten. _Ort_: Berlin N.



                             Erster Aufzug.


                             Erster Aufzug.

   Das Wohnzimmer der Familie Selicke.

   (Es ist mässig gross und sehr bescheiden eingerichtet. Im
   Vordergrunde rechts führt eine Thür in den Corridor, im Vordergrunde
   links eine in das Zimmer Wendt's. Etwas weiter hinter dieser eine
   Küchenthür mit Glasfenstern und Zwirngardinen. Die Rückwand nimmt
   ein altes, schwerfälliges, grossgeblumtes Sopha ein, über welchem
   zwischen zwei kleinen, vergilbten Gypsstatuetten »Schiller und
   Goethe« der bekannte Kaulbach'sche Stahlstich »Lotte, Brod
   schneidend« hängt. Darunter im Halbkranze, symmetrisch angeordnet,
   eine Anzahl photographischer Familienportraits. Vor dem Sopha ein
   ovaler Tisch, auf welchem zwischen allerhand Kaffeegeschirr eine
   brennende weisse Glaslampe mit grünem Schirm steht. Rechts von ihm
   ein Fenster, links von ihm eine kleine Tapetenthür, die in eine
   Kammer führt. Ausserdem noch, zwischen den beiden Thüren an der
   linken Seitenwand, ein Tischchen mit einem Kanarienvogel, über
   welchem ein Regulator tickt, und, hinten an der rechten Seitenwand,
   ein Bett, dessen Kopfende, dem Zuschauerraum zunächst, durch einen
   Wandschirm verdeckt wird. Ueber ihm zwei grosse alte Lithographieen
   in fingerdünnem Goldrahmen, der alte Kaiser und Bismarck. Am
   Fussende des Bettes, neben dem Fenster schliesslich noch ein kleines
   Nachttischchen mit Medizinflaschen. Zwischen Kammer- und Küchenthür
   ein Ofen; Stühle.

   _Frau Selicke_, etwas ältlich, vergrämt, sitzt vor dem Bett und
   strickt. Abgetragene Kleidung, lila Seelenwärmer, Hornbrille auf der
   Nase, ab und zu ein wenig fröstelnd. Pause.)

FRAU SELICKE (seufzend): Ach Gott ja!

WALTER (noch hinter der Scene, in der Kammer): Mamchen?!

FRAU SELICKE (hat in Gedanken ihren Strickstrumpf fallen lassen, zieht
ihr Taschentuch halb aus der Tasche, bückt sich drüber und schneuzt
sich).

WALTER (steckt den Kopf durch die Kammerthür. Pausbacken, Pudelmütze,
rothe, gestrickte Fausthandschuhe): Mamchen? darf ich mir noch schnell
'ne Stulle schneiden?

FRAU SELICKE (ist zusammengefahren): Ach, geh du ungezogner Junge!
Erschrick einen doch nich immer so! (ist aufgestanden und an den Tisch
getreten). Kannst Du denn auch gar nich'n bischen Rücksicht nehmen?!
Siehst Du denn nich, dass das _Kind_ krank ist?

WALTER (ist unterdessen auf's Sopha geklettert und trinkt nun
nacheinander die verschiedenen Kaffeereste aus. Den Zucker holt er sich
mit dem Löffel extra raus): Aber ich hab' doch noch solchen Hunger,
Mamchen?

ALBERT (ebenfalls noch hinter der Scene, in der Kammer, deren Thür jetzt
weit aufsteht. Man sieht ihn vor einer kleinen Spiegelkommode, auf der
ein Licht brennt. Knüpft sich grade seine Kravatte um. Hemdärmel.): Ach
was, Mutter! Jieb ihm lieber 'n Katzenkopp un denn is jut!

FRAU SELICKE (die jetzt Walter die Stulle schneidet): Na, Du, Grosser,
sei doch man schon ganz still! Du verdienst ja noch alle Tage welche!
Ich denk', Ihr seid überhaupt schon lange weg?

ALBERT (ärgerlich): Ja doch! Gleich! Aber ich wer' mir doch wohl noch
erst den Rock abbürschten können?

FRAU SELICKE: Na ja, gewiss doch! Steh Du man immer recht vor'm Spiegel
und vertrödle recht viel Zeit! Da werd't Ihr ja Euern lieben Vater
sicher noch finden! Der wird heute grade noch auf'm Comptoir sitzen!

ALBERT: Ach Jott! Nu thu doch man nicht wieder so! Vor Sechs kann er ja
doch heute so wie so nich aus 'm Geschäft!

FRAU SELICKE: So! Na! Und wie spät denkste denn, dass es jetz' is? (hat
während des Streichens der Stulle einen Augenblick inne gehalten, den
Schirm von der Lampe gerückt, die Brille auf die Stirn gerückt und nach
dem Regulator gesehen) ... Jetz' is gleich Dreiviertel!

ALBERT: Ach, Unsinn! Die jeht ja vor!

FRAU SELICKE (für sich, fast weinend): Hach nee! Ich sag' schon! Sicher
is er nu wieder weg, und vor morgen früh wer'n wir 'n ja dann natürlich
nich wieder zu sehn kriegen! Nein, so ein Mann! So ein Mann! ...

ALBERT (noch immer in der Kammer und vor'm Spiegel): Hurrjott, Mutter!
Räsonnir' doch nich immer so! Du _weisst_ ja noch gar nich!

FRAU SELICKE: Ach was! Lass mich zufrieden! Beruf' mich nich immer! Ich
_weiss_ schon, was ich weiss! (unwirsch zu Walter) Da -- haste! Klapp se
Dir zusammen und dann macht, dass Ihr endlich fortkommt! Aus Euch wird
auch nischt!

   (Es klingelt.

   Einen Augenblick lang horchen beide. Frau Selicke ist
   zusammengefahren, Walter starrt, die Stulle in der Hand, mit offenem
   Munde über die Lampe weg nach der Thür, die in's Entree führt.)

FRAU SELICKE (endlich): Na? Machste nu auf, oder nich?

   (_Walter_ hat die Stulle liegen lassen und läuft auf die Thür zu. Er
   klinkt diese auf und verschwindet im Entree.)

ALBERT (der eben aus der Kammer getreten ist, in der er das Licht
ausgelöscht hat. Zieht sich noch grade seinen Ueberzieher an. Aus der
Brusttasche stecken Glacees, zwischen den Zähnen hält er eine brennende
Cigarrette, an einem breiten, schwarzen Bande baumelt ihm ein Kneifer
herab. Modern gescheitelt. Hut und Stöckchen hat er einstweilen auf den
Stuhl neben dem Sopha plazirt. Zu Frau Selicke, indem er mit dem Fusse
die Thür hinter sich zudrückt): Nanu? Das kann doch unmöglich schon der
Vater sein?

FRAU SELICKE (die sich wieder mit dem Kaffeegeschirr zu thun macht,
unruhig): Ach wo!

   (Unterdessen ist draussen die Flurthür aufgegangen und man hört die
   Stimme des alten _Kopelke_: »Brrr ... is det heit 'n
   Schweinewetter!?« -- Die Thür klappt wieder zu, und jetzt schreit
   _Walter_ laut auf, ausgelassen: »Ach! Olle Kopelke! Olle Kopelke!«
   -- »Nich doch, Kind, nich doch; du thust mir ja weh! Du drickst mir
   ja! Du musst doch abber ooch heer'n! Da -- nimm mir mal lieber hier
   'n bisken det Menneken ab! ... Brrr ... nee ... ä!«)

ALBERT (zu Frau Selicke, sich die Handschuhe zuknöpfelnd): Ach, _der_
alte Quacksalber?!

FRAU SELICKE: Na, Du, Grossmaul, wirst doch nich immer gleich das Geld
_geb'n_ für'n Docter!

ALBERT (aufgebracht): Ach, Blech! Nich wahr? Nu fang wieder _davon_ an!
...

WALTER (noch halb im Entree): Au, Mamchen, sieh mal! 'n Hampelmann!
Mamchen, 'n Hampelmann! (Er kommt mit ihm in's Zimmer getanzt. Zum alten
Kopelke zurück): Wah? den schenken Se mir?

KOPELKE (behutsam hinter ihm drein. Klein, kugelrund, freundlich,
Vollmondsgesicht, glattrasirt. Sammetjoppe, Pelzkappe, Wollshawl):
Sachteken! Sachteken!

ALBERT (hat sich den Stock schnell unter den Arm geklemmt und sich den
Kneifer aufgesetzt, affectirt): Ah, gut'n Abend, Herr Kopelke!

KOPELKE: 'n Abend! 'n Abend, junger Herr! (Reicht Frau Selicke die Hand)
'n Abend! (Nach dem Bett hin) Na? Und meine kleene Patientin? Ick muss
doch mal _sehn_ kommen?

FRAU SELICKE (weinerlich): Ach Gott ja! Na, ich kann wohl schon sagen!

KOPELKE (sie beruhigend): Ach wat, wissen Se! det ... det ... e ....

WALTER (hat sich unterdessen mit seinem Hampelmann abgegeben, ihm die
Zunge gezeigt, »Bah!« zu ihm gemacht und tänzelt nun mit ihm um den
alten Kopelke rum, diesen unterbrechend): Olle Kopelke! Olle Kopelke!

KOPELKE (sanft abwehrend): Ach, nich doch, Kind! det 's jo unjezogen! Du
musst nich immer Olle Kopelke sagen! Det jeheert sick nich!

WALTER (Rübchen schabend): Oh ...! Olle Kopelke! ...

ALBERT (wüthend): Hörst Du denn nich, Du Schafskopp? Du sollst still
sein!

WALTER (den Ellbogen gegen ihn vor): Nanu? Du hast mir doch jarnischt zu
sagen?

ALBERT (holt mit der Hand aus).

FRAU SELICKE (mit dem Strickstrumpf, den sie unterdessen wieder
aufgenommen hat, dazwischen): Nein! Nein! Nun sehn Sie doch blos! Die
reinen Banditen! Das Kind! Das Kind! Nehmt doch wenigstens auf das Kind
Rücksicht!

ALBERT (der sich achselzuckend wieder abgewandt hat): Natürlich! So is
recht! Bestärk' ihn man noch immer! Dem lässt Du ja Alles durchgehn! Der
kann ja machen, was er will! Aus dem Bürschchen erziehst Du ja schon was
Rechtes! Vater hat janz recht!

FRAU SELICKE: Nein! Nein! Nu hören Se doch blos! Und da soll man sich
nich gleich schlag_rührend_ ärgern?

KOPELKE (zu Albert): Sachteken, werther junger Herr, sachteken ... (Zu
Frau Selicke) Immer in Jiete, Mutter! Det ville Jehaue und det ville
Jeschumpfe nutzt zu janischt, zu reenjanischt! ... Ibrijens ... (Er hat
sich mitten in die Stube gestellt und schnuppert nun nach allen Seiten
in der Luft rum) ... wat ick doch jleich noch sagen wollte ... det ...
det ... riecht jo hier so anjenehm nach Kafffee? ... Hm! Pf! Brrr! ...
Nee, dieset Schweinewetter?! Ick bin -- wahhaftijen Jott -- janz aus de
Puste! (Er hat sich seinen grossen, dicken Wollshawl abgezerrt und
schlenkert ihn nun nach allen Seiten um sich rum) Kopp wech! (Zu Walter,
den er dabei getroffen hat) He? Wah det _Deine_ Neese?

WALTER (der sich den Schnee von den Backen wischt, vergnügt lachend):
Hohohoo!

ALBERT (bereits äusserst ungeduldig, den Hut in der Hand): Na,
jedenfalls ich jeh jetzt! Wir kommen ja sonst _wahrhaftig_ noch zu spät!

FRAU SELICKE: Ja, ja! Macht man, dass Ihr fortkommt!

KOPELKE (zu Albert): Aha! Wol zu Pappa'n uf't Contor?

ALBERT (ausweichend): Ach! ja! Das heisst .. e .. wir wollten so ...
blos 'n bischen vorbeijehn!

KOPELKE (ihm mit einer Handbewegung gutmüthig zublinzelnd, verschmitzt):
Weess schon! (Zu Frau Selicke, halb in's Ohr) Edewachten kenn ick doch?
... (Wieder zu Albert) Na, denn ... e ... denn beeilen 'sick man! Sowat
looft weg!

ALBERT (schon unter der Thür stehend zu Walter, der sich eben seinen
Hampelmann an die Jacke knöpft): Na, willste nu so jut sein oder nich?

WALTER (giebt dem alten Kopelke die Hand): Atchee!

KOPELKE: Atchee, mein Sohn, Atchee! Un jriess ooch Vatern!

FRAU SELICKE: Na, und die Stulle? (Reicht sie ihm noch schnell nach,
Walter beisst sofort in sie hinein) Und dann, sagt, er soll gleich
hierherkommen! Sagt, Toni is auch schon da! Wir warten schon!

ALBERT (hat die Thür bereits aufgeklinkt und macht nun zum alten Kopelke
hin eine stumme, ceremonielle Verbeugung).

KOPELKE: Wah mich sehr anjenehm, werther junger Herr! Wah mich sehr
anjenehm! (Die Beiden verschwinden. Draussen im Entree schlägt _Walter_
hin. Schreit. _Albert_: »Na, Du Ochse!«)

FRAU SELICKE: Ei Herrgott! Was is denn nu schon wieder ... (Will auf die
Corridorthür zu, draussen schlägt die Flurthür zu): Hach! Gott sei Dank,
dass man die Gesellschaft endlich los ist!

KOPELKE (sich die Hände reibend, schmunzelnd): Jo! Wahh is't! 'n bisken
wiewe _sind_ se! Abber -- Jotteken doch! det is doch nu mal nich anders!
det ...

   (Vom Bett her Geräusch und Husten.)

FRAU SELICKE (wirft ihr Strickzeug in das Kaffeegeschirr und eilt auf
das Bett zu): Ach, nein! Ich sag schon! Nu haben sie ja das arme Kind
glücklich wieder wachkrakehlt ... Na, mein liebes Herzchen? ... Wie ist
Dir, mein liebes Linchen, he? (Kleine Pause. Frau Selicke hatte sich
übers Bett gebeugt, leises Stöhnen.) Hast Du Schmerzen, mein liebes
Puttchen?

LINCHEN (feines, rührendes Stimmchen): Ma -- ma -- chen?

FRAU SELICKE: Ja, mein Herzchen? Hm?

LINCHEN: Ma -- ma -- chen?

FRAU SELICKE: Hast Du Appetit, mein Schäfchen? ... Nein? Ach, Du mein
Mäuschen!

LINCHEN: Ich -- bin -- so -- müde ...

FRAU SELICKE: Ach, mein Herzchen! Aber, nicht wahr? Du willst jetzt noch
einnehmen?! Onkel Kopelke ist ja da!

LINCHEN: On -- kel -- Ko -- pel -- ke?

KOPELKE (hat sein rothbaumwollenes Schnupftuch gezogen und schneuzt
sich).

FRAU SELICKE (halb zu ihm zurückgewandt): Wollen Sie se mal sehn? Ich
misch' solange die Tropfen! (Lässt ihn an's Kopfende treten und mischt
während des Folgenden am Fussende des Bettes, auf dem Nachttischchen,
die Medicin).

KOPELKE (hat sich jetzt ebenfalls über das Bett gebeugt.
Täppisch-zärtlich): Na, Lin'ken? Kennste mir noch? Ach Jotteken doch,
_die_ Aermken! Nich wah? Det -- watt doch mal, Kind, 'n Oogenblickchen!
-- Det ... thut doch nich weh? ... Na, sehste!! Ick sag' ja! det ... det
is Allens man auswendig! Det 's janich so schlimm! Uf de Woche kannste
all dreist widder ufstehn! Denn jehste for Mamma'n bei'n Koofmann! Denn
jehste mit ihr uf'n Marcht! Inholen! He? Weesste noch? Uf'n Pappelplatz?
Der mit 't Schielooge? »_Jungens_« sag' ick, »_Bande!_ Wehrt ihr wol det
_Meechen_ sind lassen?« Abber da!! Heidi! Wat haste, wat kannste! ...
Nich wah? Nu nehmste abber ooch sauber in? (Zu Frau Selicke, während er
diese an's Bett treten lässt): Wat det Kind blos for'n Schwitz hat?!

FRAU SELICKE (besorgt): Nich wahr? Ach Gott ja!

KOPELKE (beruhigend): Abber det .. e .. wissen Se! ... Det ... det is
_immer_ so! Det _is_ nu mal nich anders! Det ... (Schneuzt sich
abermals).

FRAU SELICKE (kommt mit dem Löffel): Na, Linchen? Ist Dir wieder besser?

LINCHEN: Ach -- ich -- will -- nicht -- einnehmen!

FRAU SELICKE: O ja, meine Kleine! Du willst doch wieder gesund werden?!

LINCHEN: Es -- schmeckt -- so -- bitter!

FRAU SELICKE: Nicht weinen, mein Schäfchen! ... Komm! ... Sonst zankt
der Herr Doctor wieder! Nicht wahr, Onkel Kopelke?

KOPELKE (eifrig nickend): Ja, ja, Kindken! Det muss nu mal so _sind_!
Det je_heert_ sick!

FRAU SELICKE: Nicht wahr? Hörst Du? Komm, mein Liebling! Ja?

LINCHEN: Es -- schmeckt -- so -- bitter!

FRAU SELICKE: Aber nachher kannst Du ja wieder spazieren gehn, mein
Mäuschen?! Und Emmchen zeigt Dir auch ihre Bilderbücher! Ja? ... Komm!
... Na, nu mach doch, Linchen! ... Du musst doch aber auch folgen! ...
Gucke doch! ... Ich verschütte ja das ganze Einnehmen? ... (Sie hat ihr
leise die Hand unter's Köpfchen geschoben).

LINCHEN: Au! Au! ... Du -- ziepst -- mich!

FRAU SELICKE: Oh! .... Na so! .... Nicht wahr? ... Fest! Drück' die
Augen zu! ... Schlucke! Tüchtig! ... _Siehst_ Du? ... Nicht weinen,
nicht weinen! ... So! Nicht wahr? Nu is alles wieder gut! Nu is alles
vorbei!

LINCHEN (dreht sich jetzt unruhig in ihren Kissen rum und hustet
gequält).

FRAU SELICKE: Mein armes, armes Herzchen! Der alte, böse Husten! ... So!
... Nu rücken wir blos noch 'n bischen das Kissen höher, nicht wahr? und
dann schläfst Du _schön_ wieder ein! (Bückt sich über sie und küsst
sie.) Ach, Du mein süsses Puttchen! (Nachdem sie den Wandschirm jetzt
noch _näher_ an's Bett gerückt, zum alten Kopelke) Ach, Gott nein! Nu
sagen Se doch blos? Muss man da nich rein verzweifeln? Das geht nu schon
Tage lang so! Sie wacht geradezu nur noch auf Minuten auf!

KOPELKE (die Hände in den Taschen seiner Joppe, nachdenklich vor sich
hin): Hm! ...

FRAU SELICKE: Und aus dem Doctor wird man auch nicht mehr klug! Der
_sagt_ einem ja nichts! Der _kommt_ kaum noch! Und ... und ... na ja,
wenn wir _Sie_ nicht noch hätten ...

KOPELKE (leichthin): Jo! ... na! ... Wissen Se: det kommt jo bei mir
nich so druf an! (Begütigend) det verseimt mir jo weiter nich! det's jo
man immer so in Vorbeijehn! det -- ach wat! det hat jo janischt zu
sagen! det's jo Mumpitz!! .... Abber det, wissen Se, det mit die
Docters, verstehn Se, da hab'n Se eejentlich woll nich so janz Unrecht!
Ick ... nu ja! Se wissen ja! Ick bin man sozusagen 'n janz eenfacher
Mann ... Abber det kann 'k Ihn' versichern: jeholfen hab 'k schon
manchen! ..... Jott! Ick kennt jo wat bei verdienen! Wat meen'n Se woll!
Abber sehn Se ... will 'k denn? Ick ... nu ja! Ick bin nu mal so!
(eifrig) Wissen Se? de Hauptsach' is jetz': man immer scheen wahm
halten! det Ibrije, verstehn Se, det Ibrije jiebt sick denn janz von
alleene! Janz von alleene! Ick sag: man blos nich immer so ville mang
der Natur fuschen, sag ick! ... Det mit die olle Medizin da zun Beispiel
...

   (Es klopft an Wendts Thür.)

