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Title: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie
Author: Liebig, Freiherr von, Justus
Language: German
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ANWENDUNG AUF PHYSIOLOGIE UND PATHOLOGIE***


available by Internet Archive (https://archive.org)



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      https://archive.org/details/dieorganischeche1842lieb

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Die
=organische Chemie=
in
ihrer Anwendung
auf
=Physiologie und Pathologie.=


Druck und Papier
von Fr. Vieweg und Sohn
in Braunschweig


Die
=organische Chemie=
in
ihrer Anwendung
auf
=Physiologie und Pathologie.=

Von

Justus Liebig,
~Dr.~ der Medizin und Philosophie,
Professor der Chemie an der Ludwigs-Universität zu Gießen,
Ritter des Großherzogl. Hessischen Ludwigsordens und des Kaiserl.
Russischen St. Annenordens 3ter Klasse, auswärtiges Mitglied der
Königl. Akademie der Wissenschaften zu Stockholm, der ~Royal
Society~ zu London, Ehrenmitglied der ~British association for the
advancement of Science~, Ehrenmitglied der Königlichen Akademie zu
Dublin, correspondirendes Mitglied der Königlichen Akademieen der
Wissenschaften zu Berlin, München und St. Petersburg, des Königlichen
Institutes zu Amsterdam, der Königlichen Societät der Wissenschaften
zu Göttingen, der naturforschenden Gesellschaft zu Heidelberg
&c. &c. &c.



Braunschweig,
Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn.
1842.



Vorwort.


Durch die Uebertragung der Methoden, welche die Physiker seit
Jahrhunderten in der Ermittelung der Ursachen der Naturerscheinungen
befolgen, auf die Chemie, durch Beachtung von Maß und Gewicht, ist von
_Lavoisier_ der Grundstein einer neuen Wissenschaft gelegt worden,
welche durch die Pflege ausgezeichneter Männer in außerordentlich kurzer
Zeit einen hohen Grad von Vollendung erhalten hat.

Es war die Aufsuchung und das Festhalten aller Bedingungen, die sich zu
einer Beobachtung vereinigen müssen, es war die Erkenntniß der
richtigeren Grundsätze zu Forschungen, welche die Chemiker vor
Irrthümern schützten und sie auf einem ebenso einfachen als sicheren
Wege zu Entdeckungen führten, welche in die früher dunkelsten und
unbegreiflichsten Naturerscheinungen Licht und Klarheit brachten.

Die nützlichsten Anwendungen auf Künste und Industrie und alle der
Chemie verwandten Zweige des Wissens, ergaben sich aus den von ihnen
erforschten Gesetzen und dieser Einfluß zeigte sich nicht erst, nachdem
die Chemie den erreichbaren Grad von Vollendung erhalten hatte, sondern
er machte sich mit jeder einzelnen neuen Erfahrung geltend.

Alle in den anderen Fächern bereits vorhandenen Erfahrungen und
Beobachtungen wirkten in ganz gleicher Weise fördernd, auf die
Ausbildung und Entwicklung der Chemie zurück, so daß sie eben so viel
von der Metallurgie und Industrie empfing, als sie gegeben hatte; indem
sie zusammen an Reichthum zunahmen, bildeten sie sich mit und neben
einander aus.

Nach der allmäligen Vervollkommnung der Mineralchemie wandten sich die
Arbeiten der Chemiker einer andern Richtung zu; aus der Untersuchung der
Bestandtheile der Pflanzen und Thiere sind neue und veränderte Ansichten
hervorgegangen; das vorliegende Werk ist ein Versuch zu ihrer Anwendung
in der Physiologie und Pathologie.

In früheren Zeiten hat man, in vielen Fällen mit großem Erfolg, die aus
der Bekanntschaft mit den chemischen Erfahrungen erworbenen Ansichten
auf die Zwecke der Heilwissenschaft anzuwenden versucht; ja, die großen
Aerzte, welche zu Ende des siebenzehnten Jahrhunderts lebten, waren die
ausschließlichen Kenner und Begründer der Chemie; das phlogistische
System der Chemie, mit allen seinen Unvollkommenheiten, erschien als die
Morgenröthe eines neuen Tages, es war der Sieg der Philosophie über die
roheste Experimentirkunst.

Die neuere Chemie hat mit allen ihren Entdeckungen der Physiologie und
Pathologie nur unbedeutende Dienste geleistet, und Niemand kann sich
über die Ursache dieser Theilnahmlosigkeit täuschen, wer in Erwägung
zieht, daß alle in dem Gebiete der anorganischen Chemie erworbenen
Erfahrungen, die Kenntniß des Verhaltens der einfachen Körper und ihrer
in Laboratorien darstellbaren Verbindungen mit dem lebendigen
Thierkörper und dem Verhalten seiner Bestandtheile in keine Art von
Beziehung gebracht werden konnten.

Die Physiologie nahm keinen Theil an den Fortschritten der Chemie, weil
sie lange Zeit hindurch, zu ihrer eigenen Förderung, nichts von dieser
Wissenschaft zu empfangen hatte. Dieser Zustand hat sich seit
fünfundzwanzig Jahren geändert; allein auch in der Physiologie sind in
dieser Zeit neue Wege und Mittel zu Forschungen in ihrem eigenen Gebiete
gewonnen worden, und erst mit der Erschöpfung dieser Quellen von
Entdeckungen ließ sich einer neuen Richtung in den Arbeiten der
Physiologen entgegensehen. Auch diese Zeit liegt uns nahe, und ein
Weiterschreiten auf dem eingeschlagenen Wege würde jetzt das Gebiet der
Physiologie, aus dem sich sehr bald fühlbar machenden Mangel an frischen
Anhaltspunkten zu Forschungen, nur breiter, aber weder tiefer noch
gründlicher machen.

Niemand wird den Muth haben zu behaupten, daß die Ermittelung der Formen
und der Bewegungserscheinungen nicht nothwendig oder nützlich wäre, sie
muß im Gegentheil als durchaus unentbehrlich zur Erkenntniß der
Lebensprocesse angesehen werden; allein sie umfaßt nur eine einzige
Klasse von Bedingungen zur Erkenntniß, und diese reichen für sich allein
nicht dazu hin.

Die Erforschung der Zwecke und Functionen der einzelnen Organe und ihres
gegenseitigen Verbandes im Thierkörper, war in früherer Zeit der
Hauptgegenstand der physiologischen Untersuchungen; er ist in der neuern
Zeit in den Hintergrund getreten. Die größte Masse aller neueren
Entdeckungen hat die vergleichende Anatomie weit mehr als die
Physiologie bereichert.

Für die Erkennung der ungleichen Formen und Zustände im gesunden und
kranken Organismus geben diese Arbeiten ohne Zweifel die werthvollsten
Resultate, allein für eine tiefere Einsicht in das Wesen der vitalen
Acte bieten sie keine Aufschlüsse dar.

Durch die genaueste, anatomische Kenntniß der Gebilde kann man zuletzt
nicht erfahren, zu welchem Zwecke sie dienen, und mit der
mikroskopischen Untersuchung der feinsten Verzweigungen der Gefäßnetze
wird man nicht mehr von ihren Verrichtungen wissen, als man über den
Gesichtssinn durch das Zählen der Flächen auf dem Auge einer
Stubenfliege erfahren hat. Die schönste und erhabenste Aufgabe des
menschlichen Geistes, die Erforschung der Gesetze des Lebens, kann nicht
gelös’t, sie kann nicht gedacht werden, ohne eine genaue Kenntniß der
chemischen Kräfte, der Kräfte nämlich, die nicht in Entfernungen wirken,
die in einer ähnlichen Weise zur Aeußerung gelangen, wie die letzten
Ursachen, von welchen die Lebenserscheinungen bedingt werden, die sich
überall thätig zeigen, wo sich differente Materien berühren.

Die Pathologie versucht noch heutzutage, wiewohl ganz nach dem Muster
der phlogistischen Chemiker (der qualitativen Methode), Anwendung von
chemischen Erfahrungen zur Beseitigung von Krankheitszuständen zu
machen, allein den Ursachen und dem Wesen der Krankheit ist man mit
allen diesen zahllosen Versuchen um keinen Schritt näher gekommen.

Ohne bestimmte Fragen zu stellen, hat man Blut, Harn und alle
Bestandtheile des gesunden und kranken Organismus mit Alkalien und
Säuren und allen Arten von chemischen Reagentien in Berührung gebracht
und aus der Kenntniß der vorgegangenen Aenderungen Rückschlüsse auf ihr
Verhalten im Körper gemacht.

Auf diesem Wege konnte der Zufall vielleicht zu nützlichen Heilmitteln
führen, allein eine rationelle Pathologie kann auf Reactionen nicht
begründet, der lebendige Thierkörper kann nicht für ein chemisches
Laboratorium angesehen werden.

Bei krankhaften Zuständen, in dessen Folge das Blut eine dickflüssige
Beschaffenheit erhält, kann diese nicht durch eine chemische Wirkung auf
die in den Blutkanälen circulirende Flüssigkeit dauernd gehoben werden;
die Abscheidung von Sedimenten im Harn läßt sich vielleicht durch
Alkalien verhindern, ohne daß damit nur entfernt die Krankheitsursache
beseitigt sein kann; und wenn man im Typhus unlösliche Ammoniaksalze in
den Faeces und eine ähnliche Aenderung der Beschaffenheit der
Blutkörperchen beobachtet, so wie sie durch Ammoniakflüssigkeit
künstlich im Blute hervorgebracht werden kann, so darf deshalb das im
Körper vorhandene Ammoniak nicht als die Ursache, sondern stets nur als
der Effect einer Ursache angesehen werden.

So hat die Medizin, nach dem Vorbilde der aristotelischen Philosophie,
sich Vorstellungen geschaffen über Ernährung und Blutbildung, man hat
die Speisen classificirt in nahrhafte und nichtnahrhafte; aber auf
Beobachtungen gestützt, denen die wesentlichsten Erfordernisse zu
richtigen Schlüssen mangelten, konnten diese Theorien nicht als
Ausdrücke der Wahrheit gelten.

In welcher Klarheit erscheinen uns jetzt die Beziehungen der Speisen zu
den Zwecken, zu welchen sie im Thierkörper dienen, seitdem die
organische Chemie ihre quantitative Untersuchungsmethode auf ihre
Ermittelung in Anwendung brachte!

Wenn eine magere 4 Pfund wiegende Gans in 36 Tagen, während welchen sie
mit 24 Pfund Welschkorn (Mays) gemästet worden ist, 5 Pfund über ihr
ursprüngliches Gewicht zunimmt und man 3¹/₂ Pfund reines Fett aus ihr
gewinnt, so kann dieses Fett nicht fertig gebildet in der Nahrung
gewesen sein, da diese noch nicht den tausendsten Theil an Fett oder
fettähnlichen Materien enthält. Und wenn eine gewisse Anzahl Bienen,
deren Gewicht man genau kennt, mit reinem, wachsfreiem Honig gefüttert,
für je 20 Theile verbrauchten Honigs einen Theil Wachs liefern, ohne daß
sich sonst in ihrem Gesundheitszustande oder in ihrem Gewichte etwas
ändert, so kann man über die Erzeugung von Fett in dem Thierkörper aus
Zucker nicht im Zweifel sein.

Ganz ähnlich wie bei der Entscheidung der Frage über die Fettbildung,
verhält es sich mit der Erforschung des Ursprungs und der Veränderung
der Secrete und anderer Erscheinungen im Thierkörper. Von dem
Augenblick, wo man anfängt die Antworten auf Fragen, mit Ernst und
Gewissenhaftigkeit zu suchen, wo man sich die Mühe nimmt, durch Maß und
Gewicht die Beobachtungen festzuhalten und in Gleichungen auszudrücken,
ergeben sich die Antworten von selbst.

Durch eine noch so große Anzahl von Beobachtungen, welche nur die eine
Seite der Frage erläutern, wird man niemals im Stande sein, das Wesen
einer Naturerscheinung in seiner ganzen Bedeutung zu erforschen; sie
müssen nothwendig, wenn sie Nutzen schaffen sollen, nach einem ganz
bestimmten Zweck und Ziel gerichtet sein, sie müssen einen organischen
Zusammenhang besitzen.

Mit Recht schreiben die Physiker und Chemiker ihren Forschungsmethoden
den größten Theil des Erfolgs in ihren Arbeiten zu. Jede chemische oder
physikalische Arbeit, welche einigermaßen den Stempel der Vollendung an
sich trägt, läßt sich im Resultate in wenigen Worten wiedergeben. Allein
diese wenigen Worte sind unvergängliche Wahrheiten, zu deren Auffindung
zahllose Versuche und Fragen erforderlich waren; die Arbeiten selbst,
die mühsamen Versuche und verwickelten Apparate fallen der Vergessenheit
anheim, sobald die Wahrheit ermittelt ist; es sind die Leitern, die
Schachte und Werkzeuge, welche nicht entbehrt werden konnten, um zu dem
reichen Erzgang zu gelangen; es sind die Stollen und Luftzüge, welche
die Gruben von Wasser und bösen Wettern frei hielten.

Eine jede, auch die kleinste chemische oder physikalische Arbeit, wenn
sie auf Beachtung Ansprüche macht, muß heutzutage diesen Character an
sich tragen; aus einer gewissen Anzahl von Beobachtungen muß ein Schluß,
gleichgültig ob er viel oder wenig umfaßt, gezogen werden können.

Es kann nur in der Methode, nur in ihrer Untersuchungsweise liegen, daß
seit einem halben Jahrhundert in Beziehung auf eine tiefere Einsicht in
die Functionen der wichtigsten Organe, der Milz, der Leber und
zahlreichen Drüsen, von den Physiologen so wenig neue feststehende
Wahrheiten gewonnen worden sind, und sicher wird die unvollkommene
Bekanntschaft mit den Forschungsmethoden der Chemie das Haupthinderniß
bleiben, was den Fortschritten der Physiologie entgegensteht, der
Hauptvorwurf, den sie nicht zu beseitigen vermag.

Die Chemie stand der Physik vor _Lavoisier_, _Scheele_ und _Priestley_
nicht näher, als heutzutage der Physiologie; sie ist jetzt mit der
Physik so innig verschmolzen, daß es schwer halten dürfte, zwischen
beiden eine scharfe Grenzlinie zu ziehen; ganz dasselbe Band vereinigt
die Chemie mit der Physiologie, und in einem halben Jahrhundert wird man
ihre Trennung für ebenso unmöglich halten.

Unsere Fragen und Versuche durchschneiden in unzähligen krummen Linien
die grade Linie, die zur Wahrheit führt, es sind die Kreuzungspunkte,
die uns die wahre Richtung erkennen lassen; es liegt in der
Unvollkommenheit des menschlichen Geistes, daß die krummen Linien
gemacht werden müssen. Die Chemiker und Physiker behalten stets ihr
Ziel im Auge, dem einen gelingt es, streckenweise den geraden Weg zu
verfolgen, allein alle sind auf die Umwege vorbereitet; des Erfolgs
ihrer Anstrengungen bei Beharrlichkeit und Ausdauer gewiß, wächst die
Begierde und ihr Muth mit den Schwierigkeiten.

Einzelne Beobachtungen ohne Zusammenhang sind auf einer Ebene zerstreute
Punkte, die uns nicht gestatten, einen bestimmten Weg zu wählen. In der
Chemie hatte man Jahrhunderte lang nichts als diese Punkte, deren
Zwischenräume auszufüllen Mittel genug in Anwendung kamen; allein
bleibende Entdeckungen, wahre Fortschritte wurden erst dann gemacht, als
man ihre Verknüpfung nicht mehr der Phantasie überließ.

Ich habe den Zweck gehabt, die Kreuzungspunkte der Physiologie und
Chemie in diesem Buche hervorzuheben und die Stellen anzudeuten, wo
beide Wissenschaften gegenseitig in einander greifen. Es enthält eine
Sammlung von Aufgaben, so wie sie gegenwärtig von der Chemie gestellt
werden, und eine Anzahl von Schlüssen, die nach ihren Regeln aus den
vorhandenen Erfahrungen sich ergeben.

Diese Fragen und Aufgaben werden ihre Lösung erhalten, und kein Zweifel
kann darüber sein, daß wir alsdann eine neue Physiologie und eine
rationelle Pathologie haben werden. Gewiß ist unser Senkblei nicht lang
genug, um die Tiefe des Meeres zu messen, allein es verliert deshalb
seinen Werth für uns nicht; wenn es uns vorläufig nur hilft, um die
Klippen und Sandbänke zu vermeiden, so ist dieser Nutzen groß genug. In
der Hand des Physiologen muß die organische Chemie zu einem geistigen
Hilfsmittel werden, mit dem er im Stande sein wird, die Ursachen von
Erscheinungen zu erforschen, die das leibliche Auge nicht mehr erkennt;
und wenn von den Resultaten, die ich in diesem Buche entwickelt oder
angedeutet habe, nur ein Einziges eine nützliche Anwendung zuläßt, so
halte ich den Zweck, für den es geschrieben ist, für vollkommen
erreicht. Der Weg, der dazu geführt hat, wird andere Wege bahnen, und
dies betrachte ich als den höchsten Gewinn.

  _Gießen_, im April 1842.

  ~Dr.~ _Justus Liebig_.



_Erster Theil_.

  _Der chemische Proceß_
  der
  =_Respiration und Ernährung_.=


~I.~

In dem Thierei, in dem Samen einer Pflanze erkennen wir eine merkwürdige
Thätigkeit, eine Ursache der Zunahme an Masse, des Ersatzes an
verbrauchtem Stoff, eine Kraft in dem Zustande der Ruhe. Durch äußere
Bedingungen, durch die Begattung, durch Gegenwart von Feuchtigkeit und
Luft wird der Zustand des statischen Gleichgewichtes dieser Thätigkeit
aufgehoben; die in Bewegung übergehende Kraft äußert sich in einer Reihe
von Formbildungen, welche, wenn auch zuweilen durch grade Linien
eingeschlossen, doch weit entfernt von geometrischen Gestalten sind, so
wie wir sie beim krystallisirenden Minerale beobachten. Diese Kraft
heißt _Lebenskraft_.

Die Zunahme an Masse in einer Pflanze wird durch den Akt einer
Zersetzung bedingt, die in gewissen Pflanzentheilen durch die Einwirkung
des Lichts und der Wärme vor sich geht.

Dieser Zersetzung unterliegen in dem Lebensproceß der Pflanze
ausschließlich nur anorganische Materien, und wenn man mit
ausgezeichneten Mineralogen die Luft und gewisse andere Gase als
Mineralien gelten läßt, so kann man sagen, daß die vegetative
Lebensthätigkeit die Verwandlung des Minerals in einen mit Leben
begabten Organismus bewirkt, das Mineral wird Theil eines Trägers der
Lebenskraft.

Die Zunahme an Masse in einer lebenden Pflanze setzt voraus, daß gewisse
Bestandtheile der Nahrung zu Bestandtheilen des Pflanzenkörpers werden,
und eine Vergleichung der chemischen Zusammensetzung von beiden, zeigt
mit unzweifelhafter Gewißheit, welche von den Bestandtheilen der Nahrung
ausgetreten, welche assimilirt worden sind.

Die Beobachtungen der Pflanzenphysiologen und die Untersuchungen der
Chemiker, sie haben gegenseitig dazu gedient, um den Beweis zu führen,
daß das Wachsthum und die Entwickelung der Pflanze abhängig sind von
einer Ausscheidung von Sauerstoff, der sich von den Bestandtheilen ihrer
Nahrungsmittel trennt.

Im geraden Gegensatz zu dem Pflanzenleben äußert sich das Thierleben in
einer nie aufhörenden Einsaugung und Verbindung des Sauerstoffs der Luft
mit gewissen Bestandtheilen des Thierkörpers.

Während kein Theil eines organischen Wesens zur Nahrung einer Pflanze
dienen kann, wenn er nicht vorher, in Folge von Fäulniß und
Verwesungsprocessen, die Form eines anorganischen Körpers angenommen
hat, bedarf der thierische Organismus zu seiner Erhaltung und
Entwickelung höher organisirter Atome. Die Nahrungsmittel aller Thiere
sind unter allen Umständen Theile von Organismen.

Durch ihre Fähigkeit, den Ort zu wechseln, und im Allgemeinen durch die
Sinne unterscheidet sich das Thier von der Pflanze.

Alle diese Thätigkeiten gehen von gewissen Werkzeugen aus, die in der
Pflanze fehlen. Die vergleichende Anatomie zeigt, daß die Bewegungs- und
Gefühlsäußerungen von gewissen Apparaten abhängig sind, die mit einander
in keinem andern Zusammenhange stehen, als daß sie sich in einem
gemeinschaftlichen Centrum vereinigen. Die Substanz des Rückenmarks, der
Nerven, der Gehirnmaterie sind in ihrer Zusammensetzung und ihrem
chemischen Verhalten wesentlich von der Substanz der Zellen, Membranen,
Muskeln und der Haut verschieden.

Alles, was im Thierorganismus _Bewegung_ genannt werden kann, geht von
den Nervenapparaten aus. Die Bewegungserscheinungen in den Pflanzen, die
Saftcirculation, die man in manchen Charen beobachtet hat, das Schließen
der Blüthen und Blätter hängt von physikalischen und mechanischen
Ursachen ab. Eine Pflanze enthält keine Nerven. Wärme und Licht sind die
entfernteren Ursachen der Bewegungen in Pflanzen, in den Thieren
erkennen wir in den Nervenapparaten eine Quelle von Kraft, die sich in
jedem Zeitmomente ihres Lebens wieder zu erneuern vermag.

Aehnlich wie die Assimilation der Nahrungsmittel in den Pflanzen, ihr
ganzer Bildungsproceß, abhängig ist von gewissen äußeren Ursachen,
welche die Bewegungen vermitteln, ist die Entwickelung des
Thierorganismus bis zu einem gewissen Grade unabhängig von diesen
äußeren Ursachen, eben weil er in sich selbst durch ein besonderes
System von Apparaten die zu dem Lebensproceß unentbehrliche Kraft der
Bewegung erzeugt.

Der Bildungsproceß, die Assimilation, der Uebergang des in Bewegung
befindlichen Stoffs in den Zustand der Ruhe geht bei Pflanzen und
Thieren in einerlei Weise vor sich, es ist die nämliche Ursache, die in
beiden die Zunahme an Masse bedingt, es ist dies das eigentliche
vegetative Leben, es äußert sich ohne Bewußtsein.

In der Pflanze giebt sich die vegetative Lebensthätigkeit unter
Mitwirkung von äußeren Kräften, in Thieren durch Thätigkeiten kund, die
sich in ihrem Organismus erzeugen. Die Verdauung, der Blutumlauf, die
Absonderung der Säfte, sie stehen jedenfalls unter der Herrschaft des
Nervensystems, allein es ist ein und dieselbe Kraft, welche dem Keim,
dem Blatt, der Wurzelfaser die nämlichen wunderbaren Eigenschaften
giebt, welche die secernirende Haut, die Drüse besitzen, welche jedes
Organ im Thier befähigt, seinen eigenen Funktionen vorzustehen; nur die
Ursachen der Bewegungen sind in beiden verschieden.

Während wir in den niedrigsten Thierklassen die Apparate der Bewegung,
wie im befruchteten Keim des Thierei’s, in dem sie sich zu allererst
entwickeln, nie vermissen, finden wir in höheren Thierklassen besondere
Apparate des Gefühls und Empfindens, des Bewußtseins und des höheren
geistigen Lebens.

Der Patholog zeigt uns, daß das eigentlich vegetative Leben keineswegs
an das Vorhandensein dieser Apparate geknüpft ist, daß der
Nutritionsproceß in den Theilen des Körpers, wo diejenigen Nerven
gelähmt sind, welche das Gefühl oder die willkürlichen Bewegungen
vermitteln, in der nämlichen Form vor sich geht, wie in anderen, in
denen sie sich in normalem Zustande befinden, so wie auf der andern
Seite die kräftigste Energie des Willens auf die Zusammenziehung des
Herzens, auf die Bewegung der Eingeweide und die Secretionsprocesse
keinen Einfluß auszuüben vermag.

Die Erscheinungen des höheren geistigen Lebens, sie können auf dem
gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft nicht auf ihre nächsten, viel
weniger auf ihre letzten Ursachen zurückgeführt werden, wir wissen
weiter nichts davon, als daß sie vorhanden sind; wir schreiben sie einer
immateriellen Thätigkeit zu, und zwar insofern ihre Aeußerungen an die
Materie sich gebunden finden, einer Kraft, welche durchaus verschieden
ist und nichts gemein hat mit der Lebenskraft.

Diese eigenthümliche Kraft übt, wie nicht geleugnet werden kann, einen
gewissen Einfluß auf die vegetative Lebensthätigkeit aus, ähnlich wie
dies von anderen immateriellen Potenzen, von Licht, Elektricität, Wärme
und Magnetismus geschieht, allein dieser Einfluß ist nicht bedingender
Art, sondern er äußert sich nur als eine Beschleunigung, Störung oder
Verlangsamung der vegetativen Lebensprocesse; auf eine ganz ähnliche
Weise übt die vegetative Lebensthätigkeit rückwärts gewisse Wirkungen
auf das bewußte geistige Leben aus.

Es sind zwei Kräfte, die sich neben einander in Aktion befinden, allein
Bewußtsein und Geist, sie fehlen im Thiere und der lebendigen Pflanze,
ohne daß wir in diesen etwas Anderes vermissen, als den Mangel einer
besondern Ursache der Steigerung oder Störung; abgesehen davon, gehen
alle vitalchemischen Processe im Menschen und Thiere auf einerlei Weise
vor sich.

Das unaufhörlich sich erneuernde Streben, die Beziehungen der Psyche zu
dem animalischen Leben ermitteln zu wollen, hat von jeher die
Fortschritte der Physiologie aufgehalten, es war ein beständiges
Heraustreten aus dem Gebiete der Naturforschung in das Reich der
phantastischen Gebilde; denn die begeisterten Physiologen, sie waren
weit davon entfernt, die Gesetze des rein thierischen Lebens zu kennen.
Keiner von ihnen hatte eine klare Vorstellung über den Entwickelungs-
und Ernährungsproceß, keiner von der wahren Ursache des Todes. Sie
erklärten die verborgensten psychischen Erscheinungen und waren nicht im
Stande zu sagen, was Fieber ist und in welcher Weise das Chinin bei
seiner Heilung wirkt!

Um die Gesetze der Bewegungen im Thierkörper zu ermitteln, war nur die
eine Bedingung, die Kenntniß der Apparate erforscht, welche die
Bewegungen vermitteln, aber die Substanz der Organe, die Veränderungen,
welche die Nahrungsmittel im lebenden Körper erfahren, ihr Uebergang zu
Bestandtheilen der Organe und rückwärts wieder in leblose Verbindungen,
der Antheil, den die Atmosphäre an den Lebensprocessen nimmt, alle diese
Grundlagen zu weiteren Schlüssen waren noch nicht gegeben.

Was hat die Psyche, was hat Bewußtsein und Geist mit der Entwickelung
des menschlichen Fötus, mit der des Fötus im Hühnerei zu schaffen? gewiß
nicht mehr als sie Antheil nimmt an der Entwickelung des Samens einer
Pflanze! Suchen wir vor der Hand die nicht psychischen Erscheinungen auf
ihre letzten Ursachen zurückzuführen, und hüten wir uns vor Schlüssen,
ehe wir eine Grundlage haben. Wir kennen genau den Mechanismus des
Auges, allein weder die Anatomie, noch Chemie wird uns jemals Aufschluß
geben, wie der Lichtstrahl zum Bewußtsein gelangt. Die Naturforschung
hat eine bestimmte Grenze, die sie nicht überschreiten darf, sie muß
sich stets daran erinnern, daß mit allen Entdeckungen nicht in Erfahrung
gebracht werden kann, was Licht, Elektricität und Magnetismus für Dinge
sind, eben weil der menschliche Geist nur Vorstellungen hat für Dinge,
welche Materialität besitzen. Wir können aber die Gesetze ihres Zustands
der Ruhe und der Bewegung erforschen, eben weil sie sich in
Erscheinungen äußern. So können zweifellos die Gesetze des Lebens und
Alles, was sie stört, befördert oder ändert, erforscht werden, ohne daß
man jemals wissen wird, was das Leben ist; so führte die Erforschung der
Gesetze des Falles und der Bewegung der Himmelskörper auf eine vorher
nie gedachte Vorstellung über ihre Ursache. Diese Vorstellung konnte in
ihrer Klarheit nicht entstehen ohne die Kenntniß der Erscheinungen, aus
denen sie sich entwickelte: an und für sich ist ja die Schwerkraft, wie
das Licht für einen Blindgebornen, ein bloßes Wort.

Die neue Wissenschaft der Physiologie hat die Methode des Aristoteles
verlassen, sie erfindet keinen ~horror vacui~, keine ~Quinta essentia~
mehr, um den gläubigen Zuhörern Aufschlüsse und Erklärungen von
Erscheinungen zu geben, deren eigentlicher Verband mit anderen, deren
letzte Ursache nicht ermittelt ist, zum Heil der Wissenschaft, muß man
hinzusetzen, und zum Segen für die Menschheit.

Wenn wir festhalten, daß alle Erscheinungen in dem Organismus der
Pflanzen und des Thieres einer ganz eigenthümlichen Ursache
zugeschrieben werden müssen, welche in ihren Aeußerungen durchaus
verschieden ist von allen anderen Ursachen, die Zustandsänderungen oder
Bewegungen bedingen, wenn wir die Lebenskraft also gelten lassen für
eine für sich bestehende Kraft, so haben wir in den Erscheinungen des
organischen Lebens, wie in allen anderen Erscheinungen, welche Kräften
zugeschrieben werden müssen, eine _Statik_ (Zustand des Gleichgewichtes,
bedingt durch einen Widerstand) und eine _Dynamik_ der Lebenskraft.

Alle Theile des Thierkörpers bilden sich aus einer eigenthümlichen, in
seinem Organismus circulirenden Flüssigkeit, in Folge einer, jeder
Zelle, jedem Organe oder Theile eines Organs inwohnenden Thätigkeit. Die
Physiologie lehrt, daß alle Bestandtheile des Körpers ursprünglich Blut
waren, oder daß sie wenigstens den entstehenden Organen durch diese
Flüssigkeit zugeführt worden sind.

Die gewöhnlichsten Erfahrungen geben ferner zu erkennen, daß in jedem
Momente des Lebens in dem Thierorganismus ein fortdauernder, mehr oder
minder beschleunigter Stoffwechsel vor sich geht, daß ein Theil der
Gebilde sich zu formlosen Stoffen umsetzt, daß sie ihren Zustand des
Lebens verlieren und wieder erneuert werden müssen. Die Physiologie hat
entscheidende Gründe genug für die Meinung, daß jede Bewegung, jede
Kraftäußerung die Folge einer Umsetzung der Gebilde oder der Substanz
derselben ist, daß jede Vorstellung, jeder Affekt Veränderungen in der
chemischen Beschaffenheit der abgesonderten Säfte zur Folge hat, daß
jeder Gedanke, jede Empfindung von einer Aenderung in der
Zusammensetzung der Gehirnsubstanz begleitet ist.

Zur Unterhaltung der Lebenserscheinungen im Thiere gehören gewisse
Stoffe, Theile von Organismen, die man _Nahrungsmittel_ nennt; in Folge
einer Reihe von Veränderungen dienen sie entweder zur Vermehrung seiner
Masse (zur Ernährung), oder zum Ersatze an verbrauchtem Stoff
(Reproduktion), oder sie dienen zur Hervorbringung von Kraft.


~II.~

Wenn wir die Aufnahme von Nahrungsmitteln als die eine Bedingung des
Lebens bezeichnen, so ist die zweite eine fortdauernde Einsaugung von
Sauerstoff aus der atmosphärischen Luft.

Von dem Standpunkte des Naturforschers aus zeigt sich das Thierleben in
einer Reihe von Erscheinungen, deren Zusammenhang und Wiederkehr
vermittelt wird durch eine in dem Organismus vorgehende Veränderung,
welche die Nahrungsmittel und der eingesaugte atmosphärische Sauerstoff
unter der Mitwirkung der Lebenskraft erleiden.

Alle vitalen Thätigkeiten entspringen aus der Wechselwirkung des
Sauerstoffs der Luft und der Bestandtheile der Nahrungsmittel.

In der Ernährung und Reproduktion erkennen wir den Uebergang des Stoffs
aus dem Zustande der Bewegung in den Zustand der Ruhe (des statischen
Gleichgewichts); durch den Einfluß des Nervensystems gelangt dieser
Stoff in den Zustand der Bewegung. Die letzten Ursachen dieser Zustände
der Lebenskraft sind die chemischen Kräfte.

Die Ursache des Zustandes der Ruhe ist ein Widerstand, welcher bedingt
wird durch eine Kraft der Anziehung (Verbindung), welche zwischen den
kleinsten Theilchen der Materie wirkt und nur bei unmittelbarer
Berührung, oder in unmeßbar kleinen Entfernungen sich thätig zeigt.

Diese besondere Art der Anziehung, man kann ihr natürlich die
verschiedensten Namen geben, der Chemiker nennt sie aber _Affinität_.

Die Bedingung des Zustandes der Bewegung liegt in einer Reihe von
Veränderungen, welche die Nahrungsmittel in dem Organismus erleiden, in
Folge also von Zersetzungsprocessen, welche die Nahrungsmittel an und
für sich, oder die daraus entsprungenen Gebilde, oder Bestandtheile der
Organe erleiden.

Der Hauptcharacter des vegetativen Lebens ist ein steter Uebergang des
in Bewegung gesetzten Stoffs in den Zustand des statischen
Gleichgewichtes. So lange die Pflanze lebt, ist kein Stillstand in der
Zunahme bemerklich, kein Theil eines Organs der Pflanze nimmt an Masse
ab. Wenn eine Zersetzung erfolgt, so ist sie eine Folge der
Assimilation. Eine Pflanze erzeugt in sich selbst keine Kraft der
Bewegung, kein Theil ihrer Gebilde verliert, durch eine in ihrem
Organismus vorhandene Ursache, den Zustand des Lebens und geht in
formlose Verbindungen über, in ihr findet kein Verbrauch statt. Der
Verbrauch im Thier ist eine Aenderung des Zustandes und der
Zusammensetzung gewisser Bestandtheile des Thierkörpers, er geht mithin
vor sich in Folge chemischer Actionen. Der Einfluß der Gifte, der
Arzneimittel auf den lebenden thierischen Körper zeigt auf eine evidente
Weise, daß der Act der chemischen Zersetzung und Verbindung im
Thierkörper, die sich uns in der Form von Lebenserscheinungen zu
erkennen geben, daß sie durch _ähnlich_ wirkende chemische Kräfte
gesteigert, durch _entgegengesetzt_ wirkende verlangsamt und aufgehoben
werden können, daß wir auf jeden Theil eines Organs durch Stoffe, die
eine bestimmte chemische Action besitzen, eine Wirkung auszuüben
vermögen.

Aehnlich also wie in der geschlossenen galvanischen Säule durch gewisse
Veränderungen, welche ein anorganischer Körper, ein Metall, bei seiner
Berührung mit einer Säure, erleidet, ein gewisses Etwas für unsere Sinne
wahrnehmbar wird, was wir mit einem Strome electrischer Materie
bezeichnen, entstehen in Folge von Umsetzungen und Veränderungen von
Materien, die früher Theile von Organismen waren, gewisse Bewegungs- und
Thätigkeitsäußerungen, die wir Leben nennen.

Der electrische Strom giebt sich uns zu erkennen durch gewisse
Erscheinungen der Anziehung und Abstoßung, welche andere, an und für
sich bewegungslose, Materien durch ihn empfangen, durch Erscheinungen
der Bildung und Zersetzung chemischer Verbindungen, die sich überall
äußern, wo der Widerstand die Bewegung nicht aufhebt.

Von diesem Standpunkte allein und von keinem andern aus darf die Chemie
die Lebenserscheinungen studiren. Wunder finden wir überall; die Bildung
eines Krystalls, eines Octaeders ist nicht minder unbegreiflich, wie die
Entstehung eines Blatts oder einer Muskelfaser, und die Entstehung des
Zinnobers aus Quecksilber und Schwefel ist ein ebenso großes Räthsel,
wie die Bildung eines Auges aus der Substanz des Blutes.

Aufnahme von Nahrungsmitteln und Sauerstoff sind die ersten Bedingungen
des thierischen Lebens.

In jedem Zeittheilchen seines Lebens nimmt der Mensch durch die Organe
der Respiration Sauerstoff auf; nie ist, so lange das Thier lebt, ein
Stillstand bemerklich.

Die Beobachtungen der Physiologen zeigen, daß der Körper eines
erwachsenen Menschen, nach 24 Stunden, bei hinlänglicher Nahrung, am
Gewicht weder zu- noch abgenommen hat, dennoch ist die Menge von
Sauerstoff, die in dieser Zeit in seinen Organismus aufgenommen wurde,
höchst beträchtlich.

Nach _Lavoisier’s_ Versuchen werden von einem erwachsenen Manne in einem
Jahre 746 Pfd., nach _Menzies_ 837 Pfd. Sauerstoffgas aus der Atmosphäre
in seinen Körper aufgenommen, und dennoch finden wir sein Gewicht zu
Anfang und Ende des Jahres entweder ganz unverändert, oder die Ab- und
Zunahme bewegt sich um wenige Pfunde[E1].

Wo ist, kann man fragen, dieses enorme Gewicht an Sauerstoff
hingekommen, was ein Individuum im Verlaufe eines Jahres in sich
aufnimmt?

Diese Frage ist mit befriedigender Sicherheit gelös’t; kein Theil des
aufgenommenen Sauerstoffs bleibt im Körper, sondern er tritt in der Form
einer Kohlenstoff- oder einer Wasserstoffverbindung wieder aus.

Der Kohlenstoff und Wasserstoff von gewissen Bestandtheilen des
Thierkörpers haben sich mit dem durch die Haut und Lunge aufgenommenen
Sauerstoff verbunden, sie sind als Kohlensäure und Wasserdampf wieder
ausgetreten.

Mit jedem Athemzuge, in jedem Lebensmomente trennen sich von dem
Thierorganismus gewisse Mengen seiner Bestandtheile, nachdem sie mit dem
Sauerstoff der atmosphärischen Luft eine Verbindung in dem Körper selbst
eingegangen sind.

Wenn wir, um einen Anhaltspunkt zu einer Rechnung zu haben, mit
_Lavoisier_ und _Seguin_ annehmen, daß der erwachsene Mensch täglich 65
Loth Sauerstoff (46037 Cubikzoll = 15661 Gran fr. Gew.) in sich
aufnimmt, und wir seine Blutmasse zu 24 Pfund, bei einem Wassergehalt
von 80 ~pCt.~ annehmen, so ergiebt sich aus der bekannten
Zusammensetzung des Blutes, daß zu einer völligen Verwandlung des
Kohlenstoffs und Wasserstoffs im Blut, in Kohlensäure und Wasser 64103
Gran Sauerstoff nöthig sind, die in 4 Tagen und 5 Stunden in den Körper
eines erwachsenen Menschen aufgenommen werden[E2].

Gleichgültig ob der Sauerstoff an die Bestandtheile des Bluts tritt oder
an andere kohlen- und wasserstoffreiche Materien im Körper, es kann dem
Schlusse nichts entgegengesetzt werden, daß dem menschlichen Körper,
welcher 65 Loth Sauerstoff täglich einathmet, in 4 Tagen und 5 Stunden
so viel an Kohlenstoff und Wasserstoff in seinen Nahrungsmitteln wieder
zugeführt werden muß, als nöthig wäre, 24 Pfund Blut mit diesen
Bestandtheilen zu versehen, vorausgesetzt, daß das Gewicht des Körpers
sich nicht ändere, daß er seine normale Beschaffenheit behaupten soll.

Diese Zufuhr geschieht durch die _Speisen_.

Aus der genauen Bestimmung der Kohlenstoffmenge, welche durch die
Speisen in den Körper aufgenommen werden, so wie durch die Ausmittelung
derjenigen Quantität, welche durch die Faeces und den Urin unverbrannt,
oder wenn man will, in einer andern Form, als in der Form einer
Sauerstoffverbindung, wieder austritt, ergiebt sich, daß ein erwachsener
Mann, im Zustande mäßiger Bewegung, täglich 27,8 Loth Kohlenstoff
verzehrt[E3].

Diese 27⁸/₁₀ Loth Kohlenstoff entweichen aus Haut und Lunge in der Form
von kohlensaurem Gas.

Zur Verwandlung in kohlensaures Gas bedürfen diese 27,8 Loth Kohlenstoff
74 Loth Sauerstoff.

Nach den analytischen Bestimmungen von _Boussingault_ (~Annales de chim.
et de phys. LXX.~ 1. ~S.~ 136) verzehrt ein Pferd in 24 Stunden 158¹/₄
Loth Kohlenstoff, eine milchgebende Kuh 141¹/₂ Loth[E4].

Die hier angeführten Kohlenstoffmengen sind als Kohlensäure aus ihrem
Körper getreten, das Pferd hat in 24 Stunden für die Ueberführung des
Kohlenstoffs in Kohlensäure 13⁷/₃₂ Pfd. und die Kuh 11²/₃ Pfd.
Sauerstoff verbraucht.

Da kein Theil des aufgenommenen Sauerstoffs in einer andern Form als in
der einer Kohlenstoff- oder Wasserstoffverbindung wieder aus dem Körper
tritt, da ferner bei normalem Gesundheitszustande der ausgetretene
Kohlenstoff und Wasserstoff wieder ersetzt wird durch Kohlenstoff und
Wasserstoff, den wir in den Speisen zuführen, so ist klar, daß die Menge
von Nahrung, welche der thierische Organismus zu seiner Erhaltung
bedarf, in geradem Verhältniß steht zu der Menge des aufgenommenen
Sauerstoffs.

Zwei Thiere, die in gleichen Zeiten ungleiche Mengen von Sauerstoff
durch Haut und Lunge in sich aufnehmen, verzehren in einem ähnlichen
Verhältniß ein ungleiches Gewicht von der nämlichen Speise.

In gleichen Zeiten ist der Sauerstoffverbrauch ausdrückbar durch die
Anzahl der Athemzüge; es ist klar, daß bei einem und demselben Thiere
die Menge der zu genießenden Nahrung wechselt, je nach der Stärke und
Anzahl der Athemzüge.

Ein Kind, dessen Respirationswerkzeuge sich in größerer Thätigkeit
befinden, muß häufiger und verhältnißmäßig mehr Nahrung zu sich nehmen,
als ein Erwachsener, es kann den Hunger weniger leicht ertragen. Ein
Vogel stirbt bei Mangel an Nahrung den dritten Tag; eine Schlange, die
in einer Stunde, unter einer Glasglocke athmend, kaum so viel Sauerstoff
verzehrt, daß die davon erzeugte Kohlensäure wahrnehmbar ist, lebt drei
Monate und länger ohne Nahrung.

Im Zustand der Ruhe beträgt die Anzahl der Athemzüge weniger als im
Zustand der Bewegung und Arbeit. Die Menge der in beiden Zuständen
nothwendigen Nahrung muß in dem nämlichen Verhältniß stehen.

Ein Ueberfluß von Nahrung und Mangel an eingeathmetem Sauerstoff (an
Bewegung), so wie starke Bewegung (die zu einem größeren Maaß von
Nahrung zwingt) und schwache Verdauungsorgane sind unverträglich mit
einander.

Die Menge des Sauerstoffs, welche ein Thier durch die Lunge aufnimmt,
ist aber nicht allein abhängig von der Anzahl der Athemzüge, sondern
auch von der Temperatur und der Dichtigkeit der eingeathmeten Luft.

Die Brusthöhle eines Thieres hat eine unveränderliche Größe, mit jedem
Athemzuge tritt eine gewisse Menge Luft ein, die in Beziehung auf ihr
Volumen als gleichbleibend angesehen werden kann. Aber ihr Gewicht und
damit das Gewicht des darin enthaltenen Sauerstoffs bleibt sich nicht
gleich. In der Wärme dehnt sich die Luft aus, in der Kälte zieht sie
sich zusammen. In einem gleichen Volum kalter und warmer Luft haben wir
ein ungleiches Gewicht Sauerstoff. Im Sommer enthält die atmosphärische
Luft Wassergas, im Winter ist sie trocken; der Raum, den das Wassergas
in der warmen Luft einnimmt, wird im Winter durch Luft eingenommen, d.
h. sie enthält bei gleichem Volum im Winter mehr Sauerstoff.

Im Sommer und Winter, am Pole und Aequator athmen wir ein gleiches
Luftvolumen ein. Die kalte Luft erwärmt sich beim Einathmen in der
Luftröhre und den Lungenzellen, und nimmt die Temperatur des Körpers an.
Um ein gewisses Sauerstoffvolumen in die Lunge zu bringen, ist im Winter
ein geringerer Kraftaufwand nöthig, als im Sommer; für denselben
Kraftverbrauch athmet man im Winter mehr Sauerstoff ein.

Es ist einleuchtend, daß wir bei einer gleichen Anzahl von Athemzügen an
dem Ufer des Meeres eine größere Menge von Sauerstoff verzehren, als auf
Bergen; daß die Menge der austretenden Kohlensäure, so wie das
eingesaugte Sauerstoffgas mit dem Barometerstande sich ändert.

Das aufgenommene Sauerstoffgas tritt im Sommer und Winter in ähnlicher
Weise verändert wieder aus, wir athmen in niederer Temperatur und
höherem Luftdrucke mehr Kohlenstoff aus wie in höherer, und wir müssen
in dem nämlichen Verhältniß mehr oder weniger Kohlenstoff in den
Speisen genießen, in Schweden mehr wie in Sicilien, in unsern Gegenden
im Winter ein ganzes Achtel mehr wie im Sommer.

Selbst wenn wir dem Gewicht nach gleiche Quantitäten Speise in kalten
und warmen Gegenden genießen, so hat eine unendliche Weisheit die
Einrichtung getroffen, daß diese Speisen höchst ungleich in ihrem
Kohlenstoffgehalte sind. Die Früchte, welche der Südländer genießt,
enthalten im frischen Zustande nicht über 12 ~pCt.~ Kohlenstoff, während
der Speck und Thran des Polarländers 66 bis 80 ~pCt.~ Kohlenstoff
enthalten.

Es ist keine schwere Aufgabe, sich in warmen Gegenden der Mäßigkeit zu
befleißigen, oder lange Zeit den Hunger unter dem Aequator zu ertragen,
allein Kälte und Hunger reiben in kurzer Zeit den Körper auf.

Die Wechselwirkung der Bestandtheile der Speisen und des durch die
Blutcirculation im Körper verbreiteten Sauerstoffs ist _die Quelle der
thierischen Wärme_.


~III.~

Alle lebenden Wesen, deren Existenz auf einer Einsaugung von Sauerstoff
beruht, besitzen eine von der Umgebung unabhängige Wärmequelle.

Diese Wahrheit bezieht sich auf alle Thiere, sie erstreckt sich auf den
keimenden Samen, auf die Blüthe der Pflanze und auf die reifende Frucht.

Nur in den Theilen des Thieres, zu welchen arterielles Blut, und durch
dieses der in dem Athmungsproceß aufgenommene Sauerstoff gelangen kann,
wird Wärme erzeugt. Haare, Wolle, Federn besitzen keine eigenthümliche
Temperatur.

Diese höhere Temperatur des Thierkörpers oder, wenn man will,
Wärmeausscheidung ist überall und unter allen Umständen die Folge der
Verbindung einer brennbaren Substanz mit Sauerstoff.

In welcher Form sich auch der Kohlenstoff mit Sauerstoff verbinden mag,
der Akt der Verbindung kann nicht vor sich gehen, ohne von Entwicklung
von Wärme begleitet zu seyn, gleichgültig, ob sie langsam oder rasch
erfolgt, ob sie in höherer oder niederer Temperatur vor sich geht, stets
bleibt die freigewordene Wärmemenge eine unveränderliche Größe.

Der Kohlenstoff der Speisen, der sich im Thierkörper in Kohlensäure
verwandelt, muß ebenso viel Wärme entwickeln, als wenn er in der Luft
oder im Sauerstoff direct verbrannt worden wäre; der einzige Unterschied
ist der, daß die erzeugte Wärmemenge sich auf ungleiche Zeiten
vertheilt; in reinem Sauerstoffgas geht die Verbrennung schneller vor
sich, die Temperatur ist höher, in der Luft langsamer, die Temperatur
ist niedriger, sie hält aber länger an.

Es ist klar, daß mit der Menge des in gleichen Zeiten durch den
Athmungsproceß zugeführten Sauerstoffs die Anzahl der freigewordenen
Wärmegrade zu- oder abnehmen muß. Thiere, welche rasch und schnell
athmen und demzufolge viel Sauerstoff verzehren, besitzen eine höhere
Temperatur als andere, die in derselben Zeit, bei gleichem Volum des zu
erwärmenden Körpers, weniger in sich aufnehmen; ein Kind mehr (39°) als
ein erwachsener Mensch (37,5°), ein Vogel mehr (40-41°) wie ein
vierfüßiges Thier (37-38°), wie ein Fisch oder Amphibium, dessen
Eigentemperatur sich 1¹/₂ bis 2° über das umgebende Medium erhebt[E5].
Alle Thiere sind warmblütig, allein nur bei denen, welche durch Lungen
athmen, ist die Eigenwärme ganz unabhängig von der Temperatur der
Umgebung.

Die zuverlässigsten Beobachtungen beweisen, daß in allen Klimaten, in
der gemäßigten Zone sowohl wie am Aequator oder an den Polen, die
Temperatur des Menschen, so wie die aller sogenannten warmblütigen
Thiere, niemals wechselt; allein wie verschieden sind die Zustände, in
denen sie leben.

Der Thierkörper ist ein erwärmter Körper, der sich zu seiner Umgebung
verhält wie alle warmen Körper; er empfängt Wärme, wenn die äußere
Temperatur höher, er giebt Wärme ab, wenn sie niedriger ist, als seine
eigene Temperatur.

Wir wissen, daß die Schnelligkeit der Abkühlung eines warmen Körpers
wächst mit der Differenz seiner eignen Temperatur und der des Mediums,
worin er sich befindet, d. h. je kälter die Umgebung ist, in desto
kürzerer Zeit kühlt sich der warme Körper ab.

Wie ungleich ist aber der Wärmeverlust, den ein Mensch in Palermo
erleidet, wo die äußere Temperatur nahe gleich ist der Temperatur des
Körpers, und der eines Menschen, der am Pole lebt, wo die Temperatur
40-50 Grade niedriger ist.

Trotzt diesem so höchst ungleichen Wärmeverlust, zeigt die Erfahrung,
daß das Blut des Polarländers keine niedrigere Temperatur besitzt, als
das des Südländers, der in einer so verschiedenen Umgebung lebt.

Diese Thatsache ihrer wahren Bedeutung nach anerkannt, beweis’t, daß die
nach Außen hin abgegebene Wärme in dem Thierkörper mit großer
Schnelligkeit ersetzt wird; im Winter erfolgt diese Erneuerung schneller
wie im Sommer, am Pole rascher wie am Aequator.

In verschiedenen Klimaten wechselt nun die Menge des durch die
Respiration in den Körper tretenden Sauerstoffs nach der Temperatur der
äußern Luft; mit dem Wärmeverlust durch Abkühlung steigt die Menge des
eingeathmeten Sauerstoffs; die zur Verbindung mit diesem Sauerstoff
nöthige Menge Kohlenstoff oder Wasserstoff, sie muß in einem ähnlichen
Verhältniß zunehmen.

Es ist klar, daß der Wärmeersatz bewirkt wird durch die Wechselwirkung
der Bestandtheile der Speisen, die sich mit dem eingeathmeten Sauerstoff
verbinden. Um einen trivialen aber deswegen nicht minder richtigen
Vergleich anzuwenden, verhält sich in dieser Beziehung der Thierkörper,
wie ein Ofen, den wir mit Brennmaterial versehen. Gleichgültig, welche
Formen die Speisen nach und nach im Körper annehmen, welche
Veränderungen sie auch erleiden mögen, die letzte Veränderung, die sie
erfahren, ist eine Verwandlung ihres Kohlenstoffs in Kohlensäure, ihres
Wasserstoffs in Wasser; der Stickstoff und der unverbrannte Kohlenstoff,
sie werden in dem Urin und den festen Excrementen abgeschieden. Um eine
constante Temperatur im Ofen zu haben, müssen wir, je nach der äußern
Temperatur wechselnd, eine ungleiche Menge von Brennmaterial
einschieben.

In Beziehung auf den Thierkörper sind die Speisen das Brennmaterial; bei
gehörigem Sauerstoffzutritt erhalten wir die durch ihre Oxydation
freiwerdende Wärme. Im Winter, bei Bewegung in kalter Luft, wo die Menge
des eingeathmeten Sauerstoffs zunimmt, wächst in dem nämlichen
Verhältniß das Bedürfniß nach kohlen- und wasserstoffreichen
Nahrungsmitteln, und in Befriedigung dieses Bedürfnisses erhalten wir
den wirksamsten Schutz gegen die grimmigste Kälte. Ein Hungernder
friert. Jedermann weiß, daß die Raubthiere der nördlichen Klimate an
Gefräßigkeit weit den in südlichen Gegenden voranstehen.

In der kalten und temperirten Zone treibt uns die Luft, die ohne
Aufhören den Körper zu verzehren strebt, zur Arbeit und Anstrengung, um
uns die Mittel zum Widerstande gegen diese Einwirkung zu schaffen,
während in heißen Klimaten die Anforderungen zur Herbeischaffung an
Speise bei weitem nicht so dringend sind.

Unsere Kleider sind nur Aequivalente für die Speisen; je wärmer wir uns
kleiden, desto mehr vermindert sich das Bedürfniß zu essen, eben weil
der Wärmeverlust, die Abkühlung und damit der nöthige Ersatz durch
Speisen kleiner wird.

Gingen wir nackt wie der Indianer, oder wären wir beim Jagen und Fischen
denselben Kältegraden ausgesetzt wie der Samojede, so würden wir 10
Pfund Fisch oder Fleisch und noch obendrein ein Dutzend Talglichter
bewältigen können, wie uns warmbekleidete Reisende mit Verwunderung
erzählt haben; wir würden dieselbe Menge Branntwein oder Thran ohne
Nachtheil genießen können, eben weil ihr Kohlenstoff- und
Wasserstoffgehalt dazu dient, um ein Gleichgewicht mit der äußeren
Temperatur hervorzubringen.

Die Menge der zu genießenden Speisen richtet sich nach den
vorhergehenden Auseinandersetzungen, nach der Anzahl der Athemzüge, nach
der Temperatur der Luft, die wir einathmen und nach dem Wärmequantum,
was wir nach außen hin abgeben.

Keine isolirte, entgegenstehende Thatsache kann die Wahrheit dieses
Naturgesetzes ändern. Ohne der Gesundheit einen vorübergehenden oder
bleibenden Nachtheil zuzufügen, kann der Neapolitaner nicht mehr
Kohlenstoff und Wasserstoff in den Speisen zu sich nehmen, als er
ausathmet, und kein Nordländer kann mehr Kohlenstoff und Wasserstoff
ausathmen, als er in den Speisen zu sich genommen hat, wenn nicht im
Zustand der Krankheit, oder wenn er hungert, Zustände, die wir näher
beleuchten werden.

Der Engländer sieht mit Bedauern seinen Appetit, der ihm einen häufig
wiederkehrenden Genuß darbietet, in Jamaica schwinden, und es gelingt
ihm in der That, durch Cayennepfeffer und die kräftigsten Reizmittel die
nämliche Menge von Speisen zu sich zu nehmen wie in seiner Heimath;
allein der in den Körper übergegangene Kohlenstoff dieser Speisen, er
wird nicht verbraucht, die Temperatur der Luft ist zu hoch und eine
erschlaffende Hitze erlaubt nicht die Anzahl der Athemzüge (durch
Bewegung und Anstrengung) zu steigern, den Verbrauch also mit dem, was
er zu sich genommen, in Verhältniß zu setzen.

Im Gegensatz hierzu sendet England seine Patienten, deren kranken
Verdauungsorganen die Fähigkeit abgeht oder vermindert ist, die Speisen
in den Zustand zu versetzen, in welchem sie sich zur Verbindung mit dem
Sauerstoff eignen, welche also weniger Widerstand produziren, als das
_Klima_, die Temperatur ihrer Heimath verlangt, nach südlichen Gegenden,
wo die Menge des eingeathmeten Sauerstoffs in einem so großen Verhältniß
sich vermindert, und das Resultat, eine Verbesserung des
Gesundheitzustandes, ist sichtbar. Die kranken Verdauungsorgane haben
Kraft genug, um die geringere Menge von Speise in Verhältniß zu setzen
mit dem verbrauchten Sauerstoff; in dem kälteren Klima wurden die
Respirationsorgane selbst zu diesem Widerstande dienen müssen.

Im Sommer sind bei uns die Leberkrankheiten (Kohlenstoffkrankheiten), im
Winter die Lungenkrankheiten (Sauerstoffkrankheiten) vorherrschend.

Die Abkühlung des Körpers, durch welche Ursache es auch sei, bedingt
eine größeres Maaß von Speise. Der bloße Aufenthalt in freier Luft,
gleichgültig ob im Reisewagen oder auf dem Verdecke von Schiffen, erhöht
durch Strahlung und gesteigerte Verdunstung den Wärmeverlust, selbst
ohne vermehrte Bewegung; er zwingt uns mehr wie gewöhnlich zu essen.
Dasselbe muß für Personen gelten, welche gewohnt sind große Quantitäten
kaltes Wasser zu trinken, welches auf 37° erwärmt wieder abgeht, es
vermehrt den Appetit, und schwächliche Constitutionen müssen durch
anhaltende Bewegung den zum Ersatz der an das kalte Wasser abgegebenen
Wärme nöthigen Sauerstoff dem Körper hinzuführen. Starkes und
anhaltendes Sprechen und Singen, das Schreien der Kinder, feuchte Luft,
alles dieses übt einen bestimmten nachweisbaren Einfluß auf die zu
genießenden Speisen aus.


~IV.~

In dem Vorhergehenden ist angenommen worden, daß vorzüglich der
Kohlenstoff und Wasserstoff zur Verbindung mit dem Sauerstoff und zur
Hervorbringung der animalischen Wärme dient; die einfachsten
Beobachtungen zeigen in der That, daß der Wasserstoff der Speisen eine
nicht minder wichtige Rolle wie der Kohlenstoff spielt.

Der ganze Respirationsproceß erscheint in völliger Klarheit, wenn wir
den Zustand eines Menschen oder Thieres, bei Enthaltung aller Speise,
ins Auge fassen. Die Athembewegungen bleiben ungeändert, es wird nach
wie vor Sauerstoff aus der Atmosphäre aufgenommen und Kohlensäure und
Wasserdampf ausgeathmet. Wir wissen mit unzweifelhafter Bestimmtheit,
woher der Kohlenstoff und Wasserstoff stammt, denn mit der Dauer des
Hungers sehen wir den Kohlenstoff und Wasserstoff des Körpers sich
vermindern.

Die erste Wirkung des Hungers ist ein Verschwinden des Fettes; dieses
Fett ist weder in den sparsamen Faeces, noch im Urin nachweisbar, sein
Kohlenstoff und Wasserstoff sind durch Haut und Lunge in der Form von
Sauerstoffverbindungen ausgetreten; es ist klar, diese Bestandtheile
haben zur Respiration gedient.

Jeden Tag treten 65 Loth Sauerstoff ein und nehmen beim Austreten einen
Theil von dem Körper des Hungernden mit. (_Currie_ sah einen Kranken,
der nicht schlingen konnte, während eines Monates über 100 Pfd. an
seinem Gewichte verlieren, und ein fettes Schwein, was durch einen
Bergsturz verschüttet wurde, lebte 160 Tage ohne Nahrung, und hatte über
120 Pfd. am Gewichte verloren.) (_Martell_ in den ~Transactions of the
Linnéan Soc. Vol. XI. p.~ 411.) Das Verhalten der Winterschläfer, so wie
die periodenweise Ansammlung von Fett bei andern Thieren, von Fett, was
in andern Perioden ihres Lebens wieder verschwindet, ohne eine Spur zu
hinterlassen, alle diese wohlbekannten Thatsachen beweisen, daß der
Sauerstoff in dem Respirationsproceß keine Auswahl unter den Stoffen
trifft, die sich zu einer Verbindung mit ihm eignen. Der Sauerstoff
verbindet sich mit allem, was ihm dargeboten wird, und nur Mangel an
Wasserstoff ist der Grund, warum sich überhaupt Kohlensäure bildet, eben
weil bei der Temperatur des Körpers die Verwandtschaft des Wasserstoffs
zum Sauerstoff bei weitem die des Kohlenstoffs übertrifft.

Wir wissen in der That, daß die grasfressenden Thiere ein dem
eingeathmeten Sauerstoff gleiches Volum Kohlensäure wieder ausathmen,
während bei den Fleischfressern, der einzigen Thierklasse, welche Fett
in ihrer Nahrung genießt, mehr Sauerstoff aufgenommen wird, als dem
ausgeathmeten Kohlensäurevolum entspricht; bestimmte Versuche haben
dargethan, daß in manchen Fällen nur die Hälfte von dem Volumen des
Sauerstoffs an Kohlensäuregas ausgeathmet wird. Diese Beobachtungen sind
keiner Widerlegung fähig, sie sind überzeugender, als alle die künstlich
und willkürlich hervorgerufenen Erscheinungen, die man Versuche nennt,
Versuche, welche, völlig entbehrlich, alles Gegengewichtes ermangeln,
wenn die Gelegenheit zur Beobachtung in der Natur sich darbietet und
diese Gelegenheit verständig benutzt wird.

Bei Hungernden verschwindet aber nicht allein das Fett, sondern nach und
nach alle der Löslichkeit fähigen, festen Stoffe. In dem völlig
abgezehrten Körper der Verhungerten sind die Muskeln dünn und mürbe, der
Contractibilität beraubt, alle Theile des Körpers, welche fähig waren,
in den Zustand der Bewegung überzugehen, sie haben dazu gedient, um den
Rest der Gebilde vor der alles zerstörenden Wirkung der Atmosphäre zu
schützen; zuletzt nehmen die Bestandtheile des Gehirns Antheil an diesem
Oxydationsproceß, es erfolgt Wahnsinn, Irrereden und der Tod, das heißt,
aller Widerstand hört völlig auf, es tritt der chemische Proceß der
Verwesung ein, alle Theile des Körpers verbinden sich mit dem Sauerstoff
der Luft.

Die Zeit, in welcher ein Verhungernder stirbt, richtet sich nach dem
Zustand der Fettleibigkeit, nach dem Zustand der Bewegung (Anstrengung
und Arbeit), nach der Temperatur der Luft, und ist zuletzt abhängig von
der Gegenwart oder Abwesenheit des Wassers. Durch die Haut und Lunge
verdunstet eine gewisse Menge Wasser, durch deren Austreten, als die
Bedingung aller Vermittelung von Bewegungen, der Tod beschleunigt wird.
Es giebt Fälle, wo bei ungeschmälertem Wassergenuß der Tod erst nach 20,
in einem Fall erst nach 60 Tagen erfolgte.

In allen chronischen Krankheiten erfolgt der Tod durch die nämliche
Ursache, durch die Einwirkung der Atmosphäre. Wenn die Stoffe fehlen,
welche in dem Organismus zur Unterhaltung des Respirationsprocesses
bestimmt sind, wenn die Organe des Kranken ihre Funktion versagen, wenn
sie die Fähigkeit verlieren, zu ihrem eignen Schutz die genossenen
Speisen in den Zustand zu versetzen, in dem sich ihre Bestandtheile mit
dem Sauerstoff der Luft zu verbinden vermögen, so wird ihre eigne
Substanz, das Fett, das Gehirn, die Substanz der Muskeln und Nerven dazu
verwendet[F1].

  [1] In Beziehung auf den wahren Vorgang verweise ich auf die
  Betrachtung des Stoffwechsels in dem Körper der Carnivoren (s. im
  Folgenden).

Die eigentliche Ursache des Todes ist in diesen Fällen der
Respirationsproceß, die Einwirkung der Atmosphäre. Mangel an Nahrung,
an Fähigkeit, sie zu Bestandtheilen des Organismus zu machen, ist Mangel
an Widerstand, es ist die negative Ursache des Aufhörens der
Lebensthätigkeit. Die Flamme geht aus, weil das Oel verzehrt ist; es ist
der Sauerstoff der Luft, der es verzehrt hat.

In manchen Krankheitszuständen erzeugen sich Stoffe, die zur
Assimilation nicht verwendbar sind, durch bloße Enthaltung von Speisen
werden sie aus dem Körper entfernt, sie verschwinden, ohne eine Spur zu
hinterlassen, indem ihre Bestandtheile mit dem Sauerstoff der Luft in
Verbindung treten.

Von dem Augenblicke an, wo die Funktion der Haut oder Lunge eine Störung
erleidet, erscheinen kohlenstoffreichere Stoffe im Urin, der seine
gewöhnliche Farbe in braun umändert. Von der ganzen Oberfläche des
menschlichen Körpers wird Sauerstoff aus der Luft aufgenommen, der sich
mit allen Materien verbindet, die seiner Action keinen Widerstand
entgegensetzen; an allen Stellen des Körpers, wo der Zutritt des
Sauerstoffs gehemmt ist, unter den Achselhöhlen und an den Füßen z. B.,
bemerken wir eine Ausscheidung von Stoffen, die sich durch ihren Zustand
oder durch den Geruch den Sinnen zu erkennen geben.

Die Respiration ist das fallende Gewicht, die gespannte Feder, welche
das Uhrwerk in Bewegung erhält, die Athemzüge sind die Pendelschläge,
die es reguliren. Wir kennen bei unseren gewöhnlichen Uhren mit
mathematischer Schärfe die Aenderungen, welche durch die Länge des
Pendels oder durch äußere Temperaturen ausgeübt werden, auf ihren
regelmäßigen Gang; allein nur von Wenigen ist in seiner Klarheit der
Einfluß erkannt, den Luft und Temperatur auf den Gesundheitszustand des
menschlichen Körpers ausüben, und doch ist die Ausmittelung der
Bedingungen, um ihn im normalen Zustand zu erhalten, nicht schwieriger,
wie bei einer gewöhnlichen Uhr.


~V.~

Der Mangel an einer richtigen Ansicht von Kraft und Wirkung und dem
Zusammenhang der Naturerscheinungen hat die Chemiker dahin geführt,
einen Theil der im Thierorganismus sich erzeugenden Wärme den Wirkungen
des Nervensystems zuzuschreiben. Wenn man damit einen Stoffwechsel als
Bedingung der Nervenwirkungen ausschließt, so will dies nichts anders
sagen, als das Vorhandensein einer Bewegung, die Aeußerung einer
Thätigkeit hervorgehen zu machen aus Nichts. Allein aus Nichts kann
keine Kraft, keine Thätigkeit entstehen.

Niemand wird ernstlich den Antheil läugnen, welchen die Nervenapparate
an dem Respirationsproceß nehmen, keine Art von Zustandsänderung kann im
Thierkörper vor sich gehen, ohne die Nerven, denn sie sind die Bedinger
aller Bewegungen. Durch sie, durch ihre Mitwirkung produciren die
Eingeweide die Stoffe, welche als Mittel zum Widerstande gegen die
Einwirkung des Sauerstoffs zur Hervorbringung der animalischen Wärme
dienen, und mit dem Aufhören ihrer Funktionen muß der ganze Akt der
Sauerstoffaufnahme eine andere Form annehmen. Beim Durchschneiden des
Gehirns von Hunden beim ~Pons varolii~, bei Contusionen gegen Scheitel
und Hinterhaupt fährt das Thier eine Zeitlang zu athmen fort, oft
rascher und lebhafter, wie im gesunden Zustande, die Schnelligkeit des
Blutumlaufs nimmt in der ersten Zeit eher zu als ab, allein das Thier
erkaltet, wie wenn ein plötzlicher Tod eingetreten wäre, der dann auch
unabwendbar erfolgt; ganz ähnliche Erfahrungen hat man bei
Durchschneidung des Rückenmarks, des ~Nervus vagus~ gemacht. Die
Athembewegungen dauern eine Zeitlang fort, allein der Sauerstoff findet
die Stoffe auf seinem Wege nicht vor, mit denen er sich im normalen
Zustande verbunden haben würde, weil sie ihm von den gelähmten
Unterleibsorganen nicht geliefert werden können. Die sonderbare Ansicht
über die Erzeugung der thierischen Wärme durch die Nerven, sie ist, wie
man leicht bemerkt, aus der Vorstellung hervorgegangen, daß das
eingesaugte Sauerstoffgas in dem Blute selbst zu Kohlensäure werde, in
welchem Fall, in obigen Versuchen, freilich die Temperatur des Körpers
nicht abnehmen dürfte, allein es kann, wie später entwickelt werden
soll, keinen größeren Irrthum geben.

Aehnlich wie bei Durchschneidung der pneumogastrischen Nerven die
Bewegung des Magens und die Secretion des Magensaftes aufgehoben und
damit dem Verdauungsproceß eine unmittelbare Gränze gesetzt wird, ändert
die Lähmung der Bewegungsorgane des Unterleibs den Respirationsproceß;
beide stehen in dem engsten Zusammenhang mit einander; eine jede
Störung des Nervensystems, der Verdauungsnerven übt rückwärts einen
wahrnehmbaren Einfluß auf den Respirationsproceß aus.

Man hat zuletzt die Beobachtung gemacht, daß durch die Contraction der
Muskeln Wärme erzeugt wird, ähnlich wie in einem Stücke Kautschuck, was
man, rasch aus einander gezogen, sich wieder contrahiren läßt. Man ist
so weit gegangen, einen Theil der thierischen Wärme den mechanischen
Bewegungen im Körper zuzuschreiben, als ob die Bewegungen selbst
entstehen könnten, ohne einen gewissen Aufwand von Kraft, welche durch
diese Bewegungen verzehrt wird. Durch was aber, kann man hier fragen,
wird diese Kraft erzeugt?

Durch verbrennenden Kohlenstoff, durch Auflösung eines Metalls in einer
Säure, durch die Vereinigung der beiden Elektricitäten, durch Einsaugung
von Licht entsteht Wärme. Gleichermaßen entsteht Wärme, wenn wir zwei
Stücke eines festen Körpers mit einer gewissen Geschwindigkeit auf
einander reiben.

Durch eine Menge in ihren Aeußerungen höchst verschiedener Ursachen
können wir einerlei Effekt hervorbringen. Wir haben in der Verbrennung
und in der Elektricitätserzeugung einen Stoffwechsel, oder, wie in dem
Licht und der Reibungswärme, die Verwandlung einer vorhandenen Bewegung
in eine neue, die auf eine andere Weise auf unsere Sinne wirkt. Wir
haben ein Substrat, etwas Gegebenes, was die Form eines andern
Substrates annimmt, in allen Fällen eine Kraft und eine Wirkung. Wir
können durch Feuer unter einer Dampfmaschine alle möglichen Arten von
Bewegungen, und durch ein gegebenes Maaß von Bewegung Feuer
hervorbringen.

Ein Stück Zucker, das wir auf einem Reibeisen reiben, erleidet an den
Berührungsflächen des Eisens die nämliche Veränderung, wie durch eine
hohe Temperatur, und zwei Stücke Eis schmelzen an den Punkten, wo sie
sich reibend berühren.

Man muß sich nur erinnern, daß die ausgezeichnetsten Physiker die
Erscheinungen der Wärme nur als Bewegungserscheinungen gelten lassen,
eben weil der Begriff der _Erzeugung_ einer Materie, wenn auch einer
gewichtslosen, schlechterdings nicht vereinbar ist mit ihrer Entstehung
durch mechanische Ursachen, wie durch Reibung und Bewegung.

Alles zugegeben, was von elektrischen und magnetischen Störungen in dem
Thierkörper Antheil nehmen mag an den Funktionen seiner Organe, die
letzte Ursache aller dieser Thätigkeiten ist ein Stoffwechsel,
ausdrückbar durch einen in einer gewissen Zeit stattfindenden Uebergang
der Bestandtheile der Speisen in Sauerstoffverbindungen; diejenigen
unter ihnen, welche diesen allmähligen Verbrennungsproceß nicht
erfahren, sie werden unverbrannt oder unverbrennlich in der Form von
Excrementen ausgestoßen.

Es ist nun schlechterdings unmöglich, daß eine gegebene Menge
Kohlenstoff oder Wasserstoff, welche verschiedene Formen sie auch im
Laufe der Verbrennung annehmen mögen, mehr Wärme hervorzubringen fähig
ist, als wie sie liefert, wenn sie im Sauerstoffgas oder in der Luft
direkt verbrannt wird.

Wenn wir Feuer unter eine Dampfmaschine machen und die erhaltene Kraft
benutzen, um durch Reibung Wärme hervorzubringen, so kann diese in
keiner Weise jemals größer sein, als die Wärme, die wir nöthig gehabt
haben, um den Dampfkessel zu heizen, und wenn wir in einer galvanischen
Säule den Strom zur Hervorbringung von Wärme benutzen, so ist diese
unter allen Umständen nicht größer, als wir sie haben können durch die
Verbrennung des Zinks, was sich in der Säure anflös’t.

Die Contraction der Muskeln erzeugt Wärme, die hierzu nöthige Kraft
äußert sich durch die Organe der Bewegung, die sie durch einen
Stoffwechsel empfangen. Die letzte Ursache der erzeugten Wärme kann
natürlich nur dieser Stoffwechsel sein.

