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Title: A. von Menzel
Author: Knackfuß, Hermann
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "A. von Menzel" ***


  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

    Der vorliegende Text wurde anhand der 1900 erschienenen Buchausgabe
    so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung
    und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend
    korrigiert. Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden
    beibehalten, auch bei Namensnennungen. Der Ausdruck ‚et cetera‘
    wurde im Original mit Hilfe des tironischen Kurzschriftzeichens
    ‚Et‘ dargestellt; in der vorliegenden Bearbeitung wird dieser
    dagegen mit ‚etc.‘ umschrieben.

    Der Originaltext wurde in Frakturschrift gedruckt; Passagen in
    Antiquaschrift werden durch _Unterstriche_ hervorgehoben. Fettdruck
    wird durch die Verwendung von =Gleichheitszeichen= dargestellt,
    gesperrte Passagen sind von +Pluszeichen+ umgeben.

  ####################################################################



                             A. von Menzel

                                  Von

                              H. Knackfuß

    Mit 141 Abbildungen nach Gemälden Holzschnitten und Zeichnungen

                            Fünfte Auflage

                            [Illustration]

                       =Bielefeld= und =Leipzig=

                     Verlag von Velhagen & Klasing

                                 1900



Von der ersten Auflage dieses Werkes ist für Liebhaber und Freunde
besonders luxuriös ausgestatteter Bücher außer der vorliegenden Ausgabe

                        eine numerierte Ausgabe

veranstaltet, von der nur 100 Exemplare auf Extra-Kunstdruckpapier
hergestellt sind. Jedes Exemplar ist in der Presse sorgfältig numeriert
(von 1-100) und in einen reichen Ganzlederband gebunden. Der Preis
eines solchen Exemplars beträgt 20 M. Ein Nachdruck dieser Ausgabe, auf
welche jede Buchhandlung Bestellungen annimmt, wird nicht veranstaltet.

    Die Verlagshandlung.


Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.



[Illustration: Nach einer photographischen Aufnahme vom Hofphotograph
K. Brasch in Berlin.]



[Illustration: Abb. 1. +Vignette+ aus Menzels „Geschichte Friedrichs
des Großen“.]



Adolph von Menzel.


[Illustration: Abb. 2. +Initiale+ aus Menzels „Geschichte Friedrichs
des Großen“.]

Wenn ein Künstler mit seinem Schaffenswerk in die Gegenwart
hineinreicht, dessen Thätigkeit sich über mehr als zwei Dritteile
des Jahrhunderts ausdehnt, dessen Schöpfungen bei mehreren einander
folgenden Menschengeschlechtern eine niemals schwankende Bewunderung
gefunden haben, so gilt von einer solchen Persönlichkeit der Satz
nicht, daß die geschichtliche Bedeutung eines Zeitgenossen nicht mit
der dem Geschichtschreiber gebotenen Ruhe und Unbefangenheit ihrem
wirklichen Werte nach beurteilt werden kann. Wohl mag sonst der
Blick des Mitlebenden durch den ungenügenden Abstand am Erkennen der
richtigen Maße verhindert, wohl mag sein Urteil durch den Einfluß
des herrschenden Zeitgeschmacks, dem nur die wenigsten vollständig
sich zu entziehen vermögen, getrübt und hier zu Überschätzung, dort
zu Verkennung geleitet werden: Adolph Menzel, das Bild einer klaren,
zielbewußten und vom Tagesgeschmack nicht beirrten, völlig in sich
abgerundeten und geschlossenen Künstlerpersönlichkeit, steht auf einem
festbegründeten Standpunkt da, der solchen Zweifeln entrückt ist. Er
gehört der Geschichte an als eine der glänzendsten Erscheinungen der
deutschen Kunst im XIX. Jahrhundert.

[Illustration: Abb. 3. +Jagdeinladungskarte+. Federzeichnung auf Stein.

(Eigentum und Verlag von R. Wagner in Berlin.)]

Adolph Menzel wurde geboren zu Breslau am 8. Dezember 1815. Sein
Vater war der Vorsteher einer Mädchenschule; später verlegte sich
derselbe auf die Lithographie. Adolph wurde für einen gelehrten Beruf
bestimmt, aber die Verhältnisse stellten sich dem Verfolg der dahin
gerichteten Studien entgegen; und da der Knabe eine leidenschaftliche
Liebe zur Kunst zeigte, kam es ganz von selbst dahin, daß er schon im
Knabenalter zum Gehilfen seines Vaters wurde. Im Jahre 1830 verkaufte
dieser sein lithographisches Geschäft und siedelte nach Berlin über.
Dazu war der Gedanke mit bestimmend gewesen, daß Adolph hier eine
bessere Gelegenheit zur Ausbildung seiner künstlerischen Fähigkeiten
finden würde. Schon 1832 im Januar starb der Vater, der auch in Berlin
sich mit dem Anfertigen lithographischer Zeichnungen, bei denen sein
Sohn ihm half, beschäftigt hatte, plötzlich am Schlagfluß. Der eben
Sechzehnjähriggewordene war jetzt ganz auf sich selbst angewiesen.
Er zeichnete Flaschenetiketten, Entwürfe für Stubenmalerschablonen,
Vignetten für Geschäftsempfehlungen und Preiskurante und was
immer sonst sich ihm darbot als Mittel, seine Geschicklichkeit im
Steinzeichnen und seine Erfindungsgabe zu verwerten (Abb. 3). Dabei
verwendete er auf jede dieser Arbeiten eine solche Gewissenhaftigkeit,
daß keine derselben eine verlorene Zeit für ihn bedeutete. Einen
größeren Auftrag bekam er 1833 von dem Kunsthändler Sachse. Ein älteres
lithographisches Werk, welches das Leben Luthers behandelte, sollte neu
aufgelegt werden; und da die alten Platten nicht mehr brauchbar waren,
wurde Menzel die Aufgabe zugewiesen, die Bilder von neuem auf Stein zu
zeichnen. Dabei war es ihm unverwehrt, die gegebenen Vorbilder durch
Hineinbringen von Leben und Charakter umzugestalten, so daß die neuen
Zeichnungen in gewissem Sinne sein eigenes künstlerisches Werk wurden.
Im Sommer des nämlichen Jahres trat er in die Gipsklasse der Akademie
ein. Aber schon nach kurzer Zeit blieb er wieder von der Akademie weg,
da er sich überzeugte, daß das, was damals dort gelehrt wurde, ihm
nicht viel nützen könnte. Er führte nun für eben jenen Kunsthändler
Sachse ein Heft lithographischer Zeichnungen aus, mit denen er zuerst
als selbständiger Künstler an die Öffentlichkeit trat. „Künstlers
Erdenwallen. Componirt und lithographirt von A. Menzel“, war der
Titel des Heftes, das im Jahre 1834 erschien, das allgemeinen Beifall
fand und dem sogar der alte Gottfried Schadow öffentlich Worte warmer
Anerkennung widmete. Es enthält sechs Blätter, von denen die fünf
ersten je zwei Bilder tragen, und eine Titelzeichnung auf dem Umschlag.
Die Titelzeichnung gibt eine Art Inhaltsübersicht in sinnbildlichen,
in Zierwerk eingeflochtenen Darstellungen. Die Bilderfolge erzählt
ihr Thema, das dornenvolle Leben eines Malers, der erst nach dem Tode
Anerkennung findet, kurz und klar. Unter jeder Darstellung ist eine
kleine Vignette angebracht, die ein sprechendes Gleichnis enthält. Die
Unterschrift besteht jedesmal in einem einzigen Wort. Diese Knappheit
und Sicherheit des Ausdrucks, die schon in dem Jugendwerk in Wort und
Form hervortritt, ist bezeichnend für Menzels ganze Art. Im „Keim“
sehen wir das Talent des Helden der Bildergeschichte sich dadurch
äußern, daß er als kleiner Junge den Fußboden bekritzelt (Abb. 4). Der
„Trieb“ macht sich Luft im heimlichen Üben künstlerischer Thätigkeit
des Heranwachsenden. Aber „Zwang“ fesselt den Jüngling an einen
verhaßten Beruf, bis er sich durch die Flucht „Freiheit“ verschafft.
In der Akademie macht er darauf „Schule“ durch, und der Beginn freier
Künstlerthätigkeit bringt ihn in „Selbstkampf“. „Liebe“ gewährt
ihm Trost. Aber auf die „Luftschlösser“, die er im Jugendrausche
baut, folgt die „Wirklichkeit“ mit bitterer Brotarbeit (Abb. 5).
Das „Ende“ ist ein frühzeitiger Tod im Kreise einer in Dürftigkeit
zurückbleibenden Familie. Und dann bringen seine hinterlassenen Werke
ihm „Nachruhm“. -- Ein Zeichen der Anerkennung, die diese Blätter um
der geistreichen Erfindung und der scharf kennzeichnenden Darstellung
willen in den Kreisen der Künstlerschaft fanden, war die durch
einstimmige Wahl erfolgte Aufnahme Menzels in den „Jüngeren Berliner
Künstlerverein“, gleich nach dem Erscheinen des Heftes.

[Illustration: Abb. 4. Aus dem Heft lithographischer Federzeichnungen:
„Künstlers Erdenwallen“ (1834): „+Keim+“.

„Erstes Aufblitzen des Genies, die Preiserteilung besteht in Prügeln.“
-- „Kaum entschlüpft der Schmetterling der Puppe und regt die Schwingen
zu eigenem Flug, so bedroht ihn die Fangklappe.“

(Eigentum und Verlag von R. Wagner in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 5. Aus dem Heft lithographischer Federzeichnungen:
„Künstlers Erdenwallen“ (1834): „+Wirklichkeit+“.

(„Brotstudium, Sorge.“ -- „Dem Schwan werden die Flügel beschnitten.“)

(Eigentum und Verlag von R. Wagner in Berlin.)]

Nach der Vollendung von „Künstlers Erdenwallen“ nahm Menzel
sofort eine Bilderfolge von anderer Art in Arbeit, die er ebenfalls
in Lithographie, aber nicht wie jenes erstes Werk in leichter
Federzeichnung, sondern mit der Kreide in mehr malerischer Behandlung
ausführte: „Denkwürdigkeiten aus der brandenburgischen Geschichte“. Die
Folge bestand aus einem Umschlagtitel und zwölf Bildern. Gegenstände
derselben waren: Die Predigt des Christentums bei den Wenden durch
den heiligen Vicelin, die Erstürmung der Feste Brennabor durch
Markgraf Albrecht den Bären, die Belehnung Friedrichs von Hohenzollern
mit der Mark Brandenburg, der Übertritt des Kurfürsten Joachim II
zum Luthertum, die Erbhuldigung der preußischen Landstände vor dem
Großen Kurfürsten, die Schlacht bei Fehrbellin, die Weihung Kurfürst
Friedrichs III zum König in Preußen, die Einwanderung der Salzburger
Protestanten, die Schlacht bei Mollwitz, Friedrich der Große vor
Leuthen, die Freiwilligen von 1813 und ein Schlußblatt „Victoria!“ Im
Jahre 1836 war das Werk fertig. Heute mehr anerkannt, als zur Zeit
seiner Erscheinung, bekundet dasselbe eine erstaunliche Unabhängigkeit
des jungen Menzel von dem herrschenden Kunstgeschmack der Zeit. Während
man sich sonst damals Geschichtsdarstellungen aus dem Mittelalter nicht
anders als im Gewande der Romantik denken konnte und Begebenheiten
aus nachmittelalterlicher Zeit im allgemeinen für überhaupt nicht
recht darstellungswürdig hielt, ging Menzel gar nicht auf eine
romantische Verklärung der Begebenheiten, sondern auf die möglichste
geschichtliche Treue, auf glaubwürdige Veranschaulichung der Thatsachen
aus, und gerade in den Bildern aus der jüngeren Zeit erreichte er
hierin das Beste. Es dürfte wohl kein gemaltes Historienbild aus jener
Zeit nachzuweisen sein, welches so viel schlichte Natürlichkeit und
ebendadurch eine solche Wahrheit der Veranschaulichung enthielte,
wie Menzels Schilderung des Einzugs der Salzburger Protestanten. Das
dem glücklichen Erfolg der Befreiungskriege gewidmete Schlußblatt
„Victoria“ ist eine ganz großartige Schöpfung: ein in weiter Ferne
sich verlierendes Schlachtfeld, die Überlebenden in tiefer Bewegung,
kampfesmüde Männer und Jünglinge, Verwundete und Gesunde, alle einig
in dem Gefühl des Dankes gegen den Höchsten, der die preußischen
Fahnen zum Siege geführt. -- Wenn in den Darstellungen aus der
mittelalterlichen Geschichte nicht das gleiche Maß von Glaubhaftigkeit
der äußeren Erscheinung erreicht ist wie in denjenigen aus jüngerer
Zeit, so kann man das selbstredend nicht dem Zeichner zum Vorwurfe
machen; denn die Erforschung der deutschen Vorzeit lag damals noch in
den Windeln; aber alles, was ihm an Studienmaterial für das Aussehen
der Menschen entlegener Jahrhunderte erreichbar war, hat Menzel mit der
größten Gewissenhaftigkeit benutzt.

[Illustration: Abb. 6. +Kopfleiste+ zur Sachseschen Kunstzeitung.

Zeichnung auf Holz, geschnitten von Baudouin.]

[Illustration: Abb. 7. Aus den Holzschnittbildern zur „Geschichte
Friedrichs des Großen“ (1839-1842):

+Kampf im Engpaß+ (Schlußvignette zu dem Kapitel über den Feldzug des
Jahres 1745).]

Während er an den Brandenburgischen Denkwürdigkeiten arbeitete, machte
Menzel, ohne Unterweisung, seine ersten Übungen in der Ölmalerei. Dabei
war ihm die Linkshändigkeit, die ihm von Kindheit an eigen war, ein
Hindernis; aber durch die eiserne Ausdauer seiner Bemühungen brachte
er es dahin, bald eine ganz gleiche Geschicklichkeit in beiden Händen
zu erlangen. Sein erstes Ölbild führte er im Jahre 1836 aus, „mehr
knetend als malend“ nach seinem eigenen Ausdruck; dasselbe stellte eine
Schachpartie vor. Darauf folgte ein Bild mit dem Titel: „Auf zu den
Waffen!“ -- eine Schilderung aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges.
Erst das dritte Bild, „Konsultation beim Rechtsanwalt“, 1837 gemalt,
erregte beim Publikum Aufsehen. Im nächsten Jahre entstand ein Gemälde:
„Der Familienrat“, die Schilderung einer an sich ganz anspruchslosen
Situation in der Tracht der höheren Stände des XVII. Jahrhunderts.
Das Bild war von der herrschenden gleichzeitigen Sittenmalerei
ebenso verschieden, wie die Kompositionen der Brandenburgischen
Denkwürdigkeiten von der damaligen Historienmalerei: nichts
Anekdotisches, nichts von Sentimentalität, aber schärfste Kennzeichnung
lebenswahrer Charaktere und schlagende Natürlichkeit des Ausdrucks;
dabei war es ein wirkliches Gemälde, von echtem malerischen Reiz, von
reicher, aber ganz ungekünstelter, naturwahrer Wirkung. Im Jahre 1839
kam ein Gemälde, betitelt: „Ein Gerichtstag“, zur Ausstellung. Da sehen
wir vor dem Tribunal die Bahre einer ermordeten Dame, die vorgeführten
Mörder auf der einen Seite und an der anderen den Gatten der
Erschlagenen, der auf die Kniee gesunken mit leidenschaftlicher Gebärde
um Rache schreit, während das kleine Söhnchen betrübt, aber noch ohne
das Schreckliche ganz zu begreifen, dabei steht. Wenn heutzutage
dieses Bild, das sich gleichfalls in die Tracht des XVII. Jahrhunderts
kleidet, weniger sympathisch berührt, weil wir das starke Mitsprechen
des novellistischen Inhalts in einem Bilde nicht mehr lieben, so kam
dasselbe ebendeswegen dem Verständnis des damaligen Publikums näher,
das noch sehr weit von der Einsicht, daß ein Gemälde vor allem durch
seine malerischen Eigenschaften zum Kunstwerk wird, entfernt war.

[Illustration: Abb. 8. Aus den Holzschnittbildern zur „Geschichte
Friedrichs des Großen“ (1839-1842):

+Friedrich der Große und Cocceji+.

„Friedrich ... entschloß sich jetzt, (in der Justizverwaltung) mit
Macht durchzugreifen und schnell Ordnung zu schaffen. An dem Minister
Cocceji fand er den Mann, der zu einem solchen Geschäft Einsicht und
Kraft besaß.“]

Nebenher führte Menzel verschiedene lithographische Zeichnungen
aus, in denen er figürliche Darstellungen mit Zierwerk durcheinander
wob. So, unter vielen anderen, das Gesellendiplom des Zimmergewerks
von Berlin (1834), den Gesellenbrief der Maurer von Berlin (1838),
das Diplom des Offizier-Schieß-Vereins (1839) und -- das schönste
Blatt von allen -- eine Verbildlichung der Bitten des Vaterunsers.
Unerschöpflichkeit der Phantasie, Geschmack der Anordnung, Geist und
an geeigneter Stelle auch Witz und Laune machen diese Blätter zu
modernen Seitenstücken von Dürers Randzeichnungen im Gebetbuch Kaiser
Maximilians.

Im Jahre 1839 wurde an Menzel eine Aufgabe gestellt, die ihn dazu
führte, seinen Forscherfleiß einem bestimmten Zeitalter zuzuwenden und
dasselbe so gründlich kennen zu lernen, daß es vor seinem geistigen
Auge vollständig lebendig wurde, als ob es Gegenwart wäre. Das ist das
Zeitalter Friedrichs des Großen, dessen Erscheinungsformen durch Menzel
mit einer einzigartigen umfassenden Gründlichkeit der Nachwelt zu
lebensgetreuer Anschauung gebracht worden sind.

[Illustration: Abb. 9. Aus den Holzschnittbildern zur „Geschichte
Friedrichs des Großen“ (1839-1842):

+Friedrich der Große in seinem Arbeitszimmer im königlichen Schloß zu
Potsdam+.]


Der Buchhändler Weber in Leipzig hatte den Gedanken, eine illustrierte
Geschichte Friedrichs des Großen herauszugeben. Für den Text gewann er
den sonst besonders durch seine kunstgeschichtlichen Schriften bekannt
gewordenen Franz Kugler, und dieser war es, der Adolph Menzel als die
geeignetste Kraft, um die bildliche Ergänzung zu dem geschriebenen Wort
zu schaffen, in Vorschlag brachte.

Im März des genannten Jahres wurde der betreffende Vertrag
abgeschlossen, den, da Menzel noch minderjährig war, dessen Vormund
mitunterzeichnen mußte. Die Zahl der zu liefernden Abbildungen, die für
den Buchdruck auf Holz gezeichnet werden sollten, wurde auf vierhundert
bemessen.

[Illustration: Abb. 10. Aus den Holzschnittbildern zur „Geschichte
Friedrichs des Großen“ (1839-1842):

+Tafelrunde Friedrichs des Großen zu Sanssouci+. „Die Abendmahlzeit
pflegte den Kreis der Vertrauten zum heitersten Genusse zu vereinen.
Hier war alles Witz und Geist, und Voltaire und Friedrich standen
einander als die Herrscher im Reiche des Geistes gegenüber.“ --
Menzel hat in seinem dem Buche angehängten „Historischen Nachweis zur
Verständigung einiger Illustrationen“ zu diesem Bild die Erläuterung
gegeben: „Abendtafel im Salon des Schlosses von Sanssouci. Derselbe an
Ort und Stelle gezeichnet. Friedrich zur Linken sitzt Voltaire, dem
sich Feldmarschall Keith und Marquis d’Argens anreihen. Dem letzteren
gegenüber, auf der anderen Seite des Tisches, sitzt der Lord-Marschall
Keith. Sämtlich nach gleichzeitigen Porträts.“]

[Illustration: Abb. 11. Aus den Holzschnittbildern zur „Geschichte
Friedrichs des Großen“ (1839-1842):

+Hauptmann von Möllendorf bei Leuthen+.

„Es ging auf einen versperrten Thorweg los. Man stieß und riß die
Flügel auf; zehn Gewehre lagen im Anschlag; der Anführer, an der Spitze
eines mutigen Haufens, stürzte sich darunter.“]

[Illustration: Abb. 12. Aus den Holzschnittbildern zur „Geschichte
Friedrichs des Großen“ (1839-1842):

+Die Gefangennahme des Generals Fouqué durch österreichische Dragoner
bei Landshut+.]

[Illustration: Abb. 13. Aus den Holzschnittbildern zur „Geschichte
Friedrichs des Großen“ (1839-1842):

+Friedrich der Große bei der Belagerung von Schweidnitz+.

„Friedrich war endlich dieser erfolglosen Experimente überdrüssig. Er
übernahm selbst die Leitung der Belagerungsarbeiten und brachte bald
einen rascheren Gang der Dinge zuwege.“]

[Illustration: Abb. 14. Aus den Holzschnittbildern zur „Geschichte
Friedrichs des Großen“ (1839-1842):

+Gefechtserwartung+. „Alles drohte einen unerhörten Kampf (im Frühjahr
1774). Aber -- es kam zu keiner einzigen großen Schlacht.“]

Hatte Menzel schon bei Gelegenheit seiner Zeichnungen zur
brandenburgischen Geschichte Veranlassung gehabt, sich mit dem Großen
König und seiner Umgebung zu beschäftigen, so vervollständigte er
jetzt seine hierauf bezüglichen Kenntnisse mit der denkbar größten
Gewissenhaftigkeit. Er suchte jedes Bildnis Friedrichs II, Gemälde oder
Kupferstich, auf und zeichnete dasselbe ab, bis er die Persönlichkeit
seines Helden in allen Abschnitten seines Lebens, von der Kindheit
bis zum Greisenalter, auswendig wußte. Und ebenso eignete er sich die
Kenntnis vom Aussehen der dem König nahestehenden Personen an. Die
Uniformen der Zeit, die ihm aus dem Berliner Montierungsdepot zur
Verfügung gestellt wurden, zog er lebenden Modellen an und studierte
sie bis in jede Einzelheit. Er zeichnete die Örtlichkeiten, die Möbel,
die Kleider, jedes erhaltene Gebrauchsgerät, kurz alles, was einst zu
Friedrich dem Großen in Beziehung gestanden hatte, von verschiedenen
Seiten ab. Mit der gleichen Gewissenhaftigkeit verschaffte er sich die
Kenntnis von den Gegnern des Preußenkönigs und ihren Truppen. Besonders
in Dresden machte er im Jahre 1840 mehrere Wochen lang die eifrigsten
Studien. Wohl niemals hat ein Künstler sich eine vergangene Zeit so
ganz zum Eigentum gemacht.

[Illustration: Abb. 15. Aus den Holzschnittbildern zur „Geschichte
Friedrichs des Großen“ (1839-1842):

+Der alte Fritz, von den Generalen Pfuhl und Rohdich begleitet, auf der
Terrasse vor der Bildergalerie von Sanssouci+.]

[Illustration: Abb. 16. Aus den Holzschnittbildern zur „Geschichte
Friedrichs des Großen“ (1839-1842):

+Der alte Fritz im Manöver+.

„Noch im August 1785 hatte er, bei der schlesischen Revue, sechs
Stunden lang in einem kalten und heftigen Regen zu Pferde gesessen und
alles Ungemach der Witterung ruhig ertragen.“]

[Illustration: Abb. 17. +Heimkehrende Husarenpatrouille+.

Getuschte Federzeichnung von 1844. Im Besitz Ihrer Majestät der
Kaiserin Friedrich.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 18. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Begräbnis auf dem Schlachtfelde+.

Gezeichnet zu Kapitel 14 der „Geschichte meiner Zeit“. („Die Preußen
hatten -- nach der Schlacht bei Kesselsdorf -- an Toten 41 Offiziere
und 1621 Soldaten.“)]

Menzel führte die Zeichnungen mit dem Bleistift oder der Feder auf
dem Holzstock aus. Die ersten Versuche in der Holzzeichnung hatte er
im Jahre 1838 mit Illustrationen zu Chamissos „Peter Schlemihl“, dann
im folgenden Jahre mit einem Blatte: „Der Tod Franz von Sickingens“
gemacht. Bei diesen hatte er die Schwierigkeit, die auch bei den
ersten Zeichnungen zum Friedrichswerk noch bestand, zu überwinden,
daß er auf ungrundierte Holzplatten zeichnen mußte. Danach wurde das
in Paris längst gebräuchliche Verfahren, die Platten mit einer weißen
Grundierung zu überziehen, wodurch erst die Anwendung des Bleistifts
ermöglicht und überhaupt die Arbeit des Zeichners erheblich erleichtert
wurde, in Berlin bekannt. Eine größere Zeichnung auf dem in solcher
vorteilhafteren Weise vorbereiteten Holzstock führte Menzel 1840 zur
400jährigen Feier der Erfindung der Buchdruckerkunst aus: „Gutenberg
mit dem ersten Druckbogen der Bibel“. -- Beim Durchblättern des
Friedrichsbuches sieht man deutlich, wie der Zeichner im Verlauf
der Arbeit immer mehr in die Technik hineingekommen ist, die seinen
Gedanken entsprach, bis er zu jener glänzenden, sprechenden und
wirkungsvollen Vortragsweise gelangte, die in ihrer Art ohnegleichen
geblieben ist. Man sieht aber auch, wie die Formschneider sich immer
mehr in des Zeichners Art und Weise hineingearbeitet haben. An die
Holzschneidekunst, die ja ganz vor kurzem erst wieder zu neuem
Leben erwacht war, waren in Deutschland auch nicht annähernd solche
Ansprüche schon gestellt worden, wie es die Menzelschen Zeichnungen
thaten. Indem die Holzschneider, denen die Aufgabe zufiel, vor allen
Ludwig Unzelmann, ein Schüler von Gubitz, und die Brüder Albert
und Otto Vogel, im Verfolg der Arbeit dahin gelangten, daß sie den
sicheren, lebendigen und charaktervollen Strichen Menzels in Kraft und
Feinheit mit vollkommener Treue folgen konnten, haben sie Meisterwerke
des Formschnitts zustande gebracht. Menzels Zeichnungen begnügten
sich nicht mit Umrissen und allgemeinen Schattenangaben, sondern
sie steigerten die Lebendigkeit der Wirkung durch die kräftigste
malerische Behandlung, die den Unterschieden der Farbentöne gerecht
wurde und der Natur auch darin nachging, daß dasjenige, was sich dem
Auge mit Deutlichkeit darbietet, scharf und klar, das unbestimmt und
verschwommen Erscheinende aber mit dem Reiz des Ineinanderfließens
wiedergegeben wurde. Niemand in Deutschland -- fast könnte man sagen
in Europa -- malte damals so malerisch, wie Menzel zeichnete (Abb. 1,
2, 7-16). Die kunstgeschichtliche Bedeutung dieser Buchillustrationen
ist so groß wie ihr künstlerischer Reiz, und daneben erfreuen den
Beschauer auch die geistreichen Einfälle des Zeichners, die in
den Anfangsbuchstaben und Vignetten und in manchen, im Text nur
Angedeutetes weiterführenden Abbildungen sich äußern. Die handelnden
Persönlichkeiten, vor allem Friedrich selbst, werden vor unseren
Augen in sprechender Kennzeichnung lebendig, die Charaktere, wie die
feinsten Regungen der augenblicklichen Empfindung kommen in Haltung und
Mienen der Figuren, trotz des kleinen Maßstabes, in staunenswürdiger
Weise zum Ausdruck. Wir sehen die pikante Wirkung, welche das Bewegen
dunkelgekleideter Gestalten in den lichten Rokokoräumen hervorbringt,
und wir empfinden den Reiz der verschiedenartigen Stimmungen im
Freien, von sonniger Morgenfrische wie von stichdunkler Nacht, in der
beim Schein einer einsamen Laterne erst nach und nach die Gestalten
erkennbar werden, von dumpfer Gewitterschwüle wie von eintönigem
endlosen Landregen oder von klarem Mondschein. Auch das flimmernde
Kerzenlicht in Sälen mit spiegelnden Säulen wird uns anschaulich
vorgeführt, sowie die festliche Lichtpracht von Illumination und von
Fackelzug. Der Künstler weiß mit der gleichen Sicherheit uns auf das
glatte Hofparkett und auf blutgetränkte Schlachtfelder zu führen. Ja,
die Soldatenbilder, die möchte man eigentlich als das Wunderbarste in
dem ganzen Buch bezeichnen. Die straffe Zucht in der geschlossenen
Truppe, die Erwartung des Kampfes, das todesmutige Hineinstürmen
in das feindliche Feuer, verzweifelndes Ringen und heldenhaftes
Ausharren, fröhlicher Reitermut und rasendes Ungestüm, Begeisterung und
Niedergeschlagenheit -- das alles ist mit einer Wahrheit geschildert,
als ob der Zeichner seine Studien mitten unter einschlagenden
Kugeln und blitzenden Klingen gemacht hätte. Da offenbart sich ein
künstlerisches Vorstellungsvermögen, das an das Unbegreifliche grenzt.
Und dabei hat alles den bestimmten Ton der Zeit; es ist nicht das
Soldatenleben im allgemeinen, was uns da vorgeführt wird, sondern es
tritt uns gerade der Geist der Helden Friedrichs des Großen mit einer
Deutlichkeit, wie sie keine schriftliche Schilderung zu erreichen
vermöchte, entgegen.