FRAU SELICKE: Bitte, Herr Wendt, bitte! Treten Sie nur ein!

WENDT (ist mehr als mittelgross und sehr schlank. Feine, bleiche
Gesichtszüge, das halblange, schwarze Haar einfach hinten übergekämmt.
Dunkle, peinlich saubere Kleidung, kein Pastoralschnitt. Die Thür hinter
sich schliessend zu Frau Selicke): Verzeihen Sie! Ich dachte ... (Zum
alten Kopelke, ihm die Hand reichend) Ah! 'n Abend, Herr Kopelke! Wie
geht's?

KOPELKE (geschmeichelt): 'n Abend, werther junger Herr! Och, ick danke!
Immer noch uf een langet un een kurzet Been! ... Is mich sehr anjenehm
... is mich sehr anjenehm ... (Hört nicht auf, Wendt's Hand zu
schütteln).

WENDT (zu Frau Selicke rüber): Fräulein Toni wollte doch heute etwas
früher kommen?

FRAU SELICKE (die Achseln zuckend): Ja! Na -- Sie wissen ja! Wie das so
is!

KOPELKE (Wendt zublinzelnd und ihm scherzhaft mit dem Finger drohend):
Freilein Toni? Na wachten Se man, Sie kleener Scheeker! ... Frau
Selicken? Ick sage: passen Se mir ja uf die beeden jungen Leite uf!
(Wieder zu Wendt) Det is mich doch schon lange so? ... he? Sie?

FRAU SELICKE (lächelnd): Ach, lieber Gott, ja!

WENDT (der ebenfalls gelächelt hat, zum alten Kopelke): Na, aber Scherz
bei Seite! Ich wollte ihr mal -- da sehn Sie mal! -- _das_ da zeigen!
(Er hat ein grosses, zusammengeknifftes Papier aus der inneren
Brusttasche gezogen und es dem alten Kopelke überreicht).

KOPELKE: Oh! ... He! ... Na -- ick ... e .. Se meen'n, ick soll det hier
-- lesen, meen'n Se?

WENDT (aufmunternd): Gewiss, gewiss, Herr Kopelke! Ich bitte Sie sogar
darum!

KOPELKE: Oh! ... He! ... Na, ick -- bin so frei! (Ist mit dem Papier zur
Lampe getreten. Zu Frau Selicke) Man ... e ... Hab'n Se da nich wo Ihre
Brille, Frau Selicken?

FRAU SELICKE (umhersuchend): Meine Brille? Ach Gott ja! ich ...

KOPELKE (sie ihr von der Stirn nehmend): Lassen Se man, ick hab ihr
schon! (Setzt sie sich auf.) So! Na! Nu kann't losjehn! (Hat das Papier
sorgfältig entfaltet und liest es nun, die Arme weit von sich weg. Nach
einer kleinen Pause, über die Brille zu Wendt hinüber schielend): Nanu?

WENDT (der ihn lächelnd beobachtet): Na?

FRAU SELICKE (neugierig): Was denn?

WENDT (lächelnd): Ja, ja. Frau Selicke!

FRAU SELICKE (wie ungläubig): Ach?

KOPELKE (hat das Papier unterdessen wieder sorgfältig zusammengefaltet
und giebt es nun wieder an Wendt zurück. In komischem Pathos): Nee,
wissen Se! Det kennen Se von mir nich verlangen! Dazu jratulieren Se
sick man alleene!

WENDT (lachend, das Papier wieder einsteckend): Na, na!

FRAU SELICKE (zum alten Kopelke): Was denn? Was denn, Herr Kopelke?

KOPELKE (zu Frau Selicke komisch): Paster! _Land_paster! Mit'ne
Bienenzucht un 'ne lange Feife! (Wieder zu Wendt) Nee, wissen Se! Da
kennen Se sagen, wat Se wollen, verstehn Se, abber for _die_ Brieder
sind Se ville zu schade!

FRAU SELICKE (die Hände zusammenschlagend): Aber Herr Kopelke?!

KOPELKE: Ach wat! (Hat sich wieder sein Schnupftuch hervorgezogen und
schneuzt sich.)

WENDT (ihm vergnügt auf die Schulter klopfend): Na, lassen Sie man! 'n
hübsches Weihnachtsgeschenk bleibt's doch! Was, Frau Selicke?

FRAU SELICKE (immer noch ganz erstaunt): Ach, nein! ..... wahrhaftig?
Also Sie sollen jetzt wirklich Pastor werden?

WENDT: Nun ja! Und ... wie Sie sehn! Ich freue mich sogar von Herzen
drüber!

FRAU SELICKE: Ach ja! Und Sie waren ja auch immer so fleissig! Ich habe
Sie wahrhaftig manchmal recht bedauert! Wenn ich so denke, so die ganzen
letzten Wochen, Tag und Nacht, immer hinter den Büchern ...

WENDT: Ach, ich bitte Sie! Was hing aber auch nicht alles davon ab?
Alles! Alles! Geradezu Alles! -- Und dann, was ich Ihnen noch gleich
sagen muss, ich reise jetzt natürlich nicht erst Drittfeiertag, sondern
schon morgen!

FRAU SELICKE: Schon morgen?

WENDT: Ja! Na, die Sachen sind ja schon alle so gut wie gepackt, und ...
e ... aber ich vergesse ganz! (Zum alten Kopelke): Sie sprachen vorhin
von Linchen?

KOPELKE: Ick? Nu ja! Ick .. det heest .. ick .. e ... (sieht zu Frau
Selicke hinüber).

FRAU SELICKE: Aber setzen Sie sich doch, Herr Kopelke! Woll'n Se sich
nicht setzen? Ich mach Ihnen noch schnell 'ne Tasse Kaffee!

KOPELKE (zu Wendt): Hm ... ja ... sehn Se, ick ... (Plötzlich zu Frau
Selicke): 'ne Tasse Kafffe? (In sich hineinschmunzelnd, sich vergnügt
die Hände reibend): Hm! ... 'ne Tasse Kafffe is jo wat sehr wat
Scheenet! Wat sehr wat Scheenet! ... Abber ... Nee, Frau Selicken! Nee!
Heite nich! Det verlohnt sick nich! Wahhaftijen Jott! Abber ick muss
heite noch unjelogen hinten in de Druckerei! ... Se wissen ja! Det mit
de ollen, deemlichen Krankenkassen! ...

FRAU SELICKE (nach der Küche hin): Na, denn werd' ich wenigstens noch'n
paar Kohlen unterlegen! (Mit einem Blick auf die Uhr): Toni muss ja
jeden Augenblick kommen! (Verschwindet durch die Küchenthür, hinter der
bald darauf Licht aufblitzt.) 'n Augenblickchen!

KOPELKE (mit krummgezogenem Puckel, sich schmunzelnd die Hände reibend.
Ihr nachsehend): Scheeniken! Scheeniken!

WENDT (langt seine Cigarrentasche vor): Aber ich darf Ihnen doch
wenigstens 'ne Cigarre anbieten?

KOPELKE: Oh! ... He! ... Na! Ick bin so frei, von Ihr jietijet
Anersuchen -- mbf! -- Jebrauch zu machen, werther, junger Herr! Abber ..
e ... (winkt Wendt zu sich heran; dieser beugt sich ein wenig zu ihm
hin, Kopelke hält ihm die hohle Hand an's Ohr) .. ick meen' man! Ick
beraube Ihnen!

WENDT: O, ich bitte Sie!

KOPELKE: Na, wissen Se! So'n junger Student hat det ooch nich immer so
dicke! .. Na, ick meen' man!

WENDT: Junger Student?! Oho!

KOPELKE: A so! (Blinzelt ihm zu.) Na! Ibrijens bin ick darin durchaus
keen Unmensch! (Kneift sich mit den Fingernägeln die Spitze von der
Cigarre und bückt sich über die Lampe). Abber .. nee, wissen Se! (Mit
einem Blick zum Bett hin) Ick weer' ihr man doch lieber draussen
roochen! Se nehmen mir det doch nich iebel?

WENDT: Bewahre, Herr Kopelke! Im Gegentheil! Hier hätten Sie sie ja doch
so wie so nicht rauchen können! Selbstverständlich!

KOPELKE: Ja, un denn -- na ja! wat ick also noch sagen wollte! ... Se
mee'n, mit det Kind, mee'n Se?

WENDT: Ja! Ich ... e ... Sie können sich ja denken, wie mich das
unmöglich gleichgültig lassen kann! ... Der Arzt scheint sich ja,
wenigstens so viel ich darüber weiss, überhaupt nicht äussern zu wollen
...

KOPELKE (klopft sich mit der Cigarre auf dem Daumen herum): Ja, wissen
Se! Offen jestanden! Abber det kann ick den Mann eejentlich janich
verdenken! Denn, Se könn'n sagen, wat Se wollen -- ick bin man sozesagen
'n ganz eenfacher Mann, verstehn Se! Abber det kann 'k Ihn'n sagen: mit
det Kind is't retour jejangen! Schon wenn se een'n immer so anseht,
verstehn Se! -- wahhaft'jen Jott, abber so wat kann eenen durch un durch
jehn!

WENDT (finster): Hm ... Also Sie meinen, dass wirklich Gefahr vorliegt?

KOPELKE (ausweichend): Jott! _det_ nu jrade! _Det_ will ick nu jrade
nich gesagt haben! Abber, wie det so is, verstehn Se! Et mangelt hier
den Leiten an't Neethichste, wissen Se! (Macht die Bewegung des
Geldzählens). Die kennen ooch man nich immer so, wie se wollen!

WENDT (geht erregt ein paar Mal auf und ab): Ach Gott, ja! .... Na! Es
wird ja mal .... anders werden!

KOPELKE: Ja! Wenn eener immer ville Jeld hat, wissen Se, denn mag't ja
wol noch jehn! Ja. Det liebe Jeld! ... Nehm'n Se _mir_ mal zun Beispiel!
Ick wah ooch nich uf'n Kopp jefallen als Junge! Ick wah immer der Erste
in de Schule! Wat meen'n Se woll?! .. Abber de Umstände, wissen Se! de
Umstände! Et half nischt! Vater liess mir Schuster weer'n! ... Freilich,
mit die Schusterei is det nu ooch nischt mehr heitzudage! Die ollen
Fabriken, wissen Se! Die ollen Fabriken rujeniren den kleenen Mann! ...
Sehn Se! So bin ick eejentlich, wat man so 'ne verfehlte Existenz nennt!
Nu bin ick sozusagen alles un janischt! ... Ja! ... Da bring 'k mal
een'n durch'n Prozess, da wird mal'n bisken jeschustert, dann mal mit de
Homöopathie und denn mit det Silewettenschneidern, wie det jrade so
kommt, verstehn Se! Ja! ... Freilich! Se haben alle nischt, die armen
Deibels, den'n ick ....

   (Die Uhr schlägt sechs.)

Wat?! Sechsen schon?! Hurrjott! ... (Wickelt sich schnell den Shawl um)
... den'n ick jeholfen hab', meen' ick! ... (Umhersehend): Hanschuh'n
hat ick ja wol zufällig keene nich jehappt? ... Na, abber man krepelt
sick so durch! (Wendt's Hand schüttelnd): Wah mich sehr anjenehm,
werther junger Herr, wah mich sehr anjenehm! ..... Dunnerwettstock, det
wird ja die allerheechste Eisenbahn! (Macht ein paar eilige Schritte auf
die Corridorthür zu, besinnt sich dann aber wieder und kehrt um): Na,
ick kann ja denn ooch man jleich hinten rum! (Schon in der Küchenthür):
Un denn, det ick det nich verjesse: Verjniegte Feierdage! Morjen frieh
seh ick Ihn' doch noch?

WENDT: O, danke, danke! Natürlich!

KOPELKE: Scheeniken! Atchee! (Klinkt die Küchenthür auf.) 'n Abend, Frau
Selicken!

FRAU SELICKE (hinter der Scene in der Küche): Was? Sie wollen schon
gehn?

KOPELKE (während er die Küchenthür wieder hinter sich zudrückt): Na, wat
meen'n Se woll? ...

WENDT (einen Augenblick allein. Sieht sich zuerst aufathmend im Zimmer
um und tritt dann vorsichtig an das Bett Linchens. Eine kleine Weile
beobachtet er sie, dann klingelt es plötzlich im Corridor und er geht
hastig aufmachen): Ah, endlich!

TONI (tritt ein. Sie trägt ein grosses, in ein schwarzes Tuch
eingeschlagenes Bündel vor sich her. -- Sie ist mittelgross, schlank,
aber nicht schwächlich. Blond. Schlichter, ein wenig ernster
Gesichtsausdruck. Einfaches, dunkles Kleid, langer, braungelber
Herbstmantel. Schwarze, gestrickte Wollhandschuhe).

WENDT (mit ihr zugleich eintretend und nach dem Bündel fassend): Geben
Sie!

TONI (abwehrend): Ach, lassen Sie ... ich kann ja ...

WENDT (nimmt ihr das Packet ab): Geben Sie doch! (Indem er es auf's
Sopha trägt). Und das haben Sie vom Alexanderplatz bis hierher getragen?

TONI (sich die Handschuhe ausziehend, nickt lächelnd. Etwas
scherzhaft-wichtig): Getragen! Ja!

WENDT: Bei der ....?

TONI: Nun -- ja! Es war etwas unbequem bei der Kälte! (Hat die
Handschuhe auf den Tisch zwischen das Kaffeezeug gelegt und tritt nun,
indem sie sich ihren Mantel aufknöpfelt, an das Bett Linchens) Sie
schläft? Ach, das arme Puttelchen! (Ist wieder etwas zurückgetreten).
Aber ... nein! Ich will doch erst lieber .. ich habe die Kälte noch so
in den Kleidern! (Zu Wendt, der ihr jetzt behilflich ist, den Mantel
abzulegen). Danke, danke schön, Herr Wendt! Wollen Sie so gut sein, da
an den Nagel? (Reicht ihm auch noch ihren Hut hin und stellt sich nun an
den Ofen). Ach, ist der schön!

WENDT (der ihr unterdessen Hut und Mantel an die kleine Kleiderknagge
zwischen der Korridorthür und dem Wandschirm gehängt hat): Wissen Sie
auch, Fräulein Toni, dass ich heute schon auf Sie gewartet habe?

TONI: Ach nein! Wirklich? Auf mich?

WENDT (hat sich, die Arme gekreuzt, mit dem Rücken gegen den Tisch, ihr
gegenüber gestellt, aber so, dass das Licht der Lampe noch auf sie
fällt): Ja! Und ... na? Rathen Sie mal, weshalb!

TONI (lächelnd): Ach, das rath' ich ja doch nicht! Sagen Sie's mir
lieber!

WENDT: Ja? Soll ich's sagen?

TONI: Ja!

WENDT (zieht sich wieder das Papier aus der Tasche und reicht es ihr):
Na ... da! Lesen Sie mal!

TONI: Was denn? (Sie hat sich, noch immer am Ofen, mit dem Papier etwas
gegen die Lampe gebückt und liest nun): Ah! Grade heute zum heil'gen
Abend! (hat das Papier sinken lassen und sieht einen kleinen Augenblick
in die Lampe. Langsam, leise): Ja! Das ist ja recht schön! Da können Sie
sich recht freuen!

WENDT: Nicht wahr?

FRAU SELICKE (aus der Küche, deren Thür sie eben aufgemacht hat): Toni?
Wo bleibst Du denn so lange? (Mit einem Blick auf das Bündel auf dem
Sopha) Ach, Du hast wieder ... Armes Mädchen! ... Wart'! Ich bring Dir
gleich noch 'n bischen heissen Kaffee! (Sie will wieder in die Küche
zurück.)

TONI (die unterdessen das Papier auf den Tisch gelegt hat, auf sie
zutretend): Mutterchen?! -- Wart' mal! ... Hier! (Man hört Geld
klappern.) Eins -- zwei -- drei ...

FRAU SELICKE: Ach, Gott ja! .. Das liebe Bischen ... das wird wieder weg
sein, man weiss nicht, wie!

TONI: Ist denn der Arzt dagewesen?

FRAU SELICKE: Ach, nein! Du weisst ja! Der alte Kopelke!

TONI: So? Was sagt er denn?

FRAU SELICKE: Bist Du ihm nicht unten begegnet? Er sagt ... (zuckt die
Achseln) nichts Bestimmtes! Man wird ja aus keinem Menschen mehr klug!
(Plötzlich) Ach Gott! Ich hab' so eine Ahnung! Du sollst sehn: wir
behalten sie nicht! (Schluchzt.)

TONI (tröstend): Ach Gott! Mutterchen! (Nach einer Weile). Ist denn der
Vater noch nicht da?

FRAU SELICKE (wieder beruhigt): Ach, der!

TONI (abermals nach einer kleinen Pause): Und die Jungens?

FRAU SELICKE: I! die wollten 'n vom Komptoir abholen! Aber die treiben
sich ja doch wieder auf dem Markt rum, die Schlingels! Das is ja doch
die Hauptsache! Die können's auch nich satt kriegen! ... Na, ich will
nun ... Du bist ja ganz durchfroren! (Geht wieder in die Küche zurück).

TONI (die wieder zum Ofen getreten ist): Dann .... dann reisen Sie nun
wohl bald?

WENDT (der unterdessen an's Fenster getreten war und die ganze Zeit über
auf den Hof hinab gesehn hatte. Er hat sich wieder umgedreht und sieht
nun, sich mit den Händen hinten aufs Fensterbrett stützend, wieder zu
Toni hinüber): Ja! Morgen!

TONI (leicht erschreckt): Morgen schon?

WENDT: Ja!

TONI (nach einer kleinen Pause): Ach, die Handschuhe! (Holt sie sich und
tritt mit ihnen an das kleine Tischchen links, in dessen Schublade sie
sie hineinthut. Lächelnd): Sehn Sie mal! Da hat er wieder den _Spiegel_
neben's Bauer gestellt .... Der Vogel soll denken, es is noch'n andrer
da, mit dem er sich unterhalten kann .... Der Vater spricht mit dem
Vogel, als wenn er ein Mensch wär'!

WENDT (ist vom Fenster weggetreten und steckt sich nun das Papier vom
Tisch wieder in seine Rocktasche): Ja! ja! ...

TONI: Hm? ... Mätzchen! Mätzchen! ... Ordentlich zärtlich ist er mit
ihm! Der Vater ist ein grosser Thierfreund!

WENDT (der unterdess auf sein Zimmer links im Vordergrund zugegangen
ist, sieht ihr, die Hand auf der Klinke einen Augenblick lang
unentschlossen zu. Zögernd): Ja! ich ....

TONI (ihn unterbrechend): Ach, sagen Sie doch! Wie spät ist's denn? (Mit
einem Blick auf den Regulator) der kann doch unmöglich richtig gehn?

WENDT (der jetzt die Thür aufgeklinkt hat): Etwas nach Sechs!

TONI: Nach Sechs? Da müsste er doch nun ... (Seufzt.)

   (Wendt geht langsam in sein Zimmer. -- Toni, die ihm nachgesehn hat,
   bleibt einen Augenblick in Gedanken stehen, seufzt und geht wieder
   auf den Sophatisch zu. Sie nimmt das Bündel auf den Teppich runter
   und knotet es auf. Frau Selicke kommt mit dem Kaffee.)

FRAU SELICKE: Hier! Nu trink erst! (Setzt die Kanne auf den Tisch.)

TONI (die sich vor dem geöffneten Bündel auf dem Teppich niedergekauert
hat): Ja. Gleich!

FRAU SELICKE (hat sich leicht auf den Sophatisch gestützt und sieht ihr
zu): Mäntel? ... Da kannst Du wieder die ganzen paar Feiertage sitzen!
Ach ja! Du hast doch auch gar nichts von Deinem Leben!

TONI (immer noch mit dem Ordnen der Zeugstücke beschäftigt): Na! 's ist
doch wenigstens ein kleiner Nebenverdienst!

FRAU SELICKE (aufseufzend): Ach ja, ja!

TONI: Aber ein _Leben_ auf den Strassen? Kaum zum Durchkommen!

FRAU SELICKE (nickend): Das glaub ich! ... Du wirst Dich schön haben
schleppen müssen mit dem alten Bündel! Bist Du denn nich wenigstens ein
Stück mit der Pferdebahn gefahren?

TONI: Ach, Alles voll! Alles voll! Da war gar nicht anzukommen!

