Home
  By Author [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Title [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Language
all Classics books content using ISYS

Download this book: [ ASCII ]

Look for this book on Amazon


We have new books nearly every day.
If you would like a news letter once a week or once a month
fill out this form and we will give you a summary of the books for that week or month by email.

Title: Grundzüge der Perspektive nebst Anwendungen
Author: Doehlemann, Karl
Language: German
As this book started as an ASCII text book there are no pictures available.


*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Grundzüge der Perspektive nebst Anwendungen" ***


    Anmerkungen zur Transkription.

    Das Original ist in Fraktur gesetzt.

    Im Orginal gesperrter Text ist +so ausgezeichnet+. Im Original in
    Antiqua gesetzter Text ist ~so markiert~. Im Original kursiver
    Text ist _so gekennzeichnet_. Im Original fetter Text ist =so
    dargestellt=.

    Hochgestellte Sterne sind so dargestellt: _A^*_.

    Tiefgestellte Indizes sind so dargestellt: _F_{b}_.

    Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des
    Buches.



Die Sammlung

»Aus Natur und Geisteswelt«


nunmehr schon über 500 Bändchen umfassend, will die Errungenschaften
von Wissenschaft, Kunst und Technik weiteren Kreisen zugänglich machen
und einem jeden die Möglichkeit bieten, auch auf ihm ferner liegenden
Gebieten deren Fortschritte zu verfolgen.

Sie bietet wirkliche »+Einführungen+« in die Hauptwissensgebiete für
den Unterricht oder Selbstunterricht, wie sie den heutigen methodischen
Anforderungen entsprechen -- ein Bedürfnis erfüllend, dem Skizzen mit
dem Charakter von »+Auszügen+« aus großen Lehrbüchern nie entsprechen
können, da solche vielmehr eine Vertrautheit mit dem Stoffe schon
voraussetzen.

Damit sie stets auf die Höhe der Forschung gebracht werden können, sind
die Bändchen nicht, wie die anderer Sammlungen, stereotypiert, sondern
werden -- was freilich die Aufwendungen sehr wesentlich erhöht -- bei
jeder Auflage durchaus neu bearbeitet und völlig neu gesetzt. So konnte
der Sammlung auch der Erfolg nicht fehlen. Über 200 Bändchen liegen
bereits in 2. bis 6. Auflage vor, insgesamt hat sie bis jetzt eine
Verbreitung von über 3 Millionen Exemplaren gefunden.

In den Dienst dieser Aufgabe haben sich darum auch in dankenswerter
Weise von Anfang an die besten Namen gestellt, gern die Gelegenheit
benutzend, sich an weiteste Kreise zu wenden, der Gefahr der
»Spezialisierung« unserer Kultur entgegenzuarbeiten an ihrem Teil
bestrebt.

So vermag die Sammlung dem Leser ein Verständnis dafür zu vermitteln,
wie die moderne Wissenschaft es erreicht hat, über wichtige Fragen von
allgemeinem Interesse Licht zu verbreiten, und ihn dadurch zu einem
+selbständigen+ Urteil zu befähigen.

Alles in allem sind die schmücken, gehaltvollen Bände, denen von
Professor +Tiemann+ ein neues künstlerisches Gewand gegeben, durchaus
geeignet, die Freude am Buche zu wecken und daran zu gewöhnen, einen
kleinen Betrag, den man für Erfüllung körperlicher Bedürfnisse nicht
anzusehen pflegt, auch für die Befriedigung geistiger anzuwenden. Durch
den billigen Preis ermöglichen sie es tatsächlich jedem, auch dem
wenig Begüterten, sich eine Bibliothek zu schaffen, die das für ihn
Wertvollste »Aus Natur und Geisteswelt« vereinigt.

        Jedes der meist reich illustrierten Bändchen
        ist in sich abgeschlossen und einzeln käuflich

Jedes Bändchen geheftet Mark 1.--, in Leinwand gebunden Mark 1.25
Werke, die mehrere Bändchen umfassen, auch in +einem+ Band gebunden

    Leipzig, 1. Januar 1915
            B. G. Teubner



Jedes Bändchen geheftet M. 1.--, in Leinwand gebunden M. 1.25

*) auf Wunsch auch in Halbpergamentbänden zu M. 2.--


Zur bildenden Kunst, Musik und Schauspielkunst

sind bisher erschienen:


[Allgemeine Kunstwissenschaft, Kunstpflege]

=Bau und Leben der bildenden Kunst.= Von Direktor Professor ~Dr.~ +Th.
Volbehr+. 2. Auflage. Mit 44 Abbildungen. (Bd. 68.*)

=Ästhetik.= Von Professor ~Dr.~ R. +Hamann+. (Bd. 345.*)

=Kunstpflege in Haus und Heimat.= Von Superintendent +R. Bürkner+. 2.
Auflage. Mit 29 Abbildungen. (Bd. 77.)


[Kunstgewerbe]

=Deutsche Kunst im täglichen Leben bis zum Schlusse des 18.
Jahrhunderts.= Von Professor ~Dr.~ +B. Haendcke+. Mit 63 Abbildungen.
(Bd. 198.)

=Geschichte der Gartenkunst.= Von Regierungs-Baumeister +Chr. Ranck+.
Mit 41 Abbildungen. (Bd. 274.)


[Kunstgeschichte]

=Die Entwicklungsgeschichte der Stile in der bildenden Kunst.= Von
~Dr.~ +E. Cohn-Wiener+. 2 Bände. Mit zahlreichen Abbildungen. (Auch in
1 Band gebunden.)

Bd. I: Vom Altertum bis zur Gotik. Mit 57 Abbild. (Bd. 317.*)

Bd. II: Von der Renaissance bis zur Gegenwart. Mit 31 Abbildungen. (Bd.
318.*)


[Alte Kunst]

=Die Blütezeit der griechischen Kunst im Spiegel der Reliefsarkophage.=
Eine Einführung in die griechische Plastik. Von ~Dr.~ +H. Wachtler+.
Mit 8 Tafeln und 82 Abbild. (Bd. 272.*)

=Die dekorative Kunst des Altertums.= Von ~Dr.~ +Fr. Poulsen+. Mit 112
Abbildungen. (Bd. 454.*)

=Pompeji, eine hellenistische Stadt in Italien.= Von Professor ~Dr.~
+Fr. v. Duhn+. 2. Auflage. Mit 62 Abbildungen. (Bd. 114.)

=Michelangelo.= Eine Einführung in das Verständnis seiner Werke. Von
Professor ~Dr.~ +E. Hildebrandt+. Mit 44 Abbildungen. (Bd. 392.*)

=Die Renaissancearchitektur in Italien I.= Von ~Dr.~ +P. Frankl+. Mit
12 Tafeln und 27 Textabbildungen. (Bd. 381.*)


[Neuere Kunst]

=Die altdeutschen Maler in Süddeutschland.= Von +H. Nemitz+. Mit einem
Bilderanhang (Bd. 464.*)

=Albrecht Dürer.= Von ~Dr.~ +R. Wustmann+. Mit 33 Abbildungen. (Bd.
97.*)

=Rembrandt.= Von Professor ~Dr.~ +P. Schubring+. Mit 50 Abbildungen.
(Bd. 158.*)

=Niederländische Malerei im 17. Jahrhundert.= Von ~Dr.~ +H. Jantzen+.
Mit zahlreichen Abbildungen. (Bd. 373.*)

=Deutsche Baukunst im Mittelalter.= Von Professor ~Dr.~ +A. Matthaei+.
3. Auflage. Mit 29 Abbildungen. (Bd. 8.*)


[Neuere Kunst]

=Deutsche Baukunst seit dem Mittelalter bis zum Ausgang des 18.
Jahrhunderts.= Von Professor ~Dr.~ +A. Matthaei+. Mit 62 Abbildungen
und 3 Tafeln. (Bd. 326.*)

=Deutsche Baukunst im 19. Jahrhundert.= Von Professor ~Dr.~ +A.
Matthaei+. Mit 35 Abbildungen. (Bd. 453.*)


[19. Jahrh.]

=Die deutsche Malerei im 19. Jahrhundert.= Von Professor ~Dr.~ +R.
Hamann+. 2 Bände Text, 2 Bände mit 57 ganzseitigen und 200 halbseitigen
Abbildungen. (Bd. 448--451, in 2 Doppelbänden, auch in 1 Halbpergament
zu M. 6.--)

=Die Maler des Impressionismus.= Von Professor ~Dr.~ +B. Lázàr+. Mit 32
Abbildungen und 1 farbigen Tafel. (Bd. 395.*)


[Orient.]

=Ostasiatische Kunst und ihr Einfluß auf Europa.= Von Direktor
Professor ~Dr.~ +R. Graul+. Mit 49 Abbildungen. (Bd. 87.)


[Neuere Musikgeschichte]

=Haydn, Mozart, Beethoven.= Von Professor ~Dr.~ +C. Krebs+. 2. Auflage.
Mit 4 Bildnissen. (Bd. 92.)

=Die Blütezeit der musikalischen Romantik in Deutschland.= Von ~Dr.~
+E. Istel+. Mit 1 Silhouette. (Bd. 239.)

=Das Kunstwerk Richard Wagners.= Von ~Dr.~ +E. Istel+. Mit 1 Bildnis
Richard Wagners. (Bd. 330.)

=Die moderne Oper.= Von ~Dr.~ +E. Istel+ (Bd. 495.)


[Musiktheorie]

=Die Grundlagen der Tonkunst.= Versuch einer genetischen Darstellung
der allgemeinen Musiklehre. Von Professor ~Dr.~ +H. Rietsch+. (Bd. 178.)

=Musikalische Kompositionsformen.= Von +S. G. Kallenberg+. 2 Bände.
(Bd. 412, 413, auch in 1 Band gebunden.)

Bd. I: Die elementaren Tonverbindungen als Grundlage der Harmonielehre.
(Bd. 412.)

Bd. II: Kontrapunktik und Formenlehre. (Bd. 413.)

=Die Instrumente des Orchesters.= Von Professor ~Dr.~ +Fr. Volbach+.
Mit 60 Abbildungen. (Bd. 384.)

=Das moderne Orchester in seiner Entwicklung.= Von Prof. ~Dr.~ +Fr.
Volbach+. Mit Partiturbeispielen u. 3 Tafeln. (Bd. 308.)

=Klavier, Orgel, Harmonium.= Das Wesen der Tasteninstrumente. Von
Professor ~Dr.~ +O. Bie+. (Bd. 325.)


[Schauspielkunst]

=Das Theater.= Schauspielhaus und Schauspielkunst vom griechischen
Altertum bis auf die Gegenwart. Von ~Dr.~ +Chr. Gaehde+. 2. Auflage.
Mit 18 Abbildungen. (Bd. 230.)


+Weitere Bände befinden sich in Vorbereitung.+



    Aus Natur und Geisteswelt

    Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen

    510. Bändchen

    Grundzüge der Perspektive
    nebst Anwendungen

    Von

    ~Dr.~ Karl Doehlemann

    O. ö. Professor an der Kgl. Technischen Hochschule in
    München

    Mit 91 Figuren und 11 Abbildungen

    [Illustration]

    Druck und Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin 1916



Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts, vorbehalten.



Vorwort.


Die Darstellung der Grundzüge der Perspektive und ihrer Anwendungen,
wie sie im folgenden gegeben wird, ist hervorgegangen aus öffentlichen
Vorträgen, die ich seit einer langen Reihe von Jahren in München im
Volkshochschulverein halte und die von einem Publikum besucht sind, das
sich aus allen Ständen und Berufsklassen zusammensetzt.

Um eine schriftliche Bearbeitung dieses Gegenstandes weiteren Kreisen
zugänglich zu machen, schien es mir vor allem notwendig, das Buch
mit möglichst zahlreichen Figuren auszustatten. Fast jeder größeren
Aufgabe ist noch eine eigene Figur beigegeben, welche die Lage des
darzustellenden Gegenstandes gegen die Bildtafel wiedergibt und eine
genaue Vorstellung der räumlichen Anordnung und der vorzunehmenden
geometrischen Überlegungen ermöglichen soll. Bei der Wahl der
abzubildenden Gegenstände war die Klarheit und Übersichtlichkeit des
Bildes maßgebend. Es mußten deswegen einfache Formen gewählt werden und
diese konnten nicht immer auch in ästhetischer Hinsicht befriedigen.

Was die Abgrenzung des Stoffes betrifft, so wurde in einem einleitenden
Abschnitt die Darstellung eines Gegenstandes in Grund- und Aufriß
erörtert. Ich wüßte nicht, wie man das umgehen könnte. Denn es ist für
den Anfänger doch unerläßlich, daß er sich einen Körper, den er in
Perspektive setzt, vorher seiner Größe und Lage nach genau bestimmt.

In bezug auf Strenge der Entwicklung bin ich so weit gegangen, als
es bei einer für weitere Kreise bestimmten Darstellung angängig ist:
Das ist nötig, um eine sichere Grundlage zu gewinnen. Mit allgemeinen
und verschwommenen Redensarten ist demjenigen nicht gedient, der +zu
klaren+ Begriffen und Vorstellungen in dem hier behandelten Gebiete
gelangen will.

Was viele von der Beschäftigung mit der Perspektive abhält, ist
der Umstand, daß diese Disziplin sich ohne Geometrie, also ohne
mathematische Betrachtungen, nicht behandeln läßt. In der Tat werden
wir im Laufe unserer Betrachtungen einige einfache Sätze aus der
Planimetrie und der Stereometrie voraussetzen müssen. Aber darin
liegen nicht die eigentlichen Schwierigkeiten. Diese Sätze werden die
Leser verhältnismäßig leicht verstehen oder als anschauliche Tatsachen
hinnehmen. Die Hauptschwierigkeit wird vielmehr die sein, daß mit all
den Figuren, die im folgenden zu zeichnen sind, gewisse räumliche
Vorstellungen und Überlegungen zu verbinden sind. Es wird nur durch
Nachdenken möglich sein, sich in diese Dinge hineinzuleben. Nur auf
diesem Wege wird man den Begriff des gesetzmäßigen, mathematischen
Bildes gewinnen. Das aber ist für viele Berufsarten nötig, namentlich
in der Gegenwart, in der neben dem geschriebenen und gedruckten Wort
das +Bild+ die Welt beherrscht.



Inhaltsübersicht.


                                                             Seite

    Vorwort                                                    III

    Einleitung: Zwei verschiedene Arten von geometrischen
    Bildern                                                      1

    § 1. Das perspektivische Bild                                1

    § 2. Der gerade Riß                                          6

    Der perspektivische Entwurf                                 13

    § 3. Die Schnittmethode                                     13

    § 4. Der Satz vom Fluchtpunkt                               20

    § 5. Andere Bestimmung eines perspektivischen Bildes        24

    § 6. Darstellung eines möglichst einfach gelegenen
         Quadrates der Grundebene. Anwendungen dieser
         Konstruktion. Tiefenmaßstab                            27

    § 7. Darstellung beliebiger, geradliniger Figuren der
         Grundebene                                             33

    § 8. Darstellung einfacher Körper, die sich auf der
         Grundebene erheben                                     41

    § 9. Schiefe Linien im Raume                                59

    § 10. Der photographische Apparat                           64

    § 11. Die Wahl der Distanz                                  67

    § 12. Unzugängliche Distanz und Fluchtpunkte                75

    § 13. Gleichzeitige Anwendung der verschiedenen Methoden    86

    § 14. Die Darstellung des Kreises                           90

    § 15. Einfache Schattenkonstruktionen                       96

    § 16. Künstlerische Freiheiten                              99

    Literaturverzeichnis                                       102

    Sachregister                                               103



Einleitung.

Zwei verschiedene Arten von geometrischen Bildern.


§ 1. Das perspektivische Bild.

=1. Zweck einer Abbildung.= Nehmen wir an, wir betrachten irgendein
Raumobjekt, mag es nun eine Maschine oder ein Apparat sein, ein Werk
der Plastik oder der Architektur oder auch eine Landschaft. Wenn wir
dann über die gegenseitige Lage der einzelnen Teile des Objektes,
über die relativen Größenverhältnisse und schließlich auch über die
wirklichen Maße des Gegenstandes zu einem gewissen Urteil gelangt
sind, so daß der Gegenstand uns klar zum Bewußtsein gekommen ist, so
sagen wir, daß wir eine Vorstellung von dem Objekte haben. Der bloße
Anblick von einer Stelle aus wird meistens gar nicht dazu ausreichen.
Denn jedes Objekt verdeckt sich, wenn es nicht durchsichtig ist, zum
Teil selbst: wir werden vielmehr im allgemeinen mehrere Ansichten
brauchen. Bei kleineren Gegenständen genügen zu diesem Zwecke etwa
schon Bewegungen des Kopfes oder Oberkörpers. Ausgedehnteren Objekten
gegenüber, wie zum Beispiel bei einem Gebirgsstock, sind unter
Umständen ganze Wanderungen nötig, um eine wirkliche Anschauung
derselben zu gewinnen.

+Bildliche Darstellungen irgendwelcher Art dienen nun in erster Linie
dem Zwecke, dem Beschauer die Möglichkeit zu bieten, sich von den
betreffenden Objekten eine Vorstellung zu bilden, ohne daß er sie
wirklich vor Augen hat. Die Bilder ersetzen also bis zu einem gewissen
Grade die Objekte.+

Sicher muß unser Vorstellungsvermögen schon ziemlich ausgebildet sein,
wenn wir uns auf Grund einer Zeichnung ein Objekt vorstellen können.
Aber wir eignen uns diese Fähigkeit durch fortgesetzte Übung an, fast
ohne es zu merken. Schon dem Kinde geben wir ein Bilderbuch in die
Hand; es vergleicht die Gegenstände in der Natur mit denen im Bilde
und lernt dadurch allmählich +Sehen+. So kommt es, daß heutzutage bei
uns auch der Ungebildete und Ärmste imstande ist, sich ein Gebäude
oder eine Landschaft einigermaßen vorzustellen, wenn er davon eine
Abbildung, etwa eine Photographie, zu sehen bekommt.

[Illustration: Abb. 1.]

Aus alledem folgt nun, daß eine bildliche Darstellung die Gegenstände
so wiedergeben muß, wie wir sie sehen, und wir werden deswegen aus
dem Vorgang des Sehens eine Definition für den Begriff des »Bildes«
abzuleiten haben.

=2. Mechanische Vorrichtung zur Herstellung eines Bildes.= Zunächst
wollen wir jetzt eine Vorrichtung kennen lernen, welche es uns
ermöglicht, das, was wir ein »Bild« eines Gegenstandes nennen,
mechanisch herzustellen. Eine durchsichtige Glasplatte sei in einem
Holzrahmen vertikal vor uns aufgestellt. Hinter der Glasplatte, von
unserem Standpunkte aus gerechnet, befindet sich der abzubildende
Gegenstand. Wir sehen denselben durch die Glasplatte hindurch. Um die
Betrachtung zu vereinfachen, wollen wir das eine Auge schließen, also
den Gegenstand nur mit einem Auge betrachten. Aber auch dann würden wir
noch bei jeder Bewegung des Körpers oder Kopfes das Objekt in einer
anderen Ansicht erblicken; deswegen ist es weiter nötig, unser Auge
im Raume zu fixieren: man erreicht dies, indem man noch ein Stativ
mit einer undurchsichtigen Platte anbringt, in welche eine kleine
Öffnung, ein Guckloch, geschnitten ist. Wir wollen nun den Gegenstand
betrachten, indem wir das Auge ganz nahe an dieses Guckloch bringen;
dadurch ist dem Auge eine feste Stelle im Raume angewiesen. Man
vergleiche dazu auch die Abbildung 1, welche dem Buche von Albrecht
Dürer: »Unterweisung der Messung mit dem Zirkel und Richtscheit«,
Nürnberg 1525, entnommen ist. Rechts erkennt man den von uns
beschriebenen Apparat, als Objekt dient der links im Lehnstuhl sitzende
Mann.

Wir nehmen ferner an, daß die Glasplatte auf der dem Auge zugewandten
Seite so präpariert sei, daß wir auf ihr zeichnen können, was etwa
durch Bestreichen mit Damarlack zu erreichen wäre. Nun endlich gehen
wir dazu über, die Linien des Körpers, wie wir sie von dem Guckloch
aus sehen, +auf der Glasplatte nachzuzeichnen+. Es decken sich also
für mein Auge die gezeichneten Linien und die wirklichen Konturen des
Gegenstandes.

Nachdem die Zeichnung fertiggestellt ist, denken wir uns das Objekt
entfernt. Die Glasplatte bestreichen wir auf der Rückseite mit weißer
Deckfarbe, so daß sie undurchsichtig wird; im übrigen bleibt sie an der
gleichen Stelle. Die auf der anderen Seite befindliche Zeichnung wird
dann auf das an dem Sehloch befindliche Auge annähernd den gleichen
Eindruck machen wie der Gegenstand selbst; ich werde ihn immer noch
vor mir zu sehen glauben. Weil also diese Zeichnung eine Vorstellung
des Gegenstandes in uns wachzurufen imstande ist, nennen wir sie ein
»Bild« des Gegenstandes. Freilich enthält unser Bild nur +Linien+; von
den Unterschieden der Helligkeit, von Licht und Schatten, von der Farbe
des Objektes haben wir ganz abgesehen. Aber man kann nicht alles auf
einmal erreichen; es wäre eine zweite Aufgabe, auch diese Eigenschaften
im Bilde wiederzugeben. Die erste und wichtigste Aufgabe ist jedenfalls
die Herstellung einer +Linienzeichnung+, welche die Umrisse und
überhaupt die wichtigsten Linien des Gegenstandes wiedergibt. Ja, sie
genügt in vielen Fällen schon ganz allein. Denn gerade die Linie wirkt
mit einer ganz wunderbaren Kraft und Stärke auf unsere Vorstellung.

=3. Definition des perspektivischen Bildes.= Wir müssen jetzt aber
dazu übergehen, für den Begriff des Bildes eine mathematisch strenge
Herleitung zu geben, indem wir aus dem Vorgange des Nachzeichnens auf
der Glastafel das rein Geometrische herausschälen.

[Illustration: Fig. 1.]

Statt der Glastafel denken wir uns eine ebene Fläche, also eine
mathematische Ebene Π, gewählt; sie ist gegeben durch das Blatt Papier,
das Reißbrett oder die Schultafel, auf der die Zeichnung hergestellt
wird. Wir nennen diese Ebene kurz die »Bildebene« oder auch die
»Tafel«. Der abzuzeichnende Körper sei ebenfalls ein mathematischer,
nämlich ein Würfel _abcdefgh_. In Fig. 1 geben wir zunächst eine
Darstellung des ganzen Vorganges. Statt der kleinen Öffnung, durch
welche wir hindurchsehen, denken wir uns einen Punkt _O_ im Raume
gegeben, den wir in Erinnerung an unseren Apparat immer noch das
»Auge« nennen. Wenn wir ferner an dem Gegenstand einzelne Linien ins
Auge faßten und sie auf der Glastafel nachzeichneten, so lösen wir
jetzt diese Linien in einzelne Punkte auf und betrachten zunächst
einen Punkt des Körpers, z. B. die Ecke _a_. Was heißt es nun, daß
wir auf der Glasplatte die verschiedenen Punkte des Gegenstandes
nachzeichneten? Offenbar befinden sich dann der betreffende Punkt
_a_, die Bleistiftspitze _a'_, welche ihn auf der Glastafel markiert,
und das Guckloch in einer +geraden+ Linie. Denn wenn sich zwei Punkte
im Raume für mein Auge decken, so liegen sie auf einer Geraden durch
das Auge. Darauf beruht ja alles Visieren. Mathematisch ausgedrückt
heißt das aber folgendes: wir ziehen durch den Punkt _O_ eine Gerade
nach dem Punkte _a_ und bringen diese zum Schnitt mit der Bildtafel.
Der Schnittpunkt ist eben _a'_. Wir nennen _a'_ das »Bild« oder den
»Riß« des Punktes _a_. Die durch _O_ gehenden Geraden oder Strahlen
bezeichnen wir als »Projektionsstrahlen« oder »Projizierende Strahlen«
oder »Sehstrahlen«, den ganzen Vorgang als »Zentralprojektion«.

[Illustration: Fig. 2.]

Denken wir uns nach allen Punkten der Linien des Gegenstandes diese
Strahlen gezogen und mit der Bildebene zum Schnitt gebracht, so bilden
alle diese Schnittpunkte das, was wir »ein perspektivisches Bild« des
Objektes oder auch eine »Perspektive« des Würfels heißen.

In Fig. 2 ist ein solches Bild _a'b'c'd'e'f'g'h'_ in seiner wahren
Gestalt wiedergegeben. Die Bildebene Π ist hier die Ebene des
Zeichenblattes. Oft wird auch nicht nur der ganze geometrische Prozeß,
sondern das Bild selbst als eine Zentralprojektion bezeichnet. Wie sich
für unser Auge die Ansicht eines Körpers ändert und immer wieder anders
erscheint, wenn wir unseren Standpunkt dem Körper gegenüber verändern,
so ist dieses perspektivische Bild auf der Bildtafel von zwei Faktoren
abhängig: nämlich erstens davon, wie der Punkt _O_ gegenüber der
Bildtafel angenommen wird, und zweitens davon, welche Lage der Körper
zur Bildtafel einnimmt. Sind aber der Punkt _O_ und der Körper fest
angenommen, so ist auch das Bild vollständig bestimmt. Man kann also
sagen:

  =Satz 1.= +Sind die Bildebene Π, das Auge _O_ und der Körper
    im Raume gegeben, so erhält man das perspektivische Bild des
    Körpers als den+ =Schnitt= +der nach den Punkten des Körpers
    gehenden Projektionsstrahlen mit der Bildebene+.

Unter »Perspektive« versteht man weiter auch die Lehre, wie man solche
Bilder unmittelbar auf der Zeichenfläche mit Bleistift, Lineal und
Zirkel konstruiert, ohne den mühsamen Prozeß des Nachzeichnens auf
einer Glastafel durchführen zu müssen. Da es sich für uns bloß um die
Wiedergabe der Linien des Körpers handelt, so spricht man auch von
»Linearperspektive« oder »Linienperspektive«.

Solche perspektivische Bilder hat jeder schon oft gesehen; denn
jede Photographie ist eines. Wir werden später zeigen, daß der
photographische Apparat rein mechanisch derartige Bilder herstellt.

Den Begriff der Zentralprojektion gewannen wir als eine Vereinfachung
des Vorganges des Nachzeichnens: er ist eine mathematische Abstraktion
aus dem Sehprozeß. Wir werden nicht erwarten dürfen, daß sich diese
mathematische Operation mit dem Begriff des Sehens deckt. Denn der
physiologische Vorgang des Sehens ist ja tatsächlich auch ein äußerst
verwickelter. Wir sehen nicht mit +einem+ Auge, sondern mit beiden
Augen, und wir halten die Augen nicht ruhig, sondern bewegen sie nach
allen Seiten hin und her; wir tasten den Körper mit den Augen förmlich
ab. Trotzdem leistet uns der Vorgang der Zentralprojektion schon in
seiner rohen Annäherung wertvolle Dienste. Denn die perspektivischen
Bilder sind unter allen gesetzmäßig definierten Abbildungen weitaus die
anschaulichsten und naturgetreuesten. Bevor wir aber dazu übergehen,
die Gesetze und Herstellungsweisen dieser Bilder zu erörtern, müssen
wir davon handeln, wie man noch auf +andere+ Weise Bilder oder
Abbildungen von räumlichen Gegenständen erhalten kann.


§ 2. Der gerade (rechtwinklige) Riß.

=4. Die Senkrechte von einem Punkte auf eine Ebene.= Hängen wir einen
schweren Körper, z. B. eine kleine Metallkugel oder ein Gewicht,
vermittels eines Fadens etwa an der Decke eines Zimmers auf, so
nimmt der Faden, nachdem der Körper zur Ruhe gelangt ist, unter dem
Einfluß der Anziehung der Erde eine ganz bestimmte Lage an, welche
nach dem Erdmittelpunkt hin gerichtet ist. Wir nennen diese Richtung
»lotrecht« oder »vertikal«. Denken wir uns weiter unter dem Faden ein
Gefäß mit einer Flüssigkeit, z. B. Wasser oder Quecksilber, so bildet
deren Oberfläche eine Ebene, die wir als »wagrecht« oder »horizontal«
bezeichnen. Wir sagen dann weiter, daß die Richtung des Fadens auf
der Oberfläche der Flüssigkeit senkrecht stehe oder lotrecht zu ihr
sei. Das an einem Faden befestigte Gewicht liefert ja auch den sog.
»Senkel«, und mittels dieses allbekannten Instrumentes werden beim Bau
eines Hauses die Steine in horizontalen Lagen angeordnet und die Mauern
lotrecht aufgeführt.

[Illustration: Fig. 3.]

Diese physikalische Tatsache erleichtert dann aber das Verständnis für
den folgenden mathematischen

  =Satz 2.= »+Ist eine Ebene Π_{1} gegeben und ein Punkt _p_ außerhalb
    derselben (Fig. 3), so kann man von dem Punkte auf diese Ebene
    immer eine Senkrechte oder ein Lot fällen. Diese Senkrechte
    schneidet die Ebene in einem Punkte, den wir _p_{1}_ nennen
    wollen. Er mag der Fußpunkt der Senkrechten heißen. Der Abstand
    des gegebenen Punktes von der gegebenen Ebene ist gleich der
    Entfernung, welche der gegebene Punkt _p_ und der Fußpunkt _p_{1}_
    bestimmen, also = der Strecke _pp_{1}_.+«

Die Ebene Π_{1} kann ganz beliebig im Raume liegen. Ist sie im besondern
eine wagrechte Ebene, so fällt die senkrechte zu ihr mit der
»Vertikalen« zusammen.

[Illustration: Fig. 4.]

=5. Der gerade (rechtwinklige) Riß.= Den Fußpunkt _p_{1}_ der von einem
Punkte _p_ auf eine Ebene Π_{1} gefällten Senkrechten nennt man den
+geraden+ oder +rechtwinkligen+ oder +orthogonalen+ Riß des Punktes
_p_ auf die Ebene Π_{1}. Die Ebene Π_{1} heißt wieder die Bildtafel,
Bildebene oder kurz Tafel. Statt Riß wird auch das Wort Projektion
gebraucht, das allerdings gleichzeitig den ganzen Vorgang bezeichnet.
Man sagt auch: der Punkt _p_ ist orthogonal auf die Ebene Π_{1}
projiziert worden.

Was wir für einen einzelnen Punkt durchgeführt haben, können wir jetzt
auch auf einen Körper und die an ihm auftretenden Linien anwenden.
Es sei z. B. ein Würfel _abcdefgh_ gegeben und die Ebene Π_{1}; wir
erläutern den ganzen Vorgang, wie er sich im Raume abspielt, durch
die Fig. 4. _a_ sei eine Ecke des Würfels. Wir denken uns durch _a_
das Lot zur Ebene Π_{1} gezeichnet, welches in _a_{1}_ die Tafel
Π_{1} durchsetzt. _a_{1}_ ist der gerade Riß des Punktes _a_. Eine
zweite Ecke _b_ des Würfels liefert ebenso den Riß _b_{1}_. Dann wird
man leicht einsehen, daß alle Punkte auf der Verbindungsstrecke _ab_
Risse haben, welche auf der Verbindungsstrecke _a_{1}b_{1}_ liegen, d.
h. _a_{1}b_{1}_ ist der Riß von _ab_. Führen wir die Projektion für
alle Ecken und Kanten des Würfels durch, so erhalten wir die Figur
_a_{1}b_{1}c_{1}d_{1}e_{1}f_{1}g_{1}h_{1}_, die den orthogonalen Riß
des Würfels in der Ebene Π_{1} gibt. In Fig. 5 ist weiter ein solcher
Riß in seiner wahren Gestalt wiedergegeben. Dabei wurde also die Ebene
des Papiers als Tafel Π_{1} gewählt. Der Würfel selbst schwebt im Raume
über der Buchseite.

Die Figur kann auch dazu dienen, folgenden übrigens leicht zu
beweisenden Satz zu veranschaulichen:

  =Satz 3.= +Die geraden Risse paralleler Geraden sind selbst
    wieder parallel.+

Beispielsweise sind _ab_ und _cd_ zwei im Raume parallele Gerade, und
ihre Risse _a_{1}b_{1}_ und _c_{1}d_{1}_ sind ebenfalls parallel.

Wir wollen nun noch eine ganz selbstverständliche Eigenschaft einer
solchen Darstellung kennen lernen.

[Illustration: Fig. 5.]

_A_ sei eine Gerade, welche senkrecht auf der Tafel Π_{1} steht (Fig.
6). Wählen wir auf ihr beliebig einen Punkt _a_, so fällt das Lot, das
man von ihm aus auf die Tafel fällen kann, natürlich mit der Geraden
_A_ zusammen, und der rechtwinklige Riß des Punktes _a_ wird der Punkt
_a_{1}_, in dem die Gerade _A_ die Bildebene durchbohrt. Aber auch
jeder andere Punkt _b_, _c_ ... von _A_ hat einen Riß _b_{1}_, _c_{1}_
..., der stets mit _a_{1}_ sich deckt. Mit anderen Worten: Die Gerade
_A_, welche auf der Bildtafel senkrecht steht, hat als Riß einen Punkt,
ihren Schnittpunkt mit der Tafel.

Stellen wir uns ferner eine Ebene _efki_ vor (Fig. 6), welche auf der
Bildebene senkrecht steht, also z. B. eine lotrechte, vertikale Mauer,
wenn Π_{1} horizontal gedacht wird, und ist _ef_ die Schnittlinie dieser
Ebene mit der Tafel, so fallen die geraden Risse aller Punkte dieser
Ebene auf die Linie _ef_. Eine solche Ebene hat demnach als Riß eine
Gerade, nämlich die Schnittlinie der Ebene mit der Tafel.

[Illustration: Fig. 6.]

Gerade und Ebenen, welche auf der Bildebene senkrecht stehen,
verschwinden folglich gewissermaßen im geraden Riß; aus dem Riß kann
man die Ausdehnung solcher Geraden und Ebenen nicht beurteilen. Ist z.
B. in Fig. 6 _defghikl_ ein Würfel, der mit seiner einen Fläche _defg_
in der Tafel liegt, so ist der gerade Riß des Würfels eben dieses
Quadrat _defg_. Die vier Kanten _dh_, _ei_, _fk_, _gl_ erscheinen als
Punkte, und die vier Ebenen _deih_, _efki_, _fglk_ und _gdhl_, welche
auf der Tafel senkrecht stehen, gehen durch die Projektion in die
Geraden _de_, _ef_, _fg_, _gd_ über. Setzen wir aber auf diesen ersten
Würfel einen zweiten Würfel _hiklmnop_, so hat dieser zweite Würfel den
gleichen Riß _defg_, und auch das aus den beiden Würfeln bestehende
Prisma +defgmnop+ hat den Riß +defg+. Fig. 7 gibt wieder die wahre
Gestalt der Risse.

