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Title: Deutsche Humoristen, 8. Band (von 8)
Author: Fock, Gorch, Presber, Rudolf, Schäfer, Wilhelm, Bierbaum, Otto Julius, Schönherr, Karl, Thoma, Ludwig
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Deutsche Humoristen, 8. Band (von 8)" ***


  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

    Der vorliegende Text wurde anhand der 1917 erstmalig erschienenen
    Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben.
    Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
    Ungewöhnliche und altertümliche Schreibweisen bleiben gegenüber
    dem Original unverändert; mundartliche Passagen können in ihrer
    Schreibweise stark variieren, daher wurden diese entsprechend aus
    dem Original ohne Korrektur übernommen.

    Einige Fußnotennummern fehlen im Text; diese wurden singemäß
    ergänzt.

    Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt; hiervon abweichende
    und besondere Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung
    mit den nachfolgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:

      fett:           =Gleichheitszeichen=
      unterstrichen:  _Unterstriche_
      gesperrt:       +Pluszeichen+
      Antiqua:        ~Tilden~

  ####################################################################



                             Hausbücherei
                                  60


                           Hiervon erschien
                                  das
                          1.-20. Tausend 1917

                            [Illustration]

    Für diese während des großen Krieges hergestellte Auflage mußte
                  holzhaltiges Papier benutzt werden.



                             Hausbücherei

                        der Deutschen Dichter-

                          Gedächtnis-Stiftung


                               60. Band


                            [Illustration]

                          Hamburg-Großborstel
           Verlag der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung



                          Deutsche Humoristen

                                8. Band

              Otto Julius Bierbaum        Gorch Fock
              Rudolf Presber              Wilhelm Schäfer
              Karl Schönherr              Ludwig Thoma


                     Herausgegeben und eingeleitet
                    von Professor +Dr.+ +Max Goos+

                  Mit 26 Bildern von Theodor Herrmann

                            [Illustration]

                          Hamburg-Großborstel
           Verlag der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung



Inhaltsverzeichnis

zu den übrigen Bänden der „Deutschen Humoristen“

Preis jedes dauerhaft gebundenen Bandes 1.20 Mark.


    Band 1: +Friedr. Theodor Vischer+: Humorist. Gedicht. +Peter
    Rosegger+: Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen saß. Wie wir
    die Gürtelsprenge haben gehalten. +Wilhelm Raabe+: Der Marsch
    nach Hause. +Fritz Reuter+: Woans ick tau ’ne Fru kamm. +Albert
    Roderich+: Nemesis. 71.-90. Tausend.

    Band 2: +Clemens Brentano+: Die mehreren Wehmüller oder ungarische
    Nationalgesichter. +E. Th. A. Hoffmann+: Die Königsbraut. +Heinrich
    Zschokke+: Die Nacht in Brczwezmcisl. 46.-55. Tausend.

    Band 3: +Hans Hoffmann+: Eistrug. +Otto Ernst+: Die Gemeinschaft
    der Brüder vom geruhigen Leben. +Max Eyth+: Der blinde Passagier.
    +Helene Böhlau+: Die Ratsmädel gehen einem Spuk zu Leibe. 56-70.
    Tausend.

    Band 4/5 (Doppelband): +Humoristische Gedichte+. Eine hervorragende
    Sammlung der schönsten heiteren Gedichte bis auf die neueste Zeit.
    352 Seiten. 21.-30. Tausend.

    Band 6: +E. Th. A. Hoffmann+: Aus „Klein Zaches genannt Zinnober“.
    +Bettina von Arnim+: Die Reise nach Darmstadt. +Fr. Th. Vischer+:
    Die Tücke des Objekts. +Ad. Bayersdorfer+: Die militärpflichtige
    Tante. +Henry F. Urban+: Der Eishund. +Ludwig Thoma+: Besserung.
    31.-50. Tausend.

    Band 7: +Ottomar Enking+: Das Kriegerfest in Wettorp. +Rud.
    Greinz+: Das Hennendiandl. +Sophus Bonde+: Jochen Appelbaums
    Galion. +Wilh. Schussen+: Pilgrime. +Ludwig Thoma+: Unser
    guater alter Herzog Karl is a Rindviech. +Wilhelm Fischer+: Die
    Rebenbäckerin. +Anna Croissant-Rust+: Der Herr Buchhalter. 11.-20.
    Tausend.



Inhaltsverzeichnis


                                                                   Seite

    +Bierbaum, Otto Julius+: Der mutige Revierförster               7-26

    +Fock, Gorch+: Schalotte                                       27-54

    +Presber, Rudolf+: Die 74. Nacht                               55-79

    +Schäfer, Wilhelm+: Béarnaise                                  81-97

    +Schönherr, Karl+: Die erste Beicht’                          99-115

    +Thoma, Ludwig+: Kabale und Liebe                            117-137



Vorbemerkungen zum 8. Bande.


Für die Abdruckserlaubnis der Erzählungen dieses Bandes schulden wir
den hier genannten Verlagsbuchhandlungen und nicht weniger den Herren
Verfassern oder ihren Erben Dank. Die Erzählungen sind entnommen:

1. Otto Julius Bierbaum’s „Der mutige Revierförster“ seinem Buche
„Sonderbare Geschichten“ (München, Verlag von Georg Müller).

2. Gorch Fock’s „Schalotte“ dem Bande „Hamborger Janmooten, een lustig
Book“ (Hamburg, M. Glogau jr., Verlag).

3. Rudolf Presber’s „Die 74. Nacht“ seinem Buche „Von Torheit und
Freude“ (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt).

4. Wilhelm Schäfer’s „Die Béarnaise“ seinen „33 Anekdoten“ (Georg
Müller, Verlag in München).

5. Karl Schönherr’s „Die erste Beicht’“ seinem Bande „Aus meinem
Merkbuch“ (Leipzig, L. Staackmann, Verlag).

6. Ludwig Thoma’s „Kabale und Liebe“ seinem Buche
„Kleinstadtgeschichten“ (München, Albert Langen, Verlag).



                         Otto Julius Bierbaum:

                              Der mutige

                            Revierförster.


+Otto Julius Bierbaum+, geboren 1865 in Grünberg in Schlesien,
gestorben 1910 in Dresden, war der vielseitige, rastlos fleißige
Weggenosse von Otto Erich Hartleben. Nach behaglichen Studien auf
breiter Grundlage gab er sich in München und anderen deutschen
Kunststädten strengster Arbeit hin. Er war ein großer Anreger, dem
wir den „+Pan+“, +die freie Bühne+, +den Goethe-Kalender+ und andere
künstlerische Taten verdanken. Stets war er ein teilnehmender Freund
junger Talente und neuer Zeitrichtungen. Aber auch rückwärts gewendet
gehörte sein Interesse älteren Dichtern von Walther von der Vogelweide
bis Liliencron, an die er sich in seiner +Lyrik+ so gern anlehnte.
Während er uns hier als formgewandter, freilich nicht immer ganz
origineller Spielmann des +Überbrettl+ entgegentritt, ist er in seinen
Romanen wie +Stilpe+ und +Prinz Kuckuck+ ein strenger Beobachter und
Darsteller seiner Zeit- und Weggenossen. Seine kraftstrotzenden, oft
reichlich selbstbewußten Schöpfungen enthalten treffende Bildnisse und
Umweltschilderungen aus der Bohème um die Jahrhundertwende. Sein Humor
ist oft recht gallig und streift an die Stimmung moderner Witzblätter.

Diesem Gedankenkreise entstammt auch die meisterhafte kleine Erzählung
vom mutigen Revierförster. In ihrem Mittelpunkt steht Serenissimus,
ein Fürst von heiteren, freundlichen Sitten, mehr menschenfreundlich
als geistreich, eingezwängt in das Zeremoniell seines Standes, das er
mit Würde erträgt. Der harmlose Zusammenstoß in der kleinen Humoreske
entsteht aus dem Gegensatz zwischen höfischem Zwange und freiem
Naturburschentum. Über die fürstliche Hosenklappe stolpern die höchsten
Würdenträger, der schlichte Förster löst den Knoten durch ein mutiges
Manneswort.

    M. G.



[Illustration]



Der mutige Revierförster.


König Leberecht, der schon in vorgerückten Jahren befindliche, aber
immer noch recht rüstige Beherrscher eines angenehm im Gebiete der
mittleren Zone gelegenen Landes, liebte es, die Büchse im Arm, auf hohe
Berge zu steigen und dort all das Wild zu erlegen, das man mit viel
Mühe und Kunst in die unmittelbare Nähe seines Feuerrohres brachte.

Auf diesen Jagdzügen begleitete ihn, der gerne Menschen um sich hatte,
weil er wohl wußte, daß es für Fürsten nicht gut ist, allein zu sein,
nicht nur eine Schar bevorzugter Männer des Hof- und Staatsdienstes,
sondern auch eine wohlausgewählte Mustergarnitur[1] solcher Leute,
die sich durch sachgemäße Überdeckung größerer Leinwandflächen mit
Farbe oder durch andere Hantierungen von gewissermaßen künstlerischem
Charakter in der Leute Mund gebracht und überdies durch die Annahme
des Titels von Professoren bewiesen hatten, daß sie, obwohl keiner
ernsthaften Beschäftigung obliegend, doch Sinn für das bürgerlich
Reputierliche[2] besaßen.

Es war, und dessen war sich ein jeder in des Königs Jagdgefolge wohl
bewußt, eine große Ehre, mit Seiner Majestät durch die Felder und die
Auen zu streifen, sowie auf schmalen Pfaden die erhabenen Gipfel der
Bergwelt zu erklimmen, die wie wenig anderes dazu angetan erscheint,
dem Menschen einen Begriff davon zu geben, wie großartig die Welt ist.
Indessen, wie die meisten Ehren, so war auch diese mit Anstrengungen
und Unbequemlichkeiten verbunden. Schon das Klettern allein erschien
den älteren Ministern, vortragenden Räten, Kammerherren und
Kunstprofessoren als eine im Grunde nicht ganz erfreuliche Muskelübung.

Denn, abgesehen davon, daß der königliche Bergsteiger schon an und für
sich in seiner Eigenschaft als Fürst jenen elastischen[3] und lebhaften
Gang hatte, von dem wir immer in den Zeitungen lesen, wenn von einem
in Bewegung befindlichen Landesvater die Rede ist, war König Leberecht
auch noch besonders auf diesen Sport trainiert[4], da er Zeit seines
Lebens die meisten freien Stunden, die ihm die Regierungsgeschäfte
ließen, hauptsächlich dazu verwandt hatte, sich in der ebenso gesunden
wie vornehmen Kunst des Kletterns auszubilden. Er wäre, wenn ihm die
Schicksalsgöttinnen statt einer Krone einen Gamsbarthut und statt des
Zepters einen Bergstock in die Wiege gelegt hätten, zweifellos ein
ebenso vortrefflicher Bergführer geworden, wie er nun in Wirklichkeit
ein scharmanter[5] König geworden war.

Aber die böse Notwendigkeit, mit den untrainierten Beinen des
Untertanen den trainierten Beinen des Souveräns[6] in gleichem
Schritt und Tritt zu folgen, war noch nicht einmal die fatalste
Begleiterscheinung jener ehrenvollen Jagdpartien. Das Unangenehmste
waren die kalten Bäder, die die höchst badelustige Majestät auf
luftigster Höhe im schneekühlen Gewässer munterer Gebirgsbäche zu
nehmen liebte, und von denen sich keiner ihrer Begleiter ausschließen
konnte, da sich der Wasserscheue sonst dem Verdachte ausgesetzt hätte,
daß er nicht unter allen Umständen gesonnen sei, seinem höchsten Herrn
überallhin zu folgen.

Wie viele ministerielle, geheimrätliche, kammerherrliche,
kunstprofessorale Schnupfen die Erfüllung dieser harten
Untertanenpflicht im Laufe der Jahre zur Folge hatte, darüber besteht
keine Statistik, doch darf ruhig angenommen werden, daß ihrer viele und
die meisten davon hartnäckiger Natur waren. Denn nicht jeder verträgt
zehn Grad Reaumur im Wasser. Die Loyalität[7] ist willig, aber das
Fleisch ist schwach.

[Illustration]

Nach einem solchen Bade in der Höhe von 1500 Metern bei entsprechender
Wassertemperatur begab es sich nun einmal, daß der König, dem von der
genossenen Wasserkühle selber die Finger etwas klamm geworden waren,
seine Toilette (mit gebotener Delikatesse zu sprechen) nicht ganz zu
Ende führte. Anfangs bemerkte niemand diesen Umstand, da ein jeder
nur von dem einen Wunsche beseelt war, die eigene gesunkene Blutwärme
durch allseitig luftdichten Verschluß der Kleider wieder in die Höhe zu
bringen. Als sich aber später die königliche Jagdgesellschaft auf einem
angenehmen Wiesenplane zur Rast niedergelassen hatte, nahm man den
kleinen, aber durch seine Örtlichkeit fatal[8] auffälligen Mangel wahr.

Nun ist eine solche Wahrnehmung selbst unter gewöhnlichen Menschen,
wenn der eine nicht gerade die Frau des andern ist, mit einer gewissen
Peinlichkeit verbunden. Denn es handelt sich hier, wenn man der Sache
auf den Grund geht, um einen Umstand, der geeignet ist, das sittliche
Gefühl zu verletzen, um einen dolus eventualis[9] auf dem besonders
heiklen Gebiete der Erbsünde sozusagen. Indessen, schließlich gibt sich
doch immer einer den gewissen Ruck, nimmt den betreffenden (in den
meisten Fällen ist es ein alter Professor oder ein Dichter) beiseite
und flüstert (wenn er das Wort „geradezu“ im Wappen führt): „Sie, Ihr
Hosentürl ist offen“, oder (wenn er delikater ist) mit einem schnellen
orientierenden[10] Blicke: „Es ist etwas bei Ihnen nicht in Ordnung.“
Ja, es gibt sogar Leute, die selbst bei so peinlichen Gelegenheiten zu
frivolen[11] Scherzen aufgelegt sind und etwa die Bemerkung machen:
„Sie, verlier’n S’ fei’ nix!“

Kann man aber so etwas einem Fürsten, einem Könige sagen? Nein: Man
kann +nicht+! Der höfische Stil versagt hier vollkommen. Es
gibt durchaus keine Redewendung in der Phraseologie[12] des Umganges
mit Majestäten, die es ermöglichte, derlei vor ein allerhöchstes Ohr
zu bringen, als über welchem bei feierlichen Anlässen nur durch ein
paar Zentimeter getrennt eine Krone zu sitzen kommt. Nicht einmal der
mit allen Essenzen[13] höfischer Eleganz[14] und Wortbiegungskunst
gewaschene Zeremonienmeister[15] Baron von Bemsl, der doch eine
anerkannte Autorität[16] auf dem Gebiet höfischer Linguistik[17] ist
und von dem man hoffte, er werde die schwierige Mission[18] übernehmen
und so seinem dichten Lorbeerkranze als königlicher Hausdiplomat ein
neues leuchtendes Blatt einverleiben, erklärte, dies überschreite
seine Fähigkeiten: dieser Fall sei von einer Heiklichkeit, daß man
seine Lösung nicht einer Menschenzunge, sondern der Vorsehung selber
überlassen müsse, die übrigens, so fügte er mit anmutiger Zuversicht
hinzu, noch immer bewiesen habe, daß sie über das königliche Haus mit
besonderer Aufmerksamkeit wache. Sohin (er liebte dieses kuriale[19]
Wort) werde ihr auch dieser Umstand nicht entgehen, und sie werde
zweifellos Mittel und Wege finden, ihn zu beheben, ohne daß sich ein
schwacher Mensch den Mund zu verbrennen brauche.

-- „Das ist alles sehr schön und sehr gut, und ich bin schon von
Ressorts[20] wegen der letzte, der an der Vorsehung zu zweifeln wagt,“
bemerkte der Kultusminister, dem es trotz eines kaum überstandenen
Schüttelfrostes jetzt sehr heiß zumute wurde, „aber sie müßte +äußerst+
schnell eingreifen. Bedenken Sie, lieber Baron, daß uns am Fuße dieses
Berges eine Deputation[21] der ländlichen Bevölkerung erwartet,
darunter vier weißgekleidete Jungfrauen, von denen die jüngste ein
Huldigungsgedicht auswendig gelernt hat. Ich wette meinen Kopf, daß
die Jungfrau aus dem Konzept[22] kommt, wenn ihr Blick zufällig auf
die derangierte[23] Gegend fällt, und diese infamen Bauernlackel
werden dem höchsten Herrn sämtlich, ich sage Ihnen: +sämtlich+ nicht
ins +Gesicht+ sehen, sondern -- ebendorthin. Mein Gott, mein Gott:
die Situation[24] ist von einer märchenhaften Scheußlichkeit. Wir
können uns, so gern wir sonst dazu bereit sind, hier nicht auf höhere
Mächte verlassen; wir müssen +selber+ handeln. Wozu sind Sie denn
Zeremonienmeister, wenn Sie sofort versagen, wo es einmal gilt, die
durch einen tückischen Zufall bedrohte Würde des Königtums zu retten!
Hic Rhodus! Hic salta![25] Walten Sie Ihres Amtes!“

Der Zeremonienmeister, der es bisher immer zu vermeiden gewußt hatte,
in Anwesenheit des Königs Schweiß abzusondern, war nicht imstande,
die plebejische Feuchtigkeit zurückzudrängen, die ihm angesichts
dieser grauenerregenden Perspektive[26] auf die Stirne trat. Er
fühlte die ganze furchtbare Verantwortung, die ihm diese entsetzliche
Situation[27] aufbürdete: er sah das Ansehen des Hofes in Gefahr, die
Regierung wanken, den Staat konvulsivischen[28] Zuckungen preisgegeben.
Vor seinem inneren Auge jagten sich Feuer, Pulverdampf und blutigrote
Wogen der Rebellion[29]. Vor allem aber bebte sein ganzes Gemüt und
schoß molkig zusammen wie Milch, wenn’s wittert, bei dem Gedanken,
daß seine Stellung auf dem Spiele stand. Denn in der Tat, dieser
Toilettenmangel gehörte in +sein+ Ressort[30], da kein Kammerdiener
zugegen war.

Sollte er vielleicht doch?... Sollte er nicht doch vielleicht mit dem
Anstand, den er hatte, diskret[31] sich in den Hüften wiegend, an den
König heran treten und mit delikatem[32] Augenniederschlag lispeln:
„Majestät haben allerhöchst geruht, zu vergessen, sich die...“

Aber bei allen Heiligen und Nothelfern, das +geht+ ja doch
nicht! Niemals noch, so lange es Zeremonienmeister gibt, haben
Zeremonienmeisterlippen derartiges zu einem König zu sagen sich erkühnt.

In seiner fassungslosen Verwirrung überfiel ihn die phantastische
Idee[33], zu den Mitteln der Mimik[34] zu greifen und, sich dicht vor
Seine Majestät postierend, an sich selbst, gewissermaßen wie an einem
Lehrphantom, +scheinbar+ die Handlung vorzunehmen, die der König an
seiner Kleidung tatsächlich unterlassen hatte.

Aber das war ja grotesk[35], skurril[36], Wahnsinn! Ebenso hätte er
direkt hingehen und, an das respektive Kleidungsstück der allerhöchsten
Person Hand anlegend, den Mangel brevi manu reparieren[37] können,
-- eine Vorstellung, bei der er fast in Tränen der Verzweiflung
ausgebrochen wäre.

Aber Verzweiflung ist ein zu gelindes Wort, um auszudrücken, in welchem
Zustande sich das zeremonienmeisterliche Gemüt befand. Er war der
Auflösung nahe. Schon konnte er kaum mehr seine Augen regieren, die
immer nur den einen, sich zu einem ungeheuren Schlund und Abgrund
klaffend erweiternden Punkt suchten, der die schauderhafte Quelle
dieser unsäglich grausamen Prüfung für ihn war. Gewaltsam mußte er
seine Blicke von dort wegwenden, um sie ziellos im Kreise herumirren zu
lassen. --

Ob denn nicht doch irgendeiner der Anwesenden es wagen würde?

An die Staats- und Hoffunktionäre[38] sich zu wenden, war ganz
aussichtslos; das fühlte er mit der Gewißheit des Erfahrenen. Aber
vielleicht einer dieser Kunstprofessoren?! Unter ihnen, die ja auch
sonst zu seinem Entsetzen oft genug gegen den höfischen Ton verstießen,
mußte doch einer zu finden sein, der, wenn man ihm einen Orden oder
einen Auftrag oder schließlich den persönlichen Adel versprach, das
unerhörte, kaum auszudenkende Wagstück unternahm.

Er zog jeden einzelnen beiseite, bat, flehte, rang die Hände,
versprach schließlich den gebührenfreien Freiherrntitel und die
Erblichkeit der Professur in der Familie, eingeschlossen die weibliche
Nachkommenschaft, -- nichts half. Alle erklärten, lieber täglich eine
Literflasche Mastixfirnis auf das Wohl des erhabenen Landesherrn leeren
zu wollen.

Der Zeremonienmeister hatte das absolut sichere Gefühl, daß der
jüngste Tag herangebrochen sei; in seinen Ohren dröhnten deutlich die
Posaunen. Da fiel sein Blick auf den Revierförster Meier, der hinter
einem Baum saß und mit Mißmut konstatierte[39], daß sein Enzianschnaps
zu Ende war.

Ein letzter Hoffnungsstrahl flackerte, aber nur ganz schwach, im
Ingenium[40] des halbtoten Hofmanns auf. Der Meister des höfischen
Parketts trat zum Meister des gebirgigen Forstes und entwickelte ihm,
indem er sich bemühte, durch leise Dialektfärbung seiner Sprechweise
etwas Volkstümliches zu verleihen, den ganzen Komplex[41] der
verhängnisvollen Verlegenheit, hinzufügend, daß er, der biedere Mann
aus dem Volke, allein befähigt und berufen sei, den Hof, die Regierung,
den Staat zu retten, indem er den König auf jenen Punkt aufmerksam
machte, auf jenen Punkt...

„Das Hosentürl? Wenn’s weiter nix is?!“ meinte Meier.