Durch die Auflösung eines Metalls in einer Säure entsteht ein
elektrischer Strom; durch einen Draht geleitet, wird dieser zu einem
Magneten, durch den wir verschiedene Effekte hervorzubringen vermögen.
Die Ursache aller erzeugten Erscheinungen ist der Magnetismus, die
Ursache der magnetischen Wirkungen suchen wir in dem elektrischen Strom,
und die letzte Ursache des elektrischen Stromes, wir finden sie in einem
Stoffwechsel, in einer chemischen Action.

Es giebt verschiedene Ursachen der Krafterzeugung; eine gespannte Feder,
ein Luftstrom, eine fallende Wassermasse, Feuer, was unter einem
Dampfkessel brennt, ein Metall, was sich in einer Säure lös’t, durch
alle diese verschiedenen Ursachen der Bewegung läßt sich einerlei Effekt
hervorbringen. In dem thierischen Körper erkennen wir aber als die
letzte Ursache aller Krafterzeugung nur _eine_, und diese ist die
Wechselwirkung, welche die Bestandtheile der Speisen und der Sauerstoff
der Luft auf einander ausüben. Die einzige bekannte und letzte Ursache
der Lebensthätigkeit im Thier sowohl, wie in der Pflanze ist ein
chemischer Proceß; schließen wir ihn aus, so stellen sich die
Lebensäußerungen nicht ein, oder sie hören auf, wahrnehmbar zu sein;
hindern wir die chemische Action, so nehmen die Lebenserscheinungen
andere Formen an.

Nach den Versuchen von _Despretz_ entwickelt 1 Loth Kohlenstoff bei
seiner Verbrennung so viel Wärme, daß damit 105 Loth Wasser von 0° auf
75° erwärmt werden können, im Ganzen also 105mal 75° = 7875° Wärme. Die
27,8 Loth Kohlenstoff, welche sich in dem Körper eines Soldaten in
Kohlensäure verwandeln, entwickeln mithin 27,8mal 7875° Wärme = 218825°
Wärme. Mit dieser Wärmemenge kann man 1 Loth Wasser auf diese Temperatur
erheben oder 68⁴/₁₀ Pfd. Wasser zum Sieden oder 185 Pfd. auf 37°
erhitzen, oder 12 Pfd. Wasser bei 37° in Dampf verwandeln.

Wenn wir nun annehmen, daß die Ausdünstung durch Haut und Lunge in 24
Stunden 48 Unzen (3 Pfd.) betrage, so bleiben, die hierzu nöthige
Wärmemenge abgezogen, 162093 Grad Wärme, welche durch Strahlung, durch
Erwärmung der ausgeathmeten Luft, durch Faeces und Urin aus dem Körper
treten.

Es ist in dieser Rechnung die durch den verbrennenden Wasserstoff, durch
seinen Uebergang in Wasser, erzeugte Wärmemenge nicht in Anschlag
gebracht. Wenn man sich nun erinnert, daß die specifische Wärme der
Knochen, des Fettes, der Substanz der Organe weit geringer ist, als die
des Wassers, daß sie also, um auf 37° erwärmt zu werden, weit weniger
Wärme bedürfen, als ein gleiches Gewicht Wasser, so kann es keinem
Zweifel unterliegen, daß, alle diese Verhältnisse mit in Rechnung
gezogen, die durch den Verbrennungsproceß erzeugte Wärme vollkommen
hinreicht, um die constante Temperatur des Körpers und die Verdunstung
zu erklären.


~VI.~

Alle Versuche der Physiker über die Sauerstoffmenge, die ein Thier in
einer gegebenen Zeit verzehrt, so wie die Schlüsse, die man daraus auf
die Entstehung der animalischen Wärme gezogen hat, sind völlig
bedeutungslos, denn diese Sauerstoffmengen wechseln, nach der Temperatur
und der Dichtigkeit der Luft, nach dem Zustand der Bewegung, Arbeit und
Anstrengung, sie ändern sich nach der Menge und Qualität der genossenen
Nahrung, mit der mehr oder weniger warmen Kleidung, nach der Zeit, in
welcher die Speise verzehrt wurde. Die Gefangenen in dem Zuchthaus
(Arbeitshaus) zu Marienschloß verzehren nicht über 21 Loth Kohlenstoff,
die in dem Arresthaus zu Gießen, denen alle Bewegung mangelt, nicht
über 17 Loth[E6] und in einer mir bekannten Haushaltung verzehrten 9
Personen (4 Kinder, 5 Erwachsene) durchschnittlich nicht über 19 Loth
Kohlenstoff[F2]. Annäherungsweise kann angenommen werden, daß die
aufgenommenen Sauerstoffmengen sich wie diese Zahlen verhalten, allein
durch Fleisch, Wein und Fettgenuß ändern sich diese Verhältnisse in
Folge des ausgetretenen Wasserstoffs dieser Nahrungsmittel, der in
seiner Verwandlung in Wasser bei gleichem Gewichte eine weit größere
Wärmemenge hervorbringt.

  [2] In dieser Haushaltung wurden im Monat verbraucht 151 Pfd.
  Schwarzbrod, 70 Pfd. Weißbrod, 132 Pfd. Fleisch, 19 Pfd. Zucker, 15,9
  Pfd. Butter, 57 Maaß Milch, der Kohlenstoff der Gemüse und Kartoffeln,
  des Wildbrets, Geflügels und Weins für die Excremente angeschlagen.

Die Versuche über die Bestimmung der Wärmemenge, die sich für einen
gegebenen Sauerstoffverbrauch aus einem Thier entwickelt, sind nicht
minder bedeutungslos. Man hat Thiere in geschlossenen, mit kaltem Wasser
umgebenen Räumen athmen lassen, die Wärmezunahme der Umgebung durch den
Thermometer gemessen und die Menge des verschwundenen Sauerstoffgases,
so wie die erzeugte Kohlensäure durch die Analyse der ein- und
ausgetretenen Luft bestimmt. In diesen Versuchen hat man gefunden, daß
das Thier mehr Wärme verlor, als dem verzehrten Sauerstoff entsprach,
und zwar ¹/₁₀ mehr, und wenn man dem Thiere die Luftröhre zugebunden
haben würde, so wäre das merkwürdige Verhältniß eingetreten, daß das
umgebende Wasser durch das erkaltende Thier Wärme empfangen hätte, ohne
allen Verbrauch von Sauerstoff. Die Temperatur des Thiers war 38°, die
des umgebenden Wassers in den Versuchen von _Despretz_ 8,5°. Diese
Versuche beweisen also, daß bei einer großen Differenz der Temperatur
des Körpers und der der Umgebung, beim Mangel aller Bewegung, mehr Wärme
entweicht, als dem eingeathmeten Sauerstoff entspricht; in gleichen
Zeiten bei freier ungehinderter Bewegung würde eine weit größere Menge
Sauerstoff aufgenommen worden sein, ohne bemerkbare Erhöhung des
Wärmeverlustes. Dieser Zustand tritt bei Menschen und Thieren zu
gewissen Jahreszeiten ein, und wir sagen in diesem Fall, daß wir
frieren. Es ist klar, daß, wenn wir einen Menschen mit einem
metallischen Kleide umgeben, der Wärmeverlust, wenn wir ihm Hände und
Füße binden, bei gleichem Sauerstoffverbrauch weit größer sein wird, als
wenn wir ihn in Pelz und Wolle stecken, ja wir finden sogar, daß er in
dem letztern Fall anfängt zu schwitzen, daß warmes Wasser quellenweise
aus den feinen Schweißlöchern seiner Haut tritt.

Wenn man hinzunimmt, daß ganz bestimmte Beobachtungen vorliegen, wo
Thiere, die gebunden in einer unnatürlichen Stellung, z. B. auf dem
Rücken liegend, athmeten, daß die Temperatur ihres Körpers durch den
Thermometer meßbar abnimmt, so kann man wohl schwerlich über die
Schlüsse, die man aus diesen Versuchen gezogen hat, im Zweifel sein.

Diese Schlüsse haben für die Meinung, daß eine andere unbekannte Quelle
der Wärme in dem thierischen Körper existire, nicht den allergeringsten
Werth.


~VII.~

Wenn wir die Erzeugung von Kraft, die Bewegungserscheinungen mit
_Nervenleben_, und den Widerstand, den Zustand des statischen
Gleichgewichtes mit _vegetativem Leben_ bezeichnen, so ist klar, daß im
jugendlichen Alter bei allen Thierklassen das letztere, nämlich das
vegetative Leben, das Nervenleben überwiegt.

Der Uebergang des in Bewegung befindlichen Stoffs in den Zustand der
Ruhe zeigt sich in einer Zunahme an Masse, in einem Ersatz an
verbrauchtem Stoffe; die Bewegung selbst, die Krafterzeugung stellt sich
dar als ein Verbrauch an Stoff.

In dem jugendlichen Thiere ist der Verbrauch kleiner, als die Zunahme,
und diesen Zustand eines intensiveren vegetativen Lebens behält das
weibliche Thier bis zu einem gewissen Lebensalter unverändert bei, es
erreicht nicht, wie beim männlichen Thiere, mit der Ausbildung aller
Organe eine Gränze.

Das weibliche Thier ist zu gewissen Perioden des Jahrs der Fortpflanzung
fähig, durch äußere Bedingungen, Temperatur, Nahrung &c. wird das
vegetative Leben in seinem Organismus gesteigert, er producirt mehr als
er verwendet; diese Fähigkeit zeigt sich in der Fortpflanzung.
Unabhängig von äußeren Bedingungen der Steigerung des vegetativen
Lebens ist das Weib des Menschen, mit der Ausbildung aller seiner
Organe, zu jeder Zeit der Fortpflanzung fähig, die Empfängniß ist an
keine Periode gebunden, und eine wunderbare Weisheit hat in seinen
Körper die Fähigkeit gelegt, bis zu einem bestimmten Lebensalter alle
Bestandtheile seiner Organe in größerer Menge zu erzeugen, als sie zur
Reproduktion der umgesetzten Gebilde erforderlich sind. Dieses Erzeugniß
enthält nachweisbar alle Elemente eines ihm gleichen Wesens, es vermehrt
sich in jedem Lebensmomente und wird, bis es Verwendung findet,
periodenweise aus dem Körper abgeschieden. Mit der Befruchtung des Ei’s
hört diese Abscheidung auf, jeder Tropfen des mehrerzeugten Blutes formt
sich zu einem der Mutter ähnlichen Organismus.

Durch Bewegung und Anstrengung wird die Menge des abgeschiedenen Blutes
geringer, und bei krankhafter Unterdrückung der Menstruation zeigt sich
das vegetative Leben in einer gesteigerten Fettbildung. Wird das
Gleichgewicht des vegetativen und Nervenlebens bei dem Manne gestört,
wird die Intensität des letztern, wie bei den Castraten, verringert, so
zeigt sich das Uebergewicht des erstern in einer gleichen Form, in einer
Steigerung der Fettbildung.


~VIII.~

Wenn wir festhalten, daß die Zunahme an Masse in dem thierischen Körper,
daß die Ausbildung seiner Organe und ihrer Reproduktion aus dem Blute,
d. h. aus den Bestandtheilen des Blutes, geschieht, so können nur
diejenigen Materien Nahrungsmittel genannt werden, welche fähig sind zu
Blut zu werden. Die Untersuchung der Stoffe, die sich hierzu eignen,
beschränkt sich hiernach auf die Ausmittelung der Zusammensetzung der
Nahrungsmittel und ihrer Vergleichung mit der Zusammensetzung der
Bestandtheile des Blutes.

Zwei Materien sind als Hauptbestandtheile des Blutes vorzüglich in
Betracht zu ziehen. Die eine davon scheidet sich augenblicklich aus dem
Blute ab, sobald es aus der Circulation genommen wird. Jedermann weiß,
daß das Blut in diesem Fall gerinnt, es trennt sich in eine gelbliche
Flüssigkeit, in _Blutserum_, und eine gallertartige Masse, die sich in
weichen, zähen elastischen Fäden an einen Stab oder eine Ruthe anhängt,
mit denen man das frische Blut während seines Gerinnens peitscht oder
schlägt. Dieser Körper ist das _Fibrin_, Blutfaserstoff, er ist
identisch in seinen Eigenschaften mit der von allen anderen Materien
befreiten Muskelfaser.

Der zweite Hauptbestandtheil des Blutes ist im Blutserum enthalten, er
ertheilt dieser Flüssigkeit alle Eigenschaften des weißen Theils des
Hühnerei’s, indem er identisch mit diesem Bestandtheil aller Eier ist.
Er gerinnt in der Hitze zu einer weißen elastischen Masse; dieser
gerinnende Bestandtheil hat den Namen _Albumin_ erhalten.

Fibrin und Albumin, die Hauptbestandtheile des Blutes, enthalten im
Ganzen 7 chemische Elemente, unter welche namentlich Stickstoff,
Phosphor und Schwefel, so wie die Substanz der Knochen gehört. In dem
Serum befinden sich Kochsalz und Salze in Auflösung, welche Kali, Natron
als Basen enthalten, sie sind mit Kohlensäure, Phosphorsäure und
Schwefelsäure verbunden. Die Blutkörperchen enthalten Fibrin und
Albumin, sowie einen rothen Farbstoff, in welchem Eisen einen nie
fehlenden Bestandtheil ausmacht. Außer diesen enthält das Blut noch
einige fette Körper in geringer Menge, die sich von den gewöhnlichen
Fetten durch verschiedene Eigenschaften unterscheiden.

Die chemische Analyse hat zu dem merkwürdigen Resultate geführt, daß
Fibrin und Albumin einerlei organische Elemente und zwar in dem
nämlichen Gewichtsverhältniß enthalten, in der Art also, daß, wenn man
zwei Analysen, die eine von Fibrin, die andere von Albumin neben
einander stellt, wir keinen größeren Unterschied in der procentischen
Zusammensetzung wahrnehmen, wie in zwei Analysen von Fibrin, oder in
zwei Analysen von Albumin.

In beiden Blutbestandtheilen sind offenbar, dies zeigt ihr verschiedener
Zustand, die Elemente auf verschiedene Weise geordnet, allein ihrer
Zusammensetzung nach sind sie identisch.

Dieser Schluß ist neuerdings aufs Schönste dadurch bestätigt worden, daß
es einem ausgezeichneten Physiologen (P. _Denis_) gelang, Fibrin in den
Zustand von Albumin künstlich überzuführen, ihm also die Löslichkeit und
Gerinnbarkeit zu geben, die das Eiweiß charakterisirt.

Neben der gleichen Zusammensetzung haben sie noch die chemische
Eigenschaft mit einander gemein, daß sie sich beide in starker Salzsäure
zu einer intensiv indigblauen Flüssigkeit lösen, welche gegen alle
Materien, die man damit zusammenbringt, ein ganz gleiches Verhalten
zeigt.

Albumin und Fibrin können beide in dem Ernährungsprocesse zu Muskelfaser
werden, und Muskelfaser kann rückwärts wieder in Blut übergehen. Dieser
Uebergang ist von den Physiologen längst außer allen Zweifel gestellt,
und die Chemie hat also nur nachgewiesen, daß die Metamorphose rückwärts
und vorwärts erfolgen kann, kraft einer einwirkenden Thätigkeit, ohne
Zuhülfenahme eines dritten Körpers oder seiner Bestandtheile, ohne daß
also ein fremdes Element aufgenommen zu werden oder ein in Verbindung
vorhandenes auszutreten braucht.

Wenn wir nun die Zusammensetzung aller Gebilde mit der des Fibrins und
Albumins im Blute vergleichen, so ergeben sich folgende Beziehungen.

Alle Theile des Thierkörpers, die eine bestimmte Form besitzen, welche
Bestandtheile von Organen sind, enthalten Stickstoff. Kein Theil oder
Bestandtheil eines Organs, welches Bewegung und Leben besitzt, ist frei
von Stickstoff, alle enthalten Kohlenstoff und die Elemente des Wassers,
wiewohl diese letzteren _nie_ in dem Verhältniß, wie im Wasser.

Die Hauptbestandtheile des Blutes enthalten nahe an 17 ~pCt.~
Stickstoff, kein Theil eines Organs enthält weniger, wie siebzehn
Procent Stickstoff[E7].

Die entscheidendsten Versuche und Beobachtungen haben bewiesen, daß der
thierische Organismus durchaus unfähig ist, ein chemisches Element,
Kohlenstoff oder Stickstoff, aus anderen Materien, in denen diese Körper
fehlen, hervorzubringen, und es ist hiernach einleuchtend, daß alle
Nahrungsmittel, die zur Blutbildung oder zur Bildung von Zellen,
Membranen, Haut, Haaren, Muskelfaser dienen sollen, eine gewisse Portion
Stickstoff enthalten müssen, eben weil dieser einen Bestandtheil der
genannten Organe ausmacht, diese aus anderen Elementen, die man ihnen
darbietet, keinen Stickstoff erzeugen können und weil kein Stickstoff
aus der Atmosphäre in dem Lebensproceß verwendet wird.

Der thierische Körper enthält in der Nerven- und Gehirnsubstanz eine
große Menge Albumin und außer diesem zwei eigenthümliche fette Säuren,
die sich von allen anderen Fetten durch einen Gehalt von
Phosphor(-säure?) unterscheiden (_Frémy_). Eins dieser Fette enthält
Stickstoff.

Wasser und Fett machen zuletzt die stickstofffreien Bestandtheile des
Thierkörpers aus, beide sind formlos und nehmen nur in sofern Antheil an
dem Lebensproceß, als durch sie die Lebensfunktionen vermittelt werden.
Die nicht-organischen Bestandtheile des Thierkörpers sind Eisen, Kalk,
Bittererde, Kochsalz, sowie die Alkalien.


~IX.~

Die Ernährung der Fleischfresser nimmt unter allen Thierklassen die
einfachste Form an; sie leben vom Blut und Fleisch der gras- und
körnerfressenden Thiere, allein dieses Blut und Fleisch ist identisch in
allen seinen Eigenschaften mit ihrem eigenen Blut und Fleisch, weder
chemisch, noch physiologisch ist ein Unterschied wahrnehmbar.

Die Nahrung der fleischfressenden Thiere ist aus Blut entstanden, sie
wird in ihrem Magen flüssig und überführbar in andere Körpertheile, sie
wird in ihrem Leibe wieder zu Blut, und aus diesem Blut erzeugen sich
alle Theile ihres Körpers wieder, die eine Veränderung oder Umsetzung
erlitten haben.

Bis auf Klauen, Haare, Federn und Knochenerde ist kein Bestandtheil der
Nahrung der Carnivoren unassimilirbar.

In chemischem Sinne kann man also sagen, daß das fleischfressende Thier
zur Erhaltung seiner Lebensprocesse sich selbst verzehrt.

Dasjenige, was zu seiner Ernährung dient, ist identisch mit den
Bestandtheilen seiner Organe, welche erneuert werden sollen.

Ganz anders stellt sich dem Anschein nach der Ernährungsproceß der
pflanzenfressenden Thiere dar; ihre Verdauungsorgane sind minder einfach
und ihre Nahrung besteht aus Vegetabilien, die ihrer Hauptmasse nach nur
sehr wenig Stickstoff enthalten.

Aus welchen Stoffen, kann man fragen, entsteht bei ihnen das Blut, aus
dem sich ihre Organe entwickeln?

Diese Frage läßt sich mit genügender Sicherheit beantworten.

Die chemischen Untersuchungen haben dargethan, daß alle Theile von
Pflanzen, welche Thieren zur Nahrung dienen, gewisse Bestandtheile
enthalten, welche reich sind an Stickstoff, und die gewöhnlichsten
Erfahrungen beweisen, daß die Thiere zu ihrer Erhaltung und Ernährung
der Quantität nach um so weniger von diesen Pflanzentheilen bedürfen, je
reicher sie an diesen stickstoffhaltigen Stoffen sind; sie können nicht
mit Materien ernährt werden, worin sie fehlen.

In vorzüglicher Menge sind diese Erzeugnisse der Pflanzen in den Samen
der Getreidearten, der Erbsen, Linsen, Bohnen, in Wurzeln und in den
Säften der sogenannten Gemüspflanzen enthalten, sie fehlen übrigens in
keiner einzigen Pflanze, in keinem ihrer Theile.

Diese stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe lassen sich im Ganzen auf drei
Materien zurückführen, die ihrer äußern Beschaffenheit nach leicht von
einander zu unterscheiden sind. Zwei davon sind im Wasser löslich, der
dritte wird davon nicht aufgenommen.

Wenn man frisch ausgepreßte Pflanzensäfte sich selbst überläßt, so tritt
nach wenigen Minuten eine Scheidung ein, es sondert sich ein gelatinöser
Niederschlag ab, gewöhnlich von grüner Farbe, welcher, mit Flüssigkeiten
behandelt, die den Farbestoff lösen, eine grauweiße Materie hinterläßt.
Diese Substanz ist unter dem Namen _grünes Satzmehl_ der Pflanzensäfte
den Pharmaceuten wohl bekannt. Dieß ist der eine von den
stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln der Thiere, er hat den Namen
_Pflanzenfibrin_ erhalten. Der Saft der Gräser ist vorzüglich reich an
diesem Bestandtheil, er ist in reichlichster Menge in dem Weizensamen,
so wie überhaupt in den Samen der Cerealien enthalten, und kann aus dem
Weizenmehl durch eine mechanische Operation ziemlich rein erhalten
werden. In diesem Zustande heißt er _Kleber_, allein die klebenden
Eigenschaften gehören ihm nicht an, sondern einer geringen Menge eines
beigemischten fremden Körpers, der in den Samen der übrigen
Getreidearten fehlt.

Wie sich aus der Art seiner Darstellung ergiebt, ist das Pflanzenfibrin
im Wasser nicht löslich, obwohl man nicht zweifeln kann, daß es in der
lebenden Pflanze im Safte gelös’t vorhanden war, aus dem es sich,
ähnlich wie das Fibrin aus Blut, erst später abschied.

Der zweite stickstoffhaltige Nahrungsstoff ist in dem Safte der Pflanzen
gelös’t, er scheidet sich daraus bei gewöhnlicher Temperatur nicht ab,
wohl aber, wenn der Pflanzensaft zum Sieden erhitzt wird.

Bringt man den ausgepreßten klaren Saft, am besten von Gemüspflanzen,
von Blumenkohl, Spargel, Kohlrüben, weißen Rüben u. s. w. zum Sieden, so
entsteht darin ein Coagulum, welches in seiner äußern Beschaffenheit und
seinen Eigenschaften schlechterdings nicht zu unterscheiden ist von dem
Körper, der sich als Gerinnsel abscheidet, wenn man mit Wasser
verdünntes Blutserum oder Eiweiß der Siedhitze aussetzt. Dies ist das
_Pflanzenalbumin_; in vorzüglicher Menge findet sich dieser Körper in
gewissen Samen, in Nüssen, Mandeln und anderen, in denen das Amylon der
Getreidesamen sich vertreten findet durch Oel oder Fett.

Der dritte stickstoffhaltige Nahrungsstoff, den die Pflanzen produciren,
das _Pflanzencasein_, findet sich hauptsächlich in den Samenlappen der
Erbsen, Linsen und Bohnen, er ist wie das Pflanzenalbumin im Wasser
löslich, unterscheidet sich aber von ihm dadurch, daß seine Auflösung
durch Hitze nicht coagulirt wird; beim Abdampfen und Erhitzen zieht sie
an der Oberfläche eine Haut, und, mit Säuren versetzt, entsteht darin
ein Gerinnsel wie in der Thiermilch.

Diese drei Stoffe, Pflanzen-Fibrin, -Albumin und -Casein, sind die
eigentlichen stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe der pflanzenfressenden
Thiere, alle anderen in Pflanzen vorkommenden stickstoffhaltigen
Materien werden entweder, wie die Stoffe in den Giftpflanzen und
Medizinalpflanzen, von den Thieren nicht genossen, oder sie sind ihrer
Nahrung in so außerordentlich kleinen Mengen beigemischt, daß sie zur
Vermehrung der Masse ihres Körpers nicht beizutragen vermögen.

Die chemische Untersuchung der drei genannten Substanzen hat zu dem
interessanten Resultate geführt, daß sie einerlei organische Elemente in
dem nämlichen Gewichts-Verhältnisse enthalten, und was noch weit
merkwürdiger ist, es hat sich ergeben, daß sie identisch sind in ihrer
Zusammensetzung mit den Hauptbestandtheilen des Blutes, mit Fibrin und
Albumin. Sie lösen sich alle drei in concentrirter Salzsäure mit der
nämlichen indigblauen Farbe auf, und auch in ihren physikalischen
Eigenschaften sind Thierfibrin und Thieralbumin von Pflanzenfibrin und
Pflanzenalbumin in keiner Weise verschieden. Es verdient ganz besonders
hervorgehoben zu werden, daß hier unter einer gleichen Zusammensetzung
nicht bloß eine ähnliche gemeint ist, sondern es ist auch in Beziehung
auf ihren Gehalt an Phosphor, Schwefel, Knochenerde und Alkalien kein
Unterschied wahrnehmbar[E8].

In welcher bewundernswürdigen Einfachheit erscheint nach diesen
Entdeckungen der Bildungsproceß im Thiere, die Entstehung seiner Organe,
der Hauptträger der Lebensthätigkeit. Die Pflanzenstoffe, welche in den
Thieren zur Blutbildung verwendet werden, enthalten die
Hauptbestandtheile des Blutes, Fibrin und Albumin, fertig gebildet allen
ihren Elementen nach, alle Pflanzen enthalten noch überdies eine gewisse
Menge Eisen, was wir im Blutfarbestoff wiederfinden. Pflanzenfibrin und
Thierfibrin, Pflanzenalbumin und Thieralbumin sind kaum der Form nach
verschieden; wenn diese Stoffe in der Nahrung der Thiere fehlen, so hört
die Ernährung der Thiere auf, und wenn sie darin gegeben werden, so
empfängt das pflanzenfressende Thier die nämlichen Materien, auf welche
die fleischfressenden zu ihrer Erhaltung beschränkt sind.

Die Pflanzen erzeugen in ihrem Organismus das Blut aller Thiere, denn in
dem Blut und Fleisch der pflanzenfressenden verzehren die
fleischfressenden im eigentlichen Sinne nur die Pflanzenstoffe, von
denen die ersteren sich ernährt haben; Pflanzenfibrin und -Albumin
nehmen in dem Magen des pflanzenfressenden Thiers genau die nämliche
Form an, wie Thierfibrin und Thieralbumin in dem Magen der Carnivoren.

Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich, daß die Entwickelung der Organe
eines Thiers, ihre Vergrößerung und Zunahme an Masse an die Aufnahme
gewisser Stoffe geknüpft ist, die identisch sind mit den
Hauptbestandtheilen ihres Blutes.

In diesem Sinne kann man sagen, daß der Thierorganismus sein Blut nur
der Form nach schafft, daß ihm die Fähigkeit mangelt, es aus anderen
Stoffen zu erzeugen, die nicht identisch sind mit seinen
Hauptbestandtheilen. Damit kann freilich nicht behauptet werden, daß ihm
die Fähigkeit, andere Verbindungen zu erzeugen, abgehe, wir wissen im
Gegentheil, daß sein Organismus eine große Reihe von seinen
Blutbestandtheilen in ihrer Zusammensetzung abweichender Verbindungen
hervorbringt, aber den Anfangspunkt der Reihe, seine Blutbestandtheile,
diese kann er sich nicht bilden.

Der Thierorganismus ist eine höhere Pflanze, deren Entwickelung mit
denjenigen Materien beginnt, mit deren Erzeugung das Leben der
gewöhnlichen Pflanze aufhört; sobald diese Samen getragen hat, stirbt
sie ab, oder es hört damit eine Periode ihres Lebens auf.

In der unendlichen Reihe von Verbindungen, welche mit den
Nahrungsstoffen der Pflanzen, mit Kohlensäure und Ammoniak und Wasser
anfängt, bis zu den zusammengesetztesten Bestandtheilen des Gehirns im
Thierkörper finden wir keine Lücke, keine Unterbrechung. Der erste
Nahrungsstoff des Thieres ist das letzte Produkt der schaffenden
Thätigkeit der Pflanze.

Die Substanz der Zellen und Membranen, der Nerven und des Gehirns
erzeugt die Pflanze nicht.

Das Wunderbare in der schaffenden Thätigkeit der Pflanze verliert sich,
wenn man erwägt, daß die Erzeugung der Blutbestandtheile nicht
auffallender erscheinen kann, als wenn wir Ochsentalg und Hammelstalg
(in den Kakaobohnen), oder Menschenschmalz (im Olivenöl), oder die
Hauptbestandtheile der Kuhbutter (Palmbutter) auf Bäumen wachsend
finden, daß wir das Pferdefett und den Fischthran in den ölreichen Samen
entstehen sehen.


~X.~

So wenig man nun auch, wie sich aus dem Vorhergehenden ergiebt, über die
Art und Weise in Ungewißheit sein kann, wie die Zunahme in der Masse der
Organe eines Thieres vor sich geht, so bleibt immer noch eine überaus
wichtige Frage zu lösen, die Rolle nämlich auszumitteln, welche die
stickstofffreien Substanzen, Zucker, Amylon, Gummi, Pectin u. s. w. in
dem thierischen Körper spielen.

Die größte aller Thierklassen kann ohne diese Materien nicht leben, ihre
Nahrung muß eine gewisse Menge davon enthalten, und wir sehen ihrem
Leben ein rasches Ziel gesetzt, wenn sie in ihr fehlen.

Diese wichtige Frage erstreckt sich gleichfalls auf die Bestandtheile
der Nahrung des fleischfressenden Thieres in der frühsten Periode seines
Lebens, denn auch diese Nahrung enthält gewisse Bestandtheile, welche
sein Körper zu seiner Erhaltung im erwachsenen Zustande nicht bedarf.

In dem jugendlichen Körper der Fleischfresser geschieht offenbar die
Ernährung in einer ähnlichen Weise, wie in dem Körper der
pflanzenfressenden Thiere; seine Entwickelung ist an die Aufnahme einer
Flüssigkeit gebunden, welche der Leib der Mutter in der Form der Milch
absondert.

Die Milch enthält nur einen stickstoffhaltigen Bestandtheil, den
sogenannten Käsestoff, Casein; außer diesem sind ihre Hauptbestandtheile
Butter (Fett) und Milchzucker.

Aus dem stickstoffhaltigen Bestandtheil der Milch muß das Blut des
jungen Thieres, seine Muskelfaser, Zellen und Nervensubstanz und seine
Knochen, erzeugt worden sein, denn Butter und Milchzucker enthalten
keinen Stickstoff.

Die Untersuchung des Caseins hat nun zu dem Resultate geführt, was nach
dem Vorhergehenden kaum mehr überraschen kann, daß auch dieser Stoff
identisch ist in seiner Zusammensetzung mit den Hauptbestandtheilen des
Blutes, mit Fibrin und Albumin, ja was noch mehr ist, die Vergleichung
seiner Eigenschaften mit denen des Pflanzencaseins hat gezeigt, daß er
mit diesem auch identisch ist in allen seinen Eigenschaften, in der Art
also, daß gewisse Pflanzen wie die Erbsen, Bohnen, Linsen, den
nämlichen Körper zu erzeugen vermögen, welcher aus dem Blute der Mutter
entsteht und zur Blutbildung in dem Körper des jungen Thieres verwendet
wird[E9].

In dem Casein, das sich durch seine außerordentliche Löslichkeit und
Nichtgerinnbarkeit in der Wärme von dem Fibrin und Albumin
unterscheidet, empfängt demnach das junge Thier, seinem
Hauptbestandtheil nach, das Blut seiner Mutter; zu seinem Uebergang in
Blut gehört kein dritter Stoff, und keiner der Bestandtheile des Blutes
seiner Mutter trennt sich davon bei ihrem Uebergang in Casein. In
chemischer Verbindung enthält das Casein der Milch eine weit größere
Quantität von Knochenerde, als wie das Blut, und zwar in höchst
löslichem Zustande, überführbar also in alle Körpertheile. Auch in der
frühsten Periode ihres Lebens ist die Entwickelung und Ausbildung der
Träger der Lebensthätigkeit im jungen Thiere an die Aufnahme einer
Materie gebunden, welche in Beziehung auf seine organischen
Bestandtheile identisch ist in ihrer Zusammensetzung mit den
Hauptbestandtheilen seines Blutes.

Wozu dient nun aber das Fett der Butter, der Milchzucker? Was ist der
Grund, warum sie zu dem Leben der jungen Thiere unentbehrlich sind?

Butter und Milchzucker enthalten keine fixen Basen, keinen Kalk, kein
Natron, kein Kali; der Milchzucker besitzt eine den gewöhnlichen
Zuckerarten, dem Amylon, dem Gummi ähnliche Zusammensetzung, sie
bestehen aus Kohlenstoff und den Elementen des Wassers, und zwar genau
in dem nämlichen Verhältnisse, wie im Wasser.

Durch diese stickstofffreien Stoffe ist also ihren stickstoffhaltigen
eine gewisse Menge von Kohlenstoff, oder, wie in der Butter, von
Kohlenstoff und Wasserstoff zugesetzt, ein Ueberschuß von Elementen
also, der zur Blutbildung schlechterdings nicht verwendet werden kann,
eben weil ihre stickstoffhaltigen Nahrungsmittel genau die
Kohlenstoffmengen schon enthalten, welche zur Bildung von Fibrin und
Albumin nöthig sind.

Man kann, wie aus den folgenden Betrachtungen sich ergeben wird, kaum
einen Zweifel hegen, daß dieser Ueberschuß an Kohlenstoff allein, oder
an Kohlen- und Wasserstoff zur Hervorbringung der animalischen Wärme,
daß er zum Widerstand gegen die äußere Einwirkung des Sauerstoffs
verwendet wird.


~XI.~

Betrachten wir zuförderst, um zu einer klareren Einsicht in das Wesen
des Ernährungsprocesses in den beiden Thierklassen zu gelangen, die
Veränderungen, welche die Nahrung des fleischfressenden Thieres in
seinem Organismus erfährt.

Wir geben einer erwachsenen Schlange eine Ziege, ein Kaninchen oder
einen Vogel zu verzehren und finden, daß die Haare, Klauen, Federn,
Knochen dieser Thiere scheinbar unverändert ausgeworfen werden, denn sie
haben ihre Form und natürliche Beschaffenheit behalten, sie sind
zerbrechlich, weil sie von allen nur den der Auflösung fähigen
Bestandtheil (Leimsubstanz) verloren haben. Eigentliche Faeces gehen von
der Schlange so wenig, wie von den fleischfressenden Vögeln ab.

Das Fleisch, das Fett, das Blut, die Gehirn- und Nervensubstanz des
verzehrten Thieres, alles übrige ist, wenn die Schlange ihr
ursprüngliches Gewicht wieder erhalten hat, verschwunden.

Als das einzige Excrement finden wir eine Materie, welche durch die
Harnwege ausgeleert wird; im trocknen Zustande ist sie blendend weiß wie
Kreide, sie ist sehr reich an Stickstoff, und enthält nur kohlensauren
und phosphorsauren Kalk beigemischt.

Dieses Excrement ist harnsaures Ammoniak, eine chemische Verbindung, in
welcher sich der Stickstoff zum Kohlenstoff in dem nämlichen Verhältniß
befindet, wie im sauren kohlensauren Ammoniak, sie enthält auf 1 Aeq.
Stickstoff 2 Aeq. Kohlenstoff.

Die Muskelfaser, das Blut, die Membranen und Häute enthielten aber auf
die nämliche Quantität Stickstoff viermal so viel Kohlenstoff, nämlich 8
Aequivalente, und wenn man hierzu den Kohlenstoff des genossenen Fettes,
der Nerven- und Gehirnsubstanz hinzurechnet, so ist klar, daß die
Schlange auf 1 Aeq. Stickstoff weit mehr als 8 Aeq. Kohlenstoff verzehrt
hat.

Wenn wir nun annehmen, daß das harnsaure Ammoniak allen Stickstoff des
verzehrten Thieres enthält, so sind offenbar im geringsten Falle 6 Aeq.
Kohlenstoff, die mit diesem Stickstoff verbunden waren, in einer andern
Form ausgetreten, wie die übrigen zwei Atome, die wir im harnsauren
Ammoniak wiederfinden.

Wir wissen nun mit zweifelloser Gewißheit, daß dieser Kohlenstoff aus
Haut und Lunge ausgetreten ist, und zwar konnte dies nur geschehen in
der Form einer Sauerstoffverbindung.

Die Excremente eines Bussards, der mit Rindfleisch gefüttert worden, aus
der Kloake genommen, bestanden der Untersuchung nach (L. _Gmelin_ u.
_Tiedemann_) aus harnsaurem Ammoniak. Ebenso sind die Faeces bei Löwen
und Tiegern sparsam und trocken, sie enthalten der Hauptsache nach
Knochenerde und nur Spuren von kohlenstoffhaltigen Materien, aber ihr
Harn enthält kein harnsaures Ammoniak, sondern Harnstoff, eine
Verbindung, welche Stickstoff und Kohlenstoff im Verhältniß wie im
neutralen kohlensauren Ammoniak enthält.

Angenommen, daß ihre Nahrung (Fleisch &c.) Stickstoff und Kohlenstoff in
dem Verhältniß wie 1 : 8 enthielt, so finden wir in dem Harn beide nur
in dem Verhältniß wie 1 : 1 wieder, ein kleineres Verhältniß von
Kohlenstoff also, wie bei den Schlangen, in denen der Respirationsakt
bei weitem weniger thätig ist.

Aller Kohlenstoff und Wasserstoff, den die Nahrung dieser Thiere mehr
enthielt, als wir in ihren Excrementen wieder finden, sie sind, als
Kohlensäure und Wasser, durch den Respirationsproceß verschwunden.

Hätten wir das verzehrte Thier in einem Ofen verbrannt, so würde die
vorgegangene Veränderung nur der Form der Stickstoffverbindungen nach
eine andere gewesen sein.

Den Stickstoff würden wir als kohlensaures Ammoniak, den übrigen
Kohlenstoff als Kohlensäure, den übrigen Wasserstoff als Wasser
wiederbekommen haben. Es würden die unverbrennlichen Theile als Asche,
die unverbrannten als Ruß übrig geblieben sein. Die festen Excremente
sind aber nichts anders als die im Thierkörper unverbrennlichen, oder
unvollkommen verbrannten Theile der Nahrung.

In dem Vorhergehenden ist angenommen worden, daß die Bestandtheile der
von dem Thiere genossenen Nahrungsmittel in seinem Organismus, in Folge
des durch Lunge und Haut aufgenommenen Sauerstoffs, ihr Kohlenstoff in
Kohlensäure, ihr Wasserstoff und ihr Stickstoff in eine chemische
Verbindung, welche die Elemente des kohlensauren Ammoniaks enthält,
übergehen.

Diese Voraussetzung ist nur der äußeren Erscheinung nach wahr, in der
That erlangt nach einer gewissen Zeit der Thierkörper sein
ursprüngliches Gewicht wieder, sein Gehalt an Kohlenstoff und den andern
Elementen hat in seinem Körper nicht zugenommen, es ist genau so viel
Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff &c. wieder ausgetreten, als ihm
davon in der Speise zugeführt wurde. Aber nichts kann gewisser sein, als
daß der ausgetretene Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff nicht von
der Speise herrührt, wenn sie auch, der Quantität nach, den dadurch
zugeführten gleich waren.

Es wäre aller Vernunft entgegen, wenn man annehmen wollte, die Stillung
des Hungers, das Bedürfniß nach Speise habe keinen andern Zweck, als die
Erzeugung von Harnstoff, Harnsäure, Kohlensäure und den andern
Excrementen, von Materien, die der Körper ausstößt, in seiner
Haushaltung also zu nichts verwendet.

Die Speisen dienen in dem erwachsenen Thiere zum Ersatz an verbrauchtem
Stoff, gewisse Theile der Organe haben ihren Zustand des Lebens
verloren, sie sind aus der Substanz der Organe ausgetreten, sie haben
sich zu neuen und zwar formlosen Verbindungen umgesetzt.

Die Speise des Fleischfressers wurde zur Blutbildung verwendet und aus
dem neuerzeugten Blute haben sich die umgesetzten Organe wieder neu
gebildet. Der Kohlenstoff und Stickstoff der Nahrung sind zu
Bestandtheilen des Organismus geworden.

Eben so viel Kohlenstoff und Stickstoff als die Organe abgegeben haben,
genau so viel ist ihnen durch das Blut und in letzter Form durch die
Speise wieder ersetzt worden.

Wo sind denn aber, kann man fragen, die neuen Verbindungen hingekommen,
welche durch die Umsetzung der Bestandtheile der Organe, der
Muskelfaser, der Substanz der Membranen und Zellen, der Nerven- und
Gehirnsubstanz, entstanden sind?

Diese neuen Verbindungen, sie konnten keinen Moment, insofern sie
löslich waren, an dem Platze beharren, wo sie entstanden sind, denn eine
sehr wohlbekannte Thätigkeit, die Blutcirculation nämlich, widersetzt
sich diesem Beharren.

Durch die Erweiterung des Herzens, in dem sich zwei Systeme von Kanälen
vereinigen, welche sich in ein unendlich feines Netzwerk von Röhrchen
durch alle Theile des Thierkörpers hin verzweigen, entsteht abwechselnd
ein luftleerer Raum, in dessen unmittelbarer Folge, durch den äußern
atmosphärischen Druck, alle Flüssigkeiten, die in dieses Röhrensystem
gelangen können, nach der einen Seite des Herzens hin mit großer Gewalt
getrieben werden. Diese Bewegung wird bei der Zusammenziehung des
Herzens durch einen von dem Gewichte der Atmosphäre unabhängigen Druck
aufs kräftigste unterstützt.

Wir haben mit einem Worte in dem Herzen eine Druckpumpe, durch welche
arterielles Blut in alle Theile des Körpers getrieben wird, und eine
Saugpumpe, durch welche alle Flüssigkeiten, von welcher Beschaffenheit
sie auch sein mögen, sobald sie in das Röhrensystem der Saugadern, die
sich mit den Venen vereinigen, gelangen können, nach dem Herzen hin
geführt werden. Diese Aufsaugung, in Folge des im Herzen entstandenen
luftleeren Raums, ist ein rein mechanischer Act, der sich, wie bemerkt,
auf flüssige Stoffe jeder Art, Salzauflösungen, Gifte &c. erstreckt. Es
ist nun einleuchtend, daß durch das Einströmen des arteriellen Blutes in
die Capillargefäße alle dort vorhandenen Flüssigkeiten, sagen wir die
löslichen Verbindungen, die durch die Umsetzung der Gebilde entstanden
sind, eine Bewegung nach dem Herzen hin empfangen müssen.

Diese Materien können zur Neubildung der nämlichen Organe, aus denen
sie entstanden sind, nicht verwendet werden; sie gelangen durch das
Saug- und Lymphgefäßsystem in die Venen, wo ihre Anhäufung dem
Ernährungsproceß eine sehr rasche Grenze setzen würde, wenn sich dieser
Ansammlung nicht zwei, ganz besonders zu diesem Zwecke eingerichtete,
Filtrirapparate widersetzen würden.

Das venöse Blut nimmt, ehe es zum Herzen gelangt, seinen Weg durch die
Leber, das arterielle Blut geht durch die Nieren, welche alle für den
Ernährungsproceß untauglichen Stoffe davon scheiden.

Die neuentstandenen Verbindungen, welche den Stickstoff der umgesetzten
Organe enthalten, sammeln sich in der Harnblase an und treten, indem sie
einer weiteren Verwendung durchaus unfähig sind, aus dem Körper aus.

Alle anderen, welche den Kohlenstoff der umgesetzten Gebilde enthalten,
sammeln sich in Gestalt einer löslichen, mit Wasser in allen
Verhältnissen mischbaren Natronverbindung in der Gallenblase an, aus der
sie sich im Duodenum mit dem Speisebrei wieder mischen. Alle Theile der
Galle, die ihre Löslichkeit in dem Verdauungsproceß nicht verlieren,
kehren während der Verdauung frisch genossener Nahrung im unendlich fein
zertheilten Zustande wieder in den Körper zurück. Das Natron der Galle,
so wie alle durch schwache Säure nicht fällbaren, kohlenstoffreichen
Bestandtheile (diese betragen ⁹⁹/₁₀₀ aller übrigen), behalten ihre
Fähigkeit, durch die Saugadern des Dünndarms und Dickdarms wieder
resorbirt zu werden, unverändert bei. Ja diese Fähigkeit ist direct
beweisbar durch gallehaltige Klystiere, deren Gallegehalt mit der
Flüssigkeit im Mastdarm verschwindet.

Die stickstoffhaltigen Verbindungen, welche in Folge der Umsetzung der
Gebilde entstanden, wir wissen genau, daß sie, durch die Nieren von dem
arteriellem Blute geschieden, als einer weiteren Veränderung durchaus
unfähig, aus dem Körper treten, aber die kohlenstoffreichen Produkte,
sie kehren in den Körper des fleischfressenden Thieres zurück.

Die Nahrung des fleischfressenden Thieres ist identisch mit den
Hauptbestandtheilen seines Körpers; die Metamorphosen, welche seine
Gebilde erfahren, sie müssen identisch sein mit den Veränderungen,
welche in ihren Lebensakten ihre Nahrungsmittel erleiden.

Das verzehrte Fleisch und Blut giebt seinen Kohlenstoff zur Unterhaltung
des Respirationsprocesses her, seinen Stickstoff erhalten wir als
Harnstoff oder Harnsäure wieder. Ehe aber diese letzte Veränderung
erfolgt, wird das todte Fleisch und Blut zu lebendigem Fleisch und Blut,
und es ist im eigentlichen Sinne der Kohlenstoff der durch Umsetzung der
lebenden Gebilde entstandenen Verbindungen, welcher zur Hervorbringung
der thierischen Wärme dient.

Die Speise des Fleischfressers verwandelt sich in Blut, das Blut ist
bestimmt zur Reproduktion der Organe, durch die Blutcirculation wird ein
Strom von Sauerstoff allen Theilen des Körpers zugeführt. Die Träger
dieses Sauerstoffs, die Blutkörperchen, welche nachweisbar keinen
Antheil an dem Nutritionsprocesse nehmen, geben ihn beim Durchgang
durch die Capillargefäße wieder ab. Dieser Sauerstoffstrom begegnet auf
diesem Wege den durch die Umsetzung der Gebilde entstandenen
Verbindungen, er verbindet sich mit ihrem Kohlenstoff zu Kohlensäure,
mit ihrem Wasserstoff zu Wasser, und alles, was diesen Oxydationsproceß
nicht erlitten hat, kehrt in der Form von Galle wieder in den Körper
zurück, wo sie nach und nach völlig verschwindet.

Bei den Fleischfressern enthält die Galle den Kohlenstoff der
umgesetzten Gebilde, dieser Kohlenstoff verschwindet in dem thierischen
Körper, die Galle verschwindet in dem Lebensproceß, ihr Kohlenstoff
tritt als Kohlensäure, ihr Wasserstoff als Wasser durch Haut und Lunge
aus; es ist klar, die Bestandtheile der Galle dienen zur Respiration und
zur Hervorbringung der animalischen Wärme. Alle Theile der Nahrung der
Fleischfresser sind fähig in Blut überzugehen, ihre Excremente enthalten
nur anorganische Substanz (Knochenerde &c.), und was wir an organischen
Stoffen diesen beigemischt finden, sind lediglich Excretionen, welche
den Durchgang durch die Eingeweide vermitteln. Bei den fleischfressenden
Thieren enthalten die Excremente keine Galle, kein Natron; keine Spur
einer der Galle ähnlichen Substanz wird von Wasser daraus aufgenommen,
die Galle ist aber in allen Verhältnissen darin löslich und damit
mischbar.

Ueber den Ursprung der Bestandtheile des Harns und der Galle können die
Physiologen nicht im Zweifel sein; wenn der Magen bei Enthaltung aller
Speise sich darmartig zusammenzieht, kann sich aus der Gallenblase, da
sie keine Bewegung empfängt, keine Galle ergießen; in dem Körper der
Verhungerten finden wir die Gallenblase straff und voll. Wir beobachten
Galle- und Harnsekretion bei den Winterschläfern, wir wissen, daß der
Harn der Thiere (Hunde), die während 18 bis 20 Tagen keine andere
Nahrung als reinen Zucker bekamen, ebensoviel an dem stickstoffreichsten
Produkt des Thierkörpers, ebensoviel Harnstoff enthielt, als im gesunden
Zustande (_Marchand_, _Erdm_. J. ~XIV.~ ~p.~ 495.). Unterschiede in der
Menge des secernirten Harnstoffs erklären sich in diesen und ähnlichen
Versuchen durch den Mangel oder die Gestattung der natürlichen
Bewegungen. Eine jede Bewegung steigert den Umsatz der Gebilde, nach
einem jeden Spaziergang vermehrt sich beim Menschen die Harnsekretion.

Der Harn der Säugethiere, Vögel, der Amphibien enthält Harnsäure oder
Harnstoff, der Koth der Weichthiere, der Insecten, der Canthariden, des
Seidenwurm-Schmetterlings enthält harnsaures Ammoniak; die Beständigkeit
des Vorkommens einer oder zweier Stickstoff-Verbindungen in den
Ausleerungen der Thiere, bei einer so großen Verschiedenheit in der
genossenen Nahrung, zeigt mit Bestimmtheit an, daß sie aus einer und
derselben Quelle entspringen.

Ebensowenig zweifelhaft kann man über die Rolle sein, welche die Galle
in dem Lebensproceß übernimmt. Wenn man sich erinnert, daß essigsaures
Kali, in der Form eines Klystiers oder als Fußbad genommen, den Harn im
hohen Grade alkalisch macht (_Rehberger_ in _Tiedemann’s_ Zeitschrift
für Physiologie ~II.~ 149.), daß die Umwandlung, welche hier die
Essigsäure erfährt, nicht ohne ein Hinzutreten von Sauerstoff gedacht
werden kann, so ist klar, daß die löslichen Bestandtheile der Galle,
veränderlich im hohen Grade, so wie wir sie kennen, _welche_ durch die
Eingeweide in den Organismus wieder zurückkehren, da sie zur Blutbildung
nicht verwendet werden können, der Einwirkung des Sauerstoffs in einer
ganz ähnlichen Weise unterliegen müssen. Die Galle ist eine
Natronverbindung, deren Bestandtheile in dem Körper des
fleischfressenden Thieres bis auf das Natron verschwinden.

Nach der Ansicht vieler der ausgezeichnetsten Physiologen ist die Galle
zur Ausleerung bestimmt, und nichts kann gewisser sein, als daß eine an
Stickstoff so arme Materie in dem Nutritionsproceß keine Rolle
übernimmt, allein die quantitative Physiologie muß die Ansicht, daß sie
zu keinerlei Zwecken dient, daß sie unfähig zu weiteren Veränderungen
ist, mit Entschiedenheit zurückweisen.

Kein Bestandtheil eines Organs enthält Natron, nur in dem Blute
(~Serum~), in dem Gehirnfett und in der Galle haben wir
Natronverbindungen. Wenn die Natronverbindungen des Bluts in
Muskelfaser, in Membranen und Zellen übergehen, so muß ihr Natron in
eine neue, in eine andere Verbindung treten; das in Muskelfaser, in
Membranen übergehende Blut giebt sein Natron an Verbindungen ab, welche
durch die Umsetzung der Gebilde entstanden sind. Eine dieser neuen
Natronverbindungen erhalten wir in der Galle wieder.

Wäre die Galle zur Ausleerung bestimmt, so müßten wir sie verändert
oder unverändert, wir müßten das Natron in den festen Excrementen
wiederfinden. Aber bis auf gewisse Mengen von Kochsalz und
schwefelsauren Salzen, welche Bestandtheile aller thierischen
Flüssigkeiten sind, finden wir in den festen Excrementen nur Spuren von
Natronverbindungen. Das Natron der Galle ist aber jedenfalls aus den
Eingeweiden in den Organismus wieder zurückgekehrt, und das nämliche muß
von den organischen Stoffen gelten, die mit diesem Natron verbunden
bleiben.

Ein Mensch secernirt nach den Beobachtungen der Physiologen 17-24 Unzen
Galle, ein großer Hund 36 Unzen, ein Ochse 37 Pfd. Galle (_Burdach’s_
Physiologie 5r Band S. 260.) Die festen Excremente eines Menschen wiegen
aber durchschnittlich nicht über 5¹/₂ Unzen, die eines Pferdes 28¹/₂
Pfd. _Boussingault_ (7¹/₂ Pfd. trockne Substanz und 21 Pfd. Wasser). Die
letzteren geben mit Alkohol behandelt nur ¹/₇₆ ihres Gewichts lösliche
Theile ab. Dieser sechsundsiebzigste Theil von dem Gewicht der festen
Excremente des Pferdes müßte Galle sein.

Den Wassergehalt der Galle zu 90 ~pCt.~ angenommen, secernirt ein Pferd
täglich 592 Unzen Galle, welche 59,2 Unzen feste Substanz enthalten,
während aus 120 Unzen trockner Excremente (7¹/₂ Pfd.) nur 6 Unzen einer
Substanz ausziehbar sind, die man für Galle nehmen könnte. Aber das, was
der Alkohol aus den Excrementen auflös’t, ist keine Galle mehr, von dem
Weingeist befreit bleibt ein weicher, ölartiger Rückstand, welcher seine
Löslichkeit im Wasser gänzlich eingebüßt hat, er hinterläßt nach dem
Verbrennen keine alkalische Asche, kein Natron[E10].

Während dem Verdauungsproceß ist also das Natron der Galle und mit ihm
alle Bestandtheile derselben, die ihre Löslichkeit nicht verloren haben,
in den Organismus zurückgekehrt; wir finden dieses Natron in dem
neugebildeten Blute wieder, wir finden es zuletzt in der Form von
phosphorsaurem, kohlensaurem und hippursaurem Natron im Urin. In 1000
Theilen fester, frischer Menschenexcremente fand _Berzelius_ nur 9
Theile einer der Galle ähnlichen Substanz, fünf Unzen würden hiernach
nur 21 Gran fester Galle enthalten, entsprechend mit ihrem Wassergehalte
200 Gr. Galle im natürlichen Zustande; es werden aber beim Menschen 9640
bis 11520 Gran Galle täglich secernirt, also 45- bis 56mal mehr als man
in den durch den Darmkanal ausgeleerten Stoffen nachzuweisen vermag.

Welche Vorstellung man nun auch hegen mag über die Richtigkeit der
physiologischen Versuche in Beziehung auf die Menge der in verschiedenen
Thierklassen secernirten Galle, so viel ist vollkommen gewiß, daß auch
das Maximum derselben noch nicht den Kohlenstoff enthält, den ein Mensch
oder ein Pferd in 24 Stunden ausathmet. Mit allen ihren Gemeng- oder
Bestandtheilen an Fett &c. enthalten 100 Theile fester Galle nicht über
69 ~pCt.~ Kohlenstoff; in 37 Pfd. Galle, die ein Pferd secernirt, sind
demnach nur 80 Loth Kohlenstoff enthalten. Das Pferd athmet aber täglich
nahe doppelt soviel Kohlenstoff in der Form von Kohlensäure aus. Ein
ganz ähnliches Verhältniß findet bei dem Menschen statt.

Mit dem zur Neubildung und Reproduction bestimmten Stoff wird durch die
Blutcirculation allen Theilen des Körpers Sauerstoff zugeführt. Welche
Verbindung dieser Sauerstoff in dem Blut auch eingegangen sein mag, es
muß als gewiß angenommen werden, daß diejenigen Bestandtheile, welche
zur Reproduktion verwendet werden, keine wesentliche Veränderung durch
ihn erlitten haben, in der Muskelfaser finden wir das Fibrin mit allen
seinen Eigenschaften, die es im venösen Blute besitzt, wieder vor, das
Albumin im Blut nimmt kein Sauerstoffgas auf; der im Blute aufgenommene
Sauerstoff mag dazu gedient haben, um gewisse unbekannte Bestandtheile
des Blutes in Gaszustand zu versetzen, aber die zur Ernährung und
Reproduktion dienenden bekannten Hauptbestandtheile desselben, sie
können von der Natur nicht dazu bestimmt sein, um den Respirationsproceß
zu unterhalten, keine ihre Eigenschaften rechtfertigt eine solche
Vorstellung.

Ohne die Frage über den Antheil, den die Galle an den Lebensprocessen
nimmt, hier einer erschöpfenden Erörterung zu unterwerfen, geht, wie
bemerkt, aus der einfachen Vergleichung der assimilirbaren Bestandtheile
der Nahrung eines fleischfressenden Thieres mit den letzten Producten,
in die sie verwandelt wird, hervor, daß aller Kohlenstoff derselben, der
sich nicht im Harne befindet, in der Form von Kohlensäure ausgetreten
ist.

Dieser Kohlenstoff stammte aber von der Substanz der umgesetzten
Gebilde und, dieses festgesetzt, lös’t sich die Frage über die
Nothwendigkeit des Vorhandenseins von kohlenstoffreichen und
stickstofflosen Materien in der Nahrung der jugendlichen Carnivoren und
der pflanzenfressenden Thiere auf eine höchst einfache Weise.


~XII.~

Es ist eine unbestreitbare Thatsache, daß in einem _erwachsenen_
fleischfressenden Thiere, was an Gewicht von Tag zu Tag weder merklich
zunimmt, noch abnimmt, Nahrung, Umsetzung der Gebilde und
Sauerstoffverbrauch in einem ganz bestimmten Verhältniß zu einander
stehen.

Der Kohlenstoff der entwichenen Kohlensäure, der des Harns, der
Stickstoff des Harns und der Wasserstoff, welcher als Ammoniak und
Wasser austritt, diese Elemente zusammengenommen müssen dem Gewicht nach
vollkommen gleich sein dem Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff der
umgesetzten Gebilde, und, insofern diese durch die Nahrung genau ersetzt
worden sind, dem Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff der Nahrung.
Wäre dies nicht der Fall, so würde das Gewicht des Thieres sich nicht
gleich bleiben können.

Das Gewicht des sich entwickelnden jungen fleischfressenden Thieres
bleibt sich aber nicht gleich, es nimmt im Gegentheile von Tag zu Tag um
eine bestimmbare Größe zu.

Diese Thatsache setzt voraus, daß der Assimilationsproceß in dem
jugendlichen Thiere stärker, intensiver ist, als der Proceß der
Umsetzung der vorhandenen Gebilde. Wären beide Thätigkeiten gleich, so
könnte ihr Gewicht nicht zunehmen, wäre der Verbrauch größer, so müßte
sich ihr Gewicht vermindern.

Der Blutumlauf ist in dem jungen Thiere aber nicht schwächer, er ist im
Gegentheil beschleunigter, die Athembewegungen sind rascher, und bei
gleichem Körper-Volum muß der Sauerstoffverbrauch eher größer als
kleiner sein, wie bei erwachsenen Thieren. Aber da die Umsetzung der
Gebilde langsamer vor sich geht, so würde es an denjenigen Materien
fehlen, deren Kohlenstoff und Wasserstoff sich zur Verbindung mit dem
Sauerstoff eignet, denn es sind ja bei den fleischfressenden Thieren die
neuen Verbindungen, die aus der Umsetzung der Organe entstanden, welche
die Natur zum Widerstande gegen den einwirkenden Sauerstoff und zur
Hervorbringung der animalischen Wärme bestimmt hat. Was also an diesem
Widerstande fehlt, setzt eine bewunderungswürdige Weisheit dem jungen
Thiere in seiner Nahrung zu.

Der Kohlenstoff und Wasserstoff der Butter, der Kohlenstoff des
Milchzuckers, aus welchen kein Bestandtheil zu Blut, zu Fibrin und
Albumin werden kann, sie sind zur Unterhaltung des Respirationsprocesses
in einem Lebensalter bestimmt, wo ein stärkerer Widerstand sich der
Metamorphose der vorhandenen Gebilde entgegensetzt, der Erzeugung von
Stoffen also, welche im erwachsenen Zustande in völlig zur Respiration
ausreichender Menge produzirt werden.

Das junge Thier empfängt seine Blutbestandtheile in dem Casein der
Milch, eine Umsetzung der vorhandenen Gebilde geht vor sich, denn
Gallen- und Harnsekretion finden statt, die Substanz der umgesetzten
Gebilde tritt in der Form von Harn und von Kohlensäure und Wasser aus
ihrem Körper, allein die Butter und der Milchzucker der Milch sind
ebenfalls verschwunden, sie lassen sich in den Faeces nicht nachweisen.

Butter und Milchzucker sind in der Form von Wasser und Kohlensäure
ausgetreten und ihre Verwandlung, in Sauerstoffverbindungen beweist aufs
klarste, daß weit mehr Sauerstoff aufgenommen wurde, als nöthig war, um
mit dem Kohlenstoff und Wasserstoff der umgesetzten Gebilde Kohlensäure
und Wasser zu bilden.

Die in dem Lebensproceß des jungen Thieres vor sich gehende Veränderung
und Umsetzung der Gebilde liefert demgemäß, in einer gegebenen Zeit,
weit weniger Kohlenstoff und Wasserstoff in der zur Respiration
geeigneten Form, als dem aufgenommenen Sauerstoff entspricht, die
Substanz ihrer Organe würde einen rascheren Stoffwechsel erfahren, sie
würde der Einwirkung des Sauerstoffs unterliegen müssen, wenn der
fehlende Kohlenstoff und Wasserstoff von einer andern Quelle nicht
geliefert werden würde.

Die fortschreitende Zunahme an Masse, die freie und ungehinderte
Entwickelung der Organe des jungen Thieres, sie wird also durch die
Gegenwart fremder Materien bedingt, die in dem Ernährungsproceß keine
andere Rolle spielen, als daß sie die neu sich bildenden Organe vor der
Einwirkung des Sauerstoffs schützen, ihre Bestandtheile sind es, die
sich mit dem Sauerstoff verbinden; ohne zu unterliegen, würden die
Organe selbst diesen Widerstand nicht übernehmen können, d. h. eine
Zunahme an Masse, bei gleichem Sauerstoffverbrauch, würde
schlechterdings unmöglich seyn.

Ueber den Zweck, zu welchem die Natur der Nahrung der jungen Säugthiere
stickstofffreie Materien zugesetzt hat, die ihr Organismus zur
eigentlichen Ernährung, zu Blutbildung nicht verwenden kann, Materien,
die zur Unterhaltung ihrer Lebensfunktionen in erwachsenem Zustande
völlig entbehrlich sind, kann man nach dem Vorhergehenden nicht
zweifelhaft seyn. Bei den fleischfressenden Vögeln ist der Mangel aller
Bewegung offenbar ein Grund eines verminderten Stoffwechsels.

Der Ernährungsproceß der fleischfressenden Thiere stellt sich mithin in
zwei Formen dar, von denen wir die eine Form in den gras- und
körnerfressenden Thieren wiederkehren sehen.


~XIII.~

Bei dieser Thierklasse beobachten wir, daß während ihrer ganzen
Lebensdauer ihre Existenz an die Aufnahme von Stoffen geknüpft ist,
welche eine dem Milchzucker gleiche oder ähnliche Zusammensetzung
besitzen. Allem was sie genießen, ist jederzeit eine gewisse Quantität
von Amylon (Stärke), oder Gummi, oder Zucker beigemischt.

Die am meisten verbreitete Substanz dieser Klasse ist das Amylon; es
findet sich in Wurzeln, Samen, in den Stengeln, in dem Holzkörper,
abgelagert in der Form von rundlichen oder ovalen Körnchen, welche nur
in der Größe, aber keineswegs in der chemischen Zusammensetzung[E11] von
einander abweichen. Wir finden in einer und derselben Pflanze, in den
Erbsen z. B., Stärkemehl von ungleicher Größe, in dem ausgepreßten Saft
von Erbsenstengeln haben die sich absetzenden Stärkekörnchen einen
Durchmesser von ¹/₂₀₀ bis ¹/₁₅₀ Millimeter, während die Stärkekörnchen
der Samenlappen drei- bis viermal größer sind. Vor allen andern sind die
Stärkekörnchen der Pfeilwurzel und der Kartoffel ausgezeichnet durch
ihre Größe, die des Reises und des Weitzens durch ihre Kleinheit.

Es ist wohlbekannt, daß durch sehr verschiedene Einwirkungen das
Stärkemehl übergeführt werden kann in Zucker; dies geschieht in dem
Keimungsproceß (in dem Malzproceß), und namentlich durch die Einwirkung
von Säuren. Die Ueberführung des Stärkemehls in Zucker wird, wie sich
durch die Analyse darthun läßt, durch eine einfache Aufnahme der
Bestandtheile des Wassers bewirkt[E12].

Allen Kohlenstoff der Stärke, wir bekommen ihn in dem Zucker wieder, es
ist keiner ihrer Bestandtheile ausgetreten, und außer den Elementen des
Wassers ist kein fremdes Element hinzugetreten.

In sehr vielen, namentlich fleischigen Früchten, die im unreifen
Zustande sauer und herbe, im reifen hingegen süß sind, wie in den
Aepfeln und Birnen, entsteht der Zucker aus dem Amylon, was diese
Früchte enthalten.

Wenn man unreife Aepfel oder Birnen auf einem Reibeisen in einen Brei
verwandelt und diesen auf einem feinen Sieb mit Wasser auswäscht, so
setzt sich aus der trüben ablaufenden Flüssigkeit ein höchst feines
Stärkmehl ab, von dem man in den sogenannten reifen Früchten keine Spur
mehr wahrnimmt. Manche von diesen Obstsorten werden auf dem Baume süß
(Sommer-Birnen, -Aepfel), andere hingegen erst einige Zeit nachher, wenn
sie, vom Baume genommen, aufbewahrt werden. Dieses sogenannte
Nachreifen, wie man dieses Süßwerden nennt, ist ein rein chemischer
Proceß, der mit dem Pflanzenleben nichts zu thun hat. Mit dem Aufhören
der Vegetation ist die Frucht zur Fortpflanzung geeignet, d. h. der Kern
ist völlig reif, allein die fleischige Hülle unterliegt von diesem
Zeitpunkte an der Einwirkung der Atmosphäre, sie nimmt wie alle
verwesenden Substanzen Sauerstoff auf, und es trennt sich von ihrer
Substanz eine gewisse Menge kohlensaures Gas.

Aehnlich nun wie die Stärke in faulendem Kleister oder durch verwesenden
Kleber in Zucker übergeführt wird, verwandelt sich das Amylon der
genannten verwesenden Früchte in Traubenzucker, sie werden in dem
Verhältniß süßer, als sie mehr Stärke enthielten.

Zwischen Amylon und Zucker findet nach dem Vorerwähnten ein ganz
bestimmter Zusammenhang statt; durch eine Menge chemischer Actionen,
welche auf die Elemente des Amylons keine andere Wirkung äußern, als daß
sie die Richtung ihrer gegenseitigen Anziehung ändern, sind wir im
Stande, das Amylon in Zucker und zwar in Traubenzucker überzuführen.

Der Milchzucker[E13] verhält sich in vielen Beziehungen ähnlich wie das
Amylon, er ist für sich der weingeistigen Gährung nicht fähig, er
erlangt aber die Eigenschaft in Alkohol und Kohlensäure zu zerfallen,
wenn er mit einer gährenden Materie (dem faulenden Käse in der Milch)
bei Gegenwart von Wasser einer höheren Temperatur ausgesetzt wird. In
diesem Fall verwandelt er sich zuerst in Traubenzucker; die nämliche
Verwandlung erfährt der Milchzucker, wenn er mit Säuren, mit
Schwefelsäure z. B., bei gewöhnlicher Temperatur in Berührung gelassen
wird.

Das Gummi hat eine dem Rohrzucker gleiche procentische
Zusammensetzung[E14], es unterscheidet sich von den Zuckerarten und dem
Amylon, insofern ihm die Fähigkeit abgeht, durch den Proceß der Fäulniß
in Weingeist und Kohlensäure zu zerfallen; gährenden Substanzen
zugesetzt, erleidet es keine merkliche Veränderung, woraus man mit
einiger Wahrscheinlichkeit schließen kann, daß seine Elemente in der
Ordnung, in welcher sie vereinigt sind, mit einer stärkeren Kraft
zusammengehalten sind, wie die Elemente der verschiedenen Zuckerarten.

Einen gewissen Zusammenhang zeigt das Gummi übrigens mit dem
Milchzucker, beide geben nämlich bei Behandlung mit Salpetersäure
einerlei Oxydationsproducte, nämlich Schleimsäure, die sich unter
denselben Bedingungen aus den Zuckerarten nicht darstellen läßt.

Wenn wir, um die Aehnlichkeit in der Zusammensetzung dieser
verschiedenen Materien, welche in dem Ernährungsproceß der
pflanzenfressenden Thiere eine so wichtige Rolle übernehmen, noch mehr
hervortreten zu machen, 1 Aequivalent Kohlenstoff mit ~C~ (= 75,8
Kohlenstoff) und 1 Aequivalent Wasser mit ~aqua~ (= 112,4) bezeichnen,
so erhalten wir für die Zusammensetzung der genannten Substanzen
folgende Ausdrücke:

  Amylon        = 12 ~C~ + 10 ~aq.~
  Rohrzucker    = 12 ~C~ + 10 ~aq.~ + ~aq.~
  Gummi         = 12 ~C~ + 10 ~aq.~ + ~aq.~
  Milchzucker   = 12 ~C~ + 10 ~aq.~ + 2 ~aq.~
  Traubenzucker = 12 ~C~ + 10 ~aq.~ + 4 ~aq.~

Auf die nämliche Anzahl von Aequivalenten Kohlenstoff enthält also das
Amylon 10 Aeq. Wasser, der Rohrzucker und das Gummi 11 Aequivalente, der
Milchzucker 12 und der krystallisirte Traubenzucker 14 Aequivalente
Wasser, oder der Bestandtheile des Wassers.


~XIV.~

In diesen verschiedenen Substanzen, welche in der Nahrung
der pflanzenfressenden Thiere niemals fehlen, ist also den
stickstoffhaltigen Bestandtheilen derselben, dem Pflanzen-Albumin,
-Fibrin, -Casein, woraus sich ihr Blut bildet, im strengsten Sinne nur
eine gewisse Quantität Kohlenstoff im Ueberschusse zugesetzt, der in
ihrem Organismus zur Erzeugung von Fibrin und Albumin schlechterdings
nicht verwendet werden kann, weil ihre stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe
den zur Blutbildung erforderlichen Kohlenstoff schon enthalten und das
Blut in dem Leibe der fleischfressenden Thiere erzeugt wird, ohne
Mitwirkung dieses Ueberschusses von Kohlenstoff.

Auf eine klare und überzeugende Weise stellt sich der Antheil heraus,
den diese stickstofffreien Materien an dem Nutritionsproceß der
pflanzenfressenden Thiere nehmen, wenn wir die verhältnißmäßig so
geringe Menge Kohlenstoff in Betrachtung ziehen, die sie in ihren
stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln genießen; sie steht durchaus in
keinem Verhältniß zu dem durch Lunge und Haut aufgenommenen und
verbrauchten Sauerstoff.

Ein Pferd kann z. B. in vollkommen gutem Zustande erhalten werden, wenn
ihm täglich 15 Pfd. Heu und 4¹/₂ Pfd. Hafer zur Nahrung gegeben werden.
Wenn wir uns nun den ganzen Gehalt dieser Nahrungsstoffe an Stickstoff,
so wie ihn die Elementaranalyse festgesetzt hat (Heu 1,5 ~pCt.~, Hafer
2,2 ~pCt.~)[E15] rückwärts in Blut, nämlich in Fibrin und Albumin, mit
dem ganzen Wassergehalt des Blutes (80 ~pCt.~) verwandelt denken, so
empfängt das Pferd täglich nur 8⁹/₁₀ Loth Stickstoff, welche etwas über
8 Pfd. Blut entsprechen. Mit diesem Stickstoff hat aber das Thier, von
den andern Bestandtheilen, welche damit verbunden waren, nur 28⁹/₁₀ Loth
Kohlenstoff empfangen. Nur 15⁹/₁₀ Loth von diesen 28⁹/₁₀ Loth
Kohlenstoff konnten zur Respiration verwendet worden sein, denn mit dem
Stickstoff, der durch den Harn ausgeleert wird, treten in der Form von
Harnstoff 6 Lothe und in der Form von Hippursäure 7 weitere Lothe wieder
aus.

Ohne weitere Rechnung anzustellen, wird Jedermann zugeben, daß das
Luftvolum, was ein Pferd ein- und ausathmet, daß die Menge des von ihm
verzehrten Sauerstoffgases und in dessen Folge die Menge des
ausgetretenen Kohlenstoffs, weit größer ist, wie beim Respirationsproceß
des Menschen. Nun verbraucht aber ein erwachsener Mensch täglich nahe an
28 Loth Kohlenstoff, und die Bestimmung von _Boussingault_, wonach ein
Pferd täglich 158 Loth ausathmet, kann von der Wahrheit nicht sehr
entfernt sein.

In den stickstoffhaltigen Bestandtheilen seiner Nahrung erhält das Pferd
mithin nur etwas mehr, wie den fünften Theil des Kohlenstoffs, den sein
Organismus zur Unterhaltung des Respirationsprocesses bedarf, und wir
sehen, daß die Weisheit des Schöpfers allen seinen Nahrungsmitteln ohne
Ausnahme die übrigen ⁴/₅ Kohlenstoff, welche in den stickstoffhaltigen
Bestandtheilen fehlen, in mannigfaltigen Formen, als Amylon, Zucker u.
s. w. zugesetzt hat, welche das Thier, ohne der Einwirkung des
Sauerstoffs zu unterliegen, nicht entbehren kann.