[Illustration: Fig. 7.]

Auch solche rechtwinklige Risse hat ein jeder schon gesehen. Denn jeder
+Plan+ einer Stadt ist ein derartiger Riß; die Bildtafel ist dabei
eine horizontale Ebene. Wir wollen dieses Beispiel aber auch noch dazu
benutzen, um uns darüber klar zu werden, mit welchem Rechte man auch
diese rechtwinkligen Risse als +Bilder+ der betreffenden Gegenstände
bezeichnet. Wir fragen uns mithin: von wo aus betrachtet sieht eine
Stadt so aus wie ihr Plan? Besteigen wir einen der Türme der Stadt
und blicken von ihm aus, also aus einer Höhe von vielleicht 100 ~m~,
auf dieselbe herunter, so wird nur die nächste Umgebung des Turmes so
erscheinen wie auf dem Plane. Von den weiter entfernt gelegenen Häusern
dagegen sehen wir noch Fenster, Türen usf. Steigen wir aber in einem
Ballon bis zu einer Höhe von etwa 1000 ~m~ über der Stadt auf, so wird
schon ein größerer, unmittelbar unter dem Ballon gelegener Teil der
Stadt uns so erscheinen, wie er auf dem Plane wiedergegeben ist. Je
höher wir uns über die Stadt erheben, um so mehr sehen wir die Stadt
unter uns so wie auf dem Plane. Aber erst wenn wir das Auge auf einer
Senkrechten zur Bildebene über alle Maßen weit entfernt denken (Fig.
6), dann würde es die Gegenstände so sehen, wie sie im rechtwinkligen
Riß dargestellt sind. Alle Sehstrahlen sind jetzt parallel, da sie alle
senkrecht auf der Bildebene stehen. Wir erkennen demnach:

  =Satz 4.= +Der rechtwinklige Riß eines Gegenstandes ist das
    Bild, wie es einem Beobachter erscheint, der sich unendlich
    weit von der Bildebene entfernt befindet und senkrecht auf sie
    herunterschaut.+

Weil alle zur Bildebene senkrechten Abmessungen im rechtwinkligen Riß
verschwinden, so können wir aus einem Plan keinen Aufschluß gewinnen
über die Höhe der einzelnen Häuser, der Mauern, Türme.

=6. Bestimmung eines Gegenstandes durch zwei rechtwinklige Risse.=
Ist es nun aber nicht möglich, einen Gegenstand +vollständig+ durch
Risse zu bestimmen, so daß alle Abmessungen desselben, Länge, Breite,
Höhe usf., aus den Darstellungen entnommen werden können? Da +ein+
Riß in einer Ebene nach dem Obigen nicht genügt, so geben wir uns
noch einen +zweiten+ Riß in einer zweiten Tafel. Wir wählen also
noch eine zweite Bildtafel Π_{2}, die der Einfachheit wegen auf
der ersten Bildtafel Π_{1} senkrecht stehe. Die in Fig. 8 gegebene
Ansicht möge wieder dazu dienen, sich die räumlichen Überlegungen
klar zu machen. Es ist nun natürlich nötig, beide Tafeln und die in
ihnen liegenden Risse zu unterscheiden. Die Ecke _a_ des Würfels
liefert in der ersten Tafel Π_{1} den Riß _a_{1}_. Außerdem hat der
Punkt _a_ aber auch einen Riß in der zweiten Tafel. Wir erhalten
denselben nach unserer Definition, indem wir uns von _a_ eine
Senkrechte zu Π_{2} konstruiert denken. Durchsetzt diese Senkrechte
in _a_{2}_ die zweite Tafel, so ist dieser Punkt der Riß von _a_ in
der Π_{2}. Wir nennen _a_{1}_ den ersten, _a_{2}_ den zweiten Riß
des Punktes _a_. Wie ferner der Würfel _abcdefgh_ in der Π_{1} den
Riß _a_{1}b_{1}c_{1}d_{1}e_{1}f_{1}g_{1}h_{1}_ liefert, so läßt sich
nun auch der zweite Riß _a_{2}b_{2}c_{2}d_{2}e_{2}f_{2}g_{2}h_{2}_
des Würfels in der Π_{2} konstruieren. Die beiden Risse werden also
durch die rechts unten angebrachten Zahlen unterschieden. Die erste
Tafel Π_{1} können wir uns als eine horizontale Ebene denken, und
wir nennen den in ihr gelegenen ersten Riß auch den »Grundriß« oder
die »Horizontalprojektion«. Die zweite Tafel Π_{2} ist dann eine
Vertikalebene, und der in ihr gelegene zweite Riß heißt auch »Aufriß«
oder die »Vertikalprojektion«. Was für den ersten Riß erörtert wurde,
gilt natürlich ganz ebenso auch für den zweiten. In Sonderheit
erscheinen wieder +Gerade+, welche zur Aufrißebene Π_{2} senkrecht
stehen, in ihr als +Punkte+ und +Ebenen+, welche auf Π_{2} senkrecht
stehen, bilden sich als +Gerade+ in der Π_{2} ab.

[Illustration: Fig. 8.]

Denken wir uns jetzt die beiden Tafeln Π_{1} und Π_{2} etwa in Holz
gefertigt und miteinander fest verbunden. Weiter sei ein Würfel im
Raume gegeben und in seiner Lage gegen die beiden Tafeln fixiert (Fig.
8). Wir wollen von dem Würfel den Grundriß und den Aufriß zeichnen.
Nachdem dieses geschehen ist, entfernen wir den Würfel. Dann ist durch
die beiden auf den Tafeln gezeichneten Risse der Würfel immer noch
bestimmt. Denn wir können von jeder seiner Ecken die Lage im Raume
bestimmen. In der Tat sind z. B. _a_{1}_ und _a_{2}_ die beiden Risse
einer Ecke, so errichten wir im Punkt _a_{1}_ der Grundrißebene eine
Senkrechte zur Π_{1}, und ebenso konstruieren wir im Punkte _a_{2}_
der Aufrißebene eine Senkrechte zu ihr. Dann werden sich diese beiden
Lote schneiden, und ihr Schnittpunkt gibt die Ecke _a_. In der gleichen
Weise können wir für alle anderen Ecken des Würfels ihre Lage im Raume
bestimmen. Also ist auch der ganze Würfel dadurch festgelegt: es wäre
möglich, z. B. durch Stäbchen und Glasperlen die Ecken des Würfels
wirklich im Raume anzugeben. Überhaupt kann man sagen:

  =Satz 5.= +Sind die beiden Tafeln im Raume gegeben und in ihnen
    die Risse eines Gegenstandes, in der richtigen Zuordnung,
    so daß also von jedem Punkte die beiden Risse unterschieden
    werden, so ist dadurch der Gegenstand und seine Lage im Raume
    bestimmt.+

[Illustration: Fig. 9.]

=7. Das Zusammenlegen der Tafeln.= Es wäre recht unbequem, wollte man
sich stets der beiden senkrecht zueinander befestigten Tafeln bedienen,
wenn man sich auf Grund irgendwelcher Risse einen Körper vorstellen
soll. Was wir wollen, ist eine auf +einem+ Blatte befindliche
Zeichnung, die dann bequem überall zu benutzen ist. Zu einer solchen
gelangen wir, wenn wir die zweite Tafel sich mit der ersten vereinigen
lassen. Es sei _K_ die Schnittlinie der beiden Tafeln (Fig. 9), die
wir kurz die +Kante+ nennen. Wir drehen nun die Π_{2} um _K_ wie um ein
Scharnier so lange, bis Π_{2} mit Π_{1} zusammenfällt.

Die Figur 9 veranschaulicht wieder zunächst den räumlichen Vorgang.
Der beliebige Punkt _a_ hat als ersten Riß den Punkt _a_{1}_, als
zweiten Riß den Punkt _a_{2}'_ Es fragt sich, wohin _a_{2}'_ gelangt,
wenn die Aufrißebene Π_{2} durch die Drehung mit der Grundrißebene zur
Deckung gebracht wird. Die beiden Senkrechten _aa_{1}_ und _aa_{2}'_
bestimmen doch eine Ebene, welche auf der Kante _K_ senkrecht steht.
Der Schnittpunkt dieser in Fig. 9 schraffierten Ebene mit der Kante
_K_ sei a. Es ist also jetzt sowohl _a_{1}_a ⊥ _K_[1] als auch
_a_{2}'_a ⊥ _K_. Bei der Drehung der Aufrißebene beschreibt _a_{2}'_
einen Kreis mit dem Mittelpunkt a und dem Radius _a_{2}'_a, der in
der schraffierten Ebene _a_{1}aa_{2}'_a liegt. Ist also _a_{2}_ die
Lage, welche _a_{2}'_ nach Ausführung der Drehung annimmt, so muß auch
_a_{2}_a ⊥ _K_ sein; demnach fällt _a_{2}_ auf die Verlängerung der
Linie _a_{1}_a, und es ist _a_{2}_a = _a_{2}'_a.

    [1] ⊥ ist das Zeichen für senkrecht auf.

[Illustration: Fig. 10.]

In Fig. 10 bilden wir nun das Zeichenblatt selbst ab; es ist
gewissermaßen doppelt zu nehmen, da es sowohl die Grund- als die
Aufrißebene vorstellt. Die Kante _K_ ist als eine horizontale Linie
darauf gezeichnet. Dann müssen die beiden Risse _a_{1}_ und _a_{2}_
offenbar auf einem Lote zur Kante _K_ gelegen sein; der Schnittpunkt
des Lotes _a_{1}a_{2}_ mit _K_ ist der Punkt a. Es folgt also:

  =Satz 6.= +Nach der Umlegung der Aufrißebene in die Grundrißebene
    liegen die beiden Risse eines Punktes stets auf einer
    Senkrechten zur Kante oder kurz auf einem Kantenlote.+

Geben wir uns irgend zwei Punkte, jedoch so, daß sie auf einer
Senkrechten zu _K_ liegen, und ist der eine durch die Bezeichnung
_a_{1}_ als erster Riß, der andere durch die Bezeichnung _a_{2}_ als
zweiter Riß gekennzeichnet, so bestimmen diese beiden Risse einen
ganz bestimmten Punkt _a_ im Raume. Um uns denselben vorzustellen,
denken wir uns die eine Hälfte des Zeichenblattes, in der _a_{2}_
liegt, um _K_ in die Höhe gedreht, bis sie auf der anderen Hälfte des
Blattes senkrecht steht. Dann sind die beiden Tafeln in ihre wahre
Lage gebracht, und wir finden den Punkt _a_ auf die Weise wie es in 6.
auseinandergesetzt wurde.

[Illustration: Fig. 11.]

Einfacher ist es übrigens zu beachten, daß in Fig. 9

    _aa_{1}_ = _a_{2}'_a = _a_{2}_a.

Es gibt also in Fig. 10 die Strecke _a_{2}_a den Abstand des Punktes von
der Zeichenebene. Wir haben uns demnach in _a_{1}_ eine Senkrechte zur
Fläche des Papiers errichtet zu denken. Auf dieser Senkrechten liegt
der Punkt in einem Abstande von der Zeichenfläche, der durch _a_{2}a_
gegeben ist.

Es ist sehr nützlich sich zu überlegen, wie die beiden Risse eines
Punktes gelegen sind, wenn der betreffende Punkt verschiedene Lagen im
Raume annimmt. In den Figuren 9 und 10 ist noch ein zweiter Punkt _b_
eingetragen.

In Fig. 11 sind ferner die beiden Risse eines Würfels wirklich
gezeichnet, von dem die Fig. 8 die Lage im Raume angab. Diese
hier nur ihrem Wesen nach kurz skizzierte Methode des Grund- und
Aufrisses wird in der darstellenden Geometrie weiter ausgeführt.
Außer den perspektivischen Bildern und den geraden Rissen gibt es
noch eine dritte Art von Bildern, die sog. »+Schräg+bilder« oder
»+Parallelprojektionen+«. Bei ihnen ist die Projektionsrichtung nicht
senkrecht zur Bildebene, sondern beliebig gegen sie geneigt. Die in
diesem Buche zur Erläuterung beigegebenen Figuren, z. B. 1, 4, 6,
8, sind solche Schrägbilder. Man vergleiche darüber das Bändchen
»Projektionslehre« in dieser Sammlung.

Nach diesen einleitenden Betrachtungen wollen wir uns nun eingehender
mit den perspektivischen Bildern beschäftigen.



Der perspektivische Entwurf.


§ 3. Die Schnittmethode.

=8. Konstruktion eines perspektivischen Bildes aus Grund- und Aufriß.=
Soll von einem Gegenstande ein perspektivisches Bild gezeichnet werden,
so muß der Gegenstand selbst bekannt sein und außerdem die Lage des
Projektionszentrums (Auges) gegen die Bildebene. Es ist zunächst am
einfachsten, sich alle diese Stücke je durch Grund- und Aufriß zu
geben, so daß wir also folgende Elemente erhalten: ~a~) die Bildtafel
(Zeichenebene); ~b~) das Auge _O_; ~c~) den Gegenstand. Wir behandeln
wieder ein einfaches Beispiel.

  =Aufgabe 1.= Ein Würfel ist gegeben in Grund- und Aufriß, ebenso
    das Auge _O_; man zeichne ein perspektivisches Bild des
    Würfels, wenn die Bildebene auf der Kante des Tafelsystems
    senkrecht steht.

Die Bildebene Π gehe durch den Punkt _Z_ der Kante (Fig. 12) und
enthalte die beiden Linien _ZX_ und _ZY_, welche in der Π_{1} und
in der Π_{2} je senkrecht zur Kante _K_ gezogen werden können.
Gleichzeitig ist _ZX_ der erste und _ZY_ der zweite Riß der Bildebene
Π. Das Auge _O_ habe die Risse _O_{1}_ und _O_{2}_. Der abzubildende
Würfel _abcdefgh_ liegt mit der Fläche _abcd_ auf der Grundrißebene.
Wir haben nun den in 2. beschriebenen Vorgang +wirklich+ durchzuführen,
also die einzelnen Ecken des Würfels in die Ebene Π zu projizieren.
Führen wir dies etwa für die Ecke _e_ durch.[2] Wir verbinden _O_ mit
_e_, dann ist _O_{1}e_{1}_ der erste Riß, _O_{2}e_{2}_ der zweite Riß
dieser Verbindungslinie. Der Schnittpunkt von _Oe_ mit Π sei _e'_; der
erste Riß von _e'_ kann nichts anderes sein als der Schnittpunkt von
_O_{1}e_{1}_ mit _ZX_. Diesen Punkt bezeichnen wir also mit _e_{1}'_.
Ebenso ist der zweite Riß des Punktes _e'_ der Schnittpunkt _e_{2}'_
von _O_{2}e_{2}_ mit der Linie _ZY_. Natürlich fallen alle ersten Risse
unseres Bildes auf die Gerade _ZX_, alle zweiten auf _ZY_.

    [2] Wir raten dem Leser, alle Figuren stets nach den Angaben des
    Textes +selbst+ herzustellen. Es erleichtert das Verständnis
    ungemein, wenn man die Figur +allmählich+ entstehen sieht.

[Illustration: Fig. 12.]

Nun wollen wir aber doch das +Bild+ selbst in seiner wahrer Gestalt auf
unserem Zeichenblatte vor uns sehen. Um dieses zu erreichen, müssen
wir die Ebene Π herausheben und in die Zeichenebene legen. Das kann
man etwa in folgender Weise durchführen. Wir verschieben die Ebene Π
parallel zu sich selbst, bis sie durch den beliebigen Punkt (_Z_) der
Kante geht. Sie schneidet dann die Tafeln in den Loten (_Z_)(_X_) und
(_Z_)(_Y_). Nachdem dies geschehen, drehen wir die Ebene um die in der
Π_{2} gelegene Senkrechte _(Z)(Y)_ so lange, bis sie mit der Π_{2} sich
deckt.

Verfolgen wir den Punkt _e'_ bei diesen verschiedenen Schritten. Bei
der Verschiebung der Ebene Π in die Lage (_Y_)(_Z_)(_X_) wird _e_{1}'_
eine Parallele zur Kante beschreiben. Ziehen wir also durch _e_{1}'_
eine Parallele zur Kante _K_, so schneidet diese die Linie (_Z_)(_X_)
in (_e_{1}'_). Bei der Drehung der Ebene beschreibt (_e_{1}'_) einen
Viertelskreis um (_Z_) und gelangt nach _e_{1}^*_. Dann liegt aber
der Punkt _e'_ auf der Senkrechten, welche in _e_{1}^*_ zur Kante
gezeichnet werden kann. Die Höhe, in welcher _e'_ über der Π_{1} liegt,
ist jedoch bei allen diesen Vorgängen die gleiche geblieben, und sie
ist durch _Ze_{2}'_ gegeben. Tragen wir also auf der in _e_{1}^*_
errichteten Senkrechten diese Höhe an oder, was das gleiche ist, ziehen
wir durch _e_{2}'_ eine Parallele zur Kante, so schneidet diese auf der
Senkrechten in _e_{1}^*_ den Punkt _e'_ aus.

Bequemer ist es, einfach (_Z_)_e_{1}^*_ = _Ze_{1}'_ mit dem Zirkel
auf der Kante anzutragen und auf der Senkrechten in _e_{1}^*_ dann
weiter _e_{1}^*e'_ = _Ze_{2}'_ abzuschneiden. Man kann dazu auch noch
Fig. 1 vergleichen. Dort ist die erste Tafel Π_{1} angegeben als eine
horizontale Ebene, die zweite Tafel ginge durch _K_ und _AY_. Vom
Punkte _e'_ sind die Risse _e_{1}_ und _e_{2}_ eingetragen.

Ganz in entsprechender Weise konstruiert man die Bilder der übrigen
Ecken und erhält so das Bild _a'b'c'd'e'f'g'h'_ des Würfels. Um
die Bildwirkung zu erhöhen, denkt man sich den Würfel aus einem
undurchsichtigen Material (Holz, Gips) und zeichnet die Kanten, welche
man nicht sehen würde, bloß punktiert. In unserer Figur liegen dem
Auge zunächst die Kanten _bc_, _cg_, _gf_, _fb_ ferner _gh_, _he_,
_ef_. Diese müssen also ausgezogen werden. Die übrigen Kanten _cd_,
_da_, _ab_, _dh_, _he_, _ea_ werden dem in _O_ befindlichen Auge
durch den Würfel verdeckt; man hätte sie also streng genommen ganz
wegzulassen. Es ist aber nützlich, diese Kanten wenigstens punktiert
anzudeuten, um die mathematische Form besser zu übersehen. Man nennt
die Berücksichtigung dieser Verhältnisse die »Sichtbarkeit bzw.
Unsichtbarkeit«.

Nun ist ein perspektivisches Bild für ein gewisses Projektionszentrum
konstruiert und muß von diesem aus betrachtet werden. Wir werden
deswegen verlangen, den Punkt im Raume anzugeben, von dem aus unser
Bild _b'c'g'h'e'f'_ zu betrachten ist. Zu diesem Zwecke fällen wir von
dem Zentrum _O_ aus auf die Bildebene Π die Senkrechte. Ihr erster
Riß ist eine Parallele durch _O_{1}_ zur Kante, ihr zweiter Riß eine
Parallele durch _O_{2}_ zur Kante. Der Fußpunkt dieser Senkrechten,
die auch in Fig. 1 eingetragen ist, heiße ~A~. Die Risse ~A_{1}~ und
~A_{2}~ desselben sind die Schnittpunkte der eben genannten Parallelen
mit _ZX_ bzw. _ZY_. Daraus finden wir die Lage von ~A~ wiederum, indem
wir zunächst die Parallele durch ~A_{1}~ und (_Z_)(_X_) zum Schnitt
bringen in (~A_{1}~), dann durch einen Viertelskreis (_Z_)~A_{1}^*~ =
(_Z_)(~A_{1}~) machen. Auf der in ~A_{1}^*~ errichteten Senkrechten
schneidet die Parallele durch ~A_{2}~ wieder den Punkt ~A~ aus. Jetzt
wissen wir also, daß unser Projektionszentrum auf der Senkrechten
liegt, die in ~A~ zur Zeichenebene gedacht werden kann.

[Illustration: Fig. 13.]

Weiter gibt nun aber die Strecke _O_{1}_~A_{1}~ oder auch
_O_{2}_~A_{2}~ die Entfernung, in der wir auf der genannten Senkrechten
in ~A~ zur Ebene des Blattes uns das Auge _O_ denken müssen. Bringen
wir unser Auge an die dadurch bestimmte Stelle im Raume, so wird das
Bild des Würfels den besten Eindruck machen. Allerdings hat man die
Figur viel größer, vielleicht drei- oder viermal so groß zu zeichnen,
da wir bei normalen Augen das Zeichenblatt wenigstens 25 ~cm~ von
unserem Auge entfernt halten müssen.

Man nennt den Punkt ~A~ den »Haupt«- oder »Augpunkt«, und er ist wohl
zu unterscheiden von dem Projektionszentrum oder dem »Auge« _O_; die
Entfernung _O_~A~ des Projektionszentrums _O_ von der Bildebene, also
die Strecke _O_{1}_~A_{1}~ oder _O_{2}_~A_{2}~ heißt die »Distanz«.

[Illustration: Abb. 2.

Methode der mech. Konstruktion einer Perspektive mittels des Reileschen
Apparates.]

=9. Apparat zur Konstruktion einer Perspektive.= Geht man vom Grundriß
des gegebenen Gegenstandes aus, so beruht das soeben durchgeführte
Verfahren wesentlich darauf, daß man die +Höhe+ ermittelt, in
der das Bild eines Punktes über der Grundrißebene lag. Statt der
Grundrißebene kann man auch die Ebene benutzen, welche man durch
das Auge _O_ parallel zur Grundrißebene legt. Diese Ebene heiße die
»+Horizontebene+« und sie schneidet die Bildebene Π in einer Geraden
_hh_, welche durch den Hauptpunkt ~A~ geht und der »+Horizont+« genannt
wird (Fig. 13). Es sei nun ein Punkt _a_ gegeben, der von _O_ aus
gerechnet +vor+ der Bildebene Π liegt, welch letztere die Grundrißebene
Π_{1} in der Geraden _gg_ schneidet. Dann können wir das Bild _a'_
wieder in folgender Weise bestimmen. Die von _a_ auf Π_{1} gefällte
Senkrechte trifft Π_{1} im Risse _a_{1}_, die Horizontebene dagegen
im Punkte (_a_{1}_). Verbinden wir _O_{1}_ mit _a_{1}_, so ist dies
der Riß des Sehstrahles _Oa_. _O_{1}a_{1}_ trifft die Gerade (_gg_) in
_a_{1}'_, und auf der in _a_{1}'_ gelegenen Senkrechten liegt das Bild
_a'_. Schneidet diese Senkrechte den Horizont in (_a'_), so ist die
Linie _O_(_a'_) parallel zu _O_{1}a_{1}'_, und zur Berechnung der Höhe
_a'_(_a'_) kann die Proportion dienen:

    _a'_(_a'_)/_a_(_a_{1}_) = _O_(_a'_)/_O_(_a_{1}_).

Das Verhältnis auf der rechten Seite darf zunächst durch _O_{1}a_{1}'_
: _O_{1}a_{1}_ ersetzt werden. Zieht man ferner durch _a_{1}_ eine
Parallele zu _gg_, welche _O_{1}_~A_{1}~ in _X_ trifft, so wird dies
Verhältnis auch durch _O_{1}_~A_{1}~ : _O_{1}X_ gegeben, so daß man
schließlich erhält

    (1) _a'_(_a'_)/_a_(_a_{1}_) = _O_{1}_~A_{1}~/_O_{1}X_.

Die Strecke _a_(_a_{1}_) kann aus dem Aufriß entnommen werden und ist
gleich der Höhe des Aufrisses über dem Horizont.

Ist nun (Abbildung 2) der Grundriß in Fig. I, der Aufriß in Fig. II
gegeben und ist die Bildebene um _gg_ in die Grundrißebene umgeklappt,
so läßt sich aus der Proportion (1) in folgender Weise die Höhe
_a'_(_a'_) ermitteln. Man zieht durch den Riß _a_{1}_ eine Parallele
zu _hh_, welche auf _O_{1}_~A_{1}~ den Punkt _X_ liefert. Auf dieser
Parallelen trägt man ferner die Höhe ab, in der der Aufriß von _a_ über
dem +Horizont+ liegt, macht also _XY_ = _a_{2}a_{h}_, wo _a_{2}a_{h}_
aus Fig. II zu entnehmen. Verbindet man diesen Punkt _Y_ mit _O_{1}_,
so schneidet diese Linie aus _gg_ den Punkt _B_{1}_ aus, und es gilt
nun die Proportion:

    (2) _B_{1}_~A_{1}~/_XY_ = _O_{1}_~A_{1}~/_O_{1}X_.

Vergleicht man (1) und (2), so müssen also auch die linken Seiten
einander gleich sein, und da _XY_ = _a_{2}a_{h}_ = _a_(_a_{1}_), so ist
_B_{1}_~A_{1}~ = _a'_(_a'_).

In _B_{1}_~A_{1}~ ist mithin die Höhe des Bildes von _a_ über dem
Horizont ermittelt. Verbindet man demnach noch _a_{1}_ mit _O_{1}_, so
liefert diese Linie auf _gg_ den Punkt _a_{1}'_. Auf dem in _a_{1}'_
errichteten Lote liegt _a'_ und wird erhalten, wenn man vom Horizont
aus _B_{1}_~A_{1}~ anträgt, also (_a'_)_a'_ = _B_{1}_~A_{1}~ macht.

Herr Kunstmaler Adolf +Reile+ in Stuttgart hat in der Zeitschrift
für gewerblichen Unterricht, Jahrg. XXX, 1915 Nr. 43 einen einfachen
Apparat angegeben, der diese von ihm abgeleitete Beziehung mechanisch
zu konstruieren gestattet. Zwei Reißschienen _L_ und _R_ sind durch ein
Gelenk miteinander verkuppelt. Der Gelenkmittelpunkt wird stets auf der
Geraden _gg_ geführt, indem die Reißschiene _R_ an der oberen Kante
_AD_ des Reißbrettes _ABCD_ hingleitet. Die Reißschiene _L_ geht immer
durch _O_{1}_ hindurch, was dadurch erreicht wird, daß eine Hülse durch
eine Stecknadel in _O_{1}_ festgehalten ist, während die Schiene _L_
durch die Hülse hindurchgleitet.

Um die obige Konstruktion auszuführen, legt man zunächst eine
gewöhnliche Reißschiene _R'_ durch _a_{1}_, bestimmt durch Abgreifen
mit dem Zirkel _Y_ und verschiebt sodann _L_ so lange, bis es durch _Y_
geht. Die Kuppelung befindet sich nun in _B_{1}_, und die Schiene _R_
bestimmt auf dem Horizont die gesuchte Strecke ~A~_B_ = ~A_{1}~_B_{1}_.
Legt man endlich _L_ durch _a_{1}_, so gibt die Schiene _R_ das Lot in
_a_{1}'_, und längs derselben kann ~A~_B_ angetragen werden. Da das
Objekt bei der in Abb. 2 gemachten Annahme +vor+ der Bildebene liegt,
so wird es durch die Perspektive vergrößert.

Es gibt Vorrichtungen (sog. Perspektographen), welche überhaupt
Perspektiven mechanisch herstellen; so haben +G. Hauck+ und +E. Brauer+
einen allerdings komplizierten und teueren Apparat konstruiert, bei dem
ein freier Stift die Perspektive beschreibt, wenn man mit zwei anderen
Stiften den Grund- und Aufriß nachfährt. Man vgl. Zeitschrift des
Vereins deutscher Ingenieure, Bd. 35, 1891 Nr. 28, S. 782.

Wesentlich ist, daß das in 8. erörterte Verfahren, das man auch als
die »+Schnittmethode+« bezeichnet, uns zwar die Möglichkeit gibt, das
perspektivische Bild Punkt für Punkt zu zeichnen, daß es uns aber
keinen Einblick in die Natur dieser Bilder gewährt und uns keine
Eigenschaften solcher Bilder liefert. So gehen beispielsweise in
Fig. 12 die vier Linien _b'a'_, _c'd'_, _g'h'_, _f'e'_ hinreichend
verlängert durch +einen+ Punkt, nämlich durch ~A~, und es leuchtet ohne
weiteres ein, daß dies für die Zeichnung mit Vorteil verwendet werden
kann. Deswegen gehen wir jetzt dazu über, denjenigen Satz zu beweisen,
der die wichtigste Eigenschaft aller perspektivischen Bilder liefert.


§ 4. Der Satz vom Fluchtpunkt.

=10. Der Fluchtpunkt einer Geraden.= Wir erinnern zunächst an
folgenden, auch der Anschauung leicht zugänglichen Satz: »Irgend zwei
parallele Gerade im Raume bestimmen eine Ebene, und jede Gerade, welche
diese beiden parallelen Geraden schneidet, liegt ebenfalls ganz in
dieser Ebene.«

Dieser grundlegenden Behauptung der Geometrie kann man auch folgende
andere Fassung geben:

»Ist eine Gerade _G_ gegeben und ein Punkt _O_ (Fig. 14) und verbindet
man den Punkt _O_ mit beliebigen Punkten _a_, _b_, ... von _G_, so
liegen alle diese Verbindungslinien in +einer+ Ebene, und dieser Ebene
gehört auch die Gerade _J_ an, welche durch _O_ parallel zu _G_ gezogen
werden kann.«

Es sei nun weiter die Bildtafel Π gegeben sowie das Auge _O_; es soll
das perspektivische Bild der Geraden _G_ gezeichnet werden. Dieses
Bild _G'_ erhält man, wenn man die Bilder der einzelnen Punkte _a_,
_b_, _c_, ... von _G_ aufsucht. Man hat also die Projektionsstrahlen
_Oa_, _Ob_, _Oc_, ... mit Π zum Schnitt zu bringen. Alle diese Punkte
_a'_, _b'_, _c'_ ... liegen dann aber auf der Geraden _G'_, in welcher
die Ebene der Projektionsstrahlen _Oa_, _Ob_, _Oc_, ... die Tafel Π
durchsetzt. In der Ebene dieser Projektionsstrahlen liegt nun nach dem
obigen Satze auch der Strahl _J_, der durch _O_ parallel zu _G_ gezogen
werden kann. Trifft er in _f_ die Tafel, so muß also _G'_ auch durch
_f_ gehen.

Die Gerade _G_ schneidet ferner die Tafel Π in einem Punkte _s_; er
heißt die »Spur« der Geraden, und er muß selbstverständlich auch auf
_G'_ gelegen sein.

[Illustration: Fig. 14.]

Der Punkt _f_ dagegen heißt der »+Fluchtpunkt+« oder die »+Flucht+«
oder auch der »+Verschwindungspunkt der Geraden _G_+«. Diese sehr
treffende Bezeichnung erklärt sich in folgender Weise. Lassen wir
einen Punkt sich auf der Geraden _G_ von der Spur _s_ aus nach links
immer weiter und weiter fortbewegen, so daß er die Lagen _a_, _b_,
_c_, ... annimmt, so werden sich die Bilder _a'_, _b'_, _c'_ ... dem
Fluchtpunkt _f_ mehr und mehr nähern. Ist der Punkt auf der Geraden _G_
schon sehr weit hinausgerückt, so wird das Bild des Punktes ziemlich
nahe an _f_ liegen. Aber allerdings gibt es keinen erreichbaren
Punkt auf _G_, dessen Bild wirklich nach _f_ fiele. Denkt man sich
die Gerade _G_ als eine materiell hergestellte, sehr lange, dünne
Stange aus Draht oder Holz und Π wieder als Glastafel und visiert ein
in _O_ angebrachtes Auge die Stange ein, so wird ihr Ende nahezu in
_f_ erscheinen, die Gerade »verschwindet« in _f_. Das Bild G' läuft
verlängert durch den Fluchtpunkt, oder es »flieht« nach _f_.

Wir geben nochmals an, wie der Fluchtpunkt einer Geraden zu
konstruieren ist:

  =Satz 7.= +Der Fluchtpunkt einer Geraden wird erhalten, wenn
    man durch das Auge eine Parallele zu der Geraden zieht. Der
    Schnittpunkt dieser Parallelen mit der Tafel (die Spur dieses
    Parallelstrahles) ist der Fluchtpunkt der Geraden.+

Das Bild _G'_ wird man zeichnen können, wenn man 2 Punkte desselben
bestimmt hat. Als solche bieten sich ganz von selbst die Spur _s_ und
die Flucht _f_ dar. Man kann also sagen:

  =Satz 8.= +Das Bild einer Geraden ist die Verbindungslinie ihrer
    Spur und ihres Fluchtpunktes.+

Um ein Beispiel zu haben, betrachten wir Fig. 12. Wählen wir die Kante
_ab_ des Würfels. Der Fluchtpunkt dieser Geraden ergibt sich, wenn wir
durch _O_ die Parallele zeichnen. Da die Kante auf der Tafel _ZXY_
senkrecht steht, so ist diese Parallele die Linie _O_~A~ und ~A~ ist
der Fluchtpunkt. Es geht also in dem perspektivischen Bilde rechts oben
_a'b'_ verlängert durch ~A~.

=11. Der Satz vom Fluchtpunkt.= Denken wir uns nun (Fig. 14) eine
zweite Gerade _H_ gegeben, welche zu _G_ parallel sein soll. Die Spur
von _H_ sei der Punkt _s'_. Dann weiß man, daß die Linie _J_ oder _Of_
auch parallel zu _H_, und dies besagt doch nichts anderes, als daß _f_
auch der Fluchtpunkt der Geraden _H_ sein muß. Das perspektivische
Bild _H'_ der Geraden _H_ läuft folglich durch _f_ und durch _s'_.
Ebenso wäre für jede andere Gerade, welche zu _G_ parallel ist, _f_
der Fluchtpunkt. Die Bilder _G'_ und _H'_ der parallelen Geraden _G_
und _H_ laufen also im gemeinsamen Fluchtpunkt _f_ zusammen. Damit
erhalten wir den die ganze Lehre von der perspektivischen Zeichnung
beherrschenden

  =Satz 9.= +Sind eine Anzahl paralleler Geraden im Raume gegeben,
    so sind die perspektivischen Bilder dieser Geraden nicht
    parallel, sondern sie laufen+, =hinreichend verlängert=,
    +durch einen Punkt, den gemeinsamen Fluchtpunkt der parallelen
    Geraden+.