„Aber Sie dürfen natürlich nicht so geradezu, lieber Meier,“ flüsterte
der Zeremonienmeister, dem doch etwas bange wurde bei dieser schnellen
Entschlossenheit des offenbar ganz ungeleckten Bären... „Sie müssen
durch die Blume gewissermaßen... von hinten herum sozusagen...
abstrakt[42]...“ Er fand durchaus nicht die populären Akzente[43]. Das
lag zu weit weg von seinem Ressort.

„Versteh schon! Natürlich! Ich kenn’ mich aus. Von der Schleichseitn
zuweripürschen[44] muß ich mich. Nicht gleich mit dem Hosentürl ins
Haus fallen. Beileib! Beileib! Fein andrehn muß man so was. So, in
+der+ Art, daß der König meinen könnt’, es wär einem andern sein
Hosentürl!... Schwer is schon. Aber ich hab’ schon andere Füchse
gefangen.“

Nach diesen Worten überzeugte sich der Revierförster nochmals, daß
seine Flasche vollkommen leer war, schob sie resigniert[45] in seinen
Rucksack und stand mit der Miene eines Mannes auf, der heftig nachdenkt
und zu allem entschlossen ist.

Der Zeremonienmeister sah ein, daß dieser Mann, wenn nicht vorher der
Himmel einfiel, binnen zwei Minuten das Unglaubliche zum Ereignis
machen werde. Ihm ward zumute, als ob plötzlich der feste Boden unter
ihm zu wanken begänne; eine grauslich hohe Woge hob ihn, senkte ihn und
führte ihn aufs hohe Meer hinaus, einem ungewissen Schicksal entgegen,
das irgendwo den Rachen aufsperrte, ihn zu verschlingen. Wie er
bemerkte, daß der Revierförster sich in Bewegung setzte, fühlte er alle
Schrecken der Seekrankheit in seinen Eingeweiden. Nur wie durch einen
Schleier, einen gelbgrauen Nebel sah und hörte er, was sich nun begab.

Der Revierförster Meier ging gerade auf den König zu, sah ihn aus
seinen katzengrauen Augen zutraulich von unten an, nahm seinen bis ins
Zeiserlfarbene verschossenen, vor sehr langer Zeit einmal dunkelgrün
gewesenen Hut ab und -- machte eine Verbeugung. Sodann aber setzte er
seinen Hut wieder auf und stand stramm.

Mit dem scharfen Blicke, der ihn stets auszeichnete, bemerkte König
Leberecht, daß dieses durchaus reglementswidrige[46] Gebahren seinen
Grund in etwas besonderem haben müsse, und er fragte mit dem huldvollen
Tone, der das erste ist, was ein jeder richtige König sich anzueignen
keine Mühe und Übung scheut:

„Na, Meier, was gibt’s?“

(In diesem Augenblicke gab es dem Zeremonienmeister einen schmerzlichen
Ruck, und er sah sich direkt vis-à-vis[47] dem Rachen des Ungeheuers,
das ihn verschlingen wollte. Sein Herzschlag setzte aus. Ein
überlebensgroßer Knödel kroch in seiner Speiseröhre mit einer
unangenehm schlickernden Abart des Rollens empor und versetzte ihm auch
den Atem. Sein letzter Gedanke war der Orden vom heiligen Kajetan, von
dem er schon lange träumte. Dann: Nacht und Vernichtung.)

Meier aber trat einen Schritt vor und sprach mit der markig festen
Stimme des deutschen Mannes, der keine Menschenfurcht kennt: „Ich
möchte bloß die hohen Herrschaften was fragen.“

Alles war starr. Keiner begriff. Auch König Leberecht nicht. Aber sein
Ton war doch noch immer huldvollst, als er sagte: „Fragen Sie nur zu,
Meier.“

Und Meier ließ seine Stimme fröhlich erschallen und sprach: „Wie wär’s
denn, meine Herrschaften, wenn wir alle miteinander unsere Hosentürln
zumachten?“

Eine Reflexbewegung[48] seiner Hände belehrte den König über den Sinn
dieser rhetorischen[49] Frage. Er richtete, was zu richten war, und
lachte dann so herzlich laut auf, daß seine Umgebung überzeugt sein
konnte, es sei durchaus im Sinne der Etikette[50] gehandelt, wenn sie
mitlachte. Und da es zugleich ein Lachen der Befreiung war, war es ein
brausendes, dröhnendes, herzerfreuendes Lachen.

Selbst die Spechte, die die hohen Stämme der Fichten bepochten, hielten
mit Hämmern inne und lachten mit.

Der Zeremonienmeister aber erwachte unter diesem Ensemblesatz[51]
des Vergnügens zu neuem Leben und fand sogleich, daß es unschicklich
sei, in der allerhöchsten Nähe zu wiehern, wie unerzogene Rösser.
Wäre ihm nicht gleichzeitig jener fatale Knödel gottlob zergangen und
verschwunden, so daß er wieder frei atmen und sich im Vollbesitze
seiner Kontenanz[52] fühlen konnte, hätte er noch einen schlimmeren
Vergleich gewählt.

König Leberecht aber sprach, indem er dem Revierförster eine Zigarre
anbot (die dieser jetzt noch und mit der ausgesprochenen Absicht,
daß sie bis ans Ende der Tage dort bleiben soll in seinem Glaskasten
aufbewahrt): „Meier, Sie sind ein ganzer Kerl. Schade, daß ich Sie
nicht in der Regierung verwenden kann. -- Ja, meine Herren,“ und damit
wandte er sich zu den übrigen: „das Volk, das Volk!... Es ist eine
schöne Sache um das Volk!...“

Dann stieg er, langsamer, als es sonst seine Art war, in tiefes Sinnen
versunken, den Berg hinab, an dessen Fuße ihn ein junges Mädchen in
weißen, gestärkten Kleidern mit den Worten begrüßte:

    „Wir jauchzen laut mit Herz und Mund
    in dieser gnadenvollen Stund’,
    wo uns das Glück geschieht,
    daß seinen König Leberecht
    das biedre Landvolk, treu und echt,
    in seiner Nähe sieht.
    Es steht sein hochberühmter Thron
    seit mehr als tausend Jahren schon
    in unserer Mitte fest.
    Drum lieben wir ihn auch so sehr,
    wie wenn er unser Vater wär’,
    der keinen je verläßt.
    Er weiß, daß in der Landwirtschaft
    beruht des Staates stärkste Kraft,
    drum liebt ihn für und für
    der schwergeprüfte Bauersmann
    und hält als treuer Untertan
    ihm +offen jede Tür+.“

[Illustration]

Bei diesen Worten stellte sich bei Seiner Majestät eine
Ideenassoziation[53] ein, die ein Lächeln des königlichen Mundes zur
Folge hatte, woraus alle anwesenden Gemeindevorstände aufs neue die
Überzeugung gewannen, daß der hohe Herr nach wie vor den Interessen des
Nährstandes seine besondere Huld zuwendete.

[Illustration]



Gorch Fock:

Schalotte.


+Gorch Fock+ (Johann Kinau) -- ist am 22. August 1880 auf dem
hamburgischen Eiland Finkenwärder geboren, 1916 verschlang ihn
die See auf S. M. S. Wiesbaden in der Skagerrak-Schlacht. Welchen
Norddeutschen, welchen Hamburger ergreift nicht Stolz und Trauer
zugleich, wenn er den Namen des Frühvollendeten hört! Ein zweiter
Körner, zu hohen Hoffnungen berechtigend, mitten aus dem Leben und
Schaffen gerissen auf dem Felde der Ehre, vom Meere verschlungen, dem
er so manches gute Wort und Werk gewidmet hatte. Gorch Fock war ein
Seemannskind, dem Meere blieb seine ganze Sehnsucht gewidmet, wenn ihn
sein Kaufmannsberuf auch tief bis nach Mitteldeutschland verschlug
und zeitlebens an den Kontorbock fesselte, bis ihn der Weltkrieg ins
Heer rief. Tief verankert ist sein Dasein wie seine Dichtung in der
deutschen Familie, wo Gott und Vaterland, Natur und Heimat keine leeren
Begriffe sind.

So wurde er der +Dichter der Heimat+. Aber nicht in behaglichem
Schaffen und im Fluge rascher Erfolge. Selten hat sich ein Dichter
die Zeit für seine Werke so mühsam abringen müssen vom Frohndienst
des Tages. Die Not hat ihm die Feder geführt, die Sorge um Eltern
und Kinder, der drohende Untergang seiner geliebten Heimatinsel,
deren idyllische Einsamkeit der Erweiterung des Hamburger Hafens zum
Opfer fiel. Und endlich in seinen letzten Jahren ist es das gewaltige
furchtbare Schicksal seines geliebten Vaterlandes gewesen, das er
wie kaum einer mit allen Fasern durchlebte. Als Mensch eher einsam
als gesellig, gießt er in seine niederdeutsche Dichtung den ganzen
goldenen Humor seiner urgesunden norddeutschen Natur hinein. Mit Recht
hat Aline Bußmann, seine feinsinnige Biographin, ihn einen lachenden
Philosophen, einen wahren Lebenskünstler genannt, aber auch einen
weltabgewandten durchglühten Schwärmer. Das ist die echte Mischung,
aus der deutsche Humoristen entstehen. Auf Lebensbejahung ruht sein
einziger, großer Roman: „+Seefahrt ist not+“. Von Freude durchtränkt
sind auch eine ganze Reihe von jenen prächtigen kleinen +Geschichten
aus dem Seemannsleben+. Vielleicht lag es in der Rastlosigkeit seines
Daseins begründet, daß ihm knappe, prächtig angeschaute Stimmungsbilder
in Menge gelungen sind, während er größere Novellen selten schuf. Auch
die vorliegende kleine Erzählung vom lebensfrohen Steuermann und seiner
koketten alten Braut bietet rein stofflich kaum etwas Neues. Aber was
hat Gorch Focks Meisterhand daraus zu machen gewußt!

    M. G.



[Illustration]



Schalotte[54].


Tees Sanner kem mit sien Dreemastschuner „Charlotte“ mit een Lodung
Holt von Sweden, un as he dorch den Nordostseeknol dorch weur, nehm he
sik een Damper an un leet sik de Elw[55] rop bet no Brunshusen un de
Swing rop bet no Stood slepen, wo he sien Balken un Breeder to löschen
harr. As he sik oppen Kontor von den Holthändler mellen dä, geef de em
een Breef ut Hamborg. Tees sien Froo schreef em, dat dat nu sowiet weur
mit jemehr Deern[56], wenn he afkomen kunn, denn sull he man herreisen,
denn wullen se Hochtied fiern. Dübel ok: Hochtied fiern, dat weur wat
for Tees Sanner un bi de Hochtied von sien lütte Schalotte wull he
öberhaupt un op jeden Fall mit bi sien: he öbergeef dorum Schipp un
Kru[57] un Holt un dat Löschen an sien Stürmann Odje[58] Klütenmeyer
un reis no Hamborg rop, as he sä, op dree Dog[59]. De Stürmann sä
ober, he sull sik bi de Botterkoken[60] un bi den Grog man ornlich
plegen un sull den Brand[61], wenn he een kriegen dä, wat jo doch licht
moleurn[62] kunn, man geruhig utslopen un man gern acht Dog wegblieben:
he wull mit dat Holt un mit de Lüd woll alleen klor warrn.

Un den annern Morgen Klock soß[63] kreg Odje Klütenmeyer, de Stürmann,
sien Lüd vortüg[64], un de Lüd von Land keemen jem tor Hölp[65], un
se löschen jemehr Lodung. Alltogau[66] gung dat jo nich: Odje sä,
Schippsarbeit weur keen Hosenjagd un sweeten[67] kunn een genog unner
de Lien[68], hier in uns Breetengroden[69] dä dat nich neutig[70], --
ober dat gung doch. Son grot Schipp as den Dreemastschuner schienen de
Stooders noch gornich sehn to hebben: wenigstens keemen nomiddags een
ganz Deel Schoolkinner mit jemehrn Lehrer un Borgerslüd an un bekeken
sik den lütten Schuner, as wennt de Potosi[71] weur. Unner de Bäum
bitten achterto stunn[72] een Bank un dor sett sik halber Nomiddag
een ol Fräulein oder Witfroo op dol[73] un bleef dor bet obends op
sitten un kek ümmer stief no dat Schipp hen. Un wenn Odje Klütenmeyer
mol opkek, denn mok se ümmer een seuten[74] Mund un nick em to. Odje
kreg dat bald rut: Junge, sull dat Kieken un Nicken em gellen? He kek
nochmol stief röber: woraftig, de Olsch[75] lach wedder un nick. Wat
geiht di dat Wiefstück[76] an, dach he, ober he streek[77] doch all mol
ober sien strubbeligen Bort un feuhl[78] mol no, of sien Slips ok noch
sitten dä. Un he kunn dat Röberkieken ok nich loten. De Olsch harr woll
ehr fiefunveertig[79] Johr oppen Puckel, kunnen ok söbenunveertig[80]
sien, ober se harr noch goden Schick[81] un weur ok ganz god
optokelt[82] un denn harr se jo een Og[83] op em smeeten[84], dat mok
den besten Indruck op Odje, de all[85] seit dree Wochen keen anner Froo
mehr sehn harr, as de dicke Olsch von een hollandsche Jalk[86], de ehr
tweehunnert Pund weug[87] un em nich reizen kunn.

„Du, Hannes, wat is dat dor forn Froo op de Bank?“ freug[88] he
toletzt, as he dat nich mehr uthollen kunn, een von de Arbeitslüd, dä
ober ganz gliekgüllig[89], as wenn he blot mol een Word bi de Arbeit
snacken[90] wull.

Hannes wisch sik den Sweet vorn Kopp weg un kek op. Denn lach he: „Dat
is Schalotte.“

„Schalotte?“

„Jo, de heet jüst so as jon[91] Schipp. Dat is een Witfroo, hett een
scheun[92] Hus buten[93] de Stadt mit Land un scheunen Gorn[94] un Geld
hett se ok un verheiroten will se sik ok gern wedder, jo.“

Odje de Stürmann schul[95] gau nochmol innen Winkel von 45 Grod no
de Bank röber. Mein Gott, de Froo harr doch allens, wat to een Froo
geheurn[96] dä, meen he denn, of dor denn keen Rot[97] to weur, dat se
noch wedder een Mann kriegen dä. Of se denn woll so krüsch[98] worden
weur.

„Dat will ik nich seggen, dat se krüsch is,“ antwor Hannes, „ober
erstmol is se bannig gebüldet, schrift sogor Gedichten un Geschichten
for de Zeitung un all son Schiet[99] un denn hett se een Splien un
drüttens will se bloß een Koptein ton Mann hebben. Ehr erst Mann is
Stürmann west un se hett sik dat nu fast innen Kopp sett, dat se bloß
noch een Koptein freen[100] kann.“

„So, so,“ sä de Stürmann un arger sik, dat he blot Stürmann weur.

„De Sook[101] hett bloß den Hoken, dat se keen Koptein kriegen kann,“
fung Hannes wedder an, „all de Kopteins, de hier mit jemehr Schep komt,
sünd ümmer verheirot, un Schalotte, de bald jeden Dag dor op de Bank
sitt, lurt[102] ümmer noch op een Koptein ohne Ring un verdreugt[103]
dor woll so bi lütten bi.“

Dormit nehm Hannes sien Balken op un slep em no de Kai röber.

Odje ober fung dat Simuleern[104] an. Op een Koptein ohne Ring lur de
rieke, scheune Froo dor un em nick se to. He kek no sien Hand: dor seet
keen Ring op. Sull se em for den Koptein von dat Schipp hollen[105] un
em dorum so tolachen? He kek nochmol röber: verdori, se lach wedder un
wink sogor son bitten mit de Hand.

Junge, dat weur toveel for Odje Klütenmeyer. Wat Stürmann, wat Koptein,
dach he, reep[106] gau: „Nu kiek doch mol, wat dor forn groten Fisch
int Woter swemmt!“ -- un as se olltosom öder de Reeling keken, do
plier[107] he gau no Schalotte röber un lach un wink mit de Hand. Un se
dank em mit Lachen.

Noher keemen poor annere Froonslüd an den Hoben[108] lang, de mit de
Witfroo bekannt weurn. Se selten sik bi ehr[109] dol un snacken mit
ehr, son unglücklich Gesicht se ok moken much. Un toletzt nehmen se
ehr mit. Odje kek ehr no, as wennt een Afschied op ewig weur, un se
dreih sik nochmol un nochmol no em um.

Obends no Fierobend sleug[110] Odje dat Hart doch son bitten, wenn he
doran dach, dat se em for den Koptein hollen dä, ober he gung doch hen
un koff sik een reinen Krogen un leet sik roseeren un de Hoor snieden.

De Nacht weur sternklor un scheun, blot een mol leep een Schatten
öber dat Holt un de Lantüchte[111] von den Nachtwächter beschien de
Wanten[112] von de Charlotte, denn weur wedder allens still.

Morgens stunn een Blomenstruß vor de Kojüt un twüschen de roten
un blauen Blomen steek een rosa Breef. De Jung worr den Struß
toerst gewohr, de so scheun in de Sünn stunn un von de Daudruppens
blenkern[113] dä. He rok[114] mol an de Blomen rum mit sien
smuttelige[115] Nees un sä: hm, hm, un denn trock he den Breef
vorsichtig ut de Kornblomen rut un lees de Adreß.

    Herrn Kapitän Tees Sanner
    Segelschiff Charlotte
    hier

stunn dor op. He schüttel den Kopp, sowat harr he noch nich
beleeft[116]. Nu keemen de Matrosen ut den Roof[117] un bekeken
de Bescheerung, beroken de Blomen un besnacken den Breef. „Markst
Müs[118]?“ sä de een. „Ne, ober Rotten[119],“ sä de anner, „du, dat
hett een Deern schreeben, kiek mol de Schrift an. Sull de Ol hier een
Liebe hebben in Stood?“

„Wat is hier forn Volksversammlung von wegen Liebe.“ Dormit keem Odje
ut de Kajüt rut. „Mokt de Winsch[120] klor!“

[Illustration]

He kek de Blomen an, sä[121] ober keen Word, denn fot[122] he den
Putt[123] an un broch em no de Kojüt dol. Dor sett he em op den Disch.
As he an to rüken fung, worr he den Breef gewohr. „Herrn Kapitän Tees
Senner“ lees he: du, Stürmann, de is nich for di, dor blief von weg!
Odje besunn[124] sik een Ogenblick von wegen dat Geweten[125], denn mok
he den Breef ober getrost open: he wuß to swor Bescheed, wo de herkeem.
Un denn lees he.

    „An meinen Freund!“

Dat is for mi, dach Odje, sowat ward den dreugen Tees Sanner keen
Minsch schrieben! He lees wieder:

    „Ich konnt’ den Blick nicht von dir wenden,
    ich mußt’ dich anschaun immerdar!“

De hett würklich Poesie in de Knoken, dach Odje, un lees den Satz
nochmol mit Smolt[126] un Andacht. Denn gungt wieder:

    „Und schicke dir aus meinem Gärtchen
    die schönsten Grüße wunderbar.“

As wenn Schiller dat schrieben harr, dach Odje un mok een klok
Neeslock[127] op de Backbordsiet.

    „Charlotte heißt dein stolzes Schifflein,
    du blonder, kühner Kapitän!“

Nu ist rut: se hollt mi for Tees Sanner, dach Odje un kek in den
Spiegel: sull ik wirklich so as Tees Rugstoppel[128] utsehn? Denn lees
he wieder:

    „Charlotte heißt auch deine Freundin,
    die du wirst heute wiedersehn!“

Schalotte, is egentlich gor keen slechten Nom, dach Odje, wenn ik dorbi
bloß nich ümmer an Zippeln[129] un Schalotten denken muß, de ik nich
uteenanner kennen kann! Denn lees he wieder:

    „O sprich nicht nur mit Meer und Woge,
    nicht nur mit den Matrosen dein,
    sprich auch mit mir ein traulich Wörtchen,
    die Blumen flüstern: Denke mein!!

    Stade, 19. Juni 1913.

    Charlotte G.“

Odje kek den Breef nochmol dorch un dach, is jo allens heugste[130]
Poesie un is jo woll allens god meent, de Blomen sünd jo rein een
Stoot, ober ik mark doch gliek, dat ik hier oppen Lannen[131] bün: wo
kummt de Froo dorto, mi gliek[132] mit Du antoreden? Mit de Bildung is
dat doch woll nich so wiet her, as Hannes meent!

As he Kaffe drunken harr, gung he mit de Lud an de Arbeit, ober dor
weur doch all son bitten Unnerscheed[133] gegen gestern to spören: he
fot[134] all lang nich mehr so veel sülm[135] mit an un kummandeer all
veel mehr mit de Lüd rum. Un de reine Krogen, den he um harr, de muß jo
opfallen.

„Markst Rotten?“ freug de een Matros.

„Ne, Katten[136],“ sä de anner, „he will sik hier as Käppen opspelen,
uns Stürmann, dor fall he sik ober fix bi innen Finger snieden.“

Eben no de Middagsstunn keem Charlotte G. richtig wedder an. Odje worr
ganz rot, so rot, as en Jantje[137] warrn kann, as he seh, dat se all
von wieten winken dä, ober he kunn doch nich anners, he muß wedder
winken. De Matrosen harrn dat woll sehn un wenn Odje wegkek, denn
steeken se een smeerigen Grientje[138] op.

[Illustration]

„Markst Katten?“

„Ne, Hunnen[139], dor spinnt sik wat an, Mandus! Un weest du wat? De
Olsch meent, Odje is de Käppen!“

„Sall ik mol röber loopen un ehr seggen, dat he bloß de Stürmann is?“

„Ne, du, lot em man erstmol ornlich anbieten[140], lot de Olsch man
erstmol fein an Bord komen, denn verrot wi den ganzen Kuddelmuddel.“

„Junge, Junge, jo!“

Den ganzen Nomiddag gung dat mit drohtlose Telegrophie twüschen Odje un
Schalotte, bald worr winkt un bald worr nickt un bald worr lacht.

Toletzt wink Schalotte so dull, dat Odje ganz schomvigolett[141] warrn
dä, wiel ok Hannes all wat marken kunn. Do stunn he op un gung no de
Bank hen un sä de Witfroo Goden Dag un bedank sik for de scheunen
Blomen un dat herrliche Gedicht. He sä würklich herrlich. Un se snack
so seut un hochdütsch mit em, as se man kunn, un Herr Kapitän vorn
un Herr Kapitän achtern un Herr Kapitän in de Midd, so gung dat man
ümmerto as bi son Pepermöhl[142] un ehr Odje ehr noch sien Nom seggt
harr, do harr se em all ehr ganz Leben von der Wiege bis zur Bahre
verklort[143] un em von ehr Eensomkeit dor buten de Stadt vertellt un
as Odje wedder an Bord gung, do harr he ehr all versprooken, obends in
de Schummeree[144] bi ehr to Beseuk[145] to komen.