[Illustration: Abb. 19. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen:

+Husarenvedette+ (gezeichnet 1844, Vignette zu dem die Geschichte des
Friedens von Dresden enthaltenden „Appendix zur Geschichte meiner
Zeit“).]


[Illustration: Abb. 20. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Vignette+ zu dem die Schwierigkeiten der Weiterführung des Kriegs
im Winter 1759 auf 1760 behandelnden 11. Kapitel der „Geschichte des
siebenjährigen Kriegs“.]

Als die „Geschichte Friedrichs des Großen“ im Jahre 1842 fertig war,
ging Menzel in einem Wissensdrange, der kaum seinesgleichen in der
Künstlergeschichte findet, daran, die Lücken, die er in seiner Kenntnis
von der Armee Friedrichs des Großen noch empfunden hatte, auszufüllen.
Er begann das ungeheure Unternehmen, sich selbst ein durchaus genaues
Bild von dieser Armee zu verschaffen, indem er für jede Truppengattung,
jedes Regiment, jede Charge auf Grund nochmaliger eingehendster
Studien, Zeichnungen und Messungen die Uniform, Ausrüstung u. s. w.
bis in die letzten Einzelheiten und in die geringsten Unterschiede
hinein erforschte, und das Ergebnis der Forschungen in lebendig
aufgefaßten Charakterfiguren, bei denen alles dasjenige, was in der
gewählten Ansicht nicht erkennbar war, in besonderen Nebenzeichnungen
gegeben wurde, unter Hinzufügung von kurzen, deutlichen Erläuterungen
in Worten, bildlich zur Anschauung zu bringen. Es ist begreiflich,
daß eine solche Arbeit sich nicht hintereinander erledigen ließ,
daß der Künstler vielmehr nur mit Unterbrechungen sich dieser
wissenschaftlichen Aufgabe hingeben konnte. Auf Zureden von Freunden
entschloß er sich, das Werk der Öffentlichkeit zu übergeben. Als
dasselbe im Jahr 1857 abgeschlossen war -- mit allen Nachträgen und
Ergänzungen umfaßte es 453 Tafeln -- erschien es unter dem Titel:
„Die Armee Friedrichs des Großen“ in kolorierten Lithographien, in
nur 30 Exemplaren, deren Herstellungskosten der Kunsthändler =Sachse=
übernommen hatte (Abb. 48 und 49).

[Illustration: Abb. 21. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+König Friedrich von Truppe zu Truppe eilend+.

Zeichnung zu dem das Jahr 1757 behandelnden 6. Kapitel der „Geschichte
des siebenjährigen Kriegs“.]

An der Spitze der mannigfaltigen künstlerischen Schöpfungen, welche
Menzel in den vierzehn Jahren, die zwischen dem Beginn und dem Abschluß
des Armeewerks liegen, entstehen ließ, steht wieder ein umfangreiches
Holzschnittwerk.

[Illustration: Abb. 22. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Der König am Wachtfeuer (im Lager von Bunzelwitz)+.

Zeichnung zum 14. Kapitel der „Geschichte des siebenjährigen Kriegs“.]

[Illustration: Abb. 23. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Preußische Infanterie eine Verschanzung stürmend+.

(Zeichnung zu Kapitel 16 -- Feldzug von 1762 -- der „Geschichte des
siebenjährigen Kriegs“.)]

[Illustration: Abb. 24. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen:

+Schlußstück zur „Geschichte des siebenjährigen Kriegs“+ (gezeichnet
1844).]

König Friedrich Wilhelm IV führte bald nach seiner
Thronbesteigung den Plan, zu dem schon vorher Vorbereitungen
getroffen waren, zur Ausführung, von den Schriften Friedrichs des
Großen eine neue kritische Ausgabe zu veranstalten. Von dieser
Veröffentlichung sollte eine Prachtausgabe in größerem Format
und mit der schmückenden Zuthat von Bildern für den persönlichen
Gebrauch des Königs hergestellt werden. Für diesen Bilderschmuck war
anfänglich die Ausführung in Radierung vorgesehen. Aber das Erscheinen
der Kugler-Menzelschen Geschichte Friedrichs des Großen bewog die
maßgebenden Persönlichkeiten, sich zu Holzschnitten zu entschließen
und der nach der gegenständlichen Seite hin ebenso berufenen, wie
technisch bewährten Kraft Menzels die Aufgabe zu übertragen. Im
Sommer 1843 wurde mit diesem die Abmachung getroffen, wonach er 200
Zeichnungen, ganz nach freier Wahl, zu den Werken Friedrichs des Großen
anfertigen sollte. Die Mannigfaltigkeit des Inhalts der Schriften des
Großen Königs gab dem Zeichner Gelegenheit, seine Erfindungsgabe an
den verschiedenartigsten Stoffen zu bethätigen. Aus den Worten des
dreißig starke Bände umfassenden Textes und öfter noch zwischen den
Zeilen las er Vorstellungen aller Art heraus, die in seinem Kopfe zu
Bildern wurden. Er selbst hat, bei einer später gegebenen Übersicht,
die sämtlichen Abbildungen in fünf Gruppen eingeteilt: „Bildnisse“,
„Historisches und Militärisches“, „Genre und Vermischtes“, „Alter
Geschichte Entnommenes, Allegorisches u. s. w.“, „Burleskes“. -- Den
ersten Abschnitt der Werke Friedrichs des Großen, „Brandenburgische
Denkwürdigkeiten“, begleitete Menzel mit erzählenden Geschichtsbildern,
von denen er eines, das keinen thatsächlichen Vorgang, sondern eine
sinnbildliche Handlung vorführt, in die Gestalt eines Erzreliefs
im Stil der betreffenden Zeit kleidete. Zu dem Aufsatz „Über das
Militär seit seiner Einführung bis zum Ende der Regierung Friedrich
Wilhelms“ gab er ein Bildchen, welches Friedrich als Kronprinzen
zeigt, wie er an der Seite seines Vaters, dem die preußische Armee
die Grundlage ihrer straffen Disciplin verdankte, einer Parade
beiwohnt, und die nächstfolgenden Einzelaufsätze begleitete er mit
geistreichen Vignetten sinnbildlichen Inhalts. Reichsten Stoff boten
dann die großen Abhandlungen des Königs „Geschichte meiner Zeit“
und „Geschichte des siebenjährigen Kriegs“ (Abb. 18-24). Den Anfang
macht hier eine Darstellung Friedrichs II, dem die Geister seiner
Ahnen erscheinen. Darauf tritt der Kriegsgott mit Fackel und Sense
aus den geöffneten Pforten des Janustempels. Zwischen prächtige
Bilder aus dem Kriegsleben, die von Mühen, Kampf und Sieg und, in
der ergreifenden Schilderung eines Begräbnisses, auch von den großen
Verlusten erzählen, mischen sich ebenso prächtige Bildnisdarstellungen,
in denen die Persönlichkeiten mit großer Schärfe in denjenigen
Charaktereigentümlichkeiten aufgefaßt sind, welche gerade hier ihre
Bedeutung haben. Beim 1. Kapitel der „Geschichte des siebenjährigen
Kriegs“ erscheint ein Kurier, der in gestrecktem Galopp zwischen
den in sonniger Ruhe daliegenden Getreidefeldern einhersprengt; und
beim Schlußkapitel kommen unter den Trümmern einer zerstörten Stadt
die überlebenden Bewohner scheu aus ihren Verstecken hervor. Einmal
erscheint ein Kriegsbild in allegorischer Einkleidung: ein preußischer
Grenadier wird unter dem Schleier der Nacht von der Schutzgöttin an den
schlafenden Feinden vorbeigeführt (auf den glücklichen Abmarsch der
Armee aus dem Lager bei Liegnitz bezüglich). Rein allegorisch ist die
geheuchelte Friedensliebe der Preußen feindlich gesinnten Mächte vor
Ausbruch des siebenjährigen Kriegs durch eine geflügelte Kriegsgöttin
versinnlicht, welche ihr wahres Gesicht hinter einer lächelnden Maske
verbirgt und an ihrem Stabe scheinbar das weiße Banner trägt, das aber
in Wahrheit nur von einer um den Stab geringelten Schlange an dünnem
Faden gehalten wird. Dazu kommen dann jene Menzel eigentümlichen
kleinen, in kurzer Form viel sagenden Vignetten: wo das Ende des
ersten schlesischen Kriegs erzählt ist, wischt eine nervige Faust
mit einem Lorbeerbüschel das Blut vom Schwerte; der Bündnisvertrag
zwischen der Kaiserin Maria Theresia und dem König von Frankreich
wird durch Raubvogelfänge gekennzeichnet, die sich von allen Seiten
in den Reichsapfel einkrallen, über dem der preußische Adler wachsam
und kampfbereit schwebt; eine verwundete Hand, die sich anschickt,
wieder in den eisernen Handschuh zu fahren, um das Schwert, dessen
Griff die Spuren des Gebrauchs zeigt, von neuem zu ergreifen, deutet
auf die Schwierigkeiten der Weiterführung des Krieges im Beginn des
Jahres 1760 hin. Die weiterhin folgenden geschichtlichen Aufsätze des
Königs über die Zeit nach dem siebenjährigen Krieg werden begleitet
von einem als Marmorbüste gezeichneten Bildnis der Kaiserin Katharina
II von Rußland, einer Darstellung der Wiederaufnahme friedlicher
Arbeiten im Lande, einem Kriegerdenkmal, einer sprechenden Vignette,
welche ein unter stachelbesetztem Schilde über dem in der Scheide
ruhenden Schwerte liegendes Fernrohr zeigt, und einem Bildnis Kaiser
Josephs II, der das Schwert in die Scheide steckt. Bei den Briefen des
Königs an die Kaiserin Maria Theresia sehen wir die Adler Preußens
und Österreichs, jeden auf seinem besonderen Felsen, mit sprechendem
Ausdruck einander gegenübersitzen, und die Vignette zu dem diesem
Briefwechsel angehängten Vorschlag zur Bildung einer Liga zwischen
den Fürsten Deutschlands zeigt viele Scepter unter einem Schilde, der
mit einem kräftigen Sinnbild der Vereinigung zu gemeinschaftlicher
Abwehr geschmückt ist. Mit unerschöpflicher Mannigfaltigkeit erfundene
Vignetten, zum Teil im zierlichsten Rokokogeschmack gehalten,
schmücken die Lobreden des Königs auf einzelne Persönlichkeiten. Eine
Fülle sprühenden Geistes lebt in den Einfällen, zu denen Menzel sich
durch die folgenden verschiedenartigen kleinen Aufsätze des Königs
hat anregen lassen. Besonders bemerkenswert sind darunter einzelne
Bildchen, in denen der Künstler es sich nicht hat versagen können,
seine eigene Auffassung neben derjenigen des Königs geltend zu
machen. So zeichnet er zum „Antimacchiavell“ ein an den Schandpfahl
genageltes Bildnis des Macchiavelli; die Unterschrift Friedrichs
mit der Jahreszahl 1740 bekundet, daß der König es ist, der den
berühmten Florentiner verurteilt hat; aber Menzel hat im Sinne
einer zu anderem Urteil gelangten Zeit das Bild oben mit Kranz und
Lorbeerzweig geschmückt und dazu die Jahreszahl 1840 geschrieben.
Bei dem „Vorwort zur Henriade des Herrn Voltaire“ läßt der Zeichner
den Geist Heinrichs IV dem Dichter erscheinen; aber ihm erscheint
dieser in der Dichtung lebende Geist nicht als ein Held, sondern als
eine schwülstig auftretende Theaterfigur. Ganz selbständig tritt der
Zeichner dem königlichen Schriftsteller gegenüber, indem er zu dem
„Essay über die Eigenliebe als moralischer Beweggrund aufgefaßt“ einen
Mann zeichnet, der ohne jeden Beweggrund von Eigenliebe sich anschickt,
in ein breites Wasser zu springen, um ein ertrinkendes Kind zu retten.
In der Vignette zu einem „Brief über die Erziehung“, in welchem der
König über die einreißende Verweichlichung bei den Söhnen der alten
Adelsfamilien klagt, zeigt Menzel, der Zeit Friedrichs vorauseilend,
die Jahreszahl 1806 in Flammenschrift aus einer dunklen Wolke der
entsetzten Germania entgegenblitzen. Weiterhin geben die Oden, Episteln
und sonstigen Gedichte des Königs dem Zeichner Anregungen, um seine
Phantasie auf allen erdenklichen Gebieten umherschweifen zu lassen
(Abb. 26-28). In geistreichem Spiel umflattern des Künstlers Gedanken
diejenigen des königlichen Dichters. Hier mischen sich auch Bildchen
von überwiegend landschaftlichem Charakter ein und reine Genrebilder,
wie die gemütvolle Darstellung eines bei einem stattlichen Bau
beschäftigten Arbeiters, der mit den Seinigen das Mittagessen einnimmt,
-- ein Idyll, das aus den Worten des betreffenden Gedichts: „Unser
großes Gebäude ist die Gesellschaft, ein jeder Bürger trägt zu dessen
Nützlichkeit bei“ herausgewachsen ist. Mit großer Feinheit erklärt
Menzel sein Nichteinverstandensein mit den Anschauungen des Königs in
dem Bildchen zu einer Epistel, welche die Dichtkunst Voltaires über
diejenige Homers erhebt, durch die entzückend gezeichnete Darstellung
eines Rokokokavaliers, der an dem prachtvollen Torso einer Phidiasschen
Göttergestalt achselzuckend vorübergeht, um sich der Betrachtung eines
Bildwerkes seiner Zeit, einer im schwulstigsten und verschrobensten
Zopfstil sich krümmenden Kleopatra, zuzuwenden. In den Vignetten zu
den komischen Dichtungen Friedrichs prickelt die witzigste Laune.
Der breiteste Platz wird dem Humor gegönnt in einer Reihe von
Illustrationen zu dem satirischen Heldengedicht „Das Palladium“. Diese
mutwilligen Karikaturen sind so gezeichnet, als ob sie abgegriffene
Kupferstiche des vorigen Jahrhunderts wären. Darauf folgt gleich
eine ganz großartige ernste Darstellung: bei der Ode, welche der
König am 6. Oktober 1757 im Quartier zu Eckartsberg an seinen Bruder
Heinrich dichtete, ist Friedrich selbst abgebildet, wie er in jener
Nacht seine Empfindungen in Verse kleidet; in begeisterter Erregung
mit der Schreibfeder in der Hand am Tische sitzend, wird er hinter
den Scheiben des kleinen Bauernhausfensters sichtbar, und draußen
steht im Dunkeln der Posten, der regungslos und mit leisem Schauer
zuhört, wie dicht hinter seinem Rücken sein König unverständliche,
abgerissene Worte vor sich hinspricht. In vielen der zunächst folgenden
Dichtungen herrscht ein ernster, bisweilen geradezu düsterer Ton, dem
der Zeichner durch die mannigfaltigsten sinnreichen Kompositionen
gerecht wird. Dazwischen hinein blitzt dann wieder groteske Komik,
mit liebenswürdiger Heiterkeit abwechselnd. In den Vignetten zu den
auf die Gedichte folgenden in Briefform gekleideten Äußerungen des
Königs, die großenteils satirischen Inhalts sind, herrscht ein scharfer
Witz vor. Hervorragend ist hier das Bildnis der Marquise Pompadour,
deren Gesichtsausdruck bestätigt, was das ausgelassene Zierwerk des
Rokokorahmens, der das als Gemälde gedachte Bildnis umgibt, andeutet
(Abb. 29). Die Korrespondenz Friedrichs des Großen ist zum großen Teil
nur durch die lebensvollen Bildnisse der Personen, mit denen er im
brieflichen Verkehr stand, illustriert (Abb. 30). Aber auch manches
andere, Ernstes und Scherzhaftes, je nach dem Ton des Briefwechsels,
ist eingeflochten. Mehrfach kommen hier ausdrucksvolle mythologische
Darstellungen vor.

[Illustration: Abb. 25. +Bleistiftstudie+ (von 1844) +zu einer
Zeichnung des Friedrichwerks+.

Im Besitz des Verfassers.]

[Illustration: Abb. 26. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Zeichnung zur „Epistel an meine Schwester von Bayreuth. Über die
Anwendung des Vermögens.“+

(Anknüpfend an die Worte des Gedichts: „Unser großes Gebäude ist die
Gesellschaft; ein jeder Bürger trägt zu dessen Nützlichkeit bei.“)]

[Illustration: Abb. 27. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Zeichnung zur „Epistel an de la Motte Fouqué“+ (einen Vergleich
zwischen der französischen Kunst der Zeit und derjenigen des
griechischen Altertums enthaltend).]

[Illustration: Abb. 28. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen:

+Zeichnung zu der „Ode an meinen Bruder Heinrich“+ (gedichtet im
Quartier zu Eckartsberg am 6. Oktober 1757), von 1848.]

[Illustration: Abb. 29. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Die Marquise von Pompadour+.

Zeichnung zu der Satire „Brief der Marquise von Pompadour an die
Königin von Ungarn“.]

So ist der Briefwechsel des Königs mit seinem Bruder Prinz Heinrich
durch eine Zeichnung geziert, welche auf die gemeinsame Heldenarbeit
der Brüder im Ringen gegen die stets ihre Kräfte erneuernden Feinde
hinweist durch das Bild des Hercules, den Iolaus im Kampf gegen
die lernäische Hydra durch das Verbrennen der nachwachsenden Köpfe
unterstützt (Abb. 31). Und bei dem Briefwechsel Friedrichs mit
seiner Schwester Charlotte, Herzogin von Braunschweig, sehen wir als
Illustration zu einem am 10. August 1786 geschriebenen Briefe des
Königs, worin derselbe den Gedanken, daß der Arzt ihm nicht mehr helfen
könne, ausspricht, den vergeblichen Kampf der ärztlichen Kunst gegen
den Tod in mythologischer Einkleidung verbildlicht: Aesculapius, den
der seiner Hand entfallene Schlangenstab kennzeichnet, ringt mit der
Parze Atropos, um ihr die Schere, die den Lebensfaden abschneiden
soll, zu entreißen; aber die Parze läßt nicht los; von dem Stuhle,
wo sie neben ihren Schwestern saß, herabgezerrt und über den Boden
geschleift durch die Anstrengungen des Gottes der Heilkunde, behält
sie doch die Schere in ihrer Hand (Abb. 32). -- Den litterarischen
Arbeiten Friedrichs des Großen sind in der Ausgabe seiner Werke auch
die von ihm verfaßten militärischen Ratschläge und Instruktionen
eingereiht. In den Bildern zu diesen Schriftstücken hat Menzel neben
sinnvollen Gleichnisvignetten -- wie deren eine von besonderer Macht
der Wirkung das aus einem Geschützrohr mit Ungestüm hervorbrechende
Todesgerippe ist (bei der Instruktion für die Artillerie) -- wieder
realistische militärische Darstellungen angebracht, die im Gegensatz
zu den geistreichen Umrißlinien, mit welchen er mythologische und
idealistische Gegenstände zu zeichnen wußte, stets in prächtiger
farbiger Wirkung erscheinen (Abb. 33-36). Da sehen wir bei einer
Schrift „Die Generalprincipia des Krieges“ den König selbst
dargestellt, wie er eben diese Schrift seinen Generalen unter Abnahme
des Versprechens der Geheimhaltung überreicht. Wir sehen durch die
auf dem Schlachtfeld in Massen hingestreckten Toten und Verwundeten
den Erfolg der Anordnungen angedeutet, welche der König kurz vor
der Schlacht bei Zorndorf für seine Artillerieobersten aufschrieb.
Als Genrebilder aus dem Kriegsleben, welche als freie Dichtung des
Künstlers die Instruktionen begleiten, finden wir einen neben seinem
angeschossenen Pferde verwundet auf dem Boden sitzenden Husaren,
die lustige Verscheuchung eines Zeichners, der von einer Anhöhe
aus eine Aufnahme des Lagers machen wollte, durch die streifende
Husarenpatrouille, das Umdrängen des Brunnens am heißen Marschtage,
den Husaren, der sein Pferd abgesattelt hat, den Grenadier, der
marschmüde seine Mütze an den Haken hängt in einer Bauernstube, wo
die Anwesenheit eines neben dem Spinnrad auf dem Boden sitzenden
Säuglings auf das Vertrauen guten Einvernehmens zwischen Quartierwirt
und Einquartiertem hinweist, -- lauter prächtige Schilderungen. Ein
Meisterwerk allerersten Ranges ist eine Gruppe von Offizieren, die
sich durch einen von höchster Stelle ausgesprochenen und durch den
verwundeten Kommandeur ihnen übermittelten Tadel getroffen fühlen;
ein Blatt von wunderbar vollendetem Reiz der farbigen Wirkung die
Darstellung zweier Offiziere, die sich in ihren freien Stunden mit
kriegsgeschichtlichen Studien beschäftigen, bei deren einem aber die
körperliche Ermüdung über den Wissensdrang den Sieg davongetragen hat.
-- Nicht unerwähnt dürfen die Tierbilder bleiben, die öfter unter den
Vignetten vorkommen. Bald dienen diese Tiere in ihrem natürlichen
Treiben zu Gleichnisdarstellungen, bald treten sie in sinnbildlicher
Handlung auf, wie der Löwe, der einen Elefanten umkreist -- die kleine,
aber bewegliche Macht Preußens, welche den österreichischen Koloß
in Schach hält --; in anderen Fällen sind es die lebendig gedachten
Wappentiere der Staaten, welche diese letzteren selbst verkörpern.
Die eindrucksvollste Vignette dieser Art ist wohl der zu einem Briefe
König Friedrichs an den Fürstbischof von Breslau gezeichnete königliche
Adler, der mit ausgebreiteten Schwingen und vorgestrecktem Kopfe, mit
einem Blick, welcher unmittelbar an die Augen Friedrichs des Großen
erinnert, einen Altar bewacht; in der einen, auf den Altar gelegten
Klaue hält er das aufgerichtete Scepter, und die Gerechtigkeitshand auf
der Spitze des Scepters bewegt drohend den Zeigefinger.

[Illustration: Abb. 30. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Der Philosoph Jean Jacques Rousseau, „der Feind der Könige“+.

Gezeichnet zu dessen in den Jahren 1762 und 1766 an Friedrich den
Großen gerichteten Briefen.]

[Illustration: Abb. 31. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Hercules und Iolaus im Kampf gegen die lernäische Hydra+.

Zeichnung zu dem „Briefwechsel Friedrichs mit seinem Bruder, dem
Prinzen Heinrich“.]

Gegen Weihnachten 1849 waren die 200 Zeichnungen zu den Werken
Friedrichs des Großen fertig und in Holz geschnitten. Was Menzel
beim Gestalten dieser herrlichen Erzeugnisse seiner großartigen
dichterischen Phantasie als eine Beengung empfand, war die
vorgeschriebene Kleinheit des Formates. In humoristischer Weise
hat er dieses ausgesprochen in einer allerliebsten Titelvignette
zu der Sonderausgabe der Abbildungen ohne den Text, welche der
Verlagsbuchhändler Wagner in Berlin im Jahre 1882 veranstaltete, um
diesen Schatz deutscher Kunst über den engen Kreis derjenigen hinaus,
welche die illustrierte Prachtausgabe der _Oeuvres de Frédéric le
Grand_ zu Gesicht bekamen, bekannt zu machen. Diese Titelvignette zeigt
in einem graziös mutwillig gestalteten Rokokorahmen einen kleinen
Genius, den ein Zirkel auf den Boden von „_XII centimètres maximum_“
eingesperrt hält; mit mitleidlosem Lächeln steht der Zirkel da,
unbekümmert um das kindliche Grollen des gegen die Einklemmung sich
sträubenden Genius und um dessen zerdrückte Flüglein.

[Illustration: Abb. 32. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Äskulap versucht vergebens, der Parze Atropos die Schere zu entwinden+.