[Illustration: Fig. 15.]

Man beachte, daß im Gegensatze dazu bei der orthogonalen Projektion
nach Satz 3 (S. 7) parallele Gerade im Raume auch stets Bilder haben,
die wieder +parallel+ sind. Die Figur 12 liefert uns auch sofort ein
Beispiel für die Anwendung dieses Fluchtpunktsatzes. Betrachten wir
an dem dort dargestellten Würfel die 4 Kanten _ba_, _cd_, _gh_, _fe_,
so erkennt man leicht, daß dieses 4 parallele Gerade sind. ~A~ ist
offenbar der gemeinsame Fluchtpunkt derselben, und die Bilder _b'a'_,
_c'd'_, _g'h'_, _f'e'_ laufen demnach verlängert durch ~A~.

Eine aufmerksame Betrachtung der Fig. 12 kann uns übrigens darüber
belehren, daß es doch parallele Gerade gibt, deren Bilder auch wieder
parallel sind. So sind die vier Geraden _bc_, _ad_, _eh_, _fg_ offenbar
im Raume parallel, und ihre Bilder _b'c'_, _a'd'_, _e'h'_, _f'g'_ sind
ebenfalls parallel. Die gleiche Eigenschaft zeigen die vier Kanten
_ae_, _bf_, _cg_, _dh_. Betrachten wir nun, um dies klar zu übersehen,
eine Gerade _G_, welche zur Bildebene Π parallel ist (Fig. 15). Das
Bild _G'_ derselben ergibt sich wieder, wenn wir nach allen möglichen
Punkten von _G_ die Projektionsstrahlen legen und diese mit der Tafel
zum Schnitt bringen. Alle diese Strahlen bilden aber eine Ebene, und
diese projizierende Ebene schneidet aus Π das Bild _G'_ aus. Wenn wir
nun angenommen haben, daß die Gerade _G_ zur Bildtafel Π parallel ist,
so heißt das, daß sie die Bildtafel nicht schneidet. Die Gerade _G_
kann also auch _G'_ nicht schneiden oder mit anderen Worten: es ist _G_
parallel _G'_.

Ist nun _H_ eine zweite zu _G_ parallele Gerade, so folgt ganz in
der gleichen Weise, daß auch _H_ parallel zu _H'_ ist, und daraus
folgert man sofort, daß auch _G'_ parallel _H'_ ist. Diese beiden
parallelen Geraden _G_ und _H_ haben also parallele Bilder _G'_ und
_H'_. Allgemein kann man diesen besonderen Fall des Fluchtpunktsatzes
aussprechen als

  =Satz 10.= »+Parallele Geraden, welche überdies zur Bildebene
    parallel laufen, haben auch parallele, perspektivische
    Bilder; die Bilder solcher Geraden sind zu den Geraden selbst
    parallel.+«

[Illustration: Fig. 16.]

=12. Das Fluchtpunktgesetz in der Erscheinungswelt.= Der Begriff der
Zentralprojektion war abgeleitet aus dem Vorgang des Sehens, den wir
jetzt etwas genauer untersuchen müssen. Das menschliche Auge entwirft
von beleuchteten Gegenständen, die sich vor ihm befinden, auf der im
Hintergrunde des Auges befindlichen Netzhaut kleine Bildchen, die
dadurch entstehen, daß man die Punkte des Gegenstandes aus einem
bestimmten, im Auge gelegenen Punkte _o_ auf die Netzhaut projiziert.
In Fig. 16 ist das allerdings in ganz unrichtigen Größenverhältnissen
wiedergegeben. Als Objekte sind die beiden parallelen Pfeile _ab_ und
_cd_ gewählt. _o_ ist das Zentrum, und die von _o_ nach den Punkten
_a_, _b_, _c_, _d_ gehenden Strahlen schneiden die Netzhaut in den
Punkten _a'_, _b'_, _c'_, _d'_. So entstehen die Bildchen _a'b'_ und
_c'd'_. In zweierlei Hinsicht unterscheidet sich freilich die hier
zur Verwertung kommende Perspektive von der von uns betrachteten.
Erstens tritt an Stelle der ebenen Bildtafel die kugelförmig gewölbte
Netzhaut, und zweitens befinden sich Gegenstand und auffangende Fläche
auf verschiedenen Seiten des Zentrums _o_. Das letztere äußert sich
dadurch, daß die Bildchen auf der Netzhaut verkehrt sich ausbilden.
So sind z. B. die Pfeilspitzen _a'_, _c'_ unten gelegen. Mit dem
Augenspiegel kann man das direkt beobachten. Denkt man sich weiter
durch _o_ die Parallele zu _ab_ gezogen, so schneidet diese die
Netzhaut in einem Punkte _f_, den wir als den Fluchtpunkt aller zu
_ab_ parallelen Linien bezeichnen müssen. Je länger der Pfeil _ab_
ist, desto mehr strebt das Bildchen _a'b'_ dem Punkte _f_ zu. Die
beiden Bilder _a'b'_ und _c'd'_ laufen verlängert durch _f_, und diese
Tatsache drückt sich auch in unserem Wahrnehmungsbild aus, indem
sich die beiden Pfeile zu nähern scheinen. In der Tat kann man das
auf Schritt und Tritt beobachten. Wenn eine Straße auf eine lange
Strecke geradlinig verläuft, so scheinen die Häuser am Ende derselben
zusammenzurücken, ebenso die Trambahnschienen und die Gesimslinien
ihrer Gebäude. Eine geradlinige Allee schließt sich scheinbar in der
Ferne, in gleicher Weise ein sehr langer Korridor. Am großartigsten
zeigt sich die Erscheinung, wenn die Sonnenstrahlen durch eine
Wolkenlücke brechen. Sie werden dann in ihrem geradlinigen Verlauf
sichtbar, indem sie die Wolken oder andere Teile der Landschaft
beleuchten. Die Strahlen, die durch die Lücke hindurchgehen, sind nun
parallel, da wir Strahlen, die von +einem+ Punkte der Sonne ausgehen,
als parallel betrachten müssen. Für unser Auge aber scheinen diese
Strahlen von einem Punkte auszugehen, eben dem Fluchtpunkte derselben.
So bringt uns unser Auge den Satz vom Fluchtpunkte fast in jedem Moment
zum Bewußtsein und wir können nicht über die Straße gehen, ohne ihn zu
erleben. Das ganze Weltbild, das wir beständig vor Augen haben, wird
durch dieses Gesetz wesentlich beeinflußt.


§ 5. Andere Bestimmung eines perspektivischen Bildes.

[Illustration: Fig. 17.]

=13. Die festen Elemente.= Wir wollen nun einen anderen Weg
einschlagen, um perspektivische Bilder von Körpern zu zeichnen, indem
wir den Satz vom Fluchtpunkt jetzt so viel als möglich heranziehen. Es
ist dann zunächst nötig, eine Anzahl fester Elemente einzuführen, auf
die wir die Darstellung beziehen. Die Bildebene oder Tafel denken wir
uns wieder als eine lotrechte Ebene. Die darzustellenden Gegenstände
werden sich nun in den meisten Fällen auf einer horizontalen
Bodenfläche befinden; wir führen dementsprechend eine zur Tafel
senkrechte, wagrechte Ebene ein, die wir kurz die »Grundebene« nennen.
Die Figuren 17 und 18 geben wieder eine Ansicht aller zu benutzenden
Gebilde. Die Grundebene Π_{1} wird die Tafel Π in einer Geraden _gg_
schneiden, welche »Grundlinie« heißen soll. Von dem im Raume gegebenen
Auge _O_ fällen wir eine Senkrechte auf die Tafel, deren Fußpunkt der
schon erwähnte »Haupt«- oder »Aug«-Punkt ~A~ ist. Da die Linie _O_~A~
demnach parallel zur Grundebene verläuft, so kann man durch _O_~A~ eine
Ebene legen, welche parallel zur Grundebene ist. Diese Parallelebene
schneidet aus der Tafel eine Linie _hh_ aus, welche parallel zur
Grundlinie _gg_ sein muß und bereits als der »Horizont« bezeichnet
wurde. Die Parallelebene selbst hieß die »Horizontebene«. Der Abstand
des Horizonts von der Grundlinie oder, was das gleiche ist, der Abstand
der Horizontebene von der Grundebene wird die »Augenhöhe« genannt.
Endlich tragen wir noch die Distanz _O_~A~ vom Augpunkt aus nach beiden
Seiten auf dem Horizont ab, wodurch wir die Punkte ~D_{1}~ und ~D_{2}~
erhalten. Diese heißen die »Distanzpunkte«. Da also ~AD_{1}~ = ~A~_O_
= ~AD_{2}~, so sind die Dreiecke ~D_{1}~_O_~A~ und ~D_{2}~_O_~A~ beide
gleichschenklig rechtwinklig, und es ist ∢ ~AD_{1}~_O_ = ∢ ~AD_{2}~_O_
= 45°.

In der Zeichenebene geben wir uns also (Fig. 19) zwei parallele Linien
_hh_ und _gg_ und auf der oberen den Punkt ~A~ sowie im gleichen
Abstande rechts und links die Punkte ~D_{1}~ und ~D_{2}~. Die Lage des
Auges im Raume ist damit festgelegt: es liegt auf der Senkrechten, die
wir uns im Punkte ~A~ zur Zeichenebene errichtet denken, und zwar in
einem Abstande von ~A~, der gleich ~AD_{1}~ oder ~AD_{2}~ ist.

Durch die Annahme dieser Elemente ist nun bereits eine ganze Anzahl
von Richtungen bestimmt. Eine auf der Zeichenebene senkrechte Gerade
_T_ liefert uns die Ausdehnung des Gegenstandes nach der »Tiefe« zu,
wie wir ja auch von der Tiefe eines Kastens oder einer Bühne sprechen
und darunter die Abmessung verstehen, die lotrecht zur Vorderfläche
erfolgt. Wir nennen aus diesem Grunde jede auf der Bildebene senkrechte
Gerade _T_ eine »+Tiefenlinie+« (Fig. 18 oben). Die durch das Auge _O_
zu einer solchen Tiefenlinie gelegte Parallele wird dann aber immer der
Strahl _O_~A~, und folglich ist nach Satz 7 ~A~ ihr Fluchtpunkt. Damit
haben wir aber bewiesen:

  =Satz 11.= »+Der Augpunkt A ist der Fluchtpunkt für alle
    Tiefenlinien, d. h. die Bilder aller Tiefenlinien gehen
    verlängert durch den Augpunkt+.«

Der Augpunkt beherrscht deswegen die ganze Darstellung und legt die im
Bilde fehlende dritte Dimension fest.

Um die Bedeutung des Horizontes zu erkennen, erinnern wir zunächst an
folgenden Satz aus der Stereometrie: »Ist eine Ebene Π_{1} gegeben und
außerhalb derselben ein Punkt _O_, so gibt es durch _O_ nur +eine+
Ebene, welche zu Π_{1} parallel ist.«

Diese Behauptung kann man auch durch folgende andere ersetzen:
»Zieht man in der Ebene Π_{1} +irgend+welche Gerade und zeichnet durch
_O_ die Parallelen zu derselben, so liegen alle diese Parallelen in
einer Ebene, eben in der Parallelebene durch _O_ zu Π_{1}.« Ist also
_G_ irgendeine Gerade der Grundebene (Fig. 17) und ziehen wir zu ihr
durch _O_ die Parallele, so liegt diese in der Horizontebene, der
Schnittpunkt _f_ der Parallelen mit der Tafel muß demnach auf _hh_
gelegen sein; er ist aber der Fluchtpunkt der Geraden _G_; mit anderen
Worten:

  =Satz 12.= +Alle in der Grundebene gelegenen Geraden haben ihre
    Fluchtpunkte auf dem Horizonte.+

~A~ ist im besonderen der Fluchtpunkt aller zur Grundlinie _gg_
senkrechten Geraden der Grundebene, was wir ja schon wissen. Zeichnen
wir ferner in der Grundebene ein Quadrat _abcd_ (Fig. 18), das mit
einer Seite _ab_ in der Grundlinie liegt. Dann schließen die Linien
_ac_ und _bd_, die sog. Diagonalen des Quadrates, mit der Grundlinie
Winkel von 45° ein. Man vgl. auch Fig. 19, in welcher unten das Quadrat
(_a_)(_b_)(_c_)(_d_) in seiner wahren Gestalt zu sehen ist. Es ist aber
klar, daß die Linie _OD_{1}_ parallel zu _bd_ und _OD_{2}_ parallel
zu _ac_; _D_{1}_ und _D_{2}_ sind die Fluchtpunkte der Diagonalen des
Quadrates und aller zu diesen beiden Geraden parallelen Geraden der
Grundebene d. h.

  =Satz 13.= »+Alle Linien der Grundebene, welche mit der
    Grundlinie den Winkel von 45° nach der einen oder anderen Seite
    einschließen, haben die Distanzpunkte bzw. zu Fluchtpunkten.+«

[Illustration: Fig. 18.]

Endlich wollen wir noch eine andere Eigenschaft des Horizontes kennen
lernen. Ist _d_ ein Punkt in der Grundebene, _d'_ sein Bild, also der
Schnittpunkt des Sehstrahles _Od_ mit Π (Fig. 18), so wollen wir uns
vorstellen, daß der Punkt _d_ weiter und weiter nach links in der
Grundebene hinausrückt. Dann wird das Bild _d'_ offenbar immer höher
in der Bildtafel hinaufrücken, da sich der Strahl _Od_ mehr und mehr
aufrichtet. Ist _d_ sehr weit entfernt in der Grundebene angenommen,
so wird das Bild _d'_ dem Horizont _hh_ schon sehr nahe liegen. Wir
gewinnen daraus folgende Deutung für den Horizont:

  =Satz 14.= »+Punkte, die sehr weit entfernt in der Grundebene
    liegen, haben Bilder, die nahezu in den Horizont fallen.+«

Ein schönes Beispiel dafür liefert die Darstellung des offenen Meeres.
Denn seine Oberfläche müssen wir uns als eine weit ausgedehnte Ebene
denken. Ist also in einem Gemälde das freie Meer überhaupt oder eine
weit ausgedehnte Wasserfläche dargestellt, so gibt die Grenzlinie
gegen den Himmel praktisch hinreichend genau den Horizont des Bildes
(vgl. Fig. 50). Unsere Überlegung gibt auch die Erklärung dafür, warum
sich die Meeresfläche scheinbar so hoch erhebt, daß sie wie eine Mauer
sich aufzutürmen scheint. In der Tat muß das Bild jeder sehr weit
ausgedehnten horizontalen Ebene bis fast in Augenhöhe reichen.


§ 6. Darstellung eines möglichst einfach gelegenen Quadrates der
Grundebene. Anwendungen dieser Konstruktion. Tiefenmaßstab.

=14. Die Umlegung und Verschiebung der Grundebene.= Unter Benutzung der
so definierten festen Elemente wollen wir jetzt Körper darstellen. Wir
beginnen aber mit dem Einfachsten, indem wir zunächst von Figuren, die
in der Grundebene gelegen sind, die Bilder zeichnen. Es ist dann aber
notwendig, daß wir uns diese Figuren auch selbst geben, sowohl ihrer
wahren Gestalt nach als in ihrer Lage in der Grundebene. Zu diesem
Zwecke müssen wir die Grundebene in unsere Zeichenebene irgendwie
hereinbringen. +Eine+ Möglichkeit, dies zu erreichen, ist folgende:
wir drehen die Grundebene um die Grundlinie nach aufwärts im Sinne der
beiden Pfeile (Fig. 17, 18) so lange, bis sie mit der Tafel sich deckt.
Dann liegt die Grundebene allerdings in unserem Zeichenblatt, aber wir
haben die Unannehmlichkeit, daß die Figuren der Grundebene sich dort
befinden, wo das Bild entworfen werden soll. Deswegen schieben wir die
(gedrehte) Grundebene in der Tafel parallel zu sich selbst noch um ein
beliebiges Stück herunter, bis die Grundlinie die neue Lage (_g_)(_g_)
annimmt (Fig. 19); irgendein Punkt _a_ der Grundlinie beschreibt
dabei die lotrechte Linie _a_(_a_), wenn wir mit (_a_) die Lage des
Punktes _a_ nach Ausführung der Verschiebung bezeichnen. Die Entfernung
_a_(_a_) zwischen _gg_ und (_g_)(_g_) ist ganz willkürlich und richtet
sich nach der Größe der in der Grundebene gegebenen Figur.

[Illustration: Fig. 19.]

Nach diesen Vorbereitungen behandeln wir folgende

  =Aufgabe 2.= In der Grundebene ist ein Quadrat gegeben, von dem
    eine Seite _ab_ in der Grundlinie liegt. Das Bild des Quadrates
    zu zeichnen.

Die Lage des gegebenen Quadrates _abcd_ veranschaulicht Fig. 18. In der
wirklichen Ausführung (Fig. 19) geben wir uns den Horizont _hh_ mit
dem Augenpunkt ~A~ und den beiden Distanzpunkten, ~D_{1}~ und ~D_{2}~,
dazu parallel die Grundlinie _gg_ mit den beiden Ecken _a_ und _b_ des
Quadrates.

Um auf Grund dieser Stücke das Bild des Quadrates zu zeichnen,
ziehen wir in beliebigem Abstand die Parallele (_g_)(_g_) und
bestimmen vermittels der Vertikalen durch _a_ und _b_ die Lage
(_a_)(_b_)(_c_)(_d_) des Quadrates nach der Verschiebung. Nun sind
die Quadratseiten _ad_ und _bd_ Tiefenlinien, ihre Bilder müssen also
nach Satz 11 durch ~A~ gehen; die Punkte _a_ und _b_ sind aber die
Spuren dieser Geraden. Folglich erhalten wir in _a_~A~ und _b_~A~
die Bilder der beiden Geraden, auf denen die Quadratseiten _ad_ und
_bc_ liegen, und die Bilder _d'_ und _c'_ müssen bzw. auf _a_~A~ und
_b_~A~ gelegen sein. Denken wir uns aber noch die Diagonale _db_
konstruiert, welche in unserer Verschiebung als (_d_)(_b_) zu zeichnen
ist, so ist das eine Linie, welche einen Winkel von 45° mit der
Grundlinie bildet. Nach Satz 13 ist also ~D_{1}~ der Fluchtpunkt dieser
Geraden, _b_ aber ist ihre Spur; mithin wird das Bild der Geraden _db_
die Verbindungslinie _b_~D_{1}~. Das Bild _d'_ muß demnach sowohl auf
_a_~A~ als auch auf _b_~D_{1}~ liegen, kann also nur der Schnittpunkt
_d'_ dieser beiden Linien sein. Ebenso finden wir das Bild _c'_ der
Ecke _c_ als Schnittpunkt von _a_~D_{2}~ und _b_~A~. Das folgt sofort
aus der Betrachtung der anderen Diagonale _ac_. Eine Kontrolle für
die Zeichnung ergibt sich daraus, daß _c'd'_ von selbst parallel
_gg_ sein muß. Denn die Quadratseite _cd_ ist ja parallel zur Tafel,
also nach Satz 10 _cd_ ∥ _c'd'_.[3] Da aber _cd_ ∥ _ab_, so ist
auch _c'd'_ ∥ _ab_. Man erkennt ferner, daß es für die Konstruktion
des Bildes _abc'd'_ gar nicht nötig gewesen wäre, die Verschiebung
(_a_)(_b_)(_c_)(_d_) zu zeichnen. Im übrigen sei nochmals an die
Bemerkung auf S. 14 unten erinnert.

    [3] ∥ ist das Zeichen für parallel.

  =Aufgabe 3.= Einen in der Grundebene gelegenen quadratisch
    getäfelten Fußboden zu zeichnen.

Die Quadrate, welche den Fußboden liefern, sind in Fig. 19 in der
Verschiebung gezeichnet. An das Quadrat (_a_)(_b_)(_c_)(_d_) schließt
sich die erste Reihe, welche an die Grundlinie angrenzt, daran schließt
sich eine zweite Reihe von Quadraten usf. Die Konstruktion Fig. 19
ergibt sich fast von selbst. Die Tiefenlinien, wie z. B. (_e_)(_f_),
fliehen im Bilde alle nach ~A~. Ferner erkennt man leicht, daß in dem
System der Quadrate alle Diagonalen der einen und anderen Richtung sich
zu zwei Scharen paralleler Geraden zusammensetzen. Das gilt also auch
für das Bild, nur mit dem Unterschied, daß die Bilder aller dieser
parallelen Geraden bzw. nach ~D_{1}~ und ~D_{2}~ laufen. In der Fig.
19 sind der Tiefe nach 5 Reihen von Quadraten gezeichnet, während in
der Verschiebung nur 3 Reihen angegeben wurden. Da alle Diagonalen der
Quadratbilder nach ~D_{1}~ oder ~D_{2}~ gehen, und außerdem je zwei
Seiten eines Quadrats parallel zur Grundlinie laufen, so bietet die
Figur zahllose Kontrollen.

=15. Anwendungen dieser Aufgabe.= Man würde aber irren, wollte man
diese Figur bloß für eine mathematische Spielerei halten: wir können
vielmehr von derselben eine ganze Anzahl praktischer Anwendungen
machen. Zunächst ist es möglich, daß bei der bildlichen Wiedergabe
eines Interieurs, z. B. eines Zimmers, an und für sich ein solcher
Parkettboden zu zeichnen ist. Derselbe bietet dann aber auch weiter
die Möglichkeit, Figuren, Einrichtungsgegenstände usf. einigermaßen
richtig im Raume zu verteilen, indem man diesen Objekten eine durch die
Schätzung der Quadrate zu beurteilende Bodenfläche zuweist. Jedenfalls
kann man sich vor ganz groben Irrtümern dadurch schützen. Als Beispiel
geben wir in Abbildung 3 das Abendmahl des Altniederländers +Dirk
Bouts+ (1410(?)--1472) wieder, das sich in der Peterskirche in Löwen
befand und von den Deutschen im Kriege von 1914 gerettet wurde. Auf
gewisse Unrichtigkeiten der Konstruktion gehen wir hier nicht ein. Der
primitiven Kunst lag eine solche Rücksicht auf richtige Verteilung
der Objekte im Raume überhaupt gänzlich fern. Sie zeichnet die Köpfe
einer Anzahl von Menschen einfach neben- und übereinander, ohne
sich zu fragen, ob die zugehörigen Körper auch wirklich den ihnen
entsprechenden Platz im Raume haben.

[Illustration: Abb. 3.]

Unter Umständen kann es auch bequem sein, ein solches Quadratnetz
in die Figur einzuzeichnen, wenn z. B. ein ziemlich unregelmäßig
gestalteter Grundriß, ein ganzer Stadtplan oder eine Gartenanlage,
in Perspektive gesetzt werden soll (Fig. 20). Wir legen über die
Figur ein derartiges Netz und zeichnen dessen Bild. Nachdem dies
geschehen, übertragen wir nach dem Augenmaß Quadrat für Quadrat die
Linien in das Bild. Es wird die Genauigkeit erhöhen, wenn wir einzelne
charakteristische Punkte genau zeichnen, wobei die folgende Aufgabe zu
benutzen ist.

[Illustration: Fig. 20.]

  =Aufgabe 4.= Ein Punkt _p_ in der Grundebene ist gegeben; sein
    Bild zu zeichnen.

Diese rein mathematische Aufgabe führen wir auf die Aufgabe 1 zurück,
indem wir uns ein Quadrat gezeichnet denken, von dem eine Ecke in _p_
liegt, während eine Seite auf die Grundlinie fällt. Man kann sich in
Fig. 18 und 19 etwa die Ecke _d_ als den gegebenen Punkt denken. Wir
wollen jetzt die Zeichnung durchführen, ohne das ganze Quadrat zu
zeichnen.

Der Punkt _p_ ist in Fig. 21 ~a~ in der Verschiebung (_p_) gegeben, Wir
zeichnen durch (_p_) die lotrechte Tiefenlinie (_T_), welche die durch
_p_ gehende Tiefenlinie gibt; ihre Spur ist _t_, ihr Fluchtpunkt ~A~,
so daß also ihr Bild _T'_ diese beiden Punkte verbindet; auf _T'_ muß
jedenfalls das gesuchte Bild _p'_ gelegen sein.

[Illustration: Fig. 21 ~a~.]

Um einen zweiten Ort für _p'_ zu erhalten, ziehen wir durch (_p_)
eine Linie (_D_) nach rechts, welche unter 45° gegen die Grundlinie
(_g_)(_g_) geneigt ist (Quadratdiagonale). Diese Linie (_D_) schneidet
(_g_)(_g_) in (_s_), und senkrecht über diesem Punkt erhalten wir in
_s_ die Spur der Hilfslinie _D_. Da ferner _D_{1}_ ihr Fluchtpunkt ist,
so wird _D'_ den Punkt _s_ mit _D_{1}_ verbinden. Das gesuchte Bild
_p'_ muß also auch auf _D'_ liegen, kann folglich nur der Schnittpunkt
von _T'_ und _D'_ sein.

[Illustration: Fig. 21 ~b~.]

Wir hätten durch (_p_) noch eine zweite Linie nach links ziehen
können, welche auch einen Winkel von 45° mit (_g_)(_g_) einschließt.
Dann hätten wir einfach den auf der rechten Seite von ~A~ gelegenen
Distanzpunkt ~D_{2}~ als Fluchtpunkt für diese Linie benutzen müssen
und wären zu dem gleichen Punkte _p'_ gelangt. Die Konstruktion ist
ebenfalls in Figur 21 ~a~ eingetragen.

Wir können aber noch eine Vereinfachung in dieser Zeichnung anbringen.
Da

    (_p_)(_t_) = (_s_)(_t_) = _st_,

so ergibt sich folgende einfache Konstruktion (Fig. 21 ~b~): Man trägt
von der Spur _t_ aus den Abstand des Punktes der Grundlinie etwa nach
+rechts+ als _ts_ auf der Grundlinie an und verbindet den Punkt _s_ mit
dem +linken+ Distanzpunkt. Dann schneidet diese Verbindungslinie auf
der Hauptlinie _T'_ den gesuchten Punkt _p'_ aus.

Trägt man den Abstand nach links auf der Grundlinie auf, so ist der
rechte Distanzpunkt zu benutzen. Die vorliegende Aufgabe läßt sich dann
auch in folgender Weise formulieren:

Es soll auf einer im Bilde gegebenen Tiefenlinie ein Punkt bestimmt
werden, der von der Grundlinie einen durch eine Strecke oder durch eine
Zahl gegebenen Abstand hat.

  =Aufgabe 5.= Auf einer gegebenen Tiefenlinie einen Maßstab zu
    zeichnen, dessen Einheit gegeben ist.

Denken wir uns in der Grundebene eine Tiefenlinie gegeben und auf
derselben die gleiche Strecke beliebig oft angetragen, wobei wir in der
Spur der Geraden beginnen. Diese gleich großen Strecken werden sich
selbstverständlich verschieden groß abbilden, eben um so kleiner, je
weiter sie sich vom Auge entfernen. Die in Fig. 21 ~b~ durchgeführte
Konstruktion gibt sofort die Lösung. Wir tragen (Fig. 22) die geg.
Teilung von der Spur _t_ der geg. Tiefenlinie _T_ aus nach +rechts+
auf der Grundlinie ab, so daß also 0.1 = 1.2 = 2.3 = 3.4 je = der
geg. Maßeinheit. Verbinden wir diese Punkte dann mit dem linken
Distanzpunkt ~D_{1}~, so schneiden diese Linien auf _T'_ die gesuchten
Bilder 1', 2', 3' usf. aus. Wir haben damit die Konstruktion eines sog.
+Tiefenmaßstabes+ gewonnen.

[Illustration: Fig. 22.]

Das Verfahren bleibt ganz das nämliche, wenn nicht lauter gleiche
Strecken auf der Tiefenlinie angetragen werden sollen, sondern
verschiedene Strecken. Man trägt die Strecken in ihrer Reihenfolge
auf der Grundlinie an; dann liefern sie, aus ~D_{1}~ projiziert, die
richtigen Bilder.


§ 7. Darstellung beliebiger, geradliniger Figuren der Grundebene.

=16. Bild einer beliebigen Geraden.= Um nun eine irgendwie aus Geraden
zusammengesetzte Figur der Grundebene abbilden zu können, müssen wir
uns zuerst damit beschäftigen, wie man das Bild einer beliebigen
Geraden zeichnen kann. Das führt uns unmittelbar zur

  =Aufgabe 6.= Eine beliebige Gerade A der Grundebene ist gegeben;
    ihr Bild zu zeichnen.

[Illustration: Fig. 23.]

Die Flucht der Geraden ergibt sich nach Satz 7, indem wir durch das
Auge einen Parallelstrahl zur Geraden zeichnen und diesen mit der Tafel
zum Schnitt bringen. Ist _f_{a}_ dieser Schnittpunkt, so ist (Fig.
23) _Of_{a}_ ∥ _A_ und _f_{a}_ liegt natürlich auf dem Horizont _hh_.
Wir ziehen noch durch das Auge _O_ eine Parallele _ii_ zum Horizont.
Die Gerade _A_ wird mit der Grundlinie _gg_ einen gewissen Winkel α
einschließen. Leicht erkennt man dann, daß der Parallelstrahl _Of_{a}_
mit der Linie _ii_ den gleichen Winkel α bildet. Um diese Eigenschaft
für wirkliche Konstruktion auszunutzen, klappen wir die Horizontebene
durch _O_ nach +unten+ in die Bildebene Π. Wir drehen also diese Ebene
um die Horizontlinie so lange nach abwärts, bis sie mit der Bildtafel
zusammenfällt. Der Pfeil in der Figur 23 deutet diese Drehung an. Die
Linie _O_~A~ bleibt bei dieser Drehung immer senkrecht zum Horizont;
sie hat also auch am Schlusse der Drehung noch diese Eigenschaft.
Zeichnen wir demnach in der Bildebene Π eine lotrechte Linie durch
~A~, so gibt diese die Lage, welche der Strahl _O_~A~ nach Ausführung
der Drehung annimmt. Der Punkt _O_ endlich geht nach Beendigung der
Drehung in einen Punkt ~D_{3}~ über, der auf dieser lotrechten Linie
durch ~A~ so liegt, daß die Strecke ~AD_{3}~ = _O_~A~ = der Distanz.
Die Parallele _ii_ geht über in die Linie _ll_, welche durch ~D_{3}~
parallel zum Horizont gezogen werden kann. Die Linie ~D_{3}~_f_{a}_
bildet mit der Linie _ll_ wieder den Winkel α. Das Weitere verfolgen
wir an Fig. 24, welche die wirkliche Ausführung gibt. Die Gerade _A_
ist in der Verschiebung durch (_A_) gegeben. Im Augpunkte ~A~ errichten
wir die Senkrechte zum Horizont und schneiden auf ihr die Distanz ab,
wodurch wir ~D_{3}~ erhalten. Es ist also

    ~AD_{1}~ = ~AD_{2}~ = ~AD_{3}~.

Durch ~D_{3}~ ziehen wir die Parallele _ll_ zum Horizont. Tragen wir an
diese Parallele den Winkel α an, so schneidet dessen 2. Schenkel den
Fluchtpunkt _f_{a}_ auf dem Horizont aus. Einfacher ist es aber, die
Eigenschaft der Figur zu benutzen, daß offenbar

    ~D_{3}~_f_{a}_ ∥ (_A_)

ist. Denn dann haben wir nur nötig, durch ~D_{3}~ eine Parallele zu
(_A_) zu zeichnen, diese schneidet auf dem Horizont den Fluchtpunkt
_f_{a}_ von _A_ aus. Die Verbindungslinie der Spur _a_ mit _f_{a}_ gibt
das Bild _A'_ der Geraden _A_.

[Illustration: Fig. 24.]

Nennen wir ~D_{3}~ die Umlegung des Auges nach unten oder das nach unten
»umgelegte« Auge, so ergibt sich folgende einfache Regel:

Ist eine Gerade in der Verschiebung gegeben, so bestimmt die durch das
umgelegte Auge ~D_{3}~ zu ihr gezogene Parallele auf den Horizont den
Fluchtpunkt der Geraden.

[Illustration: Fig. 25.]

Die Figur 24 liefert uns brauchbare Eigenschaften aber auch für den
Fall, daß die Gerade nicht in der Verschiebung, sondern auf andere
Weise bestimmt ist. Es handle sich etwa um folgende

  =Aufgabe 7.= Ein Punkt _p_ der Grundebene ist durch sein Bild
    _p'_ gegeben; durch _p_ soll in der Grundebene eine Gerade
    gezogen werden, welche unter einem Winkel von 60° gegen die
    Grundlinie geneigt ist. Das Bild dieser Geraden zu zeichnen.

Tragen wir (Fig. 25) an die Horizontale durch ~D_{3}~ einen Winkel von
60° an, so schneidet dessen zweiter Schenkel auf dem Horizont den
Fluchtpunkt _f_ der gesuchten Geraden aus. Verbinden wir den gegebenen
Punkt _p'_ mit _f_, so ist diese Linie das verlangte Bild.

Selbstverständlich gibt es zwei solche Gerade, da man den Winkel
auch von der linken Seite der Parallelen _ll_ aus antragen kann. Zu
jedem Punkte des Horizontes gehört demgemäß eine gewisse Richtung von
Geraden; speziell entsprechen den Distanzpunkten, wie wir ja schon
wissen, die Geraden, welche unter 45° gegen die Grundlinie geneigt
wird. In der Figur sind auf der linken Seite noch bei einigen weiteren
Punkten des Horizontes die Winkel hinzugeschrieben, zu denen sie
gehören.

=17. Winkel zweier Geraden.= Sind zwei Gerade _A_ und _B_ der
Grundebene gegeben, so zeichnen wir ihre Fluchtpunkte _f_{a}_ und
_f_{b}_, so daß also (Fig. 26)

    _Of_{a}_ ∥ _A_ und _Of_{b}_ ∥ _B_.

Bezeichnen wir den Winkel, den _A_ und _B_ einschließen, mit γ, so
erkennt man sofort, daß auch ∢ _f_{a}Of_{b}_ = γ ist.

Klappen wir wiederum die durch das Auge _O_ gehende Horizontebene nach
unten in die Bildebene Π herunter, wobei der Punkt _O_ nach ~D_{3}~
kommt, so tritt der Winkel γ auch hier auf, indem

    ∢ _f_{a}_~D_{3}~_f_{b}_ = γ

oder in Worten ausgedrückt:

  =Satz 15.= +Irgend zwei Gerade der Grundebene schließen den
    gleichen Winkel ein wie die Sehstrahlen, die vom Auge nach
    ihren Fluchtpunkten gehen, und auch wie die Strahlen, welche
    von der »Umlegung« des Auges nach ihren Fluchtpunkten laufen.+

[Illustration: Fig. 26.]