Büst doch een slechten Kerl, Odje Klütenmeyer, sä he to sik sülm,
leitst di as Koptein inloden un büst doch blot een Stürmann! Dat
slok[146] he ober bald dol, fleut[147]: Pflücke die Rosen kühn, die
dir am Wege blühn! -- un kek von Bord wedder no sien Schalotte röber.

Obends no Fierobend mok he sik landfein, as wenn he een Hochtied
mitmoken wull un boß[148] dor rum as unklok[149].

„Markst Hunnen?“ freug de een Jantje.

„Ne, Ossen[150],“ sä de anner un lach, „ik gläuf[151], he will
Schalotte beseuken!“

Odje ober de stebel[152] los, koff sik unnerwegens een veddel[153] Pund
Rosen un keem in de Schummeree bi Schalotte an. Dübel ok, wat wohn se
dor fein innen Greunen[154], wat seh dat Hus fein ut un wat lach de
Gorn! Schalotte keem em in de Meut[155], geef em beide Hannen un gung
mit em in den Gorn rin, dor weur een Läuw[156] mit een Disch un een
Bank un dor sett se sik mit em hen. Een lütte nüdliche Köksch[157] keem
un hung twee Lanternen op un broch dat Obendbrot for jem.

„Itoljeensche Nacht,“ sä Odje un meen wunner, wat he seggt harr.
Denn hau he erst mol ornlich in: son Eten[158] kreg he an Bord nich
to sehn. Schalotte weur selig, dat se een Koptein bi sik harr. „Noch
immer keinen Ring, mein Freund?“ freug se un ei[159] sien grote brune
Hand ümmer wedder von frischen. „Ne,“ sä Odje: wat sull he ok wieder
seggen? He muß ehr noher ober doch Geschichten von sien Seefohrt
vertellen, un de he nich beleeft harr, de muß he sik utdenken. Un wenn
dat so recht gefährlich weur, denn keem se so ganz dicht bi em ran un
krop[160] meist mit de Nees in sien Rocktasch rin un sä: „Ich fürchte
mich sonst so sehr, Teseus!“ „Teseus,“ sä Odje, „wer is dat denn?“ „Das
sind Sie, Herr Kapitän! Ich weiß wohl aus meiner Zeitung, daß Sie Tees
heißen, aber ik kann mir bei Tees nichts denken und habe Ihnen darum in
meinen Gedanken einen antüken Namen gegeben: ‚Teseus.‘“

„Ik dank ok for de Ehr,“ sä Odje un leet sik de Pannkoken god smecken.

Noher drunken se Wien, de beiden, un as Odje ton Adjüstseggen[161]
keem, do weurn de Lanternen utbrennt un in de Düsterheit kreg he
Schalotte hol mi de Dübel um den Hals to foten un geef ehr een Seuten.
Do kriesch se ober op as son Küken, dat pett worden is, un leep gau int
Hus rin. Odje stunn noch twüschen de Stickbeern[162] un dach, dor hest
du scheun wat mokt, do worr dat Fenster boben open mokt un Schalotte
flüster: „Ich bin Ihnen böse, Herr Kapitän, aber morgen komme ich an
Bord, dann sollen Sie Abbitte tun.“

Dat is jo een scheune Taß Tee, dach Odje, as he in sien Koje
krupen[163] da, dat kann jo god warrn! Den annern Morgen weur he
bannig gnatterig[164] un snauz an Bord rum as son Harm-mok-Larm.

[Illustration]

„Markst Ossen?“ freug de een Jantje.

„Ne, ober Perd,“ sä de anner, „he hett woll een Poor Scheuh[165] kregen
un will sien Wut nu an uns utloten.“

Nomiddag sä Odje ton Kock[166]: „Mok man een Taß Kaffe mehr, is
meuglich, dat wie Beseuk kriegt!“

„Wi kriegt Beseuk? Wer kummt denn?“ freug de Kock.

„Een Bekannte von mi,“ sä de Stürmann kort un mok een Gesicht, as wenn
he den ersten opfreeten[167] harr un bi den tweeten anfangen wull.

Un Schalotte keem! Ganz in Witt[168] keem se, mit een roten Sünnschirm
boben den Kopp un danz as son Lustkutter op See.

De Stürmann kreg son Kopp.

„Markst Perd?“ freug de een Jantje.

„Ne, ober Elefanten,“ sä de anner, „nu paß mol op, wat he forn Angst
hett, dat wi Stürmann to em seggt. Ober dat segg ik jo in Goden: seggt
nu no Koptein to em, wi wöllt em erst noch mehr rinseilen loten.“

„Minsch, wat een Hitt[169]!“ stöhn Odje, as dat witte Kleed neuger[170]
keem, un wisch sik den Sweet af.

[Illustration]

Do reep dat ok all von de Kai her:

„Guten Tag, Herr Kapitän, Sie sehen, ich halte mein Wort!“

„Gewiß, dat seh ik,“ sä de Stürmann un dach, wenn doch blot de Dübel
keem un de ganze Kru[171] hier holen dä: „Komen Se rop!“

„Ogenblick, +Herr Koptein+,“ reep de een Jantje do, „ik will eben
de Brügg for de gnädige Froo bitten beter henleggen. So, Herr Koptein,
so geiht dat woll!“

De Stürmann kek em an, as wenn he den Fleegen Hollanner[172] vor sik
harr, Schalotte reep ober: „O danke, es geht. Eine Seemannsfrau darf
nicht ängstlich sein!“

Un se keem röbertrippelt as son Geescha[173]. „So, jetzt die Strafe,
mein Freund, zeigen Sie mir Ihr Schiff!“

Odje wuß bald nich mehr, of he hochdütsch oder plattdütsch mit ehr
snaken sull, so verlegen weur he den ersten Ogenblick. Denn dach he dor
ober an, dat he een Hamborger Jung weur un dat elfte Gebot lehrt harr,
un gung mit sien Beseuk stolz not Achterdeck.

As he an de Kombüs[174] vorbikeem, freug he: „Is de Kaffe klor, Kock?“

„Jowoll, Herr Koptein,“ reep de Kock un mok een dumm Gesicht, as Odje
em scheef[175] ankek.

Schalotte sä: „Höfliche Leute haben Sie, mein Freund.“

„Dat liggt in jemehr Notur,“ sä Odje, „sünd all vonnen greunen
Soot[176]!“

Schalotte leet sik dat ganze Schipp wiesen, drunk Kaffe in de Kojüt,
vergeef Odje den Seuten von gestern un leet sik dorfor twee frische op
de Backen backen[177] un lach as son Lachduw[178].

As se weggung, lod[179] se Odje wedder ton Obendeten in un denn
sweef[180] se dor hen, as wenn se fleegen lehren wull.

Odje gung wedder an sien Törn[181].

„+Stürmann+, sölt nu erst de langen Stücken rut?“ freug de een
Jantje.

„Jo, man to,“ sä Odje un weur de Fründlichkeit sülm, leet sogor
for fief Groschen innen Buddel[182] holen un spendeer een Pund
Kasbeern[183].

„Prost!“ reep de een Jantje, „prost Stürmann, dorfor seggt wi gern mol
een halbe Stunn Koptein.“

„Wat sünd ji dor op komen?“ freug Odje.

„Na, as wi sehn dän, dat de Dame Se for den Koptein hollen dä, do
droffen[184] wi Se doch nich in Verlegenheit bringen, Stürmann!
Hamborger Jungens möt sik doch helpen!“

„Dat is recht, Jungens,“ sä Odje un reef[185] sik de Hannen. Un
obends mok he sik wedder landfein un stebel wedder no sien Schalotte
rut. Dütmol dreep he dor grote Sellschopp an: Schalotte harr all
ehr Fründinnen inlodt un stell em vor as den Koptein „von dat grote
Dreemastschiff, dat in unsen Hoben liggt“. Minsch, dach de Stürmann,
weurst hier man erst wedder rut, ober dat holp em nix, he muß vertellen
un snacken un Schalotte seet ümmer so dicht bi em, dat jedereen sehn
muß: de beiden heurn tosomen. Dat weur een beusen Törn for Odje un as
he wedder an Bord gung, dach he: wenn bloß dat Holt erst rut weur, dat
wi wedder no See hen keemen.

Den annern Dag besoch Schalotte em mit dree Fründinnen an Bord. De
Matrosen wullen sik dotlachen un reepen eenen Herr Koptein no den
annern öbert Deck. Obends nehm Schalotte em mit in de Stadt rin, wo
Konzert weur, un stell em de Honorotschoren von Stood[186] vor. As Odje
ehr noher an de Husdör wedder aflebern[187] dä, sä se, as he ehr wedder
een Seuten geben wull: se wull em gewiß nich drängen, ober von wegen
ehr Fründinnen un von wegen de Lüd weur dat doch woll beter, wenn he
sik bald erklären dä, ober se wull em nich drängeln.

Junge, Junge, nu weurt so wiet, nu seet de Stürmann Odje Klütenmeyer
fast. He sull sik erklären, dat heet, he sull sik mit Schalotte
verloben! Minsch, wat mok ik bloß, dach he, as he an Bord sleek, wat
kom ik von de leege Wall[188] wedder af?

In de Kojüt stunn Tees Sanner, de Koptein, un trock grod de Unnerbüx
ut: he wull tor Klapp[189] gohn.

„Hallo, Stürmann, wat geiht uns dat?“ reep he.

„Wat, Koptein, ji sünd all wedder hier?“ freug Odje.

„Jo, dat fule Leben dor in Hamborg is mi öber worden,“ sä Tees Sanner.
„Allens in Trümm?“

„Jo, allens +all right+[190], Käppen!“

„Stürmann, ji seggt dat mit een Gesicht, as wenn jo dat Potent[191]
nohmen weur. Dor is wat nich in Ornung, gläuf[192] ik.“

„Doch, Koptein, is allens in Ornung,“ antwor Odje.

„Ne, ne, is nich wohr,“ reep de Koptein, „un ik will weten, wat dor los
is.“

To weten kriegt he dat morgen jo doch, dach Odje, sallst em man leber
nu all vertellen.

Un he schroof[193] de Lamp dol un vertell de Geschichte von Schalotte.
Erst lach Tees, wat he man kunn, toletzt sä he ober: „Is doch een
beusen Streich, Stürmann. Wat hefft ji forn Entschuldigung dorfor?“

„De Liebe,“ sä de Stürmann.

„Och wat, Liebe,“ lach de Koptein, „wat sall dor nu von warrn?“

„Dat wet ik nich.“

„Un wenn se morgen nomiddag hier mit söben von ehr Fründinnen ankomen
deit?“

„Dat wet ik nich.“

„Jä, dat wet ik nich, heet dat nu, wat, Stürmann? Ji harrn den ganzen
Heunerkrom man noloten sullt.“

„Ik harr Schalotte man to leew,“ sä Odje un kek deepsinnig in de Lamp
rin.

„Dat beste is, ji goht morgen hen un seggt ehr, dat ji keen Koptein
sünd, un frogt ehr, of se jo as Stürmann hebben will.“

„Ne, dat do ik nich, Koptein, leber lop ik von Bord,“ sä Odje.

„Na, denn wöllt wi uns de Sook erst mol besloopen,“ sä de Koptein un
puß em de Lamp vor de Nees ut.

Den annern Morgen, as se Kaffe drunken, mok Odje noch son Gesicht as
een Putt vull Müs, dat den Koptein dat duern dä. He sä: „Ich much dien
seute Schalotte ok woll mol sehn, Odje Klütenmeyer: wat meent ji,
Stürmann, wenn ik mi mol rutpett un mit ehr snacken do: vullicht dat ik
den Krom denn wedder in de Reeg[194] krieg. Oder wöllt ji mit?“

„Ne, Koptein, goht man erstmol alleen hen,“ sä Odje un gung no de Luk
hen.

As Tees Sanner gegen Middag wedder keem, sä he keen Word to sien
Stürmann, gung still an em vorbi un pett sik no de Kojüt rin. Dor sett
he sik dol un lur, dat Odje komen sull.

Odje keem ok bald an.

„Na, Koptein, wat ist worden?“

„Slechten Kerl sünd ji doch, Stürmann, slechten Kerl. Son mooi[195]
Wief so to bedreegen! Wat is dat noch forn feine Froo, de Schalotte,
un wat hett se forn fein Hus! Un wat forn Gorn! Dor heff ik mit ehr in
seten, eenfach herrlich, kann ik di seggen.“

„Ik ok,“ sä de Stürmann, de ganz lütt worden weur. „Will se mi nu noch
hebben, Koptein?“

„Ne, ober de Ogen will se di utkratzen. Odje Klütenmeyer,“ reep de
Koptein, „se bedankt sik for de Ehr, Froo Klütenmeyer to warrn!“

„Will se würklich nix mehr von mi weten?“

„Ne, den Koptein Tees Sanner, den harr se leew hatt, sä se, ober mit
den Stürmann Odje Klütenmeyer wull se nix mehr to kriegen hebben.
All ehr Gedichten, de se for di trechtschostert[196] hett, Odje, son
Hümpel[197], hett se vor mien Ogen verbrennt. Hier werfe ich die Gluten
in die Gluten, reep se, hest du een Ohnung, wat se dormit seggen wullt
hett?“

„Se hett mi nich mehr leew,“ sä Odje, „vullicht hett se mi öberhaupt
nich leew hatt. Droff ik ehr nochmol beseuken, Koptein?“

„Wen? Schalotte? Du, de is all lang weg, ik heff ehr noch no de Bohn
henbrocht, se wull erst mol veer Wochen in de Eensomkeit, sä se, bet de
Snackeree[198] von de Lüd vorbi weur.“

„Un bet wi no See hen sünd,“ sä de Stürmann un nick mit den Kopp.

„Richtig,“ reep de Koptein, „di Swinnelmeier, sä se, wull se nich
wedder vor Ogen sehn!“

„Swinnelmeier, weur dat erst letzt Word?“ freug Odje.

„Ne,“ sä Tees Sanner, „dat letzte Word is düt Gedicht hier, dat hett se
noch gau innen Wortesool klor mokt. Dichten un riemeln kann de Froo as
de Dübel. Heur to:

    Letztes Wort.

    Leb’ schlecht, sollt ich sagen,
    ich sage: Leb’ wohl!
    Fahr hin denn zum Meere,
    ich fahr nach Tirol!

Se fohrt no den Horz hen, Stürmann, ober dor kunn se inne Gang[199]
keen Riem op sinnen, sä se, dorum hett se Tirol schreeben. Kummt ok
jo nich so genau op an, sä se, is jo bloß forn Stürmann, wennt forn
Koptein weur, denn weur dat wat anners. Se wull dor noch een Vers to
moken, ober do fleut de Tog un se muß moken, dat se man mitkeem. Wat
seggt ji dorto?“

„Nix,“ sä de Stürmann.

„Feuhlt ji denn nu gorkeen Reue?“ frog de Koptein.

„Ne,“ sä de Stürmann, „mi freit, dat ik ehr jeden Obend een opdrückt
heff.“

„Wat dat anbelangt, Stürmann,“ antwor de Koptein, „ik heff ok een
Seuten von ehr kregen.“

„Dat is nich wohr!“

„Doch ist wohr. Se sä, se harr den falschen Tees Sanner so veel Seute
geben, nu wull se ok eenmol mol den richtigen küssen. Se wull ok eenmol
mol een +Kopteinsseuten+ hebben. Un den hett se kregen, Stürmann,
Junge, dat weur een Seuten.“

„Verdori,“ reep de Stürmann, „wenn dat wohr is, denn lot ehr man
reisen, de ole Zippel de.“

„Schalotte heet se.“

„Och wat, Schalotten un Zippeln[200] heff ik noch nie uteenannerkennen
kennt,“ sä Odje, denn kek he sien Koptein ernsthaftig an: „Von eenen
verheiroten Mann, de bald Großvadder warrn will, harr ik sowat
egentlich nich dacht.“

„Ik ok nich,“ lach Tees Sanner, „ober scheun weurt doch, Stürmann. Segg
dor man bloß mien Froo nix von, wenn wi no Hus komt. Un nu lot uns man
wedder Holt löschen.“

„Jo, jo,“ sä Odje un gung wedder an Deck. „De ole Zippel,“ brumm he in
sik rin un spee öber de Reeling, gliek noher dä em dat ober leed un he
kek no de leddige Bank unner de Bäum hen un flüster: „Schalotte!“

Un he wisch sik öber de Ogen un nehm dat Löschen wedder op den Kieker.

„Markst Elefanten?“ freug de een Jantje den annern.

„Ne, Müs,“ sä de anner, „ik gläuf, uns Stürmann is eben kielholt[201]
worden.“

„Wat hefft ji dor ümmer to preestern[202]?“ schull[203] de Stürmann,
„arbein, arbein, dat wi klor ward un ut düt verdreihte Lock rut komt!
Hier kann een jo verrückt warrn!“

[Illustration]



Rudolf Presber:

Die vierundsiebzigste Nacht.


+Rudolf Presber+ ist am 4. Juli 1868 in Frankfurt a. M. geboren und
lebt heute in Berlin-Grunewald. Wie sein großer Landsmann Goethe
entstammt er einem literarisch gebildeten Hause. Früh waren beide
als Dichter tätig, auch sind sie lebenslang Verehrer des schönen
Geschlechtes gewesen. Aber darin ist der liebenswürdige Rudolf Presber
doch himmelweit verschieden von seinem großen Landsmann, daß 90 Prozent
seiner Werke humoristisch sind. Zweifellos besitzt er ein starkes
Formtalent. Die fröhlichen Kinder seiner Muse danken ihren großen
Erfolg dem flotten, frischen Erzählungston, der warmherzigen Gesinnung
und nicht zum wenigsten jenem +goldenen Humor+, der ihm „Lebensäußerung
und nicht Geschäft ist“, wie es in einer seiner Novellen heißt. Manches
feine, kluge Wort ist ihm in Vers und Prosa gelungen.

Im Mittelpunkte seiner Novellen steht oft ein wunderlicher Kauz, vom
Schicksal arg zerzaust, vom Dichter mit Liebe und Nachsicht behandelt.
Eine solche Figur ist auch der unbekannte „berühmte“ Dichter unserer
Novelle. Mit feinsinniger Satire geißelt er die Durchschnittsverehrung
deutscher Dichter im sinnigen Stil unserer Zeit und verfolgt damit
Gedanken und Ziele, wie sie der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung
besonders nahe liegen. Das Studentische ist mit Behagen und leichter
Ironie dargestellt. Fast möchte man annehmen, daß ein persönliches
Erlebnis des Dichters dahintersteht. Und köstlich wird das Ganze
umrahmt von dem Gedanken aus der 74ten Nacht im orientalischen Märchen.

    M. G.



[Illustration]



Die vierundsiebzigste Nacht.


Der fünfte Kalif aus dem ruhmreichen Geschlechte der Abassiden war
Mehdis kluger Sohn Harun al Raschid.

Im Morgenland wissen sie noch viel von ihm zu berichten. Alle erzählen
von ihm, von dem simplen[204] Kameltreiber bis hinauf zum Statthalter,
der im Namen des Schattens Gottes Recht spricht.

Aber auch im Abendlande, das er selbst nie gesehen, nur mit
Gesandschaften beglückt hat, kennt man ihn. Nicht als mächtiger Herr
von Bagdad, nicht als gewaltiger Kriegsheld, der dem byzantinischen
Kaiser den Tribut[205] abtrotzte, nicht als Freund Karls des Großen
wäre sein Bild auf unsere Tage gekommen, wenn nicht jene schönen
arabischen Erzählungen so gern von ihm handelten, jene wunderbare
Sammlung von Märchen voll Geist, Witz und Farbenpracht, die unter dem
Namen „Tausend und eine Nacht“ bekannt ist.

In den seltsamen Geschichten, die die liebliche Sultanin Schehersad
dem grausamen Sultan Scheherban erzählt, die Mordlust des Tyrannen
einzuschläfern, kehrt sie immer wieder, die sympathische[206] Gestalt
des großen Kalifen, der so gerecht wie klug war. Typisch[207] für die
Art, wie sich die braunen Wüstensöhne unter den schattenden Palmen der
Oase bei Datteln und Hirsebrot gern das Bild ihres größten Fürsten
heraufbeschwören, ist Schehersads Erzählung in der vierundsiebzigsten
Nacht, in der das wunderliche Märchen von den drei Äpfeln und der
zerstückelten Frau beginnt.

„Man behauptet, o König der Zeit und Herr der Äonen“[208], so fängt
Schehersad in jener Nacht ihre Geschichte an -- „der Kalif Harun al
Raschid habe in der Nacht einmal seinen Wesir Djafar rufen lassen und
ihm gesagt: Wir wollen miteinander in die Stadt gehen und hören, was
es in der Welt Neues gibt. Wir wollen die Leute über die Urteile der
Richter ausfragen und den absetzen, über welchen man sich beklagt, und
den belohnen, den man lobt....“

-- -- -- Mir fällt dabei nur eine kleine Geschichte ein, die einige
Ähnlichkeit hat mit manchem Abenteuer des großen Kalifen Harun al
Raschid, der unerkannt als geringer Mann verkleidet durch die Straßen
von Bagdad ging und lauschte und erfuhr, was das Volk über ihn dachte.

Und wenn ich so lächelnd an jenes seltsame Begebnis zurückdenke, dann
will’s mir vorkommen, als ob jeder von uns, wenn er nur lange genug
atmet, +seine vierundsiebzigste Nacht+ erleben könnte.

Man muß das für keine Absurdität[209] halten, was ich da sage. Ich
weiß sehr wohl, daß -- schlicht arithmetisch[210] genommen -- die
„vierundsiebzigste Nacht“ den Menschen noch als Säugling trifft,
der mehr oder minder rasch und reinlich seine Milch verdaut und für
die Geschehnisse der Außenwelt stumpf, blöd und ohne Teilnahme ist;
obschon die Mutter -- aber auch +nur+ die Mutter -- bereits ein
gewinnendes, verständnisinniges Lächeln zuweilen bei ihm bemerken will.
Ich fasse also die vierundsiebzigste Nacht -- das sei allen Wortreitern
und Silbenstechern angemerkt -- im übertragenen Sinne, im Geist des
Märchens vom Kalifen Harun al Raschid...