FRAU SELICKE (ihr die Tasse zuschiebend): Aber Du trinkst ja gar nicht!
Trink doch erst!

TONI: Ja! (Erhebt sich und schenkt sich den Kaffee ein. Ihn schlürfend,
von der Tasse zu Frau Selicke aufsehend): Schön warm!

FRAU SELICKE: Bist Du der Mohr'n vorhin begegnet?

TONI: Ja, auf der Treppe! Sie hielt mich an!

FRAU SELICKE: Sie wollte mal wieder horchen? Nicht wahr?

TONI: Ja! ... Sie fing natürlich von Linchen an! Und, was wir diesmal
für'n schlechtes Weihnachten durchzumachen hätten und so, na Du weisst
ja!

   (Sie bückt sich wieder zu ihren Mänteln.)

FRAU SELICKE: Nein, solche Menschen! Um was die sich nich alles kümmern!

TONI: Na, von mir bekommt sie nichts raus!

FRAU SELICKE: Die mögen schön über uns schwatzen! .... Solche Menschen!
Die sollten sich doch lieber an ihre eigene Nase fassen! Die! Die trinkt
Bier wie'n Kerl! Den richtigen Bierhusten hat sie schon! Hast Du noch
nicht gemerkt?

TONI: Na, ja! Lass doch man, Mutterchen! Lass sie alle machen, was sie
wollen! Sie geben uns ja doch nichts dazu! (Ist aufgestanden und steht
nun, die Hände unter der Tischplatte, da.) Rück doch mal'n bischen den
Tisch! Ich möchte mir da die Mäntel zurecht legen! (Frau Selicke hilft
ihr.) Der Vater kann doch jetzt unmöglich mehr auf dem Komptoir sein?

FRAU SELICKE (hat vom Tisch wieder ihren Strickstrumpf aufgenommen und
sich die Brille aufgesetzt. Vom Stuhl vor dem Bette Linchens her): I,
ich dachte gar! ... Wer weiss, wo der jetzt wieder steckt!

TONI (hinter dem Tisch auf dem Sopha die Zeugstücke ordnend): Na, er
wird auf dem Weihnachtsmarkt sein und ein bischen etwas einkaufen, für
Linchen!

FRAU SELICKE: I, jawohl doch! Und .... du lieber Gott, was soll nicht
alles von den paar Groschen bezahlt werden! Wer weiss übrigens, ob er
diesmal so viel zu Weihnachten kriegt wie sonst! .... Er thut wenigstens
so! .... Das heisst, auf den kann man sich ja nie verlassen! Der sagt
einem ja nie die Wahrheit! .... Andre Männer theilen ihren Frauen alles
mit und berathen sich, wie's am besten geht, aber unsereiner wird ja für
garnichts ästimirt! Der weiss ja alles besser! ... Nein, so ein
trauriges Familienleben, wie bei uns .... Pass mal auf: Der hat heute
wieder ein paar Pfennige Geld in der Tasche und kömmt nu vor morgen früh
nich nach Hause!

TONI: Na, ich dachte gar! ... das wäre doch! ... Heute!

FRAU SELICKE: Na, du wirst ja sehn! Vergang'ne Nacht hat mir wieder mal
von Pflaumen geträumt, und dann kann ich jedesmal Gift darauf nehmen,
dass es Skandal giebt!

TONI: Ach Gott! darauf kann man doch aber nichts geben!

FRAU SELICKE: Na, pass auf! Meine Ahnungen trügen mich nie!

TONI: Aber wie kann man blos so abergläubisch sein, Mutterchen!

FRAU SELICKE: Abergläubisch? Nein, gar nicht! Ich bin garnicht
abergläubisch! Aber es ist doch komisch, dass es bis jetzt jedesmal
eingetroffen ist!

TONI: Ach, Mutterchen!

FRAU SELICKE: Nein, nein! Du sollst sehen! Ich kann mich heilig darauf
verlassen! (weinerlich) Pass mal auf! Pass mal auf!

TONI: Ach siehst Du, Mutterchen! Wenn Du Dich vorher schon immer so
ängstlich machst, dann ist es ja gar kein Wunder! ... Mach's wie ich!
Lass ihn kommen! Widersprich ihm mit keinem Wort! ... Lass ihn
räsonniren, soviel wie er will! Einmal muss er dann doch aufhören und
durch sein Räsonniren wird es ja doch nicht besser.

FRAU SELICKE: Ach Gott ja! Eigentlich ist's auch wahr! Man müsste
garnich drauf hören! Wenn ich nur nich so nervös wäre! Wenn ich ihn dann
aber so sehe, in seinem Zustande, und er kommt dann auch noch mit seinen
Ungerechtigkeiten, dann kann ich mich nich halten! ... Es ist mir rein
unmöglich! .... Dann läuft mir jedesmal die Galle über!

TONI: Siehst Du! Aber grade dadurch wird es immer erst schlimm! Lass ihn
schimpfen, die Augen rollen, Fäuste machen: Du musst es gar nicht
beachten! Schliesslich thut er ja doch nichts! ... Siehst Du, Du musst
mich nicht falsch verstehn! aber ich glaube, Du hast ihn von Anfang an
nicht recht zu behandeln gewusst, Mutterchen!

FRAU SELICKE: Ja! 's is auch wahr! ... Er hätte nur so eine recht
resolute haben sollen!

TONI: Ach, nein! So meinte ich's nicht! ... Ach!

FRAU SELICKE: Nein! 's ist ja wirklich wahr! ... Da soll man sich nun
nicht empören! ... Hier liegt das arme Kind krank, man weiss nich vor
Sorgen wohin? Andre Leute freuen sich heute, und wir ... Na! und dann
soll man ihm auch noch freundlich entgegenkommen? ... Das _kann_ ich
einfach nicht! Das _kann_ ich nicht!! ....

TONI (seufzend): Aber dann würde er sicher anders sein, wenn Du Dich ein
bischen zwängst, Mutterchen! ... Er ist ja im Grunde eigentlich gar
nicht so schlimm, wie er thut!

FRAU SELICKE: Er hat mich die ganzen Jahre her zu schlecht behandelt!
Ich _kann_ mich nicht überwinden, freundlich mit ihm zu sein!

TONI: Ach ja, ja! (Kleine Pause. Holt aus dem Tischchen links ihr
Nähzeug vor, setzt sich einen Stuhl an den Sophatisch und beginnt zu
nähen.)

FRAU SELICKE: Willst Du heute noch nähen?

TONI: Ja, ein bischen!

FRAU SELICKE: Ach! das ist nun Heiligabend! Das sind Festtage! .... So
ein trauriges Weihnachten haben wir wirklich noch nie gehabt!

TONI: Na! Eine kleine Freude macht er Linchen und den Jungens doch! Und
wir Andern? Liebe Zeit! ...

FRAU SELICKE (gähnt): Ach, bin ich -- müde! ... Nächtelang hat man kein
Auge zugethan und mein Fuss thut auch wieder so weh ....

TONI: Ja! Leg Dich ein bischen hin, Mutterchen! Du strengst Dich
überhaupt viel zu sehr an! Das solltest Du gar nicht!

FRAU SELICKE: Ja ja! Du hast eigentlich auch recht! Ich will mich 'n
bischen schlafen legen! (zum Bett hin.) Ach, mein Mäuschen! (Ist
aufgestanden, hat ihr Strickzeug zusammengewickelt und es mit der Brille
auf den Tisch gelegt.) Heute Nacht hat man ja doch wieder keine Ruhe!
Das weiss ich schon! Ach ja! ... (Gähnt. Schon in der Kammerthür.) Ja,
und nun geht Herr Wendt auch schon zu den Feiertagen, und eh' man dann
wieder 'n Miether kriegt! .... Ach Gott ja! ... Na! ... (verschwindet in
der Kammer.)

TONI (über ihre Arbeit gebückt, allein. Pause. Ab und zu seufzt sie.
Fernes Glockengeläute, das eine Zeit lang während des Folgenden
fortdauert. -- Es klopft an Wendt's Thür. Toni zuckt leicht zusammen.
Dann): Herein?

WENDT (tritt ein): Störe ich?

TONI: O nein! ... Wünschen Sie etwas?

WENDT (zum Tisch tretend): Ich? ... Nein! (Sieht ihr einen Augenblick
zu.) Sie arbeiten heute noch?

TONI: Ja! 's hilft nichts! Ich muss in den Feiertagen damit fertig
werden!

WENDT: In den Feiertagen? ... Mit ... mit all den Mänteln da?

TONI (lächelnd): Ja! Ein tüchtiges Stück Arbeit ist es! .. Hören Sie?
Die schönen Weihnachtsglocken!

WENDT (während er sich ebenfalls einen Stuhl holt und diesen neben den
Tonis stellt): Ja! Die Weihnachtsglocken! Die Weihnachtsglocken!

TONI: Hören Sie das Glockengeläute nicht gern?

WENDT: Die Berliner Glocken sind schrecklich! So eilig! So ... so ...
eh! (macht eine Handbewegung.)

TONI: Wie?

WENDT: Ach! So -- nervös, mein ich!

TONI: Nervös? Ach!

WENDT: Nein! Ich höre die Glocken hier nicht gern!

TONI: Sie wollen doch aber nun Pastor werden?

WENDT: Ja!

TONI: Zu Weihnachten klingen sie immer schön, find' ich! ... Als ich
noch ganz klein war, ging der Vater mit uns am ersten Feiertag Morgen in
die Christmette. Ganz früh. Wir wurden dann tüchtig eingemummelt und
jedes hatte ein kleines Wachsstöckchen. Das wurde in der Kirche
angezündet, und wenn wir dann wieder nach Hause kamen, kriegten wir
bescheert. Ich muss immer daran denken, wenn ich hier zu Weihnachten die
Glocken höre! ... Freilich so schön klingen sie nicht, wie bei uns zu
Hause!

   (Kleine Pause. Man hört nur ein wenig stärker und näher das
   Geläute.)

WENDT (ein wenig erregt): Ach ja! Das ... damals ... damals waren sie
... Weihnachten war schöner damals! ... Hm! -- (Beugt sich zu ihr hin,
ohne sie anzusehen.) Toni! Sagen Sie mal!

TONI: Wie?

WENDT: Ich meine ... hm! Ja! Ich musste -- nur eben wieder daran denken
-- dass ich nun morgen, morgen schon von hier fortgehe!

TONI (ohne aufzusehn): Ja! Sie bekommen ja nun -- eine Stellung!

WENDT: Eine Stellung! (Sich zurücklehnend) Komme nun, sozusagen, in
geordnete, bürgerliche Verhältnisse. Ja! Eine Landpfarre!

TONI: Auf's Land kommen Sie?

WENDT: Ja, auf's Land! Auf's Land!

TONI: Ach, das muss Ihnen gewiss recht angenehm sein! Es hat Ihnen ja so
wie so nicht mehr recht hier in der Grossstadt gefallen!

WENDT: Ja, man lernt hier so viel kennen! ... Aber nun! Landpastor also!
... Eine lange Pfeife, wie der Herr Kopelke sagt, eine Bienenzüchterei
und ... und hahaha!

TONI (sieht auf): Sie sagen das so sonderbar! Sind Sie mit Ihrer
Stellung nicht zufrieden?

WENDT: Ach, das ... das ist ja gleichgültig!

TONI: Gleichgültig?

WENDT: Ach, das ... Es könnte freilich -- unter Umständen -- recht schön
sein! (Sieht Toni plötzlich voll an, diese bückt sich noch tiefer über
ihre Arbeit.) Aber ich wollte ja ... Ich meinte ... (er beugt sich
wieder zu ihr hin.) Alle die Mäntel müssen Sie nun also in den --
Feiertagen nähen?

TONI (leise ernst): Ja! Es macht freilich so mehr Mühe mit der Hand!
Aber mit der Nähmaschine geht's jetzt nicht, wo Linchen krank ist.

   (Pause.)

Ja, das wird nun ...

WENDT: Wie meinen Sie?

TONI: Zwei Jahre haben ... Sie nun ... hier gewohnt!

WENDT: Aber die Handarbeit ... das fortwährende Nähen muss doch Ihre
Gesundheit sehr angreifen!

TONI (mit einem Lächeln): Ach, ich bin nicht schwächlich! Man muss nur
Ausdauer und ein bischen Geduld haben.

WENDT (sich zusammenraffend): Geduld ... Ja! Toni! Ich wollte Sie nun
etwas fragen! ... Ich habe schon einmal ... Sie nahmen's damals für
Scherz ... und ich sah damals auch ein, dass ich noch kein Recht hatte
... Aber jetzt kann ich Sie ja mit mehr Recht fragen ... Jetzt, wo ich
in -- geordnete Verhältnisse komme! Ich meine ... wollen ... wollen Sie
mir auf meine -- Landpfarre folgen? (Das Geläute hört auf.)

TONI: Sie ... ob ich -- Ihnen ...

WENDT: Ja! Ob Sie mir jetzt folgen wollen?

TONI: Ach ... (Sie bricht in Thränen aus.)

WENDT: Sie weinen?!

TONI: Warum ... das ist -- nicht Recht von Ihnen, dass Sie wieder davon
-- sprechen!

WENDT: Nicht Recht?! ... Warum?! ... Toni! Jetzt?

TONI: Das -- geht ja doch nicht! Das geht ja nicht!

WENDT: Das -- geht nicht?!

TONI: Nein! ... Ach Gott!

WENDT: Aber warum denn nicht?

TONI: Ach Gott!

WENDT: Es geht Toni! _Jetzt geht es!_ ... Wissen Sie: in diesen Tagen
fand ich hier ein Buch!

TONI: Ein ... Buch?

WENDT: Ein einfaches Büchelchen! ... Zwei Bogen gelbes Conceptpapier in
ein Stück blaue Pappe geheftet. Mit solchem weissen Zwirn da! Jemand
hatte es hier liegen lassen, aus Versehn!

TONI (sehr verwirrt): Ein ... das ...

WENDT: Ich habe darin gelesen! ... Es waren allerlei Notizen darin!
Tagebuchnotizen! Selbstbekenntnisse, die Eine für sich gemacht hatte,
die immer so still und bescheiden ist, alles mit sich selbst im stillen
abmacht und auskämpft! ...

TONI (weint heftiger): Ach! ... Warum haben Sie darin gelesen?

WENDT (rückt näher zu ihr und sucht ihr in's Gesicht zu sehen): Ich war
sehr, sehr glücklich, als ich das Alles las!

TONI: Ach! Ich ... aber ich _darf_ doch hier nicht fort!

WENDT: Du _darfst_ nicht?! Toni! Bist Du ... ich meine: Kannst Du's hier
-- aushalten?! Bist Du hier glücklich?!

TONI (immer noch weinend): O Gott! O Gott!

WENDT (sehr erregt): Nein! Nein! Das ist unmöglich, Toni! ... Ich habe
vorhin, drin in meinem Zimmer, gehört, was Du mit Deiner Mutter
sprachst! Ich habe mehr als zwei Jahre hier gewohnt und alle die Scenen
mit angehört, die furchtbaren Scenen! ... ich habe Euer ganzes,
unglückliches Familienleben kennen gelernt! Zwei Jahre lang hab' ich das
Alles gehört und gesehen! Zwei Jahre lang! Und es hat mich ... (Stöhnt
auf.) Und Du! Wenn man denken muss: zweiundzwanzig Jahre hast Du in alle
dem Elend gelebt und hast es ertragen müssen! Zweiundzwanzig Jahre! ...
Herr mein Gott! Zweiundzwanzig Jahre!

TONI (verlegen -- trotzig): O, der Vater ist gut ... ein bischen
aufbrausend, aber ... Ach Gott! (Schluchzt.)

WENDT (verbittert): Gut! Gut! (Lacht auf, zornig.) Nein! Nein! Du
_darfst_ nicht länger bleiben! Du _darfst_ nicht länger in diesem
traurigen Elend leben! Hörst Du! Du verdienst das nicht! Du passt nicht
hierher?

TONI: Aber ich ...

WENDT: Hast Du denn gar kein Bedürfniss nach Glück?!

TONI (schüchtern, forschend): Glück?! Ich -- weiss nicht! ... Ich --
verstehe Sie nicht!

WENDT: Ach, ich spreche da! Ich ... ich meine: hast Du denn nicht
manchmal den Wunsch gehabt, hier wegzukommen, in ruhige, schöne
Verhältnisse? Wo Du nicht Tag für Tag -- Herrgott! -- _Tag für Tag!_ all
das Elend hier vor Augen hast? Wie?

TONI: Aber ...

WENDT (leise, etwas höhnisch): Ich habe auch _davon_ etwas in dem
kleinen, blauen Büchelchen gelesen! Siehst Du? Ich kenne Dich ganz
genau! Du bist auch nur ein Mensch!

TONI: Ach! Warum haben Sie nur ... (Weint von neuem.)

WENDT (fortgerissen): Nein! Es ist ja hier .... Das _kann_ ja kein
Mensch _ertragen_! Dein Vater: brutal, rücksichtslos, Deine Mutter:
krank, launisch; beide eigensinnig; keiner kann sich überwinden, dem
andern nachzugeben, ihn zu verstehen, um ... um der Kinder willen!
Selbst jetzt, wo sie nun alt geworden sind, wo sie mit den Jahren
vernünftiger geworden sein müssten! Die Kinder _müssen_ ja dabei zu
Grunde gehn! Und das ist _ihre Schuld_, die sie gar nicht wieder gut
machen können! Einer schiebt sie auf den andern! Keiner bedenkt, was
daraus werden soll! ... Und das nun schon lange, schrecklich lange Jahre
durch! Dabei Krankheit und Sorge ... Furchtbar! Furchtbar!! Wenn man
sich in den Gedanken versenkt ... tt! ... Nein, das ist alles zu, _zu_
schrecklich! Das sind keine vernünftigen Menschen mehr, das sind ... Ae!
Sie sind einfach jämmerlich in ihrem nichtswürdigen, kindischen Hass!
... (Ist aufgesprungen und geht nun mit grossen Schritten im Zimmer
umher.)

TONI (schluchzend): O, wie können Sie nur so von Vater und Mutter
sprechen! Sie sind Beide so gut! Wie können Sie das nur sagen!

WENDT (sich mässigend. Setzt sich wieder zu ihr, den Stuhl noch näher zu
ihr rückend): O, ich ... t! ... _Höre_ doch nicht, was ich schwatze! Ich
..... Nein! Ich meine ... Du kannst doch _unmöglich_ hier _bleiben_! ..
Weine doch nicht, liebe Toni! Missversteh mich doch nicht! Ich meinte ja
nur! ... Sieh mal! Du musst Dich ja bei all' dem Elend _aufreiben_! Es
ist unerträglich, geradezu _unerträglich_, dass Du -- Du! -- hier
verkümmern sollst! ... Und mach Dich doch nicht stärker, als Du bist,
Toni! Ich _weiss_ es ja, Toni! Siehst Du? Ich _weiss_ es ja, dass Du
Dich hier heraussehnst!

TONI: O, wenn man mal ... 'n bischen ... ungeduldig ist! ... Das habe
ich nur so -- hingeschrieben!

WENDT: Nur so ...? Ach was! Das glaubst Du ja selbst nicht, Toni! Das
war ja ganz natürlich?! Ganz berechtigt?!

TONI: Ach sprechen Sie doch nicht mehr davon! ... Ich bitte Sie! ...
Sprechen Sie nicht mehr davon!

WENDT: Siehst Du? Du hast Angst, das zu hören! Aber doch! _Grade_ musst
Du das hören! Die Aufopferung muss doch ihre Grenze haben! ...
Zweiundzwanzig Jahre! Einen Tag nach dem andern, Jahr aus, Jahr ein,
immer dasselbe Elend, dieselbe Noth! Das ist ja geradezu der pure
Selbstmord! Nein! Du _musst_ hier fort! Du hast ein _Recht_, an Dich und
Deine Zukunft zu denken! ... Warum sollst Du hier verkümmern?! Warum?!
Was kann Dich dazu verpflichten?! ... Was hat Dein Vater und Deine
Mutter _gethan_, dass sie das verdienen?! Nun?! ... Haben Sie an Deine
Zukunft gedacht?!

TONI: Ich ... ich weiss nicht! ... Ach, reden Sie doch nicht so! Sagen
Sie doch _das_ nicht!