Zeichnung zu dem Briefwechsel Friedrichs mit seiner Schwester
Charlotte, Herzogin von Braunschweig. (Anknüpfend an die Worte eines
von Friedrich dem Großen in seinem Todesjahre geschriebenen Briefes:
„Die Wahrheit ist, daß er -- der Arzt -- mir nichts genützt hat; die
alten müssen den jungen Menschen Platz machen.“)]

[Illustration: Abb. 33. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Gruppe von Offizieren, denen durch ihren Kommandeur ein von hoher
Stelle ausgegangener Tadel vorgehalten wird+.

Gezeichnet zu den „Regeln über das, was von einem guten
Bataillonsführer in Kriegszeiten zu verlangen ist“.]

Die Schnittausführung wurde durch die an Menzels Zeichnungen zur
Geschichte Friedrichs des Großen geschulten Hände von Otto Vogel,
Albert Vogel und Unzelmann und durch Hermann Müller, einen Schüler
des letzteren, bewirkt. Es läßt sich zum Preise der Geschicklichkeit
dieser trefflichen Meister nichts Besseres sagen, als das von Menzel
selbst ausgesprochene Wort, daß sie im Gehorsam gegen den Strich seiner
Zeichnung das Höchste geleistet haben.

[Illustration: Abb. 34. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Friedrich der Große übergibt seinen Generalen seine Schrift+ „Die
Generalprincipia des Krieges, angewendet auf die Taktik und die
Disciplin der preußischen Truppen“ (Zeichnung zu eben dieser Schrift).]

Von Unzelmann, der auch die allerersten Arbeiten Menzels auf dem
Holzstock im Schnitt ausgeführt hatte, wurde 1850 die größte
Holzzeichnung Menzels, ein Bildnis Shakespeares, mit vollendeter
Meisterschaft geschnitten.

In das Jahr, in welchem Menzel die Reihe der Holzzeichnungen zu den
Werken Friedrichs des Großen begann, fallen seine ersten Arbeiten
mit der Radiernadel. 1844 erschien ein aus sieben, der Mehrzahl nach
landschaftlichen Blättern bestehendes Heft „Radierversuche von Adolph
Menzel“ bei Sachse.

Das Jahr 1846 brachte wieder ein Ölbild, betitelt „Die Störung“,
-- zwei junge Damen, die durch einen Besuch aus ihrem Musizieren
aufgeschreckt werden; ferner eine Landschaft: „Einblick in den Garten
des Prinzen Albrecht von Preußen in Berlin“, größtenteils unmittelbar
nach der Natur, von einem Balkon der damaligen Wohnung Menzels gemalt.
1847 entstanden die Farbenskizzen zu zwei Gemälden, deren Ausführung
im großen unterblieb, weil die Zeichnungen zum Friedrichswerk die
Zeit wegnahmen. Die eine der beiden Skizzen, ein Meisterwerk treuer
Naturwiedergabe im ganzen und schlagender Charakteristik in jeder
einzelnen Figur, schildert eine Predigt in der Klosterkirche zu Berlin.
Die andere, die einer vom Kunstverein zu Kassel gegebenen Anregung
zufolge gemalt wurde und die weit über das sonst bei Skizzen übliche
Maß hinaus ausgeführt ist, behandelt einen geschichtlichen Stoff: wie
König Gustav Adolf seine Gemahlin, die ihm nach Deutschland gefolgt
ist, am Portal des Schlosses zu Hanau begrüßt (im Januar 1632). Während
im allgemeinen in der Historienmalerei jener Zeit die theatralische
Phrase herrschte, ist in diesem Menzelschen Geschichtsbild von solcher
uns heute so unangenehm berührenden Eigenheit des Zeitgeschmackes
nicht der leiseste Hauch zu spüren. Dieselbe Unabhängigkeit von der
allgemeinen Richtung und dasselbe ehrliche Bestreben, ein Begebnis
aus entfernter Vergangenheit so zu schildern, daß Vorgang und
Persönlichkeiten in glaubhafter Natürlichkeit uns vor Augen treten,
zeichnen eine umfangreiche Komposition aus, welche Menzel in dem
nämlichen Jahre 1847, wiederum im Auftrage des Kasseler Kunstvereins,
in einer Zeichnung von lebensgroßem Maßstab ausarbeitete. Es handelte
sich um eine bildliche Verherrlichung des Ereignisses, durch welches
vor 600 Jahren Hessen zum selbständigen Fürstentum geworden war;
das war der Einzug der Herzogin Sophia von Brabant, Tochter der
heiligen Elisabeth, und ihres Söhnchens Heinrich, des nachmaligen
ersten Landgrafen von Hessen, in Marburg. Menzel zeichnete diesen
Karton in Kassel, bei seinem Freunde, dem Tapetenfabrikanten
Arnold. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß er die Besonderheiten des
hessischen Volksschlages und die Örtlichkeit mit der ihm eigenen
Gewissenhaftigkeit studierte (Abb. 37). Der sechs Meter breite und über
drei Meter hohe Karton wurde in der ständischen Landesbibliothek zu
Kassel aufbewahrt und wenig beachtet. Als Menzel ihn im Jahre 1866 dort
wiedersah, kaufte er ihn zurück.

[Illustration: Abb. 35. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Soldaten am Brunnen+ (Zeichnung zu der Schrift „Über die Märsche von
Armeen und das, was in Bezug auf sie beachtet werden muß“).]

Während der Bearbeitung jener Geschichtsstoffe empfand Menzel, seiner
Zeit weit vorauseilend, daß die Kunst ihre besten Stoffe nicht in der
Vergangenheit, sondern in der eigenen Zeit zu suchen habe. Als er mit
dem Vorstand des Kunstvereins zu Kassel sich darüber einigte, daß die
große Ausführung des Gustav-Adolfbildes unterbleiben solle, schrieb er
in einem an denselben gerichteten Brief vom 12. April 1848: „Jetzt, wo
unsere Gegenwart endlich selbst einen Inhalt hat und noch mehr bekommt,
würde mir ein Stoff, der voraussichtlich eine solche Kunstanstrengung
erforderte, ohne ein dieser entsprechendes auch für +uns+ noch
bezügliches inneres Gegengewicht zu besitzen, eine Last sein. Jetzt
erst können wir in Deutschland wieder zu +unserer Zeit+ und zur Kunst
der Vergangenheit in eine gerade Stellung gelangen. Diese Forderung
an sich muß jetzt jeder Einzelne fühlen.“ -- Um diese Künstlerworte
ihrem vollen Werte nach zu würdigen, muß man sich vor Augen halten,
in welchem Maße in jener Zeit, die nur in der Kunst der Vergangenheit
nach Vorbildern suchte, eine förmliche Flucht aus der Gegenwart für das
allgemeine Wesen der Kunst bestimmend war.

[Illustration: Abb. 36. Aus den Holzschnittbildern zu den Werken
Friedrichs des Großen (1843-1849):

+Junge Offiziere beim Studium kriegswissenschaftlicher Werke+.

(Zeichnung zur „Instruktion für die Inspecteurs der Infanterie“ von
1781.)]

[Illustration: Abb. 37. +Einzug der Herzogin Sophia von Brabant und
ihres Söhnchens Heinrich, des ersten Landgrafen von Hessen, in Marburg+.

Mit Kohle und Kreide in lebensgroßem Maßstab gezeichneter Karton
(1847-1848). Früher Eigentum des Kunstvereins zu Kassel, jetzt wieder
im Besitz des Künstlers.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 38. +Die Tafelrunde Friedrichs des Großen in
Sanssouci+.

Ölgemälde von 1850. In der Nationalgalerie zu Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Allerdings fand Menzel noch nicht gleich in der unmittelbaren
Gegenwart die Stoffe zu großen Darstellungen; aber in einem Abschnitt
der preußischen Geschichte, der noch nicht weit zurücklag und der durch
starke innere Fäden mit der Gegenwart verknüpft war. Er wendete sich
jetzt der Schilderung des ihm so innig vertrauten Zeitalters Friedrichs
des Großen in Gemälden zu. Den Anfang dieser Bilderreihe machte
im Jahre 1849 ein Genrebild aus dem Leben des Großen Königs: „Die
Bittschrift“. Ein bäuerliches Ehepaar hat unter einem Baume am Wege
Aufstellung genommen und sieht mit klopfenden Herzen dem Augenblick
entgegen, wo der heranreitende König, dessen Adlerauge sie schon gefaßt
hat, vor ihnen halten wird; dem Mann scheint jetzt plötzlich der Mut
zu schwinden, aber die Frau redet ihm mit raschen Worten herzhaft zu.
-- Darauf folgte das prächtige, jetzt in der Berliner Nationalgalerie
befindliche, in größerem Maßstabe (beinahe halb-lebensgroß) ausgeführte
Gemälde: „Friedrichs des Großen Tafelrunde zu Sanssouci 1750“, das
im Jahre 1850 zur Ausstellung kam (Abb. 38). Wir blicken in den
ovalen Speisesaal des Schlosses, wo an der länglich-runden Tafel eine
auserlesene Gesellschaft um den König versammelt ist. Zur Rechten
Friedrichs sitzt General von Stille, neben diesem Voltaire, darauf Lord
Marishal und dann ein nicht kenntlich gemachter, vom Rücken gesehener
Herr; links neben dem König sitzt Feldmarschall Keith, dann Graf
Algarotti, darauf General Graf Rothenburg, weiter Herr de la Mettrie
und am unteren Ende des Tisches der Marquis d’Argens. Das Mittagsmahl
ist beendet, die Flügelthür zur Terrasse ist geöffnet, und gleich
wird man ins Freie treten. Aber noch perlt der schäumende Wein in
den Gläsern und noch fließt heiter und geistreich die Unterhaltung;
Friedrich selbst befindet sich in lebhaftem Wortgefecht mit Voltaire,
der eben durch eine witzige Antwort die Aufmerksamkeit auf sich lenkt.
Das alles lebt vor unseren Augen, als ob es nach der Natur gemalt wäre.

[Illustration: Abb. 39. +Glückwunschadresse des Magistrats von Berlin
an den Kronprinzen Friedrich Wilhelm zu dessen Großjährigkeit+.

Wasserfarbenmalerei von 1850. Im Besitz Ihrer Majestät der Kaiserin
Friedrich.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 40. +Friedrich der Große+.

Holzzeichnung von 1850 aus dem Bilderwerk „Aus König Friedrichs Zeit“.

(Eigentum und Verlag von R. Wagner in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 41. EDUARD KRETZSCHMAR SC.

+Ziethen+, Holzzeichnung von 1850.

Aus dem Bilderwerk „Aus König Friedrichs Zeit“. (Eigentum und Verlag
von R. Wagner in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 42. +Der zwölfjährige Jesus im Tempel+.
Lithographie, mit Pinsel und Schabeisen ausgeführt (1852).

(Eigentum und Verlag von R. Wagner in Berlin.)]

Während Menzel weitere Bilder aus dem Leben des Großen Königs
vorbereitete, war er mit mancherlei anderen Arbeiten beschäftigt.
Der Meister der Charakterdarstellung, welcher Personen, die er nur
aus Bildern und aus Schilderungen des vorigen Jahrhunderts kannte,
körperhaft lebendig zu machen wußte, malte prächtige Bildnisse
seiner Bekannten in Wasserfarbe. Sich selbst hat er im Jahre
1850 abgebildet in einer merkwürdigen Lithographie, welche einen
„Kunstsammler“ darstellt, wie er ein aus dem alten Schrank, welcher
seine Schätze beherbergt, herausgenommenes kleines Kunstwerk, ein
Teufelchen, aufmerksam betrachtet. Diese Lithographie schließt sich
ihrer Herstellungsart nach einer Anzahl von Blättern an, in denen
er ein eigenartiges Verfahren erprobte, dessen erste Früchte er
1851 unter dem Titel „Versuche auf Stein mit Pinsel und Schabeisen“
herausgab. Bei diesem Verfahren wird der lithographische Stein mit der
chemischen Tusche überzogen und die Helligkeiten aus dem schwarzen
Grunde herausgeschabt, in das Helle dann wieder die einzelnen kleinen
Dunkelheiten mit dem Pinsel hineingesetzt. Menzel erreichte hierin die
außerordentlichsten Erfolge malerischen Reizes. Auf dem Titelblatt
zu der Sammlung verschiedenartiger Kompositionen, die er in dieser
Weise ausführte, hat er Pinsel und Schabmesser dargestellt, die auf
dem Lithographiersteine einen lustigen Tanz aufführen; man sieht, wie
diese Art des Arbeitens ihm Freude gemacht hat. In derselben Technik
hielt er ein Bild fest, das er im Jahre 1851 zu einem flüchtigen
Zwecke, als Transparent bei der Weihnachtsausstellung des Berliner
Künstler-Unterstützungs-Vereins, schuf, und das den zwölfjährigen
Jesus im Tempel vorstellte. In dieser Komposition hat Menzel im
Gegensatz zu der herrschenden charakterlos-idealistischen Auffassung
neutestamentlicher Bilder, aber auch im Widerspruch gegen die
Franzosen, welche durch die Äußerlichkeit modernen morgenländischen
Kostüms derartigen Bildern eine größere geschichtliche Treue und
dadurch mehr Lebenswahrheit geben zu können glaubten, den Versuch
gemacht, eine größere innere geschichtliche Wahrheit durch Eingehen in
die Rasseneigentümlichkeiten des jüdischen Volkes zu erreichen. Dagegen
läßt sich nun freilich von verschiedenen Standpunkten aus sehr vieles
einwenden. Wenn man aber von der Auffassungsfrage absieht und die
Menzelsche Komposition so nimmt, wie sie nun einmal gegeben ist, so muß
man in jeder einzelnen dieser verschiedenartigen hebräischen Personen
ein Meisterwerk der Charaktermalerei anstaunen (Abb. 42).

[Illustration: Abb. 43. +Konzert Friedrichs des Großen in Sanssouci+.
Ölgemälde von 1852. In der Nationalgalerie zu Berlin.

(Mit Genehmigung der Photographischen Gesellschaft in Berlin.)]

[Illustration:

   =Viertes Husaren-Regiment.=   --    =Regiment Grenadiers zu Pferde.=

          Offizier.                   (1740 drittes Dragoner-Regiment,
                                       welches 1741 in das 3. und 4.
                                      Dragoner-Regiment geteilt wurde.)

Abb. 44. Aus den Holzschnittbildern zu Lange, „Heerschau der Soldaten
Friedrichs des Großen“ (1842-1852).]

[Illustration: Abb. 45. +Mummenschanz unter Kurfürst Johann Georg von
Brandenburg+.

Aus den Aquarellbildern des Festalbums für die Kaiserin von Rußland
(1854).

Im Museum des Gotischen Hauses zu Zarskoje-Selo.

(Photographie von Gustav Schauer in Berlin.)]

Ein herrliches ornamentales Blatt, in Aquarellmalerei kostbar
ausgeführt, schuf Menzel im Jahre 1850 in der Adresse an den
Kronprinzen Friedrich Wilhelm, welche diesem als Glückwunsch zu seiner
Großjährigkeit von dem Magistrat und den Stadtverordneten Berlins
dargebracht wurde (Abb. 39). Ein mannigfaltiges Formenspiel von einer
Feinheit der Arbeit, die mit den zierlichsten mittelalterlichen
Miniaturen wetteifert, bildet am Kopf der Adresse die buntbewegte
Einfassung von Figurengruppen und senkt sich an den Seiten in reichen
Gehängen herab. Die Figurengruppen zeigen in der Mitte die huldigende
Berolina vor dem Kronprinzen, der sich von seinen Kindheitsgespielen
verabschiedet, während er mit den Rittersporen und dem Fürstenmantel
geschmückt wird; daneben einerseits die Borussia, welche Germania gegen
den Revolutionsdämon schützt, und andererseits den Kronprinzen, wie
er über die Handhabung der Waffen belehrt und wie er im Unterricht
auf das Vorbild seiner großen Ahnen hingewiesen wird. Diese Ahnen
sind verbildlicht durch die Standbilder des Großen Kurfürsten,
Friedrich Wilhelms I, Friedrichs II und Friedrich Wilhelms III, welche
die drei Bildchen einschließen und voneinander scheiden. Unterhalb
der Standbilder lagern die Flußgötter von Weichsel, Elbe, Oder und
Rhein in silbernen Netzen, und oben schlingen flatternde Putten eine
Purpurdraperie durch das Zierwerk, auf welche sie oben in der Mitte
die Königskrone setzen. Die künstlerische Ornamentik erstreckt sich
auch auf die Ausgestaltung der großen Buchstaben der Anrede im Text der
Adresse.

[Illustration: Abb. 46. +Friedrich der Große auf Reisen+. Ölgemälde von
1854. In der Galerie Ravené zu Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 47. +Friedrich und die Seinen bei Hochkirch+.
Ölgemälde, vollendet 1856. Im Besitz Seiner Majestät des Deutschen
Kaisers.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Mancherlei kleine Bildchen entstanden nebenher. Mit farbiger
Kreide oder mit Wasserfarben wurden Eindrücke aus der Wirklichkeit
festgehalten. Wie aus dem Leben gegriffen zeigt sich in einem
Aquarellbild von 1851 ein im Eisenbahncoupé sitzendes Ehepaar; sie
träumerisch und leidvoll ins Ferne blickend, er schnarchend in die
Polsterecke gedrückt. Ein kleines Ölbild aus demselben Jahr führt uns
in das Rokokoboudoir zweier Damen; die ältere liest etwas vor, und die
jüngere steigt auf einen Stuhl, um den die Vorlesung störenden Insassen
eines Vogelbauers durch Zudecken zum Schweigen zu bringen.

[Illustration: Abb. 48. +Gardegrenadier+.

Federzeichnung aus dem Armeewerk (1843-1857). (Eigentum und Verlag von
R. Wagner in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 49. +Trompeter der Gardekürassiere+.

Federzeichnung aus dem Armeewerk (1843-1857). (Eigentum und Verlag von
R. Wagner in Berlin.)]

Im Jahre 1852 wurde wieder ein Friedrichsbild fertig: das
„Konzert in Sanssouci“ (Abb. 43), mit der „Tafelrunde“ jetzt in der
Nationalgalerie zu Berlin vereinigt. Im Konzertsaal zu Sanssouci,
bei festlicher Kerzenbeleuchtung, deren vielfältiger Schimmer ein
eigentümlich reizvolles Lichtspiel über das Ganze verstreut, sehen
wir den Großen König sich an der Ausübung der Kunst erfreuen. Fünf
Musiker, unter denen der Klavierspieler Philipp Emanuel Bach und der
erste Geiger Franz Benda kenntlich sind, wirken mit ihm zusammen. Eben
trägt der König ein Solo auf der Flöte vor, und die Aufmerksamkeit
der Versammelten spannt sich aufs höchste. Mit welcher entzückenden
Feinheit hat der Meister die verschiedenen Arten des Lauschens bei den
verschiedenen Zuhörern, die wieder sämtlich bestimmte Persönlichkeiten
sind, geschildert! Am innigsten von dem Zauber der Töne bewegt
erscheint des Königs Schwester Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth, die
wir in der Tiefe des Saales auf dem Sofa sitzen sehen. Ein wunderbares
Meisterwerk des Ausdrucks ist der rechts an der Wand lehnende
Musiklehrer des Königs, Meister Quanz; wie trefflich ist hier auch in
der ganzen Gestalt der derbere Knochenbau des Mannes von bäuerlicher
Abstammung gegenüber den eleganten Rokokokavalieren gekennzeichnet!

[Illustration: Abb. 50. +Hofball in Rheinsberg+ 1739.

Aquarell- und Deckfarbengemälde von 1862. In Privatbesitz in Berlin.

(Photographie und Verlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Zwei kleinere Bildchen aus dem Jahre 1852 bewegen sich in
entgegengesetzten Stimmungen. Das eine stellt eine Begegnung König
Friedrichs, den der Major Chazot und der General Rothenburg begleiten,
mit der Tänzerin Barbarina vor; das andere zeigt den König, wie er in
rührender Weise sich bemüht, sich mit dem alten, tauben General Fouqué
zu unterhalten.

In eben diesem Jahre vollendete Menzel ein Holzschnittwerk, welches dem
Inhalte nach mit seinem großen Armeewerk in Zusammenhang stand und zu
dem er schon 1843 den Anfang gemacht hatte. Es waren 32 Darstellungen
von Soldaten der fridericianischen Armee, welche in lebendig bewegten
Gruppen, nach den Besonderheiten der Waffengattungen thätig, vorgeführt
werden (Abb. 44). Dieselben bilden als kolorierte Bilder den Schmuck
eines Buches „Heerschau der Soldaten Friedrichs des Großen“ (Text von
Eduard Lange), welches der Verleger der „Geschichte Friedrichs des
Großen“ gewissermaßen als Ergänzung zu diesem Werk herausgab.

Daran reihte sich ein 1850 begonnenes und 1855 abgeschlossenes
Holzschnittwerk, das bei A. Duncker in Berlin erschien. Unter dem Titel
„Aus Königs Friedrichs Zeit“ sind hier zwölf Bildnisse von größerem
Maßstab gegeben, die den Großen König und seine gefeiertsten Helden
in Halbfiguren zeigen. Die Gestalten dieser unter der Leitung von
Eduard Kretzschmar in Leipzig vortrefflich im Schnitt ausgeführten
Bilder treten uns mit so überzeugender Lebenskraft entgegen, daß sie
das Urbild der Vorstellungen geworden sind, die wir uns von jenen
Persönlichkeiten, neben Friedrich selbst (Abb. 40) besonders vom alten
Dessauer, von Seydlitz und von Ziethen (Abb. 41), machen.

[Illustration: Abb. 51. +Hirschgehege im Zoologischen Garten+.

Aquarell- und Deckfarbengemälde von 1863 (aus dem sogenannten
Kinder-Album). In der Nationalgalerie zu Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Im Auftrage König Friedrich Wilhelms IV begann Menzel im Jahre 1853
eine Reihe sehr eigenartiger Aquarelle, welche im folgenden Jahre als
ein kostbares Album der Kaiserin von Rußland, der Schwester des Königs,
übersandt wurde. Dieses königliche Geschenk sollte eine Erinnerung
sein an ein glänzendes Fest, welches fünfundzwanzig Jahre früher bei
Gelegenheit eines Besuchs der Kaiserin in der Heimat ihr zu Ehren
veranstaltet worden war. Dieses Fest, „Der Zauber der Weißen Rose“,
sollte im Bilde wieder lebendig gemacht werden. Dabei war Menzel
freilich auf mündliche Schilderungen und auf einen unzulänglichen
schriftlichen und bildlichen Bericht angewiesen; aber sein Geist und
sein lebhaftes Vorstellungsvermögen thaten das übrige. Er erweiterte
den Inhalt des Albums durch Hinzufügen von Darstellungen ähnlicher
Festlichkeiten aus früherer Zeit. Auf dem Titelbild verkörperte er
die Sage als eine von Elfen umspielte, unter Waldblumen sitzende
Spinnerin. Daran reihte er das Bild des von der Sage berichteten
ersten Turniers zu Magdeburg unter Kaiser Heinrich I; dann die launige
Schilderung eines Schönbartspiels, welches Kurfürst Johann Georg von
Brandenburg im Jahre 1592 veranstaltete, mit Musikanten in Tiermasken
an der Spitze des Aufzugs (Abb. 45); darauf zwei Bilder von dem
unter Friedrich dem Großen 1750 zu Ehren seiner Schwester Wilhelmine
im Lustgarten zu Berlin aufgeführten Karussell: das Lanzenstechen
und die Preisverteilung. Die zweite Hälfte des Albums bildete dann
die Schilderung des in und vor dem Neuen Palais bei Potsdam 1829
gefeierten Festes der Weißen Rose in fünf Bildern: Das Einreiten der
Ritter zum Karussell, das Turnier, das Erscheinen eines Nebelbildes im
Festtheater, der Ball im Gartensaal und die Krönung der Sieger. Die
Bilder der Festlichkeiten aus alter Zeit sind von prächtig erdachten
Rahmen im jedesmaligen Stil der Zeit umgeben. Bei den Bildern vom
Zauber der Weißen Rose treibt in den Einfassungen ein Volk von Putten
sein neckisches Spiel.

[Illustration: Abb. 52. +Tiger+.

Aquarell- und Deckfarbengemälde (aus dem Kinder-Album, 1863-1883). In
der Nationalgalerie zu Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Von den Nebenarbeiten Menzels im Jahre 1853 sei ein Augenblicksbild aus
der Wirklichkeit erwähnt: ein Blick in die Alt-Neu-Synagoge zu Prag
(Ölgemälde).

Eine monumentale Aufgabe brachte ihm im Jahre 1854 der Auftrag,
im Remter des Hochmeisterschlosses zu Marienburg zwei Figuren von
Hochmeistern, Siegfried von Feuchtwangen und Ludger von Braunschweig,
auf die Wand zu malen. In diesen Ordensrittern, die Menzel nach den
Kartons, welche jetzt die Nationalgalerie bewahrt, im nächsten Jahre in
Wasserglasmalerei ausführte, schuf er Heldengestalten, welche in ihrer
wuchtigen Größe wie Dürersche Charakterfiguren anmuten.

„Friedrich der Große auf Reisen“ ist der Titel eines figurenreichen
Gemäldes, das im Jahre 1854 für die Galerie Ravené fertig wurde
(Abb. 46). Der siebenjährige Krieg ist vorüber. Der König will sich
persönlich von dem Erfolg der Anordnungen, die er zur Hebung der vom
Krieg verursachten Schäden getroffen hat, überzeugen. Die Aufführung
von Neubauten in einem zerstörten Dorfe ist im Werke. Der König ist
eben seinem Wagen entstiegen, und vom General von Lentulus begleitet
schreitet er auf den Geheimrat von Brenkenhoff zu, der die Baupläne,
welche er dem König vorzulegen hat, sichtet. Die Dorfbewohner haben
an der einen Seite des Weges Aufstellung genommen; unter ihnen der
Pfarrer mit den Schulkindern und mehrere Invaliden. Auf der anderen
Seite des Weges harrt die Gutsherrschaft, angethan mit dem, was im
Sturm der Zeiten von der Galakleidung gerettet geblieben, auf eine
gnädige königliche Begrüßung. Aber der König, der in der einen Hand
den Krückstock, in der anderen die Prise hält, schreitet so schnell
vorüber, daß das herrschaftliche Töchterlein um das Anbringen
der bereit gehaltenen Erfrischungen und der Gutsherr um seine
wohlvorbereitete Anrede gekommen ist; doch der gewandteren Dame gelingt
es, den Rockschoß des Königs zu erfassen und mit tiefem Knix einen Kuß
darauf zu drücken. Mit ungelenken Bewegungen versuchen gegenüber die
Dorfgebieter diesem Beispiel zu folgen. Zu der scharfen Menzelschen
Charakterschilderung gesellt sich in diesem Bilde eine Fülle von Humor.