Es werden jetzt bald zehn Jahre, da stand ich an einem beträchtlich
kalten Novemberabend auf dem Perron[211] des Bahnhofs meiner
süddeutschen Vaterstadt und wartete auf den würdigen Hans Eduard
Meßmann, wartete auf ihn mit dem ganzen freudigen Enthusiasmus[212],
den meine Jugend und zwei Glas eben in der Restauration genossenen
Grogs mir verliehen.

Hans Eduard Meßmann stand damals -- so sagten die Zeitungen -- auf der
Höhe seines Ruhmes.

Er selbst sah die Sache anders an. Er wußte, daß sich bald
vier arbeitsreiche Jahrzehnte sein liebes Vaterland und dessen
gebildetes Publikum, für das er seine formvollendeten Epen und seine
gedankenreiche Lyrik geschaffen, herzlich wenig um ihn bekümmert hatte.
Besonders kluge und belesene Leute hatten ihn „stets geschätzt“. Er
hatte glühende Verehrer, aber sie glühten im stillen. Die Buchhändler
bliesen den Staub von den Bücherreihen auf den höchsten Regalen unter
der Decke, wenn man nach ihm fragte. Die Inhaber von Leihbibliotheken
zuckten bedauernd die Achseln: „Wird zu wenig gefragt.“ Und Professoren
der neueren Literaturgeschichte schrieben seinen Namen nicht immer
richtig, wenn sie ihn zu irgend einer Denkmalsspende oder einem
patriotischen Aufruf heranziehen wollten.

Da kam sein siebzigster Geburtstag.

Wer es war, der Jahreszahl und Datum richtig entdeckte, bleibt
dahingestellt. Jedenfalls es stimmte, Hans Eduard Meßmann wurde in
jenem November siebzig Jahre alt.

Es bildete sich rasch ein Komitee[213].

Das ist das Schöne und Zuversichtliche bei uns Deutschen: man kann
nicht immer wissen, was sich etwa sonst noch in der Zukunft bilden
wird. Aber +eins+ ist sicher: +Komitees werden+ sich bilden. Mit
einem ersten Vorsitzenden, einem zweiten Vorsitzenden und einem
Schriftführer. Mit Leuten, die viel reden und wenig bezahlen; und mit
anderen Leuten, die sehr viel bezahlen und den Mund zu halten haben.

Nach diesem altbewährten Rezept, das der Deutsche mindestens so heilig
hält, wie die frommen Karthäuser der Grande Chartreuse[214] das
ihrige, bildete sich auch ein Komitee für die Feier des siebzigsten
Geburtstages Hans Eduard Meßmanns, der, wie der schwungvolle Aufruf
zur Teilnahme besagte, „in einem arbeitsreichen Leben die geistigen
Schätze der Nation liebevoll gemehrt und durch seine unvergleichliche,
echt deutsche Kunst, durch den Wohllaut seiner Lieder und die tiefe
Bedeutsamkeit seiner epischen Gesänge sich die dauernde, heiße
Dankbarkeit des Volkes erworben, das ihn voll Stolz aus seiner Mitte
hervorgehen sah“.

Es war ein wirklich sehr schöner Aufruf. Und ein sehr schönes Komitee
mit einem ersten Vorsitzenden, mit einem zweiten Vorsitzenden, mit zwei
Beisitzern und zwei Schriftführern.

[Illustration]

Nach mehrwöchentlichen Beratungen war man übereingekommen, des
großen Hans Eduard Meßmann siebzigstes Wiegenfest in dem kleinen
Odenwaldstädtchen zu feiern, das seine Heimat war und das er in seinem
reizvollen Idyll „Die silberne Quelle im Odenwald“ in Sohnestreue
verherrlicht hat.

Auch Verhandlungen, sein bescheidenes Geburtshaus anzukaufen, wurden
eingeleitet. Ein Bankier aus der Bukowina zeichnete den Löwenanteil
der dazu nötigen Summe. Leider stellte sich später heraus, daß man das
verkehrte Haus in der Melibokusstraße gekauft hatte, nämlich Nr. 15
statt 17; ein baufälliges Haus, in dem der Schwamm war, und das nachher
mit einem nicht unbedeutenden Verlust wieder veräußert werden mußte,
was der verärgerte Bankier aus der Bukowina in einer stilistisch nicht
einwandfreien, aber sonst recht groben Erklärung mit seinem Austritt
aus dem Komitee beantwortete.

Der Glanzpunkt der Feier sollte ein Fest im „Roten Ochsen“ eben jenes
Odenwaldstädtchens sein. Fünf Gesangvereine hatten ihre Mitwirkung
zugesagt; und es wäre zu befürchten gewesen, daß +ein+ Tag für all
die Gesangsvorträge gar nicht genügt hätte, wenn nicht in letzter
Stunde drei beleidigte Vereine abgesagt hätten, weil man ihnen das
„deutsche Lied“ von Kalliwoda vom Programm gestrichen hatte. Das sangen
nämlich die anderen beiden Vereine auch; und man befürchtete, daß es
den siebzigjährigen Jubilar allzusehr anstrengen werde, fünfmal das
„deutsche Lied“ von Kalliwoda zu hören.

Außerdem sollten einige zwanzig Adressen überreicht werden. Die
Vorsitzenden von siebzehn literarischen Gesellschaften hatten sich zu
Huldigungsansprachen gemeldet. Der Bürgermeister hatte eine längere
Rede zugesagt. Einige Professoren der benachbarten Universitäten und
neun studentische Deputationen[215] wurden erwartet. Für die Festtafel
waren elf offizielle[216] Reden vorgemerkt. Einunddreißig Tischlieder
waren eingegangen, von denen aber nur neunundzwanzig auf Büttenpapier
gedruckt wurden. Eins war offenbar von einem Irrsinnigen; und ein
anderes erwies sich als das freche Plagiat[217] einer Klopstockschen
Ode, an der nur kleine, nicht einmal geschmackvolle Änderungen
vorgenommen waren.

Alles in allem, es mußte sehr festlich werden.

..... Ich stand auf dem Perron[218] und wartete auf den gefeierten
Dichter.

Ich zog noch einmal die Postkarte von heute Morgen hervor und las
im Schein einer flackernden Laterne -- damals war noch nicht alles
elektrisch! -- seine ehrenden Worte.

„Lieber junger Freund! Ich weiß, Sie fahren auch nach M., wo ich
‚gefeiert‘ werden soll. Mir graut ein wenig davor. Aber schließlich:
ich darf die vielen Wohlmeinenden nicht um ihre Freude bringen, wenn
auch ich selbst solchem fieberhaft ausbrechenden Enthusiasmus etwas
mißtrauisch gegenüberstehe. Kommt hinzu, es ist böse Jahreszeit; die
Zugverbindung ist schlecht; und ich -- bin siebzig Jahre. Niemand
weiß, daß ich schon heute abend dorthin reise. Aber morgen Bahnfahrt
und Feier wäre mir zuviel. Wollen Sie mir einen großen Gefallen tun?
Bilden Sie als einziger die Leibgarde des ‚triumphierenden Cäsar‘,
zu deutsch: fahren Sie auch schon am Abend und lassen Sie mich unter
dem Schutz Ihrer jüngeren Kraft dem ersten, vielleicht letzten Fest
entgegenfahren, das mir meine zahlreichen, bis heute im verborgenen
blühenden Verehrer spät, aber herzlich in meinem Vaterstädtchen
bereiten wollen...“

Es stand noch einiges von wehmütiger Freundlichkeit klingende auf dem
Blatt. Aber ich kam nicht weiter im Lesen.

Da war er!

In einen warmen, verschnürten Pelzrock gehüllt, der schon manches Jahr
gedient haben mochte, eine etwas altmodische Reisetasche in der Hand,
stand er vor mir. Sein gepflegter Patriarchenbart[219] schien mir noch
weißer, noch ehrwürdiger geworden zu sein in den letzten Wochen. Der
Jubilar war sichtlich etwas nervös erregt.

„Ich habe schon geglaubt, ich komme zu spät. So was von einem Kutscher.
Und +dieses+ Pferd -- ich glaube aus +meinem+ Jahrgang. Jung gewesen
sind wir bestimmt zusammen. Es ist übrigens lieb, daß Sie gekommen...
nein, nein, ‚natürlich‘ ist das durchaus nicht! So ein alter Mann als
Handgepäck ist lästig. Aber ich werde sehen, daß ich mich brav halte.
Ist’s Ihnen recht, so nehmen wir ‚+Nichtraucher+‘. Ich kann nämlich
seit Jahren nur noch den Dampf von Zigarren vertragen, die ich selbst
rauche... Schaffner, bitte, haben Sie ein leeres ‚Nichtraucher‘?
Zweiter, ja. Vielleicht einen Wagen, der nicht zu sehr stößt.“

„No, wir könne wege +Ihne+ nicht dem Herzog von Cambridge sein
Salohwage[220] einstelle,“ erklärte der Grobian im breiten Dialekt
meiner Heimat.

Ich schämte mich für ihn. Er wußte nicht, +wen+ er da so barsch anließ.
Er hatte offenbar das Zirkular[221] nicht bekommen.

Als wir saßen, stellte der große alte Mann die Heizung sofort auf „Sehr
heiß“.

„Siebzig Jahre brauchen Wärme, junger Freund. ... Wissen Sie, ich bin
hauptsächlich deshalb heute abend gefahren -- ich schrieb’s Ihnen schon
--, weil morgen der ganze Festtrubel -- ich fürchte, es wird arg! --
sich in den einzigen Frühzug ergießt. Und dann, wissen Sie, ich kenne
die Leute fast alle nicht, die da kommen werden. Und die wenigsten
kennen mich persönlich. Beim Bankett[222] -- na ja, da werd’ ich unter
Bekannten sitzen. Aber in der Bahn, was soll ich mit den Leuten reden?
Ich werde auch -- uah -- sehen Sie, da haben Sie’s schon, ich werde so
leicht +müde+ beim Fahren -- uah -- dieses Geschuckel und das dumpfe
halbe Licht.. nehmen Sie mir’s nicht übel, wenn ich ein bißchen ...
schlafe?“

„Aber, Meister, nein, o nein! Wo denken Sie hin -- --“

Er hatte meine Erlaubnis nicht abgewartet. Er schlief schon. Er
schnarchte sogar. Recht kräftig für einen Siebzigjährigen.

Zu Anfang dieser Fahrt hatte mich nur der +Stolz+ beseelt. Ich, ich
allein fuhr mit diesem berühmten Mann zu seinem Ehrentag! Morgen
würde der Telegraph zweifellos aller Welt verkündigen, wie er geehrt
wurde von Vertretern der Nation. Vielleicht kam einer, dem besonders
reichliche Depeschenspesen bewilligt waren, auf den preiswerten
Einfall, zu drahten: „Wie ich erfahre, traf der gefeierte Jubilar schon
mit dem Nachtzug in seiner Heimatstadt ein. Inkognito[223] und nur
begleitet von dem sympathischen jungen Schriftsteller...“

Ich fuhr mir stolzbeglückt durch die Haare, die ich mir damals
noch wöchentlich einmal brennen ließ. Der „sympathische junge
Schriftsteller“, der war also ich!

Ich nahm mir vor, sehr freundlich mit allen Leuten zu sein, in deren
Besitz ich Depeschenformulare vermutete...

Allmählich wurde es unerträglich heiß im Coupé[224]. Eine trockene,
atembenehmende Hitze. Ich neige gar nicht zum Transpirieren[225],
aber im Verlauf von einer halben Stunde war ich, mit Respekt[226] zu
vermelden, so naß wie ein Biber, der aus dem Wasser kommt.

Der große alte Mann vertrug offenbar die Hitze sehr gut. Er schlief mit
offenem Mund und schnarchte.

Sonst beneidet das Alter die Jugend um ihren Schlaf. Diese Umkehrung
der Regel war mir peinlich.

Der Zug hielt.

Ich sah hinaus, es war die Universitätsstadt Altburg. Auf dem Perron
gewahrte ich bunte Mützen. Grüne, blaue und violette. Auch ein paar in
Wachstuch gehüllte Fahnen. Bärtige Verbindungdiener liefen hin und her.
Einer riß die Coupétüren auf.

„+Hier+, meine Herren, ist viel Platz. Es sitzen nur +zwei+ Herren
hier.“

„Na, Tönnchen, denn mal rin ins Vergnügen! Wenn’s +dich+ aushält,
kommen wir auch mit!“

„Tönnchen“ wurde mit vielem Jubel hineingeschoben. Er machte seinem
Kneipnamen Ehre und hatte zwei Bänder auf der gewölbten Brust, die mit
seinem kräftig karierten Anzug eine etwas üble Farbensymphonie[227]
ergaben.

Es erwies sich, daß man „Tönnchen“ zu heftig geschoben hatte. Er mußte
sich an etwas halten; und es lag in der ungünstigen Platzverteilung,
daß dieses Etwas das friedliche Gesicht des immer noch schlafenden
Jubilars war.

„Bitte tausendmal um Vergebung...“

Tönnchen entschuldigte sich bei dem Erwachenden durchaus als
Kavalier[228]. Dann donnerte er hinaus: „Der Fuchs, das heimtückische
‚Herzblättchen‘, hat absichtlich zu feste geschoben. Fuchsmajor, laß
mir den Kerl heut’ abend mal zwölf Ganze spinnen. +Dir+ will ich
helfen, Jungchen!... Na, Wolfram von Eschenbach, willst du etwa auf dem
Perron übernachten?“

„Ne, ne! Vorgestern in der Kegelbahn, heute auf’m Perron -- danke...“

„Du, Leibfuchs, sieh doch mal auf meiner Bude nach, da muß noch ein
Brief an meine alte Dame liegen. Der ist wichtig. Wirf ihn ein. Kleb’
aber erst ’ne Groschenmarke auf. Du darfst sie dir von deinem nächsten
Wechsel abziehen.“

„Einsteigen, Mohrenfürst, einsteigen!“

„Ist der Friedrich mit der Fahne in der ‚Dritten‘?“

„Ja. Er hat sich natürlich schon mit dem Zugführer in den Haaren. Die
rote Mütze regt ihn auf.“

„Du, +das+ sag’ ich dir, Leibfuchs, wenn mich morgen bei der
Feier deine Lackstiefel drücken, dann telegraphier’ ich dir einen
Bierjungen!“

„Du, Sophokles, halt’ den Köter fest. Ich kenn’ ihn; im letzten
Augenblick springt er rein. Führ’ ihn morgen ’n bißchen spazieren,
ja? Und erzähl’ ihm von mir. Er hört’s gern. Du, und dann, Sophokles,
er ist mit dem Magen nicht ganz in Ordnung. Gib acht, daß ihm die
Hessen-Friesen morgen beim Frühschoppen nicht wieder ein rohes
Beefsteak dedizieren[229]. Ja? Das machen sie immer, und er kann’s
nicht vertragen.“

„Tönnchen, vergiß nicht, grüße den rasenden Roland von mir. Der ist
sicher dort. Er hält sich für einen deutschen Dichter, seit die
‚Fliegenden‘ einen Gedankensplitter von ihm honoriert[230] haben.“

So ging das hin und her.

Es war ersichtlich: das war eine Deputation zum siebzigsten Geburtstag
Hans Eduard Meßmanns.

Ich weiß nicht, warum mir bei dieser Erkenntnis unbehaglich zumute
wurde. Aber es wurde mir so.

Die drei jungen Leute, die da mit Kappen und Bändern zu uns einstiegen,
waren ja sonst ganz nett und frisch. „Tönnchen“ jovial-fidel[231];
„Wolfram von Eschenbach“ ein wenig müdmodern mit einem Stich in den
Patentfatzke; „Mohrenfürst“ mit besonders dunklem Teint[232], der ihm
seinen Kneipnamen verschafft haben mochte, und frischen Schmissen, die
einen heftigen Jodoformgeruch verbreiteten.

Als sich eben der Zug in Bewegung setzen wollte, kam noch ein
behäbiger, älterer Mann mit einer jungen Dame gesprungen.

„Freund Silen, hurra! Der Pflegevater des Dionys fährt auch mit!“
jubelte der Fuchs, der Tönnchens Köter, einen Hund von vielen Rassen,
an einer knallgelben Lederstrippe führte.

„+Evoë Bacche[233]!+“ ließ sich die ganze Mützenversammlung vernehmen.

„+Hier+ herein, würdiger Herbergsvater!“ entschied Tönnchen.

Und er stieg ein, jubelnd begrüßt, der dicke alte Herr, pustend wie
ein Böcklinscher Meerkentaur[234]. Mit ihm das Töchterchen, reizlos,
wie ein Bügelbrett, aber mit dem gewinnenden Lächeln, das viele
Wirtstöchterlein im Beisein deutscher Musensöhne so anmutig kleidet.

Es war großes Hallo in unserm Wagen, als sich der Zug in Bewegung
setzte. Es ergab sich aus all dem Ulk und Gerede, daß „Silen“ ein
beliebter Weinwirt in Altburg war, und daß die Herren Studenten --
besonders Tönnchen und der Mohrenfürst -- sehr gut mit ihm standen.

Ich hatte mich neben den Jubilar, der inkognito reiste, gesetzt. Auf
größere Entfernungen hätten wir uns nicht mehr verständlich machen
können.

[Illustration]

„Mir scheint, diese Studenten sind eine Deputation zu Ihrem
Jubiläum“, sagte ich so leise, als es eben anging.

Der Dichter nickte, aber er sagte nichts.

„Kinder, hier ist aber eine Hitze, um einen Storch zu braten!“ Mit
diesen Worten ließ Tönnchen das Fenster herunterrasseln.

Der Jubilar zog seinen Pelzkragen hoch. Aber er sagte noch immer nichts.

„Na, alter Silen, fahren Sie +auch+ etwa..?“ Der Mohrenfürst schien das
nicht annehmen zu wollen.

Der Silen aber nickte eifrig. „Ja, ja. Zu dem großen Zauber! Meine
Tochter hat so gequängelt; na, und denn, man lernt auch immer was für’s
Geschäft...“

„Das sind doch noch Grundsätze,“ lobte Tönnchen, indem er dem Silen
kräftig aufs Bein schlug. „+So+ hab’ ich’s gern. Werden Sie denn auch
’ne +Rede+ halten, was?“

Silen, der offenbar leicht zu belustigen war, wollte sich ausschütten
vor Lachen bei diesem Gedanken.

„Ich -- eine Rede? Puh -- was sollt’ ich da wohl sagen?“

„Na, Sie wissen doch,“ sagte Wolfram von Eschenbach ganz ernsthaft,
„daß von diesem alten Hans Eduard Meßmann das schöne Lied von der
‚Wacht am Rhein‘ ist?“

Silen sah etwas unsicher nach seiner Tochter. Die hatte einen roten
Kopf und lächelte.

„Ja --“ sagte er schließlich, „natürlich. Der Mann hat seine
Verdienste!“

„Die hat er,“ bestätigte Tönnchen im Tone eines Leichenredners.

„Wenn ich bloß wüßte, was er +außer+ der ‚Wacht am Rhein‘ noch gemacht
hat?“ Der Mohrenfürst sah sinnend vor sich hin. „Und dann: ist
eigentlich der Text oder die Musik von ihm?“

Nun platzten die beiden los.

„Erlaubt mal,“ wehrte der Mohrenfürst ärgerlich. „Das geht mich doch im
Grunde auch gar nichts an. Ich bin doch Jurist.“

„Bist du auch sicher?“ ulkte Wolfram von Eschenbach. „Ich dachte, du
wärst für Sanskrit[235] und gotische Grammatik eingeschrieben?“

Tönnchen war selig. „Er ist Jurist!“ jubelte er. „Er hat auch bereits
‚juristische Medizin‘ gehört. Ich glaube, Mohrenfürst, du bist ein
‚Heimlicher‘! Du steigst am Ende übermorgen, wenn wir zurückkommen, vom
Trittbrett direkt ins Examen, was?“

„Na Gott, ja, Tönnchen, du hast deinen witzigen Tag. Zugegeben,“
schmollte der Mohrenfürst. „Aber gut wär’s doch, wenn wir etwas von dem
alten Meergreis wüßten, den wir feiern sollen.“

„Erlaube mal, das ist unlogisch[236]. Man feiert am besten, wenn man
+gar nichts+ weiß. Wissen ist schon Kritik[237]. Und alle Kritik ist
der Gegensatz des Feierlichen.“

„Hand aufs Herz,“ bestätigte Wolfram von Eschenbach, „ich weiß von der
ersten Liebe meiner Urgroßmutter väterlicherseits genau soviel wie von
dem Jubelgreis.“

„Das heißt“ -- Tönnchen zwinkerte listig mit den Augen -- „bis auf die
‚Wacht am Rhein‘!“

„Ja, natürlich. Na, +das+ weiß jeder.“ Und dann, zu dem begierig
lauschenden Silen gewandt: „Es soll zuerst ein Roman gewesen sein --
die ‚Wacht am Rhein‘ -- nachher hat er ein Volkslied draus gemacht.“

„Ja, das ist gut,“ meinte der Weinwirt tiefsinnig. „Man merkt sich’s
+so+ besser. In Versen ist besser.“

„Richtig!“ billigte Tönnchen den weisen Ausspruch.

„Aber --“ Wolfram von Eschenbach hatte eine Idee. Er rückte näher zu
der Tochter Silens und vollendete mit seelenvollem Augenaufschlag: „--
aber vielleicht weiß das Fräulein besser Bescheid. Willst du genau
erfahren, was alles in der Welt erdichtet wird, so frage nur bei edlen
Frauen an, sagt Schiller...“

„Goethe!“

Der Jubilar hatte es ganz ruhig, aber laut vor sich hingesprochen.

Eine kurze Stille.

„Danke!“ sagte Wolfram von Eschenbach mit höflicher Verneigung. Dann
wieder zu dem errötenden Mädchen: „Darf ich also nach diesem schönen
Wort +Goethes+“ -- abermalige Verbeugung nach dem Jubilar hin -- „das
Fräulein bitten, uns Barbaren aus dem Schatze seiner Weisheit zu
belehren -- --?“

[Illustration]

„Ach nein,“ wehrte sie schüchtern, „ich weiß gar nichts. Ich bin ja
morgen +bloß Festjungfrau+.“

Abermals tiefe Stille.