Es ist offenbar, daß in dem Organismus des pflanzenfressenden Thieres,
dessen Nahrung eine verhältnißmäßig so kleine Menge seiner
Blutbestandtheile enthält, der Akt der Umsetzung der vorhandenen
Gebilde, daß demzufolge ihre Erneuerung, die Reproduktion derselben, bei
weitem minder rasch vor sich geht, wie bei den fleischfressenden
Thieren, denn wäre dies der Fall, so würde eine tausendmal reichere
Vegetation zu ihrer Ernährung nicht hinreichen; Zucker, Gummi, Amylon
würden keine Bedingungen zur Erhaltung ihres Lebens sein, eben weil die
kohlenstoffhaltigen Produkte der Umsetzung ihrer Organe für den
Respirationsproceß hinreichen würden.

Der fleischessende Mensch bedarf zu seiner Erhaltung und Ernährung eines
ungeheuren Gebietes, weiter und ausgedehnter noch, wie der Löwe und
Tiger, weil er, wenn die Gelegenheit sich darbietet, tödtet, ohne zu
genießen.

Eine Nation von Jägern auf einem begrenzten Flächenraum ist der
Vermehrung durchaus unfähig, der zum Athmen unentbehrliche Kohlenstoff
muß von den Thieren genommen werden, von denen auf der gegebenen Fläche
nur eine beschränkte Anzahl leben kann. Diese Thiere sammeln von den
Pflanzen die Bestandtheile ihrer Organe und ihres Blutes, und liefern
sie den von der Jagd lebenden Indianern, die sie unbegleitet von den
stickstofffreien Substanzen genießen, welche während der Lebensdauer des
Thieres seinen Respirationsproceß unterhielten; es ist bei dem
fleischessenden Menschen der Kohlenstoff des Fleisches, welcher das
Amylon, den Zucker ersetzen muß.

In fünfzehn Pfund Fleisch ist aber nicht mehr Kohlenstoff enthalten, wie
in 4 Pfund Amylon[E16] und während der Indianer mit einem einzigen Thier
und einem ihm gleichen Gewichte Amylon eine gewisse Anzahl von Tagen
hindurch sein Leben und seine Gesundheit würde erhalten können, muß er,
um den für diese Zeit, für seine Respiration unentbehrlichen Kohlenstoff
zu erhalten, 5 Thiere verzehren.

Man sieht leicht, in welchem engen Verbande die Vermehrung des
Menschengeschlechtes mit dem Ackerbau steht. Der Anbau der
Culturpflanzen hat zuletzt keinen andern Zweck, als die Hervorbringung
eines Maximums der zur Assimilation und Respiration dienenden Stoffe,
auf dem möglichst kleinsten Raume. Die Getreide- und Gemüsepflanzen
liefern uns in dem Amylon, dem Zucker, Gummi, nicht nur den Kohlenstoff,
der unsere Organe vor der Einwirkung des Sauerstoffs schützt, und in dem
Organismus die zum Leben unentbehrliche Wärme erzeugt, sondern in dem
Pflanzenfibrin, -Albumin und -Casein noch überdies unser Blut, aus dem
sich die übrigen Bestandtheile des Körpers entwickeln.

Der fleischessende Mensch athmet wie das fleischfressende Thier auf
Kosten der Materien, die durch die Umsetzung seiner Organe entstanden
sind, und ähnlich wie der Löwe, der Tiger, die Hyäne in den Kasten
unserer Menagerien durch unaufhörliche Bewegung den Umsatz ihrer Gebilde
beschleunigen müssen, um den zur Respiration nöthigen Stoff zu erzeugen,
muß sich der Indianer, des nämlichen Zweckes wegen, den größten
Anstrengungen und mühevollsten Beschwerden unterziehen; er muß Kraft
verbrauchen, lediglich um Stoff zum Athmen zu schaffen.

Die Cultur ist die Oekonomie der Kraft; die Wissenschaft lehrt uns die
einfachsten Mittel erkennen, um mit dem geringsten Aufwand von Kraft den
größten Effect zu erzielen, und mit gegebenen Mitteln ein Maximum von
Kraft hervorzubringen. Eine jede unnütze Kraftäußerung, eine jede
Kraftverschwendung in der Agricultur, in der Industrie und der
Wissenschaft, so wie im Staate, characterisirt die Rohheit oder den
Mangel an Cultur.


~XV.~

Die Vergleichung der Zusammensetzung des Urins der fleisch- und
pflanzenfressenden Thiere zeigt auf eine evidente Weise, daß der Act der
Umsetzung der Gebilde in beiden in der Zeit und Form verschieden ist.

Der Harn der fleischfressenden Thiere ist sauer, wir haben darin
alkalische Basen mit Harnsäure, mit Phosphorsäure und Schwefelsäure
vereinigt. Wir wissen genau, aus welcher Quelle diese beiden Säuren
stammen. Alle Gebilde, bis auf Zellen und Membranen, enthalten
Phosphorsäure und Schwefel, der durch den Sauerstoff des arteriellen
Blutes in Schwefelsäure verwandelt wird. In den verschiedenen
Flüssigkeiten des Thierkörpers finden wir nur Spuren von phosphorsauren
oder schwefelsauren Salzen, aber in dem Harn finden wir beide in
reichlicher Menge. Es ist klar, sie stammen beide von dem Phosphor und
Schwefel der Gebilde, die sich umgesetzt haben; sie gelangen als
lösliche Salze in das Blut und werden bei ihrem Durchgang durch die
Nieren davon geschieden.

Der Harn der grasfressenden Thiere ist alkalisch; er enthält
kohlensaures Alkali in überwiegender Menge und eine so geringe Menge von
phosphorsaurem Alkali, daß sie von den meisten Beobachtern übersehen
worden ist.

Der Mangel, oder, wenn man will, die Abwesenheit der phosphorsauren
Alkalien in dem Harn der grasfressenden Thiere zeigt offenbar, daß diese
löslichen Salze zu bestimmten Zwecken verwendet werden; denn wenn wir
annehmen, ein Pferd verzehre eine dem Gehalte des Stickstoffs (8⁹/₁₀
Loth) in seinen Nahrungsmitteln entsprechende Menge Pflanzenfibrin oder
-Albumin, und wenn wir den umgesetzten Theil der Gebilde gleichsetzen
dem neugebildeten, so ist die Quantität der Phosphorsäure, die wir in
dem Urin (in 3 Pfund, dem täglichen Abgang nach _Boussingault_) finden
müßten, nicht so klein, daß sie nicht mit Leichtigkeit durch die Analyse
nachweisbar wäre (sie betrüge nach dieser Voraussetzung nahe an 0,8
~pCt.~), allein, wie bemerkt, die meisten Beobachter haben keine
Phosphorsäure darin auffinden können.

Die Phosphorsäure, welche in Folge der Umsetzung der Gebilde in der Form
von löslichem phosphorsauren Alkali erzeugt wird, kehrt offenbar bei
diesen Thieren in den Organismus zurück, der sie zur Bildung der Gehirn-
und Nervensubstanz nicht entbehren kann.

Bei den pflanzenfressenden Thieren, die eine verhältnißmäßig so kleine
Quantität von Phosphor oder phosphorsauren Salzen genießen, sammelt der
Organismus offenbar alle durch die Umsetzung der Gebilde erzeugten
löslichen phosphorsauren Salze, und verwendet sie zur Ausbildung der
Knochen und der phosphorhaltigen Bestandtheile des Gehirns; die
Secretionsorgane scheiden sie von dem Blute nicht ab. Die durch
Stoffwechsel in Freiheit gesetzte Phosphorsäure tritt nicht als
phosphorsaures Natron aus; wir finden sie in den festen Excrementen in
der Form von unlöslichen phosphorsauren Erden.


~XVI.~

Vergleichen wir die Fähigkeit der Zunahme an Masse, die Kraft der
Assimilation in den gras- und fleischfressenden Thieren, so führen die
gewöhnlichsten Beobachtungen auf einen großen Unterschied.

Eine Spinne, welche mit dem größten Heißhunger das Blut der ersten
Fliege aussaugt, wird durch die zweite und dritte Fliege in ihrer Ruhe
nicht gestört; eine Katze frißt die erste, vielleicht die zweite Maus,
und wenn sie auch die dritte tödtet, sie wird von ihr nicht verzehrt.
Ganz ähnliche Beobachtungen hat man an Löwen und Tigern gemacht; sie
verzehren ihre Beute erst dann, wenn sich in ihnen das Bedürfniß des
Hungers regt. Zur bloßen Erhaltung bedürfen die fleischfressenden Thiere
an sich einer geringeren Menge von Nahrung schon deshalb, weil ihre Haut
keine Schweißporen hat, weil sie also bei gleichem Volum weit weniger
Wärme verlieren, als die Grasfresser, welche die verlorne Wärme durch
die Nahrung ersetzen müssen.

Wie ganz anders zeigt sich die Stärke und Intensität des vegetativen
Lebens bei den pflanzenfressenden Thieren! Ein Schaf, eine Kuh auf der
Weide, sie fressen mit geringer Unterbrechung so lange die Sonne am
Himmel steht. Ihr Organismus besitzt die Fähigkeit, alle Nahrung, die
sie mehr genießen, als sie zur Reproduction bedürfen, in Bestandtheile
ihres Körpers zu verwandeln.

Alles Blut, was mehr erzeugt wird, als zum Ersatz an verbrauchtem Stoff
erforderlich ist, wird zur Zelle und Muskelfaser; das pflanzenfressende
Thier wird bei gesteigerter Nahrung fleischig oder feist, während das
Fleisch des fleischfressenden ungenießbar, zähe und sehnenartig bleibt.

Denken wir uns nur einen Hirsch, ein Reh oder einen Hasen, welche
ähnliche Nahrungsmittel genießen, wie das Rindvieh oder Schaf, so ist es
evident, daß bei Ueberfluß an Nahrung ihre Zunahme an Masse (ihr
Feistwerden) abhängig ist von der Menge des genossenen Pflanzenalbumins,
-Fibrins oder -Caseins. Bei einer freien ungehinderten Bewegung nehmen
sie Sauerstoff genug auf, um den Kohlenstoff des genossenen Gummi’s, des
Amylons, des Zuckers und überhaupt aller löslichen stickstofffreien
Nahrungsmittel verschwinden zu machen.

Ganz anders stellt sich dieses Verhältniß bei unseren Hausthieren, wenn
wir bei reichlicher Nahrung die Abkühlung und Exhalationsprocesse
hindern, wenn wir sie in unseren Ställen füttern, wo die freie Bewegung
unterdrückt ist.

Das Thier, welches den Stall nicht verläßt, frißt und ruht bloß, um zu
verdauen, es nimmt in der Form von stickstoffhaltigen Stoffen weit mehr
Nahrung auf, als es zur Reproduktion bedarf, und in gleicher Zeit mit
diesen genießt es weit mehr stickstofffreie Substanzen, als zur
Unterhaltung des Reproductionsprocesses und zum Ersatz an verlorner
Wärme nöthig sind. Mangel an Bewegung und Abkühlung ist aber
gleichbedeutend einem Mangel an Zufuhr von Sauerstoff; es nimmt, da
diese vermindert sind, bei weitem weniger Sauerstoff auf, als zur
Verwandlung des in der stickstofffreien Nahrung genossenen Kohlenstoffs
in Kohlensäure erforderlich ist. Nur ein kleiner Theil dieses
Ueberschusses von Kohlenstoff tritt aus dem Körper bei Pferden und dem
Rindvieh in der Form von Hippursäure aus, alles übrige wird zur
Erzeugung einer Materie verwendet, die sich nur in kleinen Quantitäten
als Bestandtheil der Nerven und des Gehirns vorfindet.

Im normalen Zustand der Bewegung und Arbeit enthält der Urin des
Rindviehs und Pferdes Benzoesäure (mit 14 At. Kohlenstoff), sobald es
ruhig im Stalle steht, hingegen Hippursäure (mit 18 At. Kohlenstoff).

Das Fleisch der wilden Thiere ist fettlos, die Hausthiere dagegen
bedecken sich bei der Mästung mit Fett.

Lassen wir das fette Thier in freier Luft sich bewegen oder schwere
Lasten ziehen, so verschwindet wieder das Fett.

Es ist offenbar, die Fettbildung im Thierkörper wird bedingt durch ein
Mißverhältniß in der Menge der genossenen Nahrungsmittel und des durch
Lunge und Haut aufgenommenen Sauerstoffs.

Ein Schwein wird bei Mästung mit stickstoffreichen Nahrungsmitteln
feist; bei Kartoffel- (Amylon-) Fütterung erhält es wenig Fleisch, aber
eine Decke von Speck. Die Milch einer Kuh, welche bei Stall-Fütterung
eine reichliche Menge Butter enthält, wird auf freier Weide an Käsestoff
reicher und an Fett und Milchzucker in dem nämlichen Verhältniß ärmer.
Durch Bier und amylonhaltige Nahrung wächst der Buttergehalt der
Frauenmilch; Fleischnahrung giebt weniger, aber an Käsestoff reichere
Milch.

Wenn man erwägt, daß in der ganzen Thierklasse der Carnivoren, die außer
dem verzehrten Fett kein stickstofffreies Nahrungsmittel genießen, die
Fettbildung im Körper höchst unbedeutend ist, daß sie auch bei diesen
zunimmt (wie bei Katzen und Hunden), wenn sie gemischte Nahrung
genießen, daß wir bei den andern Hausthieren die Fettbildung steigern
können und zwar nur durch stickstofffreie Nahrungsmittel, so kann man
kaum einen Zweifel hegen, daß die letzteren in einer ganz bestimmten
Beziehung stehen müssen zur Fettbildung.

Dem natürlichen Gange der Naturforschung gemäß erschließen wir rückwärts
aus den genossenen Nahrungsmitteln die entstandenen Gebilde, aus den
stickstoffhaltigen Pflanzenstoffen die stickstoffhaltigen Bestandtheile
des Blutes, und es ist diesem Gange völlig angemessen, die Beziehungen
der stickstofffreien Nahrungsmittel zu den stickstofffreien
Bestandtheilen des Thierkörpers festzustellen; ein enger Zusammenhang
zwischen beiden kann nicht verkannt werden.

Vergleichen wir die Zusammensetzung des Milchzuckers, des Amylons und
der andern Zuckerarten mit denen des Hammeltalges, Ochsentalges,
Menschenfettes, so finden wir, daß sie einerlei Verhältniß Kohlenstoff
und Wasserstoff enthalten und lediglich in dem Gehalte an Sauerstoff von
einander abweichen.

Hammeltalg, Menschenfett, Schweineschmalz enthalten nach den Analysen
_Chevreul’s_ 79 ~pCt.~ Kohlenstoff auf 11,1 ~pCt.~, 11,4 ~pCt.~, 11,7
~pCt.~ Wasserstoff[E17].

Das Amylon enthält auf 44,91 Kohlenstoff 6,11 Wasserstoff; der Zucker
und das Gummi 42,58 Kohlenstoff 6,37 Wasserstoff[E18].

Nun ist aber aus dem Folgenden einleuchtend, daß diese Zahlen, welche
das relative Gewichtsverhältniß des Kohlenstoffs und Wasserstoffs im
Amylon, im Zucker und im Gummi ausdrücken, zu einander in dem nämlichen
Verhältniß stehen, wie der Kohlenstoff und Wasserstoff in den
verschiedenen Fetten.

  44,91 : 6,11 = 79 : 10,99
  42,58 : 6,37 = 79 : 11,8.

Es ist hieraus klar, daß durch ein einfaches Austreten von Sauerstoff,
Amylon, Zucker und Gummi übergehen können in Fett, oder, wenn man will,
in einen Körper, welcher genau die Zusammensetzung des Fetts besitzt.
Nehmen wir in der That von der Formel des Amylon 9 Atome Sauerstoff
hinweg, so haben wir in 100 Theilen:

  ~C₁₂~     79,4
  ~H₂₀~     10,8
  ~O~        9,8.

Die nächste empirische Formel des Fetts ist ~C₁₁H₂₀O~; sie giebt in 100
Theilen:

  ~C₁₁~     78,9
  ~H₂₀~     11,6
  ~O~        9,5.

Nach dieser Formel würden sich von dem Amylon die Elemente von 1 Atom
Kohlensäure und 7 Atome Sauerstoff getrennt haben.

Mit diesen beiden Formeln stimmt aber sehr nahe die von allen
verseifbaren fetten Körpern überein.

Nehmen wir von drei Atomen Milchzucker ~C₅₆H₇₂O₃₆~ die Elemente hinweg
von 4 Atomen Wasser und lassen wir 31 Atome Sauerstoff austreten, so
haben wir ~C₃₆H₆₄O~, eine Formel, welche ein genauer Ausdruck ist für
die Zusammensetzung des Cholsterins[E19].

Gleichgültig, welche Ansicht man auch über die Entstehung der fetten
Bestandtheile des Thierkörpers haben mag, soviel ist unläugbar gewiß,
daß die Wurzeln und Kräuter, welche die Kuh verzehrt, keine Butter
enthalten, daß in dem Heu und der Nahrung des Rindviehs kein Ochsentalg,
in der Kartoffelschlempe, welche die Schweine bekommen, kein
Schweineschmalz und in dem Futter der Gänse und des Geflügels kein
Gänsefett oder Kapaunenfett enthalten ist. Die großen Massen von Fett in
dem Körper dieser Thiere erzeugt ihr Organismus, und aus dieser
Thatsache, ihrem wahren Werthe nach anerkannt, muß geschlossen werden,
daß von den Bestandtheilen der genossenen Nahrung eine gewisse Quantität
Sauerstoff in irgend einer Form austritt, denn ohne eine solche
Ausscheidung von Sauerstoff kann kein Fett aus irgend einem Bestandtheil
der Nahrung gebildet werden.

Die chemische Analyse giebt auf die bestimmteste Weise zu erkennen, daß
in den Nahrungsmitteln, die ein Thier verzehrt, sich eine gewisse Menge
Kohlenstoff und Sauerstoff befinden, die, in Aequivalenten ausgedrückt,
folgende Reihe bilden.

  Im Pflanzenfibrin, -Albumin, -Casein
              sind enthalten auf 120 Aeq. Kohlenstoff 36 Aeq. Sauerstoff
  Im Amylon    „      „       „  120  „       „      100  „       „
  Im Rohr-
     zucker    „      „       „  120  „       „      110  „       „
  Im Trauben-
     zucker    „      „       „  120  „       „      140  „       „
  Im Gummi     „      „       „  120  „       „      110  „       „
  Im Milch-
     zucker    „      „       „  120  „       „      120  „       „

Nun sind aber in allen fetten Substanzen im Mittel _auf 120 Aeq.
Kohlenstoff nur 10 Aeq. Sauerstoff enthalten_.

Da nun der Kohlenstoff der fetten Bestandtheile des Thierkörpers von den
Nahrungsmitteln stammt, indem es keine andere Quelle giebt, die ihn
liefern könnte, so ist klar, in der Voraussetzung, das Fett entstehe aus
Albumin, Fibrin oder Casein, daß für je 120 Aeq. Kohlenstoff, die sich
als Fett abgelagert haben, 26 Aeq. Sauerstoff von den Bestandtheilen
dieser Nahrungsmittel austreten müssen, es ist ferner klar, daß, wenn
wir annehmen, das Fett entstehe aus Amylon, 90 Aeq., aus Zucker 100 und
aus Milchzucker 110 Aeq. Sauerstoff abgeschieden werden müssen.

Es giebt also nur einen einzigen Weg, auf welchem die Fettbildung im
Thierkörper möglich ist, und dieser ist absolut der nämliche, auf
welchem die Fettbildung in den Pflanzen vor sich geht, es ist eine
Scheidung und Trennung des Sauerstoffs von den Bestandtheilen der
Nahrungsmittel.

Der Kohlenstoff, den wir in den Samen und Früchten der Pflanzen in der
Form von Oel und Fett abgelagert finden, er war früher ein Bestandtheil
der Atmosphäre, er wurde als Kohlensäure von der Pflanze aufgenommen.
Sein Uebergang in Fett wurde unter Mitwirkung des Lichtes durch die
vegetative Lebensthätigkeit bewirkt, der größte Theil des Sauerstoffs
dieser Kohlensäure kehrte als Sauerstoffgas in die Luft zurück[F3][E20].

  [3] Ueber die Bildung des Wachses aus Honig bei den Bienen siehe
  Anhang.

Im Gegensatz zu dieser Lebensäußerung in der Pflanze wissen wir, daß der
Thierorganismus Sauerstoff aus der Luft aufsaugt und daß dieser
Sauerstoff in der Form einer Kohlenstoff- oder Wasserstoffverbindung
wieder austritt, wir wissen, daß durch den Akt der Bildung von
Kohlensäure und Wasser die constante Temperatur des Körpers
hervorgebracht wird, daß ein Oxydationsproceß die einzige und
Hauptquelle der animalischen Wärme ist.

Mag das Fett in Folge einer Zersetzung des Fibrins oder Albumins, der
Hauptbestandtheile des Blutes gebildet werden, mag es aus Amylon, aus
Zucker, aus Gummi oder Milchzucker entstehen, das Resultat der
Zersetzung muß begleitet seyn, von einer Ausscheidung des Sauerstoffs,
von den Bestandtheilen dieser Nahrungsmittel, aber dieser Sauerstoff
tritt nicht als Sauerstoffgas aus dem Thierkörper aus, eben weil er in
dem Organismus selbst, Stoffe vorfindet, welche die Fähigkeit haben,
eine Verbindung mit ihm einzugehen; er tritt in der nämlichen Form aus,
wie der durch Lunge und Haut aus der Luft aufgenommene Sauerstoff.

Man beobachtet leicht, in welchem merkwürdigen Zusammenhange die
Fettbildung mit dem Respirationsproceß steht.


~XVII.~

Der abnorme Zustand, durch den Ablagerung von Fett in dem Thierkörper
bewirkt wird, beruht, wie früher erwähnt worden, auf einem Mißverhältniß
in der Menge des genossenen Kohlenstoffs und dem durch Haut und Lunge
aufgenommenen Sauerstoff. Im normalen Zustande wird eben so viel
Kohlenstoff ausgeführt wie eingeführt, der Körper erhält kein
Uebergewicht an kohlenstoffreichen und stickstofflosen Bestandtheilen.

Steigern wir die Zufuhr der kohlenstoffreichen Nahrungsmittel, so bleibt
nur in dem Fall das normale Verhältniß, wenn durch Bewegung und
Anstrengung der Umsatz befördert, wenn in gleichem Grade die Zufuhr an
Sauerstoff vermehrt wird.

Jede Art von Fettbildung ist stets die Folge eines Mangels an
Sauerstoff, der zur Vergasung des im Ueberschusse zugeführten
Kohlenstoffs unbedingt erforderlich ist. Dieser als Fett sich ablagernde
Kohlenstoff, er zeigt sich bei dem Beduinen, bei dem Araber der Wüste
nicht, der mit Stolz seine muskelstarken, magern, fettfreien,
sehnenartigen Glieder dem Reisenden zeigt und in Liedern besingt, er
zeigt sich aber bei der kärglichen Nahrung in den Kerkern und
Gefängnissen als Aufgedunsenheit, er zeigt sich in dem Weibe des Orients
und in den wohlbekannten Bedingungen des Mästens bei unseren
Hausthieren.

Die Erzeugung von Fett beruht auf einem Mangel an Sauerstoff, allein in
ihr, in der Fettbildung selbst, öffnet sich dem Organismus eine Quelle
von Sauerstoff, eine neue Ursache der Wärmeerzeugung.

Der in Folge der Fettbildung freiwerdende Sauerstoff, er tritt aus dem
Körper als eine Kohlenstoff- oder Wasserstoffverbindung aus, mag nun
dieser Kohlenstoff oder Wasserstoff von der Substanz selbst, die auch
den Sauerstoff zuführte, oder mag er von einer andern Verbindung
genommen worden sein, es muß durch diese Kohlensäure- oder Wasserbildung
ebensoviel Wärme entwickelt werden, wie wenn wir eine gleiche Menge
Kohlenstoff oder Wasserstoff in der Luft oder im Sauerstoffgas verbrannt
hätten.

Wenn wir uns denken, daß sich von 2 Aeq. Amylon 18 Aeq. Sauerstoff
trennen, daß sich diese 18 Aeq. Sauerstoff mit 9 Aeq. Kohlenstoff aus
der Galle, z. B. zu Kohlensäure, verbunden hätten, so ist niemand
zweifelhaft darüber, daß in diesem Fall gerade so viel Wärme entwickelt
werden muß, wie wenn wir diese 9 Atome Kohlenstoff direct verbrannt
hätten. In dieser Form wäre also die Wärmeentwickelung in Folge der
Fettbildung nicht bestreitbar; sie kann also nur für den Fall
hypothetisch sein, wo sich von einer und derselben Substanz Kohlenstoff
und Sauerstoff in den Verhältnissen, wie in der Kohlensäure, trennen.

Wenn wir z. B. voraussetzen, daß sich von 2 At. Amylon, ~C₂₄H₄₀O₂₀~ die
Elemente von 9 At. Kohlensäure abscheiden, so würden wir eine Verbindung
übrig behalten, welche auf 15 At. Kohlenstoff, 40 At. Wasserstoff und 2
At. Sauerstoff enthält:

  ~C₁₅H₄₀O₂~ + ~C₉O₁₈~ = ~C₂₄H₄₀O₂₀~.

Oder wenn wir annehmen, daß Sauerstoff aus Amylon in der Form von
Kohlensäure und Wasser austritt, so würden wir bei Abscheidung der
Bestandtheile von 6 At. Wasser und 6 At. Kohlensäure die Verbindung
~C₁₈H₂₃O₂~ übrig behalten.

Diese Form der Ausscheidung des Sauerstoffs festgestellt, bleibt zu
entscheiden übrig, ob die auftretende Kohlensäure und das Wasser in dem
Amylon als solche enthalten waren oder nicht.

War die Kohlensäure und das Wasser fertig gebildet in dem Amylon, so
konnte die Trennung vor sich gehen, ohne von einer Wärmeentwickelung
begleitet zu sein, war hingegen der Kohlenstoff und Wasserstoff in einer
andern Form in dem Amylon (oder der Verbindung, aus der sich das Fett
gebildet haben mag) zugegen, so ist klar, daß eine Aenderung in der
Anordnung der Atome vor sich gegangen ist, in deren Folge sich die Atome
des Kohlenstoffs und Wasserstoffs mit den Atomen des Sauerstoffs zu
Kohlensäure und Wasser vereinigt haben.

So weit nun chemische Forschungen reichen, kann aus dem bekannten
Verhalten des Amylons und der Zuckerarten kein anderer Schluß gezogen
werden, als daß sie keine fertig gebildete Kohlensäure enthalten.

Wir kennen nun eine große Anzahl von Umsetzungsprocessen ähnlicher Art,
wo sich die Elemente der Kohlensäure und des Wassers von gewissen
vorhandenen Verbindungen trennen, und wir wissen mit Bestimmtheit, daß
alle diese Zersetzungsweisen begleitet sind von einer Wärmeentwickelung,
gerade so, wie wenn sich Kohlenstoff und Wasserstoff direct mit
Sauerstoff verbinden.

Ein solches Austreten von Kohlensäure haben wir in allen Gährungs- und
Fäulnißprocessen, sie sind ohne Ausnahme begleitet von einer
Entwickelung von Wärme.

In der Gährung einer zuckerhaltigen Flüssigkeit tritt in Folge einer
Umsetzung der Elemente des Zuckers eine gewisse Menge seines
Kohlenstoffs und Sauerstoffs zu Kohlensäure zusammen, welche sich
gasförmig abscheidet, und als Resultat dieser Zersetzung haben wir eine
sauerstoffarme, flüchtige, brennbare Flüssigkeit, nämlich Alkohol.

Wenn wir zu zwei Atomen Zucker die Elemente treten lassen von 12 At.
Wasser und von der erhaltenen Summe der Atome 24 Atome Sauerstoff
hinwegnehmen, so haben wir 6 At. Alkohol (~C₂₄H₄₈O₂₄~ + ~H₂₄O₁₂~) -
~O₂₄~ = ~C₂₄H₇₂O₁₂~ = 6 At. Alkohol.

Diese 24 At. Sauerstoff reichen hin, um ein drittes Atom Zucker
vollkommen zu verbrennen, seinen Kohlenstoff in Kohlensäure zu
verwandeln, und wir erhalten durch diese Verbrennung die 12 At. Wasser
wieder, die wir hinzutreten ließen, gerade so, als ob sie keine Rolle
hierbei gespielt hätten.

  ~C₁₂H₂₄O₁₂~ + ~O₂₄~ = 12 ~CO₂~ + 12 ~H₂O~.

Nach der gewöhnlichen Ansicht trennen sich von 3 At. Zucker 12 Atome
Kohlenstoff in der Form von Kohlensäure: wir bekommen 6 At. Alkohol, in
beiden also dieselben Produkte, wie wenn der eine Theil Zucker an den
andern Theil Sauerstoff abgegeben hätte und dessen Bestandtheile auf
Kosten dieses Sauerstoffs verbrannt worden wären.

  ~C₃₆H₇₂O₃₆~ = ~C₂₄H₇₂O₁₂~ + 12 ~CO₂~[F4].

  [4] In Beziehung auf das Verständniß der Formeln siehe die Einleitung
  zum Anhang.

Man beobachtet leicht, daß die Spaltung eines Körpers in Kohlensäure und
eine an Sauerstoff arme Verbindung völlig gleichbedeutend ist in ihrem
Resultate einer Ausscheidung von Sauerstoff und einer Verbrennung von
einem Theile der Substanz auf Kosten dieses Sauerstoffs.

Es ist wohlbekannt, daß sich die Temperatur einer gährenden Flüssigkeit
erhöht, und wenn wir annehmen, daß ein Stückfaß Most = 600 Darmstädter
Maaß = 1200 Litres = 2400 Pfund, 16 ~pCt.~ Zucker, im Ganzen also 384
Pfund Zucker enthalte, so muß während der Gährung dieses Zuckers eine
Wärmemenge frei werden, welche derjenigen gleich ist, die sich bei der
Verbrennung von 51 Pfund Kohlenstoff entwickelt.

Dies ist ausdrückbar durch eine Wärmequantität, wodurch jedes Pfund der
Flüssigkeit auf 165¹/₂ Grad erhoben werden kann, vorausgesetzt, daß die
Zersetzung des Zuckers in einem unmeßbaren Zeittheilchen vor sich ginge.
Dies ist bekanntlich nicht der Fall, die Gährung dauert 5-6 Tage und die
165¹/₂ Wärmegrade empfängt jedes Pfund Flüssigkeit während eines
Zeitraums von 120 Stunden. In der Stunde wird also eine Wärmemenge
entwickelt, durch welche jedes Pfund Flüssigkeit um 1⁴/₁₀ Grad an
Temperatur zunimmt, eine Erhöhung, welche durch äußere Abkühlung im
Keller, durch Verdunstung von Wasser und Alkohol beträchtlich
herabgestimmt wird.


~XVIII.~

Die Fettbildung, mit bekannten analogen Erscheinungen der Trennung von
Sauerstoff verglichen, ist demnach von einer Wärmeentwicklung begleitet;
sie ersetzt dem thierischen Körper eine gewisse Menge des zu den vitalen
Processen unentbehrlichen, atmosphärischen Sauerstoffs, und zwar in
allen denjenigen Fällen, wo der durch Haut und Lunge eingeathmete
Sauerstoff nicht hinreicht, um den vorhandenen und dazu geeigneten
Kohlenstoff in Kohlensäure zu verwandeln.

Dieser Ueberschuß von Kohlenstoff, welcher in dem Körper zu einem
Bestandtheil der Organe nicht verwendet werden kann, lagert sich in der
Form von Talg oder Oel in Zellen ab.

In jedem Momente des Lebens eines Thieres tritt Fettbildung ein, wo ein
Mißverhältniß zwischen dem durch die Nahrung zugeführten Kohlenstoff und
dem eingeathmeten Sauerstoff statt hat; es trennt sich Sauerstoff in
Folge einer Umsetzung von vorhandenen Verbindungen, und dieser
Sauerstoff tritt als Kohlensäure oder Wasser aus dem Körper aus. Die
hierbei entwickelte Wärme trägt dazu bei, um die constante Temperatur
des Körpers zu erhalten. Ein jedes Pfund Kohlenstoff, welches seinen
Sauerstoff, mit dem es Kohlensäure bildet, von Materien erhielt, die in
Fett übergingen, muß so viel Wärme entwickeln, daß man damit 200 Pfunde
Wasser auf 39 Grade erheben kann.

In der Fettbildung schafft die Lebenskraft sich selbst ein Mittel, um
dem Mangel an Sauerstoff und an der zu den vitalen Processen nöthigen
Wärme zu begegnen.

Die Erfahrung zeigt, daß das Anbinden der Füße bei dem Geflügel und eine
mittlere Temperatur ein Maximum von Fettbildung nach sich zieht. Diese
Thiere sind in diesem Zustande einer Pflanze vergleichbar, die im
eminenten Grade die Fähigkeit besitzt, alle Nahrungsstoffe in Theile
ihrer selbst zu verwandeln. Die im Ueberschuß zugeführten
Blutbestandtheile werden zu Fleisch, zu Bestandtheilen der Gebilde,
Amylon und die stickstofffreien Materien verwandeln sich in Fett. Bei
dem Fettwerden auf Kosten stickstofffreier Nahrungsstoffe nehmen nur
gewisse Theile des Organismus an Volumen zu; so ist die Leber einer
gemästeten Gans 4-5mal größer, wie die einer ungemästeten, ohne daß man
damit sagen kann, daß die Substanz der Leber selbst eine Zunahme
erfahren hat. Während die Leber der ungemästeten Gans fest und elastisch
ist, zeigt die der gemästeten eine weiche schwammige Beschaffenheit; der
Unterschied liegt lediglich in einer mehr oder minderen Erweiterung der
Zellen, ausgefüllt durch Fett.

In einigen Krankheiten erleiden nachweisbar die amylonreichen
Stoffe diejenigen Veränderungen nicht, die sie befähigen, den
Respirationsproceß zu unterhalten oder in Fett überzugehen. In dem
~diabetes mellitus~ wird das Amylon nicht weiter als in Zucker
verwandelt, der ohne eine Verwendung zu finden aus dem Körper entfernt
wird.

Wir finden ferner in andern Krankheiten, bei Leberentzündungen z. B.,
das Blut reich an Oel und Fett, und mit der Vorstellung, daß unter
gewissen Bedingungen gewisse Bestandtheile der Galle in Fett
metamorphosirt werden, steht die Zusammensetzung der Galle nicht in
Widerspruch.


~XIX.~

Nach dem Vorgehenden lassen sich die Nahrungsmittel der Menschen
eintheilen in zwei Klassen: in _stickstoffhaltige_ und in
_stickstofffreie_. Die ersteren besitzen die Fähigkeit, in Blut
überzugehen, den andern geht diese Eigenschaft ab.

Aus den Nahrungsmitteln, welche sich zur Blutbildung eignen, entstehen
die Bestandtheile der Organe, die andern dienen im normalen Zustande der
Gesundheit zur Unterhaltung des Respirationsprocesses. Die
stickstoffhaltigen bezeichnen wir als _plastische Nahrungsmittel_, die
stickstofffreien nennen wir _Respirationsmittel_.

  Plastische Nahrungsmittel sind:  Respirationsmittel sind:

    Pflanzenfibrin                      Fett
    Pflanzenalbumin                     Amylon
    Pflanzencasein                      Gummi
    Fleisch und Blut der Thiere         die Zuckerarten
                                        Pectin
                                        Bassorin &c.
                                        Wein
                                        Bier
                                        Branntwein.


~XX.~

Als eine ganz allgemeine Thatsache, welcher bis jetzt keine einzige
Erfahrung entgegensteht, haben die Untersuchungen ergeben, daß alle
stickstoffhaltigen Bestandtheile der Pflanzen eine mit den
Hauptbestandtheilen des Blutes gleiche Zusammensetzung besitzen.

Kein stickstoffhaltiger Körper, dessen Zusammensetzung abweicht von der
des Fibrins, Albumins und Caseins, ist vermögend, den Lebensproceß im
Thiere zu unterhalten.

Der Thierorganismus besitzt ohnstreitig die Kraft, aus den
Bestandtheilen seines Blutes die Substanz seiner Membranen und Zellen,
der Nerven und des Gehirns, die organischen Bestandtheile der Rippen,
Knorpel und Knochen zu erzeugen, allein sein Blut muß ihm, bis auf die
Form, fertig gebildet dargeboten werden, und wenn dies nicht geschieht,
so ist damit der Blutbildung und dem Leben eine Grenze gesetzt.

Von diesem Gesichtspunkte aufgefaßt, ist es leicht erklärlich, woher es
kommt, daß die leimgebenden Gebilde, die Gallerte der Knochen und Häute,
zur Ernährung und zur Unterhaltung des Lebensprocesses sich nicht
eignen, denn ihre Zusammensetzung ist ungleich der des Fibrins und
Albumins im Blute. Dies will natürlich nichts anders sagen, als daß die
Organe in dem Thierkörper, welche die Blutbildung vermitteln, die Kraft
nicht besitzen, um eine Metamorphose in der Anordnung der Elemente der
Gallerte (leim- und chondringebenden Gebilde) zu bewirken. Die
Leimgebilde, die Gallerte der Knochen, Membranen, Zellen und Häute
erleiden in dem Thierkörper durch den Einfluß des Sauerstoffs und der
Feuchtigkeit eine fortdauernde Veränderung, ein Theil davon tritt aus
und muß aus dem Blute wieder erneuert werden, aber diese Verwandlung und
Wiederherstellung ist offenbar in sehr enge Grenzen eingeschlossen.

Während in dem Körper des Verhungernden und Kranken das Fett
verschwindet und die Muskelsubstanz die Form von Blut wieder annimmt,
sehen wir die Sehnen und Membranen ihren Zustand behaupten, alle Glieder
des Todten behalten ihren Zusammenhang, den sie diesen Gebilden
verdanken.

Auf der andern Seite sehen wir, daß von einem Knochen, den ein Hund
verschluckt hat, nur die Knochenerde wieder abgeht, daß die Gallerte in
seinem Körper völlig verschwunden ist; die nämliche Beobachtung machen
wir an Menschen, die als Nahrungsmittel verhältnißmäßig mehr Gallerte
(in Fleischbrühe) als andere Stoffe genießen, daß sie weder in dem Urin,
noch in den Faeces austritt; sie hat also offenbar eine Veränderung
erlitten und in dem Körper zu gewissen Zwecken gedient.

Es ist klar, daß sie in einer andern Form aus dem Körper wieder
austritt, als die ist, in welcher sie genossen worden ist.

Für den Uebergang des Albumins in Blut, zu einem Bestandtheil eines
fibrinhaltigen Organs, läßt sich in der gleichen Zusammensetzung beider
kein Widerspruch entnehmen. Wir finden im Gegentheile die Verwandlung
eines löslichen und gelös’ten Stoffes in einen nichtlöslichen Träger der
Lebensthätigkeit begreiflich und in chemischer Beziehung erklärt, eben
weil sie in ihrer Zusammensetzung identisch sind. So ist denn die
Meinung einer näheren Begründung nicht unwürdig, daß die in Auflösung
genossene Gallerte in dem Organismus wieder zur Zelle und zu Membranen,
zu einem Bestandtheil der Knochen wird; daß sie dazu dienen kann, um die
leimgebenden Gebilde, welche eine Veränderung erlitten haben, zu
erneuern und ihre Masse zu vermehren.

Und wenn die Kraft zur Reproduction im ganzen Körper sich mit dem
Zustand der Gesundheit ändert, so muß, wenn auch die Fähigkeit der
Blutbildung die nämliche bliebe, die organische Kraft, durch welche die
Bestandtheile des Bluts zu Membranen und Zellen werden, im Zustand der
Krankheit nothwendig abgenommen haben; die Intensität der Lebenskraft,
ihre Fähigkeit, Metamorphosen überhaupt zu bewirken, sie nimmt im
Kranken, in seinem Magen sowohl, wie in allen Theilen seines Körpers ab.
In diesem Zustande zeigt die practische Medizin, daß die löslich
gemachten leimgebenden Gebilde einen ganz entschiedenen Einfluß auf das
Befinden des Körpers äußern; in einer Form dargeboten, in der sie sich
zur Assimilation eignen, dienen sie zur Ersparung von Kraft, ähnlich so
wie es für den Magen durch zweckmäßig zubereitete Speise geschieht. Die
Knochenbrüchigkeit bei den grasfressenden Thieren ist offenbar die Folge
einer Schwäche in denjenigen Theilen des Organismus, welche bestimmt
sind, die Metamorphosen der Blutbestandtheile in Zellensubstanz zu
bewirken, und wenn die Angaben von Aerzten, die sich im Oriente
aufgehalten haben, Vertrauen verdienen, so haben die türkischen Weiber
in der Reisnahrung und in den häufigen Klystieren von Fleischbrühe die
Bedingungen vereinigt zur Zellen- und Fettbildung.



Zweiter Theil.

  Die
  Metamorphosen der Gebilde.


~I.~

1. Die absolute Gleichheit in der Zusammensetzung der Hauptbestandtheile
des Bluts und der stickstoffhaltigen Nahrungsmittel der Thiere wäre vor
wenigen Jahren noch ein Argument gewesen, um das Resultat der chemischen
Analyse zu leugnen, zu einer Zeit, wo man noch nicht die Erfahrung
gemacht hatte, daß es eine Menge stickstoffhaltiger und stickstofffreier
Körper giebt, die bei einer großen Verschiedenheit in ihren
physikalischen Eigenschaften eine vollkommen gleiche procentische
Zusammensetzung besitzen, von denen manche sogar die nämliche Anzahl von
Atomen an Elementen enthalten.

2. Wir kennen z. B. in der _Cyanursäure_ einen stickstoffhaltigen
Körper, welcher in schönen klaren Octaedern krystallisirt, die sich in
Wasser und Säuren mit Leichtigkeit lösen, in dem _Cyamelid_ haben wir
einen zweiten Körper, welcher in Wasser und Säuren absolut
unlöslich, weiß, zusammenhängend und undurchsichtig wie Porzellan oder
locker wie Bittererde ist, eine dritte Substanz kennen wir in dem
_Cyansäurehydrat_, welche flüchtiger wie starke Essigsäure, auf der Haut
Blasen zieht und mit Wasser nicht zusammengebracht werden kann, ohne
augenblicklich in neue Produkte zerlegt zu werden. Diese drei Stoffe
zeigen nicht allein in der Analyse ein absolut gleiches
Gewichtsverhältniß an Elementen, sondern sie können auch der eine in den
andern vorwärts und rückwärts verwandelt werden und zwar in hermetisch
geschlossenen Gefäßen, ohne daß also an dieser Verwandlung ein Stoff von
Außen Antheil nimmt[E21]. Unter den stickstofffreien Substanzen kennen
wir in dem _Aldehyd_ eine mit Wasser mischbare brennbare Flüssigkeit,
welche in der Wärme der Hand schon siedet, mit großer Begierde
Sauerstoff aus der Luft anzieht und sich in Essigsäure verwandelt.
Dieser Aldehyd läßt sich selbst in zugeschmolzenen Gefäßen nicht
aufbewahren, schon nach Stunden oder Tagen ändert sich seine
Beschaffenheit, seine Flüchtigkeit, seine Fähigkeit Sauerstoff
anzuziehen; es setzen sich lange farblose, harte Nadeln darin ab, welche
bei Siedhitze des Wassers noch nicht flüchtig sind, und die Flüssigkeit,
in welcher es geschieht, ist kein Aldehyd mehr, sie siedet erst bei 60°,
mischt sich nicht mehr mit Wasser und krystallisirt in eisähnlichen
Nadeln bei einem geringen Kältegrade. Nichtsdestoweniger hat die Analyse
dargethan, daß diese drei so verschiedenen Substanzen identisch in ihrer
Zusammensetzung sind[E22].

3. Einer ähnlichen Dreiheit begegnen wir in dem Albumin, Fibrin und
Casein. Bis auf ihre physikalischen Eigenschaften weichen sie in ihrem
Gehalte an organischen Elementen nicht von einander ab.

Wenn man Thieralbumin, -Fibrin und -Casein in einer mäßig starken
Kalilauge lös’t und diese Flüssigkeit eine Zeitlang einer höhern
Temperatur aussetzt, so werden diese Materien zerlegt. Durch Zusatz von
Essigsäure scheidet sich aus diesen Auflösungen ein gelatinöser, halb
durchscheinender Niederschlag ab, welcher einerlei Beschaffenheit und
Zusammensetzung zeigt, von welcher der genannten drei Thiersubstanzen
derselbe auch dargestellt werden mag.

_Mulder_, dem wir die Entdeckung dieses Körpers verdanken, fand durch
genaue und sorgfältig ausgeführte Analysen, daß diese Substanz die
nämlichen organischen Elemente, und zwar in demselben relativen
Verhältnisse enthält, wie die Thierstoffe, aus denen sie erhalten worden
war, in der Art also, daß, wenn man von Albumin, Fibrin und Casein die
Aschenbestandtheile, den Schwefel und Phosphor, den sie enthalten,
abzieht, und den Rest der Bestandtheile auf 100 Theile berechnet, man zu
den nämlichen Zahlenverhältnissen, zu denen die Analyse des durch Kali
erhaltenen Zersetzungsproduktes führt, gelangt[E23].

Von diesem Gesichtspunkte aus lassen sich die Hauptbestandtheile des
Blutes und der stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe der Thiermilch als
Verbindungen von phosphorsauren und andern Salzen, von Phosphor und
Schwefel, mit einem aus Stickstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff und
Sauerstoff bestehenden Körper betrachten, in welchem das relative
Verhältniß dieser Elemente nicht wechselt, und dieser Körper läßt sich
als Anfangs- und Ausgangspunkt der ganzen Reihe der übrigen Thiergebilde
ansehen, eben weil sie alle aus dem Blute erzeugt werden.

Diese Betrachtungsweise veranlaßte _Mulder_, dem erwähnten
Zersetzungsprodukt den Namen _Protein_ zu geben, von πρωτευω »ich nehme
den ersten Platz ein,« und das Blut, oder die Bestandtheile des Blutes
sind hiernach Verbindungen dieses Protein’s mit wechselnden Mengen von
andern nicht organischen Substanzen.

_Mulder_ fand ferner, daß der in Wasser unlösliche stickstoffhaltige
Bestandtheil des Weizenmehls, das Pflanzenfibrin, durch Behandlung mit
Kali dasselbe Zersetzungsprodukt, nämlich Protein, liefert, und es hat
sich zuletzt ergeben, daß Pflanzenalbumin und Pflanzencasein sich gegen
Kali genau so verhalten, wie Thieralbumin und Thiercasein.

4. Soweit als unsere Forschungen reichen, kann man es demnach als ein
Erfahrungsgesetz betrachten, daß die Pflanzen in ihrem Organismus
Proteinverbindungen erzeugen und daß sich aus diesen Proteinverbindungen
die zahlreichen Gebilde und Bestandtheile des Thierkörpers unter
Mitwirkung des Sauerstoffs der Luft und der Bestandtheile des Wassers
durch die Lebenskraft entwickeln[F5].

  [5] Die Erfahrung von _Tiedemann_ und L. _Gmelin_, welche Gänse mit
  gekochtem Eiweiß nicht am Leben erhalten konnten, erklärt sich leicht,
  wenn man erwägt, daß ein körnerfressendes Thier in der Substanz seiner
  umgesetzten Organe, wenn ihm überdies Bewegung mangelt, nicht
  Kohlenstoff genug zum Respirationsproceß vorfindet. Zwei Pfunde Eiweiß
  enthalten nur 7 Loth Kohlenstoff, von denen in dem letzten Produkt des
  Stoffwechsels der vierte Theil und zwar in der Form von Harnsäure
  wieder abgeht.

Obwohl es nun nicht bewiesen werden kann, daß das Protein fertig
gebildet in diesen stickstoffhaltigen Pflanzenstoffen und
Thiersubstanzen enthalten ist, indem die Verschiedenheit ihrer
Eigenschaften darauf hinzudeuten scheint, daß ihre Elemente nicht auf
gleiche Weise mit einander vereinigt sind, so gewährt dennoch, als
Ausgangspunkt für die Entwickelung und Vergleichung ihrer Eigenschaften,
die Annahme der Präexistenz des Proteins viele Bequemlichkeit.
Jedenfalls ordnen sich die organischen Elemente der genannten Substanzen
auf einerlei Weise, wenn sie bei einer höhern Temperatur mit kaustischem
Kali in Berührung gebracht werden.

Alle organischen stickstoffhaltigen Bestandtheile des Thierkörpers, so
verschieden sie auch in ihrer Zusammensetzung sich darstellen mögen,
stammen vom Protein ab; sie sind daraus gebildet worden durch Aus- oder
Hinzutreten der Bestandtheile des Wassers oder des Sauerstoffs und durch
Spaltung in zwei oder mehrere neue Verbindungen.

5. Dieser Satz muß als eine unleugbare Wahrheit angenommen werden, wenn
man sich an die Entwickelung des jungen Thieres im Hühnerei erinnert.
Nachweisbar enthält das Hühnerei außer dem Albumin keinen anderen
stickstoffhaltigen Bestandtheil, das Albumin des Dotters ist identisch
mit dem Albumin des Weißen im Ei[E24]; der Dotter enthält ein gelb
gefärbtes Fett, in dem sich Cholsterin und Eisen als Bestandtheile
nachweisen lassen. Wir sehen nun, daß in der Bebrütung des Eies, wo bis
auf den Sauerstoff der Luft kein Nahrungsstoff, keine Materie von Außen
Antheil an dem Entwickelungsproceß nehmen kann, daß sich aus dem
Albumin, Federn, Klauen, Blutkörperchen, Fibrin, Membranen und Zellen,
Arterien und Venen erzeugen; an der Bildung der Gehirn- und
Nervensubstanz mag das Fett des Ei’s einen gewissen Antheil genommen
haben, allein zur Erzeugung der stickstoffhaltigen Träger der
Lebensthätigkeit konnte sein Kohlenstoff nicht verwendet werden, eben
weil das Albumin des Weißen und Dotters im Ei auf den gegebenen
Stickstoffgehalt die zur Hervorbringung der Gebilde nöthige
Kohlenstoffmenge schon enthält.

6. Der eigentliche Ausgangspunkt aller Gebilde im Thierkörper ist
hiernach das Albumin; alle stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe,
gleichgültig, ob sie von Thieren und Pflanzen stammen, verwandeln sich,
ehe sie Theil an dem Nutritionsproceß nehmen, in Albumin.

Alle Nahrungsstoffe, welche das Thier genießt, werden in seinem Magen
löslich und überführbar in das Blut. An diesem Löslichwerden nimmt außer
dem Sauerstoff der Luft nur eine Flüssigkeit Antheil, welche von den
Wänden des Magens abgesondert wird.

Die entscheidendsten Versuche der Physiologen haben dargethan, daß der
Verdauungsproceß unabhängig ist von der Lebensthätigkeit, er geht vor
sich in Folge einer rein chemischen Aktion, ganz ähnlich den
Zersetzungs- oder Umsetzungsprocessen, die man mit Fäulniß, Gährung oder
Verwesung bezeichnet.

7. In der einfachsten Form ausgedrückt ist Gährung und Fäulniß der
Vorgang der Umsetzung (neuen Lagerung) der Elementartheile (Atome) einer
Verbindung, zu einer oder zu mehreren neuen Gruppen (Verbindungen),
welche bewirkt wird durch die Berührung mit andern Körpern, deren
Elementartheile sich selbst im Zustand der Umsetzung (Zersetzung)
befinden. Es ist eine Uebertragung und Mittheilung eines Zustandes der
Bewegung, welche die Atome eines sich in Bewegung befindlichen Körpers
in andern Materien hervorzubringen vermögen, deren Elementartheile nur
mit einer geringen Kraft zusammengehalten sind.

8. So enthält denn der klare Magensaft eine im Zustand der Umsetzung
befindliche Materie, durch deren Berührung mit den an und für sich im
Wasser unlöslichen Bestandtheilen der Speise, diese die Fähigkeit sich
zu lösen, in Folge einer neuen Gruppirung ihrer Elementartheile,
empfangen. Während der Verdauung enthält der abgesonderte Magensaft eine
freie Mineralsäure, durch deren Gegenwart eine jede weitere Veränderung
aufgehalten wird.

Daß die Löslichwerdung der Speisen unabhängig von der Lebensthätigkeit
der Verdauungsorgane ist, haben die Physiologen aufs klarste durch eine
Menge der schönsten Versuche dargethan. Speisen, in metallene
durchlöcherte Röhren eingeschlossen, so daß sie mit den Wänden des
Magens nicht in Berührung kommen konnten, verschwinden ebenso leicht und
schnell, sie werden eben so gut verdaut, wie wenn diese Hülle nicht
vorhanden gewesen wäre, und frisch aus dem Körper genommener Magensaft,
in dem man gekochtes Eiweiß, Muskelfleisch bei der Temperatur des
Thierkörpers eine Zeitlang erhält, bewirkt, daß sie ihre feste
Beschaffenheit verlieren; sie lösen sich in der Flüssigkeit auf.

9. Die in dem Magensaft vorhandene, im Zustand der Veränderung
befindliche Materie ist, wie man kaum bezweifeln kann, ein Produkt der
Umsetzung des Magens selbst. Keine mehr wie die Produkte, welche durch
die fortschreitende Zersetzung der Leim- (Chondrin-?) gebenden Gebilde
erzeugt werden, besitzen in so hohem Grade die Fähigkeit, in andern
Stoffen eine Umsetzung ihrer Bestandtheile hervorzurufen. Wenn man die
Membranen des Magens irgend eines Thieres (den Labmagen des Kalbes z.
B.) durch anhaltendes Waschen mit Wasser reinigt, so zeigt er keine Art
von Wirkung, wenn er mit Zucker, Milch und andern Substanzen
zusammengebracht wird; läßt man dieselben Membranen eine Zeitlang an der
Luft liegen, oder trocknet man sie und bringt sie mit Wasser und den
genannten Substanzen in Berührung, so verwandelt sich der Zucker, je
nach dem Zustand der Zersetzung, in der sich die Thiersubstanz befindet,
in Milchsäure oder in Schleim und Mannit oder in Alkohol und
Kohlensäure; die Milch wird davon augenblicklich zum Gerinnen gebracht.
Eine gewöhnliche Thierblase behauptet in trocknem Zustande ihren Zustand
und alle ihre Eigenschaften unverändert, aber bei Gegenwart von
Feuchtigkeit und Luft geht sie einer Veränderung entgegen, ohne daß man
diese durch besondere äußere Zeichen wahrnimmt; wird sie in diesem
Zustande in eine Auflösung von Milchzucker gelegt, so verwandelt sich
dieser in kurzer Zeit in Milchsäure.

10. Frischer Labmagen des Kalbes, mit schwacher Salzsäure in Berührung,
ertheilt dieser Flüssigkeit nicht die geringste Fähigkeit, gekochtes
Fleisch oder Eiweiß aufzulösen; war aber der Labmagen vorher getrocknet
worden, oder läßt man ihn eine Zeitlang im Wasser liegen, so lös’t mit
Salzsäure angesäuertes Wasser eine Materie in höchst geringer Menge
daraus auf, deren Zustand der Zersetzung sich in der Auflösung
vollendet; durch die Uebertragung des Aktes der Zersetzung auf das
coagulirte Eiweiß wird es an den Rändern zuerst durchscheinend, dann
schleimig und lös’t sich zuletzt bis auf trübende fette Gemengtheile
völlig auf. Sauerstoff wird durch das arterielle Blut allen Theilen des
Thierkörpers zugeführt, überall befindet sich Feuchtigkeit, in beiden
finden wir die Hauptbedingungen aller Veränderungen im Thierkörper
vereinigt.

Aehnlich also wie der im Keimungsproceß der Samen in einem Zustande der
Umsetzung seiner Bestandtheile befindliche Körper, dem man den Namen
_Diastase_ gegeben hat, die Löslichwerdung des Amylons (seine
Verwandlung in Zucker) bewirkt, veranlaßt ein Produkt der Metamorphose
der Substanz der Verdauungsorgane, indem sich seine Zersetzung im Magen
vollendet, die Verflüssigung aller der Lösung fähigen Bestandtheile der
Speisen. In gewissen Krankheitszuständen erzeugen sich aus den
stickstofffreien Bestandtheilen der Speisen, aus Amylon und Zucker,
Milchsäure[E25] und Schleim, die nämlichen Produkte, die wir durch
Membranen, welche sich im Zustande der Zersetzung befinden, außerhalb
des Magens hervorbringen können; allein im normalen Zustande der
Gesundheit wird im Magen keine Milchsäure gebildet.

11. Die Eigenschaft vieler Respirationsmittel, des Amylons und der
Zuckerarten, bei Berührung mit Thiersubstanzen, die sich im Zustande der
Zersetzung befinden, in Milchsäure überzugehen, hat einen Grund bei den
Physiologen abgegeben, um ihre Entstehung während der Verdauung ohne
weiteres anzunehmen, und ihre Fähigkeit, den phosphorsauren Kalk
aufzulösen, veranlaßte sie, der Milchsäure die Rolle eines allgemeinen
Auflösungsmittels zuzuschreiben. Allein es gelang weder _Prout_ noch
_Braconnot_, Milchsäure im Magensafte nachzuweisen, und selbst _Lehmann_
(s. sein Lehrbuch der physiologischen Chemie I. Bd. S. 285) erhielt aus
dem Magensaft einer Katze nur mikroskopisch erkennbare Krystalle, die er
für milchsaures Zinkoxyd erklärt, obwohl ihr chemischer Charakter nicht
ausgemittelt werden konnte.

Das Vorhandensein von freier Salzsäure im Magensafte, was _Prout_ zuerst
beobachtete, ist später von allen Chemikern, die sich mit seiner
Untersuchung beschäftigt haben, bestätigt worden. Diese Salzsäure stammt
offenbar von dem Kochsalz her, dessen Natron bei dem Uebergang des
Fibrins und Caseins in Blut eine ganz bestimmte Rolle übernimmt.

In ihrem Vermögen, Knochenerde aufzulösen, wird die Salzsäure von keiner
organischen Säure übertroffen, und Essigsäure steht in dieser
Eigenschaft der Milchsäure gleich. Von einer Nothwendigkeit der
Gegenwart der Milchsäure während des Verdauungsprocesses kann hiernach
keine Rede sein; mit Bestimmtheit weiß man, daß sie in dem künstlichen
Verdauungsproceß nicht erzeugt wird. _Berzelius_ hat zwar milchsaure
Salze im Blut und Fleisch der Thiere gefunden, allein damals war die
außerordentliche Leichtigkeit und Schnelligkeit noch nicht bekannt, mit
welcher diese Säure bei Gegenwart von Thierstoffen aus einer Menge von
Materien zu entstehen vermag, welche die Elemente der Milchsäure
enthalten.

In dem Magensafte eines Hundes fand _Braconnot_, neben Salzsäure,
nachweisbare Spuren eines Eisensalzes, was er anfänglich für einen
zufälligen Bestandtheil ansah, dessen Gegenwart sich aber in dem
Magensafte eines zweiten Hundes, den man mit der nöthigen Vorsicht
gewonnen hatte, bestätigte (~Ann. d. chim. et d. phys. T.~ 59. ~S.~
349). Dieser Eisengehalt ist für die Blutbildung bedeutungsvoll.

12. An der Wirkung des Magensaftes auf die Speisen nimmt, außer Wasser,
kein anderes Element als der Sauerstoff nachweisbaren Antheil. Dieser
Sauerstoff wird aus der atmosphärischen Luft dem Magen zugeführt.
Während des Kauens der Speisen wird im Munde, durch besonders dazu
bestimmte Organe, eine Flüssigkeit abgesondert, welche die
ausgezeichnete Fähigkeit, Luft schaumartig einzuschließen, in weit
höherem Grade noch wie Seifenwasser besitzt. Diese Luft gelangt durch
den Speichel mit den Speisen in den Magen, wo ihr Sauerstoff eine
Verbindung eingeht; der Stickstoff dieser Luft wird durch Haut und Lunge
ausgeathmet. Je länger die Verdauung dauert, je größeren Widerstand die
Speisen der auflösenden Aktion entgegensetzen, desto mehr Speichel, und
mit ihm desto mehr Luft gelangt in den Magen. Das Wiederkäuen bei
gewissen grasfressenden Thieren hat offenbar noch den Zweck einer neuen
und wiederholten Hinzuführung von Sauerstoff, denn eine vollkommnere
mechanische Zertheilung verkürzt nur die Zeit, in welcher die Auflösung
vor sich geht.

Aus der ungleichen Menge von Luft, welche bei verschiedenen Thierklassen
bei dem Kauen der Speisen mit dem Speichel in den Magen gelangt,
erklären sich die wohlbegründeten Beobachtungen der Physiologen, welche
die Thatsache außer Zweifel gestellt haben, daß die Thiere durch Haut
und Lunge reines Stickgas ausathmen, eine Erfahrung, die um so wichtiger
ist, da sie in sich selbst den entscheidendsten Beweis trägt, daß der
Stickstoff der Luft in der thierischen Oekonomie keine Verwendung
findet.

Das Austreten von Stickgas aus Haut und Lunge erklärt sich durch das
Vermögen der Thiergewebe Gase aller Art durchzulassen, was sich durch
die einfachsten Versuche darthun läßt. Eine Blase, die man, mit
kohlensaurem Gas, Stickgas oder Wasserstoffgas gefüllt, wohlverschlossen
in die Luft hängt, verliert in 24 Stunden ihren ganzen Gehalt an diesen
Gasen; durch eine Art von Austausch sind sie nach Außen hin in die
Atmosphäre entwichen, ihren Platz finden wir von atmosphärischer Luft
eingenommen. Ein Darm, ein Magen oder eine Haut, die wir mit diesen
Gasen füllen, verhält sich ganz ähnlich wie die Blase; dieses
Durchlassen der Gase ist eine physikalische Eigenschaft, die allen
thierischen Geweben angehört; wir beobachten sie in dem lebenden Körper
in gleichem Grade wie an den todten Substanzen.

Man weiß, daß bei Lungenverletzungen nicht selten ein eigenthümlicher
Zustand entsteht, wo beim Athmen die atmosphärische Luft von den
Luftwegen aus in das angränzende Zellgewebe eindringt. Diese Luft wird
durch die Respirationsbewegungen von der Wundstelle aus in dem
Zellgewebe immer weiter fortgetrieben und bildet so den unter dem Namen
Emphysem bekannten Krankheitszustand. Sobald das fernere Eindringen der
atmosphärischen Luft in das Zellgewebe frühzeitig genug verhindert wird,
verliert sich dieser Zustand allmälig von selbst wieder, der Sauerstoff
dieser Luft ist, wie man nicht zweifeln kann, in Verbindung getreten,
das Stickstoffgas ist durch Haut und Lunge ausgeathmet worden.

Es ist ferner bekannt, daß bei vielen grasfressenden Thieren, wenn sie
sich im Genuße frischer saftiger Pflanzen die Verdauungswerkzeuge
überladen haben, diese Stoffe in dem Magen selbst der nämlichen
Zersetzung unterliegen, die sie außerhalb des Körpers in gleicher
Temperatur erfahren; sie gehen in Gährung und Fäulniß über, wobei sich
eine so große Menge kohlensaures und entzündliches Gas entwickelt, daß
diese Organe auf eine ungewöhnliche Weise (zuweilen bis zum Zersprengen)
aufgetrieben werden. Nach der Einrichtung ihres Magens oder ihrer Mägen,
können diese Gase durch den Schlund nicht entweichen, man sieht aber
nach einigen Stunden schon den aufgetriebenen Leib kleiner werden, und
nach 24 Stunden ist von allem Gase keine Spur mehr vorhanden[E26].

Erinnert man sich zuletzt an die tödtlichen Zufälle, die in Weinländern
so häufig durch den Genuß von sogenanntem federweißen Wein veranlaßt
werden, so kann man nicht den geringsten Zweifel hegen, daß Gase jeder
Art, im Wasser lösliche oder unlösliche, das Vermögen besitzen, die
thierischen Gewebe zu durchdringen, ähnlich wie Wasser von ungeleimtem
Papier durchgelassen wird. Der federweiße Wein ist in Gährung
begriffener Wein, welche durch die Temperatur des Magens gesteigert
wird; das entwickelte kohlensaure Gas dringt durch die Wände des Magens,
des Zwerchfelles, durch alle Häute in die Lungenzellen, und verdrängt
aus diesen die atmosphärische Luft. Der Mensch stirbt mit allen Zeichen
der Erstickung in einem irrespirablen Gase, und der sicherste Beweis für
ihr Vorhandensein in der Lunge ist unstreitig der Umstand, daß das
Einathmen von Ammoniakgas als das beste Gegenmittel gegen diesen
Krankheitszustand anerkannt ist.

Die Kohlensäure der moussirenden Weine, welche in den Magen gelangt, die
Kohlensäure, die man im Wasser, was damit gesättigt ist, in der Form
eines Klystiers zu sich nimmt, sie treten durch Haut und Lunge wieder
aus, und in gleichem Grade muß dies von dem Stickgas gelten, was durch
den Speichel in den Magen gelangt.

Gewiß mag ein Theil dieser Gase durch das Saug- und Lymphgefäßsystem in
das venöse Blut und von da in die Lunge gelangen, wo sie abdunsten,
allein ihrem directen Eindringen in die Brusthöhle und Lunge steht in
den Membranen selbst, nicht das geringste Hinderniß im Wege. Es ist in
der That schwer zu glauben, daß die Saug- und Lymphgefäße ein besonderes
Bestreben haben, Luft, Stickgas, Wasserstoffgas &c. aufzusaugen und dem
Blute zuzuführen, da die Eingeweide, der Magen, alle Räume, die nicht
mit festen oder flüssigen Stoffen ausgefüllt sind, Gase enthalten, die
nur bei einer gewissen Volumsvergrößerung ihren Platz verlassen, die
also nicht aufgesaugt werden. Von dem Stickgas im besondern, mit dem
sich das Blut bei seinem Durchgange durch die Lunge, wie eine jede
andere Flüssigkeit sättigt, d. h. von dem es so viel aufnimmt, als
seinem Auflösungsvermögen entspricht, muß angenommen werden, daß es
nicht durch den Kreislauf des Blutes, sondern auf einem directeren Wege
wieder aus dem Magen tritt. Durch die Athembewegungen werden alle Gase,
welche die leeren Räume ausfüllen, nach der Brusthöhle hingetrieben,
indem durch die Bewegung des Zwergfelles und die Erweiterung der
Brusthöhle ein luftverdünnter Raum entsteht, in dessen Folge, durch den
atmosphärischen Luftdruck, Luft von allen Seiten her in die Lungen
eingetrieben wird; es findet freilich das Maximum der Ausgleichung durch
die Luftröhre statt, aber auch von Innen her müssen alle Gase eine
Bewegung nach der Brusthöhle und Lunge hin empfangen. Bei den Vögeln und
Schildkröten ist dieses Verhältniß umgekehrt. Wenn wir annehmen, daß ein
Mensch in einer Minute nur ¹/₈ Kubikzoll Luft mit dem Speichel seinem
Magen zuführt, so macht dies in 18 Stunden 135 Kubikzoll aus, wenn wir
den fünften Theil davon als Sauerstoff abrechnen, so bleiben immer noch
108 Kubikzoll Stickgas, welche den Raum von drei Pfund (hessische)
Wasser einnehmen. So wenig oder so viel die verschluckte Stickstoffmenge
nun auch betragen mag, gewiß ist, daß dieses Gas durch den Mund, Nase
oder Haut wieder austritt, und wenn wir die große Menge Stickgas in
Betrachtung ziehen, welche von _Magendie_ in den Eingeweiden
Hingerichteter nachgewiesen worden ist, so wie die Abwesenheit von allem
Sauerstoffgas in den nämlichen Organen[E27], so muß angenommen werden,
daß auch in Folge der Resorbtion durch die Haut Luft, d. h. Stickgas,
eintritt, welches durch die Lunge wieder ausgeathmet wird.

Bei dem Athmen der Thiere in Gasen, die keinen Stickstoff enthalten,
wird mehr Stickgas ausgeathmet, eben weil sich in diesem Falle das
Stickgas im Körper gegen den Raum außerhalb verhält, wie wenn dieser
Raum luftleer wäre. (S. _Graham_ über die Diffusion der Gase.)

Die Unterschiede in der Menge des ausgeathmeten Stickgases von
verschiedenen Thierklassen erklären sich hiernach leicht; die Herbivoren
verschlucken mit dem Speichel mehr Luft wie die Carnivoren; sie athmen
mehr Stickgas aus, beim Fasten weniger wie nach frisch genossener
Nahrung.

13. Aehnlich wie die aus dem Leibe genommene Muskelfaser den Zustand der
Zersetzung und Umsetzung, in welchem sich ihre Bestandtheile befinden,
dem Wasserstoffhyperoxyde überträgt, wirkt ein durch den organischen
Proceß, in Folge der Umsetzung der Bestandtheile des Magens und der
Verdauungsorgane, entstehendes Product, indem sich seine Metamorphose im
Magen vollendet, auf die Bestandtheile der genossenen Speisen. Die
unlöslichen erhalten die Fähigkeit sich zu lösen, sie werden verdaut.

Es ist gewiß bemerkenswerth, daß gekochtes Eiweiß oder Fibrin, wenn sie
durch gewisse Flüssigkeiten, durch organische Säuren oder schwache
alkalische Laugen, löslich gemacht werden, daß alle ihre übrigen
Eigenschaften bis auf die Form (den Cohäsionszustand) nicht die
geringste Aenderung erfahren, ihre Elementartheile ordnen sich sicher
auf eine andere Art, allein sie theilen sich nicht in zwei oder mehre
Gruppen, in zwei oder mehre neue Verbindungen, sondern sie bleiben
zusammen vereinigt.

Ganz dasselbe findet in dem Verdauungsprocesse statt; im
gesunden Zustande erleiden die Speisen nur eine Aufhebung ihres
Cohäsionszustandes.

Das größte Hinderniß, was sich der klaren Auffassung des
Verdauungsprocesses, der in dem Vorhergehenden zu den chemischen
Metamorphosen gerechnet worden ist, die man Gährung und Fäulniß nennt,
entgegenstellt, beruht auf der unwillkührlichen Erinnerung und in der
Festhaltung der Erscheinungen, welche die Gährung des Zuckers und der
Thiersubstanzen (Fäulniß) begleiten, allein es giebt zahllose Fälle, wo
eine Umsetzung der Bestandtheile einer Verbindung vor sich geht, ohne
die geringste Gasentwickelung, und es sind hauptsächlich diese, welche
man ins Auge zu fassen hat, wenn man den chemischen Begriff der
Verdauung frei von Irrthum in sich aufnehmen will.

Alle Materien, welche die Erscheinungen der Gährung und Fäulniß in
Flüssigkeiten aufzuheben vermögen, stören, in den verdauenden Magen
gebracht, die Verdauung. Die Wirkung der brenzlichen, empyreumatischen
Stoffe von Caffee, Tabacksdampf, Kreosot, Quecksilbermittel u. s. w.
verdienen in dieser Beziehung für Dietätik eine besondere Beachtung.

Durch die Gleichheit in der Zusammensetzung der Bestandtheile des Bluts
mit den stickstoffhaltigen, vegetabilischen Nahrungsstoffen haben wir,
gewiß auf eine sehr unerwartete Weise, erfahren, warum faulendes Blut,
Eiweiß, Fleisch, Käse in Zuckerwasser die nämliche Veränderung
hervorbringen, wie Hefe, warum Zucker damit in Berührung je nach dem
Zustande der Zersetzung, in welchem sich die faulenden Materien
befinden, bald in Alkohol und Kohlensäure, bald in Milchsäure und
Schleim sich zerlegt. Die Ursache liegt einfach darin, daß die Materie,
welche man Hefe (Ferment) genannt hat, im Zustande der Zersetzung
begriffenes Pflanzenalbumin, -Fibrin oder -Casein ist, Substanzen,
welche identisch sind mit den Bestandtheilen des Fleisches oder des
Blutes. Die Fäulniß der genannten Thiersubstanzen ist in ihrem Vorgang
identisch mit dem Proceß der Metamorphose der ihnen identischen
Pflanzenstoffe, es ist ein Zerfallen in minder complexe neue
Verbindungen. Und wenn man die Umsetzung der Bestandtheile des
Thierkörpers (den Verbrauch an Stoff vom Thiere) als einen chemischen
Proceß betrachtet, welcher unter dem Einflusse der Lebensthätigkeit vor
sich geht, so ist die Fäulniß derselben außerhalb des Thierkörpers ein
Zerfallen in einfachere Verbindungen, an welchen die Lebenskraft keinen
Antheil nimmt. Die Action ist in beiden Fällen die nämliche, nur die
Producte sind verschieden. Die practische Medicin hat über die Wirkung
empyreumatischer Stoffe (Holzessig und anderer) auf bösartige Wunden und
Geschwüre die schönsten und interessantesten Beobachtungen gemacht. In
diesen Krankheitserscheinungen gehen zwei Actionen neben einander vor
sich, eine Metamorphose, welche unter dem Einfluß der Lebensthätigkeit
sich zu vollenden strebt, und eine zweite, welche unabhängig von ihr
ist. Die letztere ist ein chemischer Proceß, welcher durch
empyreumatische Substanzen gänzlich unterdrückt und aufgehoben wird; es
ist der reine Gegensatz von der schädlichen Einwirkung, welche faulendes
Blut, auf frische Wunden gelegt, in dem Organismus hervorbringt.