[Illustration: Abb. 53. +Im Kaffeegarten+.

Aquarell- und Deckfarbengemälde von 1864 (aus dem Kinder-Album). In der
Nationalgalerie zu Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Im folgenden Jahre malte Menzel im Auftrag des schlesischen
Kunstvereins die Huldigung der schlesischen Stände zu Breslau im Jahre
1741, wo König Friedrich, da kein Reichsschwert zur Stelle war, seinen
Degen zog, um die Huldigenden auf diesen den Treueid ablegen zu lassen.

[Illustration: Abb. 54. +Die Krönung König Wilhelms zu Königsberg am
18. Oktober 1861+. Ölgemälde, vollendet 1865. Im königl. Schloß zu
Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

1856 wurde die Krone von Menzels Friedrichsbildern fertig: „Friedrich
und die Seinen bei Hochkirch.“ Während eines Zeitraums von sechs Jahren
hatte der Meister mit unendlichem Fleiß an diesem Werk geschafft.
Bei jeder nächtlichen Feuersbrunst war er an Ort und Stelle geeilt,
um deren malerischen Eindruck zu beobachten; zwischen Nacht und
Morgengrauen hatte er im Freien seine Modellstudien gemacht. Aber was
für ein Bild ist das geworden! Seit Velasquez seine „Kapitulation von
Breda“ gemalt hatte, war kein Geschichtsbild entstanden, das eine
solche packende Wahrhaftigkeit in malerische Schönheit kleidete. Und
an poetischem Gehalt übertrifft Menzels Schöpfung das Werk des großen
Spaniers, wenn dieser auch an Farbengewalt überlegen bleibt. Der
Überfall der Österreicher ist über das Preußenheer hereingebrochen
wie ein verheerendes Naturereignis. Aber schon steht eine Schar
von Musketieren und Füsilieren, durcheinander, wie ein jeder kam,
gleich einer ehernen Mauer an einem noch offen gebliebenen Weg. Die
Ladestöcke rasseln, mit fieberhafter Hast werden die Schüsse gegen den
in einer Linie von Feuer und Pulverdampf verborgenen Feind entsendet.
Weitere Offiziere und Mannschaften kommen atemlos heran und erklimmen
tappend eine lehmige Böschung, um die Gefechtslinie zu verlängern. Das
Aufblitzen des Pulvers und der Brand der ersten Häuser des Orts geben
die einzige Beleuchtung in der unheimlichen Finsternis, in die kaum
die erste blaugraue Dämmerung hineinflimmert. Überall schlagen die
feindlichen Kugeln ein; aber die Heldenschar hält stand. Wir fühlen,
wie alle in diesem Augenblick gleichsam von einem Hoffnungsstrahl in
der hoffnungslosen Lage durchzuckt werden: der König ist da! Seinem
Gefolge voraneilend, reitet Friedrich die Reihe der Kämpfer entlang.
Scharf hervorgehoben durch das grelle Aufleuchten der Feuerblitze
kommt er uns entgegen. Geängstigt schnaubt sein unsicher auftretender
Schimmel. In seiner nächsten Nähe reißen die Kugeln Mann und Pferd
zu Boden. Er hastet vorwärts, er will überall sein; auf seinem
Antlitz liegt Ruhe, aber eine fürchterliche Ruhe, eine Starre, die
seine Züge versteinert. Wenn es die Seinen auch noch nicht glauben,
er weiß es, daß das Unglück nicht mehr abzuwenden ist. Und auch im
Unglück erscheint er als der Große König, als ein Held, dem Helden
gehorchen (Abb. 47). -- Das lebensgroße Gemälde gehört zu den seltenen
Kunstwerken, deren Betrachtung niemals ermüdet; je öfter man es
ansieht, um so ergreifender kommt es zur Wirkung. Es prangt jetzt an
der würdigsten Stelle, im Arbeitszimmer Seiner Majestät des Kaisers im
Neuen Palais zu Potsdam.

[Illustration: Abb. 55. +Badende Knaben an der Saale bei Kösen+.
Deckfarbenbild von 1865. In Privatbesitz in Dresden.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration:

   1  _Kronprinzessin K. H._

   2  _Prinzessin Carl K. H._

   3    „ _Friedr. Carl K. H._

   4    „ _Alexandrine K. H._

   5  _Frau v. Bülow, Exc._

   6  _Gräfin Schulenburg, Exc._

   7    „ _Hacke._

   8    „ _Oriolla._

   9    „ _Brandenburg._

  10    „ _Schwerin._

  11    „ _Hacke._

  12    „ _Alvensleben._

  13  _Frl. v. Schuckmann._

  14  _Gräfin Hohenthal._

  15    „ _Brühl._

  16    „ _Seydewitz._

  17  _Frl. v. Voyna._

  18    „ _Below._

  19  _Fürst Radzivill (hat die Krone Sr. Maj. getragen)._

  20  _Graf Dohna-Lauck (hat das Scepter getragen)._

  21  _Graf Dönhoff (hat den Reichsapfel getragen)._

  22  _Kanzler Dr. v. Zander (hat das Reichssiegel getragen) unter
        Assistenz des_

  23  _Grf. Dohna-Schlodien._

  24  _Ober-Burg-Grf. v. Brünneck (hat das Reichsschwert getragen)._

  25  _Gen. d. Cav. Grf. Gröben (hat die Krone Ihr. Maj. getragen)._

  26  _Ober-Schlosshptm. Grf. Keller (hat den Königl. Mantel getragen)._

  27  _Grf. Dohna-Schlobitten (hat den Mantel Ihr. Maj. getragen)._

  28  _Prinz August v. Württemberg._

  29  _Prinz Hohenlohe._

  30  _Herzog Wilhelm v. Mecklenburg._

  31  _Gen. d. Inf. v. Werder._

  32  _Fürst Salm-Horstmar._

  33  _Gen. d. Inf. v. Grabow._

  34    „ _v. Brese-Winiary._

  35  _Herzog v. Ujest._

  36  _Ober-Präsid. Dr. Eichmann._

  37  _Fürst v. Bentheim-Teklenburg._

  38  _Staatsminister Uhden._

  39  _Wirkl. Geh.-Rth. v. Obstfelder._

  40  _Gen.-Direct. d. Museen v. Olfers._

  41  _Grf. Haeseler._

  42  _Gen.-Intdt. von Hülsen._

  43  _Grf. Brühl._

  44  _Flüg.-Adjut. Grf. Kanitz._

  45  _Grf. Schafgotsch._

  46    „ _Fürstenstein._

  47  _Reg.-Präs. Grf. Eulenburg._

  48  _Bar. Röder._

  49  _Grf. Pückler._

  50    „ _Pfeil._

  51    „ _Boos-Waldeck._

  52    „ _Kaiserling._

  53  _Herz. v. Croy-Dülmen._

  54  _Fürst Salm-Dyk._

  55  _Grf. Perponcher._

  56    „ _Stolberg, Ob.-Jäg.-M._

  57    „ _Brandenburg._

  58    „ _v. d. Goltz._

  59  _Prinz Waldemar v. Holstein._

  60  _Gener. v. Boyen._

  61  _Flüg.-Adjut. v. Strubberg._

  62  _Prinz Hohenlohe._

  63  _Gener. Grf. Adlerberg._

  64  _Wirkl. Geh.-Rth. Illaire._

  65  _v. Bismarck, Gesandter._

  66  _Gen.-Arzt Dr. Lauer, Leibarzt Sr. Maj._

  67  _Oberhofpred. Dr. Snethlage._

  68  _Gener.-Superintd. Dr. Hoffmann._

  69  _Ober-Consist.-Rth. Büchsel._

  70  _Feldprobst der Armee Dr. Thielen._

     _Generalität:_

  71  _Gen. d. Inf. v. Peucker._

  72  _Gen. d. Cav. Grf. Waldersee._

  73  _Gen. d. Inf. v. Wussow._

  74    „ _Herwart v. Bittenfeld._

  75    „ _v. Bonin._

  76  _Gen.-Lieut. v. Falkenstein._

  77    „ _v. Dankbahr._

  78    „ _v. Webern._

  79    „ _v. Alvensleben._

  80    „ _v. Steinmetz._

  81    „ _v. Kunowsky._

  82    „ _v. Schlichting._

  83    „ _Hindersin._

  84    „ _Grf. v. Monts._

  85    „ _v. Moltke._

  86    „ _v. Prittwitz._

  87    „ _v. Schöler._

  88    „ _v. Wasserschleben._

     _Die Krönungs-Botschafter:_

  89  _Grossherzog z. Sachsen, K. H._

  90  _Grossherzogin „ K. H._

  91  _Erzherzog Carl Ludwig, Kais. H._

  92  _Grossfürst Nicolaus, Kais. H._

  93  _Lord Clarendon._

  94  _Marschall Mac Mahon._

  95  _Geh. Ober-Baurath Stüler._

  96  _Geh. Ober-Reg.-Rth. Knerk._

  97  _Geh.-Rth. Gelling, I. Tresorier._

  98    „ _Büssler._

  99    „ _Borck._

  100  _Hofrath Schulz._

  101    „ _Dohme._

  102  _(oben vor der Orgel) Musik-Direct. v. Herzberg._

Erklärungstafel zu Abb. 54: +Die Krönung König Wilhelms zu Königsberg+.]

Im Jahre 1857 lieferte Menzel an die Verbindung für historische Kunst
ein in deren Auftrag gemaltes Bild ab: „Die Begegnung Friedrichs des
Großen mit Kaiser Joseph II in Neiße.“ Auf der Treppe des bischöflichen
Palastes geht Friedrich dem rasch heraufsteigenden jugendlichen
Kaiser entgegen; er legt den Arm um seine Schulter, und tief und
herzlich blicken die beiden ehemaligen Gegner einander in die Augen.
An der Spitze des kaiserlichen Gefolges schreitet Laudon, der Held
von Kunersdorf, der mit offener Neugier die Blicke auf den großen
Heerführer richtet, mit dem er so oft um die Siegespalme gerungen.
Auf der Seite des Königs sieht man die Prinzen Heinrich und
Friedrich Wilhelm, weiter oben Seydlitz und Tauenzien, den ruhmreichen
Verteidiger von Breslau. -- Mit diesem Werk, das laut Bestimmung des
Statuts der Verbindung für historische Kunst verlost worden und dadurch
in den Besitz des Großherzogs von Weimar gelangt ist, schloß Menzel
die Reihe der Gemälde, in denen er die Gestalt des Großen Königs
verherrlichte. Zwei später begonnene große Bilder, das Zusammentreffen
Friedrichs des Großen mit den österreichischen Offizieren in Lissa
und die Ansprache an seine Generale vor der Schlacht bei Leuthen
darstellend, blieben unvollendet in des Meisters Werkstatt stehen.

[Illustration: Abb. 56. +Sonntag im Tuileriengarten zu Paris+. In
Privatbesitz in Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 57. +Auf dem Lande+. Bleistiftzeichnung.

(Photographie von Gustav Schauer in Berlin.)]

In den Kreis der Friedrichsbilder gehört noch eine Holzzeichnung vom
Jahre 1856, welche einen Besuch des um die Hebung der Gewerbthätigkeit
besorgten Königs in einer schlesischen Weberei zum Gegenstand hat. --
Dem Vater Friedrichs II widmete Menzel 1858 eine in Kohle gezeichnete
Darstellung -- als Bestandteil eines nicht zur Ausführung gelangten
vaterländischen Bilderwerks gedacht --, welche König Friedrich Wilhelm
I zeigt, wie er eine Volksschule besucht. Wie in dem Gemälde „Friedrich
II auf Reisen“, mischen sich in dieser Schilderung Ernst und Komik. Die
Zeichnung befindet sich in der Nationalgalerie.

Als das Kronprinzenpalais zu Berlin im Jahre 1858 für den Einzug des
Prinzen Friedrich Wilhelm und seiner jungen Gemahlin neu hergerichtet
wurde, füllte Menzel in einem Saale dieses Palais ein Lünettenfeld
mit der auf die Verbindung zwischen Preußen und England hinweisenden
Darstellung der Begegnung von Blücher und Wellington auf dem
Schlachtfelde von Belle-Alliance.

In dem nämlichen Jahr malte Menzel für das Versammlungslokal des
Vereins Berliner Künstler ein Ölbild, welches den Mann, der in der
Geschichte der neueren deutschen Kunst als der Stammvater einer auf
Naturwahrheit gerichteten Auffassungsweise dasteht, Daniel Chodowiecki,
in lebensgroßer Figur vorführt. Als Vorübung hierzu hatte Menzel
eine Büste Chodowieckis von allen Seiten und in verschiedenen
Beleuchtungen gezeichnet.

[Illustration: Abb. 58. +Predigt im Freien (bei Kösen)+. Ölgemälde von
1868. In Privatbesitz in Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Ein kleines Ölbild von 1859, eine Reiseerinnerung aus Kufstein, führt
uns in einer Menge köstlicher Charakterfiguren das ländliche Publikum
vor, das in einer als Theater dienenden Bretterbude, durch deren Wand
sich schmale Sonnenstrahlen stehlen, auf den Beginn der Vorstellung
harrt, in andächtiger Spannung die einen, leise schwatzend die anderen,
und wieder andere auf das Löschen ihres Durstes bedacht.

[Illustration: Abb. 59. +Fasanenfütterung+. Aquarell- und
Deckfarbengemälde (aus dem Kinder-Album) von 1868.

In der Nationalgalerie zu Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 60. +Wochentag in Paris+. Ölgemälde von 1869. In
Privatbesitz in London.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Als Nachklänge der vieljährigen Beschäftigung mit Friedrich dem Großen
kann man vier kleine Bilder ansehen, welche ihren Inhalt der Zeit
entnehmen, die Friedrich als Kronprinz in Rheinsberg verbrachte. Da ist
zunächst eine hochpoetische Schöpfung, welche den Kronprinzen zeigt,
wie er sich in zierlichem Kahn auf dem See am Schlosse umherfahren
läßt und sich dabei im Schatten eines dunkelfarbigen Sonnensegels
in behaglicher Lage in ein Buch versenkt, dessen Inhalt seine Augen
leuchten macht; es ist eine träumerisch-stille Stimmung, die Glut des
Sommertags flimmert in den Bäumen des Ufers, und über der glatten
Wasserfläche spielen die Schwalben. Dann der mit köstlicher Laune
erdachte Hofball in Rheinsberg, wo die Herren und Damen der aus
der Nachbarschaft des weltentlegenen Schlosses zusammengeladenen
Gesellschaft die Bewegungen und Trachten des Rokoko, die Menzel
sonst mit so liebenswürdigem, feinem Reiz zu schildern weiß, von der
komischen Seite zeigen (Abb. 50). Das Gegenstück zu diesem Bilde
erkünstelter Eleganz bildet ein Blick in die derbere Welt der Lakaien
und Kammerhusaren im Vorsaal. Das vierte der Bildchen schildert einen
Besuch des Kronprinzen Friedrich auf dem Gerüst, wo Antoine Pesne mit
der Ausmalung des Plafonds im Ballsaal des Schlosses beschäftigt ist;
von dem Maler ungesehen, beobachtet der Prinz diesen mit stillem
Vergnügen bei dem Bemühen, einem ungelenken Modell die graziöse
Stellung, die es einnehmen soll, deutlich zu machen. -- Diese vier
Bilder sind mit Wasserfarben gemalt, und zwar in einer Verbindung der
eigentlichen Aquarellmalerei mit Deckfarbenmalerei. Sie bilden einen
Teil einer Sammlung von Darstellungen kleinen Maßstabs, welche Menzel
in dieser Technik, die ihm ganz besonders zusagte, für einen Berliner
Kunstfreund in der Zeit von 1860 bis 1862 ausführte. Von den übrigen
Blättern dieser Sammlung gibt eines, „der Abschied vor der Hausthüre“,
einen Eindruck aus dem Berliner Straßenleben wieder; andere sind
Augenblicksbilder, die Menzel sich auf Reisen in Deutschland und Tirol,
durch die er von Zeit zu Zeit seinen Aufenthalt in Berlin unterbrach,
eingeprägt hatte. Von solchen Reisen brachte er immer die Anregungen zu
mancherlei köstlichen Schilderungen des Lebens mit heim.

[Illustration: Abb. 61. +Im _Jardin des plantes_+. Deckfarbengemälde
von 1869. In Privatbesitz in Hamburg.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: =In Potsdam.=

Abb. 62. Aus dem bei Gustav Weise in Stuttgart erschienenen
Bilderbogen: „König Friedrich der Große“. Tuschzeichnung auf Holz, von
1869.]

Die Hauptarbeit des Meisters aber während des Jahres 1862, eine Arbeit,
die ihn auch für die drei folgenden Jahre in Anspruch nahm, war eine
große und erhabene Aufgabe. Nachdem er sich als den unvergleichlichen
Schilderer preußischer Geschichte bewiesen hatte, wurde er als die
berufenste Kraft dazu ausersehen, ein geschichtliches Ereignis der
Gegenwart für die Nachwelt festzuhalten. Am 12. Oktober 1861 erhielt
Menzel ganz unvorbereitet aus dem Munde des damaligen Kultusministers
von Bethmann-Hollweg die Mitteilung, daß er die feierliche Krönung
König Wilhelms, die am 18. Oktober in Königsberg stattfinden sollte,
malen solle. Da galt es, in fliegender Hast in den wenigen Tagen die
notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Hierüber und über die ganze Art
und Weise, wie das Bild entstand, hat Menzel selbst eine schriftliche
Aufzeichnung an die Öffentlichkeit gebracht, die in ihrer bestimmten,
treffenden Ausdrucksweise ein Muster klaren und anschaulichen Berichtes
ist. Er gab diese Aufzeichnung in dem Text, mit welchem er die nach der
Vollendung des Krönungsbildes veranstaltete Veröffentlichung der zu
demselben gemachten Skizzen und Bildnisstudien begleitete. Da erzählt
er: „Ich mußte mich in den Tagen vor dem 18., meist an Ort und Stelle,
durch den Ceremonienmeister über alles, namentlich die Standorte der
wichtigsten Personen etc., orientieren lassen, um danach im voraus
mich über die Wahl meines Standortes, der mir die schönste Überschau
der Handlung gewähren sollte, entscheiden zu können. Auch galt es,
mit den Vorstudien der Örtlichkeit der Schloßkirche vorher möglichst
zu Ende zu kommen. Mit mir reiste mein Freund Friedrich Werner, damit
derselbe mich bei Aufnahme der vielen notwendigen Notizen unterstützte,
namentlich beim Akt in der Kirche mir die Möglichkeit bleibe, meine
Aufmerksamkeit auf die Hauptpersonen und -sachen zu konzentrieren.
Diese Hilfe ist die einzige, deren ich mich während der ganzen Dauer
der Arbeit bedient habe. Sämtliche Porträtstudien, sowie das Bild von
der Aufzeichnung bis zum letzten Pinselstrich sind eigenhändige Arbeit.
-- Ich hatte meinen Standpunkt in der Kirche auf der Tribüne der
Mitglieder des Herrenhauses gewählt (auf der fünften Stufe, vom Altar
aus gerechnet). Der meist hochgewachsenen Umstehenden wegen mußte ich
während des feierlichen Aktes auf einem Stuhle stehen, dessen Wackeln
meinem hastigen Zeichnen nicht zur Erleichterung diente. Neben mir,
zur Rechten, stand Werner. -- So nun, wie ich im Bilde den Vorgang
dargestellt habe, habe ich ihn in seiner Scenerie gesehen. Eine Licenz
stellte sich als unvermeidlich heraus: die Abänderung des Vorgrundes.
Die Prinzen des königlichen Hauses, die Minister und die Ritter des
Schwarzen Adlerordens standen, wie es auch noch die Skizze angibt, in
drei Reihen vor der Herrenhaustribüne. Sonach wäre von allen diesen
wichtigen Personen wenig anderes als die Rücken und Hinterköpfe zur
Darstellung gelangt. Daher mußte ich diese Partie teilen und anders
ordnen. -- Zum Atelier wurde mir ein Saal im (Berliner) königlichen
Schlosse, seit alter Zeit „Garde-du-Corps-Saal“ geheißen, eine Treppe
hoch nach dem Lustgarten hinaus gelegen, eingeräumt. Am 6. April
nahm ich Besitz von demselben, nachdem eine Sammlung von Rüstungen
und Waffen, bisher darin beherbergt, teils herausgeräumt, teils zur
Seite geschoben war. -- Die vorläufige Aufzeichnung mit schwarzer
Tusche und dem Borstpinsel nahm zwei Monate in Anspruch. -- Bei der
Größe der Bildfläche (14 Fuß rheinisch lang, 11 Fuß rheinisch hoch)
war ein Hineinmalen der vielen Porträtfiguren unmittelbar nach der
Natur räumlich nicht thunlich. Also alles nur nach der Natur+studie+!
Dazu bei vielen Personen verschiedenartigster Lebensstellung und
Aufenthaltsortes die Ungewißheit, von ihnen eine +zweite+ Sitzung,
d. h. zur geeigneten Zeit, zu erhalten. Daher die Notwendigkeit,
den noch frischen Eindruck der Wirklichkeit für das Malen nach der
eilig vollbrachten Studie mit zu benutzen. -- Dies alles nötigte mir
das Wagnis auf, das Bild von Anfang bis zu Ende prima (d. h. Stück
für Stück gleich fertig, ohne vorheriges Anlegen und nachheriges
Überarbeiten) zu malen. Von einer geordneten Reihenfolge in der Arbeit
der Figuren in ihren verschiedenen Gruppen konnte gleichfalls keine
Rede sein. Wie ich der Betreffenden mit Schreiben und Unterhandeln
habhaft werden konnte oder gutes Glück sie mir vorführte, mußte ich
sie vornehmen. Heute für den Hintergrund, morgen für den Vordergrund
etc. etc. -- Ihre Majestät die Königin lehnte die Sitzung ab, und ich
blieb in betreff Allerhöchst Ihrer auf Gedächtnis und Beobachtungen,
wozu die Hoffestlichkeiten Gelegenheit boten, hingewiesen. Ich
habe Ihrer Majestät Kopf viermal gemalt. Ferner sah ich mich für
die Porträts von neun Personen zur Benutzung von Photographien
genötigt, indem erstere teils während der Jahre verstarben, teils
niemals Berlin besuchten. Glücklicherweise gehören sie sämtlich dem
Hintergrunde an. Dagegen haben Seine Majestät der König, sowie alle
übrigen dargestellten Personen mir in meinem Saalatelier, angethan
mit ihren respektiven Ornaten, Insignien, Uniformen nach meiner
Anordnung zur Studie Stellung gehalten. Im ganzen befinden sich auf
dem Bilde 132 Porträtfiguren. Auch konnte ich die Hauptrequisiten des
Kirchenschmuckes -- die Thronhimmel, Altarausstattung etc. nach ihrer
Rückkehr unmittelbar nach der Natur malen. -- Die Altarkandelaber,
Leuchter, Kerzen waren das erste, das ich malte; von da ging ich über
zur Architektur des Hintergrundes. Am 19. März begannen die Sitzungen
zu den Porträts. Den Anfang machte der General der Kavallerie Graf von
der Gröben. Am 16. Dezember 1865 habe ich aufgehört zu malen.“

[Illustration: =Am Feinde.=

Abb. 63. Aus dem bei Gustav Weise in Stuttgart erschienenen
Bilderbogen: „König Friedrich der Große“. Holzzeichnung von 1869.]

[Illustration: Abb. 64. Aus dem bei Gustav Weise in Stuttgart
erschienenen Bilderbogen: „+Aus der Sommerfrische+“.

Tuschzeichnung auf +Holz+, von 1870.]

Unter all diesen aus der Natur des Gegenstandes sich ergebenden
Schwierigkeiten hat Menzel ein Werk geschaffen, das nicht nur eine
bildliche Urkunde, sondern auch in seiner prächtigen Wirkung ein
malerisches Kunstwerk ersten Ranges ist. -- Der gewählte Augenblick
ist derjenige, wo der König mit der vom Altar genommenen Krone auf
dem Haupte sich der Versammlung zugekehrt hat und mit zum Himmel
gewendetem Antlitz das Schwert emporhebt. Wie wunderbar ist dieses von
der Heiligkeit der Handlung ergriffene Königsantlitz, das den Blick des
Beschauers gefangen nimmt, wie es die Augen all der vielen im Bilde
dargestellten Personen gefesselt hält, die alle, jeder in seiner Weise,
die Erhabenheit des Augenblicks mitempfinden! So hat Menzel durch seine
tiefinnerliche Auffassung den Vorwurf, aus dem unter anderen Händen ein
kaltes, prunkhaftes Ceremonienbild hätte entstehen können, zu einer
ergreifenden Schilderung eines von höchster Weihe erfüllten, zu den
Herzen sprechenden Vorgangs gestaltet (Abb. 54).

[Illustration: Abb. 65. Aus dem bei Gustav Weise in Stuttgart
erschienenen Bilderbogen: „+Aus der Sommerfrische+“.

Holzzeichnung von 1870.]

Die zu dem Krönungsbilde gemachten Studienköpfe, mit Bleistift, Tusche,
Wasserfarbe, farbiger Kreide ausgeführt, sind jeder für sich ein
vollendetes Meisterwerk. Seit Albrecht Dürer hat es niemand vermocht,
eine solche Kraft der Lebenswahrheit, eine so erschöpfende, bis in die
kleinsten Formen gehende Charakteristik niederzulegen in knappen, dem
flüchtigen Augenblick abgerungenen Studien.