Dann ließ sich Tönnchen mit Würde vernehmen. „Es ist richtig.
Festjungfrauen stehen außerhalb des Betriebes. Festjungfrauen haben
niemals gewußt, worum es sich handelt.“

Der Mohrenfürst hatte seinen Humor wiedergefunden. Er erhob sich und
tat, als ob er ein gefülltes Spitzglas hebe und einen Trinkspruch
ausbringe:

„In diesem Sinne, meine Herren, erheben wir das Glas und trinken
auf das Wohl aller hier im Coupé anwesenden Festjungfrauen!“ --
und er zählte: „Eine, zwei, drei, vier, fünf --“ und dann mit
Liebenswürdigkeit zu dem Jubilar und mir: „gestatten Sie, mein Herr,
daß ich Sie mitzähle?“

„Bitte!“ nickte der Jubilar des morgigen Tages sehr freundlich.

„Also: sechs, sieben. Es leben die sieben hier versammelten
ahnungslosen Festjungfrauen!“

„Hurra -- hurra -- hurra!“

Wir fuhren langsam in den Bahnhof ein. Den Bahnhof der Vaterstadt von
Hans Eduard Meßmann, der sich „die dauernde Dankbarkeit des Volkes
erworben, das ihn voll Stolz aus seiner Mitte hervorgehen sah.“ So
sagte das Zirkular.

       *       *       *       *       *

Sehen Sie, Hans Eduard Meßmann, der stets geschätzte Lyriker und große
Epiker, wurde am nächsten Morgen siebzig Jahre alt.

Aber dies war erst seine vierundsiebzigste Nacht!

Ich bin kein Mathematiker, aber mir kommt vor, da stimmt was nicht.

[Illustration]

[Illustration]



Wilhelm Schäfer:

Die Béarnaise.


+Wilhelm Schäfer+ ist am 20. Januar 1868 in dem hessischen Orte
Ottrau geboren, kam aber kurz darauf an den Rhein, dem sein späteres
Dasein und Dichten fast ausschließlich angehörte. Heute lebt er als
Herausgeber der vornehmen „+Die Rheinlande+“ auf eigener Scholle in
Vallendar a. Rh. Jahrelang hat er als Lehrer am Niederrhein gewirkt,
bis ihm ein Stipendium der Cottaschen Verlagshandlung die Freiheit zu
Reisen und Studien verschaffte.

Seine erlesenen Erzählungsbände erscheinen bei Georg Müller in München
und sichern dem Dichter einen besonderen Platz in der modernen
deutschen Literatur. Seine Werke liegen auf der mittleren Linie
zwischen aktenmäßiger +Geschichte und historischem Roman+. Sie sind
weder Photographien noch Gemälde, sondern gleichen gewissermaßen
vornehmen, fein empfundenen Kunstphotographien. Wie Kleist im „Michael
Kohlhaas“ reinigt er seinen Stoff von allem zufälligen Beiwerk und übt
so auf dem Gebiet der Prosaerzählung eine Tätigkeit aus, die der Arbeit
unserer großen Tragiker im Drama ähnlich ist.

In unserer Novelle steigert sich die Komik zur Groteske. Im Mittelpunkt
steht der höchst unkönigliche Bürgerkönig Louis Philipp, kurz vor
seiner Flucht aus dem revolutionären Frankreich im Jahre 1848. Prächtig
ist die Scheinwelt des dekadenten Königshofes in Verbindung gebracht
mit dem Flitterwesen wandernder Zirkusleute. Wie anschaulich weiß
Wilhelm Schäfer uns alles vor Augen zu führen, Menschen und Dinge,
Landschaft, Dorf und Kleinstadt! Aber der Dichter gibt mehr als
bloße Schilderung. Er leuchtet tief hinein in die geschichtlichen
Zusammenhänge. Louis Philipp ist 1848 dem Fluch der Lächerlichkeit
zum Opfer gefallen, den kein Fürst ungestraft auf sich lädt. Unsere
Erzählung läßt das vorausahnen und ist so gewissermaßen ein Vorspiel
der kommenden Revolution. Und Jean Mourier, der mächtige Zauberer, ist
zugleich ein Prophet des großen Schicksals, das Länder und Fürsten
regiert.

    M. G.



[Illustration]



Die Béarnaise.


Es kommt wohl vor, daß eine Laune wie eine Witterung auf Dörfer,
Städte, Landschaften und ganze Völker fällt; so daß, wo gestern alles
noch im Gang der Tage, in Pflicht und schuldigem Respekt die Arbeit
tat, auf einmal eine Spottsucht ausbricht, die keinen ohne Schaden an
seiner Würde vorüber läßt. So muß es damals in Saargemünd gewesen sein,
als Ludwig Philipp, dem dicken Bürgerkönig, sein Mißgeschick begegnete,
davon ihn das Gelächter noch begleitete, als er in einer Mietskutsche
das undankbare Frankreich verlassen mußte. Der Anlaß freilich war seine
Sparsamkeit und daß ihn die ins Durcheinander mit einem Zirkus brachte,
der sich vor der gleichen Spottsucht am Tage vorher aus Saargemünd nach
Hundlingen gerettet hatte.

Wenn dunkle Nacht in den Gassen und auf den felsigen Waldbergen lag,
wenn die qualmenden Öllampen ihr rotes Licht auf einen dichtgedrängten
Ring der Zuschauer warfen, wenn die Messingstangen magisch leuchteten
und die Stricke dick und flockig schienen in dem Licht, wenn die
beleibte Medenella mit den Resten ihrer Reitkunst die edlen Pferde
geängstigt hatte und ihr Sohn Camillo auf dem Kopf stehend über ein
straff gespanntes Seil gerutscht war, höllisches Feuer dazu speiend,
wenn in den Händen seiner Geschwister Blechteller begehrlich rasselten
und die Drehorgel wehmütig quarrte: dann hatte nicht wie sonst der
Beifall sich in Sousstücke aufgelöst. Und wenn endlich Jean Mourier,
der Zirkusvater, sein Meisterstück mit den fünf edlen Pferden machte,
die er mit nichts als einem grünen Stein behexte: dann hatten sie
sein heiseres Kauderwelsch belacht wie einen albernen Spaß. Obwohl
es so viel Zuschauern vordem jahrein jahraus ein Stück zum Staunen
gewesen war, wie er gespenstisch auf der grünbehangenen Tonne inmitten
stand und die fünf edlen Pferde zum Takt der Béarnaise[238] im Kreis
herum stolzieren ließ: Nello voran, den sieghaften Schimmel, der
seine Schenkel wie die Königin von Saba mit edlen Schritten hob. Bis
plötzlich da, wo die drei schweren Baßtöne das Finale einleiteten,
der Mourier den Stein hoch hob, den grünen Stein aus Malachit mit
eingeschnittenen Schlangenköpfen, und die Verwandlung eintrat:

Nello, der so stolz geschritten war, fing an zu hinken und schleppte
die Füße kaum noch fort, die schwarze Sylva drehte sich im Walzer
mit ihren dicken langbehaarten Beinen, Mariette, der wie ein Kalb
gefleckte Pony, ging als ein Grislybär wild in die Hinterbeine, die
braune Lisette fing an zu scharren wie ein Schatzgräber, und Pierre,
der hochbeinige Goldfuchs, dessen Schönheit den Schimmel Nello fast
überstrahlte, brach in die Kniee, wie wenn ihm irgendwer mit einem
Messer hindurchgeschnitten hätte. So mußten sie in einer traurigen
Gruppe bleiben, die erst so edel im Kreis gelaufen waren, bis die drei
gellenden Läufe der Musik den Schlußakkord erreichten und Mourier den
Stein in seinem grünen, glasperlenbesetzten Talar verschwinden ließ.

Das war der große Schluß des Abends, und niemals hatte der Mourier
danach vergebens mit dem Blechteller gerasselt; bis er in Saargemünd so
übel anlief und sich vor der Seuche böser Spottlust seitwärts in die
Berge und zu den Bauern schlug.

Nach einer schlimmen Fahrt auf regenweichen Wegen war er nach
Hundlingen hinaufgekommen von Saargemünd und hatte rasch das Dorf um
seinen grünen Wagen und die Schabracken seiner edlen Pferde versammelt.
Hier stand die Sonntagssonne wieder hell am Himmel, hier gab es keine
Lacher, mißtrauisch gemacht durch dreiste Zweifel, hier waren die
Sousstücke besonders dick, weil man die blankgescheuerten nicht kannte.

[Illustration]

Um vier Uhr fing er mit seinem Umzug an. Voran zu Fuß mit schmetternden
Trompetentönen Camillo im feuerroten Trikot, hinter ihm mit dicken
Beinen die schwarzbehaarte Sylva, zwei weitere Kinder Medenellas
auf dem Rücken mit goldpapierenen Engelflügeln, dann das gefleckte
Kälbchen Mariette mit der Trapezkünstlerin Camilla, hierauf Lisette,
die braune, mühsamer schreitend unter dem Wust von Rosatüll, in dem die
Zirkusmutter schwitzte, dann endlich Nello, der sieghafte Schimmel,
Nello mit ihm selber, dem Hexenmeister Mourier, der mit gespreizten
Fingern den grünen Stein hochhielt; zuletzt Pierre mit einem Affen in
großer Uniform als General.

Die sinkende Herbstsonne übergoß den bunten Plunder mit einem gütigen
Schmelz, rot und schwitzend folgten die Hundlinger den schmetternden
Klängen und drängten fast die Dorfstraße auseinander: da scholl ein
Peitschenschlag und das Getrapp von müden Pferden. Um die Waldecke
-- man sah am dicken Kirchturm vorbei den Weg hinauf -- kamen Reiter
in Uniform, vor zwei Kutschwagen her. Die reichlich überraschten
Bauern drängten rückwärts gaffend den Festzug gegen den Brunnen, daß
er nicht weiter konnte; so dicht gestaut, daß auch die Reiter halten
mußten. Die Wagen fuhren gleichfalls auf, und während noch der Mourier
verachtungsvoll von seinem Schimmel nach den abgetriebenen Postpferden
der Ankömmlinge sah, öffnete sich im vordersten Wagen auch schon ein
Fenster. Ein dickes freundliches Gesicht sah auf den Festzug und die
fünf edlen Pferde und winkte nach den Reitern. Die ritten eilfertig
hinzu und spähten gehorsam nach den Pferden, an denen die dicke Hand
etwas zu zeigen schien: auf die gutgepflegten Pferde des Mourier, die
nirgendwo saftigeres Futter gefunden hatten als an den Wegen hier. Wenn
das nun ein Präfekt[239] war? Oder ein Gouverneur?[240]

Doch war es noch viel schlimmer. Es waren zwei Generäle und zwei
Minister, mit einem dicken König, der es liebte, so bürgerlich zu
reisen. Heute abend wollte er in Saargemünd einreiten und brauchte
dafür Pferde, die gutgenährt und frischer als die seinen waren. So
traf er mitten in dieser Ländlichkeit, wo nur mit Ochsen oder Kühen
gepflügt und gefahren wurde, den Mourier mit den fünf edlen Tieren und
fiel mit königlichem Vorrecht darüber her. In fünf Minuten hatten die
Zirkusleute einen Schwall von Flüchen und königlichen Befehlen über
sich ergehen lassen müssen, der Mourier und seine Medenella, Camilla
und die beiden Goldengel waren mit allem Plunder aus den Sätteln
entfernt, selbst Joko, der Affe, hatte seinen Goldfuchs einem andern
General herleihen müssen. Aneinander gekoppelt wie zum Handel trappten
die edlen Pferde hinter den königlichen Wagen her, den Weg hinab nach
Saargemünd.

Oben auf dem Kirchplatz blieben die Verlassenen zurück inmitten einer
nun auch von der Spottsucht angegriffenen Menge. Medenella mußte sich
mit ihrem schönen Tüll auf den nassen Brunnentrog setzen, die beiden
Engel rafften mit allen Fingern ihre goldgenähten Gewänder hoch, die
rothaarige Camilla aber ließ trotzig ihre kostbaren Säume durch den
klebrigen Schmutz schleifen, Camillo hielt seine Trompete in der Hand
wie einen streitgerechten Morgenstern; Joko der Affe hockte neben
seiner Herrin auf dem Brunnentrog und ließ die blauen Schöße seiner
Uniform betrübt ins Wasser hängen: Alle aber sahen mit bösem Blick
hinunter, wo die stolzen Hälse ihrer Pferde auf und nieder ruckten im
schnellen Trab, bis sie verschwanden hinter herbstlichen Bäumen.

Jean Mourier saß auf dem Bock des zweiten Wagens, bis an die schwarzen
Felsen der Tournette. Da hatte der Weg das Wiesental der Saar erreicht
und ging nun durch die Ebene im langen Bogen um die Felsen herum
nach Saargemünd. Die rote Sonne hing tief in den Bäumen, als sie da
waren. Die Reiter sprangen ab, die Wagen hielten und rasch begann ein
Schauspiel, das dem Mourier als Zirkuskünstler seltsam bekannt war: Aus
dem vordersten Wagen kletterte der König mit zwei braunen Männern, von
denen der eine lang, der andere kurz und sehnig war. Aus dem zweiten
stiegen umständlicher ein Bürger mit Gichtbeinen und ein Männchen
mit einer großen Hornbrille aus. Die stellten kollegialisch[241]
eine Gruppe mit dem König, gähnten, schüttelten sich und reckten
die gelähmten Glieder. Dann zeigten sie hinunter nach den ersten
Häusern von Saargemünd, lachten und fingen an, auf offener Straße
die bürgerlichen Mäntel auszuziehen. Die Kutscher mit den Reitern
schleppten aus dem Wagen Röcke, Federhüte und Schärpen aller Art heran.
Aus dem Dürren und dem kleinen Sehnigen wurden vor den Augen Mouriers
Marschälle in großer Uniform, das Männchen und der Bürger mit den
Gichtfüßen bekamen goldene Ordensketten umgehängt und Federhüte auf
den Kopf. Der dicke König selber war kaum zu sehen vor lauter Gold und
Orden.

Die Pferde wurden gleichfalls geschmückt mit Federbüschen und
schuppigen Zügelketten. Bald ließ der König sich als erster in den
Sattel heben; er plumpste auf den sieghaften Schimmel Nello, daß der
Mourier an seine Medenella dachte. Der kleine Marschall bestieg den
Goldfuchs und der große die schwarze Sylva. Der Minister mit den
Gichtfüßen wurde auf die braune Lisette gesetzt und das ängstliche
Männchen mit der Brille auf den gefleckten Pony Mariette. Die beiden
Reiter -- auch sie hatten langwehende Büsche auf den Kopf bekommen --
ritten vorauf, zum Schluß folgte der eine Kutscher mit dem kräftigsten
der Postpferde, der andere sollte zur Bewachung der Wagen bleiben.

Als dem Jean Mourier die Pferde so feierlich hinunter schritten, von
denen er nicht wußte, wann er sie wiedersah, blieb er nicht mehr
zurück. Er raffte den Talar und lief den Grashang zu den schwarzen
Felsen hinauf. Wo nur ein Splitter vorstand, fand seine Hand den
Griff. Der lange Kutscher spektakelte ihm nach und fiel in einen
Brombeerstrauch. Er spuckte ihn von oben an und halfterte sich weiter,
bis er vom Grat hinunter sah auf Saargemünd, auf die Dächer und den
Marktplatz mit dem verkropften Amtshausturm. Er hörte Böller schießen
und sah den König an der Brücke, wie er auf seinem Schimmel Nello mit
dem Gefolge feierlich einritt. Der Mourier merkte, daß er noch immer
barhäuptig im Talar mit Glasperlen war, dazu mit rotgefärbtem Haar,
doch sprang er Stein für Stein und tückisch lächelnd, bis er mit wilden
Sätzen hinunter an die Saar kam, an einer flauen Stelle hindurch und
über eine Mauer in einen Obstgarten, zwischen Buchsbaumhecken her in
eine krumme Gasse, wo schon die Fahnen wehten und Menschen standen,
durch sie hindurch und über eine Treppe auf den Marktplatz, wo das
Getümmel anfing.

Am alten Amtsgebäude standen die Musikanten bereit zum Blasen, und
unten zupften die Amtsherren ihre Kragen zurecht. Doch kicherte die
Spottsucht vor dem König her und hing sich dem Gefolge mit Gelächter
an. Die Saargemünder hatten das gefleckte Kälbchen Mariette und danach
auch die anderen Pferde vom Mourier erkannt. So ritt der König erregt
und unruhig statt feierlich heran. Nur die Ratsherren merkten nichts;
sie gingen ihm entgegen mit entblößten Häuptern und brachten ihm auf
rotem Samtkissen die Schlüssel ihrer Stadt -- obwohl er längst darin
war -- und den Ehrentrunk in einem silbernen Hahn.

Schon setzten die Musikanten ihre Hörner und Klarinetten an, als der
Mourier mit großen Sätzen an die Treppe sprang:

„Die Béarnaise! der König will die Béarnaise!“

Die Musikanten setzten erschrocken wieder ab, der Kapellmeister
klopfte. Die Noten seines Einzugsmarsches blieben auf den Pulten, aber
was sie spielten, waren die Klänge des wohlbekannten Gassenhauers.
Die Wirkung war, wie wenn ein höherer Tanzmeister als der König einen
Ball befohlen hätte. Als erster spitzte Nello die edlen Ohren und
setzte sich in Trab. Die andern folgten im engen Zirkuskreis über den
steinichten Marktplatz. Die Amtsherrn durften ihre Blicke nicht von
dem Antlitz ihres dicken Königs wenden; so drehten sie sich mit im
Kreis, als zögen sie die Pferde an einer Schnur und immer stürmischer
um sich herum. Bald mußte der Minister mit der Brille sich an den Hals
der hopsenden Mariette klammern, und der andere griff in die Mähne der
Lisette.

Bis endlich da, wo die drei schweren Baßtöne das Finale einleiteten,
die Vorführung ihrer schönsten Künste begann: der sieghafte Schimmel
Nello mit dem König hinkte schwer und konnte kaum noch fort; die
schwarzbehaarte Sylva mit dem langen Marschall begann zu walzen und
drehte sich wollüstig um den Schimmel im Kreis herum, das gefleckte
Kälbchen Mariette ging wild in seine Hinterbeine, daß der kleine
Minister wie ein Säckchen Hafer an ihm herunter rutschte auf die
spitzen Steine; die braune Lisette fing an zu scharren wie ein
Schatzgräber, und Pierre, der hochbeinige Goldfuchs, brach in die Kniee
und stellte den kleinen Marschall kopfüber auf den Federhut.

Die festlichen Einwohner von Saargemünd mit ihren Amtsherren waren
über diese Aufführung so erschrocken, daß ins Gelächter rund um sie
ein leeres Loch kam. Nur die Musikanten spielten erbärmlich weiter,
bis die drei Läufe endlich den Schlußakkord erreichten und die Pferde
standen. Da erst kam soviel Vernunft in diese Amtsherren, daß sie zum
König sprangen, der wütend von dem sieghaften Schimmel Nello herunter
wollte, daß sie dem kopfstehenden Marschall auf die Füße halfen und dem
sitzenden Minister. Sie mußten auch den andern mit den Gichtfüßen durch
die Kellertür unter der Freitreppe rasch in das Amtshaus tragen, weil
der König vor den Blicken seiner Untertanen dahin eingelaufen war.

Kaum aber war die Tür geschlossen, als ein Spottruf das Gelächter von
neuem weckte. Dem Mourier war ein wilder Einfall gekommen, als er in
der weiten Tasche seines Talars den Blechteller fand. Er lief umher
und hielt ihn hin; und nun war keiner, der den Sou[242] zurückhielt,
und alles schrie und lachte und johlte dem Mourier zu, der mit der
frechsten Miene nachträglich in Saargemünd die längst verdiente Ernte
hielt.

[Illustration]

Dem König mußte wohl der Hohn- und Bravoruf der Menge bedenklich
geworden sein; er hatte sich danach erkundigt und einer von den
Amtsherren war zu dreist im Lügen: von seiner Ungezogenheit beschämt,
riefe das Volk nach ihm. Und er, dem seine dicken Beine noch zitterten
von dem konfusen[243] Ritt, war so verwirrt, daß er mit huldvoller
Gnade auf den Balkon hinaustrat. Da stand der Mourier in seinem grünen
Talar und hielt dem König auch seinen Teller hin, daß die Sousstücke
nach allen Seiten aufs Pflaster klapperten. Und der König, der mit
verstörtem Antlitz heruntersah, den grünen Menschen nicht mehr kannte,
auch sonst die Sache noch immer nicht begriff: er warf ihm eine von den
gefüllten Börsen zu, die er für solche Zwecke stets bei sich trug. Dann
wurde das Getöse auf dem Marktplatz so wild, daß sich der König seinem
Volk ratlos entzog.

Jean Mourier, der Zirkuskönig, schüttete den Teller in seine Taschen,
raffte noch so viel, wie er im Handumdrehen erraffen konnte, pfiff
seinem Schimmel Nello, sprang auf, und ritt mit den fünf edlen Pferden
durch das Gedränge und den Lärm davon. Gleich an der Brücke nahm er
Galopp und rastete nicht, bis er in tiefer Dunkelheit nach Hundlingen
kam. Da brannten wie sonst die Öllampen, und der tapfere Camillo
machte ein armseliges Kunststück nach dem andern. Er ritt mit seinen
nassen Pferden mitten in den Kreis, daß Weiber und Kinder auseinander
kreischten, riß die Deichsel unter den Rädern heraus, und vor den
enttäuschten Augen der Zuschauer von Hundlingen verschwanden Stricke
und Messingstangen, Öllampen und Medenella in dem grünen Wagen, der im
Fackellicht durch den Wald hinauf den nächsten Weg zur Grenze fuhr.

Am andern Morgen war der Zirkus schon im preußischen Saarbrücken. Er
kehrte auch nicht wieder nach Frankreich zurück, als dem Jean Mourier
in Aachen die Nachricht zukam, daß Louis Philipp, diesmal in einer
Mietskutsche, sein undankbares Land verlassen hatte.

[Illustration]

[Illustration]



Karl Schönherr:

Die erste Beicht’.


