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Title: Kant's gesammelte Schriften - Band V. Kritik der Urtheilskraft.
Author: Kant, Immanuel
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Kant's gesammelte Schriften - Band V. Kritik der Urtheilskraft." ***


Anmerkungen zur Transkription:


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Seiten- und Zeilennummern der vorliegenden Ausgabe sind, mit einem
Punkt getrennt, in senkrechte Striche eingeschlossen, wie in |167.20|.
Seitennummern der 1. Auflage sind in #Doppelkreuze# eingeschlossen.

Inkonsistenzen in der Rechtschreibung sind nicht korrigiert, lediglich
ein paar offensichtliche Schreibfehler, die nicht in dem Nachwort
des Herausgebers aufgeführt sind; diese Änderungen sind am Ende des
Dokuments zusammengefasst.



Kant's gesammelte Schriften


Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften


Band V

Erste Abtheilung: Werke

Fünfter Band


Berlin Druck und Verlag von Georg Reimer 1913



Kant's Werke


Band V

Kritik der praktischen Vernunft.

Kritik der Urtheilskraft.


Berlin Druck und Verlag von Georg Reimer 1913



                                                                   1790.

  KRITIK DER URTHEILSKRAFT                                           165

    =Vorrede=                                                        167

    =Einleitung=                                                     171

      I. Von der Eintheilung der Philosophie                         171

      II. Vom Gebiete der Philosophie überhaupt                      174

      III. Von der Kritik der Urtheilskraft, als einem Verbindungsmittel
        der zwei Theile der Philosophie zu einem Ganzen              176

      IV. Von der Urtheilskraft, als einem _a priori_ gesetzgebenden
        Vermögen                                                     179

      V. Das Princip der formalen Zweckmäßigkeit der Natur ist ein
        transscendentales Princip der Urtheilskraft                  181

      VI. Von der Verbindung des Gefühls der Lust mit dem Begriffe der
        Zweckmäßigkeit der Natur                                     186

      VII. Von der ästhetischen Vorstellung der Zweckmäßigkeit der
        Natur                                                        188

      VIII. Von der logischen Vorstellung der Zweckmäßigkeit der
        Natur                                                        192

      IX. Von der Verknüpfung der Gesetzgebungen des Verstandes und der
        Vernunft durch die Urtheilskraft                             195

    Eintheilung des ganzen Werks                                     199

  ERSTER THEIL. KRITIK DER ÄSTHETISCHEN URTHEILSKRAFT                201

    ERSTER ABSCHNITT. ANALYTIK DER ÄSTHETISCHEN URTHEILSKRAFT        203

      Erstes Buch. =Analytik des Schönen=

        1. Moment des Geschmacksurtheils der Qualität nach           203

          § 1. Das Geschmacksurtheil ist ästhetisch                  203

          § 2. Das Wohlgefallen, welches das Geschmacksurtheil bestimmt,
            ist ohne alles Interesse                                 204

          § 3. Das Wohlgefallen =am Angenehmen= ist mit Interesse
            verbunden                                                205

          § 4. Das Wohlgefallen =am Guten= ist mit Interesse
            verbunden                                                207

          § 5. Vergleichung der drei specifisch verschiedenen Arten
            des Wohlgefallens                                        209

        2. Moment des Geschmacksurtheils, nämlich seiner Quantität
          nach                                                       211

          § 6. Das Schöne ist das, was ohne Begriff als Object eines
            =allgemeinen= Wohlgefallens vorgestellt wird             211

          § 7. Vergleichung des Schönen mit dem Angenehmen und Guten
            durch obiges Merkmal                                     212

          § 8. Die Allgemeinheit des Wohlgefallens wird in einem
            Geschmacksurtheile nur als subjectiv vorgestellt         213

          § 9. Untersuchung der Frage: ob im Geschmacksurtheile das
            Gefühl der Lust vor der Beurtheilung des Gegenstandes, oder
            diese vor jener vorhergehe                               216

        3. Moment der Geschmacksurtheile nach der Relation der Zwecke,
          welche in ihnen in Betrachtung gezogen wird                219

          § 10. Von der Zweckmäßigkeit überhaupt                     219

          § 11. Das Geschmacksurtheil hat nichts als die =Form der
            Zweckmäßigkeit= eines Gegenstandes (oder der Vorstellungsart
            desselben) zum Grunde                                    221

          § 12. Das Geschmacksurtheil beruht auf Gründen _a priori_  221

          § 13. Das reine Geschmacksurtheil ist von Reiz und Rührung
            unabhängig                                               223

          § 14. Erläuterung durch Beispiele                          223

          § 15. Das Geschmacksurtheil ist von dem Begriffe der
            Vollkommenheit gänzlich unabhängig                       226

          § 16. Das Geschmacksurtheil, wodurch ein Gegenstand unter der
            Bedingung eines bestimmten Begriffs für schön erklärt wird,
            ist nicht rein                                           229

          § 17. Vom Ideale der Schönheit                             231

        4. Moment des Geschmacksurtheils nach der Modalität des
           Wohlgefallens an dem Gegenstande                          236

          § 18. Was die Modalität eines Geschmacksurtheils sei       236

          § 19. Die subjective Nothwendigkeit, die wir dem
            Geschmacksurtheile beilegen, ist bedingt                 237

          § 20. Die Bedingung der Nothwendigkeit, die ein
            Geschmacksurtheil vorgiebt, ist die Idee eines
            Gemeinsinnes                                             237

          § 21. Ob man mit Grunde einen Gemeinsinn voraussetzen
            könne                                                    238

          § 22. Die Nothwendigkeit der allgemeinen Beistimmung, die in
            einem Geschmacksurtheil gedacht wird, ist eine subjective
            Nothwendigkeit, die unter der Voraussetzung eines
            Gemeinsinnes als objectiv vorgestellt wird               239

        =Allgemeine Anmerkung= zum ersten Abschnitte der Analytik    240

      Zweites Buch. =Analytik des Erhabenen=

          § 23. Übergang von dem Beurtheilungsvermögen des Schönen zu
            dem des Erhabenen                                        244

          § 24. Von der Eintheilung einer Untersuchung des Gefühls
            des Erhabenen                                            247

        A. Vom Mathematisch-Erhabenen                                248

          § 25. Namenerklärung des Erhabenen                         248

          § 26. Von der Größenschätzung der Naturdinge, die zur Idee
            des Erhabenen erforderlich ist                           251

          § 27. Von der Qualität des Wohlgefallens in der Beurtheilung
            des Erhabenen                                            257

        B. Vom Dynamisch-Erhabenen der Natur                         260

          § 28. Von der Natur als einer Macht                        260

          § 29. Von der Modalität des Urtheils über das Erhabene der
            Natur                                                    264

        =Allgemeine Anmerkung= zur Exposition der ästhetischen
          reflectirenden Urtheile                                    266

        =Deduction der reinen ästhetischen Urtheile=                 279

          § 30. Die Deduction der ästhetischen Urtheile über die
            Gegenstände der Natur darf nicht auf das, was wir in dieser
            erhaben nennen, sondern nur auf das Schöne gerichtet
            werden                                                   279

          § 31. Von der Methode der Deduction der Geschmacksurtheile 280

          § 32. Erste Eigenthümlichkeit des Geschmacksurtheils       281

          § 33. Zweite Eigenthümlichkeit des Geschmacksurtheils      284

          § 34. Es ist kein objectives Princip des Geschmacks
            möglich                                                  285

          § 35. Das Princip des Geschmacks ist das subjective Princip
            der Urtheilskraft überhaupt                              286

          § 36. Von der Aufgabe einer Deduction der
            Geschmacksurtheile                                       287

          § 37. Was wird eigentlich in einem Geschmacksurtheile von
            einem Gegenstande _a priori_ behauptet?                  289

          § 38. Deduction der Geschmacksurtheile                     289

          § 39. Von der Mittheilbarkeit einer Empfindung             291

          § 40. Vom Geschmacke als einer Art von _sensus communis_   293

          § 41. Vom empirischen Interesse am Schönen                 296

          § 42. Vom intellectuellen Interesse am Schönen             298

          § 43. Von der Kunst überhaupt                              303

          § 44. Von der schönen Kunst                                304

          § 45. Schöne Kunst ist eine Kunst, sofern sie zugleich Natur
            zu sein scheint                                          306

          § 46. Schöne Kunst ist Kunst des Genies                    307

          § 47. Erläuterung und Bestätigung obiger Erklärung vom
            Genie                                                    308

          § 48. Vom Verhältnisse des Genies zum Geschmack            311

          § 49. Von den Vermögen des Gemüths, welche das Genie
            ausmachen                                                313

          § 50. Von der Verbindung des Geschmacks mit Genie in Producten
            der schönen Kunst                                        319

          § 51. Von der Eintheilung der schönen Künste               320

          § 52. Von der Verbindung der schönen Künste in einem und
            demselben Producte                                       325

          § 53. Vergleichung des ästhetischen Werths der schönen Künste
            untereinander                                            326

          § 54. Anmerkung                                            330

    ZWEITER ABSCHNITT. DIALEKTIK DER ÄSTHETISCHEN URTHEILSKRAFT      337

          § 55.                                                      337

          § 56. Vorstellung der Antinomie des Geschmacks             338

          § 57. Auflösung der Antinomie des Geschmacks               339

          § 58. Vom Idealismus der Zweckmäßigkeit der Natur sowohl als
            Kunst, als dem alleinigen Princip der ästhetischen
            Urtheilskraft                                            346

          § 59. Von der Schönheit als Symbol der Sittlichkeit        351

          § 60. Anhang. Von der Methodenlehre des Geschmacks         354

  ZWEITER THEIL. KRITIK DER TELEOLOGISCHEN URTHEILSKRAFT             357

          § 61. Von der objectiven Zweckmäßigkeit der Natur          359

      ERSTE ABTHEILUNG. ANALYTIK DER TELEOLOGISCHEN URTHEILSKRAFT    362

          § 62. Von der objectiven Zweckmäßigkeit, die bloß formal ist,
            zum Unterschiede von der materialen                      362

          § 63. Von der relativen Zweckmäßigkeit der Natur zum
            Unterschiede von der innern                              366

          § 64. Von dem eigenthümlichen Charakter der Dinge als
            Naturzwecke                                              369

          § 65. Dinge als Naturzwecke sind organisirte Wesen         372

          § 66. Vom Princip der Beurtheilung der innern Zweckmäßigkeit
            in organisirten Wesen                                    376

          § 67. Vom Princip der teleologischen Beurtheilung der Natur
            überhaupt als System der Zwecke                          377

          § 68. Von dem Princip der Teleologie als innerem Princip
            der Naturwissenschaft                                    381

      ZWEITE ABTHEILUNG. DIALEKTIK DER TELEOLOGISCHEN URTHEILSKRAFT  385

          § 69. Was eine Antinomie der Urtheilskraft sei             385

          § 70. Vorstellung dieser Antinomie                         386

          § 71. Vorbereitung zur Auflösung obiger Antinomie          388

          § 72. Von den mancherlei Systemen über die Zweckmäßigkeit der
            Natur                                                    389

          § 73. Keines der obigen Systeme leistet das, was es
            vorgiebt                                                 392

          § 74. Die Ursache der Unmöglichkeit, den Begriff einer Technik
            der Natur dogmatisch zu behandeln, ist die Unerklärlichkeit
            eines Naturzwecks                                        395

          § 75. Der Begriff einer objectiven Zweckmäßigkeit der Natur
            ist ein kritisches Princip der Vernunft für die
            reflectirende Urtheilskraft                              397

          § 76. Anmerkung                                            401

          § 77. Von der Eigenthümlichkeit des menschlichen Verstandes,
            wodurch uns der Begriff eines Naturzwecks möglich wird   405

          § 78. Von der Vereinigung des Princips des allgemeinen
            Mechanismus der Materie mit dem teleologischen in der
            Technik der Natur                                        410

      ANHANG. METHODENLEHRE DER TELEOLOGISCHEN URTHEILSKRAFT         416

          § 79. Ob die Teleologie als zur Naturlehre gehörend
            abgehandelt werden müsse                                 416

          § 80. Von der nothwendigen Unterordnung des Princips des
            Mechanismus unter dem teleologischen in Erklärung eines
            Dinges als Naturzwecks                                   417

          § 81. Von der Beigesellung des Mechanismus zum teleologischen
            Princip in der Erklärung eines Naturzwecks als
            Naturproducts                                            421

          § 82. Von dem teleologischen System in den äußern
            Verhältnissen organisirter Wesen                         425

          § 83. Von dem letzten Zwecke der Natur als eines
            teleologischen Systems                                   429

          § 84. Von dem Endzwecke des Daseins einer Welt, d. i. der
            Schöpfung selbst                                         434

          § 85. Von der Physikotheologie                             436

          § 86. Von der Ethikotheologie                              442

          § 87. Von dem moralischen Beweise des Daseins Gottes       447

          § 88. Beschränkung der Gültigkeit des moralischen Beweises 453

          § 89. Von dem Nutzen des moralischen Arguments             459

          § 90. Von der Art des Fürwahrhaltens in einem teleologischen
            Beweise des Daseins Gottes                               461

          § 91. Von der Art des Fürwahrhaltens durch einen praktischen
            Glauben                                                  467

      =Allgemeine Anmerkung zur Teleologie=                          475

  Anmerkungen                                                        510



Kritik der Urtheilskraft


von

Immanuel Kant.



Vorrede #III#

zur ersten Auflage, 1790.


Man kann das Vermögen der Erkenntniß aus Principien _a priori_ =die
reine Vernunft= und die Untersuchung der Möglichkeit und Gränzen
derselben überhaupt die Kritik der reinen Vernunft nennen: ob man
gleich |167.5| unter diesem Vermögen nur die Vernunft in ihrem
theoretischen Gebrauche versteht, wie es auch in dem ersten Werke
unter jener Benennung geschehen ist, ohne noch ihr Vermögen als
praktische Vernunft nach ihren besonderen Principien in Untersuchung
ziehen zu wollen. Jene geht alsdann bloß auf unser Vermögen, Dinge _a
priori_ zu erkennen, und beschäftigt |167.10| sich also nur mit dem
=Erkenntnißvermögen= mit Ausschließung des Gefühls der Lust und Unlust
und des Begehrungsvermögens; und unter den Erkenntnißvermögen mit
dem =Verstande= nach seinen Principien _a priori_ mit Ausschließung
der =Urtheilskraft= und der =Vernunft= (als #IV# zum theoretischen
Erkenntniß gleichfalls gehöriger Vermögen), weil es sich |167.15| in
dem Fortgange findet, daß kein anderes Erkenntnißvermögen als der
Verstand constitutive Erkenntnißprincipien _a priori_ an die Hand
geben kann. Die Kritik also, welche sie insgesammt nach dem Antheile,
den jedes der anderen an dem baaren Besitz der Erkenntniß aus eigener
Wurzel zu haben vorgeben möchte, sichtet, läßt nichts übrig, als was
der =Verstand= |167.20| _a priori_ als Gesetz für die Natur, als
den Inbegriff von Erscheinungen (deren Form eben sowohl _a priori_
gegeben ist), vorschreibt; verweiset aber alle andere reine Begriffe
unter die Ideen, die für unser theoretisches Erkenntnißvermögen
überschwenglich, dabei aber doch nicht etwa unnütz oder entbehrlich
sind, sondern als regulative Principien dienen: theils die besorglichen
|167.25| Anmaßungen des Verstandes, als ob er (indem er _a priori_
die Bedingungen der Möglichkeit aller Dinge, die er erkennen kann,
anzugeben vermag) dadurch auch die Möglichkeit aller Dinge überhaupt
in diesen Gränzen beschlossen habe, zurück zu halten, theils um
ihn selbst in der Betrachtung der Natur nach einem Princip der
Vollständigkeit, wiewohl #V# er sie nie erreichen kann, zu leiten und
dadurch die Endabsicht alles Erkenntnisses zu befördern. |168.5|

Es war also eigentlich der =Verstand=, der sein eigenes Gebiet
und zwar im =Erkenntnißvermögen= hat, sofern er constitutive
Erkenntnißprincipien _a priori_ enthält, welcher durch die im
Allgemeinen so benannte Kritik der reinen Vernunft gegen alle übrige
Competenten in sicheren alleinigen Besitz gesetzt werden sollte.
Eben so ist der =Vernunft=, welche |168.10| nirgend als lediglich in
Ansehung des =Begehrungsvermögens= constitutive Principien _a priori_
enthält, in der Kritik der praktischen Vernunft ihr Besitz angewiesen
worden.

Ob nun die =Urtheilskraft=, die in der Ordnung unserer
Erkenntnißvermögen zwischen dem Verstande und der Vernunft ein
Mittelglied |168.15| ausmacht, auch für sich Principien _a priori_
habe; ob diese constitutiv oder bloß regulativ sind (und also kein
eigenes Gebiet beweisen), und ob sie dem Gefühle der Lust und
Unlust, als dem Mittelgliede zwischen dem Erkenntnißvermögen und
Begehrungsvermögen, (eben so wie der Verstand dem ersteren, die
Vernunft aber dem letzteren _a priori_ Gesetze vorschreiben) |168.20|
#VI# _a priori_ die Regel gebe: das ist es, womit sich gegenwärtige
Kritik der Urtheilskraft beschäftigt.

Eine Kritik der reinen Vernunft, d. i. unseres Vermögens nach
Principien _a priori_ zu urtheilen, würde unvollständig sein, wenn
die der Urtheilskraft, welche für sich als Erkenntnißvermögen darauf
auch Anspruch |168.25| macht, nicht als ein besonderer Theil derselben
abgehandelt würde; obgleich ihre Principien in einem System der reinen
Philosophie keinen besonderen Theil zwischen der theoretischen und
praktischen ausmachen dürfen, sondern im Nothfalle jedem von beiden
gelegentlich angeschlossen werden können. Denn wenn ein solches System
unter dem allgemeinen Namen |168.30| der Metaphysik einmal zu Stande
kommen soll (welches ganz vollständig zu bewerkstelligen, möglich und
für den Gebrauch der Vernunft in aller Beziehung höchst wichtig ist):
so muß die Kritik den Boden zu diesem Gebäude vorher so tief, als die
erste Grundlage des Vermögens von der Erfahrung unabhängiger Principien
liegt, erforscht haben, damit |168.35| es nicht an irgend einem Theile
sinke, welches den Einsturz des Ganzen unvermeidlich nach sich ziehen
würde.

Man kann aber aus der Natur der Urtheilskraft (deren richtiger Gebrauch
#VII# so nothwendig und allgemein erforderlich ist, daß daher unter dem
Namen des gesunden Verstandes kein anderes, als eben dieses Vermögen
gemeint wird) leicht abnehmen, daß es mit großen Schwierigkeiten
begleitet sein müsse, ein eigentümliches Princip derselben auszufinden
(denn |169.5| irgend eins muß sie _a priori_ in sich enthalten,
weil sie sonst nicht, als ein besonderes Erkenntnißvermögen, selbst
der gemeinsten Kritik ausgesetzt sein würde), welches gleichwohl
nicht aus Begriffen _a priori_ abgeleitet sein muß; denn die gehören
dem Verstande an, und die Urtheilskraft geht nur auf die Anwendung
derselben. Sie soll also selbst einen Begriff angeben, |169.10|
durch den eigentlich kein Ding erkannt wird, sondern der nur ihr
selbst zur Regel dient, aber nicht zu einer objectiven, der sie ihr
Urtheil anpassen kann, weil dazu wiederum eine andere Urtheilskraft
erforderlich sein würde, um unterscheiden zu können, ob es der Fall der
Regel sei oder nicht.

Diese Verlegenheit wegen eines Princips (es sei nun ein subjectives
|169.15| oder objectives) findet sich hauptsächlich in denjenigen
Beurtheilungen, die man ästhetisch nennt, die das Schöne und Erhabne
der Natur oder der #VIII# Kunst betreffen. Und gleichwohl ist die
kritische Untersuchung eines Princips der Urtheilskraft in denselben
das wichtigste Stück einer Kritik dieses Vermögens. Denn ob sie gleich
für sich allein zum Erkenntniß der Dinge |169.20| gar nichts beitragen,
so gehören sie doch dem Erkenntnißvermögen allein an und beweisen eine
unmittelbare Beziehung dieses Vermögens auf das Gefühl der Lust oder
Unlust nach irgend einem Princip _a priori_, ohne es mit dem, was
Bestimmungsgrund des Begehrungsvermögens sein kann, zu vermengen, weil
dieses seine Principien _a priori_ in Begriffen der Vernunft |169.25|
hat. — Was aber die logische Beurtheilung der Natur anbelangt, da,
wo die Erfahrung eine Gesetzmäßigkeit an Dingen aufstellt, welche
zu verstehen oder zu erklären der allgemeine Verstandesbegriff vom
Sinnlichen nicht mehr zulangt, und die Urtheilskraft aus sich selbst
ein Princip der Beziehung des Naturdinges auf das unerkennbare
Übersinnliche |169.30| nehmen kann, es auch nur in Absicht auf
sich selbst zum Erkenntniß der Natur brauchen muß, da kann und muß
ein solches Princip _a priori_ zwar zum =Erkenntniß= der Weltwesen
angewandt werden und eröffnet zugleich #IX# Aussichten, die für die
praktische Vernunft vorteilhaft sind: aber es hat keine unmittelbare
Beziehung auf das Gefühl der Lust und Unlust, die |169.35| gerade
das Räthselhafte in dem Princip der Urtheilskraft ist, welches eine
besondere Abtheilung in der Kritik für dieses Vermögen nothwendig
macht, da die logische Beurtheilung nach Begriffen (aus welchen niemals
eine unmittelbare Folgerung auf das Gefühl der Lust und Unlust gezogen
werden kann) allenfalls dem theoretischen Theile der Philosophie sammt
einer kritischen Einschränkung derselben hätte angehängt werden können.

Da die Untersuchung des Geschmacksvermögens, als ästhetischer
Urtheilskraft, |170.5| hier nicht zur Bildung und Cultur des Geschmacks
(denn diese wird auch ohne alle solche Nachforschungen, wie bisher,
so fernerhin, ihren Gang nehmen), sondern bloß in transscendentaler
Absicht angestellt wird: so wird sie, wie ich mir schmeichle, in
Ansehung der Mangelhaftigkeit jenes Zwecks auch mit Nachsicht
beurtheilt werden. Was aber die letztere Absicht |170.10| betrifft, so
muß sie sich auf die strengste Prüfung gefaßt machen. Aber auch da kann
die große Schwierigkeit, ein Problem, welches die Natur so verwickelt
hat, aufzulösen, einiger nicht ganz zu vermeidenden Dunkelheit #X# in
der Auflösung desselben, wie ich hoffe, zur Entschuldigung dienen, wenn
nur, daß das Princip richtig angegeben worden, klar genug dargethan
|170.15| ist; gesetzt, die Art das Phänomen der Urtheilskraft davon
abzuleiten habe nicht alle Deutlichkeit, die man anderwärts, nämlich
von einem Erkenntniß nach Begriffen, mit Recht fordern kann, die ich
auch im zweiten Theile dieses Werks erreicht zu haben glaube.

Hiemit endige ich also mein ganzes kritisches Geschäft. Ich werde
|170.20| ungesäumt zum doctrinalen schreiten, um wo möglich meinem
zunehmenden Alter die dazu noch einigermaßen günstige Zeit noch
abzugewinnen. Es versteht sich von selbst, daß für die Urtheilskraft
darin kein besonderer Theil sei, weil in Ansehung derselben die
Kritik statt der Theorie dient; sondern daß nach der Eintheilung der
Philosophie in die theoretische und |170.25| praktische und der reinen
in eben solche Theile die Metaphysik der Natur und die der Sitten jenes
Geschäft ausmachen werden.



Einleitung. #XI#


I.

Von der Eintheilung der Philosophie.

Wenn man die Philosophie, sofern sie Principien der Vernunfterkenntniß
der Dinge (nicht bloß wie die Logik Principien der Form des |171.5|
Denkens überhaupt ohne Unterschied der Objecte) durch Begriffe enthält,
wie gewöhnlich in die =theoretische= und =praktische= eintheilt:
so verfährt man ganz recht. Aber alsdann müssen auch die Begriffe,
welche den Principien dieser Vernunfterkenntniß ihr Object anweisen,
specifisch verschieden sein, weil sie sonst zu keiner Eintheilung
berechtigen würden, welche |171.10| jederzeit eine Entgegensetzung
der Principien der zu den verschiedenen Theilen einer Wissenschaft
gehörigen Vernunfterkenntniß voraussetzt.

Es sind aber nur zweierlei Begriffe, welche eben so viel verschiedene
Principien der Möglichkeit ihrer Gegenstände zulassen: nämlich die
=Naturbegriffe= und der =Freiheitsbegriff=. Da nun die ersteren ein
|171.15| =theoretisches= Erkenntniß nach Principien _a priori_ möglich
machen, der #XII# zweite aber in Ansehung derselben nur ein negatives
Princip (der bloßen Entgegensetzung) schon in seinem Begriffe bei sich
führt, dagegen für die Willensbestimmung erweiternde Grundsätze, welche
darum praktisch heißen, errichtet: so wird die Philosophie in zwei den
Principien nach |171.20| ganz verschiedene Theile, in die theoretische
als =Naturphilosophie= und die praktische als =Moralphilosophie=
(denn so wird die praktische Gesetzgebung der Vernunft nach dem
Freiheitsbegriffe genannt), mit Recht eingetheilt. Es hat aber bisher
ein großer Mißbrauch mit diesen Ausdrücken zur Eintheilung der
verschiedenen Principien und mit ihnen auch |171.25| der Philosophie
geherrscht: indem man das Praktische nach Naturbegriffen mit dem
Praktischen nach dem Freiheitsbegriffe für einerlei nahm und so unter
denselben Benennungen einer theoretischen und praktischen Philosophie
eine Eintheilung machte, durch welche (da beide Theile einerlei
Principien haben konnten) in der That nichts eingetheilt war.

Der Wille, als Begehrungsvermögen, ist nämlich eine von den mancherlei
Naturursachen in der Welt, nämlich diejenige, welche nach Begriffen
|172.5| wirkt; und Alles, was als durch einen Willen möglich
(oder nothwendig) vorgestellt wird, heißt praktisch-möglich (oder
nothwendig): zum Unterschiede von der physischen Möglichkeit oder
Nothwendigkeit einer Wirkung, wozu die Ursache nicht durch Begriffe
(sondern wie bei der leblosen #XIII# Materie durch Mechanism und
bei Thieren durch Instinct) zur |172.10| Causalität bestimmt wird.
— Hier wird nun in Ansehung des Praktischen unbestimmt gelassen:
ob der Begriff, der der Causalität des Willens die Regel giebt, ein
Naturbegriff, oder ein Freiheitsbegriff sei.

Der letztere Unterschied aber ist wesentlich. Denn ist der die
Causalität bestimmende Begriff ein Naturbegriff, so sind die Principien
=technisch-praktisch=; |172.15| ist er aber ein Freiheitsbegriff,
so sind diese =moralisch-praktisch=: und weil es in der Eintheilung
einer Vernunftwissenschaft gänzlich auf diejenige Verschiedenheit der
Gegenstände ankommt, deren Erkenntniß verschiedener Principien bedarf,
so werden die ersteren zur theoretischen Philosophie (als Naturlehre)
gehören, die andern aber ganz |172.20| allein den zweiten Theil,
nämlich (als Sittenlehre) die praktische Philosophie, ausmachen.

Alle technisch-praktische Regeln (d. i. die der Kunst und
Geschicklichkeit überhaupt, oder auch der Klugheit, als einer
Geschicklichkeit auf Menschen und ihren Willen Einfluß zu haben), so
fern ihre Principien |172.25| auf Begriffen beruhen, müssen nur als
Corollarien zur theoretischen Philosophie gezählt werden. Denn sie
betreffen nur die Möglichkeit der Dinge nach Naturbegriffen, wozu nicht
allein die Mittel, die in der Natur dazu anzutreffen sind, sondern
selbst der Wille (als Begehrungs-, mithin als Naturvermögen) gehört,
sofern er durch Triebfedern der Natur jenen Regeln |172.30| #XIV#
gemäß bestimmt werden kann. Doch heißen dergleichen praktische Regeln
nicht Gesetze (etwa so wie physische), sondern nur Vorschriften: und
zwar darum, weil der Wille nicht bloß unter dem Naturbegriffe, sondern
auch unter dem Freiheitsbegriffe steht, in Beziehung auf welchen die
Principien desselben Gesetze heißen und mit ihren Folgerungen den
zweiten |172.35| Theil der Philosophie, nämlich den praktischen, allein
ausmachen.

So wenig also die Auflösung der Probleme der reinen Geometrie zu
einem besonderen Theile derselben gehört, oder die Feldmeßkunst
den Namen einer praktischen Geometrie zum Unterschiede von der
reinen als ein zweiter Theil der Geometrie überhaupt verdient: so
und noch weniger darf die mechanische oder chemische Kunst der
Experimente oder der Beobachtungen für einen praktischen Theil der
Naturlehre, endlich die Haus-, |173.5| Land-, Staatswirthschaft, die
Kunst des Umganges, die Vorschrift der Diätetik, selbst nicht die
allgemeine Glückseligkeitslehre, sogar nicht einmal die Bezähmung
der Neigungen und Bändigung der Affecten zum Behuf der letzteren
zur praktischen Philosophie gezählt werden, oder die letzteren wohl
gar den zweiten Theil der Philosophie überhaupt ausmachen; |173.10|
weil sie insgesammt nur Regeln der Geschicklichkeit, die mithin nur
technisch-praktisch sind, enthalten, um eine Wirkung hervorzubringen,
die nach Naturbegriffen der Ursachen und Wirkungen möglich ist, welche,
da sie zur theoretischen Philosophie gehören, jenen Vorschriften
als bloßen #XV# Corollarien aus derselben (der Naturwissenschaft)
unterworfen sind und |173.15| also keine Stelle in einer besonderen
Philosophie, die praktische genannt, verlangen können. Dagegen machen
die moralisch-praktischen Vorschriften, die sich gänzlich auf dem
Freiheitsbegriffe mit völliger Ausschließung der Bestimmungsgründe
des Willens aus der Natur gründen, eine ganz besondere Art von
Vorschriften aus: welche auch gleich den Regeln, welchen |173.20|
die Natur gehorcht, schlechthin Gesetze heißen, aber nicht wie diese
auf sinnlichen Bedingungen, sondern auf einem übersinnlichen Princip
beruhen und neben dem theoretischen Theile der Philosophie für sich
ganz allein einen anderen Theil unter dem Namen der praktischen
Philosophie fordern. |173.25|

Man sieht hieraus, daß ein Inbegriff praktischer Vorschriften, welche
die Philosophie giebt, nicht einen besonderen, dem theoretischen zur
Seite gesetzten Theil derselben darum ausmache, weil sie praktisch
sind; denn das könnten sie sein, wenn ihre Principien gleich gänzlich
aus der theoretischen Erkenntniß der Natur hergenommen wären (als
technisch-praktische |173.30| Regeln); sondern, weil und wenn ihr
Princip gar nicht vom Naturbegriffe, der jederzeit sinnlich bedingt
ist, entlehnt ist, mithin auf dem Übersinnlichen, welches der
Freiheitsbegriff allein durch formale Gesetze kennbar macht, beruht,
und sie also moralisch-praktisch, d. i. nicht bloß #XVI# Vorschriften
und Regeln in dieser oder jener Absicht, sondern ohne vorhergehende
|173.35| Bezugnehmung auf Zwecke und Absichten Gesetze sind.


II.

Vom Gebiete der Philosophie überhaupt.

So weit Begriffe _a priori_ ihre Anwendung haben, so weit reicht der
Gebrauch unseres Erkenntnißvermögens nach Principien und mit ihm die
Philosophie. |174.5|

Der Inbegriff aller Gegenstände aber, worauf jene Begriffe bezogen
werden, um wo möglich ein Erkenntniß derselben zu Stande zu bringen,
kann nach der verschiedenen Zulänglichkeit oder Unzulänglichkeit
unserer Vermögen zu dieser Absicht eingetheilt werden.

Begriffe, sofern sie auf Gegenstände bezogen werden, unangesehen
|174.10| ob ein Erkenntniß derselben möglich sei oder nicht, haben
ihr Feld, welches bloß nach dem Verhältnisse, das ihr Object zu
unserem Erkenntnißvermögen überhaupt hat, bestimmt wird. — Der
Theil dieses Feldes, worin für uns Erkenntniß möglich ist, ist ein
Boden (_territorium_) für diese Begriffe und das dazu erforderliche
Erkenntnißvermögen. Der Theil |174.15| des Bodens, worauf diese
gesetzgebend sind, ist das Gebiet (_ditio_) dieser Begriffe und
der ihnen zustehenden Erkenntnißvermögen. Erfahrungsbegriffe haben
also zwar ihren Boden in der Natur, als dem Inbegriffe #XVII# aller
Gegenstände der Sinne, aber kein Gebiet (sondern nur ihren Aufenthalt,
_domicilium_): weil sie zwar gesetzlich erzeugt werden, aber nicht
gesetzgebend |174.20| sind, sondern die auf sie gegründeten Regeln
empirisch, mithin zufällig sind.

Unser gesammtes Erkenntnißvermögen hat zwei Gebiete, das der
Naturbegriffe und das des Freiheitsbegriffs; denn durch beide ist es _a
priori_ gesetzgebend. Die Philosophie theilt sich nun auch diesem gemäß
in |174.25| die theoretische und die praktische. Aber der Boden, auf
welchem ihr Gebiet errichtet und ihre Gesetzgebung =ausgeübt= wird, ist
immer doch nur der Inbegriff der Gegenstände aller möglichen Erfahrung,
sofern sie für nichts mehr als bloße Erscheinungen genommen werden;
denn ohnedas würde keine Gesetzgebung des Verstandes in Ansehung
derselben gedacht |174.30| werden können.

Die Gesetzgebung durch Naturbegriffe geschieht durch den Verstand und
ist theoretisch. Die Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff geschieht
von der Vernunft und ist bloß praktisch. Nur allein im Praktischen
kann die Vernunft gesetzgebend sein; in Ansehung des theoretischen
Erkenntnisses |174.35| (der Natur) kann sie nur (als gesetzkundig
vermittelst des Verstandes) aus gegebenen Gesetzen durch Schlüsse
Folgerungen ziehen, die doch immer nur bei der Natur stehen bleiben.
Umgekehrt aber, wo Regeln praktisch sind, ist die Vernunft nicht darum
sofort =gesetzgebend=, weil sie #XVIII# auch technisch-praktisch sein
können.

Verstand und Vernunft haben also zwei verschiedene Gesetzgebungen
|175.5| auf einem und demselben Boden der Erfahrung, ohne daß eine
der anderen Eintrag thun darf. Denn so wenig der Naturbegriff auf die
Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff Einfluß hat, eben so wenig
stört dieser die Gesetzgebung der Natur. — Die Möglichkeit, das
Zusammenbestehen beider Gesetzgebungen und der dazu gehörigen Vermögen
in demselben |175.10| Subject sich wenigstens ohne Widerspruch zu
denken, bewies die Kritik der reinen Vernunft, indem sie die Einwürfe
dawider durch Aufdeckung des dialektischen Scheins in denselben
vernichtete.

Aber daß diese zwei verschiedenen Gebiete, die sich zwar nicht in
ihrer Gesetzgebung, aber doch in ihren Wirkungen in der Sinnenwelt
unaufhörlich |175.15| einschränken, nicht =Eines= ausmachen, kommt
daher: daß der Naturbegriff zwar seine Gegenstände in der Anschauung,
aber nicht als Dinge an sich selbst, sondern als bloße Erscheinungen,
der Freiheitsbegriff dagegen in seinem Objecte zwar ein Ding an sich
selbst, aber nicht in der Anschauung vorstellig machen, mithin keiner
von beiden ein theoretisches |175.20| Erkenntniß von seinem Objecte
(und selbst dem denkenden Subjecte) als Dinge an sich verschaffen kann,
welches das Übersinnliche sein würde, wovon man die Idee zwar der
Möglichkeit aller jener Gegenstände der Erfahrung #XIX# unterlegen muß,
sie selbst aber niemals zu einem Erkenntnisse erheben und erweitern
kann. |175.25|

Es giebt also ein unbegränztes, aber auch unzugängliches Feld für unser
gesammtes Erkenntnißvermögen, nämlich das Feld des Übersinnlichen,
worin wir keinen Boden für uns finden, also auf demselben weder für
die Verstandes- noch Vernunftbegriffe ein Gebiet zum theoretischen
Erkenntniß haben können; ein Feld, welches wir zwar zum Behuf des
|175.30| theoretischen sowohl als praktischen Gebrauchs der Vernunft
mit Ideen besetzen müssen, denen wir aber in Beziehung auf die Gesetze
aus dem Freiheitsbegriffe keine andere als praktische Realität
verschaffen können, wodurch demnach unser theoretisches Erkenntniß
nicht im Mindesten zu dem Übersinnlichen erweitert wird. |175.35|

Ob nun zwar eine unübersehbare Kluft zwischen dem Gebiete
des Naturbegriffs, als dem Sinnlichen, und dem Gebiete des
Freiheitsbegriffs, als dem Übersinnlichen, befestigt ist, so daß von
dem ersteren zum anderen (also vermittelst des theoretischen Gebrauchs
der Vernunft) kein Übergang möglich ist, gleich als ob es so viel
verschiedene Welten wären, deren erste auf die zweite keinen Einfluß
haben kann: so =soll= doch diese auf jene einen Einfluß haben, nämlich
der Freiheitsbegriff soll den |176.5| durch seine Gesetze aufgegebenen
Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen; und die Natur muß folglich
auch so gedacht werden können, daß die Gesetzmäßigkeit #XX# ihrer
Form wenigstens zur Möglichkeit der in ihr zu bewirkenden Zwecke nach
Freiheitsgesetzen zusammenstimme. — Also muß es doch einen Grund der
=Einheit= des Übersinnlichen, welches der Natur zum |176.10| Grunde
liegt, mit dem, was der Freiheitsbegriff praktisch enthält, geben,
wovon der Begriff, wenn er gleich weder theoretisch noch praktisch
zu einem Erkenntnisse desselben gelangt, mithin kein eigenthümliches
Gebiet hat, dennoch den Übergang von der Denkungsart nach den
Principien der einen zu der nach Principien der anderen möglich macht.
|176.15|


III.

Von der Kritik der Urtheilskraft, als einem Verbindungsmittel der zwei
Theile der Philosophie zu einem Ganzen.

Die Kritik der Erkenntnißvermögen in Ansehung dessen, was sie =a
priori= leisten können, hat eigentlich kein Gebiet in Ansehung der
Objecte: |176.20| weil sie keine Doctrin ist, sondern nur, ob und wie
nach der Bewandtniß, die es mit unseren Vermögen hat, eine Doctrin
durch sie möglich sei, zu untersuchen hat. Ihr Feld erstreckt sich auf
alle Anmaßungen derselben, um sie in die Gränzen ihrer Rechtmäßigkeit
zu setzen. Was aber nicht in die Eintheilung der Philosophie kommen
kann, das kann doch als ein |176.25| #XXI# Haupttheil in die Kritik des
reinen Erkenntnißvermögens überhaupt kommen, wenn es nämlich Principien
enthält, die für sich weder zum theoretischen noch praktischen
Gebrauche tauglich sind.

Die Naturbegriffe, welche den Grund zu allem theoretischen
Erkenntniß a priori enthalten, beruhten auf der Gesetzgebung des
Verstandes. — |176.30| Der Freiheitsbegriff, der den Grund zu allen
sinnlich-unbedingten praktischen Vorschriften _a priori_ enthielt,
beruhte auf der Gesetzgebung der Vernunft. Beide Vermögen also haben
außer dem, daß sie der logischen Form nach auf Principien, welchen
Ursprungs sie auch sein mögen, angewandt werden können, überdem noch
jedes seine eigene Gesetzgebung |176.35| dem Inhalte nach, über die
es keine andere (_a priori_) giebt, und die daher die Eintheilung der
Philosophie in die theoretische und praktische rechtfertigt.

Allein in der Familie der oberen Erkenntnißvermögen giebt es doch noch
ein Mittelglied zwischen dem Verstande und der Vernunft. Dieses |177.5|
ist die =Urtheilskraft=, von welcher man Ursache hat nach der Analogie
zu vermuthen, daß sie eben sowohl, wenn gleich nicht eine eigene
Gesetzgebung, doch ein ihr eigenes Princip nach Gesetzen zu suchen,
allenfalls ein bloß subjectives, _a priori_ in sich enthalten dürfte:
welches, wenn ihm gleich kein Feld der Gegenstände als sein Gebiet
zustände, doch irgend |177.10| einen Boden haben kann und eine gewisse
Beschaffenheit desselben, wofür #XXII# gerade nur dieses Princip
geltend sein möchte.

Hierzu kommt aber noch (nach der Analogie zu urtheilen) ein
neuer Grund, die Urtheilskraft mit einer anderen Ordnung unserer
Vorstellungskräfte in Verknüpfung zu bringen, welche von noch größerer
Wichtigkeit |177.15| zu sein scheint, als die der Verwandtschaft mit
der Familie der Erkenntnißvermögen. Denn alle Seelenvermögen oder
Fähigkeiten können auf die drei zurück geführt werden, welche sich
nicht ferner aus einem gemeinschaftlichen Grunde ableiten lassen:
das =Erkenntnißvermögen=, das =Gefühl der Lust und Unlust= und das
=Begehrungsvermögen=[1]. |177.20| Für das Erkenntnißvermögen ist
allein der Verstand gesetzgebend, wenn #XXIII# jenes (wie es auch
geschehen muß, wenn es für sich, ohne Vermischung #XXIV# mit dem
Begehrungsvermögen, betrachtet wird) als Vermögen eines =theoretischen
Erkenntnisses= auf die Natur bezogen wird, in Ansehung deren allein
(als Erscheinung) es uns möglich ist, durch Naturbegriffe |178.5| _a
priori_, welche eigentlich reine Verstandesbegriffe sind, Gesetze zu
geben. — Für das Begehrungsvermögen, als ein oberes Vermögen nach
dem Freiheitsbegriffe, ist allein die Vernunft (in der allein dieser
Begriff Statt hat) _a priori_ gesetzgebend. — Nun ist zwischen dem
Erkenntniß- und dem Begehrungsvermögen das Gefühl der Lust, so wie
|178.10| zwischen dem Verstande und der Vernunft die Urtheilskraft
enthalten. Es ist also wenigstens vorläufig zu vermuthen, daß die
Urtheilskraft eben so wohl für sich ein Princip _a priori_ enthalte
und, da mit dem Begehrungsvermögen nothwendig Lust oder Unlust
verbunden ist (es sei, daß sie wie beim unteren vor dem Princip
desselben vorhergehe, oder wie beim |178.15| #XXV# oberen nur aus
der Bestimmung desselben durch das moralische Gesetz folge), eben so
wohl einen Übergang vom reinen Erkenntnißvermögen, d. i. vom Gebiete
der Naturbegriffe, zum Gebiete des Freiheitsbegriffs bewirken werde,
als sie im logischen Gebrauche den Übergang vom Verstande zur Vernunft
möglich macht. |179.5|

  [1] Es ist von Nutzen: zu Begriffen, welche man als empirische
  Principien braucht, wenn man Ursache hat zu vermuthen, daß sie
  mit dem reinen Erkenntnißvermögen _a priori_ in Verwandtschaft
  stehen, dieser Beziehung wegen eine transscendentale
  Definition zu versuchen: nämlich durch reine Kategorieen,
  sofern diese allein schon den Unterschied des vorliegenden
  Begriffs von anderen hinreichend angeben. |177.25| Man folgt
  hierin dem Beispiel des Mathematikers, der die empirischen
  Data seiner Aufgabe unbestimmt läßt und nur ihr Verhältniß in
  der reinen Synthesis derselben unter die Begriffe der reinen
  Arithmetik bringt und sich dadurch die Auflösung derselben
  verallgemeinert. — Man hat mir aus einem ähnlichen Verfahren
  (Krit. der prakt. V., S. 16 [9] der Vorrede) einen Vorwurf
  gemacht und die Definition |177.30| des Begehrungsvermögens,
  als =Vermögens durch seine Vorstellungen Ursache von der
  Wirklichkeit der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein=,
  getadelt: weil bloße Wünsche doch auch Begehrungen wären,
  von denen sich doch jeder bescheidet, daß er durch dieselben
  allein ihr Object nicht hervorbringen könne. — Dieses aber
  beweiset nichts weiter, als daß es auch Begehrungen im
  |177.35| Menschen gebe, wodurch derselbe mit sich selbst
  im Widerspruche steht: indem er durch seine Vorstellung
  allein zur Hervorbringung des Objects hinwirkt, von der
  er doch keinen Erfolg erwarten kann, weil er sich bewußt
  ist, daß seine mechanischen Kräfte (wenn ich die nicht
  psychologischen so nennen soll), die durch jene Vorstellung
  bestimmt werden müßten, um das Object (mithin mittelbar)
  zu bewirken, entweder nicht zulänglich sind, oder gar auf
  etwas Unmögliches gehen, z. B. das Geschehene ungeschehen
  zu machen (_O mihi praeteritos, etc._) oder im ungeduldigen
  Harren die Zwischenzeit bis zum herbeigewünschten Augenblick
  vernichten zu können. — Ob wir uns gleich in solchen
  phantastischen Begehrungen der Unzulänglichkeit unserer
  |178.20| Vorstellungen (oder gar ihrer Untauglichkeit),
  =Ursache= ihrer Gegenstände zu sein, bewußt sind: so ist doch
  die Beziehung derselben als Ursache, mithin die Vorstellung
  ihrer =Causalität= in jedem =Wunsche= enthalten und
  vornehmlich alsdann sichtbar, wenn dieser ein Affect, nämlich
  =Sehnsucht=, ist. Denn diese beweisen dadurch, daß sie das
  Herz ausdehnen und welk machen und so die Kräfte erschöpfen,
  daß die |178.25| Kräfte durch Vorstellungen wiederholentlich
  angespannt werden, aber das Gemüth bei der Rücksicht auf die
  Unmöglichkeit unaufhörlich wiederum in Ermattung zurück sinken
  lassen. Selbst die Gebete um Abwendung großer und, so viel
  man einsieht, unvermeidlicher Übel und manche abergläubische
  Mittel zu Erreichung natürlicherweise unmöglicher Zwecke
  beweisen die Causalbeziehung der Vorstellungen auf ihre
  |178.30| Objecte, die sogar durch das Bewußtsein ihrer
  Unzulänglichkeit zum Effect von der Bestrebung dazu nicht
  abgehalten werden kann. — Warum aber in unsere Natur der Hang
  zu mit Bewußtsein leeren Begehrungen gelegt worden, das ist
  eine anthropologisch-teleologische Frage. Es scheint: daß,
  sollten wir nicht eher, als bis wir uns von der Zulänglichkeit
  unseres Vermögens zu Hervorbringung eines Objects |178.35|
  versichert hätten, zur Kraftanwendung bestimmt werden, diese
  großentheils unbenutzt bleiben würde. Denn gemeiniglich lernen
  wir unsere Kräfte nur dadurch allererst kennen, daß wir sie
  versuchen. Diese Täuschung in leeren Wünschen ist also nur die
  Folge von einer wohlthätigen Anordnung in unserer Natur.

Wenn also gleich die Philosophie nur in zwei Haupttheile, die
theoretische und praktische, eingetheilt werden kann; wenn gleich
alles, was wir von den eignen Principien der Urtheilskraft zu
sagen haben möchten, in ihr zum theoretischen Theile, d. i. dem
Vernunfterkenntniß nach Naturbegriffen, gezählt werden müßte: so
besteht doch die Kritik der reinen Vernunft, |179.10| die alles dieses
vor der Unternehmung jenes Systems zum Behuf der Möglichkeit desselben
ausmachen muß, aus drei Theilen: der Kritik des reinen Verstandes, der
reinen Urtheilskraft und der reinen Vernunft, welche Vermögen darum
rein genannt werden, weil sie _a priori_ gesetzgebend sind. |179.15|


IV.

Von der Urtheilskraft, als einem _a priori_ gesetzgebenden Vermögen.

Urtheilskraft überhaupt ist das Vermögen, das Besondere als
enthalten unter dem Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemeine (die
Regel, |179.20| #XXVI# das Princip, das Gesetz) gegeben, so ist die
Urtheilskraft, welche das Besondere darunter subsumirt, (auch wenn
sie als transscendentale Urtheilskraft _a priori_ die Bedingungen
angiebt, welchen gemäß allein unter jenem Allgemeinen subsumirt werden
kann) =bestimmend=. Ist aber nur das Besondere gegeben, wozu sie
das Allgemeine finden soll, so ist die Urtheilskraft |179.25| bloß
=reflectirend=.

Die bestimmende Urtheilskraft unter allgemeinen transscendentalen
Gesetzen, die der Verstand giebt, ist nur subsumirend; das Gesetz
ist ihr _a priori_ vorgezeichnet, und sie hat also nicht nöthig, für
sich selbst auf ein Gesetz zu denken, um das Besondere in der Natur
dem Allgemeinen unterordnen |179.30| zu können. — Allein es sind so
mannigfaltige Formen der Natur, gleichsam so viele Modificationen der
allgemeinen transscendentalen Naturbegriffe, die durch jene Gesetze,
welche der reine Verstand _a priori_ giebt, weil dieselben nur auf die
Möglichkeit einer Natur (als Gegenstandes der Sinne) überhaupt gehen,
unbestimmt gelassen werden, daß dafür doch |179.35| auch Gesetze sein
müssen, die zwar als empirische nach =unserer= Verstandeseinsicht
zufällig sein mögen, die aber doch, wenn sie Gesetze heißen sollen (wie
es auch der Begriff einer Natur erfordert), aus einem, wenn gleich uns
unbekannten, Princip der Einheit des Mannigfaltigen als nothwendig
angesehen werden müssen. — Die reflectirende Urtheilskraft, |180.5|
die von dem Besondern in der Natur zum Allgemeinen aufzusteigen die
#XXVII# Obliegenheit hat, bedarf also eines Princips, welches sie
nicht von der Erfahrung entlehnen kann, weil es eben die Einheit aller
empirischen Principien unter gleichfalls empirischen, aber höheren
Principien und also die Möglichkeit der systematischen Unterordnung
derselben unter einander |180.10| begründen soll. Ein solches
transscendentales Princip kann also die reflectirende Urtheilskraft
sich nur selbst als Gesetz geben, nicht anderwärts hernehmen (weil
sie sonst bestimmende Urtheilskraft sein würde), noch der Natur
vorschreiben: weil die Reflexion über die Gesetze der Natur sich nach
der Natur und diese sich nicht nach den Bedingungen richtet, |180.15|
nach welchen wir einen in Ansehung dieser ganz zufälligen Begriff von
ihr zu erwerben trachten.

Nun kann dieses Princip kein anderes sein als: daß, da allgemeine
Naturgesetze ihren Grund in unserem Verstande haben, der sie der
Natur (obzwar nur nach dem allgemeinen Begriffe von ihr als Natur)
vorschreibt, |180.20| die besondern empirischen Gesetze in Ansehung
dessen, was in ihnen durch jene unbestimmt gelassen ist, nach einer
solchen Einheit betrachtet werden müssen, als ob gleichfalls ein
Verstand (wenn gleich nicht der unsrige) sie zum Behuf unserer
Erkenntnißvermögen, um ein System der Erfahrung nach besonderen
Naturgesetzen möglich zu machen, gegeben |180.25| hätte. Nicht als wenn
auf diese Art wirklich ein solcher Verstand angenommen werden müßte
(denn es ist nur die reflectirende Urtheilskraft, der diese Idee zum
Princip dient, zum Reflectiren, nicht zum Bestimmen); #XXVIII# sondern
dieses Vermögen giebt sich dadurch nur selbst und nicht der Natur ein
Gesetz. |180.30|

Weil nun der Begriff von einem Object, sofern er zugleich den Grund der
Wirklichkeit dieses Objects enthält, der Zweck und die Übereinstimmung
eines Dinges mit derjenigen Beschaffenheit der Dinge, die nur nach
Zwecken möglich ist, die =Zweckmäßigkeit= der Form desselben heißt: so
ist das Princip der Urtheilskraft in Ansehung der Form der Dinge der
|180.35| Natur unter empirischen Gesetzen überhaupt die =Zweckmäßigkeit
der Natur= in ihrer Mannigfaltigkeit. D. i. die Natur wird durch diesen
Begriff so vorgestellt, als ob ein Verstand den Grund der Einheit des
Mannigfaltigen ihrer empirischen Gesetze enthalte.