In die Entstehungszeit des Krönungsbildes fällt der Anfang einer Reihe
kostbarer Blätter, die Menzel nicht für die Öffentlichkeit, sondern
als Festgabe im engsten Verwandtenkreise, als „Kinder-Album“, nach
und nach -- im Verlauf von zwanzig Jahren -- malte. Menzel hat nie
einen Mißbrauch seines reichen Könnens zu oberflächlicher, flüchtiger
Darstellung gekannt. So ist auch jedes Blatt dieses „Kinder-Albums“
ein vollendetes Kunstwerk, sorgfältig durchgearbeitet in jener
ihm eigentümlichen Wasserfarbentechnik. Der Mehrzahl nach sind es
Tierbilder, in denen Bewegung, Bau, Ausdruck, sowie die Oberfläche
von Fell oder Gefieder der in irgend einer bezeichnenden Situation
dargestellten Tiere mit wunderbarer Charakteristik wiedergegeben sind.
Den Anfang dieser Tierbilder machen ein paar Hirsche in ihrem Gehege
im zoologischen Garten zu Berlin (Abb. 51) und ein in ländlichem
Behagen zwischen Gänsen und Hühnern sich sonnendes Kalb. In anderen
Blättern hat Menzel die Tiere, die er im zoologischen Garten studierte,
in die Freiheit versetzt. So lagert der bengalische Tiger am Eingang
seiner Felsenhöhle; eben richtet er den Kopf auf und schlägt mit dem
Schweife, als ob die Aussicht auf eine Beute ihn aus seiner Ruhe locke;
die Augen funkeln und es zeigt sich das drohende Gebiß (Abb. 52). Der
Grunzochs durchbricht mit gesenktem Kopfe ein Bambusröhricht. Andere
Blätter wieder haben sich zu reicheren Kompositionen gestaltet.
So erscheint ein zahmes Rehkalb als die Hauptperson in einem Bilde,
welches uns in den vielbesuchten Garten des Restaurants Moritzhof in
Berlin versetzt (Abb. 53). Auch andersartige Darstellungen reihen sich
ein, wie die Ansicht einer ganz gewöhnlichen Straßenecke in Berlin
mit dem malerischen Reiz des abendlichen Dunkelwerdens, wo man in dem
Eckhause im obersten Stock durch die geöffnete Balkonthür in eine
lichtüberstrahlte große Gesellschaft zu sehen glaubt, während darunter
im Hauptgeschoß nichts weiter sichtbar ist als das Durchschimmern einer
Lampe durch die halbgeschlossenen Fenstervorhänge und ganz unten wieder
ein Geschäftslokal in Gaslicht glänzt; es ist, als ob man von jedem
Stockwerk eine Geschichte erzählen hörte.

[Illustration: Abb. 66. +Pariser Boulevardscene+. Federzeichnung von
1870. In Privatbesitz in Middelburg.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 67. Bleistiftstudie zur „Tanzpause“.]

Das letztgenannte Blatt ist eines von vielen, in denen Menzel
bekundet hat, daß die Poesie malerischen Reizes sich ihm auch in den
Straßen der Großstadt erschloß. Die Ritterstraße bei Mondschein,
von seiner Wohnung aus gesehen, der neue Schiffahrtskanal, das
Straßenleben zur Weihnachtszeit mit seinen glückstrahlenden
Kindergesichtchen und andere ganz anspruchslose Erscheinungen gaben
ihm Stoff zu feinen Stimmungsbildchen in Deckfarbenmalerei. Menzels
Künstleraugen arbeiteten eben immer und überall, daheim und auf
seinen meistens nur kurzen Reisen. In dem bewegten Getriebe eines
hauptstädtischen Kaffeegartens, wie an der abgeschiedensten Stelle
eines Landaufenthalts stellten sich ihm Bilder dar, die er wenigstens
mit dem Zeichenstift festzuhalten für der Mühe wert erachtete. Auch
in bloßen Architekturbildern, wie in dem Brunnen vor dem Rathaus zu
Würzburg, entdeckte er einen seiner Eigenart zusagenden malerischen
Reiz, der zu einem Bildchen die Anregung gab. Besonders waren es in
dieser Beziehung die reichen, quellenden Formen des süddeutschen
Barockstils mit ihrem prickelnden Spiel von Lichtern und Schatten,
die ihm behagten. Unter den gemalten Reiseerinnerungen von mehr
landschaftlichem Charakter glänzt das köstliche Sommeridyll (von 1865),
das ein Stückchen der in dem Hügelland bei Kösen zwischen Gebüsch und
Wiesen sich einherschlängelnden Saale mit badenden und an einem Floß
sich belustigenden Knaben zeigt (Abb. 55).

[Illustration: Abb. 68. +Tanzpause+. Ölgemälde von 1870. In
Privatbesitz in Dresden.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 69. +Abreise des Königs Wilhelm zur Armee 1870+.
Ölgemälde von 1871. In der Nationalgalerie zu Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Im Jahre 1864 schuf Menzel wieder eines jener künstlerisch
ausgestatteten Schriftblätter, wie er deren in seiner Jugend manche
gezeichnet hatte, in dem „Diplom Ihrer Königlichen Hoheit der Frau
Kronprinzessin als Ehrenmitglied des Schießvereins der Offiziere der
Potsdamer Garnison.“ Aber während bei den früheren Blättern verwandter
Art der künstlerische Schmuck sich auf die Einfassung des geschriebenen
Textes beschränkt hatte, bemächtigt sich hier der Stift des Künstlers
der Schrift selbst, die auf einem aufgehängten Teppich, der einen
Blick freiläßt auf den Schießstand, wo der Kronprinzessin Viktoria der
Ehrensessel vom Vorstand dargeboten wird, angebracht ist. Der Wortlaut
der Urkunde ist scherzhaft gehalten, und Menzel begleitet diesen
Text mit scherzhaften Einfällen, die denselben in der Gestaltung der
Buchstaben oder in deren Ausschmückung fast Wort für Wort illustrieren.
So sitzt in dem ersten Buchstaben, dem D von „Diplom“, der von den
Kugeln stark mitgenommene, aber trotzdem als lebendiges Wesen
auftretende Zieladler, der mit seiner Klaue das Pünktchen auf das i
setzt; der Anfangsbuchstabe von „Ehrenmitglied“ ruht auf einem Kissen
und ist mit einem Lorbeerkranz geschmückt, die Buchstaben des Wortes
„Offizier“ sind auf einen Degen gereiht, diejenigen von „Schießverein“
verschwinden in Pulverdampf, die Worte „1. Garde-Regiments zu Fuß“
sind mit Gardelitzen geschmückt und das G trägt außerdem noch den
Gardehelm. Und so geht es weiter; mit sprühendem Mutwillen wird der
scherzhafte Ton des Diploms hervorgehoben, indem zum Beispiel die
Worte „hoher Vorstand“ sich stolz über die Zeile hinausrecken, oder
indem bei den Worten „weitberühmten Schießvereins“ der erste Buchstabe
mit Pfauenfedern geschmückt ist und vor und hinter diesen Worten die
Schützen fremder Völker tiefe Verbeugungen machen. Die Worte „Frau
Kronprinzessin“ treten durch die feine künstlerische Schönheit ihrer
Ausschmückung hervor: das Wort „Frau“ ist von einem liebenswürdigen
Völkchen reizender kleiner Puttchen umgaukelt, in dem K zeigen sich
unter der Krone vereinigt der preußische Adler und der Löwe und das
Einhorn des großbritannischen Wappens. Das künstlerische Spiel mit dem
Sinn der Worte ist durchgeführt bis zum Schluß, wo im Datum das P von
„Potsdam“ mit einer Ansicht des Neuen Palais geschmückt ist.

[Illustration: Abb. 70. +Ehrenbürgerbrief der Stadt Berlin für Fürst
Bismarck+. Wasserfarbenmalerei von 1872.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 71. +Ehrenbürgerbrief der Stadt Berlin für den
Grafen Moltke+. Wasserfarbenmalerei von 1872.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 72. +Erinnerung an den Luxembourggarten in Paris+.
Ölgemälde von 1872.

In Privatbesitz in Paris.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Diese ganz neue Art von Zierkunst, die im Scherz geboren war, wendete
Menzel bald darauf auch in einem ernsthaften Blatte in meisterhafter,
unvergleichlich geistreicher Weise an. Das war die Adresse, welche
König Wilhelm vom Magistrat von Berlin zur Erinnerung an den
Siegeseinzug im Jahr 1866 überreicht wurde. Menzel malte in diesem
Blatt die Worte des Festgedichts von Scherenberg, mit welchem der
sieggekrönte König am Brandenburger Thor begrüßt wurde:

    „Willkommen König! Deine Metropole
    Grüßt jubelnd Dich und Deine Heldenschar!
    Durchflog Borussia doch beschwingter Sohle
    In sieben Tagen Friedrichs sieben Jahr’.
    Nun reicht herab von ihrem Kapitole
    Victoria den duft’gen Kranz Dir dar.
    Gott ging mit Dir und wird auch mit Dir gehen,
    Bis überm Lorbeerschatten Palmen wehen.“

[Illustration: Abb. 73. Bleistiftstudie von 1874. Im Besitz der
Kunsthandlung Fritz Gurlitt in Berlin.]

Die beiden ersten Zeilen, als der eigentliche Gruß, nehmen den größten
Teil des Blattes ein. Sie sind eingebaut in ein reichgeschmücktes
Festgerüst von Kandelabern und Masten, die durch eine von der
Königskrone oben in der Mitte ausgehende Draperie von Purpursammet
und Hermelin miteinander verbunden sind, und zwischen denen auf
luftigen Tribünen die begrüßenden Zuschauer stehen, während unten die
siegreichen Truppen vorbeimarschieren. In diesem Rahmen bilden die drei
ersten Worte die erste gemalte Zeile: hinter dem aus Blumen gebildeten
„Willkommen“ treten die weißgekleideten Festjungfrauen an, die dann die
Buchstaben des Wortes „König“, die in sich wiederum sinnreich gestaltet
sind, mit Kranzgewinden schmücken, die Kränze schlingen sich wieder
zusammen zu den Schriftzügen des Wortes „Deine,“ hinter dem eine Schar
von Putten die Festmusik macht; der Putto _regens chori_ hat eine
Maske mit den Zügen des General-Direktors der Militärmusik Wieprecht
vorgebunden. Das Wort „Metropole“ zeigt sich darunter in einem
schwebenden Bilde des in prächtigem Festschmuck prangenden, damals noch
im Bau begriffenen Berliner Rathauses, dessen _status quo_ des Tages
nach der Wirklichkeit gegeben ist. Die Zuschauer werfen Blumen, Kränze
und Lorbeerzweige auf die einziehenden Soldaten herab, und aus diesen
Begrüßungsspenden bilden sich in der Luft die Worte „grüßt jubelnd
Dich und Deine“ --. Das Wort „Heldenschar“ steht in großen festen
Buchstaben auf dem Bodenstreifen und hebt sich hell von der dunklen
Truppenmasse ab, die es bezeichnet; an den einzelnen Buchstaben dieses
Wortes sind die Bildnisse der Führer des Krieges angebracht. Dieser
ganze obere Aufbau, der den Gruß an das siegreiche Preußenheer von 1866
darstellt, wird getragen von einem Unterbau aus Marmor und Erz, an
dessen lorbeergeschmückten Pfeilern die Helden Friedrichs des Großen zu
beiden Seiten von dessen Sarkophag stehen, -- ein sinnvoller Gedanke
Menzels, der nicht aus dem Gedicht hervorging. Die Textzeilen sind so
angeordnet, daß das Wort „Friedrichs“ für sich allein auf dem Sarkophag
steht, und daß das Wort „Victoria“ unter das Bild der Siegesgöttin
kommt, die auf dem Sockel dieses Sarkophags sitzt. Die beiden letzten
Zeilen sind auf ein mit goldenen Sternen besätes Band geschrieben,
das von einem Ziergebilde seinen Ausgang nimmt, in welchem sich eine
segnende Hand herabstreckt, und das in einer Gruppe von Palmzweigen,
worin Cherubim schweben, endet. Es würde unmöglich sein, mit Worten
auf alles hinzuweisen, was das Blatt an sinnreichen Beziehungen und an
künstlerischen Schönheiten enthält, von den Putten angefangen, welche
sich auf der Draperie über dem Festgerüst herumtreiben, und von den
Einzelheiten des Schmuckes bis zu dem Charakter der Schriftzüge hin,
die in ihrer Verschiedenartigkeit die fliegende Eile des Siegeslaufs,
das verzehrende Feuer der sieben heißen Tage und das sichere Mitgehen
des göttlichen Segensausdrücken, die bei den Worten „Kapitole“ und
„Victoria“ gleichsam unwillkürlich eine antik-klassische Gestalt
annehmen, um bei dem Worte „Kranz“ wieder in fröhliche Bewegung
überzugehen. -- Das in Wasserfarben mit Zuhilfenahme von Gold mit
wunderbarer Feinheit ausgeführte Blatt verdunkelt im Hohenzollernmuseum
des Schlosses Monbijou die sämtlichen künstlerisch ausgeführten
Adressen, welche dort in so großer Zahl aufbewahrt werden.

[Illustration: Abb. 74. +Eisenwalzwerk+. Ölgemälde von 1875. In der
Nationalgalerie zu Berlin. (Mit Genehmigung der Photographischen
Gesellschaft in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 75. +Auf dem Bau+. Deckfarbengemälde von 1875. In
Privatbesitz in Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 76. +Der Spaziergänger+. Deckfarbenbild von 1875.
In Privatbesitz in Paris.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Im Jahre 1867 unternahm Menzel eine Reise nach Paris, bei Gelegenheit
der dortigen Weltausstellung. In den Pariser Kunstkreisen war sein
Name wohlbekannt. Er war der erste deutsche Maler, dessen Bedeutung
die Franzosen rückhaltlos anerkannten. Hier empfing Menzel eine Menge
neuer Eindrücke und Anregungen, denen eine Anzahl kostbarer Bilder ihr
Entstehen verdanken. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Berlin malte
er ein Ölbild von kleinem Maßstab, aber einer unermeßlichen Fülle des
Inhalts, in welchem er den Eindruck, den ein Sonntag im Tuileriengarten
in seinem Gedächtnis hinterlassen hatte, in einer Unzahl von Figuren
schilderte; jede von diesen Figuren lebt, jede ist in ihrem Aussehen
und ihrem Benehmen eine echt Pariser Erscheinung, man hört sie
sprechen, man möchte, als ob man selbst in sonntagnachmittäglicher Ruhe
dort säße, über jeden einzelnen seine müßigen Betrachtungen anstellen
(Abb. 56). -- Ein ebenfalls schon 1867 gemaltes Ölbild, in dem die
gleiche Schärfe der Beobachtung leuchtet, führt den Beschauer in das
dichtbesetzte amerikanische Restaurant der Weltausstellung. -- Als
Seitenstück zu dem „Sonntag im Tuileriengarten“ entstand zwei Jahre
später das sozusagen von betäubendem Lärm erfüllte Bild „Wochentag
in einer Straße von Paris“, das uns an den Kreuzungspunkt einer der
verhältnismäßig stilleren Nebenstraßen mit einer der Hauptverkehrsadern
der Weltstadt versetzt (Abb. 60). -- Auch der alte Elefant im _Jardin
des Plantes_, ein verwöhnter Liebling des Publikums, reizte Menzel
zu einem Bildchen, das er 1869 in Wasserfarben ausführte (Abb. 61).
-- Nur in einer Federzeichnung, die aber nicht weniger sprechend
und geistreich ist als die Gemälde, mit denen sie auch an malerischer
Wirkung wetteifert, schrieb Menzel 1870 die Erinnerung nieder an einen
Sommerabend auf dem Boulevard, wo man vor dem Café auf dem Bürgersteig
sitzend das Auf und Ab der Menschenwogen an sich vorüberfluten läßt
(Abb. 66).

[Illustration: Abb. 77. +Kirche zu Ettal+. Deckfarbenbild von 1875. In
Privatbesitz in Paris.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 78. +Richard Wagner in der Probe zu Bayreuth+.
Bleistiftzeichnung von 1875. Im Besitz des Künstlers.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Zwischen den Erinnerungen an Paris steht ebenbürtig das Ölgemälde von
1868, welches einem Aufenthalt in Kösen seine Entstehung verdankt und
die Abhaltung eines Missionsgottesdienstes in der Buchenhalle bei Kösen
schildert. Auch hier eine große Menschenmenge, aber alle -- einige
wenige Kommende und Gehende abgerechnet -- in andächtige Ruhe gebannt
von den Worten des Predigers. Durch das grüne Laub flimmern die
Sonnenstrahlen und spielen mit zitterndem Reiz auf dem Boden und auf
der Versammlung (Abb. 58).

[Illustration: Abb. 79. „+Wer steckt da oben?+“ Deckfarbengemälde von
1876. In Privatbesitz in Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Aus Eindrücken, welche Menzel während seines Aufenthaltes in dem Saal
des königlichen Schlosses, wo er das Krönungsbild malte, empfing,
ging eine Anzahl von Darstellungen hervor, welche er selbst als
„Rüstkammerphantasien“ bezeichnete. Seine Einbildungskraft dachte sich
in die Eisenharnische, welche dort standen, lebende Menschen hinein,
die ihm zu Helden launiger Bildchen wurden. So entstand eine Zeichnung
auf Stein, welche mit der Unterschrift: „Rate, wer es ist“ einen
Ritter zeigt, der in voller Rüstung vor eine junge Dame hintritt, die
ihn sicherlich, wie wir aus den lächelnden Mienen seiner Begleiter
ersehen, sehr genau kennt, ihn jetzt aber nicht erkennt und darum von
Neugier erfüllt ist, das Geheimnis des geschlossenen Visiers zu lüften.
Augenscheinlich ist der Künstler durch die Form des Visiers, die den
Eindruck eines verschmitzten Lächelns macht, zu dieser Phantasie
angeregt worden. Ein prächtiges Wasserfarbenbild von 1868 zeigt einen
Geharnischten als „Blindekuh“. Der in seinem schweren Eisenkleid
steckende Ritter wird von einer bekränzten jungen Schönen geneckt, die
von hinten an ihn herantritt und ihm schelmisch einen Blumenstrauß vor
die Luftlöcher des Visiers hält; von dem Gesicht des Ritters sieht
man fast nichts, als das durch die schmale Augenspalte des Helms
schimmernde Glanzlicht des einen Auges, und dieses eine Lichtchen
läßt uns in köstlicher Weise den ganzen Ausdruck des verborgenen
Männergesichts erraten.

[Illustration: Abb. 80. +Siesta+. Federzeichnung von 1876. In
Privatbesitz in Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Dem „Kinder-Album“ gehört ein kostbares Blatt von 1868 an, dessen
Hauptfiguren Gold- und Silberfasanen sind; den farbenprächtigen Vögeln
hat der Künstler ein paar junge Chinesinnen zugesellt, von denen sie
auf der Gartenveranda ihr Futter empfangen (Abb. 59). -- Aus dem
nämlichen Vorstellungskreise ist zu derselben Zeit ein anderes kleines,
launiges Deckfarbengemälde hervorgegangen, welches unter dem Titel:
„_Confort chinois_“ einen Chinesen zeigt, der sich mit dem Ausdruck
höchsten Behagens von einem Silberfasan in der Nase picken läßt,
während ein Goldfasan, der wohl ebenso abgerichtet ist, auf seiner
Schulter sitzt.

Unter den Schöpfungen des Jahres 1869 nimmt auch eines jener
Schriftblätter einen bedeutsamen Platz ein, welche Menzel mit so
reicher Phantasie zu gestalten wußte. Es ist das „Gedenkblatt an
das fünfzigjährige Bestehen der Firma C. Heckmann in Berlin“.
Dasselbe zeigt einen architektonischen Aufbau, dessen Träger
Cyklopenhermen sind. Vor dem breiten Mittelpfeiler steht eine
geflügelte Frauengestalt, welche auf das Bildnismedaillon Heckmanns
hinweist. Auf dem oberen Abschluß der Architektur, der die Worte
trägt: „Tausend Jahre sind ein Tag, 50 aber ein halbes Jahrhundert“,
sind Putten damit beschäftigt, ein bekrönendes Gitter von reicher
Schmiedearbeit mit Kränzen und Blumengewinden zu schmücken. Am
Sockelstreifen halten Putten und Feuersalamander Ketten von ineinander
gehakten, in Schmiedearbeit hergestellt gedachten Buchstaben, welche
die Worte bilden: „Aller Anfang ist schwer.“ In den Zwischenräumen
der Architektur aber, zwischen den Cyklopenfiguren, sieht man in
die dampfgefüllten Kupferschmiedewerkstätten hinein, wo die rußigen
Kraftgestalten der „modernen Cyklopen“ mit dem glühenden Metall
hantieren.

[Illustration: Abb. 81. +Studien+ (Bleistift) zu einer Zeichnung zum
„Zerbrochenen Krug“. Im Besitz der Kunsthandlung Fritz Gurlitt in
Berlin.]

[Illustration: Abb. 82. +Studie+ (Bleistift) zu einer Zeichnung zum
„Zerbrochenen Krug“.

Im Besitz der Kunsthandlung Fritz Gurlitt in Berlin.]

Seit Menzel das Krönungsbild gemalt hatte, war er allezeit Gast
bei den Hoffestlichkeiten im königlichen Schlosse. Da weidete sich
sein Malerauge an dem Zusammenklange der prachtvoll ausgestatteten
Barockräume mit dem Farbengewoge der Uniformen und der Damenroben, an
dem Schein und Wiederschein der Kronleuchter und Girandolen, die ein
vielfältiges Lichterspiel durch die Räume ergossen und sich glitzernd
und funkelnd in Ordenssternen, Diamanten und Augen spiegelten. Einst
hatte seine staunenswürdige Einbildungskraft die Feste Friedrichs des
Großen lebendig zu machen gewußt; jetzt konnte er nach dem eigenen
Augenscheine die Feste Wilhelms I schildern, und er hat in solchen
Darstellungen unvergleichliche kulturgeschichtliche Bilder für die
Nachwelt aufbewahrt. Nachdem er im Jahre 1867 mit einem kleinen
Deckfarbengemälde „Ballgesellschaft“ dieses Gebiet zuerst betreten
hatte, eröffnete er mit einem 1870 vollendeten größeren Bilde,
„Tanzpause“ benannt, eine Reihe von prächtigen Ölgemälden solchen
Inhalts. Da befinden wir uns in einem der an den Ballsaal anstoßenden
Nebensäle. Eben ist ein Tanz beendet. Durch die Thüre des Ballsaals, in
den wir wie in ein Meer von Licht hineinblicken, strömen die Paare in
den zu einem behaglichen Augenblick zwangloser Plauderei einladenden
Raum. Eine Gruppe von Damen hat bereits an einem kleinen runden Tisch
Platz genommen, denen ein Diener in Galalivree mit Erfrischungen
naht. Herren vom Militär und Civil, in bunter Mannigfaltigkeit
der großen Galauniformen, treten zu den Damen heran oder erzählen
sich untereinander schnell ein Geschichtchen. Man meint, jede
Persönlichkeit müßte ein Porträt sein, so sprechend gibt sich eine
jede Gestalt in ihrer Eigenart. Doch ist das Ganze, das den Eindruck
einer Augenblicksaufnahme nach dem Leben macht, eine freie Komposition
Menzels, und die Personen, die in ihrer Gesamtheit sowohl wie in der
Erscheinung eines jeden Einzelnen ein so treffend lebenswahres Abbild
der vornehmen Hofgesellschaft der Zeit geben, sind die Erzeugnisse
seiner Künstlerphantasie (Abb. 68).

[Illustration: Abb. 83. Aus den Zeichnungen zu Heinrich von Kleists
Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ (1876-77).

Schlußstück zum 5. Auftritt.]

Als dann in dem nämlichen Jahre die französische Kriegserklärung jenen
Sturm von vaterländischer Begeisterung hervorrief, den keiner, der ihn
erlebt hat, je vergessen kann, da erfaßte Menzels scharfer Blick, der
treffsicherer arbeitete, als es ein photographischer Momentapparat
vermöchte, ein Augenblicksbild, in welchem er die ganze Stimmung jener
Tage zusammengefaßt festgehalten hat. „Die Abreise des Königs Wilhelm
zur Armee am 31. Juli 1870“ ist ein geschichtliches Denkmal aus der
Zeit des großen Krieges, dem sich kein anderes aus den Ereignissen
jener Jahre hervorgegangenes Erzeugnis der deutschen Kunst an die Seite
stellen läßt, denn in ihm ist der Herzschlag der Nation zum Ausdruck
gebracht (Abb. 69). Unter den Linden in Berlin steht Kopf an Kopf die
Menschenmenge, jede Hausthür, jedes Fenster, jeder Balkon ist dicht
besetzt. Der König fährt in der Richtung nach dem Brandenburger Thor
die Straße entlang. Eine wogende Erregung geht durch die Massen, an
denen der Wagen vorbeirollt; sie beginnt, wo man desselben eben erst
ansichtig wird und noch Zeit zu einem flüchtigen Blick in das eben
ausgegebene Extrablatt findet, und sie zittert noch lange weithin nach,
wo der Wagen vorbei ist. In strammer militärischer Haltung grüßen die
einen, mit Verneigungen andere, Hände, Tücher, Hüte bewegen sich in
der Luft, -- in all diesen verschiedenen Menschen lebt +ein+ Gefühl.
In dem Antlitz des greisen Königs, der die Grüße dankend erwidert,
liegt tiefe Ergriffenheit, die Königin an seiner Seite verbirgt
schluchzend ihr Gesicht im Taschentuch. Die Häuserreihe entlang wehen
Fahnen aus den Fenstern und von den Balkonen, und wie sie so lustig
im Sommerwinde flattern, ist es, als ob eine Siegesahnung sie bewegte.
-- Das wunderbare Bild, so riesengroß an Inhalt und Gehalt, ist ein
Ölgemälde von ganz geringem Umfang, dreiviertel Meter breit. Es befand
sich zuerst, wie die meisten kleinen Bilder Menzels, in Privatbesitz;
später aber wurde es vom Staate für die Nationalgalerie erworben,
um als ein einzigartiges Geschichtsbild kommenden Geschlechtern
das weltgeschichtliche Ereignis des deutsch-französischen Krieges
eindringlicher, als es die Verbildlichung großer Thaten vermöchte,
zu vergegenwärtigen durch die wahrheitsgetreue Schilderung von
dem Eindruck eines bedeutungsvollen Augenblickes auf die deutsche
Volksseele.

[Illustration: Abb. 84. Aus den Zeichnungen zu Heinrich von Kleists
Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ (1876-77).

Schlußstück zum 8. Auftritt.]

[Illustration: Abb. 85. Aus den Zeichnungen zu Heinrich von Kleists
Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ (1876-77).

„Fort, thut mir den Gefallen, holt ihn wieder!“ (Schluß des vorletzten
Auftritts.)]

[Illustration: Abb. 86. +Frühmorgens im Nachtschnellzug+.
Tuschzeichnung von 1877. Im Besitz der Verlagshandlung R. Wagner in
Berlin.]

[Illustration: Abb. 87. Bleistiftstudie von 1877 zum „Ballsouper“.]