WENDT: Heute, am heiligen Abend, sitzst Du da in Angst und Bangen, wo
sich Jeder freut, und flickst Dich krank! Nein! Das ist -- empörend!!
Das ... Sieh mal, Toni! Warum sollte es nicht gehn? Thust Du ihnen denn
nicht selber einen Gefallen? Es muss ihnen doch nur lieb sein, wenn Du
»versorgt« bist?! Wenn sie einen »Esser wen'ger« haben? Ist Dein Vater
nicht vielleicht grade deshalb so, weil er sich über Deine Zukunft Sorge
macht? Hat er Dir nicht mehr wie einmal vorgeworfen, dass Du noch hier
bist?

TONI: O, das _meint_ er ja nur so!

WENDT: Soso!

TONI: Und dann ... die Mutter! Ich kann doch die Mutter nicht hier so
allein lassen? Sie ist so krank und schwächlich! Sie kann mich garnicht
mehr entbehren!

WENDT (eifrig, fasst ihre Hand): Ach, was _das_ anbetrifft; sieh mal ...

TONI (horcht auf): Warten Sie mal! (Entwindet ihm ihre Hand, steht auf
und schleicht sich auf Spitzzehen zum Bett hin. Einen Augenblick
beobachtet sie die Kranke, dann kehrt sie wieder zurück.) Nein! ... Ich
dachte ... Linchen ... (Pause) ... Und ... (weint noch heftiger).

WENDT (hat sie die ganze Zeit gespannt beobachtet und bricht nun
seufzend zusammen): Ach Gott ja! (Sich auf seinem Stuhl wieder
aufrichtend) Sieh mal! Was _das_ anbetrifft ... und ... Linchen ... Du
meinst Linchen? ... O, sie ist ja in den letzten Tagen ... man kann doch
unmöglich sagen, dass es grade schlimmer mit ihr geworden ist! ..
(schneller) Sieh mal! Wenn sie Dich nun versorgt wissen, ist ihnen doch
schon eine grosse Last genommen! Und dann könnten wir sie ja auch
unterstützen, nicht wahr? Und wenn erst ihre _äussere_ Lage etwas besser
ist, dann ist ja auch Vieles, Vieles gleich ganz anders! Und dann ...
ja, dann sind sie ja auch mit den Jahren -- dieses Zusammenleben so
gewohnt geworden! Nicht wahr? Sie würden vielleicht etwas _entbehren_,
wenn sie's anders hätten auf einmal, ich meine -- versteh' mich! -- wenn
sie's _ganz_ anders hätten! ... Der Mensch gewöhnt sich ja an das
Allerunglaublichste!

TONI: Ach, nein ... nein ...

WENDT (in höchster Aufregung, sich aber noch fassend): Toni! ... Ich
weiss nicht, Du hast so viele Bedenken, so viele ... Sag's! Sag's grade
raus! Hast Du das vielleicht -- _auch_ nur so geschrieben, dass ... dass
Du ... mich lieb hast? _Kannst_ Du mir nicht folgen, weil ... Du mich
... nicht lieb hast?

TONI: Ob ich Dich ...? Aber ... o Gott! Was sag' ich!

WENDT (freudig): O, nicht wahr? (Drückt ihr die Hand.) Liebe!

TONI (schluchzt nur).

WENDT (wieder sehr erregt): Und dann, liebe Toni, siehst Du? muss ich
Dir noch _etwas_ sagen! Ich bin ... ich weiss nicht ... aber Du musst
mich _recht_ verstehen, ich ... ich bin so gut wie -- todt! (Toni sieht
ihn erschrocken an und rückt in naivem Schreck unwillkürlich ein wenig
von ihm ab. Hat aufgehört zu weinen. Wendt spricht das Folgende immer
noch in grösster Erregung wie zu sich selbst.) Als ich zu studiren
anfing, da war ich frisch und lebendig, voll Hoffnung! Da glaubte ich
noch an meinen Beruf! Da hatte ich noch Ziele, für die ich mich
begeisterte! ... Aber das hat sich alles geändert! ... Seitdem ich
hierher gekommen bin in dieses ... in die Grossstadt, mein' ich ... und
all das furchtbare Elend kennen gelernt habe, das ganze Leben: seitdem
bin ich -- innerlich -- so gut wie todt! ... Ja! Das hat mir die Augen
aufgemacht! ... Die Menschen sind nicht mehr das, wofür ich sie hielt!
Sie sind selbstsüchtig! Brutal selbstsüchtig! Sie sind nichts weiter als
Thiere, raffinirte Bestien, wandelnde Triebe, die gegen einander
kämpfen, sich blindlings zur Geltung bringen bis zur gegenseitigen
Vernichtung! Alle die schönen Ideen, die sie sich zurechtgeträumt haben,
von Gott, Liebe und .. eh! das ist ja alles Blödsinn! Blödsinn! Man ..
man tappt nur so hin. Man ist die reine Maschine! Man ... eh! es ist ja
alles lächerlich! (Mit einer hastigen Bewegung zu ihr.) Siehst Du, liebe
Toni! Deshalb _kannst_ Du und _darfst_ Du einfach gar nicht »Nein«
sagen! Du bist meine einzige Rettung! ... Ich könnte ohne Dich keinen
_Tag_ mehr leben, oder ich müsste verrückt werden, einfach verrückt! Du
... Du bist das Einzige, woran ich nicht zweifle! Alles Andre versteh'
ich! Alles Andre ist mir so unheimlich klar und durchsichtig! Aber Du
... Du?! ... Wenn ich Dich so sehe, so still leidend, so geduldig, da
... möcht' ich Dich -- haben!! ... für Dich leben, verstehst Du? Und ...
Alles Andre ... hahaha! ... ich pfeife, pfeife drauf! ... Nur Du ...
Du!! ... (Sieht sie an, kommt plötzlich wieder zu sich und springt auf.)
Du! ... Was ... was hab' ich -- gesprochen? Du weinst?! Mädchen! ...
Herrgott! (Rückt ganz nahe zu ihr. Spricht das Folgende sehr sanft.)
Ach, siehst Du! Das war ja alles Unsinn, Thorheit! Ich weiss nicht ...
tt! ... Ich meinte ... siehst Du? ... man lernt so viel kennen in der
Welt, was einen niederdrückt, missmuthig macht ... so _manchmal_, mein
ich! ... Nicht wahr? ... Deshalb wirft man ja aber doch die Flinte nicht
gleich in's Korn?! ... Das geht Allen so! ... Ich meinte nur: wenn zwei,
so wie wir, sich zusammenthäten, dann würd' es ihnen leichter, das Leben
zu ertragen! ... So meint' ich! ... Ich habe da ... ich weiss nicht, wie
ich das alles so hingeschwatzt habe! ... Das ist ja alles
selbstverständlich! ... Es ist ja weiter gar nichts dabei! ... Es ist
ganz einfach! Weine doch nicht mehr, mein liebes, liebes Mädchen! ....
Nein, ich ... ich ... Narr! .... Beruhige Dich! ... Beruhige Dich doch!
... Hörst Du? ... Hab' ich Dich so erschreckt?

TONI (rückt näher zu ihm, schmiegt sich an ihn): Nein ich ... ich
bedaure Dich so!

WENDT (sie an sich drückend): Du -- bedauerst mich?! Mädchen!

TONI: Kannst Du denn dann aber Pastor werden?

WENDT (glücklich): Ach das ... das ist ja eine Form! Das ist Nebensache!

TONI: Aber wenn Du nicht glaubst, dass ... wenn Du nicht an -- Gott
glaubst?

WENDT: An Gott glaubst! ... Die Hauptsache ist, (innig) wir werden uns
dort beide auf dem Lande so wohl fühlen, so wohl! Wir werden so
glücklich sein! Nicht wahr?

TONI: Aber ...

WENDT: Wir leben dann still für uns in ruhigen, schönen Verhältnissen!
Wir werden ganz andere Menschen sein! Und dann sollst Du sehn, wie ich
den Leuten predigen werde! Der Katechismusgott soll dann erst lebendig
werden, lebendig! ... _Wir verstehen das Leben! Wir wissen, wie
miserabel es ist, aber wir haben dann auch, was mit ihm versöhnt! Und
das ist besser als alle Kanzelphrasen, wenn wir das den Leuten
mittheilen._

TONI: Aber ... ich weiss nicht ... wenn Du doch nicht wirklich glaubst
.....?

WENDT: Kein offizieller Glaube, aber ein besserer, lebendigerer! ...
Lass nur! Du sollst sehen! ... Denke Dir: Eine herrliche Gegend!
Laubwald! Berge! Getreidefelder! Stilles, gesundes Landleben! .... Unser
Haus hinter der kleinen Dorfkirche, ganz von Weinlaub umrankt, mitten in
einem grossen Obstgarten mit einem Hühnerhof. Ringsherum eine grosse,
hohe Mauer und dadrin hausen wir, wir beide, ganz abgeschlossen von der
Welt, aber ohne Hass, und das ist die Hauptsache! Und wenn Du mir dann
Sonntags in den Talar hilfst und ich durch den kleinen Friedhof in die
Sakristei spaziere, dann sollst Du einmal sehen, was ich den Leuten
predigen werde! Sie sollen schon mit dem neuen Pastor zufrieden sein!
Nicht?!

TONI (die ihm aufmerksam, vor sich hinlächelnd, zugehört hat): O, das
wäre schön!

WENDT: Ja! Nicht wahr?! Nicht wahr?!

TONI: Aber hier, was sollen sie denn hier anfangen?

WENDT: Ach, das wird dann auch alles ganz anders! Du sollst sehen! ...
Albert hat dann ausgelernt und verdient mit zu. Walter wird ja auch bald
confirmirt und Du, Du bist dann »versorgt«: dann werden sie nicht mehr
so viel Grund haben ...

TONI: Ach ja! Vielleicht! ... Ach, das wäre so schön, so schön!

WENDT: Nicht wahr?!

TONI: Ja, ja! Das ginge! Vielleicht! ... Dann würde es wohl hier besser
werden!

WENDT: Sicher! Und dann ... Vergiss doch nicht! Dann sind _wir_ ja
_auch_ da!

TONI: Aber Linchen! Wenn Linchen nur nicht immer so krank wäre?!

WENDT (hastig): Ach, siehst Du ... sie ... sie ist ja ....

TONI (zusammenschauernd): O Gott, wenn sie stirbt!

WENDT: Stirbt? (Unruhig.) Ach, wie kommst Du nur darauf?

TONI: Ach, weisst Du! Ich (weint) habe so wenig Hoffnung!

WENDT: Aber ich bitte Dich! Du hörst ja!

TONI: Ach ja, ja! ... Sie ist das Einzige, was Vater und Mutter haben!
Sie ist ihre einzige Freude! Wenn _sie_ nicht noch wäre ... Siehst Du,
das ängstigt mich so! Das wäre zu schrecklich! Zu schrecklich! (Vor sich
hinstarrend.) Wenn sie stirbt und wenn ich dann _auch_ noch fort wäre
... (Wirft sich ihm um den Hals.) Ach nein! Nein! Das _geht_ ja gar
nicht! Das _geht_ ja gar nicht! Dann wäre hier Alles noch viel, viel
schlimmer ....

WENDT (sie sanft von sich loslösend): Aber wie kommst Du denn nur
darauf, liebe Toni? Es liegt ja gar kein -- Grund vor! Nein! Wir nehmen
sie dann später _zu_ uns, dass sie sich in der gesunden, schönen Luft
ganz erholen kann! Quäle Dich doch nicht immer so! Es wird und _muss_
jetzt alles besser werden! Ich hab's so im Gefühl: wenn alles am
trostlosesten aussieht, wenn es gar nicht mehr schlimmer werden kann,
dann _muss_ sich alles zum Guten wenden! Nein! Du wirst glücklich
werden, wir alle! Du wirst dort auf dem Lande wieder aufleben! Es wird
eine ganz andre Welt sein! ... Du siehst ja alles nur so schwarz an,
weil Du _nie_, _nie_ in Deinem ganzen Leben etwas anderes als die Noth
hier kennen gelernt hast!

TONI (aufseufzend): Ach ja! Das ist vielleicht auch wahr!

WENDT (beugt sich über sie): Also, nicht wahr, Toni?

TONI: Ja, ja! -- Wenn ...

WENDT: Still! Still! (Küsst sie.) O, nun wird die Welt so schön werden!
So schön!

TONI: Schön? ... Ach Gott ja!

WENDT: Ja! Schön! ... Trotz alledem! (Küsst sie.)

TONI: Lieber! (Erwiedert seinen Kuss.)

WENDT (nach einer kleinen Pause. Scherzend): Fru Pastern!

TONI (lächelnd): Ach Du!



                            Zweiter Aufzug.


                            Zweiter Aufzug.

   (Dasselbe Zimmer. Es ist Nacht, durch das verschneite Fenster fällt
   voll das Mondlicht. Frau _Selicke_ sitzt wieder neben dem Bett und
   strickt, _Toni_ arbeitet am Sophatisch, auf welchem hinter dem
   grünen Schirm die Lampe brennt, _Albert_ sitzt neben ihr, liest,
   blättert und gähnt ab und zu, _Walter_ steht vor'm Fenster, die Arme
   auf das Fensterbrett gestützt.)

WALTER (vom Fenster weg zu Frau Selicke hin): Mama! Er kömmt immer noch
nich!

FRAU SELICKE (müde, etwas weinerlich): Ach ja! ... Na, heute können wir
uns wieder mal auf was gefasst machen.

WALTER (sich an sie drängend, sie umfassend): Mamchen! Biste wieder gut
mit mir? ... Ja? ... Mamchen!

FRAU SELICKE: Ja! ... Ja! ... Wenn Du nur nich immer so ungezogen wärst!

WALTER: Ach Mamchen!

FRAU SELICKE: Ja! ... Ja! ... 's is schon gut! .... Lass mich nur!

WALTER (immer noch schmeichelnd): Sag, Mamchen! Biste nu aber auch
wirklich _ganz_ gut mit mir?

FRAU SELICKE (lächelnd, abwehrend): Na ja! Ja, Du Schlingel!

WALTER: Armes Mamchen! (Küsst sie und stellt sich dann wieder vor das
Fenster hin. Nach einer kleinen Pause, während welcher Albert sich
zurückgelehnt, die Arme gereckt und laut gegähnt hat.) Du, Albert! Au,
kuck mal! Drüben bei Krügers brennt noch der Weihnachtsbaum!

ALBERT (hat sich faul erhoben und ist langsam, die Hände in den Taschen,
zum Fenster getreten): Ach wo, Du Peter! Is ja man 'n Licht in der
Küche! Wo soll denn jetzt noch 'n Weihnachtsbaum brennen?

WALTER (ihn unterbrechend): Halt doch mal! Horch mal! Ging -- da nich
die -- Hausthür?! ... (Nach einer kleinen Pause, weinerlich.) Nee! Ach,
nu kann man sich _wieder_ nich hinlegen!

ALBERT (gähnt faul).

FRAU SELICKE: Leg' Dich doch schlafen! Das wehrt Dir doch Niemand!

WALTER: Ach! ... (Wieder nach einer kleinen Pause.) Du, kuck mal,
Albert! Lauter goldne Flinkerchen hier auf'm Schnee! Wah? Das sieht
hübsch aus!

ALBERT (missgelaunt): Ja, ja!

WALTER: Ob e' was mitbringt, Mamchen? 'n Baum?

FRAU SELICKE (ohne von ihrem Strickzeug aufzusehen): Werden ja sehn! ...
(Gähnt.) Hach ja!

WALTER: Ach ja! Ich glaube! ... 'n Baum hab'n wir doch jedes Jahr
gehabt? Morgen früh könn'n wir'n ja immer noch anputzen! Wah, Mamchen?
Un wenn wir'n dann Abends anbrennen ... wah?

FRAU SELICKE (müde, abgespannt): Ja, ja!

WALTER: Na, un' Linchen bringt er doch auch was mit? Linchen?

FRAU SELICKE: Na! Er wird wohl! (Zählt ihre Maschen, seufzt.)

ALBERT (ist vom Fenster weg wieder auf den Tisch zugetreten): Nee, so'ne
Unvernunft von dem! (Mit einem Blick nach der Uhr.) 's is nu halb Zwei!

TONI (sieht in die Höhe): Sprich mal nich so vom Vater!

ALBERT (sich zu ihr auf's Sopha setzend und sie schmeichelnd um die
Taille fassend): Ach was, Tönchen! Sei man still! ... 's is doch wahr!
Näh mir lieber nächstens mal 'n paar Stege an die Hosen! He? ...

TONI (ihn sanft von sich abwehrend): Ach, nich doch, Albert! Red' Walter
zu und geht beide zu Bett!

FRAU SELICKE (unwillig vom Bett herüber): Ja doch! Stör' uns nich immer
und leg' Dich lieber hin für Dein unnützes Schmökern da!

ALBERT: _Na_, was soll man denn machen!

FRAU SELICKE: Statt den ganzen Tag, wenn Du frei hast, hier
umherzuliegen, könntest Du noch 'n bischen Sprachen lernen! Das braucht
'n Kaufmann heutzutage! Aber Du hast nich 'n bischen Lerntrieb!

ALBERT: Ach was, Mamchen!

FRAU SELICKE: Na, mach' doch, was Du willst! Mir kann's egal sein! ...
Mir wird so wie so bald alles egal sein! ... Ueberhaupt! Nenn' mich nich
immer Mamchen! Was denkste Dir denn eigentlich, Du Gelbschnabel?!

ALBERT: Na, liebe Zeit! Was wollt Ihr denn nur! Ich thu' doch meine
Schuldigkeit im Geschäft! Da solltest Du erst mal andre junge Kaufleute
sehn!

FRAU SELICKE: Na, ja ja! Is schon gut! Wissen ja! Lass uns nur
zufrieden!

WALTER: Ach, nu kömmt er immer noch nich!

FRAU SELICKE: Leg Dich zu Bett, Walter! Leg Dich zu Bett!

WALTER: Ach nee! Ich kann ja doch nich schlafen, Mutterchen, wenn Vater
nich da is!

FRAU SELICKE: O, und nun auch noch die _Schmerzen_ in meinem _Fusse_!
... Ich könnte laut _auf_schrei'n! ... Weiter nichts wie Elend und Sorge
und Aufregung hat man! Das ist das ganze bischen Leben! Wenn einen der
liebe Gott doch _endlich_ mal erlösen wollte!

ALBERT (geht mit gesenktem Kopfe verdriesslich auf und ab. Die Hände in
den Taschen seines Jacketts): Nein, das is auch eine Wirthschaft hier!
Wenn man doch erst mal ... he! ... Sitzt man bis spät in die Nacht rein
und wagt kein Auge zuzuthun und am andern Tag is man dann janz kaputt!

FRAU SELICKE: Ach, geh schlafen und predige uns nich auch noch was vor!
... Walter, leg Dich nun hin!

WALTER (Sieht immer noch aufmerksam zum Fenster hinaus): Ach nein,
Mamachen! Ich warte noch!

FRAU SELICKE: Na, warte man ...

ALBERT: Ae was! Ich leg' mich hin!

FRAU SELICKE: Das machste gescheidt!

ALBERT (mürrisch): Jute Nacht!

TONI: Gute Nacht!

ALBERT (nimmt, während er am Sophatisch vorbei geht, von diesem eine
Streichholzschachtel, klappert damit und verschwindet in der Kammer,
nachdem er bereits auf der Schwelle ein Zündhölzchen angestrichen und in
das Dunkel hineingeleuchtet hat).

FRAU SELICKE: Walter!

WALTER: Ach, Mamachen!

FRAU SELICKE: Ach was! Dummer Junge! .... Dir thut er ja nichts!

WALTER: O ja!

FRAU SELICKE: Ach, Dummheit! ... Leg' Dich hin! Geh! ...

WALTER: Au, unten kommt einer!

FRAU SELICKE (zusammenfahrend): Kommt e'?!

WALTER (weinerlich): Is 'n andrer!

FRAU SELICKE: Nein, so ein Mann! So ein Mann! ... Das kann er doch
wirklich nich verantworten! ... Walter! Geh' nun!

TONI (hat ihr Nähzeug auf den Tisch gepackt, ist aufgestanden, an's
Fenster getreten und nimmt nun Walter an die Hand): Komm, Walterchen!

WALTER (hat sie von unten auf umfasst und sieht zu ihr empor): Ach, lass
mich doch! Ich hab' ja solche Angst! ... Ich wart' hier lieber am
Fenster!

TONI: Dann geh ich _auch_ nicht schlafen! Na?