Die Zweckmäßigkeit der Natur ist also ein besonderer Begriff _a
priori_, der lediglich in der reflectirenden Urtheilskraft seinen
Ursprung hat. Denn den Naturproducten kann man so etwas als Beziehung
der |181.5| Natur an ihnen auf Zwecke nicht beilegen, sondern diesen
Begriff nur brauchen, um über sie in Ansehung der Verknüpfung der
Erscheinungen in ihr, die nach empirischen Gesetzen gegeben ist, zu
reflectiren. Auch ist dieser Begriff von der praktischen Zweckmäßigkeit
(der menschlichen Kunst oder auch der Sitten) ganz unterschieden, ob er
zwar nach einer Analogie |181.10| mit derselben gedacht wird.


V. #XXIX#

Das Princip der formalen Zweckmäßigkeit der Natur ist ein
transscendentales Princip der Urtheilskraft.

Ein transscendentales Princip ist dasjenige, durch welches die
allgemeine |181.15| Bedingung _a priori_ vorgestellt wird, unter der
allein Dinge Objecte unserer Erkenntniß überhaupt werden können.
Dagegen heißt ein Princip metaphysisch, wenn es die Bedingung _a
priori_ vorstellt, unter der allein Objecte, deren Begriff empirisch
gegeben sein muß, _a priori_ weiter bestimmt werden können. So ist
das Princip der Erkenntniß |181.20| der Körper als Substanzen und
als veränderlicher Substanzen transscendental, wenn dadurch gesagt
wird, daß ihre Veränderung eine Ursache haben müsse; es ist aber
metaphysisch, wenn dadurch gesagt wird, ihre Veränderung müsse eine
=äußere= Ursache haben: weil im ersteren Falle der Körper nur durch
ontologische Prädicate (reine Verstandesbegriffe), |181.25| z. B. als
Substanz, gedacht werden darf, um den Satz _a priori_ zu erkennen;
im zweiten aber der empirische Begriff eines Körpers (als eines
beweglichen Dinges im Raum) diesem Satze zum Grunde gelegt werden muß,
alsdann aber, daß dem Körper das letztere Prädicat (der Bewegung nur
durch äußere Ursache) zukomme, völlig _a priori_ eingesehen |181.30|
werden kann. — So ist, wie ich sogleich zeigen werde, das Princip der
Zweckmäßigkeit der Natur (in der Mannigfaltigkeit ihrer empirischen
#XXX# Gesetze) ein transscendentales Princip. Denn der Begriff von
den Objecten, sofern sie als unter diesem Princip stehend gedacht
werden, ist nur der reine Begriff von Gegenständen des möglichen
Erfahrungserkenntnisses |181.35| überhaupt und enthält nichts
Empirisches. Dagegen wäre das Princip der praktischen Zweckmäßigkeit,
die in der Idee der =Bestimmung= eines freien =Willens= gedacht
werden muß, ein metaphysisches Princip: weil der Begriff eines
Begehrungsvermögens als eines Willens doch empirisch gegeben werden
muß (nicht zu den transscendentalen Prädicaten |182.5| gehört). Beide
Principien aber sind dennoch nicht empirisch, sondern Principien _a
priori_: weil es zur Verbindung des Prädicats mit dem empirischen
Begriffe des Subjects ihrer Urtheile keiner weiteren Erfahrung bedarf,
sondern jene völlig _a priori_ eingesehen werden kann.

Daß der Begriff einer Zweckmäßigkeit der Natur zu den transscendentalen
|182.10| Principien gehöre, kann man aus den Maximen der Urtheilskraft,
die der Nachforschung der Natur _a priori_ zum Grunde gelegt werden,
und die dennoch auf nichts als die Möglichkeit der Erfahrung, mithin
der Erkenntniß der Natur, aber nicht bloß als Natur überhaupt, sondern
als durch eine Mannigfaltigkeit besonderer Gesetze bestimmten |182.15|
Natur, gehen, hinreichend ersehen. — Sie kommen, als Sentenzen
der metaphysischen Weisheit, bei Gelegenheit mancher Regeln, deren
Nothwendigkeit #XXXI# man nicht aus Begriffen darthun kann, im Laufe
dieser Wissenschaft oft genug, aber nur zerstreut vor. »Die Natur
nimmt den kürzesten Weg (_lex parsimoniae_); sie thut gleichwohl
keinen Sprung, |182.20| weder in der Folge ihrer Veränderungen, noch
der Zusammenstellung specifisch verschiedener Formen (_lex continui
in natura_); ihre große Mannigfaltigkeit in empirischen Gesetzen
ist gleichwohl Einheit unter wenigen Principien (_principia praeter
necessitatem non sunt multiplicanda_)«; u. d. g. m. |182.25|

Wenn man aber von diesen Grundsätzen den Ursprung anzugeben denkt
und es auf dem psychologischen Wege versucht, so ist dies dem Sinne
derselben gänzlich zuwider. Denn sie sagen nicht, was geschieht, d. i.
nach welcher Regel unsere Erkenntnißkräfte ihr Spiel wirklich treiben,
und wie geurtheilt wird, sondern wie geurtheilt werden soll; und da
kommt |182.30| diese logische objective Nothwendigkeit nicht heraus,
wenn die Principien bloß empirisch sind. Also ist die Zweckmäßigkeit
der Natur für unsere Erkenntnißvermögen und ihren Gebrauch, welche
offenbar aus ihnen hervorleuchtet, ein transscendentales Princip der
Urtheile und bedarf also auch einer transscendentalen Deduction,
vermittelst deren der Grund |182.35| so zu urtheilen in den
Erkenntnißquellen _a priori_ aufgesucht werden muß.

Wir finden nämlich in den Gründen der Möglichkeit einer Erfahrung
zuerst freilich etwas Nothwendiges, nämlich die allgemeinen #XXXII#
Gesetze, ohne welche Natur überhaupt (als Gegenstand der Sinne) nicht
gedacht werden kann; und diese beruhen auf den Kategorieen, angewandt
auf die formalen Bedingungen aller uns möglichen Anschauung, sofern
sie gleichfalls _a priori_ gegeben ist. Unter diesen Gesetzen nun ist
die |183.5| Urtheilskraft bestimmend; denn sie hat nichts zu thun,
als unter gegebnen Gesetzen zu subsumiren. Z. B. der Verstand sagt:
Alle Veränderung hat ihre Ursache (allgemeines Naturgesetz); die
transscendentale Urtheilskraft hat nun nichts weiter zu thun, als die
Bedingung der Subsumtion unter dem vorgelegten Verstandesbegriff _a
priori_ anzugeben: |183.10| und das ist die Succession der Bestimmungen
eines und desselben Dinges. Für die Natur nun überhaupt (als Gegenstand
möglicher Erfahrung) wird jenes Gesetz als schlechterdings nothwendig
erkannt. — Nun sind aber die Gegenstände der empirischen Erkenntniß
außer jener formalen Zeitbedingung noch auf mancherlei Art bestimmt,
oder, so viel |183.15| man _a priori_ urtheilen kann, bestimmbar, so
daß specifisch-verschiedene Naturen außer dem, was sie als zur Natur
überhaupt gehörig gemein haben, noch auf unendlich mannigfaltige
Weise Ursachen sein können; und eine jede dieser Arten muß (nach
dem Begriffe einer Ursache überhaupt) ihre Regel haben, die Gesetz
ist, mithin Nothwendigkeit bei sich |183.20| führt: ob wir gleich
nach der Beschaffenheit und den Schranken unserer Erkenntnißvermögen
diese Nothwendigkeit gar nicht einsehen. Also #XXXIII# müssen
wir in der Natur in Ansehung ihrer bloß empirischen Gesetze eine
Möglichkeit unendlich mannigfaltiger empirischer Gesetze denken, die
für unsere Einsicht dennoch zufällig sind (_a priori_ nicht erkannt
werden |183.25| können); und in deren Ansehung beurtheilen wir die
Natureinheit nach empirischen Gesetzen und die Möglichkeit der
Einheit der Erfahrung (als Systems nach empirischen Gesetzen) als
zufällig. Weil aber doch eine solche Einheit nothwendig vorausgesetzt
und angenommen werden muß, da sonst kein durchgängiger Zusammenhang
empirischer Erkenntnisse zu |183.30| einem Ganzen der Erfahrung Statt
finden würde, indem die allgemeinen Naturgesetze zwar einen solchen
Zusammenhang unter den Dingen ihrer Gattung nach, als Naturdingen
überhaupt, aber nicht specifisch, als solchen besonderen Naturwesen, an
die Hand geben: so muß die Urtheilskraft für ihren eigenen Gebrauch es
als Princip _a priori_ annehmen, daß |183.35| das für die menschliche
Einsicht Zufällige in den besonderen (empirischen) Naturgesetzen
dennoch eine für uns zwar nicht zu ergründende, aber doch denkbare
gesetzliche Einheit in der Verbindung ihres Mannigfaltigen zu einer
an sich möglichen Erfahrung enthalte. Folglich, weil die gesetzliche
Einheit in einer Verbindung, die wir zwar einer nothwendigen Absicht
(einem Bedürfniß des Verstandes) gemäß, aber zugleich doch als an sich
zufällig erkennen, als Zweckmäßigkeit der Objecte (hier der Natur)
vorgestellt |184.5| #XXXIV# wird: so muß die Urtheilskraft, die in
Ansehung der Dinge unter möglichen (noch zu entdeckenden) empirischen
Gesetzen bloß reflectirend ist, die Natur in Ansehung der letzteren
nach einem =Princip der Zweckmäßigkeit= für unser Erkenntnißvermögen
denken, welches dann in obigen Maximen der Urtheilskraft ausgedrückt
wird. Dieser transscendentale |184.10| Begriff einer Zweckmäßigkeit
der Natur ist nun weder ein Naturbegriff, noch ein Freiheitsbegriff,
weil er gar nichts dem Objecte (der Natur) beilegt, sondern nur die
einzige Art, wie wir in der Reflexion über die Gegenstände der Natur
in Absicht auf eine durchgängig zusammenhängende Erfahrung verfahren
müssen, vorstellt, folglich ein subjectives |184.15| Princip (Maxime)
der Urtheilskraft; daher wir auch, gleich als ob es ein glücklicher
unsre Absicht begünstigender Zufall wäre, erfreuet (eigentlich eines
Bedürfnisses entledigt) werden, wenn wir eine solche systematische
Einheit unter bloß empirischen Gesetzen antreffen: ob wir gleich
nothwendig annehmen mußten, es sei eine solche Einheit, ohne daß
|184.20| wir sie doch einzusehen und zu beweisen vermochten.

Um sich von der Richtigkeit dieser Deduction des vorliegenden Begriffs
und der Nothwendigkeit ihn als transscendentales Erkenntnißprincip
anzunehmen zu überzeugen, bedenke man nur die Größe der Aufgabe:
aus gegebenen Wahrnehmungen einer allenfalls unendliche |184.25|
Mannigfaltigkeit empirischer Gesetze enthaltenden Natur eine
zusammenhängende #XXXV# Erfahrung zu machen, welche Aufgabe _a priori_
in unserm Verstande liegt. Der Verstand ist zwar _a priori_ im Besitze
allgemeiner Gesetze der Natur, ohne welche sie gar kein Gegenstand
einer Erfahrung sein könnte: aber er bedarf doch auch überdem noch
einer gewissen Ordnung |184.30| der Natur in den besonderen Regeln
derselben, die ihm nur empirisch bekannt werden können, und die in
Ansehung seiner zufällig sind. Diese Regeln, ohne welche kein Fortgang
von der allgemeinen Analogie einer möglichen Erfahrung überhaupt
zur besonderen Statt finden würde, muß er sich als Gesetze (d. i.
als nothwendig) denken: weil sie sonst keine |184.35| Naturordnung
ausmachen würden, ob er gleich ihre Nothwendigkeit nicht erkennt,
oder jemals einsehen könnte. Ob er also gleich in Ansehung derselben
(Objecte) _a priori_ nichts bestimmen kann, so muß er doch, um diesen
empirischen sogenannten Gesetzen nachzugehen, ein Princip _a priori_,
daß nämlich nach ihnen eine erkennbare Ordnung der Natur möglich sei,
aller Reflexion über dieselbe zum Grunde legen, dergleichen Princip
nachfolgende Sätze ausdrücken: daß es in ihr eine für uns faßliche
|185.5| Unterordnung von Gattungen und Arten gebe; daß jene sich
einander wiederum nach einem gemeinschaftlichen Princip nähern, damit
ein Übergang von einer zu der anderen und dadurch zu einer höheren
Gattung möglich sei; daß, da für die specifische Verschiedenheit der
Naturwirkungen eben so viel verschiedene Arten der Causalität annehmen
zu |185.10| #XXXVI# müssen unserem Verstande anfänglich unvermeidlich
scheint, sie dennoch unter einer geringen Zahl von Principien stehen
mögen, mit deren Aufsuchung wir uns zu beschäftigen haben, u. s. w.
Diese Zusammenstimmung der Natur zu unserem Erkenntnißvermögen wird
von der Urtheilskraft zum Behuf ihrer Reflexion über dieselbe nach
ihren empirischen Gesetzen |185.15| _a priori_ vorausgesetzt, indem sie
der Verstand zugleich objectiv als zufällig anerkennt, und bloß die
Urtheilskraft sie der Natur als transscendentale Zweckmäßigkeit (in
Beziehung auf das Erkenntnißvermögen des Subjects) beilegt: weil wir,
ohne diese vorauszusetzen, keine Ordnung der Natur nach empirischen
Gesetzen, mithin keinen Leitfaden für |185.20| eine mit diesen nach
aller ihrer Mannigfaltigkeit anzustellende Erfahrung und Nachforschung
derselben haben würden.

Denn es läßt sich wohl denken: daß ungeachtet aller der
Gleichförmigkeit der Naturdinge nach den allgemeinen Gesetzen, ohne
welche die Form eines Erfahrungserkenntnisses überhaupt gar nicht
Statt finden |185.25| würde, die specifische Verschiedenheit der
empirischen Gesetze der Natur sammt ihren Wirkungen dennoch so groß
sein könnte, daß es für unseren Verstand unmöglich wäre, in ihr eine
faßliche Ordnung zu entdecken, ihre Producte in Gattungen und Arten
einzutheilen, um die Principien der Erklärung und des Verständnisses
des einen auch zur Erklärung und |185.30| Begreifung des andern zu
gebrauchen und aus einem für uns so verworrenen #XXXVII# (eigentlich
nur unendlich mannigfaltigen, unserer Fassungskraft nicht angemessenen)
Stoffe eine zusammenhängende Erfahrung zu machen.

Die Urtheilskraft hat also auch ein Princip _a priori_ für die
Möglichkeit |185.35| der Natur, aber nur in subjectiver Rücksicht
in sich, wodurch sie, nicht der Natur (als Autonomie), sondern ihr
selbst (als Heautonomie) für die Reflexion über jene, ein Gesetz
vorschreibt, welches man das =Gesetz der Specification der Natur= in
Ansehung ihrer empirischen Gesetze nennen könnte, das sie _a priori_
an ihr nicht erkennt, sondern zum Behuf einer für unseren Verstand
erkennbaren Ordnung derselben in der Eintheilung, die sie von ihren
allgemeinen Gesetzen macht, annimmt, |186.5| wenn sie diesen eine
Mannigfaltigkeit der besondern unterordnen will. Wenn man also sagt:
die Natur specificirt ihre allgemeinen Gesetze nach dem Princip der
Zweckmäßigkeit für unser Erkenntnißvermögen, d. i. zur Angemessenheit
mit dem menschlichen Verstande in seinem nothwendigen Geschäfte,
zum Besonderen, welches ihm die Wahrnehmung |186.10| darbietet, das
Allgemeine und zum Verschiedenen (für jede Species zwar Allgemeinen)
wiederum Verknüpfung in der Einheit des Princips zu finden: so schreibt
man dadurch weder der Natur ein Gesetz vor, noch lernt man eines von
ihr durch Beobachtung (obzwar jenes Princip durch diese bestätigt
werden kann). Denn es ist nicht ein Princip der bestimmenden, |186.15|
#XXXVIII# sondern bloß der reflectirenden Urtheilskraft; man will nur,
daß man, die Natur mag ihren allgemeinen Gesetzen nach eingerichtet
sein, wie sie wolle, durchaus nach jenem Princip und den sich darauf
gründenden Maximen ihren empirischen Gesetzen nachspüren müsse, weil
wir, nur so weit als jenes Statt findet, mit dem Gebrauche unseres
Verstandes |186.20| in der Erfahrung fortkommen und Erkenntniß erwerben
können.


VI.

Von der Verbindung des Gefühls der Lust mit dem Begriffe der
Zweckmäßigkeit der Natur.

Die gedachte Übereinstimmung der Natur in der Mannigfaltigkeit |186.25|
ihrer besonderen Gesetze zu unserem Bedürfnisse, Allgemeinheit der
Principien für sie aufzufinden, muß nach aller unserer Einsicht
als zufällig beurtheilt werden, gleichwohl aber doch für unser
Verstandesbedürfniß als unentbehrlich, mithin als Zweckmäßigkeit,
wodurch die Natur mit unserer, aber nur auf Erkenntniß gerichteten
Absicht übereinstimmt. — |186.30| Die allgemeinen Gesetze des
Verstandes, welche zugleich Gesetze der Natur sind, sind derselben
eben so nothwendig (obgleich aus Spontaneität entsprungen), als die
Bewegungsgesetze der Materie; und ihre Erzeugung setzt keine Absicht
mit unseren Erkenntnißvermögen voraus, weil wir nur durch dieselben von
dem, was Erkenntniß der Dinge (der Natur) sei, zuerst |186.35| #XXXIX#
einen Begriff erhalten, und sie der Natur als Object unserer Erkenntniß
überhaupt nothwendig zukommen. Allein, daß die Ordnung der Natur nach
ihren besonderen Gesetzen bei aller unsere Fassungskraft übersteigenden
wenigstens möglichen Mannigfaltigkeit und Ungleichartigkeit doch dieser
wirklich angemessen sei, ist, so viel wir einsehen können, |187.5|
zufällig; und die Auffindung derselben ist ein Geschäft des Verstandes,
welches mit Absicht zu einem nothwendigen Zwecke desselben, nämlich
Einheit der Principien in sie hineinzubringen, geführt wird: welchen
Zweck dann die Urtheilskraft der Natur beilegen muß, weil der Verstand
ihr hierüber kein Gesetz vorschreiben kann. |187.10|

Die Erreichung jeder Absicht ist mit dem Gefühle der Lust verbunden;
und ist die Bedingung der erstern eine Vorstellung _a priori_, wie
hier ein Princip für die reflectirende Urtheilskraft überhaupt, so
ist das Gefühl der Lust auch durch einen Grund _a priori_ und für
jedermann gültig bestimmt: und zwar bloß durch die Beziehung des
Objects auf |187.15| das Erkenntnißvermögen, ohne daß der Begriff der
Zweckmäßigkeit hier im Mindesten auf das Begehrungsvermögen Rücksicht
nimmt und sich also von aller praktischen Zweckmäßigkeit der Natur
gänzlich unterscheidet.

In der That, da wir von dem Zusammentreffen der Wahrnehmungen mit den
Gesetzen nach allgemeinen Naturbegriffen (den Kategorieen) |187.20|
nicht die mindeste Wirkung auf das Gefühl der Lust in uns antreffen,
#XL# auch nicht antreffen können, weil der Verstand damit unabsichtlich
nach seiner Natur nothwendig verfährt: so ist andrerseits die entdeckte
Vereinbarkeit zweier oder mehrerer empirischen heterogenen Naturgesetze
unter einem sie beide befassenden Princip der Grund einer sehr
merklichen Lust, |187.25| oft sogar einer Bewunderung, selbst einer
solchen, die nicht aufhört, ob man schon mit dem Gegenstande derselben
genug bekannt ist. Zwar spüren wir an der Faßlichkeit der Natur und
ihrer Einheit der Abtheilung in Gattungen und Arten, wodurch allein
empirische Begriffe möglich sind, durch welche wir sie nach ihren
besonderen Gesetzen erkennen, |187.30| keine merkliche Lust mehr:
aber sie ist gewiß zu ihrer Zeit gewesen, und nur weil die gemeinste
Erfahrung ohne sie nicht möglich sein würde, ist sie allmählig mit dem
bloßen Erkenntnisse vermischt und nicht mehr besonders bemerkt worden.
— Es gehört also etwas, das in der Beurtheilung der Natur auf die
Zweckmäßigkeit derselben für unsern Verstand |187.35| aufmerksam macht,
ein Studium ungleichartige Gesetze derselben wo möglich unter höhere,
obwohl immer noch empirische, zu bringen, dazu, um, wenn es gelingt,
an dieser Einstimmung derselben für unser Erkenntnißvermögen, die wir
als bloß zufällig ansehen, Lust zu empfinden. Dagegen würde uns eine
Vorstellung der Natur durchaus mißfallen, durch welche man uns voraus
sagte, daß bei der mindesten Nachforschung #XLI# über die gemeinste
Erfahrung hinaus wir auf eine Heterogeneität ihrer |188.5| Gesetze
stoßen würden, welche die Vereinigung ihrer besonderen Gesetze unter
allgemeinen empirischen für unseren Verstand unmöglich machte: weil
dies dem Princip der subjectiv-zweckmäßigen Specification der Natur in
ihren Gattungen und unserer reflectirenden Urtheilskraft in der Absicht
der letzteren widerstreitet. |188.10|

Diese Voraussetzung der Urtheilskraft ist gleichwohl darüber so
unbestimmt, wie weit jene idealische Zweckmäßigkeit der Natur für unser
Erkenntnißvermögen ausgedehnt werden solle, daß, wenn man uns sagt,
eine tiefere oder ausgebreitetere Kenntniß der Natur durch Beobachtung
müsse zuletzt auf eine Mannigfaltigkeit von Gesetzen stoßen, die
kein |188.15| menschlicher Verstand auf ein Princip zurückführen
kann, wir es auch zufrieden sind, ob wir es gleich lieber hören, wenn
andere uns Hoffnung geben: daß, je mehr wir die Natur im Inneren
kennen würden, oder mit äußeren uns für jetzt unbekannten Gliedern
vergleichen könnten, wir sie in ihren Principien um desto einfacher und
bei der scheinbaren Heterogeneität |188.20| ihrer empirischen Gesetze
einhelliger finden würden, je weiter unsere Erfahrung fortschritte.
Denn es ist ein Geheiß unserer Urtheilskraft, nach dem Princip der
Angemessenheit der Natur zu unserem Erkenntnißvermögen zu verfahren,
so weit es reicht, ohne (weil es keine bestimmende Urtheilskraft
ist, die uns diese Regel giebt) auszumachen, |188.25| #XLII# ob es
irgendwo seine Gränzen habe, oder nicht: weil wir zwar in Ansehung
des rationalen Gebrauchs unserer Erkenntnißvermögen Gränzen bestimmen
können, im empirischen Felde aber keine Gränzbestimmung möglich ist.


VII. |188.30|

Von der ästhetischen Vorstellung der Zweckmäßigkeit der Natur.

Was an der Vorstellung eines Objects bloß subjectiv ist, d. i. ihre
Beziehung auf das Subject, nicht auf den Gegenstand ausmacht, ist die
ästhetische Beschaffenheit derselben; was aber an ihr zur Bestimmung
|188.35| des Gegenstandes (zum Erkenntnisse) dient oder gebraucht
werden kann, ist ihre logische Gültigkeit. In dem Erkenntnisse eines
Gegenstandes der Sinne kommen beide Beziehungen zusammen vor. In der
Sinnenvorstellung der Dinge außer mir ist die Qualität des Raums, worin
wir sie anschauen, das bloß Subjective meiner Vorstellung derselben
(wodurch, |189.5| was sie als Objecte an sich sein mögen, unausgemacht
bleibt), um welcher Beziehung willen der Gegenstand auch dadurch bloß
als Erscheinung gedacht wird; der Raum ist aber seiner bloß subjectiven
Qualität ungeachtet gleichwohl doch ein Erkenntnißstück der Dinge als
Erscheinungen. =Empfindung= (hier die äußere) drückt eben sowohl das
bloß |189.10| Subjective unserer Vorstellungen der Dinge außer uns aus,
aber eigentlich #XLIII# das Materielle (Reale) derselben (wodurch etwas
Existirendes gegeben wird), so wie der Raum die bloße Form _a priori_
der Möglichkeit ihrer Anschauung; und gleichwohl wird jene auch zum
Erkenntniß der Objecte außer uns gebraucht. |189.15|

Dasjenige Subjective aber an einer Vorstellung, =was gar kein
Erkenntnißstück werden kann=, ist die mit ihr verbundene =Lust= oder
=Unlust=; denn durch sie erkenne ich nichts an dem Gegenstande der
Vorstellung, obgleich sie wohl die Wirkung irgend einer Erkenntniß
sein kann. Nun ist die Zweckmäßigkeit eines Dinges, sofern sie in der
Wahrnehmung |189.20| vorgestellt wird, auch keine Beschaffenheit des
Objects selbst (denn eine solche kann nicht wahrgenommen werden), ob
sie gleich aus einem Erkenntnisse der Dinge gefolgert werden kann. Die
Zweckmäßigkeit also, die vor dem Erkenntnisse eines Objects vorhergeht,
ja sogar, ohne die Vorstellung desselben zu einem Erkenntniß brauchen
zu wollen, gleichwohl mit ihr |189.25| unmittelbar verbunden wird, ist
das Subjective derselben, was gar kein Erkenntnißstück werden kann.
Also wird der Gegenstand alsdann nur darum zweckmäßig genannt, weil
seine Vorstellung unmittelbar mit dem Gefühle der Lust verbunden ist;
und diese Vorstellung selbst ist eine ästhetische Vorstellung der
Zweckmäßigkeit. — Es fragt sich nur, ob es |189.30| #XLIV# überhaupt
eine solche Vorstellung der Zweckmäßigkeit gebe.

Wenn mit der bloßen Auffassung (_apprehensio_) der Form eines
Gegenstandes der Anschauung ohne Beziehung derselben auf einen
Begriff zu einem bestimmten Erkenntniß Lust verbunden ist: so wird
die Vorstellung dadurch nicht auf das Object, sondern lediglich auf
das |189.35| Subject bezogen; und die Lust kann nichts anders als
die Angemessenheit desselben zu den Erkenntnißvermögen, die in der
reflectirenden Urtheilskraft im Spiel sind, und sofern sie darin
sind, also bloß eine subjective formale Zweckmäßigkeit des Objects
ausdrücken. Denn jene Auffassung der Formen in die Einbildungskraft
kann niemals geschehen, ohne daß die reflectirende Urtheilskraft,
auch unabsichtlich, sie wenigstens mit ihrem Vermögen, Anschauungen
auf Begriffe zu beziehen, vergliche. Wenn nun |190.5| in dieser
Vergleichung die Einbildungskraft (als Vermögen der Anschauungen
_a priori_) zum Verstande (als Vermögen der Begriffe) durch eine
gegebene Vorstellung unabsichtlich in Einstimmung versetzt und dadurch
ein Gefühl der Lust erweckt wird, so muß der Gegenstand alsdann als
zweckmäßig für die reflectirende Urtheilskraft angesehen werden.
Ein |190.10| solches Urtheil ist ein ästhetisches Urtheil über die
Zweckmäßigkeit des Objects, welches sich auf keinem vorhandenen
Begriffe vom Gegenstande gründet und keinen von ihm verschafft. Wessen
Gegenstandes Form (nicht das Materielle seiner Vorstellung, als
Empfindung) in der bloßen #XLV# Reflexion über dieselbe (ohne Absicht
auf einen von ihm zu erwerbenden |190.15| Begriff) als der Grund
einer Lust an der Vorstellung eines solchen Objects beurtheilt wird:
mit dessen Vorstellung wird diese Lust auch als nothwendig verbunden
geurtheilt, folglich als nicht bloß für das Subject, welches diese
Form auffaßt, sondern für jeden Urtheilenden überhaupt. Der Gegenstand
heißt alsdann schön; und das Vermögen, durch eine |190.20| solche Lust
(folglich auch allgemeingültig) zu urtheilen, der Geschmack. Denn da
der Grund der Lust bloß in der Form des Gegenstandes für die Reflexion
überhaupt, mithin in keiner Empfindung des Gegenstandes und auch ohne
Beziehung auf einen Begriff, der irgend eine Absicht enthielte, gesetzt
wird: so ist es allein die Gesetzmäßigkeit im empirischen |190.25|
Gebrauche der Urtheilskraft überhaupt (Einheit der Einbildungskraft mit
dem Verstande) in dem Subjecte, mit der die Vorstellung des Objects in
der Reflexion, deren Bedingungen _a priori_ allgemein gelten, zusammen
stimmt; und da diese Zusammenstimmung des Gegenstandes mit den Vermögen
des Subjects zufällig ist, so bewirkt sie die Vorstellung |190.30|
einer Zweckmäßigkeit desselben in Ansehung der Erkenntnißvermögen des
Subjects.

Hier ist nun eine Lust, die wie alle Lust oder Unlust, welche nicht
durch den Freiheitsbegriff (d. i. durch die vorhergehende Bestimmung
des oberen Begehrungsvermögens durch reine Vernunft) gewirkt wird,
niemals |190.35| #XLVI# aus Begriffen als mit der Vorstellung eines
Gegenstandes nothwendig verbunden eingesehen werden kann, sondern
jederzeit nur durch reflectirte Wahrnehmung als mit dieser verknüpft
erkannt werden muß, folglich wie alle empirische Urtheile keine
objective Nothwendigkeit ankündigen und auf Gültigkeit _a priori_
Anspruch machen kann. Aber das Geschmacksurtheil macht auch nur
Anspruch, wie jedes andere empirische Urtheil, für jedermann zu gelten,
welches ungeachtet der inneren Zufälligkeit |191.5| desselben immer
möglich ist. Das Befremdende und Abweichende liegt nur darin: daß es
nicht ein empirischer Begriff, sondern ein Gefühl der Lust (folglich
gar kein Begriff) ist, welches doch durch das Geschmacksurtheil, gleich
als ob es ein mit dem Erkenntnisse des Objects verbundenes Prädicat
wäre, jedermann zugemuthet und mit der Vorstellung |191.10| desselben
verknüpft werden soll.

Ein einzelnes Erfahrungsurtheil, z. B. von dem, der in einem
Bergkrystall einen beweglichen Tropfen Wasser wahrnimmt, verlangt mit
Recht, daß ein jeder andere es eben so finden müsse, weil er dieses
Urtheil nach den allgemeinen Bedingungen der bestimmenden Urtheilskraft
|191.15| unter den Gesetzen einer möglichen Erfahrung überhaupt gefällt
hat. Eben so macht derjenige, welcher in der bloßen Reflexion über
die Form eines Gegenstandes ohne Rücksicht auf einen Begriff Lust
empfindet, obzwar dieses Urtheil empirisch und ein einzelnes Urtheil
ist, mit Recht #XLVII# Anspruch auf Jedermanns Beistimmung: weil der
Grund zu dieser Lust |191.20| in der allgemeinen, obzwar subjectiven
Bedingung der reflectirenden Urtheile, nämlich der zweckmäßigen
Übereinstimmung eines Gegenstandes (er sei Product der Natur oder der
Kunst) mit dem Verhältniß der Erkenntnißvermögen unter sich, die zu
jedem empirischen Erkenntniß erfordert werden (der Einbildungskraft
und des Verstandes), angetroffen |191.25| wird. Die Lust ist also im
Geschmacksurtheile zwar von einer empirischen Vorstellung abhängig
und kann _a priori_ mit keinem Begriffe verbunden werden (man kann
_a priori_ nicht bestimmen, welcher Gegenstand dem Geschmacke gemäß
sein werde, oder nicht, man muß ihn versuchen); aber sie ist doch der
Bestimmungsgrund dieses Urtheils nur dadurch, daß man |191.30| sich
bewußt ist, sie beruhe bloß auf der Reflexion und den allgemeinen,
obwohl nur subjectiven, Bedingungen der Übereinstimmung derselben zum
Erkenntniß der Objecte überhaupt, für welche die Form des Objects
zweckmäßig ist.

Das ist die Ursache, warum die Urtheile des Geschmacks ihrer
Möglichkeit |191.35| nach, weil diese ein Princip _a priori_
voraussetzt, auch einer Kritik unterworfen sind, obgleich dieses
Princip weder ein Erkenntnißprincip für den Verstand, noch ein
praktisches für den Willen und also _a priori_ gar nicht bestimmend ist.

Die Empfänglichkeit einer Lust aus der Reflexion über die Formen
#XLVIII# der Sachen (der Natur sowohl als der Kunst) bezeichnet
aber nicht allein eine Zweckmäßigkeit der Objecte in Verhältniß auf
die reflectirende Urtheilskraft, |192.5| gemäß dem Naturbegriffe,
am Subject, sondern auch umgekehrt des Subjects in Ansehung der
Gegenstände, ihrer Form, ja selbst ihrer Unform nach, zufolge dem
Freiheitsbegriffe; und dadurch geschieht es: daß das ästhetische
Urtheil nicht bloß als Geschmacksurtheil auf das Schöne, sondern auch,
als aus einem Geistesgefühl entsprungenes, auf |192.10| das =Erhabene=
bezogen wird, und so jene Kritik der ästhetischen Urtheilskraft in zwei
diesen gemäße Haupttheile zerfallen muß.


VIII.

Von der logischen Vorstellung der Zweckmäßigkeit der Natur. |192.15|

An einem in der Erfahrung gegebenen Gegenstande kann Zweckmäßigkeit
vorgestellt werden: entweder aus einem bloß subjectiven Grunde, als
Übereinstimmung seiner Form, in der =Auffassung= (_apprehensio_)
desselben vor allem Begriffe, mit den Erkenntnißvermögen, um die
Anschauung mit Begriffen zu einem Erkenntniß überhaupt zu vereinigen;
oder |192.20| aus einem objectiven, als Übereinstimmung seiner Form
mit der Möglichkeit des Dinges selbst, nach einem Begriffe von ihm,
der vorhergeht #XLIX# und den Grund dieser Form enthält. Wir haben
gesehen: daß die Vorstellung der Zweckmäßigkeit der ersteren Art auf
der unmittelbaren Lust an der Form des Gegenstandes in der bloßen
Reflexion über sie beruhe; |192.25| die also von der Zweckmäßigkeit
der zweiten Art, da sie die Form des Objects nicht auf die
Erkenntnißvermögen des Subjects in der Auffassung derselben, sondern
auf ein bestimmtes Erkenntniß des Gegenstandes unter einem gegebenen
Begriffe bezieht, hat nichts mit einem Gefühle der Lust an den Dingen,
sondern mit dem Verstande in Beurtheilung |192.30| derselben zu thun.
Wenn der Begriff von einem Gegenstande gegeben ist, so besteht das
Geschäft der Urtheilskraft im Gebrauche desselben zum Erkenntniß
in der =Darstellung= (_exhibitio_), d. i. darin, dem Begriffe eine
correspondirende Anschauung zur Seite zu stellen: es sei, daß dieses
durch unsere eigene Einbildungskraft geschehe, wie in der Kunst,
|192.35| wenn wir einen vorhergefaßten Begriff von einem Gegenstande,
der für uns Zweck ist, realisiren, oder durch die Natur in der Technik
derselben (wie bei organisirten Körpern), wenn wir ihr unseren Begriff
vom Zweck zur Beurtheilung ihres Products unterlegen; in welchem Falle
nicht bloß =Zweckmäßigkeit= der Natur in der Form des Dinges, sondern
dieses |193.5| ihr Product als =Naturzweck= vorgestellt wird. — Obzwar
unser Begriff von einer subjectiven Zweckmäßigkeit der Natur in ihren
Formen nach empirischen Gesetzen gar kein Begriff vom Object ist,
sondern nur ein #L# Princip der Urtheilskraft sich in dieser ihrer
übergroßen Mannigfaltigkeit Begriffe zu verschaffen (in ihr orientiren
zu können): so legen wir |193.10| ihr doch hiedurch gleichsam eine
Rücksicht auf unser Erkenntnißvermögen nach der Analogie eines Zwecks
bei; und so können wir die =Naturschönheit= als =Darstellung= des
Begriffs der formalen (bloß subjectiven) und die =Naturzwecke= als
Darstellung des Begriffs einer realen (objectiven) Zweckmäßigkeit
ansehen, deren eine wir durch Geschmack |193.15| (ästhetisch,
vermittelst des Gefühls der Lust), die andere durch Verstand und
Vernunft (logisch, nach Begriffen) beurtheilen.

Hierauf gründet sich die Eintheilung der Kritik der Urtheilskraft in
die der =ästhetischen= und =teleologischen=: indem unter der ersteren
das Vermögen, die formale Zweckmäßigkeit (sonst auch subjective
genannt) |193.20| durch das Gefühl der Lust oder Unlust, unter der
zweiten das Vermögen, die reale Zweckmäßigkeit (objective) der Natur
durch Verstand und Vernunft zu beurtheilen, verstanden wird.

In einer Kritik der Urtheilskraft ist der Theil, welcher die
ästhetische Urtheilskraft enthält, ihr wesentlich angehörig, weil diese
allein ein Princip |193.25| enthält, welches die Urtheilskraft völlig
_a priori_ ihrer Reflexion über die Natur zum Grunde legt, nämlich
das einer formalen Zweckmäßigkeit der Natur nach ihren besonderen
(empirischen) Gesetzen für unser Erkenntnißvermögen, ohne welche sich
der Verstand in sie nicht finden könnte: anstatt #LI# daß gar kein
Grund _a priori_ angegeben werden kann, ja nicht einmal |193.30|
die Möglichkeit davon aus dem Begriffe einer Natur, als Gegenstande
der Erfahrung im Allgemeinen sowohl als im Besonderen, erhellt, daß
es objective Zwecke der Natur, d. i. Dinge, die nur als Naturzwecke
möglich sind, geben müsse; sondern nur die Urtheilskraft, ohne ein
Princip dazu _a priori_ in sich zu enthalten, in vorkommenden Fällen
(gewisser |193.35| Producte), um zum Behuf der Vernunft von dem
Begriffe der Zwecke Gebrauch zu machen, die Regel enthält, nachdem
jenes transscendentale Princip schon den Begriff eines Zwecks
(wenigstens der Form nach) auf die Natur anzuwenden den Verstand
vorbereitet hat.

Der transscendentale Grundsatz aber, sich eine Zweckmäßigkeit der Natur
in subjectiver Beziehung auf unser Erkenntnißvermögen an der Form
eines Dinges als ein Princip der Beurtheilung derselben vorzustellen,
|194.5| läßt es gänzlich unbestimmt, wo und in welchen Fällen ich
die Beurtheilung, als die eines Products nach einem Princip der
Zweckmäßigkeit und nicht vielmehr bloß nach allgemeinen Naturgesetzen,
anzustellen habe, und überläßt es der =ästhetischen= Urtheilskraft,
im Geschmacke die Angemessenheit desselben (seiner Form) zu unseren
Erkenntnißvermögen |194.10| (sofern diese nicht durch Übereinstimmung
mit Begriffen, sondern durch das Gefühl entscheidet) auszumachen.
Dagegen giebt die teleologisch-gebrauchte Urtheilskraft die Bedingungen
bestimmt an, unter #LII# denen etwas (z. B. ein organisirter Körper)
nach der Idee eines Zwecks der Natur zu beurtheilen sei; kann aber
keinen Grundsatz aus dem Begriffe |194.15| der Natur als Gegenstandes
der Erfahrung für die Befugniß anführen, ihr eine Beziehung auf Zwecke
_a priori_ beizulegen und auch nur unbestimmt dergleichen von der
wirklichen Erfahrung an solchen Producten anzunehmen: wovon der Grund
ist, daß viele besondere Erfahrungen angestellt und unter der Einheit
ihres Princips betrachtet werden |194.20| müssen, um eine objective
Zweckmäßigkeit an einem gewissen Gegenstande nur empirisch erkennen
zu können. — Die ästhetische Urtheilskraft ist also ein besonderes
Vermögen, Dinge nach einer Regel, aber nicht nach Begriffen zu
beurtheilen. Die teleologische ist kein besonderes Vermögen, sondern
nur die reflectirende Urtheilskraft überhaupt, sofern sie wie überall
|194.25| im theoretischen Erkenntnisse nach Begriffen, aber in Ansehung
gewisser Gegenstände der Natur nach besonderen Principien, nämlich
einer bloß reflectirenden, nicht Objecte bestimmenden Urtheilskraft,
verfährt, also ihrer Anwendung nach zum theoretischen Theile der
Philosophie gehört und der besonderen Principien wegen, die nicht, wie
es in einer |194.30| Doctrin sein muß, bestimmend sind, auch einen
besonderen Theil der Kritik ausmachen muß; anstatt daß die ästhetische
Urtheilskraft zum Erkenntniß ihrer Gegenstände nichts beiträgt und also
=nur= zur Kritik des urtheilenden Subjects und der Erkenntnißvermögen
desselben, sofern sie #LIII# der Principien _a priori_ fähig sind, von
welchem Gebrauche (dem theoretischen |194.35| oder praktischen) diese
übrigens auch sein mögen, gezählt werden muß, welche die Propädeutik
aller Philosophie ist.


IX.

Von der Verknüpfung der Gesetzgebungen des Verstandes und der Vernunft
durch die Urtheilskraft.

Der Verstand ist _a priori_ gesetzgebend für die Natur, als Object der
Sinne, zu einem theoretischen Erkenntniß derselben in einer möglichen
|195.5| Erfahrung. Die Vernunft ist _a priori_ gesetzgebend für die
Freiheit und ihre eigene Causalität, als das Übersinnliche in dem
Subjecte, zu einem unbedingt-praktischen Erkenntniß. Das Gebiet des
Naturbegriffs unter der einen und das des Freiheitsbegriffs unter der
anderen Gesetzgebung sind gegen allen wechselseitigen Einfluß, den sie
für sich (ein jedes nach |195.10| seinen Grundgesetzen) auf einander
haben könnten, durch die große Kluft, welche das Übersinnliche von
den Erscheinungen trennt, gänzlich abgesondert. Der Freiheitsbegriff
bestimmt nichts in Ansehung der theoretischen Erkenntniß der Natur; der
Naturbegriff eben sowohl nichts in Ansehung der praktischen Gesetze
der Freiheit: und es ist in sofern nicht möglich, |195.15| #LIV# eine
Brücke von einem Gebiete zu dem andern hinüberzuschlagen. — Allein
wenn die Bestimmungsgründe der Causalität nach dem Freiheitsbegriffe
(und der praktischen Regel, die er enthält) gleich nicht in der Natur
belegen sind, und das Sinnliche das Übersinnliche im Subjecte nicht
bestimmen kann: so ist dieses doch umgekehrt (zwar nicht in Ansehung
des |195.20| Erkenntnisses der Natur, aber doch der Folgen aus dem
ersteren auf die letztere) möglich und schon in dem Begriffe einer
Causalität durch Freiheit enthalten, deren =Wirkung= diesen ihren
formalen Gesetzen gemäß in der Welt geschehen soll, obzwar das Wort
=Ursache=, von dem Übersinnlichen gebraucht, nur den =Grund= bedeutet,
die Causalität der Naturdinge |195.25| zu einer Wirkung gemäß ihren
eigenen Naturgesetzen, zugleich aber doch auch mit dem formalen Princip
der Vernunftgesetze einhellig zu bestimmen, wovon die Möglichkeit zwar
nicht eingesehen, aber der Einwurf von einem vorgeblichen Widerspruch,
der sich darin fände, hinreichend widerlegt werden kann[2]. — Die
Wirkung nach dem Freiheitsbegriffe ist der |195.30| #LV# Endzweck,
der (oder dessen Erscheinung in der Sinnenwelt) existiren soll, wozu
die Bedingung der Möglichkeit desselben in der Natur (des Subjects
als Sinnenwesens, nämlich als Mensch) vorausgesetzt wird. Das, was
diese _a priori_ und ohne Rücksicht auf das Praktische voraussetzt,
die Urtheilskraft, giebt den vermittelnden Begriff zwischen den
Naturbegriffen |196.5| und dem Freiheitsbegriffe, der den Übergang
von der reinen theoretischen zur reinen praktischen, von der
Gesetzmäßigkeit nach der ersten zum Endzwecke nach dem letzten möglich
macht, in dem Begriffe einer =Zweckmäßigkeit= der Natur an die Hand;
denn dadurch wird die Möglichkeit des Endzwecks, der allein in der
Natur und mit Einstimmung ihrer Gesetze |196.10| wirklich werden kann,
erkannt.

  [2] Einer von den verschiedenen vermeinten Widersprüchen
  in dieser gänzlichen Unterscheidung der Naturcausalität
  von der durch Freiheit ist der, da man ihr den Vorwurf
  macht: daß, wenn ich von =Hindernissen=, die die Natur der
  Causalität nach Freiheitsgesetzen (den moralischen) legt,
  oder ihre =Beförderung= durch dieselbe rede, ich doch der
  ersteren auf die letztere einen =Einfluß= einräume. Aber
  wenn |195.35| man das Gesagte nur verstehen will, so ist
  die Mißdeutung sehr leicht zu verhüten. Der Widerstand,
  oder die Beförderung ist nicht zwischen der Natur und der
  Freiheit, |196.30| sondern der ersteren als Erscheinung
  und den =Wirkungen= der letztern als Erscheinungen in der
  Sinnenwelt; und selbst die =Causalität= der Freiheit (der
  reinen und praktischen Vernunft) ist die =Causalität= einer
  jener untergeordneten Naturursache (des Subjects, als Mensch,
  folglich als Erscheinung betrachtet), von deren =Bestimmung=
  das Intelligible, welches unter der Freiheit gedacht wird, auf
  eine übrigens |196.35| (eben so wie eben dasselbe, was das
  übersinnliche Substrat der Natur ausmacht) unerklärliche Art
  den Grund enthält.

Der Verstand giebt durch die Möglichkeit seiner Gesetze _a priori_ für
die Natur einen Beweis davon, daß diese von uns nur als Erscheinung
#LVI# erkannt werde, mithin zugleich Anzeige auf ein übersinnliches
Substrat derselben, aber läßt dieses gänzlich =unbestimmt=. Die
Urtheilskraft verschafft |196.15| durch ihr Princip _a priori_ der
Beurtheilung der Natur nach möglichen besonderen Gesetzen derselben
ihrem übersinnlichen Substrat (in uns sowohl als außer uns)
=Bestimmbarkeit durch das intellectuelle Vermögen=. Die Vernunft aber
giebt eben demselben durch ihr praktisches Gesetz _a priori_ die
=Bestimmung=; und so macht die Urtheilskraft |196.20| den Übergang vom
Gebiete des Naturbegriffs zu dem des Freiheitsbegriffs möglich.

In Ansehung der Seelenvermögen überhaupt, sofern sie als obere, d. i.
als solche, die eine Autonomie enthalten, betrachtet werden, ist für
das =Erkenntnißvermögen= (das theoretische der Natur) der Verstand
|196.25| dasjenige, welches die =constitutiven= Principien _a priori_
enthält; für das =Gefühl der Lust und Unlust= ist es die Urtheilskraft
unabhängig von Begriffen und Empfindungen, die sich auf Bestimmung
des Begehrungsvermögens beziehen und dadurch unmittelbar praktisch
sein könnten; für das =Begehrungsvermögen= die Vernunft, welche ohne
Vermittelung irgend einer Lust, woher sie auch komme, praktisch ist und
demselben als oberes Vermögen den Endzweck bestimmt, der zugleich das
reine intellectuelle Wohlgefallen am Objecte mit sich führt. — Der
Begriff der |197.5| Urtheilskraft von einer Zweckmäßigkeit der Natur
ist noch zu den Naturbegriffen #LVII# gehörig, aber nur als regulatives
Princip des Erkenntnißvermögens, obzwar das ästhetische Urtheil über
gewisse Gegenstände (der Natur oder der Kunst), welches ihn veranlaßt,
in Ansehung des Gefühls der Lust oder Unlust ein constitutives Princip
ist. Die Spontaneität im |197.10| Spiele der Erkenntnißvermögen, deren
Zusammenstimmung den Grund dieser Lust enthält, macht den gedachten
Begriff zur Vermittelung der Verknüpfung der Gebiete des Naturbegriffs
mit dem Freiheitsbegriffe in ihren Folgen tauglich, indem diese
zugleich die Empfänglichkeit des Gemüths für das moralische Gefühl
befördert. — Folgende Tafel kann die |197.15| Übersicht aller oberen
Vermögen ihrer systematischen Einheit nach erleichtern[3].

  [3] Man hat es bedenklich gefunden, daß meine Eintheilungen
  in der reinen Philosophie fast immer dreitheilig ausfallen.
  Das liegt aber in der Natur der Sache. Soll eine Eintheilung
  _a priori_ geschehen, so wird sie entweder =analytisch=
  |197.20| sein nach dem Satze des Widerspruchs; und da ist
  sie jederzeit zweitheilig (_quodlibet ens est aut A aut non
  A_). Oder sie ist =synthetisch=; und wenn sie in diesem Falle
  aus =Begriffen= _a priori_ (nicht wie in der Mathematik aus
  der _a priori_ dem Begriffe correspondirenden Anschauung)
  soll geführt werden, so muß nach demjenigen, was zu der
  synthetischen Einheit überhaupt erforderlich ist, nämlich 1)
  Bedingung, |197.25| 2) ein Bedingtes, 3) der Begriff, der aus
  der Vereinigung des Bedingten mit seiner Bedingung entspringt,
  die Eintheilung nothwendig Trichotomie sein.


  =Gesammte Vermögen  =Erkenntnißvermögen=  =Principien      =Anwendung
    des Gemüths=                              _a priori_=      auf= #LVIII#

  Erkenntnißvermögen  Verstand              Gesetzmäßigkeit  Natur
  Gefühl der Lust     Urtheilskraft         Zweckmäßigkeit   Kunst
    und Unlust
  Begehrungsvermögen  Vernunft              Endzweck         Freiheit.



Eintheilung #LIX# des ganzen Werks.


  Erster Theil.
  =Kritik der ästhetischen Urtheilskraft.=

  =Erster Abschnitt.=
  Analytik der ästhetischen Urtheilskraft.

  =Erstes Buch.=
  Analytik des Schönen.

  =Zweites Buch.=
  Analytik des Erhabenen.

  =Zweiter Abschnitt.=
  Dialektik der ästhetischen Urtheilskraft.


  Zweiter Theil.     [P:   LX]
  =Kritik der teleologischen Urtheilskraft.=

  =Erste Abtheilung.=
  Analytik der teleologischen Urtheilskraft.

  =Zweite Abtheilung.=
  Dialektik der teleologischen Urtheilskraft.

  =Anhang.=
  Methodenlehre der teleologischen Urtheilskraft.



  Der

  =Kritik der Urtheilskraft=


  Erster Theil.

  Kritik

  der

  =ästhetischen Urtheilskraft=.



Erster Abschnitt.

Analytik der ästhetischen Urtheilskraft.


Erstes Buch.

Analytik des Schönen.


Erstes Moment

des Geschmacksurtheils[4] der Qualität nach.

  [4] Die Definition des Geschmacks, welche hier zum Grunde
  gelegt wird, ist: daß er das Vermögen der Beurtheilung
  des Schönen sei. Was aber dazu erfordert wird, um einen
  Gegenstand schön zu nennen, das muß die Analyse der Urtheile
  des |203.20| Geschmacks entdecken. Die Momente, worauf diese
  Urtheilskraft in ihrer Reflexion Acht hat, habe ich nach
  Anleitung der logischen Functionen zu urtheilen aufgesucht
  (denn im Geschmacksurtheile ist immer noch eine Beziehung auf
  den Verstand enthalten). Die der Qualität habe ich zuerst in
  Betrachtung gezogen, weil das ästhetische Urtheil über das
  Schöne auf diese zuerst Rücksicht nimmt. |203.25|


§ 1.

Das Geschmacksurtheil ist ästhetisch.

Um zu unterscheiden, ob etwas schön sei oder nicht, beziehen
wir die Vorstellung nicht durch den Verstand auf das Object zum
Erkenntnisse, |203.10| sondern durch die Einbildungskraft (vielleicht
mit dem Verstande verbunden) #4# auf das Subject und das Gefühl der
Lust oder Unlust desselben. Das Geschmacksurtheil ist also kein
Erkenntnißurtheil, mithin nicht logisch, sondern ästhetisch, worunter
man dasjenige versteht, dessen Bestimmungsgrund =nicht anders= als
=subjectiv= sein kann. Alle Beziehung der Vorstellungen, |203.15|
selbst die der Empfindungen aber kann objectiv sein (und da bedeutet
sie das Reale einer empirischen Vorstellung); nur nicht die auf das
Gefühl der Lust und Unlust, wodurch gar nichts im Objecte bezeichnet
wird, sondern in der das Subject, wie es durch die Vorstellung afficirt
wird, sich selbst fühlt.