Menzel malte dieses Meisterwerk erst im Jahre 1871, „aus der
Erinnerung“. Als der große Krieg beendet war und die Sieger
heimkehrten, führte Menzel zum Schmuck des Akademiegebäudes beim
Truppeneinzug die Bildnisse von Bismarck und Moltke in Wachsfarben
aus. Nachdem diese großen Bildnisse ihren vorübergehenden Zweck
erfüllt hatten, sind sie zur Aufbewahrung in die Kadettenanstalt zu
Großlichterfelde gebracht worden. -- Darauf übernahm der Meister die
künstlerische Ausarbeitung der Urkunden, in denen die Stadt Berlin
jene beiden Helden der ruhmreich errungenen Einigung Deutschlands zu
ihren Ehrenbürgern ernannte. Die beiden Schriftbilder, die im Jahre
1872 fertig wurden, in prächtiger Deckfarbenmalerei auf Pergament
ausgeführt, vereinigen sinnreichen Figurenschmuck mit geist- und
geschmackvoller Ausgestaltung und Schmückung der ersten Schriftzeilen.
Bei dem Ehrenbürgerbrief für Bismarck (Abb. 70) sieht man links drei
gekrönte Frauengestalten in mittelalterlichen Königsgewändern -- die
Vertreterinnen der deutschen Staaten -- auf einem Felsen stehen,
in welchen sie den jungen Baum des neuen Deutschen Reichs, der als
Lorbeerreis zwischen ihnen aufragt, gepflanzt haben; und unter dem Fels
schaut das Haupt des alten Barbarossa, vom flammenden Barte umwallt,
hervor. Über ihnen erhebt sich ein schlanker gotischer Baldachin,
auf dessen Bekrönung ein mächtiger Adler sich niedergelassen hat,
vor dem die Raben davonfliegen. Das Maßwerk des Baldachinabschlusses
enthält zugleich den Anfangsbuchstaben W der Urkunde. „Wir, der
Magistrat der königlichen Haupt- und Residenzstadt“: die Worte
sind, wie aus Metallbuchstaben gebildet, in die Windungen einer
goldenen Magistratskette eingehängt, die sich, von leichtem Zierwerk
durchflochten, von dem Baldachin aus zum entgegengesetzten Ende
hinüberzieht, wo auf einem Banner das anschließende Wort „Berlin“
prangt. Träger des Banners ist ein Schmied, der mit seiner Umgebung,
einer Schar von Knaben mit Schärpen und Palmzweigen, an der rechten
Seite des Bildes das Gegenüber der fürstlichen Frauengestalten bildet;
sein Standpunkt ruht auf einer Konsole, welche sich aus einem Bärenpaar
mit verschlungenen Pranken und dem Reichsschild zusammensetzt und
so die Erhebung der Stadt Berlin, deren Wappentier der Bär ist, zur
Reichshauptstadt andeutet. Die zweite und dritte Zeile des Textes
enthalten in ornamentaler Schrift ohne sinnbildliche Zuthat die
Worte: „urkunden und bekennen hiermit, daß wir im Einverständnisse
mit der Stadtverordneten-Versammlung den“ --. Bei den folgenden
Worten „Kanzler des Deutschen Reichs“ ist das K aus einem mit dem
großen Kanzlerpetschaft stramm dastehenden Putto und zwei schräg
gestellten Schreibfedern gebildet; die übrigen Buchstaben sind auf
ein breites Band gemalt, über dem in der Mitte, gleichsam von dem
stärker hervorgehobenen D getragen, die Wappenschilde von Elsaß
und von Lothringen stehen und hinter denselben ein mit Helm und
Eisenhandschuhen bewehrter Putto, der das deutsche Kaiserbanner und
das preußische Königsbanner schwingt; am Ende des Bandes spielt ein
Flügelknabe mit Bismarcks Kürassierhelm. Dann erscheinen die Worte
„Präsidenten des preußischen Staatsministeriums,“ mit Ausnahme des
in plastischer Gestalt hervortretenden ersten Buchstaben, wie in
Stickerei auf zwei aufeinander liegenden Ordensbändern ausgeführt.
Auch die Worte „Fürsten Otto Eduard Leopold Bismarck“ sind auf einem
solchen Bande angebracht, von dem wiederum der Anfangsbuchstabe und
ebenso das B sich in selbständiger Bildung herausheben; über dem F
hält ein kleiner Genius, dessen Kopf in den Ordensstern, mit welchem
das Anfangs-P der vorhergehenden Zeile belegt ist, hineinragt, den
Fürstenhut, und das B des Namens ist mit Lorbeerzweigen durchflochten.
Der weitere Wortlaut der Urkunde ist in zierlicher und schmuckreicher
Schrift ohne malerische Einkleidung gegeben. -- Der Ehrenbürgerbrief
für Moltke (Abb. 71) zeigt auf der einen Seite die Berolina, die in
reicher, fürstlicher Kleidung unter einem von zwei Pagen gehaltenen
prächtigen Thronhimmel steht, ein Scepter mit dem Bären in der Rechten,
die Linke grüßend an die Brust gelegt; der als steinerne Konsole
gedachte Sockel, welcher diese Gruppe trägt, ist mit dem Reliefbild
einer Mutter, welche ihr Kind an sich drückt, mit Karyatidenköpfen,
welche das bürgerliche Gewerk und die Landwehr bedeuten, und mit einem
Löwenhaupt, das einen Zirkel zwischen den Zähnen hält, geschmückt. An
der anderen Seite erblickt man die phantastische Riesengestalt eines
preußischen Kriegers, der durch Schnee und Eis über zertrümmerte
Geschütze schreitet; sein Körper und seine Arme sind hinter Rauch und
Pulverdampf verborgen, aus dem ein Blitzstrahl hervorzuckt, der, einen
eisernen Ring durchbrechend, das in diesem eingeschlossene Haupt des
Feindes trifft; aus der wirbelnden Rauchwolke taucht der Kopf des
Kriegers hervor, unter einem vom Generalsfederbusch umwallten, mit
dem eisernen Kreuz und anderen Orden wie mit einem Kranz geschmückten
Helm; mit den Zähnen trägt er vor sich die am Band des eisernen
Kreuzes zusammengebundenen Schilde von Elsaß und Lothringen. Auf
dem Thronhimmel der Berolina ist wie in Stickerei das Anfangs-W der
Einleitungsworte der Urkunde angebracht, die denen des Bismarckschen
Ehrenbürgerbriefs gleichlautend sind. In der Mitte der ersten Zeile
hat Menzel zwischen das zierliche Ranken- und Schnörkelwerk, welches
die Schrift schmückt, eine wirkungsvolle Unterbrechung gebracht
durch einen mächtigen Adler mit ausgebreiteten Schwingen; von dessen
dunkelfarbiger Gestalt hebt das Wort „König“ (-lichen) sich leuchtend
ab, noch weiter hervorgehoben durch zwei Flügelknaben, welche über
ihren Köpfen auf prächtigen Kissen die Königs- und die Kaiserkrone
tragen. Das Wort „Berlin“ sondert sich auch hier in lebhaft sprechender
Weise ab; in andersartiger Schrift gemalt, mit einem wehenden Banner
und der Zuthat von zwei Jungen, welche Siegesdepeschen ausbieten,
geschmückt, bildet es über dem Haupt der Kriegerfigur das Gegengewicht
gegen die Bekrönung des Thronhimmels am Anfang der Zeile. Der Titel des
Gefeierten, „General-Feldmarschall, Chef des Generalsstabs der Armee,“
ist bis auf die beiden letzten Worte ähnlich wie bei der anderen
Urkunde, auf einem Bande angebracht; und zwar in der Weise, daß die
kleinen Buchstaben wie Reliefstickerei erscheinen, während die großen
Buchstaben als selbständige Körper das Band tragen helfen, das an den
Enden von Knaben gehalten wird; ein dritter Knabe weist auf den im
Anfangs-G strahlenden Stern des Schwarzen Adlerordens hin. Das nicht
mehr auf dem Bande befindliche Wort „Armee“ schwebt in lichten, auf ein
Lorbeerreis gereihten Buchstaben vor der dunklen Dampfwolke, welche die
große Kriegergestalt einhüllt. Dann folgt die Zeile „Ehrenmitglied der
Akademie der Wissenschaften“, auf die sich der marmorne Minervakopf
bezieht, der, von einem Ordensband umschlungen, den Zug eines zweiten
Bandes in der Mitte unterbricht. Dieses zweite Band trägt die
Vornamen und den Grafentitel des Feldmarschalls; das Wort „Moltke“
aber löst sich wieder heraus, und mit dem Anfangsbuchstaben einen
Marschallsstab umschlingend, leuchtet es, in gleicher Weise wie darüber
das Wort „Armee“, lorbeergeschmückt vor dem Pulverrauch; von diesem
Namen scheint der Blitzstrahl auszugehen, welcher den eisernen, das
Feindeshaupt umgebenden Ring -- den Befestigungsgürtel von Paris --
durchschlägt.

[Illustration: Abb. 88. Bleistiftstudie zum „Cercle“.]

[Illustration: Abb. 89. Bleistiftstudie zur Hand Kaiser Wilhelms I im
„Cercle“.]

[Illustration: Abb. 90. +Cercle+. Eine Hofballerinnerung. Ölgemälde von
1879. In Privatbesitz in Worms.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 91. +Studie+ (Bleistiftzeichnung).]

Menzels riesenhaftes Gedächtnis ließ ihm im Jahre 1872 eine Erinnerung
an den Luxembourggarten in Paris, die sich ihm vor mehr als vier
Jahren eingeprägt hatte, wieder so lebendig werden, daß er danach
ein Ölbild malte (Abb. 72). Wie da in dem sonnig durchflimmerten
Schatten der geraden Baumreihen, in der Stadt und doch abseits von
deren hastendem Getriebe, Persönlichkeiten von mancherlei Art eine
längere oder kürzere Weile erfrischender Rast genießen, das ist mit
einer so eindringlichen Wahrheit geschildert, daß man denken möchte,
das Bild sei ein im Fluge festgehaltener Abdruck der Wirklichkeit.
-- So treffend wie hier der Lokalton von Paris, ist in einer das
Jahr zuvor gemalten Erinnerung an den Esterhazykeller in Wien die
österreichische Eigenart aufgefaßt und wiedergegeben. Solch’ ein Keller
mit dem bunten Volk, das da verkehrt, bot dem Auge des Künstlers
einen eigenen malerischen Reiz. Die sommerlichen Erholungsreisen nach
Süddeutschland und Österreich gewährten ihm überhaupt immer neue
Anregungen. Das prickelnde Spiel von Farbentönen und glitzernden
Lichtern auf den Barockformen der so prunkvoll ausgestatteten Kirchen
jener Gegenden fesselte seinen Malerblick in ähnlicher Weise wie das
Getriebe dichter Menschenmassen. So malte der Meister in den Jahren
1871-1873 in prächtigen Aquarellen den Hochaltar der St. Peterskirche
zu Salzburg, ein Stück aus der Pfarrkirche zu Innsbruck, den Hochaltar
der Damenstiftskirche zu München -- die beiden letzteren mit reicher
Staffage von amtierenden Geistlichen und andächtigen Betern. Wiederum
andersartige Eindrücke hielt er in den Deckfarbenbildern fest, welche
den „Wigwam“ (das Indianercafé) im Park der Wiener Weltausstellung und
das in phantastisch-malerischem Helldunkel schwimmende Innere eines
sehr ländlichen Wirtshauses in Gastein zeigen (beide 1873 gemalt).

[Illustration: Abb. 92. Bleistiftstudie zum „Ballsouper“.]

Zwischen solchen unmittelbar aus Eindrücken der Wirklichkeit
hervorgegangenen Schöpfungen entstand dann auch wieder einmal ein
Genrebild in der Einkleidung einer vergangenen Zeit. So zeigt ein
Wasserfarbengemälde von 1872 „das gestörte Mahl“ eines Reichen
des 17. Jahrhunderts, dem an der fürstlich gedeckten Tafel seines
holzgetäfelten Gemachs ein unerwarteter Brief den Appetit verdorben hat.

Mit der Jahreszahl 1874 sind nur wenige Werke Menzels bezeichnet, --
darunter ein vom Balkon seiner Wohnung in Gastein aus aufgenommener
Naturausschnitt, von ihm mit Maleraugen gesehen: ein der menschlichen
Staffage fast gänzlich entbehrender Blick in das Gasteiner Thal, mit
Gärten im Vordergrunde, mit Häusern und Kirchturm im Wechsel von
Sonnenlicht und tiefen Schatten, mit dem wolkenumzogenen Hochgebirge
als Abschluß. -- Was ihn in diesem Jahre ganz beschäftigte, war die
Vollendung eines umfangreichen Ölgemäldes, das im nächstfolgenden Jahre
fertig wurde.

[Illustration: Abb. 93. Modellstudie (Bleistift) zum „Ballsouper“.]

„Das Eisenwalzwerk“ ist diese bedeutungsvolle Schöpfung (Abb. 74).
Weißglühendes Eisen, durchleuchtete Dämpfe, Feuerschein im Kampf mit
dem einfallenden Tageslicht, hart arbeitende Männer und dröhnendes,
schwirrendes Maschinengetriebe; das Ganze ein Bild aus dem eigensten
Innern unseres Jahrhunderts, ein Griff in das Alltagsleben der Arbeit
und ein Kunstwerk von unübertroffener Pracht der malerischen Wirkung.
Der künstlerische Reiz, der Eindruck auf das Malerauge, das war es
zweifellos, was Menzel bewogen hat, mit einem großen Gemälde ein
Stoffgebiet zu betreten, das bis dahin der deutschen Kunst noch nicht
erschlossen war. Von den Nebengedanken, welche jüngere Maler in ihre
Bilder aus der Welt der Arbeit zu legen lieben, ist bei dem Meister
nicht das geringste zu spüren. Als Maler sah er den Vorgang, und als
Maler malte er das Bild, wie einst Velasquez seine Teppichspinnerei
-- das einzige ältere Gemälde von verwandtem Charakter -- gemalt
hatte. Die erste Anregung zu dieser prachtvollen Schilderung der
Thätigkeit „moderner Cyklopen“ mag er empfangen haben, als er 1869
das Heckmannsche Gedenkblatt malte, wo er ja auch schon die rußigen
Gesellen im beschmutzten Arbeitskittel zur Darstellung brachte. Das
wirkliche Vorbild des Eisenwalzwerkes hat sich dem Künstler in einem
der großen Betriebe zu Königshütte in Oberschlesien gezeigt. Es ist
ein der Anfertigung von Eisenbahnschienen dienender Raum, in den
wir blicken; ein weithin in dampfige Tiefe sich erstreckender Raum,
angefüllt mit einem für den nicht Sachverständigen sinnverwirrenden
Maschinenwerk, dessen Stangen und Räder und vielfältig ineinander
greifende Vorrichtungen Menzel mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit
so wiedergegeben hat, daß das Herz des Fachmanns daran seine Freude
hat. Im Mittelpunkt des Bildes sehen wir eine Anzahl von Arbeitern
damit beschäftigt, ein auf dem Stoßkarren herbeigefahrenes glühendes
Eisenstück unter die Walze zu bringen; mit Anspannung aller Muskeln der
kräftigen Arme wird die Deichsel des Karrens emporgehoben; von beiden
Seiten wird die glühende Masse in schnellem Griff mit Riesenzangen
gepackt und in die Richtung gebracht; die Glut wirft flammende Lichter
auf die im Kampfe mit der Hitze sich zusammenziehenden Gesichtsmuskeln
der Männer und spiegelt sich blitzend in den verengten Augenspalten.
Jenseits der Walze stehen andere Arbeiter bereit, um das Eisenstück
in Empfang zu nehmen und weiterzuleiten, bis es schließlich, nachdem
es die ganze Reihe der verschiedenen, durch ein gewaltiges Schwungrad
getriebenen Walzen durchlaufen hat, als Eisenbahnschiene wieder zum
Vorschein kommen wird. Solche Arbeit an der Glut erfordert öfteren
Schichtwechsel. Links im Bilde sehen wir hinter einem Arbeiter, der
einen im Dampfhammer zurecht geformten Eisenwürfel auf einem Ziehkarren
nach vorn fährt, die eben Abgelösten mit Waschen und Umkleiden
beschäftigt. Vorn rechts sind einige andere, durch eine Art von
Schirmvorrichtung vor der Hitze geschützt, in kurzer Ruhepause mit dem
Mittagsbrot, das ein junges Mädchen aus dem Korbe packt, beschäftigt.

[Illustration: Abb. 94. Modellstudien (Bleistift) zum „Ballsouper“.]

Das wunderbare, jetzt in der Nationalgalerie befindliche Gemälde
wurde im Anfang des Jahres 1875 fertig. Das nämliche Jahr sah dann
auch eine Anzahl kleinerer, mit Deckfarben gemalter Meisterwerke
entstehen. Da ist noch ein Bild aus der Welt der Arbeit, ein Blick
in die Wirklichkeit von einem hochgelegenen Fenster aus gesehen:
Maurer bei der Arbeit an einem Neubau, der vor dem Hintergrunde
der dichten Baummasse des Berliner Tiergartens emporwächst, -- ein
prosaischer Alltagsgegenstand und eine künstlerische Schöpfung von
höchster malerischer Poesie (Abb. 75). Dann die ebenfalls in aller
Schlichtheit so hochpoetische Darstellung eines Spaziergängers,
eines alten Herrn in der Tracht der Zopfzeit, der nachdenklich den
mit verschnittenen Weiden besetzten Pfad am Bache entlang wandelt,
dicht bei der Ortschaft, aber abseits der Verkehrsstraße (Abb. 76). In
die Gattung der „Rüstkammerphantasien“ gehört das launige Bild eines
Ritters in voller Rüstung, der mit seinem ebenfalls geharnischten
reisigen Begleiter unter der Linde vor der Schenke Halt gemacht hat
und mit langem, durstigem Zuge einen ordinären thönernen Wirtshauskrug
ausleert; der starke Herr mag sich den kühlen Trunk in heißem Ritt
verdient haben, das sieht man seinem müden Gaul an. Ein allerliebstes
Genrebild führt uns in eine Familie, die sich auf der Terrasse vor
dem Hause versammelt und im Anblick des noch jungen Grüns der Bäume
Reisepläne für den Sommer macht, zu deren Ausarbeitung die Herren eine
große Landkarte zu Rate ziehen. Von Menzels eigenen Reisen erzählt eine
Innenansicht der in reichster spätbarocker Ausschmückung prangenden
Klosterkirche zu Ettal, vom Altar aus aufgenommen, wo eben der Küster
das Öl der ewigen Lampe erneuert (Abb. 77); ferner ein mehr figürliches
Kirchenbild aus Oberbayern oder Tirol: „Vor der Beichte“; dann aus
Bayreuth die hastige, aber sprechende Bleistiftskizze des dirigierenden
Richard Wagner (Abb. 78).

[Illustration: Abb. 95. Bleistiftstudie zum „Ballsouper“.]

Das Jahr 1876 sah unter anderem ein Deckfarbenbild entstehen, welches
ein Stückchen aus der Franziskanerkirche zu Salzburg zeigt. Durch
das prachtvolle schmiedeeiserne Gitter, welches einen Nebenaltar
abschließt, sehen wir einen Ordensbruder mit den Kerzen dieses Altars
beschäftigt; vor dem Gitter knieen Beter: eine sehr andächtige Dame,
deren mit in die Kirche genommenes Söhnchen von der auferlegten
Verpflichtung, ganz still zu sein, schrecklich gelangweilt wird, und
ein Bauersmann, der zwischen seinen Gebeten dem Hantieren des Mönchs
gedankenlos zusieht. Ferner ein ebenfalls in Deckfarbe gemaltes
Genrebild, einen Mann in Renaissancetracht darstellend, der, in
einem schwach erhellten Raum mit irgend etwas, das zu erraten der
Einbildungskraft des Beschauers überlassen bleibt, beschäftigt, durch
ein aus der Höhe, von wo auch ein scharfer Tagesstrahl einfällt,
kommendes Geräusch beunruhigt wird, daß er argwöhnisch emporblickt
und die Faust um den Griff seines breiten Dolchs, einer sogenannten
Ochsenzunge, spannt (Abb. 79). Neben den farbigen Bildchen schuf
Menzel zu allen Zeiten mit Stift oder Feder Zeichnungen, in denen er
fertige Bildgedanken niederlegte. Dahin gehört aus dem Jahre 1876 eine
köstliche Federzeichnung, „Siesta“ betitelt: ein Sommeridyll, dessen
Schauplatz der Garten eines herrschaftlichen Landsitzes zur Theestunde
und dessen komische Hauptperson ein in der Hängematte schlafender
wohlbeleibter Herr ist (Abb. 80).

[Illustration: Abb. 96. Bleistiftstudie zum „Ballsouper“.]

[Illustration: Abb. 97. +Ballsouper+. Ölgemälde von 1879. In
Privatbesitz in Berlin. (Photographieverlag von Gustav Schauer in
Berlin.)]

[Illustration: Abb. 98. +„Noch eins!“+ Tuschzeichnung von 1879. In
Privatbesitz in Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 99. +Dorfschmiede mit Wasserhammer+ (in
Hof-Gastein). Deckfarbengemälde von 1879.

In der Nationalgalerie zu Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 100. +Schleiferei in einer Dorfschmiede+. Ölgemälde
von 1881. In Privatbesitz in London.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 101. Studien (Bleistift).]