Dieser Satz gehört zu den allerwichtigsten in der Perspektive wegen der
vielen Anwendungen, die von ihm gemacht werden. Wir veranschaulichen
ihn noch durch die Fig. 27, welche die wirkliche Konstruktion gibt.
Hier sind die beiden Geraden _A_ und _B_ in der Verschiebung (_A_) und
(_B_) gegeben. Im Hauptpunkte ~A~ ist eine Senkrechte zum Horizont
angetragen und auf ihr die Umlegung ~D_{3}~ des Auges ermittelt, in dem

    ~AD_{3}~ = ~AD_{1}~ = ~A{D_{2}}~

gemacht werde. Dann folgt aus der unmittelbar vorhergehenden
Betrachtung, daß

    ~D_{3}~_f_{a}_ ∥ (_A_)

und

    ~D_{3}~_f_{b}_ ∥ (_B_).

Daraus ergibt sich wiederum, daß ∢ _f_{a}_~D_{3}~_f_{b}_ = γ.

Die Praktiker drücken dies so aus:

»Am Punkte ~D_{3}~ kann jeder Winkel in seiner wahren Größe angetragen
werden.«

In der Figur wurden noch die Spuren _a_ und _b_ der beiden Geraden
konstruiert, so daß dann _A'_ und _B'_ sich je als die Verbindungslinie
von Flucht und Spur ergeben. Der Schnittpunkt von _A'_ und _B'_ ist das
Bild des Scheitels _p_. Man beachte, daß der schraffierte Teil zwischen
(_A_) und (_B_) sich in den schraffierten Teil zwischen _A'_ und _B'_
abbildet. Eine zweite Anwendung gibt

  =Aufgabe 8.= Ein in der Grundebene liegendes Rechteck ist in
    der Verschiebung (_p_)(_q_)(_r_)(_s_) gegeben; dessen Bild zu
    zeichnen.

Das Rechteck enthält zwei Paare paralleler Seiten (_A_) und (_A_{1}_),
sowie (_B_) und (_B_{1}_) (Fig. 28). Wir zeichnen zunächst die
Fluchtpunkte dieser beiden Richtungen Zu diesem Zwecke ziehen wir
durch die Umlegung ~D_{3}~ des Auges die Parallelen zu (_A_) und (_B_);
diese schneiden die Fluchtpunkte _f_{a}_ und _f_{b}_ auf dem Horizonte
aus. Es ist also

    ~D_{3}~_f_{a}_ ∥ (_A_) ∥ (_A_{1}_)

und

    ~D_{3}~_f_{b}_ ∥ (_B_) ∥ (_B_{1}_).

Jetzt zeichnen wir die Bilder _q'_ und _s'_ der beiden Ecken _q_ und
_s_ nach Aufgabe 4, indem wir je eine Tiefenlinie und eine unter 45°
geneigte Linie benutzen. _q'_ liefert mit _f_{a}_ und _f_{b}_ verbunden
die Bilder _A'_ und _B'_, _s'_ mit _f_{a}_ und _f_{b}_ verbunden
_A_{1}'_ und _B_{1}'_. Die letzten Ecken _r'_ und _p'_ ergeben sich als
die Schnittpunkte von _A_{1}'_ mit _B'_ und _A'_ mit _B_{1}'_.

[Illustration: Fig. 27.]

Das Bild _p'q'r's'_ hat die charakteristische Eigenschaft, daß sich
die gegenüberliegenden Seiten _A'_ und _A_{1}'_ sowie _B'_ und _B_{1}'_
verlängert je in _f_{a}_ und _f_{b}_ auf dem Horizont schneiden.
Kontrollen bieten sich zahlreiche, wenn man die Tiefenlinien durch _r_
und _p_ zieht oder die Spuren der Rechtecksseiten benutzt, wie das in
der Figur für die Seite _rq_ angegeben ist.

[Illustration: Fig. 28.]

=18. Umlegung der Horizontebene nach oben=. Unter Umständen kann es
bequem sein, die Horizontebene statt nach unten nach oben in die
Bildtafel Π hereinzuklappen (Fig. 26). Dann fällt der Punkt _O_ auf die
Verlängerung der Linie ~AD_{3}~ über ~A~ hinaus nach einem Punkte ~D₄~,
wenn wieder ~AD₄~ = der Distanz gemacht wird. In Fig. 27 ist auch diese
Umlegung oben gezeichnet. Natürlich gibt der Winkel _f_{a}D₄f_{b}_ auch
jetzt wieder den Winkel der beiden gegebenen Geraden _A_ und _B_, so daß

    ∢ _f_{a}_~D₄~_f_{b}_ = γ,

und auch an dem Punkte ~D₄~ dürfen alle Winkel in wahrer Größe
angetragen werden.

[Illustration: Fig. 29.]

Ein Unterschied ist aber insofern vorhanden, als jetzt +nicht+ mehr
(_A_) ∥ ~D₄~_f_{a}_ und +nicht+ mehr (_B_) ∥ ~D₄~_f_{b}_. +Diese+
Eigenschaft der parallelen Lage ist nur erfüllt bei der Drehung nach
unten. Das hängt damit zusammen, daß wir auch die Grundebene im
gleichen Sinne gedreht haben.

Wenn aber z. B. die Verschiebung überhaupt nicht gezeichnet ist, so
kann man sehr wohl die Horizontebene auch nach oben drehen, zumal wenn
man oben in der Zeichnung mehr Raum zur Verfügung hat. Die folgende
Aufgabe gibt davon eine Anwendung.

  =Aufgabe 9.= Gegeben sind eine Gerade _A_ der Grundebene und ein
    Punkt _p_ auf ihr durch ihre Bilder _A'_ und _p'_. Man zeichne
    das Bild einer Geraden _B_ der Grundebene, welche in _p_ auf
    _A_ senkrecht steht.

Bringen wir das gegebene Bild _A'_ mit dem Horizont zum Schnitt (Fig.
29), so ist der Schnittpunkt _f_{a}_ der Fluchtpunkt der Geraden _A_.
Im Augpunkt ~A~ errichten wir eine Senkrechte zum Horizont _hh_ und
machen diese = der Distanz, so daß also

    ~AD₄~ = ~AD_{1}~ = ~AD_{2}~.

~D₄~ ist die Umlegung des Auges nach oben. Verbinden wir ~D₄~ mit
_f_{a}_ und errichten in ~D₄~ zu _f_{a}_~D₄~ ein Lot, so schneidet
dieses aus dem Horizont einen Punkt _f_{b}_ aus, der der Fluchtpunkt
aller auf der Geraden _A_ senkrechten Geraden ist. Die gesuchte
Senkrechte soll aber durch _p_ gehen, ihr Bild _B'_ ist demnach die
Verbindungslinie von _p'_ mit _f_{b}_. _f_{a}p'f_{b}_ ist also das Bild
eines horizontalen rechten Winkels.

=19. Getrennte Lage des Grundrisses.= Wir haben bisher immer
angenommen, daß die Grundebene mitsamt den abzubildenden Figuren in der
Verschiebung gegeben sei. Natürlich kann sie auch, getrennt von der
Bildtafel, gegeben und die Lage der Bildebene durch ihre Spur, d. h.
durch die Grundlinie, bestimmt sein. Beispielsweise sei in Fig. 30 ~a~
ein Rechteck 1 2 3 4 gezeichnet, außerdem sind die Risse ~A_{1}~ und
_O_{1}_ von ~A~ und _O_ bekannt. In der zweiten Figur 30 ~b~ ist der
Horizont _hh_ mit ~A~ sowie die Grundlinie _gg_ gegeben. Verlangt wird
das Bild des Rechteckes zu zeichnen.

Die für die Lösung in Betracht kommende geometrische Eigenschaft
liefert ein Blick auf Fig. 26. Der durch das Auge _O_ zur Geraden _A_
der Grundebene gezogene Parallelstrahl, welcher den Fluchtpunkt _f_{a}_
auf dem Horizont ausschneidet, hat in der Grundebene einen Riß, der
durch _O_{1}_ gehen muß, sowie durch die Projektion _f_{a_{1}}_ des
Fluchtpunktes _f_{a}_, und weiter muß dieser Riß parallel zu _A_ sein,
also _O_{1}f_{a_{1}}_ ∥ _A_.

[Illustration: Fig. 30 ~a~.]

Zieht man demnach umgekehrt durch _O_{1}_ Parallele zu den Seiten
des Rechteckes, so schneiden diese auf der Grundlinie _gg_ die
Projektionen _f_{a_{1}}_ und _f_{b_{1}}_ der Fluchtpunkte _f_{a}_ und
_f_{b}_ aus. Da nun die Grundlinie mit ihren Punkten in den beiden
Figuren vorkommt, so haben wir nur die Strecken ~A_{1}~_f_{a_{1}}_ und
~A_{1}~_f_{b_{1}}_ auch in Fig. 30 ~b~ anzutragen. Dann liefern die in
_f_{a_{1}}_ und _f_{b_{1}}_ errichteten Lote zu _gg_ auf dem Horizont
die Fluchtpunkte _f_{a}_ und _f_{b}_. Überträgt man noch weiter die
Spuren der Rechtecksseiten in die Fig. 30 ~b~, so ist das Bild 1'2'3'4'
des Rechtecks leicht fertig zu stellen.

[Illustration: Fig. 30 ~b~.]

=20. Horizontale Gerade.= Die bisherigen Ausführungen genügen
vollständig, um jede in der Grundebene gegebene Figur in Perspektive
zu setzen. Bevor wir aber dazu übergehen, Körper abzubilden, wollen
wir vorher noch eine sehr wesentliche Verallgemeinerung der oben
durchgeführten Betrachtungen besprechen.

Ziehen wir zu irgendeiner Geraden der Grundebene im Raume eine
Parallele, so nennen wir diese neue Gerade eine +horizontale+ Gerade.
In genauer Fassung werden wir sagen:

»Jede Gerade, welche zur Grundebene parallel läuft, soll eine
horizontale Gerade heißen.« Wollen wir nun den Fluchtpunkt einer
horizontalen Geraden bestimmen, so haben wir durch das Auge eine
Parallele zu der Geraden zu zeichnen. Diese Parallele ist dann aber
auch parallel zur Grundebene, liegt mithin in der Horizontebene, und
der Fluchtpunkt muß dem Horizont _hh_ angehören.

[Illustration: Fig. 31.]

Was die Lage einer horizontalen Geraden im Raume betrifft, so kann sie
entweder +oberhalb+ oder +unterhalb+ der Horizontebene liegen oder in
der Horizontebene. Der letztere Fall ist sofort erledigt. Denn jede
Gerade der Horizontebene bildet sich in den Horizont ab.

Liegt eine horizontale Gerade oberhalb der Horizontebene, wie z. B. die
Gerade _A_ in Fig. 31, so muß ihre Spur _a_ oberhalb des Horizonts _hh_
gelegen sein; eine horizontale Gerade _B_ dagegen, welche unter der
Horizontebene sich befindet, liefert eine Spur _b_ unter dem Horizont.

Die Bilder zweier solchen Geraden verhalten sich nun verschieden. In
Fig. 31 ist noch speziell angenommen, daß die beiden Geraden _A_ und
_B_ in der gleichen Vertikalebene liegen, so daß der Riß _A_{1}_ von _A_
mit dem Riß _B_{1}_ von _B_ sich deckt und die Spuren _a_ und _b_ auf
einer lotrechten Linie sich befinden. Durchläuft ein Punkt die Gerade
_A_, indem er von der Spur _a_ ausgeht, im Sinne des Pfeiles, also in
der Richtung von der Bildtafel weg, so bewegt sich sein Bild auf _A'_
gegen den Fluchtpunkt _f_{a}_ hin. Die Linie _A'_ geht demnach, in der
Richtung von _a_ nach _f_{a}_ durchlaufen, abwärts, oder sie »fällt«.
Ebenso »steigt« die Linie _B'_, wenn sie in der Richtung gegen den
Fluchtpunkt hin durchlaufen wird. Damit haben wir eine sehr brauchbare
Malerregel abgeleitet, die sich wie folgt ausdrücken läßt:

  =Satz 16.= »+Horizontale Gerade haben ihre Fluchtpunkte auf dem
    Horizont. Liegen die Geraden selbst oberhalb der Horizontebene,
    so ›fallen‹ ihre Bilder, wenn sie in der Richtung nach dem
    Fluchtpunkt hin durchlaufen werden; liegen sie unterhalb dieser
    Ebene, so ›steigen‹ ihre Bilder, wenn man sie in der Richtung
    nach dem Fluchtpunkt zu durchläuft.+«

Die gleiche Eigenschaft zeigen natürlich auch die Bilder der
Tiefenlinien, da die letzteren ja auch nur horizontale Gerade von
besonderer Art sind.

Die in 16 und 17 für Gerade der Grundebene durchgeführten Betrachtungen
gelten, wir wir jetzt einsehen, für jede +horizontale+ Gerade; speziell
gilt Satz 15 für zwei Gerade, die in irgendeiner zur Grundebene
parallelen Ebene liegen.


§ 8. Darstellung einfacher Körper, die sich auf der Grundebene erheben.

=21. Darstellung einer Pfeilerreihe, die nach der Tiefe geht.= Wenn wir
jetzt dazu übergehen, Körper darzustellen, die sich auf der Grundebene
befinden, so tritt als neue Dimension die auf der Grundebene lotrechte
Richtung auf, also die Vertikale. Jede Ebene durch eine Vertikale heißt
eine Vertikalebene. Setzen wir die Begrenzungsflächen des Körpers in
Beziehung zur Bildtafel, so werden vor allem die Ebenen zu betrachten
sein, welche auf der Bildtafel senkrecht stehen. Wir nennen sie
»Tiefenebenen« und sehen, daß jede Ebene durch eine Tiefenlinie eine
Tiefenebene ist. Enthält eine Tiefenebene eine Vertikale, so nennen wir
sie eine vertikale oder auch eine lotrechte Tiefenebene. Es sei nun zu
behandeln

  =Aufgabe 10=. Eine Pfeilerreihe darzustellen, die sich in einer
    lotrechten Tiefenebene befindet.

Wir versinnlichen jeden Pfeiler durch eine schlichte Gerade und
nehmen an, daß der erste Pfeiler _ab_ +in der+ Bildebene gelegen
ist (Fig. 32). Ferner sollen die Pfeiler in +gleichen+ Abständen
aufeinanderfolgen, also _ac_ = _ce_ = _ei_ = _il_ = _ln_ = _np_ sein.
Die Punkte _a_, _c_ ... _p_ liegen auf einer Tiefenlinie _A_ und ebenso
die oberen Enden der Pfeiler _b_, _d_, _f_, _k_, _m_, _r_, _q_, auf
einer zweiten Tiefenlinie _B_. Die Ebene durch _A_ und _B_ ist die
lotrechte Tiefenebene, in der die Pfeilerreihe gelegen ist.

[Illustration: Fig. 32.]

In unserer zu zeichnenden Figur (Fig. 33) sind also gegeben der erste
in der Bildebene liegende Pfeiler _ab_ sowie der Abstand _y_ zweier
aufeinanderfolgender Pfeiler. Die Darstellung läßt sich nun leicht
bewerkstelligen. Der Punkt _a_ mit dem Augpunkt ~A~ verbunden liefert
das Bild _A'_ der Tiefenlinie _A_. Auf _A'_ ist nun ein Tiefenmaßstab
zu zeichnen mit der Einheit _y_. Nach Aufgabe 5 führen wir dies aus,
indem wir die gegebene Einheit _y_ von der Spur _a_ aus nach rechts auf
der Grundlinie als 0.1, 1.2, 2.3 ... antragen und diese Punkte mit dem
linken Distanzpunkt ~D_{1}~ verbinden. Die Schnittpunkte mit _A'_ geben
die Bilder _c'_, _e'_, _i'_ ... der Pfeilerenden.

[Illustration: Fig. 33.]

Verbinden wir weiter _b_ mit ~A~, so ist diese Linie das Bild _B'_
der Tiefenlinie _B_, und auf _B'_ müssen die oberen Endpunkte der
Pfeiler angeordnet sein. Die Geraden _ab_, _cd_ ... sind aber parallel
zur Bildebene; nach Satz 10 sind also ihre Bilder auch parallel, und
überdies muß beispielsweise _c'd'_ ∥ _cd_ sein usf.; die Bilder der
Pfeiler sind also lotrechte Linien. Demnach haben wir lediglich durch
die Punkte _c'_, _e'_, _i'_ usf. die Vertikalen zu zeichnen und diese
durch die Schnittpunkte mit der Linie _B'_ zu begrenzen. So ergeben
sich die Bilder _c'd'_, _e'f'_ ... Wir können in unserer Figur auch die
Darstellung eines Staketenzaunes sehen oder einer Bretterwand, die aus
gleichbreiten Brettern zusammengesetzt ist.

Wir machen von der eben durchgeführten Konstruktion eine Anwendung zur
Lösung folgender wichtiger

  =Aufgabe 11.= Ein Punkt _p_ der Grundebene ist durch sein
    Bild _p'_ gegeben; man zeichne das Bild einer Linie _pq_
    von gegebener Länge, welche in _p_ senkrecht zur Grundebene
    angetragen wird.

Es soll also mit anderen Worten in einem Punkte der Grundebene eine
Senkrechte von gegebener Länge errichtet werden. Um zur Lösung zu
gelangen, denken wir uns (Fig. 32) durch die Senkrechte _pq_ eine
Tiefenebene gelegt und stellen uns eine Reihe von Pfeilern vor,
welche die Höhe _pq_ haben und sich in dieser Ebene befinden. Anders
ausgedrückt heißt das: wir ziehen durch _p_ und _q_ die Tiefenlinien
_A_ und _B_, welche in _a_ und _b_ die Bildebene treffen. _ab_ ist
der in der Tafel liegende Pfeiler. Daraus ergibt sich folgende durch
ihre Einfachheit überraschende Konstruktion: Den gegebenen Punkt _p'_
verbinden wir mit ~A~ (Fig. 34) und erhalten dadurch das Bild _A'_,
welches die Grundlinie _gg_ in _a_ trifft. In _a_ tragen wir die
gegebene Höhe als _ab_ vertikal an. Der Endpunkt _b_ liefert mit ~A~
verbunden das Bild _B'_ der Tiefenlinie _B_. Ziehen wir endlich durch
_p'_ die Vertikale, so schneidet sie auf _B'_ den Punkt _q'_ aus.
_p'q'_ ist das Bild der gesuchten Senkrechten.

[Illustration: Fig. 34.]

Da man jeden beliebigen Punkt des Raumes sich bestimmen kann durch
seinen rechtwinkligen Riß auf die Grundebene und durch den Abstand
von der Grundebene, so können wir damit das Bild eines beliebigen
Raumpunktes zeichnen und sind weiter imstande, jeden Körper, wenn
auch umständlich, abzubilden, indem wir die Bilder seiner einzelnen
Punkte ermitteln. Wir werden später Beispiele für die Anwendung dieser
Konstruktion geben, wollen aber zunächst noch einige Folgerungen aus
der Fig. 34 ziehen.

Wir können dieselbe unmittelbar zur Lösung folgender neuen Aufgabe
benutzen: Gegeben ist das Bild _p'q'_ einer Strecke _pq_, die im Punkte
_p_ der Grundebene auf dieser senkrecht sich erhebt; man bestimme die
wahre Länge _pq_ dieser Strecke.

Wir verbinden _p'_ mit ~A~ und bringen diese Linie in _a_ mit der
Grundlinie zum Schnitt; in _a_ errichten wir eine Vertikale und
schneiden diese in _b_ mit der Verbindungslinie von ~A~ nach _q'_. Dann
gibt _ab_ die wahre Länge der Strecke _pq_.

Als eine weitere Anwendung behandeln wir

  =Aufgabe 12.= Auf einer lotrechten (vertikalen) Geraden einen
    Maßstab zu zeichnen. Höhenmaßstab.

[Illustration: Fig. 35.]

Denken wir uns auf der Lotrechten _pq_ von Fig. 32 die Einheit des
Maßstabes wiederholt angetragen und ziehen wir durch die Teilpunkte
die Tiefenlinien, so übertragen diese den Maßstab auf die Gerade _ab_,
was in der Figur angedeutet ist. Die Bilder der Tiefenlinien sind aber
sofort zu zeichnen. Wir erhalten also folgende Ausführung (Fig. 35).

Gegeben ist das Bild _p'q'_ der Vertikalen, auf der mit der gegebenen
Strecke _y_ als Einheit ein Maßstab gezeichnet werden soll, der in der
Spur der Vertikalen beginnt. Wir verbinden den Punkt _p'_ mit dem
Augpunkt ~A~ und erhalten dadurch den Punkt _a_ auf der Grundlinie. In
_a_ errichten wir zur Grundlinie _gg_ die Senkrechte; auf dieser tragen
wir von _a_ beginnend die Strecke _y_ ab, so daß also die Strecken 0.1,
1.2, 2.3 ... je = _y_. Verbinden wir die Punkte 1, 2, 3 ... mit ~A~, so
schneiden diese Tiefenlinien auf _p'q'_ die gesuchten Punkte 1', 2', 3'
... aus. Aus bekannten Sätzen der Planimetrie folgt sofort, daß auch

    0.1' = 1'.2' = 2'.3' = 3'.4'.

[Illustration: Fig. 36.]

Daraus ergibt sich folgender

  =Satz 17.= »+Der Höhenmaßstab auf einer Vertikalen (und überhaupt
    auf einer Parallelen zur Bildebene) zeigt keine Verkürzung,
    sondern eine sich gleichbleibende Verjüngung.+«

Gleichhohe Fenster einer Fassade, die auf einer lotrechten Linie
liegen, sind also beispielsweise gleich hoch zu zeichnen.

Teilungen einer vertikalen Strecke übertragen sich demnach unmittelbar
auf das Bild. Wenn etwa die Strecke _pq_ (Fig. 32) in eine gewisse
Anzahl gleicher Teile geteilt werden soll, so können wir die Teilung
unmittelbar im Bilde _p'q'_ (Fig. 35) vornehmen.

[Illustration: Fig. 37.]

=22. Darstellung einer zur Bildebene parallelen Pfeilerreihe.=
Noch einfacher gestaltet sich die zeichnerische Wiedergabe einer
Pfeilerreihe oder überhaupt einer Reihe gleichgroßer, paralleler
Gegenstände, wenn dieselben parallel zur Bildebene angeordnet sind.
Dies sei der Gegenstand der

  =Aufgabe 13.= Eine Pfeilerreihe darzustellen, die sich in einer
    zur Tafel parallelen Ebene befindet.

Ist _pq_ der erste darzustellende Pfeiler (Fig. 36), so zeichnen wir
nach der Aufgabe 11 sein Bild _p'q'_. Unserer Voraussetzung nach liegen
die Endpunkte der Pfeiler auf zwei parallelen Linien _P_ und _Q_, die
überdies zur Tafel parallel sind. Es ist also wieder nach Satz 10 auch
_P'_ ∥ _P_ und _Q'_ ∥ _Q_ und da _P_ ∥ _Q_ ∥ zur Grundlinie _gg_, so
sind auch die Bilder _P'_ und _Q'_ parallel zur Grundlinie. Auf diesen
beiden Horizontalen liegen folglich die Bilder der Endpunkte, und sie
ergeben sich leicht, wenn man wiederum die Tiefenlinien durch die
Punkte selbst zu Hilfe nimmt.

[Illustration: Fig. 38.]

Die Ausführung der Konstruktion zeigt Fig. 37. Gegeben ist das Bild
_p'_ des Punktes _p_, die Höhe der Pfeiler und ihr Abstand _y_. Wir
verbinden _p'_ mit dem Hauptpunkt ~A~; diese Tiefenlinie _A'_ liefert
auf der Grundlinie _gg_ den Punkt _a_. In _a_ errichten wir eine
Vertikale _ab_ gleich der gegebenen Höhe der Pfeiler und erhalten durch
die Linie _b_~A~ den Punkt _q'_ auf der Lotrechten durch _p'_ und
damit das Bild des ersten Pfeilers _pq_. Auf den Horizontalen _P'_ und
_Q'_ durch _p'_ und _q'_ liegen die übrigen Endpunkte. Tragen wir den
gegebenen wahren Abstand _y_ zweier Pfeiler auf der Grundlinie als die
Strecke 0.1 ab, so gibt die Linie von 1 nach ~A~ das Bild _n'_ und die
Vertikale durch _n'_ auf _Q'_ das Bild _r'_. Analog verfährt man für
die weiteren Punkte 2, 3 ... Man erkennt, daß _p'n'_ = _n'l'_ usf., daß
also auch die Bilder der Pfeiler gleich weit voneinander abstehen.

Obwohl die Pfeiler selbst ganz verschiedene Entfernungen vom Auge _O_
haben, sind ihre Bilder doch gleich groß zu zeichnen.

Hat man überhaupt in einer zur Bildtafel parallelen Ebene irgendeine
Figur, so ist ihr Bild eine dazu ähnliche Figur d. h. das Bild
ist eine Verkleinerung der gegebenen Figur; es ändern sich nur
die Größenverhältnisse der Figur, alle Winkel aber, und auch die
gegenseitigen Verhältnisse der Seiten bleiben ungeändert.

Wir können also sagen:

  =Satz 18.= »+Befinden sich Gegenstände von der gleichen Größe
    irgendwo in einer Parallelebene zur Tafel oder kürzer in der
    gleichen Tiefe, so sind ihre Bilder stets gleich groß zu
    zeichnen.+«

[Illustration: Fig. 39.]

[Illustration: Fig. 40.]

Als Beispiel denken wir uns, am Fuße eines Turmes befinde sich eine
menschliche Figur (Fig. 38) und oben auf dem Turme, aber in der
gleichen Tiefe, stehe oder liege eine zweite ebenso große. Dann sind
die beiden Figuren gleich groß zu geben. Man kann häufig bemerken, daß
die Figur auf dem Turme kleiner gezeichnet ist, und als Grund dafür
wird angeführt, daß die Figur +auf+ dem Turme doch weiter vom Auge
entfernt sei als die Figur am Fuße des Turmes, also auch kleiner sein
müsse. Dabei verwechselt man die +Erscheinung+ eines Gegenstandes und
seine bildliche Wiedergabe. Die Größenverhältnisse der uns umgebenden
Körper beurteilen wir im allgemeinen nach den »Gesichtswinkeln«, unter
denen sie uns erscheinen. Wir +betrachten+ nun aber doch das Bild mit
den beiden Figuren, und dann ist in der Tat, wie Fig. 39 noch klarer
zeigt, der Gesichtswinkel δ, unter dem die obere Figur erscheint,
kleiner als der Gesichtswinkel α, der zu der unteren Figur gehört.
Hier mag noch eine andere Beobachtung erwähnt werden, die sich auf die
Darstellung hoher, sich in Wirklichkeit nicht verjüngender Objekte
bezieht. Denken wir uns z. B. einen Turm mit vertikalen Kanten.
Betrachten wir denselben mit geradgehaltenem Kopfe, so erscheinen
die Kanten des Turmes parallel. Legen wir uns aber auf den Rücken
und blicken an dem Turm in die Höhe, so zeigen seine Kanten einen
Fluchtpunkt. Zwischen diesen beiden äußersten Fällen gibt es viele
Übergänge. Wenn wir nicht weit genug von dem Turme zurücktreten können,
so neigen wir ebenfalls den Kopf zurück, um den Turm in seiner ganzen
Höhe zu überschauen. Dann tritt wieder die Fluchtpunkterscheinung auf.
Aus diesen Überlegungen heraus kann man die Abbildung 4 bis zu einem
gewissen Grade für berechtigt erklären. Wir befinden uns dabei in dem
Gebiet ästhetisch-psychologischer Vorgänge, und die Perspektive als
starre mathematische Schablone kann zugunsten einer besseren Wirkung
modifiziert werden.

[Illustration: Abb. 4.]

[Illustration: Fig. 41.]

=23. Darstellung eines rechtwinklig begrenzten Raumes.= Wir wollen
jetzt die Fig. 32 erweitern, indem wir uns auch auf der anderen Seite
des Auges eine gleichgroße Pfeilerreihe ebenfalls in einer lotrechten
Tiefenebene angebracht denken. Verbinden wir dann (Fig. 40) den letzten
Pfeiler _pq_ der einen Reihe mit dem letzten Pfeiler _st_ der anderen
Reihe durch eine Ebene und legen weiter durch _qb_ und _tc_ ebenfalls
eine Ebene, so erhalten wir ein rechteckig begrenztes Raumstück, den
Quader _abcdpqts_. Die Pfeilerreihe auf der rechten Seite ist ebenso
zu zeichnen wie in Fig. 33, und es ergibt so das Bild _abcdp'q't's'_
(Fig. 41). Stellen wir uns weiter vor, daß wir dadurch je zwei gleich
weit von der Tafel entfernte Pfeiler weitere Ebenen legen, so sind
diese alle parallel und schneiden die Grundebene in Parallelen zur
Grundlinie. Den dargestellten Raum teilen wir dadurch in eine Anzahl
gleicher Schichten, die ebenfalls in Fig. 41 wiedergegeben sind.
Endlich sind noch der Fußboden und die Wände mit einem Quadratnetz
überzogen, und zwar ist die Figur so eingerichtet, daß in der Breite,
also von _a_ nach _d_, 8 Quadrate, in der Tiefe von _a_ nach _p_ 5
Quadrate und in der Höhe von _a_ nach _b_ ebenfalls 5 Quadrate liegen.
Der Horizont verläuft in einer Höhe, die zwei Quadratseiten entspricht.
Es ist leicht, diese Quadrate einzuzeichnen (man vgl. Fig. 19) und so
die Fig. 41 herzustellen. Man kann an ein mit quadratischen Kacheln
ausgelegtes Zimmer denken. Legt man aber weiter durch die sämtlichen
Tiefenlinien die horizontalen und vertikalen Ebenen, so wird der ganze
Raum in Würfel geteilt, und zwar in 5 ⋅ 5 ⋅ 8 = 200. Einer dieser
Würfel ist herausgezeichnet. Der Leser wird diese Figur nicht für
eine mathematische Spielerei halten, sondern sofort erkennen, daß wir
damit ein Mittel gewonnen haben, jeden Körper im Raume einigermaßen
richtig unterzubringen, indem wir ihn in eine Anzahl von Würfeln
einschließen. Fig. 41 leistet für den Raum das gleiche wie Fig. 19 für
die Bodenfläche.

[Illustration: Abb. 5.]

Nennen wir, wie es dem allgemeinen Gebrauch entspricht, die Abmessung
in der Richtung der Grundlinie, also von _a_ nach _d_, die Breite, so
gibt uns die Fig. 41 sowohl einen +Tiefen-+ und +Höhen-+ als auch einen
+Breitenmaßstab+. Denn wir können angeben, wie sich die angenommene
Quadratseite an jeder Stelle des Raumes der Tiefe, Höhe und Breite
nach verkürzt. An der Stelle _i'_ z. B. sind diese Verkürzungen durch
_i'm'_, _i'n'_ und _i'l'_ gegeben. Gleichzeitig ergibt sich noch, was
übrigens schon aus Satz 18 folgt:

  =Satz 19.= »+Der Breitenmaßstab ist in jeder Tiefe gleich dem
    Höhenmaßstab.+«

Endlich gibt Fig. 41 die einfachste Darstellung eines Innenraumes oder
eines Interieurs. Um einen geschlossenen Raum darzustellen, mag man
sich eine Begrenzungsfläche desselben entfernt denken. Diese Fläche
ist hier dann als Bildebene benutzt. Wir geben als Beispiel in Abb.
5 ein Fresko von +Ghirlandajo+ (1449--1494), das die Geburt Johannis
des Täufers vorstellt und sich im Chor der Kirche S. Maria Novella
in Florenz befindet. Durch einige punktierte Tiefenlinien sind der
Augpunkt und der Horizont ermittelt. Der Augpunkt ist aus der Mitte des
Bildes etwas nach rechts herausgerückt, wie in Fig. 41 ~A~ näher an
_cd_ als an _ab_ liegt. Wählt man den Augpunkt genau in der Mittellinie
des Bildes, so gestaltet sich die Architektur auf beiden Seiten ganz
gleichmäßig: sie ist symmetrisch zur Mittellinie. Die Symmetrie bedingt
eine größere Ruhe und eine gewisse Feierlichkeit im Bilde, wie Abb. 8
zeigen mag.

=24. Aufsicht, Untersicht, Seitenansicht.= Die gleiche Figur 41 gibt
uns auch Aufschluß, wie wir infolge der Festlegung unseres Standpunktes
durch das Auge _O_ horizontale Ebenen, die unter der Horizontebene
liegen, von oben sehen: wir haben auf sie »Aufsicht«, so z. B. auf die
Bodenfläche. Von horizontalen Ebenen, die oberhalb der Horizontebene
liegen, sehen wir dagegen die +untere+ Seite; sie befinden sich in
»+Unter+sicht«, wie z. B. die Decke in Figur 41. Die Horizontebene
selbst bildet den Übergang zwischen beiden Arten von Ebenen: sie
erscheint als Linie, nämlich als der Horizont. In der gleichen Weise
sehen wir vertikale Tiefenebenen entweder von rechts oder von links,
je nachdem sie links oder rechts von der durch das Auge _O_ gehenden
vertikalen Tiefenebene liegen. Diese letztere erscheint als die
durch den Augpunkt gehende Vertikale. Die Figuren 42 und 43 mögen
das noch weiter veranschaulichen. Sie stellen ein Notenpult oder ein
Büchergestell dar, das im ersten Fall lotrecht steht, im zweiten Falle
auf dem Boden liegt.

[Illustration: Fig. 42.]

Aus der Tatsache, daß die ganze Horizontebene sich in den Horizont
abbildet, läßt sich noch eine bemerkenswerte Folgerung ziehen. Ist _u'_
das Bild eines Punktes _u_ der Grundebene (Fig. 41) und errichten wir
in _u'_ die Senkrechte, welche den Horizont im Punkte _v'_ schneiden
möge, so können wir _v'_ als Bild desjenigen Punktes _v_ ansehen, der
lotrecht über _v_ in der Horizontebene liegt. Die Strecke _uv_ ist
also gleich der Augenhöhe. Zu dem gleichen Resultat führt uns auch die
Betrachtung der Figur 34, indem sich zu dem Bilde _p'v'_ als zugehörige
Strecke _av_{0}_ ergibt, was wieder die Augenhöhe ist. Daraus folgt
demnach folgender vielfach verwendbare

  =Satz 20.= +Ist das Bild eines Punktes der Grundebene gegeben, so
    stellt der Abstand dieses Bildes vom Horizont immer das Bild
    der Augenhöhe vor.+

[Illustration: Fig. 43.]