Ein regelmäßiges, zweckmäßiges Gebäude mit seinem Erkenntnißvermögen
(es sei in deutlicher oder verworrener Vorstellungsart) zu befassen,
|204.5| ist ganz etwas anders, als sich dieser Vorstellung mit der
Empfindung des Wohlgefallens bewußt zu sein. Hier wird die Vorstellung
gänzlich auf das Subject und zwar auf das Lebensgefühl desselben unter
dem Namen des Gefühls der Lust oder Unlust bezogen: welches ein ganz
besonderes Unterscheidungs- und Beurtheilungsvermögen gründet, das
zum Erkenntniß |204.10| nichts beiträgt, sondern nur die gegebene
Vorstellung im Subjecte #5# gegen das ganze Vermögen der Vorstellungen
hält, dessen sich das Gemüth im Gefühl seines Zustandes bewußt wird.
Gegebene Vorstellungen in einem Urtheile können empirisch (mithin
ästhetisch) sein; das Urtheil aber, das durch sie gefällt wird, ist
logisch, wenn jene nur im Urtheile auf das |204.15| Object bezogen
werden. Umgekehrt aber, wenn die gegebenen Vorstellungen gar rational
wären, würden aber in einem Urtheile lediglich auf das Subject (sein
Gefühl) bezogen, so sind sie sofern jederzeit ästhetisch.


§ 2.

Das Wohlgefallen, welches das Geschmacksurtheil bestimmt, |204.20| ist
ohne alles Interesse.

Interesse wird das Wohlgefallen genannt, was wir mit der Vorstellung
der Existenz eines Gegenstandes verbinden. Ein solches hat daher
immer zugleich Beziehung auf das Begehrungsvermögen, entweder als
Bestimmungsgrund desselben, oder doch als mit dem Bestimmungsgrunde
desselben |204.25| nothwendig zusammenhängend. Nun will man aber, wenn
die Frage ist, ob etwas schön sei, nicht wissen, ob uns oder irgend
jemand an der Existenz der Sache irgend etwas gelegen sei, oder auch
nur gelegen sein könne; sondern, wie wir sie in der bloßen Betrachtung
(Anschauung oder Reflexion) beurtheilen. Wenn mich jemand fragt, ob
ich den Palast, den ich vor mir [204.30] #6# sehe, schön finde, so
mag ich zwar sagen: ich liebe dergleichen Dinge nicht, die blos für
das Angaffen gemacht sind, oder, wie jener Irokesische =Sachem=, ihm
gefalle in Paris nichts besser als die Garküchen; ich kann noch überdem
auf die Eitelkeit der Großen auf gut =Rousseauisch= schmälen, welche
den Schweiß des Volks auf so entbehrliche Dinge verwenden; ich kann
|204.35| mich endlich gar leicht überzeugen, daß, wenn ich mich auf
einem unbewohnten Eilande ohne Hoffnung jemals wieder zu Menschen
zu kommen befände, und ich durch meinen bloßen Wunsch ein solches
Prachtgebäude hinzaubern könnte, ich mir auch nicht einmal diese Mühe
darum geben würde, wenn ich schon eine Hütte hätte, die mir bequem
genug wäre. Man |205.5| kann mir alles dieses einräumen und gutheißen;
nur davon ist jetzt nicht die Rede. Man will nur wissen, ob die bloße
Vorstellung des Gegenstandes in mir mit Wohlgefallen begleitet sei, so
gleichgültig ich auch immer in Ansehung der Existenz des Gegenstandes
dieser Vorstellung sein mag. Man sieht leicht, daß es auf das, was
ich aus dieser Vorstellung in mir |205.10| selbst mache, nicht auf
das, worin ich von der Existenz des Gegenstandes abhänge, ankomme, um
zu sagen, er sei =schön=, und zu beweisen, ich habe Geschmack. Ein
jeder muß eingestehen, daß dasjenige Urtheil über Schönheit, worin
sich das mindeste Interesse mengt, sehr parteilich und kein reines
Geschmacksurtheil sei. Man muß nicht im mindesten für die Existenz
|205.15| der Sache eingenommen, sondern in diesem Betracht ganz
gleichgültig #7# sein, um in Sachen des Geschmacks den Richter zu
spielen.

Wir können aber diesen Satz, der von vorzüglicher Erheblichkeit ist,
nicht besser erläutern, als wenn wir dem reinen, uninteressirten[5]
Wohlgefallen im Geschmacksurtheile dasjenige, was mit Interesse
verbunden |205.20| ist, entgegensetzen: vornehmlich wenn wir zugleich
gewiß sein können, daß es nicht mehr Arten des Interesse gebe, als die
eben jetzt namhaft gemacht werden sollen.

  [5] Ein Urtheil über einen Gegenstand des Wohlgefallens kann
  ganz =uninteressirt=, aber doch sehr =interessant= sein, d.
  i. es gründet sich auf keinem Interesse, aber es bringt ein
  Interesse hervor; dergleichen sind alle reine moralische
  Urtheile. Aber die Geschmacksurtheile begründen an sich
  auch gar kein Interesse. Nur in der Gesellschaft wird es
  =interessant=, Geschmack zu haben, wovon der Grund in der
  |205.35| Folge angezeigt werden wird.


§ 3.

Das Wohlgefallen AM ANGENEHMEN ist mit Interesse verbunden. |205.25|

=ANGENEHM ist das, was den Sinnen in der Empfindung gefällt.=
Hier zeigt sich nun sofort die Gelegenheit, eine ganz gewöhnliche
Verwechselung der doppelten Bedeutung, die das Wort Empfindung haben
kann, zu rügen und darauf aufmerksam zu machen. Alles Wohlgefallen
(sagt oder denkt man) ist selbst Empfindung (einer Lust). Mithin
|205.30| ist alles, was gefällt, eben hierin, daß es gefällt,
angenehm (und nach den #8# verschiedenen Graden oder auch Verhältnissen
zu andern angenehmen Empfindungen =anmuthig, lieblich, ergötzend,
erfreulich= u. s. w.). Wird aber das eingeräumt, so sind Eindrücke der
Sinne, welche die Neigung, oder Grundsätze der Vernunft, welche den
Willen, oder bloße reflectirte |206.5| Formen der Anschauung, welche
die Urtheilskraft bestimmen, was die Wirkung auf das Gefühl der Lust
betrifft, gänzlich einerlei. Denn diese wäre die Annehmlichkeit in
der Empfindung seines Zustandes, und da doch endlich alle Bearbeitung
unserer Vermögen aufs Praktische ausgehen und sich darin als in ihrem
Ziele vereinigen muß, so könnte man ihnen keine |206.10| andere
Schätzung der Dinge und ihres Werths zumuthen, als die in dem Vergnügen
besteht, welches sie versprechen. Auf die Art, wie sie dazu gelangen,
kommt es am Ende gar nicht an; und da die Wahl der Mittel hierin allein
einen Unterschied machen kann, so könnten Menschen einander wohl der
Thorheit und des Unverstandes, niemals aber der Niederträchtigkeit
|206.15| und Bosheit beschuldigen: weil sie doch alle, ein jeder nach
seiner Art die Sachen zu sehen, nach einem Ziele laufen, welches für
jedermann das Vergnügen ist.

Wenn eine Bestimmung des Gefühls der Lust oder Unlust Empfindung
genannt wird, so bedeutet dieser Ausdruck etwas ganz anderes, als
|206.20| wenn ich die Vorstellung einer Sache (durch Sinne, als eine
zum Erkenntnißvermögen gehörige Receptivität) Empfindung nenne. Denn im
letzern #9# Falle wird die Vorstellung auf das Object, im erstern aber
lediglich auf das Subject bezogen und dient zu gar keinem Erkenntnisse,
auch nicht zu demjenigen, wodurch sich das Subject selbst =erkennt=.
|206.25|

Wir verstehen aber in der obigen Erklärung unter dem Worte Empfindung
eine objective Vorstellung der Sinne; und um nicht immer Gefahr zu
laufen, mißgedeutet zu werden, wollen wir das, was jederzeit blos
subjectiv bleiben muß und schlechterdings keine Vorstellung eines
Gegenstandes ausmachen kann, mit dem sonst üblichen Namen des Gefühls
|206.30| benennen. Die grüne Farbe der Wiesen gehört zur =objectiven=
Empfindung, als Wahrnehmung eines Gegenstandes des Sinnes; die
Annehmlichkeit derselben aber zur =subjectiven= Empfindung, wodurch
kein Gegenstand vorgestellt wird: d. i. zum Gefühl, wodurch der
Gegenstand als Object des Wohlgefallens (welches kein Erkenntniß
desselben ist) betrachtet |206.35| wird.

Daß nun mein Urtheil über einen Gegenstand, wodurch ich ihn für
angenehm erkläre, ein Interesse an demselben ausdrücke, ist daraus
schon klar, daß es durch Empfindung eine Begierde nach dergleichen
Gegenstande rege macht, mithin das Wohlgefallen nicht das bloße Urtheil
über ihn, sondern die Beziehung seiner Existenz auf meinen Zustand,
sofern er durch ein solches Object afficirt wird, voraussetzt. Daher
man von dem Angenehmen |207.5| nicht blos sagt: es =gefällt=, sondern:
es =vergnügt=. Es ist nicht #10# ein bloßer Beifall, den ich ihm
widme, sondern Neigung wird dadurch erzeugt; und zu dem, was auf die
lebhafteste Art angenehm ist, gehört so gar kein Urtheil über die
Beschaffenheit des Objects, daß diejenigen, welche immer nur auf das
Genießen ausgehen (denn das ist das Wort, womit |207.10| man das Innige
des Vergnügens bezeichnet), sich gerne alles Urtheilens überheben.


§ 4.

Das Wohlgefallen AM GUTEN ist mit Interesse verbunden.

=Gut= ist das, was vermittelst der Vernunft durch den bloßen Begriff
|207.15| gefällt. Wir nennen einiges =wozu gut= (das Nützliche), was
nur als Mittel gefällt; ein anderes aber =an sich gut=, was für sich
selbst gefällt. In beiden ist immer der Begriff eines Zwecks, mithin
das Verhältniß der Vernunft zum (wenigstens möglichen) Wollen, folglich
ein Wohlgefallen am =Dasein= eines Objects oder einer Handlung, d. i.
irgend ein Interesse, |207.20| enthalten.

Um etwas gut zu finden, muß ich jederzeit wissen, was der Gegenstand
für ein Ding sein solle, d. i. einen Begriff von demselben haben. Um
Schönheit woran zu finden, habe ich das nicht nöthig. Blumen, freie
Zeichnungen, ohne Absicht in einander geschlungene Züge, unter dem
|207.25| #11# Namen des Laubwerks, bedeuten nichts, hängen von keinem
bestimmten Begriffe ab und gefallen doch. Das Wohlgefallen am Schönen
muß von der Reflexion über einen Gegenstand, die zu irgend einem
Begriffe (unbestimmt welchem) führt, abhängen und unterscheidet sich
dadurch auch vom Angenehmen, welches ganz auf der Empfindung beruht.
|207.30|

Zwar scheint das Angenehme mit dem Guten in vielen Fällen einerlei zu
sein. So wird man gemeiniglich sagen: alles (vornehmlich dauerhafte)
Vergnügen ist an sich selbst gut; welches ungefähr so viel heißt,
als: dauerhaft-angenehm oder gut sein, ist einerlei. Allein man kann
bald bemerken, daß dieses blos eine fehlerhafte Wortvertauschung sei,
da die |207.35| Begriffe, welche diesen Ausdrücken eigenthümlich
anhängen, keinesweges gegen einander ausgetauscht werden können. Das
Angenehme, das als ein solches den Gegenstand lediglich in Beziehung
auf den Sinn vorstellt, muß allererst durch den Begriff eines Zwecks
unter Principien der Vernunft gebracht werden, um es als Gegenstand
des Willens gut zu nennen. Daß dieses aber alsdann eine ganz andere
Beziehung auf das Wohlgefallen |208.5| sei, wenn ich das, was vergnügt,
zugleich =gut= nenne, ist daraus zu ersehen, daß beim Guten immer die
Frage ist, ob es blos mittelbar-gut oder unmittelbar-gut (ob nützlich
oder an sich gut) sei; da hingegen beim Angenehmen hierüber gar nicht
die Frage sein kann, indem das Wort jederzeit etwas bedeutet, was
unmittelbar gefällt. (Eben so ist es auch mit dem, |208.10| #12# was
ich schön nenne, bewandt.)

Selbst in den gemeinsten Reden unterscheidet man das Angenehme vom
Guten. Von einem durch Gewürze und andre Zusätze den Geschmack
erhebenden Gerichte sagt man ohne Bedenken, es sei angenehm, und
gesteht zugleich, daß es nicht gut sei: weil es zwar unmittelbar den
Sinnen |208.15| =behagt=, mittelbar aber, d. i. durch die Vernunft,
die auf die Folgen hinaus sieht, betrachtet, mißfällt. Selbst in der
Beurtheilung der Gesundheit kann man noch diesen Unterschied bemerken.
Sie ist jedem, der sie besitzt, unmittelbar angenehm (wenigstens
negativ, d. i. als Entfernung aller körperlichen Schmerzen). Aber um zu
sagen, daß sie gut sei, muß man sie |208.20| noch durch die Vernunft
auf Zwecke richten, nämlich daß sie ein Zustand ist, der uns zu allen
unsern Geschäften aufgelegt macht. In Absicht der Glückseligkeit
glaubt endlich doch jedermann, die größte Summe (der Menge sowohl
als Dauer nach) der Annehmlichkeiten des Lebens ein wahres, ja sogar
das höchste Gut nennen zu können. Allein auch dawider sträubt sich
|208.25| die Vernunft. Annehmlichkeit ist Genuß. Ist es aber auf
diesen allein angelegt, so wäre es thöricht, scrupulös in Ansehung
der Mittel zu sein, die ihn uns verschaffen, ob er leidend, von der
Freigebigkeit der Natur, oder durch Selbstthätigkeit und unser eignes
Wirken erlangt wäre. Daß aber eines Menschen Existenz an sich einen
Werth habe, welcher blos lebt (und |208.30| #13# in dieser Absicht noch
so sehr geschäftig ist), um =zu genießen=, sogar wenn er dabei Andern,
die alle eben so wohl nur aufs Genießen ausgehen, als Mittel dazu
aufs beste beförderlich wäre und zwar darum, weil er durch Sympathie
alles Vergnügen mit genösse: das wird sich die Vernunft nie überreden
lassen. Nur durch das, was er thut ohne Rücksicht auf Genuß, |208.35|
in voller Freiheit und unabhängig von dem, was ihm die Natur auch
leidend verschaffen könnte, giebt er seinem Dasein als der Existenz
einer Person einen absoluten Werth; und die Glückseligkeit ist mit
der ganzen Fülle ihrer Annehmlichkeit bei weitem nicht ein unbedingtes
Gut[6].

  [6] Eine Verbindlichkeit zum Genießen ist eine offenbare
  Ungereimtheit. Eben das muß also auch eine vorgegebene
  Verbindlichkeit zu allen Handlungen sein, die zu ihrem Ziele
  blos das Genießen haben: dieses mag nun so geistig ausgedacht
  (oder verbrämt) sein, wie es wolle, und wenn es auch ein
  mystischer, sogenannter himmlischer Genuß wäre. |209.35|

Aber ungeachtet aller dieser Verschiedenheit zwischen dem Angenehmen
und Guten kommen beide doch darin überein: daß sie jederzeit mit
einem Interesse an ihrem Gegenstande verbunden sind, nicht allein das
Angenehme, |209.5| § 3, und das mittelbar Gute (das Nützliche), welches
als Mittel zu irgend einer Annehmlichkeit gefällt, sondern auch das
schlechterdings und in aller Absicht Gute, nämlich das moralische,
welches das höchste Interesse bei sich führt. Denn das Gute ist
das Object des Willens (d. i. #14# eines durch Vernunft bestimmten
Begehrungsvermögens). Etwas aber |209.10| wollen und an dem Dasein
desselben ein Wohlgefallen haben, d. i. daran ein Interesse nehmen, ist
identisch.


§ 5.

Vergleichung der drei specifisch verschiedenen Arten des Wohlgefallens.
|209.15|

Das Angenehme und Gute haben beide eine Beziehung auf das
Begehrungsvermögen und führen sofern, jenes ein pathologisch-bedingtes
(durch Anreize, stimulos), dieses ein reines praktisches Wohlgefallen
bei sich, welches nicht bloß durch die Vorstellung des Gegenstandes,
sondern zugleich durch die vorgestellte Verknüpfung des Subjects
mit der Existenz |209.20| desselben bestimmt wird. Nicht bloß der
Gegenstand, sondern auch die Existenz desselben gefällt. Dagegen
ist das Geschmacksurtheil bloß =contemplativ=, d. i. ein Urtheil,
welches, indifferent in Ansehung des Daseins eines Gegenstandes, nur
seine Beschaffenheit mit dem Gefühl der Lust und Unlust zusammenhält.
Aber diese Contemplation selbst ist auch |209.25| nicht auf Begriffe
gerichtet; denn das Geschmacksurtheil ist kein Erkenntnißurtheil (weder
ein theoretisches noch praktisches) und daher auch nicht auf Begriffe
=gegründet=, oder auch auf solche =abgezweckt=.

Das Angenehme, das Schöne, das Gute bezeichnen also drei verschiedene
Verhältnisse der Vorstellungen zum Gefühl der Lust und Unlust,
in |209.30| #15# Beziehung auf welches wir Gegenstände oder
Vorstellungsarten von einander unterscheiden. Auch sind die jedem
angemessenen Ausdrücke, womit man die Complacenz in denselben
bezeichnet, nicht einerlei. =Angenehm= heißt Jemandem das, was ihn
VERGNÜGT; =schön=, was ihm blos GEFÄLLT; =gut=, was GESCHÄTZT,
=gebilligt=, d. i. worin von ihm ein objectiver |210.5| Werth gesetzt
wird. Annehmlichkeit gilt auch für vernunftlose Thiere; Schönheit nur
für Menschen, d. i. thierische, aber doch vernünftige Wesen, aber auch
nicht blos als solche (z. B. Geister), sondern zugleich als thierische;
das Gute aber für jedes vernünftige Wesen überhaupt; ein Satz, der
nur in der Folge seine vollständige Rechtfertigung und Erklärung
bekommen |210.10| kann. Man kann sagen: daß unter allen diesen drei
Arten des Wohlgefallens das des Geschmacks am Schönen einzig und
allein ein uninteressirtes und =freies= Wohlgefallen sei; denn kein
Interesse, weder das der Sinne, noch das der Vernunft, zwingt den
Beifall ab. Daher könnte man von dem Wohlgefallen sagen: es beziehe
sich in den drei genannten |210.15| Fällen auf =Neigung=, oder =Gunst=,
oder =Achtung=. Denn GUNST ist das einzige freie Wohlgefallen. Ein
Gegenstand der Neigung und einer, welcher durch ein Vernunftgesetz uns
zum Begehren auferlegt wird, lassen uns keine Freiheit, uns selbst
irgend woraus einen Gegenstand der Lust zu machen. Alles Interesse
setzt Bedürfniß voraus, oder bringt eines |210.20| #16# hervor; und als
Bestimmungsgrund des Beifalls läßt es das Urtheil über den Gegenstand
nicht mehr frei sein.

Was das Interesse der Neigung beim Angenehmen betrifft, so sagt
jedermann: Hunger ist der beste Koch, und Leuten von gesundem Appetit
schmeckt alles, was nur eßbar ist; mithin beweiset ein solches
Wohlgefallen |210.25| keine Wahl nach Geschmack. Nur wenn das Bedürfniß
befriedigt ist, kann man unterscheiden, wer unter Vielen Geschmack
habe, oder nicht. Eben so giebt es Sitten (Conduite) ohne Tugend,
Höflichkeit ohne Wohlwollen, Anständigkeit ohne Ehrbarkeit u. s. w.
Denn wo das sittliche Gesetz spricht, da giebt es objectiv weiter keine
freie Wahl in Ansehung dessen, was zu |210.30| thun sei; und Geschmack
in seiner Aufführung (oder in Beurtheilung anderer ihrer) zeigen, ist
etwas ganz anderes, als seine moralische Denkungsart äußern: denn diese
enthält ein Gebot und bringt ein Bedürfniß hervor, da hingegen der
sittliche Geschmack mit den Gegenständen des Wohlgefallens nur spielt,
ohne sich an einen zu hängen. |210.35|


=Aus dem ersten Momente gefolgerte Erklärung des Schönen.=

=Geschmack= ist das Beurtheilungsvermögen eines Gegenstandes oder einer
Vorstellungsart durch ein Wohlgefallen oder Mißfallen =ohne alles
Interesse=. Der Gegenstand eines solchen Wohlgefallens heißt =schön=.


=Zweites Moment= |211.5| #17#

des Geschmacksurtheils, nämlich seiner Quantität nach.


§ 6.

Das Schöne ist das, was ohne Begriffe als Object eines ALLGEMEINEN
Wohlgefallens vorgestellt wird.

Diese Erklärung des Schönen kann aus der vorigen Erklärung desselben,
|211.10| als eines Gegenstandes des Wohlgefallens ohne alles Interesse,
gefolgert werden. Denn das, wovon jemand sich bewußt ist, daß das
Wohlgefallen an demselben bei ihm selbst ohne alles Interesse sei, das
kann derselbe nicht anders als so beurtheilen, daß es einen Grund des
Wohlgefallens für jedermann enthalten müsse. Denn da es sich nicht
auf irgend |211.15| eine Neigung des Subjects (noch auf irgend ein
anderes überlegtes Interesse) gründet, sondern da der Urtheilende sich
in Ansehung des Wohlgefallens, welches er dem Gegenstande widmet,
völlig =frei= fühlt: so kann er keine Privatbedingungen als Gründe
des Wohlgefallens auffinden, an die sich sein Subject allein hinge,
und muß es daher als in demjenigen begründet |211.20| ansehen, was
er auch bei jedem andern voraussetzen kann; folglich muß er glauben
Grund zu haben, jedermann ein ähnliches Wohlgefallen zuzumuthen.
Er wird daher vom Schönen so sprechen, als ob Schönheit #18# eine
Beschaffenheit des Gegenstandes und das Urtheil logisch (durch Begriffe
vom Objecte eine Erkenntniß desselben ausmachend) wäre; ob es |211.25|
gleich nur ästhetisch ist und bloß eine Beziehung der Vorstellung
des Gegenstandes auf das Subject enthält: darum weil es doch mit dem
logischen die Ähnlichkeit hat, daß man die Gültigkeit desselben für
jedermann daran voraussetzen kann. Aber aus Begriffen kann diese
Allgemeinheit auch nicht entspringen. Denn von Begriffen giebt es
keinen Übergang zum |211.30| Gefühle der Lust oder Unlust (ausgenommen
in reinen praktischen Gesetzen, die aber ein Interesse bei sich führen,
dergleichen mit dem reinen Geschmacksurtheile nicht verbunden ist).
Folglich muß dem Geschmacksurtheile mit dem Bewußtsein der Absonderung
in demselben von allem Interesse ein Anspruch auf Gültigkeit für
jedermann ohne auf Objecte gestellte Allgemeinheit anhängen, d. i. es
muß damit ein Anspruch auf subjective Allgemeinheit verbunden sein.
|212.5|


§ 7.

Vergleichung des Schönen mit dem Angenehmen und Guten durch obiges
Merkmal.

In Ansehung des =Angenehmen= bescheidet sich ein jeder: daß sein
Urtheil, welches er auf ein Privatgefühl gründet, und wodurch er von
|212.10| einem Gegenstande sagt, daß er ihm gefalle, sich auch bloß auf
seine Person einschränke. Daher ist er es gern zufrieden, daß, wenn er
sagt: der Canariensect #19# ist angenehm, ihm ein anderer den Ausdruck
verbessere und ihn erinnere, er solle sagen: er ist =mir= angenehm; und
so nicht allein im Geschmack der Zunge, des Gaumens und des Schlundes,
sondern auch in dem, |212.15| was für Augen und Ohren jedem angenehm
sein mag. Dem einen ist die violette Farbe sanft und lieblich, dem
andern todt und erstorben. Einer liebt den Ton der Blasinstrumente,
der andre den von den Saiteninstrumenten. Darüber in der Absicht zu
streiten, um das Urtheil anderer, welches von dem unsrigen verschieden
ist, gleich als ob es diesem logisch |212.20| entgegen gesetzt wäre,
für unrichtig zu schelten, wäre Thorheit; in Ansehung des Angenehmen
gilt also der Grundsatz: =ein jeder hat seinen eigenen Geschmack= (der
Sinne).

Mit dem Schönen ist es ganz anders bewandt. Es wäre (gerade umgekehrt)
lächerlich, wenn jemand, der sich auf seinen Geschmack etwas
einbildete, |212.25| sich damit zu rechtfertigen gedächte: dieser
Gegenstand (das Gebäude, was wir sehen, das Kleid, was jener trägt,
das Concert, was wir hören, das Gedicht, welches zur Beurtheilung
aufgestellt ist) ist =für mich= schön. Denn er muß es nicht =schön=
nennen, wenn es bloß ihm gefällt. Reiz und Annehmlichkeit mag für ihn
vieles haben, darum bekümmert sich |212.30| niemand; wenn er aber etwas
für schön ausgiebt, so muthet er andern eben dasselbe Wohlgefallen zu:
er urtheilt nicht bloß für sich, sondern für #20# jedermann und spricht
alsdann von der Schönheit, als wäre sie eine Eigenschaft der Dinge.
Er sagt daher: die =Sache= ist schön, und rechnet nicht etwa darum
auf Anderer Einstimmung in sein Urtheil des Wohlgefallens, |212.35|
weil er sie mehrmals mit dem seinigen einstimmig befunden hat, sondern
=fordert= es von ihnen. Er tadelt sie, wenn sie anders urtheilen, und
spricht ihnen den Geschmack ab, von dem er doch verlangt, daß sie ihn
haben sollen; und sofern kann man nicht sagen: ein jeder hat seinen
besondern Geschmack. Dieses würde so viel heißen, als: es giebt gar
keinen Geschmack, |213.5| d. i. kein ästhetisches Urtheil, welches auf
jedermanns Beistimmung rechtmäßigen Anspruch machen könnte.

Gleichwohl findet man auch in Ansehung des Angenehmen, daß in der
Beurtheilung desselben sich Einhelligkeit unter Menschen antreffen
lasse, in Absicht auf welche man doch einigen den Geschmack abspricht,
andern |213.10| ihn zugesteht und zwar nicht in der Bedeutung
als Organsinn, sondern als Beurtheilungsvermögen in Ansehung des
Angenehmen überhaupt. So sagt man von jemanden, der seine Gäste mit
Annehmlichkeiten (des Genusses durch alle Sinne) so zu unterhalten
weiß, daß es ihnen insgesammt gefällt: er habe Geschmack. Aber hier
wird die Allgemeinheit nur |213.15| comparativ genommen; und da giebt
es nur =generale= (wie die empirischen alle sind), nicht =universale=
Regeln, welche letzteren das Geschmacksurtheil über das Schöne sich
unternimmt oder darauf Anspruch macht. Es #21# ist ein Urtheil in
Beziehung auf die Geselligkeit, sofern sie auf empirischen Regeln
beruht. In Ansehung des Guten machen die Urtheile zwar auch |213.20|
mit Recht auf Gültigkeit für jedermann Anspruch; allein das Gute wird
nur =durch einen Begriff= als Object eines allgemeinen Wohlgefallens
vorgestellt, welches weder beim Angenehmen noch beim Schönen der Fall
ist.


§ 8. |213.25|

Die Allgemeinheit des Wohlgefallens wird in einem Geschmacksurtheile
nur als subjectiv vorgestellt.

Diese besondere Bestimmung der Allgemeinheit eines ästhetischen
Urtheils, die sich in einem Geschmacksurtheile antreffen läßt, ist
eine Merkwürdigkeit, zwar nicht für den Logiker, aber wohl für den
Transscendental-Philosophen, |213.30| welche seine nicht geringe
Bemühung auffordert, um den Ursprung derselben zu entdecken, dafür aber
auch eine Eigenschaft unseres Erkenntnißvermögens aufdeckt, welche ohne
diese Zergliederung unbekannt geblieben wäre.

Zuerst muß man sich davon völlig überzeugen: daß man durch das
|213.35| Geschmacksurtheil (über das Schöne) das Wohlgefallen an
einem Gegenstande =jedermann= ansinne, ohne sich doch auf einem
Begriffe zu gründen (denn da wäre es das Gute); und daß dieser
Anspruch auf Allgemeingültigkeit #22# so wesentlich zu einem Urtheil
gehöre, wodurch wir etwas für =schön= erklären, daß, ohne dieselbe
dabei zu denken, es niemand in die Gedanken |214.5| kommen würde,
diesen Ausdruck zu gebrauchen, sondern alles, was ohne Begriff
gefällt, zum Angenehmen gezählt werden würde, in Ansehung dessen
man jeglichem seinen Kopf für sich haben läßt, und keiner dem
andern Einstimmung zu seinem Geschmacksurtheile zumuthet, welches
doch im Geschmacksurtheile über Schönheit jederzeit geschieht. Ich
kann den ersten |214.10| den Sinnen-Geschmack, den zweiten den
Reflexions-Geschmack nennen: sofern der erstere bloß Privaturtheile,
der zweite aber vorgebliche gemeingültige (publike), beiderseits
aber ästhetische (nicht praktische) Urtheile über einen Gegenstand
bloß in Ansehung des Verhältnisses seiner Vorstellung zum Gefühl der
Lust und Unlust fällt. Nun ist es doch befremdlich, daß, |214.15| da
von dem Sinnengeschmack nicht allein die Erfahrung zeigt, daß sein
Urtheil (der Lust oder Unlust an irgend etwas) nicht allgemein gelte,
sondern jedermann auch von selbst so bescheiden ist, diese Einstimmung
andern nicht eben anzusinnen (ob sich gleich wirklich öfter eine sehr
ausgebreitete Einhelligkeit auch in diesen Urtheilen vorfindet), der
Reflexions-Geschmack, |214.20| der doch auch oft genug mit seinem
Anspruche auf die allgemeine Gültigkeit seines Urtheils (über das
Schöne) für jedermann abgewiesen wird, wie die Erfahrung lehrt,
gleichwohl es möglich finden könne (welches er #23# auch wirklich thut)
sich Urtheile vorzustellen, die diese Einstimmung allgemein fordern
könnten, und sie in der That für jedes seiner Geschmacksurtheile
|214.25| jedermann zumuthet, ohne daß die Urtheilenden wegen der
Möglichkeit eines solchen Anspruchs in Streite sind, sondern sich nur
in besondern Fällen wegen der richtigen Anwendung dieses Vermögens
nicht einigen können.

Hier ist nun allererst zu merken, daß eine Allgemeinheit, die nicht auf
|214.30| Begriffen vom Objecte (wenn gleich nur empirischen) beruht,
gar nicht logisch, sondern ästhetisch sei, d. i. keine objective
Quantität des Urtheils, sondern nur eine subjective enthalte, für
welche ich auch den Ausdruck =Gemeingültigkeit=, welcher die Gültigkeit
nicht von der Beziehung einer Vorstellung auf das Erkenntnißvermögen,
sondern auf das Gefühl der |214.35| Lust und Unlust für jedes Subject
bezeichnet, gebrauche. (Man kann sich aber auch desselben Ausdrucks
für die logische Quantität des Urtheils bedienen, wenn man nur
dazusetzt =objective= Allgemeingültigkeit zum Unterschiede von der bloß
subjectiven, welche allemal ästhetisch ist.)

Nun ist ein =objectiv allgemeingültiges= Urtheil auch jederzeit
subjectiv, d. i. wenn das Urtheil für alles, was unter einem gegebenen
Begriffe enthalten ist, gilt, so gilt es auch für jedermann, der sich
einen |215.5| Gegenstand durch diesen Begriff vorstellt. Aber von
einer =subjectiven Allgemeingültigkeit=, d. i. der ästhetischen, die
auf keinem Begriffe #24# beruht, läßt sich nicht auf die logische
schließen: weil jene Art Urtheile gar nicht auf das Object geht. Eben
darum aber muß auch die ästhetische Allgemeinheit, die einem Urtheile
beigelegt wird, von besonderer Art sein, |215.10| weil sie das Prädicat
der Schönheit nicht mit dem Begriffe des =Objects=, in seiner ganzen
logischen Sphäre betrachtet, verknüpft und doch eben dasselbe über die
ganze Sphäre =der Urtheilenden= ausdehnt.

In Ansehung der logischen Quantität sind alle Geschmacksurtheile
=einzelne= Urtheile. Denn weil ich den Gegenstand unmittelbar an mein
|215.15| Gefühl der Lust und Unlust halten muß und doch nicht durch
Begriffe, so können jene nicht die Quantität objectiv-gemeingültiger
Urtheile haben; obgleich, wenn die einzelne Vorstellung des Objects des
Geschmacksurtheils nach den Bedingungen, die das letztere bestimmen,
durch Vergleichung in einen Begriff verwandelt wird, ein logisch
allgemeines Urtheil daraus |215.20| werden kann: z. B. die Rose, die
ich anblicke, erkläre ich durch ein Geschmacksurtheil für schön.
Dagegen ist das Urtheil, welches durch Vergleichung vieler einzelnen
entspringt: die Rosen überhaupt sind schön, nunmehr nicht bloß als
ästhetisches, sondern als ein auf einem ästhetischen gegründetes
logisches Urtheil ausgesagt. Nun ist das Urtheil: die Rose |215.25|
ist (im Geruche) angenehm, zwar auch ein ästhetisches und einzelnes,
aber kein Geschmacks-, sondern ein Sinnenurtheil. Es unterscheidet sich
nämlich vom ersteren darin: daß das Geschmacksurtheil eine =ästhetische
#25# Quantität= der Allgemeinheit, d. i. der Gültigkeit für jedermann,
bei sich führt, welche im Urtheile über das Angenehme nicht angetroffen
werden |215.30| kann. Nur allein die Urtheile über das Gute, ob sie
gleich auch das Wohlgefallen an einem Gegenstande bestimmen, haben
logische, nicht bloß ästhetische Allgemeinheit; denn sie gelten vom
Object, als Erkenntnisse desselben, und darum für jedermann.

Wenn man Objecte bloß nach Begriffen beurtheilt, so geht alle
Vorstellung |215.35| der Schönheit verloren. Also kann es auch keine
Regel geben, nach der jemand genöthigt werden sollte, etwas für schön
anzuerkennen. Ob ein Kleid, ein Haus, eine Blume schön sei: dazu läßt
man sich sein Urtheil durch keine Gründe oder Grundsätze aufschwatzen.
Man will das Object seinen eignen Augen unterwerfen, gleich als ob
sein Wohlgefallen von der Empfindung abhinge; und dennoch, wenn man
den Gegenstand alsdann schön nennt, glaubt man eine allgemeine Stimme
für sich zu haben und |216.5| macht Anspruch auf den Beitritt von
jedermann, da hingegen jede Privatempfindung nur für den Betrachtenden
allein und sein Wohlgefallen entscheiden würde.

Hier ist nun zu sehen, daß in dem Urtheile des Geschmacks nichts
postulirt wird, als eine solche =allgemeine Stimme= in Ansehung des
Wohlgefallens |216.10| ohne Vermittlung der Begriffe; mithin die
=Möglichkeit= eines #26# ästhetischen Urtheils, welches zugleich als
für jedermann gültig betrachtet werden könne. Das Geschmacksurtheil
selber =postulirt= nicht jedermanns Einstimmung (denn das kann nur ein
logisch allgemeines, weil es Gründe anführen kann, thun); es =sinnt=
nur jedermann diese Einstimmung an, |216.15| als einen Fall der Regel,
in Ansehung dessen es die Bestätigung nicht von Begriffen, sondern von
anderer Beitritt erwartet. Die allgemeine Stimme ist also nur eine
Idee (worauf sie beruhe, wird hier noch nicht untersucht). Daß der,
welcher ein Geschmacksurtheil zu fällen glaubt, in der That dieser Idee
gemäß urtheile, kann ungewiß sein; aber daß er es doch darauf |216.20|
beziehe, mithin daß es ein Geschmacksurtheil sein solle, kündigt er
durch den Ausdruck der Schönheit an. Für sich selbst aber kann er durch
das bloße Bewußtsein der Absonderung alles dessen, was zum Angenehmen
und Guten gehört, von dem Wohlgefallen, was ihm noch übrig bleibt,
davon gewiß werden; und das ist alles, wozu er sich die Beistimmung
von jedermann |216.25| verspricht: ein Anspruch, wozu unter diesen
Bedingungen er auch berechtigt sein würde, wenn er nur wider sie nicht
öfter fehlte und darum ein irriges Geschmacksurtheil fällte.


§ 9. #27#

Untersuchung der Frage: ob im Geschmacksurtheile das Gefühl |216.30|
der Lust vor der Beurtheilung des Gegenstandes, oder diese vor jener
vorhergehe.

Die Auflösung dieser Aufgabe ist der Schlüssel zur Kritik des
Geschmacks und daher aller Aufmerksamkeit würdig.

Ginge die Lust an dem gegebenen Gegenstande vorher, und nur
die |216.35| allgemeine Mittheilbarkeit derselben sollte im
Geschmacksurtheile der Vorstellung des Gegenstandes zuerkannt werden,
so würde ein solches Verfahren mit sich selbst im Widerspruche stehen.
Denn dergleichen Lust würde keine andere, als die bloße Annehmlichkeit
in der Sinnenempfindung sein und daher ihrer Natur nach nur
Privatgültigkeit haben können, weil sie |217.5| von der Vorstellung,
wodurch der Gegenstand =gegeben wird=, unmittelbar abhinge.

Also ist es die allgemeine Mittheilungsfähigkeit des Gemüthszustandes
in der gegebenen Vorstellung, welche als subjective Bedingung des
Geschmacksurtheils demselben zum Grunde liegen und die Lust an dem
|217.10| Gegenstande zur Folge haben muß. Es kann aber nichts allgemein
mitgetheilt werden als Erkenntniß und Vorstellung, sofern sie zum
Erkenntniß gehört. Denn sofern ist die letztere nur allein objectiv
und hat nur dadurch einen allgemeinen Beziehungspunkt, womit die
Vorstellungskraft Aller zusammenzustimmen #28# genöthigt wird. Soll
nun der Bestimmungsgrund des |217.15| Urtheils über diese allgemeine
Mittheilbarkeit der Vorstellung bloß subjectiv, nämlich ohne einen
Begriff vom Gegenstande, gedacht werden, so kann er kein anderer als
der Gemüthszustand sein, der im Verhältnisse der Vorstellungskräfte zu
einander angetroffen wird, sofern sie eine gegebene Vorstellung auf
=Erkenntniß überhaupt= beziehen. |217.20|

Die Erkenntnißkräfte, die durch diese Vorstellung ins Spiel gesetzt
werden, sind hiebei in einem freien Spiele, weil kein bestimmter
Begriff sie auf eine besondere Erkenntnißregel einschränkt. Also muß
der Gemüthszustand in dieser Vorstellung der eines Gefühls des freien
Spiels der Vorstellungskräfte an einer gegebenen Vorstellung zu einem
Erkenntnisse überhaupt |217.25| sein. Nun gehören zu einer Vorstellung,
wodurch ein Gegenstand gegeben wird, damit überhaupt daraus Erkenntniß
werde, =Einbildungskraft= für die Zusammensetzung des Mannigfaltigen
der Anschauung und =Verstand= für die Einheit des Begriffs, der
die Vorstellungen vereinigt. Dieser Zustand eines =freien Spiels=
der Erkenntnißvermögen bei einer |217.30| Vorstellung, wodurch ein
Gegenstand gegeben wird, muß sich allgemein mittheilen lassen: weil
Erkenntniß als Bestimmung des Objects, womit gegebene Vorstellungen (in
welchem Subjecte es auch sei) zusammen stimmen #29# sollen, die einzige
Vorstellungsart ist, die für jedermann gilt.

Die subjective allgemeine Mittheilbarkeit der Vorstellungsart in
|217.35| einem Geschmacksurtheile, da sie, ohne einen bestimmten
Begriff vorauszusetzen, Statt finden soll, kann nichts anders als der
Gemüthszustand in dem freien Spiele der Einbildungskraft und des
Verstandes (sofern sie unter einander, wie es zu einem =Erkenntnisse
überhaupt= erforderlich ist, zusammen stimmen) sein, indem wir uns
bewußt sind, daß dieses zum Erkenntniß überhaupt schickliche subjective
Verhältniß eben so wohl für jedermann gelten und folglich allgemein
mittheilbar sein müsse, als es eine jede |218.5| bestimmte Erkenntniß
ist, die doch immer auf jenem Verhältniß als subjectiver Bedingung
beruht.

Diese bloß subjective (ästhetische) Beurtheilung des Gegenstandes,
oder der Vorstellung, wodurch er gegeben wird, geht nun vor der Lust
an demselben vorher und ist der Grund dieser Lust an der Harmonie
der Erkenntnißvermögen; |218.10| auf jener Allgemeinheit aber der
subjectiven Bedingungen der Beurtheilung der Gegenstände gründet sich
allein diese allgemeine subjective Gültigkeit des Wohlgefallens,
welches wir mit der Vorstellung des Gegenstandes, den wir schön nennen,
verbinden.

Daß, seinen Gemüthszustand, selbst auch nur in Ansehung der
Erkenntnißvermögen, |218.15| mittheilen zu können, eine Lust bei
sich führe, könnte man aus dem natürlichen Hange des Menschen zur
Geselligkeit (empirisch #30# und psychologisch) leichtlich darthun.
Das ist aber zu unserer Absicht nicht genug. Die Lust, die wir fühlen,
muthen wir jedem andern im Geschmacksurtheile als nothwendig zu, gleich
als ob es für eine Beschaffenheit des |218.20| Gegenstandes, die an
ihm nach Begriffen bestimmt ist, anzusehen wäre, wenn wir etwas schön
nennen; da doch Schönheit ohne Beziehung auf das Gefühl des Subjects
für sich nichts ist. Die Erörterung dieser Frage aber müssen wir uns
bis zur Beantwortung derjenigen: ob und wie ästhetische Urtheile _a
priori_ möglich sind, vorbehalten. |218.25|

Jetzt beschäftigen wir uns noch mit der mindern Frage: auf welche
Art wir uns einer wechselseitigen subjectiven Übereinstimmung der
Erkenntnißkräfte unter einander im Geschmacksurtheile bewußt werden,
ob ästhetisch durch den bloßen innern Sinn und Empfindung, oder
intellectuell durch das Bewußtsein unserer absichtlichen Thätigkeit,
womit wir jene |218.30| ins Spiel setzen.

Wäre die gegebene Vorstellung, welche das Geschmacksurtheil veranlaßt,
ein Begriff, welcher Verstand und Einbildungskraft in der Beurtheilung
des Gegenstandes zu einem Erkenntnisse des Objects vereinigte, so
wäre das Bewußtsein dieses Verhältnisses intellectuell (wie im
objectiven |218.35| Schematism der Urtheilskraft, wovon die Kritik
handelt). Aber das Urtheil wäre auch alsdann nicht in Beziehung auf
Lust und Unlust gefällt, mithin kein Geschmacksurtheil. Nun bestimmt
aber das Geschmacksurtheil #31# unabhängig von Begriffen das Object
in Ansehung des Wohlgefallens und des Prädicats der Schönheit.
Also kann jene subjective Einheit des Verhältnisses sich nur durch
Empfindung kenntlich machen. Die Belebung beider Vermögen (der
Einbildungskraft und des Verstandes) zu unbestimmter, |219.5| aber
doch vermittelst des Anlasses der gegebenen Vorstellung einhelliger
Thätigkeit, derjenigen nämlich, die zu einem Erkenntniß überhaupt
gehört, ist die Empfindung, deren allgemeine Mittheilbarkeit das
Geschmacksurtheil postulirt. Ein objectives Verhältniß kann zwar nur
gedacht, aber, so fern es seinen Bedingungen nach subjectiv ist,
doch in der |219.10| Wirkung auf das Gemüth empfunden werden; und
bei einem Verhältnisse, welches keinen Begriff zum Grunde legt (wie
das der Vorstellungskräfte zu einem Erkenntnißvermögen überhaupt),
ist auch kein anderes Bewußtsein desselben, als durch Empfindung der
Wirkung, die im erleichterten Spiele beider durch wechselseitige
Zusammenstimmung belebten Gemüthskräfte |219.15| (der Einbildungskraft
und des Verstandes) besteht, möglich. Eine Vorstellung, die als einzeln
und ohne Vergleichung mit andern dennoch eine Zusammenstimmung zu den
Bedingungen der Allgemeinheit hat, welche das Geschäft des Verstandes
überhaupt ausmacht, bringt die Erkenntnißvermögen in die proportionirte
Stimmung, die wir zu allem Erkenntnisse |219.20| fordern und daher
auch für jedermann, der durch Verstand und #32# Sinne in Verbindung zu
urtheilen bestimmt ist (für jeden Menschen), gültig halten.


=Aus dem zweiten Moment gefolgerte Erklärung des Schönen.=

=Schön= ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt. |219.25|


Drittes Moment

der Geschmacksurtheile nach der =Relation= der Zwecke, welche in ihnen
in Betrachtung gezogen wird.


§ 10.

Von der Zweckmäßigkeit überhaupt. |219.30|

Wenn man, was ein Zweck sei, nach seinen transscendentalen Bestimmungen
(ohne etwas Empirisches, dergleichen das Gefühl der Lust ist,
vorauszusetzen) erklären will: so ist Zweck der Gegenstand eines
Begriffs, sofern dieser als die Ursache von jenem (der reale Grund
seiner Möglichkeit) angesehen wird; und die Causalität eines =Begriffs=
in Ansehung seines =Objects= ist die Zweckmäßigkeit (_forma finalis_).
Wo also nicht etwa bloß die Erkenntniß von einem Gegenstande, sondern
der Gegenstand selbst |220.5| (die Form oder Existenz desselben) als
Wirkung nur als durch einen Begriff von der letztern möglich gedacht
wird, da denkt man sich einen Zweck. Die Vorstellung der Wirkung ist
hier der Bestimmungsgrund ihrer Ursache #33# und geht vor der letztern
vorher. Das Bewußtsein der Causalität einer Vorstellung in Absicht auf
den Zustand des Subjects, es in demselben |220.10| =zu erhalten=, kann
hier im Allgemeinen das bezeichnen, was man Lust nennt; wogegen Unlust
diejenige Vorstellung ist, die den Zustand der Vorstellungen zu ihrem
eigenen Gegentheile zu bestimmen (sie abzuhalten oder wegzuschaffen)
den Grund enthält.

Das Begehrungsvermögen, sofern es nur durch Begriffe, d. i. der
|220.15| Vorstellung eines Zwecks gemäß zu handeln, bestimmbar
ist, würde der Wille sein. Zweckmäßig aber heißt ein Object, oder
Gemüthszustand, oder eine Handlung auch, wenn gleich ihre Möglichkeit
die Vorstellung eines Zwecks nicht nothwendig voraussetzt, bloß darum,
weil ihre Möglichkeit von uns nur erklärt und begriffen werden kann,
sofern wir eine Causalität |220.20| nach Zwecken, d. i. einen Willen,
der sie nach der Vorstellung einer gewissen Regel so angeordnet hätte,
zum Grunde derselben annehmen. Die Zweckmäßigkeit kann also ohne Zweck
sein, sofern wir die Ursachen dieser Form nicht in einem Willen setzen,
aber doch die Erklärung ihrer Möglichkeit nur, indem wir sie von einem
Willen ableiten, uns begreiflich machen |220.25| können. Nun haben wir
das, was wir beobachten, nicht immer nöthig durch Vernunft (seiner
Möglichkeit nach) einzusehen. Also können wir eine Zweckmäßigkeit der
Form nach, auch ohne daß wir ihr einen Zweck #34# (als die Materie
des _nexus finalis_) zum Grunde legen, wenigstens beobachten und
an Gegenständen, wiewohl nicht anders als durch Reflexion |220.30|
bemerken.


§ 11.

Das Geschmacksurtheil hat nichts als die FORM DER ZWECKMÄSSIGKEIT eines
Gegenstandes (oder der Vorstellungsart desselben) zum Grunde.

Aller Zweck, wenn er als Grund des Wohlgefallens angesehen wird,
|221.5| führt immer ein Interesse, als Bestimmungsgrund des Urtheils
über den Gegenstand der Lust, bei sich. Also kann dem Geschmacksurtheil
kein subjectiver Zweck zum Grunde liegen. Aber auch keine Vorstellung
eines objectiven Zwecks, d. i. der Möglichkeit des Gegenstandes selbst
nach Principien der Zweckverbindung, mithin kein Begriff des Guten kann
das Geschmacksurtheil |221.10| bestimmen: weil es ein ästhetisches
und kein Erkenntnißurtheil ist, welches also keinen =Begriff= von der
Beschaffenheit und innern oder äußern Möglichkeit des Gegenstandes
durch diese oder jene Ursache, sondern bloß das Verhältniß der
Vorstellungskräfte zu einander, sofern sie durch eine Vorstellung
bestimmt werden, betrifft. |221.15|

Nun ist dieses Verhältniß in der Bestimmung eines Gegenstandes, #35#
als eines schönen, mit dem Gefühle einer Lust verbunden, die durch
das Geschmacksurtheil zugleich als für jedermann gültig erklärt
wird; folglich kann eben so wenig eine die Vorstellung begleitende
Annehmlichkeit als die Vorstellung von der Vollkommenheit des
Gegenstandes und der Begriff |221.20| des Guten den Bestimmungsgrund
enthalten. Also kann nichts anders als die subjective Zweckmäßigkeit in
der Vorstellung eines Gegenstandes ohne allen (weder objectiven noch
subjectiven) Zweck, folglich die bloße Form der Zweckmäßigkeit in der
Vorstellung, wodurch uns ein Gegenstand =gegeben= wird, sofern wir uns
ihrer bewußt sind, das Wohlgefallen, |221.25| welches wir ohne Begriff
als allgemein mittheilbar beurtheilen, mithin den Bestimmungsgrund des
Geschmacksurtheils ausmachen.


§ 12.

Das Geschmacksurtheil beruht auf Gründen _a priori_.

Die Verknüpfung des Gefühls einer Lust oder Unlust als einer Wirkung
|221.30| mit irgend einer Vorstellung (Empfindung oder Begriff) als
ihrer Ursache _a priori_ auszumachen, ist schlechterdings unmöglich;
denn das wäre ein Causalverhältniß, welches (unter Gegenständen der
Erfahrung) nur jederzeit _a posteriori_ und vermittelst der Erfahrung
selbst erkannt werden #36# kann. Zwar haben wir in der Kritik der
praktischen Vernunft wirklich das Gefühl der Achtung (als eine
besondere und eigenthümliche Modification dieses Gefühls, welches
weder mit der Lust noch Unlust, die wir von empirischen Gegenständen
bekommen, recht übereintreffen will) von allgemeinen |222.5| sittlichen
Begriffen _a priori_ abgeleitet. Aber wir konnten dort auch die
Gränzen der Erfahrung überschreiten und eine Causalität, die auf
einer übersinnlichen Beschaffenheit des Subjects beruhte, nämlich die
der Freiheit, herbei rufen. Allein selbst da leiteten wir eigentlich
nicht dieses =Gefühl= von der Idee des Sittlichen als Ursache her,
sondern bloß die Willensbestimmung |222.10| wurde davon abgeleitet.
Der Gemüthszustand aber eines irgend wodurch bestimmten Willens ist an
sich schon ein Gefühl der Lust und mit ihm identisch, folgt also nicht
als Wirkung daraus: welches letztere nur angenommen werden müßte, wenn
der Begriff des Sittlichen als eines Guts vor der Willensbestimmung
durch das Gesetz vorherginge; da alsdann |222.15| die Lust, die mit
dem Begriffe verbunden wäre, aus diesem als einer bloßen Erkenntniß
vergeblich würde abgeleitet werden.