~II.~

14. Den nächsten Ausdruck für die Zusammensetzung des Proteins oder die
relativen Verhältnisse der organischen Bestandtheile des Bluts, so wie
sie durch die Analyse festgestellt worden sind, giebt die Formel
~C₄₈H₇₂N₁₂O₁₄~[F6]. Albumin, Fibrin, Casein enthalten Protein; das
Casein enthält Schwefel, keinen Phosphor; Albumin und Fibrin enthalten
beide Substanzen in chemischer Verbindung, das erstere mehr Schwefel als
wie das Fibrin. In welcher Form der Phosphor in diesen Materien
vorhanden ist, kann direct nicht entschieden werden, aber man hat
bestimmte Beweise dafür, daß der Schwefel nicht im oxydirten Zustande
darin enthalten sein kann. Alle diese Materien geben nämlich mit einer
mäßig starken Kalilauge erhitzt den Schwefel ab, den man in der
Flüssigkeit als Schwefelkalium wiederfindet; mit einer Säure versetzt
entwickelt er sich daraus als Schwefelwasserstoff. Lös’t man reines
Fibrin oder gewöhnliches Eiweiß in schwacher Kalilauge auf, setzt
essigsaures Bleioxyd mit der Vorsicht hinzu, daß alles Bleioxyd in der
alkalischen Lauge gelös’t bleibt, und erhitzt nun zum Sieden, so wird
die Flüssigkeit schwarz wie Dinte und es schlägt sich Schwefelblei als
feines Pulver nieder.

  [6] Ueber die Verwandlung dieser und der folgenden Formeln in Procente
  siehe Anhang.

Es ist außerordentlich wahrscheinlich, daß durch die Einwirkung des
Alkali’s der Schwefel als Schwefelwasserstoff, der Phosphor als
Phosphorsäure hinweggenommen wird. Da nun in diesem Falle Schwefel und
Phosphor auf der einen Seite, Wasserstoff und Sauerstoff auf der andern
austreten, so sollte man denken, daß Fibrin und Albumin mit ihrem
Schwefel und Phosphor mehr Wasserstoff und Sauerstoff in der Analyse
geben müßten, als das Protein. Allein dies läßt sich thatsächlich durch
die Analyse nicht darthun. Man hat z. B. in dem Fibrin 0,36 ~pCt.~
Schwefel gefunden. Angenommen nun, der Schwefel trete mit Wasserstoff
aus, so würde das Protein 0,0225 ~pCt.~ Wasserstoff weniger enthalten,
wie das Fibrin, anstatt den mittleren Gehalt von 7,062 ~pCt.~
Wasserstoff würde man im Protein also 7,04 ~pCt.~ bekommen müssen. In
einer ähnlichen Weise würde durch das Austreten vom Sauerstoff mit dem
Phosphor der Sauerstoffgehalt des Fibrins von 22,715 ~pCt.~ oder 22,00
auf 22,5 oder 21,8 ~pCt.~ in dem Protein zurückgeführt werden. Die
Fehlergrenzen unserer Analysen sind aber im Durchschnitt größer als ein
Zehntel Procent in der Wasserstoffbestimmung, und über ⁴/₁₀ ~pCt.~ in
der Sauerstoffbestimmung; in den angegebenen Fällen würde der
Unterschied in dem Wasserstoffgehalte nur ¹/₄₈ ~pCt.~ betragen.

Wenn man zuletzt bedenkt, daß das Austreten von Sauerstoff und
Wasserstoff mit dem Phosphor und Schwefel ein Hinzutreten der
Bestandtheile des Wassers nicht ausschließt, wenn wir annehmen, daß mit
den organischen Bestandtheilen des Albumins und Fibrins eine gewisse
Menge Wasser in Verbindung tritt, um Protein zu bilden, so hört alle
Wahrscheinlichkeit völlig auf, durch die chemische Analyse darüber zu
einer bestimmten Ansicht zu gelangen.

Man hat von der Bildung des Schwefelkaliums rückwärts Schlüsse auf das
Vorhandensein von nicht oxydirtem Phosphor in dem Fibrin und Albumin
gezogen, indem man annahm, daß der Sauerstoff des Kalis dazu gedient
habe, um mit dem Phosphor Phosphorsäure zu bilden; allein das Casein, in
welchem kein Phosphor zugegen ist, verhält sich gegen Kali ganz den
anderen gleich; es entsteht nämlich Schwefelkalium, dessen Bildung ohne
ein Austreten von Schwefelwasserstoff nicht erklärbar ist. Beim bloßen
Kochen von Fleisch, bei der Bereitung von Fleischbrühe, entwickelt sich,
wie _Chevreul_ gefunden hat, Schwefelwasserstoff.

Zuletzt sind die Schwefelmengen im Fibrin und Albumin auf dieselbe
Phosphormenge nicht gleich, woraus man keinen andern Schluß ziehen kann,
als daß die Bildung des Schwefelkaliums zu diesem Phosphorgehalt in
keiner Beziehung steht; es bildet sich Schwefelkalium aus Casein, in
welchem man keinen freien (als Säure ungebundenen?) Phosphor voraussetzt
und ebenso aus Albumin, was nur halb so viel Phosphor enthält wie das
Fibrin.

Eine jede Bemühung, die wahre Anzahl der Atome des Fibrins und Albumins
in einer rationellen Formel festzusetzen, in welcher Schwefel und
Phosphor zu ganzen Atomzahlen aufgenommen sind, wird immer unfruchtbar
bleiben, weil uns schlechterdings alle Mittel fehlen, um mit absoluter
Genauigkeit die so äußerst geringen Mengen von Schwefel und Phosphor in
den Thiersubstanzen bestimmen zu können, und eine Abweichung, welche
kleiner ist als die gewöhnlichen Grenzen der Beobachtungsfehler, um 10
und mehr Atome, die Anzahl der Atome des Kohlenstoffs, Wasserstoffs und
Sauerstoffs in der Formel ändert.

Man muß sich in dieser Hinsicht über das, was die chemische Analyse zu
leisten vermögend ist, keiner Täuschung hingeben, mit Gewißheit wissen
wir, daß die Zahlenverhältnisse der Analysen vom Fibrin und Albumin
nicht von einander abweichen, und wir erschließen hieraus die gleiche
Zusammensetzung. Dieser Schluß verliert von seiner Wahrheit nichts,
obwohl wir die Anzahl der Atome ihrer Elemente nicht kennen, welche zu
dem zusammengesetzten Atome sich vereinigt haben.

15. Eine Formel für Protein ist für uns nichts weiter wie der genaueste
und nächste Ausdruck der Analyse, einer Erfahrung, über die wir alle
Zweifel als beseitigt betrachten. Dies allein hat vorläufig Werth für
uns.

Wenn wir uns nun denken, daß aus dem Albumin und Fibrin im Blute alle
andern Gebilde entsprungen sind, so ist vollkommen sicher, daß dies nur
auf zwei Weisen geschehen kann. Es sind nämlich entweder gewisse
Elemente hinzu-, oder es sind von ihren Bestandtheilen gewisse Mengen
ausgetreten.

Suchen wir nun z. B. für die Zellen und leimgebenden Gebilde, Sehnen,
Haare, Horn und die übrigen, einen analytischen Ausdruck auf, in welchem
die Anzahl der Atome des Kohlenstoffs als eine unveränderliche Größe
festgesetzt wird, so giebt sich auf den ersten Blick zu erkennen, in
welcher Art und Weise sich das Verhältniß der andern Elemente geändert
hat; dies umfaßt aber alles, was die Physiologie bedarf, um Einsicht in
das Wesen des Bildungs- und Ernährungsprocesses im Thierkörper zu
erlangen.

16. Aus den Untersuchungen von _Mulder_ und _Scherer_[E28] ergeben sich
folgende empirische Formeln:

  Bestandtheile der organischen Gebilde.

  Albumin             ~C₄₈N₁₂H₇₂O₁₄~ + ~P~ + ~S~[F7]
  Fibrin              ~C₄₈N₁₂H₇₂O₁₄~ + ~P~ + 2 ~S~
  Casein              ~C₄₈N₁₂H₇₂O₁₄~ + ~S~
  Leimgebilde, Sehnen ~C₄₈N₁₅H₈₂O₁₈~
  Chondrin &c.        ~C₄₈N₁₂H₈₀O₂₀~
  Arterienhaut        ~C₄₈N₁₂H₇₆O₁₆~
  Haare, Horn         ~C₄₈N₁₄H₇₈O₁₅~.

  [7] Die hier als ~P~ und ~S~ angeführten Phosphor- und Schwefelmengen
  drücken nicht Atomgewichte aus, sondern bezeichnen nur die relativen
  durch die Analyse gefundenen Verhältnisse.

Die Vergleichung dieser Formeln zeigt, daß bei dem Uebergang des
Proteins in Chondrin (Substanz der Rippenknorpeln) die Bestandtheile von
Wasser und Sauerstoff, bei der Bildung der serösen Membranen, Zellen und
Sehnen außer diesen Elementen noch Stickstoff hinzugetreten ist.

Bezeichnen wir die Formel des Proteins ~C₄₈N₁₂H₇₂O₁₄~ mit ~Pr~, so sind
Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, in der Form von bekannten
Verbindungen geordnet, bei der Bildung der Leimsubstanzen, Haare, Horn,
Arterienhaut hinzugetreten.

                    Protein.   Ammoniak.    Wasser. Sauerstoff.
  Fibrin  }           ~Pr~
  Albumin }
  Arterienhaut        ~Pr~               + 2 ~H₂O~
  Chondrin            ~Pr~               + 4 ~H₂O~ + 2 ~O~
  Haare, Horn         ~Pr~    +   ~N₂H₆~           + 3 ~O~
  Membranen, Zellen 2 ~Pr~    + 3 ~N₂H₆~ +   ~H₂O~ + 7 ~O~.

17. Aus dieser Uebersicht geht hervor, daß alle Gebilde des Thierkörpers
auf eine gleiche Anzahl von Kohlenstoffatomen mehr Sauerstoff enthalten
als die Bestandtheile des Bluts; bei ihrer Entstehung ist ohne Zweifel
Sauerstoff aus der Atmosphäre oder durch die Elemente des Wassers zu den
Bestandtheilen des Proteins hinzugetreten; wir finden in den Haaren und
Membranen mehr Stickstoff und Wasserstoff, und zwar beide im Verhältniß
wie im Ammoniak.

Die Chemiker sind bekanntlich heute noch nicht einig über die Art und
Weise, wie die Bestandtheile des schwefelsauren Kali’s geordnet sind, es
wäre deshalb dem Chemismus zu viel eingeräumt, wenn man die Arterienhaut
für ein Hydrat, das Chondrin für das Oxyd des Proteinhydrats, wenn wir
Haare und Membranen für Oxyde des Proteins in Verbindung mit Ammoniak
ansehen wollten.

Diese Formeln drücken mit Bestimmtheit die Verschiedenheit in der
Zusammensetzung der Hauptbestandtheile der Thiere aus, sie zeigen, daß
auf einen gleichen Kohlenstoffgehalt das relative Verhältniß ihrer
Elemente abweicht, wieviel der eine Stoff mehr Sauerstoff oder
Stickstoff enthält wie der andere.

18. Es kann daraus gefolgert werden, wie sie aus den Bestandtheilen des
Bluts entstehen; aber die Erklärung ihrer Entstehung nimmt zwei Formen
an, von denen zu entscheiden ist, welche der Wahrheit am nächsten
kommt.

Auf einen gleichen Kohlenstoffgehalt enthalten die Membranen und die
leimgebenden Gebilde mehr Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff wie das
Protein; es ist denkbar, daß sie aus Albumin entstanden sind durch
Hinzutreten von Sauerstoff, der Bestandtheile des Wassers und des
Ammoniaks und durch Austreten von Phosphor und Schwefel; jedenfalls ist
ihre Zusammensetzung von der der Hauptbestandtheile des Bluts durchaus
verschieden.

Das Verhalten der Leimgebilde gegen ätzende Alkalien zeigt mit
Bestimmtheit, daß sie kein Protein mehr enthalten, auf keine Weise kann
Protein daraus erhalten werden, alle durch die Einwirkung des Alkali’s
erzeugten Producte weichen von den Producten, welche die
Protein-Verbindungen unter den nämlichen Bedingungen liefern, durchaus
ab; mag fertig gebildetes Protein in dem Fibrin, Casein und Albumin
enthalten sein oder nicht, gewiß ist, daß sich ihre Elemente durch die
Einwirkung des Alkali’s zu Protein ordnen; diese Fähigkeit geht den
Elementen der Leimsubstanz ab.

Zur zweiten Form der Bildung der Leimsubstanz und zwar zur
wahrscheinlicheren gelangt man, wenn seine Bildung abhängig gedacht wird
von einem Austreten von Kohlenstoff.

Angenommen, der Stickstoffgehalt des Proteins bleibe in der
Leimsubstanz, so würde die Zusammensetzung der letztern (auf 12 At.
Stickstoff berechnet) durch die Formel ~C₃₈N₁₂H₆₄O₁₄~ ausgedrückt werden
müssen. Diese Formel stimmt am nächsten mit der Analyse von _Scherer_,
wiewohl sie kein genauer Ausdruck dafür ist. Eine den Analysen
entsprechendere Formel ist ~C₃₂H₅₄N₁₀O₁₂~ oder, nach _Mulder’s_ Analyse
berechnet, die Formel ~C₅₄H₈₄N₁₈O₂₀~[F8].

  [8] Die Formel, welche _Mulder_ angenommen hat, ~C₅₂H₈₀N₁₆O₂₀~ giebt
  in der berechneten procentischen Zusammensetzung zu wenig Stickstoff.

Nach der ersten Formel wäre Kohlenstoff und Wasserstoff, nach den beiden
andern wäre ein gewisses Verhältniß aller Elemente ausgetreten.

19. Als das für uns wichtigste Resultat in der Betrachtung der
Zusammensetzung der Leimsubstanz muß als eine unleugbare Wahrheit
angenommen werden, daß sie, obwohl aus Protein-Verbindungen entstanden,
aus der Reihe der Protein-Verbindungen herausgetreten ist. Ihr
chemisches Verhalten und ihre Zusammensetzung rechtfertigt diesen
Schluß.

Keine Beobachtung steht dem Erfahrungsgesetz entgegen, wonach die Natur
ausschließlich nur Protein-Verbindungen zur Blutbildung bestimmt. In den
Vegetabilien existirt kein der Leimsubstanz ähnlicher Körper, sie ist
keine Protein-Verbindung, sie enthält keinen Phosphor, keinen Schwefel,
sie enthält mehr Stickstoff oder weniger Kohlenstoff wie das Protein.
Durch die Lebensthätigkeit der zur Blutbildung bestimmten Organe
nehmen die Protein-Verbindungen eine neue Form an, aber in ihrer
Zusammensetzung erleiden sie keine Veränderung; diese Organe
besitzen, soweit unsere Erfahrungen reichen, das Vermögen nicht,
Protein-Verbindungen kraft einer einwirkenden Thätigkeit zu erzeugen
aus Stoffen, die kein Protein enthalten. Thiere mit Leimsubstanz, mit
dem stickstoffreichsten Bestandtheil der Nahrung der Carnivoren
ausschließlich ernährt, starben den Hungerstod; die Leimsubstanzen sind
unfähig zu Blut zu werden.

Aber es unterliegt keinem Zweifel, sie wird aus den Bestandtheilen des
Bluts erzeugt und kaum läßt sich die Vorstellung zurückweisen, daß das
Fibrin des venösen Bluts, indem es zu arteriösem Fibrin wird, sich auf
der ersten Stufe der Umbildung zur Leimsubstanz befindet. Mit einiger
Wahrscheinlichkeit kann man kaum den Membranen und Sehnen die Fähigkeit
zuschreiben, sich selbst aus Stoffen zu bilden, die ihnen durch das Blut
zugeführt werden; wie könnte in der That ein Stoff zur Zelle werden,
kraft einer einwirkenden Thätigkeit, welche noch keinen Träger hat; eine
schon bestehende Zelle mag die Fähigkeit besitzen, sich zu erhalten oder
zu vervielfältigen, allein zu beidem gehören Stoffe, welche identisch in
ihrer Zusammensetzung mit der Substanz der Zellen sind. Diese Stoffe
werden in dem Organismus erzeugt, und keiner kann sich mehr zu ihrer
Bildung eignen als die Zellen und Membranen selbst, die in dem Magen des
Thiers in dem Proceß der Verdauung löslich geworden sind, oder welche
der Mensch im löslichen Zustande genießt.

20. Ich gebe in dem Folgenden einen Versuch zur analytischen Entwicklung
der in dem thierischen Körper vorgehenden Haupt-Metamorphosen, und zwar,
um allen und jeden Mißverständnissen vorzubeugen, mit der ausdrücklichen
Verwahrung gegen alle Schlüsse und Folgerungen, die man jetzt oder zu
irgend einer Zeit gegen die Ansichten daraus ziehen könnte, welche ich
in dem Vorhergehenden, mit dem sie in keinerlei Verbindung stehen,
entwickelt habe. Die Resultate, zu denen ich gelangt bin, befremden mich
nicht minder und flößten mir die nämlichen Zweifel ein, die sie in
Andern erwecken werden, allein sie sind keine Schöpfungen der Phantasie,
und ich gebe sie, weil ich die Ueberzeugung hege, daß der Weg, der zu
ihrer Ermittelung geführt hat, der einzige ist, auf welchem wir hoffen
können, Einsicht in die organischen Processe zu erlangen.

Alle die zahllosen qualitativen Untersuchungen thierischer Substanzen
sind absolut werthlos für die Physiologie sowohl, wie für die Chemie, so
lange ihnen nicht ein ganz bestimmter Zweck, eine deutlich ausgedrückte
Frage unterlegt wird.

Wenn wir in einem Satze, den wir entziffern wollen, die Buchstaben
auseinander nehmen und in eine Reihe stellen, so sind wir dem Sinne um
keinen Schritt näher gekommen. Um ein Räthsel zu lösen, müssen wir
völlig klar über die Aufgabe sein. Es giebt freilich viele Wege, um die
höchste Kuppe eines Berges zu erklimmen, allein nur diejenigen haben
Hoffnung, dem Ziele sich zu nähern, welche die Spitze im Auge behalten.
Mit aller Arbeit und Anstrengung in einem Sumpfe erreicht man nichts
weiter, als daß man sich immer mehr mit Schlamm und Koth beladet, das
Höhersteigen wird durch selbstgeschaffene Schwierigkeiten immer
mühevoller und auch die größte Kraft muß zuletzt unter diesem Unrath
erliegen.

21. Wenn es wahr ist, daß aus dem Blute oder den Bestandtheilen des
Bluts alle Theile des Thierkörpers entwickelt und gebildet werden, daß
die vorhandenen Organe in jedem Zeitmomente des Lebens sich durch den
Einfluß des zugeführten Sauerstoffs in neue Verbindungen umsetzen, so
müssen die Secrete des Thierkörpers nothwendig die Producte der
umgesetzten Gebilde enthalten.

22. Wenn der Schluß ferner wahr ist, daß der Harn die stickstoffhaltigen
und die Galle die kohlenstoffreichen Producte aller Gebilde enthält, die
in dem Lebensproceß sich in anorganische Verbindungen umgesetzt haben,
so ist klar, daß die Bestandtheile der Galle und des Harns
zusammengenommen gleich sein müssen, in ihrem relativen Verhältnisse,
der Zusammensetzung des Bluts.

23. Aus dem Blute sind die Organe entstanden, die Organe enthalten die
Bestandtheile des Bluts; sie haben sich in neue Verbindungen umgesetzt,
zu diesen neuen Verbindungen ist außer Sauerstoff und Wasser kein
anderer Körper hinzugekommen, das relative Verhältniß ihres Kohlenstoffs
und Stickstoffs muß gleich sein dem relativen Verhältniß des
Kohlenstoffs und Stickstoffs im Blute.

Wenn wir also von der Zusammensetzung des Bluts die Bestandtheile des
Harns abziehen, so müssen wir, den hinzugekommenen Sauerstoff und das
Wasser abgerechnet, die Zusammensetzung der Galle bekommen.

Oder wenn wir von den Bestandtheilen des Bluts abziehen die
Bestandtheile der Galle, so müssen wir harnsaures Ammoniak oder
Harnstoff und Kohlensäure übrig behalten.

Man wird es vielleicht bemerkenswerth finden, daß diese
Betrachtungsweise auf die wahre Formel der Galle, oder richtiger, auf
den empirischen Ausdruck für ihre Zusammensetzung geführt hat, auf den
Schlüssel zur Erklärung ihrer Metamorphosen durch Säuren und Alkalien,
den man bis jetzt ohne Erfolg zu suchen bemüht war.

24. Wenn man frisches Blut über eine 60° heiße Silberplatte fließen
läßt, so trocknet es zu einem rothen firnißartigen Ueberzug ein, der
sich leicht pulverisiren läßt; anfänglich in gelinder Wärme, zuletzt bei
100°, trocknet frisches fettfreies Muskelfleisch zu einer braunen
pulverisirbaren Masse ein.

Die Analysen von _Playfair_ und _Boeckmann_[E29] führen als den nächsten
Ausdruck der erhaltenen Gewichtsverhältnisse ihrer Elemente für das
Muskelfleisch (Fibrin, Albumin, Zellen und Nerven) und für das Blut zu
einer und derselben empirischen Formel, sie ist:

  ~C₄₈N₁₂H₇₈O₁₅~ (empirische Formel des Bluts).

25. Der Hauptbestandtheil der Galle ist nach den Untersuchungen von
_Demarçay_ eine den Seifen ähnliche Verbindung von Natron mit einer
eigenthümlichen Materie, welche den Namen _Choleinsäure_ erhalten hat;
sie wird in Verbindung mit Bleioxyd gefällt, wenn man eine durch Alkohol
von allen darin unlöslichen Stoffen befreite Galle, mit essigsaurem
Bleioxyd vermischt.

Diese Choleinsäure wird durch Salzsäure zerlegt in _Taurin_, _Salmiak_
und in eine neue stickstofffreie Säure, in _Choloidinsäure_.

Durch Kochen mit ätzendem Kali zerfällt sie in Kohlensäure, Ammoniak und
in _Cholinsäure_ (verschieden von _Gmelin’s_ Cholsäure).

Es ist nun klar, daß die wahre Formel der Choleinsäure den analytischen
Ausdruck für diese Zersetzungsweisen in sich schließen, daß sie erlauben
muß, die Zusammensetzung der entstandenen Producte in eine ganz
bestimmte und einfache Beziehung zu der Zusammensetzung der Choleinsäure
zu bringen. Dieser Ausdruck verliert an seiner Wahrheit nichts, wenn
sich auch ergeben sollte, daß die Choleinsäure und Choloidinsäure, wie
aus den Untersuchungen von _Berzelius_ hervorzugehen scheint, Gemenge
von mehreren verschiedenartigen Verbindungen sind, die relative Anzahl
der Atome kann hierdurch in keiner Weise geändert werden.

26. Zur Entwickelung der Metamorphosen, welche die Choleinsäure durch
Säuren und Alkalien erleidet, kann als empirischer Ausdruck ihrer
Zusammensetzung nur die folgende Formel angenommen werden:

  Formel der Choleinsäure: ~C₇₅H₁₃₂N₄O₂₂~[E30].

Ich wiederhole es, diese Formel kann der Ausdruck sein für die
Zusammensetzung von zwei oder mehreren Verbindungen, gleichgültig, wie
viel es auch sein mögen, sie enthält die relative Anzahl aller ihrer
Elemente zusammengenommen.

Nehmen wir von den Elementen der Choleinsäure die durch Einwirkung der
Salzsäure entstehenden Producte, Ammoniak und Taurin, hinweg, so
gelangen wir zur empirischen Formel der Choloidinsäure.

  Formel der Choleinsäure                 ~C₇₆H₁₃₂N₄O₂₂~
          ab
  1 At. Taurin   ~C₄H₁₄N₂O₁₀~    }
                                 }      - ~C₄ H₂₀ N₄O₁₀~
  1 Aeq. Ammoniak  ~H₆N₂~        }
                                          --------------
   Bleibt die Formel der Choloidinsäure   ~C₇₂H₁₁₂  O₁₂~ [E31].

27. Werden ferner von den Elementen der Choleinsäure die Bestandtheile
von Harnstoff und 2 At. Wasser (2 At. Kohlensäure und 2 Aeq. Ammoniak)
hinweggenommen, so haben wir die Formel und Zusammensetzung der
Cholinsäure.

  Formel der Choleinsäure                  ~C₇₆H₁₃₂N₄O₂₂~
          ab
  2 At. Kohlensäure ~C₂~      ~O₄~     }
                                       } - ~C₂ H₁₂ N₄O₄~
  2 Aeq. Ammoniak        ~N₄~    ~H₁₂~ }
                                           --------------
                  Formel der Cholinsäure   ~C₇₄H₁₂₀  O₁₈~ [E32].

Wenn man die so große Uebereinstimmung der Zahlenresultate der Analysen
[E30][E31][E32] mit den obigen Formeln ins Auge faßt, so wird man kaum
zweifeln können, daß die aufgefundene Formel der Choleinsäure so nahe,
wie man bei Analysen dieser Art Substanzen nur erwarten kann, die
relative Anzahl der Atome ihrer Elemente ausdrückt, gleichgültig, in
wieviel verschiedenen Formen sie auch darin vereinigt sein mögen.

28. Addiren wir nun die Hälfte der Zahlen, welche die relativen
Verhältnisse der Elemente der Choleinsäure ausdrücken, zu den
Bestandtheilen des Harns der Schlangen, zu den Elementen des neutralen
harnsauren Ammoniaks, so erhalten wir:

  Formel der Choleinsäure            ~C₃₈H₆₆N₂ O₁₁~
          hierzu
  1 Aeq. Harnsäure ~C₁₀H₈N₈O₆~   }
                                 } + ~C₁₀H₁₄N₁₀O₆~
  1  „   Ammoniak     ~H₆N₂~     }
                                     --------------
                      ~in Summa~     ~C₄₈H₈₀N₁₂O₁₇~.

29. Diese Formel drückt aber aus die Zusammensetzung des Bluts, zu
welchem die Elemente von 1 At. Wasser und 1 At. Sauerstoff getreten
sind.

  Formel des Bluts            ~C₄₈H₇₈N₁₂O₁₅~
        hierzu
  1 At. Wasser     ~H₂O~ }
                         } +      ~H₂   O₂~
  1  „  Sauerstoff   ~O~ }
                              --------------
                  ~in Summa~  ~C₄₈H₈₀N₁₂O₁₇~.

30. Wenn wir ferner zu den Elementen des Proteins die Elemente treten
lassen von 3 At. Wasser, so haben wir, bis auf 2 At. Wasserstoff, genau
die Elemente der Choleinsäure und des harnsauren Ammoniaks.

  1 At. Protein ~C₄₈H₇₂N₁₂O₁₄~
  3  „  Wasser     ~H₆    O₃~
                --------------
                ~C₄₈H₇₈N₁₂O₁₇~.

31. Betrachten wir also die Choleinsäure und das harnsaure Ammoniak als
die Producte der Umsetzung der Muskelfaser, indem es keine andern
Gebilde im Thierkörper giebt, welche Protein enthalten (Albumin geht in
Gebilde über, ohne daß man sagen kann, daß es im Lebensproceß direct
eine Umsetzung in Harnsäure und Choleinsäure erfährt), so haben wir
darin mit Zuziehung der Bestandtheile des Wassers alle zu der
Metamorphose nöthigen Elemente; bis auf den Schwefel und Phosphor, die
sich beide oxydirt haben mögen, ist kein anderes Element ausgetreten.

Diese Art der Metamorphose bezieht sich auf die Umsetzung in den
niedrigen Thierklassen der Amphibien und vielleicht der Würmer und
Insecten. In den höhern Thierklassen verschwindet in dem Harn die
Harnsäure, an ihrer Stelle finden wir Harnstoff.

Das Verschwinden der Harnsäure und die Erzeugung von Harnstoff steht
offenbar in sehr enger Beziehung zu dem durch den Respirationsproceß
aufgenommenen Sauerstoff und zu der Menge von Wasser, welche
verschiedene Thiere in einer gegebenen Zeit genießen.

Wenn wir der Harnsäure Sauerstoff zuführen, so zerlegt sie sich, wie man
weiß, zuerst in Alloxan[E33] und Harnstoff, eine neue Quantität
Sauerstoff dem Alloxan zugeführt, macht, daß es entweder in Oxalsäure
und Harnstoff, Oxalursäure und Parabansäure[E34] oder in Kohlensäure und
Harnstoff zerfällt.

32. Wir finden in den sogenannten Maulbeersteinen oxalsauren Kalk, in
den andern Harnsteinen harnsaures Ammoniak und zwar stets bei Personen,
in denen durch Mangel an Bewegung und Anstrengung, oder durch andere
Ursachen die Sauerstoffzuführung gemindert ist. Nie finden sich
Harnsteine, welche Harnsäure oder Oxalsäure enthalten, bei
Schwindsüchtigen (siehe S. 24); und es ist eine gewöhnliche Erfahrung in
Frankreich bei Personen, welche an Steinbeschwerden leiden, sobald sie
sich auf das Land begeben, wo sie sich mehr Bewegung machen, daß die in
der Blase während ihres Aufenthaltes in der Stadt sich absetzenden
harnsauren Verbindungen (durch die vergrößerte Sauerstoffaufnahme) in
oxalsaure Salze (in Maulbeersteine) übergehen; bei noch mehr Sauerstoff
würde sich wie bei gesunden Menschen nur das letzte Oxydationsprodukt
des Kohlenstoffs, nämlich nur Kohlensäure, haben bilden können.

Die falsche Interpretation der unleugbaren Beobachtungen, daß durch die
Nieren alle von dem Organismus nicht verwendbaren Substanzen verändert
oder unverändert abgeschieden und in dem Harn ausgeleert werden, hat die
praktische Medizin zu der Ansicht geführt, daß die Nahrung und
namentlich stickstoffhaltige Nahrungsstoffe einen directen Einfluß haben
können auf die Erzeugung der Harnsteine. Es giebt keine Gründe, diese
Meinung zu stützen, es giebt unzählige, die sie widerlegen. Möglich ist
es, daß in den Speisen eine Menge durch die Kochkunst umgewandelter
Stoffe genossen werden, welche, als für Blutbildung nicht mehr tauglich,
durch den Respirationsproceß mehr oder weniger verändert, aus dem Harn
ausgestoßen werden, allein Braten und Kochen ändern in keiner Weise die
Zusammensetzung der Fleischspeisen[E35].

Das gekochte und gebratene Fleisch wird zu Blut, die Harnsäure und der
Harnstoff stammen von den umgesetzten Gebilden. Die Menge dieser
Produkte steigt mit der Schnelligkeit der Umsetzung in der gegebenen
Zeit, sie steht in keiner Beziehung zu der in dem nämlichen Zeitraume
genossenen Nahrung. Bei einem Hungernden, welcher sich einer starken und
anhaltenden Bewegung hingeben muß, wird mehr Harnstoff secernirt, als
bei dem wohlgenährtesten Menschen im Zustande der Ruhe; in Fiebern bei
rascher Abmagerung ist der Harn harnstoffreicher als im Zustande der
Gesundheit (_Prout_).

33. Aehnlich also wie die in dem Urin des ruhenden Pferdes vorhandene
Hippursäure in benzoesaures Ammoniak und Kohlensäure verwandelt wird,
sobald es sich in Arbeit und Bewegung befindet, verschwindet die
Harnsäure in dem Harn des Menschen, der durch Haut und Lunge eine zur
Oxydation der Produkte der umgesetzten Gebilde hinreichende Menge
Sauerstoff in sich aufnimmt; der Genuß von Wein und Fett, die in dem
Organismus nur insofern sich weiter verändern als sie Sauerstoff
aufnehmen, hat einen entschiedenen Einfluß auf die Bildung von
Harnsäure. Nach dem Genuß von fetten Speisen ist der Harn trübe und
setzt beim Erkalten kleine Krystalle von Harnsäure ab (_Prout_).
Dasselbe beobachtet man nach dem Genuß von Weinen (nie bei
Rheinweinen), in denen das zur Löslicherhaltung der Harnsäure
nothwendige Alkali fehlt.

Bei Thieren, welche größere Mengen Wasser genießen, wodurch die
schwerlösliche Harnsäure in Auflösung erhalten wird, so daß der
eingeathmete Sauerstoff darauf wirken kann, finden wir im Harn keine
Harnsäure, sondern Harnstoff. Bei Vögeln ist als Secretionsproduct die
Harnsäure vorherrschend.

Wenn wir zu 1 Atom Harnsäure 6 Atome Sauerstoff und 4 Atome Wasser
hinzutreten lassen, so zerlegt sie sich in Harnstoff und Kohlensäure

  1 At. Harnsäure    ~C₁₀N₈H₈ O₆~  }   { 2 At. Harnstoff   ~C₄ N₈H₁₆O₄~
  4  „  Wasser     }      ~H₈ O₁₀~ } = { 6  „  Kohlensäure ~C₆      O₁₂~
  6  „  Sauerstoff }               }   {
                     -------------                         -------------
                     ~C₁₀N₈H₁₆O₁₆~                         ~C₁₀N₈H₁₆O₁₆~

34. Der Harn der Gras fressenden Thiere enthält keine Harnsäure, wohl
aber Ammoniak, Harnstoff und Hippursäure, oder Benzoesäure. Bei einem
Hinzutreten von 9 Atomen Sauerstoff zu der empirischen Formel ihres
Blutes, fünf mal genommen, haben wir darin die Elemente von 6 Atomen
Hippursäure, 9 At. Harnstoff, 3 At. Choleinsäure, 3 At. Wasser und 3 At.
Ammoniak; oder wenn wir uns denken, daß während der Metamorphose dieses
Blutes 45 Atome Sauerstoff hinzutreten, so haben wir 6 At. Benzoesäure,
13¹/₂ At. Harnstoff, 3 At. Choleinsäure, 15 At. Kohlensäure und 12 At.
Wasser.

  5 (~C₄₈N₁₂H₇₈O₁₅~) + 9 ~O~ = ~C₂₄₀N₆₀H₃₉₀O₈₄~ =

   { 6 At. Hippursäure  6 (~C₁₈N₂H₁₆O₅~ ) = ~C₁₀₈N₁₂H₉₆ O₃₀~
   { 9 „   Harnstoff    9 (~C₂ N₄H₈ O₂~ ) = ~C₁₈ N₃₆H₇₂ O₁₈~
  ={ 3 „   Choleinsäure 3 (~C₃₈N₂H₆₆O₁₁~) = ~C₁₁₄N₆ H₁₉₈O₃₃~
   { 3 „   Ammoniak       (   ~N₂H₆~    ) =     ~N₆ H₁₈~
   { 3 „   Wasser       3 (     ~H₂ O~  ) =        ~H₆  O₃~
                                            ----------------
                                            ~C₂₄₀N₆₀H₃₉₀O₈₄~

oder

  5 (~C₄₈N₁₂H₇₈O₁₅~) + ~O₄₅~ = ~C₂₄₀N₆₀H₃₉₀O₁₂₀~ =

   { 6    At. Benzoesäure   6 (~C₁₄  H₁₀O₃~ ) = ~C₈₄    H₆₀ O₁₈~
   { ²⁷/₂  „  Harnstoff    27 (~C  N₂H₄ O~  ) = ~C₂₇ N₅₄H₁₀₈O₂₇~
  ={ 3     „  Choleinsäure  3 (~C₃₈N₂H₆₆O₁₁~) = ~C₁₁₄N₆ H₁₉₈O₃₃~
   { 15    „  Kohlensäure  15 (~C       O₂~ ) = ~C₁₅        O₃₀~
   { 12    „  Wasser       12 (     ~H₂ O~  ) =        ~H₂₄ O₁₂~
                                                -----------------
                                      ~Summa~   ~C₂₄₀N₆₀H₃₉₀O₁₂₀~

35. Verfolgen wir zuletzt die Metamorphose der Gebilde in dem Foetus der
Kuh und betrachten wir das im Blute der Mutter zugeführte Protein als
den Stoff, welcher eine Umsetzung erleidet oder erlitten hat, so ergiebt
sich, daß 2 At. Protein ohne Hinzutreten von Sauerstoff oder einer
fremden Substanz die Elemente enthalten von 3 At. Allantoin, 4 At.
Wasser und 1 At. Choloidinsäure, (Kindspech, Meconium??).

  2 At. Protein = 2 (~C₄₈N₁₂H₇₂O₁₄~) + 2 At. Wasser =
  ~C₉₆N₂₄H₁₄₈O₃₀~ =

  = { 3 At. Allantoin 3 (~C₈N₈H₁₂O₆~) = ~C₂₄N₂₄H₃₆ O₁₈~
    { 1  „  Choloidinsäure              ~C₇₂   H₁₁₂O₁₂~
                                        ---------------
                                        ~C₉₆N₂₄H₁₄₈O₃₀~

36. Die Elemente von drei Atomen Allantoin, die in obiger Formel
aufgeführt sind, entsprechen aber genau der Anzahl der Elemente von 2
At. Harnsäure, 2 At. Harnstoff und 2 Atomen Wasser.


  3 At. Allantoin = ~C₂₄N₂₄H₃₆O₁₈~ =

    { 2 At. Harnsäure ~C₂₀N₁₆H₁₆O₁₂~
  = { 2  „  Harnstoff ~C₄ N₈ H₁₆O₄~
    { 2  „  Wasser          ~H₄ O₂~
                      --------------
                      ~C₂₄N₂₄H₃₆O₁₈~

Die Beziehungen des Allantoins, in dem Harn des Foetus der Kuh, zu den
stickstoffhaltigen Bestandtheilen des Harns bei athmenden Thieren sind,
wie aus der Nebeneinanderstellung beider Formeln hervorgeht,
unverkennbar. In dem Allantoin befinden sich die Elemente der Harnsäure
und des Harnstoffs, das heißt der stickstoffhaltigen Umsetzungsproducte
der Proteinverbindungen.

37. Wenn wir ferner zu der Formel des Proteins, dreimal genommen,
hinzutreten lassen die Elemente von 4 Atomen Wasser und von der ganzen
Anzahl aller Bestandtheile die Hälfte der Elemente der Choloidinsäure
hinwegnehmen, so bleibt eine Formel, welche außerordentlich nahe die
Zusammensetzung des Leims ausdrückt.

  3 (~C₄₈N₁₂H₇₂O₁₄~) + 4 ~H₂O~ = ~C₁₄₄N₃₆H₂₂₄O₄₆~ =
  ab ¹/₂At. Choloidinsäure     = ~C₃₆    H₅₆ O₆~
                                 ----------------
                        bleibt = ~C₁₀₈N₃₆H₁₆₈O₄₀~

                      oder 4 (~C₂₇N₉H₄₂O₁₀~)[E36].

38. Nehmen wir von dieser Formel des Leims die Bestandtheile von 2 At.
Protein hinweg, so bleiben uns die Elemente des Harnstoffs, der
Harnsäure und des Wassers, oder 3 At. Allantoin und 3 At. Wasser.

  Formel des Leims nach _Mulder_ ~C₁₀₈H₁₆₈N₃₆O₄₀~
         ab 2 Protein            ~C₉₆ H₁₄₄N₂₄O₂₈~
                                 -------------------
              bleiben            ~C₁₂ H₂₄ N₁₂O₁₂~ =

  1 At. Harnsäure ~C₁₀H₈ N₈ O₆~ }   {
  1  „  Harnstoff ~C₂ H₈ N₄ O₂~ } = { 3 At. Allantoin ~C₁₂H₁₈N₁₂O₉~
  4  „  Wasser       ~H₈    O₄~ }   { 3  „  Wasser       ~H₆    O₃~
                  --------------                      --------------
                  ~C₁₂H₂₄N₁₂O₁₂~                      ~C₁₂H₂₄N₁₂O₁₂~

39. Abgesehen von dem größeren Stickstoffgehalt, in welchem diese
Zahlenverhältnisse von _Mulder’s_ und _Scherer’s_ Analysen abweichen,
geht aus der gegebenen Auseinandersetzung hervor, daß, wenn wir zu den
Elementen von 2 At. Protein hinzutreten lassen die Bestandtheile der
stickstoffhaltigen Umsetzungsproducte von einem dritten Atom Protein,
von Harnstoff, Harnsäure und Wasser, oder wenn wir von drei Atomen
Protein hinwegnehmen die Bestandtheile eines stickstofffreien Körpers,
den wir als Zersetzungsproduct der Choleinsäure ebenfalls erhalten
können, daß wir in beiden Fällen eine der Zusammensetzung der
Leimsubstanz nahe kommende Formel erhalten. Man darf diesen Formeln, wie
ich wiederholt in Erinnerung bringe, keinen höheren Werth beilegen als
sie verdienen; sie sollen zu weiter nichts als zu Anknüpfungspunkten
dienen, um zu richtigeren Vorstellungen über das Entstehen und Zerfallen
der Substanzen zu gelangen, woraus die thierischen Gebilde bestehen. Es
sind die ersten Versuche zur Auffindung des Weges, den wir einzuschlagen
haben, um das vorgesteckte Ziel zu erreichen, und dieses Ziel, nach dem
wir streben, es kann und muß erreichbar sein.

Die Erfahrungen von Allen, die sich mit der Erforschung der
Naturerscheinungen beschäftigt haben, kommen zuletzt darin überein, daß
diese durch weit einfachere Mittel und Ursachen bedingt und
hervorgebracht werden, als man sich gedacht hat oder als wir uns denken,
und gerade ihre Einfachheit müssen wir als das größte Wunder betrachten.

Die Leimsubstanz entsteht aus Blut, aus Proteinverbindungen, sie kann
durch Hinzutreten von Ammoniak und Sauerstoff oder von Wasser, Harnstoff
und Harnsäure zu den Elementen des Proteins, oder durch Austreten einer
stickstofffreien Materie gebildet worden sein. Die Lösung aller dieser
Aufgaben wird minder schwierig, wenn die Fragen zur Beantwortung reif
und klar gestellt sind. Eine jede Verneinung derselben ist der
Anfangspunkt einer neuen Frage, deren Ermittelung zuletzt die
nothwendige Folge der ersten Fragestellung ist.

40. In dem Vorhergehenden ist außer der Choleinsäure keiner der andern
Bestandtheile der Galle in Rechnung gezogen worden, und zwar deswegen,
weil man nur bei dieser Säure mit Bestimmtheit weiß, daß sie Stickstoff
enthält. Wenn nun vorausgesetzt wird, daß ihr Stickstoffgehalt von den
Gebilden herrührt, die sich umgesetzt haben, so ist es nicht
unwahrscheinlich, daß der Kohlenstoff und die übrigen Bestandtheile, die
wir damit vereinigt finden, aus der nämlichen Quelle entsprungen sind.

Bei den fleischfressenden Thieren ist es nicht dem geringsten Zweifel
unterworfen, daß die Bestandtheile ihres Harns und ihrer Galle Produkte
der Umsetzung von Proteinverbindungen sind, denn außer Fett genießen sie
nur Stoffe, welche Protein enthalten oder welche aus Protein entstanden
sind; ihre Nahrung ist identisch mit ihrem Blute, und es ist vollkommen
gleichgültig, welche von beiden als Ausgangspunkt der chemischen
Entwickelung ihrer Metamorphosen gewählt werden.

Für den Proceß der Ernährung kann es keinen größern Widerspruch geben,
als wenn vorausgesetzt wird, daß der Stickstoff der Nahrungsmittel fähig
wäre, in den Harn als Harnstoff überzugehen, ohne vorher zu einem
Bestandtheil der Gebilde geworden zu sein, denn Albumin, der einzige
Bestandtheil des Bluts, der seinem Gewichte nach in Betracht kommen
kann, kann bei seinem Durchgange durch die Leber nicht die geringste
Veränderung erlitten haben, da wir es in allen Theilen des Körpers von
gleicher Beschaffenheit und Eigenschaften wieder finden. Diese Organe
können zu einer Metamorphose, zu einer Veränderung oder Zersetzung des
Stoffes nicht geeignet sein, aus dem sich alle übrigen entwickeln.

41. Aus dem Verhalten des Chylus und der Lymphe geht mit Zuverlässigkeit
hervor, daß die löslichen Bestandtheile der Speisen oder des Chymus die
Form von Albumin erhalten. Das gekochte Eiweiß, der gekochte oder
geronnene Faserstoff, welche in dem Magen wieder löslich geworden, ihre
Gerinnbarkeit an der Luft oder durch die Hitze aber verloren hatten,
erhalten diese Eigenschaften nach und nach wieder. In den Chylusgefäßen
ist die saure Reaction des Chymus bereits in die schwach alkalische des
Blutes übergegangen, nach seinem Durchgange durch die Drüsen des
Mesenteriums, in dem Ductus thoracicus angelangt, enthält er in der
Hitze gerinnendes Albumin und scheidet, sich selbst überlassen, Fibrin
ab. Alle Proteinverbindungen, welche beim Durchgange des Chymus durch
die Eingeweide aufgesaugt wurden, werden zu Albumin, welches, wie die
Erfahrung beim Bebrüten des Hühnerei’s ergiebt, bis auf den Eisengehalt,
der von andern Seiten her geliefert wird, die Grundbestandtheile aller
übrigen Organe enthält.

Die Frage, was beim Menschen aus den im Ueberschuß zugeführten
Proteinverbindungen wird, welche Verwandlung die überreichliche
stickstoffhaltige Speise erfährt, hat die practische Medicin längst
entschieden. Die Blutgefäße zeigen sich mit Blut, die übrigen mit Säften
überfüllt, und wenn die Zufuhr an Speisen fortdauert und das Blut oder
die Säfte, die sich zur Blutbildung eignen, keine Verwendung finden,
wenn die löslichen Materien von den dazu bestimmten Organen nicht
aufgenommen werden, so entwickeln sich in den Eingeweiden, wie bei
Fäulnißprocessen, Gase mannigfaltiger Art, die festen Ausleerungen
nehmen in Farbe, Geruch u. s. w. eine veränderte Beschaffenheit an, und
wenn die Säfte in dem Saug- und Lymphgefäßsystem eine ähnliche Umsetzung
erfahren, so ist dies sogleich in der Blutmischung sichtbar, und durch
dieses nimmt alsdann der Ernährungsproceß andere Formen an.

42. Keine von allen diesen Erscheinungen dürfte sich zeigen, wenn Nieren
und Leber fähig wären, eine Zersetzung der löslich gewordenen, im
Ueberschuß zugeführten, Proteinverbindungen in Harnstoff, Harnsäure und
Galle zu bewirken. Durch alle Beobachtungen, die man hinsichtlich des
Einflusses der stickstoffhaltigen Nahrung auf die Bestandtheile des
Harns gemacht hat, ist diese Voraussetzung nicht im entferntesten
bewiesen, denn dieser Einfluß ist einer andern und weit einfacheren
Interpretation fähig, wenn man mit der Nahrung die Lebensweise und
Gewohnheiten der Personen in Betracht zieht, welche zu Gegenständen der
Beobachtung gedient haben. Harngries und Harnsteine finden sich bei
Personen, welche sehr wenig animalische Kost genießen. Nie sind bis
jetzt Harnsäure-haltige Concretionen bei Fleisch-fressenden
Säugethieren, welche im freien, wilden Zustande leben, beobachtet
worden[F9], und bei Nationen, welche keine andere Nahrung als
Fleischspeisen genießen, sind Ablagerungen von Harnsäure-haltigen
Concretionen an den Gliedern oder in der Harnblase völlig unbekannt.

  [9] Das Vorkommen des harnsauren Ammoniaks in dem Harnstein von einem
  Hunde, der von _Lassaigne_ untersucht wurde, muß bezweifelt werden,
  wenn er ihn nicht eigenhändig aus der Blase des Hundes genommen hat.

43. Was in Beziehung auf den Ursprung der Galle, oder richtiger
vielleicht, der Choleinsäure bei den Fleisch-fressenden Thieren als eine
unleugbare Wahrheit angesehen werden muß, kann in keiner Weise für alle
Bestandtheile der Galle gelten, welche von der Leber der Gras- und
Körner-fressenden Thiere secernirt werden, denn es ist bei der so großen
Menge Galle, die von der Leber eines Ochsen secernirt wird,
schlechterdings unmöglich anzunehmen, daß aller Kohlenstoff derselben
von der Substanz der umgesetzten Gebilde stammt.

Nehmen wir an, daß die 59 Unzen trockner Galle (von 37 Pfunden
secernirter Galle) den nämlichen Stickstoffgehalt enthielten, wie die
Choleinsäure (3,86 ~p. c.~), so würden wir darin nahe an 4¹/₂ Loth
Stickstoff haben, und wenn dieser Stickstoff von der Substanz der
umgesetzten Gebilde stammt, so könnte sich im höchsten Fall, wenn aller
Kohlenstoff derselben in die Galle übergehen würde, nur eine dem Gewicht
von 14³/₁₀ Loth Kohlenstoff entsprechende Menge Galle bilden, dies ist
aber weit unter derjenigen Quantität, welche den Beobachtungen nach,
secernirt wird.

44. Es müssen nothwendiger Weise, außer den Protein-Verbindungen, noch
Materien anderer Art, an der Bildung der Galle in dem Organismus des
Gras- und Körner-fressenden Thieres Antheil nehmen, und diese können nur
die stickstofffreien Nahrungsmittel sein.

45. Der Gallenzucker _Gmelin’s_ (_Picromel_, _Bilin_ nach _Berzelius_),
welchen _Berzelius_ als den Hauptbestandtheil der Galle betrachtet,
während ihn _Demarçay_ im Wesentlichen für Choleinsäure hält, brennt an
der Luft erhitzt wie Harz, liefert ammoniakalische Produkte und giebt,
mit Säuren behandelt, Taurin und die Zersetzungsproducte der
Choleinsäure, mit Alkalien liefert er Ammoniak und Cholinsäure.
Jedenfalls enthält diese Substanz Stickstoff als Bestandtheil, ein weit
kleineres Verhältniß von Sauerstoff wie Amylon oder Zucker und eine
größere Menge wie die fetten Säuren. Wenn wir in der Metamorphose des
Gallenzuckers oder der Choleinsäure durch ätzende Alkalien den
Stickstoff austreten machen, so erhalten wir eine krystallisirte, den
fetten Säuren außerordentlich ähnliche Säure (Cholinsäure), fähig mit
den Basen Salze zu bilden, welche die Haupteigenschaften mit den Seifen
gemein haben. Ja wir können sogar diese Hauptbestandtheile der Galle als
Verbindungen von fetten Säuren mit organischen Oxyden betrachten,
ähnlich den gewöhnlichen Fetten, und nur in sofern von ihnen
verschieden, als sich kein Glyceryloxyd darin befindet. Die Choleinsäure
z. B. läßt sich betrachten als eine Verbindung von Choloidinsäure mit
den Elementen des Allantoins und des Wassers.

  _Choloidinsäure_.  _Allantoin_.  _Wasser_.  _Choleinsäure_.
    ~C₇₂H₁₁₂O₁₂~   + ~C₄N₄H₆O₃~  +  ~H₁₄O₇~ = ~C₇₆N₄H₁₃₂O₂₂~

oder von Cholinsäure, Harnstoff und Wasser:

  _Cholinsäure_.  _Harnstoff_.  _Wasser_.
  ~C₇₄H₁₂₀O₁₈~  +  ~C₂N₄H₈O₂~  + ~H₄O₂~ = Choleinsäure.

46. Wenn nun in der That, woran man kaum zweifeln kann, die
Bestandtheile der stickstofffreien Nahrungsmittel an der Bildung der
Galle in dem Körper der Gras-fressenden Thiere Antheil nehmen, so steht
dieser Ansicht, in der Zusammensetzung der Hauptbestandtheile der Galle,
nach dem gegenwärtigen Zustande unserer Kenntnisse, kein Hinderniß
entgegen.

Wenn das Amylon hierbei die Hauptrolle übernimmt, so kann dies in keiner
andern Weise geschehen, als daß sich, ganz ähnlich wie bei seinem
Uebergang in Fett, von seinen Elementen eine gewisse Quantität
Sauerstoff trennt, denn es enthält auf die gleiche Anzahl an
Kohlenstoffatomen (auf 72 At.) fünfmal so viel Sauerstoff wie die
Choloidinsäure.

Ohne ein Austreten von Sauerstoff, von den Elementen des Amylon’s, ist
hiernach sein Uebergang in Galle nicht denkbar und, dies vorausgesetzt,
ist die chemische Entwickelung seiner Verwandlung in eine zwischen
seiner eignen und der Zusammensetzung der fetten Säuren stehenden
Verbindung keinerlei Schwierigkeit unterworfen.

47. Um diese Auseinandersetzung nicht zu einem müssigen Spiele mit
Formeln zu machen und um den Hauptzweck nicht aus den Augen zu
verlieren, führt also die Betrachtung des quantitativen Verhältnisses
der in dem Körper der Gras-fressenden Thiere abgesonderten Galle zu
folgenden Schlüssen:

Die Hauptbestandtheile der Galle der Gras-fressenden Thiere enthalten
Stickstoff; dieser Stickstoff stammt von Protein-Verbindungen.

Sie enthält eine größere Menge Kohlenstoff als der genossenen
stickstoffhaltigen Nahrung, oder der Substanz ihrer Gebilde entspricht,
die in ihrem Lebensprocesse eine Veränderung erlitten haben.

Ein Theil dieses Kohlenstoffs _muß_ demnach von den stickstofffreien
Nahrungsmitteln geliefert werden und, um in einen _stickstoffhaltigen_
Bestandtheil der Galle überzugehen, _müssen_ sich nothwendig eine
gewisse Anzahl ihrer Elemente verbunden haben _mit einem
stickstoffhaltigen Körper, der aus einer Proteinverbindung entstanden
ist_.

Für diesen Schluß ist es ganz gleichgültig, ob man annimmt, daß die
Protein-Verbindung von der Nahrung oder den Gebilden stammt.

48. Es ist neuerlichst von _Ure_ angegeben worden, daß Benzoesäure
innerlich gegeben, in dem Harn als Hippursäure wieder erscheint.

Wenn sich diese Beobachtung bestätigen sollte[F10], so erlangt sie eine
große physiologische Bedeutung, weil sie offenbar beweisen würde, daß
der Akt der Umsetzung der Gebilde im Thierkörper, durch gewisse, in den
Speisen genossene Materien, eine andere Form in Beziehung auf die
neugebildeten Verbindungen annimmt, denn die Hippursäure enthält die
Elemente des milchsauren Harnstoffs, in dessen Zusammensetzung die
Elemente der Benzoesäure eingetreten sind.

  1 At. Harnstoff   ~C₂ N₄H₈ O₂~ } {
  1  „  Milchsäure  ~C₆   H₈ O₄~ } { = 2 At. kryst. Hippursäure.
  2  „  Benzoesäure ~C₂₈  H₂₀O₆~ } { = 2 (~C₁₈N₂H₁₈O₆~)
                    -------------
                    ~C₃₆N₄H₃₆O₁₂~.

  [10] Die Analyse der aus dem Harn beim Zusatz von Salzsäure sich
  abscheidenden Krystalle ist nicht gemacht worden. Ure’s Angabe, daß in
  Salpetersäure aufgelös’te Hippursäure beim Zusatz von Ammoniak sich
  röthet, ist übrigens falsch, sie beweis’t, daß die von ihm erhaltenen
  Krystalle Harnsäure enthielten.

49. Wenn wir uns den Akt der Umsetzung der Gebilde in dem Körper der
Gras-fressenden Thiere, auf eine ähnliche Weise denken, wie bei den
Fleisch-fressenden, so wird ihr Blut, in den letzten Produkten der
Umsetzung, von allen Organen zusammengenommen, Choleinsäure, Harnsäure
und Ammoniak (S. 138) liefern müssen, und wenn wir der Harnsäure eine
ähnliche Wirkung zuschreiben wie der Benzoesäure in _Ure’s_ Beobachtung,
daß nämlich durch ihre Gegenwart die weitere Umsetzung eine andere Form
annimmt, insofern ihre Elemente in die neuentstehenden Produkte mit
aufgenommen werden, so ergiebt sich z. B., daß 2 At. Protein, zu welchen
die Elemente von 3 At. Harnsäure und zwei Atome Sauerstoff treten, zur
Bildung von Hippursäure und Harnstoff Veranlassung geben können.

  2 At. Protein    2 (~C₄₈N₁₂H₇₂O₁₄~) = ~C₉₆ N₂₄H₁₄₄O₂₈~
  3  „  Harnsäure  3 (~C₁₀N₈ H₈ O₆~)  = ~C₃₀ N₂₄H₂₄ O₁₈~
  2  „  Sauerstoff                                 ~O₂~
                                        ----------------
                             ~in Summa~ ~C₁₂₆N₄₈H₁₆₈O₄₈~ =

  = { 6 At. Hippursäure 6 (~C₁₈N₂H₁₆O₅~) = ~C₁₀₈N₁₂H₉₆ O₃₀~
    { 9  „  Harnstoff   9 (~C₂ N₄H₈ O₂~) = ~C₁₈ N₃₆H₇₂ O₁₈~
                                           ----------------
                                           ~C₁₂₆N₄₈H₁₆₈O₄₈~.

50. Wenn wir zuletzt festhalten, daß bei den Gras-fressenden Thieren,
die stickstofffreien Nahrungsmittel (Amylon u. s. w.) eine bestimmte
Rolle in der Bildung der Galle spielen müssen, daß zu ihren Elementen
ein stickstoffhaltiger Körper nothwendig treten muß, um die
stickstoffhaltigen Bestandtheile der Galle hervorzubringen, so ergiebt
sich als das bemerkenswertheste Resultat dieser Combinationen, daß die
Elemente des Amylons und die der Hippursäure, gleich sind, den Elementen
der Choleinsäure, plus einer gewissen Menge Kohlensäure.

  2 At. Hippursäure 2 (~C₁₈N₂H₁₆O₅~)  = ~C₃₆N₄H₃₂ O₁₀~
  5  „  Amylon      5 (~C₁₂  H₂₀O₁₀~) = ~C₆₀  H₁₀₀O₅₀~
  2  „  Sauerstoff                               ~O₂~
                                        --------------
                                        ~C₉₆N₄H₁₃₂O₆₂~

  = {  2 At. Choleinsäure ~C₇₆N₄H₁₃₂O₂₂~
    { 20  „  Kohlensäure  ~C₂₀      O₄₀~
                          --------------
                          ~C₉₆N₄H₁₃₂O₆₂~.

51. Da nun die Hippursäure neben Harnstoff aus den Proteinverbindungen
entstehen kann, wenn in die Zusammensetzung derselben die Elemente der
Harnsäure aufgenommen werden (S. 154), da ferner Harnsäure, Ammoniak und
Choleinsäure (S. 138) die Elemente des Proteins in einer nahe gleichen
Anzahl von Elementen enthalten, so ist klar, daß, wenn beim Hinzutritt
von Sauerstoff und den Elementen des Wassers, von 5 At. Protein die
Bestandtheile der Choleinsäure und Ammoniak austreten, wir die Elemente
der Hippursäure und des Harnstoffs übrig behalten, und wenn ferner bei
diesem Austreten und der weiter vorgehenden Umsetzung die Elemente von
Amylon sich gegenwärtig befinden und in die neu entstehenden
Verbindungen eintreten, so erhalten wir eine neue Menge Choleinsäure,
sowie eine gewisse Quantität gasförmige Kohlensäure.

_Dies will also sagen, daß, wenn die Elemente von Protein und Amylon
sich bei Gegenwart von Sauerstoff und Wasser neben und mit einander
umsetzen, wir als Produkte dieser Umsetzung Harnstoff, Choleinsäure,
Ammoniak und Kohlensäure und außer diesen kein anderes Produkt
erhalten_.

  Die Elemente von

   5 At. Protein    }   {  9 At. Choleinsäure.
  15  „  Amylon     } = {  9  „  Harnstoff.
  12  „  Wasser     }   { 60  „  Kohlensäure.
   5  „  Sauerstoff }   {  6  „  Ammoniak.

  Es sind nemlich:

   5 At. Protein    =  5 (~C₄₈N₁₂H₇₂O₁₄~) = ~C₂₄₀N₆₀H₃₆₀O₇₀~
  15  „  Amylon     = 15 (~C₁₂   H₂₀O₁₀~) = ~C₁₈₀   H₃₀₀O₁₅₀~
  12  „  Wasser     = 12 (      ~H₂ O~  ) =        ~H₂₄ O₁₂~
   5  „  Sauerstoff =  5 (         ~O~  ) =            ~O₅~
                                            -----------------
                               ~in Summa~ = ~C₄₂₀N₆₀H₆₈₄O₂₃₇~

    {  9 At. Choleinsäure =  9 (~C₃₈N₂H₆₆O₁₁~) = ~C₃₄₂N₁₈H₅₉₄O₉₉~
  = {  9  „  Harnstoff    =  9 (~C₂ N₄H₈ O₂~ ) = ~C₁₈ N₃₆H₇₂ O₁₈~
    { 60  „  Kohlensäure  = 60 (~C       O₂~ ) = ~C₆₀        O₁₂₀~
    {  6  „  Ammoniak     =  6 (   ~N H₃~    ) =     ~N₆ H₁₈~
                                                 -----------------
                                    ~in Summa~ = ~C₄₂₀N₆₀H₆₈₄O₂₃₇~.

Die Umsetzung der in dem Thierkörper vorhandenen Protein-Verbindungen
wird bewirkt durch den im arteriellen Blut zugeführten Sauerstoff, und
wenn die Bestandtheile des in dem Magen des Thieres löslich gewordenen
und in allen Theilen des Körpers verbreiteten Amylons in die neu
entstandenen Verbindungen mit aufgenommen werden, so erhalten wir die
Hauptbestandtheile der Se- und Excretionen des Thierkörpers; Kohlensäure
als Excretion der Lunge, Harnstoff und kohlensaures Ammoniak als
Excretion der Nieren, Choleinsäure als Secret der Leber.

Der Ansicht, daß ein Theil des Kohlenstoffs der stickstofffreien
Nahrungsmittel in die Galle übergehen kann, steht mithin in der
chemischen Zusammensetzung der Stoffe, welche denkbarer Weise an dem
Stoffwechsel im Thier Antheil nehmen können, kein Hinderniß entgegen.

52. Das Fett verschwindet in dem Thierkörper bei gehöriger Zufuhr von
Sauerstoff, beim Mangel an Sauerstoff kann die Choleinsäure übergehen in
Hippursäure, Lithofellinsäure und Wasser. Die Lithofellinsäure[E37] ist
bekanntlich der Hauptbestandtheil der in gewissen Gras-fressenden
Thieren vorkommenden Bezoare.

   2 At. Choleinsäure ~C₇₆N₄H₁₃₂O₂₂~ }
  10 „   Sauerstoff            ~O₁₀~ }
                      --------------
                      ~C₇₆N₄H₁₃₂O₃₂~

  {  2 At. Hippursäure      ~C₃₆N₄H₃₂ O₁₀~
  {  1  „  Lithofellinsäure ~C₄₀  H₇₂ O₈~
  { 14  „  Wasser                ~H₂₈ O₁₄~
                            --------------
                            ~C₇₆N₄H₁₃₂O₃₂~


53. Zur Erzeugung von Galle im Thierkörper gehört unter allen Umständen
eine gewisse Quantität Natron, ohne die Gegenwart einer Natronverbindung
kann sich keine Galle bilden. Bei Abwesenheit von Natron kann sich durch
Umsetzung der Proteingebilde nur Fett und Harnstoff bilden. Denken wir
uns das Fett nach der empirischen Formel ~C₁₁ H₂₀ O~ zusammengesetzt, so
haben wir beim Hinzutreten von Wasser und Sauerstoff zu den Elementen
des Proteins die Bestandtheile des Fettes, der Kohlensäure und des
Harnstoffs.

        Protein.         Wasser. Sauerstoff.
  2 (~C₄₈N₁₂H₇₂O₁₄~) + 12 ~H₂O~ + 14 ~O~ = ~C₉₆N₂₄H₁₆₈O₅₄~ =

    { 6 At. Harnstoff = ~C₁₂N₂₄H₄₈ O₁₂~
  = { Fett            = ~C₆₆   H₁₂₀O₆~
    { 18 Kohlensäure  = ~C₁₈       O₃₆~
                        ---------------
                        ~C₉₆N₂₄H₁₆₈O₅₄~.

Die Zusammensetzung aller Fette liegt zwischen den empirischen Formeln
~C₁₁H₂₀O~ oder ~C₁₂H₂₀O~. Gehen wir von der letzteren aus, so geben die
Elemente von Protein (2 ~Pr.~) beim Hinzutreten von 2 At. Sauerstoff und
12 At. Wasser, 6 At. Harnstoff, Fett (~C₇₂H₁₂₀O₆~) und 12 At.
Kohlensäure.

Bemerkenswerth in Beziehung auf die Bildung des Fettes bleibt es immer,
daß die Abwesenheit des Kochsalzes (eine Natrium-Verbindung, welche dem
Organismus das Natron liefert) die Fettbildung begünstigt, daß das
Mästen eines Thieres unmöglich gemacht wird, wenn wir seiner Nahrung
einen Ueberfluß von Kochsalz, wiewohl weniger als nöthig wäre, um
Purgiren zu bewirken, zusetzen.

54. Als eine Art von Ueberblick über die Metamorphosen der
stickstoffhaltigen Secrete des Thierkörpers, ist es hier ganz an seinem
Orte, die Aufmerksamkeit darauf hinzulenken, daß die stickstoffhaltigen
Producte der Metamorphose der Galle, identisch sind mit den
Bestandtheilen des Harns, mit welchen die Elemente des Wassers in
Verbindung getreten sind.

   1 At. Harnsäure ~C₁₀N₈H₈ O₆~   }   { 3 At. Taurin   ~C₁₂N₆ H₄₂O₃₀~
   1  „  Harnstoff ~C₂ N₄H₈ O₂~   } = { 3  „  Ammoniak    ~N₆ H₁₈~
  22  „  Wasser         ~H₄₄O₂₂~  }   {
                   --------------                      --------------
                   ~C₁₂N₁₂H₆₀O₃₀~                      ~C₁₂N₁₂H₆₀O₃₀~.

  1 At. Allantoin ~C₄N₄H₆ O₃~  } = { 1 At. Taurin    ~C₄N₂H₁₄O₁₀~
  7  „  Wasser        ~H₁₄O₇~  }   { 1 Aeq. Ammoniak   ~N₂H₆~
                  ------------                       ------------
                  ~C₄N₄H₂₀O₁₀~                       ~C₄N₄H₂₀O₁₀~.

55. Für die Metamorphosen der Harnsäure und der stickstoffhaltigen
Umsetzungsproducte der Galle, ist es nicht minder bedeutungsvoll, daß
beim Hinzutreten von Sauerstoff und Wasser zu den Bestandtheilen der
Harnsäure, Taurin und Harnstoff, oder Taurin, Kohlensäure und Ammoniak
entstehen kann.

   1 At. Harnsäure  ~C₁₀N₈H₈ O₆~  }   { 2 At. Taurin    ~C₈N₄H₂₈O₂₀~
  14  „  Wasser          ~H₂₈O₁₄~ } = { 1  „  Harnstoff ~C₂N₄H₈ O₂~
   2  „  Sauerstoff         ~O₂~  }                     -------------
                    --------------                      ~C₁₀N₈H₃₆O₂₂~
   Hierzu           ~C₁₀N₈H₃₆O₂₂~ } = { 2 At. Taurin      ~C₈ N₄H₂₈O₂₀~
  2 At. Wasser            ~H₄ O₂~ }   { 2  „  Kohlensäure ~C₂      O₄~
                    -------------     { 2  „  Ammoniak       ~N₄H₁₂~
                    ~C₁₀N₈H₄₀O₂₄~                         -------------
                                                          ~C₁₀N₈H₄₀O₂₄~.

56. Alloxan plus einer gewissen Menge Wasser, ist in seiner
Zusammensetzung gleich der des Taurin, das letztere enthält zuletzt die
Elemente des sauren oxalsauren Ammoniaks.

                                            _Taurin_.
   1 At. Alloxan[F11] ~C₈N₄H₈ O₁₀~  } = 2 (~C₄N₂H₁₄O₁₀~)
  10  „  Wasser           ~H₂₀O₁₀~  }

                              { 2 At. Oxalsäure ~C₄     O₆~
  1 At. Taurin ~C₄N₂H₁₄O₁₀~ = { 1  „  Ammoniak    ~N₂H₆~
                              { 4  „  Wasser        ~H₈ O₄~
                                                ------------
                                                ~C₄N₂H₁₄O₁₀~

  [11] Es wäre von großem Interesse, die Wirkung des Alloxans auf den
  menschlichen Körper zu untersuchen; zwei bis drei Drachmen im
  krystallisirten Zustande Kaninchen gegeben, gaben keine schädlichen
  Wirkungen zu erkennen. Beim Menschen schien eine starke Dosis nur auf
  die Urinsecretion von Einfluß zu sein. Bei gewissen Krankheiten der
  Leber dürfte das Alloxan eins der wichtigsten Arzneimittel abgeben.

57. Die Vergleichung des Kohlenstoffgehaltes der in dem Körper eines
Gras-fressenden Thieres secernirten Galle, mit der Kohlenstoffmenge
seiner Gebilde oder seiner stickstoffhaltigen Nahrungsmittel, welche in
Folge des Stoffwechsels in Galle übergehen können, führt, wie sich aus
dem Vorhergehenden ergiebt, auf einen großen Unterschied.

Die Kohlenstoffmenge der secernirten Galle beträgt im geringsten Falle
mehr wie das 5fache, von dem was durch den Stoffwechsel ihrer Gebilde
oder die stickstoffhaltigen Bestandtheile ihrer Nahrung der Leber
zugeführt werden kann, und der Schluß, daß an der Bildung der Galle bei
diesen Thieren, die stickstofffreien Bestandtheile ihrer Nahrung einen
ganz bestimmten Antheil nehmen, darf als wohlbegründet angesehen werden,
denn es giebt keine Erfahrung oder Beobachtung, die seiner Richtigkeit
entgegenstände.

58. Es ist in dem Obigen der analytische Beweis niedergelegt, daß aus
allen Bestandtheilen des Harns, aus Hippursäure, Harnsäure und
Allantoin, die stickstoffhaltigen Producte der Umsetzung der Galle,
nämlich Ammoniak und Taurin entstehen können, und wenn wir uns daran
erinnern, daß durch ein bloßes Austreten von Sauerstoff und Wasser, aus
den Bestandtheilen des Amylon, Choloidinsäure gebildet werden kann,

   6 At. Amylon = 6 (~C₁₂H₂₀O₁₀~) = ~C₇₂H₁₂₀O₆₀~
       hiervon ab
  44 At. Sauerstoff }                  ~H₈  O₄₈~
   4  „  Wasser     }
                                    ------------
            bleibt Choloidinsäure = ~C₇₂H₁₁₂O₁₂~

daß zuletzt die Choloidinsäure, das Ammoniak und Taurin die Elemente der
Choleinsäure in sich schließen,

  1 At. Choloidinsäure ~C₇₂  H₁₁₂O₁₂~
  1  „  Taurin         ~C₄ N₂H₁₄ O₁₀~
  2  „  Ammoniak          ~N₂H₆~
                       --------------
        Choleinsäure = ~C₇₆N₄H₁₃₂O₂₂~

so wird durch die Kenntniß dieser Thatsachen, ein jeder Widerspruch
gegen die Möglichkeit dieser Vorgänge entfernt.

59. Die chemische Analyse sowohl wie die Beobachtung des lebenden
Thierkörpers unterstützen sich alle gegenseitig; sie führen beide zu dem
Schlusse, daß eine gewisse Quantität des Kohlenstoffs der
stickstofffreien Nahrungsstoffe (Respirationsstoffe) von der Leber in
der Form von Galle secernirt wird, daß ferner die stickstoffhaltigen
Producte der Umsetzung der Gebilde der Gras-fressenden Thiere nicht
direct und unmittelbar wie bei den Fleischfressern zu den Nieren
gelangen, sondern daß sie vor ihrem Austreten durch die Harnblase, in
gewissen anderen Processen, und namentlich in der Bildung der Galle eine
Rolle übernehmen.

Mit den Elementen der stickstofffreien Nahrungsstoffe werden sie der
Leber zugeführt, sie kehren in der Form von Galle wieder in den Körper
zurück und werden erst zuletzt, wenn sie zur Bildung des allgemeinsten
Respirationsmittels gedient haben, durch die Nieren aus dem Körper
entfernt.

60. Wenn wir den Harn sich selbst überlassen, so verwandelt sich der
darin enthaltene Harnstoff in kohlensaures Ammoniak; seine Elemente sind
genau in dem Verhältniß zugegen, daß mit dem Hinzutreten der Elemente
des Wassers aller Kohlenstoff in Kohlensäure, aller Wasserstoff in
Ammoniak übergehen kann.