+Karl Schönherr+, geboren 1867 zu Axams in Tirol, ist durch und
durch ein +Heimatdichter+. Mit Recht hat Peter Hamecher diesen
Poeten aus der Provinz in scharfen Gegensatz gestellt zu den etwas
müden, dekadenten Dichtern der österreichischen Hauptstadt, einem
Hofmannsthal, Schnitzler u. a. Der Arzt und Psychologe Schoenherr
hat schon in der kleinen Sammlung „+Schuldbuch+“ mit bitterem Ernst
und scharfer Beobachtungsgabe Gestalten und Zustände seiner Tiroler
Heimat festgehalten. Bereits hier, mehr aber noch in der vielgelesenen
Sammlung „+Aus meinem Merkbuch+“, tritt uns der liebevolle Beobachter
alles Tüchtigen, Ernsten und Kernhaften entgegen. Früh zeigte sich, daß
seine kraftstrotzende Gestaltungsgabe den Rahmen der Novelle sprengte
und zum +Drama+ hindrängte. Hier erst fand er Erfüllung und rechte
Gestaltung.

Wie derb und wuchtig stehen diese Tiroler Männer und Frauen aus alter
und junger Zeit vor unseren Augen! Gern gönnte man den +Schiller-
und Grillparzerpreis+ diesem Dichter, der es verstand, lebensvolle
Menschengestalten von fast antiker Einfachheit und Größe hinzustellen.
Aber derselbe Mann arbeitete auch mit jener bohrenden Seelenforschung,
die an nordische Schriftsteller erinnert. --

In seinen Schauspielen begegnen uns häufig so recht jungfrische
Lausbuben. Ein solcher ist auch der kleine Held unserer Erzählung. Man
sieht ihn förmlich vor sich, den kleinen Sünder, wie er die Brocken
für seine Beichte zusammenklaubt. Wir begleiten ihn an den Beichtstuhl
des sackgroben Pfarrers und erschrecken mit dem Buben, als urplötzlich
das irdische Strafgericht hereinbricht, just in dem Augenblick, da die
himmlische Vergebung erlangt zu sein schien. Und von ganzem Herzen
gönnen wir dem tückischen Simele seinen „vollgehämmerten Buckel.“

    M. G.



[Illustration]



Die erste Beicht’.


Das gehörte zum Schrecklichsten, was der zehnjährige Knirps bisher in
seinem Leben mitgemacht hatte -- die Gewissenserforschung.

Ihr müßt aber nicht glauben, daß ich der Lump dieser Geschichte bin.
Taufen wir also den Buben kurzweg -- „Hansl“, damit das Kind einen
Namen hat.

Die Mutter hatte für den Hansl schon in aller Früh’ beim Krämer einen
großen Bogen Schreibpapier eingekauft, und einen Bleistift Nr. 1.

„Hansl“, sagt sie dann, von der Frühmesse heimgekommen, „da setz’ dich
jetz’ her zum Tisch, mit dem G’sicht gegen das Kruzifix! Da hast
Papier -- hoffentlich langt’s -- und jetzt denk’ einmal ernstlich nach,
was du schon alles getrieben hast! Schreib’ dir’s fein auf, die groß’n
Brock’n und auch die klein’, auf daß du deine Sach’n beinander hast für
die erste Beicht’ heut’ nachmittag! So, jetzt laß i dich allein!“

Dann begab sich die Mutter mit schlürfendem Tritt in die Küche und
hantierte dort herum; aber viel stiller als sonst, um den Gewissen
erforschenden Hansl in der Stube drin ja nicht zu stören.

Also; da sitzt er jetzt, der Hansl! Eigentlich klebt er nur an der
äußersten Kante des Stuhles. Bald nagt er am Bleistift, bald, wenn
ihm ein großer „Brock’n“ einfällt, fährt er sich ins Haar, das wie
Strohgarben aus seinem Kopfe schießt.

Hin und wieder schleifte er mit der aufgestellten Hohlhand blitzschnell
über die Tischfläche und, wohlgemerkt, nie vergebens. Jedesmal zog er
zwischen den sich vorsichtig öffnenden Fingern eine oder auch mehrere
Fliegen hervor, er drückt ihnen heute bloß die Köpfe ein, Flügel und
Füße läßt er in anbetracht der bevorstehenden Beichte ungeschoren.

Wie er nun so seine paar Jahre im Geiste an sich vorüberziehen ließ,
kam ihm der helle Schweiß auf die Stirn. Lumpereien tauchten da vor dem
Hansl auf; grün und blau wurde ihm vor den Augen.

Und dazu machte die Uhr im Kasten:

Wart’ -- wart’ -- wart’ -- wart’!

Am schwersten drückte ihn die getigerte Katze der Pfarrersköchin.
Diese Tigerkatze hatte er vor einem halben Jahre in aller Stille ganz
kunstgerecht stranguliert und den Leichnam im Hühnerstall aufgehängt.

„Wie du mir, so ich dir!“

Denn der Hansl war ein Vogelnarr, eine Katze hatte ihm einmal seine
singende Freude erwürgt. Darum hatte er diesen „Luderviechern“ allsamt
den Tod geschworen.

Hinter dem nahen Holunderstrauch hatte er nach vollbrachter Moritat
gepaßt, bis die Häuserin den Hühnern das Futter brachte. Diese
wutverzerrten Züge und schauerlichen Grimassen der überdickleibigen
Pfarrersköchin mit der kaffeebraunen Warze neben der Nase -- o, da
überläuft heute noch den Hansl ein wonniges Gruseln.

.... Dem Stangenbauer seinen Peitschenstiel abgebrochen... schrieb er
weiter auf den Sündenzettel.

.... Dem Innsbrucker Boten zwei volle Kornsäcke angeschnitten...

.... Der Mutter mit einem Strohhalm die Milch aus den Schüsseln
gesaugt...

So schrieb er; eine Lumperei nach der andern.

Erst gestern noch hatte er das mit dem Strohhalm gemacht. Auf die Weise
brachte er es zustande, daß die Rahmschicht obenauf unversehrt blieb,
und darunter schwand die Milch. Die Mutter -- sonst nicht abergläubisch
-- glaubte schon an Hexerei.

[Illustration]

Der Hansl riet ihr, das Milchstübel vom Pfarrer „aussegnen“ zu lassen.

O, der Hansl war ein Früchtl!

Erst als er sich bis hoch in die Dreißig hineingeschrieben hatte, ging
es langsamer; und endlich fiel ihm nichts mehr ein. Er las fünf, sechs
Mal das ganze Register durch, damit er in Übung komme, nicht etwa im
Beichtstuhl stecken bleibe und so den Pfarrer noch giftiger mache, als
es ohnehin schon vorauszusehen war.

Schließlich setzte er getreulich den vollen Namen unter das
Sündenprotokoll, und das Datum. Dann wickelte er den sorgsam
zusammengefalteten Zettel in sein Schnupftüchel und steckte es in den
Hosensack.

Das Mittagessen, Dampfnudel mit kalter Milch, schmeckte dem Hansl heute
nicht so gut wie sonst. Die Milch rührte er gar nicht an; sie erinnerte
ihn zu lebhaft an die Geschichte mit dem Strohhalm. Er getraute sich
auch nicht, der Mutter ins Gesicht zu schauen; denn nun trug er es
schriftlich in der Tasche herum, daß er ein ganz nichtsnutziger Junge
sei.

„Hast recht große Brock’n?“ forschte die Mutter.

„Hm! So mittelt durch“, meinte der Hansl kurz nebenhin, und ließ sich
nicht weiter ein.

Nach dem Essen schlich er sich in die Schule und von dort gemeinsam mit
den anderen Buben unter Aufsicht des Lehrers in die Kirche.

Dort ging es bald los. Der Pfarrer „saß“ schon, als der jugendliche
Büßerzug daherkam. Ein Knirps nach dem andern betrat reuig und
ängstlich den Beichtstuhl, um ihn mit protziger Sicherheit wieder zu
verlassen.

Es ging wie auf dem Schnellsieder. Die Bürschlein hatten ihre wenigen
lumpigen Sünden fein sauber abgeschrieben und lasen sie herunter wie
ein Kapitel aus der Bibel.

Das Aufschreiben hatte der Pfarrer selbst den Buben angeraten:

„Nur alle Sünden fein aufschreiben, Bübeln; damit ihr ja nix vergeßt!
Wenn ihr erst einmal all’s bereut und einbekennt habt, dann sollt ihr
erst sehen, was das für ein Gefühl ist; so ring und federleicht; man
kann’s nit beschreiben; man kann’s nur fühlen!“

Schwer ging’s dem Hansl mit Reue und Vorsatz. Mitten darin plagten ihn
immer wieder weltliche Gedanken.

„Die Braung’fleckte, dö die Häuserin jetzt hat; wenn i nur die amal
dertapp’n tät’; der wollt’ ich den Kragen zuschnüren; na, vielleicht
erwisch’ ich sie morgen...“

Endlich traf’s ihn; den strohhaarigen, verschmitzten Hansl. Mit
schlotternden Knieen wankt er in den Beichtstuhl. Schon hat der Pfarrer
das kleine Türchen aufgemacht; der Hansl soll beginnen. Der aber sucht
und sucht -- nach dem Sündenzettel.

Der Pfarrer wurde schon ungeduldig: „Kreuztibidomine! Fang einmal an!“

Der Hansl, krebsrot im Gesicht, stiert in allen Säcken herum, beutelt
sein Schnupftuch hin und her, und muß endlich als erstes bekennen:

„I find’ meine Sünden nimmer!“

„Ah! Hast die Tabell’n verlor’n; Saggramentsbua!“

Der Pfarrer half dann aber doch nachsichtig und liebevoll dem
Gedächtnis des Hansl nach.

Da kam zuerst zagend die Katzengeschichte; dann schlüpften die
Kornsäcke herfür; und schließlich haspelte der Hansl seine Sündenlast
nur so herunter. Nichts vergaß er, es waren ja lauter typische Fälle.

Als er zu Ende war, wartete er den Pfarrer ab; mutig, mit Fassung.
Was wollte der auch machen! Schreien durfte er nicht; da wäre das
Beichtgeheimnis in Gefahr; nach den Ohren oder dem Schopf langen konnte
er nicht, denn da war ein engmaschiges Gitter dazwischen.

Ja, von dem Gitter war der Hansl schon ganz besonders befriedigt. So
eine Einrichtung! So fürnehm und ausgesucht praktisch.

Gar so böse war der Pfarrer nicht einmal. Betreffs der Katze fragte er
bloß:

„Hast das Viech gepeinigt?“

„Na! G’rad’ ein bissel aufg’hängt!“

Weiter ward kein Sterbenswörtchen über Muinz und Maunz gesprochen.

[Illustration]

Ja, es dünkte den Hansl im Dämmerlicht, als hätte der Pfarrer dazu gar
ein bissel geschmunzelt.

„Die Braung’fleckte werd’ i auch nit leid’n lass’n; ’s Hängen geht
g’schwind, und i bin schon in der Übung,“ dachte sich der Hansl, als er
nach Verrichtung der Buße froh aus der dämmerigen Kirche ins Freie trat.

Wie er aus dem Friedhof schritt und neben dem Pfarrhof abschwenkte,
überwältigte ihn das Wohlbehagen. Es war ihm so federleicht. Er machte
einen Luftsprung.

Aber er war noch nicht mit beiden Füßen wieder auf dem Boden, da
hatte ihn schon die massige Häuserin beim Kragen; zerrte ihn mit
wutfunkelnden Augen die zwei Schritte gegen den Holzschuppen.

Dort ergriff sie ein Scheit.

„Also du bist’s g’wes’n!... Du hast meine Tigerkatz’ umbracht! Da
hast!“ kreischte sie und hieb auf den Hansl ein. Immerzu schrie sie:

„Da hast! Da hast!“

Und der Hansl hatte von ihr doch nichts verlangt.

Aber sie gab und gab.

Der Hansl brüllte, daß die Hennen vor dem Schuppen angstvoll
aufgackernd auseinanderstoben.

„I tu’s g’wiß, ganz g’wiß nimmer!“

Auf solche Art erweckte die Pfarrersköchin noch nachträglich in dem
Hansl Reue und Vorsatz.

Endlich warf sie das Scheit wieder zu den andern und den Hansl aus dem
Schuppen. Während er sich erhob, um schleunigst das Weite zu suchen,
ertönte vom niederen Dache ein spöttisches Miau der braungefleckten
Katze. Aber der Hansl lief und dachte nicht ans Hängen.

Wie kam die zu der Katzengeschichte?

Der Hansl hatte schon früher öfters die Pfarrersköchin gedankenlos eine
alte Hex’ geschimpft.

Jetzt hätte er’s beschwören können. Das war die hellichte Hexerei!

Als er heimkam, wartete schon die Mutter vor der Haustür. Die Hände
hatte sie nach rückwärts zusammengeschlagen, als hielte sie dort etwas
verborgen, was nicht jeder Mensch zu sehen brauche.

„So, Bübl, bist da,“ begrüßte die Mutter den Jungen auffallend scharf.
„Jetz’ komm’ nur in die Stub’n!“

Drinnen kam der Stecken zum Vorschein.

„Wart’, Bürschl, deine Spitzbübereien mit dem Strohhalm! Jetz’ will i
einmal +dich+ aussegnen; vielleicht hilfts dann im Milchstübel!“

Und dann ging die ergrimmte Mutter über den Hansl.

Die Häuserin hatte sich hauptsächlich auf den Rücken des kleinen
Sünders beschränkt. Die Mutter ging -- praktisch wie die Mütter sind
-- um einen Schritt weiter. Und gründlich nahm sies, das muß man ihr
lassen.

„Hm! Es ist doch ein’ recht schöne Sach’ um das Beichtgeheimnis“,
dachte sich der Hansl; „und das Gefühl nach der ersten Beicht’ ist auch
recht schön!“

Dann kroch er mehr, als er ging, durch die Hintertür auf die Wiese;
legte sich hart am Zaune ins feuchte Gras. Der grüne, feuchte Rasen
kühlt. Der Hansl fühlte instinktiv, was ihm nottat. Zerschlagen an
allen Gliedern, wie er war, schlief er bald ein.

Ein schmerzhaftes Ziehen und Reißen im Kopfe erweckte ihn bald wieder.

Die Ursache davon war nicht etwa eine Erkältung, wie man meinen möchte;
sie trug einen viel bestimmteren Charakter.

Der klapperdürre, geizige Stangenbauer war schon auf der Suche nach
dem Peitschenstielverderber gewesen. Und wie er so spähend um das Haus
schlich, entdeckte er ihn hinter dem Zaun.

Da schob nun Stanger knieend, mit fest aufeinandergekniffenen Lippen,
vorsichtig seine beiden Fangarme durch die Lücke des Zaunes. Dann faßte
er, immer noch leise hantierend, Hansl’s Ohren und Kopf zwischen die
krallenartig umgebogenen Hände. Ganz so wie die Köchin den großen
Suppenhafen an den Handhaben anpackt. Erst als der Bauer beiderseits
festen Griff hatte, fing er an, symmetrisch[244] anzuziehen. Daher das
Gefühl des Reißens in Hansl’s Kopf. Der Hansl schrie:

„Auweh! Meine Ohr’n!“

Der Stanger sekundierte[245] grimmgemut:

„Auweh! Mein Peitschenstiel!“

Weiter sprach er kein Wort; er grinste nur. Aber es hatte den Anschein,
als ob er sich darauf kaprizieren[246] würde, Hansl’s dicken,
kugelrunden Kopf durch den handbreiten Zaunspalt zu zerren. Als er
endlich nach geraumer Zeit seine Krallenfinger öffnete, da waren
Hansl’s Ohren so blaurot wie zwei Truthahnkämme.

So war der Hansl noch nie malträtiert[247] worden wie heute. Und der
Pfarrer hatte ihnen eingeredet, die Seligkeit nach der ersten Beichte
sei nicht zu beschreiben, die müsse man fühlen.

Der Hansl bedankt sich schön! Er wünscht dem Pfarrer auch solche
unbeschreiblichen Gefühle.

Am nächsten Morgen konnte er sich kaum zur Kommunionbank[248]
schleppen, so steif und schmerzhaft waren seine Glieder. Und eine
erschreckliche Nervosität hatte ihn befallen. Bald vermeinte er die
Klauen des Stangenbauern an seinen Ohren zu verspüren oder er fühlte
die salbungsvollen Hiebe der Mutter mit dem Birkenen.

Nach der Kommunion machte sich Hansl heim, so schnell er konnte. Es zog
wieder sachte, sachte die Liebe zum Leben ein. Denn zu Hause erwartete
ihn heute gewiß nicht mehr der Stecken, sondern Kaffee und „Guglhupf“
mit großen „Zibeb’n“[249].

Der Hansl hat alles „putzweg“ aufgegessen. Aber +stehend+
verzehrte er das Frühstück. Die Mutter lud ihn zwar immer zum Sitzen
ein:

„Hansl, setz’ dich! Mach’ dir’s kommod![250] Tragst uns ja den Schlaf
aus!“

Aber der Hansl schüttelte den Kopf:

„Der birkene Segen von gestern wirkt noch!“

Als nach und nach Hansl’s Ohren abzuschwellen begannen und auch Mutters
„Segen“ allgemach die Kraft verlor, kam ihm wieder der Verstand. Und da
brachte er es leicht heraus, daß der verlorene Sündenzettel für ihn so
verhängnisvoll geworden war.

Der Flatscher-Simele, so was man sagt, ein guter Freund, hatte den
„Zettel“ gefunden, und war damit sofort wie ein Leichenbitter von Haus
zu Haus gelaufen, um Hansl’s Missetaten an die richtigen Adressen zu
befördern. Hatte auch zur Erweisung seiner Behauptung überall den
Zettel mit Hansl’s eigenhändiger Unterschrift vorgewiesen.

Der Hansl hat aber dann ein gut Teil jener „seligmachenden Gefühle“,
die seine erste Beichte in ihm ausgelöst, an den Simele weitergegeben,
und ihm den Buckel vollgehämmert.

[Illustration]

[Illustration]



Ludwig Thoma:

Kabale und Liebe.


+Ludwig Thoma+, 1867 in Ober-Ammergau geboren, hat sich auf den
verschiedensten Gebieten umgetan, im Schauspiel, Lyrik und Prosa, von
der kleinen Skizze bis zum Bauernroman. Tod den Philistern -- das
ist vielleicht die beste Losung für sein vielseitiges Schaffen. Aus
dieser Stimmung heraus wurde er der Mitbegründer von „+Simplizissimus+“
und „+März+“, zwei Zeit- und Streitschriften im Kampf gegen allerlei
Vorurteile und Engherzigkeiten. Schlemihl-Thoma hat die Geißel
bitterer Satire so kräftig geschwungen, daß sein Ruf als Dichter fast
Schaden litt. Er leuchtete hinein in moralische Mißstände und soziale
Verkehrtheiten. Am liebsten aber zog er immer wieder blank im Kampf
gegen engherzige Parteipolitiker und heuchlerisches Pfaffentum. Mit
heller Freude haben wir seine Briefe eines ländlichen Abgeordneten
gelesen. Verhältnisse und Persönlichkeiten seiner bayrischen Heimat,
die der frühere Rechtsanwalt von Grund aus kennt, weiß er uns so
lebendig vor Augen zu führen, daß wir sie zu sehen glauben. Und doch
sind diese Dachauer Bauerngestalten Schöpfungen höchster Kunst wie
jene Gestalten auf Leibl’s Gemälden, die man nie wieder vergißt.

Diese Verbindung von Naiv-Einfachem mit hoher Kultur tritt uns höchst
reizvoll in unserer Novelle „Kabale und Liebe“ entgegen. Matthias
Claudius, der Wandsbecker Bote, auch ein Meister im Volkston, hat
einmal eine Aufführung von Lessings „Minna von Barnhelm“ behandelt vom
Standpunkte eines naiven Zuhörers, der alle Vorgänge auf der Bühne
so lebhaft und leibhaftig mitempfindet, als ob sie sich wirklich vor
seinen Augen zutrügen. Turgenjeff ist dann in seiner Novelle „Faust“
einen Schritt weiter gegangen. Er schildert die starke, verhängnisvolle
Wirkung, die Goethes Faust auf ein Gemüt ausübt, das zwar naiv und
von der Kultur noch unberührt, aber für künstlerische Eindrücke stark
empfänglich ist. Etwas Ähnliches mag +Thoma+ vorgeschwebt haben.
Das Ergebnis der Aufführung von Schillers „Kabale und Liebe“ ist
eine kräftige Prügelei der beiden Liebhaber. Das Stück war eben für
die kleine Stadt zu leidenschaftlich gewesen. Das hatte der Herr
Oberamtsrichter von Anfang an gesagt.

    M. G.



[Illustration]



Kabale und Liebe.


Sie zeigte sich lieblich zu ihm und erweckte ihm Hoffnungen, die waren
grün wie Buchenlaub. Es war aber zur Zeit der Schneeschmelze, daß Anton
sie kennen lernte, an einem Feierabend, nachdem er sich den Ruß von
Gesicht und Händen abgewaschen hatte. Er ging den Schloßberg hinauf und
wußte nicht, warum er so seltsam bewegt war. Alle Rippen dehnten sich
unter der Weste, und die Füße hoben sich von selber und marschierten
dem Frühling entgegen.

Wo aus, du junger Schlossergeselle?

[Illustration]

Immer weiter hinaus, wo das Glück sein muß. Es war aber ganz nahe und
bog um die Ecke und schaute Anton aus zwei blitzblauen Augen an.

Ei, guten Abend, Fräulein Babette, und so spät noch um den Weg? dachte
er; denn was ein Dürnbucher Jüngling ist, faßt sich nicht so leichthin
das Herz, ein zierliches Frauenzimmer anzureden.

Er ging der Allerfeinsten nach und füllte sich mit Sehnsucht nach ihr,
und als ihm das gleiche noch mehrere Tage geschehen war, wollte es sich
schicken, daß er in ein Gespräch mit ihr kam.

Und Jungfer Babette Warmbüchler, eines Spenglermeisters Tochter, zeigte
sich lieblich zu ihm.

Es nahm alles im Stillen und Heimlichen seinen Fortgang, und die
Leidenschaft des Jünglings schlich an des Meisters Tür vorbei über
knarrende Stiegen an einen Gartenzaun.