WALTER (weinerlich): Ach! -- (Macht sich von ihr nach dem Fenster zu
los.)

TONI: Komm!

WALTER: Gleich! (Sieht durch das Fenster.) Jetzt! (Lässt sich von ihr
nach der Kammer führen. Schluchzt. Während die Thür aufgeht, sieht man
noch das Licht brennen, das Albert sich angesteckt hat. Toni bückt sich,
küsst Walter und drückt dann die Thür wieder zu. »Gute Nacht!«)

WALTER: Ach, lass doch die Thür 'n bischen auf!

TONI: Na ja! ... So! ... (Eine Weile noch sieht man durch den Spalt das
Licht, dann verlischt es. Toni macht sich still wieder an ihre Arbeit.)

FRAU SELICKE: Nein! So ein komischer Junge! Sich so abzuängstigen! ...
Ueber was man sich nich alles ärgern muss? ... Nein! ... Ach! Na -- ich
sage auch schon! ...

   (Kleine Pause. Im Bett Husten und Stöhnen.)

LINCHEN: Ma--ma--chen! ...

FRAU SELICKE (beugt sich über die Kissen): Ach, da biste ja wieder,
meine Kleine?

LINCHEN: Warum -- kommt'n Papa noch nicht?

FRAU SELICKE: Sei nur ruhig! ... Weine nicht! ... Rege Dich nicht auf,
mein Herzchen! Er kommt nun bald! ... Ach Gott, ja!

LINCHEN: Er ist wieder -- betrunken! Nich wahr?

   (Toni lässt ihr Nähzeug sinken und sieht vor sich hin.)

FRAU SELICKE: Ach nein! ... Nein doch, mein Herzchen! ... Er is nur
einen Weg gegangen! ... Er bringt Dir was mit!

LINCHEN: Ach nein! ... Er will Dich nachher wieder schlagen!

FRAU SELICKE: Ach, aber meine Kleine! ... Weine doch nur nicht, mein
Linchen! ... Gott, nein! ... Siehste, Du darfst dich ja nich aufregen?!
Du wirst ja sonst nich gesund? ... Nein, mein Mäuschen! Er hat nur ein'n
Weg gehabt!

LINCHEN: Bringt er mir wieder Törtchen mit?

FRAU SELICKE: Ja.

LINCHEN: Ach Mamachen! Und 'ne neue Puppe möcht' ich auch so gerne
haben!

FRAU SELICKE: Ja, die kriegst Du! Und auch wieder Wein!

LINCHEN: Solchen süssen?

FRAU SELICKE: Ja.

LINCHEN: Aber weisst Du, Ma--machen .... es muss eine Puppe sein, die
... richtig sprechen kann ...

FRAU SELICKE: Ja! So eine!

   (Toni hört die ganze Zeit über in Gedanken versunken zu.)

LINCHEN: Auch ein'n ... Wagen ...?

FRAU SELICKE: Ja?

LINCHEN: Au! Denn ... fahr'n wir die Puppe immer spazier'n ...! Nich
wahr, Tönchen?

TONI: Ja, liebes Kind!

FRAU SELICKE: Ja, meine Kleine! Dann gehst Du wieder mit Tönchen
spazier'n!

LINCHEN: Au ja! ... Bald -- Ma--machen?

FRAU SELICKE: Ja! Bald! Ganz bald!

LINCHEN: Morgen?

FRAU SELICKE: Morgen? Aber, liebes Kind! Du musst Dich doch erst noch 'n
bischen erholen? .. Nich wahr? .. Aber diese Woche vielleicht!

LINCHEN: Bestimmt?

FRAU SELICKE: Ja! ... Bestimmt!

LINCHEN: Ma--machen ... Ja? Ich -- werde doch ... wieder gesund?

FRAU SELICKE: Ja, gewiss mein Mäuschen! ... Freilich!

   (Kleine Pause.)

LINCHEN: Ma--machen? ...

FRAU SELICKE: Hm?

LINCHEN (lächelnd): Kranksein is hübsch!

FRAU SELICKE: Ach Gott! .. Meine arme, dumme Kleine! ... Warum denn?
(Beugt sich zärtlich zu Linchen hin.)

LINCHEN: Weil .. weil Du dann .. immer ... so ... gut bist ...

FRAU SELICKE: O, aber mein Linchen! ... Bin ich denn sonst _nicht_ gut?

LINCHEN: Liebes Mamachen?

FRAU SELICKE: Was denn, meine Kleine?

LINCHEN: Mamachen?

FRAU SELICKE (rückt ihr etwas näher): Na?

LINCHEN: Nich wahr .... Ma--machen? ... Du -- zankst nich mehr ... mit
mir .. wenn ich ... erst wieder ... gesund ... bin ...

FRAU SELICKE: Ach, meine ... (küsst sie).

LINCHEN: Hast Du ... mich ... lieb, Ma--machen?

FRAU SELICKE: Ach, meine Kleine!

LINCHEN: Bringt Papa ... ein' Baum mit ... und Lichter?

FRAU SELICKE: Ja, Liebchen! Und morgen kommt der Weihnachtsmann!

LINCHEN: Ei! ... Rück mich doch 'n bischen in die Höh', Ma--machen!

FRAU SELICKE: Willst Du denn nicht wieder einschlafen, meine Kleine?

LINCHEN (aufgeregt, hastig): Ach, ich ... bin ... gar nich ... müde ...
(Hustet) Ich .. bin .. ganz ... wohl ... Ma--ma--chen!

FRAU SELICKE: Ach, der alte, böse Husten! ... Na so? (Hat sie ein wenig
hochgerückt.)

LINCHEN: Erzähl' mir ... doch ... 'n bischen was!

FRAU SELICKE: Ach, liebes Kind! ... Ich weiss nichts! (Seufzt.)

LINCHEN: Ma--machen! ... Krieg' ich auch 'n neues Kleid ... wenn ich ...
wieder ... gesund bin?

FRAU SELICKE: Ja! -- Aber sprich doch nich so viel, mein Liebchen! Es
strengt Dich so an? ... Komm! (Legt den Kopf neben sie auf das Kissen.)
Komm! Schlafe! Schlafe, mein liebes Täubchen!

LINCHEN: Lieschen Ehlers sagt immer in der Schule zu mir: Ach pfui ...
Du -- hast so'n ... schlechtes ... Kleid!

FRAU SELICKE: Ja! Tönchen soll Dir ein ganz neues machen! -- Komm! --
Schlafe, meine Kleine!

LINCHEN: Au! Wart' doch -- mal, Ma--machen! Meine -- Hand ...

FRAU SELICKE: O, hab' ich Dir weh gethan, mein Püppchen?

LINCHEN: Lieschen Ehlers is dumm! Nich wahr ... Ma--mach'n?

FRAU SELICKE: Ja! Richtig dumm! ...

   (Kleine Pause. Frau Selicke hat fortwährend noch ihren Kopf auf dem
   Kissen.)

LINCHEN (schnell, aufgeregt): Und darf ich -- auch wieder -- mit Tönchen
zur -- Tante, auf's Land? ... wenn ich ... wieder gesund ... bin? ...
Ja? ... Weisste, dann ... suchen wir immer .. die Eier .. in der Scheune
.. Tante und ich .. Ma--mach'n! ... Ma--mach'n! Onkel sagt immer ... zu
mir: »Giv mi -- mol 'n -- Kuss, min lütt Deern!« ... (Lächelnd.) Mama!
'n Kuss! ... Aber -- er hat -- so'n Stachelbart! .. Das kratzt immer ..
Weisste, ich hab'n immer -- seine -- lange Pfeife gestopft ... und dann
-- musst' ich -- immer essen, aber auch -- _immer_ essen! ... Sie --
nudeln ein' orntlich! ... Au! Ich -- _konnte_ manchmal -- gar nich --
mehr! ... Die alte -- Grossmutter -- sagt immer ... »Fat tau, Kind! --
Fat -- drist -- tau!« -- Na, die -- haben's ja! -- Nich wahr --
Ma--mach'n? -- Sie schlachten -- jedes Jahr -- vier Schweine! ... _Vier_
Schweine! ... Ma--mach'n? Horch mal! (Lächelnd.) Einmal -- hat mir --
Cousin Otto ... den Schweinsschwanz -- hinten an'n ... Zopf gebunden ...
un -- ich hab's erst -- gar nich gemerkt! ... Cousin Otto -- macht immer
-- solche Dummheiten! -- Nich? -- Aber -- er is -- gut! -- Er hat mir
immer -- Weintrauben -- aus dem Garten -- gebracht ... Ja! ...

FRAU SELICKE: Kucke, meine Kleine! Du wirst ja ganz munter? Aber sprich
lieber nich so viel, mein Häschen!

TONI (hat während der Erzählung Linchens freudig überrascht aufgehorcht
und ist nun auch an das Bett herangetreten): Wie unser Linchen erzählt!
Siehst Du, Mama? Nun wird sie bald, bald gesund sein!

LINCHEN (etwas ungeduldig): Na ja! ... Das -- werd' ich auch!

TONI: Schön! Schön, mein gutes Herzchen!

   (Steht am Bett mit übereinandergelegten Armen und sieht zärtlich auf
   Linchen herab.)

FRAU SELICKE (die Toni zugenickt hat): Aber, hörst Du? Erzähl' lieber
_nicht_ so viel, mein Linchen!

LINCHEN (schnell, aufgeregt): Nein ... wart doch mal ... Ma--machen! ..
Hör doch mal! ... Un Cousine Anna ... _Die_ hat Kleider?! .. _Kleider_
hat die! ... Na, aber auch ... so viele! ... Sonntags ... weisst Du ...
wenn wir in die Kirche ... (Hustet.)

FRAU SELICKE (angstvoll): Kind! Kind!

LINCHEN: Ach ... das ... schadet nichts ... Ma--mach'n! ... So'n --
bischen -- Husten noch! ... Das -- hört -- morgen wieder auf -- Nich? ..
Sonntags in der Kirche .. ein blaues, ein -- ganz -- himmelblaues .. mit
.. weissen Spitzen! ... Fein, Mamachen! ... Na ... aber auch _alle,
alle_ -- haben -- auf uns -- gekuckt! ... (Etwas ruhiger; nachdenklich):
Ach, wie hübsch -- ist es da -- Mamachen! ... Immer -- so still! ...
Aber -- viel Fliegen! ... Nich wahr, Mamachen? ... wenn es -- recht
heiss is ... Onkhel zankt nich'n -- einziges Mal -- mit Tante! ... Kein
Schimpfwort! ... Und Anna und Otto -- sind auch immer -- so artig!

FRAU SELICKE: Liebes Herzchen! Du wirst ja ganz heiser!

LINCHEN: Weisste ... sie wollten -- mich dabehalten! ... Sie wollten
mich -- gar nich -- wieder fortlassen! ... Tante sagte: ich sollte nu --
ihre Tochter werden! ... Papa -- soll sich's ... überlegen! ..
(nachdenklich): Gut hätt' ich's da! ... Nich, Mamachen? ... (Sehr
lebhaft, sich steigernd): Aber Du -- und Papa -- sollen mich -- dann
immer -- besuchen! ... Aber -- ich ziehe nich hin, Mamachen! .... Nich?
... Ich ziehe nich hin! ... Ich bleibe -- hier!

FRAU SELICKE: Uh! Dein Händchen brennt ja wie Feuer, mein liebes
Puttchen! ... So! ... So! ... Nich wahr, mein Herzchen?

LINCHEN (nach einer kleinen Pause): Ach, Mamachen! Der schöne, schöne
Mondschein!

FRAU SELICKE: Ja?

LINCHEN (versucht zu singen):

   Wer hat die schönsten Schäfchen,
   Die hat der goldne Mond ...

   (Sie bekommt einen Hustenanfall. Toni lässt ängstlich ihr Nähzeug
   sinken.)

LINCHEN: Ach! ... aah! ... aah! ...

FRAU SELICKE: Mein armes Herzchen! Mein armes Herzchen!

   (Linchen liegt einen Augenblick still, von dem Anfall erschöpft.)

LINCHEN: Ma--mach'n!

FRAU SELICKE: Hm?

LINCHEN: Ach! -- Ich ... möchte .. aufstehn!

FRAU SELICKE: Aber Kind!

LINCHEN: Es -- is -- so -- langweilig im Bette! (Wirft sich unruhig
herum.)

FRAU SELICKE: Habe nur Geduld, meine Kleine! Morgen oder übermorgen
wollen wir mal sehn! Dann kannst Du wohl 'raus!

LINCHEN: Aber auch ganz gewiss!

FRAU SELICKE: Ja!

LINCHEN (seufzt): Ich will auch -- nie wieder unartig sein -- Mamachen
... wenn ich wieder -- gesund bin! ... Ich gehe dann -- alle Wege! ...

FRAU SELICKE: Ja, ja, mein Liebchen! Aber nich wahr? Nun schläfst Du
auch wieder!

LINCHEN (schläfrig, immer leiser): Ach ja .. ja ..

FRAU SELICKE (nach einer Pause): Sie schläft wieder! ... Ach, mein Fuss!
Mein Fuss! ... (Stöhnt auf.)

ALBERT (aus der Kammer): Mama! Das geht einem ja durch Mark und Bein!

FRAU SELICKE: Na wart' nur! ... Du solltst mal erst die Schmerzen
_haben_! ... O Gott! Was hat man nur vom Leben! ...

ALBERT (aus der Kammer): Ach, nu fasst Du das wieder so auf! ... So
meint' ich's ja gar nich!

   (Toni ist zum Fenster getreten.)

FRAU SELICKE: Hörst Du denn immer noch nichts, Toni?

TONI: Nein!

FRAU SELICKE: Ach Gott, nein! So ein Mann! Nicht ein bischen Rücksicht!
... Das ist ihm hier alles egal, alles egal! ... So ein alter Mann! ...
Er sollte sich doch nu schämen! ... Nein, wahrhaftig! Ich hab' auch nich
'n bischen Liebe mehr zu ihm! Aber auch nich 'n bischen! ... Für mich is
er so gut, wie todt! ... Ach ja! Ich kann wohl sagen: mir ist alles so
gleichgültig! Wenn das arme Würmchen nich noch wär'! ... Jahraus,
jahrein dasselbe Elend! ... Ach, ich kann wohl sagen: ich habe mein
Leben _recht_ satt! ... Is gar kein Wunder, wenn man gegen alles
abstumpft! ... Wie gut hätten wir's haben können! ... Wie leben andre
Leute in unsrem Stande! Wenn man so nimmt! Mohr's! ... Der Mann is 'n
einfacher Handwerker gewesen und hat jetzt sein schönes Haus! Und _die_
Wirthschaft! Was haben _die_ Leute für 'ne Wirthschaft! ... Na, un bei
uns? ... Un _der_ will nun 'n gebildeter Mann sein! ... Nein, wie das
bei uns noch werden soll? ... Und an allem bin _ich_ Schuld! ... Ich
verzieh' die _Kinder_! Ich vernachlässige die _Wirthschaft_! Alles geht
auf _mich_! ... Und da sollen die Kinder noch Respekt vor einem haben!
... Ach Gott, nu sitzt man wieder hier und zittert und bebt! ... Und
wenn man nur nicht dabei so hinfällig wär'! ...

WALTER (steckt den Kopf durch die Kammerthür): Mutterchen?!

FRAU SELICKE (fährt herum): Was! ...

WALTER: Mutterchen! Kommt er denn _immer_ noch nich?!

FRAU SELICKE: Ach, Du?! -- Ich denke, Du bist schon lange eingeschlafen?
... Biste denn nur nich gescheidt, Junge?! ... Mach mal gleich, dass Du
wieder in's Bett kommst! Du willst Dich wohl erkälten?! Was?!

WALTER: Ach, ich habe ja solche grosse Angst!

FRAU SELICKE: Nein, so was! ... Leg Dich mal gleich hin!

   (Walter schleicht sich wieder zurück.)

Ei, Du lieber Gott! Nein! ... In Schulden sitzt man bis über beide
Ohren! ... Nichts kann man anschaffen! ... Kaum, dass man das liebe
bischen Brot hat! ... Nein, das kann Euer Vater wirklich vor Gott nich
verantworten! ... Un dabei macht er sich selber ganz kaputt! ... Seine
Hände fangen schon ordentlich an zu zittern! Haste noch nich gemerkt?

TONI (die währenddem wieder eifrig genäht hat, antwortet nicht.)

FRAU SELICKE: Du armes Thier! Du wirst gewiss auch schön müde sein! ...
Ach nein, so ein Leben! So ein Leben! ... Hm! Womöglich is'm was
passirt?! ... Er hat vielleicht Streit gehabt! Er is ja so unvernünftig,
wie 'n kleines Kind! ... Ae! Ich sage auch! Das ganze Leben is -- -- --
(Gähnt nervös, streichelt über Linchens Händchen.) Mein armes Würmchen!
Das arme, magre Händchen! ... Ach Gott, ja! Du sollst sehn, wir behalten
sie nicht!

TONI: Ach, Mutterchen!

   (Toni tritt wieder an's Fenster.)

FRAU SELICKE: Horch mal! ... Poltert's nich auf der Treppe?!

TONI: Ach, wohl nur die Katze!

FRAU SELICKE: Ach Gott, nein! (Erhebt sich und geht schwerfällig auf das
Fenster zu.) Wunderhübsch draussen! ... Aber der Himmel bezieht sich
wieder, wir bekommen andres Wetter! ... Ich spür's an meinem Fuss! ...
Nein, noch nichts zu sehn! Ach ja!

   (Geht wieder zurück und setzt sich.)

Ich bin todtmüde! Wie zerschlagen!

TONI: Da kommt wer!

FRAU SELICKE: Ach Gott! (Fährt in die Höhe.)

TONI: Er ist es! ... Endlich!

FRAU SELICKE: Ach! -- Ach! -- Mein Herz! -- Mein Herz! Die Angst
drückt's mir ab!

WALTER (aus der Kammer): Mutterchen! Kommt er?!

FRAU SELICKE: Still! Schlaf!

TONI: Er ist auf der Treppe! -- Hinten! (Sie ist auf Frau Selicke zu
getreten.)

FRAU SELICKE: Ich renne fort! ... Ach! Wohin?

TONI: Sei ruhig, Mutterchen!

FRAU SELICKE: Ach, meine Angst! Meine Angst! ... Pass auf! ... Es giebt
'n Unglück! Das arme Kind! ...

TONI (stützt sie): Beruhige Dich doch, Mutterchen! Er ist ja gar nicht
so schlimm, wie er immer thut!

FRAU SELICKE: Ach, trotzdem! ... Meine Nerven sind ja so schwach! Alles
nimmt mich so mit!

TONI: Der Vater ... Nein! 's is wahr .. hach!

FRAU SELICKE: Mich schwindelt! ... Mir .. is .... zum Umkomm'n! (Stützt
sich gegen Toni.) Horch! ... Er kommt heut wieder hinten rum! Ach, mein
Herz! .. Mein Herz! .. Fühl mal!

WALTER (aus der Kammer in höchster Angst): Mutterchen! Mutterchen! Es
pumpert gegen die Küchenthür!

FRAU SELICKE: Ach Gott, ach Gott! Is der schwer! ... Ruhig, Walter! Sei
still, mein Junge! ... Thu, als ob Du schläfst! ... Toni, mach auf!