Die Arbeitszeit des Jahres 1877 wurde zum größten Teil durch
ein Illustrationswerk in Anspruch genommen. Zur hundertsten
Jahreswiederkehr der Geburt von Heinrich von Kleist veröffentlichte
die Verlagshandlung A. Hoffmann & Co. in Berlin eine Prachtausgabe
von dessen Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ mit Bildern von Menzel.
Die Holzschneidekunst hatte große Fortschritte gemacht in den letzten
Jahrzehnten, und Bücher mit Holzschnittbildern waren in unzählbarer
Menge entstanden. Da vielen Malern das Holzzeichnen zu unbequem,
auch das Arbeiten in größerem Maßstab geläufiger war, wurde es
sehr beliebt, die Illustrationen nicht mehr unmittelbar auf den
Stock zu zeichnen, sondern dieselben mit beliebigem Material und in
beliebiger Größe auf Papier auszuführen und dann photographisch auf
den Holzstock übertragen zu lassen. Auch Menzel machte bei seinen
Abbildungen zum „Zerbrochenen Krug“, die er dem Kronprinzen Friedrich
Wilhelm widmete, von dieser scheinbaren Erleichterung Gebrauch. In
humoristischer Weise deutet er in einer Vignette, welche er für das
Titelblatt des Buches zeichnete, auf dieses ihm neue Verfahren hin:
da sitzen auf den Ecken einer Kartusche, in der ein fallender Krug
und die Werkzeuge des Zeichners und des Holzschneiders abgebildet
sind, zwei Putten, von denen der eine einen photographischen Apparat
zurechtrückt, während der andere das Druckergerät erwartungsvoll bereit
hält. Menzel führte die Illustrationen, 34 an der Zahl, zum Teil in
größerem Maßstab als Tuschzeichnungen aus, zum Teil in kleinerem
Maßstab mit der Feder in derselben klaren Schärfe, als ob er auf den
Holzstock zeichnete. Den Anfang der Bilder macht ein geistreiches
Kopfstück zu der von Dingelstedt geschriebenen Einleitung. Da sieht man
eine Marmortafel, auf der zwischen der komischen und der tragischen
Maske die Jahreszahl 1777 und eine Wiege angebracht sind, als Hinweis
darauf, daß es sich um das Geburtsfest des Dichters handelt. Darüber
erblickt man Kleists Bildnis zwischen den Gestalten der ernsten
und der heiteren Muse, das enthüllt und von Putten bekränzt und
abgestäubt wird. Unten wirft ein fliegender kleiner Genius eine Schere
und ein Pfeifchen in das Feuer, das aus einem zerbrochenen Kruge
aufschlägt: das bezieht sich darauf, daß Dingelstedt berichtet, wie
dem Lustspiel bisher durch Auspfeifen und durch Beschneiden Unrecht
geschehen sei. Die Einleitung beginnt mit den Worten: „Er hat viel
Kopfzerbrechens verursacht, dieser zerbrochene Krug.“ Diese Worte
verbildlicht Menzel, indem er zum Tragen des zerbrochenen Kruges und
zur Aufnahme des Anfangs-E eine aus viereckigen Fliesen, wie sie in
Holland zur Wandbekleidung benutzt werden, zusammengefügte Figur
zeichnet, welche die Teile des Menzelschen Kopfes enthalten, aber
falsch zusammengesetzt sind, so daß die Teile nirgends aneinander
passen. Am Schluß der Einleitung, wo deren Verfasser die Hoffnung
ausspricht, daß das Stück zu seiner verdienten Würdigung auf der
Bühne kommen werde, zeichnet Menzel das Publikum, das sich vor dem
Theatereingang an der Kasse drängt. Das nächste Bild, ganzseitig,
bringt das Personenverzeichnis des Lustspiels, auf einen Theatervorhang
geschrieben, vor dem die Sitzreihen des Parketts sich füllen. Dann
beginnt die Illustration des Stückes selbst, die aus Bildern am Kopfe
und am Schluß eines jeden der dreizehn Auftritte und außerdem vier
größeren, ganzseitigen Bildern besteht. Menzel verlegt die Zeit der
Handlung in das letzte Viertel des XVIII. Jahrhunderts. Als Ort der
Handlung ist die Gerichtsstube, die zugleich vom Dorfrichter als
Wohnzimmer benutzt wird, vorgeschrieben. Aber der Zeichner beschränkt
sich nicht auf diesen Schauplatz; sondern er macht die Wirkung seiner
Verbildlichung der Begebenheit des Lustspieles sehr viel lebendiger
und eindrucksvoller dadurch, daß er auch dasjenige, was auf der Bühne
nicht gezeigt werden kann, dasjenige, was sich draußen zuträgt und was
man aus den Aussagen der Personen erfährt, vorführt. Sein Humor paßt
sich demjenigen des Dichters auf das köstlichste an. Ausgezeichnet ist
gleich das Anfangsbild, wo der Dorfrichter Adam in Gegenwart des ihn
durchschauenden Schreibers Licht sich mit den schmerzhaften Folgen
seines nächtlichen Abenteuers beschäftigt. Am Schluß der Scene naht
das Verhängnis in Gestalt eines durch den Schnee stapfenden Bedienten
des Herrn Gerichtsrates, der dessen unerwartete Ankunft dem Richter
melden soll. Nun tummeln sich die Mägde, draußen heimlich lachend, das
Eß- und Trinkgeschirr aus der Gerichtsstube zu schaffen, in der man
den Richter selbst einen verzweifelten Versuch machen sieht, in den
Aktenstößen aufzuräumen. Eine kleine Vignette illustriert scherzhaft
die Ausrede, welche der alte Sünder für das Abhandengekommensein
seiner Perücke vorbringt: die Hauskatze trägt die Perücke fort, an
der statt des Zopfes ein Fragezeichen hängt. Drei Bilder sind dem
Schlimmes bedeutenden Traum gewidmet, den der Richter seinem Schreiber
erzählt: ein reizend erdachtes, lustiges Kopfstück schildert das
Walten der Traumfee in der verhängnisvollen Nacht; dann sieht man
in einer großen wirkungsvollen Darstellung den Schuldbewußten sich
unter der beängstigenden Qual des Traumes im Bette winden; und das
Ende des Traumgesichts: „und mußten in den Fichten übernachten“ --
verbildlicht ein mitten im tiefverschneiten Walde stehendes leeres
Bettgestell. Der Herr Gerichtsrat, ein wohlwollend aussehender alter
Herr, erscheint in der Thüre, ehrerbietigst von dem perückenlosen
Richter und dem glatten Schreiber begrüßt. Der Büttel, der gerufen
wird, um die Parteien zum Gerichtstag zu laden, tritt mit beschneiten
Stiefeln von draußen herein. In dem Kopfstück zum nächsten Auftritt
sieht man, was der Leser oder der Zuschauer im Theater erst viel später
erfährt. Da hängt die Perücke des Richters in dem Weinstock unter dem
Fenster, durch das er in der Nacht gesprungen; und neugierig spürt Frau
Brigitte den Fußstapfen im Schnee nach. Während sich so die Entlarvung
des Schuldigen vorbereitet, muß dieser sich notgedrungen entschließen,
perückenlos die Amtsrobe anzuziehen (Abb. 83). Denn schon sieht man
Frau Marthe, der ihre Tochter Eva folgt, mit großen Schritten, die
Scherben des Kruges in den Händen, auf die Thür des Gerichtshauses
zugehen. Darauf sieht man die in der Gerichtsstube Erschienenen zuerst
noch untereinander zanken; im Hintergrund stehen, auf das Auftreten des
Richters wartend, der Gerichtsrat und der Schreiber -- Meisterwerke
des Ausdrucks. Der Richter versucht vor Beginn der Verhandlung,
der Zeugin Eva heimlich zuzureden, was von dieser ebenso mißfällig
aufgenommenen wird, wie von dem hohen Vorgesetzten. Dann versetzt ein
großes Bild uns mitten in die mit lautem Schreien geführte Verhandlung
mit der Klägerin Frau Marthe (Modellstudien hierzu in Abb. 81); und
ein weiteres prächtig malerisches und ausdrucksvolles Vollbild führt
uns den kritischen nächtlichen Vorgang in Evas Stube vor Augen,
durch den der Bräutigam Ruprecht in den Verdacht gekommen ist, den
wertvollen Krug zerbrochen zu haben. In der Verlegenheit, in welche
die strenge Beaufsichtigung von seiten des Vorgesetzten ihn bringt,
wird dem Richter schwül; er klingelt stürmisch nach der Bedienung.
Eine Magd fragt durch die Thüre nach seinen Wünschen. Die Magd bringt
mit gemessener Würde ein Glas Wasser ins Gerichtszimmer (Abb. 84). Nun
wird Eva als Zeugin vernommen; Ruprecht fällt ihr tobend ins Wort,
Richter Adam schreit diesen an, Schreiber Licht taucht die Feder
schreibbegierig ein; was der Gerichtsrat, dessen Gesichtsausdruck in
der allmählichen Umwandlung von dem ursprünglichen Wohlwollen durch die
verschiedenen Bilder zu verfolgen ein wahres Vergnügen ist, was der in
diesem Augenblick denkt, das sieht man nicht; er niest eben, nachdem
er auf dem vorigen Bild bedächtig eine Prise genommen. Am Schluß
dieses Auftritts, wo der Befehl des Gerichtsrates, Frau Brigitte als
Zeugin herbeizurufen, eine Unterbrechung in die Sitzung bringt, tritt
der Beschauer sozusagen mit dem Büttel und dem Schreiber hinaus ins
Freie, wo auf der Straße und auf dem Steg des Kanals neugierige Frauen
und nichtsnutzige Straßenjungen durch das Erscheinen jener beiden
Amtspersonen in Aufregung versetzt werden. Drinnen tragen die Mägde
schmunzelnd einen Imbiß auf; hastig und aufgeregt füllt der Richter die
Weingläser, während der Gerichtsrat in ruhigem Gespräch mit den Leuten
einen klaren Einblick in die verdächtige Sache zu gewinnen sucht. Und
dann sieht man wieder draußen den Schreiber Licht mit eiligen Schritten
zurückkommen und hinter ihm drein, unter staunendem Auflauf des Volkes,
Frau Brigitte mit der verräterischen Perücke in der Hand. Darauf treten
diese beiden in die Gerichtsstube, und die Augen des Gerichtsrates
sperren sich weit auf beim Anblick des den Richter ganz vernichtenden
Beweismittels; kostbar ist auch der Gesichtsausdruck des Schreibers,
dessen Aussichten, Herrn Adams Stelle zu bekommen, in dem Maße wachsen,
wie dieser in den Augen des hohen Vorgesetzten immer tiefer sinkt. Des
Richters ganzes falsches Spiel ist durchschaut; von den Faustschlägen
Ruprechts verfolgt, stolpert er zur Thüre hinaus. Der Gerichtsrat
sieht erschöpft auf die Uhr, der Schreiber macht sich am Aktengestell
zu schaffen, und die Parteien stehen befangen unter dem Druck der
plötzlich gewonnenen Überzeugung, daß alle Beschuldigungen unbegründet
waren; rührend ist der Ausdruck, mit welchem Eva ihrem nach der
schweren Verdächtigung um Verzeihung bittenden Ruprecht gegenübersteht.
Ein großes bewegtes Bild bringt dann die Lösung aller Mißverständnisse
durch die Entdeckung der vom Richter Adam begangenen Fälschung (Abb. 82
Studie zur Eva in diesem Bilde). Draußen läuft alles Volk dem in weiter
Ferne über das Feld flüchtenden Schuldigen nach, um ihn zurückzuholen
(Abb. 85). Nur eine ist bei der Wiederherstellung von Glück und
Frieden noch nicht ganz befriedigt; Frau Marthe hält immer noch die
Scherben des Kruges in den Händen und fragt den Gerichtsrat, wo sie
wegen der Sachbeschädigung nun ihr Recht finden wird. -- So zieht
sich durch die dramatische Dichtung die Bilderreihe wie eine munter
fließende Erzählung, deren glatter Lauf nur durch das Traumintermezzo
und durch die rückgreifende Darstellung des Vorganges, bei dem der
Krug in Scherben ging, unterbrochen wird. Das letzte Schlußstück führt
uns wieder ins Theater: die sämtlichen Personen des Stückes, ganz
humoristisch aufgefaßt, erscheinen an der Rampe, um dem Publikum ihre
Verbeugung zu machen.

[Illustration: Abb. 102. +Am Spinett+. Wasser- und Deckfarbengemälde
von 1881. Im Besitz Ihrer Majestät der Kaiserin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 103. Studie (Bleistiftzeichnung) aus Verona, 1882,
zu dem Bilde „die Piazza d’Erbe in Verona“.]

[Illustration: Abb. 104. +Vom Geflügelhof+. Wasser- und Deckfarbenbild
von 1883 (aus dem Kinder-Album).

In der Nationalgalerie zu Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 105. +Versüßte Knechtschaft+. Wasser- und
Deckfarbengemälde von 1883 (aus dem Kinder-Album).

In der Nationalgalerie zu Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 106. Italienische Studie (Bleistift) von 1883.]

[Illustration: Abb. 107. Italienische Studie (Bleistift) von 1883.]

Unter den anderweitigen Arbeiten des Jahres 1877 zeichnet sich eine
Tuschzeichnung durch ihren köstlichen Humor in der Lebenswahrheit
aus, die uns in ein Coupé zweiter Klasse im Schnellzug und in die
unbehaglich übernächtige Stimmung des Augenblicks versetzt, wo an
einer Station im frühen Morgengrauen die Waggonthüren aufgerissen
werden und ein Kellner mit verschlafenen Augen, Kaffee anbietend, den
Zug entlang eilt (Abb. 86).

[Illustration: Abb. 108. Italienische Studien (Bleistift) von 1883.]

Auch im Jahre 1878 führte Menzel wieder einige Blätter für den
Buchdruck aus. Johannes Scherrs „Germania“ enthält vier große
Holzschnitte nach mit Feder und Pinsel von ihm auf dem Stock
ausgeführten Zeichnungen, in welchen er noch einmal in den Kreis der
Friedrichsdarstellungen zurückgegriffen hat: das Titelblatt zu dem
Abschnitt „Die Hohenzollern“, das Tabakskollegium König Friedrich
Wilhelms I, die Abendtafel des jungen Friedrich II in Sanssouci und
eine prächtige Halbfigur des alten Fritz, der von der im Hintergrunde
sichtbaren bekannten Mühle von Sanssouci, nach der er hinübergeschaut
hat, den Blick seitwärts, wie zu einem neben ihm Stehenden, wendet,
so daß er dem Beschauer sein scharfes Profil und das leuchtende
Auge zeigt. Auch die Komposition, welche er zu dem großen Werke von
Stillfried und Kugler „Die Hohenzollern und das deutsche Vaterland“
beigetragen hat, hat Friedrich den Großen zum Helden. Sie zeigt die
Öffnung des Sarges des Großen Kurfürsten in Gegenwart Friedrichs und
mehrerer hohen Herrn; der König wendet sich zu seinen Begleitern um
und spricht, auf die zusammengesunkenen Reste im Sarge hinweisend,
die Worte: „Messieurs, der hat viel gethan!“ Das Vorbild zu diesem
Holzschnitt hat Menzel nicht als Zeichnung, sondern als Ölgemälde
grau in grau ausgeführt. Die Holzschneidekunst war ja inzwischen dazu
gelangt, unabhängig von vorgezeichneten Strichen jeder malerischen
Wirkung im sogenannten Tonschnitt gerecht werden zu können.

[Illustration: Abb. 109. +Aus Kissingen+. Deckfarbengemälde von 1884.
In Privatbesitz in Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 110. +In der Klosterruine Aura bei Kissingen+.
Wasser- und Deckfarbenmalerei, 1884.

In Privatbesitz in Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Als im Mai 1878 nach dem Mordanfall auf den Kaiser die ganze Nation
wetteiferte, ihrer Entrüstung über die fluchwürdige That Ausdruck
zu geben, übernahm Menzel die künstlerische Herstellung der Adresse,
welche die Berliner Akademie der Künste dem geliebten Herrscher aus
diesem Anlaß überreichte. Sonst nahm Menzel sich Zeit zu derartigen,
die feinste Pinselarbeit erfordernden Schriftbildern; dieses aber wurde
sofort entworfen und ausgeführt. Man sieht dem im Hohenzollernmuseum
aufbewahrten Blatt sozusagen die vor Empörung bebende Hand an, mit
der es gemacht ist. Das Plötzliche und Ungeahnte der Schandthat ist
wunderbar zum Ausdruck gebracht. Im tiefsten Frieden spielten Elfen
und Genien im Blumengezweig um den Thron der Germania. Da brechen aus
einer schwarzen Wolke, in der sich der feige Meuchelmörder verbirgt,
krachende Feuerblitze hervor; die holden Geister fahren jählings
zusammen, Germania springt von ihrem Sitze auf und richtet sich in
majestätischer Größe empor. Vor der Krone aber, gegen deren Träger
der frevelhafte Strahl gerichtet war, streckt sich schützend die Hand
Gottes aus. Weiter unter sammeln sich dann wieder die Genien, und
emsig, liebevoll und dienstbeflissen heben sie das Schriftband empor,
welches die Anrede der Adresse an den kaiserlichen Herrn enthält.
-- Als schon nach wenigen Wochen dem ersten Mordanschlag ein zweiter
folgte, war Menzel, der eben mit der geistreichen Improvisation
jener Adresse fertig geworden sein mochte, damit beschäftigt, nach
einem Afrikaner, dessen charakteristischer Kopf ihn interessierte,
Studien zu zeichnen; da traf ihn die ins Zimmer gerufene Nachricht,
und beim Abbrechen der Arbeit notierte er mit dem Zeichenstift die
Schreckensbotschaft in hastigen Worten auf das Blatt.

[Illustration: Abb. 111. +Kamelführer+. Deckfarbenbild von 1884. In
Privatbesitz in Halle a. d. Saale.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Im Jahre 1879 wurden zwei Ölgemälde fertig, welche wieder ihren Stoff
aus Berliner Hoffestlichkeiten schöpften. Beide sind von kleinem
Umfang, aber reich an Inhalt, sie gewähren dem Betrachtenden eine
unermeßliche Fülle von Genuß. „Cercle“ heißt das eine (Abb 90). Da
ist der Augenblick erfaßt, wie Kaiser Wilhelm I beim Umherwandeln
unter seinen Gästen an eine Dame ein paar freundliche Worte richtet.
Der greise Herrscher trägt die Galauniform der Garde-du-Corps. Seine
Haltung und seine Miene geben die ganze unendliche Liebenswürdigkeit
und Güte seines Wesens wieder, und wir fühlen mit der von ihm
Angeredeten das Beglückende seiner Ansprache. Diese Dame, jung, schlank
und überaus anmutig in ihrer ganzen Erscheinung, erlebt wohl zum
erstenmal eine solche Auszeichnung. Obgleich ganz Rückenfigur, ist
sie ein sprechendes Meisterwerk des Ausdrucks. Ihre lichte liebliche
Erscheinung hebt sich in den feinen Umrißlinien von Wange, Schulter und
Arm wirkungsvoll ab von den kräftigen Farben des roten Waffenrockes und
des großen Ordensbandes des Kaisers. Ringsum lauschen Herren und Damen,
voller Ehrerbietung, aber so nahe herantretend, wie es nur statthaft
erscheint, auf jedes der freundlichen Worte, die aus dem Munde des
geliebten Herrschers kommen. Alle diese Umstehenden sind bezeichnende
Gestalten der Hofgesellschaft, man möchte jeden und jede für eine
bestimmte Persönlichkeit halten; doch enthält das Bild kein einziges
Porträt außer demjenigen des Kaisers, das die vollendetste Naturtreue
in jeder Linie der ganzen Gestalt besitzt. Während dieses Gemälde nur
einen kleinen, aber um so fesselnderen Ausschnitt aus einem großen
Hoffest gibt, läßt uns das andere in das glänzende Gewoge der großen
Menschenflut blicken, welche die Prunksäle erfüllt. Das Ballsouper
ist dargestellt (Abb. 97). Man glaubt ein lebhafteres Schwirren der
Stimmen zu vernehmen, ein freieres Bewegen geht durch die Gesamtheit,
da der Augenblick, an leibliche Erquickung zu denken, gekommen ist,
während der Hof sich in den reservierten Speisesaal zurückgezogen hat.
Die Büffets werden umdrängt, die Damen setzen sich auf den Sofas und
Stühlen, soweit deren vorhanden sind, zusammen und verzehren lachend
und plaudernd die von Herren und Dienern dargebotenen Erfrischungen;
von den Herren kommen nur die wenigsten zum Sitzen, und für den minder
Erfahrenen ist die Lösung der Aufgabe, Helm oder Hut, Teller und
Besteck und Weinglas zu gleicher Zeit zu halten und dabei zu essen und
zu trinken, nicht ohne Schwierigkeiten. Menzel hat mit seiner scharfen
Beobachtung, die alles mit so sprechender Lebenswahrheit wiedergibt,
auch die komischen Situationen, die da vorkommen, sich nicht entgehen
lassen. Man möchte glauben, daß er mitten im Fest ein Skizzenbuch
heimlich hervorgezogen hätte, um sich dieses und jenes zu notieren.

[Illustration: Abb. 112. Bleistiftstudie aus Berchtesgaden, von 1884.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Ein ganz winziges Gemälde, das Brustbild eines Rokokoherrn enthaltend,
führte Menzel in dem nämlichen Jahr für einen Berliner Kunstfreund
aus, der sich eine merkwürdige Sammlung von Miniaturölgemälden
anlegte; für die Größe dieser Bilder war der Umstand bestimmend, daß
dieselben in oberbayerische Hutschnallen, reizvolle Gebilde bäuerlicher
Goldschmiedekunst, eingerahmt wurden. In derselben Sammlung befindet
sich von Menzel ein schon früher gemalter weiblicher Studienkopf.

[Illustration: Abb. 113. Italienische Studie (Bleistift) von 1884.]

Eine in die Tracht der Vergangenheit gekleidete köstliche Komposition
ist in einer 1879 für ein Album ausgeführten Tuschmalerei niedergelegt.
Ein Lebemann, dessen Kleidung die eines Kavaliers aus der Zeit des
Großen Kurfürsten ist, hat sich in der Schenke an Austern gütlich
gethan; behaglich lehnt er sich zurück, und mit den Fingern vor dem
geleerten Weinglas auf den Tisch trommelnd ruft er dem Wirte zu: „Noch
eins!“ (Abb. 98.)

[Illustration: Abb. 114. Italienische Studie (Bleistift) von 1884. Im
Besitz der Verlagshandlung R. Wagner in Berlin.]

Eine Abschrift aus der Wirklichkeit der Gegenwart bringt dagegen ein
jetzt in der Nationalgalerie befindliches Deckfarbenbild, welches einen
Blick in eine Schmiede zu Hof-Gastein gibt. In dem malerischen Dunkel
des rußgeschwärzten Raumes stehen nur zwei größere Helligkeiten: ein
erblindetes Fenster unter dem Dach und der mit dem Hemde bekleidete
Oberkörper des nach vorn auf den Amboß zuschreitenden Schmiedes (Abb.
99).

[Illustration: Abb. 115. +Causerie+. Deckfarbengemälde von 1884. In
Privatbesitz in Köln.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Den in Gastein gesammelten Studien und Eindrücken verdanken die
Hauptwerke der beiden folgenden Jahre ihre Entstehung. Von 1880 ist
ein figurenreiches Ölbild, welches eine Prozession in Hof-Gastein
darstellt. Der fromme Zug biegt, aus einer engen Straße kommend, eben
um die Ecke eines Hauses. Der Geistliche mit der Monstranz schreitet
unter einem von vier Männern getragenen Baldachin; Chorknaben, Träger
von Lichtern und Fahnen gehen voran, auf den Eingang des die Kirche
umgebenden Kirchhofs zu; es folgt eine lange Schar von Landvolk in
Feierkleidung. Vorn sind Zuschauer, der Mehrzahl nach Fremde, Städter;
einige wenige, die der Prozession ihre Ehrfurcht bezeugen, andere
schaulustig und die meisten gleichgültig. Von 1881 ein gleichfalls
in Ölfarbe ausgeführtes Innenbild aus der Schmiede zu Gastein (Abb.
100). Der Schmied -- es scheint die nämliche Persönlichkeit zu sein,
die man auf dem Wasserfarbenbild von 1879 sieht -- ist an einem großen
Wetzrad damit beschäftigt, der lebhaften Nachfrage nach dem Schärfen
alter Klingen Genüge zu thun; im Vordergrund prüft eine Magd die
Schneide des Hackmessers, das sie eben in Empfang genommen hat, und ein
starkknochiger Alpenbewohner sieht mit Geduld und Ruhe, den Bergstock
in der Hand und die Pfeife im Munde, dem Schleifen seines langen
Messers zu. Im Mittelgrunde sind Gesell und Lehrling am Amboß thätig,
und draußen vor der Thür sieht man einen Schimmel des Beschlagens
harren. Das Ganze wieder ein lebensvolles Stück Wirklichkeit, ebenso
treffend in jeder Einzelheit gekennzeichnet, wie die Wiederspiegelungen
der Hofbälle. Daran reiht sich als ein ebenbürtiges Wasserfarbenbild
ein Blick in die Pfarrkirche zu Innsbruck während der Predigt. -- Die
Barockarchitektur, wie sie in einer solchen Kirche sich entfaltet,
übte einen nie aufhörenden Reiz auf Menzels Auge aus, und manches,
was er nicht malte, wurde in bloßer Zeichnung, die keinen anderen
Zweck hatte als den, solchem Reiz Genüge zu thun, zum abgeschlossenen
Kunstwerk; so ein Stück aus der großen Wallfahrtskirche zu Einsiedeln,
das er 1881 aufnahm, und als Früchte eines Aufenthalts in Dresden im
vorhergegangenen Jahre eine Ansicht der dortigen katholischen Kirche
von außen und ein groß gezeichnetes Stück von einer Ecke des Zwingers.
-- Zu den Werken des Jahres 1880 gehört noch der in Ölmalerei prächtig
ausgeführte lebensgroße Kopf eines Rabbiners. Zu den von 1881 ein
feines Wasserfarbenbildchen, welches eine Dame in der Tracht von
1670-1680 darstellt, die, im Begriff sich an das Spinett zu setzen, in
ihrem Notenheft liest (Abb. 102).

[Illustration: Abb. 116. +Kontribution+. Deckfarbengemälde von 1885. In
Privatbesitz in Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Eine Aufgabe besonderer Art brachte dem Meister das Jahr 1882. Da
malte er die Vorlagen für den Schmuck des Tafelgeschirrs, welches die
königliche Porzellanmanufaktur zu der im folgenden Jahre stattfindenden
silbernen Hochzeit des Kronprinzenpaares anfertigte. Mit Geschmack und
munterer Laune entwarf er im Anschluß an die besondere Bestimmung einer
jeden Schüssel farbenfrohe Bildchen von Putten, Blumen, Tieren und
Früchten.

[Illustration: Abb. 117. +Altarausschmückung+. Deckfarbengemälde von
1885. In Privatbesitz in Berlin.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Bei seiner sommerlichen Erholungsreise im Jahre 1881 verweilte Menzel
ein paar Tage in Verona, wohin er auch das Jahr zuvor einen kurzen
Ausflug gemacht hatte. Was ihn nach der italienischen Stadt wieder
hinzog, war das bunte lärmende Volksleben, das gerade hier seine
nationale Eigenart und unverfälschte Natürlichkeit so treu bewahrt
hat. Wie treffend er diese Eigenart erfaßte, bekunden schon die ersten
Studienzeichnungen, die er von dort heimbrachte (s. Abb. 103). Das
wogende Getriebe auf dem Gemüsemarkt von Verona, das den vom Norden
kommenden Wanderer so fremdartig und betäubend umfängt, setzte sich als
Bildgedanke in seinem Kopfe fest.

[Illustration: Abb. 118. Studie (Bleistift) aus Interlaken, von 1885.
Im Besitz der Kunsthandlung Fritz Gurlitt in Berlin.]

Mit der Jahreszahl 1883 sind mehrere zu dem „Kinder-Album“ gehörige
Blätter bezeichnet. Diese Sammlung kostbarster Wasserfarbenbildchen
schloß Menzel in diesem Jahre ab. Manches ältere Blatt unterzog er
dabei einer Überarbeitung. Das Ganze war zu einer Reihe von 43 Bildern
angewachsen, die nachmals sämtlich in den Besitz der Nationalgalerie
übergegangen sind. Es befinden sich Werke darunter, die neben allen
anderen Eigenschaften einen wunderbaren Farbenreiz besitzen, der sie
in die Vorderreihe der glücklichsten malerischen Schöpfungen Menzels
stellt. Da ist vielleicht an erster Stelle ein Bild vom Hühnerhof
zu nennen, wo eine Truthenne mit ihren dunklen Farben sich von der
breiten Lichtmasse abhebt, die durch einen weißen Pfau und einen
gelben Cochinchinahahn gebildet wird (Abb. 104). Oder die beiden als
Gegenstücke gedachten Papageienbilder, von denen das eine die „süße
Freiheit“ eines blauen Ara, der im Baumwipfel sitzt, das andere
die „versüßte Knechtschaft“ eines Kakadu schildert, der unter den
Liebkosungen einer feinen Damenhand seinem Behagen durch Aufblähen
der Federn und possierliche Verdrehungen Ausdruck gibt; hier klingen
das Weiß und Schwefelgelb des Gefieders, der zarte Fleischton, die
Metalltöne des goldenen Armbandes und der Messingstäbe und Kette, das
Grün von Blattpflanzen und die prächtigen Farben eines Teppichs zu
einer bezaubernden Melodie zusammen (Abb. 105).

Im Sommer 1883 ging Menzel zum drittenmal nach Verona. Wiederum
bemaß er seinen Aufenthalt nur auf drei Tage. Aber mit seinem
unglaublichen Auffassungsvermögen hatte er jetzt Eindrücke genug
sich dort eingeprägt, um in einem figurenreichen Ölgemälde, das im
folgenden Jahre fertig wurde, die Piazza d’erbe mit einer Beredsamkeit
und Wahrheit zu schildern, wie sie kaum jemals ein berufsmäßiger
Schilderer italienischen Volkslebens erreicht hat. Jeder Beschreibung
in Worten entzieht sich dieses bunte, farbige Gewühl, auf das die
alten Steinhäuser des Marktplatzes und das marmorne Brunnenbild der
Stadtgöttin herabschauen; in das Stimmengewirr der Feilschenden an
den von großen Sonnenschirmen beschatteten Ständen der Marktfrauen
mischen sich die schrillen Rufe der wandelnden Verkäufer; ein
Maultierkarren, Hunde, Gassenbuben, die einer in dem Lärm und der
Bewegung ganz außer Fassung geratenden nordländischen Familie durch
Vorführung von Purzelbäumen ein paar Kupferstücke abzulocken suchen,
vermehren das Gedränge, das den daran Gewöhnten doch so kalt läßt,
wie die Straßenarbeiter, die im Vordergrund mit der Ausbesserung des
Trottoirs beschäftigt sind. -- In einem mit Wasserfarben ausgeführten
kleinen Bild brachte Menzel in dem nämlichen Jahr noch eine Erinnerung
an den Veroneser Gemüsemarkt: zwei junge Bäuerinnen, die an ihrem
Obststand mit einer in den landesüblichen schwarzen Spitzenschleier
gehüllten Bürgersfrau handeln, -- drei Halbfiguren von sprechendster
Lebenswahrheit und örtlicher Eigenart.

[Illustration: Abb. 119. Studienkopf (Bleistiftzeichnung) von 1885. Im
Besitz der Verlagshandlung R. Wagner in Berlin.]

[Illustration: Abb. 120. Studie (Bleistift) von 1886.]

[Illustration: Abb. 121. Studienkopf (Bleistift) von 1886. Im Besitz
der Verlagshandlung R. Wagner in Berlin.]

[Illustration: Abb. 122. +Vom Markt zu Verona+. Tuschzeichnung von
1886. In Privatbesitz in New York.

(Photographieverlag von Gustav Schauer in Berlin.)]