Dort legte sich Antons Schatten über die Wiese und gesellte sich zu
einem anderen in mondhellen Nächten.

Wie herrlich war die Welt in diesem liebreichen Sommer!

Niemals zuvor hatten die Grillen lauter gezirpt, niemals hatte das Heu
so geduftet, niemals hatten die Sterne heller gefunkelt.

Und Anton durfte die Darbietungen der Natur mit frohem Gewissen
entgegennehmen, denn das Ideal stand unberührt in seinem
Herzensschrein; er wollte als bildungsbestrebter Jüngling seinem
Mädchen poetisch nahen und wandelte auf schüchternen Fußspitzen im
Liebesgarten umher.

Er besprengte die kostbare Blume der Jugendneigung mit
allerzierlichsten Redensarten und mußte doch eines Tages sehen, daß sie
verwelkt war.

Jungfer Babette wandte sich von ihm ab.

Es traf damit zusammen, daß ein neuer Apothekerprovisor als auffällige
Erscheinung in Dürnbuch einzog; ein Mann, der gekräuselten Haares
hinter der Ladenbuddel[251] stand und mit dem Maul nicht weniger
Süßigkeiten vergab als mit den Händen. Wie er in brauner Sammetjoppe,
den Schlapphut verwegen nach links geschoben, durch die Gassen
schritt, war er sogleich ein gefährlicher Rivale[252] für jeden
Handwerksgesellen.

Was half es, daß Anton sich an Sonntagen mit der schwarzen
Turnerkravatte auftat und goldene Fransen auf die Brust baumeln ließ?
Herr Provisor Elfinger trug eine künstlermäßige Lavaliere[253], die
unterm Adamsapfel einen beträchtlichen Knoten schlang und nach zwei
Seiten ins Freie schweifte.

Und was konnte ein ehrlicher Schlosser in die Wagschale werfen gegen
ihn, der alle wohlriechenden Wässerlein zu verschenken hatte und selber
roch wie der Stöpsel einer Eau de Cologne-Flasche?

Es war nicht verwunderlich und es war nicht das erstemal, daß
unscheinbare Tüchtigkeit vor dem glanzvollen Nichts zurückstehen mußte.

Jungfer Babette kam nicht mehr an den Gartenzaun, und Anton saß in
seiner Kammer und schaute über die Dächer zum Nußbaum hinüber, unter
dessen Zweigen er glücklich gewesen war.

Er nahm ein Büchlein zur Hand, das hatte einen blauen Einband, und
darauf stand mit silbernen Buchstaben: Lebensweisheit in Versen.

Er blätterte darin und fand ein Gedicht, welches seiner Trauer angepaßt
war.


+Lenz und Herbst.+

    Die Blumen weinten in der Maiennacht
    um des geschiednen Tages süße Wonne.
    Der Morgen kam. O sieh die Tränenpracht!
    Zu Diamanten schuf sie um die Sonne.
    Zur Herbstnacht stand die Blumenschar betaut,
    die Tränen hat kein Sonnenstrahl getrunken,
    sie wurden Reif, und eh’ der Morgen graut,
    sind welk die Blumen alle hingesunken.

„Sind welk die Blumen alle hingesunken“, wiederholte Anton und schrieb
die Verse auf ein Blatt und legte es zu unterst in seinen Koffer und
wußte nun, daß seine Trauer über die Maßen poetisch war. --

Das Folgende war auf der ersten Seite des Dürnbucher Anzeigers zu lesen:

„Erlaube mir, einem hohen Beamtenkörper, sowie Magistrat und
verehrlichem, kunstliebendem Publikum ergebenst anzuzeigen, daß ich
nur mehr wenige Tage dahier mit meinem Theater verbleiben werde, und
dürften die letzten Vorstellungen einem besonderen Interesse begegnen,
indem ich bemüht bin, trotz erheblicher Kosten dem allseits geäußerten
Wunsche nach den Darbietungen unserer Klassiker entgegenzukommen.
Heute wird das so lebenswahre und ergreifende Trauerspiel „Kabale und
Liebe“ von Friedrich von Schiller gegeben. Die Rollen sind auf das
vorteilhafteste besetzt und sehe einem zahlreichen Besuche entgegen.

    Jakob Weindl, Theaterdirektor.“

Bezugnehmend auf obige Anzeige möchten wir nicht verfehlen, unsere
kunstfreudigen Mitbürger ganz besonders auf den heutigen Theaterabend
aufmerksam zu machen. Ist doch „Kabale und Liebe“, dieses ewig junge
Werk unseres Nationaldichters, ungemein geeignet, durch den rührenden
Kampf der Unschuld mit dem Laster immer wieder die Herzen zu ergreifen,
und dürfte niemand das Theater unbefriedigt verlassen.

    Die Redaktion.“

Der Lammbräusaal war angefüllt mit solchen, denen der Hinweis auf den
verstorbenen Nationaldichter genügte; besonders waren die billigen
Plätze dicht besetzt. Aber es fehlte auch nicht an Honoratioren[254],
unter welchen man den Oberamtsrichter Trollmann bemerken konnte,
welcher sich vormals in Regensburg zu einem schätzbaren Theaterkenner
ausgebildet hatte. Er schenkte seine Unterhaltung dem quieszierten[255]
Lehrer Furtner, von dem man eine nachfolgende Besprechung der
Klassikervorstellung um so mehr erwarten durfte, als er die
Theaterkritik für Dürnbuch übernommen hatte. Aus der zweiten Reihe
drang ein angenehmer Geruch hervor, weil darin der Apothekerprovisor
Elfinger saß, welcher durch ein Opernglas aus kurzer Entfernung auf
Jungfer Babette Warmbüchler hinsah, jedoch auch andere Bürgermädchen
in das Prisma[256] nahm. Wenn er das Glas niedersetzte, vollführte
er mit gelben Glacéhandschuhen Bogen und Kreise, oder brachte seine
Locken in eine verführerische Situation[257], oder tat irgend etwas
anderes, was die Damenwelt in Schwingung setzte und den ehrlichen
Turnern und Handwerksgesellen im Parterre die Galle aufregte. Unter den
besser Plazierten[258] fiel weiterhin der Lohgerber Weiß durch seine
riesige Gestalt auf und durch das tiefe Seufzen, welches er schon vor
Beginn hören ließ; denn es war ihm erzählt worden, daß die Sache einen
traurigen Ausgang nehmen werde, und er war von der butterweichsten
Art, aber ein leidenschaftlicher Freund der Bühne. Nahe bei ihm saß
die Spediteurswitwe Karoline Tretter, welche eine Lebenstragödie[259]
hinter sich hatte, weil ihr verstorbener Mann in die Hände einer
leidenschaftlichen Näherin gefallen und als Vater eines so entstandenen
Kindes ruchbar geworden war und damit das Glück einer zwanzigjährigen
Ehe zertrümmert hatte, wenn schon ihn der Tod bald darauf von seinem
Schuldbewußtsein erlöste. In der Witwe blieb ein ungemeiner Schmerz
hängen, aber auch ein so wunderbarer Spürsinn für alles Sündhafte, daß
sie auf jeder Preissuche eine höchst lobende Erwähnung davongetragen
hätte. Sie hatte es momentan[260] gegen den Apothekerprovisor Elfinger,
und indem sie seinem Opernglase folgte, sammelte sie halbe und ganze
Verdachtsbegründungen. Es wäre von den bekannteren Bürgern noch der
Hutmacher Zehetmaier zu erwähnen, welcher immer und überall und wo er
nur konnte, über die Aristokratie[261] schimpfte und die Vorrechte der
Geburt mit demokratisch ätzender Lauge übergoß. Im Parterre standen
die Minderbemittelten, und vor allem die jungen Leute, und es war der
Turnverein „Altvater Jahn“ vollzählig erschienen, weshalb man auch den
Schlossergesellen Anton bemerken konnte. Er sah ohne Opernglas jedes
Mienenspiel der Jungfer Babette und warf darum die allerdüstersten
Blicke um sich und versengte mit ihnen die samtene Weste des
Apothekerprovisors Elfinger. Es fehlte also nicht an Leidenschaften
und Gefühlen im Lammbräusaale, und die Worte unseres Nationaldichters
konnten auf gepflügten Boden fallen.

Der Vorhang ging in die Höhe, und aller Augen wandten sich der Bühne
zu. Herr Direktor Weindl in eigener Person stellte den Musikus
Miller dar; seine Frau Marie spielte abwechselnd die Lady Milford
und die Millerin. Als prächtige Buhlerin des Herzogs trug sie einen
großgeblümten Schlafrock und vergoldete Ballschuhe; als Millerin
schlang sie einen dunkeln Schal um die Schultern und schlürfte in
Filzpantoffeln über die Bühne. Auch im Tone wußte sie die beiden
Frauengestalten gut auseinander zu halten und brachte bald eine
vornehme Üppigkeit und bald das bürgerliche Wesen vor die Lampen.
Fräulein Therese Weindl spielte die Luise in gedämpftem Tone, und das
war vorteilhaft, weil die Nähte des Kleides unter ihrem üppigen Busen
ohnedies einen schlimmen Abend verbrachten. Der Sohn des Direktors,
Herr Franz Weindl, kam als Ferdinand und wirkte als Liebhaber wie als
Militär durch Kanonenstiefel und einen gelben Schnurrbart. Obwohl die
übrigen Rollen weniger günstig besetzt waren, indem insbesondere dem
Sekretär Wurm ein auffälliger Spitzbauch im Wege stand, wirkte doch die
Dichtung sogleich auf ein kunstliebendes Publikum. Die rauhen Worte des
Musikus Miller gefielen und stärkten das bürgerliche Selbstbewußtsein,
und als dann hinterher der Präsident Walter mit seiner lästerlichen
Hochnäsigkeit ankam, ging ein Murren von der ersten Reihe bis zur
Saaltüre.

„Bürgercanaille“, sagte er. Der Hutmacher Zehetmaier lachte grimmig
auf, und die braven Burschen vom Altvater Jahn rekelten sich.

„Daß er der Bürgercanaille den Hof macht, meinetwegen Empfindungen
vorplaudert, das sind Sachen, die ich verzeihlich finde; spiegelt er
der Närrin solide Absichten vor -- noch besser.“

Stand es so? Müssen ehrbare Bürgerskinder zum Vergnügen herhalten? Alle
ergrimmten; am meisten Anton. Er kannte so einen, der Flatterien[262]
vorsagte und Geschmack an schönen Mädchen zeigte.

Die Entrüstung im Saal legte sich, als man im Hofmarschall Kalb einen
waschechten Junker und dumme Vorurteile verlachen konnte, und die
ernste Unterredung Ferdinands mit seinem Papa zeigte, daß es auch in
diesem eingebildeten Stande ordentliche Leute gibt.

„Umgürte dich mit dem ganzen Stolz deines Englands -- ich verwerfe dich
-- ein deutscher Jüngling!“

Das gab ein Bravo beim Altvater Jahn und ein Patschen in harte Hände,
daß der Vorhang wieder und wieder in die Höhe gehen mußte. „Wie sind
Sie zufrieden?“ fragte der Lehrer Furtner. „Ich wiederhole, was ich
schon immer sagte,“ antwortete Oberamtsrichter Trollmann, „es ist ein
Fehlgriff der Direktion. Dieses Stück ist für ein ganz anderes Publikum
geschrieben und erweckt hier nur gewisse Instinkte[263].“ -- „Aber als
klassisches Stück?“ -- „Klassisch hin, klassisch her. Ich sage, es ist
nicht für Dürnbuch. Diese Leute betrachten es nicht historisch, sondern
ziehen die Ereignisse in die Gegenwart. Haben Sie das einfältige Lachen
bemerkt, als der Hofmarschall auftrat?“ Furtner nickte zustimmend und
nahm sich vor, von diesen Gesichtspunkten einiges für seine Kritik zu
verwenden. Der zweite Akt begann, und Frau Weindl nahm im geblümten
Schlafrock reizende Stellungen ein und zeigte den Dürnbuchern, wie sich
die schönen Weiber gehaben, welche unsere Fürsten auf Abwege bringen,
und deren Launen wir Untertanen bezahlen müssen. Freilich, diese Lady
war gutherzig und wollte die Edelsteine nicht annehmen, welche mit dem
Glücke von siebentausend Landeskindern bezahlt waren. Niemand kann eine
dukatengespickte Börse vornehmer in den Hut eines Kammerdieners werfen,
als es Frau Weindl tat, aber ihre Freigebigkeit machte keine Wirkung.
Ein lautes Bravo, ein Bravo aus tiefem, gepreßtem Herzen ertönte,
wie der Kammerdiener die große Summe mit Verachtung zurückwies. Die
Spediteurswitwe Karoline Tretter war es, und als man sich nach ihr
umdrehte, nickte sie kräftig mit dem Kopfe, um zu zeigen, daß sie
auf ihrem Beifall bestehen bleibe, und einen Mann achte, der von
liederlichen Frauenzimmern nichts haben wolle. Sie kannte ja auch diese
Sorte, und sie mußte nur bitter lachen, als Frau Weindl den Fluch des
Landes nicht mehr in den Haaren tragen und den Erlös ihres Schmuckes
unter die Armen verteilen wollte. Schwindel!

Aus dem prächtigen Salon der fürstlichen Geliebten ging es wieder zum
Musiker Miller, und die Dürnbucher hielten den Atem an, als ein
finsteres Schicksal über die braven Leute kam.

[Illustration]

Der Lohgerber Weiß wischte sich dicke Schweißtropfen von der Stirne,
wie nun der Vorhang über die Szene der frechsten Unterdrückung gefallen
war, und alle anderen schwiegen erschüttert.

Nur der Apothekerprovisor mußte zeigen, daß er Spiel und Wirklichkeit
nicht verwechsle; er stand auf und ging zu Jungfer Babette hin und
brachte sie dazu, auch ihrerseits über das trauervolle Auditorium[264]
ein höchst frivoles[265] Lachen anzuheben.

Anton sah es und nahm einen fressenden Zorn in den dritten Akt hinein,
der wahrhaftig nicht dazu angetan war, einen ehrlichen Burschen
abzukühlen. Was gab es für schmerzverzerrte Gesichter! Wie fühlte sich
jeder in seinem Glücke bedroht, wenn solche Dinge in der Welt geschehen
konnten und sich alles gegen treue Liebe verschwor! Auch harte Männer,
welche ihre stürmischen Gefühle längst in die Ehe gebettet hatten,
mußten weinen, als Luise den verhängnisvollen Brief schrieb, den der
schuftige Sekretär diktierte. Der Lohgerber Weiß war völlig gebrochen
und preßte die riesigen Hände ineinander und ließ sein Wasser hilflos
rinnen, und wie die Seelenqual auf der Bühne immer ärger wurde, hielt
er keinen Seufzer mehr an und arbeitete so furchtbar von innen heraus,
daß es eine schauerliche Begleitung zu Luisens Vernichtung bildete.

Mit wuchtigen Schritten eilte die Tragödie vorwärts. Niemand hörte
mit so schmerzenden Ohren das Dröhnen des Schicksals wie Anton, der
immer mehr in Ferdinand von Waller sein Ebenbild sah, und der ganz in
der Lage und in den Umständen war, mitzuknirschen gegen den Verrat
an seiner Liebe. „Bube! Wenn sie nicht rein mehr ist! Bube! Wenn du
genossest, wo ich anbetete! schwelgtest, wo ich einen Gott mich fühlte!
Dir wäre besser, Bube, du flöhest der Hölle zu, als daß dir mein Zorn
im Himmel begegnete! Wie weit kamst du mit dem Mädchen? Bekenne!“

Ha, du geschniegelter Hofmarschall, oder nein, du pomadisierter und
bisamduftiger Apothekerprovisor, jetzt geladene Pistolen und ein
Schnupftuch zwischen dir und Anton, und du solltest Gott danken, Memme,
daß du zum erstenmal etwas in deinen Hirnkasten kriegtest!

Fühlst du die brennenden Blicke, Babette Warmbüchler, welche aus dem
dunklen Parterre hervor nach dir schießen, und weißt du, was du aus
dem dort gemacht hast? Sie wußte es nicht und sie dachte an nichts
dergleichen, sondern hing während der zermalmenden Geschehnisse ihre
Gedanken an einen blauseidenen Gürtel, welchen ihr Herr Elfinger
heute geschenkt hatte. Die anderen Mädchen im Saale stellten sich mit
Luise vor Lady Milford hin und sagten ihr so gründlich die Meinung,
wie sie ein anständiges Bürgerkind einem solchen Frauenzimmer sagen
muß, wenn es um den Liebsten geht, aber Babette Warmbüchler dachte an
einen blauseidenen Gürtel; und als der Vorhang fiel und es wieder hell
im Saal wurde, rümpfte sie verächtlich die Nase über die weinenden
Menschen und lachte zu Herrn Elfinger hinüber.

Verloren, ja! Unglückselige, du bist es.

Und der Jammer häufte sich im Lammbräusaale und akkompagnierte[266] den
Musikus Miller, als er seiner Tochter die Schrecken des Selbstmordes
malte, und hundert Herzen drängte es, dem rasenden Major die Wahrheit
zu sagen über diesen unglückseligen Brief, und hundert Herzen baten
Luise, doch endlich den aufgedrungenen Eid zu brechen. Doch sie
schwieg. Und dann ging ein tiefer und langer Seufzer durch den Saal.
Luise war tot. Gestorben an der vergifteten Limonade.

Zu spät, daß Ferdinand seinem Vater Flüche ins Antlitz schrie, zu spät,
wie immer, daß die Polizei eingriff und den schurkischen Präsidenten
und den noch gemeineren Sekretär Wurm verhaftete. Der Vorhang fiel.

Die Dürnbucher standen auf und verließen den Saal; jedoch der Lohgerber
Weiß blieb noch sitzen, in Vernichtung, und rang nach Luft und
verwischte mit seinem blaukarierten Schnupftuch alle Spuren seines
Seelenkampfes und ging als der letzte hinaus. Die Zuschauer eilten
durch den dunkeln Hausgang auf den Stadtplatz, wo sie aufatmend inne
wurden, daß noch alles am rechten Platz stände, die Heimatstadt,
ihre Wohltätigkeit und ihr Familienglück. Niemand bemerkte den
Schlossergesellen Anton, der aus einer dunkeln Ecke das Tor überwachte
und sah, wie der Apothekerprovisor der Jungfer Babette folgte und in
eine Nebengasse bog.

Er schlich ihnen nach. Indessen schritt Furtner neben Trollmann und
sagte, daß ihn die Dichtung doch in einem gewissen Banne gehalten habe.
„Das schon,“ erwiderte Trollmann, „und ich verkenne durchaus nicht die
Vorzüge dieses Werkes, aber die Leute sind nicht gebildet genug, um
Wahrheit und Dichtung auseinanderzuhalten. Es sind doch sehr starke
Ausfälligkeiten darin.“

„Sie meinen den Hofmarschall Kalb?“

„Ich meine überhaupt die Prinzipien[267], und die Rolle, welche man den
Herzog spielen läßt.“

„Aber vielleicht waren die Zustände früher weniger geordnet?“

„Früher! Das ist es eben. Ich sehe den historischen Hintergrund, Sie
sehen ihn auch. Aber die anderen werden aufgehetzt.“

„Ja ja,“ sagte Furtner, „in dieser Beziehung muß ich Ihnen recht geben.“

„Heutzutage, wo ohnehin jede Autorität...“

Trollmann sperrte seine Haustüre auf.

„Wo ohnehin jede Autorität... also gute Nacht, Herr Lehrer!“

„Gute Nacht, Herr Oberamtsrichter!“

Furtner ging tiefsinnig heim und überlegte, wie diese Bedenken in der
Einleitung zu verwerten waren.

Und indessen geschah etwas am Gartenzaune bei Warmbüchler, was die
Befürchtungen Trollmanns bestätigte.

Elfinger hatte Abschied von Babette genommen und schritt so leichtfüßig
heim, wie nur ein Jüngling schreiten kann, dem sein Mädchen unter
Küssen das Unerlaubte versprochen hat.

Er hüpfte und hielt die Nase siegesgewiß zum Sternenhimmel empor und
forderte den Mond auf, noch auf einen so verfluchten Kerl zu scheinen,
wenn er es fertig bringe.

Da tönte ein Halt.

Anton sprang vor und faßte den Provisor an der Lavalierekrawatte und
legte seine Finger um den Adamsapfel. Wie sie zittert, die Memme!

„Wie weit kamst du mit dem Mädchen?“

Und eine harte Schlosserfaust schlug drauflos und ruinierte[268]
eine Menge Schönheiten und raufte zierliche Locken aus und brachte
Backenzähne in Unordnung.

„An meine Blume soll mir das Ungeziefer nicht kriechen, oder ich
will es so, und so, und wieder so durcheinanderquetschen.“ Und in
die Haselnußstauden hineinschmeißen, daß es aus einem Provisor und
Ebenbild Gottes zur blau und grün überlaufenen Jammergestalt wird.

Und so war es klar, daß Friedrich von Schiller für das gegenwärtige
Dürnbuch zu leidenschaftlich wirkte.

[Illustration]



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Wildenbruch, Ernst Zahn usw.


Nachstehend ein kurzer Auszug aus unserem „Hausbücherei“-Verzeichnis.

    =Eyth, Max=: Geld und Erfahrung. (Humor. Erzählung.)

    =Finckh, Ludwig=: Rapunzel. 31.-50. Tsd.

    =Franzos, Karl Emil=: Geschichten aus Halbasien.

    =Huggenberger, Alfred=: Bauernland. Mit Bildern.

    =Jürgensen, Jürgen=: Kongo-Geschichten. Mit Bildern.

    =Keller, Gottfried=: Ursula. Mit Bildern.

    =Kriegsgeschichten=: Detlev v. Liliencron, Th. Fontane u. a.

    =Lindau, Rudolf=: Morgenland und Abendland.

    =Musikergeschichten=: K. Söhle, R. H. Bartsch, Schmidtbonn.

    =Scheffels „Ekkehard“.= 3 Bände in 1 Band. Mit Bildern.

    =Schmitthenner, Adolf=: Treuherzige Geschichten. 1.-10. Tsd.

    =Weihnachtsbuch, Deutsches.= (Doppelband 2 M.) 21.-30. Tsd.
    Dasselbe in elegantem Geschenkband mit Goldschnitt 4 M.

    =Wichert, Ernst=: Die Schwestern. Mit Bildern.