TONI: Ja! Geh so lang' vorn raus, Mutterchen! Auf alle Fälle! (Toni ab
in die Küche mit der Lampe. Frau Selicke steht einen Augenblick nach der
Küche hin lauschend. Zittert. Presst beide Hände aufs Herz. Geht dann
auf die Flurthür zu. -- Es poltert in der Küche. Schwere Schritte. Eine
tiefe Bassstimme. Lustiges Lachen. -- Frau Selicke verschwindet schnell
im Flur. Die Küchenthür wird aufgestossen. Noch hinter der Scene die
Stimme Selicke's: »Na? .. _Tönchen_ .. _Tööönchen_ ..«)

SELICKE (tritt in die Stube, welche in diesem Augenblicke nur vom
Mondlicht und von dem Licht der Lampe, das aus der Küche in die Stube
fällt, hell ist. Selicke: ein grosser, breitschultriger Mann mit
schwarzgrauem Vollbart. Schwarzer Sonntagsanzug unter dem offenstehenden
Ueberrock. Er schleift einen kleinen Christbaum hinter sich her; aus den
Taschen sieht Papier von Packeten und Düten vor. Unter den Arm hat er
eine grosse, weisse Düte gequetscht. Er ist angetrunken. Taumelt aber
nur sehr wenig und spricht alles deutlich, nur etwas langsam und
schwerfällig. Sagt in sehr guter Laune): Na?! ... Habt Ihr wieder kein
Licht. Ihr Tausendsakramenter. Ihr? ... Hm? ... (Lacht fortwährend leise
vor sich hin, nickt mit dem Kopf und macht ein pfiffiges Gesicht, als
wenn er eine Ueberraschung vor hätte. Toni kommt ihm mit der Lampe nach.
Setzt sie auf den Sophatisch.) Huaach! ... Ne! Wird man -- müde .. wenn
man so auf dem Weihnachtsmarkt rumläuft? ... (Lacht und blinzelt Toni
zu, die am Sophatisch in seiner Nähe steht.) ... 'n hübscher Baum --
hbf! -- hä? ... Holt man morgen früh gleich die -- hb! -- Hütsche vom
Boden! -- Da! Nimm ihn _hin_! -- (Giebt Toni den Baum; thut scherzhaft,
als wenn er sie erschrecken wollte. Sie lächelt gezwungen und stellt den
Baum bei Seite. Er lacht, wendet sich dann zum Tische und fängt an seine
Taschen auszupacken; singt dabei: »_Nicht Ross', nicht Reisige_ ...«
sich unterbrechend): Wo sind denn ... die Jungens?

TONI: Sie schlafen schon!

SELICKE: Wie -- hb! -- Wie spät is denn -- eigentlich?

TONI: Zwei.

SELICKE (thut sehr erstaunt): Was -- Kuckuck! Zwei?! -- (Hebt, indem er
weiter auspackt, abermals an: »_Nicht Ross', nicht Reisige_«. Er nimmt
aus einer Düte zwei Pfannkuchen, geht damit auf die Kammer zu und ruft
mit gedämpfter Stimme): He! Walter! -- Walter! -- Willste noch 'n
Pfannkuchen? (Bekommt zuerst keine Antwort.) Na?!

WALTER (in der Kammer, halb ängstlich): Ja!

SELICKE: Da! Fang! (Wirft den Pfannkuchen nach Walters Bett hin und
lacht.) Na, Grosser! Du auch? (Albert antwortet nicht.) Eh! Frisst 'n je
doch! Da! (Wirft auch ihm einen Pfannkuchen zu und geht dann vergnügt,
leise vor sich hinpfeifend, zum Tisch zurück.) Ja, ja! Die Jungens!
(»_Nicht Ross', nicht Reisige_ ...« -- Toni, die solange am Tisch
gestanden, hat abwechselnd ihn beobachtet und zur Flurthür hingesehn. Er
kramt wieder mit den Sachen. Holt das Portemonnaie vor, klappert mit dem
Gelde. Legt ein Goldstück auf den Tisch.) Hier! ... Da können wir beide
... morgen früh noch ... Einiges einkaufen ... gehn! Die Jungens könn'n
dann 'n Baum putzen ... und am Abend ... bescheer'n wir! ... Na? Was
machst' denn für'n Gesicht?!

TONI: Ich? ... O, gar nicht, Vaterchen!

SELICKE (misstrauisch): Ae! Red' nich! ... Das heisst: Kommste wieder
... so spät, he? ... Ja, -- ja, mein Töchterchen! .. Dein Vater darf
sich wohl nich mal'n Töppchen gönn'n? ... Was?! ... Ae, geh weg! Du
altes, dummes Fraunzimmer! ... Ja! Ich möcht' mal sehn ... wenn Euer
Vater ... nich wär'! ... Weisste, mein' Tochter? ... Mir geht viel im
Koppe rum! ... Ich sorge mich -- Euretwegen! ... Ja, ja! Wenn ich Dich
so _sehe_! ... Wie sind _andre_ Mädchen in Deinem Alter! --

   (Die Flurthür öffnet sich ein wenig. Frau Selicke lauscht durch den
   Thürspalt).

Du liegst Dein'm Vater immer noch -- auf'm Halse! ... Ja, ja! ... Ae!
Du! ... Geh weg! ... Ich mag Dich nich mehr -- sehn! ... (Für sich,
indem er seitwärts tritt und an seinem Rocke herumzerrt, um ihn
auszuziehen.) Ae! Is das -- 'ne Hitze? ...

(Toni versucht ihm beim Ausziehen des Rockes behilflich zu sein. Selicke
brummt missgelaunt vor sich hin): Mach', dass Du wegkömmst! ... Ich --
brauch' Dich nicht! (Toni hilft ihm dennoch. Er streift etwas die Wand.
Endlich hat sie mit zitternden Händen ihm den Ueberrock und dann auch
den Rock abgestreift und beides an die Knagge neben der Corridorthür
gehängt. Selicke steht nun in Hemdärmeln da. Streicht sich über die Arme
und schlägt sich dann, vor sich hin kichernd, mit der Faust auf seine
breite, gewölbte Brust): Ae! ... Ja? Siehste? ... Dein Vater is noch'n
Kerl! ... (Lacht.) Was meinste, mein' Tochter! ... Z--zerdrück'n könnt'
ich Dich mit meinen Händen! .. Z--zerdrücken! .. Das wär' am Ende auch
-- das Beste! ... (Mit dumpfer Stimme, sieht vor sich hin) Ich häng'
Euch -- alle auf! Alle! .. Un dann -- schiess ich mich -- todt! ...
(Toni wankt ein wenig zurück nach der Flurthür zu. -- Selicke geht auf
die Kammerthür zu. Man hört Walter in der Kammer weinen). Na, was --
haste denn, dummer Junge?! (Mit schwerfälligen Schritten, ein wenig
wankend, in die Kammer. Toni öffnet die Flurthür halb. Frau Selicke
steckt den Kopf in's Zimmer).

FRAU SELICKE: So'n Kerl! So'n Kerl!

TONI: Stille, Mutterchen! Stille! .. Um Gotteswillen!

FRAU SELICKE: Das Kind, das arme Kind!

SELICKE (in der Kammer): Komm, mein Sohn! .. Dein Vater hat Dich lieb!
.. Sehr, sehr lieb! ... Ja, ja, mein Junge! ... Er hat auch gesorgt,
dass Du was zu Weihnachten kriegst! ... Ja, wer sollte für Dich sorgen,
wenn Dein Vater -- nich wär'! ... Na, weine doch nicht! ... Was --
weinste denn? ... Was?! Ae! Sei nich so dumm! ... Dummer Junge!

FRAU SELICKE (in derselben Stellung, etwas mehr im Zimmer, mit Toni nach
der Kammer hinhorchend): Ach Gott, nun weckt er wieder die armen Kinder,
der Kerl!

TONI (ängstlich): Geh wieder zurück, Mutterchen! Um Gotteswillen!

SELICKE (in der Kammer): Ja, ich habe Euch -- hbf! -- doch -- lieb! ...
Alle! .. Ja, ja? ... Na? Wo ist denn Deine Mutter? -- Hä?

FRAU SELICKE (tritt etwas zurück): Ach Gott, ach Gott!

TONI: Geh wieder zurück, Mutterchen!

SELICKE (in der Kammer, lustig): He! Alte! ... Wieder -- fortgehumpelt?
... Na, humple, humple nur hin! ... (Sucht ihre Stimme nachzumachen) ...
»Ach, die -- _arme_ Frau!« ... »Was _die_ -- für'n Mann hat!« ... »Ae!
_Die_ hat's mal schlecht!«

TONI (drängt Frau Selicke zurück): Geh zur Thüre, Mutterchen! dass Du so
lange raus kannst, bis er schläft!

FRAU SELICKE: Aber, das Kind! Das Kind! ... Ich kann doch nich ...

TONI: Lass nur! Ich will schon sehn! ... (Drängt Frau Selicke sanft noch
mehr zurück.) Armes Mutterchen!

SELICKE (in der Kammer): Die Alte ist Schuld, dass Dein Vater so spät
nach Hause kommt, mein Sohn! ... O, das ist ein Unglück! Ein rechtes
Unglück! ... Und der alte, grosse Schlingel da? .. Hui! hbf! ... Das --
Schnarche nur! Aus Dir wird nichts, mein Sohn! Gar nichts! ... Huste
nich! ... Dummer Junge!! ... Was?!! ... Du willst ...

FRAU SELICKE (schreit unterdrückt auf).

SELICKE (kommt aus der Kammer. Frau Selicke zurück, schliesst die Thür):
Aeh! Da biste ja, mein süsses Weibchen! (Geht auf die Flurthür zu.
Unterwegs macht er aber Halt.) Hm? Mein P -- Putt ... hbf! ... P --
Puttchen? ... Das arme Kind! ... Das arme Kind! (Er holt sich die Düte
vom Tisch und geht mit ihr auf das Bett zu. Walter lugt verstohlen um
den Thürpfosten. Man hört, dass jetzt auch Albert wach geworden ist. --
Selicke bückt sich ein wenig über das Bett. -- Leise.) M-- Mäuschen! ...
Sch--läfste, mein armes -- Herzchen? ... Sst! ... Sie schläft, die --
kleine Tochter!

TONI (kommt ängstlich auf das Bett zu): Vater!

SELICKE: Ich habe Dir -- was mitgebracht? ... K--Kuchen, Kind? --
K--Kuchen?

TONI: Vater! Sie wird ja wach!

SELICKE (richtet sich auf): W .. _Was_ willst Du? Hä?

TONI: Sie ist ja so krank!

SELICKE (ihr nachäffend): »Sie ist so krank!« ... Ae! Hab' Dich doch,
alte Suse! -- »Sie ist so krank!« .. »Piep, piep, piep!« ... Ach, Herr
Jemine! ... Das arme Mädchen! Wie die sich vor ihrem Vater ängstigen
muss! -- Mach, dass Du wegkommst! ... Mag Dich nich sehn! (Die letzten
Worte zornig, bedrohend. Die Flurthür ist ein wenig aufgegangen. Frau
Selicke schreit auf). Aah! ... Sieh mal! .. Da steckste, mein süsses
Lamm? (Lacht, taumelt an Toni vorbei auf die Flurthür zu. Draussen wird
hastig die äussere Flurthür aufgerissen. Es poltert die Treppe hinunter.
-- Selicke öffnet die Thür.) Na, so 'ne Komödie! ... Kuckt, wie die Alte
rennen kann (zeigt in das Entree) mit ihrem schlimmen Fusse! ... Ne! ...
Hähähä! ... Wie se humpeln kann! .. Hopp, hopp, hopp! ... Wie der Wind!
... Haste nich gesehn! ... Wie'n Schnelllöfer! ... (Lacht, schüttelt
dann aber plötzlich die Faust nach dem Flur, ruft unterdrückt) Du, altes
Thier! Du willst 'ne Mutter sein?! ... Ach, Du! -- Du! -- Du! ...
Unglücklich hast Du mich gemacht! Unglücklich! ... (Kommt zurück;
während er an Toni vorbeikommt) Na, Du? ... »Sie ist so krank!« ... Ae!
Weg! ... Lass mich vorbei! (Tappt wieder zum Bett und will sich drüber
bücken.)

TONI (ihm nach): Vater! Lass jetzt das Kind! -- (Sie stösst ihm mit der
Hand gegen die Schulter).

SELICKE (richtet sich in die Höhe.): Waaas?!! ... Waaas?!! Du -- willst
-- Dich -- an Deinem _Vater_ -- vergreifen?! Waaas?!! ... I, nu seht
doch mal! (Kommt auf sie zu. Toni ist zurückgetreten und lehnt an der
Wand. Regungslos. Die Hände zusammengekrampft. Sie sieht ihm starr in's
Gesicht. Ihre Lippen zucken. Die Thränen laufen ihr über die Backen.)

TONI: Pfui! Schäm' Dich! ... Du bist betrunken!

SELICKE: I! Seht doch! ... Das liebe Töchterchen! ... O, Du bist ja ein
-- reizendes Wesen! (Kommt noch näher auf sie zu.)

WALTER (in der Kammer, ängstlich): Vaterchen! Liebes Vaterchen!

SELICKE (sieht sich um. Bleibt wie verwirrt stehen): Na! Da -- heult
einer und da ... B--bin ich denn -- der reine -- Tyrann?! (Geht von Toni
weg.) Hm! ... Brr! ... So 'n Sausoff! ... (Geht zum Sophatisch, setzt
sich davor nieder und legt den Kopf auf die Arme. Eine Weile ist es
still. Toni beobachtet ihn und will Frau Selicke holen. Selicke scheint
einzuschlafen ... Nach einer Weile richtet er aber den Kopf in die
Höhe.) So 'n Weib! ... So 'n Weib! (Toni bleibt stehen.) So geht man nun
unter! ... (Sie legt die Hände vor's Gesicht. Bebt vor Schluchzen.)
»Ach, mein Fuss!« -- »Ach, mein Fuss!« -- Weiter weisste nichts! ...
Immer ich -- ich -- ich! -- Ich brauchte Dich nicht zu heirathen! -- 's
war mein guter Wille! -- Zu _dumm_ war ich! Zu _dumm_! -- Du alte ...
Ae! Du! -- »Wir sind so arm!« -- »Wir haben kaum's liebe Brot!« --
»Nichts in die Wirthschaft!« -- Wer ist denn Schuld?! -- Wie kannst Du
mir das sagen! -- Verdien' Dir was, dann haste was! ... Ja! Fortrennen!
das kannste! -- Den Leuten was vormachen! Ja! Du armseliges Weib! ...
Ae! -- Du bist ja -- zu _dumm_! -- Zu _dumm_! So ein -- Unglück! -- Oh!
... (Ist eine Weile still. Toni will schon zur Flurthür. Fängt wieder
an.) »Wir müssen uns vor jedem schäm'n!« -- Hä! Du! -- Ich hatte mir das
anders vorgestellt! -- Ja, ja! -- Eine Ehe ist mehr! -- Ae, Du! -- Was
weisst Du, was eine Ehe ist! -- Du! -- Wie sind -- andre Frauen! -- Sieh
se Dir mal an! -- Aus .... _Nichts_ muss 'ne Hausfrau was machen können!
-- Aber alles: _ich_! -- Alles der Mann! -- Ae! Sieh zu, wie Du uns
durchschleppst! -- Und die -- Kinder! -- Die armen, armen Kinder! -- O
Gott, was soll aus den'n werden! -- Verzogen sind sie, die lieben
Söhnchen! -- Und Du, Toni! -- Du! -- Du wirst akurat wie Deine Mutter!
Ja, ja? ... Ich habe Dich lieb gehabt, aber _Du_ hast _mich_ nicht lieb
gehabt! -- Du bist niedrig! Niedrig! -- Wir passten nicht zusammen! --
Was will man nun machen?! -- Ae! -- Schleppt man das so mit sich! -- Ae!
Immer hin! -- Immer hin! -- Hui! -- Die armen Kinder! -- Die armen
Kinder! -- Und Du, mein liebes Mäuschen! -- (Seine Worte gehen in Weinen
über) Mein armes, liebes Mäuschen!

TONI (in höchstem Schmerz): O Gott, o Gott! (Presst die Hände vor's
Gesicht.)

SELICKE (zur Kammer hin): Ja, ja? -- Du! Grosser! -- Nimm Dir 'n
Beispiel an Deinem Vater! -- So was ist ein Unglück! -- Ein grosses,
grosses Unglück! -- Dein Vater war dumm, gut und dumm, mein Sohn! Aber
nicht schlecht! -- Er hat Euch -- alle lieb! -- Alle! -- Auch Eure
Mutter! -- Sie kann's nur nicht verstehn! -- Und das -- ist unser
Unglück! ...

   (Seine Worte gehen in ein dumpfes, undeutliches Murmeln über. Er
   schläft ein.

   Vom Bett her das Rauschen von Kissen. Toni, die eben zur Flurthür
   wollte, schrickt zusammen.)

LINCHEN (ängstlich): Ma--mach'n .. Ma--mach'n! ... Aah! ... Aaaah! ...

TONI (schnell zum Bett): Mein liebes Herzchen! -- Mama kommt gleich
wieder!

LINCHEN: War -- Papa -- hier?

TONI: Ja! Er schläft schon!

LINCHEN: Hat er mir -- was mitgebracht?

TONI: Ja, Liebchen. (Beugt sich zärtlich zu ihr.) Huh! Du fieberst ja,
mein Herzchen! Das ganze Kissen ist heiss!

LINCHEN (unruhig): Ach -- nein! -- Ich bin -- wieder -- ganz munter,
Tönchen! -- Ich kann -- morgen -- aufstehn! -- 's is immer -- so schönes
Wetter! -- Und ich -- muss immer -- im Bett liegen ...

TONI (kann nicht antworten. Horcht. Selicke schnarcht.)

LINCHEN: Ach, 's is man gut -- dass -- Papa da is! -- Ich hatte schon --
solche Angst! -- (Lächelnd.) Horch mal -- wie er schnarcht! -- Wie 'ne
Säge, was? Du -- weinst ja, Tönchen?? ...

TONI: Ich?! Ach nein?

LINCHEN: Du! -- Du! -- Er is wohl wieder -- betrunken??

TONI: O nein! Ich dachte gar, mein Liebchen!

LINCHEN: Will er auch -- Mama -- nicht schlagen?

TONI: Nein! I bewahre, mein Herzchen!

LINCHEN: Ach nein! -- Das -- thut er auch nicht! -- Er macht immer --
blos so! -- Nicht wahr?

TONI: Freilich! Aber, schlafe wieder ein, mein Linchen!

LINCHEN (unruhig): Ach nein! -- Ich kann gar nicht schlafen! -- Ich bin
ganz -- munter, Du! -- Du! -- Ist bald Morgen? -- Kann ich bald --
aufstehn, Tönchen?

TONI: Nein, Herzchen! Noch nicht!

LINCHEN: Ach! -- Du! -- Du!

TONI (besorgt): Was -- was ist Dir denn, mein Herzchen?!

   (Bückt sich zu ihr und fährt dann unwillkürlich wieder in die Höhe.)

LINCHEN: Ach! -- Nichts! ... Du! ...

TONI (sie gespannt, ängstlich beobachtend): Ja?

LINCHEN (sehr unruhig): Wo -- is denn -- Mamachen?

TONI (mit bebender Stimme): Warte! Ich rufe sie!

LINCHEN (hastig): Ja! -- Ja! ... (Toni will gehen.) Du! -- Tönchen! --
Die L -- Lampe -- brennt ja -- so trübe ...

TONI (wendet sich erschrocken um): Aber -- n ... nein -- liebes
Mäuschen?! ... Sie -- ist ja -- ganz hell ...? ... (Steht da, wie
erstarrt.)

LINCHEN (wie vorhin): Schraub -- doch -- hoch! ... Es wird ja -- ganz --
dunkel ...

TONI (mit unterdrücktem Entsetzen): Kind! ... (Wird leichenblass.
Schraubt mit zitternden Fingern an der Lampe. Wendet sich dann mit
wankenden Knieen zur Flurthür und öffnet sie. Vorsichtige Schritte.)

FRAU SELICKE (zur Thür herein): Ist er denn ...

LINCHEN (ängstlich, bang, angestrengt): Ma--ma--chen ...

FRAU SELICKE (aufhorchend): Ja? -- Mein -- Kind?! ...

TONI (bebend): Mutter! -- Komm! -- Schnell! -- Er schläft! -- Komm! --
Linchen ... ich weiss nicht ...

FRAU SELICKE (unterdrückt): Wa ... Was?! ... (Schnell zum Bette hin.)

LINCHEN: Ma--ma--chen ... Ma--ma--chen ...

FRAU SELICKE: Kind??? (Beugt sich forschend über das Bett. Starrt
Linchen an.)

LINCHEN: Das -- Licht -- geht -- aus ... Das -- Licht -- geht -- ja ...
Ma--ma--chen ... Ach! Lie--bes -- Ma--ma--chen ....

FRAU SELICKE (hastig, erregt vor sich hinflüsternd, während ihre Blicke
wie gebannt auf Linchen haften): Toni! Toni! ...

TONI (neben ihr. Unterdrückt): O Gott ....

FRAU SELICKE: Mein Liebchen! Mein süsses, süsses Liebchen! (Pause.
Todtenstille. Nur das leise Schnauben Selickes.)

LINCHEN: Ach -- liebes -- Ma ........