Nun ist es auf ähnliche Weise mit der Lust im ästhetischen Urtheile
bewandt: nur daß sie hier bloß contemplativ, und ohne ein Interesse
am Object zu bewirken, im moralischen Urtheil hingegen praktisch ist.
Das |222.20| Bewußtsein der bloß formalen Zweckmäßigkeit im Spiele
der Erkenntnißkräfte #37# des Subjects bei einer Vorstellung, wodurch
ein Gegenstand gegeben wird, ist die Lust selbst, weil es einen
Bestimmungsgrund der Thätigkeit des Subjects in Ansehung der Belebung
der Erkenntnißkräfte desselben, also eine innere Causalität (welche
zweckmäßig ist) in Ansehung der Erkenntniß |222.25| überhaupt, aber
ohne auf eine bestimmte Erkenntniß eingeschränkt zu sein, mithin
eine bloße Form der subjectiven Zweckmäßigkeit einer Vorstellung,
in einem ästhetischen Urtheile enthält. Diese Lust ist auch auf
keinerlei Weise praktisch, weder wie die aus dem pathologischen
Grunde der Annehmlichkeit, noch die aus dem intellectuellen des
vorgestellten |222.30| Guten. Sie hat aber doch Causalität in sich,
nämlich den Zustand der Vorstellung selbst und die Beschäftigung der
Erkenntnißkräfte ohne weitere Absicht zu =erhalten=. Wir =weilen= bei
der Betrachtung des Schönen, weil diese Betrachtung sich selbst stärkt
und reproducirt: welches derjenigen Verweilung analogisch (aber doch
mit ihr nicht einerlei) ist, da ein Reiz |222.35| in der Vorstellung
des Gegenstandes die Aufmerksamkeit wiederholentlich erweckt, wobei das
Gemüth passiv ist.


§ 13.

Das reine Geschmacksurtheil ist von Reiz und Rührung unabhängig.

Alles Interesse verdirbt das Geschmacksurtheil und nimmt ihm seine
Unpartheilichkeit, vornehmlich wenn es nicht so wie das Interesse der
Vernunft |223.5| #38# die Zweckmäßigkeit vor dem Gefühle der Lust
voranschickt, sondern sie auf dieses gründet; welches letztere allemal
im ästhetischen Urtheile über etwas, sofern es vergnügt oder schmerzt,
geschieht. Daher Urtheile, die so afficirt sind, auf allgemeingültiges
Wohlgefallen entweder gar keinen, oder so viel weniger Anspruch machen
können, als sich von der gedachten Art |223.10| Empfindungen unter den
Bestimmungsgründen des Geschmacks befinden. Der Geschmack ist jederzeit
noch barbarisch, wo er die Beimischung der =Reize= und =Rührungen= zum
Wohlgefallen bedarf, ja wohl gar diese zum Maßstabe seines Beifalls
macht.

Indessen werden Reize doch öfter nicht allein zur Schönheit (die doch
|223.15| eigentlich bloß die Form betreffen sollte) als Beitrag zum
ästhetischen allgemeinen Wohlgefallen gezählt, sondern sie werden
wohl gar an sich selbst für Schönheiten, mithin die Materie des
Wohlgefallens für die Form ausgegeben: ein Mißverstand, der sich so wie
mancher andere, welcher doch noch immer etwas Wahres zum Grunde hat,
durch sorgfältige Bestimmung |223.20| dieser Begriffe heben läßt.

Ein Geschmacksurtheil, auf welches Reiz und Rührung keinen Einfluß
haben (ob sie sich gleich mit dem Wohlgefallen am Schönen verbinden
lassen), welches also bloß die Zweckmäßigkeit der Form zum
Bestimmungsgrunde hat, ist ein =reines Geschmacksurtheil=. |223.25|


§ 14. #39#

Erläuterung durch Beispiele.

Ästhetische Urtheile können eben sowohl als theoretische (logische) in
empirische und reine eingetheilt werden. Die erstern sind die, welche
Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit, die zweiten die, welche Schönheit
von |223.30| einem Gegenstande, oder von der Vorstellungsart desselben
aussagen; jene sind Sinnenurtheile (materiale ästhetische Urtheile),
diese (als formale) allein eigentliche Geschmacksurtheile.

Ein Geschmacksurtheil ist also nur sofern rein, als kein bloß
empirisches Wohlgefallen dem Bestimmungsgrunde desselben beigemischt
wird. Dieses aber geschieht allemal, wenn Reiz oder Rührung einen
Antheil an dem Urtheile haben, wodurch etwas für schön erklärt werden
soll.

Nun thun sich wieder manche Einwürfe hervor, die zuletzt den Reiz
|224.5| nicht bloß zum nothwendigen Ingrediens der Schönheit, sondern
wohl gar als für sich allein hinreichend, um schön genannt zu werden,
vorspiegeln. Eine bloße Farbe, z. B. die grüne eines Rasenplatzes, ein
bloßer Ton (zum Unterschiede vom Schalle und Geräusch), wie etwa der
einer Violine, wird von den Meisten an sich für schön erklärt; obzwar
beide |224.10| bloß die Materie der Vorstellungen, nämlich lediglich
Empfindung, zum Grunde zu haben scheinen und darum nur angenehm
genannt zu werden #40# verdienten. Allein man wird doch zugleich
bemerken, daß die Empfindungen der Farbe sowohl als des Tons sich nur
sofern für schön zu gelten berechtigt halten, als beide =rein= sind;
welches eine Bestimmung ist, die |224.15| schon die Form betrifft,
und auch das einzige, was sich von diesen Vorstellungen mit Gewißheit
allgemein mittheilen läßt: weil die Qualität der Empfindungen selbst
nicht in allen Subjecten als einstimmig und die Annehmlichkeit einer
Farbe, vorzüglich vor der andern, oder des Tons eines musikalischen
Instruments vor dem eines andern sich schwerlich bei |224.20| jedermann
als auf gleiche Art beurtheilt annehmen läßt.

Nimmt man mit =Eulern= an, daß die Farben gleichzeitig auf einander
folgende Schläge (_pulsus_) des Äthers, so wie Töne der im Schalle
erschütterten Luft sind, und, was das Vornehmste ist, das Gemüth
nicht bloß durch den Sinn die Wirkung davon auf die Belebung des
Organs, |224.25| sondern auch durch die Reflexion das regelmäßige
Spiel der Eindrücke (mithin die Form in der Verbindung verschiedener
Vorstellungen) wahrnehme (woran ich doch gar nicht zweifle): so
würde Farbe und Ton nicht bloße Empfindungen, sondern schon formale
Bestimmung der Einheit eines Mannigfaltigen derselben sein und alsdann
auch für sich zu Schönheiten |224.30| gezählt werden können.

Das Reine aber einer einfachen Empfindungsart bedeutet, daß die
Gleichförmigkeit derselben durch keine fremdartige Empfindung gestört
#41# und unterbrochen wird, und gehört bloß zur Form: weil man dabei
von der Qualität jener Empfindungsart (ob und welche Farbe, oder ob
und |224.35| welchen Ton sie vorstelle) abstrahiren kann. Daher werden
alle einfache Farben, sofern sie rein sind, für schön gehalten; die
gemischten haben diesen Vorzug nicht: eben darum weil, da sie nicht
einfach sind, man keinen Maßstab der Beurtheilung hat, ob man sie rein
oder unrein nennen solle.

Was aber die dem Gegenstande seiner Form wegen beigelegte Schönheit,
sofern sie, wie man meint, durch Reiz wohl gar könne erhöht werden,
anlangt, so ist dies ein gemeiner und dem ächten, unbestochenen,
gründlichen |225.5| Geschmacke sehr nachtheiliger Irrthum; ob sich zwar
allerdings neben der Schönheit auch noch Reize hinzufügen lassen, um
das Gemüth durch die Vorstellung des Gegenstandes außer dem trockenen
Wohlgefallen noch zu interessiren und so dem Geschmacke und dessen
Cultur zur Anpreisung zu dienen, vornehmlich wenn er noch roh und
ungeübt ist. Aber |225.10| sie thun wirklich dem Geschmacksurtheile
Abbruch, wenn sie die Aufmerksamkeit als Beurtheilungsgründe der
Schönheit auf sich ziehen. Denn es ist so weit gefehlt, daß sie dazu
beitrügen, daß sie vielmehr als Fremdlinge, nur sofern sie jene schöne
Form nicht stören, wenn der Geschmack noch schwach und ungeübt ist, mit
Nachsicht müssen aufgenommen werden. |225.15|

In der Malerei, Bildhauerkunst, ja allen bildenden Künsten, in der
#42# Baukunst, Gartenkunst, sofern sie schöne Künste sind, ist die
=Zeichnung= das Wesentliche, in welcher nicht, was in der Empfindung
vergnügt, sondern bloß was durch seine Form gefällt, den Grund aller
Anlage für den Geschmack ausmacht. Die Farben, welche den Abriß
illuminiren, gehören |225.20| zum Reiz; den Gegenstand an sich können
sie zwar für die Empfindung belebt, aber nicht anschauungswürdig und
schön machen: vielmehr werden sie durch das, was die schöne Form
erfordert, mehrentheils gar sehr eingeschränkt und selbst da, wo der
Reiz zugelassen wird, durch die erstere allein veredelt. |225.25|

Alle Form der Gegenstände der Sinne (der äußern sowohl als mittelbar
auch des innern) ist entweder =Gestalt=, oder =Spiel=; im letztern
Falle entweder Spiel der Gestalten (im Raume die Mimik und der Tanz);
oder bloßes Spiel der Empfindungen (in der Zeit). Der =Reiz= der
Farben, oder angenehmer Töne des Instruments kann hinzukommen, aber die
|225.30| =Zeichnung= in der ersten und die Composition in dem letzten
machen den eigentlichen Gegenstand des reinen Geschmacksurtheils aus;
und daß die Reinigkeit der Farben sowohl als der Töne, oder auch
die Mannigfaltigkeit derselben und ihre Abstechung zur Schönheit
beizutragen scheint, will nicht so viel sagen, daß sie darum, weil sie
für sich angenehm sind, gleichsam |225.35| einen gleichartigen Zusatz
zu dem Wohlgefallen an der Form abgeben, #43# sondern weil sie diese
letztere nur genauer, bestimmter und vollständiger anschaulich machen
und überdem durch ihren Reiz die Vorstellung beleben, indem sie die
Aufmerksamkeit auf den Gegenstand selbst erwecken und erhalten.

Selbst was man =Zierathen= (Parerga) nennt, d. i. dasjenige, was nicht
in die ganze Vorstellung des Gegenstandes als Bestandstück innerlich,
|226.5| sondern nur äußerlich als Zuthat gehört und das Wohlgefallen
des Geschmacks vergrößert, thut dieses doch auch nur durch seine
Form: wie Einfassungen der Gemälde, oder Gewänder an Statuen, oder
Säulengänge um Prachtgebäude. Besteht aber der Zierath nicht selbst in
der schönen Form, ist er wie der goldene Rahmen bloß, um durch seinen
Reiz |226.10| das Gemälde dem Beifall zu empfehlen, angebracht: so
heißt er alsdann =Schmuck= und thut der ächten Schönheit Abbruch.

=Rührung=, eine Empfindung, wo Annehmlichkeit nur vermittelst
augenblicklicher Hemmung und darauf erfolgender stärkerer Ergießung der
Lebenskraft gewirkt wird, gehört gar nicht zur Schönheit. Erhabenheit
|226.15| (mit welcher das Gefühl der Rührung verbunden ist) aber
erfordert einen andern Maßstab der Beurtheilung, als der Geschmack
sich zum Grunde legt; und so hat ein reines Geschmacksurtheil weder
Reiz noch Rührung, mit einem Worte keine Empfindung, als Materie des
ästhetischen Urtheils, zum Bestimmungsgrunde. |226.20|


§ 15. #44#

Das Geschmacksurtheil ist von dem Begriffe der Vollkommenheit gänzlich
unabhängig.

Die =objective= Zweckmäßigkeit kann nur vermittelst der Beziehung
des Mannigfaltigen auf einen bestimmten Zweck, also nur durch einen
|226.25| Begriff, erkannt werden. Hieraus allein schon erhellt: daß
das Schöne, dessen Beurtheilung eine bloß formale Zweckmäßigkeit, d.
i. eine Zweckmäßigkeit ohne Zweck, zum Grunde hat, von der Vorstellung
des Guten ganz unabhängig sei, weil das letztere eine objective
Zweckmäßigkeit, d. i. die Beziehung des Gegenstandes auf einen
bestimmten Zweck, voraussetzt. |226.30|

Die objective Zweckmäßigkeit ist entweder die äußere, d. i. die
=Nützlichkeit=, oder die innere, d. i. die =Vollkommenheit= des
Gegenstandes. Daß das Wohlgefallen an einem Gegenstande, weshalb wir
ihn schön nennen, nicht auf der Vorstellung seiner Nützlichkeit beruhen
könne, ist aus beiden vorigen Hauptstücken hinreichend zu ersehen:
weil es alsdann nicht |226.35| ein unmittelbares Wohlgefallen an dem
Gegenstande sein würde, welches letztere die wesentliche Bedingung des
Urtheils über Schönheit ist. Aber eine objective innere Zweckmäßigkeit,
d. i. Vollkommenheit, kommt dem Prädicate der Schönheit schon näher
und ist daher auch von namhaften Philosophen, doch mit dem Beisatze,
=wenn sie verworren gedacht |227.5| #45# wird=, für einerlei mit der
Schönheit gehalten worden. Es ist von der größten Wichtigkeit, in
einer Kritik des Geschmacks zu entscheiden, ob sich auch die Schönheit
wirklich in den Begriff der Vollkommenheit auflösen lasse.

Die objective Zweckmäßigkeit zu beurtheilen, bedürfen wir jederzeit
|227.10| den Begriff eines Zwecks und (wenn jene Zweckmäßigkeit
nicht eine äußere [Nützlichkeit], sondern eine innere sein soll) den
Begriff eines innern Zwecks, der den Grund der innern Möglichkeit
des Gegenstandes enthalte. So wie nun Zweck überhaupt dasjenige ist,
dessen =Begriff= als der Grund der Möglichkeit des Gegenstandes selbst
angesehen werden kann: so wird, |227.15| um sich eine objective
Zweckmäßigkeit an einem Dinge vorzustellen, der Begriff von diesem,
=was es für ein Ding sein solle=, voran gehen; und die Zusammenstimmung
des Mannigfaltigen in demselben zu diesem Begriffe (welcher die
Regel der Verbindung desselben an ihm giebt) ist die =qualitative
Vollkommenheit= eines Dinges. Hiervon ist die |227.20| =quantitative=,
als die Vollständigkeit eines jeden Dinges in seiner Art, gänzlich
unterschieden und ein bloßer Größenbegriff (der Allheit), bei welchem,
=was das Ding sein solle=, schon zum voraus als bestimmt gedacht und
nur, ob =alles= dazu Erforderliche an ihm sei, gefragt wird. Das
Formale in der Vorstellung eines Dinges, d. i. die Zusammenstimmung
|227.25| des Mannigfaltigen zu Einem (unbestimmt was es sein solle),
giebt #46# für sich ganz und gar keine objective Zweckmäßigkeit zu
erkennen: weil, da von diesem Einen =als Zweck= (was das Ding sein
solle) abstrahirt wird, nichts als die subjective Zweckmäßigkeit der
Vorstellungen im Gemüthe des Anschauenden übrig bleibt, welche wohl
eine gewisse Zweckmäßigkeit |227.30| des Vorstellungszustandes im
Subject und in diesem eine Behaglichkeit desselben eine gegebene Form
in die Einbildungskraft aufzufassen, aber keine Vollkommenheit irgend
eines Objects, das hier durch keinen Begriff eines Zwecks gedacht wird,
angiebt. Wie z. B., wenn ich im Walde einen Rasenplatz antreffe, um
welchen die Bäume im Cirkel |227.35| stehen, und ich mir dabei nicht
einen Zweck, nämlich daß er etwa zum ländlichen Tanze dienen solle,
vorstelle, nicht der mindeste Begriff von Vollkommenheit durch die
bloße Form gegeben wird. Eine formale =objective= Zweckmäßigkeit aber
ohne Zweck, d. i. die bloße Form einer =Vollkommenheit= (ohne alle
Materie und =Begriff= von dem, wozu zusammengestimmt wird, wenn es auch
bloß die Idee einer Gesetzmäßigkeit überhaupt wäre), sich vorzustellen,
ist ein wahrer Widerspruch. |228.5|

Nun ist das Geschmacksurtheil ein ästhetisches Urtheil, d. i.
ein solches, was auf subjectiven Gründen beruht, und dessen
Bestimmungsgrund kein Begriff, mithin auch nicht der eines bestimmten
Zwecks sein kann. Also wird durch die Schönheit, als eine formale
subjective Zweckmäßigkeit, keinesweges eine Vollkommenheit des
Gegenstandes als vorgeblich |228.10| #47# formale, gleichwohl aber
doch objective Zweckmäßigkeit gedacht; und der Unterschied zwischen
den Begriffen des Schönen und Guten, als ob beide nur der logischen
Form nach unterschieden, der erste bloß ein verworrener, der zweite
ein deutlicher Begriff der Vollkommenheit, sonst aber dem Inhalte
und Ursprunge nach einerlei wären, ist nichtig: weil alsdann
zwischen |228.15| ihnen kein =specifischer= Unterschied, sondern ein
Geschmacksurtheil eben so wohl ein Erkenntnißurtheil wäre, als das
Urtheil, wodurch etwas für gut erklärt wird; so wie etwa der gemeine
Mann, wenn er sagt, daß der Betrug unrecht sei, sein Urtheil auf
verworrene, der Philosoph auf deutliche, im Grunde aber beide auf
einerlei Vernunft-Principien gründen. |228.20| Ich habe aber schon
angeführt, daß ein ästhetisches Urtheil einzig in seiner Art sei und
schlechterdings kein Erkenntniß (auch nicht ein verworrenes) vom Object
gebe: welches letztere nur durch ein logisches Urtheil geschieht;
da jenes hingegen die Vorstellung, wodurch ein Object gegeben
wird, lediglich auf das Subject bezieht und keine Beschaffenheit
des Gegenstandes, |228.25| sondern nur die zweckmäßige Form in der
Bestimmung der Vorstellungskräfte, die sich mit jenem beschäftigen, zu
bemerken giebt. Das Urtheil heißt auch eben darum ästhetisch, weil der
Bestimmungsgrund desselben kein Begriff, sondern das Gefühl (des innern
Sinnes) jener Einhelligkeit im Spiele der Gemüthskräfte ist, sofern
sie nur empfunden |228.30| werden kann. Dagegen wenn man verworrene
Begriffe und das objective #48# Urtheil, das sie zum Grunde hat,
wollte ästhetisch nennen, man einen Verstand haben würde, der sinnlich
urtheilt, oder einen Sinn, der durch Begriffe seine Objecte vorstellte,
welches beides sich widerspricht. Das Vermögen der Begriffe, sie mögen
verworren oder deutlich sein, ist der |228.35| Verstand; und obgleich
zum Geschmacksurtheil, als ästhetischem Urtheile, auch (wie zu allen
Urtheilen) Verstand gehört, so gehört er zu demselben doch nicht als
Vermögen der Erkenntniß eines Gegenstandes, sondern als Vermögen der
Bestimmung des Urtheils und seiner Vorstellung (ohne Begriff) nach dem
Verhältniß derselben auf das Subject und dessen inneres Gefühl, und
zwar sofern dieses Urtheil nach einer allgemeinen Regel möglich ist.
|229.5|


§ 16.

Das Geschmacksurtheil, wodurch ein Gegenstand unter der Bedingung eines
bestimmten Begriffs für schön erklärt wird, ist nicht rein.

Es giebt zweierlei Arten von Schönheit: freie Schönheit (_pulchritudo
|229.10| vaga_), oder die bloß anhängende Schönheit (_pulchritudo
adhaerens_). Die erstere setzt keinen Begriff von dem voraus, was
der Gegenstand sein soll; die zweite setzt einen solchen und die
Vollkommenheit des Gegenstandes nach demselben voraus. Die Arten der
erstern heißen (für sich bestehende) Schönheiten dieses oder jenes
Dinges; die andere wird, als einem Begriffe |229.15| #49# anhängend
(bedingte Schönheit), Objecten, die unter dem Begriffe eines besondern
Zwecks stehen, beigelegt.

Blumen sind freie Naturschönheiten. Was eine Blume für ein Ding
sein soll, weiß außer dem Botaniker schwerlich sonst jemand; und
selbst dieser, der daran das Befruchtungsorgan der Pflanze erkennt,
nimmt, wenn |229.20| er darüber durch Geschmack urtheilt, auf diesen
Naturzweck keine Rücksicht. Es wird also keine Vollkommenheit von
irgend einer Art, keine innere Zweckmäßigkeit, auf welche sich die
Zusammensetzung des Mannigfaltigen beziehe, diesem Urtheile zum Grunde
gelegt. Viele Vögel (der Papagei, der Colibrit, der Paradiesvogel),
eine Menge Schalthiere des Meeres sind |229.25| für sich Schönheiten,
die gar keinem nach Begriffen in Ansehung seines Zwecks bestimmten
Gegenstande zukommen, sondern frei und für sich gefallen. So bedeuten
die Zeichnungen _à la grecque_, das Laubwerk zu Einfassungen oder auf
Papiertapeten u. s. w. für sich nichts: sie stellen nichts vor, kein
Object unter einem bestimmten Begriffe, und sind freie Schönheiten.
|229.30| Man kann auch das, was man in der Musik Phantasieen (ohne
Thema) nennt, ja die ganze Musik ohne Text zu derselben Art zählen.

In der Beurtheilung einer freien Schönheit (der bloßen Form nach)
ist das Geschmacksurtheil rein. Es ist kein Begriff von irgend einem
Zwecke, wozu das Mannigfaltige dem gegebenen Objecte dienen und was
|229.35| dieses also vorstellen solle, vorausgesetzt, wodurch die
Freiheit der Einbildungskraft, #50# die in Beobachtung der Gestalt
gleichsam spielt, nur eingeschränkt werden würde.

Allein die Schönheit eines Menschen (und unter dieser Art die eines
Mannes oder Weibes oder Kindes), die Schönheit eines Pferdes, eines
|230.5| Gebäudes (als Kirche, Palast, Arsenal oder Gartenhaus) setzt
einen Begriff vom Zwecke voraus, welcher bestimmt, was das Ding sein
soll, mithin einen Begriff seiner Vollkommenheit, und ist also bloß
adhärirende Schönheit. So wie nun die Verbindung des Angenehmen (der
Empfindung) mit der Schönheit, die eigentlich nur die Form betrifft,
die Reinigkeit |230.10| des Geschmacksurtheils verhinderte: so thut die
Verbindung des Guten (wozu nämlich das Mannigfaltige dem Dinge selbst
nach seinem Zwecke gut ist) mit der Schönheit der Reinigkeit desselben
Abbruch.

Man würde vieles unmittelbar in der Anschauung Gefallende an einem
Gebäude anbringen können, wenn es nur nicht eine Kirche sein sollte;
|230.15| eine Gestalt mit allerlei Schnörkeln und leichten, doch
regelmäßigen Zügen, wie die Neuseeländer mit ihrem Tettowiren thun,
verschönern können, wenn es nur nicht ein Mensch wäre; und dieser
könnte viel feinere Züge und einen gefälligeren, sanftern Umriß der
Gesichtsbildung haben, wenn er nur nicht einen Mann, oder gar einen
kriegerischen vorstellen sollte. |230.20|

Nun ist das Wohlgefallen an dem Mannigfaltigen in einem Dinge #51#
in Beziehung auf den innern Zweck, der seine Möglichkeit bestimmt,
ein auf einem Begriffe gegründetes Wohlgefallen; das an der Schönheit
aber ist ein solches, welches keinen Begriff voraussetzt, sondern
mit der Vorstellung, wodurch der Gegenstand gegeben (nicht wodurch
er gedacht) wird, |230.25| unmittelbar verbunden ist. Wenn nun das
Geschmacksurtheil in Ansehung des letzteren vom Zwecke in dem ersteren,
als Vernunfturtheile abhängig gemacht und dadurch eingeschränkt wird,
so ist jenes nicht mehr ein freies und reines Geschmacksurtheil.

Zwar gewinnt der Geschmack durch diese Verbindung des ästhetischen
|230.30| Wohlgefallens mit dem intellectuellen darin, daß er fixirt
wird und zwar nicht allgemein ist, ihm aber doch in Ansehung gewisser
zweckmäßig bestimmten Objecte Regeln vorgeschrieben werden können.
Diese sind aber alsdann auch keine Regeln des Geschmacks, sondern bloß
der Vereinbarung des Geschmacks mit der Vernunft, d. i. des Schönen
mit dem Guten, durch |230.35| welche jenes zum Instrument der Absicht
in Ansehung des letztern brauchbar wird, um diejenige Gemüthsstimmung,
die sich selbst erhält und von subjectiver allgemeiner Gültigkeit ist,
derjenigen Denkungsart unterzulegen, die nur durch mühsamen Vorsatz
erhalten werden kann, aber objectiv allgemein gültig ist. Eigentlich
aber gewinnt weder die Vollkommenheit durch die Schönheit, noch
die Schönheit durch die Vollkommenheit; #52# sondern weil es nicht
vermieden werden kann, wenn wir die Vorstellung, |231.5| wodurch uns
ein Gegenstand gegeben wird, mit dem Objecte (in Ansehung dessen, was
es sein soll) durch einen Begriff vergleichen, sie zugleich mit der
Empfindung im Subjecte zusammen zu halten, so gewinnt das =gesammte
Vermögen= der Vorstellungskraft, wenn beide Gemüthszustände zusammen
stimmen. |231.10|

Ein Geschmacksurtheil würde in Ansehung eines Gegenstandes von
bestimmtem innern Zwecke nur alsdann rein sein, wenn der Urtheilende
entweder von diesem Zwecke keinen Begriff hätte, oder in seinem
Urtheile davon abstrahirte. Aber alsdann würde dieser, ob er gleich ein
richtiges Geschmacksurtheil fällte, indem er den Gegenstand als freie
Schönheit beurtheilte, |231.15| dennoch von dem andern, welcher die
Schönheit an ihm nur als anhängende Beschaffenheit betrachtet (auf den
Zweck des Gegenstandes sieht), getadelt und eines falschen Geschmacks
beschuldigt werden, obgleich beide in ihrer Art richtig urtheilen:
der eine nach dem, was er vor den Sinnen, der andere nach dem, was er
in Gedanken hat. Durch diese Unterscheidung |231.20| kann man manchen
Zwist der Geschmacksrichter über Schönheit beilegen, indem man ihnen
zeigt, daß der eine sich an die freie, der andere an die anhängende
Schönheit halte, der erstere ein reines, der zweite ein angewandtes
Geschmacksurtheil fälle.


§ 17. |231.25| #53#

Vom Ideale der Schönheit.

Es kann keine objective Geschmacksregel, welche durch Begriffe
bestimmte, was schön sei, geben. Denn alles Urtheil aus dieser Quelle
ist ästhetisch; d. i. das Gefühl des Subjects und kein Begriff eines
Objects ist sein Bestimmungsgrund. Ein Princip des Geschmacks, welches
das allgemeine |231.30| Kriterium des Schönen durch bestimmte Begriffe
angäbe, zu suchen, ist eine fruchtlose Bemühung, weil, was gesucht
wird, unmöglich und an sich selbst widersprechend ist. Die allgemeine
Mittheilbarkeit der Empfindung (des Wohlgefallens oder Mißfallens) und
zwar eine solche, die ohne Begriff Statt findet, die Einhelligkeit,
so viel möglich, aller Zeiten und |231.35| Völker in Ansehung dieses
Gefühls in der Vorstellung gewisser Gegenstände: ist das empirische,
wiewohl schwache und kaum zur Vermuthung zureichende Kriterium der
Abstammung eines so durch Beispiele bewährten Geschmacks von dem tief
verborgenen, allen Menschen gemeinschaftlichen Grunde der Einhelligkeit
in Beurtheilung der Formen, unter denen ihnen |232.5| Gegenstände
gegeben werden.

Daher sieht man einige Producte des Geschmacks als =exemplarisch=
an: nicht als ob Geschmack könne erworben werden, indem er anderen
nachahmt. Denn der Geschmack muß ein selbst eigenes Vermögen sein;
wer aber ein Muster nachahmt, zeigt, sofern als er es trifft, zwar
Geschicklichkeit, |232.10| #54# aber nur Geschmack, sofern er dieses
Muster selbst beurtheilen kann.[7] Hieraus folgt aber, daß das höchste
Muster, das Urbild des Geschmacks, eine bloße Idee sei, die jeder in
sich selbst hervorbringen muß, und wonach er alles, was Object des
Geschmacks, was Beispiel der Beurtheilung durch Geschmack sei, und
selbst den Geschmack von jedermann beurtheilen |232.15| muß. =Idee=
bedeutet eigentlich einen Vernunftbegriff und =Ideal= die Vorstellung
eines einzelnen als einer Idee adäquaten Wesens. Daher kann jenes
Urbild des Geschmacks, welches freilich auf der unbestimmten Idee der
Vernunft von einem Maximum beruht, aber doch nicht durch Begriffe,
sondern nur in einzelner Darstellung kann vorgestellt werden, besser
|232.20| das Ideal des Schönen genannt werden, dergleichen wir, wenn
wir gleich nicht im Besitze desselben sind, doch in uns hervorzubringen
streben. Es wird aber bloß ein Ideal der Einbildungskraft sein, eben
darum weil es nicht auf Begriffen, sondern auf der Darstellung beruht;
das Vermögen #55# der Darstellung aber ist die Einbildungskraft. —
Wie gelangen wir nun |232.25| zu einem solchen Ideale der Schönheit?
_A priori_ oder empirisch? Imgleichen: welche Gattung des Schönen ist
eines Ideals fähig?

  [7] Muster des Geschmacks in Ansehung der redenden Künste
  müssen in einer todten und gelehrten Sprache abgefaßt sein:
  das erste, um nicht die Veränderung erdulden zu müssen, welche
  die lebenden unvermeidlicher Weise trifft, daß edle Ausdrücke
  platt, gewöhnliche veraltet und neugeschaffene in einen nur
  kurz daurenden Umlauf |232.35| gebracht werden; das zweite,
  damit sie eine Grammatik habe, welche keinem muthwilligen
  Wechsel der Mode unterworfen sei, sondern ihre unveränderliche
  Regel hat.

Zuerst ist wohl zu bemerken, daß die Schönheit, zu welcher ein Ideal
gesucht werden soll, keine =vage=, sondern durch einen Begriff von
objectiver Zweckmäßigkeit =fixirte= Schönheit sein, folglich keinem
Objecte eines ganz |232.30| reinen, sondern dem eines zum Theil
intellectuirten Geschmacksurtheils angehören müsse. D. i. in welcher
Art von Gründen der Beurtheilung ein Ideal Statt finden soll, da
muß irgend eine Idee der Vernunft nach bestimmten Begriffen zum
Grunde liegen, die _a priori_ den Zweck bestimmt, worauf die innere
Möglichkeit des Gegenstandes beruht. Ein Ideal schöner Blumen, eines
schönen Ameublements, einer schönen Aussicht läßt sich nicht |233.5|
denken. Aber auch von einer bestimmten Zwecken anhängenden Schönheit,
z. B. einem schönen Wohnhause, einem schönen Baume, schönen Garten
u. s. w., läßt sich kein Ideal vorstellen; vermuthlich weil die
Zwecke durch ihren Begriff nicht genug bestimmt und fixirt sind,
folglich die Zweckmäßigkeit beinahe so frei ist, als bei der =vagen=
Schönheit. Nur das, was |233.10| den Zweck seiner Existenz in sich
selbst hat, der =Mensch=, der sich durch Vernunft seine Zwecke selbst
bestimmen, oder, wo er sie von der äußern Wahrnehmung hernehmen muß,
doch mit wesentlichen und allgemeinen Zwecken zusammenhalten und die
Zusammenstimmung mit jenen alsdann #56# auch ästhetisch beurtheilen
kann: dieser =Mensch= ist also eines Ideals der |233.15| =Schönheit=,
so wie die Menschheit in seiner Person, als Intelligenz, des Ideals der
=Vollkommenheit= unter allen Gegenständen in der Welt allein fähig.

Hiezu gehören aber zwei Stücke: =erstlich= die ästhetische
=Normalidee=, welche eine einzelne Anschauung (der Einbildungskraft)
ist, die das |233.20| Richtmaß seiner Beurtheilung, als eines zu einer
besonderen Thierspecies gehörigen Dinges, vorstellt; =zweitens= die
=Vernunftidee=, welche die Zwecke der Menschheit, sofern sie nicht
sinnlich vorgestellt werden können, zum Princip der Beurtheilung seiner
Gestalt macht, durch welche als ihre Wirkung in der Erscheinung sich
jene offenbaren. Die Normalidee muß |233.25| ihre Elemente zur Gestalt
eines Thiers von besonderer Gattung aus der Erfahrung nehmen; aber
die größte Zweckmäßigkeit in der Construction der Gestalt, die zum
allgemeinen Richtmaß der ästhetischen Beurtheilung jedes Einzelnen
dieser Species tauglich wäre, das Bild, was gleichsam absichtlich der
Technik der Natur zum Grunde gelegen hat, dem nur die |233.30| Gattung
im Ganzen, aber kein Einzelnes abgesondert adäquat ist, liegt doch bloß
in der Idee des Beurtheilenden, welche aber mit ihren Proportionen als
ästhetische Idee in einem Musterbilde völlig _in concreto_ dargestellt
werden kann. Um, wie dieses zugehe, einigermaßen begreiflich zu #57#
machen (denn wer kann der Natur ihr Geheimniß gänzlich ablocken?),
|233.35| wollen wir eine psychologische Erklärung versuchen.

Es ist anzumerken: daß auf eine uns gänzlich unbegreifliche Art die
Einbildungskraft nicht allein die Zeichen für Begriffe gelegentlich,
selbst von langer Zeit her, zurückzurufen; sondern auch das Bild und
die Gestalt des Gegenstandes aus einer unaussprechlichen Zahl von
Gegenständen verschiedener Arten oder auch einer und derselben Art zu
reproduciren; ja auch, wenn das Gemüth es auf Vergleichungen anlegt,
allem Vermuthen |234.5| nach wirklich, wenn gleich nicht hinreichend
zum Bewußtsein, ein Bild gleichsam auf das andere fallen zu lassen
und durch die Congruenz der mehrern von derselben Art ein Mittleres
herauszubekommen wisse, welches allen zum gemeinschaftlichen Maße
dient. Jemand hat tausend erwachsene Mannspersonen gesehen. Will er
nun über die vergleichungsweise zu |234.10| schätzende Normalgröße
urtheilen, so läßt (meiner Meinung nach) die Einbildungskraft eine
große Zahl der Bilder (vielleicht alle jene tausend) auf einander
fallen; und wenn es mir erlaubt ist, hiebei die Analogie der optischen
Darstellung anzuwenden, in dem Raum, wo die meisten sich vereinigen,
und innerhalb dem Umrisse, wo der Platz mit der am stärksten |234.15|
aufgetragenen Farbe illuminirt ist, da wird die =mittlere Größe=
kenntlich, die sowohl der Höhe als Breite nach von den äußersten
Gränzen der größten und kleinsten Staturen gleich weit entfernt ist;
und dies ist die #58# Statur für einen schönen Mann. (Man könnte
ebendasselbe mechanisch heraus bekommen, wenn man alle tausend mäße,
ihre Höhen unter sich |234.20| und Breiten (und Dicken) für sich
zusammen addirte und die Summe durch tausend dividirte. Allein die
Einbildungskraft thut eben dieses durch einen dynamischen Effect,
der aus der vielfältigen Auffassung solcher Gestalten auf das Organ
des innern Sinnes entspringt.) Wenn nun auf ähnliche Art für diesen
mittlern Mann der mittlere Kopf, für diesen die |234.25| mittlere
Nase u. s. w. gesucht wird, so liegt diese Gestalt der Normalidee des
schönen Mannes in dem Lande, wo diese Vergleichung angestellt wird, zum
Grunde; daher ein Neger nothwendig unter diesen empirischen Bedingungen
eine andere Normalidee der Schönheit der Gestalt haben muß, als ein
Weißer, der Chinese eine andere, als der Europäer. Mit dem |234.30|
=Muster= eines schönen Pferdes oder Hundes (von gewisser Race) würde es
eben so gehen. — Diese =Normalidee= ist nicht aus von der Erfahrung
hergenommenen Proportionen, =als bestimmten Regeln,= abgeleitet;
sondern nach ihr werden allererst Regeln der Beurtheilung möglich. Sie
ist das zwischen allen einzelnen, auf mancherlei Weise verschiedenen
Anschauungen |234.35| der Individuen schwebende Bild für die ganze
Gattung, welches die Natur zum Urbilde ihren Erzeugungen in derselben
Species unterlegte, aber in keinem Einzelnen völlig erreicht zu haben
scheint. Sie ist keinesweges #59# das ganze =Urbild= der =Schönheit=
in dieser Gattung, sondern nur die Form, welche die unnachlaßliche
Bedingung aller Schönheit ausmacht, mithin bloß die =Richtigkeit=
in Darstellung der Gattung. Sie ist, wie man =Polyklets= berühmten
=Doryphorus= nannte, die =Regel= (eben dazu |235.5| konnte auch
=Myrons= Kuh in ihrer Gattung gebraucht werden). Sie kann eben darum
auch nichts Specifisch-Charakteristisches enthalten; denn sonst wäre
sie nicht =Normalidee= für die Gattung. Ihre Darstellung gefällt auch
nicht durch Schönheit, sondern bloß weil sie keiner Bedingung, unter
welcher allein ein Ding dieser Gattung schön sein kann, widerspricht.
Die |235.10| Darstellung ist bloß schulgerecht.[8]

  [8] Man wird finden, daß ein vollkommen regelmäßiges Gesicht,
  welches der Maler ihm zum Modell zu sitzen bitten möchte,
  gemeiniglich nichts sagt: weil es nichts Charakteristisches
  enthält, also mehr die Idee der Gattung, als das Specifische
  einer Person ausdrückt. Das Charakteristische von dieser
  Art, was übertrieben ist, d. i. welches der Normalidee (der
  Zweckmäßigkeit der Gattung) selbst Abbruch thut, |235.30|
  heißt =Caricatur=. Auch zeigt die Erfahrung, daß jene ganz
  regelmäßigen Gesichter im Innern gemeiniglich auch nur einen
  mittelmäßigen Menschen verrathen; vermuthlich (wenn angenommen
  werden darf, daß die Natur im Äußeren die Proportionen
  des Inneren ausdrücke) deswegen: weil, wenn keine von den
  Gemüthsanlagen über diejenige Proportion hervorstechend ist,
  die erfordert wird, bloß einen fehlerfreien Menschen |235.35|
  auszumachen, nichts von dem, was man =Genie= nennt, erwartet
  werden darf, in welchem die Natur von ihren gewöhnlichen
  Verhältnissen der Gemüthskräfte zum Vortheil einer einzigen
  abzugehen scheint.

Von der =Normalidee= des Schönen ist doch noch das =Ideal= desselben
unterschieden, welches man lediglich an der =menschlichen Gestalt= aus
schon angeführten Gründen erwarten darf. An dieser nun besteht das
Ideal in dem Ausdrucke des =Sittlichen=, ohne welches der Gegenstand
|235.15| #60# nicht allgemein und dazu positiv (nicht bloß negativ
in einer schulgerechten Darstellung) gefallen würde. Der sichtbare
Ausdruck sittlicher Ideen, die den Menschen innerlich beherrschen,
kann zwar nur aus der Erfahrung genommen werden; aber ihre Verbindung
mit allem dem, was unsere Vernunft mit dem Sittlich-Guten in der Idee
der höchsten Zweckmäßigkeit |235.20| verknüpft, die Seelengüte, oder
Reinigkeit, oder Stärke oder Ruhe u. s. w. in körperlicher Äußerung
(als Wirkung des Innern) gleichsam sichtbar zu machen: dazu gehören
reine Ideen der Vernunft und große Macht der Einbildungskraft in
demjenigen vereinigt, welcher sie nur beurtheilen, vielmehr noch wer
sie darstellen will. Die Richtigkeit eines solchen Ideals |235.25|
der Schönheit beweiset sich darin: daß es keinem Sinnenreiz sich in
das Wohlgefallen an seinem Objecte zu mischen erlaubt und dennoch ein
großes Interesse daran nehmen läßt; welches dann beweiset, daß die
Beurtheilung nach einem solchen Maßstabe niemals rein ästhetisch sein
könne, und die Beurtheilung nach einem Ideale der Schönheit kein bloßes
Urtheil des |236.5| #61# Geschmacks sei.


=Aus diesem dritten Momente geschlossene Erklärung des Schönen.=

=Schönheit= ist Form der =Zweckmäßigkeit= eines Gegenstandes, sofern
sie =ohne Vorstellung eines Zwecks= an ihm wahrgenommen |236.10|
wird.[9]

  [9] Man könnte wider diese Erklärung als Instanz anführen:
  daß es Dinge giebt, an denen man eine zweckmäßige Form sieht,
  ohne an ihnen einen Zweck zu erkennen; z. B. die öfter aus
  alten Grabhügeln gezogenen, mit einem Loche als zu einem Hefte
  |236.25| versehenen steinernen Geräthe, die, ob sie zwar in
  ihrer Gestalt eine Zweckmäßigkeit deutlich verrathen, für die
  man den Zweck nicht kennt, darum gleichwohl nicht für schön
  erklärt werden. Allein, daß man sie für ein Kunstwerk ansieht,
  ist schon genug, um gestehen zu müssen, daß man ihre Figur auf
  irgend eine Absicht und einen bestimmten Zweck bezieht. Daher
  auch gar kein unmittelbares Wohlgefallen an ihrer Anschauung.
  |236.30| Eine Blume hingegen, z. B. eine Tulpe, wird für schön
  gehalten, weil eine gewisse Zweckmäßigkeit, die so, wie wir
  sie beurtheilen, auf gar keinen Zweck bezogen wird, in ihrer
  Wahrnehmung angetroffen wird.


=Viertes Moment= #62#

des Geschmacksurtheils nach der Modalität des Wohlgefallens an dem
Gegenstande.


§ 18. |236.15|

Was die Modalität eines Geschmacksurtheils sei.

Von einer jeden Vorstellung kann ich sagen: wenigstens es sei
=möglich=, daß sie (als Erkenntniß) mit einer Lust verbunden sei. Von
dem, was ich =angenehm= nenne, sage ich, daß es in mir =wirklich= Lust
bewirke. Vom =Schönen= aber denkt man sich, daß es eine nothwendige
Beziehung |236.20| auf das Wohlgefallen habe. Diese Nothwendigkeit
nun ist von besonderer Art: nicht eine theoretische objective
Nothwendigkeit, wo _a priori_ erkannt werden kann, daß jedermann
dieses Wohlgefallen an dem von mir schön genannten Gegenstande
=fühlen werde=; auch nicht eine praktische, wo durch Begriffe eines
reinen Vernunftwillens, welcher freihandelnden Wesen zur Regel dient,
dieses Wohlgefallen die nothwendige Folge eines objectiven Gesetzes
ist und nichts anders bedeutet, als daß man schlechterdings |237.5|
(ohne weitere Absicht) auf gewisse Art handeln solle. Sondern sie
kann als Nothwendigkeit, die in einem ästhetischen Urtheile gedacht
wird, nur =exemplarisch= genannt werden, d. i. eine Nothwendigkeit
der Beistimmung =aller= zu einem Urtheil, was als Beispiel einer
allgemeinen #63# Regel, die man nicht angeben kann, angesehen wird. Da
ein ästhetisches |237.10| Urtheil kein objectives und Erkenntnißurtheil
ist, so kann diese Nothwendigkeit nicht aus bestimmten Begriffen
abgeleitet werden und ist also nicht apodiktisch. Viel weniger kann
sie aus der Allgemeinheit der Erfahrung (von einer durchgängigen
Einhelligkeit der Urtheile über die Schönheit eines gewissen
Gegenstandes) geschlossen werden. Denn nicht allein daß |237.15| die
Erfahrung hiezu schwerlich hinreichend viele Beläge schaffen würde,
so läßt sich auf empirische Urtheile kein Begriff der Nothwendigkeit
dieser Urtheile gründen.


§ 19.

Die subjective Nothwendigkeit, die wir dem Geschmacksurtheile |237.20|
beilegen, ist bedingt.

Das Geschmacksurtheil sinnt jedermann Beistimmung an; und wer etwas für
schön erklärt, will, daß jedermann dem vorliegenden Gegenstande Beifall
geben und ihn gleichfalls für schön erklären =solle=. Das =Sollen=
im ästhetischen Urtheile wird also selbst nach allen Datis, die zur
|237.25| Beurtheilung erfordert werden, doch nur bedingt ausgesprochen.
Man wirbt um jedes andern Beistimmung, weil man dazu einen Grund hat,
der allen gemein ist; auf welche Beistimmung man auch rechnen könnte,
wenn man nur immer sicher wäre, daß der Fall unter jenem Grunde als
#64# Regel des Beifalls richtig subsumirt wäre. |237.30|


§ 20.

Die Bedingung der Nothwendigkeit, die ein Geschmacksurtheil vorgiebt,
ist die Idee eines Gemeinsinnes.

Wenn Geschmacksurtheile (gleich den Erkenntnißurtheilen) ein bestimmtes
objectives Princip hätten, so würde der, welcher sie nach dem |237.35|
letztern fällt, auf unbedingte Nothwendigkeit seines Urtheils
Anspruch machen. Wären sie ohne alles Princip, wie die des bloßen
Sinnengeschmacks, so würde man sich gar keine Nothwendigkeit derselben
in die Gedanken kommen lassen. Also müssen sie ein subjectives Princip
haben, welches nur durch Gefühl und nicht durch Begriffe, doch aber
allgemeingültig |238.5| bestimme, was gefalle oder mißfalle. Ein
solches Princip aber könnte nur als ein =Gemeinsinn= angesehen werden,
welcher vom gemeinen Verstande, den man bisweilen auch Gemeinsinn
(_sensus communis_) nennt, wesentlich unterschieden ist: indem
letzterer nicht nach Gefühl, sondern jederzeit nach Begriffen, wiewohl
gemeiniglich nur als nach dunkel |238.10| vorgestellten Principien,
urtheilt.

Also nur unter der Voraussetzung, daß es einen Gemeinsinn gebe (wodurch
wir aber keinen äußern Sinn, sondern die Wirkung aus dem freien Spiel
unserer Erkenntnißkräfte verstehen), nur unter Voraussetzung, #65#
sage ich, eines solchen Gemeinsinns kann das Geschmacksurtheil gefällt
|238.15| werden.


§ 21.

Ob man mit Grunde einen Gemeinsinn voraussetzen könne.

Erkenntnisse und Urtheile müssen sich sammt der Überzeugung, die sie
begleitet, allgemein mittheilen lassen; denn sonst käme ihnen keine
Übereinstimmung |238.20| mit dem Object zu: sie wären insgesammt
ein bloß subjectives Spiel der Vorstellungskräfte, gerade so wie es
der Skepticism verlangt. Sollen sich aber Erkenntnisse mittheilen
lassen, so muß sich auch der Gemüthszustand, d. i. die Stimmung der
Erkenntnißkräfte zu einer Erkenntniß überhaupt, und zwar diejenige
Proportion, welche sich für |238.25| eine Vorstellung (wodurch
uns ein Gegenstand gegeben wird) gebührt, um daraus Erkenntniß zu
machen, allgemein mittheilen lassen: weil ohne diese als subjective
Bedingung des Erkennens das Erkenntniß als Wirkung nicht entspringen
könnte. Dieses geschieht auch wirklich jederzeit, wenn ein gegebener
Gegenstand vermittelst der Sinne die Einbildungskraft zur |238.30|
Zusammensetzung des Mannigfaltigen, diese aber den Verstand zur Einheit
desselben in Begriffen in Thätigkeit bringt. Aber diese Stimmung der
Erkenntnißkräfte hat nach Verschiedenheit der Objecte, die gegeben
werden, eine verschiedene Proportion. Gleichwohl aber muß es eine
geben, #66# in welcher dieses innere Verhältniß zur Belebung (einer
durch die andere) |238.35| die zuträglichste für beide Gemüthskräfte
in Absicht auf Erkenntniß (gegebener Gegenstände) überhaupt ist; und
diese Stimmung kann nicht anders als durch das Gefühl (nicht nach
Begriffen) bestimmt werden. Da sich nun diese Stimmung selbst muß
allgemein mittheilen lassen, mithin auch das Gefühl derselben (bei
einer gegebenen Vorstellung); die allgemeine Mittheilbarkeit eines
Gefühls aber einen Gemeinsinn voraussetzt: |239.5| so wird dieser
mit Grunde angenommen werden können, und zwar ohne sich desfalls auf
psychologische Beobachtungen zu fußen, sondern als die nothwendige
Bedingung der allgemeinen Mittheilbarkeit unserer Erkenntniß, welche
in jeder Logik und jedem Princip der Erkenntnisse, das nicht skeptisch
ist, vorausgesetzt werden muß. |239.10|


§ 22.

Die Nothwendigkeit der allgemeinen Beistimmung, die in einem
Geschmacksurtheil gedacht wird, ist eine subjective Nothwendigkeit,
die unter der Voraussetzung eines Gemeinsinns als objectiv vorgestellt
wird. |239.15|

In allen Urtheilen, wodurch wir etwas für schön erklären, verstatten
wir keinem anderer Meinung zu sein; ohne gleichwohl unser Urtheil auf
#67# Begriffe, sondern nur auf unser Gefühl zu gründen: welches wir
also nicht als Privatgefühl, sondern als ein gemeinschaftliches zum
Grunde legen. Nun kann dieser Gemeinsinn zu diesem Behuf nicht auf
der Erfahrung |239.20| gegründet werden; denn er will zu Urtheilen
berechtigen, die ein Sollen enthalten: er sagt nicht, daß jedermann mit
unserm Urtheile übereinstimmen =werde=, sondern damit zusammenstimmen
=solle=. Also ist der Gemeinsinn, von dessen Urtheil ich mein
Geschmacksurtheil hier als ein Beispiel angebe und weswegen ich ihm
=exemplarische= Gültigkeit beilege, |239.25| eine bloße idealische
Norm, unter deren Voraussetzung man ein Urtheil, welches mit ihr
zusammenstimmte, und das in demselben ausgedrückte Wohlgefallen an
einem Object für jedermann mit Recht zur Regel machen könnte: weil das
Princip, zwar nur subjectiv, dennoch aber, für subjectiv-allgemein
(eine jedermann nothwendige Idee) angenommen, was |239.30| die
Einhelligkeit verschiedener Urtheilenden betrifft, gleich einem
objectiven allgemeine Beistimmung fordern könnte; wenn man nur sicher
wäre, darunter richtig subsumirt zu haben.

Diese unbestimmte Norm eines Gemeinsinns wird von uns wirklich
vorausgesetzt: das beweiset unsere Anmaßung Geschmacksurtheile zu
fällen. |239.35| Ob es in der That einen solchen Gemeinsinn als
constitutives Princip der Möglichkeit der Erfahrung gebe, oder ein
noch höheres Princip der Vernunft es uns nur zum regulativen Princip
mache, allererst einen Gemeinsinn #68# zu höhern Zwecken in uns
hervorzubringen; ob also Geschmack ein ursprüngliches und natürliches,
oder nur die Idee von einem noch zu erwerbenden |240.5| und künstlichen
Vermögen sei, so daß ein Geschmacksurtheil mit seiner Zumuthung
einer allgemeinen Beistimmung in der That nur eine Vernunftforderung
sei, eine solche Einhelligkeit der Sinnesart hervorzubringen, und
das Sollen, d. i. die objective Nothwendigkeit des Zusammenfließens
des Gefühls von jedermann mit jedes seinem besondern, |240.10|
nur die Möglichkeit hierin einträchtig zu werden bedeute, und das
Geschmacksurtheil nur von Anwendung dieses Princips ein Beispiel
aufstelle: das wollen und können wir hier noch nicht untersuchen,
sondern haben für jetzt nur das Geschmacksvermögen in seine Elemente
aufzulösen und sie zuletzt in der Idee eines Gemeinsinns zu vereinigen.
|240.15|


Aus dem vierten Moment gefolgerte Erklärung vom Schönen.

=Schön= ist, was ohne Begriff als Gegenstand eines =nothwendigen=
Wohlgefallens erkannt wird.