=25. Personen in verschiedenen Tiefen eines Bildes.= Die Darstellung
einer menschlichen Figur in einem Bilde gibt uns Veranlassung, über den
Maßstab eines Bildes zu sprechen und dieser hängt wieder davon ab, wie
wir uns das Zeichnen nach der Natur, also z. B. die Wiedergabe einer
Landschaft vorstellen. Bisher haben wir immer angenommen, daß das Bild
+direkt+ die Zentralprojektion des Gegenstandes ist, wie wir das bei
der Glastafelperspektive (in 2) erörterten. Man kann sich das aber
auch etwas anders denken. Nehmen wir z. B. an, ein Landschaftsmaler
habe das Motiv und einen günstigen Standpunkt gefunden. Dann mag er
sich, etwa in der Entfernung von einigen Metern von seinem Standpunkte,
die Bildtafel Π vertikal aufgestellt +denken+. Auf diese Ebene Π wird
von seinem Auge aus die Landschaft projiziert. Dieses Bild wird aber
nicht wirklich gezeichnet. In sein Skizzenbuch oder auf den vor ihm
stehenden Rahmen zeichnet der Maler vielmehr eine Verkleinerung oder
eine Verjüngung des auf Π gedachten Bildes. In diesem Falle ist also
die Zeichenfläche nicht die gleiche wie die Bildebene. Allerdings
könnte man eine neue, dem Standpunkt nähere, zu Π parallele Ebene
finden, welche aus dem Strahlenkegel des Auges _O_ gerade das Bild
ausschneiden würde, das auf dem Zeichenblatt gezeichnet wurde.

Wie kann man nun bestimmen, in welchem Verhältnis das Bild in dem
Skizzenbuch gegenüber dem gedachten Bilde auf Π verkleinert ist? Zu dem
Zwecke denken wir uns einen Menschen, der ganz nahe hinter der Tafel Π
steht. Er wird dann auf der Tafel Π in wirklicher Größe erscheinen. Die
Skizze aber wird den gleichen Menschen in kleinerem Maßstabe zeigen,
z. B. nur in 1/10 der Lebensgröße. Dann sagen wir, die Verjüngung oder
Reduktion sei = 1/10. Wollen wir, was z. B. bei Architekturen nötig
ist, genaue Maße haben, so stellen wir uns vor, daß eine Meßlatte mit
Metermaßeinteilung in der Bildebene Π liege. Auf dem Skizzenblatt aber
wird z. B. +ein+ Meter durch einen Dezimeter wiedergegeben, wenn die
Verjüngung 1/10 beträgt. Wir behandeln nun folgende

  =Aufgabe 14.= Personen in verschiedenen Tiefen eines Bildes
    darzustellen.

In den 3 Fällen sei die Verjüngung stets 1/100, so daß also ein Meter
durch einen Zentimeter dargestellt wird. Ferner nehmen wir an, daß
alle im Bilde wiedergegebenen Personen 1,5 Meter groß seien, also eine
mittlere Größe haben.

  =1. Fall.= Die Augenhöhe sei 75 ~cm~ oder ¾ ~m~; es soll eine
    Person gezeichnet werden, die sich in _c'_ auf der Grundebene
    befindet.

Auf der linken Seite gibt uns in Figur 44 die Strecke 0.1 die
Darstellung eines Meters; nehmen wir drei Viertel dieser Größe, so ist
damit der Horizont _hh_ gefunden, der bei dieser Annahme sehr niedrig
liegt. Eine direkt an der Bildtafel stehende Figur ist 1½ ~m~ hoch zu
zeichnen, sie ist in _ab_ angedeutet, und sie wird durch den Horizont
halbiert. Wir ziehen durch ~A~ nach _a_ und _b_ die Tiefenlinien.
Um die in _c'_ befindliche Person zu zeichnen, verschieben wir sie
parallel der Bildebene, also in der gleichen Tiefe; dabei bleibt nach
Satz 18 ihre Größe ungeändert. Demgemäß ziehen wir durch _c'_ die
Parallele zur Grundlinie, welche die Linie ~A~_a_ in _p'_ schneidet.
Die in _p'_ bis zum Schnitt mit der anderen Tiefenlinie ~A~_b_
errichtete Senkrechte _p'q'_ gibt die Größe der Figur; ziehen wir durch
_q'_ eine Parallele zur Grundlinie, so schneidet sie die Vertikale
durch _c'_ in _d'_ und _c'd'_ ist die gesuchte Höhe der Figur in _c'_.

[Illustration: Fig. 44.]

Ist im Punkte _i'_ der Grundebene eine weitere Figur zu zeichnen, so
ziehen wir _c'i'_ und bringen diese Linie in _f_ zum Schnitt mit dem
Horizont; verbinden wir _f_ mit _d'_, so ergibt die in _i'_ errichtete
Senkrechte den Punkt _k'_, bis zu dem die Figur reicht. Denn die Linien
_ci_ und _dk_ sind parallele, horizontale Gerade, müssen also ihren
Fluchtpunkt auf dem Horizont haben.

Man sieht leicht ein, daß alle Figuren durch den Horizont halbiert
werden, und daß man allgemein sagen kann:

  =Satz 21.= +Alle auf der Grundebene stehenden Figuren werden
    durch den Horizont im gleichen Verhältnis geteilt.+

  =2. Fall.= Die Augenhöhe sei 2½ ~m~; es ist eine Figur zu
    zeichnen, welche sich in _c'_ auf einer Mauer befindet.

[Illustration: Fig. 45.]

Wir haben es unter dieser Voraussetzung mit einem hohen Horizont zu
tun, der in der Mitte zwischen den Ziffern 2 und 3 verläuft (Fig. 45).
Eine Person direkt im Vordergrund hat wieder eine Höhe _ab_, welche =
1½ ~m~ ist. Um die Größe der in _c'_ befindlichen Figur zu bestimmen,
verschaffen wir uns die durch _c_ gehende Parallelebene zur Tafel, da
in dieser ganzen Ebene die Figur gleichgroß ist. Wir ziehen also durch
_c'_ die Parallele zur Grundlinie, gehen dann an der Mauer senkrecht
herunter und wieder parallel zur Grundlinie weiter, bis wir nach _p'_
gelangen. Die Vertikale in _p'_ schneidet aus der Linie _C_~A~ den
Punkt _q'_ aus. _p'q'_ ist wieder die Größe einer menschlichen Figur in
der Tiefe _p'_. Die Figur in _c'_ ist aber ebensogroß zu zeichnen, also
muß _c'd'_ = _p'q'_ sein.

[Illustration: Fig. 46.]

Bringen wir die Linien _ab_ und _p'q'_ in _t'_ und _r'_ mit dem
Horizont zum Schnitt, so ist

    _ab_ : _at'_ = _p'q'_ : _p'r'_ = 3 : 5.

Es beträgt also die Höhe jeder +auf der Grundebene+ stehenden Figur ⅗
der Höhe bis zum Horizont. Dies ist wiederum der vorige Satz 21.

Weiß man umgekehrt nicht, wie hoch der Horizont ist, so kann man
die Augenhöhe ungefähr bestimmen, wenn eine menschliche Figur _ab_
unmittelbar im Vordergrund gegeben ist. So könnte man in unserer Figur
45 durch Schätzung oder Abmessung finden, daß die Augenhöhe fünfmal so
groß ist als der dritte Teil von _ab_. Da für _ab_ mittlere Manneshöhe
1,50 ~m~ angenommen werden darf, so ist der dritte Teil davon 50 ~cm~,
und für die Augenhöhe _at'_ ergibt sich als Zahlenwert 5 × 50 ~cm~ =
2,50 ~m~.

  =3. Fall.= Die Augenhöhe sei 1,50 ~m~; man bestimme die Größe
    einer menschlichen Figur, die sich in _c'_ auf einer Mauer
    befindet.

Eine unmittelbar im Vordergrund befindliche Person _ab_ reicht jetzt
gerade bis an den Horizont. (Fig. 46.) (Wollten wir uns noch genauer
ausdrücken, so könnten wir sagen, daß der Horizont die Augen aller auf
der Grundebene stehenden Personen enthalten müsse.) In der Figur sind
einige Meßlatten gezeichnet, die senkrecht auf der Grundebene stehen.
Dann schneidet der Horizont auf +jeder+ Latte 1,50 ~m~ ab. Sind die
Latten in halbe Meter geteilt, so geht er also immer durch das Ende
des dritten Abschnittes. Um die Figur in _c'_ zu zeichnen, legen wir
wieder durch _c_ die Parallelebene zur Tafel, also durch _c'_ die
Parallele zur Grundlinie, gehen an der Mauer senkrecht herunter und
parallel zu _gg_ weiter, so daß wir nach _p'_ gelangen. Die in _p'_
errichtete Senkrechte schneidet den Horizont in _q'_. Die in _c'_
befindliche Figur ist also = _p'q'_ zu machen, so daß ihre Größe _c'd'_
= _p'q'_. Sie wird an den Füßen von der Mauerkante überschnitten.

Wenn wir zu einer Architektur eine Figur als Staffage beifügen, so
ist damit die Größe der Architektur festgelegt. Zeichnen wir die
Staffagefigur klein, so nimmt die Architektur dadurch große Formen an
und umgekehrt wird sie durch eine große Figur verkleinert.

=26.= Endlich wollen wir noch einen etwas komplizierteren einzelnen
Gegenstand darstellen in

  =Aufgabe 15.= Einen in Grund- und Aufriß gegebenen Pfeiler
    darzustellen, wenn die Vorderfläche des Sockels in der
    Bildebene liegt.

Der Grundriß _P_{1}_ ist in der Verschiebung gegeben (Fig. 47), der
Aufriß _P_{2}_ befindet sich nicht senkrecht über dem Grundriß, sondern
er wurde nach links hinausgeschoben, um den Platz für die Zeichnung
frei zu lassen.

Von dem Sockel liegt die Fläche 1 2 6 5 in der Bildtafel. Wir
übertragen zunächst den ganzen Grundriß in das Bild und bauen darüber
den Körper auf.

Das Bild 1 2 3' 4' des Quadrates (1)(2)(3)(4) ist sofort zu zeichnen,
da 4' sowohl auf der Tiefenlinie 1.A als auch auf der Linie von 2 nach
dem Distanzpunkt ~D_{1}~ liegt. Wir zeichnen weiter die beiden inneren
Quadrate. Die Bilder 9' und 13' ergeben sich, wenn man durch (9)
und (13) die Tiefenlinien zieht. Außerdem liegen 9' und 13' auf der
Diagonale 1.3'.

Der Sockel kann jetzt dargestellt werden; die Tiefenlinien durch 5 und
6 schneiden auf den Vertikalen durch 4' und 3' die Punkte 8' und 7' aus.

Um den Schaft des Pfeilers zu zeichnen, haben wir im Punkte 9' eine
Senkrechte von gegebener Länge zu errichten: alle diese Höhen messen
wir von der Grundebene aus. Nach Aufgabe 11 verbinden wir also 9' mit
~A~ und erhalten auf der Grundlinie den Hilfspunkt 10; durch diesen
ziehen wir eine Vertikale und schneiden auf derselben durch die
Parallele im Aufriß die anzutragende Höhe 10.11 ab. Dann schneidet die
Linie von 11 nach ~A~ auf der Vertikalen durch 9' das Bild 12' der
oberen Ecke aus. Die drei übrigen Ecken des Quadrates ergeben sich
durch Parallele und Tiefenlinien, und ebenso leicht ist das auf der
oberen Fläche des Sockels befindliche Quadrat einzutragen; seine Ecken
liegen auf den Diagonalen 5.7' und 6.8'.

[Illustration: Fig. 47.]

Nun ist weiter im Punkte 13' die Senkrechte zu errichten. Die
Tiefenlinie liefert den Hilfspunkt 14 und 14.15 ist die auf der
Vertikalen anzutragende Strecke. So ergibt sich das Bild 16' des
vorletzten Quadrates. Der Punkt 17 endlich liefert in 18' eine Ecke der
Deckfläche. Beide Quadrate sind leicht zu vervollständigen. Der Punkt
12' gibt mit 16' verbunden das Bild des Gehrungsprofiles. Verschafft
man sich das Bild 19' des Punktes 19, so kann man die Kontrolle
benutzen, daß die vier Linien 16'.12' usf. durch 19' gehen.

    +Anmerkung.+ Statt die Bildebene durch die vordere Fläche des
    Sockels zu legen, könnte man sie auch +parallel+ zu derselben
    durch die Achse des Körpers legen. Die Schnittfigur der
    Bildebene mit dem Pfeiler stimmt dann mit dem Aufriß _P_{2}_
    überein. Es läßt sich aus diesem Schnitt ebenfalls das Bild
    des Pfeilers leicht herstellen, ohne daß man nötig hat, eine
    Verschiebung zu benutzen. Wir empfehlen die Ausführung dem
    Leser.

  =Aufgabe 16.= Einen in Grund- und Aufriß gegebenen Pfeiler
    darzustellen, der beliebig auf der Grundebene steht, wenn eine
    Kante des Sockels in der Bildtafel liegt.

Der Grundriß _P_{1}_ sei wieder in der Verschiebung gegeben, Fig. 48,
der Aufriß _P_{2}_ ist links hinausgeschoben. Wie in Aufgabe 9, Fig.
28, zeichnen wir zunächst vermittels der Umlegung ~D_{3}~ des Auges die
Fluchtpunkte _f_{a}_ und _f_{b}_ der beiden Richtungen (_A_) und (_B_).
Ferner wollen wir noch den Fluchtpunkt der Diagonale 1.3 konstruieren,
d. h. wir ziehen durch ~D_{3}~ eine Parallele zur Verbindungslinie 1.3,
welche den Horizont in ~D~_{_g_} trifft. Dieser Fluchtpunkt ~D~_{_g_}
heißt auch der +Diagonalpunkt+ und es ist vielfach, z. B. bei
Gehrungen, nützlich, ihn einzuführen.

Zunächst übertragen wir wieder den ganzen Grundriß in die Perspektive.
Die durch 1 gehende Kante des Sockels liegt in der Bildebene. Das
Bild des Vierecks 1 2 3 4 kann gezeichnet werden, sobald von einer
weiteren Ecke das Bild ermittelt ist. Wir benutzen etwa die Spur 5 der
Verbindungslinie 2.3. Verbinden wir 5 mit _f_{a}_, so schneidet diese
Linie auf der Linie 1._f_{b}_ das Bild 2' aus. Die Ecke 3' aber wird
erhalten als Schnittpunkt von 1.~D~_{_g_} mit der Linie 5._f_{a}_.
Endlich gibt die Linie _f_{b}_.3' in ihrem Schnitt mit _f_{a}_.1 den
Punkt 4'. In ähnlicher Weise kann man die Bilder der beiden inneren
Quadrate ermitteln.

Um jetzt den Körper der Höhe nach aufzubauen, bestimmen wir auf der
Vertikalen durch 1 ohne weiteres die Ecke 6, da die Länge 1.6 im
Aufriß ja gegeben. Die drei anderen Ecken der Deckfläche des Sockels
sind auf den Vertikalen durch 2', 3' und 4' ohne Schwierigkeit zu
finden. Die übrigen Höhenabmessungen können wir unter Benutzung der
Vertikalen 1.6 und des Diagonalpunktes ~D~_{_g_} gewinnen, da doch
alle durch ~D~_{_g_} gehenden Linien die Bilder horizontaler Geraden
sind, welche zur Diagonale 1.3 parallel laufen. Infolgedessen liefern
die Hilfspunkte 7, 9, 11 aus ~D~_{_g_} projiziert auf den betreffenden
Vertikalen die Punkte 8', 10', 12'. Die fehlenden Ecken ergeben sich
durch Benutzung der Fluchtpunkte _f_{a}_ und _f_{b}_. Die vier schiefen
Linien der Gehrung gehen durch den Punkt 14', auf der Achse des
Körpers; zu diesem Punkt 14' gelangt man vom Hilfspunkt 13 aus.

[Illustration: Fig. 48.]

Auch in diesem Falle wäre es eine gute Übung, den Körper darzustellen
unter der Annahme, daß die Bildebene parallel zu der eben benutzten
durch die Achse des Pfeilers gelegt wird.

Die Figuren 47 und 48 geben zwei charakteristische Formen
perspektivischer Bilder. In Fig. 47 steht der Körper so zur Bildtafel,
daß ein Teil seiner Kanten und Flächen zur Bildebene parallel, der
andere Teil der Kanten und Flächen zur Bildebene senkrecht verläuft.
Im Bilde selbst treten als wichtigste Linien die Horizontalen und die
Tiefenlinien auf. Man sagt, der Körper befinde sich in »Frontstellung«
oder »frontal« und nennt die Darstellung eine »Frontansicht« oder
(weniger gut) eine »gerade Ansicht«. Im zweiten Falle, der Fig. 48,
sind die Kanten und Flächen des Körpers gegen die Bildebene schräg
gestellt; der Körper befindet sich in »Übereckstellung«, und man nennt
das Bild eine »schräge Ansicht«. Die Bilder der ersten Art (Fig. 47)
zeigen wegen der auftretenden Parallelen eine gewisse Einförmigkeit,
während bei den Bildern der zweiten Art (Fig. 48) die zwei Fluchtpunkte
eine reichere Bewegung der Linien bewirken.


§ 9. Schiefe Linien im Raume.

=27. Steigende und fallende Gerade im Raume.= Bisher haben wir nur
Gerade betrachtet, welche entweder parallel oder senkrecht zur
Grundebene waren, also horizontale oder vertikale Linien. Gelegentlich
kommen aber doch auch Gerade vor, die ganz beliebig im Raume verlaufen,
z. B. die Giebellinien eines Daches oder einer Fensterbedachung, die
Steigungslinien einer Treppe oder einer ansteigenden Straße. Solche
Linien wollen wir als +schiefe+ Gerade bezeichnen.

Ist eine ganz beliebige Gerade _A_ gegeben, Fig. 49, so denken wir
uns durch _A_ die zur Grundebene lotrechte Ebene gelegt, welche aus
der Grundebene den rechtwinkligen Riß _A_{1}_ ausschneidet. Sie ist in
der Figur vertikal schraffiert. _s_ sei die Spur der Geraden _A_.
Durch _s_ ziehen wir in dieser schraffierten Ebene eine Parallele _X_
zu _A_{1}_. Die Gerade _A_ bildet dann mit _X_ einen Winkel α, der sich
von _X_ nach aufwärts erstreckt. Von der Geraden _A_ sagen wir nun,
sie »steige« im Raume. Dabei betrachten wir denjenigen Abschnitt der
Geraden _A_, der vom Auge _O_ ausgerechnet +hinter+ der Bildtafel liegt
und durchlaufen ihn, indem wir in der Spur _s_ beginnen.

[Illustration: Fig. 49.]

Den Fluchtpunkt _f_{a}_ der Geraden _A_ finden wir dadurch, daß wir
durch das Auge _O_ eine Parallele zu _A_ ziehen und diese mit der
Tafel zum Schnitt bringen; es ist also _Of_{a}_ ∥ _A_. Wir legen auch
durch die Gerade _Of_{a}_ eine lotrechte Ebene, welche in der Figur
ebenfalls vertikal schraffiert ist. Aus einfachen Sätzen folgt, daß
diese beiden schraffierten Ebenen parallel sind. Die durch die Gerade
_Of_{a}_ gelegte Vertikalebene möge den Horizont in _f_, die Grundlinie
in _f_{1}_ schneiden, so daß die Punkte _f_{a}_, _f_, _f_{1}_ auf der
vertikalen Schnittlinie dieser Ebene mit der Tafel gelegen sind. Dann
tritt der Winkel α nochmals auf, in dem auch ∢ _fOf_{a}_ = α und man
erkennt, daß der Fluchtpunkt _f_{a}_ +oberhalb+ des Horizontes gelegen
ist.

[Illustration: Fig. 50.]

Nehmen wir jetzt eine zweite Gerade _B_ dazu, die aber in der
gleichen Vertikalebene liegen und außerdem auch durch _s_ gehen soll.
Dagegen möge diese zweite Gerade einen Winkel β mit _X_ bilden, der
nach abwärts geht. Diese Gerade _B_ »fällt« dann. Konstruieren wir
ihren Fluchtpunkt, so müssen wir durch _O_ eine Parallele zu _B_
konstruieren. Diese Parallele liegt aber in der zweiten, schraffierten
Vertikalebene, d. h. _f_{b}_ muß auf der Linie _ff_{1}_ gelegen sein. Es
ist wieder

    ∢ _fOf_{b}_ = β

und der Fluchtpunkt _f_{b}_ befindet sich unterhalb des Horizontes
_hh_. Diese einfachen Überlegungen geben uns den praktisch wertvollen

  =Satz 22.= »+Gerade, welche im Raume+ =steigen=, +haben einen
    Fluchtpunkt+ =oberhalb= +des Horizontes+; =fällt= +eine Gerade
    im Raume, so liegt ihr Fluchtpunkt+ =unter= +dem Horizont+.«

[Illustration: Fig. 50 ~a~.]

Man beachte, wie die horizontalen Geraden den Übergang von den
steigenden zu den fallenden Geraden bilden und deswegen ihre
Fluchtpunkte +auf+ dem Horizonte haben.

Um das gleich an einem Beispiel zu veranschaulichen, ist in Fig. 50
eine Brücke skizziert. Der mittlere Teil derselben läuft horizontal
entsprechend dem Fluchtpunkt _f_, der vordere Teil der Brücke steigt
gegen den Fluchtpunkt _f_{a}_ an, der rückwärtige fällt nach dem
Fluchtpunkt _f_{b}_.

Aus der Figur 47 entnehmen wir noch weiter folgendes: die beiden
parallelen, schraffierten Ebenen werden von der Grundebene geschnitten,
also ist

    _O_{1}f_{1}_ ∥ _A_{1}_.

Andererseits ist aber auch

    _O_{1}f_{1}_ ∥ _Of_.

Daraus folgt, daß _Of_ ∥ _A_{1}_ oder mit anderen Worten: _f_ ist der
Fluchtpunkt für den Riß _A_{1}_ der Geraden _A_. Damit hat sich ergeben:

  =Satz 23.= »+Projiziert man den Fluchtpunkt einer schiefen
    Geraden auf den Horizont, so ist dieser Punkt der Fluchtpunkt
    für die Projektion der Geraden in die Grundebene.+«

Das wurde in der Figur 50 auch berücksichtigt, indem die 3 Punkte
_f_{a}_, _f_{b}_, _f_ einer Vertikalen liegen.

Im besonderen kann eine Gerade _C_ in einer Vertikalen Tiefenebene
liegen (Fig. 51). Dann wird die Lotebene, welche den Riß _C_{1}_
liefert, eine Tiefenebene und der Riß _C_{1}_ eine Tiefenlinie. Unsere
Betrachtung zeigt ohne weiteres, daß der Fluchtpunkt _f_{c}_ einer
solchen schiefen Geraden _C_ auf der Vertikalen durch den Augpunkt
liegen muß. Die beiden parallelen Ebenen sind in der Fig. 51 wieder
schraffiert; man mag sich darunter Türen denken, die im vorliegenden
Falle unter 90° gegen die Wandfläche geneigt sind, während sie sich in
Fig. 49 weniger weit öffnen. Es folgt also

  =Satz 24.= »+Liegt eine schiefe Gerade in einer vertikalen
    Tiefenebene, so muß ihr Fluchtpunkt auf einer Vertikalen durch
    den Augpunkt gelegen sein.+«

Fig. 50 gibt in dem Gebäude links ein Beispiel. Die Wand des Hauses, in
welcher sich die Türe befindet, ist eine Tiefenebene. Die Giebellinien
laufen deswegen nach den Fluchtpunkten _F_{a}_ und _F_{b}_, die auf
der Senkrechten im Augpunkt ~A~ liegen. Auch die Linien des Türgiebels
haben diese Eigenschaft.

[Illustration: Fig. 51.]

Aus der Fig. 49 ziehen wir endlich noch eine Folgerung. Wenn die
beiden Geraden _A_ und _B_ gleich geneigt sind gegen die Gerade _X_
oder, was das gleiche ist, gegen die Grundebene, wenn also α = β, so
ergibt sich aus den Dreiecken _Off_{a}_ und _Off_{b}_ sofort, daß dann
auch

    _ff_{a}_ = _ff_{b}_

oder

  =Satz 25.= »+Sind schiefe Gerade im Raume gleich geneigt gegen
    die Grundebene, so liegen ihre Fluchtpunkte gleich weit vom
    Horizont entfernt.+«

[Illustration: Fig. 52.]

In Fig. 50 ist also

    ~A~_F_{a}_ = ~A~_F_{b}_,

weil die beiden Seiten des Daches doch gleiche Winkel mit der
Grundebene einschließen, und da auch rechts

    _ff_{a}_ = _ff_{b}_,

so hat die Brücke zu beiden Seiten der horizontalen Strecke die gleiche
Steigung.

=Zusatz.= Wir fügen hier eine vielbenutzte Konstruktion an. Denken
wir uns die wahre Gestalt 1 2 3 4 5 der Seitenwand 1'2'3'4'5' in Fig.
50 ~a~ herausgezeichnet und konstruieren wir den Schnittpunkt 6 der
Diagonalen 2.4 und 1.3, so hat die Figur die Eigenschaften, daß die
Verbindungslinie 5.6 parallel zu 1.4 und 2.3 ist und daß sie die Seiten
1.2 und 3.4 in 7 und 8 halbiert. In der perspektivischen Zeichnung läßt
sich 6' sofort angeben; 5' liegt also auf der Vertikalen durch 6', was
eine Kontrolle gibt und diese Vertikale schneidet weiter die Bilder
8' und 7' der Mitten von 1.2 und 3.4 aus. Ist also z. B. die gegebene
Strecke 1'.2' zu halbieren, so hat man nur nötig, irgendein solches
vertikales Rechteck zu zeichnen.

  =Aufgabe 17.= Eine Freitreppe darzustellen, wenn die Wangen in
    Tiefenebenen gelegen sind.

Das Verhältnis der Höhe der Stufe zur Breite sei ½. Das Profil der
Treppe ist in Fig. 52 unten angegeben. Die Stärke der Treppenwange und
die Breite der Treppe werden beliebig angenommen. Die Begrenzungslinie
_A_ der Wange und die Linien _B_ und _C_, welche die Stufen bestimmen,
bilden drei parallele Linien. Ist _f_{c}_ der Fluchtpunkt für diese
Linien, so liegt nach Satz 24 _f_{c}_ auf einer Senkrechten durch ~A~
und es muß auch (Fig. 51)

    ~A~_f_{c}_ = ½ _O_~A~

sein. Demgemäß machen wir in Fig. 52 die in ~A~ errichtete Senkrechte
~A~_f_{c}_ = der halben Distanz = ~AD_{1}~/2. Im Punkte 0 der Grundlinie
tragen wir die Vorderfläche der Wange an und ziehen durch die beiden
oberen Ecken die Linien nach _f_{c}_. Auf der Tiefenlinie von 0
nach ~A~ hat man jetzt den Tiefenmaßstab anzutragen, der in dem
Treppenprofil gegeben ist. Wir tragen nach Aufg. 5 den Maßstab auf der
Grundlinie an und projizieren ihn aus ~D_{1}~ auf die Tiefenlinie. So
erhält man die Bilder 1', 2', 3', 4' usf. In diesen Punkten sind jetzt
nach Aufg. 11 Höhen zu errichten, die bzw. eine, zwei, drei Stufenhöhen
betragen. Wir tragen deswegen auf der durch 0 gehenden Vertikalen einen
Maßstab mit einer Einheit gleich einer Stufenhöhe ab; dann liefert die
Tiefenlinie 1.A auf der durch 1' gehenden Senkrechten den Punkt I', die
durch 2 gehende Tiefenlinie 2.~A~ schneidet auf der durch 2' gezogenen
Vertikalen den Punkt II' aus usf. Eine Kontrolle besteht darin, daß
alle Punkte I', II', III' ... auf einer Geraden _B'_ liegen müssen,
die durch _f_{c}_ geht. Gleichzeitig erhält man die auf _C'_ gelegenen
Eckpunkte der unteren Treppenkanten. Nun kann man ohne weiteres durch
diese Punkte die Horizontalen zeichnen bis zur rechten Treppenwange.
Man beachte, daß man auf diejenigen Treppenstufen, die +unter+ dem
Horizont liegen, Aufsicht hat, auf die +über+ dem Horizont befindlichen
Stufen dagegen Untersicht. In unserer Figur ist, um Raum zu sparen, die
Distanz etwas klein angenommen; man wähle sie größer, wodurch das Bild
gewinnen wird.

[Illustration: Fig. 53.]

Es ist auch nicht uninteressant zu bemerken, daß Linien, welche im
Raume steigen oder fallen, im Bilde durchaus nicht zu steigen oder zu
fallen brauchen. Das kann man an Fig. 53 beobachten. Die Fluchtpunkte
des Giebels sind _f_{a}_ und _f_{b}_, aber die Linie _x'y'_ +fällt+ im
Bilde, in der Richtung gegen den Fluchtpunkt durchlaufen, während die
Gerade _xy_ selbst im Raume offenbar steigt.


§ 10. Der photographische Apparat.

=28. Die Entstehung des photographischen Bildes.= Wie allgemein
verbreitet die perspektivischen Bilder sind und welche Bedeutung ihnen
für die Versinnlichung der uns umgebenden Welt zukommt, kann durch
nichts stärker zum Bewußtsein gebracht werden als durch die Tatsache,
daß jede Photographie ein perspektivisches Bild ist.

Indem wir hinsichtlich der Einrichtung eines photographischen Apparates
und der Wirkung des Objektives auf andere Darstellungen verweisen[4],
bemerken wir nur, daß wir uns die Entstehung des Bildes auf der
Mattscheibe für unsere Zwecke hinreichend genau in folgender Weise
denken können.

    [4] Otto Prelinger, Die Photographie (ANuG Bd. 414). 1914. Moritz
    von Rohr, Die optischen Instrumente (ANuG Bd. 88). 1906.

[Illustration: Fig. 54.]

Die Begrenzungsflächen der Linsen des Objektives sind Ausschnitte aus
Kugelflächen und die Mittelpunkte aller dieser Kugeln liegen auf einer
Geraden, der optischen Achse des Linsensystems. Das photographische
Bild entsteht nun durch eine Zentralprojektion, die aus einem Punkte
_O_ erfolgt (Fig. 54), der auf der Achse des Linsensystems liegt, und
zwar angenähert in der Mitte zwischen den Punkten, in denen die Achse
die vorderste und hinterste Linsenfläche schneidet. Dieser Punkt heißt
wohl auch der »Mittelpunkt« des Objektives.

[Illustration: Fig. 54 ~a~.]

Wie verhält es sich aber weiter mit der Bildebene? Die Haupteigenschaft
des Linsensystems ist die, daß jede auf der optischen Achse senkrechte
Ebene wieder in eine auf der Achse senkrechte Ebene abgebildet wird.
Photographiert man also z. B. ein Gemälde oder eine Karte, so ist die
Mattscheibe an die Stelle der entsprechenden Ebene zu bringen. Alle
Punkte des Gemäldes sind dann scharf eingestellt. Weiter kann unser
Auge die Unschärfe erst von einem gewissen Grade an erkennen. Das hat
zur Folge, daß nicht nur Punkte der betreffenden Ebene, sondern eine
ganze Schicht vor und hinter ihr gelegener Punkte ebenfalls scharf
erscheinen. Es wird folglich ein ganzes Stück des Raumes brauchbar
abgebildet. Am wichtigsten wird diese Eigenschaft, wenn wir auf einen
weit entfernten Gegenstand, z. B. einen Kirchturm, einstellen. Dann hat
die Mattscheibe des Objektives eine gewisse Entfernung vom Mittelpunkt
des Objektives, die man die »Brennweite« nennt. Es erscheint nun aber
nicht nur der Kirchturm scharf auf der Mattscheibe, sondern ein großer
Teil des Raumes bis zu einer bestimmten Entfernung vom Objektiv liefert
ein scharfes Bild. Nimmt man also eine Landschaft oder eine Architektur
auf, so genügt diese Einstellung für das ganze Objekt. Man sagt, es
sei »auf Unendlich« eingestellt und bei manchen Apparaten ist die
Mattscheibe überhaupt in dieser Stellung fixiert. Sind beispielsweise
_ab_ und _cd_ zwei parallele, ziemlich entfernte vertikale Gerade (Fig.
54) und ist auf Unendlich eingestellt, so ergeben sich die Bilder von
_ab_ und _cd_, indem man durch den Mittelpunkt _O_ des Objektives die
Strahlen konstruiert und diese mit der Mattscheibe zum Schnitt bringt.
Es entstehen die Bilder _a'b'_ und _c'd'_. (Ein Unterschied gegenüber
unserer perspektivischen Abbildung besteht nur darin, daß wie beim
Vorgang des Sehens das Projektions-Zentrum zwischen Gegenstand und
Bildtafel gelegen ist. Deswegen erscheint das Bild auf der Mattscheibe
verkehrt: es ist oben und unten, rechts und links vertauscht. Man kann
sich übrigens eine Ebene denken, welche zwischen dem Mittelpunkt und
dem Gegenstand parallel zur Mattscheibe verläuft und ebenso weit vom
Mittelpunkt entfernt ist als die Mattscheibe. Diese Ebene würde aus dem
Bündel der projizierenden Strahlen das aufrechte Bild des Gegenstandes
ausschneiden.

Demnach müssen Photographien alle Eigenschaften perspektivischer Bilder
zeigen und man mag an der Abb. 7 (S. 70) die Verkürzungen, den Verlauf
horizontaler Geraden und den Fluchtpunktsatz verfolgen. Speziell aus
dem letzteren wollen wir noch eine Folgerung ableiten.

[Illustration: Abb. 6.]