FRAU SELICKE: Sie ... Sie ... stirbt! Ach Gott ... Mein Herzchen! --
Mein Herzchen!! (Schreit auf. Stürzt sich über das Bett).

TONI (schnell zum Tisch. Mit jagender Stimme): Vater! -- Vater!!

ALBERT (aus der Kammer): Was ist denn??!

WALTER (weinend aus der Kammer): Vaterchen! ... Vaterchen! ...

FRAU SELICKE (leise wimmernd): Sie ist todt! ... Sie ist todt! ...

ALBERT (mit Walter schnell zum Bett).

Walter: Mutterchen! -- Mutterchen! ... }
                                       } (gleichzeitig.)
Albert: Um Gotteswillen!               }

TONI (weinend): Vater!! -- Vater!! (Rüttelt Selicke.)

SELICKE (aufwachend): Ae! -- Na! -- Lass ... Na ... (Hebt verdriesslich
den Kopf. Will wieder zurücksinken).

TONI: Vater!! (Ihn, ausser sich, an den Schultern packend).

SELICKE: Na -- ja doch! -- .. Was -- giebt's denn ... (Starrt um sich
und reibt sich die Stirn.)

TONI (weint heraus): Linchen -- ist todt ....

SELICKE (starrt sie an. Erhebt sich): Was -- Was ist mit -- Linchen?!

TONI: Ach, sie ist -- todt .... (Schluchzt. Selicke wischt sich über die
Stirn.)

SELICKE: L--Linchen?!! (Zuckt zusammen und geht auf das Bett zu. Toni
wankt ihm schluchzend nach. -- Selicke steht eine Weile stumm vor dem
Bett, dann bricht er schwer, mit einem dumpfen Stöhnen, auf dem Stuhl
zusammen. Die andern beobachten ihn stumm.)

TONI (sich plötzlich auf ihn zustürzend und ihm die Arme um den Hals
schlingend): Lieber Vater! -- Mein lieber Vater ...

   (Währenddem geht Wendt's Thür auf und dieser tritt ins Zimmer.)



                            Dritter Aufzug.


                            Dritter Aufzug.

   (Dasselbe Zimmer. Durch die zugezogenen Fenstervorhänge bricht
   bereits der Morgen. Auf dem Tische, auf welchem Selickes Einkäufe
   liegen, brennt noch trübe die Lampe. Der Weihnachtsbaum lehnt noch
   beim Sopha gegen die Wand. -- Draussen auf dem Treppenflur hört man
   Kinder lärmen und spielen. Eine helle, unbeholfene Stimme singt ein
   Weihnachtslied. Der Gesang wird oft durch Schreien, Jauchzen, Lachen
   und den Ton einer Blechtrompete und dann wieder vom Sänger selbst
   unterbrochen. Zuweilen ist er so deutlich, dass man die Textworte
   hören kann: »Des freuet sich der Engel Schaar ...« Selicke sitzt vor
   dem Bett in stummer, dumpfer Trauer. -- Toni steht etwas seitwärts
   von ihm neben Frau Selicke und hat den Arm um sie geschlagen. Beide
   beobachten ihn mitleidig. -- Walter hockt auf dem Sopha, weint still
   vor sich hin, sieht dann wieder zum Bett und zu Selicke hin, gähnt
   ab und zu aus Uebermüdung und zittert vor Frost. -- Albert steht
   neben dem Weihnachtsbaum, zupft in Gedanken an den Nadeln herum und
   schielt dabei ab und zu zum Bett hinüber.)

FRAU SELICKE (mit müder Stimme, halb weinend): Die Lampe fängt an zu
riechen, Toni! ... Lösch aus! ... 's is hell draussen! ... Der Lärm auf
dem Flur! ... _Die_ kennen keine Sorgen ....

TONI (löscht die Lampe aus und zieht dann den Fenstervorhang zurück. Das
Morgenlicht fällt grau durch die verschneiten Scheiben in's Zimmer. --
Toni will auf die Flurthür zugehen und den Kindern verbieten, die
draussen immer noch lärmen; aber in diesem Augenblicke poltern sie
lachend, schreiend und blasend die Treppe hinunter. Der Lärm entfernt
sich unten im Hause und hört dann allmählich ganz auf.)

FRAU SELICKE: _Die_ sind fidel! ... (Sie tritt zu Selicke hin und legt
ihm sanft die Hand auf die Schulter; mit mitleidiger, bebender Stimme):
Vater! ... (Selicke, der, das Gesicht in den Händen, die Ellenbogen auf
die Kniee gestützt, vor sich hinbrütet, achtet nicht auf sie.) Vater!
... Komm! ... Vater! ... (Ihre Worte gehen in Weinen über.)

SELICKE (rührt sich; dumpf, mit zärtlichem Ausdruck): Du! ... Mein
Linchen! ... (Schluchzt unterdrückt.)

FRAU SELICKE (lehnt ihren Kopf gegen seine Schulter und weint): Vater,
komm! ... Komm hier fort! ...

SELICKE: Du! ... Mein Linchen! ... Warum _Du_? (Starrt vor sich hin.)

FRAU SELICKE (immer noch in derselben Stellung): Komm. Vater! ... Wir
wollen uns von jetzt ab -- rechte Mühe geben ... Wir wollen vernünftig
sein ... Es soll nun anders werden bei uns .... Nich wahr, Vater?

SELICKE (richtet das Gesicht in die Höhe und sieht sie mit einem todten,
ausdruckslosen Blick an. Frau Selicke starrt ihn eine kleine Weile
angstvoll an und richtet sich dann, den Schürzenzipfel vor den Augen,
wieder auf. Selicke, der sich schwerfällig erhoben hat, bückt sich über
das Bett und küsst die Leiche. Weich, zärtlich): Leb wohl! ... Leb wohl,
mein gutes Linchen! ... _Du_ hast's gut! ... _Du_ hast's gut! ...
(Betrachtet die Leiche noch einen Augenblick, richtet sich dann in die
Höhe und wankt gebrochen in die Kammer, während Walter auf dem Sopha
noch lauter zu weinen anfängt und Albert sich, mit dem Gesicht gegen das
Fenster gewandt, laut schneuzt.)

   (Kleine Pause.)

FRAU SELICKE (wieder in Thränen ausbrechend): Warum hat uns -- der liebe
Gott das -- Kind genommen?! ... und ich ... und ich -- muss mich --
weiterschleppen ... mit meinem Elend und meinem Leiden ... Ich muss mir
selber zur Last sein ... und ... Euch allen! ... Siehste? ... Als ich 'm
das eben sagte: er hat mich -- kaum angesehn! ... (Schluchzt krampfhaft
in ihr Taschentuch, in das sie sich, während sie sprach, geschneuzt hat.
Laut, sehnsüchtig): Ach, hol' mich bald nach, mein Linchen! Hol' mich
bald nach! ...

TONI (sie sanft umfassend): Mutterchen! ... Sprich doch nicht so! ...
Was sollten wir denn dann machen, wenn ... Ach! ...

FRAU SELICKE: Unser einz'ges ... unser einz'ges ...

TONI: (Beisst die Lippen zusammen. Ihr Oberkörper zuckt von
unterdrücktem Schluchzen.)

FRAU SELICKE: Was hat sie nun gehabt von ihrem armen, bischen Leben? ...
Und doch ... war sie immer ... so fröhlich und munter ... unsre einz'ge,
einz'ge Freude ... (Schluchzt.) Ach, was hatte man weiter von der Welt
...? ...

TONI (drückt Frau Selicke an sich): Mutterchen!

FRAU SELICKE: Was soll nu hier werden? ... Nun kann man sich nur gleich
aufhängen oder ... in's Wasser gehn ...

TONI: Mutterchen! ... Ach Gott! ...

ALBERT (tritt zu Frau Selicke hin und streichelt sie): Lass man,
Mutterchen! ... Es soll schon noch werden! ...

FRAU SELICKE: Ja! Für Euch! ... Für Euch wohl ... Für mich is' es 's
beste, Linchen holt mich nach ... So bald als möglich!

ALBERT: Nein, Mutterchen! ... Es soll Dir noch recht gut gehn! Warte
man!

FRAU SELICKE (weinend): Ach, ja, ja ...

TONI (ist wieder zu Walter gegangen und nimmt ihn bei der Hand): Walter,
komm!

WALTER (müde): Mich friert so!

TONI: Ja! Komm, mein Junge! ... Geh in die Kammer und leg' Dich hin! ...
Du hast die ganze Nacht nicht geschlafen!

WALTER (steht auf; tritt mit Albert zum Bett. Beide betrachten
neugierig-ernst die Leiche. Walter weint.)

TONI: Geh in die Kammer, mein lieber Junge, und schlaf'!

WALTER (schmiegt sich an Frau Selicke): Mutterchen! ... Mutterchen! ...

FRAU SELICKE: Ja, ja? ... Na ja, mein armer Junge! ... Geh, leg' Dich
schlafen! ... Du bist todtmüde! ...

   (Walter und Albert gehn in die Kammer.)

TONI (tritt wieder zu Frau Selicke hin): Du solltest Dich auch 'n
bischen ruh'n, Mutterchen!

FRAU SELICKE (nervös; bitterlich weinend): Siehste? ... Siehste, Toni?
... Kein Wort, kein Sterbenswörtchen hat er wieder für mich gehabt! ...
Er sah mich grade an, wie: na, was willst 'n _Du_? ... Wer bist 'n _Du_?
... Als ob ich 'n gar nichts anginge! ... Ach Gott! Was ist das für ein
elendes, elendes Leben gewesen die dreissig Jahre! ... Ach, wollt' ich
_froh_ sein, wollt' _ich froh_ sein, wenn ich an Deiner Stelle wäre,
mein Linchen! ... (Betrachtet die Leiche.) ... Sieh mal, Toni! ... Wie
hübsch sie aussieht! ... Wie schön! ... Sie lächelt ein'n ordentlich an!
... Wie schön weiss ... und wie ihre Haare glänzen! ... Ach, die lieben,
blonden Härchen! ... (Diese Worte gehen wieder in Weinen über.) Die
lieben, blonden Härchen! ...

TONI (die neben ihr steht und den Arm um sie gelegt hat): Ach nein,
Mutterchen! Der Vater wird ganz anders werden! -- Er ist ganz verändert!
...

FRAU SELICKE: Nein! Nein! Der wird _nie_ anders! In dem Blick ..., wie
er mich so ansah ..., da konnte ich so recht deutlich lesen: wenn _Du_
's doch wärst! ... Ach, und ich wollt 'm ja so _gerne_ Platz machen!
Weiss Gott im hohen Himmel! ... _Ach -- so -- gerne!_

TONI (traurig): Nein! _Das_ hat er _sicher_ nicht gedacht!

FRAU SELICKE: So _gerne_ wollt' ich 'm den Gefallen thun! ... So _recht_
aus _Herzensgrunde_ wünscht' ich das! ... Aber 's is, als ob der liebe
Gott grade _mich_ ausersehn hätte ... (Hat wieder zu weinen angefangen.)

TONI: Nein, Mutterchen! Du musst nicht so was denken! ... Siehste, wir
müssen uns jetzt alle recht zusammenschliessen! ... Sei nur recht gut
und geduldig mit ihm ... Du sollst sehn, dann wird es besser ... dann --
wird alles gut werden!

FRAU SELICKE: Ach, _ich_ bin ja schon immer zu allererst wieder gut! ...
Ich bin ja immer jedesmal zuerst wieder zu ihm gekommen und freundlich
mit 'm gewesen! .... Ach Gott, schon um 'n lieben Frieden willen! ....
Ich sehne mich ja nach weiter nichts mehr, als nach 'n bischen Ruh und
Frieden ... nur ein _bischen_ Ruh und Frieden ...

   (Es klopft an Wendt's Thür.)

FRAU SELICKE (halb für sich, sich erinnernd): Ach Gott, Herr Wendt!
(laut) Herein?

   (_Wendt_ tritt ein. Er ist bleich und sieht überwacht aus. Seine
   Backen scheinen etwas eingefallen).

FRAU SELICKE (weinend): Herr Wendt! ... Ach, an Sie hab' ich auch noch
nich denken können! ... Sie müssen ja gleich abreisen .... Mein armer
Kopf is mir ganz verwirrt ...

WENDT: Oh ... (Macht eine abwehrende Handbewegung und tritt auf sie zu.)
Meine liebe, gute Frau Selicke ... (Drückt ihre Hand.)

FRAU SELICKE (mit der Schürze an den Augen, ist mit ihm an's Bett
getreten. Kann kaum sprechen vor Weinen): Sehn Sie ... da ...

WENDT (steht mit ihr in stummer Trauer vor'm Bett.)

TONI: Mutterchen! Komm!

FRAU SELICKE (sich die Augen trocknend, sich zusammennehmend): Ja, ich
will ... Um elf geht Ihr Zug, Herr Wendt?

WENDT: Ach! (Handbewegung. Frau Selicke will auf die Küchenthür zu.)

TONI (man merkt ihr grosse Ermattung an): Lass nur, Mutterchen! ... Ich
will das schon alles besorgen! Du musst unbedingt ein bischen ruhn!
Komm, Mutterchen! Komm! ...

   (Frau Selicke lässt sich willenlos von ihr langsam zur Kammer
   führen. Toni drückt leise die Thür hinter ihr zu. Sie bleibt einen
   Augenblick mit allen Anzeichen grosser Müdigkeit bei der Thür
   stehen, nimmt sich dann zusammen und macht ein paar Schritte auf die
   Küchenthür zu. -- Die Uhr schlägt neun.)

WENDT (beim Bett, leise): Und heute -- wollt' ich -- mit Deinen Eltern
reden ...

TONI (äusserst abgespannt): Was? .. Neun schon? ... Ach ja, ich muss ja
noch ... Sie müssen ja -- um elf -- fort ...

   (Sie geht mit müden Schritten, wie mechanisch, auf die Küchenthür
   zu.)

WENDT (wiederholend): Fort ...

TONI (stehen bleibend, ihn mit ausdruckslosem Blick ansehend): Was? ...

WENDT (mehr ängstlich, als überrascht): Und -- Toni! Du sagst »Sie«?!

TONI: Wie? Ach so ... hab' ich ... Ach ja! (Mit einem müden Lächeln):
Das ist nun auch -- vorbei ...

WENDT (wie vorhin): Vor ... vorbei?!

TONI (wie im Selbstgespräch): Das ist jetzt nun -- alles -- anders
gekommen ...

WENDT (seitwärts sehend): Toni!

TONI: Ach! ... Ich bin ganz ... mir ist ... Ah ...

   (Sie sinkt in einem Anfall von physischer Schwäche gegen seine
   Schulter.)

WENDT (besorgt): Toni! ... Was ist Dir?! (Beobachtet sie ängstlich. Ihre
Augen sind geschlossen, um ihren Mund liegt ein gequältes Lächeln.)

WENDT (besorgt): Herrgott! ... Liebe Toni!

   (Sie schlägt die Augen wieder auf.)

WENDT: Ist Dir besser?

TONI: Ja ... Es _war_ mir nur ... so ... ein Augenblickchen ...

   (Sie macht sich sanft von ihm frei.)

WENDT (erfasst ihre Hand): Halt aus, meine gute, liebe Toni! ... Halt
aus! ... Nur noch eine Weile! .... Nur noch eine kleine Weile! ... Du
armes Mädchen! ... Alles ist so -- über uns hereingekommen! (Seufzt.)
Nur noch eine kleine Weile! ... Es wird alles gut! ... Es _muss_ ja
alles wieder gut werden! ..

TONI (hysterisches Weinen.)

WENDT: Toni!!

TONI: Ach, mir ist ... (Fasst sich.) Ja! ... Wir dürfen jetzt nicht mehr
-- daran denken! ... Ich habe das nicht nur so -- hingesagt! ... Das ist
nun -- vorbei!

WENDT: Ach, Du weisst ja nicht, was Du .... Wir wissen ja nicht -- jetzt
...

TONI (müde, gequält): Ach, wenn ich doch todt wär'! ...

WENDT (nach einer Pause): Das -- ist dein ...

TONI (bleibt stumm).

WENDT: Du -- sagst das mit -- voller Ueberlegung?

TONI (leise): Ja!

   (Pause. _Wendt_ stumm an dem Tisch, auf welchen er sich schwer
   gestützt hat; _Toni_ neben ihm, ihn ängstlich beobachtend.)

TONI: Du musst doch selbst sehn, dass es -- jetzt nicht mehr geht.

WENDT: Mit voller Ueberlegung? ... Nein! -- Ach was! -- Das kannst Du ja
gar nicht! .. Siehst Du! Das kannst Du ja gar nicht! ... Es ist ja
unmöglich, dass wir die Verhältnisse jetzt klar übersehen können! ...

TONI: Ach nein! ... Ich weiss ganz genau, wie jetzt alles kommen wird!
... Wir können und _werden_ uns nie heirathen! ...

WENDT: Nie? ...

TONI (traurig mit dem Kopfe schüttelnd): Nein! ... Nie! ...

WENDT: Nie! ... (Er hat sich auf den Stuhl vor dem Tisch sinken lassen,
der noch von gestern Abend dasteht. Stumm, finster, den Kopf in beiden
Händen, vor sich hinstarrend.)

TONI (beunruhigt, mitleidig): Siehst Du! ... Du musst doch _sehn_, dass
ich jetzt -- hier -- nicht fortkann! ... Ach, Du weisst ja! ... Du hast
ja gehört! ... Diese schreckliche, schreckliche Nacht! ... Ich kann, ich
_kann_ doch nicht anders! ... (Nachdenklich.) Wenn es jetzt auch so
_aus_sieht, als ob sie anders wären! Ach! Das scheint ja nur so! ...
(Traurig.) Das dauert ja doch nicht lange! Bei der nächsten Gelegenheit
-- ist es wieder -- wie vorher, und -- und noch viel -- noch viel --
schlimmer ...

WENDT (dumpf vor sich hin): Noch -- _schlimmer_! ...

TONI (ernst und traurig): Ja! ... Noch _schlimmer_! ... (Pause.) Ja,
wenn Linchen noch ... (Ihre Stimme zittert.) Wenn sie dem Vater so auf
den Knie'n sass beim Essen ... so neben ihm ... wenn sie sich an ihn
schmiegte ... und ihm -- was vorschwatzte ... oder: wenn sie sich
zankten ... wenn sie dann -- weinte ... und bat ... mit ihrem rührenden
Stimmchen ... Ach! Sie hat sie immer wieder heiter gemacht und --
getröstet ... Ja! Aber jetzt ... (Ist in Weinen ausgebrochen.) Ach, Du
weisst das ja alles gar nich! ...

   (Pause.)

Was soll werden? ... Sag doch selber! ... Zu uns nehmen -- könnten wir
sie ja doch nicht! ... Du weisst ja, wie er is! ... Und -- die Mutter
allein? ... Das lässt er nicht! ... Er hat sie ja viel, viel zu lieb!
... Er kann sich nicht von ihr trennen! ... Und unterstützen? ... (Sie
lächelt müde.) Das siehst Du ja selber: das kann ja gar nichts nützen!
... Darauf kommt es ja gar nicht an! ... Ach Gott! Ich darf gar nicht
daran denken! ... Die arme, arme Mutter! ... Und dann -- die andern! ..
Der arme Walter! ... Nein! (Leise.) Es ist ganz unmöglich, ganz
unmöglich, dass ich fort kann! ... Und -- das kann noch lange, lange
Jahre so fortdauern! ...

WENDT (nach einer Weile, halb zu sich selbst, seitwärts, zwischen den
Zähnen): Und -- da musst Du Dich also -- opfern! ...

TONI (nachdenklich): Die armen, armen Menschen!

WENDT: Dein ganzes Leben in diesem Elend verbringen! Dein ganzes Leben!
... Das soll man ertragen?! ... (Ist aufgesprungen.) Das ist ja
unmöglich, Toni! Das ist ja unmöglich!

TONI (sanft): Ach, doch!

WENDT: Toni!

TONI: Und wenn sie noch _schlecht_ wären! ... Sie sind aber so gut! Alle
beide! Ich habe sie ja so lieb! ...

WENDT (leise; einfach constatirend, nicht vorwurfsvoll): Ja! Mehr als
mich! ...

TONI: Ach, Du bist ja viel glücklicher!

WENDT: Glücklicher? Ich?!

TONI: Ja, Du! Du! ... Du bist ja noch jung und hast noch so viel vor
Dir! ... Aber sie haben ja gar nichts mehr auf der Welt! Gar nichts! ...