       *       *       *       *       *


Allgemeine Anmerkung zum ersten Abschnitte der Analytik. |240.20|

Wenn man das Resultat aus den obigen Zergliederungen zieht, so findet
sich, daß alles auf den Begriff des Geschmacks herauslaufe: daß er
ein Beurtheilungsvermögen eines Gegenstandes in Beziehung auf die
#69# =freie Gesetzmäßigkeit= der Einbildungskraft sei. Wenn nun im
Geschmacksurtheile die Einbildungskraft in ihrer Freiheit betrachtet
werden |240.25| muß, so wird sie erstlich nicht reproductiv, wie
sie den Associationsgesetzen unterworfen ist, sondern als productiv
und selbstthätig (als Urheberin willkürlicher Formen möglicher
Anschauungen) angenommen; und ob sie zwar bei der Auffassung eines
gegebenen Gegenstandes der Sinne an eine bestimmte Form dieses
Objects gebunden ist und sofern kein freies Spiel |240.30| (wie
im Dichten) hat, so läßt sich doch noch wohl begreifen: daß der
Gegenstand ihr gerade eine solche Form an die Hand geben könne,
die eine Zusammensetzung des Mannigfaltigen enthält, wie sie die
Einbildungskraft, wenn sie sich selbst frei überlassen wäre, in
Einstimmung mit der =Verstandesgesetzmäßigkeit= überhaupt entwerfen
würde. Allein daß die =Einbildungskraft frei= und doch =von selbst
gesetzmäßig= sei, d. i. daß sie eine Autonomie bei sich führe, ist
ein Widerspruch. Der Verstand |241.5| allein giebt das Gesetz. Wenn
aber die Einbildungskraft nach einem bestimmten Gesetze zu verfahren
genöthigt wird, so wird ihr Product der Form nach durch Begriffe
bestimmt, wie es sein soll; aber alsdann ist das Wohlgefallen, wie oben
gezeigt, nicht das am Schönen, sondern am Guten (der Vollkommenheit,
allenfalls bloß der formalen), und das Urtheil ist |241.10| kein
Urtheil durch Geschmack. Es wird also eine Gesetzmäßigkeit ohne Gesetz
und eine subjective Übereinstimmung der Einbildungskraft zum Verstande
ohne eine objective, da die Vorstellung auf einen bestimmten Begriff
von einem Gegenstande bezogen wird, mit der freien Gesetzmäßigkeit
des Verstandes (welche auch Zweckmäßigkeit ohne Zweck genannt worden)
|241.15| und mit der Eigenthümlichkeit eines Geschmacksurtheils allein
zusammen bestehen können.

Nun werden geometrisch-regelmäßige Gestalten, eine Cirkelfigur, ein
#70# Quadrat, ein Würfel u. s. w., von Kritikern des Geschmacks
gemeiniglich als die einfachsten und unzweifelhaftesten Beispiele
der Schönheit angeführt; |241.20| und dennoch werden sie eben darum
regelmäßig genannt, weil man sie nicht anders vorstellen kann als so,
daß sie für bloße Darstellungen eines bestimmten Begriffs, der jener
Gestalt die Regel vorschreibt (nach der sie allein möglich ist),
angesehen werden. Eines von beiden muß also irrig sein: entweder
jenes Urtheil der Kritiker, gedachten Gestalten Schönheit |241.25|
beizulegen; oder das unsrige, welches Zweckmäßigkeit ohne Begriff zur
Schönheit nöthig findet.

Niemand wird leichtlich einen Menschen von Geschmack dazu nöthig
finden, um an einer Cirkelgestalt mehr Wohlgefallen, als an einem
kritzlichen Umrisse, an einem gleichseitigen und gleicheckigen Viereck
mehr, als |241.30| an einem schiefen, ungleichseitigen, gleichsam
verkrüppelten zu finden; denn dazu gehört nur gemeiner Verstand und
gar kein Geschmack. Wo eine Absicht, z. B. die Größe eines Platzes
zu beurtheilen, oder das Verhältniß der Theile zu einander und zum
Ganzen in einer Eintheilung faßlich zu machen, wahrgenommen wird: da
sind regelmäßige Gestalten und zwar |241.35| die von der einfachsten
Art nöthig; und das Wohlgefallen ruht nicht unmittelbar auf dem
Anblicke der Gestalt, sondern der Brauchbarkeit derselben zu allerlei
möglicher Absicht. Ein Zimmer, dessen Wände schiefe Winkel machen,
ein Gartenplatz von solcher Art, selbst alle Verletzung der Symmetrie
sowohl in der Gestalt der Thiere (z. B. einäugig zu sein), als der
Gebäude oder der Blumenstücke mißfällt, weil es zweckwidrig ist,
nicht allein praktisch in Ansehung eines bestimmten Gebrauchs dieser
Dinge, |242.5| sondern auch für die Beurtheilung in allerlei möglicher
Absicht; welches der Fall im Geschmacksurtheile nicht ist, welches,
wenn es rein ist, Wohlgefallen #71# oder Mißfallen ohne Rücksicht
auf den Gebrauch oder einen Zweck mit der bloßen =Betrachtung= des
Gegenstandes unmittelbar verbindet.

Die Regelmäßigkeit, die zum Begriffe von einem Gegenstande führt,
|242.10| ist zwar die unentbehrliche Bedingung (_conditio sine qua
non_), den Gegenstand in eine einzige Vorstellung zu fassen und das
Mannigfaltige in der Form desselben zu bestimmen. Diese Bestimmung ist
ein Zweck in Ansehung der Erkenntniß; und in Beziehung auf diese ist
sie auch jederzeit mit Wohlgefallen (welches die Bewirkung einer jeden
auch bloß problematischen |242.15| Absicht begleitet) verbunden. Es ist
aber alsdann bloß die Billigung der Auflösung, die einer Aufgabe Gnüge
thut, und nicht eine freie und unbestimmt-zweckmäßige Unterhaltung der
Gemüthskräfte mit dem, was wir schön nennen, und wobei der Verstand der
Einbildungskraft und nicht diese jenem zu Diensten ist. |242.20|

An einem Dinge, das nur durch eine Absicht möglich ist, einem Gebäude,
selbst einem Thier muß die Regelmäßigkeit, die in der Symmetrie
besteht, die Einheit der Anschauung ausdrücken, welche den Begriff des
Zwecks begleitet, und gehört mit zum Erkenntnisse. Aber wo nur ein
freies Spiel der Vorstellungskräfte (doch unter der Bedingung, daß der
|242.25| Verstand dabei keinen Anstoß leide) unterhalten werden soll,
in Lustgärten, Stubenverzierung, allerlei geschmackvollem Geräthe
u. d. gl., wird die Regelmäßigkeit, die sich als Zwang ankündigt,
so viel möglich vermieden; daher der englische Geschmack in Gärten,
der Barockgeschmack an Möbeln die Freiheit der Einbildungskraft
wohl eher bis zur Annäherung zum Grotesken |242.30| treibt und in
dieser Absonderung von allem Zwange der Regel eben den Fall setzt,
wo der Geschmack in Entwürfen der Einbildungskraft seine #72# größte
Vollkommenheit zeigen kann.

Alles Steif-Regelmäßige (was der mathematischen Regelmäßigkeit
nahe kommt) hat das Geschmackwidrige an sich: daß es keine lange
Unterhaltung |242.35| mit der Betrachtung desselben gewährt, sondern,
sofern es nicht ausdrücklich das Erkenntniß, oder einen bestimmten
praktischen Zweck zur Absicht hat, lange Weile macht. Dagegen ist
das, womit Einbildungskraft ungesucht und zweckmäßig spielen kann,
uns jederzeit neu, und man wird seines Anblicks nicht überdrüssig.
=Marsden= in seiner Beschreibung von Sumatra macht die Anmerkung, daß
die freien Schönheiten der Natur |243.5| den Zuschauer daselbst überall
umgeben und daher wenig Anziehendes mehr für ihn haben: dagegen ein
Pfeffergarten, wo die Stangen, an denen sich dieses Gewächs rankt,
in Parallellinien Alleen zwischen sich bilden, wenn er ihn mitten in
einem Walde antraf, für ihn viel Reiz hatte; und schließt daraus,
daß wilde, dem Anscheine nach regellose Schönheit nur |243.10| dem
zur Abwechselung gefalle, der sich an der regelmäßigen satt gesehen
hat. Allein er durfte nur den Versuch machen, sich einen Tag bei
seinem Pfeffergarten aufzuhalten, um inne zu werden, daß, wenn der
Verstand durch die Regelmäßigkeit sich in die Stimmung zur Ordnung,
die er allerwärts bedarf, versetzt hat, ihn der Gegenstand nicht
länger unterhalte, |243.15| vielmehr der Einbildungskraft einen
lästigen Zwang anthue: wogegen die dort an Mannigfaltigkeiten bis zur
Üppigkeit verschwenderische Natur, die keinem Zwange künstlicher Regeln
unterworfen ist, seinem Geschmacke für beständig Nahrung geben könne.
— Selbst der Gesang der Vögel, den wir unter keine musikalische Regel
bringen können, scheint mehr Freiheit |243.20| und darum mehr für den
Geschmack zu enthalten, als selbst ein menschlicher Gesang, der nach
allen Regeln der Tonkunst geführt wird: weil man #73# des letztern,
wenn er oft und lange Zeit wiederholt wird, weit eher überdrüssig
wird. Allein hier vertauschen wir vermuthlich unsere Theilnehmung an
der Lustigkeit eines kleinen beliebten Thierchens mit der Schönheit
|243.25| seines Gesanges, der, wenn er vom Menschen (wie dies mit dem
Schlagen der Nachtigall bisweilen geschieht) ganz genau nachgeahmt
wird, unserm Ohre ganz geschmacklos zu sein dünkt.

Noch sind schöne Gegenstände von schönen Aussichten auf Gegenstände
(die öfter der Entfernung wegen nicht mehr deutlich erkannt werden
|243.30| können) zu unterscheiden. In den letztern scheint der
Geschmack nicht sowohl an dem, was die Einbildungskraft in diesem Felde
=auffaßt=, als vielmehr an dem, was sie hiebei zu =dichten= Anlaß
bekommt, d. i. an den eigentlichen Phantasieen, womit sich das Gemüth
unterhält, indessen daß es durch die Mannigfaltigkeit, auf die das Auge
stößt, continuirlich erweckt |243.35| wird, zu haften; so wie etwa bei
dem Anblick der veränderlichen Gestalten eines Kaminfeuers oder eines
rieselnden Baches, welche beide keine Schönheiten sind, aber doch für
die Einbildungskraft einen Reiz bei sich führen, weil sie ihr freies
Spiel unterhalten.


Zweites Buch #74#

Analytik des Erhabenen.


§ 23. |244.5|

Übergang von dem Beurtheilungsvermögen des Schönen zu dem des Erhabenen.

Das Schöne kommt darin mit dem Erhabenen überein, daß beides für
sich selbst gefällt. Ferner darin, daß beides kein Sinnes- noch ein
logisch-bestimmendes, sondern ein Reflexionsurtheil voraussetzt:
folglich |244.10| das Wohlgefallen nicht an einer Empfindung wie die
des Angenehmen, noch an einem bestimmten Begriffe wie das Wohlgefallen
am Guten hängt, gleichwohl aber doch auf Begriffe, obzwar unbestimmt
welche, bezogen wird; mithin das Wohlgefallen an der bloßen Darstellung
oder dem Vermögen derselben geknüpft ist, wodurch das Vermögen der
Darstellung |244.15| oder die Einbildungskraft bei einer gegebenen
Anschauung mit dem =Vermögen der Begriffe= des Verstandes oder der
Vernunft, als Beförderung der letztern, in Einstimmung betrachtet
wird. Daher sind auch beiderlei Urtheile =einzelne= und doch sich für
allgemeingültig in Ansehung jedes Subjects ankündigende Urtheile, ob
sie zwar bloß auf das Gefühl der Lust |244.20| und auf kein Erkenntniß
des Gegenstandes Anspruch machen.

Allein es sind auch namhafte Unterschiede zwischen beiden in die #75#
Augen fallend. Das Schöne der Natur betrifft die Form des Gegenstandes,
die in der Begränzung besteht; das Erhabene ist dagegen auch an einem
formlosen Gegenstande zu finden, sofern =Unbegränztheit= an |244.25|
ihm oder durch dessen Veranlassung vorgestellt und doch Totalität
derselben hinzugedacht wird: so daß das Schöne für die Darstellung
eines unbestimmten Verstandesbegriffs, das Erhabene aber eines
dergleichen Vernunftbegriffs genommen zu werden scheint. Also ist das
Wohlgefallen dort mit der Vorstellung der =Qualität=, hier aber der
=Quantität= verbunden. |244.30| Auch ist das letztere der Art nach
von dem ersteren Wohlgefallen gar sehr unterschieden: indem dieses
(das Schöne) directe ein Gefühl der Beförderung des Lebens bei sich
führt und daher mit Reizen und einer spielenden Einbildungskraft
vereinbar ist; jenes aber (das Gefühl des Erhabenen) eine Lust ist,
welche nur indirecte entspringt, nämlich so daß sie durch das Gefühl
einer augenblicklichen Hemmung der Lebenskräfte und darauf sogleich
folgenden desto stärkern Ergießung derselben erzeugt wird, mithin
als Rührung kein Spiel, sondern Ernst in der Beschäftigung |245.5|
der Einbildungskraft zu sein scheint. Daher es auch mit Reizen
unvereinbar ist, und, indem das Gemüth von dem Gegenstande nicht bloß
angezogen, sondern wechselsweise auch immer wieder abgestoßen wird,
das Wohlgefallen am Erhabenen nicht sowohl positive Lust als vielmehr
Bewunderung #76# oder Achtung enthält, d. i. negative Lust genannt zu
werden |245.10| verdient.

Der wichtigste und innere Unterschied aber des Erhabenen vom Schönen
ist wohl dieser: daß, wenn wir wie billig hier zuvörderst nur das
Erhabene an Naturobjecten in Betrachtung ziehen (das der Kunst wird
nämlich immer auf die Bedingungen der Übereinstimmung mit der |245.15|
Natur eingeschränkt), die Naturschönheit (die selbstständige) eine
Zweckmäßigkeit in ihrer Form, wodurch der Gegenstand für unsere
Urtheilskraft gleichsam vorherbestimmt zu sein scheint, bei sich führt
und so an sich einen Gegenstand des Wohlgefallens ausmacht; hingegen
das, was in uns, ohne zu vernünfteln, bloß in der Auffassung das
Gefühl des Erhabenen |245.20| erregt, der Form nach zwar zweckwidrig
für unsere Urtheilskraft, unangemessen unserm Darstellungsvermögen und
gleichsam gewaltthätig für die Einbildungskraft erscheinen mag, aber
dennoch nur um desto erhabener zu sein geurtheilt wird.

Man sieht aber hieraus sofort, daß wir uns überhaupt unrichtig
ausdrücken, |245.25| wenn wir irgend einen =Gegenstand der Natur=
erhaben nennen, ob wir zwar ganz richtig sehr viele derselben schön
nennen können; denn wie kann das mit einem Ausdrucke des Beifalls
bezeichnet werden, was an sich als zweckwidrig aufgefaßt wird? Wir
können nicht mehr sagen, als daß der Gegenstand zur Darstellung einer
Erhabenheit tauglich sei, die |245.30| im Gemüthe angetroffen werden
kann; denn das eigentliche Erhabene #77# kann in keiner sinnlichen Form
enthalten sein, sondern trifft nur Ideen der Vernunft: welche, obgleich
keine ihnen angemessene Darstellung möglich ist, eben durch diese
Unangemessenheit, welche sich sinnlich darstellen läßt, rege gemacht
und ins Gemüth gerufen werden. So kann der weite, |245.35| durch Stürme
empörte Ocean nicht erhaben genannt werden. Sein Anblick ist gräßlich;
und man muß das Gemüth schon mit mancherlei Ideen angefüllt haben,
wenn es durch eine solche Anschauung zu einem Gefühl gestimmt werden
soll, welches selbst erhaben ist, indem das Gemüth die Sinnlichkeit zu
verlassen und sich mit Ideen, die höhere Zweckmäßigkeit enthalten, zu
beschäftigen angereizt wird.

Die selbstständige Naturschönheit entdeckt uns eine Technik der Natur,
|246.5| welche sie als ein System nach Gesetzen, deren Princip wir in
unserm ganzen Verstandesvermögen nicht antreffen, vorstellig macht,
nämlich dem einer Zweckmäßigkeit respectiv auf den Gebrauch der
Urtheilskraft in Ansehung der Erscheinungen, so daß diese nicht bloß
als zur Natur in ihrem zwecklosen Mechanism, sondern auch als zur
Analogie mit der Kunst gehörig |246.10| beurtheilt werden müssen. Sie
erweitert also wirklich zwar nicht unsere Erkenntniß der Naturobjecte,
aber doch unsern Begriff von der Natur, nämlich als bloßem Mechanism,
zu dem Begriff von eben derselben als Kunst: welches zu tiefen
Untersuchungen über die Möglichkeit einer solchen Form einladet.
Aber in dem, was wir an ihr erhaben zu nennen |246.15| #78# pflegen,
ist so gar nichts, was auf besondere objective Principien und diesen
gemäße Formen der Natur führte, daß diese vielmehr in ihrem Chaos
oder in ihrer wildesten, regellosesten Unordnung und Verwüstung,
wenn sich nur Größe und Macht blicken läßt, die Ideen des Erhabenen
am meisten erregt. Daraus sehen wir, daß der Begriff des Erhabenen
der |246.20| Natur bei weitem nicht so wichtig und an Folgerungen
reichhaltig sei, als der des Schönen in derselben; und daß er überhaupt
nichts Zweckmäßiges in der Natur selbst, sondern nur in dem möglichen
=Gebrauche= ihrer Anschauungen, um eine von der Natur ganz unabhängige
Zweckmäßigkeit in uns selbst fühlbar zu machen, anzeige. Zum Schönen
der Natur müssen |246.25| wir einen Grund außer uns suchen, zum
Erhabenen aber bloß in uns und der Denkungsart, die in die Vorstellung
der ersteren Erhabenheit hineinbringt; eine sehr nöthige vorläufige
Bemerkung, welche die Ideen des Erhabenen von der einer Zweckmäßigkeit
der =Natur= ganz abtrennt und aus der Theorie desselben einen bloßen
Anhang zur ästhetischen Beurtheilung |246.30| der Zweckmäßigkeit der
Natur macht, weil dadurch keine besondere Form in dieser vorgestellt,
sondern nur ein zweckmäßiger Gebrauch, den die Einbildungskraft von
ihrer Vorstellung macht, entwickelt wird.


§ 24. #79#

Von der Eintheilung einer Untersuchung des Gefühls des Erhabenen.

Was die Eintheilung der Momente der ästhetischen Beurtheilung der
Gegenstände in Beziehung auf das Gefühl des Erhabenen betrifft, so
wird |247.5| die Analytik nach demselben Princip fortlaufen können,
wie in der Zergliederung der Geschmacksurtheile geschehen ist. Denn
als Urtheil der ästhetischen reflectirenden Urtheilskraft muß das
Wohlgefallen am Erhabenen eben sowohl als am Schönen der =Quantität=
nach allgemeingültig, der =Qualität= nach ohne Interesse, der
=Relation= nach subjective |247.10| Zweckmäßigkeit und der =Modalität=
nach die letztere als nothwendig vorstellig machen. Hierin wird
also die Methode von der im vorigen Abschnitte nicht abweichen: man
müßte denn das für etwas rechnen, daß wir dort, wo das ästhetische
Urtheil die Form des Objects betraf, von der Untersuchung der Qualität
anfingen; hier aber bei der Formlosigkeit, welche |247.15| dem, was wir
erhaben nennen, zukommen kann, von der Quantität, als dem ersten Moment
des ästhetischen Urtheils über das Erhabene, anfangen werden: wozu aber
der Grund aus dem vorhergehenden § zu ersehen ist.

Aber eine Eintheilung hat die Analysis des Erhabenen nöthig,
welche |247.20| die des Schönen nicht bedarf, nämlich die in das
=Mathematisch-= und in das =Dynamisch-Erhabene=.

Denn da das Gefühl des Erhabenen eine mit der Beurtheilung des #80#
Gegenstandes verbundene =Bewegung= des Gemüths als seinen Charakter
bei sich führt, anstatt daß der Geschmack am Schönen das Gemüth
in |247.25| =ruhiger= Contemplation voraussetzt und erhält; diese
Bewegung aber als subjectiv zweckmäßig beurtheilt werden soll (weil
das Erhabene gefällt): so wird sie durch die Einbildungskraft entweder
auf das =Erkenntniß-= oder auf das =Begehrungsvermögen= bezogen, in
beiderlei Beziehung aber die Zweckmäßigkeit der gegebenen Vorstellung
nur in Ansehung dieser |247.30| =Vermögen= (ohne Zweck oder Interesse)
beurtheilt werden: da dann die erste als eine =mathematische=, die
zweite als =dynamische= Stimmung der Einbildungskraft dem Objecte
beigelegt und daher dieses auf gedachte zwiefache Art als erhaben
vorgestellt wird.


A.

Vom Mathematisch-Erhabenen.


§ 25.

Namenerklärung des Erhabenen.

=Erhaben= nennen wir das, was =schlechthin groß= ist. Groß sein
|248.5| aber und eine Größe sein, sind ganz verschiedene Begriffe
(_magnitudo_ und _quantitas_). Imgleichen =schlechtweg= (_simpliciter_)
=sagen=, daß etwas groß sei, ist auch ganz was anderes als sagen, daß
es =schlechthin groß= #81# (_absolute, non comparative magnum_) sei.
Das letztere ist das, =was über alle Vergleichung groß ist=. — Was
will nun aber der Ausdruck, daß |248.10| etwas groß, oder klein, oder
mittelmäßig sei, sagen? Ein reiner Verstandesbegriff ist es nicht, was
dadurch bezeichnet wird; noch weniger eine Sinnenanschauung; und eben
so wenig ein Vernunftbegriff, weil es gar kein Princip der Erkenntniß
bei sich führt. Es muß also ein Begriff der Urtheilskraft sein, oder
von einem solchen abstammen und eine subjective |248.15| Zweckmäßigkeit
der Vorstellung in Beziehung auf die Urtheilskraft zum Grunde legen.
Daß etwas eine Größe (_quantum_) sei, läßt sich aus dem Dinge selbst
ohne alle Vergleichung mit andern erkennen: wenn nämlich Vielheit
des Gleichartigen zusammen Eines ausmacht. =Wie groß= es aber sei,
erfordert jederzeit etwas anderes, welches auch Größe ist, zu |248.20|
seinem Maße. Weil es aber in der Beurtheilung der Größe nicht bloß
auf die Vielheit (Zahl), sondern auch auf die Größe der Einheit (des
Maßes) ankommt, und die Größe dieser letztern immer wiederum etwas
Anderes als Maß bedarf, womit sie verglichen werden könne: so sehen
wir, daß alle Größenbestimmung der Erscheinungen schlechterdings keinen
|248.25| absoluten Begriff von einer Größe, sondern allemal nur einen
Vergleichungsbegriff liefern könne.

Wenn ich nun schlechtweg sage, daß etwas groß sei, so scheint es, daß
ich gar keine Vergleichung im Sinne habe, wenigstens mit keinem #82#
objectiven Maße, weil dadurch gar nicht bestimmt wird, wie groß der
Gegenstand |248.30| sei. Ob aber gleich der Maßstab der Vergleichung
bloß subjectiv ist, so macht das Urtheil nichts desto weniger auf
allgemeine Beistimmung Anspruch; die Urtheile: der Mann ist schön, und:
er ist groß, schränken sich nicht bloß auf das urtheilende Subject
ein, sondern verlangen gleich theoretischen Urtheilen jedermanns
Beistimmung. |248.35|

Weil aber in einem Urtheile, wodurch etwas schlechtweg als groß
bezeichnet wird, nicht bloß gesagt werden will, daß der Gegenstand
eine Größe habe, sondern diese ihm zugleich vorzugsweise vor vielen
andern gleicher Art beigelegt wird, ohne doch diesen Vorzug bestimmt
anzugeben: so wird demselben allerdings ein Maßstab zum Grunde gelegt,
den man |249.5| für jedermann als eben denselben annehmen zu können
voraussetzt, der aber zu keiner logischen (mathematisch-bestimmten),
sondern nur ästhetischen Beurtheilung der Größe brauchbar ist, weil
er ein bloß subjectiv dem über Größe reflectirenden Urtheile zum
Grunde liegender Maßstab ist. Er mag übrigens empirisch sein, wie
etwa die mittlere Größe der |249.10| uns bekannten Menschen, Thiere
von gewisser Art, Bäume, Häuser, Berge u. d. gl.; oder ein _a priori_
gegebener Maßstab, der durch die Mängel des beurtheilenden Subjects
auf subjective Bedingungen der Darstellung in concreto eingeschränkt
ist: als im Praktischen die Größe einer gewissen Tugend, oder der
öffentlichen Freiheit und Gerechtigkeit in einem Lande; |249.15| #83#
oder im Theoretischen die Größe der Richtigkeit oder Unrichtigkeit
einer gemachten Observation oder Messung u. d. gl.

Hier ist nun merkwürdig: daß, wenn wir gleich am Objecte gar kein
Interesse haben, d. i. die Existenz desselben uns gleichgültig ist,
doch die bloße Größe desselben, selbst wenn es als formlos betrachtet
wird, ein |249.20| Wohlgefallen bei sich führen könne, das allgemein
mittheilbar ist, mithin Bewußtsein einer subjectiven Zweckmäßigkeit
im Gebrauche unsrer Erkenntnißvermögen enthält; aber nicht etwa ein
Wohlgefallen am Objecte, wie beim Schönen (weil es formlos sein
kann), wo die reflectirende Urtheilskraft sich in Beziehung auf das
Erkenntniß überhaupt zweckmäßig gestimmt |249.25| findet, sondern an
der Erweiterung der Einbildungskraft an sich selbst.

Wenn wir (unter der obgenannten Einschränkung) von einem
Gegenstande schlechtweg sagen, er sei groß: so ist dies kein
mathematisch-bestimmendes, sondern ein bloßes Reflexionsurtheil über
die Vorstellung |249.30| desselben, die für einen gewissen Gebrauch
unserer Erkenntnißkräfte in der Größenschätzung subjectiv zweckmäßig
ist; und wir verbinden alsdann mit der Vorstellung jederzeit eine Art
von Achtung, so wie mit dem, was wir schlechtweg klein nennen, eine
Verachtung. Übrigens geht die Beurtheilung der Dinge als groß oder
klein auf alles, selbst auf alle Beschaffenheiten |249.35| derselben;
daher wir selbst die Schönheit groß oder klein nennen: wovon der Grund
darin zu suchen ist, daß, was wir nach Vorschrift der Urtheilskraft
#84# in der Anschauung nur immer darstellen (mithin ästhetisch
vorstellen) mögen, insgesammt Erscheinung, mithin auch ein Quantum ist.

Wenn wir aber etwas nicht allein groß, sondern schlechthin, absolut,
in aller Absicht (über alle Vergleichung) groß, d. i. erhaben,
nennen, |250.5| so sieht man bald ein: daß wir für dasselbe keinen
ihm angemessenen Maßstab außer ihm, sondern bloß in ihm zu suchen
verstatten. Es ist eine Größe, die bloß sich selber gleich ist. Daß das
Erhabene also nicht in den Dingen der Natur, sondern allein in unsern
Ideen zu suchen sei, folgt hieraus; in welchen es aber liege, muß für
die Deduction aufbehalten |250.10| werden.

Die obige Erklärung kann auch so ausgedrückt werden: =Erhaben ist das,
mit welchem in Vergleichung alles andere klein ist.= Hier sieht man
leicht: daß nichts in der Natur gegeben werden könne, so groß als es
auch von uns beurtheilt werde, was nicht, in einem andern Verhältnisse
|250.15| betrachtet, bis zum Unendlich-Kleinen abgewürdigt werden
könnte; und umgekehrt nichts so klein, was sich nicht in Vergleichung
mit noch kleinern Maßstäben für unsere Einbildungskraft bis zu einer
Weltgröße erweitern ließe. Die Teleskope haben uns die erstere, die
Mikroskope die letztere Bemerkung zu machen reichlichen Stoff an
die Hand gegeben. |250.20| Nichts also, was Gegenstand der Sinnen
sein kann, ist, auf diesen #85# Fuß betrachtet, erhaben zu nennen.
Aber eben darum, daß in unserer Einbildungskraft ein Bestreben zum
Fortschritte ins Unendliche, in unserer Vernunft aber ein Anspruch
auf absolute Totalität als auf eine reelle Idee liegt: ist selbst
jene Unangemessenheit unseres Vermögens der |250.25| Größenschätzung
der Dinge der Sinnenwelt für diese Idee die Erweckung des Gefühls
eines übersinnlichen Vermögens in uns; und der Gebrauch, den die
Urtheilskraft von gewissen Gegenständen zum Behuf des letzteren
(Gefühls) natürlicher Weise macht, nicht aber der Gegenstand der
Sinne ist schlechthin groß, gegen ihn aber jeder andere Gebrauch
klein. Mithin |250.30| ist die Geistesstimmung durch eine gewisse die
reflectirende Urtheilskraft beschäftigende Vorstellung, nicht aber das
Object erhaben zu nennen.

Wir können also zu den vorigen Formeln der Erklärung des Erhabenen
noch diese hinzuthun: =Erhaben ist, was auch nur denken zu können ein
Vermögen des Gemüths beweiset, das jeden Maßstab= |250.35| =der Sinne
übertrifft.=


§ 26.

Von der Größenschätzung der Naturdinge, die zur Idee des Erhabenen
erforderlich ist.

Die Größenschätzung durch Zahlbegriffe (oder deren Zeichen in der
Algebra) ist mathematisch, die aber in der bloßen Anschauung (nach
dem |251.5| Augenmaße) ist ästhetisch. Nun können wir zwar bestimmte
Begriffe davon, #86# =wie groß= etwas sei, nur durch Zahlen (allenfalls
Annäherungen durch ins Unendliche fortgehende Zahlreihen) bekommen,
deren Einheit das Maß ist; und sofern ist alle logische Größenschätzung
mathematisch. Allein da die Größe des Maßes doch als bekannt angenommen
werden |251.10| muß, so würden, wenn diese nun wiederum nur durch
Zahlen, deren Einheit ein anderes Maß sein müßte, mithin mathematisch
geschätzt werden sollte, wir niemals ein erstes oder Grundmaß, mithin
auch keinen bestimmten Begriff von einer gegebenen Größe haben können.
Also muß die Schätzung der Größe des Grundmaßes bloß darin bestehen,
daß man |251.15| sie in einer Anschauung unmittelbar fassen und durch
Einbildungskraft zur Darstellung der Zahlbegriffe brauchen kann: d. i.
alle Größenschätzung der Gegenstände der Natur ist zuletzt ästhetisch
(d. i. subjectiv und nicht objectiv bestimmt).

Nun giebt es zwar für die mathematische Größenschätzung kein Größtes
|251.20| (denn die Macht der Zahlen geht ins Unendliche); aber für
die ästhetische Größenschätzung giebt es allerdings ein Größtes; und
von diesem sage ich: daß, wenn es als absolutes Maß, über das kein
größeres subjectiv (dem beurtheilenden Subject) möglich sei, beurtheilt
wird, es die Idee des Erhabenen bei sich führe und diejenige Rührung,
welche keine |251.25| mathematische Schätzung der Größen durch Zahlen
(es sei denn, so weit #87# jenes ästhetische Grundmaß dabei in der
Einbildungskraft lebendig erhalten wird) bewirken kann, hervorbringe:
weil die letztere immer nur die relative Größe durch Vergleichung mit
andern gleicher Art, die erstere aber die Größe schlechthin, so weit
das Gemüth sie in einer Anschauung |251.30| fassen kann, darstellt.

Anschaulich ein Quantum in die Einbildungskraft aufzunehmen, um es zum
Maße oder als Einheit zur Größenschätzung durch Zahlen brauchen zu
können, dazu gehören zwei Handlungen dieses Vermögens: =Auffassung=
(_apprehensio_) und =Zusammenfassung= (_comprehensio aesthetica_).
|251.35| Mit der Auffassung hat es keine Noth: denn damit kann es ins
Unendliche gehen; aber die Zusammenfassung wird immer schwerer, je
weiter die Auffassung fortrückt, und gelangt bald zu ihrem Maximum,
nämlich dem ästhetisch-größten Grundmaße der Größenschätzung. Denn
wenn die Auffassung so weit gelangt ist, daß die zuerst aufgefaßten
Theilvorstellungen der Sinnenanschauung in der Einbildungskraft schon
zu erlöschen |252.5| anheben, indeß daß diese zu Auffassung mehrerer
fortrückt: so verliert sie auf einer Seite eben so viel, als sie auf
der andern gewinnt, und in der Zusammenfassung ist ein Größtes, über
welches sie nicht hinauskommen kann.

Daraus läßt sich erklären, was =Savary= in seinen Nachrichten von
|252.10| Ägypten anmerkt: daß man den Pyramiden nicht sehr nahe
kommen, eben so wenig als zu weit davon entfernt sein müsse, um die
ganze Rührung #88# von ihrer Größe zu bekommen. Denn ist das letztere,
so sind die Theile, die aufgefaßt werden, (die Steine derselben
übereinander) nur dunkel vorgestellt, und ihre Vorstellung thut keine
Wirkung auf das ästhetische |252.15| Urtheil des Subjects. Ist aber
das erstere, so bedarf das Auge einige Zeit, um die Auffassung von
der Grundfläche bis zur Spitze zu vollenden; in dieser aber erlöschen
immer zum Theil die ersteren, ehe die Einbildungskraft die letzteren
aufgenommen hat, und die Zusammenfassung ist nie vollständig. —
Eben dasselbe kann auch hinreichen, die Bestürzung oder |252.20| Art
von Verlegenheit, die, wie man erzählt, den Zuschauer in der St.
Peterskirche in Rom beim ersten Eintritt anwandelt, zu erklären. Denn
es ist hier ein Gefühl der Unangemessenheit seiner Einbildungskraft für
die Idee eines Ganzen, um sie darzustellen, worin die Einbildungskraft
ihr Maximum erreicht und bei der Bestrebung es zu erweitern in
sich selbst |252.25| zurück sinkt, dadurch aber in ein rührendes
Wohlgefallen versetzt wird.

Ich will jetzt noch nichts von dem Grunde dieses Wohlgefallens
anführen, welches mit einer Vorstellung, wovon man es am wenigsten
erwarten sollte, die nämlich uns die Unangemessenheit, folglich auch
subjective Unzweckmäßigkeit der Vorstellung für die Urtheilskraft
in der Größenschätzung |252.30| merken läßt, verbunden ist; sondern
bemerke nur, daß, wenn das ästhetische Urtheil =rein= (=mit keinem
teleologischen= als Vernunfturtheile #89# =vermischt=) und daran ein
der Kritik der =ästhetischen= Urtheilskraft völlig anpassendes Beispiel
gegeben werden soll, man nicht das Erhabene an Kunstproducten (z. B.
Gebäuden, Säulen u. s. w.), wo ein |252.35| menschlicher Zweck die Form
sowohl als die Größe bestimmt, noch an Naturdingen, =deren Begriff
schon einen bestimmten Zweck bei sich führt= (z. B. Thieren von
bekannter Naturbestimmung), sondern an der rohen Natur (und an dieser
sogar nur, sofern sie für sich keinen Reiz, oder Rührung aus wirklicher
Gefahr bei sich führt), bloß sofern sie Größe enthält, aufzeigen müsse.
Denn in dieser Art der Vorstellung enthält die Natur nichts, was
ungeheuer (noch was prächtig oder gräßlich) wäre; die |253.5| Größe,
die aufgefaßt wird, mag so weit angewachsen sein, als man will, wenn
sie nur durch Einbildungskraft in ein Ganzes zusammengefaßt werden
kann. =Ungeheuer= ist ein Gegenstand, wenn er durch seine Größe den
Zweck, der den Begriff desselben ausmacht, vernichtet. =Kolossalisch=
aber wird die bloße Darstellung eines Begriffs genannt, der für alle
|253.10| Darstellung beinahe zu groß ist (an das relativ Ungeheure
gränzt): weil der Zweck der Darstellung eines Begriffs dadurch, daß die
Anschauung des Gegenstandes für unser Auffassungsvermögen beinahe zu
groß ist, erschwert wird. — Ein reines Urtheil über das Erhabene aber
muß gar keinen Zweck des Objects zum Bestimmungsgrunde haben, wenn es
ästhetisch |253.15| #90# und nicht mit irgend einem Verstandes- oder
Vernunfturtheile vermengt sein soll.

       *       *       *       *       *

Weil alles, was der bloß reflectirenden Urtheilskraft ohne Interesse
gefallen soll, in seiner Vorstellung subjective und als solche
allgemein-gültige Zweckmäßigkeit bei sich führen muß, gleichwohl aber
hier keine Zweckmäßigkeit |253.20| der =Form= des Gegenstandes (wie
beim Schönen) der Beurtheilung zum Grunde liegt, so fragt sich: welches
ist diese subjective Zweckmäßigkeit? und wodurch wird sie als Norm
vorgeschrieben, um in der bloßen Größenschätzung und zwar der, welche
gar bis zur Unangemessenheit unseres Vermögens der Einbildungskraft in
Darstellung des |253.25| Begriffs von einer Größe getrieben worden,
einen Grund zum allgemeingültigen Wohlgefallen abzugeben?

Die Einbildungskraft schreitet in der Zusammensetzung, die zur
Größenvorstellung erforderlich ist, von selbst, ohne daß ihr etwas
hinderlich wäre, ins Unendliche fort; der Verstand aber leitet sie
durch Zahlbegriffe, |253.30| wozu jene das Schema hergeben muß: und
in diesem Verfahren, als zur logischen Größenschätzung gehörig, ist
zwar etwas objectiv Zweckmäßiges nach dem Begriffe von einem Zwecke
(dergleichen jede Ausmessung ist), aber nichts für die ästhetische
Urtheilskraft Zweckmäßiges und Gefallendes. Es ist auch in dieser
absichtlichen Zweckmäßigkeit nichts, was |253.35| #91# die Größe des
Maßes, mithin der =Zusammenfassung= des Vielen in eine Anschauung bis
zur Gränze des Vermögens der Einbildungskraft und so weit, wie diese
in Darstellungen nur immer reichen mag, zu treiben nöthigte. Denn in
der Verstandesschätzung der Größen (der Arithmetik) kommt man eben so
weit, ob man die Zusammenfassung der Einheiten |254.5| bis zur Zahl
10 (in der Dekadik), oder nur bis 4 (in der Tetraktik) treibt; die
weitere Größenerzeugung aber im Zusammensetzen, oder, wenn das Quantum
in der Anschauung gegeben ist, im Auffassen bloß progressiv (nicht
comprehensiv) nach einem angenommenen Progressionsprincip verrichtet.
Der Verstand wird in dieser mathematischen Größenschätzung #10# eben so
gut bedient und befriedigt, ob die Einbildungskraft zur Einheit eine
Größe, die man in einem Blick fassen kann, z. B. einen Fuß oder Ruthe,
oder ob sie eine deutsche Meile, oder gar einen Erddurchmesser, deren
Auffassung zwar, aber nicht die Zusammenfassung in eine Anschauung der
Einbildungskraft (nicht durch die _comprehensio aesthetica_, |254.15|
obzwar gar wohl durch _comprehensio logica_ in einen Zahlbegriff)
möglich ist, wähle. In beiden Fällen geht die logische Größenschätzung
ungehindert ins Unendliche.

Nun aber hört das Gemüth in sich auf die Stimme der Vernunft, welche
zu allen gegebenen Größen, selbst denen, die zwar niemals ganz
|254.20| aufgefaßt werden können, gleichwohl aber (in der sinnlichen
Vorstellung) #92# als ganz gegeben beurtheilt werden, Totalität
fordert, mithin Zusammenfassung in =eine= Anschauung und für alle
jene Glieder einer fortschreitend-wachsenden Zahlreihe =Darstellung=
verlangt und selbst das Unendliche (Raum und verflossene Zeit) von
dieser Forderung nicht ausnimmt, vielmehr |254.25| es unvermeidlich
macht, sich dasselbe (in dem Urtheile der gemeinen Vernunft) als =ganz=
(seiner Totalität nach) =gegeben= zu denken.

Das Unendliche aber ist schlechthin (nicht bloß comparativ) groß.
Mit diesem verglichen, ist alles andere (von derselben Art Größen)
klein. Aber, was das Vornehmste ist, es als =ein Ganzes= auch nur
denken zu |254.30| können, zeigt ein Vermögen des Gemüths an,
welches allen Maßstab der Sinne übertrifft. Denn dazu würde eine
Zusammenfassung erfordert werden, welche einen Maßstab als Einheit
lieferte, der zum Unendlichen ein bestimmtes, in Zahlen angebliches
Verhältniß hätte: welches unmöglich ist. Das gegebene Unendliche
aber dennoch ohne Widerspruch =auch |254.35| nur denken zu können=,
dazu wird ein Vermögen, das selbst übersinnlich ist, im menschlichen
Gemüthe erfordert. Denn nur durch dieses und dessen Idee eines
Noumenons, welches selbst keine Anschauung verstattet, aber doch der
Weltanschauung, als bloßer Erscheinung, zum Substrat untergelegt wird,
wird das Unendliche der Sinnenwelt in der reinen intellectuellen
Größenschätzung =unter= einem Begriffe =ganz= zusammengefaßt, #93#
obzwar es in der mathematischen =durch Zahlenbegriffe= nie ganz gedacht
|255.5| werden kann. Selbst ein Vermögen, sich das Unendliche der
übersinnlichen Anschauung als (in seinem intelligibelen Substrat)
gegeben denken zu können, übertrifft allen Maßstab der Sinnlichkeit und
ist über alle Vergleichung selbst mit dem Vermögen der mathematischen
Schätzung groß; freilich wohl nicht in theoretischer Absicht zum
Behuf des Erkenntnißvermögens, |255.10| aber doch als Erweiterung
des Gemüths, welches die Schranken der Sinnlichkeit in anderer (der
praktischen) Absicht zu überschreiten sich vermögend fühlt.

Erhaben ist also die Natur in derjenigen ihrer Erscheinungen, deren
Anschauung die Idee ihrer Unendlichkeit bei sich führt. Dieses
letztere |255.15| kann nun nicht anders geschehen, als durch die
Unangemessenheit selbst der größten Bestrebung unserer Einbildungskraft
in der Größenschätzung eines Gegenstandes. Nun ist aber für die
mathematische Größenschätzung die Einbildungskraft jedem Gegenstande
gewachsen, um für dieselbe ein hinlängliches Maß zu geben, weil die
Zahlbegriffe des Verstandes durch |255.20| Progression jedes Maß
einer jeden gegebenen Größe angemessen machen können. Also muß es die
=ästhetische= Größenschätzung sein, in welcher die Bestrebung zur
Zusammenfassung, die das Vermögen der Einbildungskraft überschreitet,
die progressive Auffassung in ein Ganzes der Anschauung zu begreifen,
gefühlt und dabei zugleich die Unangemessenheit dieses |255.25| #94#
im Fortschreiten unbegränzten Vermögens wahrgenommen wird, ein mit
dem mindesten Aufwande des Verstandes zur Größenschätzung taugliches
Grundmaß zu fassen und zur Größenschätzung zu gebrauchen. Nun ist
das eigentliche unveränderliche Grundmaß der Natur das absolute
Ganze derselben, welches bei ihr als Erscheinung zusammengefaßte
Unendlichkeit |255.30| ist. Da aber dieses Grundmaß ein sich selbst
widersprechender Begriff ist (wegen der Unmöglichkeit der absoluten
Totalität eines Progressus ohne Ende): so muß diejenige Größe eines
Naturobjects, an welcher die Einbildungskraft ihr ganzes Vermögen der
Zusammenfassung fruchtlos verwendet, den Begriff der Natur auf ein
übersinnliches Substrat (welches |255.35| ihr und zugleich unserm
Vermögen zu denken zum Grunde liegt) führen, welches über allen Maßstab
der Sinne groß ist und daher nicht sowohl den Gegenstand, als vielmehr
die Gemüthsstimmung in Schätzung desselben als =erhaben= beurtheilen
läßt.

Also, gleichwie die ästhetische Urtheilskraft in Beurtheilung des
Schönen die Einbildungskraft in ihrem freien Spiele auf den =Verstand=
bezieht, um mit dessen =Begriffen= überhaupt (ohne Bestimmung
derselben) zusammenzustimmen: |256.5| so bezieht sie dasselbe Vermögen
in Beurtheilung eines Dinges als erhabenen auf die =Vernunft=, um
zu deren =Ideen= (unbestimmt welchen) subjectiv übereinzustimmen,
d. i. eine Gemüthsstimmung hervorzubringen, welche derjenigen gemäß
und mit ihr verträglich ist, die #95# der Einfluß bestimmter Ideen
(praktischer) auf das Gefühl bewirken |256.10| würde.

Man sieht hieraus auch, daß die wahre Erhabenheit nur im Gemüthe des
Urtheilenden, nicht in dem Naturobjecte, dessen Beurtheilung diese
Stimmung desselben veranlaßt, müsse gesucht werden. Wer wollte auch
ungestalte Gebirgsmassen, in wilder Unordnung über einander gethürmt,
|256.15| mit ihren Eispyramiden, oder die düstere tobende See u.
s. w. erhaben nennen? Aber das Gemüth fühlt sich in seiner eigenen
Beurtheilung gehoben, wenn es, indem es sich in der Betrachtung
derselben ohne Rücksicht auf ihre Form der Einbildungskraft und einer,
obschon ganz ohne bestimmten Zweck damit in Verbindung gesetzten, jene
bloß |256.20| erweiternden Vernunft überläßt, die ganze Macht der
Einbildungskraft dennoch ihren Ideen unangemessen findet.

Beispiele vom Mathematisch-Erhabenen der Natur in der bloßen Anschauung
liefern uns alle die Fälle, wo uns nicht sowohl ein größerer
Zahlbegriff, als vielmehr große Einheit als Maß (zu Verkürzung der
|256.25| Zahlreihen) für die Einbildungskraft gegeben wird. Ein Baum,
den wir nach Mannshöhe schätzen, giebt allenfalls einen Maßstab für
einen Berg; und wenn dieser etwa eine Meile hoch wäre, kann er zur
Einheit für die Zahl, welche den Erddurchmesser ausdrückt, dienen, um
den letzteren anschaulich zu machen, der Erddurchmesser für das uns
bekannte Planetensystem, |256.30| #96# dieses für das der Milchstraße;
und die unermeßliche Menge solcher Milchstraßensysteme unter dem Namen
der Nebelsterne, welche vermuthlich wiederum ein dergleichen System
unter sich ausmachen, lassen uns hier keine Gränzen erwarten. Nun liegt
das Erhabene bei der ästhetischen Beurtheilung eines so unermeßlichen
Ganzen nicht sowohl in der |256.35| Größe der Zahl, als darin, daß wir
im Fortschritte immer auf desto größere Einheiten gelangen; wozu die
systematische Abtheilung des Weltgebäudes beiträgt, die uns alles
Große in der Natur immer wiederum als klein, eigentlich aber unsere
Einbildungskraft in ihrer ganzen Gränzlosigkeit und mit ihr die Natur
als gegen die Ideen der Vernunft, wenn sie eine ihnen angemessene
Darstellung verschaffen soll, verschwindend vorstellt. |257.5|


§ 27.

Von der Qualität des Wohlgefallens in der Beurtheilung des Erhabenen.

Das Gefühl der Unangemessenheit unseres Vermögens zur Erreichung einer
Idee, =die für uns Gesetz ist=, ist ACHTUNG. Nun ist die |257.10|
Idee der Zusammenfassung einer jeden Erscheinung, die uns gegeben
werden mag, in die Anschauung eines Ganzen eine solche, welche
uns durch ein Gesetz der Vernunft auferlegt ist, die kein anderes
bestimmtes, für jedermann gültiges und unveränderliches Maß erkennt,
als das Absolut-Ganze. #97# Unsere Einbildungskraft aber beweiset
selbst in ihrer größten Anstrengung |257.15| in Ansehung der von ihr
verlangten Zusammenfassung eines gegebenen Gegenstandes in ein Ganzes
der Anschauung (mithin zur Darstellung der Idee der Vernunft) ihre
Schranken und Unangemessenheit, doch aber zugleich ihre Bestimmung zur
Bewirkung der Angemessenheit mit derselben als einem Gesetze. Also
ist das Gefühl des Erhabenen in |257.20| der Natur Achtung für unsere
eigene Bestimmung, die wir einem Objecte der Natur durch eine gewisse
Subreption (Verwechselung einer Achtung für das Object statt der für
die Idee der Menschheit in unserm Subjecte) beweisen, welches uns die
Überlegenheit der Vernunftbestimmung unserer Erkenntnißvermögen über
das größte Vermögen der Sinnlichkeit gleichsam |257.25| anschaulich
macht.

Das Gefühl des Erhabenen ist also ein Gefühl der Unlust aus
der Unangemessenheit der Einbildungskraft in der ästhetischen
Größenschätzung zu der Schätzung durch die Vernunft und eine dabei
zugleich erweckte Lust aus der Übereinstimmung eben dieses Urtheils
der Unangemessenheit des |257.30| größten sinnlichen Vermögens mit
Vernunftideen, sofern die Bestrebung zu denselben doch für uns Gesetz
ist. Es ist nämlich für uns Gesetz (der Vernunft) und gehört zu
unserer Bestimmung, alles, was die Natur als Gegenstand der Sinne
für uns Großes enthält, in Vergleichung mit Ideen der Vernunft
für klein zu schätzen; und was das Gefühl dieser übersinnlichen
|257.35| #98# Bestimmung in uns rege macht, stimmt zu jenem Gesetze
zusammen. Nun ist die größte Bestrebung der Einbildungskraft in
Darstellung der Einheit für die Größenschätzung eine Beziehung auf
etwas =Absolut-Großes=, folglich auch eine Beziehung auf das Gesetz
der Vernunft, dieses allein zum obersten Maße der Größen anzunehmen.
Also ist die innere Wahrnehmung der Unangemessenheit alles sinnlichen
Maßstabes zur Größenschätzung |258.5| der Vernunft eine Übereinstimmung
mit Gesetzen derselben und eine Unlust, welche das Gefühl unserer
übersinnlichen Bestimmung in uns rege macht, nach welcher es zweckmäßig
ist, mithin Lust ist, jeden Maßstab der Sinnlichkeit den Ideen der
Vernunft unangemessen zu finden.

Das Gemüth fühlt sich in der Vorstellung des Erhabenen in der
|258.10| Natur =bewegt=: da es in dem ästhetischen Urtheile über das
Schöne derselben in =ruhiger= Contemplation ist. Diese Bewegung kann
(vornehmlich in ihrem Anfange) mit einer Erschütterung verglichen
werden, d. i. mit einem schnellwechselnden Abstoßen und Anziehen eben
desselben Objects. Das Überschwengliche für die Einbildungskraft (bis
zu welchem sie |258.15| in der Auffassung der Anschauung getrieben
wird) ist gleichsam ein Abgrund, worin sie sich selbst zu verlieren
fürchtet; aber doch auch für die Idee der Vernunft vom Übersinnlichen
nicht überschwenglich, sondern gesetzmäßig, eine solche Bestrebung der
Einbildungskraft hervorzubringen: #99# mithin in eben dem Maße wiederum
anziehend, als es für die bloße |258.20| Sinnlichkeit abstoßend war.
Das Urtheil selber bleibt aber hiebei immer nur ästhetisch, weil
es, ohne einen bestimmten Begriff vom Objecte zum Grunde zu haben,
bloß das subjective Spiel der Gemüthskräfte (Einbildungskraft und
Vernunft) selbst durch ihren Contrast als harmonisch vorstellt. Denn
so wie Einbildungskraft und =Verstand= in der Beurtheilung |258.25|
des Schönen durch ihre Einhelligkeit, so bringen Einbildungskraft und
=Vernunft= hier durch ihren Widerstreit subjective Zweckmäßigkeit der
Gemüthskräfte hervor: nämlich ein Gefühl, daß wir reine, selbstständige
Vernunft haben, oder ein Vermögen der Größenschätzung, dessen
Vorzüglichkeit durch nichts anschaulich gemacht werden kann, als
durch die Unzulänglichkeit |258.30| desjenigen Vermögens, welches in
Darstellung der Größen (sinnlicher Gegenstände) selbst unbegränzt ist.

Messung eines Raums (als Auffassung) ist zugleich Beschreibung
desselben, mithin objective Bewegung in der Einbildung und ein
Progressus; die Zusammenfassung der Vielheit in die Einheit,
nicht des Gedankens, |258.35| sondern der Anschauung, mithin des
Successiv-Aufgefaßten in einen Augenblick, ist dagegen ein Regressus,
der die Zeitbedingung im Progressus der Einbildungskraft wieder
aufhebt und das =Zugleichsein= anschaulich macht. Sie ist also (da
die Zeitfolge eine Bedingung des innern Sinnes und einer Anschauung
ist) eine subjective Bewegung der #100# Einbildungskraft, wodurch sie
dem innern Sinne Gewalt anthut, die desto merklicher sein muß, je
größer das Quantum ist, welches die Einbildungskraft |259.5| in eine
Anschauung zusammenfaßt. Die Bestrebung also, ein Maß für Größen in
eine einzelne Anschauung aufzunehmen, welches aufzufassen merkliche
Zeit erfordert, ist eine Vorstellungsart, welche, subjectiv betrachtet,
zweckwidrig, objectiv aber zur Größenschätzung erforderlich, mithin
zweckmäßig ist: wobei aber doch eben dieselbe Gewalt, die dem Subjecte
|259.10| durch die Einbildungskraft widerfährt, =für die ganze
Bestimmung= des Gemüths als zweckmäßig beurtheilt wird.