=29. Stürzende Linien.= Nehmen wir an, daß _ab_ und _cd_ zwei vertikale
Gerade (Fig. 54) und ist die Mattscheibe ebenfalls genau vertikal
gestellt, so sind _ab_ und _cd_ parallel zur Bildebene, also müssen
nach Satz 10 ihre Bilder _a'b'_ und _c'd'_ auch parallel sein (Fig.
54 rechts). In der Tat erscheinen in der Abb. 7 alle vertikalen
Geraden vertikal. Denken wir uns aber, daß _ab_ und _cd_ etwa zwei
in ziemlicher Höhe z. B. an einem Giebel befindliche Linien seien
und der Photograph würde, um sie auf die Mattscheibe zu bekommen,
den Apparat in die Höhe drehen, wie es Fig. 54 ~a~ andeutet. Jetzt
sind die parallelen Geraden _ab_ und _cd_ nicht mehr parallel zur
Bildebene. Ihre Bilder werden also auch nicht mehr parallel, sondern
sie konvergieren nach einem Fluchtpunkt _f_, der unterhalb in der
erweiterten Ebene der Mattscheibe liegt. Das Bild der Geraden zeigt
Fig. 54 ~a~ rechts. Das Siegestor in München wurde in dieser Weise
mit gestürztem Apparat photographiert (Abb. 6). Natürlich liegt der
Fluchtpunkt jetzt oben, da wir das Bild doch umkehren Aber auch aus
Versehen oder aus Unachtsamkeit können sich namentlich beim Gebrauch
einer Handkamera solche stürzende Linien einstellen. Würde man, um von
einem hohen Standpunkt in die Tiefe zu photographieren, den Apparat
nach unten neigen, so läge der Fluchtpunkt der Vertikalen im Bilde
unten und die Gebäude fielen auf den Beschauer zu.

Man kann übrigens auch bei gestürztem Apparat vertikale Linien wieder
parallel und vertikal erhalten, wenn man die Mattscheibe um _m_ so
lange dreht (Fig. 54 ~a~), bis sie in der Stellung _mp_ wieder vertikal
steht. Dann muß man allerdings neu einstellen. Aus diesem Grunde
ist bei manchen, besseren Apparaten die Möglichkeit gegeben, die
Mattscheibe zu drehen.

Endlich wird man noch die Frage stellen können: Aus welchem Punkte
muß denn eine Photographie, die doch ein perspektivisches Bild ist,
betrachtet werden? Wir wollen uns auf den Fall beschränken, daß ein
ziemlich entferntes Objekt, eine Landschaft oder eine Architektur,
mit der Einstellung auf Unendlich aufgenommen worden sei. Dann ist
eine solche Photographie offenbar aus einer Entfernung zu betrachten,
die gleich der +Brennweite+ ist. Es tritt also in diesem Falle als
+Distanz+ die Brennweite ein.


§ 11. Die Wahl der Distanz.

=30. Größe der Distanz.= Ein Gegenstand sei in seiner Lage gegen die
Bildebene gegeben, ferner möge die Tafel durch den Bildausschnitt, etwa
durch ein Rechteck _abcd_ Fig. 55, begrenzt sein. Dann kann man noch
sehr verschiedene Bilder dieses Gegenstandes erhalten, indem man die
Distanz und die Augenhöhe verschieden wählt. Der Augpunkt soll dabei
immer in der Mittellinie des Bildes angenommen werden. Als Gegenstand
bilden wir einen rechtwinklig begrenzten Raum ab mit einem quadratisch
getäfelten Fußboden und einem Würfel, der sich über einem Quadrate des
Fußbodens erhebt. Wir wählen zunächst die Distanz ~AD_{1}~ klein,
nämlich noch kleiner als die kleinere Seite des Bildrechtecks, und
zeichnen die Darstellung in Fig. 55 für eine mittlere, in Fig. 56 für
eine große Augenhöhe. Man erkennt, daß in beiden Fällen, namentlich
aber bei dem hohen Horizont, die Bodenfläche so stark steigt, daß
darauf befindliche Figuren förmlich herunterzurutschen scheinen, und
daß sich unschöne Verkürzungen ergeben. Die Abb. 3 (S. 30) zeigt uns
ein solches Interieur mit sehr hohem Horizont, der etwa in 8/11
der Bildhöhe verläuft. Dagegen kann für die Darstellung einer Stadt
oder eines ganzen Landes recht gut eine Perspektive mit sehr hohem
Horizont verwendet werden. Ein solches Bild nennt man dann eine
»Vogelperspektive«.

[Illustration: Fig. 55.]

[Illustration: Fig. 56.]

[Illustration: Fig. 57.]

In den Figuren 57 und 58 wurde die Distanz größer angenommen, nämlich
1½mal so groß als die größere Seite des Bildausschnittes. Endlich gibt
Fig. 59 eine Darstellung, in der die Distanz 3mal so groß gewählt ist
als die größere Seite _ab_ des Bildes. Man bemerkt, wie in diesem
Falle die Bodenfläche und die Wände schon sehr zusammenschrumpfen. Je
größer man die Distanz wählen würde, um so mehr würde sich das Bild
einer Orthogonalprojektion nähern. Es verwischen sich aber dann die
eigentlichen, perspektivischen Eigenschaften des Bildes mehr und mehr.
Vergleicht man die fünf Figuren, so ergibt sich, daß man Fig. 56 und
Fig. 58 wohl als die schönsten und ästhetisch brauchbarsten Bilder
bezeichnen muß.

[Illustration: Fig. 58.]

Wir bringen dies weiter in Zusammenhang mit folgender Tatsache: wenn
wir irgendein größeres Objekt, sei es nun ein räumlicher Gegenstand
oder ein Bild, als +Ganzes+ betrachten wollen, so treten wir so weit
von dem Objekt zurück, daß wir dasselbe ohne Bewegungen des Kopfes
übersehen können. Dann erst haben wir einen +Gesamteindruck+. Je
größer der Gegenstand ist, um so weiter entfernt wählen wir unseren
Standpunkt. Offenbar beherrscht unser Auge nur einen Kegel von ganz
bestimmter Öffnung und wir richten unsere Stellung dem Objekt gegenüber
so ein, daß das Objekt ganz in diesen Kegel hineinfällt.

[Illustration: Fig. 59.]

Auf diese Weise erkennt man, daß die Distanz nicht völlig willkürlich
gewählt werden darf. Ist sie zu groß, so verliert das Bild die
charakteristischen, perspektivischen Wirkungen; ist sie zu klein, so
ergeben sich übertriebene Verkürzungen. Aus der Praxis heraus hat sich
folgende Regel ausgebildet:

Man wähle die Distanz 1½mal bis 2mal so groß als die größere Seite des
Bildrechteckes.

In betreff der mit kleiner Distanz gezeichneten Bilder ist auch noch
daran zu erinnern, daß das normale, nicht kurzsichtige Auge auf
Gegenstände, die näher als etwa 25 ~cm~ am Auge liegen, nicht mehr
akkommodieren kann, das heißt es kann solche Objekte nicht mehr scharf
sehen. Auch aus diesem Grunde sind demnach allzu kleine Distanzen zu
vermeiden.

[Illustration: Fig. 60.]

[Illustration: Abb. 7.]

=31. Wirkung einer zu kleinen Distanz, das Interieur.= Es liegt weiter
nahe, daß man eine für eine kleine Distanz angefertigte Zeichnung aus
einer Entfernung betrachtet, die größer ist als die Distanz. Dann
treten übertriebene Tiefenwirkungen auf. In der Tat denken wir uns
einen Würfel, der mit der Fläche in der Bildtafel liegt. Das Auge
befinde sich in der Erweiterung der unteren Würfelfläche. Fig. 60
(links) stellt den Schnitt mit einer Ebene dar, die durch das Auge
senkrecht zur Bildebene geht. Das Bild des Würfels wird dann durch
_a_, _b_, _c'_ angedeutet. Ist nun umgekehrt das Bild _a_, _b_, _c'_
gegeben, so ist vorauszuschicken, daß natürlich durch +ein+ Bild der
Körper nicht bestimmt sein kann. Wenn wir aber z. B. noch wissen oder
stillschweigend annehmen, daß es sich um einen rechtwinklig begrenzten
Körper handelt, so können wir aus dem einen Bild den Körper
rekonstruieren.

[Illustration: Abb. 8.]

Es möge nun das Bild _a_, _b_, _c'_ aus einem Punkte _O_{1}_ betrachtet
werden (Fig. 60 rechts), der weiter von der Bildebene entfernt
liegt als _O_. Der zum Punkte _c'_ gehörige Raumpunkt _c_ liegt
dann einerseits auf der Linie _O_{1}c'_, andererseits aber wegen der
rechtwinkligen Natur des Körpers auf der Senkrechten in _b_ zur
Bildebene. Statt des Würfels erhalten wir einen viel längeren,
rechteckigen Quader _abcd_. Es scheint also der Körper viel tiefer zu
sein, als er wirklich ist.

[Illustration: Abb. 9.]

Diese unnatürliche Vertiefung (Tunnelperspektive) kann man z. B. an
photographischen Bildern beobachten, die mit Objektiven von kleiner
Brennweite hergestellt werden, weil solche Darstellungen eben meistens
aus einer zu großen Entfernung betrachtet werden. So erscheint in Abb.
7 (S. 70) das Gebäude viel länger als in Wirklichkeit. Ein einfaches
Mittel, von solchen Photographien ein richtiges Bild zu bekommen,
besteht darin, daß man sie durch ein Vergrößerungsglas betrachtet. Dann
wird mit dem Bilde auch die Distanz vergrößert, und man gewinnt eher
die richtige Entfernung für das Auge.

Eine ganz entsprechende +Verkürzung+ des Objektes der Tiefe nach tritt
ein, wenn man unter der gleichen Annahme wie oben ein perspektivisches
Bild aus einer zu kleinen Distanz betrachtet.

Eine kleine Distanz bevorzugt man bei der Darstellung eines
Innenraumes, also beim Interieur, weil dadurch die Vorstellung erweckt
wird, daß der Beschauer sich noch im Innern des betreffenden Raumes
befindet.

Prüft man beispielsweise in dem Fresko von +Raffael+ (1485--1520), die
»Schule von Athen« (Abb. 8, S. 71), das die eine Wand der ~camera
della segnatura~ im Vatikan in Rom einnimmt, auf Grund einer großen
Photographie die perspektivische Konstruktion, so stimmt diese
allerdings nicht vollständig genau. Als mittlerer Wert ergibt sich
aber für die Distanz, daß sie etwas größer ist als die Breite des
Bildes (ungefähr = 1⅐ der Bildbreite). Man beachte aber, welche
unvergleichlich großartige Raumwirkung der Künstler durch den
Kuppelraum mit den beiden Schiffen und die Vordergrundsszene erzielt.
Kleiner als die größere Seite des Bildausschnittes wird man aber die
Distanz nicht wählen.

[Illustration: Fig. 61.]

Auch bei manchen Holländern des 17. Jahrhunderts, z. B. bei +van
der Meer van Delft+ (1632--1675), finden wir Interieurs mit kleiner
Distanz.[5] So ist bei dem in Abb. 9 wiedergegebenen Bilde, das sich im
kgl. Schloß in Windsor befindet und eine Musikstunde darstellt, die
Distanz wenig größer als die Höhe des Bildes (etwa 1-1/17 derselben).
Man kann aber hier schon die unangenehme Folgeerscheinung beobachten,
daß bei solchen Bildern mit kurzer Distanz der Boden im Vordergrund
sich nach abwärts zu neigen, sich herunterzuklappen scheint.

    [5] Man vgl. dazu Hans Jantzen, Niederländische Malerei im 17.
    Jahrhundert. S. 52. (ANuG Bd. 373.) 1912.

[Illustration: Abb. 10.]

=32. Das photographische Bild.= Was die Bilder des photographischen
Apparates betrifft, so liefern Objektive mit großer Brennweite
Darstellungen, die einer großen Distanz entsprechen, Objektive mit
kleiner Brennweite, sogenannte Weitwinkel, geben Bilder mit kleiner
Distanz. Die übertriebene Perspektive solcher Weitwinkel erklärt sich
abgesehen von der eben erwähnten Wahl eines falschen Standpunkts
direkt durch die Wirkung der kleinen Distanz. In der Tat sind _ab_
und _cd_ etwa zwei gleichgroße Objekte, _O_ und _O'_ die Zentren der
Perspektive (Fig. 61) und _a'b'_, _c'd'_ ihre Bilder in der durch eine
Gerade dargestellten Tafel, so bemerkt man den Unterschied, je nachdem
die Distanz klein ist wie in der oberen Figur oder groß wie in der
unteren. In der oberen Figur ist _c'd'_ mehr als doppelt so groß wie
_a'b'_, in der unteren nicht ganz doppelt so groß. Dadurch daß das
fernere Objekt beim Weitwinkel so stark verkleinert wird, erscheint
das nähere gleichzeitig unverhältnismäßig groß. Die Abb. 10 gibt
uns die Aufnahme einer sitzenden Person, wobei sich der Apparat sehr
nahe an der Person befand. Die an und für sich richtige Perspektive
führt zu komischen Wirkungen. Doch lassen sich, wie Abb. 11 zeigt,
mit dem gleichen Objektiv etwas bessere Bilder erzielen, wenn man nur
einen größeren Abstand von dem Objekt wählt. Für Landschaftsaufnahmen
sind diese Überlegungen von großer Bedeutung. Ein Weitwinkel läßt
ferne, hohe Berge zu unbedeutenden Hügeln zusammenschrumpfen, er
treibt den Hintergrund zurück, wie die Photographen sagen, und betont
den Vordergrund. Ein Objektiv mit großer Brennweite dagegen gibt
ferne Berge groß, es »zieht den Hintergrund nach vorn« und läßt den
Vordergrund weniger in die Erscheinung treten.

[Illustration: Abb. 11.]


§ 12. Unzugängliche Distanz- und Fluchtpunkte.

=33. Unzugänglicher Distanzpunkt.= Den Augpunkt einer Darstellung
werden wir naturgemäß in der Mittellinie des Bildausschnittes annehmen,
da man bei Betrachtung eines Bildes doch ganz von selbst vor die Mitte
tritt. Dann folgt aber aus unseren Erörterungen und aus den Figuren
55 bis 59 ohne weiteres, daß die Distanzpunkte nicht mehr in dem
Bildausschnitt liegen, sondern weit darüber hinaus fallen. Verwendet
man also nicht eine viel größere Zeichenfläche, z. B. ein sehr großes
Reißbrett, so sind die Distanzpunkte nicht mehr zu erreichen. Das
gleiche gilt für Fluchtpunkte horizontaler Geraden, die, wie z.
B. schon die Fig. 48 erkennen läßt, häufig weit auf dem Horizont
hinausfallen, wenn die Figur nicht absichtlich darnach eingerichtet
wird. Es fragt sich nun, wie man +die Konstruktionen, die sich auf
solche über die Zeichenfläche hinausfallende Punkte beziehen, trotzdem
erledigen kann+. Das ist die wichtigste Aufgabe der praktischen
Perspektive.

[Illustration: Fig. 62.]

Wir wollen zunächst sehen, wie man die Aufgabe 5, also die Konstruktion
eines Tiefenmaßstabes, durchführen kann, wenn die Distanzpunkte nicht
mehr erreichbar sind. War auf einer gegebenen Tiefenlinie _T_ von ihrer
Spur _t_ aus eine Strecke anzutragen, so machten wir auf der Grundlinie
_ts_ = dieser Strecke (Fig. 62) und verbanden den Punkt _s_ mit einem
Distanzpunkt ~D_{1}~; die Verbindungslinie schnitt aus _T'_ den
gesuchten Punkt _p'_ aus (vgl. die frühere Fig. 21 ~b~). Halbieren wir
nun aber die Strecke ~AD_{1}~ und bezeichnen die Mitte mit ~D_{1}~/2.
Verbinden wir weiter diesen Punkt ~D_{1}~/2 mit _p'_, so möge diese
Linie die Grundlinie im Punkte _q_ treffen. Dann gilt die Proportion:

    _tq_ : _qs_ = ~A~ ~D_{1}~/2 : ~D~ ~D_{1}~/2 = 1 : 1.

Es ist mithin auch _q_ die Mitte von _ts_ und

    _tq_ = _qs_ = _ts_/2.

[Illustration: Fig. 63.]

Wir können zum Punkte _p'_ also auch gelangen, wenn wir die +halbe+
Strecke _tq_ auf der Grundlinie antragen, den Endpunkt _q_ mit dem
Punkte ~D_{1}~/2 verbinden und diese Linie mit _T'_ zum Schnitt
bringen. Soll demnach z. B. auf der Tiefenlinie _T'_ ein Maßstab
gezeichnet werden, dessen Einheit gegeben ist, und kann man ~D_{1}~/2
noch erreichen (Fig. 63), so tragen wir die halbe Einheit auf der
Grundlinie wiederholt ab und projizieren diese Punkte aus ~D_{1}~/2 auf
_T'_. Dann erhält man den verlangten Tiefenmaßstab.

[Illustration: Fig. 64 ~a~.]

[Illustration: Fig. 64 ~b~.]

Rückt die Teilung auf der Grundlinie zu weit hinaus, so kann man z. B.
durch 2' eine Parallele _l_ zur Grundlinie ziehen und die auf dieser
Parallelen ausgeschnittene kleinere Strecke 2'3'' auf _l_ wiederholt
antragen und aus ~D_{1}~/2 projizieren.

Der Punkt ~D_{1}~/2 heißt ein »Teil-Distanzpunkt«. Selbstverständlich
könnte man die ganze Strecke ~AD_{1}~ auch in drei gleiche Teile
teilen und den ersten Teilpunkt von ~A~ aus mit ~D_{1}~/3 bezeichnen.
Dann hätte man statt der ganzen Strecke bloß den dritten Teil auf der
Grundlinie anzutragen. Mit ~D_{1}~/3 verbunden liefern diese Punkte
auch wieder den Tiefenmaßstab usf.

=34. Unzugängliche Fluchtpunkte.= +Erstes Verfahren.+ Die Ermittlung
des Fluchtpunktes einer beliebigen, horizontalen Geraden beruhte
wesentlich auf den Überlegungen von (16), die zu der in der Fig. 24
gegebenen Konstruktion führten. Ist nun in dieser Figur der Fluchtpunkt
_f_{a}_ nicht zugänglich, so kann man diese Schwierigkeit in folgender
Weise umgehen: wir verkleinern die ganze Figur, indem wir sie sich
gegen den Punkt ~A~ zusammenziehen lassen.

Der aus der Geometrie hierbei anzuwendende Satz ist in den Fig. 64 ~a~
und 64 ~b~ noch eigens veranschaulicht. Es ist hier zu dem Vieleck
_abcde_ in folgender Weise ein neues konstruiert worden. Ein Punkt _o_
wird beliebig gewählt und mit allen Ecken _a_, _b_, _c_ ... verbunden.
Auf diesen Verbindungslinien werden die Punkte _a'_, _b'_, _c'_ ...
dadurch bestimmt, daß man alle Strecken _oa_, _ob_, _oc_ ... im
gleichen Verhältnis teilt, also beispielsweise immer

    _a'o_ = ⅔ _ao_,
    _b'o_ = ⅔ _bo_,
    _c'o_ = ⅔ _co_ ...

macht. Das neue Vieleck _a'_, _b'_, _c'_ ... hat dann folgende
Eigenschaften:

~a~) Entsprechende Seiten der beiden Vielecke sind stets parallel, d.h.
es ist

    _ab_ ∥ _a'b'_, _bc_ ∥ _b'c'_, _cd_ ∥ _c'd'_ usf.

~b~) Alle Verhältnisse der Seiten sind die gleichen, d. h. es ist

    _ab_ : _bc_ = _a'b'_ : _b'c'_ usf.

[Illustration: Fig. 65.]

Wenn also z. B. die Seite _ab_ doppelt so groß ist wie _bc_, so ist
auch _a'b'_ doppelt so groß wie _b'c'_. Die Figuren _abcde_ und
_a'b'c'd'e'_ nennt man +ähnlich+ und +ähnlich liegend+ und _o_ den
+Ähnlichkeitspunkt+.

Im vorliegenden Falle benutzen wir ~A~ als Ähnlichkeitspunkt. Zunächst
ist in Fig. 65 die frühere Konstruktion wiederholt. Auf der Linie von
~A~ nach ~D_{3}~ wählen wir nun einen Punkt ~D_{3}~/3 so, daß

    ~A~ ~D_{3}~/3 = ⅓ ~AD_{3}~

und verkleinern die ganze Figur auf ein Drittel.

[Illustration: Fig. 66.]

Wir verbinden also _a_ mit ~A~, teilen diese Linie in drei gleiche
Teile und bezeichnen den ersten Teilpunkt von ~A~ aus mit _a_/3, so daß

    ~A~ _a_/3 = ⅓ ~A~_a_.

Ziehen wir dann durch den Punkt ~D_{3}~/3 eine Parallele zu
_f_{a}_~D_{3}~, so schneidet diese auf dem Horizont einen Punkt
_f_{a}_/3 aus, der die Eigenschaft hat, daß auch

    ~A~ _f_{a}_/3 = ⅓ ⋅ ~A~_f_{a}_

und es ist weiter dann auch

    _af_{a}_ ∥ _a_/3 _f_{a}_/3.

Hat man die verkleinerte, punktierte Figur gezeichnet, so kann man _A'_
finden, wenn ein Punkt, etwa die Spur _a_, bekannt ist, indem man durch
_a_ eine Parallele zu _a_/3 _f_{a}_/3 zieht.

Dies ist in der Figur 66 ausgeführt. Vermittels des Punktes ~D_{3}~/3
wurde zunächst _f_{a}_/3 ermittelt, in dem man zur Verschiebung (_A_)
der Geraden eine Parallele zog; verschafft man sich weiter die Spur
_a_ der Geraden und dazu den Hilfspunkt _a_/3 auf der Verbindungslinie
_aA_, so ist das Bild _A'_ parallel zur Linie _a_/3 _f_{a}_/3, kann
also als eine Parallele durch _a_ zu dieser Linie gezeichnet werden.

Wie stark wir die Figur verjüngen wollen, steht natürlich in unserem
Belieben; statt auf ⅓ zu verkleinern, können wir auch die Verjüngung
auf ¼ wählen oder bloß auf ½. Nur darf die neue Figur nicht zu klein
werden. Wir geben eine praktische Anwendung in der folgenden

  =Aufgabe 18.= Eine Zimmerecke samt dem quadratisch getäfelten
    Fußboden darzustellen, wenn der Teil-Distanzpunkt ~D_{1}~/4 noch
    zugänglich ist.

Auf der Senkrechten, die im Augpunkt ~A~ zum Horizont gezogen werden
kann, nehmen wir den Punkt ~D_{3}~/4 an (Fig. 67); außerdem soll gegeben
sein die Eckkante _p'q'_, also die Höhe des Zimmers und die eine
Bodenkante _A'_ durch _p'_.

Zunächst haben wir eine Linie _B_ der Grundebene zu zeichnen, welche
im Punkte _p_ auf _A_ senkrecht steht, vgl. Aufgabe 9. Da ~D_{3}~/4
gegeben und noch zugänglich, verjüngen wir die ganze Figur auf ¼.
Dementsprechend verbinden wir den Punkt _p'_ mit ~A~, teilen diese
Strecke in 4 gleiche Teile und bezeichnen den ersten an ~A~ gelegenen
Teilpunkt mit _p'_/4. Durch diesen Punkt _p'_/4 ziehen wir eine
Parallele zur gegebenen Geraden _A'_, welche in _f_{a}_/4 den Horizont
treffen möge. Es ist also

    _p'_/4 _f_{a}_/4 ∥ _A'_.

Nun können wir den Punkt _f_{a}_/4 mit ~D_{3}~/4 verbinden und im Punkte
~D_{3}~/4 eine Senkrechte zu dieser Linie zeichnen, welche aus dem
Horizont den Punkt _f_{b}_/4 ausschneidet. Verbinden wir _p'_/4 mit
diesem Teilfluchtpunkt _f_{b}_/4, so gibt diese Linie die Richtung von
=B'=; es ist also:

    _B'_ ∥ _p'_/4 _f_{b}_/4,

womit die zweite Bodenkante konstruiert ist. Die an der Decke laufenden
Kanten finden wir, wenn wir zum Punkte _q'_ den Hilfspunkt _q'_/4
zeichnen. Eine Vertikale durch _p'_/4 liefert ihn sofort auf der
Verbindungslinie ~A~_q'_. Dadurch sind die Verbindungslinien _q'_/4
_f_{a}_/4 und _q'_/4 _f_{b}_/4 bestimmt und zu ihnen laufen die
Deckenkanten durch _q'_ beziehungsweise parallel.

[Illustration: Fig. 67.]

Man beachte auch, wie sich ein solcher gegen den Beschauer
vorspringender rechter Winkel im Bilde darstellt: seine beiden Schenkel
laufen von den betreffenden Fluchtpunkten weg. Dagegen kommen bei
der Darstellung einer Gebäudeecke, wie in Fig. 53 oder 72, wo der
rechte Winkel von außen betrachtet wird, die Teile der Schenkel zur
Verwendung, welche die Fluchtpunkte tragen.

[Illustration: Fig. 67 ~a~.]

Nun sei weiter die Seite _p'_1' eines Quadrates des Fußbodens gegeben.
Um diese Teilung auf der Geraden _A'_ fortzusetzen, verfahren wir
wie folgt: wir denken uns durch die Punkte 1, 2, 3 ... der Kante _A_
in irgendeiner Richtung parallele Gerade gelegt und bringen diese in
I, II, III ... zum Schnitt mit einer parallelen zur Grundlinie, wie
die Nebenfigur 67 ~a~ dies andeutet. Dann sind auch die Abschnitte
_p_I, I II, II III usf. gleich groß und umgekehrt werden gleich große
Abschnitte _p_ 1, 1 2, 2 3 ... auf _A_ erzeugt, wenn man durch gleich
große Strecken _p_I, I II, II III ... die Parallelen legt. Im Bilde
gehen diese Parallelen dann in Linien über, welche durch einen Punkt
des Horizonts laufen.

Dementsprechend ziehen wir durch _p'_ eine Parallele zur Grundlinie und
wählen als Punkt des Horizontes etwa ~A~. Die Verbindungslinie von 1'
nach ~A~ schneidet auf der Parallelen den Punkt I aus und wir machen
_p'_I = I II = II III ... Dann liefern die Punkte II, III aus ~A~
projiziert die Bilder 2', 3' ... 6'.

Um die durch diese Punkte gehenden Fußbodenlinien zu finden,
verschaffen wir uns die zugehörigen Hilfspunkte. Verbinden wir z.
B. 6' mit ~A~, so erhalten wir auf der Linie _p'_/4 _f_{a}_/4 den
entsprechenden Hilfspunkt 6'/4. Die durch 6' gehende Linie des
Fußbodenmusters ist dann aber parallel zur Verbindungslinie des Punktes
6'/4 mit dem Punkte _f_{b}_/4.

Die zweite Schar von Parallelen des Fußbodens wollen wir unter
Benutzung des Diagonalpunktes (vgl. S. 57) zeichnen. Halbieren wir
den Winkel bei ~D_{3}~/4, so schneidet diese Linie auf dem Horizont den
Teil-Diagonalpunkt ~D~_{_g_}/4 aus. Daraus erhalten wir demnach den
Diagonalpunkt ~D~_{_g_} selbst, wenn wir

    ~AD~_{_g_} = 4 ⋅ ~A~ ~D~_{_g_}/4

machen, also die Strecke ~A~ ~D~_{_g_}/4 noch dreimal von ~D~_{_g_}/4
aus nach links antragen. Durch _D_{g}_ laufen dann aber alle Diagonalen
der einen Art in den Quadraten des Fußbodens, so daß dieser leicht
gezeichnet werden kann. Gleichzeitig ergeben sich viele Kontrollen.

=35. Unzugängliche Fluchtpunkte.= Zweites Verfahren. Wir wollen für
die Aufgabe 9 noch eine Lösung geben, die auch wieder auf dem Gedanken
beruht, an Stelle der ursprünglichen Figur eine verkleinerte, ähnliche
zu benutzen.

[Illustration: Fig. 68.]

Ist _F_{a}_ der Fluchtpunkt der gegebenen Geraden _A'_, auf welcher im
Punkt _p'_ eine Senkrechte _B'_ errichtet werden soll, so konstruieren
wir z. B. den Punkt ~D_{4}~ (Fig. 68) und tragen im Punkte ~D₄~ einen
rechten Winkel von _F_{a}_~D_{4}~ aus an; dann schnitt der zweite
Schenkel dieses rechten Winkels den Fluchtpunkt _F_{b}_ aus, so daß die
gesuchte Gerade _B'_ den Punkt _p'_ mit _F_{b}_ verband.

Fällt nun aber _F_{a}_ nicht mehr auf das Zeichenblatt, so führen wir
einen neuen Horizont hh ein, der parallel zu _hh_ so gewählt sei, daß
sich mit _A'_ ein erreichbarer Schnittpunkt _f_{a}_ ergibt. Die ganze
Figur lassen wir sich jetzt um +den Punkt+ _p'_ zusammenziehen, so
daß _hh_ in hh übergeht. Wir konstruieren also eine kleinere ähnliche
Figur mit _p'_ als Ähnlichkeitspunkt. Die Punkte dieser neuen Figur
bezeichnen wir mit den entsprechenden kleinen Buchstaben. Zunächst
liefern _D_{1}_, ~A~ und _F_{b}_ aus _p'_ auf hh projiziert die Punkte
_d_{1}_, _a_ und _f_{b}_.

Ferner sind in ähnlichen und ähnlich liegenden Figuren entsprechende
Gerade stets parallel (S. 78). Ziehen wir also durch _a_ eine Parallele
zur Linie ~AD_{4}~, so schneidet diese auf der Verbindungsgeraden
_p'_~D_{4}~ den entsprechenden Punkt _d_{4}_ aus und es ist dann

    _f_{a}d_{4}_ ∥ _F_{a}_~D_{4}~

und

    _f_{b}d_{4}_ ∥ _F_{b}_~D_{4}~.

Nun ist in der großen Figur ~AD_{1}~ = ~AD_{4}~, also ist auch in der
verkleinerten Figur _ad_{1}_ = _ad_{4}_. Wir wollen jetzt annehmen, daß
auch der Punkt ~D_{1}~ nicht mehr auf das Zeichenblatt fällt, wohl
aber der Teil-Distanzpunkt ~D_{1}~/2. Konstruieren wir auch zu ihm den
entsprechenden Punkt _d_{1}_/2, so ist

    _d_{1}_ _d_{1}_/2 = _a_ _d_{1}_/2

und weiter

    _ad_{4}_ = 2 ⋅ _a_ _d_{1}_/2.

Daraus ergibt sich folgende Konstruktion (Fig. 69).

[Illustration: Fig. 69.]

Wir zeichnen den neuen Horizont hh, welcher die gegebene Gerade _A'_ in
_f_{a}_ und die Verbindungslinie von _p'_ nach ~A~ in _a_ trifft. Dann
errichten wir zu _a_ eine Senkrechte in hh und machen diese doppelt so
groß als die Strecke _a_ _d_{1}_/2. Ist _d_{4}_ der zweite Endpunkt
dieser Senkrechten, so ist also

    _ad_{4}_ = 2 _a_ _d_{1}_/2.

An die Verbindungslinie _f_{a}d_{4}_ tragen wir einen rechten Winkel an,
dessen zweiter Schenkel den Horizont hh in _f_{b}_ schneidet. Das Bild
_B'_ der gesuchten Senkrechten verbindet nun den Punkt _p'_ mit _f_{b}_.

Man kann diese Figur auch benutzen, um z. B. den Diagonalpunkt zu
ermitteln, wenn man sich den rechten Winkel zu einem Quadrat ergänzt
denkt. Wir dürfen ja nur den Winkel _f_{a}d_{4}f_{b}_ halbieren, so
liefert uns die Halbierungslinie auf hh den Hilfspunkt _d_{g}_ und
wenn wir diesen mit _p'_ verbinden, so schneidet diese Linie auf dem
Horizont den Diagonalpunkt ~D~_{_g_} selbst aus. Der Beweis ergibt sich
leicht aus der Figur 68, denn es ist

    _d_{4}d_{g}_ ∥ ~D_{4}D~_{_g_}

und da ~D_{4}D~_{_g_} den Winkel _F_{a_}~D_{4}~_F_{b}_ halbiert, so muß
die Parallele den Winkel _f_{a}d_{4}f_{b}_ halbieren.

=36. Unzugängliche Fluchtpunkte.= Drittes Verfahren. Das Wesentliche
an den eben durchgeführten Betrachtungen bestand darin, daß wir gelernt
haben, das Bild eines rechten Winkels zu zeichnen auch dann, wenn die
beiden Fluchtpunkte seiner Schenkel unzugänglich waren. Ist nun das
Bild eines solchen Winkels gegeben, so kommt es häufig vor, daß man
weitere Linien nach den unzugänglichen Fluchtpunkten zu ziehen hat. Wir
behandeln dementsprechend die

  =Aufgabe 19.= Ein Punkt ist gegeben als der nicht zugängliche
    Schnittpunkt zweier Geraden _G'_ und _hh_ (Fig. 71); man
    zeichne die Linie, welche diesen unzugänglichen Punkt mit einem
    weiter gegebenen Punkte _p'_ verbindet.

[Illustration: Fig. 70.]

Die Lösung gelingt leicht, wenn wir uns an einen bekannten Satz der
Geometrie erinnern. Schneidet man drei durch einen Punkt _s_ gehende
Gerade _A_, _B_, _C_ mit irgend zwei parallelen Geraden, so werden die
beiden Parallelen in gleichem Verhältnis geteilt, d. h. es ist Fig. 70

    _ab_ : _bc_ = _de_ : _ef_.

Teilt man umgekehrt die zwei Parallelen im gleichen Verhältnis, so daß
also diese Gleichung erfüllt ist, so geht die Verbindungslinie _be_
durch den Schnittpunkt _s_ der beiden Geraden hindurch.

[Illustration: Fig. 71.]

Man kann diese beiden Sätze auch in folgender Weise ausdrücken:

Teilt man die Strecke _de_ beispielsweise in vier gleiche Teile und
verbindet die Teilpunkte 2, 3, 4 mit _s_, so wird auch die Strecke
_ab_ in vier gleiche Teile geteilt. Setzt man beide Teilungen auf den
Parallelen fort, so gehen die Verbindungslinien gleich numerierter
Punkte immer durch _s_. Daraus ergibt sich für die obige Aufgabe
folgende Lösung (Fig. 71). Wir ziehen durch den gegebenen Punkt _p'_
irgendeine Linie _df_ und zu ihr in nicht zu geringer Entfernung eine
Parallele, welche in _a_ und _c_ die zwei Geraden trifft. Durch _p'_
werde eine Parallele zu _hh_ gelegt, welche die Verbindungslinie
_cd_ in _g_ schneidet. Durch diesen Punkt _g_ ziehen wir eine
Parallele zu _G'_ und erhalten auf _ac_ den Punkt _b_. Dann geht die
Verbindungslinie _p'b_ durch den unzugänglichen Schnitt von _G'_ und
_hh_ hindurch, ist also die verlangte.