  1 At. Harnstoff ~C₂N₄H₈O₂~ } =  { 2 At.  Kohlensäure ~C₂     O₄~
  2  „  Wasser        ~H₄O₂~ }    { 2 Aeq. Ammonia       ~N₄H₁₂~

61. Wären wir im Stande, aus Harnsäure oder Allantoin geradezu Taurin
und Ammoniak darzustellen, so möchte dies wohl als ein weiterer Beweis
für den Antheil angesehen werden dürfen, welcher diesen Materien an der
Bildung der Galle zugeschrieben worden ist, allein es darf nicht als
Einwurf betrachtet werden, wenn diese Verwandlung mit den Mitteln, die
uns zu Gebote stehen, nicht bewirkt werden kann. Ein solcher Einwurf
verliert seine Bedeutung, wenn man berücksichtigt, daß das Vorhandensein
von Taurin und Ammoniak in der Galle schlechterdings nicht vorausgesetzt
werden kann, ja daß es sogar nicht einmal wahrscheinlich ist, daß sie in
der Form, wie wir sie als Zersetzungsproducte der Galle bekommen,
wirkliche Bestandtheile davon ausmachen.

Durch die Einwirkung der Salzsäure auf Galle zwingen wir gewissermaßen
ihre Elemente in solchen Formen zusammenzutreten, welche durch den
nämlichen einwirkenden Körper keiner weiteren Veränderung mehr fähig
sind, und wenn wir uns anstatt der Salzsäure des Kali’s bedienen, so
erhalten wir die nämlichen Elemente, wiewohl in einer andern und ganz
verschiedenen Weise geordnet. Wäre Taurin als solches in der Galle
vorhanden, so müßte man durch Alkalien die nämlichen Producte erhalten,
wie durch Säuren. Alles dies ist gegen die Erfahrung.

Wenn wir also auch im Stande wären, das Allantoin oder Harnsäure und
Harnstoff, in Taurin und Ammoniak überzuführen, so würden wir an
Einsicht in den wahren Vorgang nicht reicher sein, eben weil die
Präexistenz von Ammoniak und Taurin in der Galle bezweifelt werden muß,
und weil wir keinen Grund haben zu glauben, daß Harnstoff als Harnstoff,
Allantoin als Allantoin zur Bildung der Galle vom Organismus verwendet
wird; wir können darthun, daß ihre Elemente zu diesem Zwecke dienen,
allein es ist uns gänzlich unbekannt, in welcher Weise diese Elemente
eingetreten sind, welchen chemischen Charakter die stickstoffhaltige
Verbindung besitzt, die sich mit den Elementen des Amylons zu Galle oder
vielmehr zu Choleinsäure vereinigt.

62. Choleinsäure kann entstehen aus den Elementen des Amylons, der
Harnsäure und des Harnstoffs, oder des Allantoins, oder der Harnsäure,
oder des Alloxan’s, oder der Oxalsäure und des Ammoniaks, oder der
Hippursäure; diese verschiedenen Formen von Stickstoffverbindungen
zeigen an und für sich schon, daß sich alle stickstoffhaltigen Producte
des Stoffwechsels im Thierkörper zur Bildung von Galle eignen, ohne daß
wir damit wissen, in welcher Weise sie dazu verwendet werden.

Wir können durch Behandlung mit kaustischen Alkalien das Allantoin
zerlegen in Oxalsäure und Ammoniak; die nämlichen Producte erhalten wir
aus dem Oxamid, ohne daß wir aus der Gleichheit derselben einen Schluß
rückwärts auf ihre Identität, auf eine gleiche Constitution dieser
Verbindungen machen können. So gestatten uns denn die Producte, die wir
aus Choleinsäure durch die Einwirkung von Säuren erhalten, in keiner
Weise einen Schluß über die Art und Weise, wie ihre Elemente sich darin
geordnet befinden.

63. Wenn die Aufgabe der organischen Chemie in der Untersuchung der
Veränderungen besteht, welche die Nahrungsmittel im Thierkörper
erfahren, so hat sie darzuthun, welche Elemente hinzu-, welche
ausgetreten sind, um die Verwandlung einer gegebenen Verbindung in eine
zweite und dritte zu bewirken oder überhaupt möglich zu machen, allein
synthetische Beweise können von ihr nicht erwartet werden, weil alle
Vorgänge im Organismus unter dem Einfluß einer immateriellen Thätigkeit
stehen, über welche der Chemiker nicht nach Willkühr verfügen kann.

Die Beobachtung der Erscheinungen, welche die Metamorphosen der
Nahrungsmittel im Organismus begleiten, die Ermittelung des Antheils,
den die Atmosphäre oder die Bestandtheile des Wassers an diesen
Veränderungen nehmen, führen von selbst auf die Bedingungen, welche sich
zur Entstehung eines Secretes oder eines Theiles oder Bestandtheiles
eines Organs vereinigen müssen.

64. Das Vorhandensein von freier Salzsäure im Magen, sowie der
Natrongehalt des Blutes setzen die Nothwendigkeit des Kochsalzes für
den organischen Proceß außer allen Zweifel, allein die Quantität von
Natron, welche verschiedene Thierklassen zur Unterhaltung der vitalen
Processe bedürfen, ist außerordentlich ungleich.

Wenn wir uns denken, daß eine gegebene Menge Blut als Natronverbindung
betrachtet, in dem Körper eines Fleisch-fressenden Thieres in Folge des
Stoffwechsels in eine neue Natronverbindung, in Galle nämlich, übergeht,
so muß vorausgesetzt werden, daß im normalen Zustande der Gesundheit der
Natrongehalt des Blutes vollkommen hinreicht, um mit den entstandenen
Producten der Umsetzung Galle zu bilden. Das zu den vitalen Processen
verbrauchte oder überflüssige Natron wird, durch die Nieren von dem
Blute geschieden, in der Form eines Salzes austreten müssen.

Wenn es nun wahr ist, daß in dem Körper eines Gras-fressenden Thieres
eine weit größere Menge Galle gebildet wird, als der Quantität des
erzeugten oder umgesetzten Blutes entspricht, daß der größte Theil ihrer
Galle von gewissen Bestandtheilen ihrer Nahrung stammt, so kann das
Natron des zu Gebilden gewordenen (assimilirten, umgesetzten) Blutes bei
weitem nicht hinreichen, um den zur Bildung von Galle täglich nöthigen
Bedarf an Natron zu liefern. Das Natron der Galle der Gras-fressenden
Thiere muß demzufolge direct von den Nahrungsmitteln geliefert werden;
ihr Organismus muß die Fähigkeit haben, alle in den Speisen vorhandenen
und von dem Organismus zerlegbaren Natronverbindungen unmittelbar zur
Bildung von Galle zu verwenden. Alles Natron im Thierkörper stammt, wie
sich von selbst versteht, von den Speisen, allein die Speise des
Fleisch-fressenden Thieres enthält im Maximo nur die zur Blutbildung
erforderliche Menge Natron; in den meisten Fällen kann man bei dieser
Thierklasse voraussetzen, daß nur eine der Menge des zur Blutbildung
verwendeten Natrons entsprechende Quantität durch ihren Harn wieder
austritt.

Wenn sie eine zur Blutbildung hinreichende Quantität Natron zu sich
nehmen, so wird eine dieser gleiche Menge durch den Harn ausgeleert,
genießen sie weniger, so behält ihr Organismus einen Theil des zur
Ausleerung bestimmten Natronsalzes zurück.

Ueber alle diese Verhältnisse giebt die Zusammensetzung des Harns der
verschiedenen Thierklassen die unzweideutigsten Belege.

65. Als letztes Product der Veränderung aller Natronverbindungen im
Thierkörper erhalten wir im Harn, das Natron in der Form eines Salzes,
den Stickstoff als Ammoniak oder Harnstoff.

Das Natron in dem Harn der Fleisch-fressenden Thiere finden wir an
Schwefelsäure und Phosphorsäure gebunden, nie fehlt neben diesen
Natronsalzen eine gewisse Menge eines Ammoniaksalzes, Salmiak oder
phosphorsaures Ammoniak. Es kann keinen entscheidenderen Beweis für die
Meinung abgeben, daß das Natron ihrer Galle oder ihrer umgesetzten
Blutbestandtheile bei weitem nicht hinreicht, um die austretenden Säuren
zu neutralisiren, als wie die Gegenwart dieser Ammoniaksalze im Harn;
dieser Harn reagirt sauer.

Im graden Gegensatz hierzu finden wir in dem Harn der Gras-fressenden
Thiere eine überwiegende Menge von Natron und zwar nicht an
Schwefelsäure oder Phosphorsäure gebunden, sondern an Kohlensäure,
Benzoesäure oder Hippursäure.

66. Diese wohlbegründeten Erfahrungen beweisen, daß die Gras-fressenden
Thiere eine weit größere Menge Natron genießen als zur Neubildung ihres
täglichen Bedarfes an Blut erforderlich ist. In ihrer Nahrung finden wir
alle Bedingungen vereinigt zur Erzeugung einer zweiten Natronverbindung,
welche zum Respirationsmittel bestimmt ist, und nur eine geringe
Erfahrung in dem Wesen der mit so großer Weisheit geordneten
Natureinrichtungen dürfte den Natrongehalt der Speise und des Harns der
Gras-fressenden Thiere für zufällig erklären.

Es kann kein Zufall sein, daß das Leben, die Entwickelung einer Pflanze
abhängig ist von der Gegenwart der Alkalien, die sie dem Boden entzieht;
diese Pflanze dient zur Nahrung einer großen Thierklasse, deren vitale
Processe aufs engste an die Gegenwart dieser Alkalien geknüpft ist. Wir
finden diese Alkalien in der Galle, ihre Gegenwart im Thierkörper ist
die unerläßliche Bedingung zur Erzeugung des ersten Nahrungsstoffs des
jungen Thieres, ohne eine reichliche Menge Kali kann die Bildung der
Milch nicht gedacht werden.

67. Alle Beobachtungen führen, wie sich aus dem Vorhergehenden ergiebt,
zu der Ansicht, daß gewisse stickstofffreie Bestandtheile der Nahrung
der Gras-fressenden Thiere (Amylon, Zucker, Gummi &c.) die Form einer
Natronverbindung erhalten, welche in ihrem Körper zu den nämlichen
Zwecken dient, wozu, wie wir mit Bestimmtheit wissen, die Galle (das
kohlenstoffreichste Product der Umsetzung ihrer Gebilde) in dem Körper
des Fleisch-fressenden Thieres verwendet wird. Sie dienen zur
Unterhaltung gewisser vitalen Processe, und werden zuletzt zur
Hervorbringung der animalischen Wärme, zum Widerstand gegen die
Einwirkung der Atmosphäre verbraucht; bei den Fleischfressern ist der
rasche Umsatz ihrer Gebilde eine Bedingung ihres Bestehens, eben weil
erst in Folge des Stoffwechsels die Materien gebildet werden müssen,
welche zur Verbindung mit dem Sauerstoff der Luft bestimmt sind; in
diesem Sinne kann man sagen, daß die stickstofffreien Nahrungsmittel den
Stoffwechsel hindern, daß sie ihn verlangsamen und eine ebenso rasche
Beschleunigung wie bei den Fleischfressern jedenfalls unnöthig machen.

68. Mit dieser Fähigkeit der stickstofffreien Nahrungsstoffe,
als Respirationsmaterie zu dienen, steht die verhältnißmäßig so
geringe Menge von stickstoffhaltiger Nahrung, die sie zur
Unterhaltung ihrer Lebensfunctionen bedürfen, in dem engsten
Zusammenhang, und es dürfte vielleicht sich herausstellen, daß die
Nothwendigkeit zusammengesetzterer Verdauungsorgane in dem Körper der
Pflanzen-fressenden Thiere weit mehr durch die Schwierigkeit bedingt
ist, gewisse stickstofffreie Nahrungsmittel (Gummi? stärkemehlartige
Faser?) löslich und geschickt zu machen, an den vitalen Processen
Antheil zu nehmen, als die Ueberführung und Verwandlung des
Pflanzen-Fibrins, -Albumins und -Caseins in Blut zu bewirken, denn für
diesen Zweck finden wir die minder zusammengesetzten Apparate der
Carnivoren vollkommen ausreichend.

69. Wenn in dem Körper des Menschen, der an gemischte Nahrung gewöhnt
ist, das Amylon eine ähnliche Rolle übernimmt, wie in dem Körper der
Gras- und Körner-fressenden Thiere, wenn also vorausgesetzt wird, daß
ihre Elemente an der Bildung ihrer Galle einen ebenso bestimmten
Antheil nehmen, so folgt hieraus von selbst, daß ein Theil der
stickstoffhaltigen Producte der Umsetzung ihrer Organe, ehe sie durch
die Harnblase austreten, von der Leber aus, in der Form von Galle, in
den Kreislauf zurückkehren und erst als letztes Product des
Respirationsprocesses durch die Nieren von dem Blute geschieden werden.

70. Beim Mangel an stickstofffreien Substanzen in der Nahrung des
Menschen wird diese Form der Gallenbildung nicht stattfinden können, die
Secrete müssen in diesem Fall eine andere Beschaffenheit besitzen, und
das Erscheinen von Harnsäure im Harn in gewissen Krankheiten, die
Ablagerung von Harnsäure in den Gliedern und in der Harnblase, sowie der
Einfluß, den ein Ueberfluß von Fleischnahrung, der als gleichbedeutend
angesehen werden muß einem Mangel an Amylon, auf die Absonderung der
Harnsäure bei gewissen Individuen ausübt, dürfte hierin seine Erklärung
finden. Fehlt es an Amylon, an Zucker &c., so wird ein Theil der durch
den Stoffwechsel gebildeten oder sich bildenden Stickstoffverbindungen
entweder an dem Orte beharren, wo sie erzeugt worden sind, sie werden
nicht von der Leber aus als Respirationsmittel in den Organismus
zurückkehren, und durch die Einwirkung des Sauerstoffs die letzten
Veränderungen erfahren, die sie überhaupt zu erleiden fähig sind,
sondern von den Nieren in irgend einer andern Form abgeschieden werden
müssen.

71. In dem Vorhergehenden ist der Beweis zu führen versucht worden, daß
die stickstofffreien Nahrungsmittel einen ganz bestimmten Einfluß auf
die Natur und Beschaffenheit der Secrete des Thierkörpers ausüben; ob
dies direct geschieht, ob ihre Elemente nämlich unmittelbar an dem Acte
der Umsetzung der Gebilde Antheil nehmen, oder indirect, möchte durch
sorgfältige und umsichtige Versuche und Beobachtungen entschieden werden
können. Möglich ist es, daß die stickstofffreien Nahrungsmittel, in
irgend einer Weise verändert, von den Eingeweiden aus gradezu der Leber
zugeführt werden, daß sie in diesem Organ, wo sie mit den Producten der
umgesetzten Gebilde zusammentreten, die Verwandlung in Galle erfahren
und dann erst ihren Kreislauf im Körper vollenden.

Diese Meinung gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man in Betracht zieht,
daß in dem arteriellen Blute bis jetzt noch niemals weder eine Spur
Amylon noch Zucker aufgefunden worden ist, selbst nicht bei Thieren, die
man ausschließlich mit diesen Materien zu ernähren versuchte. Diesen
Materien kann man demnach, da sie in dem arteriellen Blute fehlen,
keinen Antheil an dem Ernährungsprocesse zuschreiben, und das Erscheinen
von Zucker im Harne Diabetischer, von Zucker, welcher, nach allen
Beobachtungen, von der Nahrung stammt, sowie die völlige Abwesenheit
dieses Zuckers in dem Blute der an dieser Krankheit Leidenden, beweis’t
offenbar, daß Amylon und Zucker als solche in die Blutcirculation nicht
aufgenommen werden.

72. Ueber die Anwesenheit gewisser Bestandtheile der Galle im Blute des
gesunden Menschen findet man in den Schriften der Physiologen viele
Belege, wiewohl sie quantitativ schwerlich bestimmbar darin ist; denken
wir uns in der That, daß in einer Minute zehn Pfund Blut (120 Unzen)
durch die Leber gehen und von diesem Blute 2 Tropfen Galle (zu drei Gran
den Tropfen) abgesondert wurden, so macht dies ¹/₉₆₀₀ von dem Gewichte
der Blutmasse aus, ein Gehalt, der durch die Analyse nicht mehr
festgestellt werden kann.

73. Der größte Theil der Galle entsteht nach dem Vorhergehenden in dem
Körper der Gras- und Körner-fressenden Thiere, sowie in dem des
Menschen, der an gemischte Nahrung gewöhnt ist, aus den Bestandtheilen
seiner stickstofffreien Nahrungsmittel; ihre Bildung kann aber nicht
gedacht werden, ohne ein Hinzutreten eines stickstoffhaltigen Körpers,
denn die Galle ist eine Stickstoffverbindung. Alle bis jetzt
untersuchten Gallen geben bei der trocknen Destillation Ammoniak und
stickstoffhaltige Producte; aus der Ochsengalle hat man Taurin und
Ammoniak dargestellt; der Beweis, daß diese beiden Producte aus allen
anderen Gallen darstellbar sind, ist nur deshalb nicht geführt worden,
weil es schwer hält, sich von anderen Thieren hinlängliche Mengen von
Galle zu verschaffen.

Mag nun die stickstoffhaltige Verbindung, die sich mit den
Bestandtheilen des Amylons zu Galle vereinigt, von den Speisen oder von
der Substanz der umgesetzten Gebilde stammen, der Schluß, daß die
Gegenwart derselben als eine Bedingung der Gallensecretion anzusehen
ist, kann nicht in Zweifel gezogen werden.

Da nun die Gras- und Körner-fressenden Thiere in ihren Nahrungsmitteln
nur solche stickstoffhaltige Materien genießen, welche identisch sind
mit ihren Blutbestandtheilen, so stammt der stickstoffhaltige
Bestandtheil, den wir in der Galle finden, jedenfalls von einer
Proteinverbindung ab, er ist entweder durch eine Veränderung entstanden,
welche die Proteinverbindungen der Speise erlitten haben, oder er ist
aus dem Blute oder aus der Substanz der Gebilde in Folge des
Stoffwechsels erzeugt worden.

74. Wenn nun der Schluß wahr ist, daß stickstoffhaltige Verbindungen,
gleichgültig, ob sie von der Substanz des Blutes oder den
stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln stammen, an der Bildung der Secrete
und namentlich an der Bildung der Galle einen bestimmten Antheil zu
nehmen vermögen, so ist klar, daß der Organismus die Fähigkeit besitzen
muß, fremde Materien, welche weder Theile, noch Bestandtheile der Träger
der Lebensthätigkeit ausmachen, zu gewissen vitalen Zwecken dienen zu
machen; alle stickstoffhaltigen, der Auflösung fähigen Substanzen ohne
Unterschied dem Blute oder den Verdauungsorganen zugeführt, wenn sie
sich durch ihre Zusammensetzung zu diesen Zwecken eignen, werden von dem
Organismus in ähnlicher Weise dazu verwendet werden müssen, wie die
stickstoffhaltigen Producte, die sich durch den Stoffwechsel gebildet
haben.

Wir kennen eine Menge Materien, welche auf den Akt der Umsetzung der
Gebilde, sowie auf den Ernährungsproceß einen ganz bestimmten Einfluß
ausüben, ohne daß ihre Elemente an den vor sich gehenden Veränderungen
Antheil nehmen, es sind dies lauter solche Substanzen, deren Theile sich
in einem gewissen Zustand der Zersetzung befinden, der sich allen
Theilen des Organismus überträgt, welche fähig sind, eine ähnliche
Umsetzung zu erfahren.

75. Die Arzneistoffe und Gifte umfassen eine zweite außerordentlich
zahlreiche Klasse von Verbindungen, welche die Fähigkeit haben, durch
ihre Elemente direct oder indirect Antheil an den Secretionsprocessen
oder dem Stoffwechsel zu nehmen. Sie lassen sich in drei große Klassen
eintheilen, von denen die eine (wozu die metallischen Gifte gerechnet
werden müssen) eine chemische Verbindung mit gewissen Theilen oder
Bestandtheilen des animalischen Körpers eingeht, welche durch die
Lebensthätigkeit nicht aufgehoben wird. Die zweite Klasse (ätherische
Oele, Camphor, empyreumatische Materien, Antiseptica &c.) besitzt die
Eigenschaft, den Zustand der Umsetzung ihrer Elementartheile, welchen
gewisse sehr zusammengesetzte, organische Atome zu erleiden vermögen
(Umsetzungsprocesse, die man, wenn sie außerhalb des Thierkörpers vor
sich gehen, gewöhnlich mit Gährung und Fäulniß bezeichnet) zu hindern
oder zu verlangsamen.

Die dritte Klasse von Arzneistoffen nimmt durch ihre Elemente an den im
Thierkörper vor sich gehenden Veränderungen einen directen Antheil; dem
Organismus zugeführt, steigern und erhöhen sie die vitale Thätigkeit
einzelner oder mehrerer Organe, sie bringen im gesunden Körper
Krankheitserscheinungen hervor; alle üben schon in verhältnißmäßig sehr
kleinen Gaben eine bemerkbare Wirkung aus, viele wirken in größeren
Massen als Gifte. Von keinem dieser Körper läßt sich behaupten, daß er
in dem Ernährungsprocesse eine entschiedene Rolle spiele, daß er von dem
Organismus zur Blutbildung verwendet werden könne, theils, weil ihre
Zusammensetzung von der der Blutbestandtheile abweicht, theils, weil die
Masse, in der sie die Wirkung äußern, gegen die Blutmasse verschwindend
klein ist.

In die Blutcirculation aufgenommen, ändern sie, wie man gewöhnlich sagt,
die Qualität des Bluts, und um durch den Magen in die Blutgefäße mit
ihrer ganzen Wirksamkeit überzugehen, muß vorausgesetzt werden, daß sie
durch die organische Thätigkeit, welche dieses Organ besitzt, keine
Veränderung in ihrer Zusammensetzung erfahren, sie werden im
unlöslichen Zustande darin löslich gemacht (verdaut), aber nicht
zerstört, denn in letzterem Fall würden sie keine Wirkung ausüben
können.

76. Das Blut besitzt im normalen Zustande der Gesundheit zwei
Qualitäten, welche mit einander in engem Zusammenhange stehen, obwohl
eine von der andern als ganz unabhängig gedacht werden kann.

In den Blutkörperchen enthält das Blut die Träger des zur Neubildung
gewisser Theile des Thierkörpers, sowie zur Hervorbringung der
animalischen Wärme dienenden Sauerstoffs; durch die Fähigkeit dieser
Blutkörperchen, den in der Lunge aufgenommenen Sauerstoff wieder
abzugeben, ohne daß sie damit ihren Character verlieren, bedingen sie im
Allgemeinen den Stoffwechsel.

Die zweite Qualität des Blutes, seine Fähigkeit, zu Bestandtheilen von
Organen zu werden, sich für die Zunahme an Masse und Neubildung der
Organe, sowie zum Ersatz von verbrauchtem Stoff zu eignen, verdankt es
vorzugsweise dem in Auflösung vorhandenen Fibrin und Albumin. Diese
beiden Hauptbestandtheile, welche zur Nutrition und Reproduction dienen,
sättigen sich bei ihrem Durchgang durch die Lunge mit Sauerstoff, sie
nehmen jedenfalls soviel davon aus der Atmosphäre auf, daß sie die
Fähigkeit völlig verlieren, den anderen Materien, die sich im Blute
befinden, Sauerstoff zu entziehen.

Mit Bestimmtheit wissen wir, daß die Blutkörperchen des venösen Blutes
in der Lunge, bei ihrer Berührung mit der Atmosphäre, ihre Farbe
ändern, daß dieser Farbenwechsel begleitet ist von einer Absorbtion von
Sauerstoff; alle Bestandtheile des Blutes, welche die Fähigkeit
überhaupt besitzen, sich mit Sauerstoff zu verbinden, nehmen in der
Lunge Sauerstoff auf und sättigen sich damit. Neben diesen anderen
Materien behalten die Blutkörperchen ihre hochrothe Farbe bis in die
feinsten Verzweigungen der Arterien, erst bei ihrem Durchgange durch die
Capillargefäße beobachten wir, daß sie dieselbe wechseln und die
dunkelrothe Farbe annehmen, welche die Blutkörperchen des venösen Blutes
characterisirt. Aus diesen Thatsachen muß gefolgert werden, daß den
Bestandtheilen des arteriellen Blutes die Fähigkeit völlig abgeht, den
Sauerstoff der im arteriellen Blute circulirenden Blutkörperchen,
welchen sie aus der Luft aufgenommen haben, zu entziehen, und aus der in
den Capillargefäßen stattfindenden Farbenveränderung läßt sich kein
anderer Schluß ziehen, als daß sie (die Blutkörperchen des arteriellen
Blutes) während diesem Durchgang, in den Zustand zurückkehren, den sie
im venösen Blut besitzen, daß sie also den in der Lunge aufgenommenen
Sauerstoff abgegeben und damit das Vermögen wieder erlangt haben, sich
mit Sauerstoff aufs Neue zu verbinden.

78. Wir finden demnach in dem arteriellen Blut Albumin, was sich, wie
alle anderen Bestandtheile, bei seinem Durchgange durch die Lunge mit
Sauerstoff gesättigt hat, und Sauerstoffgas, was jedem Körpertheilchen
durch die Blutkörperchen in chemischer Verbindung zugeführt wird. So
weit unsere Beobachtungen (bei der Bebrütung des Ei’s) reichen,
vereinigen sich darin die Bedingungen zur Erzeugung aller Gebilde; der
zur Neubildung oder in dem Proceß der Reproduction nicht verbrauchte
Sauerstoff vereinigt sich mit der Substanz der belebten Körpertheilchen,
er bedingt, indem er in ihre Elemente aufgenommen wird, den Act der
Umsetzung, den wir mit Stoffwechsel bezeichnet haben.

79. Es ist klar, daß alle in den Capillargefäßen vorhandenen oder
abgeschiedenen oder durch Endosmose oder Imbibition zugeführten Stoffe,
welcher Art sie auch sein mögen, wenn ihnen die Fähigkeit nicht völlig
abgeht, sich mit Sauerstoff zu vereinigen, daß sie, bei Berührung mit
den Trägern des Sauerstoffs, sich ähnlich verhalten müssen, wie die
lebendigen Körpertheilchen selbst, sie werden, oder ihre Elemente werden
mit diesem Sauerstoff in Verbindung treten, es wird in diesem Fall
entweder kein Stoffwechsel stattfinden, oder er wird sich in einer
andern Form, in der Bildung von Producten anderer Art, zu erkennen
geben.

80. Der Begriff einer Aenderung der beiden in dem Vorhergehenden
berührten Qualitäten des Blutes durch einen in dem Blute enthaltenen
oder aufgenommenen fremden Stoff (Arzneistoff) setzt demnach zweierlei
Wirkungsweisen voraus.

Angenommen, daß der Arzneistoff keine, der Lebensthätigkeit eine Grenze
setzende, chemische Verbindung mit den Bestandtheilen des Blutes
einzugehen vermag, daß er ferner sich nicht im Zustande einer Umsetzung
befindet, die sich auf die Bestandtheile des Blutes oder der Organe
fortpflanzen und übertragen kann, daß ihm die Fähigkeit abgeht, durch
seinen Contact mit den lebenden Körpertheilchen ihren Stoffwechsel, die
Umsetzung ihrer Elemente, zu hindern, so bleibt für diese Art von
Stoffen, um ihre Wirkungsweise erklärlich zu finden, nichts anders
übrig, als anzunehmen, daß ihre Elemente an der Erzeugung gewisser
Bestandtheile des lebenden Thierkörpers oder an der Bildung gewisser
Secrete Antheil nehmen.

81. Insoweit der vitale Act der Secretion mit dem Chemismus in Beziehung
steht, ist er in dem Vorhergehenden einer Untersuchung unterworfen
worden; bei den Fleisch-fressenden Thieren haben wir Grund zu glauben,
daß ohne Hinzutreten eines fremden Stoffes von Außen, die Galle und die
Bestandtheile des Harns an dem Orte gebildet werden, wo der Stoffwechsel
vor sich geht; bei den anderen Thierclassen hingegen kann angenommen
werden, daß in dem Secretionsorgan selbst, aus gewissen zugeführten
Stoffen (bei den Gras-fressenden Thieren aus den Bestandtheilen des
Amylons und einem stickstoffhaltigen Product der umgesetzten Organe) die
Erzeugung der Secrete vermittelt wird. Diese Vorstellung schließt die
Meinung übrigens nicht aus, daß bei den Fleisch-fressenden Thieren die
Producte der umgesetzten Organe, eine Spaltung in Galle, Harnsäure oder
Harnstoff, erst in den Secretionsorganen erleiden, oder daß die
Bestandtheile der stickstofffreien Nahrungsstoffe, direct den
Körpertheilen zugeführt, wo Stoffwechsel stattfindet, mit den Elementen
der umgesetzten Gebilde zu den Bestandtheilen des Harns und der Galle
zusammentreten.

82. Wenn nun vorausgesetzt wird, daß gewisse Arzneimittel zu
Bestandtheilen von Secreten werden können, so kann dies nur auf
zweierlei Weise geschehen; entweder gelangen sie in die Blutcirculation
und nehmen an dem Stoffwechsel directen Antheil, insofern ihre Elemente
in die Zusammensetzung der neuen Producte eintreten, oder sie werden den
Secretionsorganen zugeführt, wo sie auf die Bildung oder auf die
Beschaffenheit des Secretes einen Einfluß durch Hinzutreten ihrer
Elemente äußern.

In beiden Fällen müssen sie in dem Organismus ihren chemischen Character
verlieren, und wir wissen mit genügender Sicherheit, daß diese Classe
von Arzneistoffen spurlos im Körper verschwindet. Schreibt man ihnen in
der That eine Wirkung zu, so können sie durch den Magen ihre
Eigenthümlichkeit nicht verlieren, sie können durch den Verdauungsproceß
nicht zerstört worden sein; ihr Verschwinden setzt also voraus, daß sie
zu gewissen Zwecken verwendet worden sind, was ohne Aenderung ihrer
Zusammensetzung nicht denkbar ist.

83. So wenig man nun auch, bis auf die Galle, mit der Zusammensetzung
der übrigen Secrete bekannt sein mag, mit Bestimmtheit weiß man, daß
alle Secrete Stickstoff in chemischer Verbindung enthalten; sie gehen in
stinkende Fäulniß über und liefern entweder in diesem Zersetzungsproceß
oder bei der trocknen Destillation ammoniakhaltige Producte; selbst der
Speichel, mit Kalihydrat zusammengebracht, entwickelt reichlich
Ammoniak.

84. Durch ihre Zusammensetzung theilen sich die Arzneimittel in zwei
Klassen, in stickstoffhaltige und in stickstofffreie. Vor allen
ausgezeichnet durch ihre medizinischen Wirkungen auf den Organismus sind
die stickstoffhaltigen Pflanzenstoffe, deren Zusammensetzung von den
eigentlichen, stickstoffhaltigen Nahrungsstoffen, welche der Organismus
der Pflanze ebenfalls erzeugt, abweicht.

Die Arzneiwirkungen dieser Materien sind außerordentlich verschieden;
von der mildesten Form der Wirkung der Aloe bis zum furchtbarsten Gifte,
dem Strychnin, beobachten wir Unterschiede der mannigfaltigsten Art.

Bis auf drei Verbindungen, bringen alle diese Materien im gesunden
Organismus Krankheitszustände hervor und wirken in gewissen Gaben
giftig, die meisten besitzen den chemischen Character der Basen.

Kein stickstofffreies Arzneimittel übt in gleichen Gaben eine giftige
Wirkung aus[F12].

  [12] Diese Betrachtung oder Vergleichung hat zu einer neuen und
  genaueren Untersuchung des Picrotoxins geführt und Herr _Francis_ hat
  einen bis jetzt übersehenen Stickstoffgehalt darin unzweifelhaft
  dargethan und seine Menge bestimmt.

85. Die arzneiliche oder giftige Wirkung der stickstoffhaltigen
Pflanzenstoffe steht mit ihrer Zusammensetzung in einer bestimmten
Beziehung, sie kann nicht unabhängig von ihrem Stickstoffgehalte gedacht
werden, allein sie steht keineswegs in directem Zusammenhang mit diesem
Stickstoffgehalte.

Das Solanin[E38], das Picrotoxin[E39], welche die geringste
Stickstoffmenge enthalten, sind starke Gifte, Chinin[E40] enthält mehr
Stickstoff wie Morphin[E41]; Caffein[E42] und Theobromin[E43], die
stickstoffreichsten Pflanzenstoffe, die man kennt, sind nicht giftig.

86. Ein stickstoffhaltiger Körper, der durch seine Elemente auf die
Bildung oder die Qualität eines Secretes eine Wirkung äußert, muß in
Beziehung auf seinen chemischen Character die Rolle übernehmen können,
welche die stickstoffhaltigen Producte des Thierkörpers in der Bildung
der Galle spielen, die Rolle also eines Productes des Lebensprocesses.
Ein stickstofffreies Arzneimittel, insofern seine Wirkung sich in den
Secreten äußert, muß in dem Thierkörper dieselbe Rolle spielen können,
die wir den stickstofffreien Nahrungsstoffen zugeschrieben haben.

Wenn wir uns also denken, daß die Elemente der Hippur- oder Harnsäure
von den Trägern der Lebensthätigkeit stammen, daß sie als Producte ihrer
Umsetzung den Character des Lebens, aber keineswegs die Fähigkeit
verlieren, Veränderungen durch den eingeathmeten Sauerstoff oder durch
die Einwirkung der Secretionsapparate zu erleiden, so läßt sich kaum ein
Zweifel hegen, daß Stickstoffverbindungen ähnlicher Art, Producte des
Lebensprocesses der Pflanzen, in den Thierkörper gebracht, wenn sie sich
zu gleichen Zwecken eignen, ganz auf die nämliche Weise von dem
Thierorganismus verwendet werden können, wie die stickstoffhaltigen
Producte der Metamorphosen der Thiergebilde selbst; und wenn Hippur-
oder Harnsäure oder eins ihrer Elemente Antheil z. B. zu nehmen
vermögen an der Bildung und Erzeugung von Galle, so muß anderen
stickstoffhaltigen Substanzen ein ähnliches Vermögen zugeschrieben
werden.

Unerforschlich wird es immer bleiben, wie die Menschen auf den Genuß
eines heißen Aufgusses von Blättern gewisser Stauden oder der Abkochung
gerösteter Samen gekommen sind; es muß eine Ursache geben, welche
erklärt, wie er ganzen Nationen zu einem Lebensbedürfniß geworden ist.
Noch weit merkwürdiger ist es gewiß, daß die wohlthätigen Wirkungen auf
die Gesundheit, in beiden Pflanzenstoffen, einer und derselben Materie
zugeschrieben werden müssen, deren Vorhandensein in zwei Pflanzen,
welche verschiedenen Pflanzenfamilien und Welttheilen angehören, die
kühnste Phantasie nicht voraussetzen konnte.

Nicht minder bemerkenswerth ist es gewiß, daß der Fleisch-essende
Indianer in dem Tabacksrauchen ein Mittel entdeckte, welches den Umsatz
seiner Gebilde verlangsamt und damit den Hunger erträglicher macht, daß
er dem Genusse des Branntweins nicht zu widerstehen vermag, der in
seinem Körper als Respirationsmittel dient und die Function seiner
umgesetzten Gebilde übernimmt. Thee und Caffee treffen wir ursprünglich
bei Nationen an, welche vorzugsweise vegetabilische Nahrung genießen.

87. Ohne auf die medicinischen Wirkungen des Caffeins und Theins
einzugehen, wird man es jedenfalls, selbst wenn man sich darin gefallen
sollte, ihren Einfluß auf den Secretionsproceß zu leugnen, höchst
auffallend finden, daß Caffein und Thein, durch ein Hinzutreten von
Wasser und Sauerstoff in Taurin, in den der Galle eigenthümlichen
stickstoffhaltigen Bestandtheil übergehen können.

  1 At. Caffein, Thein ~C₈N₄H₁₀O₂~
  9  „  Wasser             ~H₁₈O₉~
  9  „  Sauerstoff            ~O₉~
                       ------------
  2  „  Taurin      2 (~C₄N₂H₁₄O₁₀~)

Eine ganz ähnliche Beziehung beobachten wir in dem Hauptbestandtheil der
Spargeln, dem Althäin oder Asparagin; beim Hinzutreten von Sauerstoff
und Wasser bekommen wir ebenfalls die Elemente des Taurin’s.

  1 At. Asparagin  ~C₈N₄H₁₆O₆~
  6  „  Wasser         ~H₁₂O₆~
  8  „  Sauerstoff        ~O₈~
                   ------------
  2  „  Taurin  2 (~C₄N₂H₁₄O₁₀~)

Beim Hinzutreten der Elemente des Wassers und einer gewissen Menge
Sauerstoff zu den Elementen des Theobromins, des Hauptbestandtheils der
Cacaobohnen, haben wir Harnstoff und Taurin oder Harnsäure, Taurin und
Wasser.

   1 At. Theobromin  ~C₁₈N₁₂H₂₀O₄~  }   { 4 At. Taurin    ~C₁₆N₈ H₅₆O₄₀~
  22  „  Wasser            ~H₄₄O₂₂~ } = { 1  „  Harnstoff ~C₂ N₄ H₈ O₂~
  16  „  Sauerstoff           ~O₁₆~ }
                     -----------------                    --------------
                     ~C₁₈N₁₂H₆₄O₄₂~                       ~C₁₈N₁₂H₆₄O₄₂~

oder:

   1 At. Theobromin  ~C₁₈N₁₂H₂₀O₄~ }   {4 At. Taurin      ~C₁₆N₈ H₅₆O₄₀~
  24  „  Wasser            ~H₄₈O₂₄~} = {2  „  Kohlensäure ~C₂       O₄~
  16  „  Sauerstoff           ~O₁₆~}   {2  „  Ammoniak       ~N₄ H₁₂~
                     --------------                       --------------
                     ~C₁₈N₁₂H₆₈O₄₄~                       ~C₁₈N₁₂H₆₈O₄₄~

oder:

   1 At. Theobromin ~C₁₈N₁₂H₂₀O₄~  }   { 2 At. Taurin    ~C₈ N₄ H₂₈O₂₀~
   8  „  Wasser           ~H₁₆O₈~  } = { 1  „  Harnsäure ~C₁₀N₈ H₈ O₆~
  14  „  Sauerstoff          ~O₁₄~ }   {
                    --------------                       --------------
                    ~C₁₈N₁₂H₃₆O₂₆~                       ~C₁₈N₁₂H₃₆O₂₆~

88. Um die Wirkung des Caffeins, Asparagins &c. auf den Organismus
erklärlich zu finden, muß man sich erinnern, daß der Hauptbestandtheil
der Galle nur 3,8 ~pCt.~ Stickstoff enthält, von dem nur die Hälfte dem
Taurin angehört (1,9 ~pCt.~).

Die Galle enthält im natürlichen Zustande 80 Theile Wasser und 10 Theile
feste Substanz. Nehmen wir nun an, diese 10 Theile seien Choleinsäure
mit 3,87 ~pCt.~ Stickstoff, so enthalten 100 Gewichtstheile Galle im
natürlichen Zustande in der Form von Taurin 0,171 Gewichtstheile
Stickstoff. Diese Quantität Stickstoff ist aber in 0,6 Caffein enthalten
oder 2⁸/₁₀ Gran Caffein können in der Form von Taurin, einer Unze Galle
den Stickstoff liefern, und wenn ein Theeaufguß auch nur den zehnten
Theil eines Grans Thein enthält, so kann, wenn es überhaupt zur
Gallenbildung beiträgt, seine Wirkung nicht gleich Null gesetzt werden.
Man wird eben so wenig leugnen können, daß bei einem Ueberfluß von
stickstofffreien Nahrungsmitteln und bei Mangel an Bewegung, welche den
Umsatz der Gebilde bedingt und die zur Gallenbildung nöthige
Stickstoffverbindung liefert, daß in diesem Zustande der Genuß von
Stoffen der Gesundheit zuträglich sein mag, welche die Rolle der zur
Respirationsmaterie unentbehrlichen Stickstoffverbindung, die der
Körper erzeugt, zu übernehmen vermögen. In chemischer Beziehung und dies
allein soll mit Obigem dargethan werden, eignen sich Thein, Caffein,
Theobromin, Asparagin mehr, wie alle anderen stickstoffhaltigen
Pflanzenstoffe, ihrer Zusammensetzung nach, zu dieser Verwendungsweise.
Ihre Wirkungen sind für die gewöhnlichen Zustände nicht in die Augen
fallend, wiewohl unleugbar vorhanden.

89. Was die Wirkung der andern stickstoffhaltigen Pflanzenstoffe
betrifft, des Chinins, der Bestandtheile des Opiums &c. &c., die sich
nicht in den Secretionsprocessen, sondern in anderen Erscheinungen
äußert, so sind die Physiologen und Pathologen nicht zweifelhaft, daß
sie vorzugsweise auf die Nerven und das Gehirn gerichtet ist; sie ist,
wie man gewöhnlich sagt, dynamischer Art, was ausdrücken will, daß sie
die Bewegungserscheinungen des Thierlebens entweder beschleunigt oder
verlangsamt, oder in irgend einer Form ändert. Beachtet man nun, daß die
Wirkung materiellen, mit der Hand greifbaren und wägbaren Stoffen
angehört, daß sie in dem Organismus verschwinden, daß eine doppelte
Portion stärker wirkt, wie eine einfache, daß nach einiger Zeit eine
neue Dosis gegeben werden muß, wenn man die Wirkung zum zweitenmal
hervorbringen will, so läßt dies Verhalten, in chemischer Beziehung, nur
eine einzige Form von Erklärung, die Vorstellung nämlich zu, daß sie
durch ihre Elemente Theil an der Bildung oder Umsetzung der Gehirn- und
Nervensubstanz nehmen.

So sonderbar nun auch der Gedanke auf den ersten Blick zu sein scheint,
daß die Bestandtheile des Opiums, oder der Chinarinde, die Elemente des
Codeins, Morphins, Chinins &c. in Bestandtheile der Gehirn- und
Nervensubstanz, zu Trägern der Thätigkeit übergehen, von denen aus die
Bewegungen der Organe im Thierkörper vermittelt werden, daß sie zu einem
Bestandtheil der Substanz werden, mit deren Hinwegnahme der Sitz des
geistigen Lebens, des Gefühls und des Bewußtseins vernichtet wird, so
bleibt nicht minder gewiß, daß alle diese Fähigkeiten und Thätigkeiten
auf’s engste mit der Existenz und einer gewissen Beschaffenheit der
Gehirn-, Rückenmark- und Nervensubstanz im Zusammenhange stehen, in der
Art, daß alle Aeußerungen des Lebens dieser Stoffe, die in der
Erscheinung sich als Bewegung, Empfindung, Gefühl zu erkennen geben,
eine andere Form annehmen, so wie ihre Zusammensetzung sich ändert. Die
Gehirn- und Nervensubstanz erzeugte der Organismus des Thieres aus
Materien, die ihm von den Pflanzen geliefert wurden; es sind die
Bestandtheile ihrer Nahrung, welche in Folge einer Reihe von
Veränderungen die Eigenschaften und die Beschaffenheit annehmen, die wir
an ihnen kennen.

90. Wenn nun als eine unbestreitbare Wahrheit angesehen werden muß, daß
aus den Bestandtheilen des Pflanzen-Fibrins, -Caseins, -Albumins allein,
oder mit Zuhülfenahme der Bestandtheile der stickstofffreien
Nahrungsmittel, oder des daraus gebildeten Fettes die Gehirn- und
Nervensubstanz erzeugt wird, so hat die Meinung nichts Absurdes, daß
andere Bestandtheile der Vegetabilien, die in ihrer Zusammensetzung
zwischen beiden (den Fetten nämlich und den Proteinverbindungen) stehen,
daß diese in dem Organismus zu gleichem Zwecke verwendet werden können.

91. Nach _Frémy’s_ Untersuchung ist der Hauptbestandtheil des
Gehirnfettes die Natronverbindung von einer eigenthümlichen Säure, der
Cerebrinsäure, welche in 100 Th. enthält:

  Kohlenstoff          66,7
  Wasserstoff          10,6
  Stickstoff            2,3
  Phosphor              0,9
  Sauerstoff           19,5

Wie man leicht bemerkt, weicht die Zusammensetzung der Cerebrinsäure von
der der fetten Körper und der stickstoffhaltigen Bestandtheile des
Blutes gänzlich ab; die Fette sind frei von Stickstoff, die
Proteinverbindungen enthalten nahe an 17 ~pCt.~ Stickstoff. Bis auf den
Phosphor(säure?)gehalt kann die Zusammensetzung der Gehirnsubstanz am
nächsten nur mit der Zusammensetzung der Choleinsäure verglichen werden,
obwohl beide mit einander nicht verwechselt werden können.

92. Die Gehirn- und Nervensubstanz sind jedenfalls auf eine ähnliche
Weise entstanden wie die Galle, entweder durch Austreten einer
stickstoffreichen Materie aus den Bestandtheilen des Blutes, oder durch
Zusammentreten eines stickstoffhaltigen Productes des Lebensprocesses
mit einem stickstofffreien (einem fetten!) Körper. Alles was in dem
Vorhergehenden über die verschiedene Art und Weise der Entstehung der
Galle gesagt worden ist, alle Schlüsse, zu denen wir über die Mitwirkung
stickstoffhaltiger oder stickstofffreier Nahrungsstoffe gelangt sind,
lassen sich mit gleichem Rechte oder mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf
die Bildung und Erzeugung der Gehirn- und Nervensubstanz anwenden.

Man darf nicht aus den Augen verlieren, daß, wie man auch die vitalen
Vorgänge betrachten mag, die Entstehung der Gehirnsubstanz aus Blut eine
Aenderung in der Zusammensetzung und den Qualitäten der
Blutbestandtheile voraussetzt; diese Aenderung findet eben so gewiß
statt, als die Existenz der Gehirnsubstanz nicht geleugnet werden kann.
In diesem Sinne muß angenommen werden, daß aus einer Proteinverbindung
ein erstes, zweites, drittes &c. Product hervorgeht, ehe eine gewisse
Anzahl ihrer Elemente zu Bestandtheilen der Gehirnsubstanz werden
können, und es muß als vollkommen gewiß angesehen werden, daß ein
Product des Lebensprocesses einer Pflanze, dem Blute zugeführt, die
Rolle der ersten, zweiten, dritten Producte der Veränderung der
Proteinverbindung übernehmen wird, wenn ihre Zusammensetzung sich zu
diesem Zwecke eignet. Es kann in der That nicht als zufällig angesehen
werden, daß die Zusammensetzung der wirksamsten Arzneistoffe, der
organischen Basen, mit keinem Bestandtheil des Thierkörpers außer mit
der Gehirnsubstanz in Beziehung gebracht werden kann; alle enthalten
eine gewisse Menge Stickstoff; sie stehen, in Beziehung auf ihre
Elemente, in der Mitte zwischen den Proteinverbindungen und den Fetten.

93. Im Gegensatz zu ihrem chemischen Charakter finden wir in der
Gehirnsubstanz die Eigenschaft einer Säure; sie enthält eine weit
größere Menge von Sauerstoff wie die organischen Basen. Wir beobachten,
daß Chinin und Cinchonin, Morphin und Codein, Strychnin und Brucin, die
sich in ihrer Zusammensetzung so nahe stehen, wenn nicht eine gleiche
Wirkung äußern, doch darin sich näher stehen, als den anderen, welche
größere Unterschiede in ihrer Zusammensetzung zeigen. Wir finden, daß
mit ihrem Sauerstoffgehalte (wie beim Narcotin) ihre energische Wirkung
abnimmt, daß im strengsten Sinne keine durch die andere vollkommen
ersetzt werden kann. Es giebt aber keinen entscheidenderen Beweis für
die Art und Weise ihrer Wirkung, als das letztere Verhalten, sie muß in
der engsten Beziehung zu ihrer Zusammensetzung stehen. Wenn diese Stoffe
in der That eine Rolle in Beziehung auf die Bildung oder Aenderung der
Qualitäten der Gehirn- und Nervensubstanz ausüben, so erklären sich ihre
Wirkungen auf den gesunden so wie auf den kranken Organismus auf eine
überraschend einfache Weise, und wenn man nicht versucht ist zu leugnen,
daß der Hauptbestandtheil der Fleischbrühe in dem Körper des Menschen
oder der organische Bestandtheil der Knochen in dem Leibe eines Hundes,
obwohl sie zur Blutbildung schlechterdings nicht geeignet sind, daß also
Stickstoffverbindungen, welche den Proteinverbindungen durchaus
unähnlich sind, eine ihrer Zusammensetzung entsprechende Verwendung
finden, so werden wir daraus schließen dürfen, daß ein anderes, dem
Protein ebenfalls unähnliches, aber einem Bestandtheil des Thierkörpers
ähnliches Product des Pflanzenlebens in dem Organismus des Thieres eine
ähnliche Verwendung findet, wie das Product, welches durch die vitale
Thätigkeit seiner Organe ursprünglich ebenfalls aus einer
Pflanzensubstanz erzeugt worden ist.

Die Zeit ist noch nicht lange vorübergegangen, wo man über die Ursache
der verschiedenartigen Wirkungen des Opiums nicht die allergeringste
Vorstellung hatte, wo die Wirkung der Chinarinde in ein unbegreifliches
Dunkel gehüllt schien. Jetzt, wo man weiß, daß sie kristallisirbaren,
chemischen Verbindungen angehört, welche in ihrer Zusammensetzung ebenso
verschieden sind, wie sie in ihrer Wirkung auf den Organismus von
einander abweichen, jetzt also, wo man die Stoffe kennt, denen die
arzneiliche oder giftige Wirkung zukommt, kann nur der Unverstand ihren
Antheil an dem Lebensproceß für unerforschbar halten; sie deshalb, wie
Manche gethan haben, für unerforschbar erklären, weil sie in kleinen
Gaben wirken, ist eben so ungereimt, wie wenn man die Schärfe eines
Rasirmessers beurtheilen wollte nach seinem Gewichte.

94. Es wäre völlig zwecklos, diesen Schlüssen eine größere Ausdehnung zu
geben, sie verdienen, so hypothetisch sie sich auch darstellen mögen,
nur in so fern Beachtung, als sie den Weg andeuten, den die Chemie
verfolgt, oder den sie nicht verlassen darf, wenn sie in der That der
Physiologie und Pathologie Dienste leisten soll. Die Combinationen des
Chemikers beziehen sich stets auf den Stoffwechsel vorwärts und
rückwärts, auf den Uebergang der Nahrung in die mannigfaltigen Gebilde
und Secrete und ihrer Umsetzung in leblose Verbindungen; seine
Untersuchungen sollen zeigen, was im Körper vor sich gegangen ist, und
was vor sich gehen kann. Sonderbarer Weise sehen wir die Arzneiwirkungen
alle abhängig von gewissen Stoffen, die sich in ihrer Zusammensetzung
nicht ähnlich sind, und wenn durch die Hinzuführung eines Stoffes
gewisse abnormale Zustände zu normalen werden, so wird man die Ansicht
nicht zurückweisen können, daß diese Erscheinung in einer Aenderung der
Zusammensetzung der Bestandtheile des kranken Organismus beruht, an
welcher die Elemente des Arzneimittels einen bestimmten Antheil haben,
einen ähnlichen Antheil, wie der ist, den die Bestandtheile der Pflanzen
an der Bildung des Fettes und der Membranen, des Speichels, der
spermatischen Materie &c. genommen haben; ihr Kohlenstoff, ihr
Wasserstoff, Stickstoff, oder was sonst zu ihrer Zusammensetzung gehört,
sie stammen ja von dem Organismus der Pflanze ab; die Wirkungen des
Chinins, des Morphins, der vegetabilischen Gifte sind zuletzt keine
Hypothesen.

95. Aehnlich also wie man in gewissem Sinne von Caffein, Thein,
Asparagin, so wie von den stickstofffreien Nahrungsstoffen sagen kann,
daß sie Nahrungsstoffe für die Leber sind, indem sie die Elemente
enthalten, durch deren Gegenwart dieses Organ befähigt wird, seinen
Functionen vorzustehen, lassen sich die stickstoffhaltigen, durch ihre
Wirkung auf das Gehirn und die Substanz der Bewegungsapparate so
merkwürdigen Arzneistoffe als Nahrungsstoffe für die unbekannten Organe
betrachten, welche zur Metamorphose der Blutbestandtheile in Gehirn- und
Nervensubstanz bestimmt sind, Organe, die in dem Thierkörper nicht
fehlen können, und wenn im Zustande der Krankheit ein abnormaler Proceß
der Bildung oder Umsetzung der Bestandtheile der Nerven- und
Gehirnsubstanz sich eingestellt hat, wenn in den dazu bestimmten Organen
die Fähigkeit vermindert ist, aus den Blutbestandtheilen Nerven- und
Gehirnsubstanz zu erzeugen, oder einer abnormalen Umsetzung Widerstand
zu leisten, so steht der Ansicht in chemischer Beziehung kein Hinderniß
entgegen, daß Materien von einer der Gehirn- und Nervensubstanz
ähnlichen Zusammensetzung, die sich für die Bildung derselben eignen,
statt der aus dem Blute erzeugten zum Widerstand oder zur Herstellung
des normalen Zustandes verwendet werden können. Beide sind Producte des
Lebensprocesses; die Blutbestandtheile sowohl, wie die Körper, welche
wir Arzneimittel nennen, stammen von den Pflanzen, nur in ihrer Form
zeigen sie Verschiedenheiten.

96. Einige Physiologen und Chemiker haben die Eigenthümlichkeit der
Cerebrinsäure, welche ihrem Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalte und
ihren physikalischen Eigenschaften nach einer stickstoffhaltigen fetten
Säure gleicht, in Zweifel gezogen; ein stickstoffhaltiges Fett, was
einen sauren Charakter besitzt, ist aber in der That keine Anomalie. Die
Hippursäure ist in manchen ihrer Eigenschaften den fetten Säuren sehr
ähnlich, sie ist aber durch ihren Stickstoffgehalt wesentlich davon
unterschieden; die organischen Bestandtheile der Galle, sie gleichen in
ihren physikalischen Eigenschaften den sauren Harzen und sind ebenfalls
stickstoffhaltig; die organischen Basen stehen in ihren physikalischen
Eigenschaften zwischen den fetten Körpern und den Harzen, alle sind
stickstoffhaltig; eine stickstoffhaltige fette Säure ist eben so wenig
unwahrscheinlich, wie die Existenz eines stickstoffhaltigen Harzes, was
die Eigenschaften einer Salzbase besitzt.

97. Ein genaues Studium möchte wahrscheinlich in der Substanz des
Gehirns, des Rückenmarks und der Nerven Verschiedenheiten darthun. Nach
den Beobachtungen von _Valentin_ ändert sich die Beschaffenheit der
Gehirn- und Nervensubstanz von dem Tode an, mit großer Schnelligkeit,
und ganz besondere Sorgfalt müßte auf die Sonderung fremder, der Mark-
und Gehirnsubstanz nicht angehörender Materien zu verwenden sein. So
groß nun auch die Schwierigkeiten sich darstellen mögen, so scheint die
Untersuchung dennoch ausführbar. Vorläufig wissen wir, daß gegen einen
großen Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalt in der Gehirnsubstanz alle
Erfahrungen sprechen; die _Abwesenheit_ von Stickstoff als Bestandtheil
der Nerven- und Gehirnsubstanz erscheint jedenfalls unwahrscheinlich.
Sie darf ferner nicht zu den Fetten gerechnet werden, denn wir finden
sie mit Natron vereinigt; alle Fette sind aber Glycerylverbindungen.
Was den Phosphorgehalt der Gehirnsubstanz betrifft, so haben wir über
den Zustand, in welchem der Phosphor darin enthalten ist, nur
Vermuthungen. _Walchner_ beobachtete vor Kurzem, daß sich aus einem
Brunnentroge in Carlsruhe, auf dessen Boden Fische faulten,
selbstentzündliches Phosphorwasserstoffgas in Blasen entwickelte, und
auch in der Fäulniß der Gehirnsubstanz sind phosphorreiche Gase
beobachtet worden[F13].

  [13] Das Museum zu Genf übergab eine große Portion Weingeist, der zur
  Aufbewahrung von Thieren (Fischen) gedient hatte, an Herrn Leroyer,
  Apotheker, der seine Reinigung übernahm. Er destillirte denselben über
  ein Gemenge von Chlorcalcium mit gebranntem Kalk und dampfte den
  Rückstand an der Luft über Feuer ab. Sobald die Masse eine gewisse
  Consistenz und eine höhere Temperatur angenommen hatte, entwickelte
  sich eine außerordentliche Menge entzündliches Phosphorwasserstoffgas
  (_Dumas_ ~V.~ 267.)



Dritter Theil.

  Die
  Bewegungserscheinungen
  im
  Thierorganismus.


~I.~

Die zahllosen Bilder, welche sich der menschliche Geist über die Natur
und das Wesen der eigenthümlichen Ursache geschaffen hat, welche als der
letzte Grund der Erscheinungen angesehen werden muß, die das Thier- und
Pflanzenleben characterisiren, mit einem neuen zu vermehren, dürfte
nicht der Beachtung werth gehalten werden, wenn sich nicht aus den
Vorstellungen über diese Ursache, welche im Eingang zum ersten Theil
dieser Schrift entwickelt worden sind, gewisse Begriffe als nothwendige
Folgerungen ergäben, deren nähere Erörterung in dem Folgenden versucht
werden soll.

Von vorne herein muß zugegeben werden, daß alle diese Folgerungen ihre
Bedeutung verlieren, wenn der Beweis geführt werden kann, daß die
Ursache der Lebensthätigkeit mit anderen bekannten Ursachen, welche
Bewegung oder Form- und Beschaffenheitsänderungen der Materie bewirken,
in ihren Aeußerungen nichts gemein hat.

Eine Vergleichung ihrer Eigenthümlichkeiten mit der Wirkungsweise dieser
anderen Ursachen, kann übrigens schon deshalb keinen Nachtheil bringen,
weil die Natur und das Wesen einer Naturerscheinung nicht durch
Abstraction, sondern nur durch vergleichende Beobachtungen erkennbar
sind.

Wenn die Lebenserscheinungen nämlich als Aeußerungen einer
eigenthümlichen Kraft angesehen werden, so müssen die Wirkungen dieser
Kraft an gewisse erforschbare Gesetze gebunden sein, die mit den
allgemeinsten Gesetzen des Widerstandes und der Bewegung im Einklange
sind, welche die Weltkörper und Weltkörpersysteme in ihren Bahnen
erhalten, wodurch Form- und Beschaffenheitsänderungen in den Körpern
bedingt werden, ganz abgesehen von dem Stoff, welcher als Träger der
Lebenskraft sich darstellt, oder der Form, in der sich die Lebenskraft
äußert.

Die Lebenskraft giebt sich in einem belebten Körpertheil als eine
Ursache der Zunahme an Masse, sowie des Widerstandes gegen äußere
Thätigkeiten zu erkennen, welche die Form, Beschaffenheit und
Zusammensetzung der Elementartheilchen ihres Trägers zu ändern streben.

Als eine Kraft der Bewegung, Form- und Beschaffenheitsänderung der
Materie zeigt sie sich durch Störung und Aufhebung des Zustandes der
Ruhe, in dem sich die chemischen Kräfte befinden, durch welche die
Bestandtheile der ihren Trägern zugeführten Verbindungen, die wir als
Nahrungsstoffe kennen, zusammengehalten werden.

Die Lebenskraft bewirkt eine Zersetzung dieser Nahrungsstoffe, sie hebt
die Kraft der Anziehung auf, die zwischen ihren kleinsten Theilchen
unausgesetzt thätig ist, sie ändert die Richtung der chemischen Kräfte
in der Art, daß die Elemente der Nahrungsstoffe sich in einer andern
Weise ordnen, daß sie zu neuen, den Trägern der Lebenskraft gleichen
oder unähnlichen Verbindungen zusammentreten; sie ändert die Richtung
und Stärke der Cohäsionskraft, sie hebt den Cohäsionszustand der
Nahrungsmittel auf und zwingt die neuen Verbindungen, zu Formen
zusammenzutreten, welche keine Aehnlichkeit mit den Formen haben, welche
durch die frei (ohne Widerstand) wirkende Cohäsionskraft gebildet
werden.

Die Lebenskraft äußert sich als eine Kraft der Anziehung, insofern die
durch die Form- und Beschaffenheitsänderung des Nahrungsstoffes neu
gebildete Verbindung, bei gleicher Zusammensetzung mit ihrem Träger, zu
einem Bestandtheil dieses Trägers wird.

Die dem Träger der Lebenskraft unähnlichen, neuerzeugten Verbindungen
treten aus dem Körpertheile aus, sie erleiden in der Form gewisser
Secretionen, anderen Körpertheilen zugeführt, bei ihrer Berührung damit,
eine Reihe ähnlicher Veränderungen.

Als Widerstand giebt sich die Lebenskraft in belebten Körpertheilen zu
erkennen, insofern durch sie, durch ihr Vorhandensein in ihren Trägern,
die Elemente derselben das Vermögen erlangen, Störungen und Aenderungen
in ihrer Form und Zusammensetzung durch äußere Thätigkeiten zu
widerstehen, eine Fähigkeit, die sie für sich als chemische Verbindungen
nicht besitzen.

Wie bei anderen Kräften umfaßt der Begriff einer ungleichen Intensität
der Lebenskraft in einem belebten Körpertheil nicht nur die ungleiche
Fähigkeit der Zunahme an Masse und der Ueberwindung von (chemischen)
Widerständen, sondern man bezeichnet damit auch gradezu die
Verschiedenheit in der Größe des Widerstandes selbst, den die Theile
oder Bestandtheile eines belebten Körpertheils einer Aenderung in der
Form und Zusammensetzung durch neue äußere einwirkende Ursachen
entgegensetzen; ganz ähnlich wie die Stärke der Cohäsionskraft oder der
Affinität in gradem Verhältniß steht zu dem Widerstande, den diese
Kräfte einer äußern mechanischen oder chemischen Ursache entgegensetzen,
welche die Theile einer Verbindung von einander zu trennen strebt.

Die Aeußerungen der Lebenskraft sind abhängig von einer gewissen Form
ihrer Träger und einer bestimmten Zusammensetzung der Substanz des
lebendigen Körpertheils.

Die Fähigkeit der Zunahme an Masse in einem belebten Körpertheil wird
bedingt durch die unmittelbare Berührung mit Stoffen, die sich zu einer
Zersetzung eignen, oder deren Elementartheile zu Bestandtheilen des
Trägers der Lebensthätigkeit übergehen können.

Die Aeußerung der Zunahme setzt voraus, daß die einwirkende Lebenskraft
mächtiger ist, als der Widerstand, den die chemische Kraft einer
Zersetzung oder Umsetzung der Elementartheile der Nahrungsstoffe ihr
entgegensetzt.

Die Aeußerungen der Lebenskraft sind abhängig von einer gewissen
Temperatur; weder in einer Pflanze, noch in einem Thiere zeigen sich
Lebenserscheinungen, wenn die Temperatur in gewissen Verhältnissen
abnimmt.

Die Lebenserscheinungen eines belebten Organismus nehmen an Stärke und
Intensität durch Wärmeentziehung ab, wenn die Temperatur, welche er
besitzt, nicht durch andere Ursachen wieder erneuert wird.

Entziehung von Nahrungsstoff setzt allen Lebensäußerungen eine bestimmte
Grenze.

Der Contact der belebten Körpertheile mit Nahrungsstoff wird in dem
Thierorganismus bedingt durch eine mechanische Kraft, welche in ihm
selbst erzeugt wird und gewissen Organen die Fähigkeit giebt,
Ortsveränderungen zu bewirken, eine mechanische Bewegung
hervorzubringen, mechanische Widerstände aufzuheben.

Man kann einem ruhenden Körper eine gewisse Bewegung ertheilen durch
eine Menge in ihren Aeußerungen höchst verschiedener Kräfte; wir setzen
ein Uhrwerk in Bewegung durch ein fallendes Gewicht (durch die Schwere),
durch eine gespannte Feder (durch Elasticität). Wir bringen jede Art von
Bewegungen hervor durch die elektrische oder magnetische Kraft, sowie
durch die chemischen Kräfte, ohne daß wir im Stande sind zu sagen, wenn
wir die Aeußerung dieser Thätigkeiten nur in ihrer Erscheinung ins Auge
fassen, durch welche von diesen verschiedenen Ursachen des Ortswechsels
der ruhende Körper die Bewegung oder Geschwindigkeit empfangen hat.

In dem Organismus des Thieres kennen wir nur eine Quelle der bewegenden
Kraft, und diese Quelle ist die nämliche Ursache, welche die Zunahme
belebter Körpertheile an Masse bedingt, welche ihnen das Vermögen
giebt, äußeren Actionen Widerstand zu leisten, es ist die _Lebenskraft_.

Um zu einer klaren Einsicht dieser in ihrer Form so verschiedenen
Aeußerungen der Lebenskraft zu gelangen, muß man sich erinnern, daß eine
jede Kraft sich in einer Materie durch zwei für die Beobachtung durchaus
verschiedene Zustände der Thätigkeit zu erkennen giebt.

Die in den Theilchen eines Steins vorhandene Kraft der Schwere ertheilt
ihnen ein unausgesetztes Streben, sich nach dem Mittelpunkte der Erde
hinzubewegen.

Für die Wahrnehmung verschwindet diese Thätigkeit, wenn der Stein z. B.
auf einem Tische liegt, dessen Theile der Aeußerung seiner Schwere einen
Widerstand entgegensetzen. Die auf ihn wirkende Kraft ist stets
vorhanden, sie äußert sich als Druck auf die Unterlage, allein er bleibt
auf seinem Platze, er besitzt keine Bewegung. Mit Gewicht bezeichnen wir
die Aeußerung seiner Schwere im Zustande der Ruhe.

Was den Stein am Fallen hindert, ist ein Widerstand, welcher bewirkt
wird durch eine Kraft der Anziehung, mit welcher die Theilchen des
Holzes zusammenhängen; eine Wassermasse würde ihn am Fallen nicht
gehindert haben.

Wenn die Kraft, welche die Theilchen des Steins nach dem Mittelpunkte
der Erde hintreibt, größer wäre als die Kraft, womit die Holztheilchen
zusammenhängen, so würde die Cohäsionskraft überwunden werden, sie würde
den Stein am Fallen nicht hindern können.

Nehmen wir den Tisch und damit die Kraft hinweg, welche die Aeußerung
der Schwere aufgehoben hatte, so zeigt sich die letztere als die Ursache
der Ortsveränderung des Steins, er kommt in Bewegung, d. h. er fällt:
Widerstand ist stets eine Kraft.

Je nachdem wir ihn kürzere oder längere Zeit fallen lassen, erlangt er
Fähigkeiten, die er im ruhenden Zustande nicht besaß, er erhält nämlich
das Vermögen, schwächere oder stärkere Widerstände (Kräfte) aufzuheben,
oder ruhenden Körpern Bewegung mitzutheilen.

Von einer gewissen Höhe herabfallend macht er einen bleibenden Eindruck
an dem Orte, den er berührt, von einer noch größern Höhe (längere Zeit)
fallend, macht er ein Loch in die Tischplatte; seine eigene Bewegung
theilt sich einer gewissen Anzahl Holztheilchen mit, die nun mit dem
Steine selbst fallen. Keine dieser Eigenschaften besaß der ruhende
Stein.

Die erlangte Geschwindigkeit ist stets die Wirkung der bewegenden Kraft.
Sie ist unter sonst gleichen Umständen dem Druck proportional.

Ein frei fallender Körper gewinnt nach einer Sekunde eine
Geschwindigkeit von 30 Fuß. Derselbe Körper auf dem Monde fallend, würde
in einer Sekunde nur eine Geschwindigkeit von ³⁰/₃₆₀₀ = 0,1 Zoll
gewinnen, weil dort die Intensität der Schwere (der Druck, welcher auf
den Körper wirkt, die bewegende Kraft) 3600 mal kleiner ist.

Wenn der Druck gleichförmig fortwirkt, so steht die Geschwindigkeit
genau im Verhältniß zum Druck, dergestalt, daß z. B. der 3600mal
langsamer fallende Körper nach 3600 Sekunden dieselbe Geschwindigkeit
annimmt, wie der andere nach einer Sekunde.

Die Wirkung ist folglich nicht der bewegenden Kraft allein, noch der
Zeit allein, sondern dem Druck, multiplicirt mit der Zeit =
_Kraftmoment_, proportional.

In zwei gleichen Körpermassen bezeichnet die Geschwindigkeit das
Kraftmoment. Unter dem Einfluß desselben Drucks bewegt sich aber ein
Körper um so langsamer, je größer seine Masse; die doppelte Masse
braucht, um in gleicher Zeit eine gleiche Geschwindigkeit zu erlangen,
einen doppelten Druck, oder sie muß unter dem einfachen Drucke eine
doppelt so lange Zeit in Bewegung bleiben.

Um einen Ausdruck für die ganze eingetretene Wirkung zu haben, muß man
daher, die Masse mit ihrer Geschwindigkeit multipliciren.

Dieses Product heißt _Bewegungsgröße_.

Die Größe der Bewegung eines Körpers muß in allen Fällen dem Kraftmoment
genau entsprechen.

Größe der Bewegung und Kraftmoment wird auch schlechtweg mit _Kraft_
bezeichnet, weil man sich vorstellt, daß ein kleiner Druck, der z. B. 10
Sekunden gewirkt hat, ebensoviel werth ist, als ein zehnmal größerer
Druck, der nur eine Sekunde thätig war.

_Bewegungsmoment_ heißt in der Mechanik die Wirkung einer Kraft ohne
Rücksicht auf die Zeit (Geschwindigkeit), in welcher sie zur Aeußerung
kam. -- Wenn ein Mann z. B. dreißig Pfunde 100 Fuß hoch hebt, ein
zweiter dreißig Pfund auf 200 Fuß Höhe, so hat der zweite doppelt so
viel Kraft wie der erste verwendet; ein dritter welcher 60 Pfund auf 50
Fuß Höhe gehoben hat, verbraucht dazu nicht mehr Kraft wie der erste, um
30 Pfund 100 Fuß hoch zu heben. Die Bewegungsmomente des ersten (30 ×
100) und des dritten (60 × 50) sind sich gleich, das Bewegungsmoment des
zweiten (30 × 200) ist doppelt so groß.

_Kraftmomente_ und _Bewegungsmomente_ sind demnach in der Mechanik
Ausdrücke oder Maßstäbe für Kraftwirkungen, die sich auf eine in
gegebener Zeit erlangte Geschwindigkeit oder auf einen gegebenen Raum
beziehen; in diesem Sinne lassen sie sich auf die Wirkungen aller
anderen Ursachen der Bewegung, Form- und Beschaffenheitsveränderung
übertragen, wie groß oder wie klein auch der Raum oder die Zeit sein
mag, in der sich ihre Wirkung für die Sinne offenbart.

Eine jede Kraft äußert sich demnach in der Materie als Widerstand gegen
äußere Ursachen der Orts- (Form- und Beschaffenheits-) Veränderung; als
Bewegung-erzeugende Kraft zeigt sie sich, wenn ihr keine Widerstände
entgegenstehen oder in der Ueberwindung von Widerständen.

Eine und dieselbe Kraft wirkt Bewegung mittheilend und Bewegungen
vernichtend; in dem einen Falle, wenn ihrer Thätigkeitsäußerung keine
Widerstände entgegenstehen; in dem andern, wenn sie selbst die Aeußerung
einer andern Ursache der Bewegung (Form- und Beschaffenheits-Aenderung)
aufhebt. Gleichgewicht (oder Ruhe) heißt der Zustand der Thätigkeit, wo
ein Kraft- oder Bewegungsmoment, durch ein entgegengesetztes Kraft- oder
Bewegungsmoment aufgehoben ist.

Beide Thätigkeitsäußerungen beobachten wir an der Kraft, welche den
belebten Körpertheilen ihre eigenthümlichen Eigenschaften giebt.

Durch Aufhebung der zwischen den Bestandtheilen der Nahrungsstoffe
wirkenden chemischen Kräfte (der Cohäsion und Affinität), durch
Aenderung der Lage oder des Ortes, in welchem sich ihre
Elementartheilchen befinden, giebt sich die Lebenskraft als bewegende
Kraft zu erkennen; sie äußert sich als Bewegung erzeugende Kraft durch
Ueberwindung der chemischen Anziehung der Bestandtheile der
Nahrungsstoffe und als die Ursache, die sie zwingt, sich in einer neuen
Ordnung mit einander zu vereinigen.

Es ist klar, daß einem belebten Körpertheil, welcher also die Fähigkeit
besitzt, Widerstände aufzuheben und den Elementartheilchen der
Nahrungsstoffe eine Bewegung mitzutheilen durch die in ihm frei sich
äußernde Lebenskraft, ein Bewegungsmoment zukommen muß, was ja nichts
anderes ist, als das Maß der eingetretenen Bewegung, Form- und
Beschaffenheits-Aenderung.

Wir wissen, daß dieses Bewegungsmoment der Lebenskraft in einem belebten
Körpertheil verwendbar ist, um ruhenden Materien Bewegung zu ertheilen
(Zersetzung zu bewirken, Widerstände aufzuheben), und wenn die
Lebenskraft in ihren Aeußerungen sich ähnlich verhält wie andere
Kräfte, so muß dieses Bewegungsmoment mitgetheilt oder fortgepflanzt
werden können durch Materien, die in sich selbst durch eine
entgegenwirkende Thätigkeit seine freie Aeußerung nicht aufheben.