Die =Qualität= des Gefühls des Erhabenen ist: daß sie ein Gefühl der
Unlust über das ästhetische Beurtheilungsvermögen an einem Gegenstande
ist, die darin doch zugleich als zweckmäßig vorgestellt wird; welches
|259.15| dadurch möglich ist, daß das eigne Unvermögen das Bewußtsein
eines unbeschränkten Vermögens desselben Subjects entdeckt, und das
Gemüth das letztere nur durch das erstere ästhetisch beurtheilen kann.

In der logischen Größenschätzung ward die Unmöglichkeit, durch den
Progressus der Messung der Dinge der Sinnenwelt in Zeit und Raum
|259.20| jemals zur absoluten Totalität zu gelangen, für objectiv,
d. i. eine Unmöglichkeit, das Unendliche als gegeben zu =denken=,
und nicht als bloß #101# subjectiv, d. i. als Unvermögen es zu
=fassen=, erkannt: weil da auf den Grad der Zusammenfassung in
eine Anschauung als Maß gar nicht gesehen wird, sondern alles auf
einen Zahlbegriff ankommt. Allein in einer |259.25| ästhetischen
Größenschätzung muß der Zahlbegriff wegfallen oder verändert werden,
und die Comprehension der Einbildungskraft zur Einheit des Maßes
(mithin mit Vermeidung der Begriffe von einem Gesetze der successiven
Erzeugung der Größenbegriffe) ist allein für sie zweckmäßig. — Wenn
nun eine Größe beinahe das Äußerste unseres Vermögens der |259.30|
Zusammenfassung in eine Anschauung erreicht, und die Einbildungskraft
doch durch Zahlgrößen (für die wir uns unseres Vermögens als
unbegränzt bewußt sind) zur ästhetischen Zusammenfassung in eine
größere Einheit aufgefordert wird, so fühlen wir uns im Gemüth als
ästhetisch in Gränzen eingeschlossen; aber die Unlust wird doch in
Hinsicht auf die |259.35| nothwendige Erweiterung der Einbildungskraft
zur Angemessenheit mit dem, was in unserm Vermögen der Vernunft
unbegränzt ist, nämlich der Idee des absoluten Ganzen, mithin
die Unzweckmäßigkeit des Vermögens der Einbildungskraft doch für
Vernunftideen und deren Erweckung als zweckmäßig vorgestellt. Eben
dadurch wird aber das ästhetische Urtheil selbst subjectiv-zweckmäßig
für die Vernunft, als Quell der Ideen, d. i. einer solchen
intellectuellen Zusammenfassung, für die alle ästhetische klein |260.5|
ist; und der Gegenstand wird als erhaben mit einer Lust aufgenommen,
#102# die nur vermittelst einer Unlust möglich ist.


B.

Vom Dynamisch-Erhabenen der Natur.


§ 28. |260.10|

Von der Natur als einer Macht.

=Macht= ist ein Vermögen, welches großen Hindernissen überlegen ist.
Eben dieselbe heißt eine =Gewalt=, wenn sie auch dem Widerstande
dessen, was selbst Macht besitzt, überlegen ist. Die Natur, im
ästhetischen Urtheile als Macht, die über uns keine Gewalt hat,
betrachtet, ist =dynamisch-erhaben=. |260.15|

Wenn von uns die Natur dynamisch als erhaben beurtheilt werden soll,
so muß sie als Furcht erregend vorgestellt werden (obgleich nicht
umgekehrt jeder Furcht erregende Gegenstand in unserm ästhetischen
Urtheile erhaben gefunden wird). Denn in der ästhetischen Beurtheilung
(ohne |260.20| Begriff) kann die Überlegenheit über Hindernisse nur
nach der Größe des Widerstandes beurtheilt werden. Nun ist aber das,
dem wir zu widerstehen bestrebt sind, ein Übel und, wenn wir unser
Vermögen demselben nicht gewachsen finden, ein Gegenstand der Furcht.
Also kann für die ästhetische Urtheilskraft die Natur nur sofern
als Macht, mithin dynamisch-erhaben |260.25| gelten, sofern sie als
Gegenstand der Furcht betrachtet wird. #103#

Man kann aber einen Gegenstand als =furchtbar= betrachten, ohne sich
=vor= ihm zu fürchten, wenn wir ihn nämlich so beurtheilen, daß wir
uns bloß den Fall =denken=, da wir ihm etwa Widerstand thun wollten,
und daß alsdann aller Widerstand bei weitem vergeblich sein würde. So
|260.30| fürchtet der Tugendhafte Gott, ohne sich vor ihm zu fürchten,
weil er ihm und seinen Geboten widerstehen zu wollen sich als keinen
von =ihm= besorglichen Fall denkt. Aber auf jeden solchen Fall, den er
als an sich nicht unmöglich denkt, erkennt er ihn als furchtbar.

Wer sich fürchtet, kann über das Erhabene der Natur gar nicht
urtheilen, so wenig als der, welcher durch Neigung und Appetit
eingenommen ist, über das Schöne. Jener flieht den Anblick eines
Gegenstandes, |261.5| der ihm Scheu einjagt; und es ist unmöglich, an
einem Schrecken, der ernstlich gemeint wäre, Wohlgefallen zu finden.
Daher ist die Annehmlichkeit aus dem Aufhören einer Beschwerde das
=Frohsein=. Dieses aber, wegen der Befreiung von einer Gefahr, ist ein
Frohsein mit dem Vorsatze, sich derselben nie mehr auszusetzen; ja man
mag an jene Empfindung |261.10| nicht einmal gerne zurückdenken, weit
gefehlt, daß man die Gelegenheit dazu selbst aufsuchen sollte.

Kühne, überhangende, gleichsam drohende Felsen, am Himmel sich #104#
aufthürmende Donnerwolken, mit Blitzen und Krachen einherziehend,
Vulcane in ihrer ganzen zerstörenden Gewalt, Orkane mit ihrer
zurückgelassenen |261.15| Verwüstung, der gränzenlose Ocean, in
Empörung gesetzt, ein hoher Wasserfall eines mächtigen Flusses u. d.
gl. machen unser Vermögen zu widerstehen in Vergleichung mit ihrer
Macht zur unbedeutenden Kleinigkeit. Aber ihr Anblick wird nur um desto
anziehender, je furchtbarer er ist, wenn wir uns nur in Sicherheit
befinden; und wir nennen |261.20| diese Gegenstände gern erhaben, weil
sie die Seelenstärke über ihr gewöhnliches Mittelmaß erhöhen und ein
Vermögen zu widerstehen von ganz anderer Art in uns entdecken lassen,
welches uns Muth macht, uns mit der scheinbaren Allgewalt der Natur
messen zu können.

Denn so wie wir zwar an der Unermeßlichkeit der Natur und der
|261.25| Unzulänglichkeit unseres Vermögens einen der ästhetischen
Größenschätzung ihres =Gebiets= proportionirten Maßstab zu nehmen
unsere eigene Einschränkung, gleichwohl aber doch auch an unserm
Vernunftvermögen zugleich einen andern, nicht-sinnlichen Maßstab,
welcher jene Unendlichkeit selbst als Einheit unter sich hat, gegen
den alles in der Natur klein ist, |261.30| mithin in unserm Gemüthe
eine Überlegenheit über die Natur selbst in ihrer Unermeßlichkeit
fanden: so giebt auch die Unwiderstehlichkeit ihrer Macht uns, als
Naturwesen betrachtet, zwar unsere physische Ohnmacht zu #105#
erkennen, aber entdeckt zugleich ein Vermögen, uns als von ihr
unabhängig zu beurtheilen, und eine Überlegenheit über die Natur,
worauf sich |261.35| eine Selbsterhaltung von ganz andrer Art gründet,
als diejenige ist, die von der Natur außer uns angefochten und in
Gefahr gebracht werden kann, wobei die Menschheit in unserer Person
unerniedrigt bleibt, obgleich der Mensch jener Gewalt unterliegen
müßte. Auf solche Weise wird die Natur in unserm ästhetischen Urtheile
nicht, sofern sie furchterregend ist, als erhaben beurtheilt, sondern
weil sie unsere Kraft (die nicht Natur ist) in uns aufruft, um das,
wofür wir besorgt sind, (Güter, Gesundheit und |262.5| Leben) als klein
und daher ihre Macht (der wir in Ansehung dieser Stücke allerdings
unterworfen sind) für uns und unsere Persönlichkeit demungeachtet
doch für keine solche Gewalt anzusehen, unter die wir uns zu beugen
hätten, wenn es auf unsre höchste Grundsätze und deren Behauptung oder
Verlassung ankäme. Also heißt die Natur hier erhaben, bloß weil sie
|262.10| die Einbildungskraft zu Darstellung derjenigen Fälle erhebt,
in welchen das Gemüth die eigene Erhabenheit seiner Bestimmung selbst
über die Natur sich fühlbar machen kann.

Diese Selbstschätzung verliert dadurch nichts, daß wir uns sicher sehen
müssen, um dieses begeisternde Wohlgefallen zu empfinden; mithin, weil
|262.15| es mit der Gefahr nicht Ernst ist, es auch (wie es scheinen
möchte) mit der Erhabenheit unseres Geistesvermögens eben so wenig
Ernst sein möchte. #106# Denn das Wohlgefallen betrifft hier nur die
sich in solchem Falle entdeckende =Bestimmung= unseres Vermögens, so
wie die Anlage zu demselben in unserer Natur ist; indessen daß die
Entwickelung und Übung |262.20| desselben uns überlassen und obliegend
bleibt. Und hierin ist Wahrheit, so sehr sich auch der Mensch, wenn er
seine Reflexion bis dahin erstreckt, seiner gegenwärtigen wirklichen
Ohnmacht bewußt sein mag.

Dieses Princip scheint zwar zu weit hergeholt und vernünftelt, mithin
für ein ästhetisches Urtheil überschwenglich zu sein: allein die
Beobachtung |262.25| des Menschen beweiset das Gegentheil, und daß
es den gemeinsten Beurtheilungen zum Grunde liegen kann, ob man sich
gleich desselben nicht immer bewußt ist. Denn was ist das, was selbst
dem Wilden ein Gegenstand der größten Bewunderung ist? Ein Mensch,
der nicht erschrickt, der sich nicht fürchtet, also der Gefahr nicht
weicht, zugleich aber |262.30| mit völliger Überlegung rüstig zu Werke
geht. Auch im allergesittetsten Zustande bleibt diese vorzügliche
Hochachtung für den Krieger; nur daß man noch dazu verlangt, daß er
zugleich alle Tugenden des Friedens, Sanftmuth, Mitleid und selbst
geziemende Sorgfalt für seine eigne Person, beweise: eben darum weil
daran die Unbezwinglichkeit seines Gemüths |262.35| durch Gefahr
erkannt wird. Daher mag man noch so viel in der Vergleichung des
Staatsmanns mit dem Feldherrn über die Vorzüglichkeit der #107#
Achtung, die einer vor dem andern verdient, streiten; das ästhetische
Urtheil entscheidet für den letztern. Selbst der Krieg, wenn er mit
Ordnung und Heiligachtung der bürgerlichen Rechte geführt wird,
hat etwas Erhabenes an sich und macht zugleich die Denkungsart des
Volks, welches ihn auf diese Art führt, nur um desto erhabener, je
mehreren Gefahren |263.5| es ausgesetzt war und sich muthig darunter
hat behaupten können: da hingegen ein langer Frieden den bloßen
Handelsgeist, mit ihm aber den niedrigen Eigennutz, Feigheit und
Weichlichkeit herrschend zu machen und die Denkungsart des Volks zu
erniedrigen pflegt.

Wider diese Auflösung des Begriffs des Erhabenen, sofern dieses der
|263.10| Macht beigelegt wird, scheint zu streiten: daß wir Gott im
Ungewitter, im Sturm, im Erdbeben u. d. gl. als im Zorn, zugleich
aber auch in seiner Erhabenheit sich darstellend vorstellig zu machen
pflegen, wobei doch die Einbildung einer Überlegenheit unseres Gemüths
über die Wirkungen und, wie es scheint, gar über die Absichten einer
solchen Macht Thorheit |263.15| und Frevel zugleich sein würde. Hier
scheint kein Gefühl der Erhabenheit unserer eigenen Natur, sondern
vielmehr Unterwerfung, Niedergeschlagenheit und Gefühl der gänzlichen
Ohnmacht die Gemüthsstimmung zu sein, die sich für die Erscheinung
eines solchen Gegenstandes schickt und auch gewöhnlichermaßen mit der
Idee desselben bei dergleichen Naturbegebenheit |263.20| verbunden zu
sein pflegt. In der Religion überhaupt scheint Niederwerfen, #108#
Anbetung mit niederhängendem Haupte, mit zerknirschten, angstvollen
Geberden und Stimmen das einzig schickliche Benehmen in Gegenwart der
Gottheit zu sein, welches daher auch die meisten Völker angenommen
haben und noch beobachten. Allein diese Gemüthsstimmung ist auch bei
|263.25| weitem nicht mit der Idee der =Erhabenheit= einer Religion
und ihres Gegenstandes an sich und nothwendig verbunden. Der Mensch,
der sich wirklich fürchtet, weil er dazu in sich Ursache findet,
indem er sich bewußt ist, mit seiner verwerflichen Gesinnung wider
eine Macht zu verstoßen, deren Wille unwiderstehlich und zugleich
gerecht ist, befindet sich gar nicht |263.30| in der Gemüthsfassung,
um die göttliche Größe zu bewundern, wozu eine Stimmung zur ruhigen
Contemplation und ganz freies Urtheil erforderlich ist. Nur alsdann,
wenn er sich seiner aufrichtigen gottgefälligen Gesinnung bewußt ist,
dienen jene Wirkungen der Macht, in ihm die Idee der Erhabenheit
dieses Wesens zu erwecken, sofern er eine dessen Willen |263.35|
gemäße Erhabenheit der Gesinnung bei sich selbst erkennt und dadurch
über die Furcht vor solchen Wirkungen der Natur, die er nicht als
Ausbrüche seines Zorns ansieht, erhoben wird. Selbst die Demuth als
unnachsichtliche Beurtheilung seiner Mängel, die sonst beim Bewußtsein
guter Gesinnungen leicht mit der Gebrechlichkeit der menschlichen Natur
bemäntelt werden könnten, ist eine erhabene Gemüthsstimmung, sich
willkürlich #109# dem Schmerze der Selbstverweise zu unterwerfen, um
die Ursache dazu |264.5| nach und nach zu vertilgen. Auf solche Weise
allein unterscheidet sich innerlich Religion von Superstition, welche
letztere nicht Ehrfurcht für das Erhabene, sondern Furcht und Angst
vor dem übermächtigen Wesen, dessen Willen der erschreckte Mensch
sich unterworfen sieht, ohne ihn doch hochzuschätzen, im Gemüthe
gründet: woraus denn freilich nichts als Gunstbewerbung |264.10|
und Einschmeichelung statt einer Religion des guten Lebenswandels
entspringen kann.

Also ist die Erhabenheit in keinem Dinge der Natur, sondern nur in
unserm Gemüthe enthalten, sofern wir der Natur in uns und dadurch
auch der Natur (sofern sie auf uns einfließt) außer uns überlegen zu
sein uns |264.15| bewußt werden können. Alles, was dieses Gefühl in
uns erregt, wozu die Macht der Natur gehört, welche unsere Kräfte
auffordert, heißt alsdann (obzwar uneigentlich) erhaben; und nur unter
der Voraussetzung dieser Idee in uns und in Beziehung auf sie sind wir
fähig, zur Idee der Erhabenheit desjenigen Wesens zu gelangen, welches
nicht bloß durch seine |264.20| Macht, die es in der Natur beweiset,
innige Achtung in uns wirkt, sondern noch mehr durch das Vermögen,
welches in uns gelegt ist, jene ohne Furcht zu beurtheilen und unsere
Bestimmung als über dieselbe erhaben zu denken.


§ 29. |264.25| #110#

Von der Modalität des Urtheils über das Erhabene der Natur.

Es giebt unzählige Dinge der schönen Natur, worüber wir Einstimmigkeit
des Urtheils mit dem unsrigen jedermann geradezu ansinnen und auch,
ohne sonderlich zu fehlen, erwarten können; aber mit unserm Urtheile
|264.30| über das Erhabene in der Natur können wir uns nicht so leicht
Eingang bei andern versprechen. Denn es scheint eine bei weitem größere
Cultur nicht bloß der ästhetischen Urtheilskraft, sondern auch der
Erkenntnißvermögen, die ihr zum Grunde liegen, erforderlich zu sein, um
über diese Vorzüglichkeit der Naturgegenstände ein Urtheil fällen zu
können. |264.35|

Die Stimmung des Gemüths zum Gefühl des Erhabenen erfordert eine
Empfänglichkeit desselben für Ideen; denn eben in der Unangemessenheit
der Natur zu den letztern, mithin nur unter der Voraussetzung derselben
und der Anspannung der Einbildungskraft, die Natur als ein Schema für
die letztern zu behandeln, besteht das Abschreckende für die |265.5|
Sinnlichkeit, welches doch zugleich anziehend ist: weil es eine Gewalt
ist, welche die Vernunft auf jene ausübt, nur um sie ihrem eigentlichen
Gebiete (dem praktischen) angemessen zu erweitern und sie auf das
Unendliche hinaussehen zu lassen, welches für jene ein Abgrund ist. In
der That wird ohne Entwickelung sittlicher Ideen das, was wir, durch
Cultur |265.10| #111# vorbereitet, erhaben nennen, dem rohen Menschen
bloß abschreckend vorkommen. Er wird an den Beweisthümern der Gewalt
der Natur in ihrer Zerstörung und dem großen Maßstabe ihrer Macht,
wogegen die seinige in Nichts verschwindet, lauter Mühseligkeit, Gefahr
und Noth sehen, die den Menschen umgeben würden, der dahin gebannt
wäre. So nannte der |265.15| gute, übrigens verständige savoyische
Bauer (wie Hr. v. Saussure erzählt) alle Liebhaber der Eisgebirge ohne
Bedenken Narren. Wer weiß auch, ob er so ganz Unrecht gehabt hätte,
wenn jener Beobachter die Gefahren, denen er sich hier aussetzte, bloß,
wie die meisten Reisende pflegen, aus Liebhaberei, oder um dereinst
pathetische Beschreibungen davon geben zu |265.20| können, übernommen
hätte? So aber war seine Absicht Belehrung der Menschen; und die
seelenerhebende Empfindung hatte und gab der vortreffliche Mann den
Lesern seiner Reisen in ihrem Kauf oben ein.

Darum aber, weil das Urtheil über das Erhabene der Natur Cultur bedarf
(mehr als das über das Schöne), ist es doch dadurch nicht eben von
|265.25| der Cultur zuerst erzeugt und etwa bloß conventionsmäßig
in der Gesellschaft eingeführt; sondern es hat seine Grundlage in
der menschlichen Natur und zwar demjenigen, was man mit dem gesunden
Verstande zugleich jedermann ansinnen und von ihm fordern kann, nämlich
in der Anlage #112# zum Gefühl für (praktische) Ideen, d. i. zu dem
moralischen. |265.30|

Hierauf gründet sich nun die Nothwendigkeit der Beistimmung des
Urtheils anderer vom Erhabenen zu dem unsrigen, welche wir in diesem
zugleich mit einschließen. Denn so wie wir dem, der in der Beurtheilung
eines Gegenstandes der Natur, welchen wir schön finden, gleichgültig
ist, Mangel des =Geschmacks= vorwerfen: so sagen wir von dem, der bei
dem, |265.35| was wir erhaben zu sein urtheilen, unbewegt bleibt,
er habe kein =Gefühl=. Beides aber fordern wir von jedem Menschen
und setzen es auch, wenn er einige Cultur hat, an ihm voraus: nur
mit dem Unterschiede, daß wir das erstere, weil die Urtheilskraft
darin die Einbildung bloß auf den Verstand als Vermögen der Begriffe
bezieht, geradezu von jedermann, das zweite aber, weil sie darin die
Einbildungskraft auf Vernunft als Vermögen der Ideen bezieht, nur
unter einer subjectiven Voraussetzung (die |266.5| wir aber jedermann
ansinnen zu dürfen uns berechtigt glauben) fordern, nämlich der des
moralischen Gefühls im Menschen, und hiemit auch diesem ästhetischen
Urtheile Nothwendigkeit beilegen.

In dieser Modalität der ästhetischen Urtheile, nämlich der angemaßten
Nothwendigkeit derselben, liegt ein Hauptmoment für die Kritik der
|266.10| Urtheilskraft. Denn die macht eben an ihnen ein Princip a
priori kenntlich und erhebt sie aus der empirischen Psychologie,
in welcher sie sonst unter #113# den Gefühlen des Vergnügens und
Schmerzens (nur mit dem nichtssagenden Beiwort eines =feinern= Gefühls)
begraben bleiben würden, um sie und vermittelst ihrer die Urtheilskraft
in die Classe derer zu stellen, |266.15| welche Principien _a priori_
zum Grunde haben, als solche aber sie in die Transscendentalphilosophie
hinüberzuziehen.


Allgemeine Anmerkung zur Exposition der ästhetischen reflectirenden
Urtheile.

In Beziehung auf das Gefühl der Lust ist ein Gegenstand entweder
|266.20| zum =Angenehmen=, oder =Schönen=, oder =Erhabenen=, oder
=Guten= (schlechthin) zu zählen (_iucundum_, _pulchrum_, _sublime_,
_honestum_).

Das =Angenehme= ist als Triebfeder der Begierden durchgängig von
einerlei Art, woher es auch kommen und wie specifisch-verschieden auch
die Vorstellung (des Sinnes und der Empfindung, objectiv betrachtet)
sein |266.25| mag. Daher kommt es bei der Beurtheilung des Einflusses
desselben auf das Gemüth nur auf die Menge der Reize (zugleich und nach
einander) und gleichsam nur auf die Masse der angenehmen Empfindung an;
und diese läßt sich also durch nichts als die =Quantität= verständlich
machen. Es cultivirt auch nicht, sondern gehört zum bloßen Genusse. —
Das |266.30| =Schöne= erfordert dagegen die Vorstellung einer gewissen
=Qualität= des Objects, die sich auch verständlich machen und auf
Begriffe bringen läßt (wiewohl es im ästhetischen Urtheile darauf nicht
gebracht wird); und cultivirt, indem es zugleich auf Zweckmäßigkeit
im Gefühle der Lust Acht zu haben lehrt. — Das =Erhabene= besteht
bloß in der =Relation=, worin |266.35| #114# das Sinnliche in der
Vorstellung der Natur für einen möglichen übersinnlichen Gebrauch
desselben als tauglich beurtheilt wird. — Das =Schlechthin-Gute=,
subjectiv nach dem Gefühle, welches es einflößt, beurtheilt, (das
Object des moralischen Gefühls) als die Bestimmbarkeit der Kräfte des
Subjects durch die Vorstellung eines =schlechthin-nöthigenden= |267.5|
Gesetzes, unterscheidet sich vornehmlich durch die =Modalität= einer
auf Begriffen _a priori_ beruhenden Nothwendigkeit, die nicht bloß
=Anspruch=, sondern auch =Gebot= des Beifalls für jedermann in sich
enthält, und gehört an sich zwar nicht für die ästhetische, sondern
die reine intellectuelle Urtheilskraft; wird auch nicht in einem
bloß reflectirenden, sondern bestimmenden |267.10| Urtheile, nicht
der Natur, sondern der Freiheit beigelegt. Aber die =Bestimmbarkeit
des Subjects= durch diese Idee und zwar eines Subjects, welches in
sich an der Sinnlichkeit =Hindernisse=, zugleich aber Überlegenheit
über dieselbe durch die Überwindung derselben als =Modification
seines Zustandes= empfinden kann, d. i. das moralische |267.15|
Gefühl, ist doch mit der ästhetischen Urtheilskraft und deren
=formalen Bedingungen= sofern verwandt, daß es dazu dienen kann, die
Gesetzmäßigkeit der Handlung aus Pflicht zugleich als ästhetisch, d. i.
als erhaben, oder auch als schön vorstellig zu machen, ohne an seiner
Reinigkeit einzubüßen: welches nicht Statt findet, wenn man es mit dem
Gefühl des |267.20| Angenehmen in natürliche Verbindung setzen wollte.

Wenn man das Resultat aus der bisherigen Exposition beiderlei Arten
ästhetischer Urtheile zieht, so würden sich daraus folgende kurze
Erklärungen ergeben:

=Schön= ist das, was in der bloßen Beurtheilung (also nicht vermittelst
|267.25| der Empfindung des Sinnes nach einem Begriffe des Verstandes)
gefällt. #115# Hieraus folgt von selbst, daß es ohne alles Interesse
gefallen müsse.

=Erhaben= ist das, was durch seinen Widerstand gegen das Interesse der
Sinne unmittelbar gefällt.

Beide als Erklärungen ästhetischer allgemeingültiger Beurtheilung
|267.30| beziehen sich auf subjective Gründe, nämlich einerseits der
Sinnlichkeit, so wie sie zu Gunsten des contemplativen Verstandes,
andererseits wie sie wider dieselbe, dagegen für die Zwecke der
praktischen Vernunft und doch beide in demselben Subjecte vereinigt,
in Beziehung auf das moralische Gefühl zweckmäßig sind. Das Schöne
bereitet uns vor, etwas, selbst die |267.35| Natur ohne Interesse zu
lieben; das Erhabene, es selbst wider unser (sinnliches) Interesse
hochzuschätzen.

Man kann das Erhabene so beschreiben: es ist ein Gegenstand
(der Natur), =dessen Vorstellung das Gemüth bestimmt, sich die
Unerreichbarkeit der Natur als Darstellung von Ideen zu denken=.

Buchstäblich genommen und logisch betrachtet, können Ideen
nicht dargestellt werden. Aber wenn wir unser empirisches
Vorstellungsvermögen |268.5| (mathematisch, oder dynamisch) für die
Anschauung der Natur erweitern: so tritt unausbleiblich die Vernunft
hinzu, als Vermögen der Independenz der absoluten Totalität, und bringt
die, obzwar vergebliche, Bestrebung des Gemüths hervor, die Vorstellung
der Sinne dieser angemessen zu machen. Diese Bestrebung und das Gefühl
der Unerreichbarkeit |268.10| der Idee durch die Einbildungskraft ist
selbst eine Darstellung der subjectiven Zweckmäßigkeit unseres Gemüths
im Gebrauche der Einbildungskraft für dessen übersinnliche Bestimmung
und nöthigt uns, subjectiv die Natur selbst in ihrer Totalität, als
Darstellung von etwas Übersinnlichem, #116# zu =denken=, ohne diese
Darstellung =objectiv= zu Stande bringen zu können. |268.15|

Denn das werden wir bald inne, daß der Natur im Raume und der Zeit
das Unbedingte, mithin auch die absolute Größe ganz abgehe, die doch
von der gemeinsten Vernunft verlangt wird. Eben dadurch werden wir
auch erinnert, daß wir es nur mit einer Natur als Erscheinung zu thun
haben, und diese selbst noch als bloße Darstellung einer Natur an
|268.20| sich (welche die Vernunft in der Idee hat) müsse angesehen
werden. Diese Idee des Übersinnlichen aber, die wir zwar nicht weiter
bestimmen, mithin die Natur als Darstellung derselben nicht =erkennen=,
sondern nur =denken= können, wird in uns durch einen Gegenstand
erweckt, dessen ästhetische Beurtheilung die Einbildungskraft bis zu
ihrer Gränze, es sei der Erweiterung |268.25| (mathematisch), oder
ihrer Macht über das Gemüth (dynamisch), anspannt, indem sie sich auf
dem Gefühle einer Bestimmung desselben gründet, welche das Gebiet der
ersteren gänzlich überschreitet (dem moralischen Gefühl), in Ansehung
dessen die Vorstellung des Gegenstandes als subjectiv-zweckmäßig
beurtheilt wird. |268.30|

In der That läßt sich ein Gefühl für das Erhabene der Natur nicht wohl
denken, ohne eine Stimmung des Gemüths, die der zum moralischen ähnlich
ist, damit zu verbinden; und obgleich die unmittelbare Lust am Schönen
der Natur gleichfalls eine gewisse =Liberalität= der Denkungsart, d.
i. Unabhängigkeit des Wohlgefallens vom bloßen Sinnengenusse, |268.35|
voraussetzt und cultivirt, so wird dadurch noch mehr die Freiheit
im =Spiele=, als unter einem gesetzlichen =Geschäfte= vorgestellt:
welches die ächte Beschaffenheit der Sittlichkeit des Menschen
ist, wo die Vernunft der Sinnlichkeit Gewalt anthun muß, nur daß im
ästhetischen Urtheile über #117# das Erhabene diese Gewalt durch die
Einbildungskraft selbst, als durch ein Werkzeug der Vernunft, ausgeübt
vorgestellt wird.

Das Wohlgefallen am Erhabenen der Natur ist daher auch nur =negativ=
|269.5| (statt dessen das am Schönen =positiv= ist), nämlich ein Gefühl
der Beraubung der Freiheit der Einbildungskraft durch sie selbst,
indem sie nach einem andern Gesetze, als dem des empirischen Gebrauchs
zweckmäßig bestimmt wird. Dadurch bekommt sie eine Erweiterung
und Macht, welche größer ist als die, welche sie aufopfert, deren
Grund aber ihr selbst |269.10| verborgen ist, statt dessen sie die
Aufopferung oder die Beraubung und zugleich die Ursache =fühlt=, der
sie unterworfen wird. Die =Verwunderung=, die an Schreck gränzt, das
Grausen und der heilige Schauer, welcher den Zuschauer bei dem Anblicke
himmelansteigender Gebirgsmassen, tiefer Schlünde und darin tobender
Gewässer, tiefbeschatteter, zum schwermüthigen |269.15| Nachdenken
einladender Einöden u. s. w. ergreift, ist bei der Sicherheit, worin
er sich weiß, nicht wirkliche Furcht, sondern nur ein Versuch, uns mit
der Einbildungskraft darauf einzulassen, um die Macht ebendesselben
Vermögens zu fühlen, die dadurch erregte Bewegung des Gemüths mit
dem Ruhestande desselben zu verbinden und so der Natur |269.20| in
uns selbst, mithin auch der außer uns, sofern sie auf das Gefühl
unseres Wohlbefindens Einfluß haben kann, überlegen zu sein. Denn
die Einbildungskraft nach dem Associationsgesetze macht unseren
Zustand der Zufriedenheit physisch abhängig; aber eben dieselbe nach
Principien des Schematisms der Urtheilskraft (folglich sofern der
Freiheit untergeordnet) |269.25| ist Werkzeug der Vernunft und ihrer
Ideen, als solches aber eine Macht, unsere Unabhängigkeit gegen die
Natureinflüsse zu behaupten, das, was nach der ersteren groß ist, als
klein abzuwürdigen und so das #118# Schlechthin-Große nur in seiner
(des Subjects) eigenen Bestimmung zu setzen. Diese Reflexion der
ästhetischen Urtheilskraft, sich zur Angemessenheit |269.30| mit der
Vernunft (doch ohne einen bestimmten Begriff derselben) zu erheben,
stellt den Gegenstand selbst durch die objective Unangemessenheit der
Einbildungskraft in ihrer größten Erweiterung für die Vernunft (als
Vermögen der Ideen) doch als subjectiv-zweckmäßig vor.

Man muß hier überhaupt darauf Acht haben, was oben schon erinnert
|269.35| worden ist, daß in der transscendentalen Ästhetik der
Urtheilskraft lediglich von reinen ästhetischen Urtheilen die Rede
sein müsse, folglich die Beispiele nicht von solchen schönen oder
erhabenen Gegenständen der Natur hergenommen werden dürfen, die den
Begriff von einem Zwecke voraussetzen; denn alsdann würde es entweder
teleologische, oder sich auf bloßen Empfindungen eines Gegenstandes
(Vergnügen oder Schmerz) |270.5| gründende, mithin im ersteren Falle
nicht ästhetische, im zweiten nicht bloße formale Zweckmäßigkeit sein.
Wenn man also den Anblick des bestirnten Himmels =erhaben= nennt,
so muß man der Beurtheilung desselben nicht Begriffe von Welten,
von vernünftigen Wesen bewohnt, und nun die hellen Punkte, womit
wir den Raum über uns erfüllt sehen, als |270.10| ihre Sonnen in
sehr zweckmäßig für sie gestellten Kreisen bewegt, zum Grunde legen,
sondern bloß, wie man ihn sieht, als ein weites Gewölbe, was alles
befaßt; und bloß unter dieser Vorstellung müssen wir die Erhabenheit
setzen, die ein reines ästhetisches Urtheil diesem Gegenstande
beilegt. Eben so den Anblick des Oceans nicht so, wie wir, mit
allerlei |270.15| Kenntnissen (die aber nicht in der unmittelbaren
Anschauung enthalten sind) bereichert, ihn =denken=; etwa als ein
weites Reich von Wassergeschöpfen, als den großen Wasserschatz für
die Ausdünstungen, welche die #119# Luft mit Wolken zum Behuf der
Länder beschwängern, oder auch als ein Element, das zwar Welttheile
von einander trennt, gleichwohl aber die |270.20| größte Gemeinschaft
unter ihnen möglich macht: denn das giebt lauter teleologische
Urtheile; sondern man muß den Ocean bloß, wie die Dichter es thun,
nach dem, was der Augenschein zeigt, etwa, wenn er in Ruhe betrachtet
wird, als einen klaren Wasserspiegel, der bloß vom Himmel begränzt
ist, aber, ist er unruhig, wie einen alles zu verschlingen drohenden
|270.25| Abgrund, dennoch erhaben finden können. Eben das ist von dem
Erhabenen und Schönen in der Menschengestalt zu sagen, wo wir nicht
auf Begriffe der Zwecke, =wozu= alle seine Gliedmaßen da sind, als
Bestimmungsgründe des Urtheils zurücksehen und die Zusammenstimmung
mit ihnen auf unser (alsdann nicht mehr reines) ästhetisches Urtheil
nicht |270.30| =einfließen= lassen müssen, obgleich, daß sie jenen
nicht widerstreiten, freilich eine nothwendige Bedingung auch des
ästhetischen Wohlgefallens ist. Die ästhetische Zweckmäßigkeit ist die
Gesetzmäßigkeit der Urtheilskraft in ihrer =Freiheit=. Das Wohlgefallen
an dem Gegenstande hängt von der Beziehung ab, in welcher wir die
Einbildungskraft setzen wollen: nur daß |270.35| sie für sich selbst
das Gemüth in freier Beschäftigung unterhalte. Wenn dagegen etwas
anderes, es sei Sinnenempfindung oder Verstandesbegriff, das Urtheil
bestimmt: so ist es zwar gesetzmäßig, aber nicht das Urtheil einer
=freien= Urtheilskraft.

Wenn man also von intellectueller Schönheit oder Erhabenheit
spricht, so sind =erstlich= diese Ausdrücke nicht ganz richtig,
weil es ästhetische Vorstellungsarten sind, die, wenn wir bloße
reine Intelligenzen wären (oder |271.5| uns auch in Gedanken in
diese Qualität versetzen), in uns gar nicht anzutreffen sein würden;
=zweitens=, obgleich beide als Gegenstände eines #120# intellectuellen
(moralischen) Wohlgefallens zwar sofern mit dem ästhetischen vereinbar
sind, als sie auf keinem Interesse =beruhen=: so sind sie doch darin
wiederum mit diesem schwer zu vereinigen, weil sie ein Interesse
|271.10| =bewirken= sollen, welches, wenn die Darstellung zum
Wohlgefallen in der ästhetischen Beurtheilung zusammenstimmen soll,
in dieser niemals anders als durch ein Sinneninteresse, welches man
damit in der Darstellung verbindet, geschehen würde, wodurch aber der
intellectuellen Zweckmäßigkeit Abbruch geschieht, und sie verunreinigt
wird. |271.15|

Der Gegenstand eines reinen und unbedingten intellectuellen
Wohlgefallens ist das moralische Gesetz in seiner Macht, die es in uns
über alle und jede =vor ihm vorhergehende= Triebfedern des Gemüths
ausübt; und da diese Macht sich eigentlich nur durch Aufopferungen
ästhetisch-kenntlich macht (welches eine Beraubung, obgleich zum
Behuf der innern |271.20| Freiheit, ist, dagegen eine unergründliche
Tiefe dieses übersinnlichen Vermögens mit ihren ins Unabsehliche sich
erstreckenden Folgen in uns aufdeckt): so ist das Wohlgefallen von
der ästhetischen Seite (in Beziehung auf Sinnlichkeit) negativ, d.
i. wider dieses Interesse, von der intellectuellen aber betrachtet,
positiv und mit einem Interesse verbunden. Hieraus |271.25| folgt: daß
das intellectuelle, an sich selbst zweckmäßige (das Moralisch-)Gute,
ästhetisch beurtheilt, nicht sowohl schön, als vielmehr erhaben
vorgestellt werden müsse, so daß es mehr das Gefühl der Achtung
(welches den Reiz verschmäht), als der Liebe und vertraulichen
Zuneigung erwecke; weil die menschliche Natur nicht so von selbst,
sondern nur durch Gewalt, |271.30| welche die Vernunft der Sinnlichkeit
anthut, zu jenem Guten zusammenstimmt. Umgekehrt wird auch das, was
wir in der Natur außer uns, oder auch in uns (z. B. gewisse Affecten)
erhaben nennen, nur als eine #121# Macht des Gemüths, sich über
=gewisse= Hindernisse der Sinnlichkeit durch moralische Grundsätze zu
schwingen, vorgestellt und dadurch interessant |271.35| werden.

Ich will bei dem letztern etwas verweilen. Die Idee des Guten mit
Affect heißt der =Enthusiasm=. Dieser Gemüthszustand scheint erhaben
zu sein, dermaßen daß man gemeiniglich vorgiebt: ohne ihn könne
nichts Großes ausgerichtet werden. Nun ist aber jeder Affect[10]
blind, entweder in der Wahl seines Zwecks, oder wenn dieser auch
durch Vernunft gegeben worden, in der Ausführung desselben; denn er
ist diejenige Bewegung des |272.5| Gemüths, welche es unvermögend
macht, freie Überlegung der Grundsätze anzustellen, um sich darnach
zu bestimmen. Also kann er auf keinerlei Weise ein Wohlgefallen der
Vernunft verdienen. Ästhetisch gleichwohl ist der Enthusiasm erhaben,
weil er eine Anspannung der Kräfte durch Ideen ist, welche dem Gemüthe
einen Schwung geben, der weit mächtiger und |272.10| dauerhafter wirkt,
als der Antrieb durch Sinnenvorstellungen. Aber (welches befremdlich
scheint) selbst =Affectlosigkeit= (_Apatheia, Phlegma in significatu
bono_) eines seinen unwandelbaren Grundsätzen nachdrücklich #122#
nachgehenden Gemüths ist und zwar auf weit vorzüglichere Art erhaben,
weil sie zugleich das Wohlgefallen der reinen Vernunft auf ihrer Seite
|272.15| hat. Eine dergleichen Gemüthsart heißt allein edel: welcher
Ausdruck nachher auch auf Sachen, z. B. Gebäude, ein Kleid, Schreibart,
körperlichen Anstand u. d. gl., angewandt wird, wenn diese nicht
sowohl =Verwunderung= (Affect in der Vorstellung der Neuigkeit, welche
die Erwartung übersteigt), als =Bewunderung= (eine Verwunderung, die
beim |272.20| Verlust der Neuigkeit nicht aufhört) erregt, welches
geschieht, wenn Ideen in ihrer Darstellung unabsichtlich und ohne Kunst
zum ästhetischen Wohlgefallen zusammenstimmen.

  [10] =Affecten= sind von =Leidenschaften= specifisch
  unterschieden. Jene beziehen |272.30| sich bloß auf das
  Gefühl; diese gehören dem Begehrungsvermögen an und sind
  Neigungen, welche alle Bestimmbarkeit der Willkür durch
  Grundsätze erschweren oder unmöglich machen. Jene sind
  stürmisch und unvorsätzlich, diese anhaltend und überlegt: so
  ist der Unwille als Zorn ein Affect; aber als Haß (Rachgier)
  eine Leidenschaft. Die letztere kann niemals und in keinem
  Verhältniß erhaben |272.35| genannt werden: weil im Affect die
  Freiheit des Gemüths zwar =gehemmt=, in der Leidenschaft aber
  aufgehoben wird.

Ein jeder Affect von der WACKERN ART (der nämlich das Bewußtsein
unserer Kräfte jeden Widerstand zu überwinden (_animi strenui_) rege
|272.25| macht) ist =ästhetisch erhaben=, z. B. der Zorn, sogar die
Verzweiflung (nämlich die =entrüstete=, nicht aber die =verzagte=).
Der Affect von der SCHMELZENDEN Art aber (welcher die Bestrebung zu
widerstehen selbst zum Gegenstande der Unlust (_animum languidum_)
macht) hat nichts =Edeles= an sich, kann aber zum Schönen der
Sinnesart gezählt werden. Daher sind die =Rührungen=, welche bis zum
Affect stark werden können, auch sehr verschieden. Man hat =muthige=,
man hat =zärtliche= Rührungen. Die letztern, wenn sie bis zum Affect
steigen, taugen gar nichts; der Hang dazu heißt die =Empfindelei=.
Ein theilnehmender Schmerz, der sich nicht |273.5| will trösten
lassen, oder auf den wir uns, wenn er erdichtete Übel betrifft,
bis zur Täuschung durch die Phantasie, als ob es wirkliche wären,
vorsätzlich einlassen, beweiset und macht eine weiche, aber zugleich
schwache Seele, die eine schöne Seite zeigt und zwar phantastisch, aber
nicht einmal enthusiastisch genannt werden kann. Romane, weinerliche
Schauspiele, |273.10| #123# schale Sittenvorschriften, die mit
(obzwar fälschlich) sogenannten edlen Gesinnungen tändeln, in der
That aber das Herz welk und für die strenge Vorschrift der Pflicht
unempfindlich, aller Achtung für die Würde der Menschheit in unserer
Person und das Recht der Menschen (welches ganz etwas anderes als ihre
Glückseligkeit ist) und überhaupt aller festen |273.15| Grundsätze
unfähig machen; selbst ein Religionsvortrag, welcher kriechende,
niedrige Gunstbewerbung und Einschmeichelung empfiehlt, die alles
Vertrauen auf eigenes Vermögen zum Widerstande gegen das Böse in uns
aufgiebt, statt der rüstigen Entschlossenheit, die Kräfte, die uns bei
aller unserer Gebrechlichkeit doch noch übrig bleiben, zu Überwindung
der Neigungen |273.20| zu versuchen; die falsche Demuth, welche in der
Selbstverachtung, in der winselnden erheuchelten Reue und einer bloß
leidenden Gemüthsfassung die Art setzt, wie man allein dem höchsten
Wesen gefällig werden könne: vertragen sich nicht einmal mit dem, was
zur Schönheit, weit weniger aber noch mit dem, was zur Erhabenheit der
Gemüthsart gezählt |273.25| werden könnte.

Aber auch stürmische Gemüthsbewegungen, sie mögen nun unter dem Namen
der Erbauung mit Ideen der Religion, oder als bloß zur Cultur gehörig
mit Ideen, die ein gesellschaftliches Interesse enthalten, verbunden
werden, können, so sehr sie auch die Einbildungskraft spannen,
keinesweges |273.30| auf die Ehre einer =erhabenen= Darstellung
Anspruch machen, wenn sie nicht eine Gemüthsstimmung zurücklassen,
die, wenn gleich nur indirect, auf das Bewußtsein seiner Stärke und
Entschlossenheit zu dem, was reine intellectuelle Zweckmäßigkeit bei
sich führt (dem Übersinnlichen), Einfluß hat. Denn sonst gehören alle
diese Rührungen nur zur =Motion=, welche |273.35| man der Gesundheit
wegen gerne hat. Die angenehme Mattigkeit, welche #124# auf eine
solche Rüttelung durch das Spiel der Affecten folgt, ist ein Genuß
des Wohlbefindens aus dem hergestellten Gleichgewichte der mancherlei
Lebenskräfte in uns: welcher am Ende auf dasselbe hinausläuft, als
derjenige, den die Wollüstlinge des Orients so behaglich finden, wenn
sie ihren Körper gleichsam durchkneten und alle ihre Muskeln und
Gelenke sanft drücken und biegen lassen; nur daß dort das bewegende
Princip größtentheils |274.5| in uns, hier hingegen gänzlich außer
uns ist. Da glaubt sich nun mancher durch eine Predigt erbaut, in
dem doch nichts aufgebauet (kein System guter Maximen) ist; oder
durch ein Trauerspiel gebessert, der bloß über glücklich vertriebne
Langeweile froh ist. Also muß das Erhabene jederzeit Beziehung auf die
=Denkungsart= haben, d. i. auf Maximen, |274.10| dem Intellectuellen
und den Vernunftideen über die Sinnlichkeit Obermacht zu verschaffen.

Man darf nicht besorgen, daß das Gefühl des Erhabenen durch eine
dergleichen abgezogene Darstellungsart, die in Ansehung des Sinnlichen
gänzlich negativ wird, verlieren werde; denn die Einbildungskraft, ob
sie |274.15| zwar über das Sinnliche hinaus nichts findet, woran sie
sich halten kann, fühlt sich doch auch eben durch diese Wegschaffung
der Schranken derselben unbegränzt: und jene Absonderung ist also eine
Darstellung des Unendlichen, welche zwar eben darum niemals anders als
bloß negative Darstellung sein kann, die aber doch die Seele erweitert.
Vielleicht giebt es |274.20| keine erhabenere Stelle im Gesetzbuche der
Juden, als das Gebot: Du sollst dir kein Bildniß machen, noch irgend
ein Gleichniß, weder dessen, was im Himmel, noch auf der Erden, noch
unter der Erden ist u. s. w. Dieses Gebot allein kann den Enthusiasm
erklären, den das jüdische Volk in seiner gesitteten Epoche für seine
Religion fühlte, wenn es sich mit andern |274.25| Völkern verglich,
oder denjenigen Stolz, den der Mohammedanism #125# einflößt. Eben
dasselbe gilt auch von der Vorstellung des moralischen Gesetzes und der
Anlage zur Moralität in uns. Es ist eine ganz irrige Besorgniß, daß,
wenn man sie alles dessen beraubt, was sie den Sinnen empfehlen kann,
sie alsdann keine andere als kalte, leblose Billigung und |274.30|
keine bewegende Kraft oder Rührung bei sich führen würde. Es ist gerade
umgekehrt; denn da, wo nun die Sinne nichts mehr vor sich sehen, und
die unverkennliche und unauslöschliche Idee der Sittlichkeit dennoch
übrig bleibt, würde es eher nöthig sein, den Schwung einer unbegränzten
Einbildungskraft zu mäßigen, um ihn nicht bis zum Enthusiasm steigen
|274.35| zu lassen, als aus Furcht vor Kraftlosigkeit dieser Ideen für
sie in Bildern und kindischem Apparat Hülfe zu suchen. Daher haben auch
die Regierungen gerne erlaubt, die Religion mit dem letztern Zubehör
reichlich versorgen zu lassen, und so dem Unterthan die Mühe, zugleich
aber auch das Vermögen zu benehmen gesucht, seine Seelenkräfte über die
Schranken auszudehnen, die man ihm willkürlich setzen und wodurch man
ihn, als bloß passiv, leichter behandeln kann. |275.5|

Diese reine, seelenerhebende, bloß negative Darstellung der
Sittlichkeit bringt dagegen keine Gefahr der =Schwärmerei=, welche
=ein Wahn ist, über alle Gränze der Sinnlichkeit hinaus etwas= SEHEN,
d. i. nach Grundsätzen träumen (mit Vernunft rasen), zu =wollen=;
eben darum weil die Darstellung bei jener bloß negativ ist. Denn =die
Unerforschlichkeit |275.10| der Idee der Freiheit= schneidet aller
positiven Darstellung gänzlich den Weg ab: das moralische Gesetz aber
ist an sich selbst in uns hinreichend und ursprünglich bestimmend, so
daß es nicht einmal erlaubt, uns nach einem Bestimmungsgrunde außer
demselben umzusehen. Wenn #126# der Enthusiasm mit dem =Wahnsinn=, so
ist die Schwärmerei mit dem |275.15| =Wahnwitz= zu vergleichen, wovon
der letztere sich unter allen am wenigsten mit dem Erhabenen verträgt,
weil er grüblerisch lächerlich ist. Im Enthusiasm als Affect ist die
Einbildungskraft zügellos; in der Schwärmerei als eingewurzelter
brütender Leidenschaft regellos. Der erstere ist vorübergehender
Zufall, der den gesundesten Verstand bisweilen wohl betrifft; |275.20|
der zweite eine Krankheit, die ihn zerrüttet.

=Einfalt= (kunstlose Zweckmäßigkeit) ist gleichsam der Stil der
Natur im Erhabenen und so auch der Sittlichkeit, welche eine zweite
(übersinnliche) Natur ist, wovon wir nur die Gesetze kennen, ohne das
übersinnliche Vermögen in uns selbst, was den Grund dieser Gesetzgebung
enthält, |275.25| durch Anschauen erreichen zu können.

Noch ist anzumerken, daß, obgleich das Wohlgefallen am Schönen
eben sowohl, als das am Erhabenen nicht allein durch allgemeine
=Mittheilbarkeit= unter den andern ästhetischen Beurtheilungen
kenntlich unterschieden ist, sondern auch durch diese Eigenschaft
in Beziehung auf Gesellschaft |275.30| (in der es sich mittheilen
läßt) ein Interesse bekommt, gleichwohl doch auch die =Absonderung
von aller Gesellschaft= als etwas Erhabenes angesehen werde, wenn sie
auf Ideen beruht, welche über alles sinnliche Interesse hinweg sehen.
Sich selbst genug sein, mithin Gesellschaft nicht bedürfen, ohne doch
ungesellig zu sein, d. i. sie zu fliehen, ist etwas |275.35| dem
Erhabenen sich Näherndes, so wie jede Überhebung von Bedürfnissen.
Dagegen ist Menschen zu fliehen, aus =Misanthropie=, weil man sie
anfeindet, oder aus =Anthropophobie= (Menschenscheu), weil man
sie als seine Feinde fürchtet, theils häßlich, theils verächtlich.
Gleichwohl giebt es eine (sehr uneigentlich sogenannte) Misanthrophie,
wozu die Anlage sich #127# mit dem Alter in vieler wohldenkenden
Menschen Gemüth einzufinden pflegt, welche zwar, was das =Wohlwollen=
betrifft, philanthropisch genug |276.5| ist, aber vom =Wohlgefallen=
an Menschen durch eine lange traurige Erfahrung weit abgebracht ist:
wovon der Hang zur Eingezogenheit, der phantastische Wunsch auf einem
entlegenen Landsitze, oder auch (bei jungen Personen) die erträumte
Glückseligkeit auf einem der übrigen Welt unbekannten Eilande mit einer
kleinen Familie seine Lebenszeit zubringen |276.10| zu können, welche
die Romanschreiber oder Dichter der Robinsonaden so gut zu nutzen
wissen, Zeugniß giebt. Falschheit, Undankbarkeit, Ungerechtigkeit,
das Kindische in den von uns selbst für wichtig und groß gehaltenen
Zwecken, in deren Verfolgung sich Menschen selbst unter einander alle
erdenkliche Übel anthun, stehen mit der Idee dessen, was sie sein
könnten, |276.15| wenn sie wollten, so im Widerspruch und sind dem
lebhaften Wunsche, sie besser zu sehen, so sehr entgegen: daß, um sie
nicht zu hassen, da man sie nicht lieben kann, die Verzichtthuung auf
alle gesellschaftliche Freuden nur ein kleines Opfer zu sein scheint.
Diese Traurigkeit, nicht über die Übel, welche das Schicksal über
andere Menschen verhängt (wovon die |276.20| Sympathie Ursache ist),
sondern die sie sich selbst anthun (welche auf der Antipathie in
Grundsätzen beruht), ist, weil sie auf Ideen beruht, erhaben, indessen
daß die erstere ebenfalls nur für schön gelten kann. — Der eben so
geistreiche als gründliche =Saussure= sagt in der Beschreibung seiner
Alpenreisen von =Bonhomme=, einem der savoyischen Gebirge: »Es herrscht
|276.25| daselbst eine gewisse =abgeschmackte Traurigkeit=.« Er kannte
daher doch auch eine =interessante= Traurigkeit, welche der Anblick
einer Einöde einflößt, in die sich Menschen wohl versetzen möchten,
um von der Welt nichts #128# weiter zu hören, noch zu erfahren, die
denn doch nicht so ganz unwirthbar sein muß, daß sie nur einen höchst
mühseligen Aufenthalt für Menschen |276.30| darböte. — Ich mache diese
Anmerkung nur in der Absicht, um zu erinnern, daß auch Betrübniß (nicht
niedergeschlagene Traurigkeit) zu den =rüstigen= Affecten gezählt
werden könne, wenn sie in moralischen Ideen ihren Grund hat; wenn sie
aber auf Sympathie gegründet und als solche auch liebenswürdig ist, sie
bloß zu den =schmelzenden= Affecten gehöre: |276.35| um dadurch auf die
Gemüthsstimmung, die nur im ersteren Falle =erhaben= ist, aufmerksam zu
machen.