Denn wir entnehmen unmittelbar aus der Figur:

    _ab_ : _bc_ = _dg_ : _gc_

und

    _dg_ : _gc_ = _dp'_ : _p'f_

folglich auch

    _ab_ : _bc_= _dp'_ : _p'f_.

[Illustration: Fig. 72.]

Ist eine größere Zahl von Linien nach einem unzugänglichen Punkte zu
zeichnen, so wäre das eben beschriebene Verfahren zu umständlich. Man
wird dann den zweiten oben angeführten Satz benutzen, um solche Linien
zu erhalten. Das folgende Beispiel mag dies erläutern.

  =Aufgabe 20.= Gegeben ist das Bild eines rechten Winkels bei _p'_
    (vordere Ecke eines Gebäudes); man zeichne Parallelen zu den
    Schenkeln dieses Winkels.

Wir verlängern die durch _p'_ gehende Vertikale, die Vorderkante des
Gebäudes, bis sie in _p_{0}_ den Horizont trifft (Fig. 72), ferner
wählen wir rechts und links am Rande die Punkte _q'_ und _r'_ auf den
Schenkeln des rechten Winkels und ziehen durch sie die Senkrechten
_r'r_{0}_ und _q'q_{0}_ bis zum Horizont. Teilen wir die drei Strecken
_p'p_{0}_, _q'q_{0}_, _r'r_{0}_ in eine gleiche Anzahl von Teilen,
z. B. jede in vier Teile, so gehen die Verbindungslinien gleich
numerierter Punkte bzw. durch die Fluchtpunkte des rechten Winkels.
Setzt man die Teilungen auf den Geraden _p'p_{0}_, _q'q_{0}_, _r'r_{0}_
über den Horizont hinaus fort, so gehen auch die Verbindungslinien 6.6,
7.7 usf. wieder durch die unzugänglichen Fluchtpunkte. Die Linien 7.7
mögen das Gebäude unten abschließen.

Man erhält aber weiter auch Linien durch die Fluchtpunkte, wenn man
entsprechende Abschnitte wiederum in gleichviel Teile teilt, also
beispielsweise von den Strecken 1.2 je das an den Punkten 2 gelegene
Drittel nimmt. (Siehe Figur.) Hat man dann durch einen vorgegebenen
Punkt eine Linie nach einem der zugänglichen Fluchtpunkte zu zeichnen,
so kann man das nach dem +Augenmaß ausführen+, indem man das Lineal
so anlegt, daß es gleichnumerierte Strecken im gleichen Verhältnis
teilt. Die genaue Lösung dieser Aufgabe haben wir ja in der Aufgabe 19
gegeben.

Auf der linken Seite der Figur sind noch zwei Fensterreihen
eingezeichnet. Das erste an der Vorderkante _p'p_{0}_ gelegene Fenster
wurde willkürlich angenommen; die anderen Fenster sollen ebensogroß
sein und voneinander ebensoweit abstehen als das erste Fenster von
der Kante _p'p_{0}_ entfernt ist. Wir bringen die vertikalen Kanten der
Fenster mit der Linie 7.7 zum Schnitt und verfahren nun ebenso wie
in 34. (Fig. 67 ~a~.) Als beliebiger Punkt auf dem Horizont wurde 5
gewählt. Dadurch erhalten wir auf der durch 7 gezogenen Parallele zum
Horizont zwei Strecken, die abwechselnd angetragen die Fenster liefern.
Auf der rechten Seite des Gebäudes ist ebenso eine Tür und ein Fenster
konstruiert.

Endlich mag noch erwähnt werden, daß es auch eigene Apparate,
sogenannte »Fluchtpunkt-Lineale«, gibt, um Gerade nach unzugänglichen
Punkte damit zu zeichnen.


§ 13. Gleichzeitige Anwendung der verschiedenen Methoden.

=37. Verbindung der Schnittmethode mit den Fluchtpunktmethoden.= Wir
können aber auch die früher behandelte Schnittmethode (vgl. 8) mit den
Konstruktionen, die sich aus der Benutzung der Fluchtpunkte ergeben
(17, 18 u. f.), verbinden und erhalten dadurch das für Darstellung
architektonischer Objekte brauchbarste Verfahren. Wir werden dasselbe
am besten an einem Beispiele kennen lernen:

  =Aufgabe 21.= Ein Postament ist durch Grund- und Aufriß gegeben
    (Fig. 73); die neue Bildebene, in der eine Perspektive dieses
    Objektes entworfen werden soll, steht auf der Grundrißebene
    senkrecht, geht durch die Achse des Postaments und mag durch
    die Linie _h_{1}h_{1}_ bestimmt sein. Außerdem sind der Augpunkt ~A~
    und der Horizont _hh_ je durch ihre Risse gegeben. Man zeichne
    das Bild des Körpers, wenn die Distanz 12 ~cm~ beträgt.

Wir wählen in der neuen Darstellung die Grundlinie _gg_ und darüber in
der durch den Aufriß gegebenen Höhe den Horizont _hh_ (Fig. 74) und auf
ihm den Augpunkt ~A~. Dann zeichnen wir den +Schnitt+ der Bildebene mit
dem Körper, was unter Benutzung der Schnittpunkte 1, 7, 13, 14, 8, 2
von _h_{1}h_{1}_ mit dem Grundriß und unter Heranziehung des Aufrisses
leicht geschehen kann. Denn die durch ~A~ gelegte Vertikale ist die
Achse des Körpers. Schneidet sie die Grundlinie in _n_, so machen wir
_nx_ = ~A_{1}~1.

In _x_ zeichnen wir wieder die Senkrechte und machen _xy_ gleich der
aus dem Aufriß zu entnehmenden Höhe des Sockels usf. Auf diese Art
erhält man die Schnittfigur der Bildebene mit dem Körper, die in Fig.
74 durch Schraffierung am Rande hervorgehoben ist.

[Illustration: Fig. 73.]

Um jetzt den Grundriß des Körpers in das Bild zu übertragen, verfahren
wir in folgender Weise: Wir führen eine Parallelebene zur Grundrißebene
ein, welche aus der Bildebene die Parallele _ll_ zum Horizont
ausschneiden möge. In diese neue Ebene projizieren wir den Grundriß.
Das kommt darauf hinaus, daß der Grundriß um das Stück _hl_ in die Höhe
geschoben wird. Wir zeichnen nun zunächst das Bild dieses verschobenen
Grundrisses.

Der Grundriß besteht aus zwei Systemen paralleler Geraden und wir
werden die beiden Fluchtpunkte zu ermitteln haben, die zu diesen
Parallelen gehören. Wir errichten in Fig. 73 im Punkte ~A_{1}~ eine
Senkrechte zu _h_{1}h_{1}_ und tragen auf ihr etwa ein Viertel der
Distanz an, machen also

    ~A_{1}~ _O_{1}_/4 = 3 ~cm~.

Ziehen wir sodann durch _O_{1}_/4 eine Parallele zu 5.6, so schneidet
diese auf dem Horizont den Riß des Teilfluchtpunktes _F_{a}_/4 aus.
Demnach erhalten wir in Fig. 74 den Fluchtpunkt _F_{a}_, indem wir
~A~_F_{a}_ = 4 ~A_{1}~ _F_{a}_/4 auf dem Horizont antragen.

Der Fluchtpunkt _F_{b}_ der anderen Richtung 6.3, der weit über die
Zeichenebene hinausfällt, möge nach der in 35 erörterten Methode
bestimmt werden. Wir ziehen durch _F_{a}_ irgendeine Linie, wählen
auf ihr den Punkt _p'_ beliebig und zeichnen einen neuen Horizont,
der in _f_{a}_ die Linie von _F_{a}_ nach _p'_ trifft. Nun ermitteln
wir eine horizontale Linie, welche im Punkte _p_ auf der Linie
_F_{a}p_ senkrecht steht. (Aufgabe 9.) Zunächst zeichnen wir den
Teildistanzpunkt ~D_{1}~/4, indem wir aus Fig. 73 die Strecke ~A_{1}~
_O_{1}_/4 entnehmen und ~A~ ~D_{1}~/4 = ~A_{1}~ _O_{1}_/4 antragen.
Dann mögen die Verbindungslinien von _p'_ nach ~A~ und ~D_{1}~/4 den
neuen Horizont in _a_ und _d_{1}_/4 treffen. Wir errichten gemäß der
früheren Ableitung in _a_ eine Senkrechte zum neuen Horizont und machen
dieselbe viermal so lang als die Strecke _a d_{1}_/4, so daß also

    _ad_{4}_ = 4 ⋅ _a d_{1}_/4.

Verbinden wir _d_{4}_ mit _f_{a}_, so schneidet eine Senkrechte
zu dieser Linie im Punkte _d_{4}_ den Punkt _f_{b}_ aus und die
Verbindungslinie von _f_{b}_ mit _p'_ geht nach dem Fluchtpunkte
_F_{b}_.

Weitere Linien nach _F_{b}_ können wir nach dem dritten in 36
angegebenen Verfahren ermitteln. Zu diesem Zwecke sind in der Figur
rechts und links zwei Vertikale gezeichnet. Die Verbindungslinie
_p'f_{b}_ schneidet auf diesen die Punkte 0 aus; die Abschnitte bis
zum Horizont sind rechts und links je in zwölf gleiche Teile geteilt;
alle Linien nach _F_{b}_ teilen entsprechende Abschnitte der beiden
Vertikalen im gleichen Verhältnis. Es braucht wohl kaum bemerkt zu
werden, daß die Nummern auf den beiden Vertikalen bloß dem Zwecke
dienen, Linien nach dem Fluchtpunkt _F_{b}_ zu liefern, und daß diese
Nummern ganz unabhängig sind von den übrigen Ziffern der Figur.

Die Konstruktion des Bildes des verschobenen Grundrisses kann nun
wie folgt erfolgen. Die Punkte 1, 7, 13, 14, 8, 2 auf der Linie _ll_
ergeben sich sofort, indem man die entsprechenden Strecken von
_h_{1}h_{1}_ überträgt. Ist also _m_ der Schnittpunkt der Achse des
Körpers mit _ll_, so ist

    _m_1 = ~A_{1}~1, _m_7 = ~A_{1}~7 usf.

[Illustration: Fig. 74.]

Verbinden wir dann die Punkte 1 und 2 mit _F_{a}_, so sind dies zwei
Seiten des äußeren Viereckes. Die auf der Linie von 2 nach _F_{a}_
gelegenen Ecken 3 und 4 bestimmen wir nun etwa durch Tiefenlinien.
Wir zeichnen zunächst im Grundriß (Fig. 73) die Senkrechte durch 3 zu
_h_{1}h_{1}_, welche in _s_{1}_ die Bildtafel trifft. Machen wir in
Fig. 74 _ms_ = ~A_{1}~_s_{1}_, so ist _s_ die Spur in der Parallelebene
und ~A~_s_ das Bild der Tiefenlinie. Diese Linie _As_ schneidet dann
auf der Linie 2._F_{a}_ den Punkt 3' aus. Ebenso mag man die übrigen
Ecken 4', 5', 6' ermitteln und es nun als Kontrolle benutzen, daß 4'.5'
und 3'.6' durch _F_{b}_ gehen müssen.

Man kann auch die Spuren der Geraden, soweit sie bequem erreichbar
sind, hinzunehmen. Um das Bild des zweiten Vierecks 9, 10, 11, 12 zu
zeichnen, ist im Grundriß die Spur _t_{1}_ der Linie 9. 12 gezeichnet.
Machen wir in Fig. 74 _mt_ = ~A_{1}~_t_{1}_, so ist _t_ die Spur der
Linie 9. 12 und 9'. 12' geht verlängert durch _t_.

Endlich können wir auch noch die Eigenschaft verwenden, daß die
Verbindungslinien 5'.3', 6'.4', 9'.11', 10'.12' usf. alle durch _m_
gehen müssen.

Ist auf diese Art das Bild des verschobenen Grundrisses oben
konstruiert, so liefern die Vertikalen durch die Ecken 3', 4', 5', 6'
usf. je einen ersten Ort, auf dem die Bilder des Grundrisses selbst
gelegen sein müssen. Unter Benutzung der Schnittfigur mit der Bildebene
ist das Bild des Körpers dann aber leicht fertigzustellen. So liefert
z. B. der Punkt _x_ mit _F_{a}_ verbunden die untere, linke Kante des
Sockels und die Senkrechten durch 5' und 6' schneiden auf ihr die
betreffenden Ecken aus.

Wie wir bei dieser Aufgabe die Grundebene nach +oben+ verschoben
(Deckenriß), so kann man unter Umständen auch unterhalb der Grundebene
eine Parallelebene wählen, in diese den Grundriß projizieren (sog.
Kellergrundriß) und dessen Bild zur Konstruktion benutzen.


§ 14. Die Darstellung des Kreises.

=38. Der Kreis in einer zur Tafel parallelen Ebene.= Bis jetzt haben
wir uns immer mit der Abbildung gerader Linien beschäftigt, wobei uns
die Eigenschaft zustatten kam, daß das Bild einer geraden Linie wieder
eine Gerade ist. Wir wollen nun auch das Bild einer krummen Linie
zeichnen, nämlich das des Kreises. Es ist dann allerdings nötig, daß
wir uns von einer Anzahl von Punkten, die auf dem Kreise angenommen
werden, die Bilder zeichnen und diese durch einen Linienzug verbinden.
Wir wollen mit dem einfachsten Falle beginnen, der sich ergibt, wenn
das Bild des gegebenen Kreises wieder ein Kreis ist.

[Illustration: Fig. 75.]

Der abzubildende Kreis liege in einer zur Tafel parallelen Ebene (Fig.
75). Die vom Auge nach den Punkten des Kreises gehenden Sehstrahlen
bilden einen Kegel, der die Tafel nach einer Figur schneiden muß, die
zu dem gegebenen Kreise ähnlich ist (S. 45); diese Schnittfigur ist
also selbst wieder ein Kreis. Der Mittelpunkt des gegebenen Kreises
bildet sich wieder in den Mittelpunkt des neuen Kreises ab, der Radius
des neuen Kreises wird je nach der Entfernung des gegebenen Kreises
verschieden verkürzt werden. Wir führen die Konstruktion durch an
folgender

  =Aufgabe 22=. Ein Punkt _m_ ist gegeben durch sein Bild _m'_ und
    durch die Spur _a_ der durch ihn gehenden Tiefenlinie _A_ (Fig.
    76). Man zeichne das Bild des Kreises, der um _m_ mit gegebenem
    Radius _r_ beschrieben wird und in einer zur Tafel parallelen
    Ebene liegt.

[Illustration: Fig. 76.]

Auf dem Bilde _A'_ der Tiefenlinie _A_ ist die Spur _a_ von _A_ und
das Bild _m'_ des Mittelpunktes gegeben. Wir denken uns (Fig. 75) den
Durchmesser _np_ des Kreises gezogen, der zum Horizont parallel läuft,
und ziehen durch seine beiden Endpunkte _n_ und _p_ die Tiefenlinien
_B_ und _C_. Die Spuren _b_ und _c_ dieser beiden Tiefenlinien erhalten
wir in Fig. 76 ohne weiteres, wenn wir durch _a_ eine Parallele zum
Horizont ziehen und auf dieser Parallelen _ab_ und _ac_ je gleich dem
gegebenen Radius _r_ des Kreises antragen. Verbinden wir _b_ und _c_
mit ~A~, so sind dies die Bilder _B'_ und _C'_ der Tiefenlinien _B_ und
_C_ und sie schneiden auf der Parallelen durch _m'_ zum Horizont die
Punkte _n'_ und _p'_ aus. _n'p'_ ist der Durchmesser des Bildes des
Kreises, das also daraus gezeichnet werden kann.

Als Anwendung dieser Konstruktion geben wir in Fig. 77 das Bild einer
ringförmigen Platte, die mit ihrer vorderen Fläche in der Bildtafel
liegt, _m_ ist der Mittelpunkt für die beiden vorderen Kreise. Ziehen
wir durch _m_ die Parallele zum Horizont und tragen auf ihr eine
Strecke _mx_ ab, welche gleich der gegebenen Dicke der Platte ist, so
liefert _x_ mit D_{1} verbunden auf der Linie _m_A den Punkt _t'_,
welcher der Mittelpunkt für die beiden rückwärtigen Kreise ist; deren
Radien ergeben sich wie in Fig. 76.

[Illustration: Fig. 77.]

=39. Der Kreis in einer Horizontalebene.= Wir gehen nun zu dem Falle
über, daß der abzubildende Kreis in einer horizontalen Ebene gelegen
ist, z. B. in der Grundebene. Es sei zu behandeln folgende

  =Aufgabe 23.= Ein Kreis von gegebenem Radius liegt in der
    Grundebene so, daß er die Grundlinie berührt. Das Bild des
    Kreises zu zeichnen.

[Illustration: Fig. 78.]

Die Fig. 78 zeigt die Anordnung im Raume; in Fig. 79 ist der Kreis
in der Verschiebung gezeichnet. Es ist nun vorteilhaft, sich nicht
nur Punkte des Bildes zu verschaffen, sondern auch Linien, welche das
Bild berühren, sogenannte Berührungslinien oder »Tangenten«. Zu diesem
Zwecke umschreiben wir dem Kreise das Quadrat (1)(2)(3)(4), dessen
Seiten den Kreis in den Punkten (5), (6), (7) und (8) berühren. Das
Bild dieses Quadrates ist leicht zu zeichnen, (1)(4) und (2)(3) sind
Tiefenlinien; ihre Bilder laufen also nach A; die Linie (2)(4) aber
geht im Bilde nach dem linksseitigen Distanzpunkte D_{1} (vgl. 14).
Ferner ist auch (6)(8) eine Tiefenlinie und ihr Bild schneidet auf der
Linie 2.4' das Bild _m'_ des Punktes _m_ aus. Die Linie (5)(7) geht
in eine Parallele durch _m'_ über, welche auf den Linien 1.4' und 2.3'
die Punkte 5' und 7' liefert. Das Bild des Kreises wird in diesem Falle
eine Ellipse, welche dem Vierecke 1 2 3' 4' einbeschrieben ist und
dessen Seiten in den Punkten 6, 7', 8', 5' berührt.

[Illustration: Fig. 79.]

Ohne Beweis sei erwähnt, daß _m'_ nicht der »Mittelpunkt« der Ellipse
ist, daß dieser vielmehr in die Mitte der Strecke 6.8' fällt.

Bringt man die Diagonalen (2)(4) und (1)(3) des Quadrates mit dem
Kreise zum Schnitt, so erhält man die Punkte 9, 10, 11, 12 und auch
deren Bilder 9', 10', 11', 12' lassen sich leicht ermitteln, da (9) und
(10) sowie (11) und (12) je auf einer Tiefenlinie liegen. Sich noch
weitere Punkte der Ellipse aus den Punkten des Kreises zu verschaffen
ist gar nicht nötig.

Es wird nützlich sein, wenn der Leser sich auch das Bild eines Kreises
zeichnet, der auf der rechten Seite des Hauptpunktes gelegen ist.

Die Figur ist dann weiter benutzt, um das Bild eines
Umdrehungs-Zylinders, also einer Walze, zu zeichnen. Ist die Höhe
des Zylinders durch die Strecke 6.6^* gegeben, so schneidet die
Deckfläche des Zylinders die Bildebene in der Linie _ll_, welche
durch 6^* parallel zur Grundlinie geht. Die Konstruktion des Bildes
des Deckkreises des Zylinders erfolgt genau in der gleichen Weise;
entsprechende Punkte z. B. 3' und 3'^* liegen übrigens immer auf
Vertikalen, was viele Kontrollen liefert. Endlich wird das Bild des
Zylinders vollendet, indem man auf beiden Seiten die berührenden
Vertikalen an beide Ellipsen zeichnet.

=40. Der Kreis in einer vertikalen Tiefenebene.= In ganz ähnlicher
Weise wie ein horizontaler Kreis kann auch ein Kreis abgebildet
werden, der in einer lotrechten Tiefenebene liegt. Wir behandeln diesen
Fall in der folgenden

  =Aufgabe 24.= In einer lotrechten Tiefenebene, die durch ihre
    Spur S gegeben ist, liegt ein Kreis von gegebenem Radius, der
    die Grundebene und die Bildtafel berührt. Das Bild dieses
    Kreises zu zeichnen.

[Illustration: Fig. 80.]

Die Figur 78 zeigt rückwärts den Kreis in seiner Lage gegen Grundebene
und Bildtafel. Wir umschreiben demselben wieder das Quadrat 1 2 3 4,
von dem die Seite 1.2 in der Spur _S_ der Ebene, 1.4 in der Grundebene
liegt. Um den Kreis auch in seiner wahren Gestalt vor uns haben, denken
wir uns seine Ebene wie eine Türe nach außen um die Spur _S_ in die
Bildebene hineingedreht, wie dies der Pfeil in Figur 78 andeutet. In
dieser Lage ist der Kreis, sowie das umschriebene Quadrat 1 2 (3) (4)
in Fig. 80 gezeichnet. Das Bild des Kreises ergibt sich dann wie folgt.
Die Tiefenlinien 1.4 und 2.3 haben als Bilder die Linien von 1 nach
A und von 2 nach A. Die letzte Quadratseite 3.4 kann ferner durch
folgende Überlegung gefunden werden. Ziehen wir die Diagonale 1.3,
welche durch den Mittelpunkt _m_ geht, so ist diese Linie unter 45°
gegen die Grundebene geneigt. Die Parallele durch _O_ zu dieser Linie
schneidet den Fluchtpunkt derselben aus und derselbe muß nach Satz
24 auf der Senkrechten durch ~A~ liegen und von ~A~ um die Distanz
abstehen. Der Fluchtpunkt ist also der schon früher gezeichnete Punkt
~D_{4}~. Ganz ebenso ergibt sich als Fluchtpunkt der anderen Diagonale
2.4 der Punkt ~D_{3}~, der in Fig. 80 eingezeichnet ist. Wenn wir also
in Fig. 80 die Linien 1.~D_{4}~ 2.~D_{3}~ ziehen, so schneiden diese auf
den Bildern 2.~A~ und 1.~A~ die Bilder 3' und 4' aus. Zur Probe dient,
daß 3'.4' lotrecht sein muß. Ferner ist der Schnittpunkt von 1.~D_{4}~
und 2.~D_{3}~ das Bild _m'_. Die Vertikale durch _m'_ liefert auf den
Linien 2.~A~ und 1.~A~ die Berührungspunkte 5' und 7'; die Linie 6.~A~
muß von selbst durch _m'_ gehen und gibt den Berührungspunkt 8'.

[Illustration: Fig. 81.]

In dem hier vorliegenden Falle ist das Bild des Kreises wieder eine
Ellipse; _m'_ ist nicht ihr Mittelpunkt; derselbe liegt vielmehr auf
der Linie 6.8' in der Mitte zwischen 6 und 8'.

Die Bilder der Punkte 9, 10 usw. lassen sich wie im vorigen Falle
bestimmen. Auch die Tangente im Punkte 9' an die Ellipse ist leicht zu
zeichnen. Da nämlich die Tangente im Punkte 9 an den Kreis parallel
zur Linie 1.(3) verläuft, so muß das Bild dieser Tangente nach D_{4}
fliehen, also ist die Linie 9'.D_{4} diese Tangente.

Als Anwendung dieser Aufgabe geben wir in Fig. 81 das Bild eines
Rundbogens, der in einer lotrechten Tiefenebene gelegen ist; _S_ sei
die Spur dieser Tiefenebene. Von dem Rundbogen ist links oben die
Hälfte in der Umlegung in die Tafel gegeben. Zur Konstruktion soll
der Teildistanzpunkt D_{1}/2 verwendet werden. Tragen wir die Hälfte
der Strecke 1(_m_) auf der Horizontalen durch 1 nach rechts ab und
verbinden den Endpunkt mit D_{1}/2, so erhalten wir (Aufg. 4) auf der
Tiefenlinie 1.A das Bild _m'_; in entsprechender Weise ergeben sich
für die weiteren Punkte (3) ... die Bilder. Die Parallele durch (2)
schneidet _S_ in einem Punkte, der mit A verbunden die Berührungslinie
im Scheitel 2' des Bogens liefert, wobei 2' auf der Vertikalen durch
_m'_ gelegen ist. Der ganze Rundbogen ist dann in 7 gleiche Teile
geteilt und es sind die Bilder der Fugen eingetragen. Diese Fugen
laufen alle durch _m'_.

Schließlich sei noch erwähnt, daß das Bild eines Kreises nicht immer
eine Ellipse zu sein braucht, sondern auch eine sogenannte »+Hyperbel+«
oder eine »+Parabel+« sein kann, worauf wir aber nicht weiter eingehen
können.


§ 15. Einfache Schattenkonstruktionen.

=41. Schatten bei parallelem Lichte.= Die undurchsichtigen Körper
haben die Eigenschaft, daß sie das auf sie fallende Licht irgendeiner
Lichtquelle nicht durchgehen lassen, sondern es aufhalten oder
verschlucken (absorbieren), so daß sich hinter dem Körper ein
lichtleerer Raum, der +Schatten+, ausbildet. Indem wir den Unterschied
von Licht und Schatten auch im Bilde etwa durch Schraffierung der
beschatteten Teile einigermaßen wiedergeben, erreichen wir eine größere
Naturtreue.

[Illustration: Fig. 82.]

Was die Lichtquelle betrifft, so wollen wir uns vorstellen, die Sonne
ziehe sich zu einem Punkte zusammen, etwa auf ihren Mittelpunkt, und
stehe außerdem fest am Himmel. Die dann entstehende Beleuchtung können
wir durch folgende Bestimmung ersetzen. Wir geben uns eine Gerade _s_
beliebig im Raume (Fig. 82) und nehmen an, daß alle Lichtstrahlen zu
dieser Geraden s parallel sind. Der ganze Raum ist erfüllt von diesen
parallelen Lichtstrahlen. Wir nennen dies eine »Beleuchtung durch
parallele Lichtstrahlen«.

Es sei jetzt eine Stange _pq_ gegeben, die auf der Grundebene senkrecht
steht (Fig. 82). Wie können wir den Schatten ermitteln, den sie in die
Grundebene wirft? Alle auf die Gerade _pq_ treffenden Lichtstrahlen
werden aufgehalten und bilden fortgesetzt eben den Schatten der
Geraden _pq_. Wir haben demnach durch die Punkte der Geraden _pq_ die
parallelen zur Geraden _s_ zu zeichnen. Alle diese Parallelen liegen
aber, wie man leicht erkennt, in einer Ebene und diese Ebene schneidet
aus der Grundebene den Schatten der Geraden _pq_ aus, der also eine
Gerade ist. Offenbar geht dieser Schatten durch den Fußpunkt _q_ der
Stange. Das Ende des Schattens aber erhalten wir, wenn wir durch den
Endpunkt _p_ den Lichtstrahl legen. Trifft dieser in _p_{*}_ die
Grundebene, so ist _p_{*}_ der Schatten des Punktes _p_ und _qp_{*}_
wird der Schatten der Geraden _pq_. Im Gegensatz zu dem Schatten, den
die Gerade _pq_ unter Umständen auf andere Körper wirft, nennen wir
den Schatten _qp_{*}_ auf der Grundebene den »+Grundschatten+«. Eine
zweite, ebenfalls auf der Grundebene senkrechte Gerade _rt_ liefert
ganz in der gleichen Weise den Grundschatten _tr_{*}_ und man sieht
ohne Mühe ein, daß _tr_{*}_ ∥ _qp_{*}_. Allgemein kann man sagen:

  =Satz 26.= »+Parallele Gerade liefern parallele Grundschatten auf
    der Grundebene.+«

[Illustration: Fig. 83.]

Weiter handelt es sich nun darum, die Bilder dieser Schatten zu
zeichnen. Wir beachten zu diesem Zwecke, daß die Lichtstrahlen
parallele, schiefe Gerade sind, wie wir sie im § 9 betrachtet haben.
Diese parallelen Geraden haben also einen Fluchtpunkt, den wir
erhalten, wenn wir durch das Auge _O_ eine Parallele zur Geraden
_s_ ziehen und den Schnittpunkt ~S~ dieser Parallelen mit der Tafel
ermitteln. Hat der in _O_ befindliche Beschauer die (punktförmige)
Lichtquelle im Rücken, so befindet sich der Fluchtpunkt ~S~ +unterhalb+
des Horizonts. Fällen wir von ~S~ aus in der Bildebene eine Senkrechte
zum Horizont und nennen ~S~_{_h_} ihren Fußpunkt, so können wir die
Betrachtung von 27 ohne weiteres auch hier anwenden und sehen, daß
_OS_{h}_ ∥ _qp_{*}_ ∥ _tr_{*}_.

[Illustration: Fig. 84.]

Mit anderen Worten:

  =Satz 27.= »+Der Punkt ~S~_{_h_}, die Projektion des
    Fluchtpunktes ~S~ der parallelen Lichtstrahlen auf den
    Horizont, ist der Fluchtpunkt der Grundschatten.+«

Die Bilder der Grundschatten fliehen also alle nach ~S_{h}~ (Satz 23).
Damit erledigt sich nun leicht folgende

  =Aufgabe 25.= Eine auf der Grundebene senkrechte Gerade _pq_ ist
    im Bilde gegeben; man zeichne ihren Grundschatten, wenn das
    parallele Licht durch den Punkt ~S~ gegeben ist.

Durch die Annahme des Punktes ~S~ (Fig. 83) ist die Beleuchtung
vollständig gegeben, da damit die Richtung der Lichtstrahlen bestimmt
wird. Fällen wir von ~S~ ein Lot zum Horizont, so liefert dies den
Fluchtpunkt ~S_{h}~ der Grundschatten. Ist _p'q'_ das gegebene Bild
(wir nehmen an, es wäre bereits gefunden), so gibt die Verbindungslinie
von _q'_ nach ~S_{h}~ den Grundschatten. Der durch _p_ gehende
Lichtstrahl muß aber einerseits durch _p'_, andererseits durch den
Fluchtpunkt ~S~ gehen; demnach schneidet die Verbindungslinie von ~S~
nach _p'_ auf der Linie von _q'_ nach ~S_{h}~ den Endpunkt _q_{*}'_ des
Grundschattens aus. Es ist _q'p_{*}'_ das Bild des Grundschattens. Die
einfache Regel lautet also: _p_{*}'_ ist der Schnittpunkt der Linien
_q'_~S_{h}~ und _p'_~S~.

Damit ist aber auch die Aufgabe gelöst: den Schatten eines beliebigen
Punktes in der Grundebene zu zeichnen. Denn wir brauchen ja nur von
dem Punkte das Lot auf die Grundebene zu fällen und dessen Fußpunkt zu
ermitteln. Dann können wir nach der obigen Aufgabe den Schatten dieser
Senkrechten ermitteln. Wir wenden das an in folgender

  =Aufgabe 26.= Den Schatten zu zeichnen, den ein Obelisk in die
    Grundebene wirft.

Das Bild des Obelisken, der auf der Grundebene steht, ist nach dem
Früheren gezeichnet (Fig. 84). Um den Schatten in der Grundebene zu
ermitteln, geben wir uns den Punkt ~S~ und seine Projektion ~S_{h}~.
Zunächst zeichnen wir von der in der Tafel liegenden Kante 1.2 des
Sockels nach der oben abgeleiteten Regel den Schatten 1.2_{*}'; ebenso
finden wir den Schatten 4.3_{*}' der Kante 3.4. Die Verbindungslinie
2_{*}'.3_{*}' ist dann der Schatten der Kante 2.3 und sie flieht, wie
man leicht erkennt, nach ~A~. Nun sind die Schatten der 4 Kanten des
Obelisken zu zeichnen. Die durch 5 gehende Kante verlängern wir bis zu
ihrem Schnittpunkt 6 mit der Grundebene und erhalten in 6.5_{*}' ihren
Schatten. Ebenso wird 8.7_{*}' der Schatten der Kante 7.8. Die Schatten
der beiden anderen Kanten fallen, wie die Konstruktion zeigt, zwischen
diese beiden Schatten hinein, so daß also 6.5_{*}' und 8.7_{*}' den
Schatten in der Grundebene begrenzen. Zeichnen wir noch den Schatten
9_{*}' der Spitze 9, indem wir die Senkrechte 9.10 benutzen, so ist der
»Schlagschatten« des Obelisken in der Grundebene fertiggestellt, wenn
man 9_{*}' mit 5_{*}' und 7_{*}' verbindet.

Es bildet sich aber auch auf dem Körper ein Gegensatz von Licht und
Schatten aus, in dem gewisse Teile des Körpers in Schatten gesetzt
werden (Eigenschatten). Schneidet die Linie 6.5_{*}' die Kante 1.4
in 11, so geht die Begrenzung des Schattens auf dem Sockel senkrecht
in die Höhe nach 12. Auf der oberen Fläche des Sockels gibt dann die
Linie von 13 nach 12 die Grenze des Schattens und es kann zur Kontrolle
dienen, daß sie als ein Grundschatten nach ~S_{h}~ laufen muß. Ferner
befinden sich die durch die Kante 13.5 gehende Fläche des Obelisken und
die daran sich schließende durch 5.9 gehende Deckfläche im Schatten,
was durch Schraffierung angedeutet ist.

Endlich mag noch bemerkt werden, daß man den Punkt ~S~ auch oberhalb
des Horizonts annehmen kann. Dann hat der Beschauer die Lichtquelle vor
sich und die Schatten bilden sich im Bilde nach vorne aus.


§ 16. Künstlerische Freiheiten.

=42. Freiere Gestaltung des Bildes.= Am Schlusse unserer Betrachtungen
angelangt, wollen wir uns noch darüber klar werden, was die Lehre von
der Perspektive uns bietet, so daß wir uns von einer Überschätzung
dieser Wissenschaft in gleicher Weise fernhalten wie von einer
Unterschätzung. Die Aufgabe der Perspektive haben wir darin erkannt,
daß sie uns ein gesetzmäßig definiertes Bild eines Gegenstandes liefern
soll, das uns soweit als möglich den Gesichtseindruck ersetzt, den
wir von dem Gegenstand erhalten. Tatsächlich besteht nun aber das
Betrachten irgendeines Körpers darin, daß wir seine einzelnen Teile
der Reihe nach ins Auge fassen und unseren Blick von einer Stelle
zur anderen gleiten lassen. Was wir dabei zunächst beurteilen und
abschätzen, sind die Gesichtswinkel, welche die Blicklinien nach den
einzelnen Punkten des Körpers miteinander einschließen. Aus allen
diesen Beobachtungen und Eindrücken setzen wir dann das Bild des
Körpers im Auge zusammen.