Die durch irgend eine Ursache gewonnene Bewegung eines Stoffes oder
einer Materie kann in sich selbst nicht vernichtet werden, sie kann zwar
für die Wahrnehmung verschwinden, allein auch aufgehoben durch
Widerstände (durch entgegengesetzte Kraftwirkungen) wird ihr Effect
nicht vernichtet. Der fallende Stein übt durch seine im Fallen gewonnene
Bewegungsgröße, auf dem Tische angelangt, eine Wirkung aus; der
hervorgebrachte Eindruck auf das Holz, die Geschwindigkeit, welche von
der seinigen sich auf die Holztheile überträgt, ist sein Effect.

Uebertragen wir die Begriffe von Bewegung, Gleichgewicht und Widerstand
auf die chemischen Kräfte, die in ihrer Wirkungsweise der Lebenskraft
unendlich näher stehen, als die Schwere, so wissen wir mit der größten
Bestimmtheit, daß sie nur bei unmittelbarer Berührung sich thätig
zeigen; wir wissen, daß die ungleiche Fähigkeit chemischer Verbindungen,
Widerstand gegen äußere Störungen zu leisten, gegen die Einwirkung der
Wärme, der elektrischen Kraft, die ihre Theilchen zu trennen streben, so
wie ihr Vermögen Widerstände in anderen Verbindungen aufzuheben
(Zersetzung zu bewirken), daß mit einem Worte die in einer Verbindung
thätige Kraft, abhängig ist von einer gewissen Ordnung, in welcher sich
ihre Elementartheilchen berühren.

Die nämlichen Elemente in einer andern Ordnung mit einander vereinigt,
äußern mit anderen Verbindungen in Berührung eine höchst ungleiche
Fähigkeit Widerstand zu leisten oder Widerstände aufzuheben, in der
einen Form ist die zur Aeußerung gelangte Kraft verwendbar (der Körper
ist activ, eine Säure z. B.), in der andern nicht (er ist indifferent),
in einer dritten Form ist sein Kraftmoment der ersten entgegengesetzt
(er ist activ, aber eine Basis).

Aendern wir die Ordnung der Elemente, so sind wir im Stande, die
Bestandtheile einer Verbindung durch einen andern activen Körper zu
trennen, die, in einer andern Form vereinigt, seiner Action einen
unüberwindlichen Widerstand entgegensetzten.

Aehnlich wie zwei gleiche unelastische Massen von gleicher
Geschwindigkeit, die aus entgegengesetzter Richtung getrieben, mit
einander in Berührung kommend, zur Ruhe gelangen, ähnlich also wie zwei
gleiche aber entgegengesetzte Bewegungsmomente sich gegenseitig
aufheben, kann das Kraftmoment einer chemischen Verbindung, durch ein
gleiches aber entgegengesetztes Kraftmoment einer zweiten Verbindung
ganz oder zum Theil aufgehoben, allein es kann nicht vernichtet werden,
so lange die Ordnung nicht gestört wird, durch welche die in ihnen
wohnende Kraft zur Aeußerung gelangt ist.

Die chemische Kraft der Schwefelsäure ist im Gyps eben so ungeschwächt
vorhanden, als im Vitriolöl, aber für die Wahrnehmung ist sie
verschwunden; nehmen wir die Ursache hinweg, die ihre Aeußerung auf
andere Materien aufhob, so zeigt sie sich in ihrem Träger mit ihrer
ganzen Stärke.

So kann die Cohäsionskraft eines festen Körpers durch eine chemische
Kraft (in der Auflösung), durch Wärme (beim Schmelzen), für die
Beobachtung völlig verschwinden, ohne daß sie nur entfernt geschwächt
oder vernichtet wäre. Entfernen wir die ihr entgegenwirkende
Kraftäußerung (den Widerstand), so zeigt sie sich in der Krystallisation
unverändert.

Durch die elektrische Kraft, durch die Wärme, sind wir im Stande, der
chemischen Kraft in ihren Aeußerungen die mannigfaltigsten Richtungen zu
geben; wir stellen damit die Ordnung fest, in welcher sich die
Elementartheilchen vereinigen sollen. Nehmen wir die Ursache hinweg
(Wärme, elektrische Kraft), die ihrer schwächeren Anziehung nach der
einen Richtung hin das Uebergewicht gab, so wird die stärkere Anziehung
nach einer andern Richtung hin sich unausgesetzt thätig zeigen, und wenn
diese stärkere Anziehung das Beharrungsvermögen der Elementartheilchen
überwinden kann, so werden sich die Elementartheile in einer neuen Form
mit einander vereinigen, das ist, es wird eine neue Verbindung von
veränderten Eigenschaften gebildet werden müssen.

In Verbindungen dieser Art, in welchen also die freie Aeußerung der
chemischen Kraft, durch andere Kräfte gehindert wurde, kann ein Stoß,
eine mechanische Reibung, die Berührung mit einer Materie, deren
Elementartheile sich im Zustande der Bewegung (Umsetzung, Zersetzung)
befinden, irgend eine Ursache von Außen, deren Thätigkeit sich der
stärkeren Anziehung der Elementartheilchen nach einer andern Richtung
hinzufügt, hinreichen, um dieser stärkeren Anziehung das Uebergewicht zu
geben, das Beharrungsvermögen zu überwinden, ihre Form und
Beschaffenheit, welche sie der Mitwirkung fremder Ursachen verdanken, zu
ändern, ein Zerfallen der Verbindung in eine oder mehrere neue Körper
von veränderten Eigenschaften zu bewirken.

Umsetzungen, oder wenn man will, Bewegungserscheinungen, können in
Verbindungen dieser Classe, bewirkt werden durch die in einer andern
chemischen Verbindung frei und verwendbar wirkende chemische Kraft, und
zwar ohne daß ihre Aeußerung durch Widerstände erschöpft oder aufgehoben
wird. So wird das Gleichgewicht in der Anziehung der Elemente des
Rohrzuckers, durch Berührung mit einer sehr kleinen Menge Schwefelsäure
aufgehoben; er verwandelt sich in Traubenzucker; ganz ähnlich sehen wir
die Elemente des Amylons sich mit den Elementen des Wassers zu einer
neuen Form ordnen, ohne daß die Schwefelsäure, welche gedient hatte, um
diese Umsetzung zu bewirken, ihren chemischen Charakter verliert, sie
bleibt in Bezug auf andere Materien, auf die sie eine Wirkung äußert,
ebenso activ als wie vorher, grade so, als wenn sie keine Art von
Wirkung auf das Amylon ausgeübt hätte.

Ganz verschieden von der Aeußerung der sogenannten mechanischen
Kräfte haben wir in den chemischen Kräften Ursachen von
Bewegungserscheinungen, von Form- und Beschaffenheitsänderungen, ohne
wahrnehmbare Erschöpfung der Kraft, wodurch sie hervorgerufen werden,
erkannt; allein der Grund der fortdauernden Thätigkeitsäußerung bleibt
stets derselbe, es ist der Mangel einer entgegengesetzten Thätigkeit
(eines Widerstandes), der sie aufzuheben oder ins Gleichgewicht zu
setzen fähig ist.

Aehnlich wie die Aeußerungen der chemischen Kräfte (das Kraftmoment
einer chemischen Verbindung) abhängig erscheinen von einer bestimmten
Ordnung, in der sich ihre Elementartheilchen berühren, zeigt die
Erfahrung, daß die Lebenserscheinungen unzertrennlich von der Materie
sind, daß die Aeußerungen der Lebenskraft in einem belebten Körpertheil
bedingt werden durch eine gewisse Form des Trägers und durch eine
gewisse Ordnungsweise seiner Elementartheilchen; heben wir die Form oder
Zusammensetzung des Organs auf, so verschwinden alle Lebensäußerungen.

Nichts hindert uns, die Lebenskraft als eine besondere Eigenschaft zu
betrachten, die gewissen Materien zukommt, und wahrnehmbar wird, wenn
ihre Elementartheilchen zu einer gewissen Form zusammengetreten sind.

Diese Vorstellung nimmt den Lebenserscheinungen nichts von ihrer
wunderbaren Eigenthümlichkeit, man kann sie als einen Anhaltspunkt
betrachten, von dem aus sich eine Untersuchung derselben, sowie die
Erforschung ihrer Gesetze anknüpfen läßt, ganz so wie man die
Eigenschaften und Gesetze der Bewegungen des Lichts, als abhängig von
einer Lichtmaterie, oder einem Aether betrachtet, der mit den
erforschten Gesetzen nichts weiter zu thun hat.

In dieser Form gedacht, vereinigt die Lebenskraft in ihren Aeußerungen
alle Eigenthümlichkeiten der chemischen Kräfte und der nicht minder
wunderbaren Ursache, die wir als den letzten Grund der elektrischen
Erscheinungen ansehen.

Die Lebenskraft äußert sich nicht wie die Schwerkraft oder magnetische
Kraft in unendlichen Entfernungen, sondern sie ist, wie die chemischen
Kräfte, nur bei unmittelbarer Berührung thätig, sie wird durch einen
Complex materieller Theile wahrnehmbar.

Ein belebter Körpertheil erhält nach obiger Voraussetzung die Fähigkeit,
Widerstand zu leisten und Widerstände aufzuheben, durch das
Zusammentreten seiner Elementartheilchen in einer gewissen Form und er
muß, so lange diese Form und Ordnung durch entgegengesetzte Kräfte nicht
aufgehoben wird, seine Kraft unausgesetzt zu behaupten vermögen.

Wenn durch den Act der Thätigkeitsäußerung eines belebten Körpertheils
die Elemente der Nahrungsstoffe in der ihm gleichen Form und
Beschaffenheit zusammengetreten sind, so erlangen sie eine ihm gleiche
Fähigkeit; es gelangt durch dieses Zusammentreten die in ihnen wohnende
Lebenskraft zur freien Aeußerung, sie wird in gleicher Weise verwendbar.

Wenn man sich nun erinnert, daß alle Nahrungsstoffe belebter Organismen
Verbindungen zweier oder mehrerer Elemente sind, welche durch chemische
Kräfte zusammengehalten werden, wenn man erwägt, daß in dem Act der
Thätigkeitsäußerung eines belebten Körpertheils die Elemente der
Nahrungsstoffe in einer andern Ordnung zusammentreten, so ist völlig
gewiß, daß das Kraft- oder Bewegungsmoment der Lebenskraft stärker war,
als die zwischen den Elementen der Nahrung sich äußernde chemische
Anziehung[F14].

  [14] Die Hände eines Mannes, welcher mit einem Seile 30 Pfund 100 Fuß
  hoch hebt, legen einen Weg von 100 Fuß zurück, während seine
  Muskelthätigkeit einem Widerstand (Druck) von 30 Pfunden das
  Gleichgewicht hält. Wäre die von dem Manne anwendbare Kraft nicht
  größer, als um dem Druck von dreißig Pfunden das Gleichgewicht zu
  halten, so würde er nicht vermögend sein, das Gewicht zu der
  angegebenen Höhe zu heben.

Die chemische Kraft, welche die Bestandtheile zusammenhielt, wirkte
gleich einem Widerstande, welcher überwunden wurde durch die active
Lebenskraft.

Wären beide gleich gewesen, so würde keine Art von wahrnehmbarer Wirkung
eingetreten sein; bei überwiegender chemischer Action würde der belebte
Körpertheil eine Veränderung erlitten haben.

Wenn wir uns nun denken, daß eine gewisse Quantität von Lebenskraft dazu
verwendet werden mußte, um sich mit der chemischen Kraft ins
Gleichgewicht zu setzen, so bleibt immer noch ein Ueberschuß von Kraft,
durch welchen die Zersetzung bewirkt wurde; in diesem Ueberschuß besteht
das Kraftmoment des belebten Körpertheils, durch den die Zersetzung
bewerkstelligt wurde; er erhält durch ihn ein dauerndes Vermögen,
weitere Zersetzungen zu bewirken und seinen Zustand, seine Form und
Beschaffenheit gegen äußere Actionen zu behaupten.

Wir können uns denken, daß dieser Ueberschuß hinweggenommen und in einer
andern Weise verwendet werden kann; das Bestehen des belebten
Körpertheils würde dadurch nicht gefährdet werden, eben weil in diesem
Falle ein Ruhe- und Gleichgewichtszustand eintreten würde; allein mit
der Hinwegnahme dieses Ueberschusses würde er seine Fähigkeit der
Zunahme an Masse, sein Vermögen weitere Zersetzungen zu bewirken,
äußeren Ursachen von Störungen zu widerstehen, verlieren. Wenn ihm in
diesem Gleichgewichtszustande Sauerstoff (eine chemische Action)
zugeführt werden würde, so würde dessen Streben, sich mit einem Elemente
des belebten Körpertheils zu vereinigen, kein Hinderniß entgegenstehen,
eben weil ihm das Vermögen, Widerstand zu leisten, durch anderweitige
Verwendung von Lebenskraft genommen worden ist. Je nach der Menge des
zugeführten Sauerstoffs würde eine entsprechende Menge des belebten
Körpertheils seinen Zustand des Lebens verlieren und die Form einer
chemischen Verbindung erhalten von einer dem belebten Stoff unähnlichen
Zusammensetzung, es würde mit einem Worte ein Wechsel in den
Eigenschaften der belebten Verbindung, ein Stoffwechsel entstehen.

Wenn wir erwägen, daß die Fähigkeit der Zunahme an Masse in der Pflanze
beinahe keine Grenze hat, daß hundert Weidenzweige, von einem Baume
genommen, zu hundert Bäumen werden, so kann man kaum einen Zweifel
hegen, daß mit dem Zusammentreten der Elemente des Nahrungsstoffs zu
einem Bestandtheil der Pflanze, zu dem vorhandenen Kraftmoment, in dem
neugebildeten Pflanzentheile ein neues Kraftmoment hinzukommt, in der
Art, daß mit der Zunahme an Masse die Summe von Lebenskraft wächst.

Je nach der Quantität verwendbarer Lebenskraft ändern sich die Producte,
die durch ihre Thätigkeit aus dem zugeführten Nahrungsstoff gebildet
werden. Die Bestandtheile der Knospe, der Wurzelfaser, des Blattes, der
Blüthe und Frucht sind höchst verschieden; die chemische Kraft, wodurch
ihre Elemente zusammen gehalten werden, ist sehr ungleich.

Von den stickstofffreien Bestandtheilen der Pflanzen kann man behaupten,
daß kein Theil des Kraftmomentes verwendet wird, um ihre Form und
Beschaffenheit zu behaupten, sobald ihre Elemente einmal in der Ordnung
zusammengetreten sind, in der sie zu Trägern der Lebenskraft werden.

Ganz verschieden verhalten sich die stickstoffhaltigen Pflanzenstoffe,
denn sie gehen, wie man gewöhnlich sagt, von der Pflanze getrennt, von
selbst in Gährung und Fäulniß über. Die Ursache dieser Zersetzung oder
Umsetzung ihrer Elemente ist die chemische Action, welche der Sauerstoff
auf einen ihrer Bestandtheile ausübt. Wir wissen nun, daß, so lange die
Pflanze Lebenserscheinungen zeigt, Sauerstoffgas von ihrer Oberfläche
abgeschieden wird, daß dieser Sauerstoff ohne alle Wirkung ist auf die
Bestandtheile der lebendigen Pflanze, zu denen er sonst die größte
Anziehung besitzt, und es ist klar, daß eine gewisse Quantität
Lebenskraft verwendet werden muß, theils um die Elemente der complexen
stickstoffhaltigen Bestandtheile, in der Form, Beschaffenheit und
Ordnung zu erhalten, die ihnen zukommt, theils als Widerstand gegen die
unaufhörliche Einwirkung des Sauerstoffs der Luft auf ihre Elemente, so
wie des Sauerstoffs, der in ihrem Organismus durch den Lebensproceß
abgeschieden wird.

Mit der Zunahme an diesen veränderlichen Bestandtheilen, in der Blüthe
z. B. und in der Frucht, wächst die Summe von chemischer Kraft, deren
freie Aeußerung durch ein entsprechendes Maß von Lebenskraft im
Gleichgewicht gehalten, als Widerstand verbraucht wird.

Die Pflanze nimmt so lange an Masse zu, bis sich die in ihr wohnende
Lebenskraft mit allen äußeren Ursachen, die ihrer Aeußerung
entgegenwirken, ins Gleichgewicht gesetzt hat, eine jede neue Ursache
von Störung, die sich den vorhandenen hinzufügt (Temperaturwechsel &c.),
nimmt ihr jetzt die Fähigkeit, Widerstand zu leisten, sie stirbt ab.

In den perennirenden Pflanzen (den Holzpflanzen z. B.) ist die Masse der
veränderlichen Bestandtheile (der stickstoffhaltigen), verglichen mit
den stickstofffreien, so klein, daß von der ganzen Summe von Kraft, als
Widerstand, nur ein verschwindendes Moment verbraucht wird; bei den
jährigen Pflanzen ist dieses Verhältniß umgekehrt.

In allen Perioden des Lebens einer Pflanze wird die vorhandene active
(durch Widerstände nicht aufgehobene) Lebenskraft nur zu einer Form von
Lebensäußerung verwendet, zur Zunahme an Masse nämlich, zur
Ueberwindung von Widerständen; kein Theil der Kraft wird zu anderen
Zwecken verbraucht.

In dem Organismus des Thieres zeigt sich die Lebenskraft, wie in der
Pflanze in der Fähigkeit der Zunahme an Masse, als die Ursache des
Widerstandes gegen äußere Einwirkungen, allein die Zunahme so wie der
Widerstand sind in gewisse Grenzen eingeschlossen.

Wir beobachten nämlich, daß der Uebergang der Nahrungsstoffe in Blut,
die Berührung des Blutes mit den belebten Körpertheilen bedingt wird von
einer mechanischen Kraft, deren Aeußerung von besonderen Organen ausgeht
und vermittelt wird durch ein besonderes System von Apparaten, denen die
Fähigkeit zukommt, die empfangene Bewegung fortzupflanzen und zu
verbreiten; von einem zweiten Systeme ähnlicher Apparate finden wir das
Vermögen des Thieres abhängig, den Ort zu wechseln und durch seine
Glieder mechanische Effecte hervorzubringen. Diese Apparate, so wie die
von ihnen ausgehenden Bewegungserscheinungen, fehlen in der Pflanze.

Um sich ein klares Bild über den Ursprung und die Quelle der
mechanischen Bewegungen im Thierkörper zu verschaffen, dürfte es eine
Erleichterung sein, sich an die Wirkungsweise anderer Kräfte zu
erinnern, welche der Lebenskraft in ihren Aeußerungen am nächsten
stehen.

Wenn wir eine Anzahl Zink- und Kupferplatten in einer gewissen Weise
geordnet mit einer Säure in Berührung bringen, so tritt, wenn man die
beiden äußersten Punkte des Apparates mit einem Metalldraht in
Verbindung setzt, eine chemische Action an den Zinkplatten ein, und der
Draht erhält in Folge dieser Action die merkwürdigsten und wunderbarsten
Eigenschaften.

Dieser Draht zeigt sich nämlich als der Träger einer Kraft, welche durch
ihn mit außerordentlicher Schnelligkeit nach allen Richtungen
hingeleitet und fortgepflanzt werden kann; er ist der Leiter oder
Fortpflanzer einer ununterbrochenen Reihe von Thätigkeits-Aeußerungen.

Eine solche Fortpflanzung von Bewegung ist nicht denkbar, wenn in dem
Drahte eine Ursache des Widerstandes zu überwinden wäre, jeder
Widerstand würde einen Theil der bewegenden Kraft zur ruhenden machen.

Wird der Draht in der Mitte zerschnitten, sein Zusammenhang
unterbrochen, so hört damit die Fortpflanzung der Kraft auf, und wir
sehen, daß in diesem Falle die Action der Säure auf das Zink
augenblicklich aufhört.

Stellen wir die Verbindung wieder her, so tritt die verschwundene Action
mit ihrer ganzen Energie wieder ein.

Wir können durch die in dem Drahte vorhandene Thätigkeit eine Menge der
verschiedenartigsten Effecte bewirken, Widerstände aller Art
überwältigen, Lasten heben, Schiffe in Bewegung setzen, und, was noch
weit merkwürdiger ist, dieser Draht verhält sich wie eine hohle Röhre,
in welcher ein Strom von chemischer Kraft frei und ohne Hinderniß
circulirt.

Die Eigenschaften, die wir als festgekettet an gewisse Materien mit dem
Ausdruck der stärksten und energischsten Verwandtschaft bezeichnen, wir
finden sie, dem Anschein nach, frei und ungebunden an diesem Drahte
wieder, wir können sie, von ihm aus, auf andere Materien übertragen und
ihnen damit eine Affinität (die Fähigkeit, Verbindungen einzugehen)
ertheilen, die ihnen für sich nicht zukommt; je nach der Quantität der
Kraft, die in dem Drahte circulirt, können wir damit Verbindungen
zerlegen, deren Elemente die mächtigste Verwandtschaft zu einander
haben, und an allen diesen Thätigkeitsäußerungen nimmt die Substanz des
Drahtes nicht den geringsten Antheil, er ist nur der Leiter der Kraft.

An diesem Drahte beobachten wir noch überdies Erscheinungen der
Anziehung und Abstoßung, die wir dem aufgehobenen Gleichgewichtszustande
der elektrischen und magnetischen Kraft zuschreiben müssen, und es
stellen sich bei der Wiederherstellung des Gleichgewichts des gestörten
elektrischen Zustandes, Licht und Wärme, als ihre nie fehlenden
Begleiter ein.

Alle diese merkwürdigen Erscheinungen werden hervorgerufen durch die
chemische Action, welche Säure und Zink auf einander ausüben, sie sind
begleitet von einer Form- und Beschaffenheitsänderung, welche beide
erleiden.

Die Säure verliert ihren chemischen Character, das Zink geht eine
Verbindung mit ihr ein. Die in dem Metalldrahte hervorgerufenen
Thätigkeitsäußerungen, sie sind eine unmittelbare Folge des Wechsels in
ihren Eigenschaften.

Ein Theilchen Säure nach dem andern verliert seine, ihm zukommenden,
chemischen Eigenschaften und wir sehen, daß in eben diesem Grade der
Draht eine chemische, mechanische, galvanische oder magnetische Kraft,
oder wie man sie nennen will, empfängt; je nach der Anzahl von Theilchen
der Säure, welche in einer und derselben Zeit diese Veränderung erfahren
(je nach der Oberfläche des Zinks), empfängt der Draht eine größere oder
geringere Quantität von diesen Kräften.

Die Fortdauer des Stromes von Kraft hängt ab von der Fortdauer der
chemischen Action, die Fortdauer der chemischen Action ist aufs engste
geknüpft, an die Ableitung der Kraft.

Hindern wir die Fortpflanzung der Kraft, so behält die Säure ihren
chemischen Character; wird sie zur Ueberwindung von chemischen oder
mechanischen Widerständen verbraucht, zur Zersetzung chemischer
Verbindungen oder zur mechanischen Bewegung, so dauert die chemische
Action fort, das heißt, ein Theilchen Säure nach dem andern wechselt
seine Eigenschaften.

Wir haben in dem Vorhergehenden diese merkwürdigen Erscheinungen in
einer Form aufgefaßt, welche unabhängig von den Erklärungen der Schule
ist. Ist die in dem Drahte circulirende Kraft, die elektrische Kraft?
ist es Affinität? pflanzt sie sich in dem Leiter wie eine in Bewegung
gesetzte Flüssigkeit, oder als eine Reihe von Bewegungsmomenten, wie
der Schall, das Licht, von einem Theilchen des Leiters zu dem andern
fort? Alles dieses weiß man nicht, und wird es nie ermitteln. Auf die
Wahrheit der Erscheinungen haben alle Vorstellungen, die man ihnen als
Erklärungen unterlegt, nicht den geringsten Einfluß, denn sie beziehen
sich lediglich auf die Form, in welcher sie sich äußern.

Nur darüber ist man nicht im Zweifel, daß nämlich alle Effecte, welche
durch den Draht hervorgebracht werden können, bedingt werden von dem
Wechsel in den Eigenschaften des Zinks und der Säure, denn der
Ausdruck »chemische Action« bezeichnet ja nicht mehr und nicht weniger,
als den Act ihrer Veränderung; daß sie abhängig sind, von dem
Vorhandensein eines Leiters, einer Substanz, welche die eintretende
Thätigkeitsäußerung, das Kraftmoment, fortpflanzt nach allen Richtungen
hin, wo es durch Widerstände nicht aufgehoben wird, daß es also in ein
Bewegungsmoment übergeht, mit dem man mechanische Bewegungen
hervorbringen kann, was, auf andere Körper übertragen, diesen alle
Eigenschaften giebt, deren letzte Ursache die chemische Kraft selbst
ist; sie erhalten das Vermögen, Zersetzungen und Verbindungen zu
bewirken, was ihnen, ohne Zufuhr an Kraft, durch den Leiter, völlig
abgehen würde.

Wenn wir diese wohlbekannten Erfahrungen als Mittel benutzen, um, durch
sie geführt, die letzte Ursache der mechanischen Effecte im
Thierorganismus zu erforschen, so giebt die Beobachtung zu erkennen, daß
die Bewegung des Blutes und der Säfte von ganz bestimmten Organen
ausgeht, welche, wie das Herz und die Eingeweide, die bewegende Kraft
nicht in sich selbst erzeugen, sondern von anderen Seiten her empfangen.

Wir kennen mit zweifelloser Gewißheit in den Nerven die Leiter und
Verbreiter mechanischer Effecte, wir wissen, daß durch sie die Bewegung
nach allen Seiten hin fortgepflanzt wird. Für jede Bewegung kennen wir
einen besondern Nerven, einen besondern Leiter, mit dessen
Leitungsvermögen, mit dessen Unterbrechung sich die Fortpflanzung
verändert oder eine Grenze findet.

Durch die Nerven empfangen alle Theile des Thierkörpers, die Glieder,
die zu ihren Functionen, zum Ortswechsel, zur Hervorbringung
mechanischer Effecte unentbehrliche Kraft der Bewegung, wo die Nerven
fehlen, vermissen wir Bewegung; die an einem Orte im Ueberfluß erzeugte
Kraft wird den anderen durch die Nerven zugeleitet, was das eine Organ
in sich selbst an Kraft nicht zu erzeugen vermag, wird ihm von anderen
Seiten zugeführt, was ihm an Lebenskraft fehlt, um Widerstand zu leisten
gegen äußere Ursachen von Störungen, um Widerstände aufzuheben, empfängt
es als Ueberschuß von einem andern Organe, welches ihn für sich selbst
nicht zu verwenden vermag.

Wir beobachten ferner, daß die willkührlichen und unwillkührlichen
Bewegungen, daß alle mechanischen Effecte im Thierorganismus begleitet,
daß sie abhängig sind von einer eigenthümlichen Form- und
Beschaffenheitsänderung in der Substanz gewisser belebter Körpertheile,
deren Zu- oder Abnahme im engsten Zusammenhange steht mit dem Maß von
Bewegung oder mit der Quantität von Kraft, welche durch die Bewegungen
verzehrt worden ist.

Als eine unmittelbare Folge der zur Aeußerung gelangten, mechanischen
Kraft sehen wir, daß ein Theil der Muskelsubstanz ihre vitalen
Eigenschaften, ihren Character des Lebens verliert, daß sie aus dem
belebten Körpertheile austritt, daß dieser Theil seine Fähigkeit der
Zunahme an Masse, sein Vermögen Widerstand zu leisten, einbüßt; wir
finden, daß dieser Wechsel in den Eigenschaften begleitet ist von der
Aufnahme eines fremden Elementes, des Sauerstoffs, in die
Zusammensetzung der belebten Muskelsubstanz (ähnlich wie die Säure ihren
chemischen Character durch Aufnahme von Zink verlor), und alle
Erfahrungen beweisen, daß dieser Uebergang der belebten Muskelsubstanz,
in Verbindungen ohne alle Lebensäußerungen, beschleunigt oder
verlangsamt wird, je nach der Quantität der verbrauchten Kraft zur
Bewegung; ja daß sie sich gegenseitig proportional sind, daß ein rascher
Uebergang der Muskelsubstanz, sagen wir, ein rascher Stoffwechsel, eine
größere Quantität von mechanischer Kraft und ein größeres Maß von
mechanischer Bewegung (verbrauchter, mechanischer Kraft) einen rascheren
Stoffwechsel gegenseitig bedingen.

Aus diesem ganz bestimmten Zusammenhange des Stoffwechsels im
Thierkörper mit der durch mechanische Bewegungen verzehrten Kraft kann
kein anderer Schluß gezogen werden, als daß die in gewissen, belebten
Körpertheilen active oder verwendbare Lebenskraft die Ursache ist der
mechanischen Effecte des Thierkörpers.

Die bewegende Kraft stammt zweifellos von belebten Körpertheilen, sie
besaßen ein Kraft- oder Bewegungsmoment, was sie in eben dem Grade
verloren, als andere ein Kraft- oder Bewegungsmoment empfangen haben;
sie verlieren ihre Fähigkeit der Zunahme an Masse, ihr Vermögen,
Widerstand gegen äußere Ursachen von Störungen zu leisten; es ist klar,
die letzte Ursache, die Lebenskraft, von denen sie diese Eigenschaften
erhielten, sie hat zur Hervorbringung der mechanischen Kraft gedient,
sie ist als Bewegung verzehrt worden.

Wie ließe sich in der That einsehen, daß ein belebter Körpertheil den
Zustand des Lebens verliert, daß er unfähig wird, der Einwirkung des im
arteriellen Blute ihm zugeführten Sauerstoffs zu widerstehen, daß er das
Vermögen einbüßt, chemische Widerstände aufzuheben, wenn das Kraftmoment
der Lebenskraft, was ihm alle diese Eigenschaften gab, nicht zu anderen
Zwecken verwendet worden wäre!

Durch das Vermögen der Leiter (der Nerven), das Kraftmoment eines
belebten Körpertheils, den Effect, den die in ihm thätige Lebenskraft
auf alle seine Umgebungen äußert, fortzupflanzen nach anderen Orten hin,
wo die Kraft (d. h. ihr Bewegungsmoment) ohne alle Widerstände verzehrt
wird (ohne Bewegung tritt kein Stoffwechsel ein, ist die Bewegung
eingetreten, so steht ihr kein Widerstand entgegen), wird offenbar in
dem belebten Körpertheil ein Gleichgewichtszustand zwischen den
chemischen Kräften und der noch in ihm wohnenden Lebenskraft
herbeigeführt, der ohne diesen Verbrauch an Lebenskraft zur mechanischen
Bewegung nicht eingetreten wäre.

Eine jede dem Organismus fremde Ursache, welche auf die Form,
Beschaffenheit und Zusammensetzung des Organs eine Wirkung auszuüben
vermag, findet jetzt keinen Widerstand mehr. Ohne die Ableitung der
Kraft und ihre Verwendung zu anderen Zwecken, ohne das Hinzutreten von
Sauerstoff würde das Organ seinen Zustand, aber ohne alle Lebensäußerung
behauptet haben, erst durch die chemische Action des Sauerstoffs findet
der Stoffwechsel, d. h. das Austreten in der Form einer unbelebten
Verbindung statt.

Stoffwechsel, mechanische Kraftäußerung und Sauerstoffaufnahme, stehen
in dem Thierkörper in so enger Beziehung zu einander, daß man die
Quantität von Bewegung, die Menge des umgesetzten, belebten Stoffes, in
einerlei Verhältniß setzen kann mit einer gewissen Menge, des, von dem
Thiere, in einer gegebenen Zeit aufgenommenen und verbrauchten
Sauerstoffs. Für ein bestimmtes Maß von Bewegung, für eine Proportion
als mechanische Kraft verbrauchter Lebenskraft, gelangt ein Aequivalent
von chemischer Kraft zur Aeußerung, d. h. es wird ein Aequivalent
Sauerstoff zum Bestandtheil des Organs, was die Lebenskraft verlor, und
ein ihm gleiches Verhältniß von der Materie dieses Organs tritt aus dem
Körpertheil, in der Form einer Sauerstoffverbindung aus.

Alle Theile des Thierkörpers, welche die Natur zum Stoffwechsel (zur
Hervorbringung von mechanischer Kraft) bestimmt hat, sind nach allen
Richtungen hin von den feinsten Kanälen durchzogen, in denen
unausgesetzt ein Strom von Sauerstoff in der Form von arteriellem Blut
circulirt, der zum Austreten ihrer Bestandtheile (zur Störung des
Gleichgewichtes) unumgänglich nöthig ist.

So lange die Lebenskraft dieser Körpertheile nicht zu anderen Zwecken
verbraucht und abgeleitet wird, äußert der Sauerstoff des arteriellen
Blutes nicht die geringste Wirkung auf ihre Substanz und stets wird nur
eine der Ableitung entsprechende (den hervorgebrachten mechanischen
Effecten correspondirende) Menge davon aufgenommen.

Der Sauerstoff der Atmosphäre ist die von außen her wirkende Ursache des
Verbrauchs an Stoff im Thierkörper, er wirkt wie eine Kraft, welche die
Aeußerung der Lebenskraft in jedem Zeitmomente stört und aufzuheben
strebt; als chemische Action wird aber seine Einwirkung, die von ihm
ausgehende Störung, im Gleichgewicht gehalten durch die in dem belebten
Körpertheile frei wirkende Lebenskraft, oder sie wird vernichtet durch
eine der seinigen entgegengesetzte, chemische Thätigkeit, deren
Aeußerung immer als abhängig angesehen werden muß von der Lebenskraft.

Nach chemischen Begriffen heißt die chemische Action des Sauerstoffs
vernichten, ihm Stoffe darbieten, Theile von Materien, die sich mit ihm
zu verbinden vermögen.

Die Action des Sauerstoffs (Affinität) wird entweder durch die
Bestandtheile des Organs (nach Ableitung der Lebenskraft), die sich mit
ihm zu verbinden vermögen, ausgeglichen, oder das Organ setzt ihr (der
Action des Sauerstoffs) die Producte von anderen Organen, oder gewisse
Stoffe entgegen, welche aus den Bestandtheilen der Nahrung, in Folge der
vitalen Thätigkeit gewisser Apparate entstanden sind.

Nur das Muskularsystem producirt in diesem Sinne, in sich selbst, einen
Widerstand gegen die chemische Action des Sauerstoffs und gleicht sie
vollständig aus.

Die Substanz der Zellen, Membranen und Häute, deren kleinste Theilchen
sich nicht im unmittelbaren Contact mit arteriellem Blut (mit
Sauerstoff) befinden, ist nicht zum Stoffwechsel bestimmt. Welche Art
von Veränderungen sie auch im Lebensprocesse erleiden mag, sie treffen
unter allen Umständen nur ihre Oberfläche.

Die Leimgebilde, Schleimhäute, Sehnen &c. sind nicht zur Hervorbringung
von mechanischer Kraft bestimmt, sie enthalten in ihrer Substanz keine
Leiter der mechanischen Effecte. Das Muskularsystem ist mit zahllosen
Nerven durchwebt. Die Substanz des Uterus ist von der übrigen
Muskelsubstanz chemisch, in keiner Weise verschieden, allein sie ist
nicht zum Stoffwechsel, zur Krafterzeugung bestimmt, sie enthält keine
Ableiter der bewegenden Kraft.

Den Membranen, Schleimhäuten und Zellen geht das Vermögen, sich bei
Gegenwart von Feuchtigkeit mit Sauerstoff zu verbinden, keineswegs ab,
wir wissen, daß sie im feuchten Zustande mit Sauerstoff nicht in
Berührung gebracht werden können, ohne eine fortschreitende Veränderung
zu erfahren. Die eine Oberfläche der Eingeweide, die Lungenzellen, sind
aber unausgesetzt in Berührung mit Sauerstoff; es ist klar, daß sie eine
eben so rasche Umsetzung, Veränderung durch seine chemische Action
erfahren müßten, wenn in dem Organismus selbst, nicht eine Quelle von
Widerstand existirte, der die Einwirkung des Sauerstoffs völlig
vernichtete. Unter diesem Widerstande lassen sich alle Materien
zusammenfassen, welche die Fähigkeit haben oder unter dem Einfluß der
Lebenskraft erhalten, sich mit Sauerstoff zu verbinden und in ihrem
Vermögen seine chemische Action auszugleichen, die Substanz der
Leimgebilde übertreffen.

Alle Bestandtheile des Thierkörpers, welche in sich selbst durch die
Lebenskraft, der Einwirkung des Sauerstoffs nicht zu widerstehen
vermögen, müssen sich zu diesem Zwecke weit mehr eignen, wie die unter
dem Einfluß der Lebenskraft, wenn auch nur durch die Nerven, stehenden
Gebilde; die Bedeutung der Galle für die Substanz der Eingeweide, der
Lungenzellen, so wie die des Fettes, Schleimes und der Secretionen
überhaupt, kann nach dieser Betrachtung nicht verkannt werden.

Wenn die Membranen durch ihre eigne Substanz Widerstand gegen die
Einwirkung des Sauerstoffs produciren müssen, wenn es also an den
Stoffen fehlt, welche die Natur zu ihrem Schutze bestimmt hat, so werden
sie, da ihre Erneuerung in enge Grenzen eingeschlossen ist, der
chemischen Action unterliegen müssen. Eingeweide und Lunge werden immer
gleichzeitig abnormale Veränderungen erfahren.

In dem Stoffwechsel selbst, in der Umsetzung der belebten Substanz des
Muskularsystems, erhalten diese Organe den zu ihrem Bestehen
unentbehrlichen Widerstand gegen die Einwirkung des Sauerstoffs; je nach
seiner Beschleunigung nimmt die Quantität der secernirten Galle zu, die
Menge des vorhandenen Fettes nimmt in gradem Verhältniß ab.

Zur Unterhaltung der unwillkürlichen Bewegungen im Thierkörper wird in
jedem Zeitmomente seines Lebens eine gewisse Quantität Lebenskraft
verbraucht und es findet deshalb ein unaufhörlicher Stoffwechsel statt,
allein die Menge der Substanz, welche in Folge der verbrauchten Kraft
ihren Zustand des Lebens, ihre Fähigkeit der Zunahme an Masse verliert,
ist in enge Grenzen eingeschlossen; sie steht in gradem Verhältniß zu
der, zu diesen Bewegungen, nöthigen Kraft.

Wenn wir uns nun auch denken können, daß die belebte Muskelsubstanz bei
hinreichender Zufuhr an Nahrung ihre Fähigkeit der Zunahme in keinem
Zeitmomente verliert, daß sich diese Form der Lebens-Aeußerung
unausgesetzt geltend macht, so kann dies keineswegs für diejenigen
Körpertheile angenommen werden, deren frei wirkende Lebenskraft zur
mechanischen Bewegung verbraucht worden ist. Der Verbrauch an Stoff
durch Bewegung und Anstrengung ist bei je zwei Individuen höchst
verschieden.

Wenn man nun erwägt, daß die unmerklichste Bewegung eines Fingers und
der Glieder Kraft verbraucht, daß, in Folge der verzehrten mechanischen
Kraft, ein correspondirender Theil der Muskeln an Volumen abnimmt, so
ist klar, daß _ein Gleichgewicht im Ersatz und Verbrauch_ an Stoff (an
belebten Körpertheilen) nur dann sich herstellen kann, wenn der
ausgetretene Körpertheil in dem nämlichen Augenblicke, wo er seinen
Zustand des Lebens verliert, wieder an einer andern Stelle erneuert
wird.

Die Fähigkeit der Zunahme an Masse ist abhängig von dem, einem jeden
Körpertheile zukommenden Kraftmomente, sie muß sich unausgesetzt äußern
können, so lange (bei hinlänglicher Zufuhr von Nahrungsstoff) er dieses
Kraftmoment nicht verliert (durch Verwendung z. B. zur mechanischen
Bewegung).

Unter allen Umständen ist die Zunahme selbst an die Zeit gebunden, d. h.
sie kann für eine begrenzte Zeit nicht unbegrenzt sein.

In dem nämlichen Augenblick, in welchem ein belebter Körpertheil seinen
Zustand des Lebens verliert und aus dem Organ in der Form einer
unbelebten Verbindung austritt, kann dieser Theil nicht zunehmen, seine
Masse, seine Volumen nehmen ja ab.

Durch die fortdauernde Verwendung der Kraftmomente belebter Körpertheile
zu mechanischen Effecten, wird demnach ein fortdauerndes Austreten von
Masse bedingt, und erst von dem Augenblicke an, wo die Ursache des
Verbrauchs nicht mehr wirkt, kann sich die Fähigkeit der Zunahme wieder
äußern.

Da nun verschiedene Individuen in 24 Stunden, je nach der zur
Hervorbringung willkürlicher, mechanischer Effecte verwendeten Kraft,
eine ungleiche Menge von ihren belebten Körpertheilen verbrauchen, so
muß für ein jedes, wenn die Bewegungserscheinungen nicht ihre Grenze
finden sollen, ein Zustand eintreten, in welchem alle willkürlichen
Bewegungen völlig unterdrückt sind, wo also für diese kein Verbrauch
stattfindet. Dieser Zustand heißt _Schlaf_.

Auf die Fähigkeit der Zunahme an Masse eines Körpertheils, dem sein
Kraftmoment nicht genommen worden ist, kann der Verbrauch desselben zu
mechanischen Effecten in einem andern Körpertheil, nicht den geringsten
Einfluß äußern (der eine kann an Masse zunehmen, während der andere
abnimmt, ohne daß sich beide Actionen stören), der Verbrauch in dem
einen kann den Ersatz in dem andern nicht vermindern und nicht steigern.

Da nun der Verbrauch an mechanischer Kraft zu den unwillkürlichen
Bewegungen im Schlafe fortdauert, so ist klar, daß auch ein Verbrauch an
Stoff im Schlafe fortdauert, und es muß, wenn das ursprüngliche
Gleichgewicht wieder eintreten soll, vorausgesetzt werden, daß während
des Schlafes eine eben so große Quantität von Kraft (in der Form
belebter Körpertheile) sich wieder sammelt, als in der vorhergegangenen
Zeit des Wachens zu den willkürlichen und unwillkürlichen mechanischen
Effecten verwendet worden ist.

Wird das Gleichgewicht in Ersatz und Verbrauch von Stoff im mindesten
gestört, so giebt sich dies sogleich in einem Unterschied von
verwendbarer Kraft zu mechanischen Effecten zu erkennen.

Es ist ferner klar, daß wenn ein Mißverhältniß in der Leitungsfähigkeit
der Nerven der willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen stattfindet,
so wird nach dem Grade, in welchem die einen oder die anderen dies
Bewegungsmoment, was sie durch Stoffwechsel empfangen haben,
fortzupflanzen vermögen, der Unterschied in den Bewegungserscheinungen
selbst bemerklich sein. Mit der Zunahme der Blutbewegung und der
Bewegung der Eingeweide wird die Hervorbringung mechanischer Effecte
durch die Glieder in gradem Verhältniß abnehmen müssen (wie bei den
sogenannten Fressern), und wenn in einer gegebenen Zeit für mechanische
Bewegung (durch Anstrengung, Laufen, Tanzen &c.) mehr Lebenskraft
verbraucht wird, als für die willkürlichen und unwillkürlichen
Bewegungen überhaupt verwendbar ist (als sich in der gegebenen Zeit an
Stoff umsetzen kann), so wird zur Ausgleichung der für die willkürlichen
Bewegungen mehrverbrauchten mechanischen Kraft ein Theil der Kraft, die
zu den unwillkürlichen Bewegungen nöthig ist, verwendet werden müssen.
Die Bewegung des Herzens, der Eingeweide muß verlangsamt werden oder sie
hört gänzlich auf.

Von dem ungleichen Grade der Leitungsfähigkeit der Nerven müssen die
Zustände abgeleitet werden, die man mit _Lähmung_, _Ohnmacht_, _Krampf_
bezeichnet. Die _Lähmung_ der Nerven der willkürlichen Bewegung kann
für sich keine Abmagerung nach sich ziehen; häufig wiederkehrende
epileptische Anfälle (Verbrauch von Lebenskraft zu mechanischen
Effecten) sind stets von einer außerordentlich raschen Abmagerung
begleitet.

Es muß die höchste Bewunderung erwecken, wenn man erwägt, mit welcher
unendlichen Weisheit der Schöpfer die Mittel vertheilt hat, die das
Thier, die Pflanze, zu seinen Functionen, zu seinen ihm eigenthümlichen
Lebensäußerungen befähigen.

Die ganze Richtung, die ganze Stärke der Lebenskraft behält der belebte
Pflanzentheil durch die Abwesenheit aller Leiter der Kraft. Durch sie
wird das Blatt befähigt, die stärksten chemischen Anziehungen zu
überwinden, die Kohlensäure zu zerlegen und sich die Bestandtheile ihrer
Nahrungsstoffe anzueignen.

Nur in der Blüthe der Pflanze findet ein dem Stoffwechsel im Thierkörper
ähnlicher Proceß statt, es zeigen sich Bewegungserscheinungen, allein
die mechanischen Effecte pflanzen sich nicht fort aus Mangel an Leitern
der Kraft.

Die nämliche Lebenskraft, die wir in der Pflanze als eine beinahe
unbegrenzte Fähigkeit der Zunahme an Masse kennen, verwandelt sich in
dem Thierkörper in bewegende Kraft (in einen Strom von Lebenskraft), und
eine wunderbare und weise Oekonomie bestimmt zur Ernährung des Thieres
nur solche Stoffe, die eine mit den Organen der Krafterzeugung (dem
Muskularsystem) identische Zusammensetzung besitzen. Der Aufwand von
Kraft, den ihre belebten Theile bedürfen, um aus dem Blute sich selbst
wiederzuerzeugen, der Widerstand der chemischen Kraft, welcher in den
Bestandtheilen der stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe durch die
Lebensthätigkeit der Organe überwunden werden muß, welche bestimmt sind,
sie zu Bestandtheilen des Blutes zu machen, ist für nichts zu achten
gegen die Kraft und Energie, mit welcher die Bestandtheile der
Kohlensäure zusammenhängen. Eine gewisse Quantität Kraft könnte nicht in
bewegende Kraft übergehen, wenn sie zur Ueberwindung der chemischen
Kräfte verwendet werden müßte; das Bewegungsmoment der Lebenskraft wird
durch alle Widerstände verringert. Der Uebergang der Bestandtheile des
Blutes in Muskelfaser (in ein Organ der Krafterzeugung) ist nur eine
Formänderung, beide sind gleich zusammengesetzt; das Blut ist flüssig,
die Muskelfaser ist festes Blut; man kann sich denken, daß er vor sich
geht ohne allen Verbrauch von Lebenskraft, denn bei dem Uebergang eines
flüssigen Körpers in einen festen bedarf es keiner Kraftäußerung,
sondern nur der Beseitigung von Hindernissen (Wärme z. B.), die sich der
Kraft, welche der Zustand bedingt (der Cohäsionskraft), in ihren
Aeußerungen entgegensetzen.

In welcher Form, auf welche Weise die Lebenskraft die mechanischen
Effecte im Thierkörper bewirkt, ist gänzlich unbekannt und wird durch
Versuche so wenig ermittelt werden können, wie der Zusammenhang der
chemischen Action mit den Bewegungserscheinungen, die wir mit der
galvanischen Säule hervorzubringen vermögen; alle Erklärungen, die man
zu geben versucht hat, sind immer nur Bilder der Erscheinung, es sind
mehr oder weniger genaue Beschreibungen und Vergleichungen bekannter
Erscheinungen mit diesen unbekannten; es geht uns in dieser Beziehung
wie dem Unkundigen, dem das Aufundniedersteigen eines eisernen Stempels
in einem Gefäße, worin das Auge nichts Sichtbares erkennen kann, und
sein Zusammenhang mit dem Drehen und Bewegen von Tausenden von Rädern,
die sich in einer gewissen Entfernung von dem Stempel befinden,
unbegreiflich erscheint.

Wir wissen nicht, wie ein an sich unsichtbares, unwägbares Etwas, die
Wärme, gewissen Materien die Fähigkeit ertheilt, den ungeheuersten Druck
auf ihre Umgebungen zu äußern, wie überhaupt dieses Etwas hervorgebracht
wird, wenn wir Holz oder Kohlen verbrennen.

So ist es denn auch mit der Lebenskraft und den Erscheinungen, welche
belebte Körper darbieten; ihre Ursache ist nicht chemische Kraft, nicht
Elektricität, nicht Magnetismus, es ist eine Kraft, welche die
allgemeinsten Eigenschaften aller Ursachen der Bewegung, Form- und
Beschaffenheitsänderung der Materie besitzt, und eine eigenthümliche
Kraft, weil ihr Aeußerungen zukommen, welche keine der anderen Kräfte an
sich trägt.


~II.~

In der belebten Pflanze überwiegt die Intensität der Lebenskraft bei
weitem die chemische Action des Sauerstoffs.

Wir wissen mit der größten Bestimmtheit, daß der Sauerstoff durch den
Einfluß der Lebenskraft von Elementen abgeschieden wird, zu denen er die
stärkste Affinität besitzt; daß er in Gasform austritt, ohne die
geringste Einwirkung auf die Bestandtheile der Säfte auszuüben.

Wie groß muß in der That der Widerstand erscheinen, den die Lebenskraft
dem terpentinöl- oder gerbsäurehaltigen Blatte verleiht, wenn wir die
Verwandtschaft in Betracht ziehen, welche der Sauerstoff zu diesen
Bestandtheilen besitzt!

Diese Intensität der Wirkung oder des Widerstandes erhält das belebte
Blatt durch das Sonnenlicht, dessen Einfluß in chemischen Actionen mit
der eines hohen Wärmegrades (einer schwachen Glühhitze) vergleichbar ist
und verglichen wird.

In der Nacht zeigt sich in der lebendigen Pflanze ein entgegengesetzter
Proceß, wir sehen, daß sich die Bestandtheile der Blätter und grünen
Theile mit dem Sauerstoff der Luft verbinden, eine Fähigkeit, die ihnen
im Lichte abging.

Man kann hieraus keinen andern Schluß ziehen, als daß die Intensität der
Lebenskraft mit der Abnahme des Lichts sich vermindert, daß mit der
kommenden Nacht ein Gleichgewichtszustand eintritt und bei völliger
Abwesenheit des Lichts alle Theile der Pflanze, die während des Tages
die Fähigkeit besaßen, den Sauerstoff aus chemischen Verbindungen
auszuscheiden oder seiner Einwirkung Widerstand zu leisten, diese
Fähigkeit völlig verlieren.

Eine ganz ähnliche Erscheinung beobachten wir bei den Thieren.

Nur in gewissen Temperaturen zeigt der belebte Thierkörper die ihm
zukommenden Lebensäußerungen. Einem bestimmten Kältegrade ausgesetzt,
hören sie völlig auf.

Eine Entziehung von Wärme muß deshalb völlig gleichbedeutend angesehen
werden, einer Verminderung der Lebensthätigkeit; der Widerstand, den die
Lebenskraft belebten Körpertheilen gegen äußere Ursachen von Störungen
verleiht, muß in gewissen Temperaturen in dem nämlichen Verhältniß
abnehmen, wie die Fähigkeit ihrer Elementartheile zunimmt, sich mit dem
Sauerstoff der Luft zu verbinden.

Durch die Verbindung des Sauerstoffs mit den Bestandtheilen der Gebilde,
die sich umgesetzt haben, wird bei den fleischfressenden Thieren die zur
Aeußerung der Lebensthätigkeit nöthige Temperatur erzeugt. Bei den
grasfressenden Thieren wird eine gewisse Menge Wärme durch die
Bestandtheile ihrer stickstofffreien Nahrungsmittel entwickelt, welche
die Fähigkeit haben, eine Verbindung mit dem Sauerstoff einzugehen.

Es ist klar, daß die Temperatur eines Thierkörpers sich nicht ändern
kann, wenn die Menge des eingeathmeten Sauerstoffs mit dem Wärmeverlust
durch äußere Abkühlung in gradem Verhältniß zunimmt.

Zwei Individuen von gleichem Gewichte, welche ungleichen Kältegraden
ausgesetzt sind, verlieren in einer gegebenen Zeit, nach Außen hin, eine
ungleiche Menge Wärme. Die Erfahrung lehrt, daß sie, wenn die ihnen
eigenthümliche Temperatur und ihr ursprüngliches Gewicht sich nicht
ändern soll, einer ungleichen Menge Speise bedürfen; in der niedrigern
Temperatur mehr Speise wie in der höhern.

Das Gleichbleiben des Gewichts bei ungleicher Quantität genossener
Nahrung setzt, wie sich von selbst versteht, voraus, daß in derselben
Zeit eine der Temperatur proportionale Menge Sauerstoff aufgenommen
worden ist, in der niedern Temperatur mehr wie in der höhern.

Wir finden, daß das Gewicht beider Individuen nach 24 Stunden gleich ist
dem ursprünglichen Gewichte; angenommen, daß die Nahrung zu Blut wird,
daß das Blut zur Ernährung gedient hat, so ist klar, daß mit der
Wiederkehr des ursprünglichen Gewichtes ein den Bestandtheilen der
Speise gleiches Gewicht von den Bestandtheilen des Körpers seinen
Zustand des Lebens verloren und mit dem Sauerstoff verbunden wieder
ausgetreten ist.

Das eine Individuum, was bei dem höhern Kältegrade mehr Speise zu sich
nahm, hat auch mehr Sauerstoff aufgenommen, es ist eine größere Menge
seiner Körpertheile mit diesem Sauerstoff ausgetreten und in Folge der
Verbindung des Sauerstoffs mit den umgesetzten Bestandtheilen ist ein
größeres Maß von Wärme frei geworden, wodurch die entführte Wärme wieder
ersetzt und die seinem Organismus zukommende Temperatur erhalten wurde.

Durch die Wärmeentziehung muß demnach, bei hinreichender Nahrung und
ungehindertem Sauerstoffzutritt, der Stoffwechsel beschleunigt werden
und mit der, in einer gegebenen Zeit beschleunigten Umsetzung der
belebten Körpertheile muß gleichzeitig ein größeres Maß von Lebenskraft
zu mechanischen Effecten verwendbar geworden sein.

Mit der äußern Abkühlung verstärken sich die Athembewegungen, mit der
niedern Temperatur wird ein größeres Gewicht Sauerstoff dem Blute
zugeführt, der Verbrauch an Stoff nimmt zu und wenn der Ersatz mit
diesem Verbrauch nicht im Gleichgewicht (durch Zufuhr an Speise)
erhalten wird, so nimmt die Temperatur des Körpers allmählig ab.

In einer gegebenen Zeit kann aber keine unbegrenzte Menge Sauerstoff in
den Körper aufgenommen, es kann nur eine gewisse Quantität des belebten
Stoffs seinen Zustand des Lebens verlieren, es kann nur ein begrenztes
Maß von Lebenskraft als mechanische Kraft zur Aeußerung gelangen. Nur in
dem Falle wird also die Temperatur des Thierkörpers sich nicht ändern,
wenn Abkühlung, Krafterzeugung und Sauerstoffaufnahme sich einander im
Gleichgewichte halten. Nimmt die Wärmeentziehung über einen bestimmten
Punkt hinaus zu, so nehmen die Lebenserscheinungen in dem nämlichen
Verhältnisse ab, denn die Temperatur nimmt ab, welche als eine sich
gleichbleibende Bedingung, zu ihrer Aeußerung angesehen werden muß.

Die Erfahrung zeigt nun, daß bei der Abnahme der Temperatur des Körpers,
das Vermögen der Glieder, mechanische Effecte hervorzubringen (die zu
den willkürlichen Bewegungen nöthige Kraft) ebenfalls abnimmt, es tritt
der Zustand ein, den man Schlaf nennt, zuletzt hören alle
unwillkürlichen Bewegungen (des Herzens, der Eingeweide) auf, es tritt
ein Scheintod ein.

Es ist klar, daß die Ursache der Krafterzeugung, der Stoffwechsel
nämlich, deshalb abnimmt, weil mit der Entziehung von Wärme, ähnlich wie
durch Abnahme des Lichtes bei der Pflanze, die Intensität der
Lebenskraft sich vermindert; es ist klar, daß das Kraftmoment eines
belebten Körpertheils abhängig ist von der ihm zukommenden Temperatur,
ganz ähnlich, wie der Effect eines fallenden Körpers in einer bestimmten
Beziehung steht zu gewissen andern Bedingungen, die man Masse nennt oder
Geschwindigkeit.

Nimmt die Temperatur ab, so nimmt die Lebensthätigkeit ab; mit dem
Steigen der Temperatur muß das Kraftmoment belebter Körpertheile in
seiner ganzen Intensität wieder hergestellt werden.

Krafterzeugung zu mechanischen Effecten und Temperatur müssen deshalb,
in einer ganz bestimmten Beziehung stehen, zu der Menge des in einer
gegebenen Zeit von dem Thierkörper aufnehmbaren Sauerstoffs.

Die Menge von Sauerstoff, welche ein Wallfisch und ein Fuhrmannspferd
in einer gleichen Zeit einzuathmen vermögen, ist sehr ungleich. Die
Temperatur, sowie die Menge des Sauerstoffs, ist bei dem Pferde weit
größer.

Die mechanische Kraft, welche ein harpunirter Wallfisch entwickelt,
dessen Körper von dem umgebenden Medium getragen wird, so wie die Kraft
eines Fuhrmannspferdes, was seinen eigenen Körper und eine schwere Last
8-10 Stunden lang fortzubewegen hat, muß mit dem von beiden verzehrten
Sauerstoff in einerlei Verhältniß stehen. Wenn man die Zeit beachtet, in
welcher die Kraft zur Aeußerung gelangt, so ist sie offenbar bei dem
Pferde weit größer.

Beim Besteigen hoher Berge, wo durch das Einathmen einer sehr verdünnten
Luft, in gleichen Zeiten, weit weniger Sauerstoff dem Blute zugeführt
wird, wie in Thälern oder an dem Ufer des Meeres, nimmt der Stoffwechsel
in dem nämlichen Verhältniß und damit die zu mechanischen Effecten
verwendbare Kraft, ab; Neigung zum Schlaf, Mangel an Kraft für die
willkürlichen Bewegungen stellt sich meistens ein; nach zwanzig oder
dreißig Schritten zwingt die Ermüdung zu neuer Ansammlung von Kraft
durch Ruhe (Einsaugung von Sauerstoff, ohne Verbrauch an Kraft für
willkürliche Bewegungen).

Durch die Aufnahme von Sauerstoff in die Substanz belebter Körpertheile
verlieren sie ihren Zustand des Lebens und treten als formlose
Verbindungen aus, allein nicht aller eingeathmete Sauerstoff wird zu
dieser Umsetzung verwendet; der größte Theil dient zur Vergasung, zur
Entfernung aller dem Organismus nicht mehr angehörenden Stoffe, und wie
erwähnt, wird in Folge der Verbindung ihrer Elemente mit diesem
Sauerstoff, die dem Organismus zukommende Temperatur erzeugt.

Wärmeerzeugung und Stoffwechsel stehen in enger Beziehung zu einander,
allein obwohl im Thierkörper Wärme hervorgebracht werden kann ohne allen
Stoffwechsel, so kann der letztere dennoch nicht unabhängig von der
Mitwirkung des Sauerstoffs gedacht werden.

Nach allen bis jetzt gemachten Beobachtungen enthält nach dem Genuß von
geistigen Getränken, weder die ausgeathmete Luft, noch der Schweiß, noch
der Urin, Spuren von Alkohol, und es kann keinem Zweifel unterliegen,
daß seine Bestandtheile sich im Thierkörper mit Sauerstoff verbinden,
daß sein Kohlenstoff und Wasserstoff als Kohlensäure und Wasser wieder
austreten.

Der Sauerstoff, welcher diese Verwandlung bewirkt, muß nothwendig von
dem arteriellen Blute genommen worden sein, denn wir kennen keinen
andern Weg als die Blutcirculation, auf welchem Sauerstoff in das Innere
des Körpers gelangen kann.

Vermöge seiner Flüchtigkeit und der Leichtigkeit, womit der Alkoholdampf
von den Membranen und thierischen Geweben durchgelassen wird, kann er
sich überall nach allen Orten im Körper hin verbreiten.

Wäre die Fähigkeit der Bestandtheile des Alkohols, sich mit Sauerstoff
zu vereinigen, nicht größer, als die der Verbindungen, welche durch den
Stoffwechsel gebildet werden, oder als die der Substanz der belebten
Körpertheile ist, so würden sie (die Bestandtheile des Alkohols) sich
mit Sauerstoff nicht verbinden können.

Es ist deßhalb einleuchtend, daß durch den Genuß von Alkohol, dem
Stoffwechsel in gewissen Körpertheilen, eine rasche Grenze gesetzt
werden muß. Der Sauerstoff des arteriellen Blutes, der sich ohne die
Gegenwart des Alkohols mit belebtem Stoff verbunden haben würde, tritt
jetzt an die Bestandtheile des Alkohols, ein Theil des arteriellen
Blutes wird zu venösem Blut, ohne daß die Muskelsubstanz an dieser
Umwandlung Antheil nimmt.

Wir beobachten nun, daß die Wärmeentwickelung im Organismus nach dem
Genuß von Wein eher zu- als abnimmt, ohne daß damit ein entsprechendes
größeres Maß von mechanischer Kraft zur Aeußerung gelangt.

Eine mäßige Quantität Wein bedingt bei Frauen und Kindern, welche an
Weingenuß nicht gewöhnt sind, ganz im Gegentheil eine Abnahme der zu den
willkürlichen Bewegungen nöthigen Kraft; Müdigkeit, Abgeschlagenheit der
Glieder, Neigung zum Schlaf geben offenbar zu erkennen, daß die zu
mechanischen Effecten verwendbare Kraft, dies will sagen, daß der
Stoffwechsel abgenommen hat.

Gewiß kann an diesen Symptomen eine Verminderung der Leitungsfähigkeit
der willkürlichen Bewegungsnerven einen gewissen Antheil haben, allein
dies muß auf die Summe von verwendbarer Kraft ohne allen Einfluß sein.

Was die Leiter der willkürlichen Bewegungen an Krafteffecten nicht
fortzupflanzen vermögen, wird von den Leitern der unwillkürlichen
Bewegungen aufgenommen und dem Herzen, den Eingeweiden zugeführt werden
müssen. Die Blutbewegung wird in diesem Fall, auf Kosten der zu
willkürlichen Bewegungen durch die Glieder verwendbaren Kraft
beschleunigt erscheinen, ohne daß aber, wie bemerkt, durch den
Oxydationsproceß des Alkohols ein größers Maaß von mechanischer Kraft
erzeugt worden ist.

Wir beobachten zuletzt bei den Winterschläfern, daß während ihres
Winterschlafs die Fähigkeit der Zunahme an Masse (eine der
Hauptäußerungen der Lebenskraft), durch den Ausschluß aller Speise,
völlig unterdrückt ist; bei manchen tritt in Folge der niedern
Temperatur und der hierdurch herabgestimmten Lebensthätigkeit ein
Scheintod ein, bei anderen dauern die unwillkürlichen Bewegungen fort;
das Thier behält eine von der Umgebung unabhängige Temperatur. Die
Athembewegungen dauern fort, nach wie vor wird Sauerstoff als der
Bedinger der Wärme- und Krafterzeugung aufgenommen; wir finden vor dem
Winterschlaf alle Theile ihres Körpers, die in sich selbst keinen
Widerstand gegen die Einwirkung des Sauerstoffs zu produciren vermögen,
welche wie die Eingeweide und Membranen nicht zum Stoffwechsel bestimmt
sind, mit Fett bedeckt, mit einer Materie umgeben, welche diesen
Widerstand übernimmt.

Wenn wir uns nun denken, daß der während des Winterschlafs aufgenommene
Sauerstoff nicht in die Zusammensetzung der belebten Körpertheile,
sondern mit den Bestandtheilen des Fettes in Verbindung tritt, so wird
der belebte Körpertheil, obwohl ein gewisses Bewegungsmoment zu der
Unterhaltung des Blutumlaufs verwendet worden ist, nicht austreten.

Mit der höhern Temperatur wächst in gleichem Grade die Fähigkeit der
Zunahme an Masse, die Blutbewegung nimmt mit der Sauerstoffaufnahme zu.
Manche dieser Thiere magern während dem Winterschlafe, andere erst mit
dem Erwachen aus dem Winterschlafe ab.

Bei den Winterschläfern wird die in den belebten Körpertheilen thätige
Kraft ausschließlich nur zur Unterhaltung der _unwillkürlichen_
Bewegungen verbraucht, alle Kraftverwendung zu willkürlichen Bewegungen
ist völlig unterdrückt.

Im Gegensatz zu diesen Erscheinungen wissen wir, daß bei Uebermaß von
Bewegung und Anstrengung, die in den belebten Körpertheilen thätige
Kraft ausschließlich und vollständig zur Hervorbringung _willkürlicher_
mechanischer Effecte verzehrt werden kann, in der Art, daß für die
unwillkürlichen Bewegungen keine Kraft mehr zu verwenden übrig bleibt.
Ein Hirsch kann zu Tode gehetzt werden, aber dies kann nicht geschehen
ohne Umsetzung aller belebten Theile seines Muskularsystems, sein
Fleisch ist nicht genießbar; der Zustand der Umsetzung, in den es durch
einen enormen Kraft- und Sauerstoffverbrauch übergegangen ist, setzt
sich mit dem Aufhören aller Bewegungserscheinungen fort; in seinen
belebten Körpertheilen ist aller Widerstand der Lebenskraft gegen
äußere Ursachen und Störungen völlig aufgehoben.

So eng mit einander verknüpft nun auch die Bedingungen der Wärme- und
Krafterzeugung zu mechanischen Effecten sich der Beobachtung darstellen
mögen, so kann die Wärmeentwicklung für sich allein in keiner Weise als
die Ursache der mechanischen Effecte angesehen werden.

Alle Erfahrungen beweisen, daß es im Organismus nur eine Quelle von
mechanischer Kraft giebt und diese Quelle ist der Uebergang belebter
Körpertheile in leblose Verbindungen.

Von dieser Wahrheit ausgehend, welche unabhängig ist von jeder Theorie,
läßt sich das animalische Leben als bedingt durch die Wechselwirkung
entgegengesetzter Kräfte betrachten, von denen die einen als _Ursachen
der Zunahme_ (des Ersatzes an Stoff), die andern als _Ursachen der
Abnahme_ (des Verbrauchs an Stoff) angesehen werden müssen.

Die Zunahme an Masse wird in belebten Körpertheilen bewirkt durch die
_Lebenskraft_; ihre Aeußerung ist abhängig von der _Wärme_ (von einer
gewissen einem jeden Organismus eigenthümlichen Temperatur).

Die Ursache des Verbrauchs ist die _chemische Action des Sauerstoffs_,
ihre Aeußerung ist abhängig von einer Entziehung von Wärme, so wie von
der Verwendung der Lebenskraft zu _mechanischen Effecten_.

_Der Act des Verbrauchs heißt Stoffwechsel, er tritt ein in Folge der
Aufnahme von Sauerstoff in die Substanz belebter Körpertheile; diese
Aufnahme von Sauerstoff findet nur dann statt, wenn der Widerstand,
welchen die Lebenskraft belebter Körpertheile der chemischen Action des
Sauerstoffs entgegensetzt, kleiner ist als diese chemische Action
selbst, und dieser schwächere Widerstand wird bedingt durch Entziehung
von Wärme oder durch Verwendung der in den Körpertheilen thätigen Kraft
zu mechanischen Bewegungen_.

In Folge der Verbindung des im arteriellen Blute zugeführten Sauerstoffs
mit allen Bestandtheilen des Thierkörpers, die seiner chemischen Action
keinen Widerstand entgegensetzen, wird die zur Aeußerung der
Lebensthätigkeit nöthige Temperatur erzeugt.

Aus den Beziehungen des Sauerstoffverbrauches zu dem Stoffwechsel und
zur Wärmeentwickelung im Thierkörper ergeben sich die folgenden
allgemeinen Regeln.

Für jedes Verhältniß Sauerstoff, was in dem Körper in Verbindung tritt,
muß eine entsprechende Menge Wärme erzeugt werden.

Die Summe der zu mechanischen Effecten verwendbaren Kraft muß gleich
sein der Summe von Lebenskraft aller zum Stoffwechsel geeigneten
Gebilde.

Wenn in gleichen Zeiten eine ungleiche Menge von Sauerstoff verzehrt
worden ist, so zeigt sich dies in einem ungleichen Maß von
freigewordener Wärme und mechanischer Kraft.

Ein ungleiches Maß von verbrauchter mechanischer Kraft oder von Wärme
bedingt die Aufnahme einer entsprechenden Menge Sauerstoff.

Zum Uebergang belebter Körpertheile in leblose Verbindungen, sowie zur
Verbindung des Sauerstoffs mit den Bestandtheilen des Thierkörpers,
welche Verwandtschaft zu ihm haben, gehört _Zeit_.

In einer gegebenen Zeit kann nur ein begrenztes Maß von mechanischen
Effecten zur Aeußerung gelangen, es kann nur eine begrenzte Menge von
Wärme in Freiheit gesetzt werden.

Was in den mechanischen Effecten an Geschwindigkeit verbraucht wird,
geht an Zeit ab, d. h. je rascher die hervorgebrachten Bewegungen sind,
desto schneller wird die Kraft erschöpft.

Die Summe der im Thierkörper in einer gegebenen Zeit erzeugten
mechanischen Kraft ist gleich der Summe der in der nämlichen Zeit zur
Hervorbringung der willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen nöthigen
Kraft, d. h. alle Kraft, welche das Herz, die Eingeweide &c. zu ihren
Bewegungen bedürfen, geht für die willkürlichen Bewegungen verloren.

Die Menge der zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen Verbrauch und
Ersatz nöthigen, stickstoffhaltigen Speise steht im graden Verhältniß zu
der Menge der umgesetzten Gebilde.

Die Menge des belebten Stoffs, welcher in dem Thierkörper seinen Zustand
des Lebens verliert, steht bei gleichen Temperaturen in geradem
Verhältniß zu den in der gegebenen Zeit hervorgebrachten mechanischen
Effecten.

Die Quantität der in einer gegebenen Zeit umgesetzten Gebilde ist meßbar
durch den Stickstoffgehalt des Harns.

Die Summe der bei gleichen Temperaturen in zwei Individuen
hervorgebrachten mechanischen Effecte ist proportional dem
Stickstoffgehalt ihres Harns, gleichgültig ob die mechanische Kraft zu
den willkürlichen oder unwillkürlichen Bewegungen verwendet, ob sie
durch die Glieder, oder das Herz und die Eingeweide verzehrt worden ist.

Der Zustand des Thierkörpers, den man mit _Gesundheit_ bezeichnet,
umfaßt den Begriff eines Gleichgewichts zwischen allen Ursachen des
Verbrauchs und den Ursachen des Ersatzes, und das Thierleben giebt sich
hiernach zu erkennen als die Wechselwirkung beider Ursachen, es zeigt
sich als eine sich wiederholende Aufhebung und Wiederherstellung des
Gleichgewichtszustandes.

Der Masse nach ist in den verschiedenen Lebensaltern der Ersatz und
Verbrauch an Stoff ungleich, allein im Zustand der Gesundheit muß die
verwendbare Lebenskraft stets als eine der Summe der belebten
Körpertheile entsprechende, unveränderliche Größe angesehen werden.

Die Zunahme an Masse steht in jedem Lebensalter in einem ganz bestimmten
Verhältniß zu der als bewegende Kraft verbrauchten Lebenskraft.

Die Lebenskraft, welche zu mechanischen Effecten verwendet wird, geht
von der Summe an Kraft ab, welche zur Zunahme verwendbar ist.

Die thätige Kraft, welche in dem Thierkörper zur Ueberwindung von
Widerständen, sagen wir zu _Bildungseffecten_ (zur Zunahme an Masse),
verwendet wird, ist gleichzeitig _nicht_ zur Hervorbringung mechanischer
Effecte verwendbar.

Hieraus folgt von selbst, daß wenn der Masse nach, wie in dem
Kindesalter, der Ersatz (die Zunahme an Masse) größer ist, als der
Verbrauch, daß die hervorgebrachten mechanischen Effecte in demselben
Verhältniß kleiner gewesen sein müssen.

Mit der Steigerung der mechanischen Effecte vermindert sich in dem
nämlichen Verhältniß die Fähigkeit der Zunahme oder des Ersatzes an
belebten Körpertheilen.

Ein vollkommnes Gleichgewicht in dem Verbrauch der Lebenskraft zu
Bildungseffecten und mechanischen Effecten findet demnach nur in dem
erwachsenen Zustande statt; es zeigt sich unverkennbar an dem
vollkommnen Ersatz von verbrauchtem Stoff. Im Greisenalter wird mehr
verbraucht, im Kindesalter wird mehr ersetzt als verbraucht.

Die zu mechanischen Effecten von einem erwachsenen Manne verwendbare
Kraft wird in der Mechanik zu einem Fünftel seines eigenen Gewichts
angenommen, was er acht Stunden lang mit einer Geschwindigkeit von 5 Fuß
in zwei Secunden fortbewegen kann.

Nehmen wir das Gewicht eines Mannes zu 150 Pfund an, so ist seine Kraft
gleich einem Gewicht von 30 Pfunden, die er 72000 Fuß weit trägt. Für
jede Secunde ist sein Kraftmoment 30 × 2,5 = 75 und für die ganze
Tageszeit sein Bewegungsmoment 30 × 72000 = 216000.