       *       *       *       *       *

Man kann mit der jetzt durchgeführten transscendentalen Exposition
der ästhetischen Urtheile nun auch die physiologische, wie sie ein
=Burke= und viele scharfsinnige Männer unter uns bearbeitet haben,
vergleichen, um zu sehen, wohin eine bloß empirische Exposition des
Erhabenen und Schönen führe. =Burke=[11], der in dieser Art der
Behandlung als der vornehmste |277.5| Verfasser genannt zu werden
verdient, bringt auf diesem Wege (S. 223 seines Werks) heraus: »daß
das Gefühl des Erhabenen sich auf dem Triebe zur Selbsterhaltung und
auf =Furcht=, d. i. einem Schmerze, gründe, der, weil er nicht bis
zur wirklichen Zerrüttung der körperlichen Theile geht, Bewegungen
hervorbringt, die, da sie die feineren oder gröberen |277.10| Gefäße
von gefährlichen und beschwerlichen Verstopfungen reinigen, im Stande
sind, angenehme Empfindungen zu erregen, zwar nicht Lust, sondern
eine Art von wohlgefälligem Schauer, eine gewisse Ruhe, die mit #129#
Schrecken vermischt ist.« Das Schöne, welches er auf Liebe gründet
(wovon er doch die Begierde abgesondert wissen will), führt er (S.
251–52) |277.15| »auf die Nachlassung, Losspannung und Erschlaffung
der Fibern des Körpers, mithin eine Erweichung, Auflösung, Ermattung,
ein Hinsinken, Hinsterben, Wegschmelzen vor Vergnügen hinaus«. Und nun
bestätigt er diese Erklärungsart nicht allein durch Fälle, in denen
die Einbildungskraft in Verbindung mit dem Verstande, sondern sogar
mit Sinnesempfindung |277.20| in uns das Gefühl des Schönen sowohl
als des Erhabenen erregen könne. — Als psychologische Bemerkungen
sind diese Zergliederungen der Phänomene unseres Gemüths überaus
schön und geben reichen Stoff zu den beliebtesten Nachforschungen der
empirischen Anthropologie. Es ist auch nicht zu läugnen, daß alle
Vorstellungen in uns, sie mögen objectiv |277.25| bloß sinnlich, oder
ganz intellectuell sein, doch subjectiv mit Vergnügen oder Schmerz,
so unmerklich beides auch sein mag, verbunden werden können (weil sie
insgesammt das Gefühl des Lebens afficiren, und keine derselben, sofern
als sie Modification des Subjects ist, indifferent sein kann); sogar
daß, wie Epikur behauptete, immer =Vergnügen= und |277.30| =Schmerz=
zuletzt doch körperlich sei, es mag nun von der Einbildung, oder gar
von Verstandesvorstellungen anfangen: weil das Leben ohne das Gefühl
des körperlichen Organs bloß Bewußtsein seiner Existenz, aber kein
Gefühl des Wohl- oder Übelbefindens, d. i. der Beförderung oder Hemmung
der Lebenskräfte, sei; weil das Gemüth für sich allein ganz Leben (das
Lebensprincip selbst) ist, und Hindernisse oder Beförderungen außer
demselben und doch im Menschen selbst, mithin in der Verbindung |278.5|
mit seinem Körper gesucht werden müssen.

  [11] Nach der deutschen Übersetzung seiner Schrift:
  Philosophische Untersuchungen über den Ursprung unserer
  Begriffe vom Schönen und Erhabenen. Riga, bei Hartknoch 1773.
  |277.35|

Setzt man aber das Wohlgefallen am Gegenstande ganz und gar #130#
darin, daß dieser durch Reiz oder durch Rührung vergnügt: so muß man
auch keinem =andern= zumuthen, zu dem ästhetischen Urtheile, was =wir=
fällen, beizustimmen; denn darüber befragt ein jeder mit Recht nur
seinen |278.10| Privatsinn. Alsdann aber hört auch alle Censur des
Geschmacks gänzlich auf; man müßte denn das Beispiel, welches andere
durch die zufällige Übereinstimmung ihrer Urtheile geben, zum =Gebot=
des Beifalls für uns machen, wider welches Princip wir uns doch
vermuthlich sträuben und auf das natürliche Recht berufen würden, das
Urtheil, welches auf dem unmittelbaren |278.15| Gefühle des eigenen
Wohlbefindens beruht, seinem eigenen Sinne und nicht anderer ihrem zu
unterwerfen.

Wenn also das Geschmacksurtheil nicht für =egoistisch=, sondern seiner
innern Natur nach, d. i. um sein selbst, nicht um der Beispiele willen,
die andere von ihrem Geschmack geben, nothwendig als =pluralistisch=
gelten |278.20| muß, wenn man es als ein solches würdigt, welches
zugleich verlangen darf, daß jedermann ihm beipflichten soll: so muß
ihm irgend ein (es sei objectives oder subjectives) Princip _a priori_
zum Grunde liegen, zu welchem man durch Aufspähung empirischer Gesetze
der Gemüthsveränderungen niemals gelangen kann: weil diese nur zu
erkennen geben, wie geurtheilt |278.25| wird, nicht aber gebieten, wie
geurtheilt werden soll, und zwar gar so, daß das Gebot =unbedingt=
ist; dergleichen die Geschmacksurtheile voraussetzen, indem sie das
Wohlgefallen mit einer Vorstellung =unmittelbar= verknüpft wissen
wollen. Also mag die empirische Exposition der ästhetischen Urtheile
immer den Anfang machen, um den Stoff zu einer höhern |278.30|
Untersuchung herbeizuschaffen; eine transscendentale Erörterung dieses
Vermögens ist doch möglich und zur Kritik des Geschmacks wesentlich
gehörig. #131# Denn ohne daß derselbe Principien _a priori_ habe,
könnte er unmöglich die Urtheile anderer richten und über sie auch nur
mit einigem Scheine des Rechts Billigungs- oder Verwerfungsaussprüche
fällen. |278.35|

Das übrige zur Analytik der ästhetischen Urtheilskraft Gehörige enthält
zuvörderst die


Deduction der reinen ästhetischen Urtheile.


§ 30.

Die Deduction der ästhetischen Urtheile über die Gegenstände der Natur
darf nicht auf das, was wir in dieser erhaben nennen, sondern nur auf
das Schöne gerichtet |279.5| werden.

Der Anspruch eines ästhetischen Urtheils auf allgemeine Gültigkeit
für jedes Subject bedarf als ein Urtheil, welches sich auf irgend ein
Princip _a priori_ fußen muß, einer Deduction (d. i. Legitimation
seiner Anmaßung), welche über die Exposition desselben noch hinzukommen
muß, wenn es |279.10| nämlich ein Wohlgefallen oder Mißfallen an der
=Form des Objects= betrifft. Dergleichen sind die Geschmacksurtheile
über das Schöne der Natur. Denn die Zweckmäßigkeit hat alsdann doch
im Objecte und seiner Gestalt ihren Grund, wenn sie gleich nicht
die Beziehung desselben auf andere Gegenstände nach Begriffen (zum
Erkenntnißurtheile) anzeigt; |279.15| sondern bloß die Auffassung
dieser Form, sofern sie dem =Vermögen= sowohl #132# der Begriffe, als
dem der Darstellung derselben (welches mit dem der Auffassung eines
und dasselbe ist) im Gemüth sich gemäß zeigt, überhaupt betrifft. Man
kann daher auch in Ansehung des Schönen der Natur mancherlei Fragen
aufwerfen, welche die Ursache dieser Zweckmäßigkeit |279.20| ihrer
Formen betreffen: z. B. wie man erklären wolle, warum die Natur so
verschwenderisch allerwärts Schönheit verbreitet habe, selbst im Grunde
des Oceans, wo nur selten das menschliche Auge (für welches jene doch
allein zweckmäßig ist) hingelangt, u. d. gl. m.

Allein das Erhabene der Natur — wenn wir darüber ein reines |279.25|
ästhetisches Urtheil fällen, welches nicht mit Begriffen von
Vollkommenheit als objectiver Zweckmäßigkeit vermengt ist; in welchem
Falle es ein teleologisches Urtheil sein würde — kann ganz als formlos
oder ungestalt, dennoch aber als Gegenstand eines reinen Wohlgefallens
betrachtet werden und subjective Zweckmäßigkeit der gegebenen
Vorstellung zeigen; und da |279.30| fragt es sich nun: ob zu dem
ästhetischen Urtheile dieser Art auch außer der Exposition dessen, was
in ihm gedacht wird, noch eine Deduction seines Anspruchs auf irgend
ein (subjectives) Princip _a priori_ verlangt werden könne.

Hierauf dient zur Antwort: daß das Erhabene der Natur nur uneigentlich
so genannt werde und eigentlich bloß der Denkungsart, oder vielmehr
der Grundlage zu derselben in der menschlichen Natur beigelegt werden
müsse. Dieser sich bewußt zu werden, giebt die Auffassung eines #133#
sonst formlosen und unzweckmäßigen Gegenstandes bloß die Veranlassung,
|280.5| welcher auf solche Weise subjectiv-zweckmäßig =gebraucht=,
aber nicht als ein solcher =für sich= und seiner Form wegen beurtheilt
wird (gleichsam _species finalis accepta, non data_). Daher war
unsere Exposition der Urtheile über das Erhabene der Natur zugleich
ihre Deduction. Denn wenn wir die Reflexion der Urtheilskraft in
denselben zerlegten, so fanden |280.10| wir in ihnen ein zweckmäßiges
Verhältniß der Erkenntnißvermögen, welches dem Vermögen der Zwecke
(dem Willen) _a priori_ zum Grunde gelegt werden muß und daher selbst
_a priori_ zweckmäßig ist: welches denn sofort die Deduction, d.
i. die Rechtfertigung des Anspruchs eines dergleichen Urtheils auf
allgemein-nothwendige Gültigkeit, enthält. |280.15|

Wir werden also nur die Deduction der Geschmacksurtheile, d. i. der
Urtheile über die Schönheit der Naturdinge, zu suchen haben und so der
Aufgabe für die gesammte ästhetische Urtheilskraft im Ganzen ein Genüge
thun.


§ 31. |280.20|

Von der Methode der Deduction der Geschmacksurtheile.

Die Obliegenheit einer Deduction, d. i. der Gewährleistung der
Rechtmäßigkeit, einer Art Urtheile tritt nur ein, wenn das Urtheil
Anspruch auf #134# Nothwendigkeit macht; welches der Fall auch alsdann
ist, wenn es subjective Allgemeinheit, d. i. jedermanns Beistimmung,
fordert: indeß es |280.25| doch kein Erkenntnißurtheil, sondern nur
der Lust oder Unlust an einem gegebenen Gegenstande, d. i. Anmaßung
einer durchgängig für jedermann geltenden subjectiven Zweckmäßigkeit,
ist, die sich auf keine Begriffe von der Sache gründen soll, weil es
Geschmacksurtheil ist.

Da wir im letztern Falle kein Erkenntnißurtheil, weder ein
theoretisches, |280.30| welches den Begriff einer =Natur= überhaupt
durch den Verstand, noch ein (reines) praktisches, welches die Idee
der =Freiheit= als _a priori_ durch die Vernunft gegeben zum Grunde
legt, vor uns haben; und also weder ein Urtheil, welches vorstellt, was
eine Sache ist, noch daß ich, um sie hervorzubringen, etwas verrichten
soll, nach seiner Gültigkeit _a priori_ |280.35| zu rechtfertigen haben:
so wird bloß die =allgemeine Gültigkeit= eines =einzelnen= Urtheils,
welches die subjective Zweckmäßigkeit einer empirischen Vorstellung
der Form eines Gegenstandes ausdrückt, für die Urtheilskraft überhaupt
darzuthun sein, um zu erklären, wie es möglich sei, daß etwas bloß in
der Beurtheilung (ohne Sinnenempfindung oder Begriff) gefallen könne,
und, so wie die Beurtheilung eines Gegenstandes zum |281.5| Behuf
einer =Erkenntniß= überhaupt allgemeine Regeln hat, auch das #135#
Wohlgefallen eines Jeden für jeden andern als Regel dürfe angekündigt
werden.

Wenn nun diese Allgemeingültigkeit sich nicht auf Stimmensammlung und
Herumfragen bei andern wegen ihrer Art zu empfinden gründen, |281.10|
sondern gleichsam auf einer Autonomie des über das Gefühl der Lust (an
der gegebenen Vorstellung) urtheilenden Subjects, d. i. auf seinem
eigenen Geschmacke, beruhen, gleichwohl aber doch auch nicht von
Begriffen abgeleitet werden soll: so hat ein solches Urtheil — wie das
Geschmacksurtheil in der That ist — eine zwiefache und zwar logische
|281.15| Eigenthümlichkeit: nämlich =erstlich= die Allgemeingültigkeit
a priori und doch nicht eine logische Allgemeinheit nach Begriffen,
sondern die Allgemeinheit eines einzelnen Urtheils; =zweitens= eine
Nothwendigkeit (die jederzeit auf Gründen _a priori_ beruhen muß), die
aber doch von keinen Beweisgründen _a priori_ abhängt, durch deren
Vorstellung der Beifall, |281.20| den das Geschmacksurtheil jedermann
ansinnt, erzwungen werden könnte.

Die Auflösung dieser logischen Eigenthümlichkeiten, worin sich ein
Geschmacksurtheil von allen Erkenntnißurtheilen unterscheidet,
wenn wir hier anfänglich von allem Inhalte desselben, nämlich
dem Gefühle der Lust, abstrahiren und bloß die ästhetische Form
mit der Form der objectiven |281.25| Urtheile, wie sie die Logik
vorschreibt, vergleichen, wird allein zur Deduction dieses sonderbaren
Vermögens hinreichend sein. Wir wollen also diese charakteristischen
Eigenschaften des Geschmacks zuvor, durch Beispiele #136# erläutert,
vorstellig machen.


§ 32. |281.30|

Erste Eigenthümlichkeit des Geschmacksurtheils.

Das Geschmacksurtheil bestimmt seinen Gegenstand in Ansehung des
Wohlgefallens (als Schönheit) mit einem Anspruche auf =jedermanns=
Beistimmung, als ob es objectiv wäre.

Sagen: diese Blume ist schön, heißt eben so viel, als ihren eigenen
|281.35| Anspruch auf jedermanns Wohlgefallen ihr nur nachsagen.
Durch die Annehmlichkeit ihres Geruchs hat sie gar keine Ansprüche.
Den einen ergötzt dieser Geruch, dem andern benimmt er den Kopf. Was
sollte man nun anders daraus vermuthen, als daß die Schönheit für eine
Eigenschaft der Blume selbst gehalten werden müsse, die sich nicht nach
der Verschiedenheit |282.5| der Köpfe und so vieler Sinne richtet,
sondern wornach sich diese richten müssen, wenn sie darüber urtheilen
wollen? Und doch verhält es sich nicht so. Denn darin besteht eben das
Geschmacksurtheil, daß es eine Sache nur nach derjenigen Beschaffenheit
schön nennt, in welcher sie sich nach unserer Art sie aufzunehmen
richtet. |282.10|

Überdies wird von jedem Urtheil, welches den Geschmack des Subjects
beweisen soll, verlangt: daß das Subject für sich, ohne nöthig zu #137#
haben, durch Erfahrung unter den Urtheilen anderer herumzutappen und
sich von ihrem Wohlgefallen oder Mißfallen an demselben Gegenstande
vorher zu belehren, urtheilen, mithin sein Urtheil nicht als
Nachahmung, |282.15| weil ein Ding etwa wirklich allgemein gefällt,
sondern _a priori_ aussprechen solle. Man sollte aber denken, daß ein
Urtheil _a priori_ einen Begriff vom Object enthalten müsse, zu dessen
Erkenntniß es das Princip enthält; das Geschmacksurtheil aber gründet
sich gar nicht auf Begriffe und ist überall nicht Erkenntniß, sondern
nur ein ästhetisches Urtheil. |282.20|

Daher läßt sich ein junger Dichter von der Überredung, daß sein
Gedicht schön sei, nicht durch das Urtheil des Publicums, noch seiner
Freunde abbringen; und wenn er ihnen Gehör giebt, so geschieht es
nicht darum, weil er es nun anders beurtheilt, sondern weil er, wenn
gleich (wenigstens in Absicht seiner) das ganze Publicum einen falschen
Geschmack |282.25| hätte, sich doch (selbst wider sein Urtheil) dem
gemeinen Wahne zu bequemen, in seiner Begierde nach Beifall Ursache
findet. Nur späterhin, wenn seine Urtheilskraft durch Ausübung mehr
geschärft worden, geht er freiwillig von seinem vorigen Urtheile ab;
so wie er es auch mit seinen Urtheilen hält, die ganz auf der Vernunft
beruhen. Der Geschmack macht |282.30| bloß auf Autonomie Anspruch.
Fremde Urtheile sich zum Bestimmungsgrunde des seinigen zu machen, wäre
Heteronomie.

Daß man die Werke der Alten mit Recht zu Mustern anpreiset und
#138# die Verfasser derselben classisch nennt gleich einem gewissen
Adel unter den Schriftstellern, der dem Volke durch seinen Vorgang
Gesetze giebt: scheint |282.35| Quellen des Geschmacks _a posteriori_
anzuzeigen und die Autonomie desselben in jedem Subjecte zu widerlegen.
Allein man könnte eben so gut sagen, daß die alten Mathematiker,
die bis jetzt für nicht wohl zu entbehrende Muster der höchsten
Gründlichkeit und Eleganz der synthetischen Methode gehalten werden,
auch eine nachahmende Vernunft auf unserer Seite bewiesen und ein
Unvermögen derselben, aus sich selbst strenge Beweise mit der größten
Intuition durch Construction der Begriffe hervorzubringen. |283.5| Es
giebt gar keinen Gebrauch unserer Kräfte, so frei er auch sein mag, und
selbst der Vernunft (die alle ihre Urtheile aus der gemeinschaftlichen
Quelle _a priori_ schöpfen muß), welcher, wenn jedes Subject immer
gänzlich von der rohen Anlage seines Naturells anfangen sollte, nicht
in fehlerhafte Versuche gerathen würde, wenn nicht andere mit den
|283.10| ihrigen ihm vorgegangen wären, nicht um die Nachfolgenden
zu bloßen Nachahmern zu machen, sondern durch ihr Verfahren andere
auf die Spur zu bringen, um die Principien in sich selbst zu suchen
und so ihren eigenen, oft besseren Gang zu nehmen. Selbst in der
Religion, wo gewiß ein jeder die Regel seines Verhaltens aus sich
selbst hernehmen muß, weil er dafür |283.15| auch selbst verantwortlich
bleibt und die Schuld seiner Vergehungen nicht #139# auf andre als
Lehrer oder Vorgänger schieben kann, wird doch nie durch allgemeine
Vorschriften, die man entweder von Priestern oder Philosophen bekommen,
oder auch aus sich selbst genommen haben mag, so viel ausgerichtet
werden, als durch ein Beispiel der Tugend oder Heiligkeit, welches,
|283.20| in der Geschichte aufgestellt, die Autonomie der Tugend aus
der eigenen und ursprünglichen Idee der Sittlichkeit (_a priori_)
nicht entbehrlich macht, oder diese in einen Mechanism der Nachahmung
verwandelt. =Nachfolge=, die sich auf einen Vorgang bezieht, nicht
Nachahmung ist der rechte Ausdruck für allen Einfluß, welchen Producte
eines exemplarischen Urhebers |283.25| auf Andere haben können;
welches nur so viel bedeutet als: aus denselben Quellen schöpfen,
woraus jener selbst schöpfte, und seinem Vorgänger nur die Art, sich
dabei zu benehmen, ablernen. Aber unter allen Vermögen und Talenten
ist der Geschmack gerade dasjenige, welches, weil sein Urtheil nicht
durch Begriffe und Vorschriften bestimmbar ist, am meisten |283.30|
der Beispiele dessen, was sich im Fortgange der Cultur am längsten in
Beifall erhalten hat, bedürftig ist, um nicht bald wieder ungeschlacht
zu werden und in die Rohigkeit der ersten Versuche zurückzufallen.


§ 33. #140#

Zweite Eigenthümlichkeit des Geschmacksurtheils.

Das Geschmacksurtheil ist gar nicht durch Beweisgründe bestimmbar,
gleich als ob es bloß =subjectiv= wäre.

Wenn jemand ein Gebäude, eine Aussicht, ein Gedicht nicht schön |284.5|
findet, so läßt er sich =erstlich= den Beifall nicht durch hundert
Stimmen, die es alle hoch preisen, innerlich aufdringen. Er mag sich
zwar stellen, als ob es ihm auch gefalle, um nicht für geschmacklos
angesehen zu werden; er kann sogar zu zweifeln anfangen, ob er seinen
Geschmack durch Kenntniß einer genugsamen Menge von Gegenständen einer
gewissen Art |284.10| auch genug gebildet habe (wie einer, der in der
Entfernung etwas für einen Wald zu erkennen glaubt, was alle andere für
eine Stadt ansehen, an dem Urtheile seines eigenen Gesichts zweifelt).
Das sieht er aber doch klar ein: daß der Beifall anderer gar keinen
für die Beurtheilung der Schönheit gültigen Beweis abgebe; daß andere
allenfalls für ihn sehen |284.15| und beobachten mögen, und was viele
auf einerlei Art gesehen haben, als ein hinreichender Beweisgrund
für ihn, der es anders gesehen zu haben glaubt, zum theoretischen,
mithin logischen, niemals aber das, was andern gefallen hat, zum
Grunde eines ästhetischen Urtheils dienen könne. Das uns ungünstige
Urtheil anderer kann uns zwar mit Recht in Ansehung |284.20| #141#
des unsrigen bedenklich machen, niemals aber von der Unrichtigkeit
desselben überzeugen. Also giebt es keinen empirischen =Beweisgrund=,
das Geschmacksurtheil jemanden abzunöthigen.

=Zweitens= kann noch weniger ein Beweis _a priori_ nach bestimmten
Regeln das Urtheil über Schönheit bestimmen. Wenn mir jemand sein
|284.25| Gedicht vorliest, oder mich in ein Schauspiel führt, welches
am Ende meinem Geschmacke nicht behagen will, so mag er den =Batteux=
oder =Lessing=, oder noch ältere und berühmtere Kritiker des Geschmacks
und alle von ihnen aufgestellte Regeln zum Beweise anführen, daß sein
Gedicht schön sei; auch mögen gewisse Stellen, die mir eben mißfallen,
mit |284.30| Regeln der Schönheit (so wie sie dort gegeben und
allgemein anerkannt sind) gar wohl zusammenstimmen: ich stopfe mir die
Ohren zu, mag keine Gründe und kein Vernünfteln hören und werde eher
annehmen, daß jene Regeln der Kritiker falsch seien, oder wenigstens
hier nicht der Fall ihrer Anwendung sei, als daß ich mein Urtheil durch
Beweisgründe _a priori_ |284.35| sollte bestimmen lassen, da es ein
Urtheil des Geschmacks und nicht des Verstandes oder der Vernunft sein
soll.

Es scheint, daß dieses eine der Hauptursachen sei, weswegen man dieses
ästhetische Beurtheilungsvermögen gerade mit dem Namen des Geschmacks
belegt hat. Denn es mag mir jemand alle Ingredienzien |285.5| #142#
eines Gerichts herzählen und von jedem bemerken, daß jedes derselben
mir sonst angenehm sei, auch obenein die Gesundheit dieses Essens mit
Recht rühmen; so bin ich gegen alle diese Gründe taub, versuche das
Gericht an =meiner= Zunge und meinem Gaumen: und darnach (nicht nach
allgemeinen Principien) fälle ich mein Urtheil. |285.10|

In der That wird das Geschmacksurtheil durchaus immer als ein einzelnes
Urtheil vom Object gefällt. Der Verstand kann durch die Vergleichung
des Objects im Punkte des Wohlgefälligen mit dem Urtheile anderer ein
allgemeines Urtheil machen: z. B. alle Tulpen sind schön; aber das
ist alsdann kein Geschmacks-, sondern ein logisches Urtheil, welches
|285.15| die Beziehung eines Objects auf den Geschmack zum Prädicate
der Dinge von einer gewissen Art überhaupt macht; dasjenige aber,
wodurch ich eine einzelne gegebene Tulpe schön, d. i. mein Wohlgefallen
an derselben allgemeingültig, finde, ist allein das Geschmacksurtheil.
Dessen Eigenthümlichkeit besteht aber darin: daß, ob es gleich bloß
subjective |285.20| Gültigkeit hat, es dennoch =alle= Subjecte so
in Anspruch nimmt, als es nur immer geschehen könnte, wenn es ein
objectives Urtheil wäre, das auf Erkenntnißgründen beruht und durch
einen Beweis könnte erzwungen werden.


§ 34. |285.25| #143#

Es ist kein objectives Princip des Geschmacks möglich.

Unter einem Princip des Geschmacks würde man einen Grundsatz verstehen,
unter dessen Bedingung man den Begriff eines Gegenstandes subsumiren
und alsdann durch einen Schluß herausbringen könnte, daß er schön
sei. Das ist aber schlechterdings unmöglich. Denn ich muß unmittelbar
|285.30| an der Vorstellung desselben die Lust empfinden, und sie
kann mir durch keine Beweisgründe angeschwatzt werden. Obgleich also
Kritiker, wie =Hume= sagt, scheinbarer vernünfteln können als Köche,
so haben sie doch mit diesen einerlei Schicksal. Den Bestimmungsgrund
ihres Urtheils können sie nicht von der Kraft der Beweisgründe, sondern
nur von der |285.35| Reflexion des Subjects über seinen eigenen
Zustand (der Lust oder Unlust) mit Abweisung aller Vorschriften und
Regeln erwarten.

Worüber aber Kritiker dennoch vernünfteln können und sollen, so daß es
zur Berichtigung und Erweiterung unserer Geschmacksurtheile gereiche:
das ist nicht, den Bestimmungsgrund dieser Art ästhetischer Urtheile
in |286.5| einer allgemeinen brauchbaren Formel darzulegen, welches
unmöglich ist; sondern über die Erkenntnißvermögen und deren Geschäfte
in diesen Urtheilen Nachforschung zu thun und die wechselseitige
subjective Zweckmäßigkeit, #144# von welcher oben gezeigt ist, daß ihre
Form in einer gegebenen Vorstellung die Schönheit des Gegenstandes
derselben sei, in Beispielen aus |286.10| einander zu setzen. Also
ist die Kritik des Geschmacks selbst nur subjectiv in Ansehung der
Vorstellung, wodurch uns ein Object gegeben wird: nämlich sie ist die
Kunst oder Wissenschaft, das wechselseitige Verhältniß des Verstandes
und der Einbildungskraft zu einander in der gegebenen Vorstellung (ohne
Beziehung auf vorhergehende Empfindung oder Begriff), |286.15| mithin
die Einhelligkeit oder Mißhelligkeit derselben unter Regeln zu bringen
und sie in Ansehung ihrer Bedingungen zu bestimmen. Sie ist =Kunst=,
wenn sie dieses nur an Beispielen zeigt; sie ist =Wissenschaft=, wenn
sie die Möglichkeit einer solchen Beurtheilung von der Natur dieser
Vermögen, als Erkenntnißvermögen überhaupt, ableitet. Mit der letzteren
|286.20| als transscendentalen Kritik haben wir es hier überall allein
zu thun. Sie soll das subjective Princip des Geschmacks, als ein
Princip _a priori_ der Urtheilskraft, entwickeln und rechtfertigen. Die
Kritik als Kunst sucht bloß die physiologischen (hier psychologischen),
mithin empirischen Regeln, nach denen der Geschmack wirklich verfährt,
(ohne über ihre Möglichkeit |286.25| nachzudenken) auf die Beurtheilung
seiner Gegenstände anzuwenden und kritisirt die Producte der schönen
Kunst; so wie =jene= das Vermögen selbst, sie zu beurtheilen.


§ 35. #145#

Das Princip des Geschmacks ist das subjective Princip der |286.30|
Urtheilskraft überhaupt.

Das Geschmacksurtheil unterscheidet sich darin von dem logischen:
daß das letztere eine Vorstellung unter Begriffe vom Object, das
erstere aber gar nicht unter einen Begriff subsumirt, weil sonst der
nothwendige allgemeine Beifall durch Beweise würde erzwungen werden
können. Gleichwohl |286.35| aber ist es darin dem letztern ähnlich, daß
es eine Allgemeinheit und Nothwendigkeit, aber nicht nach Begriffen
vom Object, folglich eine bloß subjective vorgiebt. Weil nun die
Begriffe in einem Urtheile den Inhalt desselben (das zum Erkenntniß des
Objects Gehörige) ausmachen, das Geschmacksurtheil aber nicht durch
Begriffe bestimmbar ist, so gründet es sich nur auf der subjectiven
formalen Bedingung eines Urtheils überhaupt. |287.5| Die subjective
Bedingung aller Urtheile ist das Vermögen zu urtheilen selbst, oder
die Urtheilskraft. Diese, in Ansehung einer Vorstellung, wodurch ein
Gegenstand gegeben wird, gebraucht, erfordert zweier Vorstellungskräfte
Zusammenstimmung: nämlich der Einbildungskraft (für die Anschauung
und die Zusammensetzung des Mannigfaltigen derselben) und |287.10|
des Verstandes (für den Begriff der Vorstellung der Einheit dieser
Zusammensetzung). Weil nun dem Urtheile hier kein Begriff vom Objecte
zum Grunde liegt, so kann es nur in der Subsumtion der Einbildungskraft
#146# selbst (bei einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben
wird) unter die Bedingung, daß der Verstand überhaupt von der
Anschauung |287.15| zu Begriffen gelangt, bestehen. D. i. weil eben
darin, daß die Einbildungskraft ohne Begriff schematisirt, die
Freiheit derselben besteht: so muß das Geschmacksurtheil auf einer
bloßen Empfindung der sich wechselseitig belebenden Einbildungskraft
in ihrer =Freiheit= und des Verstandes mit seiner =Gesetzmäßigkeit=,
also auf einem Gefühle beruhen, das den Gegenstand |287.20| nach der
Zweckmäßigkeit der Vorstellung (wodurch ein Gegenstand gegeben wird)
auf die Beförderung der Erkenntnißvermögen in ihrem freien Spiele
beurtheilen läßt; und der Geschmack als subjective Urtheilskraft
enthält ein Princip der Subsumtion, aber nicht der Anschauungen unter
=Begriffe=, sondern des =Vermögens= der Anschauungen oder |287.25|
Darstellungen (d. i. der Einbildungskraft) unter das Vermögen der
Begriffe (d. i. den Verstand), sofern das erstere =in seiner Freiheit=
zum letzteren =in seiner Gesetzmäßigkeit= zusammenstimmt.

Um diesen Rechtsgrund nun durch eine Deduction der Geschmacksurtheile
ausfindig zu machen, können nur die formalen Eigenthümlichkeiten
|287.30| dieser Art Urtheile, mithin sofern an ihnen bloß die logische
Form betrachtet wird, uns zum Leitfaden dienen.


§ 36. #147#

Von der Aufgabe einer Deduction der Geschmacksurtheile.

Mit der Wahrnehmung eines Gegenstandes kann unmittelbar der |287.35|
Begriff von einem Objecte überhaupt, von welchem jene die empirischen
Prädicate enthält, zu einem Erkenntnißurtheile verbunden und dadurch
ein Erfahrungsurtheil erzeugt werden. Diesem liegen nun Begriffe
_a priori_ von der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der
Anschauung, um es als Bestimmung eines Objects zu denken, zum Grunde;
und diese Begriffe (die Kategorieen) erfordern eine Deduction, die auch
in der Kritik |288.5| der r. V. gegeben worden, wodurch denn auch die
Auflösung der Aufgabe zu Stande kommen konnte: Wie sind synthetische
Erkenntnißurtheile _a priori_ möglich? Diese Aufgabe betraf also die
Principien a priori des reinen Verstandes und seiner theoretischen
Urtheile.

Mit einer Wahrnehmung kann aber auch unmittelbar ein Gefühl |288.10|
der Lust (oder Unlust) und ein Wohlgefallen verbunden werden, welches
die Vorstellung des Objects begleitet und derselben statt Prädicats
dient, und so ein ästhetisches Urtheil, welches kein Erkenntnißurtheil
ist, entspringen. Einem solchen, wenn es nicht bloßes Empfindungs-,
sondern ein formales Reflexions-Urtheil ist, welches dieses
Wohlgefallen jedermann |288.15| als nothwendig ansinnt, muß etwas
als Princip _a priori_ zum Grunde #148# liegen, welches allenfalls
ein bloß subjectives sein mag (wenn ein objectives zu solcher Art
Urtheile unmöglich sein sollte), aber auch als ein solches einer
Deduction bedarf, damit begriffen werde, wie ein ästhetisches Urtheil
auf Nothwendigkeit Anspruch machen könne. Hierauf gründet sich nun
die |288.20| Aufgabe, mit der wir uns jetzt beschäftigen: Wie sind
Geschmacksurtheile möglich? Welche Aufgabe also die Principien _a
priori_ der reinen Urtheilskraft in =ästhetischen= Urtheilen betrifft,
d. i. in solchen, wo sie nicht (wie in den theoretischen) unter
objectiven Verstandesbegriffen bloß zu subsumiren hat und unter einem
Gesetze steht, sondern wo sie sich selbst subjectiv |288.25| Gegenstand
sowohl als Gesetz ist.

Diese Aufgabe kann auch so vorgestellt werden: Wie ist ein Urtheil
möglich, das bloß aus dem =eigenen= Gefühl der Lust an einem
Gegenstande unabhängig von dessen Begriffe diese Lust, als der
Vorstellung desselben Objects =in jedem andern Subjecte= anhängig, _a
priori_, d. i. |288.30| ohne fremde Beistimmung abwarten zu dürfen,
beurtheilte?

Daß Geschmacksurtheile synthetische sind, ist leicht einzusehen,
weil sie über den Begriff und selbst die Anschauung des Objects
hinausgehen und etwas, das gar nicht einmal Erkenntniß ist, nämlich
Gefühl der Lust (oder Unlust), zu jener als Prädicat hinzuthun. Daß
sie aber, obgleich |288.35| das Prädicat (der mit der Vorstellung
verbundenen =eigenen= Lust) empirisch #149# ist, gleichwohl, was
die geforderte Beistimmung =von jedermann= betrifft, Urtheile _a
priori_ sind, oder dafür gehalten werden wollen, ist gleichfalls schon
in den Ausdrücken ihres Anspruchs enthalten; und so gehört diese
Aufgabe der Kritik der Urtheilskraft unter das allgemeine Problem der
Transscendentalphilosophie: Wie sind synthetische Urtheile _a priori_
möglich? |289.5|


§ 37.

Was wird eigentlich in einem Geschmacksurtheile von einem Gegenstande
_a priori_ behauptet?

Daß die Vorstellung von einem Gegenstande unmittelbar mit einer Lust
verbunden sei, kann nur innerlich wahrgenommen werden und würde,
|289.10| wenn man nichts weiter als dieses anzeigen wollte, ein
bloß empirisches Urtheil geben. Denn _a priori_ kann ich mit keiner
Vorstellung ein bestimmtes Gefühl (der Lust oder Unlust) verbinden,
außer wo ein den Willen bestimmendes Princip _a priori_ in der Vernunft
zum Grunde liegt; da denn die Lust (im moralischen Gefühl) die Folge
davon ist, eben darum |289.15| aber mit der Lust im Geschmacke gar
nicht verglichen werden kann, weil sie einen bestimmten Begriff von
einem Gesetze erfordert: da hingegen jene unmittelbar mit der bloßen
Beurtheilung vor allem Begriffe verbunden sein soll. Daher sind auch
alle Geschmacksurtheile einzelne Urtheile, #150# weil sie ihr Prädicat
des Wohlgefallens nicht mit einem Begriffe, |289.20| sondern mit einer
gegebenen einzelnen empirischen Vorstellung verbinden.

Also ist es nicht die Lust, sondern die =Allgemeingültigkeit dieser
Lust=, die mit der bloßen Beurtheilung eines Gegenstandes im Gemüthe
als verbunden wahrgenommen wird, welche _a priori_ als allgemeine
Regel für die Urtheilskraft, für jedermann gültig, in einem
Geschmacksurtheile |289.25| vorgestellt wird. Es ist ein empirisches
Urtheil: daß ich einen Gegenstand mit Lust wahrnehme und beurtheile. Es
ist aber ein Urtheil _a priori_: daß ich ihn schön finde, d. i. jenes
Wohlgefallen jedermann als nothwendig ansinnen darf.


§ 38. |289.30|

Deduction der Geschmacksurtheile.

Wenn eingeräumt wird, daß in einem reinen Geschmacksurtheile das
Wohlgefallen an dem Gegenstande mit der bloßen Beurtheilung seiner
Form verbunden sei: so ist es nichts anders, als die subjective
Zweckmäßigkeit derselben für die Urtheilskraft, welche wir mit der
Vorstellung des Gegenstandes im Gemüthe verbunden empfinden. Da nun
die Urtheilskraft in Ansehung der formalen Regeln der Beurtheilung,
ohne alle Materie (weder Sinnenempfindung noch Begriff), nur auf
die subjectiven #151# Bedingungen des Gebrauchs der Urtheilskraft
überhaupt (die weder auf |290.5| die besondere Sinnesart, noch einen
besondern Verstandesbegriff eingeschränkt ist) gerichtet sein kann;
folglich auf dasjenige Subjective, welches man in allen Menschen (als
zum möglichen Erkenntnisse überhaupt erforderlich) voraussetzen kann:
so muß die Übereinstimmung einer Vorstellung mit diesen Bedingungen
der Urtheilskraft als für jedermann |290.10| gültig _a priori_
angenommen werden können. D. i. die Lust oder subjective Zweckmäßigkeit
der Vorstellung für das Verhältniß der Erkenntnißvermögen in der
Beurtheilung eines sinnlichen Gegenstandes überhaupt wird jedermann mit
Recht angesonnen werden können[12].

  [12] Um berechtigt zu sein, auf allgemeine Beistimmung zu
  einem bloß auf subjectiven |290.25| Gründen beruhenden
  Urtheile der ästhetischen Urtheilskraft Anspruch zu machen,
  ist genug, daß man einräume: 1) Bei allen Menschen seien die
  subjectiven Bedingungen dieses Vermögens, was das Verhältniß
  der darin in Thätigkeit gesetzten Erkenntnißkräfte zu einem
  Erkenntniß überhaupt betrifft, einerlei; welches wahr sein
  muß, weil sich sonst Menschen ihre Vorstellungen und selbst
  das Erkenntniß nicht mittheilen |290.30| könnten. 2) Das
  Urtheil habe bloß auf dieses Verhältniß (mithin die =formale
  Bedingung= der Urtheilskraft) Rücksicht genommen und sei
  rein, d. i. weder mit Begriffen vom Object noch Empfindungen
  als Bestimmungsgründen, vermengt. Wenn in Ansehung dieses
  letztern auch gefehlt worden, so betrifft das nur die
  unrichtige Anwendung der Befugniß, die ein Gesetz uns giebt,
  auf einen besondern Fall, wodurch die Befugniß überhaupt nicht
  aufgehoben wird. |290.35|


=Anmerkung.= |290.15| #152#

Diese Deduction ist darum so leicht, weil sie keine objective
Realität eines Begriffs zu rechtfertigen nöthig hat; denn Schönheit
ist kein Begriff vom Object, und das Geschmacksurtheil ist kein
Erkenntnißurtheil. Es behauptet nur: daß wir berechtigt sind,
dieselben subjectiven Bedingungen der Urtheilskraft allgemein bei
jedem Menschen vorauszusetzen, die wir |290.20| in uns antreffen;
und nur noch, daß wir unter diese Bedingungen das gegebene Object
richtig subsumirt haben. Obgleich nun dies letztere unvermeidliche,
der logischen Urtheilskraft nicht anhängende Schwierigkeiten hat
(weil man in dieser unter Begriffe, in der ästhetischen aber unter
ein bloß empfindbares Verhältniß der an der vorgestellten Form des
Objects wechselseitig unter einander stimmenden Einbildungskraft und
des Verstandes subsumirt, wo die Subsumtion leicht trügen kann): so
wird dadurch doch der Rechtmäßigkeit des Anspruchs der Urtheilskraft,
auf allgemeine Beistimmung zu rechnen, nichts benommen, welcher
nur darauf |291.5| hinausläuft, die Richtigkeit des Princips aus
subjectiven Gründen für jedermann gültig zu urtheilen. Denn was die
Schwierigkeit und den Zweifel wegen der Richtigkeit der Subsumtion
unter jenes Princip betrifft, so macht sie die Rechtmäßigkeit des
Anspruchs auf diese Gültigkeit eines ästhetischen Urtheils überhaupt,
mithin das Princip selber so wenig |291.10| zweifelhaft, als die eben
sowohl (obgleich nicht so oft und leicht) fehlerhafte Subsumtion
der logischen Urtheilskraft unter ihr Princip das letztere, welches
objectiv ist, zweifelhaft machen kann. Würde aber die Frage sein: Wie
ist es möglich, die Natur als einen Inbegriff von Gegenständen des
Geschmacks _a priori_ anzunehmen? so hat diese Aufgabe Beziehung auf
die |291.15| Teleologie, weil es als ein Zweck der Natur angesehen
werden müßte, der #153# ihrem Begriffe wesentlich anhinge, für unsere
Urtheilskraft zweckmäßige Formen aufzustellen. Aber die Richtigkeit
dieser Annahme ist noch sehr zu bezweifeln, indeß die Wirklichkeit der
Naturschönheiten der Erfahrung offen liegt. |291.20|


§ 39.

Von der Mittheilbarkeit einer Empfindung.

Wenn Empfindung als das Reale der Wahrnehmung auf Erkenntniß bezogen
wird, so heißt sie Sinnesempfindung; und das Specifische ihrer Qualität
läßt sich nur als durchgängig auf gleiche Art mittheilbar |291.25|
vorstellen, wenn man annimmt, daß jedermann einen gleichen Sinn mit
dem unsrigen habe: dieses läßt sich aber von einer Sinnesempfindung
schlechterdings nicht voraussetzen. So kann dem, welchem der Sinn des
Geruchs fehlt, diese Art der Empfindung nicht mitgetheilt werden; und
selbst wenn er ihm nicht mangelt, kann man doch nicht sicher sein,
ob er |291.30| gerade die nämliche Empfindung von einer Blume habe,
die wir davon haben. Noch mehr unterschieden müssen wir uns aber die
Menschen in Ansehung der =Annehmlichkeit= oder =Unannehmlichkeit= bei
der Empfindung eben desselben Gegenstandes der Sinne vorstellen; und
es ist schlechterdings nicht zu verlangen, daß die Lust an dergleichen
Gegenständen |291.35| von jedermann zugestanden werde. Man kann die
Lust von dieser Art, weil sie durch den Sinn in das Gemüth kommt und
wir dabei also passiv sind, die Lust des =Genusses= nennen.

Das Wohlgefallen an einer Handlung um ihrer moralischen Beschaffenheit
#154# willen ist dagegen keine Lust des Genusses, sondern der
Selbstthätigkeit und deren Gemäßheit mit der Idee seiner Bestimmung.
Dieses |292.5| Gefühl, welches das sittliche heißt, erfordert aber
Begriffe und stellt keine freie, sondern gesetzliche Zweckmäßigkeit
dar, läßt sich also auch nicht anders als vermittelst der Vernunft und,
soll die Lust bei jedermann gleichartig sein, durch sehr bestimmte
praktische Vernunftbegriffe allgemein mittheilen.

Die Lust am Erhabenen der Natur, als Lust der vernünftelnden |292.10|
Contemplation, macht zwar auch auf allgemeine Theilnehmung Anspruch,
setzt aber doch schon ein anderes Gefühl, nämlich das seiner
übersinnlichen Bestimmung, voraus: welches, so dunkel es auch sein
mag, eine moralische Grundlage hat. Daß aber andere Menschen darauf
Rücksicht nehmen und in der Betrachtung der rauhen Größe der Natur ein
Wohlgefallen finden |292.15| werden (welches wahrhaftig dem Anblicke
derselben, der eher abschreckend ist, nicht zugeschrieben werden kann),
bin ich nicht schlechthin vorauszusetzen berechtigt. Dem ungeachtet
kann ich doch in Betracht dessen, daß auf jene moralischen Anlagen bei
jeder schicklichen Veranlassung Rücksicht genommen werden sollte, auch
jenes Wohlgefallen jedermann ansinnen, |292.20| aber nur vermittelst
des moralischen Gesetzes, welches seinerseits wiederum auf Begriffen
der Vernunft gegründet ist.

Dagegen ist die Lust am Schönen weder eine Lust des Genusses, noch
#155# einer gesetzlichen Thätigkeit, auch nicht der vernünftelnden
Contemplation nach Ideen, sondern der bloßen Reflexion. Ohne irgend
einen Zweck oder |292.25| Grundsatz zur Richtschnur zu haben, begleitet
diese Lust die gemeine Auffassung eines Gegenstandes durch die
Einbildungskraft, als Vermögen der Anschauung, in Beziehung auf den
Verstand, als Vermögen der Begriffe, vermittelst eines Verfahrens der
Urtheilskraft, welches sie auch zum Behuf der gemeinsten Erfahrung
ausüben muß: nur daß sie es hier, um einen |292.30| empirischen
objectiven Begriff, dort aber (in der ästhetischen Beurtheilung)
bloß, um die Angemessenheit der Vorstellung zur harmonischen
(subjectiv-zweckmäßigen) Beschäftigung beider Erkenntnißvermögen in
ihrer Freiheit wahrzunehmen, d. i. den Vorstellungszustand mit Lust
zu empfinden, zu thun genöthigt ist. Diese Lust muß nothwendig bei
jedermann auf den |292.35| nämlichen Bedingungen beruhen, weil sie
subjective Bedingungen der Möglichkeit einer Erkenntniß überhaupt sind,
und die Proportion dieser Erkenntnißvermögen, welche zum Geschmack
erfordert wird, auch zum gemeinen und gesunden Verstande erforderlich
ist, den man bei jedermann voraussetzen darf. Eben darum darf auch
der mit Geschmack Urtheilende (wenn er nur in diesem Bewußtsein nicht
irrt und nicht die Materie für die Form, Reiz für Schönheit nimmt)
die subjective Zweckmäßigkeit, d. i. |293.5| #156# sein Wohlgefallen
am Objecte, jedem andern ansinnen und sein Gefühl als allgemein
mittheilbar und zwar ohne Vermittlung der Begriffe annehmen.


§ 40.

Vom Geschmacke als einer Art von _sensus communis_. |293.10|

Man giebt oft der Urtheilskraft, wenn nicht sowohl ihre Reflexion
als vielmehr bloß das Resultat derselben bemerklich ist, den Namen
eines Sinnes und redet von einem Wahrheitssinne, von einem Sinne für
Anständigkeit, Gerechtigkeit u. s. w.; ob man zwar weiß, wenigstens
billig wissen sollte, daß es nicht ein Sinn ist, in welchem diese
Begriffe ihren |293.15| Sitz haben können, noch weniger, daß dieser
zu einem Ausspruche allgemeiner Regeln die mindeste Fähigkeit
habe: sondern daß uns von Wahrheit, Schicklichkeit, Schönheit oder
Gerechtigkeit nie eine Vorstellung dieser Art in Gedanken kommen
könnte, wenn wir uns nicht über die Sinne zu höhern Erkenntnißvermögen
erheben könnten. =Der gemeine Menschenverstand=, |293.20| den man als
bloß gesunden (noch nicht cultivirten) Verstand für das Geringste
ansieht, dessen man nur immer sich von dem, welcher auf den Namen eines
Menschen Anspruch macht, gewärtigen kann, hat daher auch die kränkende
Ehre, mit dem Namen des Gemeinsinnes (_sensus communis_) belegt zu
werden; und zwar so, daß man unter dem Worte |293.25| =gemein= (nicht
bloß in unserer Sprache, die hierin wirklich eine Zweideutigkeit
#157# enthält, sondern auch in mancher andern) so viel als das
_vulgare_, was man allenthalben antrifft, versteht, welches zu besitzen
schlechterdings kein Verdienst oder Vorzug ist.

Unter dem _sensus +communis+_ aber muß man die Idee
eines =gemeinschaftlichen= |293.30| Sinnes, d. i. eines
Beurtheilungsvermögens verstehen, welches in seiner Reflexion auf
die Vorstellungsart jedes andern in Gedanken (_a priori_) Rücksicht
nimmt, um =gleichsam= an die gesammte Menschenvernunft sein Urtheil
zu halten und dadurch der Illusion zu entgehen, die aus subjectiven
Privatbedingungen, welche leicht für objectiv gehalten |293.35| werden
könnten, auf das Urtheil nachtheiligen Einfluß haben würde. Dieses
geschieht nun dadurch, daß man sein Urtheil an anderer nicht sowohl
wirkliche als vielmehr bloß mögliche Urtheile hält und sich in die
Stelle jedes andern versetzt, indem man bloß von den Beschränkungen,
die unserer eigenen Beurtheilung zufälliger Weise anhängen, abstrahirt:
welches wiederum dadurch bewirkt wird, daß man das, was in dem
Vorstellungszustande |294.5| Materie, d. i. Empfindung ist, so viel
möglich wegläßt und lediglich auf die formalen Eigenthümlichkeiten
seiner Vorstellung oder seines Vorstellungszustandes Acht hat. Nun
scheint diese Operation der Reflexion vielleicht allzu künstlich zu
sein, um sie dem Vermögen, welches wir den =gemeinen= Sinn nennen,
beizulegen; allein sie sieht auch nur so |294.10| #158# aus, wenn man
sie in abstracten Formeln ausdrückt; an sich ist nichts natürlicher,
als von Reiz und Rührung zu abstrahiren, wenn man ein Urtheil sucht,
welches zur allgemeinen Regel dienen soll.

Folgende Maximen des gemeinen Menschenverstandes gehören zwar nicht
hieher, als Theile der Geschmackskritik, können aber doch zur
Erläuterung |294.15| ihrer Grundsätze dienen. Es sind folgende: 1.
Selbstdenken; 2. An der Stelle jedes andern denken; 3. Jederzeit
mit sich selbst einstimmig denken. Die erste ist die Maxime der
=vorurtheilfreien=, die zweite der =erweiterten=, die dritte der
=consequenten= Denkungsart. Die erste ist die Maxime einer niemals
=passiven= Vernunft. Der Hang |294.20| zur letztern, mithin zur
Heteronomie der Vernunft heißt das =Vorurtheil=; und das größte unter
allen ist, sich die Natur Regeln, welche der Verstand ihr durch sein
eigenes wesentliches Gesetz zum Grunde legt, als nicht unterworfen
vorzustellen: d. i. der =Aberglaube=. Befreiung vom Aberglauben heißt
=Aufklärung=[13]: weil, obschon diese Benennung auch der Befreiung
|294.25| von Vorurtheilen überhaupt zukommt, jener doch vorzugsweise
(_in sensu #159# eminenti_) ein Vorurtheil genannt zu werden verdient,
indem die Blindheit, worin der Aberglaube versetzt, ja sie wohl gar als
Obliegenheit fordert, das Bedürfniß von andern geleitet zu werden,
mithin den Zustand einer passiven Vernunft vorzüglich kenntlich macht.
Was die zweite Maxime der Denkungsart betrifft, so sind wir sonst
wohl gewohnt, denjenigen eingeschränkt (=bornirt=, das Gegentheil von
=erweitert=) zu nennen, dessen Talente zu keinem großen Gebrauche
(vornehmlich dem intensiven) zulangen. |295.5| Allein hier ist nicht
die Rede vom Vermögen des Erkenntnisses, sondern von der =Denkungsart=,
einen zweckmäßigen Gebrauch davon zu machen: welche, so klein auch
der Umfang und der Grad sei, wohin die Naturgabe des Menschen reicht,
dennoch einen Mann von =erweiterter Denkungsart= anzeigt, wenn er
sich über die subjectiven Privatbedingungen des Urtheils, |295.10|
wozwischen so viele andere wie eingeklammert sind, wegsetzt und aus
einem =allgemeinen Standpunkte= (den er dadurch nur bestimmen kann, daß
er sich in den Standpunkt anderer versetzt) über sein eigenes Urtheil
reflectirt. Die dritte Maxime, nämlich die der =consequenten= #160#
Denkungsart, ist am schwersten zu erreichen und kann auch nur durch
die |295.15| Verbindung beider ersten und nach einer zur Fertigkeit
gewordenen öfteren Befolgung derselben erreicht werden. Man kann sagen:
die erste dieser Maximen ist die Maxime des Verstandes, die zweite der
Urtheilskraft, die dritte der Vernunft. —

  [13] Man sieht bald, daß Aufklärung zwar in Thesi leicht, in
  Hypothesi aber eine schwere und langsam auszuführende Sache
  sei: weil mit seiner Vernunft nicht |294.30| passiv, sondern
  jederzeit sich selbst gesetzgebend zu sein zwar etwas ganz
  Leichtes für den Menschen ist, der nur seinem wesentlichen
  Zwecke angemessen sein will und das, was über seinen Verstand
  ist, nicht zu wissen verlangt; aber da die Bestrebung zum
  letzteren kaum zu verhüten ist, und es an andern, welche
  diese Wißbegierde befriedigen zu können mit vieler Zuversicht
  versprechen, nie fehlen wird: so muß das bloß Negative
  |294.35| (welches die eigentliche Aufklärung ausmacht) in
  der Denkungsart (zumal der öffentlichen) zu erhalten oder
  herzustellen sehr schwer sein.