Daneben entstanden im Jahre 1884 noch eine Menge Deckfarbenbildchen
verschiedenen Inhalts. Die meisten derselben enthalten
Reiseerinnerungen aus Süddeutschland. Da steht an der Spitze die
köstliche Darstellung des Wärmkessels zu Kissingen, um den sich in
früher Morgenstunde zahlreiche des heilkräftigen Wassers Bedürftige --
mannigfaltige Typen -- versammeln (Abb. 109). In der Burgruine Aura bei
Kissingen läßt der Künstler uns dem Treiben einer munteren Schar von
Touristen, Herren und Damen, zuschauen. Und ein anderes Mal erblickt
er in dem Spiel der einfallenden und zurückgeworfenen Lichtstrahlen
auf einem Stück Wendeltreppe im Gemäuer dieser Ruine die Anregung zu
einem malerisch in sich abgeschlossenen Bildchen (Abb. 110). Nach
Beendigung der Badezeit im Gebirge verweilend, wird der Meister in
Garmisch bei Partenkirchen durch den Anblick fremdartig aufgeputzten
fahrenden Volkes gefesselt, das durch die Vorführung von Kamelen und
Affen die Schaulust der Eingebornen sowohl wie diejenige der dort
Sommerfrische genießenden Großstädter reizt und bei diesen wie jenen
die Kinder in freudige Erregung versetzt; und es entsteht daraus ein
lebensprühendes Bild von prächtigster malerischer Wirkung (Abb. 111).
Welcher Gegensatz zwischen einer solchen Schilderung ländlichen Daseins
und dem gleichzeitig gemalten Ausschnitt aus einem Hoffest! „Causerie“
betitelt Menzel dieses prächtige kleine Meisterwerk. Nicht in die
großen glanzgefüllten Säle führt er uns dieses Mal, sondern in einen
Nebenraum, der aus der Reihe der eigentlichen Festräume heraustritt.
Da haben ein Kammerherr und ein Provinziallandstand eine stille Ecke
zu einem vertraulichen Gespräch gefunden; in dem anstoßenden Ballsaal
hebt eben die Musik wieder an, mehrere Paare durchschreiten, dorthin
eilend, das Nebenzimmer; die beiden Excellenzen aber werden wohl
noch eine geraume Weile durch das Thema ihrer mit gedämpfter Stimme
geführten Unterhaltung in den Polsterstühlen festgehalten werden (Abb.
115). -- Und wieder ein Bild im Gewande der Vorzeit dazwischen. Ein
schriftgelehrter Mann in holländischer Tracht des 17. Jahrhunderts
sitzt in seinem Gemach an einem runden Tisch und hat sich in einen
alten Pergamentkodex so sehr vertieft, daß er über dem Entziffern
der Handschrift sogar seine kurze Thonpfeife hat kalt werden lassen;
es erscheint fraglich, ob es dem verlockend aussehenden Frühstück,
mit dem eine Dienerin in der Thür erscheint, gelingen wird, ihn zum
Unterbrechen des Studiums zu veranlassen.

[Illustration: Abb. 123. Studienblatt (Bleistiftzeichnung) von 1887.]

[Illustration: Abb. 124. Modellstudie (Bleistift) von 1888.]

Auch unter den Gemälden des Jahres 1885, die sämtlich in
Deckfarbenmalerei und in kleinem Format ausgeführt sind, finden wir
eines, das uns in das 17. Jahrhundert versetzt; und zwar dieses Mal
in die schwere Zeit des dreißigjährigen Krieges. Bei einem Kaufmann
ist ein Feldhauptmann mit seinem Gefolge von Arkebusieren erschienen,
um die auferlegte Kriegssteuer einzukassieren. Der Kaufmann streicht
aus einem Lederbeutel die Gold- und Silbermünzen auf den Tisch; mit
spannender Angst und Sorge blickt er auf die Mienen des Hauptmanns,
der, vom Lehnstuhl sich erhebend, eines der Goldstücke prüfend auf
seine Vollgültigkeit hin betrachtet. Des Kaufmanns Magd bringt in
zinnernen Kannen einen Labetrunk herein, um die Brandschatzer milde
zu stimmen; sie erbebt unter dem glühenden Blick, den ein Arkebusier
auf sie heftet, während er den Deckel einer der Kannen aufklappt. In
den rohen Gesichtern der anderen Kriegsknechte glitzern Raubtieraugen
unter den Schirmen der Eisenhauben (Abb. 116). -- In einen vornehmen
Berliner Salon führt uns die „Matinee“, wo alles regungslos dem
Gesange eines Herrn lauscht, den die Tochter des Hauses auf dem Piano
begleitet. Den trüben Nachklang froher Feste schildert launig der in
der Nationalgalerie befindliche „Aschermittwochmorgen im Tiergarten“.
-- Dann wieder Reiseerinnerungen. Von einem Fenster zu Kissingen aus
gemalt ein Blick in den sonnigen Garten hinab. Eine japanische Näherin
während der Ausstellung zu München. Ein prickelndes Architekturstück --
dieses Mal aus dem von Menzel seltener aufgesuchten Westen Deutschlands
--, ein Seitenaltar in einer Trierer Kirche: der nicht sehr große, aber
in den üppigsten Barockformen sich bewegende, mit einer Darstellung
des Sieges Christi über den Tod in lebensgroßen Figuren ausgestattete
Altaraufbau wird eben für einen bevorstehenden Feiertag geschmückt;
unter der Aufsicht des Sakristans besorgen ein Meßjunge und ein
Kleriker das Anbringen des Schmuckes über dem Altartisch; die silbernen
Leuchter stehen blank geputzt in Bereitschaft, und ein junges Mädchen
ordnet frische Blumen zu Sträußen in die Vasen (Abb. 117).

[Illustration: Abb. 125. Modellstudie (Bleistift) zur „Ballepisode“.]

Die siebenzigste Geburtstagsfeier Menzels gestaltete sich zu einem
großen Fest, zu dem von fern und nah die Freunde und Verehrer des
Meisters zusammenströmten. Den ersten Glückwunsch erhielt der Gefeierte
von Kaiser Wilhelm I in einem Handschreiben voll höchster Anerkennung
seiner von Vaterlandsliebe getragenen Kunst. „Mit Ihrem Namen verknüpft
bleiben dem Volke die Erinnerungen an die Thaten der erlauchten
Ahnen Meines Hauses; Sie haben durch Trübsal und Herrlichkeit den
Weg der Vorsehung im Bilde anschaulich gemacht, welcher dasselbe
aus kleinen Anfängen zu großen Endzielen geführt hat“, heißt es in
diesem königlichen Geburtstagsgruß. Eine weitere hohe Auszeichnung
empfing Menzel von seinem König durch die Ernennung zum Kanzler der
Friedensklasse des Ordens _pour le mérite_. Von der Berliner Universität
erhielt er den Doktortitel, von seiner Vaterstadt Breslau das Diplom
als Ehrenbürger.

[Illustration: Abb. 126. +Ballepisode+. Ölgemälde von 1888. In
Privatbesitz in Berlin. (Photographieverlag von Gustav Schauer in
Berlin.)]

Unter den Erzeugnissen des Jahres 1886 befinden sich zwei prächtige
kleine Deckfarbenbilder, von denen das eine einen würdevollen
Perückenträger aus der Endzeit des 17. Jahrhunderts darstellt,
der ungeachtet seines Selbstbewußtseins dem „häuslichen Einfluß“
seiner Gattin untersteht; das andere zeigt drei Köpfe aus einem
Konzertpublikum, die der Meister seinem Gedächtnis in dem Augenblick
einverleibt hat, wo sie sich neugierig nach einer Dame umsehen.
Daneben ist eine größere Tuschzeichnung hervorzuheben, in welcher
er die Erinnerung an die Piazza d’erbe zu Verona nochmals aufleben
ließ. Da sehen wir das ganze bunte Stillleben vor uns, das sich unter
dem Riesensonnenschirm eines dortigen Marktstandes aufbaut: Obst und
andere Gartenerzeugnisse, lebendes und totes Geflügel; ein zahmer Rabe
hockt als Freund der Verkäuferin, vielleicht als Wächter, dabei. Es
scheint noch früh am Vormittag zu sein, das wogende Marktgewühl hat
noch nicht begonnen. Eine Dame ist auf dem Weg von der Kirche an den
Stand herangetreten, um sich bei der Bäuerin nach den Preisen der
Eier oder der Früchte zu erkundigen. Der Bauersmann, eine prächtig
charakteristische Figur, mit der beißenden Regiecigarre zwischen den
Zähnen, schneidet von den im Schirmgestell aufgehängten Schnüren eine
Zwiebel herunter für eine hübsche junge Frau aus dem Volk, die ihre
dürftige Morgenkleidung unter einem fest umgezogenen schwarzen Tuch
verhüllt. Im Vordergrunde hat ein Bauer sich zu einem Schläfchen
ausgestreckt, wobei er ein paar Wassermelonen als Kopfkissen benutzt
(Abb. 122). -- Auch eine Radierung, eine Zeitungsleserin darstellend,
befindet sich unter den Schöpfungen dieses Jahres. Es hatte sich in
Berlin ein Verein für Originalradierung gebildet, und Menzel führte
das Blatt, in dem er zum erstenmal seit Jahrzehnten dieses auch in der
Jugend nur selten von ihm geübte Kunstverfahren wieder aufnahm, zur
Anspornung für jüngere Künstlerkräfte für die Mappe dieses Vereins
aus. Auch in den folgenden Jahren lieferte er Beiträge zu dessen
Veröffentlichungen.

[Illustration: Abb. 127. Italienischer Studienkopf (Bleistift) von
1888.]

[Illustration: Abb. 128. Studienblatt (Bleistift) von 1889. Im Besitz
der Kunsthandlung Fritz Gurlitt in Berlin.]

[Illustration: Abb. 129. Studien (Bleistift) von 1889. Im Besitz der
Kunsthandlung Fritz Gurlitt in Berlin.]

Im Jahre 1887, das ein Bildchen von eigenartigem Reiz in der
Darstellung einer Scene aus der japanischen Ausstellung in Berlin
brachte, arbeitete Menzel an zwei Schriftblättern, in denen der
Reichtum seiner Erfindungsgabe für derartige Sachen sich ebenso
frisch offenbarte, wie je in jüngeren Jahren. Das eine dieser Blätter
war das Ehrenmitgliedsdiplom der königlichen Akademie der Künste zu
Berlin für den Minister _Dr._ von Goßler. Der künstlerische Schmuck
ist hier in zwei Seitenstreifen verteilt. Links steht unter einem
Architekturbogen, der die Namen Chodowiecki, Schlüter, Schadow und auf
seinem Scheitel den preußischen Adler trägt, eine majestätische Frau
mit klassischen Zügen, die Verbildlichung der Akademie, welche die Hand
zur Begrüßungsansprache erhebt. Zu ihren Füßen befinden sich Knaben,
welche Geräte des Malers, des Bildhauers und des Musikers führen; am
Grunde des konsolenartigen Sockels der Architektur sitzt der vierte
Genosse, den ein Säulenkapitell auf dem Kopfe als den Genius der
Baukunst kennzeichnet. Dieser letztere hält die Enden des Spruchbandes
zusammen, das, an den Seiten von Putten geleitet, den Sockel umschließt
und das den Sinnspruch trägt: „All’ Kunst himmlisch Ding, irdisch
Fundament; sonder Erz und Stein kein Gebild, kein Gebäud.“ Dieser
Spruch wird ergänzt durch die Worte, welche in dem Sockel zu den Seiten
des Pegasus, der denselben als Reliefbild schmückt, eingegraben sind:
„Ohn’ das kein Malen“ steht unter den Füßen des Knaben, der in der
einen Hand die Palette trägt, mit der anderen die Pinsel ausdrucksvoll
emporhält; „ohn’ die kein Musizieren“ unter dem anderen, der eine Geige
gefaßt hat. Und in launiger Weiterführung des Gedankens, daß es ohne
Technik keine Kunst gibt, stehen neben dem beschwingten Pegasus die
nützlichen Tiere, welche dem Maler die Borsten für die Pinsel und dem
Musiker die Saiten liefern, ein Eber und ein Widder. Sinnig wird der
Gedanke, daß zum Genie die fleißige Arbeit gehört, wiederholt durch die
Figuren eines Wappens, das als Gegenstück zu dem herkömmlichen, von der
alten Schilderzunft auf die Künstlerschaft übergegangenen Wappen oben
in der umrahmenden Architektur angebracht ist: im gespaltenen Schild
rechts eine Biene, links ein Fittich. Oberhalb der Schilde sitzen auf
dem Gesimse zwei Putten, die mit angestrengter Emsigkeit die Arbeit
der vervielfältigenden Künste üben. Der rechtsseitige Schmuckstreifen
der Urkunde enthält ein munteres Puttenspiel, das die Einstimmigkeit
der Wahl des Ehrenmitglieds andeutet; die Wahlurne, an der die mit
Würdenabzeichen geschmückten schelmischen Kinder beschäftigt sind,
steht am Fuß einer Säule, und oben hoch auf dem Kapitell dieser Säule
thront ein würdevoll gekleideter Genius mit einer Schreibfeder in
der Rechten und einer hochgehaltenen Lampe in der Linken. -- Die
andere Urkunde war der Ehrenbürgerbrief, durch welchen die Stadt
Hamburg dem in London lebenden Hamburger G. C. Schwabe ihren Dank
aussprach für die Schenkung einer Gemäldesammlung an seine Heimat. In
gleichem Gedanken- und Formenreichtum entworfen und ausgeführt wie
jenes, enthält dieses Blatt in der Hauptgruppe eine thronende Gestalt
der Hammonia und vor ihr einen Ratsherrn in seiner altertümlichen
Amtstracht, der, von Flügelknaben mit dem Schreibgerät bedient, die
beschlossene Auszeichnung in das Goldene Bürgerbuch der freien Stadt
einträgt.

[Illustration: Abb. 130. Studie (Bleistiftzeichnung) zu der Radierung
„Italienisch lernen“.

Im Besitz der Verlagshandlung R. Wagner in Berlin.]

[Illustration: Abb. 131. Studie (Bleistiftzeichnung) zu der Radierung
„Italienisch lernen“.

Im Besitz der Verlagshandlung R. Wagner in Berlin.]

[Illustration: Abb. 132. +Italienisch lernen+. Radierung von 1889.

(Aus dem 4. Jahresheft des Vereins für Original-Radierung zu Berlin.
Verlag von Paul Belte in Berlin.)]

[Illustration: Abb. 133. Studien (Bleistift) von 1890.

Im Besitz der Kunsthandlung Fritz Gurlitt in Berlin.]

[Illustration: Abb. 134. Studie (Bleistift) von 1890.]

[Illustration: Abb. 135. Studie (Bleistiftzeichnung).]

Die Vollendung dieser beiden Blätter, die Menzel mit all der auf jede
Kleinigkeit sich erstreckenden Feinheit durchbildete, welche er von
jeher auf derartige Arbeiten verwendete, zog sich in das Jahr 1888
hinein. In dem nämlichen Jahr entstand ein Deckfarbenbildchen, welches
unter dem Titel „_Beati possidentes_“, eingekleidet in niederländische
Tracht des 17. Jahrhunderts, ein Ehepaar zeigt, das in vollem Behagen
an der Ausnutzung seiner Wohlhabenheit Künstler, Handwerker, Gärtner
bei der Herrichtung eines schmucken Landsitzes beschäftigt und dabei
auch auf deren reichliche Verpflegung sorglich bedacht ist. Daneben
wurde wieder eines jener kleinen Ölgemälde fertig, in welchen Eindrücke
von großen Hoffesten sich so köstlich wiederspiegeln. „Ballepisode“
heißt das Bild (Abb. 126). Wir befinden uns auf einer Galerie, wie
sie ähnlich -- nicht gerade so, denn auch in den Architekturen dieser
Art von Darstellungen gibt der Meister so wenig bestimmte Abbilder
von in der Wirklichkeit Vorhandenem wie in den Persönlichkeiten -- im
Weißen Saale des königlichen Schlosses vorhanden ist. Dahin hat sich
ein Teil der Gesellschaft, Damen und Herren der höchsten Aristokratie,
zurückgezogen, um mehr als Zuschauer wie als Teilnehmer dem Feste
beizuwohnen. Welche unglaubliche Charakteristik wieder in jeder dieser
Gestalten! Man kann es kaum für möglich halten, daß der Künstler diese
sprechenden Persönlichkeiten aus seiner Einbildungskraft geschaffen,
daß er die Studien dazu nach gewöhnlichen Modellen gezeichnet hat.
Dieser ältliche Herr in Marineuniform, der, die Hand mit dem Hut auf
den Rücken haltend, sich über die Brüstung beugt und in den Saal
hinabblickt; die schöne junge Dame, die mit dem Fächer ihre Augen
beschattet, um die unten wogende Menge besser mustern zu können; die
stattliche Dame, welche, der Aussicht den Rücken kehrend, mit dem
Fächer ihre große Schleppe ein wenig beiseite schiebt, um dem mit
verbindlichster Miene auf sie zutretenden Minister den Schritt
freizugeben; der vornehm kühle blondbärtige Husarenoffizier und der
freundliche General, die in so verschiedenartiger Weise sich mit
ihren Nachbarinnen unterhalten, und alle die anderen, die in weiterer
Entfernung noch deutlich erkennbar sind: man meint, man müßte ihnen
schon einmal in der Wirklichkeit begegnet und müßte sie genau so sich
benehmen gesehen haben. Und welcher ebenso naturgetreue flimmernde
Glanz des vielfältig hereinstrahlenden, die Schatten durchkreuzenden
Lichtes über dem Ganzen!

[Illustration: Abb. 136. Studienkopf. Bleistiftzeichnung von 1892. Im
Besitz der Verlagshandlung R. Wagner in Berlin.]

[Illustration: Abb. 137. Italienischer Studienkopf (Bleistiftzeichnung)
von 1890.]

Ein Ölgemälde von 1889, „nach Schluß des Festes“, reiht sich ebenbürtig
den glänzenden Schilderungen aus der Mitte des bei Hofbällen sich
entfaltenden Lebens an.

Ein prächtiges Blatt schuf der Meister in der Radierung, welche er in
diesem Jahre zu dem Heft des Vereins für Originalradierung beisteuerte:
„Italienisch lernen!“ (Abb. 132; vgl. die Studien Abb. 114, 121, 130
und 131.) Ein deutscher Wanderer, der die Alpen überschritten hat,
ein untersetzter, vollbärtiger, schon etwas ältlicher Herr, hat in
einer ländlichen Osteria Halt gemacht; er sitzt im Freien an dem
langen Holztisch beim Wein, und in dem Bedürfnis, seine Kenntnis von
italienischer Sprache und Art zu vervollkommnen, ladet er einen armen
Mann, einen malerischen Greis, zur Teilnahme an dem erfrischenden
Trunk ein: „_favorisca!_“ Der Alte öffnet sein Taschenmesser, um von
den Zwiebeln, die er aus der Tasche geholt hat, eine zu zerschneiden,
da es gegen die Grundsätze seines langen Lebens geht, in den leeren
Magen hinein zu trinken; auch er wird mit höflichem Anbieten sagen:
„_favorisca_“, und die italienische Unterhaltung ist eröffnet. Die
Sprechübung kann eine Weile fortgesetzt werden; denn die Wirtin
bringt einen zweiten Fiaschetto herbei. -- Wenn man ein solches Blatt
betrachtet, wo die Radiernadel mit einer Sicherheit und Leichtigkeit
gehandhabt ist, die nur mit Rembrandt zu vergleichen ist, wo Köpfe,
Hände und Gestalten, Charakter von Haut und Haar und verschiedenen
Stoffen in einer scheinbar ganz mühelosen, skizzierenden Behandlung
so treffend gekennzeichnet sind, so erscheint es unbegreiflich, daß
das Werk aus den Händen eines in hohem Greisenalter stehenden Mannes
hervorgegangen ist. Auge und Hand sind der geistigen Frische des
Meisters treu geblieben.

[Illustration: Abb. 138. Studie (Bleistiftzeichnung) von 1893.

Im Besitz der Kunsthandlung Fritz Gurlitt in Berlin.]

So hat Menzel auch in den folgenden Jahren mit unverwüstlicher
Kraft immer weitergeschaffen. Überall ist das Skizzenbuch sein
treuer Begleiter geblieben. Jüngstgeschautes und im Gewahrsam des
erstaunlichen Gedächtnisses Aufgehobenes hat er in Bildern, mit Öl-
oder mit Wasserfarben gemalt, niedergelegt, und auch freie Erfindungen
hat er dazwischen wieder gestaltet. Sein Schaffensvermögen und seine
Schaffenslust erscheinen unerschöpflich. Nichts in seinen spätesten
Arbeiten erinnert an seine hohen Jahre. Einen wichtigen Bestandteil von
Menzels Lebenswerk bilden seine nach der Natur gezeichneten Studien.
Seine Studienblätter sind Kunstwerke; auch solche, bei denen er selbst
durch unwilliges Durchstreichen sich für nicht befriedigt erklärt oder
in denen er eine einzelne Stelle mit solchen Strichen durchfahren
hat, um sie als ungenau zu bezeichnen (s. Abb. 128 und 129, 101 und
120). Ein Fleiß und eine Gewissenhaftigkeit ohnegleichen haben ihn
nie verlassen, und namentlich im Anblick von manchen bildnismäßig
ausgeführten Studienköpfen aus den letzten Jahren (s. Abb. 136) möchte
man fast sagen, daß sein Können immer noch gewachsen sei. Es ist, als
ob das stete Schöpfen aus dem Quell der ewig jungen Natur ihn selber
dauernd jung erhalten habe.

[Illustration: Abb. 139. Studie (Bleistiftzeichnung) von 1892.]

Dem im achtzigsten Lebensjahre mit straffer Rüstigkeit und ungetrübter
Arbeitsfreude wirkenden Künstler hat Seine Majestät Kaiser Wilhelm
II im Frühjahr 1895 ein einzigartiges Fest bereitet, um den
Schilderer des Zeitalters Friedrichs des Großen, den Schöpfer unserer
Vorstellungen von dieser Zeit, zu ehren. Der Schauplatz des Festes
war Sanssouci. Alle Geladenen trugen die Kleidung jener Zeit, in so
gewissenhafter Durchführung, als ob Menzel jedes Kostüm vorgezeichnet
hätte. Nur Menzel, vor dem die ihm zugedachte Überraschung streng
geheim gehalten worden war, kam im heutigen Frack. Da trat vor dem
Ahnungslosen eine Wache Fridericianischer Grenadiere ins Gewehr;
Kommandos und Bewegungen waren genau nach den Reglements von damals
einstudiert. So leitete das Fest sich ein, dessen Höhepunkt eine
Musikaufführung im Konzertsaal des Schlosses war, und das dem Künstler
die Gestalten und Vorgänge leibhaftig vor Augen führte, mit denen vor
einem halben Jahrhundert seine Einbildungskraft diese Räume bevölkert
hatte. Es ist erwähnenswert, daß dieses Fest dem Meister die erste
Gelegenheit gab, den Saal in jener Kerzenbeleuchtung zu sehen, die er
damals aus seinem Vorstellungsvermögen heraus so prächtig gemalt hatte.

[Illustration: Abb. 140. Studienkopf (Bleistiftzeichnung) von 1893.

Im Besitz der Kunsthandlung Fritz Gurlitt in Berlin.]

Zu seinem achtzigsten Geburtstage, der unter allseitiger Teilnahme
noch glänzender als der siebzigste gefeiert wurde, empfing Menzel
eine Fülle von hohen Ehrungen. Kaiser Wilhelm II ernannte ihn zum
Wirklichen Geheimen Rat mit dem Prädikat „Excellenz“; außerdem verehrte
er ihm seine von Schott modellierte Bronzebüste, und er bereitete
dem Gefeierten eine besondere Herzensfreude dadurch, daß er zu der
in den Räumen der Berliner Akademie veranstalteten Festhandlung
eine Abteilung Fridericianischer Riesengrenadiere sandte. Die Stadt
Berlin ernannte Menzel zum Ehrenbürger. Die Akademie zu Paris, das
_Institut de France_, ernannte ihn zu ihrem Mitglied; dasselbe that die
königliche Akademie der Künste zu London. Bewunderungswürdig war die
Rüstigkeit, mit welcher der Gefeierte an diesem Ehrentage vom frühen
Morgen bis tief in die Nacht hinein all den mannigfaltigen festlichen
Veranstaltungen seine vollste Aufmerksamkeit schenkte.

Gegen Ende des Jahres 1895 schwebte Menzels Leben infolge eines
schweren Sturzes über eine Treppe in Gefahr. Aber seine zähe Natur
überwand schnell und vollständig die Folgen dieses Unfalls. Im
neunten Jahrzehnt seines Lebens fuhr Menzel fort, mit der Frische
eines Jünglings zu arbeiten. Jedes neue Werk, das unter seinen Händen
entstand, war ein neuer Beweis seiner nicht alternden Künstlerschaft.

Nur zum Ausscheiden aus dem Senat der Akademie der Künste zu Berlin sah
er sich durch sein hohes Alter im Jahre 1898 bewogen. Er wurde darauf
zum Ehrenmitglied dieses Senats ernannt.

In dem nämlichen Jahre gab Kaiser Wilhelm II seiner Verehrung und
Bewunderung für Menzel den höchsten Ausdruck durch eine ohne Vorbild
dastehende Auszeichnung. Im Dezember 1898 ernannte der Kaiser ihn zum
Ritter des Schwarzen Adlerordens; mit dieser Ernennung war die Erhebung
in den Adelstand verbunden. Wenn Tizian, Rubens, Velazquez von ihren
Fürsten in ähnlicher Weise geehrt worden sind, so hatte doch keine
der diesen Meistern verliehenen Auszeichnungen auch nur annähernd
einen so hohen Rang wie der preußische Orden vom Schwarzen Adler. Das
Benachrichtigungsschreiben des Kaisers an den Direktor der Hochschule
für die bildenden Künste zu Berlin, Anton von Werner, hat den schönen
Wortlaut: „Ich habe Seiner Excellenz dem Professor _Dr._ von Menzel
meinen hohen Orden vom Schwarzen Adler verliehen; es soll diese höchste
Ehrung, die einem Künstler je zu teil geworden, ein Zeichen meiner
Dankbarkeit sein für die durch seine Kunst meinem Hause geleisteten
Dienste, sowie ein Sporn werden für die Jünger der Kunst der Malerei,
auch auf den von Menzel so erfolgreich betretenen Bahnen zu folgen und
zu streben es ihm gleich zu thun.“

Der vielseitigen und doch in so ausgeprägte Eigenart gefaßten Kunst
Menzels steht die gesamte Kunstwelt ehrfurchtsvoll gegenüber. Und
mitten in dem gärenden Kampf zwischen alten und neuen und werdenden
Anschauungen versagt keiner dem Manne seine aufrichtige Bewunderung,
der früher als andere das Vorhandensein malerischer Schönheit überall
ringsum in der alltäglichen Wirklichkeit entdeckt und mit echter
Künstlerschaft verwendet hat.

[Illustration: Abb. 141. Vignette aus Kugler-Menzels Geschichte
Friedrichs des Großen.]





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