WENDT (stöhnt auf).

TONI (leise): Wir könnten ja _doch_ nie so recht glücklich sein! ... Ich
hätte ja keine ruhige Stunde bei Dir, wenn ich wüsste, wenn ich
fortwährend denken sollte, dass hier ... Nein, nein! ... Das wäre ja nur
eine fortwährende Qual für mich! ... Das siehst Du ja auch ein!

WENDT: Ich? ... ein?!

TONI: Ja!

WENDT (zuerst vollständig fassungslos, dann): Gut! Dann bleib' ich hier!
... (Verzweifelt.) Ich habe den Muth nicht, ohne Dich, Toni! ... Toni!
-- (Auf sie zu.)

TONI (erschrocken, schon in seinen Armen. Flehend): Hier?! ... Nein!
Ach, nein! ...

WENDT: Und wenn alles in _Stücke_ geht!

TONI: O Gott! ... Ach, nein! ... _Nein!_ ... Deine Eltern ...

WENDT: Meine Eltern?! -- He! -- Wohl mein Vater?! Dieser orthodoxe,
starrköpfige Pfaffe und ... Ae! Die ist mir ja auch nicht mehr das! ...

TONI: O!

WENDT (bitter): Ja, ja, meine liebe Toni!

TONI: Und Deine Stellung?

WENDT: Meine Stellung?! He! -- Was ist mir denn meine Stellung!
(Leiser.) Ich habe nur _Dich_, Toni! Nur Dich! ...

TONI: Ach! -- Aber sieh doch ... Nein! Das würde Dir ja _auch_ nichts
nützen!

WENDT: Nichts nützen?!

TONI: Nein, nein! ... Ach, nein! Das geht ja nicht! ... Ach, das würde
ja alles ganz anders werden, als Du Dir's jetzt vorstellst! .... Du bist
ja nicht so an alles das gewöhnt! .. Und dann: eh' Du Dir dann wieder
eine _neue_ Stellung verschafft hast! ... Alles das! ... Nein, nein! ...
Es ist so _gut_ von Dir, so _gut_! Aber es nützte ja doch nichts! ...
Ach, siehst Du denn das gar nicht ein?

WENDT (stöhnt schmerzlich auf).

TONI (einen Einfall bekommend): Ach na ... Und dann -- siehst Du! ...
Eigentlich: wir haben ja noch gar nichts verloren? ... Später könnten
wir ja -- vielleicht -- immer noch zusammenkommen?

WENDT (sie fest ansehend): Später?

TONI (etwas verlegen): Nun ja? ... Ich ...

WENDT (wie vorher): Später?

TONI (mit einem gequälten Lächeln): Ich ... Nun ja -- Warum denn nicht?
Ich ... e ... Wir müssten vielleicht noch -- ein paar Jahre warten! ...
Aber unterdessen kannst Du ja ... (Sie hat während der letzten Worte
nach dem Bett hingesehn.) Hach?! (Ist zusammengefahren, sich fest an ihn
klammernd.)

WENDT (mit zitternder Stimme): Um Gotteswillen! Was ist Dir denn, Toni?!

TONI (wieder aufathmend und sich über die Stirn streichend): Mir war --
als wenn sich -- im Bette dort etwas -- bewegte ...

WENDT (gleichfalls unwillkürlich zum Bett hinsehend. Sucht sie zu
beruhigen): Du bist so erregt, Kind!

   (Pause.)

TONI: Wir vergessen ... Wir müssen -- vernünftig sein! ... (Lächelnd.)
Ach! -- Sieh mal? -- Mir -- ist -- schwindlich! ... Ich bin -- doch --
ein bischen -- angegriffen ...

WENDT (sie stützend): Du hast Dich so erschrocken, Toni! ...

TONI (mit mattem Lächeln): Lass nur! -- Es ist -- schon wieder gut! ...
(Sie ist mit gefalteten Händen vor das Bett Linchens getreten. Weint.)
Ja! -- Du siehst ... Mein liebes, liebes Linchen! ... Mein
Schwesterchen! ...

WENDT (hinter ihr).

TONI (weinend, wendet sich zu ihm): Sieh doch!

WENDT (abgewandt): Toni ...

TONI: Ich _bitte_ Dich! -- Ich _bitte_ Dich! --

WENDT (sie ansehend. Auf's Tiefste erschüttert. Hat ihre Hand ergriffen.
Demüthig): Toni! -- O, was bin ich gegen Dich! -- Wie muss ich mich vor
Dir schämen! ...

TONI (abwehrend): Ach ... (Ernst.) Aber: wir dürfen nicht! Nicht wahr?

WENDT (sich abwendend): Du hast recht! (Hat ihre Hand wieder fallen
lassen.) ... Ja! Du brauchst mich nicht! -- Du bist gross und muthig und
stark und ich so klein, so feig und -- so selbstsüchtig! (Beschämt.) Ich
-- Thor ich! ... Ja! Du hast recht! -- (Seufzt tief auf.) Wir dürfen
nicht! ...

TONI (seine Hand ergreifend und ihm die ihre auf die Schulter legend;
sieht ihm in die Augen): Nicht _wahr_, Gustav? ... Wir dürfen doch nicht
nur an uns denken?!

WENDT (im tiefsten Schmerz. Ihre Hand drückend): Ach! -- Mädchen! --

TONI: Du bist so gut gewesen! ... Du hast's so gut mit uns gemeint! ...

WENDT (gequält): Ist denn nur _keine, keine_ Möglichkeit?! ...
Herrgott!! ...

TONI (schmiegt sich an ihn): Siehst Du: ich muss ja doch auch aushalten!

WENDT (schmerzlich): Toni! -- Toni! --

TONI (immer in derselben Stellung. Wieder mit einem Lächeln): Ach, wenn
man so den Tag über arbeitet, weisst Du ... wenn man sonst gesund ist
und immer tüchtig arbeiten kann: da denkt man an nichts! ... Da hat man
keine Zeit, an was zu denken! ... Und Du -- Du weisst so viel! Du kannst
so viel nützen ...

WENDT (düster): Ich? Nützen?

TONI: Ach ja!

WENDT: Nützen! ... Ja früher! Wenn ich noch wie früher wär'! ... Aber
jetzt?! Jetzt?! ...

TONI: Ach, das ist ja nur so für den Augenblick! ... Du kannst glauben:
das ist nur so für den Augenblick! ... Wenn Du erst _dort_ bist ... Das
ist so ein schöner, schöner Beruf, Pastor!

WENDT: Ich glaube an alles das nicht, womit ich die Leute -- trösten
soll, liebe Toni! Und ich kann nicht -- lügen!

TONI (lehnt den Kopf an seine Schulter. Zu ihm auf): Aber wenn nun ...
Wenn Du mich nun ... Hättest Du _dann_ gelogen?

WENDT: Wie meinst Du?

TONI: Ich meine: Wenn Du mich -- geheirathet hättest und Du wärst dann
Pastor gewesen, dann hättest Du doch ebenso gut den Leuten was
vorgelogen, wenn Du überhaupt an das alles nicht _glaubst_? ... Du
sagtest doch gestern -- ich weiss nicht mehr, wie Du's ausdrücktest! ...
Aber -- ... Ja! -- Wir hätten dann, was mit dem Leben versöhnte! -- So
ungefähr! -- Es war so schön! ...

WENDT: Mädchen! -- Mädchen! --

TONI: Ach, lass doch! -- Du hast dort zu thun und _ich_ -- hier! -- Und
wenn wir dann -- manchmal aneinander denken, dann -- wird es uns
leichter werden! ... Nicht wahr? ... (Mit mildem Scherz.) Ich will mal
sehn, wie oft mir das Ohr klingt! ... Ach ja! Wenn man nichts zu thun
hat, dann denkt man so an alles und dann sieht alles -- viel schlimmer
aus, als es ist! ... Aber wenn man arbeitet, dann schafft man sich alles
vom Halse! ...

WENDT: Ja! Ja! Du hast wieder recht, wieder recht! ... (Sieht sie innig
an.) Ach Mädchen! -- Du wunderbares Mädchen! Wie könnt' ich jetzt ohne
Dich leben! ...

TONI (ängstlich): O nein, nein! ... Das sagst Du ja nur so! -- Das wäre
doch schlimm, sieh mal, wenn Du das nicht könntest, wenn Du blos von
_mir_ abhingst! -- Lieber Gott! Ich bin ja so dumm! -- Ich weiss ja
nichts!

WENDT: Ich meine nicht so! -- Du hast recht! -- H! ... Wir müssen uns
darein finden!

TONI (freudig, sich an ihn drückend): Ach, siehst Du! -- Das ist gut von
Dir! Das ist _gut_!

WENDT: Aber, nicht wahr? Ich habe Dich doch _gefunden_ und Du -- Du
machst mich jetzt zu einem anderen Menschen! ... Du hast mich überhaupt
erst zu einem gemacht, liebe Toni! ...

TONI: Ach, ich! ...

WENDT (innig): Ja! Du! ... Das Leben ist ernst! Bitter ernst! ... Aber
jetzt seh' ich, es ist doch schön! -- Und weisst Du auch warum, meine
liebe Toni? Weil solche Menschen wie Du möglich sind! -- ... Ja! So
ernst und so schön! ... (Streichelt ihr über das Haar.)

TONI (leise, selbstvergessen, glücklich): Ach ja! ... Ach, aber das ist
gut von Dir! ... Ich wusste ja ....

   (Pause. Sie sehen sich in die Augen.)

TONI (schmerzlich, sehnsüchtig aufseufzend): Ach, Du! ...

WENDT (sie fest an sich pressend): Hm? Du! ... Toni! ...

TONI (in Gedanken an ihm vorbeisehend): Ach ja!

WENDT (schmerzlich): Toni! -- Toni! -- (Presst sie eng an sich.)

TONI (mit erstickter Stimme): Still ... Sei still ...

WENDT (verloren): Toni ... (Beugt sich über sie und will sie küssen.)

TONI (mit erstickter Stimme): Lass! ... Ich -- höre -- die Mutter! ...
Ich muss nun .... Wir müssen nun daran denken! ... Nicht wahr? ..

WENDT: Toni! Ich bleibe noch! ... Einen Tag! ... Einen einzigen Tag!

TONI (wie vorher): Nein! ... Bitte! .. Bitte! .. _Mir_ zu liebe! ...

WENDT: Ach! ... Leb wohl! ... (Küsst sie.)

TONI (seinen Kuss erwiedernd, mit thränender Stimme): Leb -- wohl! ....
(Sie drückt sich gegen seine Brust.) Leb wohl! ... (Es klingelt. Toni
will aufmachen.)

WENDT (hält sie zurück): Lass! _Ich_ werde aufmachen! -- 's wird wohl
nur der alte Kopelke sein ... (Er geht aufmachen. Toni zieht sich in die
Küche zurück.)

KOPELKE (noch im Corridor): Danke scheen! Danke scheen! ... Juten
Morjen, werther, junger Herr! -- Na? Schon uf 'n Damm? ... Wie steht't
denn mit unse Kleene? -- Aha! Ick weess schon! ... Se schläft noch!
Scheeniken! ...

WENDT: Nein, sie ... Bitte, treten Sie ein, Herr Kopelke!

KOPELKE (tritt geräuschlos ein. Er hat ein kleines Packetchen unterm
Arm. Bleibt einen Augenblick bei der Thür stehen und sieht sich um):
Juten Morjen! ... Nanu?! Keener da?! ... Det is jo hier noch so 'ne
Wirthschaft?! ... (Zu Wendt hinter sich zurückflüsternd): Sagen Se mal,
et is doch nich etwa ... He?! ...

FRAU SELICKE (lugt aus der Kammer): Ach, Sie sind's, Herr Kopelke?
(Tritt ein.)

KOPELKE: Ja, ick! .... Juten Morjen, Frau Selicken! ... Ick wollt' mal
.... Sagen Se mal, et ...

FRAU SELICKE (weinend): Ach, Herr Kopelke! ..

KOPELKE (besorgt): Nanu?! Et is doch nich ...

FRAU SELICKE (in Thränen ausbrechend): Ach! Nun brauchen Sie -- nicht
mehr -- Herr Kopelke ..

KOPELKE (das Packetchen auf den Tisch legend): Det hat sick doch nich --
verschlimmert?!

FRAU SELICKE: Hier! ... Da! ... (Sie ist mit ihm an's Bett getreten).

KOPELKE (steht eine Weile stumm da und giebt einige grunzende Laute von
sich).

FRAU SELICKE: Diese Nacht um zwei ...

KOPELKE (mit bebender Stimme): Biste todt, mein liebet Linken? ....
(Tritt zu Frau Selicke und nimmt ihre Hand.) Frau Selicken! ... Meine
liebe Frau Selicken! ... Det ... Sehn Se! .. Det ... Hm! ... Hm! ... (Er
hält einige Augenblicke, seitwärts sehend, ihre Hand. Plötzlich:) Wo is
denn Edewacht?

FRAU SELICKE: Drin in der Kammer! .... Er sitzt da und -- und -- rührt
sich nich .. Wie todt! ... Ach Gott, ach Gott, ach Gott! ...

KOPELKE: Hm! ... (Wendet sich wieder zum Bett und betrachtet die
Leiche.) Un ick dacht' ... Hm! ... Un ick hatt' ihr da -- noch 'ne --
Kleenigkeit -- mitjebracht! ... Hm! ... Nu is det -- nich mehr --
needig! ... Nu hat se det -- freilich -- nich mehr -- needig! ... Hm!
... Hm! ...

   (Toni tritt in die Küchenthür und sieht in die Stube nach Frau
   Selicke.)

Liebet Freilein! ... (Kopelke giebt ihr die Hand. Toni sieht still
seitwärts.) Liebet Freilein! ... (Toni geht zu Frau Selicke.)

TONI: Mutterchen! Da bist Du ja schon wieder? ... Hast Du denn nicht ein
bischen _geschlafen_?

FRAU SELICKE: Nein! -- Kein Auge hab' ich zuthun können! -- Nur so ein
bischen gedämmert! ... Wie's klingelte, war ich gleich wieder wach! ...
Haste denn Herrn Wendt ...

TONI: Ja! Lass nur! Ich gehe schon! Leg' Dich aber wieder hin,
Mutterchen! Hörst Du?

FRAU SELICKE: Ja, ja! ... (Toni geht in die Küche zurück.) Warten Sie,
Herr Kopelke! -- Ich werde meinem Manne sagen ... (Ab in die Kammer.)

KOPELKE (tritt vom Bett zu Wendt hin, der die ganze Zeit über ernst bei
Seite gestanden hat): Die armen Leite! -- Die armen Leite! -- Jott! Ick
sag' immer: warum muss et blos so ville Elend in de Welt jeben? -- Ae,
Jottedoch! -- ... Sie woll'n nu heite ooch reisen?

WENDT (zerstreut): Ja! -- Gleich nach den Feiertagen tret' ich meine
Stellung an.

KOPELKE: Ja, ja! -- Det wird Ihn'n nu ooch so nich passen! -- Na, wissen
Se, werther, junger Herr! Det lassen Se man jut sind! Die Beffkens un
der schwarze Rock un det so: det is jo allens Mumpitz! -- Sowat macht 'n
Paster nich! Damit kenn'n Se sick trösten! -- Da sitzt der Paster!
Verstehn Se? Da! (Klopft sich auf die Brust.) ... Un denn, wissen Se: in
die zwee Jahre haben Se hier wat kennen jelernt, wat mennch eener sein
janzet Leben nich kennen lernt, un wat Bessres, verstehn Se, hätt Ihn'n
janich passirn können! ... Ick wünsch' Ihn'n ooch 'ne recht jlickliche
Reise! -- Wah mich immer sehr anjenehm, werther, junger Herr! Wah mich
immer sehr anjenehm! ... Un, Se kommen doch später hier mal widder her?
Wat? ...

WENDT (nachdrücklich): Ja das werd' ich! -- Ueber kurz oder lang! ...
Ich danke Ihnen, Herr Kopelke!

KOPELKE (ihm die Hand drückend): Scheeniken! Scheeniken! _Det_ is recht
von Sie!

   (Frau Selicke kommt aus der Kammer.)

FRAU SELICKE: Es is nichts mit'm anzufangen! -- Gehn Sie nur selber zu
'm rein, Herr Kopelke! ... Ach Gott, ja! ...

KOPELKE (nimmt ihre Hand): Kinder! -- Kinderkens! ... Lasst man jut
sind! Wir kommen ooch noch mal an de Reihe! ... (Verschwindet hinter der
Kammerthür.)

   (Draussen fangen die Glocken zum Frühgottesdienst an zu läuten. Das
   Läuten dauert bis gegen Schluss.)

FRAU SELICKE: Da läuten sie schon zur Kirche! ... Ach, wer hätte das
gedacht, dass Sie mal so von uns fortziehen würden, Herr Wendt! ...
Unter solchen Umständen! ... (Weint.) Lassen Sie sich's recht gut gehen!
(Giebt ihm die Hand.) Und grüssen Sie Ihre Eltern unbekannterweise recht
schön von uns! ... Erleben Sie bessere Feiertage -- und -- denken Sie
manchmal an uns ....

WENDT: Ja! -- _Das_ werd' ich sicher, liebe Frau Selicke!

FRAU SELICKE: Wo bleibt denn Toni? Sie haben ja gar nich mehr so viel
Zeit ....

TONI (kommt mit Frühstück und Kaffeegeschirr; in der andern Hand trägt
sie ein Köfferchen. Im Vorbeigehn zu Wendt): Bitte!

WENDT (nimmt ihr es ab und stellt es neben sich unter den Sophatisch):
Ich danke Ihnen ....

FRAU SELICKE (mit der Schürze vor den Augen. Schluchzend): Ach Gott ja!
Ach Gott ja!

TONI (hat das Frühstück in Wendt's Zimmer getragen und kehrt nun wieder
zu ihrer Mutter zurück. Sie umarmt sie und küsst sie. Zärtlich):
Mutterchen! -- Muttelchen! ...

FRAU SELICKE (zu Wendt, immer noch schluchzend): Ja, grüssen Sie sie
nur! Grüssen Sie sie nur recht von uns!

WENDT (ihre Hand ergreifend): Ich danke Ihnen, Frau Selicke! Ich danke
Ihnen! Für -- Alles! (Ihre Hand drückend.) Leben Sie wohl! (Zu Toni, die
mit dem einen Arm noch immer ihre Mutter umschlungen hält, ebenfalls
ihre Hand ergreifend.) Leben Sie wohl! Ich .... (Toni hat sich an die
Brust ihrer Mutter sinken lassen und vermag ihm nicht zu antworten. Ihr
ganzer Körper bebt vor Schluchzen.)

WENDT (sich plötzlich über ihre Hand, die er immer noch nicht
losgelassen hat, bückend und sie küssend): Ich komme wieder! ...


             Wilhelm Issleib (Gustav Schuhr), Berlin SW. 48



Anmerkungen zur Transkription


Die Schreibweise und Zeichensetzung des Originales wurden weitgehend
beibehalten. Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
Alle weiteren Korrekturen sind hier aufgeführt (vorher/nachher):

   [S. 5]:
   ... Kaulbach'schen Stahlstich »Lotte, Brod schneidend« hängt. ...
   ... Kaulbach'sche Stahlstich »Lotte, Brod schneidend« hängt. ...

   [S. 8]:
   ... Ah, gut'n Aben, Herr Kopelke! ...
   ... Ah, gut'n Abend, Herr Kopelke! ...

   [S. 18]:
   ... KOPELKE (mit krummgezogenen Puckel, sich schmunzelnd ...
   ... KOPELKE (mit krummgezogenem Puckel, sich schmunzelnd ...

   [S. 21]:
   ... dass das Licht der Lampe noch auf sie fällt): Ja ...
   ... dass das Licht der Lampe noch auf sie fällt): Ja! ...

   [S. 26]:
   ... Ich bin garnicht abergläubisch? Aber es ist doch ...
   ... Ich bin garnicht abergläubisch! Aber es ist doch ...

   [S. 33]:
   ... Elend leben! Hörst Du Du verdienst das nicht! ...
   ... Elend leben! Hörst Du! Du verdienst das nicht! ...

   [S. 89]:
   ... TONI (in Gedanken an ihn vorbeisehend): Ach ja! ...
   ... TONI (in Gedanken an ihm vorbeisehend): Ach ja! ...





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