Durch die Wiederherstellung seines Körpergewichts sammelt der Mann nun
eine Summe von Kraft wieder an, die ihm den zweiten Tag gestattet, ohne
Erschöpfung eine gleiche Anzahl von mechanischen Effecten
hervorzubringen.

_Dieser Ersatz an Kraft geschieht in einem siebenstündigen Schlaf_.

In den Fabriken von gewalztem Eisen kommt es häufig vor, daß für den
gewöhnlichen Gang der Maschine ihr Druck nicht stark genug ist, um eine
Eisenstange von einer gewissen Dicke durch die Cylinder der Walze
durchgehen zu machen. Man hilft sich in diesem Fall, indem man die ganze
Kraft des Dampfs auf das Schwungrad wirken läßt und alsdann erst, wenn
dieses eine große Geschwindigkeit erlangt hat, die Eisenstange unter die
Walze bringt, wo sie dann (während das Schwungrad seine Geschwindigkeit
verliert) mit großer Leichtigkeit zu einer Tafel zusammengepreßt wird.
Was das Schwungrad an Geschwindigkeit zunahm, gewann die Walze an Kraft;
durch dieses Verfahren ist offenbar in der Geschwindigkeit Kraft
angesammelt worden; allein in diesem Sinne häuft sich im lebendigen
Organismus keine Kraft an.

Die Wiederherstellung der Kraft geschieht im Thierkörper durch die
Neubildung der ausgetretenen, zur Krafterzeugung bestimmten
Körpertheile, durch die Verwendung der thätigen Lebenskraft zu
_Bildungseffecten_ und mit der Wiederherstellung der ausgetretenen
Körpertheile, erhält der Organismus eine der verwendeten, gleiche Kraft
zurück.

Es ist einleuchtend, daß die während des Schlafs in Bildungseffecten
sich äußernde Lebenskraft, gleich sein muß, der ganzen Summe der im
wachenden Zustande zu allen mechanischen Effecten zusammengenommenen
verwendeten bewegenden Kraft, plus einer gewissen Quantität von Kraft,
welche zur Unterhaltung der im Schlafe fortdauernden, unwillkürlichen
Bewegungen erforderlich war.

Von Tag zu Tag erhält der arbeitende Mann bei hinlänglicher Nahrung
durch sieben Stunden Schlaf diese ganze Summe von Kraft zurück, und
abgesehen von der zu den unwillkürlichen Bewegungen nöthigen Kraft, die
in allen Individuen gleich ist, kann man annehmen, daß die zur Arbeit
verwendbare, mechanische Kraft in gradem Verhältniß steht zu der Anzahl
von Stunden Schlaf.

Der Mann schläft 7 und wacht 17 Stunden; bei _Wiederherstellung des
Gleichgewichtes_ nach 24 Stunden sind demnach die in 17 Stunden
geäußerten mechanischen Effecte gleich den in 7 Schlafstunden
verwendeten Bildungseffecten.

Wenn ein Greis nur 3¹/₂ Stunden schläft und alles übrige gleich wie bei
dem Manne gesetzt wird, so würde er jedenfalls nur die Hälfte der
mechanischen Effecte hervorzubringen vermögen, wie der Mann von gleichem
Gewicht, er würde nur 15 Pfund die nämliche Strecke weit tragen können.

Der Säugling schläft 20 Stunden und wacht 4 Stunden; die in ihm thätige
Kraft, welche zu Bildungseffecten verwendet wird, verhält sich zu der,
welche zu mechanischen Effecten (zur Bewegung der Glieder) verwendet
wird, wie 20 : 4; aber seine Glieder besitzen kein Kraftmoment, denn er
kann seinen eigenen Körper noch nicht tragen. Nehmen wir an, der Greis
und Säugling verbrauche zu mechanischen Effecten eine dem Verhältniß,
der von dem Manne verwendbaren, entsprechende Menge Kraft, so stehen die
mechanischen Effecte im Verhältniß zu der Anzahl der Stunden des
Wachens, die Bildungseffecte im Verhältniß zu der Anzahl der Stunden
Schlaf, und wir haben:

                     Kraftverbrauch            Kraftverbrauch
                           zu                        zu
                 _mechanischen Effecten_     _Bildungseffecten_
  beim Mann               17                          7
  beim Säugling            4                         20
  beim Greis              20,5                        3,5

Bei dem Manne findet zwischen Verbrauch und Ersatz ein vollkommnes
Gleichgewicht statt, beim Säugling und Greis weichen Ersatz und
Verbrauch von einander ab. Setzen wir den Kraftverbrauch in den siebzehn
Stunden des Wachens gleich dem Kraftverbrauch zur Wiederherstellung des
Gleichgewichts im Schlaf = 100 = 17 Wachestunden = 7 Schlafstunden, so
ergeben sich folgende Verhältnisse.

Die mechanischen Effecte verhalten sich zu den Bildungseffecten

  beim Mann     = 100 : 100
  beim Säugling =  25 : 250
  beim Greis    = 125 :  50

oder die Zunahme zur Abnahme

  beim Erwachsenen = 100 : 100
  beim Säugling    = 100 :  10
  beim Greis       = 100 : 250

Es ist hiernach klar, daß wenn der Greis eine den Schlafstunden des
Mannes proportionale Arbeit verrichtet, so wird der Verbrauch größer
sein wie der Ersatz, d. h. sein Körper wird rasch abnehmen, im Fall er
15 Pfund, mit einer Geschwindigkeit von 2¹/₂ Fuß in der Sekunde 72000
Fuß weit trägt, aber 6 Pfund Last wird er diese Strecke weit fortbewegen
können.

Beim Kinde verhält sich die Zunahme zur Abnahme wie 10 : 1 und wenn wir
den Verbrauch an mechanischen Effecten bei ihm also um das zehnfache
steigern, so wird erst dann ein Gleichgewicht an Ersatz und Verbrauch
eintreten; das Kind wird in diesem Fall freilich nicht an Masse
zunehmen, allein es wird daran auch nicht abnehmen.

Wenn bei dem Erwachsenen der Kraftverbrauch zu mechanischen Effecten in
24 Stunden, über die in 7 Schlafstunden ersetzbare Quantität gesteigert
wird, so muß, wenn das Gleichgewicht sich wiederherstellen soll, in den
folgenden 24 Stunden, in dem nämlichen Verhältniß, weniger Kraft zu
mechanischen Effecten verwendet werden, im entgegengesetzten Fall nimmt
die Masse des Körpers ab und es tritt mehr oder weniger schnell der
Zustand ein, welcher das Greisenalter characterisirt.

Mit jeder Stunde Schlaf mehrt sich beim Greise die Summe der
verwendbaren Krafteffecte, oder nähert sich dem Gleichgewichtsverhältniß
an Ersatz und Verbrauch wie beim erwachsenen Menschen.

Es ist ferner klar, daß wenn ein Theil der Kraft, welche zu mechanischen
Bewegungen ohne Störung des Gleichgewichtes verwendbar ist, zur Bewegung
der Glieder, Hebung von Lasten, Arbeit &c. nicht verzehrt wird, so wird
sie durch die unwillkürlichen Bewegungen verwendbar sein. Wenn die
Bewegung des Herzens und der Säfte, der Eingeweide (der Blutumlauf und
die Verdauung) sich in dem nämlichen Verhältniß beschleunigt findet, wie
zu mechanischen Effecten durch die Glieder weniger Kraft verbraucht
wird, so wird das Gewicht des Körpers in 24 Stunden weder zu- noch
abnehmen; der Körper nimmt an Masse also nur dann zu, wenn die in den
Schlafstunden gesammelte und zu mechanischen Effecten verwendbare Kraft
weder für die willkürlichen, noch unwillkürlichen Bewegungen verzehrt
wird.

Die angeführten approximativen Zahlenwerthe für den Kraftverbrauch im
Organismus des Menschen beziehen sich, wie ausdrücklich hervorgehoben
worden, nur auf eine gegebene, unveränderliche Temperatur; in ungleicher
Temperatur und bei Mangel an Nahrung müssen sich alle diese
Verhältnisse ändern.

Wenn wir einen Körpertheil mit Eis und Schnee umgeben, während die
übrigen in ihrer gewöhnlichen Beschaffenheit bleiben, so tritt mehr oder
weniger schnell in Folge der Entziehung von Wärme, ein rascherer
Stoffwechsel an der abgekühlten Stelle ein.

Der Widerstand der belebten Körpertheile gegen die Einwirkung des
Sauerstoffs an der abgekühlten Stelle ist kleiner, als an allen übrigen
Orten, was im Resultate ganz gleich ist einer Erhöhung des Widerstandes
an diesen andern Orten.

Das Kraftmoment der Lebenskraft an den nicht abgekühlten Stellen wird
nach wie vor zur mechanischen Bewegung verbraucht, allein die ganze
Wirkung des eingeathmeten Sauerstoffs wendet sich der abgekühlten Stelle
zu.

Denken wir uns einen Cylinder von Eisen, in den wir Dampf unter einem
gewissen Drucke einströmen lassen, so wird, wenn die Kraft, mit welcher
die Theile des Eisens zusammenhängen, gleich ist der Kraft, welche sie
zu trennen strebt, ein Gleichgewichtszustand eintreten, d. h. die ganze
Wirkung des Dampfes wird durch den Widerstand aufgehoben. Wenn aber eine
der Wände des Cylinders beweglich ist, ein Stempel z. B., dem Druck des
Dampfes also einen geringeren Widerstand entgegensetzt, als die anderen
Wände, so wird der ganze Druck in der Bewegung dieser einen Wand, in der
Hebung des Stempels, verzehrt. Wenn wir nicht neuen Dampf (neue Kraft)
hinzuströmen lassen, so wird sich bald ein Gleichgewichtszustand
einstellen. Einen gewissen Druck hält die Wand aus ohne sich zu bewegen,
durch einen größeren Druck wird der Stempel gehoben; wenn dieser
Ueberschuß von Kraft verzehrt ist durch die Bewegung, so wird er nicht
weiter gehoben werden; wenn immer neuer Dampf hinzuströmt, so wird seine
Bewegung fortdauern.

An der abgekühlten Stelle setzen die belebten Körpertheile der
chemischen Action des Sauerstoffs ein kleineres Hinderniß entgegen;
seine Fähigkeit, mit ihren Bestandtheilen eine Verbindung einzugehen,
ist an diesem Orte erhöht; einmal ausgetreten hört aller Widerstand
völlig auf, und in Folge der Verbindung des Sauerstoffs mit den
Bestandtheilen der umgesetzten Gebilde wird ein größeres Maß von Wärme
frei.

Für eine gegebene Quantität Sauerstoff bleibt sich die erzeugte
Wärmemenge völlig gleich; an der abgekühlten Stelle nimmt der
Stoffwechsel und damit die Wärmeentwicklung zu, an den anderen nimmt der
Stoffwechsel (die Wärmeentwicklung) ab. Hat aber die abgekühlte Stelle,
durch die Verbindung des Sauerstoffs mit den ausgetretenen
Körpertheilen, ihre ursprüngliche Temperatur wiedererhalten, so nimmt
damit der Widerstand ihrer belebten Körpertheile gegen den
nachströmenden Sauerstoff wieder zu, an allen übrigen Orten ist aber nun
der Widerstand kleiner geworden, d. h. es tritt nun auch an diesen ein
rascherer Stoffwechsel, eine Erhöhung der Temperatur ein, und mit dieser
wird, wenn die Ursache des Stoffwechsels fortdauert, ein größeres Maß
von Lebenskraft zu mechanischen Effekten verwendbar.

Denken wir uns nun, daß der ganzen Oberfläche des Körpers Wärme entzogen
wird, so wird die ganze Wirkung des Sauerstoffs der Haut zugelenkt
werden, in kurzer Zeit muß der Stoffwechsel im ganzen Körper zunehmen;
das Fett, so wie alle Bestandtheile des Thierkörpers, welche die
Fähigkeit haben, mit dem in größerer Quantität zugeführten Sauerstoff
sich zu verbinden, werden in der Form von Sauerstoffverbindungen aus dem
Körper treten.


Theorie der Krankheit.

Ein jeder Stoff oder Materie, eine jede chemische oder mechanische
Thätigkeit, welche die Wiederherstellung des Gleichgewichtes in den
Aeußerungen der Ursachen des Verbrauches und Ersatzes in der Art ändert
oder stört, daß sich ihre Wirkung den Ursachen des Verbrauches
hinzufügt, heißt _Krankheits-Ursache_; es entsteht _Krankheit_, wenn die
Summe von Lebenskraft, welche alle Ursachen von Störungen aufzuheben
strebt (wenn also der Widerstand der Lebenskraft), kleiner ist, als die
einwirkende, störende Thätigkeit.

_Tod_ heißt der Zustand, wo aller Widerstand der Lebenskraft völlig
aufhört; so lange dieser Zustand nicht eintritt, äußern die belebten
Körpertheile stets noch einen Widerstand.

In der Beobachtung zeigt sich die Wirkung einer Krankheitsursache in dem
gestörten Verhältnisse zwischen dem, einem jeden Lebensalter
zukommenden, Verbrauch und Ersatz. In der Heilkunde heißt Krankheit
jeder abnorme Zustand des Ersatzes oder Verbrauchs, in allen
Körpertheilen oder in einem einzelnen Körpertheil.

Es ist klar, daß eine und dieselbe Krankheitsursache auf den Organismus,
je nach dem Lebensalter, eine höchst ungleiche Wirkung äußern muß, daß
ein gewisses Maß von Störung, welche Krankheit in dem erwachsenen
Zustande bewirkt, ohne Einfluß auf die Lebensäußerungen im Kindes- oder
Greisenalter sein kann. Eine Krankheitsursache kann im Greisenalter,
wenn sie sich der Wirkung der Ursache des Verbrauchs hinzufügt, den Tod
bewirken (allen Widerstand der Lebenskraft vernichten), während sie im
reifen Lebensalter nur ein Mißverhältniß im Verbrauch und Ersatz
(Krankheit), und im Kindesalter nur ein Gleichgewichtsverhältniß
zwischen Verbrauch und Ersatz, das ist, den abstracten Zustand von
Gesundheit, hervorbringt.

Eine Krankheitsursache, welche die Ursache des Ersatzes verstärkt,
entweder direct, oder insofern die Ursache des Verbrauchs in ihrer
Wirkung dadurch geschwächt wird, hebt den relativ normalen
Gesundheitszustand im Kindesalter und im reifen Alter auf, und setzt im
Greisenalter Verbrauch und Ersatz in’s Gleichgewicht.

Ein Kind erträgt, leicht gekleidet, Abkühlung durch hohe Kältegrade
ohne Störung seiner Gesundheit, seine zu mechanischen Effekten
verwendbare Kraft, so wie seine Temperatur nehmen mit dem durch
Abkühlung sich einstellenden Stoffwechsel zu, während ein hoher
Wärmegrad, welcher den Stoffwechsel hindert, einen krankhaften Zustand
nach sich zieht.

Wir sehen im Gegensatze hierzu in den Hospitälern und in den
wohlthätigen Anstalten (in Brüssel &c.), in welchen alte Leute ihre
letzten Lebenstage zubringen, daß, wenn die Temperatur des Schlafraums
(im Winter) zwei bis drei Grade unter die erwartete Temperatur fällt,
daß durch diese schwache Abkühlung der Tod von den ältesten und an sich
schwächsten Greisen und Greisinnen herbeigeführt wird; man findet sie in
ihren Betten ruhig liegend ohne die geringsten Symptome von Krankheit
oder anderen erkennbaren Ursachen des Todes.

Mangel an Widerstand eines belebten Körpertheils gegen die Ursachen des
Verbrauchs ist, wie sich von selbst versteht, Mangel an Widerstand gegen
die Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffs.

Wenn nun durch irgend eine Ursache der Störung in einem belebten
Körpertheil dieser Widerstand abnimmt, so nimmt in gleichem Grade der
Stoffwechsel zu.

Da nun die Bewegungserscheinungen in dem Thierkörper abhängig sind von
dem Stoffwechsel, so folgt mit der Steigerung des Stoffwechsels in
irgend einem Körpertheil, von selbst, eine Beschleunigung aller
Bewegungen; je nach der Fortpflanzungsfähigkeit der Nerven vertheilt
sich die verwendbare Kraft auf die Leiter der unwillkürlichen
Bewegungen allein oder auf alle zusammengenommen.

Wird demnach in Folge einer krankhaften Umsetzung der belebten
Körpertheile ein größeres Maß von Kraft erzeugt, als zur Hervorbringung
der normalen Bewegung erforderlich ist, so zeigt sich dies in einer
Beschleunigung aller oder einzelner, unwillkürlichen Bewegungen, so wie
in einer höheren Temperatur des kranken Körpertheils.

_Dieser Zustand heißt Fieber_.

Bei einem Uebermaß von Krafterzeugung durch Stoffwechsel überträgt sich
die Kraft (da sie nur durch Bewegung verzehrt werden kann), auf die
Apparate der willkürlichen Bewegung.

_Dieser Zustand heißt Fieberparoxysmus_.

In Folge der durch den Fieberzustand beschleunigten Blutbewegung wird in
einer gegebenen Zeit dem kranken Ort sowohl, wie allen anderen Orten,
ein größeres Maß arterielles Blut und damit Sauerstoff hinzugeführt, und
wenn die thätige Kraft an den gesunden Orten in ihrer Aeußerung sich
gleich bleibt, so muß die ganze Wirkung des mehr hinzugeführten
Sauerstoffs sich auf den kranken Ort allein erstrecken.

Je nachdem ein einzelnes Organ oder ein System von Organen, krank ist,
erstreckt sich der Stoffwechsel auf einen einzelnen Ort, oder auf das
ganze ergriffene System.

Entstehen an den kranken Orten in Folge des Stoffwechsels aus den
Bestandtheilen des Gebildes oder Blutes neue Producte, welche die
nächstliegenden Theile zu ihren eigenen vitalen Function nicht verwenden
können, sind ihre Umgebungen unfähig, sie anderen Orten, wo sie eine
Veränderung erfahren können, zuzuführen, so erleiden sie an dem Orte
selbst, wo sie sich gebildet haben, einen der Verwesung, Fäulniß oder
Gährung ähnlichen Umsetzungsproceß.

In gewissen Fällen beseitigt die Heilkunde diese Krankheitszustände,
indem sie in der Nähe des kranken, oder an irgend einem andern passenden
Ort, einen künstlichen Krankheitszustand (Blasenpflaster, Senfpflaster,
Haarseil &c.) hervorbringt, indem sie an diesen Orten den Widerstand der
Lebensthätigkeit durch künstliche Störungen vermindert; es gelingt dem
Arzte, den ursprünglichen Krankheitszustand zu heben, wenn die
hervorgebrachte Störung (der verringerte Widerstand) die zu besiegende
Krankheitsstörung überwiegt.

Der raschere Stoffwechsel und die höhere Temperatur an dem kranken Orte
zeigt, daß der Widerstand der Lebensthätigkeit an dem kranken Orte gegen
den Sauerstoff schwächer ist, wie im gesunden Zustande, aber erst mit
dem Tode hört er völlig auf. Durch die künstliche Verminderung des
Widerstandes an einem andern Körpertheil wird der Widerstand des
ursprünglich kranken Theils zwar direct nicht verstärkt, allein die
chemische Action (die Ursache des Stoffwechsels) nimmt an dem kranken
Körpertheil ab, indem sie einem andern Orte zugelenkt wird, wo es der
Kunst des Arztes gelungen ist, einen noch geringern Widerstand gegen
Stoffwechsel (gegen die Einwirkung des Sauerstoffs) hervorzubringen. Es
tritt eine vollkommne Hebung der ursprünglichen Krankheit ein, wenn
Widerstand und Einwirkung an dem kranken Körpertheil ins Gleichgewicht
gebracht sind. Es erfolgt Gesundheit, Wiederherstellung des kranken
Körpertheils in seinem ursprünglichen Zustande, wenn es gelingt, die
störende Action des Sauerstoffs durch irgend ein Mittel so weit zu
schwächen, daß sie kleiner wird, als der Widerstand der unausgesetzt
vorhandenen, wiewohl verminderten Lebensthätigkeit; denn dies ist die
Bedingung der Zunahme an Masse im lebendigen Organismus überhaupt.

In Fällen anderer Art, wo die äußeren künstlichen Störungen ohne Wirkung
sind, schlägt der praktische Arzt, um den Widerstand der
Lebensthätigkeit zu erhöhen, andere indirecte Wege ein, auf welche die
vollendetste Theorie, weder scharfsichtiger noch richtiger, hätte führen
können; er vermindert nämlich durch Blutentziehung die Anzahl der Träger
des Sauerstoffs und damit die Bedingung des Stoffwechsels; er schließt
in der Speise alle Stoffe aus, welche die Fähigkeit besitzen, zu Blut zu
werden; er giebt ausschließlich oder vorzugsweise nur stickstofffreie
Nahrung, welche den Respirationsproceß unterhält, so wie Obst und Theile
von Vegetabilien, welche die zu den Secreten nöthigen Alkalien
enthalten.

Gelingt es ihm, die Einwirkung des Sauerstoffs im Blute auf den kranken
Körpertheil so weit zu vermindern, daß die Lebensthätigkeit des
letztern, sein Widerstand, die chemische Action nur etwas überwiegt, und
geschieht dies, ohne den Functionen der anderen Organe eine Grenze zu
setzen, so ist die Wiederherstellung gewiß.

Zu der in diesen Fällen mit Geschick und Beobachtungsgabe angewendeten
Heilmethode fügt sich, man kann sagen zur Hülfe des kranken
Körpertheils, die Lebenskraft der übrigen, nicht ergriffenen Theile
hinzu, denn durch Blutentziehung, durch Ausschluß der zur Blutbildung
nöthigen Speise, nimmt ja auch auf sie die äußere Ursache der Störung
ab, welche ihre eigne Lebenskraft im Gleichgewicht erhielt; ihre eigne
Thätigkeit erhält ein Uebergewicht; der Stoffwechsel nimmt zwar im
ganzen Körper ab, und damit die Bewegungserscheinungen, allein die Summe
aller Widerstände zusammengenommen nimmt zu in dem Grade, wie der auf
sie in dem Blute einwirkende Sauerstoff sich vermindert. In dem Gefühl
von _Hunger_ gelangt gewissermaßen dieser Widerstand zum Bewußtsein, und
die überwiegende Lebensthätigkeit zeigt sich bei vielen Verhungernden in
einer abnormalen Zunahme oder einer abnormalen Umsetzung gewisser Theile
von Organen. _Mitleidenschaft_ heißt eine Uebertragung des geringern
Widerstandes der Lebensthätigkeit von einem kranken Körpertheil nicht
gerade auf die zunächstliegenden, sondern auf andere Organe, wenn die
Functionen beider sich gegenseitig bedingen. Wenn die Verrichtungen des
kranken Organs mit denen eines andern in Verbindung stehen, wenn das
eine z. B. die Materien nicht mehr producirt, welche zur vitalen
Function des andern gehören, so überträgt sich auf diese, wiewohl nur
scheinbar, der Krankheitszustand.

Ueber die Natur und das Wesen der Lebenskraft kann man sich wohl keiner
selbstgeschaffenen Täuschung hingeben, wenn man beachtet, daß sie sich
in allen ihren Aeußerungen ganz ähnlich wie andere Naturkräfte verhält,
daß sie ohne Bewußtsein, völlig willenlos, einem Blasenpflaster
untergeordnet ist.

Die Nerven, welche die willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen im
Thierkörper vermitteln, sind, nach dem Vorhergehenden, nicht die
Erzeuger, sondern nur die Leiter der Lebenskraft; sie pflanzen die
Bewegung fort und verhalten sich gegen andere Ursachen von Bewegungen,
welche in ihren Aeußerungen der Lebenskraft ähnlich sind, gegen einen
elektrischen Strom z. B. auf eine völlig gleiche Weise, sie gestatten
ihm den Durchgang und bieten als Leiter der Elektricität alle
Erscheinungen dar, welche ihnen als Leitern der Lebenskraft
zukommen. Niemandem wird es wohl, nach dem gegenwärtigen Zustande
unserer Kenntnisse, in den Sinn kommen, als die Ursache der
Bewegungserscheinungen in dem Thierkörper die Elektricität anzusehen,
allein die medicinischen Wirkungen der Elektricität, so wie die eines
Magneten, der in Berührung mit dem Körper die Entstehung eines
elektrischen Stromes vermittelt, können nicht geleugnet werden. Denn zu
der vorhandenen Kraft der Bewegung und Störung addirt sich in dem
elektrischen Strome eine neue Ursache von Bewegung, Form- und
Beschaffenheitsänderung, deren Wirkungen nicht gleich Null gesetzt
werden dürfen.

Auf eine höchst rationelle Weise wendet die praktische Medicin in
manchen Krankheiten die Kälte als Mittel an, um den Stoffwechsel auf
eine ungewöhnliche Weise zu steigern und zu beschleunigen. Dies
geschieht namentlich bei gewissen krankhaften Zuständen der Substanz des
Centrums der Bewegungsapparate, wenn eine glühende Hitze und ein rascher
Strom von Blut nach dem Kopfe, eine abnormale Umsetzung des Gehirns
erkennen lassen. Wenn dieser Zustand über eine gewisse Zeit hindurch
dauert, so giebt die Erfahrung zu erkennen, daß alle Bewegungen im
Thierkörper aufhören; wenn sich der Stoffwechsel auf das Gehirn
vorzugsweise beschränkt, so nimmt der Stoffwechsel, die Krafterzeugung,
in allen anderen Theilen ab; durch Umgebung dieses Körpertheils mit Eis
wird die Temperatur herabgestimmt, allein die Ursache der
Wärmeentwicklung dauert fort; der Widerstand der Lebensthätigkeit wird
vermindert, die Umsetzung, die Entscheidung über den Ausgang der
Krankheit, wird auf eine kürzere Zeitdauer beschränkt. Man darf nicht
vergessen, daß das Eis schmilzt und Wärme aus dem kranken Körpertheil
aufnimmt, daß mit der Entfernung des Eises, vor dem Verlauf der
Umsetzung, die höhere Temperatur wieder sich einstellt, daß man durch
Umgebung mit Eis weit mehr Wärme entzieht, als durch Umhüllung mit einem
schlechten Wärmeleiter; es ist offenbar in der gleichen Zeit eine
größere Menge Wärme frei geworden, was nur durch gesteigerte Zufuhr von
Sauerstoff, der eine raschere Umsetzung bedingen mußte, möglich ist.

Ein nicht ganz unpassendes Bild für die Vorgänge im Thierkörper geben
die sich selbst regulirenden Dampfmaschinen ab, an denen zur
Hervorbringung einer gleichförmigen Bewegung der menschliche Geist den
bewundernswürdigsten Scharfsinn bethätigt hat.

Jedermann weiß, daß in dem Rohre, was den Dampf zu dem Cylinder führt,
in welchem ein Stempel in die Höhe gehoben werden soll, ein
durchbrochener Hahn angebracht ist, durch dessen Oeffnung aller Dampf
seinen Weg nehmen muß; durch eine mit dem Schwungrad in Verbindung
stehende Vorrichtung öffnet sich dieser Hahn, wenn das Rad langsamer, es
schließt sich mehr oder weniger, wenn es geschwinder geht, als zur
gleichförmigen Bewegung erforderlich ist. Mit dem Oeffnen des Hahns
strömt mehr Dampf zu (mehr Kraft), die Bewegung der Maschine wird
beschleunigt; mit dem Schließen des Hahns wird der hinzuströmende Dampf
mehr oder weniger abgeschlossen, die Kraft, welche auf den Stempel
wirkt, nimmt ab, die Spannung des Dampfes im Kessel nimmt zu; sie wird
zu einer spätern Verwendung aufgespart. Die Spannung des Dampfes, die
Kraft, wenn man will, wird hervorgebracht durch Stoffwechsel, durch
Verbrennung von Kohlen unter dem Heerde der Maschine. Die Kraft steigt
(die Menge des entwickelten Dampfes und seine Spannung nehmen zu) mit
der Temperatur des Heerdes, welche abhängig ist von Zufuhr an Kohlen und
Luft. Es finden sich an diesen Maschinen andere Vorrichtungen, welche
beide zu reguliren bestimmt sind. Steigt die Spannung des Dampfes im
Kessel, so schließen sich die Luftzüge, die Verbrennung wird
verlangsamt, die Zufuhr an Kraft (an Dampf) vermindert; geht die
Maschine langsamer, so strömt ihr mehr Dampf zu, die Luftzüge öffnen
sich und die Ursache der Wärmeentwicklung (Krafterzeugung) nimmt zu,
eine letzte Vorrichtung wirft dem Heerde ohne Unterlaß _Kohlen_ zu.

Wenn wir nun an irgend einer Stelle des Dampfkessels die Temperatur
erniedrigen, so nimmt seine Spannung ab; dies giebt sich sogleich an den
Regulatoren der Kraft zu erkennen, die nun ganz die Functionen
verrichten, wie wenn wir eine gewisse Quantität Dampf (Kraft) aus dem
Kessel hätten heraustreten lassen; der Dampfregulator, die Luftzüge
öffnen sich, die Maschine wirft sich selbst eine größere Menge Kohlen
zu.

Ganz ähnlich wie in diesen Maschinen, verhält es sich im Thierkörper
hinsichtlich der Wärme und Krafterzeugung. Mit der Abnahme der äußern
Temperatur verstärken sich die Athembewegungen, es wird Sauerstoff
häufiger und in verdichteterem Zustande zugeführt, der Stoffwechsel
erhöht sich, es muß mehr Nahrungsstoff zugeführt werden, wenn die
Temperatur nicht wechseln soll.

Es bedarf wohl keiner Erinnerung, daß ein gespannter Dampf in dem
Thierkörper, so wenig wie ein elektrischer, Strom, als die Ursache der
Krafterzeugung angesehen werden kann.

Aus der in dem Obigen entwickelten Theorie der Krankheit ergiebt sich
von selbst, daß ein ausgebildeter Krankheitszustand in einem Körpertheil
durch die chemische Action eines Arzneimittels nicht zum Verschwinden
gebracht werden kann.

Einem abnormalen Umsetzungsproceß kann durch Arzneimittel eine Grenze
gesetzt werden, er kann beschleunigt oder verlangsamt werden, allein
damit ist der Normal- (Gesundheits-) Zustand nicht zurückgekehrt.

Die Kunst des Arztes besteht in der Kenntniß der Mittel, die ihm
gestatten, einen Einfluß auf den Verlauf der Krankheit auszuüben, und in
der Beseitigung und Entfernung aller störenden Ursachen, deren Wirkung
sich der Wirkung der Krankheitsursache hinzufügt.

Eine jede Theorie bringt nur durch die richtige Anwendung ihrer
Principien einen wirklichen Nutzen. Eine und dieselbe Heilmethode kann
dem einen Individuum die Gesundheit wiedergeben, während sie, auf ein
anderes angewandt, den sichern Tod nach sich zieht. So hat in gewissen,
entzündlichen Krankheiten, bei muskelreichen Personen, die
antiphlogistische Behandlung ihren entschiedenen Werth, während
Blutentziehung bei anderen von nachtheiligen Folgen begleitet ist. Das
belebende Blut bleibt immer die wichtigste Bedingung zur
Wiederherstellung eines aufgehobenen Gleichgewichts-Zustandes, welche
stets an den Gewinn von Zeit geknüpft ist; es muß als die letzte und
wichtigste Ursache eines dauernden, vitalen Widerstandes der kranken
sowohl, wie der nicht ergriffenen Körpertheile angesehen und im Auge
behalten werden.

Es ist ferner klar, daß in allen Krankheiten, wo das Fieber die Bildung
von Ansteckungsstoffen und Exenthemen begleitet, zwei Krankheitszustände
sich neben einander vollenden, und daß das Blut (Fieber) als der Träger
des Stoffs (Sauerstoffs), ohne dessen Mitwirkung die krankhaften
Erzeugnisse nicht unschädlich gemacht, zerstört und aus dem Körper
entfernt werden können, reaktionell als Heilmittel auftritt, durch
dessen Mitwirkung zuletzt eine Ausgleichung bewirkt wird.


Theorie der Respiration.

Bei dem Durchgang des venösen Blutes durch die Lunge ändern die
Blutkörperchen ihre Farbe, mit diesem Farbewechsel beobachten wir, daß
Sauerstoff aus der Luft aufgenommen, daß für jedes Volumen Sauerstoff in
den meisten Fällen, ein ihm gleiches Volumen Kohlensäure abgeschieden
wird.

Die Blutkörperchen enthalten _eine Eisenverbindung_, kein anderer
Bestandtheil der lebendigen Körpertheile enthält Eisen.

Welche Art von Veränderung auch die übrigen Bestandtheile des Blutes in
der Lunge erleiden mögen, gewiß ist, daß die Blutkörperchen des venösen
Blutes einen Farbewechsel erfahren, welcher abhängig ist von der
Einwirkung des Sauerstoffs.

Wir sehen nun, daß die Blutkörperchen des arteriellen Blutes in den
weiten Kanälen ihre Farbe bewahren, daß sie sie erst bei dem Durchgange
durch die Capillargefäße verlieren. Alle Bestandtheile des venösen
Blutes, welche die Fähigkeit hatten sich mit Sauerstoff zu verbinden,
nehmen in der Lunge einen entsprechenden Theil davon auf; Versuche mit
Serum zeigen, daß es mit reinem Sauerstoff in Berührung dessen Volumen
nicht merklich ändert. Venöses Blut mit Sauerstoff in Berührung röthet
sich unter Absorption des Sauerstoffs; es wird hierbei eine
entsprechende Menge Kohlensäure gebildet.

Es ist klar, der Farbewechsel der Blutkörperchen hängt von der
Verbindung von irgend einem ihrer Bestandtheile mit dem Sauerstoff ab,
und mit dieser Sauerstoffaufnahme tritt eine gewisse Quantität
Kohlensäure aus.

Von dem Serum scheidet sich diese Kohlensäure nicht ab, denn es besitzt
nicht die Fähigkeit, bei Berührung mit Sauerstoff Kohlensäure abzugeben;
das Blut von den Blutkörperchen getrennt (das Serum) absorbirt sein
halbes bis gleiches Volumen Kohlensäure (siehe den Artikel _Blut_ in dem
Handwörterbuche der Chemie von _Poggendorff_, _Wöhler_ und _Liebig_,
Seite 877), es ist bei gewöhnlicher Temperatur nicht mit Kohlensäure
gesättigt.

Das arterielle Blut geht, von dem Thiere genommen, unausgesetzt einer
Veränderung entgegen, seine hochrothe Farbe wird schwarzroth; das
hochrothe Blut, was seine Farbe den Blutkörperchen verdankt, wird
schwarzroth durch Kohlensäure; diese Farbeänderung trifft die
Blutkörperchen; es absorbirt eine Menge Gase, welche sich in der
Blutflüssigkeit (ohne Blutkörperchen) nicht lösen; _es ist klar, die
Blutkörperchen haben das Vermögen, sich mit Gasen zu verbinden_.

Die Blutkörperchen ändern ihre Farbe in verschiedenen Gasen; dieser
Wechsel kann von zwei Ursachen, einer Verbindung oder einer Zersetzung
herrühren.

Durch Schwefelwasserstoff werden sie schwarzgrün und zuletzt schwarz,
die ursprüngliche rothe Farbe kann durch Contact mit Sauerstoffgas nicht
wieder hervorgebracht werden; es ist offenbar hier eine Zersetzung vor
sich gegangen.

Die durch Kohlensäure schwarzroth gewordenen Blutkörperchen werden beim
Contact mit Sauerstoff unter Abscheidung von Kohlensäure wieder
hochroth, ähnlich verhalten sie sich gegen Stickoxydulgas; es ist klar,
daß sie keine Zersetzung erfahren hatten; sie besitzen also die
Fähigkeit, eine Verbindung mit Gasen einzugehen, _ihre Verbindung mit
Kohlensäure wird durch Sauerstoff wieder aufgehoben_; sich selbst
überlassen, wird außerhalb des Thierkörpers die Sauerstoffverbindung
wieder schwarzroth, ohne durch Sauerstoff wieder hochroth zu werden.

Die Blutkörperchen enthalten eine Eisenverbindung.

Aus dem nie fehlenden Eisengehalt des rothen Blutes muß geschlossen
werden, daß er unbedingt für das animalische Leben nothwendig sei, und
seitdem die Physiologie bewiesen hat, daß die Blutkörperchen an dem
Ernährungsprocesse keinen Antheil nehmen, kann es keinem Zweifel
unterliegen, daß sie in dem Respirationsproceß eine Rolle übernehmen.

Die Eisenverbindung in den Blutkörperchen verhält sich wie eine
Sauerstoffverbindung, denn durch Schwefelwasserstoff wird sie ganz auf
dieselbe Weise zerlegt, wie die Eisenoxyde oder die ihnen ähnlichen
Eisenverbindungen. Durch verdünnte Mineralsäuren läßt sich aus frischem
oder getrocknetem Blutroth Eisenoxyd, bei gewöhnlicher Temperatur
ausziehen.

Das Verhalten der Eisenverbindungen giebt vielleicht Aufschluß über die
Rolle, welche das Eisen in dem Respirationsprocesse spielt; kein
einziges Metall kann in Beziehung auf merkwürdige Eigenschaften mit den
Eisenverbindungen verglichen werden.

Die Eisenoxydulverbindungen besitzen das Vermögen anderen
Sauerstoffverbindungen Sauerstoff zu entziehen; die
Eisenoxydverbindungen geben Sauerstoff unter anderen Bedingungen mit der
allergrößten Leichtigkeit wieder ab.

Eisenoxydhydrat in Berührung mit schwefelfreien organischen Materien
verwandelt sich in kohlensaures Eisenoxydul.

Kohlensaures Eisenoxydul in Berührung mit Wasser und Sauerstoff wird
zersetzt, alle Kohlensäure, die es enthält, entweicht; durch
Aufnahme von Sauerstoff verwandelt es sich in Eisenoxydhydrat, was
durch reducirende Materien wieder zurückführbar ist in eine
Eisenoxydulverbindung.

Aber nicht bloß die Sauerstoffverbindungen des Eisens, sondern auch die
Cyanverbindungen zeigen ein ähnliches Verhalten. In dem Berlinerblau
haben wir Eisen in Verbindung mit allen organischen Bestandtheilen des
Thierkörpers: Wasserstoff und Sauerstoff (Wasser), Kohlenstoff und
Stickstoff (Cyan).

Dem Lichte ausgesetzt, entweicht Cyan, es wird weiß, im Dunkeln zieht es
Sauerstoff an und wird wieder blau.

Alle diese Beobachtungen zusammengenommen führen zu der Meinung, daß die
Blutkörperchen des arteriellen Blutes eine mit Sauerstoff gesättigte
Eisenverbindung enthalten, welche im lebendigen Blute beim Durchgang
durch die Capillargefäße ihren Sauerstoff verliert; dasselbe geschieht,
wenn das Blut vom Körper genommen sich zu zersetzen anfängt (zu faulen
beginnt); die an Sauerstoff reiche Verbindung geht also durch
Sauerstoffabgabe (Reduction) in eine sauerstoffarme Verbindung über.
Eins der Oxydationsproducte, welches hierbei gebildet wird, ist
Kohlensäure. Die Eisenverbindung des venösen Bluts besitzt die
Fähigkeit, sich mit Kohlensäure zu verbinden; es ist klar, daß die
Blutkörperchen des arteriellen Blutes, wenn sie nach Abgabe von einem
Theile ihres Sauerstoffs Kohlensäure vorfinden, sich mit dieser
Kohlensäure verbinden werden.

In der Lunge angelangt werden sie den verlornen Sauerstoff wieder
aufnehmen, für jedes Volumen Sauerstoff wird eine entsprechende Menge
Kohlensäure wieder austreten, sie werden in ihren ursprünglichen Zustand
wieder zurückkehren, d. h. das Vermögen wieder erhalten, Sauerstoff
abzugeben.

Für jedes Volum Sauerstoff, was die Blutkörperchen abzugeben vermögen,
wird (da die Kohlensäure ihr gleiches Volum Sauerstoff ohne Condensation
enthält) nicht mehr und nicht weniger als ein Volumen kohlensaures Gas
gebildet werden können; für jedes Volumen Sauerstoff, was sie
aufzunehmen fähig sind, kann nicht mehr Kohlensäure abgeschieden werden,
als überhaupt aus diesem Volum Sauerstoff erzeugbar ist.

Wenn ein kohlensaures Eisenoxydul durch Aufnahme von Sauerstoff in
Eisenoxyd übergeht, so werden für jedes Volum Sauerstoff, was zum
Uebergang in Eisenoxyd gehört, vier Volumina Kohlensäure abgeschieden.

Für ein Volumen Sauerstoff kann sich aber nur ein Volumen Kohlensäure
bilden, es kann also auch nicht mehr abgeschieden werden; die ihres
Sauerstoffs beraubte Verbindung muß aber die Fähigkeit haben, noch
Kohlensäure aufzunehmen, und wir sehen in der That, daß das Blut in
keinem Zustande des Lebens mit Kohlensäure gesättigt ist, daß es zu der
Kohlensäure, die es schon enthält, noch eine Menge Kohlensäure
aufzunehmen vermag, ohne daß damit die Function der Blutkörperchen
gestört erscheint. (Nach dem Trinken von moussirenden Weinen, Bier,
Mineralwasser muß nothwendig mehr Kohlensäure ausgeathmet werden.) In
allen Fällen, wo der Sauerstoff der Blutkörperchen nicht zur Bildung von
Kohlensäure gedient hat, wird stets nur eine der erzeugten Kohlensäure
entsprechende Menge ausgeathmet werden können; bei Genuß von Fett und
Wein jedenfalls weniger, wie nach dem Genuß von Champagner.

Nach der so eben entwickelten Vorstellung geben die Blutkörperchen des
arteriellen Blutes, bei ihrem Durchgang durch die Capillargefäße,
Sauerstoff an gewisse Bestandtheile des Thierkörpers ab. Ein kleiner
Theil dieses Sauerstoffs dient zur Hervorbringung des Stoffwechsels und
bedingt das Austreten belebter Körpertheile, so wie die Bildung und
Erzeugung der Secrete, der größte Theil dieses Sauerstoffs wird zur
Verwandlung der, den belebten Körpertheilen nicht mehr angehörenden
Substanzen, in Sauerstoffverbindungen verwendet.

Auf ihrem Wege nach dem Herzen hin, verbinden sich die Blutkörperchen,
welche ihren Sauerstoff abgegeben haben, mit Kohlensäuregas zu venösem
Blut, in der Lunge angelangt, findet ein Austausch statt.

Die organische Eisenverbindung des venösen Blutes nimmt in der Lunge und
der Luft den verlornen Sauerstoff wieder auf, und in Folge dieser
Sauerstoffaufnahme scheidet sich alle damit verbundene Kohlensäure
wieder ab.

Alle in dem venösen Blute vorhandenen Materien, welche Verwandtschaft
zum Sauerstoff besitzen, verwandeln sich in der Lunge, ähnlich wie die
Blutkörperchen, in höhere Sauerstoffverbindungen, es entsteht eine
gewisse Quantität Kohlensäure, von der stets ein Theil in der
Blutflüssigkeit gelös’t bleibt.

Die Quantität der gelös’ten (oder der an Natron gebundenen) Kohlensäure
muß in beiden Blutarten, da sie einerlei Temperatur besitzen, gleich
sein, allein das arterielle Blut muß, sich selbst überlassen, nach
kurzer Zeit eine größere Menge Kohlensäure enthalten, wie das venöse,
weil der aufgenommene Sauerstoff zur Bildung von Kohlensäure verwendet
wird.

In dem Organismus des Thieres finden mithin zwei Oxydationsprocesse
statt, der eine in der Lunge, der andere in den Capillargefäßen. Durch
den erstern wird, trotz der starken Abkühlung und gesteigerten
Verdunstung, die constante Temperatur der Lunge, durch den andern die
constante Temperatur in den übrigen Körpertheilen hervorgebracht.

Ein Mensch, welcher täglich 27,8 Loth Kohlenstoff in der Form von
Kohlensäure ausathmet, verzehrt in 24 Stunden 74 Loth Sauerstoff (64
Loth = 1 Kilogramm), welche den Raum von 807 Litres = 51648 hessische
Kubikzoll (64 = 1 Litre) einnehmen.

Rechnet man auf die Minute 18 Athemzüge, so haben wir in 24 Stunden
25920 Athemzüge und bei jedem Athemzug werden demnach ⁵¹⁶⁸⁴/₂₅₉₂₀ = 1,99
Kubikzoll Sauerstoff in das Blut aufgenommen.

In einer Minute treten 18 × 1,99 = 35,8 Kubikzoll Sauerstoff zu den
Bestandtheilen des Blutes, welche bei gewöhnlicher Temperatur etwas
weniger wie 12 Gran (802,8 Milligramm) wiegen.

Nehmen wir nun an, daß in einer Minute 10 Pfund Blut (5 Kilogramm)
(Müller, Physiologie Bd ~I.~ S. 345) durch die Lunge gehen und diese den
Raum von 320 Kubikzoll einnehmen, so verbindet sich 1 Kubikzoll
Sauerstoff sehr nahe mit 9 Kubikzoll Blut.

Nach den Untersuchungen von _Denis_, _Richardson_, _Nasse_
(Handwörterbuch der Physiologie Bd. I. S. 138) enthalten 10000 Blut 8
Theile Eisenoxyd. 76800 Gran (10 Pfd.) Blut enthalten demnach 61,54 Gran
Eisen_oxyd_ im arteriellen oder 55,14 Eisen_oxydul_ im venösen Blut.

Nehmen wir nun an, das Eisen in den Blutkörperchen des venösen Blutes
sei als Eisenoxydul, das im arteriellen Blut als Eisenoxyd enthalten, so
nehmen 55,14 Gran Eisenoxydul bei ihrem Durchgang durch die Lunge in
einer Minute 6,40 Gran Sauerstoff auf; da nun in dieser Zeit im Ganzen
von 10 Pfund Blut 12 Gran Sauerstoff aufgenommen werden, so treten von
diesen 12 Gran, 5,6 Gran an die anderen Bestandtheile des Blutes.

55,14 Gran Eisenoxydul verbinden sich nun mit 34,8 Gran Kohlensäure,
welche den Raum von 73 Kubikzoll einnehmen. Es ist deshalb klar, daß die
in dem Blute vorhandene Menge Eisen, als Eisenoxydul gedacht, hinreicht,
um den Träger der doppelten Menge Kohlensäure abzugeben, welche
überhaupt auf Kosten alles in der Lunge aufgenommenen Sauerstoffs
erzeugbar ist.

Die eben entwickelte Hypothese stützt sich auf die bekannten
Beobachtungen und zwar erklärt sie den Respirationsproceß, soweit er von
den Blutkörperchen abhängig ist, vollkommen, sie schließt die Meinung
nicht aus, daß auch auf anderen Wegen Kohlensäure in die Lunge gelangen,
daß gewisse andere Bestandtheile des Bluts zur Bildung von Kohlensäure
in der Lunge Veranlassung geben können; allein alles dies steht in
keiner Beziehung zu dem vitalen Proceß, durch welchen in allen Theilchen
des Körpers die zu seinem Bestehen nöthige Wärme erzeugt wird. Dies
allein kann aber vorläufig nur als ein würdiger Gegenstand der
Untersuchung betrachtet werden; warum dunkelrothes Blut durch Salpeter,
Kochsalz &c. hellroth wird, ist eine nicht uninteressante Frage, die
aber mit dem Athmungsproceß in keinem Zusammenhange steht.

Die furchtbare Wirkung des Schwefelwasserstoffs; der Blausäure, welche
beim Einathmen in wenigen Secunden allen Bewegungserscheinungen im
Thierkörper eine Grenze setzen, erklären sich aus den bekannten
Veränderungen, welche alle Eisenverbindungen bei Gegenwart von Alkalien,
die im Blute nicht fehlen, durch diese Stoffe erleiden, auf eine
ungezwungene Weise.

Denken wir uns, daß die Blutkörperchen ihre Fähigkeit verlieren,
Sauerstoff aufzunehmen, diesen Sauerstoff wieder abzugeben und die
gebildete Kohlensäure fortzuführen, so wird ein solcher hypothetischer
Krankheitszustand augenblicklich an der Temperatur und den
Bewegungserscheinungen im Thierkörper erkennbar sein. Es wird nämlich
kein Stoffwechsel stattfinden, ohne daß damit die Bewegungen selbst eine
unmittelbare Grenze finden.

Die Leiter der Kraft werden den Eingeweiden, dem Herzen, nach wie vor,
die zu ihren Functionen nöthige Kraft zuführen, sie werden sie von dem
Muskularsystem erhalten, ohne aber daß aus diesen ein Bestandtheil
austritt; Galle- und Harnsecretion können nicht stattfinden; die
Temperatur des Körpers muß abnehmen.

Dem Ernährungsproceß wird durch diesen Zustand eine Grenze gesetzt und
in kürzerer oder längerer Zeit muß der Tod eintreten, ohne, was hier das
Wichtigste ist, von Fiebererscheinungen begleitet zu sein.

Dieses Beispiel soll dazu dienen, um Veranlassung zu einer Untersuchung
des Bluts in Krankheitszuständen ähnlicher Art, zu geben, denn es kann
nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß die Rolle, welche den
Blutkörperchen zugeschrieben worden ist, als vollkommen ausgemittelt und
aufgeklärt betrachtet werden kann, wenn sich in solchen Zuständen eine
Abweichung in der Form, Beschaffenheit und dem Verhalten der
Blutkörperchen ergiebt, die durch geeignete Reagentien erkennbar sein
muß.

Wenn die Kraft, welche die Lebenserscheinungen bedingt, als eine
Eigenschaft gewisser Materien angesehen wird, so führt diese Vorstellung
von selbst auf eine neue und schärfere Betrachtungsweise gewisser
räthselhafter Erscheinungen, welche die nämlichen Substanzen in
Zuständen darbieten, wo sie keine Bestandtheile belebter Organismen mehr
ausmachen.



  Analytische Belege
  zu
  dem chemischen Proceß
  der
  _=Respiration und Ernährung=_
  so wie
  zu dem chemischen Proceß
  der
  _=Umsetzung der Gebilde=_.


  Die Noten correspondiren mit den in den Abschnitten im Texte
  aufgeführten Nummern.

  Alle mit * bezeichneten Zahlenresultate der Analysen sind in dem
  chemischen Laboratorium in Gießen ausgeführt.


Anhang.


Seite 1. Einleitung zu den Analysen.


Erklärung der Formeln.

Die frühere Darstellung der Verschiedenheit in der Zusammensetzung der
Stoffe, die Angabe des Gehaltes in ihren Bestandtheilen nach Procenten,
ist von den Chemikern längst verlassen, weil sie keine Einsicht in die
Beziehungen gestattet, welche zwischen zwei und mehr Verbindungen
stattfinden. Um hiervon einige Beispiele zu geben, soll die
Zusammensetzung der Essigsäure und des Aldehyds, des Bittermandelöls und
der Benzoesäure hier erwähnt werden.

              Essigsäure  Aldehyd*  Benzoesäure*  Bittermandelöl*
  Kohlenstoff   40,00      55,024      69,25          79,56
  Wasserstoff    6,67       8,983       4,86           5,56
  Sauerstoff    53,33      35,993      25,89          14,88

Aldehyd verwandelt sich nun in Essigsäure, Bittermandelöl in Benzoesäure
durch Aufnahme von Sauerstoff, ohne daß sich an ihren Elementen sonst
irgend etwas ändert. In den bloßen Zahlenverhältnissen läßt sich diese
Beziehung nicht erkennen, drücken wir aber die Zusammensetzung beider in
einer Formel aus, so fällt der Zusammenhang zwischen diesen Materien
auch demjenigen in die Augen, welcher von der Chemie nichts weiß, als
daß der Buchstabe ~C~ ein Aequivalent Kohlenstoff, ~H~ 1 Aeq.
Wasserstoff, ~N~ 1 Aeq. Stickstoff und ~O~ 1 Aeq. Sauerstoff bedeutet.

          Formel                      Formel
  /--------------------\  /----------------------------\
     der         des           der            des
  Essigsäure   Aldehyds    Benzoesäure   Bittermandelöls
   ~C₄H₈O₄~    ~C₄H₈O₂~     ~C₁₄H₁₂O₄~     ~C₁₄H₁₂O₂~

Diese Formeln sind genaue Ausdrücke der Analysen, die, man kann es sich
so denken, sich auf eine unveränderliche Kohlenstoffquantität beziehen;
sie zeigen, daß Essigsäure und Aldehyd, Benzoesäure und Bittermandelöl
nur in dem Sauerstoffgehalt von einander abweichen, daß sie von den
übrigen Elementen einerlei Verhältnisse enthalten. Das Verständniß der
folgenden Formeln ist nicht minder einfach.

   Cyamelid          1 At. Cyanursäure        3 At. Cyansäurehydrat
  ~C₆N₆H₆O₆~   ~Cy₆~(= ~C₆N₆~)~O₃~ + 3~H₂O~ =   3(~Cy₂O~ + ~H₂O~)   =
                   = ~Summa~ ~C₆N₆H₆O₆~        = ~Summa~ ~C₆N₆H₆O₆~

Die erste Formel ist eine sogenannte empirische Formel, in der man wohl
das relative Verhältniß der Elemente genau kennt, aber nicht die
Ordnung, in welcher sie zusammengetreten sind. Die zweite Formel drückt
aus, daß 6 At. Cyan oder 6 At. Stickstoff und 6 At. Kohlenstoff zu
_einem_ zusammengesetzten Atom sich vereinigt haben, das mit 3 At.
Sauerstoff und 3 At. Wasser Cyanursäurehydrat gebildet hat; die letzte
drückt aus die Art und Weise der Ordnung der Atome in dem
Cyansäurehydrat, dreimal genommen; dieselbe Anzahl von Elementen, wie
in der Cyanursäure ist zu 3 Atomen Cyansäurehydrat zusammengetreten. Wie
man verfährt, um die procentische Zusammensetzung eines Körpers in einer
Formel auszudrücken, gehört nicht hierher; es soll nur erwähnt werden,
wie man verfahren muß, um aus einer jeden Formel rückwärts die
procentische Zusammensetzung zu finden. Für diesen Zweck muß man
beachten, daß der Buchstabe ~C~ in einer chemischen Formel ein Gewicht
von 76,437 Kohlenstoff (nach den neuesten Bestimmungen 75,8 oder 75,
eine Abweichung, welche auf die angeführten Formeln, da sie alle nach
der Zahl 76,437 berechnet sind, ohne den geringsten Einfluß ist)
bedeutet, der Buchstabe ~H~ ein Gewicht von 6,239 Wasserstoff, der
Buchstabe ~N~ = 88,52 Stickstoff, und zuletzt der Buchstabe ~O~, ein
Gewicht von 100 Sauerstoff.

Die Formel des Proteins ~C₄₈N₁₂H₇₂O₁₄~ drückt also aus:

           48 mal  76,437 =  3668,88 Kohlenstoff
           12  „   88,52  =  1062,24 Stickstoff
           72  „    6,239 =   449,26 Wasserstoff
           14  „  100,00  =  1400,00 Sauerstoff
                             -------
  ~in Summa~ das Gewicht von 6580,38 Protein.

                                                                in 100
                                                                Theilen
  In 6580,38 Theilen Protein sind enthalten 3668,88 Kohlenstoff 55,742
  In 6580,38    „       „     „      „      1062,24 Stickstoff  16,143
  In 6580,38    „       „     „      „       449,26 Wasserstoff  6,827
  In 6580,38    „       „     „      „      1400,00 Sauerstoff  21,288
                                                               -------
                                                               100,000


Note 1. Seite 13.

_Sauerstoffverbrauch des erwachsenen Mannes_.

                          Ein erwachsener Mann
                     /-----------------------------\
                       verbraucht        erzeugt        im kohlens.
                      in 24 Stunden   in 24 Stunden        Gas
                     an Sauerstoff-  an kohlensaurem   enthaltener
      nach                 gas             Gas         Kohlenstoff
                     /------------\  /-------------\
                      W. Zoll  Gran   W. Zoll  Gran      Gran
  Lavoisier u. Seguin 46037   15661   14930    8584      2820 franz.
  Menzies             51480   17625                           engl.
  Davy                45504   15751   31680   17811      4853 engl.
  Allen u. Pepys      39600   13464   39600   18612      5148 engl.

(Aus L. _Gmelins_ Handbuch der theor. Chemie.)


Note 2. Seite 14.

_Zusammensetzung des Bluts_: (Siehe Note 29.)

  in 100 Theilen      in 4,8 Pfd. = 36864 Gran

  Kohlenstoff  51,96     19154,5
  Wasserstoff   7,25      2672,7
  Stickstoff   15,07      5555,4
  Sauerstoff   21,30      7852,0
  Asche         4,42      1629,4
            ---------    -------
              100,000    36864,0

         Gran                           Gran
        19154,5 Kohlenstoff bildet mit 50539,5 Sauerstoff Kohlensäure
         2672,7 Wasserstoff   „     „  21415,8     „      Wasser
                                 ----------------
                             ~Summa~ = 71955,3 Sauerstoff
  Hiervon ab vorhandener Sauerstoff  =  7852,0
                               --------------------
                               bleiben 64103,3 Gran

Sauerstoff, welche zur vollständigen Verbrennung von 4,8 Pfd. Blut
erforderlich sind.

In obiger Rechnung ist angenommen worden, daß 24 Pfd. Blut 4,8 Pfd.
trocknen Rückstand (80 ~pCt.~) hinterlassen.


Note 3. Seite 14.

Bestimmung der Menge des ausgeathmeten Kohlenstoffs.

      _Faeces_:
  2,356 trockene Faeces hinterließen 0,320 Asche (13,58 ~pCt.~).
  0,352 Faeces gaben 0,576 Kohlensäure und 0,218 Wasser.

      _Linsen_:
  0,566 bei 100° getrocknete Linsen gaben 0,910 Kohlensäure und 0,336
      Wasser.

      _Erbsen_:
  1,060 hinterließen 0,037 Asche
  0,416 gaben 0,642 Kohlensäure und 0,241 Wasser.

      _Kartoffeln_:
  0,443 trockene Kartoffeln gaben 0,704 Kohlensäure und 0,248 Wasser.

      _Schwarzbrod_:
  0,302 trocknes Schwarzbrod gaben 0,496 Kohlensäure und 0,175 Wasser
  0,241    „         „         „   0,393      „       „  0,142   „

                            _Zusammensetzung_
                der      des Schwarz-  der Kartoffeln  (des Fleisches
               Faeces       brods                       s. Note 29.)
              Playfair*   Boeckmann*   Boussin- Boeck-
                                        gault   mann*
  Kohlenstoff  45,24     45,09  45,41    44,1   43,944
  Wasserstoff   6,88      6,54   6,45     5,8    6,222
  Stickstoff } 34,73     35,12  34,89    45,1   44,919
  Sauerstoff }
  Asche        13,15      3,25   3,25     5,0    4,915
             --------------------------------------------------------
              100,00    100,00 100,00   100,0  100,000
  Wasser      300,
              ------
              400,00

              Erbsen      Linsen     Bohnen

              Playfair*  Playfair*  Playfair*

  Kohlenstoff  35,743     37,38      38,24
  Wasserstoff   5,401      5,54       5,84
  Stickstoff } 39,366     37,98      38,10
  Sauerstoff }
  Asche         3,490      3,20       3,71
  Wasser       16,000     15,90      14,11
            -------------------------------
              100,000    100,000    100,000


                  Frisches     Kartoffeln   Schwarzbrod,
                   Fleisch                  einen Tag alt
                    Boeck-    Boussingault  Boeck-  Boeck-
                    mann*                   mann*   mann*
                 /---------\ /-----------\ /--------------\
  Wasser           75  74,8   72,2   73,2    33     31,418
  Trockne Substanz 25  25,2   27,8   26,8    67     68,582
                 -----------------------------------------
                  100 100,0  100,0  100,0   100    100,000


_Berechnung des von einem erwachsenen Menschen ausgeathmeten
Kohlenstoffs_.

_Fleisch_. Das fettlose Muskelfleisch, zu 74 Wasser und 26 ~pCt.~ fester
Substanz angenommen, enthält in 100 Theilen 13,6 Kohlenstoff. Das
gewöhnliche Fleisch enthält Muskelfleisch, Zellgewebe und Fett. Die
beiden letzteren machen im Durchschnitt ¹/₇ vom Gewicht des im
Fleischladen erkauften Fleisches aus. Die Anzahl der verzehrten Lothe
(64 Loth = 1 Kilogramm) beträgt 8896, welche bestehen aus:

  7625 Loth fettloses Muskelfleisch enthalten Kohlenstoff 1037 Loth
  1271  „   Zellgewebe mit Fett         „          „       898  „
                                                          ----
                                     in Summe Kohlenstoff 1935 Loth

Mit den Knochen enthält das gekaufte Fleisch 29 ~pCt.~ feste Substanz,
und 278 Pfd. Fleisch 28 Pfd. trockne Knochen, sie sind nicht in Rechnung
genommen, obwohl sie beim Kochen 8-10 ~pCt.~ Leimsubstanz verlieren,
welche mit als Nahrung genossen wird.

_Fett_. Es sind verzehrt worden 112 Loth Fett, welche zu 80 ~pCt.~
Kohlenstoff in Summa 89,6 Loth Kohlenstoff enthalten.


_Kohlenstoffgehalt der verzehrten Linsen, Bohnen und Erbsen._

Es sind verzehrt worden 107 Loth Linsen, 436 Loth Bohnen und 371 Loth
Erbsen, im Ganzen 914 Loth; bei einem Gehalte von 37 ~pCt.~ Kohlenstoff
sind verzehrt worden 338,2 Loth Kohlenstoff.

_Kartoffeln_. 100 Theile frische Kartoffeln enthalten 12,2 Kohlenstoff;
in den verzehrten 31752 Loth sind enthalten 3873,7 Kohlenstoff.

_Brod_. 855 Mann essen täglich 855 × 64 Loth, dazu noch 36 Pfd.
Suppenbrod macht zusammen 55872 Loth. 100 Loth frisches Brod enthalten
durchschnittlich 30,15 Loth Kohlenstoff, es sind mithin im Brod verzehrt
worden 17543 Loth Kohlenstoff.

Im Ganzen sind verzehrt worden:

  im Fleisch               1935   Loth Kohlenstoff
  Fett                       89,6  „       „
  Bohnen, Erbsen, Linsen    338,2  „       „
  Kartoffeln               3873,7  „       „
  Brod                    17543,0  „       „
                          -------
  von 855 Mann            23779,5 Loth Kohlenstoff
                          -------
  von 1 Mann                 27,8 Loth Kohlenstoff

Die Faeces eines Soldaten wiegen 11 Loth (5¹/₂ Unze); sie enthalten mit
ihrem ganzen Wassergehalt 11 ~pCt.~ Kohlenstoff; für 86 Kreuzer Gemüse,
Weißkraut, Kohlrabi, Gelberüben &c. erhält man durchschnittlich 172
Pfd.; 25 Maas Sauerkraut wiegen 100 Pfd. Für 48¹/₂ Kreuzer Zwiebeln,
Lauch, Sellerie erhält man auf dem Markte durchschnittlich 24¹/₄ Pfd.
Dem Gewicht nach haben 855 Mann Soldaten verzehrt:

  an grünem Gemüse  5604 Loth
  an Sauerkraut     3200  „
  an Zwiebeln &c.    776  „
                    ----
                    9580 Loth
                    ----
  ein Mann täglich  11,2 Loth

Der Kohlenstoffgehalt des verzehrten Gemüses ist gleich dem
Kohlenstoffgehalt der Faeces angenommen. Wurst, Branntwein, Bier,
überhaupt was im Wirthshaus verzehrt worden, nicht gerechnet.

Die Zahlen, welche den vorhergehenden Berechnungen zu Grunde gelegt
wurden, sind durchschnittlich dem Verbrauch von 855 Mann casernirter
Soldaten entnommen, deren Speisen (Brod, Kartoffeln, Fleisch, Linsen,
Erbsen, Bohnen &c.) während eines Monats bis auf Pfeffer, Salz und
Butter, mit der größten Genauigkeit gewogen und jedes einzelne der
Elementaranalyse unterworfen worden war (siehe Tabelle). Eine Ausnahme
hiervon machten drei Gardisten, welche außer dem vorschriftsmäßigen
Brodquantum (2 Pfd. täglich) in jeder Löhnungsperiode ¹/₂ Laib = 2¹/₂
Pfd. mehr bekamen und ein Tambour, der ¹/₂ Laib übrig behielt. Nach
einem annähernden Ueberschlage des Feldwebels verzehrt jeder Soldat
täglich durchschnittlich 6 Loth Wurst, 1¹/₂ Loth Butter, ¹/₂ Schoppen
(¹/₄ Litr.) Bier und ¹/₁₀ Schoppen Branntwein, deren Kohlenstoffgehalt
mehr als das Doppelte beträgt, von dem Kohlenstoffgehalt der Faeces und
des Urins zusammengenommen. Die Faeces betragen bei einem Soldaten
durchschnittlich 11 Loth, sie enthalten 75 ~pCt.~ Wasser und der trockne
Rückstand 45,24 ~pCt.~ Kohlenstoff und 13,15 ~pCt.~ Asche. 100 Theile
frische Faeces enthalten hiernach 11,31 Kohlenstoff, sehr nahe so viel
als ein gleiches Gewicht frisches Fleisch. In obiger Rechnung ist der
Kohlenstoff der Faeces und der des Urins gleichgesetzt worden dem
Kohlenstoffgehalt der frischen Gemüse und der anderen Speisen, welche im
Wirthshause verzehrt wurden.


Großherzogl. Leib-Compagnie.

_Uebersicht der im Monate November 1840 für die Menage obiger Compagnie
verbrauchten Victualien_.

  =======+======+=======+=========+======+========+========+========+
   1840. |      |       |         |      |        |        |        |
  Novem- | Es   |Ochsen-| Schwei- | Kar- | Erbsen | Bohnen | Linsen |
   ber.  |haben |fleisch|   ne-   | tof- |        |        |        |
         |geges-|       | fleisch | feln |        |        |        |
  In der | sen  |       |         |      |        |        |        |
  Periode|      |       |         |      |        |        |        |
    vom  | Mann |   ℔   |    ℔    |Kümpfe|Gescheid|Gescheid|Gescheid|
  -------+------+-------+---------+------+--------+--------+--------+
   1- 5  |  139 |   36  |    9    |12    |  1¹/₂  |    1   |   --   |
   6-10  |  145 |   37  |    9    |13¹/₂ |   --   |   --   |   --   |
  11-15  |  136 |   36  |    9    |12¹/₂ |   --   |    1   |   --   |
  16-20  |  136 |   37  |    9    |14¹/₂ |  1     |    1   |   --   |
         |      |       |Bratwurst|      |        |        |        |
  21-25  |  147 |   39  |    7¹/₂ |14    |   --   |   --   |    1   |
  26-30  |  152 |   30  |   19¹/₂ |14¹/₂ |  1     |    1   |   --   |
  -------+------+-------+---------+------+--------+--------+--------+
  ~Summa~|  855 |  215  |   63    |81    |  3¹/₂  |    4   |    1   |
  -------+------+-------+---------+------+--------+--------+--------+
         |      |       |         |      |        |        |        |
  Im     }monat-| 7³¹/₅₇|  2¹²/₅₇ |2⁴⁸/₅₇|   ⁷/₅₇ |  ⁸/₅₇  |  ²/₅₇  |
  Durch- } lich |   ℔   |    ℔    |      |        |        |        |
  schnitt}------+-------+---------+------+--------+--------+--------+
  essen  } täg- | 8⁸/₁₇₁| 2³⁰⁶/₈₅₅|⁸¹/₈₅₅|⁸⁷/₁₇₁₀ | ⁴/₈₅₅  |  ¹/₈₅₅ |
  daher  } lich |  Lth. |   Lth.  |      |        |        |        |
  täglich}------+-------+---------+------+--------+--------+--------+
  28¹/₂  }      |10³⁴⁶/₈₅₅ Loth   |      | \----------------------/ |
  Mann   }      |    täglich      |
  und es }
  erhält }
  ein    }
  Mann   }

  =======+======+======+======+======+=======+=======+========+======
   1840. |      |      |      |      |       |       |        |
  Novem- |Sauer-| Ge-  |      |      | Zwie- |       |        |
   ber.  |kraut | müse | Brod | Salz | beln  |Pfeffer|  Fett  |Essig
         |      |      |      |      |  und  |       |        |
  In der |      |      |      |      |Grünes |       |        |
  Periode|      |      |      |      |       |       |        |Schop-
    vom  | Maaß |  kr. |   ℔  |   ℔  |  kr.  |  kr.  |  Loth. | pen
  -------+------+------+------+------+-------+-------+--------+------
   1- 5  |   5  |   6  |  5   |  4¹/₂|   8   |  2¹/₂ |  26²/₃ |   --
   6-10  |   4  |  35  |  7¹/₂|  5   |   6¹/₂|  2¹/₂ |  21²/₃ |   --
  11-15  |   4  |  21  |  7¹/₂|  4¹/₂|   7   |  2    |  16    |   --
  16-20  |   4  |   6  |  6   |  4¹/₂|   8¹/₂|  3¹/₂ |  26²/₃ |   --
         |      |      |      |      |       |       |        |
  21-25  |  --  |  18  |  7¹/₂|  5¹/₂|  11   |  2¹/₂ |  10²/₃ |  1¹/₂
  26-30  |   8  |  --  |  2¹/₂|  4   |   7¹/₂|  2¹/₂ |  10²/₃ |   --
  -------+------+------+------+------+-------+-------+--------+------
  ~Summa~|  25  |   86 | 36   | 28   |  48¹/₂| 15¹/₂ | 112    |  1¹/₂
  -------+------+------+------+------+-------+-------+--------+------
         |      |      |      |      |       |       |        |
  Im     } ⁵⁰/₅₇| 3¹/₅₇|1¹⁵/₅₇|⁵⁶/₅₇ | 1⁴⁰/₅₇| ³¹/₅₇ |3¹⁵⁹/₁₇₁|  ³/₅₇
  Durch- }      |      |      |      |       |       |        |
  schnitt}------+------+------+------+-------+-------+--------+------
  essen  } ⁵/₁₇₁|⁸⁶/₈₅₅|³⁶/₈₅₅|²⁹/₈₅₅|⁹⁷/₁₇₁₀|³¹/₁₇₁₀| ¹¹²/₈₅₅|³/₁₇₁₀
  daher  }      |      |      |      |       |       |        |
  täglich}------+------+------+------+-------+-------+--------+------
  28¹/₂  }      |      |      |      |       |       |        |
  Mann   }      |      |      |      |       |       |        |
  und es }
  erhält }
  ein    }
  Mann   }

  1 Gescheid Bohnen wiegt 3 ℔ 15 Loth
  1     „    Linsen   „   3 „ 11  „
  1     „    Erbsen   „   3 „ 10  „
  1 Kumpf Kartoffeln  „  12 „  8  „


Note 4. Seite 15.

_Nahrungsmittel eines Pferdes_,

in 24 Stunden verzehrt.

  ========+==========+==========+=======+=======+======+======+======
   _Nah-  |Gewicht im|Gewicht im|       |       |      |      |Salze
   rungs- | feuchten |trockenen |Kohlen-|Wasser-|Sauer-|Stick-| und
  mittel_.|Zustande. |Zustande. |stoff. |stoff. |stoff.|stoff.|Erden.
  --------+----------+----------+-------+-------+------+------+------
  Heu     |   7500   |   6465   | 2961,0| 323,2 |2502,0|  97,0|581,8
  Hafer   |   2270   |   1927   |  977,0| 123,3 | 707,2|  42,4| 77,1
  Wasser  |  16000   |    --    |   --  |  --   |  --  |   -- | 13,3
  --------+----------+----------+-------+-------+------+------+------
  ~Summa~ |  25770   |   8392   | 3938,0| 446,5 |3209,2| 139,4|672,2

_Producte eines Pferdes_

in 24 Stunden[F15].

  ==========+==========+==========+=======+=======+======+======+======
    _Nah-   |Gewicht im|Gewicht im|       |       |      |      |Salze
    rungs-  | feuchten |trockenen |Kohlen-|Wasser-|Sauer-|Stick-| und
   mittel_. |Zustande. |Zustande. |stoff. |stoff. |stoff.|stoff.|Erden.
  ----------+----------+----------+-------+-------+------+------+------
  Harn      |    1330  |    302   |  108,7|  11,5 |  34,1|  37,8| 109,9
  Excremente|   14250  |   3525   | 1364,4| 179,8 |1328,9|  77,6| 574,6
  ----------+----------+----------+-------+-------+------+------+------
  ~Summa~   |   15580  |   3827   | 1472,9| 191,3 |1363,0| 115,4| 684,5
  Totalge-  |          |          |       |       |      |      |
  wichte des|          |          |       |       |      |      |
  ersten    |          |          |       |       |      |      |
  Theils    |          |          |       |       |      |      |
  diesser   |          |          |       |       |      |      |
  Tafel     |   25770  |   8392   | 3938,0| 446,5 |3209,2| 139,4| 672,2
  ----------+----------+----------+-------+-------+------+------+------
  Differenz |   10190  |   4565   | 2465,1| 255,2 |1846,2|  24,0|  12,3
  Richtung  |          |          |       |       |      |      |
  der Diffe-|          |          |       |       |      |      |
  renz      |     -    |     -    |   -   |   -   |  -   |   -  |   +

  [15] ~Ann. de Chim. et de phys. T. LXX. p.~ 136.