Da nun aber Winkel durch Kreisbögen gemessen werden, so gelangen wir
naturgemäß dazu, um das Auge _{O}_ eine Kugel mit einem beliebigen
Radius zu beschreiben und die nach den einzelnen Punkten des Objektes
gehenden Blicklinien mit dieser Kugel zum Schnitt zu bringen. Das heißt
dann aber nichts anderes, als daß wir das Objekt aus dem Mittelpunkt
auf die Kugelfläche projizieren. Ein solches auf der Innenseite
einer Kugelfläche gelegenes Bild, das aus dem Mittelpunkt der Kugel
betrachtet wird, genügt allen Ansprüchen. Es kann für beliebig große
Teile des Raumes hergestellt werden: ein Panorama könnte z. B. in
dieser Weise eingerichtet sein. Die geraden Linien des Raumes gehen
in größte Kreise auf der Kugel über. In den allermeisten Fällen aber
verlangen wir aus Bequemlichkeitsgründen, daß die Abbildung des
Gegenstandes auf einer +ebenen+ Fläche erfolgt; wir wollen das Bild in
einem Buche, in einer Mappe oder an der Wand haben und deswegen ist
das auf einer Kugel gelegene Bild für gewöhnlich nicht zu gebrauchen.
Dann liegt es aber nahe, die Kugelfläche durch eine Ebene zu ersetzen
in der Weise, daß wir eine Ebene einführen, welche im Punkte _a_ der
Kugel auf dem Radius _oa_ senkrecht steht (Fig. 85). Man nennt diese
Ebene eine Berührungsebene oder Tangentialebene der Kugel. Statt auf
die Kugel projizieren wir nun die Gegenstände auf diese Ebene und sind
damit zu der Abbildung gelangt, wie sie die Perspektive liefert. In
der Nachbarschaft des Punktes _a_ schmiegt sich die Berührungsebene
der Kugel an und beide Abbildungen, die auf der Kugel und die auf der
Ebene, stimmen so ziemlich überein. Je größer aber der Ausschnitt
des Raumes wird, den wir abbilden, um so stärker weichen die beiden
Abbildungen voneinander ab.

[Illustration: Fig. 85.]

Es ist aber wohl zu beachten, daß die Blickrichtung bei Betrachtung
des ebenen Bildes immer mit _Oa_ zusammenfallen muß. Drehen wir
den Kopf seitwärts, so daß wir z. B. in der Richtung _Ob_ sehen,
so müssen wir uns die in _b_ berührende Ebene als Tafel eingeführt
denken. Man könnte nun auf den Gedanken kommen, die Bilder, wie sie
den Blickrichtungen _oa_, _ob_, _oc_ ... und den in diesen Punkten
konstruierten Berührungsebenen entsprechen, einfach zu einem Gesamtbild
zu vereinigen. Aber auch dieser Versuch würde auf große Schwierigkeiten
stoßen. Nehmen wir etwa an, es wäre eine Reihe gleichgroßer vertikaler
Pfeiler (I, II, III ...) wie in Fig. 36, 37 darzustellen. Dann wäre das
Bild des mittleren Pfeilers III am größten und nach beiden Seiten zu
würden die Bilder kleiner werden. Die Verbindungslinien der oberen und
der unteren Endpunkte wären keine Geraden mehr, sondern krumme Linien,
die obere würde sich nach unten, die untere nach oben krümmen. Wir
müßten also dann den Grundsatz opfern, daß gerade Linien sich wieder in
gerade Linien abbilden und damit würde die Herstellung solcher Bilder
ungemein erschwert.

Das schließt nun aber nicht aus, daß gewisse Einzelheiten in einem
perspektivischen Bilde, namentlich gegen den Rand zu, nicht so
gezeichnet werden dürfen, wie es mehr der direkten Blickrichtung
entspricht. Namentlich für menschliche Figuren ergeben sich unangenehm
wirkende Verzerrungen, indem die Köpfe und Körper zu breit werden und
zu allen Zeiten haben sich die Künstler dann einer freieren Darstellung
bedient. Eine Reihe gleichgroßer Säulen, die parallel zur Bildebene
angeordnet sind, werden im Bilde gleichgroß wiedergegeben, während die
äußeren breiter sein müßten, eine Kugel, die seitwärts im Bilde zu
sehen ist, wird durch einen Kreis wiedergegeben und nicht durch eine
Ellipse. In Raffaels Schule von Athen (Abb. 8, Seite 71) sind, um ein
Beispiel zu geben, rechts bei der Gruppe der Astronomen zwei Kugeln
dargestellt: die obere wird durch eine Ellipse, die untere wohl durch
einen Kreis wiedergegeben.

Diese und ähnliche Milderungen der perspektivischen Schablone kann
man ruhig dem Geschmack des Künstlers überlassen. Wenn er sich nur
über die Hauptgesetze der Linienführung im klaren ist, wird er auch
die eine oder andere Abweichung als zweckdienlich erkennen. Denn die
perspektivische Zeichnung ist nicht Selbstzweck, sondern nur ein Mittel
zum Zweck. Es wird aber auch hier das Wort gelten:

        Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.



Literaturverzeichnis.


  +Schlotke, J.+, Lehrbuch der darstellenden Geometrie. III. Teil.
    Perspektive. 2. Aufl. Dresden 1902. Mathematisch durchgeführter
    Lehrgang, in elementarer Weise gut und anschaulich begründet.

  +Kleiber, M.+, Angewandte Perspektive. 5. Aufl. Webers
    illustrierte Katechismen. Nr. 137. Leipzig 1912. Gute,
    praktische und durch viele Beispiele erläuterte Darstellung.

  +Hauck, G.+, Malerische Perspektive und Schattenkonstruktionen.
    Berlin 1910.

  +Niemann, G.+, Handbuch der Linear-Perspektive für bildende
    Künstler. 2. Aufl. Stuttgart 1902.

  +Meisel, F.+, Lehrbuch der Perspektive. Leipzig 1908.

  +Dalwigk, v. F.+, Vorlesungen über darstellende Geometrie. 2. Bd.
    Perspektive. Leipzig u. Berlin 1914.

  +Rohn+ u. +Papperitz+, Lehrbuch der darstellenden Geometrie. 3
    Bände. Die Perspektive enthält der 2. Bd. Leipzig 1906.



Sachregister.

(Die beigefügten Zahlen geben die betreffende Seite des Buches an.)


    Achse, optische eines Objektives 64

    Ähnliche Figuren 45, 78

    Ähnlichkeitspunkt 78

    Apparat, photographischer 64

    Aufriß 10

    Aufsicht 50

    Auge 4, 16

    Augpunkt 16

    Augenhöhe 25


    Beleuchtung durch paralleles Licht 96

    Bildebene 4

    Bild, perspektivisches 3 ff.

    --, photographisches 64, 74

    -- eines Punktes 4

    Breitenmaßstab 50

    Brennweite eines Objektives 65


    Deckenriß 90

    Diagonale eines Quadrates 26

    Diagonalpunkt 57

    Distanz 16

    Distanzpunkt 25


    Eigenschatten 99

    Einstellung auf Unendlich 65

    Ellipse als Bild eines Kreises 93, 95


    Fallende Linien im Bilde 40

    -- -- im Raum 59, 60

    Flucht, Fluchtpunkt einer Geraden 20

    Fluchtpunkt-Lineal 86

    Freiheiten, künstlerische 99


    Gerade Ansicht 58

    Gerader Riß 7

    Gesichtswinkel 46

    Gesamteindruck 69

    Grundebene 24

    Grundlinie 24

    Grundriß 10

    Grundschatten 97


    Hauptpunkt 16

    Höhenmaßstab 43, 44, 50

    Horizont 18

    Horizontale Gerade 39

    Horizontebene 16, 18

    Horizontalprojektion 10

    Hyperbel als Bild eines Kreises 95


    Innenraum 50, 73

    Interieur 50, 73


    Kante 11

    Kellergrundriß 90

    Kreis in der Grundebene 92

    -- in einer Horizontalebene 92

    -- -- -- zur Tafel parallelen Ebene 90

    -- -- -- Tiefenebene 93


    Linearperspektive 5

    Linienperspektive 5


    Mittelpunkt eines Objektives 64

    -- einer Ellipse 93, 95


    Orthogonaler Riß 7

    Optische Achse eines Objektives 64


    Parabel als Bild eines Kreises 95

    Parallelprojektion 13

    Perspektive 5

    Perspektograph 19

    Perspektivisches Bild 3 ff.

    Projektion 7

    Projektionsstrahlen 4

    Projektionszentrum 16

    Projizierende Strahlen 4


    Reduktion 52

    Riß, gerader, rechtwinkliger 7

    --, zentraler 4


    Satz vom Fluchtpunkt 22

    Schiefe Gerade im Raum 59

    Schlagschatten 99

    Schnittmethode 13

    Schrägbilder 13

    Schräge Ansicht 58

    Sehstrahlen 4

    Seitenansicht 51

    Spur einer Geraden 20

    Steigende Linien im Bilde 40

    -- -- -- Raum 59, 60

    Stürzende Linien 66


    Tafel 4

    Tiefenebene 41

    Tiefenlinie 25

    Tiefenmaßstab 33, 50


    Übereckstellung 58

    Umgelegtes Auge 34, 37

    Umlegung des Auges 34

    -- der Grundebene 37

    -- -- Horizontebene 35, 37

    Untersicht 51

    Unzugänglicher Distanzpunkt 75

    -- Fluchtpunkt 77 ff.


    Verjüngung 52

    Verschiebung der Grundebene 27

    Verschwindungspunkt einer Geraden 20

    Vertikalprojektion 10

    Vogelperspektive 68


    Weitwinkel 74


    Zentralprojektion 4

    Zusammenlegen der Tafeln 11



Geschichte der bildenden Künste

Eine Einführung von ~Dr.~ +Ernst Cohn-Wiener+. Geb. ca. M. 4.--

Das Buch will kein historisch geordnetes Nachschlagebuch sein,
sondern möglichst viel vom Wesen der Kunst und des Kunstwerkes
geben. Es sucht neben dem bloßen Wissen die Freude am Kunstwerk zu
vermitteln, erkennen zu lassen, daß hinter dem Werk der Künstler als
schöpferische Persönlichkeit steht. Seine Aufgabe, der Selbstbelehrung
und als Lehrbuch zu dienen, sucht es nicht zu lösen, indem es durch
oberflächliche Behandlung eines verwirrenden Vielerei »mitzureden«
befähigt, sondern durch eingehende, Bildhaftigkeit und Anschaulichkeit
anstrebende Besprechung der behandelten Kunstwerke sucht es dem Leser
den inneren Gehalt der Kunstepochen so vor Augen zu stellen, daß
er auch die Werke, die das Büchlein selbst nicht erwähnen kann, zu
verstehen vermag. Eine reiche Zahl von Abbildungen -- darunter auch
farbige -- dient der Anschaulichkeit. Die neueste Zeit ist besonders
eingehend behandelt worden, weil hier das Bedürfnis am unmittelbarsten
ist.


Elementargesetze der bildenden Kunst

Grundlagen einer praktischen Ästhetik von Prof. ~Dr.~ +Hans Cornelius+.
2. Auflage. Mit 245 Abb. und 13 Tafeln. Geh. M. 7.--, geb. M. 8.--

»Es gibt kein Buch, in dem die elementarsten Gesetze künstlerischer
Raumgestaltung so klar und anschaulich dargelegt, so überzeugend
abgeleitet wären. Wir haben hier zum ersten Male eine zusammenfassende,
an zahlreichen einfachen Beispielen erläuterte Darstellung der
wesentlichsten Bedingungen, von denen namentlich die plastische
Gestaltung in Architektur, Plastik und Kunstgewerbe abhängt.«

            (+Zeitschrift für Ästhetik+.)


Die bildenden Künste

Ihre Eigenart und ihr Zusammenhang. Vorlesung von Professor ~Dr.~ +Karl
Doehlemann+. Geheftet M. --.80

»Eine tiefgründige Besprechung der bildenden Künste -- Malerei, Plastik
und Architektur umfassend -- in durchweg anregender Form. Die Fachwelt
wie die gebildeten Stände werden die Schrift mit hoher Befriedigung
aufnehmen.«

            (+Wiener Bauindustrie-Ztg.+)


Unser Verhältnis zu den bildenden Künsten

Von Prof. ~Dr.~ +August Schmarsow+. Geh. M. 2.--, geb. M. 2.60

»Diese Vorträge bilden den wertvollsten Beitrag zur Literatur über die
Kunsterziehungsfrage. Schmarsow entwickelt seine Anschauung über das
Verhältnis der Künste zueinander, um zu zeigen, wie jede einzelne einer
besonderen Seite der menschlichen Organisation entspreche, wie darum
auch alle Künste eng miteinander verknüpft sind, da alle von einem
Organismus ausstrahlen.«

            (+Deutsche Literaturzeitung+.)


Psychologie der Kunst

Darstellung ihrer Grundzüge. Von ~Dr.~ +R. Müller-Freienfels+. 2 Bde.
I: Die Psychologie d. Kunstgenießens u. d. Kunstschaffens. II: Die
Formen d. Kunstwerks u. d. Psychol. d. Bewertung. Je M. 4.40, in 1 Bd.
M. 10.--

»Was diesem Werke Beachtung und Anerkennung erworben hat, ist zum
Teil der Umstand, daß es zu den sehr seltenen wissenschaftlichen
deutschen Büchern gehört, die auch einen ästhetischen Wert besitzen,
aus denen eine Persönlichkeit spricht, die über eine gute Beherrschung
des gesamten psychologischen und ästhetischen Stoffes und über eine
ungewöhnliche Gabe der Synthese verfügt.«

            (+Zeitschrift für Ästhetik+.)


Die Natur in der Kunst

Stud. eines Naturforschers z. Geschichte d. Malerei. Von Prof. ~Dr.~
+F. Rosen+. M. 120 Abb. nach Zeichn. von +E. Süß+ u. Photographien d.
Verf. Geb. M. 12.--

»... Botanik und Kunstgeschichte -- zwei Disziplinen, die einander
fremd gegenüberzustehen scheinen! Und doch, wieviel neuen Stoff ergibt
dieses doppelte Studium. Mit wachsendem Interesse folgen wir dem Führer
und wandeln mit ihm von Stufe zu Stufe empor. Zum Genuß des anregenden
Buches tragen auch die vielen Abbildungen bei.«

            (+Kunstchronik+.)


Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin


  +Mathematik und Malerei.+ Von Oberlehrer ~Dr.~ G. Wolff. Mit 25
    Abb. und 19 Fig. im Text. Kart. ca. M. 1.60

Die nahen historischen Beziehungen zwischen Malerei und mathematischer
Perspektive werden dazu benutzt, um aus formaler Darstellung eines
Bildes dessen künstlerischen Wert zu beurteilen. Der 1. Teil entwickelt
im engsten Anschluß an die Malerei die Grundlagen der malerischen
Perspektive. Der 2. Teil analysiert mit den so gewonnenen Mitteln
einzelne perspektivisch besonders lehrreiche Bilder.


  +Die altdeutschen Maler in Süddeutschland.+ Von Helene Nemitz.
    Mit Bilderanhang Geh. M. 1.--, geb. M. 1.25

Das Bändchen sucht das Verständnis für die Eigenart und Größe der
altdeutschen Malerei des 15. Jahrhunderts und so den Sinn für die in
ihren Werken sich offenbarende echt deutsche Schönheit zu wecken. Es
zeigt, wie das kraftvolle, tiefinnerliche Gefühlsleben jener Zeit kaum
irgendwo eine künstlerisch reinere Ausprägung und Verklärung gefunden
hat als in den Bildern der Meister Süddeutschlands.


  +Albrecht Dürer.+ V. ~Dr.~ R. Wustmann. M. Titelbild u. 32 Abb.
    Geh. M. 1.--, geb. M. 1.25

Eine schlichte und knappe Erzählung des gewaltigen menschlichen und
künstlerischen Entwicklungsganges Dürers und eine Darstellung seiner
Kunst, in der nacheinander Selbst- und Angehörigenbildnisse, die
Zeichnungen zur Apokalypse, die Darstellungen von Mann und Weib, das
Marienleben, die Stiftungsgemälde, die Radierungen v. Rittertum, Trauer
und Heiligkeit sowie die wichtigsten Werke aus der Zeit der Reife
behandelt werden.


  +Niederländische Malerei im 17. Jahrhundert.+ Von ~Dr.~ H.
    Jantzen. Mit 37 Abb. Geh. M. 1.--, in Lw. geb. M. 1.25

Gibt eine Einführung in das Verständnis dieser Blütezeit der Malerei,
indem es die zahlreichen, dort in immer neuen Stoffgebieten:
Historienmalerei, Porträt, Gruppenbild, Sittenbild, Interieur,
Landschaft, Seestück, Kirchenstück, Stilleben auftauchenden malerischen
Probleme sowie ihre gesetzmäßigen Zusammenhänge darlegt und die
einzelnen hervortretenden Künstlerpersönlichkeiten und -gruppen kurz
und treffend charakterisiert.


  +Rembrandt.+ V. Prof. ~Dr.~ P. Schubring. Mit 1 Titelb. u. 219
    Abb. Geh. M. 1.--, geb. M. 1.25

Eine lebensvolle Schilderung des menschlichen u. künstl.
Entwicklungsganges R's. Zur Darstellung gelangen seine persönl.
Schicksale bis 1642, die Frühzeit, die Zeit bis zu Saskias Tode, die
Nachtwache, sein Verhältnis zur Bibel, die Radierungen, Urkundliches
über die Zeit nach 1642, die Periode des farbigen Helldunkels, die
Gemälde nach der Nachtwache und die Spätzeit. Beigefügt sind die beiden
ältesten Biographien Rembrandts.


  +Die deutsche Malerei im 19. Jahrhundert.+ Von Prof. ~Dr.~ R.
    Hamann. 1 Bd. Text, 1 Bd. Abb. Geh. je M. 2.--, in Lw. geb. je
    M. 2.50, in Halbperg. geb. M. 6.--

»H. hat eine ausgezeichnete Darstellung des Entwicklungsganges der
Malerei im letzten Jahrhundert gegeben. Meines Wissens gibt es in
der ganzen modernen Kunstgeschichtschreibung keine annähernd so
vortreffliche Darstellung des Wesens der Malerei seit 1860 bis zum
Einbruch des Naturalismus, als sie H. im 6. Kap. seines Werkes gibt. Es
ist ein Genuß, sich der meisterhaften Behandlung dieser Epoche ruhig
hinzugeben.«

            (+Preuß. Jahrb.+)


  +Der Impressionismus.+ V. Prof. B. Lazar. Mit 1 farb. Tafel u. 32
    Abb. auf Tafeln. Geh. M. 1.--, geb. M. 1.25

Betrachtet Werden und Wesen des Impressionismus bis in die jüngste
Zeit, mit besonderer Betonung der geschichtlichen Entwicklung u. mit
Charakterisierung aller großen impressionistischen Maler der Neuzeit.


  +Die künstlerische Photographie.+ Entwicklung, Probleme,
    Bedeutung. V. ~Dr.~ W. Warstat. M. Bilderanh. Geh. M. 1.--,
    geb. M. 1.25


  +Deutsche Kunsterziehung.+ Im Auftrage des Deutschen
    Landesausschusses für den III. Internat. Kongreß zur
    Förderung des Zeichen- und Kunstunterrichts veröffentl. Mit
    Schülerzeichn. aus Preußen, Bayern, Sachsen u. Hamburg auf 16
    Taf. Ausstattung des Buches v. Prof. P. Behrens. Geh. M. 2.--

+Inhalt+: +L. Pallat+: Zeichenunterricht. +G. Kerschensteiner+: Die
Entwicklg. d. zeichner. Begabung. +P. Jessen+: Handarbeit u. Kunst.
+G. Pauli+: Das deutsche Bilderbuch. +P. Hermann+: Das Wandbild in der
Schule. +C. Götze+: Junge Kräfte. +A. Lichtwark+: Die Entwicklung der
deutschen Kunstmuseen.


  +Die Erziehung d. Anschauung.+ Von Prof. H. E. Timerding. Mit 164
    Fig. Geh. M. 4.80, in Leinw. geb. M. 5.60


  +Wandtafel und Kreide+ im Elementarunterricht. Gedächtniszeichn.
    m. erläut. Text von Lehrer Othmer. 25 bunte Taf. mit
    Erläuterungsheft. In Mappe M. 6.50


  +Die Technik des Tafelzeichnens.+ Von ~Dr.~ Ernst Weber. 3.
    Aufl. 40 teils farb. in Kreidetechnik gezeichn. Taf. nebst 1
    Erläuterungsheft m. 6 Illustr. In Mappe M. 6.--


  +Das darstellende u. schmückende Zeichnen in der Volksschule+ auf
    der Grundlage der Arbeitsidee. Eine Lehrplanskizze von Lehrer
    P. Wendler. Mit 9 Taf. (1 farb.) und 4 Abbildungen. Geh. M. 2.--


  +Technisches Zeichnen.+ Von Prof. Horstmann, Regierungs- u.
    Gewerbeschulrat Geh. M. 1.--, geb. M. 1.25


  +Lebendiges Papier.+ Erfindgn. u. Entdeckung. ein. Knaben. Der
    eig. Jugenderinner. nacherz. v. ~Dr.~ E. Weber. Mit 24 Taf. M.
    2.50


  +Bau und Leben der bildenden Kunst.+ Von ~Dr.~ Theodor Volbehr.
    Mit 44 Abb. Geh. M. 1.--, in Leinw. geb. M. 1.25

»Im Gegensatz zu den Kompendien und Leitfaden alten Stils, die,
die ›Stile‹ nach ihren äußeren Merkmalen klassifizieren, sucht der
Verfasser von einem neuen Standpunkte aus in das Verständnis des Wesens
der bildenden Kunst hineinzuführen. In durchaus allgemeinverständlicher
Darstellung führt uns das Buch in das Verständnis der
Künstlerpersönlichkeit als des für die Kunst entscheidenden Faktors
ein. Die Entwicklung eigener Ansichten verleiht dem feinsinnigen Buche
hohen Reiz, so daß es auch der Künstler u. der Kunstgelehrte nicht ohne
Anteilnahme lesen wird.«

            (+Zeitschrift f. d. gewerbl. Unterricht.+)


  +Die Entwicklungsgeschichte der Stile in der bildenden Kunst.+
    Von ~Dr.~ Ernst Cohn-Wiener Bd. I: Vom Altertum bis zur Gotik.
    Mit 57 Abb. Bd. II: Von der Renaissance bis zur Gegenwart. Mit
    31 Abb. Geh. je M. 1.--, in Lw. geb. je M. 1.25

»... Ein feinsinniges, in hohem Grade anregendes Werk von ersichtlich
starker Selbständigkeit seines geistigen Gehaltes. Wir empfehlen Cohns
Darlegungen mit ihrem klaren, angenehmen Fluß d. Darstellung der
nachdenklichen Kenntnisnahme.«

            (+St. Galler Bl.+)


  +Zur Architektur u. Plastik des früheren Mittelalters.+
    Untersuchungen v. ~Dr.~ G. Weise. M. Abb. [U. d. Pr.]

Die hier vereinigten Einzeluntersuchungen wollen als Vorarbeiten zu
einer umfassenden Geschichte der Architektur und Plastik des früheren
Mittelalters neue Ergebnisse für die wichtigste Voraussetzung zur
Erkenntnis ihres Entwicklungsganges durch eine möglichst genaue
Datierung der erhaltenen Werke gewinnen und so für die karolingische
und merowingische Zeit eine Vermehrung dieses Materials liefern. In
drei Aufsätzen sind die Ergebnisse der von dem Verfasser in jüngster
Zeit an verschiedenen karolingischen Denkmälern durchgeführten
Grabungen niedergelegt. Eine Reihe kleinerer Aufsätze bringen den
Versuch, das heute der Forschung zugängliche Material an karolingischen
Denkmälern durch Rekonstruktion einzelner verschwundener Bauten auf
Grund der Quellennachrichten zu bereichern.


  +Michelangelo.+ Eine Einführung in das Verständnis seiner Werke.
    Von Prof. Ed. Hildebrand. Mit 1 Titelbild u. 43 Abb. i. Text.
    Geh. M. 1.--, geb. M. 1.25

»Dies Buch dürfte zu den besten populären Werken über M. gehören.
In überzeugenden, klaren Worten behandelt der Verfasser das
übermenschliche Werk dieses großen Meisters, sein Leben und sein
Wirken. Bücher wie diese sind dazu geschaffen, tieferes Interesse
an der Kunst zu erzeugen, zur Veredelung d. Masse im besten Sinne
beizutragen.«

            (+Der Architekt.+)


  +Deutsche Baukunst+. Von Geh. Reg.-Rat Prof. ~Dr.~ Ad. Matthaei.
    3 Bände. Bd I: Deutsche Baukunst im Mittelalter. 3. Aufl. Mit
    29 Abb. Bd. II: Deutsche Baukunst seit dem Mittelalter bis zum
    Ausgang des 18. Jahrhunderts. Mit 62 Abb. und 3 Tafeln. Bd.
    III: Deutsche Baukunst im 19. Jahrhundert und in der Gegenwart.
    Mit 35 Abb. Geh. je M. 1.--, geb. je M. 1.25, in 1 Bd. geb. M.
    3.75

»... In bündiger, überaus verständlicher Sprache entrollt der Verfasser
die Entwicklungsgeschichte der deutschen Baukunst. Das Buch ist so
recht geeignet, das zu erfüllen, was der Verfasser am Schlusse des
Buches als Zweck desselben ausspricht: ›Den Laien Klarheit schaffen
über die Fragen der Baukunst und die Künstler auf jene Zeit hinweisen,
in der die Baukunst der Ausdruck deutschen Wesens war, und in denen
noch manche entwicklungsfähigen Keime ruhen dürften‹.«

            (+Kunst und Handwerk.+)


  +Die Entwicklungsphasen der neueren Baukunst.+ Von ~Dr.~ Paul
    Frankl. Mit 50 Abb. im Text u. 24 Abb. auf Tafeln. Geh. M.
    6.--, geb. M. 7.50

+Inhalt+: Problem u. Methode. Die Entwicklungsphasen der Raumform
-- der Körperform -- der Bildform -- der Zweckgesinnung. Das
Unterscheidende und das Gemeinsame der vier Phasen.

Das Problem, die Architekturstile seit der Renaissance streng zu
definieren, wird hier von neuem aufgenommen. Die Methode ist die, daß
die vier Elemente der Architektur, Raumform, Körperform, Bildform und
Zweckgesinnung, für sich untersucht werden und die Stilmerkmale, die
für jede der Stilphasen, Renaissance, Barock, Rokoko und Klassizismus,
als die entscheidenden gelten sollen, auf die allgemeinste Formulierung
gebracht werden. Der gemeinsame Grundzug der ganzen Periode ist
die Beziehung zur Antike zunächst und daraus folgend zu einem die
Kunst verwissenschaftlichenden Begriff von Richtigkeit, der zuletzt
sich ausweitet zu einem Nebeneinander und Nacheinander anerkannter
Stilrichtigkeiten im 19. Jahrhundert.


  +Die Begründung der modernen Ästhetik und Kunstwissenschaft durch
    Leon Battista Alberti.+ Eine kritische Darstellung als Beitrag
    zur Grundlegung der Kunstwissenschaft. Von ~Dr.~ W. Flemming.
    [Unter der Presse.]

Muß Galilei der Begründer der modernen Naturwissenschaft genannt
werden, so darf sein etwas älterer Zeitgenosse L. B. Alberti der
Vater der modernen Kunstwissenschaft heißen. Bedeutungsvoller noch
als seine Einzelergebnisse ist seine Methode. Diese herauszuarbeiten,
ihre Fruchtbarkeit zu erweisen und also den Weg des Florentiners
weiterzuschreiten, ist das Ziel dieser Darstellung.


  +Planimetrie zum Selbstunterricht.+ Von Prof. P. Crantz. Mit 99
    Fig. Geh. M. 1.--, geb. M. 1.25

Macht, ohne auf wissenschaftliche Strenge zu verzichten, in einfacher
und allgemein verständlicher Darstellung, die durch historische
Bemerkungen belebt wird, mit den Grundlehren der ebenen Geometrie
vertraut, wobei besonders der Zusammenhang der einzelnen Sätze und ihr
Nutzen durch Angabe praktischer Anwendungen hervorgehoben wird und
reichliche Übungsaufgaben nebst Lösungen beigegeben sind.


  +Arithmetik und Algebra zum Selbstunterricht.+ V. Prof. P.
    Crantz. 2 Bde. I. Teil: Die Rechnungsarten. Gleichungen
    ersten Grades mit einer u. mehreren Unbekannten. Gleichungen
    zweiten Grades. Mit 9 Fig. 3. Aufl. II. Teil: Gleichungen.
    Arithmetische u. geometrische Reihen. Zinseszins- u.
    Rentenrechnung. Komplexe Zahlen. Binomischer Lehrsatz. Mit 21
    Fig. 2. Aufl. Jeder Bd. geh. M. 1.--, geb. M. 1.25

... Will in leicht faßlicher u. für das Selbststudium geeigneter
Darstellg. über d. Anfangsgründe der Arithmetik u. Algebra unterrichten.


  +Ebene Trigonometrie z. Selbstunterricht.+ Von Prof. P. Crantz.
    Mit 50 Fig. Geh. M. 1.--, geb. M. 1.25

Will wie die andern in der Sammlung »Aus Natur und Geisteswelt«
erschienenen Bändchen über Arithmetik und Algebra und die Planimetrie
in leicht verständlicher Weise mit den Grundlehren der Trigonometrie
bekannt machen. +Vollständig gelöste Aufgaben und praktische
Anwendungen+ sind zur Erläuterung eingefügt.


  +Analytische Geometrie zum Selbstunterricht.+ V. Prof. P. Crantz.
    Mit 55 Fig. Geh. M. 1.--, geb. M. 1.25

Die für den Selbstunterricht bestimmte leicht verständliche Darstellung
führt namentlich durch Beigabe zahlreicher ausführlich gelöster
Aufgaben rasch zu völliger Beherrschung des Stoffes.


  +Einführung in die projektive Geometrie.+ Von Prof. ~Dr.~ M.
    Zacharias. Mit 18 Fig. Kart. M. --.80

»Der Leser bekommt ein klares Bild von der Entstehung der projektiven
Geometrie, er kann verfolgen, wie sie sich allmählich zur ›Geometrie
der Lage‹ entwickelt hat. Mühelos lernt er eine Reihe der wichtigsten
Lehrsätze in diesem Gebiete kennen und sieht, welche Aufgaben mit
Hilfe dieser Sätze gelöst werden können. Gute, in den Text eingereihte
Figuren unterstützen im hohen Maße das Verständnis der theoretischen
Ausführungen. Wir können die Schrift bestens empfehlen.«

            (+Wochenschr. f. d. öffentl. Baudienst.+)


  +Konstruktionen in begrenzter Ebene.+ Von Direktor P. Zühlke. Mit
    65 Fig. Kart. M. --.80

»Selbst erfahrene Fachmänner auf diesem Gebiete werden gewiß Neues
finden, so die Hinweise auf die ältesten, bei den Aufgaben in Frage
kommenden Fachschriften und einige Konstruktionen, die überhaupt
noch nicht veröffentlicht worden sind ... Druck und Ausstattung sind
tadellos. Es kann Interessenten wärmstens empfohlen werden.«

            (+Österr. Zeitschr. f. Vermessungswes.+)


  +Schattenkonstruktionen+ für den Gebrauch an Baugewerkschulen,
    Gewerbeschulen u. ähnl. Lehranstalten sowie zum Selbstunter.
    von Baugewerkschullehrer J. Hempel. Mit 51 Fig. u. 20 Tafeln
    praktischer Beispiele in Lichtdruck. In Leinw. geb. M. 5.--

Von d. Voraussetzung ausgehend, daß allein ein klares Erfassen des
Raumvorgangs den prakt. Zeichner zum sicheren Konstruieren befähigen
kann, gibt der Verfasser nach einem einleitenden Text mit zahlr.
Übungsbeispielen kurze Erläuterungen d. angewandten Lösungsverfahren.
-- Den parallelprojektiven Schattenkonstruktionen ist noch eine
kleinere Gruppe perspektivischer Schattenkonstruktionen angefügt.


  +Das Licht u. die Farben.+ 6 Vorles., geh. im
    Volkshochschulverein München. Von Prof. ~Dr.~ L. Graetz. 3.
    Aufl. Mit 117 Abb. Geh. M. 1.--, in Leinwand geb. M. 1.25

Führt, von den einfachsten optischen Erscheinungen ausgehend, zur
tieferen Einsicht in die Natur des Lichtes u. der Farben, behandelt,
ausgehend v. der scheinbar geradlinigen Ausbreitung, Zurückwerfung und
Brechung des Lichtes, das Wesen der Farben, die Beugungserscheinungen
und die Photographie.


  +Die optischen Instrumente.+ Von ~Dr.~ M. von Rohr. 2., verm. u.
    verb. Aufl. Mit 88 Abb. Geh. M. 1.--, geb. M. 1.25

»Wer die Schwierigkeiten u. den Umfang der Abbeschen Theorie der
optischen Instrumente kennt, wird der vortrefflichen allgemein
verständlichen Darstellung seine Anerkennung nicht versagen können.
Jedem, der sich über den jetzigen Stand oder irgendeine Frage der
Optotechnik rasch belehren will, kann das Buch wärmstens empfohlen
werden.«

            (+Streffleurs militär. Zeitschrift.+)


  +Das Stereoskop und seine Anwendungen.+ Von Prof. Th. Hartwig.
    Mit 40 Abb. im Text u. 19 stereoskop. Taf. Geh. M. 1.--, geb.
    M. 1.25

Behandelt die verschiedenen Erscheinungen u. praktischen
Anwendungen der Stereoskopie, insbesondere die stereoskopischen
Himmelsphotographien, die stereoskopische Darstellung mikroskopischer
Objekte, das Stereoskop als Meßinstrument und Bedeutung und Anwendung
des Stereokomparators, insbesondere in bezug auf photogrammetrische
Messungen.


Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin



    Weitere Anmerkungen zur Transkription


    Der Katalog »Aus Natur und Geisteswelt« wurde entfernt, er
    steht auf LibraryBlog als Projekt 53614 zur Verfügung.

    Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.

    Korrekturen:

    S. 36: D_{1} → D_{2}
      ~AD_{3}~ = ~AD_{1}~ = ~A{D_{2}}~

    S. 99: o → O
      um das Auge _{O}_ eine Kugel





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Grundzüge der Perspektive nebst Anwendungen" ***

Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.



Home