    =Zahn, Ernst=: Der Schatten. Mit Bildern.

Ausführliche Verzeichnisse versenden wir kostenlos!

Teuerungszuschlag 20%.

Deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung

Hamburg-Großborstel.


Buchdruckerei Richard Hahn (H. Otto) in Leipzig.



Deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung Hamburg-Großborstel. Oktober 1918

[Illustration: VA. 18. 11.]

Gute billige Bücher

(Für die Jugend geeignete Bücher sind mit * versehen.)


Hausbücherei

=Gebunden=, jeder Band in sich abgeschlossen 1 M., =Vorzugspreis
für 11 Bände, auch gemischt, nur 10 M.=

☛ Teuerungsaufschlag 100%. ☚

    1. =Kleist, Heinr. von: Michael Kohlhaas.= Mit 7 Bildern.
    _26.-40. T._

    *2. =Goethe: Götz v. Berlichingen.= Mit Bild Goethes. _11.-15. T._

    *3. =Deutsche Humoristen Band 1=: P. Rosegger, W. Raabe, Fr. Reuter
    und A. Roderich. _71.-90. T._

    4. =Deutsche Humoristen Band 2=: Cl. Brentano u. a. _56.-65. T._

    *5. =Deutsche Humoristen Band 3=: Hans Hoffmann, Otto Ernst, Max
    Eyth, Helene Böhlau. _56.-70. T._

    6-7. =Balladenbuch Band 1=: Neuere Dichter. _31.-40. T._

    8. =Kurz, Hermann: Der Weihnachtsfund.= _11.-15. T._

    9. =Novellenbuch Band 1=: C. F. Meyer, E. v. Wildenbruch, Fr.
    Spielhagen, Detl. v. Liliencron. _46.-60. T._

    10. =Dorfgeschichten= (+Novellenbuch+ Band 2). Vergriffen!

    11. =Schiller: Philosophische Gedichte.= Ausgew. u. eingel. von
    Prof. E. Kühnemann. Mit Bild Schillers. _6.-10. T._

    12-13. =Schiller: Briefe.= Ausgew. v. Prof. E. Kühnemann.
    _6.-10. T._

    14. =Geschichten aus deutscher Vorzeit= (+Novellenbuch+ Band 3): A.
    Schmitthenner, J. J. David, W. Hauff. _26.-35. T._

    *15. =Seegeschichten= (+Novellenbuch+ Bd. 4): J. Nettelbeck, W.
    Jensen, Wilh. Poeck, Johs. Wilda u. a. _41.-50. T._

    16. =Auswahl aus den Dichtungen Eduard Mörikes.= Vergriffen!

    17. =Heine-Buch.= Vergriffen!

    18-19. =Goethes ausgewählte Briefe.= Vergriffen!

    *20-21. =Deutsches Weihnachtsbuch.= Eine Sammlung der schönsten u.
    beliebtesten Weihnachtsdichtungen in Poesie u. Prosa. _41.-50. T._

    22. =Frauennovellen= (+Novellenbuch+ Band 5). Vergriffen!

    23. =Kindheitsgeschichten.= Vergriffen!

    *24. =Kriegsgeschichten=: H. v. Kleist, W. v. Conrady, M. v. La
    Roche, D. v. Liliencron, Th. Fontane u. a. _31.-40. T._

    *25-26. =Balladenbuch Band 2=: Ältere Dichter. _11.-20. T._

    *27. =Immermann, Karl: Preußische Jugend zur Zeit Napoleons.=

    28. =Luther, Martin als deutscher Klassiker.= _16.-25. T._

    29-30. =Deutsche Humoristen Band 4/5.= Vergriffen!

    31. =Deutsche Humoristen Band 6.= (Humor. Erzähl.) _31.-50. T._

    *32. =Eyth, Max: Geld und Erfahrung= (humoristisch). _41.-50. T._

    *33. =Uhland, Ludwig: Ausgewählte Balladen und Romanzen.=

    34. =David, J. J.: Mährische Dorfgeschichten.= _11.-15. T._

    *35. =Finckh, Ludwig: Rapunzel.= _71.-90. T._

    36. =Auer, Grethe: Marraksch.= (6 Jahre in Marokko.) _16.-25. T._

    37. =Wichert, Ernst: Die Schwestern.= Vergriffen!

    38. =Musikergeschichten=: K. Söhle, R. H. Bartsch. Vergriffen!

    39. =Ertl, Emil: Der Salto mortale.= Mit Bildern. _11.-20. T._

    *40. =Jürgensen, Jürgen: Kongo-Geschichten.= (7 Jahre in Afrika.)

    41. =Reuter, Christian: Schelmuffskys kuriöse Reisebeschreibung=
    (humoristisch). Mit Bildern. _21.-30. T._

    *42. =Die deutschen Lande in der Dichtung Band 1=: Deutschland. Mit
    16 Zeichnungen von Walter Strich-Chapell. _21.-40. T._

    43. =Zahn, Ernst: Der Schatten.= Mit Bildern. _31.-40. T._

    *44. =Schmitthenner, Adolf: Treuherzige Geschichten.= _31.-50. T._

    45. =Hoffmann, Hans: Die Teufelsmauer und andere Erzählungen.=

    *46. =Streicher, Andreas: Schillers Flucht von Stuttgart.= Mit
    Bildern. _1.-10. T._

    *47. =Hebbel, Friedrich: Die Nibelungen 1=: Der gehörnte Siegfried.
    Siegfrieds Tod. Mit Bildern. _1.-10. T._

    *48. =Hebbel, Friedrich. Die Nibelungen 2=: Kriemhilds Rache. Mit
    Bildern. _1.-10. T._

    49. =Deutsche Humoristen Band 7=: Enking, Greinz, Thoma u. a. Mit
    Bildern. _31.-40. T._

    50. =Huggenberger, Alfred: Bauernland.= Vergriffen!

    51-52. =Müller-Guttenbrunn, Ad.: Deutscher Kampf.= Vergriffen!

    53. =Paquet, Alfons: Der Sendling.= Vergriffen!

    54. =Franzos, Karl Emil: Geschichten aus Halbasien.= _1.-20. T._

    *55. =Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm.= _1.-20. T._

    *56. =Müllenhoff: Schleswig-Holsteinische Sagen und Märchen.= Mit
    Bildern. _1.-20. T._

    *57. =Postl, Karl: Die Prärie am Jacinto.= Mit Bildern. _1.-20. T._

    58. =Keller, Gottfried: Ursula.= Mit Bildern. _1.-30. T._

    59. =Lindau, Rudolf: Morgenland und Abendland.= Mit Bildern.

    60. =Deutsche Humoristen Band 8=: Bierbaum, Fock, Presber, Schäfer,
    Schönherr, Thoma. Mit Bildern. _1.-20. T._

    *61-63. =Scheffel, Josef Victor von: Ekkehard.= Mit 35 Bildern von
    Ludwig Berwald. 6.-- M., in Lederband 40 M. _1.-40. T._

    64. =Bock, Alfred: Schicksal und Schelme.= Mit Bildern.


Schmuckausgaben auf ausgewählt gutem Papier, in +prächtigem Einband+
(meist Leder) mit Goldschnitt sind zum +Preise von je+ 8 Mark
hergestellt von: Bd. 6-7, 12-13, 18-19, 20-21, 25-26, 29-30, 51-52. Bd.
38 = M. 6.--, Bd. 39 = M. 4.--, Bd. 61-63 in Lederband mit Goldschnitt
M. 40.--.


Kleinod-Romane

    1. =Enking, Ottomar: Das Pünktlein auf der Welle.= Mit Einleitung
    von Prof. Gregori und Bildern von Ludwig Berwald. Gebd. M. 6.--.
    Der Eichenkranz.

[Illustration]

Teuerungsaufschlag 50%.

[Illustration]

*1. Müller, Fritz: +Fröhliches aus dem Krieg.+ Mit zahlreichen Bildern.
Geb. 1.50 M. Lederband 10 M. _1.-20. T._

*2. +Weltkriegs-Geschichten+, herausg. von Walter v. Molo. Mit Bildern.
Geb. 1.80. M. Lederband 10 M. _1.-20. T._

*3. Speck, Wilh.: +Aushalten!+ Geb. 1.50. M. _6.-10. T._

*4. +Flämische Erzähler+, verdeutscht und herausgegeben von +Dr.+
Brühl. Mit Bildern. Geb. 1.80 M. Lederband 10 M. _1.-20. T._

*5. Küchler, Kurt: Kriegsflagge am Heck! Seekriegs-Geschichten. Mit
Bildern. Einleitung von Gustav Frenssen. Geb. 2 M. Lederband 10 M.
_1.-20. T._


*=Schillerbuch.= 346 S. Geb. 2 M. _31.-40. T._

*=Märchenbuch.= Auswahl der schönsten Märchen. Mit zahlreichen
Bildern. Geb. 3.75 M. (ohne Aufschlag). _1.-20. T._

=Die Fundgrube.= Ein Führer zu den geschichtlichen Erzählungen und
Balladen der Stiftung. 1.50 M., geb. 2 M.


Neue Bände in Vorbereitung:

    =Enking: Das Pünktlein auf der Welle.= Kleinod-Romane Bd. 1.

    =Schücking: Die Marketenderin von Köln.= Eichenkranz 6-7.

    =Tiergeschichten.= Hausbücherei-Band.


Volksbücher

zum größten Teil mit Text- und Umschlagbildern.

☛ Teuerungsaufschlag 100%. ☚

    Heft                                                      Geh.  Gbd.
                                                               Pfennige

    1. =50 Gedichte von Goethe.= Vergriffen!                    20    50

    *2. =Schiller: Wilhelm Tell.= 190 Seiten. _21.-30. T._      30    60

    *3. =Schiller: Balladen.= Mit Bildern. 108 S.
        _41.-60. T._                                            40    80

    *4. =Schiller: Wallensteins Lager.= Vergriffen!             50    90

    *5. =Schiller: Wallensteins Tod.= _11.-20. T._ Vergriffen!  50    90
        Heft 4 und 5 in einen Band gebunden                          150

    6. =Brentano. Die Geschichte vom braven Kasperl und
       dem schönen Annerl.= Mit Bildern. Vergriffen!            20    50

    7. =Hoffmann, E. Th. A.: Fräulein v. Scuderi.= Vergriffen!  30    60

    8. =Halm, Fr.: Die Marzipanliese.= Vergriffen!              30    60

    *9. =Reuter: Woans ick tau ’ne Fru kamm.= _31.-50. T._      20    50

    *10. =Eyth, Max: Der blinde Passagier.= _91.-110. T._       20    50

    11. =Ebner-Eschenbach, Marie von: Die Freiherren von
        Gemperlein.= Mit Bildern. _71.-90. T._                  20    50

    12. =Jensen, Wilhelm: Über der Heide.= _51.-70. T._         35    70

    *13. =Wichert, Ernst: Der Wilddieb.= Mit Bildern.
         _61.-80. T._                                           40    80

    14. =Schücking, Levin: Die drei Großmächte.= _31.-50. T._   30    60

    15. =Anzengruber, Ludwig: Der Erbonkel und andere
        Geschichten.= Mit Bildern. _51.-70. T._                 25    55

    *16. =Böhlau, Helene: Kußwirkungen.= _51.-70. T._           20    50

    17. =Frapan, Ilse: Die Last.= _31.-50. T._                  25    55

    18. =Kleist, Heinrich v.: Die Verlobung in St. Domingo.=
        Das Erdbeben in Chile. Der Zweikampf. _31.-50. T._      30    60

    19. =Rosegger, Peter: Der Adlerwirt von Kirchbrunn.=
        Mit Bildern. _61.-80. T._                               40    80

    *20. =Zahn, Ernst: Die Mutter. Mit Bildern.= _41.-60. T._   20    50

    *21. =Groth, Ernst Joh.: Die Kuhhaut.= Mit Bildern.
        _61.-100. T_.                                           20    50

    *22. =Schmitthenner, Adolf: Die Frühglocke.= Mit Bildern.
        _61.-80. T._                                            20    50

    *23. =Freytag, Gustav: Karl der Große.= Minnesang und
         Minnedienst zur Hohenstaufenzeit. _31.-50. T._         30    60

    24. =Spielhagen, Friedrich: Hans und Grete= (Novelle).
        Mit Bildern. _41.-60. T._                               40    75

    25. =Kotze, Stefan v.: Geschichten aus Australien.=
        _41.-60. T._                                            25    55

    26. =Heyse, Paul: Andrea Delfin.= Mit Bildern.
        _51.-60. T._                                            30    60

    *27. =Villinger, Hermine: Leodegar, der Hirtenschüler.=
         Mit Bildern. _51.-60. T._                              20    50

    *28. =Ludwig, Otto: A. d. Regen in d. Traufe.= Vergriffen!  25    55

    29. =Huldschiner, Richard: Fegefeuer.= Vergriffen!          70   100

    30. =Grillparzer: Weh dem, der lügt!= Vergriffen!           25    55

    *31. =Dehmel, Paula: Märchenbüchlein.= Mit 2 Voll- und
         4 Halb-Bildern. _21.-40. T._                           30    70

    32. =Supper, Auguste: Die Hexe von Steinbronn.= Mit
        Bildern. _21.-40. T._                                   10    40

    33. =Wilbrandt, Adolf: Der Mitschuldige.= Mit Bildern.
        _41.-60. T_.                                            40    80

    *34. =Keller, Gottfried: Kleider machen Leute.= Mit Bildern.
        _61.-80. T._                                            30    70

    *35. =Uxkull, Woldemar v.: Das Kriegsgericht.= Mit Bildern.
         _21.-40. T._                                           25    60

    *36. =Schreckenbach, Paul: Volksbuch vaterländischer
         Dichtung.= Mit Bildern. _21.-40. T._
         +Lederband+ 2.50 M.                                    50    80

    *37. =Müller, Fritz: Fröhliches aus dem Kaufmannsleben.=
         Mit Bildern. _41.-60. T._                              30    70

    38. =Hesse, Hermann: Der Lateinschüler.= Mit Bildern.
        _41.-60. T._                                            30    70

    39. =Hesse, Hermann: Die Marmorsäge.= _21.-40. T._          30    70

    40. =Gotthelf, Jeremias: Die schwarze Spinne.= Mit Bildern.
        _21.-40. T._                                            30    70

    41. =Clausen, Ernst: Der Heiligen Kind.= _21.-40. T._       40    80

    *42. =Franzos, Karl Emil: Der deutsche Teufel.=
         _21.-40. T._                                           40    80

    *43. =Geibel, Emanuel: Meister Andrea.= Vergriffen!         40    80

    44. =Wichert, Ernst: Ansas und Grita.= Mit Bildern
        von Ludwig Berwald. _1.-20. T._                         40    80

    45. =Günther, Konrad: „Unrein!“= Mit Bildern von
        Ludwig Berwald. _1.-20. T._                             40    80

    *46. =Müller, Fritz: Das Beil.= Mit Bildern                 20    50


Man fordere auch unsere Sonder-Verzeichnisse, z. B. „Abenteuerliche
Bücher“ und „Vaterländische Bücher“, die kostenfrei geliefert werden.


                            IX 18: 200.000



Fußnoten:

[1] Musterauswahl

[2] für anständig Gehaltene

[3] federnden

[4] eingeübt

[5] liebenswürdiger

[6] Herrschers

[7] Treue gegen den Herrscher

[8] unangenehm

[9] beabsichtigte Erfolgsberechnung

[10] sich unterrichtenden

[11] schlüpfrigen

[12] Wortschatz

[13] Feinheiten

[14] Vornehmheit

[15] Vorsteher der Hoffestlichkeiten

[16] Persönlichkeit von Ansehen

[17] Sprachschatz

[18] Auftrag

[19] höfische

[20] von Amts wegen

[21] Abordnung

[22] aus der Fassung

[23] in Unordnung gebracht

[24] Lage

[25] Hier mußt du deine Geschicklichkeit auf der Stelle beweisen, wenn
man dir glauben soll.

[26] Aussicht

[27] Lage

[28] krampfhaften

[29] Empörung

[30] Amtsbereich

[31] vorsichtig

[32] zartem

[33] überspannter Gedanke

[34] Gebärdenspiel

[35] possenhaft

[36] verrückt

[37] kurzerhand in Ordnung bringen

[38] Hofwürdenträger

[39] feststellte

[40] Geist

[41] Inbegriff

[42] begrifflich

[43] volkstümlichen Ausdrücke

[44] heranpürschen

[45] entsagend

[46] vorschriftswidrige

[47] gegenüber

[48] unwillkürliche Bewegung

[49] schönrednerischen

[50] höfische Form

[51] Gesamtwirkung

[52] Haltung

[53] Gedankenverbindung

[54] Aus „Hamborger Janmooten, een lustig Book“ von Gorch Fock. Geh.
2.50 M., geb. in Leinen 3.50 M. (Verlag M. Glogau jr. Hamburg)

[55] Elbe

[56] ihrer Tochter

[57] engl. Crew-Mannschaft

[58] Koseform von Adolf

[59] Tag

[60] Butterkuchen

[61] Rausch

[62] geschehen

[63] sechs Uhr

[64] vor Zeug (ließ ans Werk gehen)

[65] kamen ihnen zur Hilfe

[66] allzuschnell

[67] schwitzen

[68] Äquator

[69] Breitengrad

[70] nötig

[71] Name des größten Segelschiffes der Welt (deutsches Schiff)

[72] ein bißchen im Hintergrund stand

[73] nieder

[74] süßen

[75] Alte

[76] Weibsbild

[77] strich

[78] fühlte

[79] fünfundvierzig

[80] siebenundvierzig

[81] gutes Aussehen

[82] aufgeputzt

[83] Auge

[84] geworfen

[85] schon

[86] kleines Küstenfrachtfahrzeug

[87] wog

[88] fragte

[89] gleichgültig

[90] reden

[91] Euer

[92] schön

[93] außerhalb

[94] Garten

[95] schielte

[96] gehören

[97] Rat

[98] wählerisch

[99] hier: Unsinn

[100] freien

[101] Sache

[102] lauert

[103] vertrocknet

[104] Nachdenken

[105] halten

[106] rief

[107] blinzelte

[108] Hafen

[109] ihr

[110] schlug

[111] Laterne

[112] Stahltrossen oder Taue, die die Masten seitlich halten

[113] blinken

[114] roch

[115] unsaubere

[116] erlebt

[117] Wohnraum

[118] „Merkst du was?“ (wörtlich: „Merkst du Mäuse?“)

[119] Ratten

[120] Winde

[121] sagte

[122] faßte

[123] Topf

[124] besann

[125] Gewissen

[126] Schmelz

[127] Nasenloch

[128] rug = rauh

[129] Zwiebeln

[130] höchste

[131] an Land

[132] gleich

[133] Unterschied

[134] faßte

[135] selbst

[136] Katzen

[137] Kosenamen für Janmaat = Matrose

[138] gutmütig-spöttisches Lächeln

[139] Hunde

[140] anbeißen

[141] schamrot

[142] Pfeffermühle

[143] erklärt

[144] Dämmerung

[145] Besuch

[146] schlug

[147] flötete

[148] rannte

[149] verrückt

[150] Ochsen

[151] glaube

[152] stiefelte

[153] viertel

[154] Grünen

[155] entgegen

[156] Laube

[157] Köchin

[158] Essen

[159] streichelte

[160] kroch

[161] Abschiednehmen

[162] Stachelbeeren

[163] kriechen

[164] sehr kratzbürstig

[165] entlassen worden

[166] Koch

[167] auffressen

[168] Weiß

[169] Hitze

[170] näher

[171] engl. Crew = Mannschaft

[172] fliegenden Holländer

[173] japanische Tänzerin

[174] Schiffsküche

[175] schief

[176] Straße im Hamburger Hafenviertel

[177] kleben

[178] Lachtaube

[179] lud

[180] schwebte

[181] Reihe (Arbeit)

[182] Flasche

[183] Kirschen

[184] durften

[185] rieb

[186] Standespersonen von Stade

[187] abliefern

[188] niedrige Küste (gefährliche Stelle für die Seefahrt)

[189] Bett

[190] in Ordnung

[191] Patent

[192] glaube

[193] schraubte

[194] Reihe

[195] gut

[196] zurechtgeschustert

[197] Haufen

[198] Geschwätz

[199] Eile

[200] Zwiebeln

[201] es ist ihm der Kopf zurecht gesetzt worden

[202] predigen

[203] schalt

[204] einfachen

[205] Abgabe

[206] angenehm berührende

[207] kennzeichnend

[208] Ewigkeiten.

[209] Wunderlichkeit

[210] zahlenmäßig

[211] Bahnsteig

[212] Begeisterung

[213] Ausschuß

[214] des großen Karthäuserklosters (in Südfrankreich)

[215] Abordnungen

[216] feierliche

[217] literarischer Diebstahl

[218] Bahnsteig

[219] Erzväterbart

[220] Salonwagen

[221] Rundschreiben

[222] Festessen

[223] ohne sich zu erkennen zu geben

[224] Abteil

[225] Schwitzen

[226] Verlaub

[227] Farbenzusammenklang

[228] Ehrenmann

[229] verehren

[230] bezahlt

[231] scherzhaft-lustig

[232] Gesichtsfarbe

[233] Jubelruf beim Bacchusfest

[234] Meerungeheuer

[235] Altindisch

[236] nicht folgerichtig

[237] Beurteilung

[238] Gassenhauer im damaligen Frankreich

[239] etwa einem preußischen Regierungspräsidenten entsprechend

[240] etwa einem preußischen Oberpräsidenten entsprechend

[241] kameradschaftlich

[242] Kupfergeldstück

[243] tollen

[244] gleichmäßig

[245] begleitete

[246] versteifen

[247] mißhandelt

[248] Beichtbank

[249] Rosinen

[250] bequem

[251] Ladentisch

[252] Nebenbuhler

[253] Schleife

[254] Standespersonen

[255] in den Ruhestand versetzten

[256] Fernglas

[257] Lage

[258] auf besseren Plätzen Sitzenden

[259] Lebens-Trauerspiel

[260] augenblicklich

[261] Adel

[262] Schmeicheleien

[263] Naturtriebe

[264] Zuhörerschaft

[265] leichtsinniges

[266] begleitete

[267] Grundsätze

[268] zerstörte





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Deutsche Humoristen, 8. Band (von 8)" ***

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