_Nahrungsmittel einer Kuh_,

in 24 Stunden verzehrt.

  ==========+==========+==========+=======+=======+======+======+=======
    _Nah-   |Gewicht im|Gewicht im|       |       |      |      | Salze
    rungs-  | feuchten |trockenen |Kohlen-|Wasser-|Sauer-|Stick-|und er-
   mittel_. |Zustande. |Zustande. |stoff. |stoff. |stoff.|stoff.| dige
            |          |          |       |       |      |      | Mate-
            |          |          |       |       |      |      | rien.
  ----------+----------+----------+-------+-------+------+------+-------
  Kartoffel |  15000   |   4170   | 1839,0| 241,9 |1830,6|  50,0| 208,5
  Grummet   |   7500   |   6315   | 2974,4| 353,6 |2204,0| 151,5| 631,5
  Wasser    |  60000   |    --    |   --  |   --  |  --  |  --  |  50,0
  ----------+----------+----------+-------+-------+------+------+-------
  ~Summa~   |   82500  |  10485   | 4813,4| 595,5 |4034,6| 201,5| 889,0

_Producte einer Kuh_

in 24 Stunden[F16].

  ==========+==========+==========+=======+=======+======+======+=======
    _Nah-   |Gewicht im|Gewicht im|       |       |      |      | Salze
    rungs-  | feuchten |trockenen |Kohlen-|Wasser-|Sauer-|Stick-|und er-
   mittel_. |Zustande. |Zustande. |stoff. |stoff. |stoff.|stoff.| dige
            |          |          |       |       |      |      | Mate-
            |          |          |       |       |      |      | rien.
  ----------+----------+----------+-------+-------+------+------+-------
  Excremente|  28413   |  4000,0  | 1712,0| 208,0 |1508,0|  92,0| 480,0
  Harn      |   8200   |   960,8  |  261,4|  25,0 | 253,7|  36,5| 384,2
  Milch     |   8539   |  1150,6  |  628,2|  99,0 | 321,0|  46,0|  56,4
  ----------+----------+----------+-------+-------+------+------+-------
  ~Summa~   |  45152   |  6111,4  | 2601,6| 332,0 |2082,7| 174,5| 920,6
  Totalge-  |          |          |       |       |      |      |
  wichte des|          |          |       |       |      |      |
  ersten    |          |          |       |       |      |      |
  Theils    |          |          |       |       |      |      |
  dieser    |          |          |       |       |      |      |
  Tafel     |  82500   | 10485,0  | 4813,4| 595,5 |4034,6| 201,5| 889,0
  ----------+----------+----------+-------+-------+------+------+-------
  Differenz |  37348   |  4374,6  | 2211,8| 263,5 |1951,9|  27,0|  31,6
  Richtung  |          |          |       |       |      |      |
  der Diffe-|          |          |       |       |      |      |
  renz      |    -     |     -    |    -  |   -   |   -  |   -  |   +

  [16] ~Ann. de Chim. et de phys. T. LXX. p.~ 136.


Note 5. Seite 20.

_Temperatur und Bewegung des Bluts._

                                   _Nach Prevost und Dumas_
                       die mittlere     die Anzahl        die Anzahl
  ist bei der           Temperatur    der Pulsschläge   der Athemzüge
                                               in der Minute
                                          /---------------------\
  Taube                   42°  C            136              34
  Huhn                    41,5              140              30
  Ente                    42,5              170              21
  Rabe                    42,5              110              21
  Lerche                  44,0              200              22
  Simia Callitriche       35,5               90              30
  Meerschwein             38,0              140              36
  Hund                    37,4               90              28
  Katze                   38,5              100              24
  Ziege                   39,2               84              24
  Hase                    38,0              120              36
  Pferd                   36,8               56              16
  Mensch                  37,0               72              18
                          -----             ---              --
  Mensch Mann (~J. L.~)   36,5*              65              17
  Mensch Weib (~J. L.~)   36,8*              60              15

Temperatur des Kindes 39°.

Die Wärme des Menschen beträgt in den inneren Theilen, welche zunächst
zugänglich sind, wie Mund, Mastdarm 29,20-29,60° R. = 36,50-37° C. Die
Wärme des Blutes (_Magendie_) 30,5-31° R. = 38,1-38,7° C. Als mittlere
Temperatur ist ~p.~ 20 37,5° C. angenommen.


Note 6. Seite 37.

Die Gefangenen in dem Arresthaus in Gießen erhalten täglich 1¹/₂ Pfd.
Brod (48 Loth), welche 14¹/₂ Loth Kohlenstoff enthalten. Sie erhalten
ferner 1 Pfd. Suppe und in je zwei Tagen 1 Pfd. Kartoffeln.

  1¹/₂ Pfund Brod       enthalten 14,5  Loth Kohlenstoff
  1       „  Suppe          „      1,5    „       „
   ¹/₂    „  Kartoffeln     „      2,00   „       „
                                  -----
                                  17,00 Loth Kohlenstoff


Note 7. Seite 43.

_Zusammensetzung des Blut-Fibrins und -Albumins_[F17].

                 Albumin aus Blutserum              Fibrin
                        Scherer*               Scherer*      Mulder
               /------------------------\ /---------------\
                 ~I.~     ~II.~   ~III.~    ~I.~     ~II.~   ~III.~

  Kohlenstoff   53,850   55,461   55,097   53,671   54,454   54,56
  Wasserstoff    6,983    7,201    6,880    6,878    7,069    6,90
  Stickstoff    15,673   15,673   15,681   15,763   15,762   15,72
  Sauerstoff }
  Schwefel   }  23,494   21,655   22,342   23,688   22,715   22,82
  Phosphor   }

Die weiteren Analysen des Thier-Albumins und Fibrins siehe in der Note
28 S. 319, so wie auch die Analysen der Organe oder ihrer Theile.

  [17] Annal. der Chemie u. Pharm. Bd. ~XXVIII.~ S. 74 u. Bd. ~XL.~ S.
  33 u. 36.


Note 8. Seite 49.

_Zusammensetzung des Pflanzen-Fibrins, -Albumins, -Caseins und -Leims_.

_Pflanzenfibrin_

                                                         Roher
                                                   Kleber a. Weizenmehl
                       Scherer[F18]*         Jones   Marcet   Boussin-
                /------------------------\   [F19]*   [F20]    gault
                  ~I.~     ~II.~   ~III.~
  Kohlenstoff    53,064   54,603   54,617    53,83    55,7     53,5
  Wasserstoff     7,132    7,302    7,491     7,02    14,5     15,0
  Stickstoff     15,359   15,810   15,809    15,58     7,8      7,0
  Sauerstoff }
  Schwefel   }   24,445   22,285   22,083    23,56    22,0     24,5
  Phosphor   }

  [18] Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 7.

  [19] Ebendaselbst. S. 65.

  [20] L. Gmelin’s th. Chem. Bd. ~II.~ S. 1092.

_Pflanzenalbumin_[F21]

                 a.       a.           a.          a.
               Roggen   Weizen    Pflanzenleim   Mandeln
               Jones*             Varrentrapp    Jones*
                                      u. Will*
  Kohlenstoff   54,74    55,01       54,85       57,03
  Wasserstoff    7,77     7,23        6,96        7,53
  Stickstoff    15,85    15,92       15,88       13,45
  Sauerstoff }
  Schwefel   }  21,64    21,84       22,39       21,96
  Phosphor   }

  [21] Ann. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 66. u. Bd. ~XXXIX.~ S. 291.

              Boussingault.   Varrentrapp
                               u. Will.*
  Kohlenstoff     52,7            --
  Wasserstoff      6,9            --
  Stickstoff      18,4           15,70
  Sauerstoff      22,0            --

_Pflanzencasein_[F22]

                                          schwefelsaures
                                            Caseinkali
                      Scherer*  Jones*     Varrentrapp
                                             u. Will*
                                         /--------------\
  Kohlenstoff          54,138    55,05    51,41    51,24
  Wasserstoff           7,156     7,59     7,83     6,77
  Stickstoff           15,672    15,89    14,48    13,23
  Sauerstoff u. s. w.  23,034    21,47      --       --

  [22] Ann. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XXXIX.~ S. 291 und Bd. ~XL.~ S. 8
  u. 67.

_Pflanzenleim_

                       Jones     Boussingault
                       [F23]*   /------------\
                                 ~I.~   ~II.~
  Kohlenstoff          55,22     54,2   52,3
  Wasserstoff           7,42      7,5    6,5
  Stickstoff           15,98     13,9   18,9
  Sauerstoff u. s. w.  21,38     24,4   22,3

  [23] Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 66.


Note 9. Seite 53.

_Zusammensetzung des Thier-Caseins_.

                              Scherer[F24]*
              /-------------------------------------------\
                  a.           a.            a.
                frisch.       saur.       Milch m.  Zieger
                 Milch        Milch       Essigs.
                        /---------------\
                 ~I.~     ~II.~   ~III.~   ~IV.~     ~V.~
  Kohlenstoff   54,825   54,721   54,665   54,580   54,507
  Wasserstoff    7,153    7,239    7,465    7,352    6,913
  Stickstoff    15,628   15,724   15,724   15,696   15,670
  Sauerstoff }  22,394   22,316   22,146   22,372   22,910
  Schwefel   }

  [24] Annal. d. Chem. n. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 40 u. s. f.

                 _Mulder_[F25]
  Kohlenstoff       54,96
  Wasserstoff        7,15
  Stickstoff        15,80
  Sauerstoff        21,73
  Schwefel           0,36

  [25] Die Analyse des Pflanzencaseins siehe in der vorhergehenden Note.


Note 10. Seite 66.

_Gehalt der festen Excremente an in Alkohol löslichen Bestandtheilen_
(_Will*_).

18,3 Grm. bei 100° getrocknete Pferdexcremente verloren durch Behandlung
mit Alkohol 0,995 am Gewichte, der trockne Rückstand besaß die
Beschaffenheit von ausgekochten Sägespänen.

14,98 Grm. trockner Kuhexcremente verloren durch die nämliche Behandlung
0,625 Grm.


Note 11. S. 72.

_Zusammensetzung des Amylons_[F26].

                                   Strecker*
              /--------------------------------------------------\
                berechnet
               ~C₁₂H₂₀O₁₀~  aus Erbsen  Linsen  Bohnen  Heidekorn
  Kohlenstoff     44,91        44,33     44,46   44,16    44,23
  Wasserstoff      6,11         6,57      6,54    6,69     6,40
  Sauerstoff      48,98        49,09     49,00   49,15    49,37

                             Strecker*
               /-----------------------------------\
                            Roß-
                aus Mais kastanien  Weizen   Roggen
  Kohlenstoff     44,27    44,44     44,26    44,16
  Wasserstoff      6,67     6,47      6,70     6,64
  Sauerstoff      49,06    49,08     49,04    49,20

                             Strecker*
               /-----------------------------------\
                          Dahlien-  unreif. unreif.
                aus Reis   wurzel  Aepfeln  Birnen
  Kohlenstoff     44,69    44,13    44,10    44,14
  Wasserstoff      6,36     6,56     6,57     6,75
  Sauerstoff      48,95    49,31    49,33    49,11


                  aus Kartoffeln     a. Pfeil- a. Yams-
                                     wurzeln   wurzeln
               /-------------------\
                 Berze-  Gay-Lussac   Prout   Ortigosa*
                  lius   u. Thénard
  Kohlenstoff    44,250    43,55      44,40     44,2
  Wasserstoff     6,674     6,77       6,18      6,5
  Sauerstoff     49,076    49,68      49,42     49,3

  [26] Die in den Analysen von _Strecker_ und _Ortigosa_ verwendete
  Stärke wurde in dem Laboratorium zu Gießen aus den Samen, Knollen und
  Früchten dargestellt.


Note 12. Seite 72.

_Zusammensetzung des Trauben- (Stärke-)zuckers_.

               Trauben  Stärke   Honig
                [F27]   [F28]    [F29]    berechn.
                   Saussure      Prout  ~C₁₂H₂₈O₁₄~
               /-------------\
  Kohlenstoff   36,71   37,29    36,36     36,80
  Wasserstoff    6,78    6,84     7,09      7,01
  Sauerstoff    56,51   55,87    56,55     56,19

  [27] ~Ann. de Chim.~ Bd. ~XI.~ S. 381.

  [28] ~Ann. of Philosoph. T. VI. p.~ 426.

  [29] ~Philos. Transact.~ 1827 ~p.~ 373.


Note 13. Seite 73.

_Zusammensetzung des Milchzuckers_.

                 Gay-L.                    Ber-             berechnet
                u. Thén.  Prout   Brunn.  zelius   J. L.*  ~C₁₂H₂₄O₁₂~
  Kohlenstoff    38,825   40,00   40,437  39,474   40,00      40,46
  Wasserstoff     7,341    6,66    6,711   7,167    6,73       6,61
  Sauerstoff     53,834   53,34   52,852  53,359   53,27      52,93


Note 14. Seite 74.

_Zusammensetzung des Gummis_.

                Gay-Luss.          Ber-    berechnet
                 u. Thén. Goebel  zelius  ~C₁₂H₂₂O₁₁~
  Kohlenstoff     42,23    42,2   42,682     42,58
  Wasserstoff      6,93     6,6    6,374      6,37
  Sauerstoff      50,84    15,2   50,944     51,05


Note 15. Seite 76.

_Analyse des Hafers nach Boussingault_[F30].

  100 Theile Hafer enthalten trockne Substanz  84,9
                                       Wasser  17,1
                                              -----
                                              100,0

  100 Theile trockner Hafer = 117,7 lufttrocknem enthalten:
  Kohlenstoff                  50,7
  Wasserstoff                   6,4
  Sauerstoff                   36,7
  Stickstoff                    2,2
  Asche                         4,0
                             ------
                              100,0
                               17,7 Wasser
                             ------
           lufttrockner Hafer 117,7 in 100 Theilen 1,867 Stickstoff.

  [30] ~Ann. de Chim. et de Phys. T. LXXI. p.~ 130.

_Analyse des Heu’s_[F31].

  100 Theile Heu enthalten lufttrocken  86 trockne Substanz
                                        14 Wasser
                                       ---
                                       100

  100 Th. bei 100° getrocknetes Heu = 116,2 lufttrocknes Heu enthalten:
                      Kohlenstoff      45,8
                      Wasserstoff       5,0
                      Sauerstoff       38,7
                      Stickstoff        1,5
                      Asche             9,0
                                    --------
                                      100,0
                      Hierzu           16,2 Wasser
                                    --------
                                      116,2 lufttrocknes Heu.

  100,0 lufttrocknes Heu enthalten 1,29 Stickstoff

  480 Loth Heu   lufttrocken = 15 Pfund enthalten 6,19 Loth Stickstoff
  144  „   Hafer      „      = 4¹/₂ „       „     2,68  „       „
                                                 -----
                                        Zusammen  8,87 Loth Stickstoff.

  [31] ~Ann. de Chim. et de Phys. T. LXXI. p.~ 129.


Note 16. Seite 78.

_Kohlenstoffgehalt des Fleisches und Amylons_.

  100 Loth Amylon enthalten 44 Loth Kohlenstoff, 128 Loth (4 Pfund)
                                       enthalten 56,32 Loth Kohlenstoff.
  100 Loth frisches Fleisch enthalten 13,6 Loth Kohlenstoff (siehe
                                                                 Note 3)
  480  „      „        „    (15 Pfund) mithin 55,28 Loth.


Note 17. Seite 85.

                    _Zusammensetzung des_
                 Schweine-  Hammels-  Menschen-
                 schmalzes  talges   fettes[F32]
                           Chevreul
                 /--------------------------\
  Kohlenstoff     79,098    78,996    79,000
  Wasserstoff     11,146    11,700    11,416
  Sauerstoff       9,756     9,304     9,584

  [32] ~Recherch. chim. sur les corps gras. Paris~ 1823.


Note 18. Seite 85.

                              _Zusammensetzung_
                       des Rohrzuckers nach den Analysen
                                     von
                 Ber-           W.     Lie-  Gay-L.    berechnet
                zelius  Prout  Crum    big*  u. Thén. ~C₂₀H₂₂O₁₁~
  Kohlenstoff   42,225  42,86  42,14  42,301  42,47      42,58
  Wasserstoff    6,600   6,35   6,42   6,384   6,90       6,37
  Sauerstoff    51,175  50,79  51,44  51,315  50,63      51,05

Die Zusammensetzung des Gummis und der Stärke siehe Note 14 u. 11.


Note 19. Seite 86.

_Zusammensetzung des Cholsterins_.

                Chevreul   Couerbe   Mar-   berechnet
                  [F33]     [F34]    chand  ~C₃₆H₆₄O~
  Kohlenstoff    85,095    84,895    84,90    84,641
  Wasserstoff    11,880    12,099    12,00    12,282
  Sauerstoff      3,025     3,006     3,10     3,077

  [33] ~Recherch. sur les corps gras. p.~ 185.

  [34] ~Ann. de Chim. et de Phys. T. LVI. p.~ 164.


Note 20. Seite 88.

_Die Entstehung des Wachses aus Zucker_[F35].

Sobald die Bienen ihren Magen oder die sogenannte Honigblase mit Honig
angefüllt haben, und diesen nicht ablegen können, geht derselbe in Menge
nach und nach in den Darmkanal, wird hier verdauet, der größte Theil
davon als Excremente ausgeschieden und der andere in die Säfte der
Bienen übergeführt. Durch diesen großen Zufluß von Säften bildet sich
ein Fett, welches auf den vorn erwähnten acht Fleckchen, die sich an den
untern 4 Schuppen der Bauchringel befinden, als eine flüssige Masse
hervorquillt und bald als Wachsblättchen erhärtet; während, wenn die
Biene den Honig ablegen kann, nur so viel in den Darmkanal übergeht, als
zur Ernährung derselben nöthig ist. Die Honigblase der Bienen braucht
kaum 40 Stunden mit Honig angefüllt zu sein, um auf den 8 Fleckchen, 8
Wachsblättchen vollkommen zur Reife zu bringen, so daß diese abfallen.
Ich machte den Versuch und gab Bienen, die ich am Ende des Monats
September mit ihrer Königin in ein Kästchen setzte, statt Honig
aufgelös’ten Candiszucker. Es bildeten sich auch davon Wachsblättchen;
aber sie wollten nicht recht abspringen, sondern die weiter ausquellende
Masse blieb an den oberen Wachsblättchen bei den meisten Bienen hängen,
so daß die Blättchen so dick wurden, als es sonst viere zusammen sind.
Die Schuppen der Bienen wurden dadurch ganz in die Höhe gehoben, und die
Blättchen ragten hervor. Beim Nachsehen fand ich, daß diese dicken
Blättchen, welche unter der Lupe mehrere Lamellen zeigten, nach dem
Kopfe der Biene hin von oben nach unten, und nach der Schwanzspitze hin
von unten nach oben eine schiefe Fläche hatten. Es war also das sich
zuerst gebildete Blättchen durch das nächstfolgende, und weil da, wo die
Schuppen an der Fugenhaut festsitzen, kein Raum für 2 Blättchen
vorhanden ist, etwas abgeschoben worden, und so war es denn auch mit dem
dritten Blättchen gegangen, wodurch die schiefen Flächen an den Seiten
der Blättchen nach vorn und hinten entstanden waren. Ich habe hieraus
recht deutlich ersehen, daß die Wachsblättchen durch die nächstfolgend
sich bildenden Blättchen abgeschoben werden. Der Zuckersaft war von den
Bienen auch in Wachs zersetzt worden; allein es scheint doch, daß die
Bildung irgend eine Unvollkommenheit erlitten hatte, indem die reifen
Wachsblättchen sich nicht ablös’ten, sondern an den nächstfolgenden
hängen blieben. Zum Wachsausschwitzen bedürfen die Bienen keines
Blumenstaubes, sondern nur Honig. Ich habe schon im October Bienen in
ein leeres Kästchen gebracht und ihnen Honig untergesetzt, und sie
bauten bald Waben, obschon das Wetter so war, daß sie gar nicht fliegen
konnten. Ich kann deßhalb gar nicht glauben, daß der Blumenstaub eine
Nahrung für die Bienen abgebe, sondern ich glaube, daß sie ihn nur
verschlucken, um mit Honig und Wasser vermischt, den Nahrungssaft für
die Maden daraus zu bereiten. Die Bienen verhungern auch oft noch im
April, wenn ihr Honigvorrath aufgezehrt ist, und sie Blumenstaub in
Menge, aber keinen Honig eintragen können. Sie reißen in der Noth die
Nymphen aus den Zellen und zernagen diese, um durch den süßen Saft, den
sie in diesen finden, sich das Leben zu fristen. Werden sie aber in
dieser Lage nicht gefüttert, oder tritt nicht alsbald Nahrung auf dem
Felde ein, so sterben sie in wenigen Tagen. Wäre nun aber der
Blumenstaub eine wirkliche Nahrung für die Bienen, so müßten sie doch
wohl von diesem, mit Wasser vermischt, sich ihr Leben fristen können.

  [35] Aus Ferdinand Wilhelm _Gundlach’s_ Naturgeschichte der Bienen, S.
  15. ff. Cassel 1842 bei Bohne. -- Wir kennen keinen schöneren und
  überzeugenderen Beweis der Fettbildung aus Zucker, als den folgenden,
  aus der Beobachtung entnommenen, Proceß der Wachsbildung bei den
  Bienen.

Die Bienen bauen nie Waben, wenn sie nicht eine Königin haben, oder
nicht mit Brut versehen sind, aus welcher sie sich eine Königin erziehen
können. Sperrt man aber Bienen ohne Königin in ein Kästchen und füttert
sie mit Honig, so sieht man, daß sie nach 48 Stunden Wachsblättchen auf
den Schuppen haben, und daß deren auch schon einige abgefallen sind. Das
Wabenbauen ist also etwas Willkürliches und an gewisse Bedingungen
geknüpft; das Wachsausschwitzen aber etwas Unwillkürliches.

Man sollte glauben, daß eine große Menge dieser Wachsblättchen verloren
gingen, da sie ja den Bienen eben so gut außer dem Stocke als in
demselben abfallen könnten; allein der Schöpfer hat weise dafür gesorgt,
daß solche nicht verloren gehen. Stellt man den Bienen, welche im Bauen
begriffen sind, Honig in einem flachen Gefäße unter und bedeckt diesen,
damit die Bienen nicht in den Honig einsinken, mit einem durchlöcherten
Papier, so sieht man am andern Morgen, daß der Honig aufgetragen ist,
und daß auf dem Papier eine große Menge Wachsblättchen liegen. Man
sollte wohl glauben, daß die Bienen, welche den Honig aufgetragen haben,
diese Blättchen hätten fallen lassen; allein es ist nicht so. Legt man
über das Honiggefäß zwei dünne Stäbchen und auf diese ein Brett, welches
das Gefäß von allen Seiten überragt, so also, daß die Bienen unter dem
Brette durchkriechen und den Honig holen können, aber nichts von oben
aus dem Stocke auf den Honig fallen kann, so findet man am andern Morgen
den Honig aufgetragen, aber keine Wachsblättchen auf dem Papier liegen;
wohl aber liegen deren auf dem das Gefäß überragenden Brettchen. Die
Bienen, welche den Honig holen, lassen also keine Blättchen fallen,
sondern es thun dieses nur die Bienen, welche oben im Stocke hängen.
Wiederholte Versuche dieser Art haben mich überzeugt, daß die Bienen,
sobald ihre Wachsblättchen zum Abfallen reif sind, sich in den Stock
zurückziehen und der Ruhe pflegen, eben so wie die Raupen es thun, wenn
sie sich häuten wollen. Bei einem Schwarme, der stark baut, sieht man
Tausende von Bienen, welche ganz unthätig oben im Stocke hängen; es sind
dies lauter Bienen, deren Wachsblättchen zum Abfallen reif sind; haben
sie sich abgelöset, so erwacht wieder die Thätigkeit der Biene, und ihre
Stelle wird nun von einer andern zu gleichem Zwecke eingenommen.

  Seite 28. derselben Schrift. Um zu ermitteln, wie viel Honig die
  Bienen zur Erzeugung des Wachses nöthig haben, und wie oft, bei einem
  im Bauen begriffenen Schwarme, die Wachsblättchen ihre Reife erhalten
  und abfallen, machte ich folgenden, wie ich glaube, nicht
  uninteressanten Versuch.

Am 29sten August d. J., zu einer Zeit, wo hier kein Honig mehr für die
Bienen auf dem Felde zu finden war, trieb ich einen kleinen Bienenstock
ab, that die Bienen in einen kleinen, aus Holz angefertigten,
Bienenkasten, suchte aber vorher die Königin aus und sperrte diese in
eine mit Drahtgitter versehene Büchse, welche ich in das Stopfenloch des
Bienenkastens einfügte, damit keine Brut in die Zellen kommen konnte,
und stellte sodann, um die Bienen genau beobachten zu können, dieses
Stöckchen in ein Fenster auf meinen Boden. Des Nachmittags um 6 Uhr gab
ich den Bienen 12 Loth aus zugespundeten Zellen ausgelaufenen Honig, der
also ganz die Consistenz des fertigen Honigs hatte. Dieser war am
andern Morgen von den Bienen aufgeleckt. Am 30sten August des Abends gab
ich den Bienen wieder 12 Loth, der am andern Morgen ebenfalls aufgeleckt
war; es lagen aber auch schon einige Wachsblättchen auf dem
durchlöcherten Papiere, womit ich den Honig bedeckt hatte. Am 31sten
August und 1sten September erhielten die Bienen des Abends 20 Loth und
am 3ten September des Abends 14 Loth; in Summa also 1 Pfund 26 Loth
Honig, der aus Zellen, welche die Bienen schon zugespundet hatten, kalt
ausgelaufen war. Am 5ten September betäubte ich die Bienen, indem ich
sie durch Bovist herabfallen ließ. Ich zählte solche, und fand 2765
Bienen; sie wogen 20 Loth. Nun wog ich das Kästchen, dessen darin
befindliche Waben sehr mit Honig angefüllt, jedoch die Zellen noch nicht
bedeckelt waren, bemerkte mir das Gewicht und ließ nun von einem starken
Stocke den Honig auftragen, was in ein Paar Stunden geschehen war. Ich
wog jetzt das Kästchen wieder und fand, daß es 24 Loth leichter geworden
war; folglich hatten die Bienen 24 Loth Honig von dem ihnen gegebenen 1
Pfund 26 Loth noch im Stocke gehabt. Nun brach ich die kleinen Waben aus
und fand, daß sie 1¹/₄ Loth wogen. Ich ließ die Bienen in einem andern
Kästchen erwachen, welches mit leeren Waben versehen war, und fütterte
sie mit ganz ähnlichem Honig. In den ersten paar Tagen verloren sie
täglich über 2 Loth an Gewicht, nachher aber jeden Tag 1 Loth, was daher
kam, daß der Darmkanal der Bienen in Folge der Verdauung des vielen
Honigs voll von Excrementen war, denn 1170 Bienen wiegen im Herbste,
wenn sie noch nicht lange eingesessen haben, 8 Loth; mithin müßten 2765
Bienen etwa 18 Loth wiegen. Sie wogen aber 20 Loth und hatten deßhalb 2
Loth Excremente bei sich, denn ihre Honigblasen waren leer. Des Nachts
verminderte sich das Gewicht des Stöckchens gar nicht, weil der wenige
Honig, den die Bienen im Stöckchen hatten, und weil derselbe schon die
nöthige Consistenz erlangt hatte, keinen merkbaren Verlust des Gewichts
durch das Verdunsten erlitt und die Bienen keine Excremente von sich
geben konnten; daher geschah die Verminderung des Gewichts nur jedesmal
von des Morgens bis zum Abend. Hatten nun die Bienen in den 7 Tagen 7
Loth Honig zur Ernährung ihres Körpers bedurft, so hatten sie zur
Bildung von 1¹/₄ Loth Wachs 27 Loth Honig verbraucht, und mithin sind
zur Bildung eines Pfundes Wachses an 20 Pfund Honig nöthig. Daher kommt
es auch, daß die stärksten Schwärme bei der ergiebigsten Honigerndte, wo
andere Stöcke, die nicht zu bauen brauchen, oft in einem Tage 3-4 Pfunde
zunehmen, fast gar nicht schwerer werden, obschon ihre Thätigkeit ohne
Grenzen ist; es wird alles Gewonnene zu Wachs verwendet. Es ist dieses
ein Wink für die Bienenhalter, den Wachsbau einzuschränken. _Cnauf_
empfahl dieses schon, obgleich ihm das eigentliche Verhältniß unbekannt
war. Von einem Loth Wachs können die Bienen so viel Zellen bauen, daß
sie darin 1 Pfund Honig aufbewahren können.

100 Wachsblättchen wiegen 0,024 Gramm, folglich gehen auf ein Kilogramm
4,166,666 Wachsblättchen, 50 Kilogramm sind gleich 106 Pfund Cöllnisch
Gewicht, 1 Pfund gleich 32 Loth. Es gehen daher auf 1¹/₄ Loth 81,367
Wachsblättchen. Diese waren von 2765 Bienen in 6 Tagen ausgeschwitzt
worden; es kommen daher auf jede Biene in 24 Stunden 5 Blättchen, und
mithin bedarf die Biene zur Bildung ihrer 8 Blättchen etwa 38 Stunden;
was auch mit meinen Beobachtungen sehr genau übereinstimmt. Die
ausgeschwitzten Wachsblättchen sind vollkommen so weiß, als gut
gebleichtes Wachs. Auch die Waben sind anfänglich ganz weiß, sie werden
aber durch den Honig und besonders durch den Blumenstaub gelb gefärbt.
Sowie es anfängt kalt zu werden, ziehen sich die Bienen in dem Stocke
unter dem Honig zusammen und zehren nun von ihrem Vorrathe.

S. 54. Viele glauben, die Bienen hätten einen Winterschlaf; allein
dieses ist ganz falsch. Die Bienen sind den ganzen Winter über munter;
es bleibt immer warm in ihrem Stocke, durch die Wärme, welche sie selbst
entwickeln. Je mehr Bienen in einem Stocke sind, desto mehr Wärme wird
entwickelt, und deßhalb können starke Stöcke der heftigsten Kälte
trotzen. Ich hatte den Fall, daß ich vergessen hatte, einem Stocke,
welchem ich im Juli zur Verminderung der Hitze ein durchlöchertes Blech
auf das sehr weite Stopfenloch geheftet hatte, dieses im Herbste
abzunehmen; und obschon der Winter ungemein heftig war, und die Kälte
mehrere Tage über -18° betrug, kam dieser Stock doch sehr gut durch den
Winter; ich hatte aber im Herbste zu diesem Stocke das Volk von 2
anderen Stöcken gethan! Wird die Kälte sehr heftig, so fangen die Bienen
an zu brausen; dadurch wird der Respirationsproceß erhöht, und die
Wärmeentwicklung vermehrt. Sperrt man im Sommer Bienen ohne Königin in
einen Glaskasten, so werden diese unruhig und fangen an zu brausen;
dadurch entwickelt sich eine solche Hitze, daß die Glasscheiben ganz
heiß werden. Oeffnet man in diesem Falle nicht das Flugloch, oder sucht
den Bienen mehr Luft zu verschaffen, und durch Wasser die Glasscheiben
abzukühlen, so ersticken die Bienen bald.

_Zusammensetzung des Bienenwachses_.

                Gay-L.   Saus-
               u. Thén.  sure     Opperm.   Ettl.     Heß   berechnet
                [F36]    [F37]    [F38]*    [F39]*   [F40]  ~C₂₀H₄₀O~
  Kohlenstoff   81,784   81,607   81,291    81,15    81,52    81,38
  Wasserstoff   12,672   13,859   14,073    13,75    13,23    13,28
  Sauerstoff     5,544    4,534    4,636     5,09     5,25     5,34

  [36] ~Traité de Chim. par Thénard~, 6^{~me~} ~éd. IV. p.~ 477.

  [37] ~Ann. de Chim. et de Phys. T. XIII. p.~ 310.

  [38] ~Ibid. T. XLIX. p.~ 224.

  [39] Annal. der Pharm. Bd. ~II~. S. 267.

  [40] ~Ibid.~ Bd. ~XXVII.~ S. 6.


Note 21. S. 106.

_Zusammensetzung der Cyanursäure, des Cyamelids und des
Cyansäurehydrats, nach den Analysen von_

Wöhler und Liebig[F41]*

              Cyanursäure, Cyamelid, Cyansäurehydrat
              \------------------------------------/
  Kohlenstoff                 28,19
  Wasserstoff                  2,30
  Stickstoff                  32,63
  Sauerstoff                  36,87

  [41] Poggend. Annal. Bd. ~XX~. S. 375 u. s. f.


Note 22. Seite 106.

_Zusammensetzung des Aldehyds, Metaldehyds, Elaldehyds_[F42].

                          Met-          El-
               Aldehyd  aldehyd       aldehyd     berechnet
               Liebig*           Fehling*          ~C₄H₈O₂~
                        /------------------------\
  Kohlenstoff   55,024   54,511   54,620   54,467   55,024
  Wasserstoff    8,983    9,054    9,248    9,075    8,983
  Sauerstoff    35,993   36,435   36,132   36,458   35,993

  [42] Ann. der Pharm. Bd ~XIV~. S. 142 u. Bd. ~XXVII~. S. 319.


Note 23. Seite 107.

_Zusammensetzung des Proteins_

                  aus
                Krystal-      aus       aus
                 linse      Albumin    Fibrin
                         Scherer[F43]*
                /----------------------------\
                  ~I.~       ~II.~     ~III.~
  Kohlenstoff    55,300     55,160     54,848
  Wasserstoff     6,940      7,055      6,959
  Stickstoff     16,216     15,966     15,847
  Sauerstoff     21,544     21,819     22,346

                                    Scherer*
               /-----------------------------------------------\
                                                   berechnet
                   aus Haaren         aus Horn   ~C₄₈H₇₂N₁₂O₁₄~
               /---------------\ /---------------\
  Kohlenstoff   54,746   55,150   55,408   54,291    55,742
  Wasserstoff    7,129    7,197    7,238    7,082     6,827
  Stickstoff    15,727   15,727   15,593   15,593    16,143
  Sauerstoff    22,398   21,926   21,761   23,034    21,288

  [43] Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XL~. S. 43.

                 aus
              Pflanzen-    aus     aus       aus
               eiweiß    Fibrin  Albumin    Käse
                           Mulder[F44]
               /---------------------------------\
  Kohlenstoff   54,99    55,44    55,30    55,159
  Wasserstoff    6,87     6,95     6,94     7,176
  Stickstoff    15,66    16,05    16,02    15,857
  Sauerstoff    22,48    21,56    21,74    21,808

  [44] Annal. der Pharm. Bd. ~XXVIII.~ S. 75.


Note 24. Seite 109.

_Zusammensetzung des Albumins aus dem Dotter und Weißen des Ei’s_[F45].

                  aus Eigelb    aus Eiweiß
                    Jones*       Scherer*
               /--------------\
                 ~I.~    ~II.~
  Kohlenstoff   53,72    53,45    55,000
  Wasserstoff    7,55     7,66     7,073
  Stickstoff    13,60    13,34    15,920
  Sauerstoff }
  Schwefel   }  25,13    25,55    22,007
  Phosphor   }

  [45] Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 36 u. 67.


Note 25. S. 113.

_Zusammensetzung der Milchsäure._

               ~C₆H₁₀O₅~
  Kohlenstoff    44,90
  Wasserstoff     6,11
  Sauerstoff     48,99


Note 26. Seite 117.

_Gas aus dem Unterleib von Kühen, nach dem Genuß von zu vielem Klee
durch Punctur erhalten_:

~a~) untersucht von _Lameyran_ u. _Frémy_ ~b~) von _Vogel_ ~c~) von
_Pflüger_.

                            brenn-   Schwefel-
              kohlensaures  bares  wasserstoff-
        Luft      Gas        Gas      gas(?)
       \------------------/

       /------------------\
  ~a~)    5     5    --      15      80 Vol.
  ~b~)   25    --    27      48        --
  ~c~)   --    --    60      40        --
  ~c~)   --    --    20      80        --


Note 27. Seite 120.

_Magendie fand in dem Magen und den Eingeweiden Hingerichteter_:

bei einem Individuum ~a~) welches eine Stunde, ~b~) bei einem zweiten
Individuum, welches 2 Stunden und ~c~) bei einem dritten Individuum,
welches 4 Stunden vor der Hinrichtung eine leichte Mahlzeit zu sich
genommen hatte,

                         in 100 Volum-Theilen befanden sich:
                      Sauerstoff-       Stick-  kohlens.  brennb.
                         gas             gas      Gas      Gas
      { im Magen        11,00 Vol. auf  71,45    14,00     3,55
  ~a~ { im Dünndarm     00,00  „    „   20,03    24,39    55,53
      { im dicken Darm  00,00  „    „   51,03    43,50     5,47
       {im Magen        00,00  „    „   00,00    00,00    00,00
  ~b~  {im Dünndarm     00,00  „    „    8,85    40,00    51,15
       {im Dickdarm     00,00  „    „   18,4     70,00    11,6
      { im Magen        00,00  „    „   00,00    00,00    00,00
  ~c~ { im Dünndarm     00,00  „    „   66,6     25,0      8,4
      { im Mastdarm     00,00  „    „   45,96    42,86    11,18


Note 28. S. 127.

_Zusammensetzung des Thieralbumins_.

                                            aus
                  aus Blutserum            Eiern      aus Eigelb
                           Scherer[F46]*             Jones[F47]*
                /--------------------------------\ /-------------\
                  ~I.~    ~II.~   ~III.~    ~IV.~    ~V.~   ~VI.~
  Kohlenstoff   53,850   55,461   55,097   55,000   53,72   53,45
  Wasserstoff    6,983    7,201    6,880    7,073    7,55    7,66
  Stickstoff    15,673   15,673   15,681   15,920   13,60   13,34
  Sauerstoff }
  Schwefel   }  23,494   21,655   22,342   22,007   25,13   25,55
  Phosphor   }

In den Analysen ~V.~ u. ~VI.~ ist das Verhältniß des Stickstoffs zum
Kohlenstoff gleich 1 : 8.

  [46] Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 36.

  [47] Ebendas. S. 67.

               Jones*                      Scherer*
                        /----------------------------------------------\
                                   Albumin aus
                                   Conges-                       hydro-
               Gehirn-   Hydro-    tions-         Eiter          pisch.
               albumin    cele     absceß   /---------------\    Flüss.
               ~VII.~    ~VIII.~    ~IX.~     ~X.~     ~XI.~     ~XII.~
  Kohlenstoff   55,50    54,921    54,757    54,663    54,101    54,302
  Wasserstoff    7,19     7,077     7,171     7,022    6,947      7,176
  Stickstoff    16,31    15,465    15,848    15,839   15,660     15,717
  Sauerstoff }
  Schwefel   }  21,00    22,537    22,224    22,476    23,292    22,805
  Phosphor   }

                 Mulder[F48]
  Kohlenstoff     54,84
  Wasserstoff      7,09
  Stickstoff      15,83
  Sauerstoff      21,23
  Schwefel         0,68
  Phosphor         0,33

  [48] Annal. der Pharm. Bd. ~XXVIII.~ S. 74.

_Zusammensetzung des Thierfibrins_.

                                     Scherer[F49]*
              /------------------------------------------------------\
                ~I.~    ~II.~  ~III.~   ~IV.~   ~V.~    ~VI.~  ~VII.~
  Kohlenstoff  53,671  54,454  55,002  54,967  53,471  54,686  54,844
  Wasserstoff   6,878   7,069   7,216   6,867   6,895   6,835   7,219
  Stickstoff   15,763  15,762  15,817  15,913  15,720  15,720  16,065
  Sauerstoff}
  Schwefel  }  23,688  22,715  21,965  22,244  23,814  22,759  21,872
  Phosphor  }

  [49] Annal. der Chemie u. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 33.

                Mulder[F50]
  Kohlenstoff     54,56
  Wasserstoff      6,90
  Stickstoff      15,72
  Sauerstoff      22,13
  Schwefel         0,33
  Phosphor         0,36

  [50] Annal. der Pharm. Bd. ~XXIII.~ S. 74.

Ueber die Zusammensetzung des Thier-Caseins vergl. Note 9.

_Zusammensetzung der leimgebenden Gewebe_.

                            Scherer[F51]*
             /------------------------------------------------------\
              Hausen-                          Scle-    berechnet
               blase       Kalbsfußsehnen      rotica ~C₄₈H₈₂N₁₅O₁₈~
  Kohlenstoff  50,557  49,563  50,960  50,774  50,995    50,207
  Wasserstoff   6,903   7,148   7,188   7,152   7,075     7,001
  Stickstoff   18,790  18,470  18,320  18,320  18,723    18,170
  Sauerstoff   23,750  24,819  23,532  23,754  23,207    24,622

  [51] Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 46.

                     Mulder
                /--------------\
  Kohlenstoff    50,048  50,048
  Wasserstoff     6,477   6,643
  Stickstoff     18,350  18,388
  Sauerstoff     25,125  24,921

_Zusammensetzung der Chondrin-gebenden Gewebe_.

                Kalbsrippen-              berechnet
                  knorpel        Cornea ~C₄₈H₈₀N₁₂O₂₀~
              /--------------\
                     Scherer[F52]*                    Mulder
              /------------------------\
  Kohlenstoff  49,496  50,895    49,522    50,745     50,607
  Wasserstoff   7,133   6,962     7,097     6,904      6,578
  Stickstoff   14,908  14,908    14,399    14,692     14,437
  Sauerstoff   28,463  27,235    28,982    27,659     28,378

  [52] Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 49.

_Zusammensetzung der mittleren Arterienhaut_.

                  Scherer[F53]*
                /---------------\
                                    berechnet
                  ~I.~     ~II.~  ~C₄₈H₇₆N₁₂O₁₆~
  Kohlenstoff    53,750   53,393       53,91
  Wasserstoff     7,079    6,973        6,96
  Stickstoff     15,360   15,360       15,60
  Sauerstoff     23,811   24,274       23,53

  [53] Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 51.

_Zusammensetzung der Horngebilde_.

                                  Scherer[F54]*
              /-------------------------------------------------------\
                 Oberhaut d.    Bart-   Kopf-
                  Fußsohle     haare    haare  blonde  braune schwarze
  Kohlenstoff  51,036  50,752  51,529  50,652  49,345  50,622  49,935
  Wasserstoff   6,801   6,761   6,687   6,769   6,576   6,613   6,631
  Stickstoff   17,225  17,225  17,936  17,936  17,936  17,936  17,936
  Sauerstoff } 24,938  25,262  23,848  24,643  26,143  24,829  25,498
  Schwefel   }

                                                            berechnet
                        Büffelhorn         Nägel   Wolle  ~C₄₈H₇₈N₁₄O₁₇~
             /---------------------------\
  Kohlenstoff 51,990 51,162 51,620 51,540  51,089  50,653    51,718
  Wasserstoff  6,717  6,597  6,754  6,779   6,824   7,029     6,860
  Stickstoff  17,284 17,284 17,284 17,284  16,901  17,710    17,469
  Sauerstoff }24,009 24,957 24,342 24,397  25,186  24,608    23,953
  Schwefel   }

  [54] Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. ~XL.~ S. 53.

Hiermit stimmt nahe die Zusammensetzung der die innere Schale des
Hühnerei’s auskleidenden Haut;

  sie enthält nach _Scherer_[F55]*
  Kohlenstoff      50,674
  Wasserstoff       6,608
  Stickstoff       16,761
  Sauerstoff }     25,957
  Schwefel   }

  [55] Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. ~XL~. S. 60.

_Zusammensetzung der Federn_.

                 Scherer[F56]*
               /---------------\
                Feder-   Feder-   berechnet
                fahne    spule  ~C₄₈H₇₈N₁₄O₁₆~
  Kohlenstoff   50,434   52,427    52,457
  Wasserstoff    7,110   7,213      6,958
  Stickstoff    17,682   17,893    17,719
  Sauerstoff    24,774   22,467    22,866

  [56] Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XL~. S. 61.

_Zusammensetzung des Augenschwarzes_.

                       Scherer[F57]*
               /--------------------------\
                 ~I.~      ~II.~    ~III.~
  Kohlenstoff   58,273    58,672    57,908
  Wasserstoff    5,973     5,962     5,817
  Stickstoff    13,768    13,768    13,768
  Sauerstoff    21,986    21,598    22,507

  [57] Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XL~. S. 63.


Note 29. S. 135.

Nach den Analysen von _Playfair_ und _Boeckmann_* gaben

  0,452 trocknes Muskelfleisch 0,836 Kohlensäure
  0,407    „          „        0,279 Wasser
  0,242    „          „        0,450 Kohlensäure u. 0,164 Wasser
  0,191    „          „        0,360      „         0,130   „

                  _Blut_

  0,305  Substanz  gaben  0,575 Kohlensäure u. 0,202 Wasser
  0,214      „       „    0,402     „          0,138   „
  1,471 Blut hinterließen 0,065 Asche.

                  Ochsenfleisch             Ochsenblut        Mittel
              Playfair*   Boeckmann*   Playfair*   Boeckmann*
  Kohlenstoff   51,83       51,89        51,95       51,96     51,96
  Wasserstoff    7,57        7,59         7,17        7,33      7,25
  Stickstoff    15,01       15,05        15,07       15,08     15,07
  Sauerstoff    21,37       21,24        21,39       21,21     21,30
  Asche          4,23        4,23         4,42        4,42      4,42

Zieht man den Aschengehalt ab, so ist die Zusammensetzung des
organischen Theils des

                  Ochsenfleischs            Ochsenbluts
              Playfair*   Boeckmann*   Playfair*   Boeckmann*
  Kohlenstoff   54,12       54,18        54,19       54,20
  Wasserstoff    7,89        7,93         7,48        7,65
  Stickstoff    15,67       15,71        15,72       15,73
  Sauerstoff    22,32       22,18        22,31       22,12

Dieser Zusammensetzung entspricht die Formel:

  ~C₄₈~    54,62
  ~H₇₈~     7,24
  ~N₁₂~    15,81
  ~O₁₅~    22,33


Note 30. S. 137.

_Zusammensetzung der Choleinsäure_[F58].

                                   berechnet
                Demarçay  Dumas  ~C₇₆H₁₃₂N₄O₂₂~
  Kohlenstoff    63,707    63,5     63,24
  Wasserstoff     8,821     9,3      8,97
  Stickstoff      3,255     3,3      3,86
  Sauerstoff     24,217    23,9     23,95

  [58] Annal. der Pharm. Bd. ~XXVII~. S. 284 u. 293.


Note 31. S. 137.

_Zusammensetzung des Taurins und der Choloidinsäure_.

Taurin[F59].

                                  berechnet
                Demarçay  Dumas  ~C₄H₁₄N₂O₁₀~
  Kohlenstoff     19,24   19,26     19,48
  Wasserstoff      5,78    5,66      5,57
  Stickstoff      11,29   11,19     11,27
  Sauerstoff      63,69   63,89     63,68

  [59] Annal. der Pharm. Bd. ~XXVII~. S. 287 u. 292.

_Choloidinsäure_[F60].

                                         berechnet
                  Demarçay       Dumas  ~C₇₂H₁₁₂O₁₂~
              /---------------\
  Kohlenstoff  73,301   73,522   73,3      74,4
  Wasserstoff   9,511    9,577    9,7       9,4
  Sauerstoff   17,188   16,901   17,0      16,2

  [60] Ebendas. S. 289 u. S. 293.

Ich habe zu den Untersuchungen von Demarçay Folgendes zu bemerken:

Der Stoff, den ich als Choleinsäure bezeichnet habe, ist die Galle
selbst, getrennt von den anorganischen Bestandtheilen (Salze u. s. w.),
die sie enthält; durch Bleiessig, bei Gegenwart von Ammoniak, treten
alle ihre organischen Bestandtheile an Bleioxyd, indem sie sich damit zu
einem unlöslichen, harzartigen Niederschlage verbinden; der mit dem
Bleioxyd verbundene Körper enthält allen Kohlenstoff und Stickstoff der
Galle. Was ich mit Choloidinsäure bezeichnet habe, ist die Substanz,
welche man erhält, wenn die durch Alkohol von den darin unlöslichen
Stoffen befreite Galle mit einem Uebermaße von Salzsäure im Sieden
erhalten wird. Diese Substanz enthält allen Kohlenstoff und Wasserstoff
der Galle, bis auf diejenige Mengen dieser Elemente, welche in der Form
von Taurin und Ammoniak ausgetreten sind. Die Cholinsäure enthält die
Bestandtheile der Galle, von denen sich die Elemente des kohlensauren
Ammoniaks getrennt haben.

Diese drei Stoffe enthalten also die Producte der Metamorphose der
ganzen Galle, ihre Formeln drücken die Anzahl der Elemente ihrer
Bestandtheile aus. Keiner davon ist in der Form, in der wir ihn
gewinnen, fertig gebildet in der Galle enthalten; ihre Elemente sind in
einer andern Weise mit einander verbunden wie in der Galle, allein die
Art, wie sie geordnet sind, hat auf die Festsetzung ihres relativen
Verhältnisses durch die Analyse nicht den geringsten Einfluß. In der
Formel selbst liegt demnach keine Hypothese, sie ist ein reiner Ausdruck
der Analyse. Aus wieviel verschiedenen Substanzen die Choleinsäure,
Choloidinsäure u. s. w. auch bestehen mag, die relative Anzahl ihrer
Elemente zusammengenommen wird durch die aufgefundene Formel
ausgedrückt.

Die Untersuchung der Producte, welche aus der Galle durch die Einwirkung
der Luft und chemischer Agentien hervorgebracht werden, können für
pathologische Zustände von Wichtigkeit werden, allein bis auf das
allgemeine Verhalten der Galle ist die Kenntniß dieser Producte dem
Physiologen völlig unnütz, es ist eine Last, die ihm das Voranschreiten
erschwert. Von keinem einzigen der 38 oder 40 Stoffe, in die man die
Galle zerlegt hat, läßt sich mit Gewißheit behaupten, daß er fertig
gebildet darin enthalten ist, von den meisten weiß man mit Bestimmtheit,
daß sie Erzeugnisse der Materien sind, die man darauf einwirken ließ.

Die Galle enthält Natron, allein sie ist eine Natronverbindung der
merkwürdigsten Art; wenn wir ihre in Alkohol löslichen organischen
Bestandtheile an Bleioxyd binden und das Bleioxyd wieder davon scheiden,
so haben wir einen Körper (Choleinsäure), der mit Natron
zusammengebracht eine der Galle dem Geschmacke nach ähnliche Verbindung
wieder bildet, allein es ist keine Galle mehr; die Galle kann mit
Pflanzensäuren, ja mit verdünnten Mineralsäuren, vermischt werden, ohne
Trübung, ohne einen Niederschlag zu bilden, während die ebenerwähnte
Verbindung der Choleinsäure durch die schwächsten Säuren zersetzt und
alle Choleinsäure wieder abgeschieden wird. Die Galle ist demnach
keineswegs als choleinsaures Natron zu betrachten. In welchem Zustande,
kann man weiter fragen, ist das Cholsterin, die Margarin- und Talgsäure,
die man darin nachweis’t, in der Galle enthalten? Das Cholsterin ist in
Wasser nicht löslich, mit Alkalien nicht verseifbar, die Verbindungen
der genannten, fetten Säuren mit Alkalien, wären sie wirklich als Seifen
in der Galle enthalten, sie müßten durch Säuren mit der größten
Leichtigkeit abgeschieden werden. Allein es erfolgt durch verdünnte
Säuren keine Abscheidung von Margarin- oder Talgsäure.

Es ist möglich, daß in neuen und wiederholten Untersuchungen
Abweichungen in der procentischen Zusammensetzung, von der in den
analytischen Entwicklungen gegebenen sich herausstellen werden, allein
auf die Formel selbst kann dies nur von geringem Einfluß sein; wenn das
relative Verhältniß des Kohlenstoffs zum Stickstoff sich nicht ändert,
so werden sich diese Abweichungen auf den Sauerstoff und
Wasserstoffgehalt beschränken; man wird alsdann für die
Auseinandersetzungen in Formeln annehmen müssen, daß mehr Wasser oder
mehr Sauerstoff, oder weniger Wasser und weniger Sauerstoff an der
Metamorphose der Gebilde Antheil nehmen, allein die Wahrheit der
Entwicklungen selbst wird hierdurch nicht gefährdet.


Note 32. Seite 137.

_Zusammensetzung der Cholinsäure_[F61].

                       berechnet
                Dumas ~C₇₄H₁₂₀O₁₈~
  Kohlenstoff    68,5     68,9
  Wasserstoff     9,7      9,2
  Sauerstoff     21,8     21,9

  [61] Ebendaselbst Bd. ~XXVII.~ S. 295.


Note 33. S. 139.

_Zusammensetzung der Hauptbestandtheile des Harns der Menschen und
Thiere_.

_Harnsäure_.

                 Liebig   Mitscher-  berechnet
                 [F62]*   lich[F63] ~C₁₀H₈N₈O₆~
  Kohlenstoff    36,083     35,82      36,00
  Wasserstoff     2,441      2,38       2,36
  Stickstoff     33,361     34,60      33,37
  Sauerstoff     28,126     27,20      28,27

  [62] Annal. der Pharm. Bd. ~X.~ S. 47.

  [63] Poggend. Annal. Bd. ~XXXIII.~ S. 335.

_Alloxan_[F64].

Product der Oxydation der Harnsäure.

                                  berechnet
               Wöhler u. Liebig* ~C₈H₈N₄O₁₀~
               /--------------\
  Kohlenstoff   30,38    30,18      30,34
  Wasserstoff    2,57     2,48       2,47
  Stickstoff    17,96    17,96      17,55
  Sauerstoff    49,09    49,38      49,64

  [64] Annal. der Pharm. Bd. ~XXVI.~ S. 260.

_Harnstoff_.

                        Wöhler u.
                Prout    Liebig   berechnet
                [F65]    [F66]   ~C₂N₄H₈O₄~
  Kohlenstoff   19,99    20,02     20,192
  Wasserstoff    6,65     6,71      6,595
  Stickstoff    46,65    46,73     46,782
  Sauerstoff    26,63    26,54     26,425

  [65] ~Thoms. Ann. T. XI. p.~ 352.

  [66] Poggend. Ann. Bd. ~XX.~ S. 375.

_Krystallisirte Hippursäure_.

                                 Mitscher-
                 Liebig   Dumas    lich   berechnet
                 [F67]*   [F68]    [F69] ~C₁₈N₂H₁₆O₅~
  Kohlenstoff    60,742    60,5    60,63    60,76
  Wasserstoff     4,959     4,9     4,98     4,92
  Stickstoff      7,816     7,7     7,90     7,82
  Sauerstoff     26,483    26,9    26,49    26,50

  [67] Annal. d. Pharm. Bd. ~XII.~ S. 20.

  [68] ~Ann. de Chim. et de Phys. T. LVII. p.~ 327.

  [69] Pogg. Ann. Bd. ~XXXIII.~ S. 335.

_Allantoin_[F70].

               Wöhler u.   berechnet
                Liebig*   ~C₈N₈H₁₂O₆~
  Kohlenstoff    30,60       30,66
  Wasserstoff     3,83        3,75
  Stickstoff     35,45       35,50
  Sauerstoff     30,12       30,09

  [70] Ann. der Pharm. Bd. ~XXVI.~ S. 215.

_Harnoxyd_[F71].


               Wöhler u.  berechnet
                Liebig*   ~C₅H₄N₄O₂~
  Kohlenstoff    39,28      39,86
  Wasserstoff     2,95       2,60
  Stickstoff     36,35      37,72
  Sauerstoff     21,24      20,82

  [71] Annal. der Pharm. Bd. ~XXVI.~ S. 344.

_Cysticoxyd_[F72].

                           berechnet
               Thaulow*  ~C₆N₂H₁₂O₄S₂~
  Kohlenstoff    30,01       30,31
  Wasserstoff     5,10        4,94
  Stickstoff     11,00       11,70
  Sauerstoff     28,38       46,47
  Schwefel       25,51       26,58

  [72] Annal. der Pharm. Bd. ~XXVII.~ S. 200.

Das Cystic-Oxyd ist durch seinen Schwefelgehalt ganz besonders
ausgezeichnet vor allen anderen in der Harnblase vorkommenden
Concretionen. Es läßt sich mit Bestimmtheit darthun, daß der Schwefel
in diesem Körper weder im oxydirten Zustande noch in der Form einer
Cyanverbindung enthalten ist, und in dieser Beziehung ist die Bemerkung
vielleicht nicht ohne Interesse, daß 4 Atome Cystic-Oxyd die Elemente
von Harnsäure, Benzoesäure, Schwefelwasserstoff und Wasser enthalten,
lauter Substanzen, deren Erzeugbarkeit im Thierorganismus keinem Zweifel
unterliegt.

  1 At. Harnsäure            ~C₁₀N₈H₈ O₆~
  1  „  Benzoesäure          ~C₁₄  H₁₀O₃~
  8  „  Schwefelwasserstoff       ~H₁₆   S₈~
  7  „  Wasser                    ~H₁₄O₇~
                             ---------------
          1 At. Cysticoxyd = ~C₂₄N₈H₄₈O₁₆S₈~ = 4(~C₆N₂H₁₂O₄S₂~)

Ein vortreffliches Mittel, um bei Harnsteinen die Gegenwart des
Cysticoxyds darzuthun ist folgendes:

Man lös’t den fraglichen Harnstein in starker Kalilauge auf und setzt
einige Tropfen essigsaures Bleioxyd hinzu, nicht mehr als Bleioxyd in
Auflösung erhalten werden kann. Beim Kochen dieser Mischung entsteht ein
schwarzer Niederschlag von Schwefelblei, der ihr das Ansehen von Dinte
giebt. Es entwickelt sich hierbei eine reichliche Menge Ammoniak; die
alkalische Flüssigkeit enthält unter anderen Producten Oxalsäure.


Note 34. Seite 139.

_Zusammensetzung der Oxalsäure, Oxalursäure und der Parabansäure_.

_Oxalsäure_.

                Gay-Luss.             berechnet
               u. Thénard  Bertholl.  ~C₂H₂O₄~
  Kohlenstoff    26,566      25,13      26,66
  Wasserstoff     2,745       3,09      2,22
  Sauerstoff     70,689      71,78     71,12

_Oxalursäure_[F73].

                                     berechnet
                 Wöhler u. Liebig*  ~C₆H₈N₄O₈~
                /-----------------\
  Kohlenstoff    27,600     27,318    27,59
  Wasserstoff     3,122      3,072     3,00
  Stickstoff     21,218     21,218    21,29
  Sauerstoff     48,060     48,392    48,12

  [73] Annal. der Pharm. Bd. ~XXVI.~ S. 289.

_Parabansäure_[F74].

                                      berechnet
                  Wöhler u. Liebig*  ~C₆H₄N₄O₆~
                 /-----------------\
  Kohlenstoff     31,95      31,940     31,91
  Wasserstoff      2,09       1,876      1,73
  Stickstoff      24,66      24,650     24,62
  Sauerstoff      41,30      41,534     41,74

  [74] Ebendaselbst S. 286.


Note 35. S. 141.

_Zusammensetzung des gebratenen Fleisch’s_.

  (1) 0,307 Substanz gaben 0,584 Kohlensäure und 0,206 Wasserstoff
  (2) 0,255     „      „   0,485      „       „  0,181      „
  (3) 0,179     „      „   0,340      „       „  0,125      „

                  Reh-         Ochsen        Kalb-
                fleisch (1)  fleisch (2)  fleisch (3)
                Boeckmann*          Playfair*
                              /------------------\
  Kohlenstoff     52,60        52,590       52,52
  Wasserstoff      7,45         7,886        7,87
  Stickstoff      15,23        15,214       14,70
  Sauerstoff }    24,72        24,310       24,91
  Asche      }


Note 36. S. 144.

Die Formel ~C₂₇H₄₂N₉O₁₀~ giebt nämlich in 100 Theilen:

  ~C₂₇~    50,07
  ~H₄₂~     6,35
  ~N₉~     19,32
  ~O₁₀~    24,26

Die Zusammensetzung des Leims s. Note 28.


Note 37. S. 158.

_Zusammensetzung der Lithofellinsäure_[F75].

                                                    berechnet
                    Ettling u. Will*        Wöhler ~C₄₀H₇₂O₈~
                /-----------------------\
  Kohlenstoff    71,19    70,80    70,23    70,83     70,83
  Wasserstoff    10,85    10,78    10,95    10,60     10,48
  Stickstoff     17,96    18,42    18,92    18,57     18,69

  [75] Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XXXIX.~ S. 242. Bd. ~XLI.~ S.
  154.


Note 38. Seite 181.

_Zusammensetzung des Solanins aus Kartoffelkeimen_[F76].

               Blanchet*
  Kohlenstoff    62,11
  Wasserstoff     8,92
  Stickstoff      1,64
  Sauerstoff     27,33

  [76] Annal. der Pharm. Bd. ~V.~ S. 150.


Note 39. Seite 181.

_Zusammensetzung des Picrotoxins_[F77].

                Francis*
  Kohlenstoff    60,26
  Wasserstoff     5,70
  Stickstoff      1,30
  Sauerstoff     32,74

  [77] In einer andern Analyse erhielt _Francis_ 0,75 ~pCt.~ Stickstoff.
  Das zu den Analysen verwandte Picrotoxin war theilweise aus der Fabrik
  des Herrn _Merck_ in Darmstadt, theils von Herrn _Francis_
  dargestellt; es war vollkommen weiß und schon krystallisirt. --
  _Regnault_ fand bekanntlich keinen Stickstoff in dem Picrotoxin.


Note 40. Seite 181.

_Zusammensetzung des Chinins_.

                           berechnet
                Liebig*  ~C₂₀H₂₄N₂O₂~
  Kohlenstoff    75,76      74,39
  Wasserstoff     7,52       7,25
  Stickstoff      8,11       8,62
  Sauerstoff      8,62       9,64


Note 41. Seite 182.

_Zusammensetzung des Morphins_[F78].

                                           berechnet
                   Liebig*     Regnault   ~C₃₅H₄₀N₂O₆~
                          /--------------\
  Kohlenstoff    72,340    72,87    72,41    72,28
  Wasserstoff     6,366     6,86     6,84     6,74
  Stickstoff      4,995     5,01     5,01     4,80
  Sauerstoff     16,299    15,26    15,74    16,18

  [78] Annal. der Pharm. Bd. ~XXVI.~ S. 23.


Note 42. Seite 182.

_Zusammensetzung des Caffeins, Theins und Guaranins_[F79].

                Caffein    Thein   Guaranin
                Pfaff u.                     berechnet
                Liebig*    Jobst   Martius  ~C₈H₁₀N₄O₂~
  Kohlenstoff    49,77    50,101    49,679    49,798
  Wasserstoff     5,33     5,214     5,139     5,082
  Stickstoff     28,78    29,009    29,180    28,832
  Sauerstoff     16,12    15,676    16,002    16,288

  [79] Annal. d. Pharm. Bd. ~I.~ S. 17, Bd. ~XXV.~ S. 63 u. Bd. ~XXVI.~
  S. 95.


Note 43. Seite 182.

_Zusammensetzung des Theobromins_[F80].

                                          berechnet
                       Woskresensky      ~C₉H₁₀N₆O₂~
                /-----------------------\
  Kohlenstoff    47,21    46,97    46,71    46,43
  Wasserstoff     4,53     4,61     4,52     4,21
  Stickstoff     35,38    35,38    35,38    35,85
  Sauerstoff     12,88    13,04    13,39    13,51

  [80] Annal. der Chem. u. Pharm. Bd. ~XLI.~ S. 125.

_Zusammensetzung des Asparagins_[F81].

                          berechnet
                         ~C₈H₁₆N₄O₆~
                Liebig*   + 2 ~aq.~
  Kohlenstoff    32,351    32,35
  Wasserstoff     6,844     6,60
  Stickstoff     18,734    18,73
  Sauerstoff     42,021    42,32

  [81] Annal. der Pharm. Bd. ~VII.~ S. 146.



  Ueber
  =Verwandlung der Benzoesäure in Hippursäure[F82].=

  Von

  _Wilhelm Keller_ aus Grosheim.

  (Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie.)


Schon in der früheren Ausgabe von _Berzelius_’ Lehrbuch der Chemie (1831
Bd. ~IV.~ S. 376) hatte Herr Professor _Wöhler_ die Vermuthung
ausgesprochen, daß die Benzoesäure bei der Verdauung wahrscheinlich in
Hippursäure umgewandelt werde. Diese Vermuthung gründete sich auf einen
Versuch, den derselbe über den Uebergang der Benzoesäure in den Harn
angestellt hatte. Er fand in dem Harne eines Hundes, der mit dem Futter
¹/₂ Drachme Benzoesäure gefressen hatte, eine in nadelförmigen Prismen
krystallisirende Säure, die im Allgemeinen die Eigenschaften der
Benzoesäure hatte und die er auch für solche hielt (_Tiedemann’s_
Zeitschrift für Physiologie Bd. ~I.~ S. 142). Indessen waren diese
Krystalle offenbar Hippursäure, wie aus der Angabe, daß sie wie Salpeter
ausgesehen und bei der Sublimation Kohle hinterlassen hätten, deutlich
hervorgeht. Allein die Hippursäure war damals noch nicht entdeckt und es
ist bekannt, daß sie bis 1829, wo sie zuerst von _Liebig_ unterschieden
wurde, allgemein mit der Benzoesäure verwechselt worden ist.

  [82] Zu den Beweisen, welche _Ure_ für die Umwandlung der Benzoesäure
  in Hippursäure im menschlichen Körper angegeben hat, sind durch Herrn
  _Keller_ einige ganz entscheidende gekommen, die ich ihrer
  physiologischen Wichtigkeit wegen diesem Buche beigebe. Die Versuche
  des Herrn _Keller_ sind in dem Laboratorium des Herrn Prof. _Wöhler_
  in Göttingen angestellt worden; sie setzen die Thatsache außer allen
  Zweifel, daß ein in der Nahrung genossener stickstofffreier Körper an
  dem Act der Umsetzung der thierischen Gebilde und an der Bildung eines
  Secretes durch seine Bestandtheile Antheil nehmen kann. Diese
  Thatsache verbreitet auf die Wirkung der meisten Arzneimittel ein
  unzweideutiges Licht, und wenn sich der Einfluß des Caffeins auf die
  Bildung des Harnstoffs oder der Harnsäure in einer ähnlichen Weise
  nachweisen läßt, so ist damit der Schlüssel zu der Wirkung des Chinins
  und der anderen organischen Basen gegeben.

  J. L.

Die neuerlich publicirte Angabe von _Ure_[F83], daß er in dem Harne
eines Patienten, der Benzoesäure eingenommen hatte, wirklich Hippursäure
gefunden habe, brachte dieses in physiologischer Hinsicht so wichtige
Verhalten wieder in Erinnerung und gab zu den folgenden Versuchen
Veranlassung, die ich auf den Vorschlag des Herrn Professors _Wöhler_ an
mir selbst angestellt habe. Seine Vermuthung ist dadurch unzweideutig
bestätigt worden.

  [83] Pharmac. Centralblatt No. 46, aus ~Prov. med. and surg. Journ.~
  1841.

Ich nahm Abends vor dem Schlafengehen mit Zuckersyrup 2 Gramme (ungefähr
32 Gran) reine Benzoesäure. In der Nacht gerieth ich in Schweiß, was
wohl eine Wirkung dieser Säure sein mochte, da ich sonst nur sehr schwer
in stärkere Transpiration komme. Eine andere Wirkung konnte ich nicht
wahrnehmen, selbst als ich auch an den folgenden Tagen dieselbe Dosis
dreimal täglich zu mir nahm, wo auch nicht einmal der Schweiß wieder
eintrat.

Der am Morgen gelassene Harn reagirte ungewöhnlich stark sauer und zwar
selbst noch, nachdem er abgedampft worden war und 12 Stunden lang
gestanden hatte. Er setzte dabei nur das gewöhnliche Sediment von
Erdsalzen ab. Als er aber mit Salzsäure vermischt und stehen gelassen
wurde, bildeten sich darin lange, prismatische, braungefärbte Krystalle
in großer Menge, die schon dem Ansehen nach nicht für Benzoesäure zu
halten waren. Ein anderer Theil, der durch Abdampfen bis zur Syrupsdicke
concentrirt war, verwandelte sich beim Vermischen mit Salzsäure in ein
Magma von Krystallblättchen. Diese so erhaltene krystallinische Substanz
wurde ausgepreßt, in siedendem Wasser gelös’t, mit Thierkohle behandelt
und umkrystallisirt. Sie wurde dadurch in farblosen, zolllangen Prismen
erhalten.

Diese Krystalle waren reine _Hippursäure_. Beim Erhitzen schmolzen sie
leicht, bei etwas stärkerer Hitze verkohlte sich die Masse unter
Entwicklung eines Geruchs nach Bittermandelöl und unter Sublimation von
Benzoesäure. Um jeden Zweifel zu beseitigen, bestimmte ich ihren
Kohlenstoffgehalt, 0,3 Grm. gaben 60,4 ~pCt.~ Kohlenstoff. Nach der
Formel ~C₁₈H₁₆N₂O₅~ + ~aq.~ enthält die krystallisirte Hippursäure
60,67 ~pCt.~ Kohlenstoff, die krystallisirte Benzoesäure dagegen enthält
69,10 ~pCt.~ Kohlenstoff.

So lange ich das Einnehmen der Benzoesäure fortsetzte, konnte ich aus
dem Harne mit Leichtigkeit und in Menge Hippursäure darstellen, und da
die Benzoesäure so ohne allen Nachtheil für die Gesundheit zu sein
scheint, so wäre es leicht, sich auf diese Weise größere Mengen von
Hippursäure zu verschaffen. Man könnte sich dazu eine Person halten, die
Wochen lang diese Fabrication fortsetzen müßte.

Es war wichtig, den Harn, welcher Hippursäure enthielt, auf seine beiden
normalen Hauptbestandtheile, den Harnstoff und die Harnsäure, zu
untersuchen. Sie waren beide darin enthalten, und, dem Anschein nach, in
keiner andern Quantität, als im normalen Harn.

Als der durch Abdampfen concentrirte Harn, aus dem durch Salzsäure die
Hippursäure geschieden war, mit Salpetersäure vermischt wurde, setzte er
eine große Menge salpetersauren Harnstoff ab. Schon vorher hatte er ein
pulveriges Sediment fallen lassen, dessen Auflösung in Salpetersäure bei
dem Abdampfen auf Porzellan die bekannte, purpurrothe Reaction der
Harnsäure gab. Diese Beobachtung widerspricht der Angabe von _Ure_, und
es ist daher wohl etwas zu voreilig, wenn er die Benzoesäure als Mittel
gegen die aus Harnsäure bestehenden Gicht- und Harn-Concretionen
empfiehlt; er scheint sich vorzustellen, daß die Harnsäure zur
Umwandlung der Benzoesäure in Hippursäure verwendet werde. Da er seine
Beobachtung an dem Harn einer Arthritischen machte, so ist anzunehmen,
daß dieser Harn auch ohne den innern Gebrauch der Benzoesäure keine
Harnsäure enthalten haben würde. -- Uebrigens ist es klar, daß die
Hippursäure, da sie sich erst nach Zusatz einer Säure abscheidet, an
eine Basis gebunden, im Harne enthalten ist.



Druckfehler.


  Seite 61 Zeile  5 v. o. anstatt _venösem_ setze _arteriellem_.
    „   65   „   12 v. o. anstatt _Pferd_ lese man _Ochse_.



      *      *      *      *      *      *



Anmerkungen zur Transkription

Der gedruckte Text des Originalwerkes ist wörtlich beibehalten,
einschließlich inkonsistenter und ungewöhnlicher Rechtschreibung,
außer wenn unten erwähnt (siehe Änderungen).

In Abhängigkeit von der verwendeten Hard- und Software und deren
Einstellungen werden möglicherweise nicht alle Elemente des Textes
gezeigt wie beabsichtigt.

In den Fuß- und Endnoten bedeutet E Endnote (siehe den Anhang am Ende
des Textes) und F Fußnote (siehe direkt unter den Absatz, Tafel,
u.s.w.).

Nicht alle Resultate der Berechnungen sind recht; sie sind nicht
korrigiert worden.

S. 301, erste Tafel: die Tabellenüberschrift fehlt im Originalwerke,
möglicherweise ist diese Tabelle eine Vorsetzung der vorherigen.

S. 343: die Druckfehler sind bereits im Texte korrigiert worden.

Änderungen

Einige Interpunktionsfehler sind stillschweigend korrigiert worden.

Folgende Schreibweisen sind standardisiert worden: ~pCt.~, Frémy,
Gay-Lussac, Thénard.

Chemische und Zusammensetzungsformeln wurden ohne Leerzeichen
transkribiert, außer wo diese für Tabelle erforderlich waren.

S.   7: Bewußsein --> Bewußtsein
S.  26: ) eingefügt nach ... am Gewichte verloren.
S.  52: stickhoffhaltigen --> stickstoffhaltigen
S.  83: löschen --> löslichen
S. 118: atmospärische --> atmosphärische
S. 119: Lymphgegefäße --> Lymphgefäße
S. 137: Formel Choleinsäure ~C₇₅~ --> ~C₇₆~
S. 138: Erste Berechnung: = --> +; zweite Berechnung: + eingefügt
S. 315, Fußnote [36]: ed. --> éd.





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