Ich nehme den durch diese Episode verlassenen Faden wieder auf
und |295.20| sage: daß der Geschmack mit mehrerem Rechte _sensus
communis_ genannt werden könne, als der gesunde Verstand; und daß die
ästhetische Urtheilskraft eher als die intellectuelle den Namen eines
gemeinschaftlichen Sinnes[14] führen könne, wenn man ja das Wort Sinn
von einer Wirkung der bloßen Reflexion auf das Gemüth brauchen will:
denn da versteht |295.25| man unter Sinn das Gefühl der Lust. Man
könnte sogar den Geschmack durch das Beurtheilungsvermögen desjenigen,
was unser Gefühl an einer gegebenen Vorstellung ohne Vermittelung eines
Begriffs =allgemein mittheilbar= macht, definiren.

  [14] Man könnte den Geschmack durch _sensus communis
  aestheticus_, den gemeinen |295.35| Menschenverstand durch
  _sensus communis logicus_ bezeichnen.

Die Geschicklichkeit der Menschen sich ihre Gedanken mitzutheilen
erfordert |295.30| auch ein Verhältniß der Einbildungskraft und des
Verstandes, um den Begriffen Anschauungen und diesen wiederum Begriffe
zuzugesellen, #161# die in ein Erkenntniß zusammenfließen; aber
alsdann ist die Zusammenstimmung beider Gemüthskräfte =gesetzlich=
unter dem Zwange bestimmter Begriffe. Nur da, wo Einbildungskraft
in ihrer Freiheit den Verstand erweckt, und dieser ohne Begriffe die
Einbildungskraft in ein regelmäßiges Spiel versetzt: da theilt sich
die Vorstellung, nicht als Gedanke, sondern als inneres Gefühl eines
zweckmäßigen Zustandes des Gemüths, mit.

Der Geschmack ist also das Vermögen, die Mittheilbarkeit der Gefühle,
|296.5| welche mit gegebener Vorstellung (ohne Vermittelung eines
Begriffs) verbunden sind, _a priori_ zu beurtheilen.

Wenn man annehmen dürfte, daß die bloße allgemeine Mittheilbarkeit
seines Gefühls an sich schon ein Interesse für uns bei sich
führen müsse (welches man aber aus der Beschaffenheit einer bloß
reflectirenden |296.10| Urtheilskraft zu schließen nicht berechtigt
ist): so würde man sich erklären können, woher das Gefühl im
Geschmacksurtheile gleichsam als Pflicht jedermann zugemuthet werde.


§ 41.

Vom empirischen Interesse am Schönen. |296.15|

Daß das Geschmacksurtheil, wodurch etwas für schön erklärt wird, kein
Interesse =zum Bestimmungsgrunde= haben müsse, ist oben hinreichend
dargethan worden. Aber daraus folgt nicht, daß, nachdem es als #162#
reines ästhetisches Urtheil gegeben worden, kein Interesse damit
verbunden werden könne. Diese Verbindung wird aber immer nur indirect
sein |296.20| können, d. i. der Geschmack muß allererst mit etwas
anderem verbunden vorgestellt werden, um mit dem Wohlgefallen der
bloßen Reflexion über einen Gegenstand noch eine =Lust an der Existenz=
desselben (als worin alles Interesse besteht) verknüpfen zu können.
Denn es gilt hier im ästhetischen Urtheile, was im Erkenntnißurtheile
(von Dingen überhaupt) |296.25| gesagt wird: _a posse ad esse non
valet consequentia_. Dieses Andere kann nun etwas Empirisches sein,
nämlich eine Neigung, die der menschlichen Natur eigen ist; oder etwas
Intellectuelles als Eigenschaft des Willens, _a priori_ durch Vernunft
bestimmt werden zu können: welche beide ein Wohlgefallen am Dasein
eines Objects enthalten und so den |296.30| Grund zu einem Interesse
an demjenigen legen können, was schon für sich und ohne Rücksicht auf
irgend ein Interesse gefallen hat.

Empirisch interessirt das Schöne nur in der =Gesellschaft=; und
wenn man den Trieb zur Gesellschaft als dem Menschen natürlich, die
Tauglichkeit aber und den Hang dazu, d. i. die =Geselligkeit=, zur
Erforderniß |296.35| des Menschen als für die Gesellschaft bestimmten
Geschöpfs, also als zur =Humanität= gehörige Eigenschaft, einräumt:
so kann es nicht fehlen, daß man nicht auch den Geschmack als ein
Beurtheilungsvermögen #163# alles dessen, wodurch man sogar sein
=Gefühl= jedem andern mittheilen kann, mithin als Beförderungsmittel
dessen, was eines jeden natürliche |297.5| Neigung verlangt, ansehen
sollte.

Für sich allein würde ein verlassener Mensch auf einer wüsten Insel
weder seine Hütte, noch sich selbst ausputzen, oder Blumen aufsuchen,
noch weniger sie pflanzen, um sich damit auszuschmücken; sondern nur
in Gesellschaft kommt es ihm ein, nicht bloß Mensch, sondern auch
nach seiner |297.10| Art ein feiner Mensch zu sein (der Anfang der
Civilisirung): denn als einen solchen beurtheilt man denjenigen,
welcher seine Lust andern mitzutheilen geneigt und geschickt ist, und
den ein Object nicht befriedigt, wenn er das Wohlgefallen an demselben
nicht in Gemeinschaft mit andern fühlen kann. Auch erwartet und
fordert ein jeder die Rücksicht auf allgemeine |297.15| Mittheilung
von jedermann, gleichsam als aus einem ursprünglichen Vertrage, der
durch die Menschheit selbst dictirt ist; und so werden freilich
anfangs nur Reize, z. B. Farben, um sich zu bemalen (Rocou bei den
Caraiben und Zinnober bei den Irokesen), oder Blumen, Muschelschalen,
schönfarbige Vogelfedern, mit der Zeit aber auch schöne Formen |297.20|
(als an Canots, Kleidern u. s. w.), die gar kein Vergnügen, d. i.
Wohlgefallen des Genusses, bei sich führen, in der Gesellschaft wichtig
und mit großem Interesse verbunden: bis endlich die auf den höchsten
Punkt gekommene #164# Civilisirung daraus beinahe das Hauptwerk der
verfeinerten Neigung macht, und Empfindungen nur so viel werth gehalten
werden, |297.25| als sie sich allgemein mittheilen lassen; wo denn,
wenn gleich die Lust, die jeder an einem solchen Gegenstande hat,
nur unbeträchtlich und für sich ohne merkliches Interesse ist, doch
die Idee von ihrer allgemeinen Mittheilbarkeit ihren Werth beinahe
unendlich vergrößert.

Dieses indirect dem Schönen durch Neigung zur Gesellschaft angehängte,
|297.30| mithin empirische Interesse ist aber für uns hier von
keiner Wichtigkeit, die wir nur darauf zu sehen haben, was auf das
Geschmacksurtheil _a priori_, wenn gleich nur indirect, Beziehung
haben mag. Denn wenn auch in dieser Form sich ein damit verbundenes
Interesse entdecken sollte, so würde Geschmack einen Übergang unseres
Beurtheilungsvermögens |297.35| von dem Sinnengenuß zum Sittengefühl
entdecken; und nicht allein, daß man dadurch den Geschmack zweckmäßig
zu beschäftigen besser geleitet werden würde, es würde auch ein
Mittelglied der Kette der menschlichen Vermögen _a priori_, von denen
alle Gesetzgebung abhängen muß, als ein solches dargestellt werden.
So viel kann man von dem empirischen Interesse an Gegenständen des
Geschmacks und am Geschmack selbst wohl sagen, daß es, da dieser der
Neigung fröhnt, obgleich sie noch so verfeinert sein |298.5| mag,
sich doch auch mit allen Neigungen und Leidenschaften, die in der
Gesellschaft ihre größte Mannigfaltigkeit und höchste Stufe erreichen,
gern #165# zusammenschmelzen läßt, und das Interesse am Schönen, wenn
es darauf gegründet ist, einen nur sehr zweideutigen Übergang vom
Angenehmen zum Guten abgeben könne. Ob aber dieser nicht etwa doch
durch den Geschmack, |298.10| wenn er in seiner Reinigkeit genommen
wird, befördert werden könne, haben wir zu untersuchen Ursache.


§ 42.

Vom intellectuellen Interesse am Schönen.

Es geschah in gutmüthiger Absicht, daß diejenigen, welche alle
Beschäftigungen |298.15| der Menschen, wozu diese die innere
Naturanlage antreibt, gerne auf den letzten Zweck der Menschheit,
nämlich das Moralisch-Gute, richten wollten, es für ein Zeichen
eines guten moralischen Charakters hielten, am Schönen überhaupt
ein Interesse zu nehmen. Ihnen ist aber nicht ohne Grund von andern
widersprochen worden, die sich auf die Erfahrung |298.20| berufen,
daß Virtuosen des Geschmacks, nicht allein öfter, sondern wohl gar
gewöhnlich eitel, eigensinnig und verderblichen Leidenschaften ergeben,
vielleicht noch weniger wie andere auf den Vorzug der Anhänglichkeit an
sittliche Grundsätze Anspruch machen könnten; und so scheint es, daß
das Gefühl für das Schöne nicht allein (wie es auch wirklich |298.25|
ist) vom moralischen Gefühl specifisch unterschieden, sondern auch das
Interesse, welches man damit verbinden kann, mit dem moralischen #166#
schwer, keinesweges aber durch innere Affinität vereinbar sei.

Ich räume nun zwar gerne ein, daß das Interesse am =Schönen der
Kunst= (wozu ich auch den künstlichen Gebrauch der Naturschönheiten
zum |298.30| Putze, mithin zur Eitelkeit rechne) gar keinen Beweis
einer dem Moralisch-Guten anhänglichen, oder auch nur dazu geneigten
Denkungsart abgebe. Dagegen aber behaupte ich, daß ein =unmittelbares
Interesse= an der Schönheit der =Natur= zu nehmen (nicht bloß Geschmack
haben, um sie zu beurtheilen) jederzeit ein Kennzeichen einer guten
Seele sei; und daß, |298.35| wenn dieses Interesse habituell ist,
es wenigstens eine dem moralischen Gefühl günstige Gemüthsstimmung
anzeige, wenn es sich mit der =Beschauung der Natur= gerne verbindet.
Man muß sich aber wohl erinnern, daß ich hier eigentlich die schönen
=Formen= der Natur meine, die =Reize= dagegen, welche sie so reichlich
auch mit jenen zu verbinden pflegt, |299.5| noch zur Seite setze, weil
das Interesse daran zwar auch unmittelbar, aber doch empirisch ist.

Der, welcher einsam (und ohne Absicht, seine Bemerkungen andern
mittheilen zu wollen) die schöne Gestalt einer wilden Blume, eines
Vogels, eines Insects u. s. w. betrachtet, um sie zu bewundern, zu
lieben und sie |299.10| nicht gerne in der Natur überhaupt vermissen zu
wollen, ob ihm gleich dadurch einiger Schaden geschähe, viel weniger
ein Nutzen daraus für ihn hervorleuchtete, nimmt ein unmittelbares
und zwar intellectuelles Interesse #167# an der Schönheit der Natur.
D. i. nicht allein ihr Product der Form nach, sondern auch das Dasein
desselben gefällt ihm, ohne daß ein |299.15| Sinnenreiz daran Antheil
hätte, oder er auch irgend einen Zweck damit verbände.

Es ist aber hiebei merkwürdig, daß, wenn man diesen Liebhaber des
Schönen insgeheim hintergangen und künstliche Blumen (die man den
natürlichen ganz ähnlich verfertigen kann) in die Erde gesteckt, oder
|299.20| künstlich geschnitzte Vögel auf Zweige von Bäumen gesetzt
hätte, und er darauf den Betrug entdeckte, das unmittelbare Interesse,
was er vorher daran nahm, alsbald verschwinden, vielleicht aber ein
anderes, nämlich das Interesse der Eitelkeit, sein Zimmer für fremde
Augen damit auszuschmücken, an dessen Stelle sich einfinden würde. Daß
die Natur jene |299.25| Schönheit hervorgebracht hat: dieser Gedanke
muß die Anschauung und Reflexion begleiten; und auf diesem gründet sich
allein das unmittelbare Interesse, was man daran nimmt. Sonst bleibt
entweder ein bloßes Geschmacksurtheil ohne alles Interesse, oder nur
ein mit einem mittelbaren, nämlich auf die Gesellschaft bezogenen,
verbundenes übrig: welches letztere |299.30| keine sichere Anzeige auf
moralisch-gute Denkungsart abgiebt.

Dieser Vorzug der Naturschönheit vor der Kunstschönheit, wenn jene
gleich durch diese der Form nach sogar übertroffen würde, dennoch
allein #168# ein unmittelbares Interesse zu erwecken, stimmt mit der
geläuterten und gründlichen Denkungsart aller Menschen überein, die
ihr sittliches Gefühl |299.35| cultivirt haben. Wenn ein Mann, der
Geschmack genug hat, um über Producte der schönen Kunst mit der größten
Richtigkeit und Feinheit zu urtheilen, das Zimmer gern verläßt, in
welchem jene die Eitelkeit und allenfalls gesellschaftliche Freuden
unterhaltenden Schönheiten anzutreffen sind, und sich zum Schönen der
Natur wendet, um hier gleichsam Wollust für seinen Geist in einem
Gedankengange zu finden, den er sich nie völlig entwickeln kann: so
werden wir diese seine Wahl selber mit Hochachtung |300.5| betrachten
und in ihm eine schöne Seele voraussetzen, auf die kein Kunstkenner
und Liebhaber um des Interesse willen, das er an seinen Gegenständen
nimmt, Anspruch machen kann. — Was ist nun der Unterschied der so
verschiedenen Schätzung zweierlei Objecte, die im Urtheile des bloßen
Geschmacks einander kaum den Vorzug streitig machen würden? |300.10|

Wir haben ein Vermögen der bloß ästhetischen Urtheilskraft, ohne
Begriffe über Formen zu urtheilen und an der bloßen Beurtheilung
derselben ein Wohlgefallen zu finden, welches wir zugleich jedermann
zur Regel machen, ohne daß dieses Urtheil sich auf einem Interesse
gründet, noch ein solches hervorbringt. — Andererseits haben wir
auch ein Vermögen |300.15| einer intellectuellen Urtheilskraft, für
bloße Formen praktischer Maximen (sofern sie sich zur allgemeinen
Gesetzgebung von selbst qualificiren) #169# ein Wohlgefallen _a priori_
zu bestimmen, welches wir jedermann zum Gesetze machen, ohne daß unser
Urtheil sich auf irgend einem Interesse gründet, =aber doch ein solches
hervorbringt=. Die Lust oder Unlust |300.20| im ersteren Urtheile heißt
die des Geschmacks, die zweite des moralischen Gefühls.

Da es aber die Vernunft auch interessirt, daß die Ideen (für die sie
im moralischen Gefühle ein unmittelbares Interesse bewirkt) auch
objective Realität haben, d. i. daß die Natur wenigstens eine Spur
zeige, oder |300.25| einen Wink gebe, sie enthalte in sich irgend einen
Grund, eine gesetzmäßige Übereinstimmung ihrer Producte zu unserm von
allem Interesse unabhängigen Wohlgefallen (welches wir _a priori_ für
jedermann als Gesetz erkennen, ohne dieses auf Beweisen gründen zu
können) anzunehmen: so muß die Vernunft an jeder Äußerung der Natur
von einer dieser ähnlichen |300.30| Übereinstimmung ein Interesse
nehmen; folglich kann das Gemüth über die Schönheit der =Natur=
nicht nachdenken, ohne sich dabei zugleich interessirt zu finden.
Dieses Interesse aber ist der Verwandtschaft nach moralisch; und der,
welcher es am Schönen der Natur nimmt, kann es nur sofern an demselben
nehmen, als er vorher schon sein Interesse am |300.35| Sittlich-Guten
wohlgegründet hat. Wen also die Schönheit der Natur unmittelbar
interessirt, bei dem hat man Ursache, wenigstens eine Anlage #170# zu
guter moralischen Gesinnung zu vermuthen.

Man wird sagen: diese Deutung ästhetischer Urtheile auf Verwandtschaft
mit dem moralischen Gefühl sehe gar zu studirt aus, um sie für die
wahre Auslegung der Chiffreschrift zu halten, wodurch die Natur in
ihren |301.5| schönen Formen figürlich zu uns spricht. Allein erstlich
ist dieses unmittelbare Interesse am Schönen der Natur wirklich nicht
gemein, sondern nur denen eigen, deren Denkungsart entweder zum Guten
schon ausgebildet, oder dieser Ausbildung vorzüglich empfänglich ist;
und dann führt die Analogie zwischen dem reinen Geschmacksurtheile,
welches, ohne von |301.10| irgend einem Interesse abzuhängen, ein
Wohlgefallen fühlen läßt und es zugleich _a priori_ als der Menschheit
überhaupt anständig vorstellt, und dem moralischen Urtheile, welches
eben dasselbe aus Begriffen thut, auch ohne deutliches, subtiles
und vorsätzliches Nachdenken auf ein gleichmäßiges unmittelbares
Interesse an dem Gegenstande des ersteren, so wie an |301.15| dem
des letzteren: nur daß jenes ein freies, dieses ein auf objective
Gesetze gegründetes Interesse ist. Dazu kommt noch die Bewunderung der
Natur, die sich an ihren schönen Producten als Kunst, nicht bloß durch
Zufall, sondern gleichsam absichtlich, nach gesetzmäßiger Anordnung
und als Zweckmäßigkeit ohne Zweck, zeigt: welchen letzteren, da wir
ihn äußerlich |301.20| nirgend antreffen, wir natürlicher Weise
in uns selbst und zwar in demjenigen, #171# was den letzten Zweck
unseres Daseins ausmacht, nämlich der moralischen Bestimmung, suchen
(von welcher Nachfrage nach dem Grunde der Möglichkeit einer solchen
Naturzweckmäßigkeit aber allererst in der Teleologie die Rede sein
wird). |301.25|

Daß das Wohlgefallen an der schönen Kunst im reinen Geschmacksurtheile
nicht eben so mit einem unmittelbaren Interesse verbunden ist, als
das an der schönen Natur, ist auch leicht zu erklären. Denn jene ist
entweder eine solche Nachahmung von dieser, die bis zur Täuschung geht:
und alsdann thut sie die Wirkung als (dafür gehaltene) Naturschönheit;
|301.30| oder sie ist eine absichtlich auf unser Wohlgefallen
sichtbarlich gerichtete Kunst: alsdann aber würde das Wohlgefallen an
diesem Producte zwar unmittelbar durch Geschmack Statt finden, aber
kein anderes als mittelbares Interesse an der zum Grunde liegenden
Ursache erwecken, nämlich einer Kunst, welche nur durch ihren Zweck,
niemals an sich selbst interessiren |301.35| kann. Man wird vielleicht
sagen, daß dieses auch der Fall sei, wenn ein Object der Natur durch
seine Schönheit nur in sofern interessirt, als ihr eine moralische
Idee beigesellt wird; aber nicht dieses, sondern die Beschaffenheit
derselben an sich selbst, daß sie sich zu einer solchen Beigesellung
qualificirt, die ihr also innerlich zukommt, interessirt unmittelbar.

Die Reize in der schönen Natur, welche so häufig mit der schönen
|302.5| Form gleichsam zusammenschmelzend angetroffen werden, sind
entweder #172# zu den Modificationen des Lichts (in der Farbengebung)
oder des Schalles (in Tönen) gehörig. Denn diese sind die einzigen
Empfindungen, welche nicht bloß Sinnengefühl, sondern auch Reflexion
über die Form dieser Modificationen der Sinne verstatten und so
gleichsam eine Sprache, die |302.10| die Natur zu uns führt, und die
einen höhern Sinn zu haben scheint, in sich enthalten. So scheint die
weiße Farbe der Lilie das Gemüth zu Ideen der Unschuld und nach der
Ordnung der sieben Farben von der rothen an bis zur violetten 1) zur
Idee der Erhabenheit, 2) der Kühnheit, 3) der Freimüthigkeit, 4) der
Freundlichkeit, 5) der Bescheidenheit, 6) der Standhaftigkeit |302.15|
und 7) der Zärtlichkeit zu stimmen. Der Gesang der Vögel verkündigt
Fröhlichkeit und Zufriedenheit mit seiner Existenz. Wenigstens so
deuten wir die Natur aus, es mag dergleichen ihre Absicht sein oder
nicht. Aber dieses Interesse, welches wir hier an Schönheit nehmen,
bedarf durchaus, daß es Schönheit der Natur sei; und es verschwindet
|302.20| ganz, sobald man bemerkt, man sei getäuscht, und es sei nur
Kunst: so gar, daß auch der Geschmack alsdann nichts Schönes, oder das
Gesicht etwas Reizendes mehr daran finden kann. Was wird von Dichtern
höher gepriesen, als der bezaubernd schöne Schlag der Nachtigall in
einsamen Gebüschen an einem stillen Sommerabende bei dem sanften
Lichte des |302.25| Mondes? Indessen hat man Beispiele, daß, wo kein
solcher Sänger angetroffen #173# wird, irgend ein lustiger Wirth seine
zum Genuß der Landluft bei ihm eingekehrten Gäste dadurch zu ihrer
größten Zufriedenheit hintergangen hatte, daß er einen muthwilligen
Burschen, welcher diesen Schlag (mit Schilf oder Rohr im Munde) ganz
der Natur ähnlich nachzumachen |302.30| wußte, in einem Gebüsche
verbarg. Sobald man aber inne wird, daß es Betrug sei, so wird niemand
es lange aushalten, diesem vorher für so reizend gehaltenen Gesange
zuzuhören; und so ist es mit jedem anderen Singvogel beschaffen. Es
muß Natur sein, oder von uns dafür gehalten werden, damit wir an dem
Schönen als einem solchen ein unmittelbares |302.35| =Interesse= nehmen
können; noch mehr aber, wenn wir gar andern zumuthen dürfen, daß sie
es daran nehmen sollen: welches in der That geschieht, indem wir die
Denkungsart derer für grob und unedel halten, die kein =Gefühl= für
die schöne Natur haben (denn so nennen wir die Empfänglichkeit eines
Interesse an ihrer Betrachtung) und sich bei der Mahlzeit oder der
Bouteille am Genusse bloßer Sinnesempfindungen halten.


§ 43. |303.5|

Von der Kunst überhaupt.

1) =Kunst= wird von der =Natur=, wie Thun (_facere_) vom Handeln oder
Wirken überhaupt (_agere_) und das Product, oder die Folge der erstern,
als =Werk= (_opus_) von der letztern als Wirkung (_effectus_) #174#
unterschieden. |303.10|

Von Rechtswegen sollte man nur die Hervorbringung durch Freiheit, d.
i. durch eine Willkür, die ihren Handlungen Vernunft zum Grunde legt,
Kunst nennen. Denn ob man gleich das Product der Bienen (die regelmäßig
gebaueten Wachsscheiben) ein Kunstwerk zu nennen beliebt, so geschieht
dieses doch nur wegen der Analogie mit der letzteren; sobald man
|303.15| sich nämlich besinnt, daß sie ihre Arbeit auf keine eigene
Vernunftüberlegung gründen, so sagt man alsbald, es ist ein Product
ihrer Natur (des Instincts), und als Kunst wird es nur ihrem Schöpfer
zugeschrieben.

Wenn man bei Durchsuchung eines Moorbruches, wie es bisweilen geschehen
ist, ein Stück behauenes Holz antrifft, so sagt man nicht, es ist
|303.20| ein Product der Natur, sondern der Kunst; die hervorbringende
Ursache desselben hat sich einen Zweck gedacht, dem dieses seine Form
zu danken hat. Sonst sieht man wohl auch an allem eine Kunst, was so
beschaffen ist, daß eine Vorstellung desselben in seiner Ursache vor
seiner Wirklichkeit vorhergegangen sein muß (wie selbst bei Bienen),
ohne daß doch die Wirkung |303.25| von ihr eben =gedacht= sein dürfe;
wenn man aber etwas schlechthin ein Kunstwerk nennt, um es von einer
Naturwirkung zu unterscheiden, so versteht man allemal darunter ein
Werk der Menschen.

2) =Kunst= als Geschicklichkeit des Menschen wird auch von der #175#
=Wissenschaft= unterschieden (=Können= vom =Wissen=), als praktisches
|303.30| vom theoretischen Vermögen, als Technik von der Theorie (wie
die Feldmeßkunst von der Geometrie). Und da wird auch das, was man
=kann=, sobald man nur =weiß=, was gethan werden soll, und also nur die
begehrte Wirkung genugsam kennt, nicht eben Kunst genannt. Nur das, was
man, wenn man es auch auf das vollständigste kennt, dennoch darum zu
machen |303.35| noch nicht sofort die Geschicklichkeit hat, gehört in
so weit zur Kunst. =Camper= beschreibt sehr genau, wie der beste Schuh
beschaffen sein müßte, aber er konnte gewiß keinen machen[15].

  [15] In meinen Gegenden sagt der gemeine Mann, wenn man ihm
  etwa eine solche Aufgabe vorlegt, wie Columbus mit seinem Ei:
  =das ist keine Kunst, es ist nur eine Wissenschaft=. D. i.
  wenn man es weiß, so =kann= man es; und eben dieses sagt er
  von allen vorgeblichen Künsten des Taschenspielers. Die des
  Seiltänzers dagegen wird er gar nicht in Abrede sein, Kunst zu
  nennen. |304.35|

3) Wird auch =Kunst= vom =Handwerke= unterschieden; die erste heißt
=freie=, die andere kann auch =Lohnkunst= heißen. Man sieht die erste
so |304.5| an, als ob sie nur als Spiel, d. i. Beschäftigung, die
für sich selbst angenehm ist, zweckmäßig ausfallen (gelingen) könne;
die zweite so, daß sie als Arbeit, d. i. Beschäftigung, die für sich
selbst unangenehm (beschwerlich) und nur durch ihre Wirkung (z. B.
den Lohn) anlockend ist, mithin zwangsmäßig #176# auferlegt werden
kann. Ob in der Rangliste der Zünfte Uhrmacher |304.10| für Künstler,
dagegen Schmiede für Handwerker gelten sollen: das bedarf eines
andern Gesichtspunkts der Beurtheilung, als derjenige ist, den wir
hier nehmen; nämlich die Proportion der Talente, die dem einen oder
anderen dieser Geschäfte zum Grunde liegen müssen. Ob auch unter den
sogenannten sieben freien Künsten nicht einige, die den Wissenschaften
beizuzählen, |304.15| manche auch, die mit Handwerken zu vergleichen
sind, aufgeführt worden sein möchten: davon will ich hier nicht reden.
Daß aber in allen freien Künsten dennoch etwas Zwangsmäßiges, oder,
wie man es nennt, ein =Mechanismus= erforderlich sei, ohne welchen
der =Geist=, der in der Kunst =frei= sein muß und allein das Werk
belebt, gar keinen Körper haben |304.20| und gänzlich verdunsten
würde: ist nicht unrathsam zu erinnern (z. B. in der Dichtkunst die
Sprachrichtigkeit und der Sprachreichthum, imgleichen die Prosodie und
das Sylbenmaß), da manche neuere Erzieher eine freie Kunst am besten zu
befördern glauben, wenn sie allen Zwang von ihr wegnehmen und sie aus
Arbeit in bloßes Spiel verwandeln. |304.25|


§ 44.

Von der schönen Kunst.

Es giebt weder eine Wissenschaft des Schönen, sondern nur Kritik,
noch schöne Wissenschaft, sondern nur schöne Kunst. Denn was die
erstere #177# betrifft, so würde in ihr wissenschaftlich, d. i. durch
Beweisgründe, ausgemacht |304.30| werden sollen, ob etwas für schön zu
halten sei oder nicht; das Urtheil über Schönheit würde also, wenn es
zur Wissenschaft gehörte, kein Geschmacksurtheil sein. Was das zweite
anlangt, so ist eine Wissenschaft, die als solche schön sein soll, ein
Unding. Denn wenn man in ihr als Wissenschaft nach Gründen und Beweisen
fragte, so würde man durch geschmackvolle |305.5| Aussprüche (Bonmots)
abgefertigt. — Was den gewöhnlichen Ausdruck =schöne Wissenschaften=
veranlaßt hat, ist ohne Zweifel nichts anders, als daß man ganz richtig
bemerkt hat, es werde zur schönen Kunst in ihrer ganzen Vollkommenheit
viel Wissenschaft, als z. B. Kenntniß alter Sprachen, Belesenheit
der Autoren, die für Classiker gelten, Geschichte, |305.10| Kenntniß
der Alterthümer u. s. w., erfordert, und deshalb diese historischen
Wissenschaften, weil sie zur schönen Kunst die nothwendige Vorbereitung
und Grundlage ausmachen, zum Theil auch weil darunter selbst die
Kenntniß der Producte der schönen Kunst (Beredsamkeit und Dichtkunst)
begriffen worden, durch eine Wortverwechselung selbst schöne
Wissenschaften |305.15| genannt hat.

Wenn die Kunst, dem =Erkenntnisse= eines möglichen Gegenstandes
angemessen, bloß ihn wirklich zu machen die dazu erforderlichen
Handlungen verrichtet, so ist sie =mechanische=; hat sie aber das
Gefühl der Lust zur unmittelbaren Absicht, so heißt sie =ästhetische=
Kunst. Diese ist entweder |305.20| #178# =angenehme= oder =schöne=
Kunst. Das erste ist sie, wenn der Zweck derselben ist, daß die Lust
die Vorstellungen als bloße =Empfindungen=, das zweite, daß sie
dieselben als =Erkenntnißarten= begleite.

Angenehme Künste sind die, welche bloß zum Genusse abgezweckt werden;
dergleichen alle die Reize sind, welche die Gesellschaft an einer
|305.25| Tafel vergnügen können: als unterhaltend zu erzählen, die
Gesellschaft in freimüthige und lebhafte Gesprächigkeit zu versetzen,
durch Scherz und Lachen sie zu einem gewissen Tone der Lustigkeit zu
stimmen, wo, wie man sagt, manches ins Gelag hinein geschwatzt werden
kann, und niemand über das, was er spricht, verantwortlich sein will,
weil es nur auf die augenblickliche |305.30| Unterhaltung, nicht auf
einen bleibenden Stoff zum Nachdenken oder Nachsagen angelegt ist.
(Hiezu gehört denn auch die Art, wie der Tisch zum Genusse ausgerüstet
ist, oder wohl gar bei großen Gelagen die Tafelmusik: ein wunderliches
Ding, welches nur als ein angenehmes Geräusch die Stimmung der Gemüther
zur Fröhlichkeit unterhalten soll und, |305.35| ohne daß jemand auf die
Composition derselben die mindeste Aufmerksamkeit verwendet, die freie
Gesprächigkeit eines Nachbars mit dem andern begünstigt.) Dazu gehören
ferner alle Spiele, die weiter kein Interesse bei sich führen, als die
Zeit unvermerkt verlaufen zu machen.

Schöne Kunst dagegen ist eine Vorstellungsart, die für sich selbst
#179# zweckmäßig ist und, obgleich ohne Zweck, dennoch die Cultur der
Gemüthskräfte zur geselligen Mittheilung befördert. |306.5|

Die allgemeine Mittheilbarkeit einer Lust führt es schon in ihrem
Begriffe mit sich, daß diese nicht eine Lust des Genusses aus bloßer
Empfindung, sondern der Reflexion sein müsse; und so ist ästhetische
Kunst als schöne Kunst eine solche, die die reflectirende Urtheilskraft
und nicht die Sinnenempfindung zum Richtmaße hat. |306.10|


§ 45.

Schöne Kunst ist eine Kunst, sofern sie zugleich Natur zu sein scheint.

An einem Producte der schönen Kunst muß man sich bewußt werden, daß
es Kunst sei und nicht Natur; aber doch muß die Zweckmäßigkeit in
|306.15| der Form desselben von allem Zwange willkürlicher Regeln so
frei scheinen, als ob es ein Product der bloßen Natur sei. Auf diesem
Gefühle der Freiheit im Spiele unserer Erkenntnißvermögen, welches doch
zugleich zweckmäßig sein muß, beruht diejenige Lust, welche allein
allgemein mittheilbar ist, ohne sich doch auf Begriffe zu gründen. Die
Natur war schön, wenn |306.20| sie zugleich als Kunst aussah; und die
Kunst kann nur schön genannt werden, wenn wir uns bewußt sind, sie sei
Kunst, und sie uns doch als Natur aussieht.

Denn wir können allgemein sagen, es mag die Natur- oder die
Kunstschönheit #180# betreffen: =schön ist das, was in der bloßen
Beurtheilung= |306.25| (nicht in der Sinnenempfindung, noch durch einen
Begriff) =gefällt=. Nun hat Kunst jederzeit eine bestimmte Absicht
etwas hervorzubringen. Wenn dieses aber bloße Empfindung (etwas bloß
Subjectives) wäre, die mit Lust begleitet sein sollte, so würde dies
Product in der Beurtheilung nur vermittelst des Sinnengefühls gefallen.
Wäre die Absicht auf die |306.30| Hervorbringung eines bestimmten
Objects gerichtet, so würde, wenn sie durch die Kunst erreicht wird,
das Object nur durch Begriffe gefallen. In beiden Fällen aber würde
die Kunst nicht =in der bloßen Beurtheilung=, d. i. nicht als schöne,
sondern mechanische Kunst, gefallen.

Also muß die Zweckmäßigkeit im Producte der schönen Kunst, ob sie
|306.35| zwar absichtlich ist, doch nicht absichtlich scheinen; d.
i. schöne Kunst muß als Natur =anzusehen= sein, ob man sich ihrer
zwar als Kunst bewußt ist. Als Natur aber erscheint ein Product der
Kunst dadurch, daß zwar alle =Pünktlichkeit= in der Übereinkunft mit
Regeln, nach denen allein das Product das werden kann, was es sein
soll, angetroffen wird; aber ohne |307.5| =Peinlichkeit=, ohne daß die
Schulform durchblickt, d. i. ohne eine Spur zu zeigen, daß die Regel
dem Künstler vor Augen geschwebt und seinen Gemüthskräften Fesseln
angelegt habe.


§ 46. #181#

Schöne Kunst ist Kunst des Genies. |307.10|

=Genie= ist das Talent (Naturgabe), welches der Kunst die Regel giebt.
Da das Talent als angebornes productives Vermögen des Künstlers selbst
zur Natur gehört, so könnte man sich auch so ausdrücken: =Genie= ist
die angeborne Gemüthsanlage (_ingenium_), =durch welche= die Natur der
Kunst die Regel giebt. |307.15|

Was es auch mit dieser Definition für eine Bewandtniß habe, und ob sie
bloß willkürlich, oder dem Begriffe, welchen man mit dem Worte =Genie=
zu verbinden gewohnt ist, angemessen sei, oder nicht (welches in dem
folgenden § erörtert werden soll): so kann man doch schon zum Voraus
beweisen, daß nach der hier angenommenen Bedeutung des Worts schöne
|307.20| Künste nothwendig als Künste des =Genies= betrachtet werden
müssen.

Denn eine jede Kunst setzt Regeln voraus, durch deren Grundlegung
allererst ein Product, wenn es künstlich heißen soll, als möglich
vorgestellt wird. Der Begriff der schönen Kunst aber verstattet
nicht, daß das Urtheil über die Schönheit ihres Products von irgend
einer Regel abgeleitet |307.25| werde, die einen =Begriff= zum
Bestimmungsgrunde habe, mithin einen Begriff von der Art, wie es
möglich sei, zum Grunde lege. Also kann die schöne Kunst sich selbst
nicht die Regel ausdenken, nach der sie ihr Product #182# zu Stande
bringen soll. Da nun gleichwohl ohne vorhergehende Regel ein Product
niemals Kunst heißen kann, so muß die Natur im Subjecte |307.30| (und
durch die Stimmung der Vermögen desselben) der Kunst die Regel geben,
d. i. die schöne Kunst ist nur als Product des Genies möglich.

Man sieht hieraus, daß Genie 1) ein =Talent= sei, dasjenige, wozu
sich keine bestimmte Regel geben läßt, hervorzubringen: nicht
Geschicklichkeitsanlage zu dem, was nach irgend einer Regel gelernt
werden kann; |307.35| folglich daß =Originalität= seine erste
Eigenschaft sein müsse. 2) Daß, da es auch originalen Unsinn geben
kann, seine Producte zugleich Muster, d. i. =exemplarisch=, sein
müssen; mithin, selbst nicht durch Nachahmung entsprungen, anderen
doch dazu, d. i. zum Richtmaße oder Regel der Beurtheilung, dienen
müssen. 3) Daß es, wie es sein Product zu Stande |308.5| bringe, selbst
nicht beschreiben, oder wissenschaftlich anzeigen könne, sondern daß
es als =Natur= die Regel gebe; und daher der Urheber eines Products,
welches er seinem Genie verdankt, selbst nicht weiß, wie sich in ihm
die Ideen dazu herbei finden, auch es nicht in seiner Gewalt hat,
dergleichen nach Belieben oder planmäßig auszudenken und anderen in
solchen Vorschriften |308.10| mitzutheilen, die sie in Stand setzen,
gleichmäßige Producte hervorzubringen. (Daher denn auch vermuthlich
das Wort Genie von _genius_, dem eigenthümlichen, einem Menschen bei
der Geburt mitgegebenen, #183# schützenden und leitenden Geist, von
dessen Eingebung jene originale Ideen herrührten, abgeleitet ist.) 4)
Daß die Natur durch das Genie nicht der |308.15| Wissenschaft, sondern
der Kunst die Regel vorschreibe und auch dieses nur, in sofern diese
letztere schöne Kunst sein soll.


§ 47.

Erläuterung und Bestätigung obiger Erklärung vom Genie.

Darin ist jedermann einig, daß Genie dem =Nachahmungsgeiste= |308.20|
gänzlich entgegen zu setzen sei. Da nun Lernen nichts als Nachahmen
ist, so kann die größte Fähigkeit, Gelehrigkeit (Capacität) als
Gelehrigkeit, doch nicht für Genie gelten. Wenn man aber auch selbst
denkt oder dichtet und nicht bloß, was andere gedacht haben, auffaßt,
ja sogar für Kunst und Wissenschaft manches erfindet: so ist doch
dieses auch noch nicht der |308.25| rechte Grund, um einen solchen
(oftmals großen) =Kopf= (im Gegensatze mit dem, welcher, weil er
niemals etwas mehr als bloß lernen und nachahmen kann, ein =Pinsel=
heißt) ein =Genie= zu nennen: weil eben das auch hätte =können=
gelernt werden, also doch auf dem natürlichen Wege des Forschens und
Nachdenkens nach Regeln liegt und von dem, was durch |308.30| Fleiß
vermittelst der Nachahmung erworben werden kann, nicht specifisch
unterschieden ist. So kann man alles, was =Newton= in seinem
unsterblichen Werke der Principien der Naturphilosophie, so ein großer
Kopf auch #184# erforderlich war, dergleichen zu erfinden, vorgetragen
hat, gar wohl lernen; aber man kann nicht geistreich dichten lernen,
so ausführlich auch |308.35| alle Vorschriften für die Dichtkunst
und so vortrefflich auch die Muster derselben sein mögen. Die Ursache
ist, daß Newton alle seine Schritte, die er von den ersten Elementen
der Geometrie an bis zu seinen großen und tiefen Erfindungen zu thun
hatte, nicht allein sich selbst, sondern jedem andern ganz anschaulich
und zur Nachfolge bestimmt vormachen |309.5| könnte; kein =Homer= aber
oder =Wieland= anzeigen kann, wie sich seine phantasiereichen und doch
zugleich gedankenvollen Ideen in seinem Kopfe hervor und zusammen
finden, darum weil er es selbst nicht weiß und es also auch keinen
andern lehren kann. Im Wissenschaftlichen also ist der größte Erfinder
vom mühseligsten Nachahmer und Lehrlinge nur dem |309.10| Grade nach,
dagegen von dem, welchen die Natur für die schöne Kunst begabt hat,
specifisch unterschieden. Indeß liegt hierin keine Herabsetzung jener
großen Männer, denen das menschliche Geschlecht so viel zu verdanken
hat, gegen die Günstlinge der Natur in Ansehung ihres Talents für die
schöne Kunst. Eben darin, daß jener Talent zur immer fortschreitenden
|309.15| größeren Vollkommenheit der Erkenntnisse und alles Nutzens,
der davon abhängig ist, imgleichen zur Belehrung anderer in eben
denselben Kenntnissen gemacht ist, besteht ein großer Vorzug derselben
vor denen, welche die Ehre verdienen, Genies zu heißen: weil für diese
die Kunst irgendwo #185# still steht, indem ihr eine Gränze gesetzt
ist, über die sie nicht weiter |309.20| gehen kann, die vermuthlich
auch schon seit lange her erreicht ist und nicht mehr erweitert
werden kann; und überdem eine solche Geschicklichkeit sich auch nicht
mittheilen läßt, sondern jedem unmittelbar von der Hand der Natur
ertheilt sein will, mit ihm also stirbt, bis die Natur einmal einen
andern wiederum eben so begabt, der nichts weiter als eines Beispiels
|309.25| bedarf, um das Talent, dessen er sich bewußt ist, auf ähnliche
Art wirken zu lassen.

Da die Naturgabe der Kunst (als schönen Kunst) die Regel geben muß,
welcherlei Art ist denn diese Regel? Sie kann in keiner Formel abgefaßt
zur Vorschrift dienen; denn sonst würde das Urtheil über das |309.30|
Schöne nach Begriffen bestimmbar sein: sondern die Regel muß von
der That, d. i. vom Product, abstrahirt werden, an welchem andere
ihr eigenes Talent prüfen mögen, um sich jenes zum Muster nicht der
=Nachmachung=, sondern der =Nachahmung= dienen zu lassen. Wie dieses
möglich sei, ist schwer zu erklären. Die Ideen des Künstlers erregen
ähnliche Ideen seines |309.35| Lehrlings, wenn ihn die Natur mit einer
ähnlichen Proportion der Gemüthskräfte versehen hat. Die Muster der
schönen Kunst sind daher die einzigen Leitungsmittel, diese auf die
Nachkommenschaft zu bringen: welches durch bloße Beschreibungen nicht
geschehen könnte (vornehmlich nicht im Fache der redenden Künste); und
auch in diesen können nur die #186# in alten, todten und jetzt nur als
gelehrte aufbehaltenen Sprachen classisch werden. |310.5|

Obzwar mechanische und schöne Kunst, die erste als bloße Kunst des
Fleißes und der Erlernung, die zweite als die des Genies, sehr von
einander unterschieden sind: so giebt es doch keine schöne Kunst,
in welcher nicht etwas Mechanisches, welches nach Regeln gefaßt und
befolgt werden kann, und also etwas =Schulgerechtes= die wesentliche
Bedingung der |310.10| Kunst ausmachte. Denn etwas muß dabei als
Zweck gedacht werden, sonst kann man ihr Product gar keiner Kunst
zuschreiben; es wäre ein bloßes Product des Zufalls. Um aber einen
Zweck ins Werk zu richten, dazu werden bestimmte Regeln erfordert,
von denen man sich nicht frei sprechen darf. Da nun die Originalität
des Talents ein (aber nicht das |310.15| einzige) wesentliches Stück
vom Charakter des Genies ausmacht: so glauben seichte Köpfe, daß sie
nicht besser zeigen können, sie wären aufblühende Genies, als wenn sie
sich vom Schulzwange aller Regeln lossagen, und glauben, man paradire
besser auf einem kollerichten Pferde, als auf einem Schulpferde. Das
Genie kann nur reichen =Stoff= zu Producten der schönen |310.20| Kunst
hergeben; die Verarbeitung desselben und die =Form= erfordert ein
durch die Schule gebildetes Talent, um einen Gebrauch davon zu machen,
der vor der Urtheilskraft bestehen kann. Wenn aber jemand sogar in
Sachen der sorgfältigsten Vernunftuntersuchung wie ein Genie spricht
#187# und entscheidet, so ist es vollends lächerlich; man weiß nicht
recht, ob man |310.25| mehr über den Gaukler, der um sich so viel Dunst
verbreitet, wobei man nichts deutlich beurtheilen, aber desto mehr
sich einbilden kann, oder mehr über das Publicum lachen soll, welches
sich treuherzig einbildet, daß sein Unvermögen, das Meisterstück der
Einsicht deutlich erkennen und fassen zu können, daher komme, weil ihm
neue Wahrheiten in ganzen Massen |310.30| zugeworfen werden, wogegen
ihm das Detail (durch abgemessene Erklärungen und schulgerechte Prüfung
der Grundsätze) nur Stümperwerk zu sein scheint.


§ 48.

Vom Verhältnisse des Genies zum Geschmack.

Zur =Beurtheilung= schöner Gegenstände als solcher wird =Geschmack=,
zur schönen Kunst selbst aber, d. i. der =Hervorbringung= solcher
Gegenstände, wird =Genie= erfordert. |311.5|

Wenn man das Genie als Talent zur schönen Kunst betrachtet (welches
die eigenthümliche Bedeutung des Worts mit sich bringt) und es in
dieser Absicht in die Vermögen zergliedern will, die ein solches
Talent auszumachen zusammen kommen müssen: so ist nöthig, zuvor den
Unterschied zwischen der Naturschönheit, deren Beurtheilung nur
Geschmack, |311.10| und der Kunstschönheit, deren Möglichkeit (worauf
in der Beurtheilung #188# eines dergleichen Gegenstandes auch Rücksicht
genommen werden muß) Genie erfordert, genau zu bestimmen.

Eine Naturschönheit ist ein =schönes Ding=; die Kunstschönheit ist eine
=schöne Vorstellung= von einem Dinge. |311.15|

Um eine Naturschönheit als eine solche zu beurtheilen, brauche ich
nicht vorher einen Begriff davon zu haben, was der Gegenstand für
ein Ding sein solle; d. i. ich habe nicht nöthig, die materiale
Zweckmäßigkeit (den Zweck) zu kennen, sondern die bloße Form ohne
Kenntniß des Zwecks gefällt in der Beurtheilung für sich selbst. Wenn
aber der Gegenstand |311.20| für ein Product der Kunst gegeben ist und
als solches für schön erklärt werden soll: so muß, weil Kunst immer
einen Zweck in der Ursache (und deren Causalität) voraussetzt, zuerst
ein Begriff von dem zum Grunde gelegt werden, was das Ding sein soll;
und da die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen in einem Dinge zu einer
innern Bestimmung desselben |311.25| als Zweck die Vollkommenheit des
Dinges ist, so wird in der Beurtheilung der Kunstschönheit zugleich die
Vollkommenheit des Dinges in Anschlag gebracht werden müssen, wornach
in der Beurtheilung einer Naturschönheit (als einer solchen) gar
nicht die Frage ist. — Zwar wird in der Beurtheilung vornehmlich der
belebten Gegenstände der Natur, z. B. |311.30| des Menschen oder eines
Pferdes, auch die objective Zweckmäßigkeit gemeiniglich mit in Betracht
gezogen, um über die Schönheit derselben zu #189# urtheilen; alsdann
ist aber auch das Urtheil nicht mehr rein-ästhetisch, d. i. bloßes
Geschmacksurtheil. Die Natur wird nicht mehr beurtheilt, wie sie als
Kunst erscheint, sondern sofern sie wirklich (obzwar übermenschliche)
|311.35| Kunst =ist=; und das teleologische Urtheil dient dem
ästhetischen zur Grundlage und Bedingung, worauf dieses Rücksicht
nehmen muß. In einem solchen Falle denkt man auch, wenn z. B. gesagt
wird: das ist ein schönes Weib, in der That nichts anders als: die
Natur stellt in ihrer Gestalt die Zwecke im weiblichen Baue schön vor;
denn man muß noch über die bloße Form auf einen Begriff hinaussehen,
damit der Gegenstand |312.5| auf solche Art durch ein logisch-bedingtes
ästhetisches Urtheil gedacht werde.

Die schöne Kunst zeigt darin eben ihre Vorzüglichkeit, daß sie Dinge,
die in der Natur häßlich oder mißfällig sein würden, schön beschreibt.
Die Furien, Krankheiten, Verwüstungen des Krieges u. d. gl. können als
|312.10| Schädlichkeiten sehr schön beschrieben, ja sogar im Gemälde
vorgestellt werden; nur eine Art Häßlichkeit kann nicht der Natur
gemäß vorgestellt werden, ohne alles ästhetische Wohlgefallen, mithin
die Kunstschönheit zu Grunde zu richten: nämlich diejenige, welche
=Ekel= erweckt. Denn weil in dieser sonderbaren, auf lauter Einbildung
beruhenden Empfindung der |312.15| Gegenstand gleichsam, als ob er sich
zum Genusse aufdränge, wider den #190# wir doch mit Gewalt streben,
vorgestellt wird: so wird die künstliche Vorstellung des Gegenstandes
von der Natur dieses Gegenstandes selbst in unserer Empfindung nicht
mehr unterschieden, und jene kann alsdann unmöglich für schön gehalten
werden. Auch hat die Bildhauerkunst, weil |312.20| an ihren Producten
die Kunst mit der Natur beinahe verwechselt wird, die unmittelbare
Vorstellung häßlicher Gegenstände von ihren Bildungen ausgeschlossen
und dafür z. B. den Tod (in einem schönen Genius), den Kriegsmuth (am
Mars) durch eine Allegorie oder Attribute, die sich gefällig ausnehmen,
mithin nur indirect vermittelst einer Auslegung |312.25| der Vernunft
und nicht für bloß ästhetische Urtheilskraft vorzustellen erlaubt.

So viel von der schönen Vorstellung eines Gegenstandes, die eigentlich
nur die Form der Darstellung eines Begriffs ist, durch welche dieser
allgemein mitgetheilt wird. — Diese Form aber dem Producte der schönen
|312.30| Kunst zu geben, dazu wird bloß Geschmack erfordert, an welchem
der Künstler, nachdem er ihn durch mancherlei Beispiele der Kunst oder
der Natur geübt und berichtigt hat, sein Werk hält und nach manchen oft
mühsamen Versuchen denselben zu befriedigen diejenige Form findet, die
ihm Genüge thut: daher diese nicht gleichsam eine Sache der Eingebung,
|312.35| oder eines freien Schwunges der Gemüthskräfte, sondern einer
langsamen und gar peinlichen Nachbesserung ist, um sie dem Gedanken
angemessen #191# und doch der Freiheit im Spiele derselben nicht
nachtheilig werden zu lassen.

Geschmack ist aber bloß ein Beurtheilungs-, nicht ein productives
Vermögen; und was ihm gemäß ist, ist darum eben nicht ein Werk der
schönen Kunst: es kann ein zur nützlichen und mechanischen Kunst,
oder |313.5| gar zur Wissenschaft gehöriges Product nach bestimmten
Regeln sein, die gelernt werden können und genau befolgt werden müssen.
Die gefällige Form aber, die man ihm giebt, ist nur das Vehikel der
Mittheilung und eine Manier gleichsam des Vortrages, in Ansehung
dessen man noch in gewissem Maße frei bleibt, wenn er doch übrigens
an einen bestimmten |313.10| Zweck gebunden ist. So verlangt man, daß
das Tischgeräth, oder auch eine moralische Abhandlung, sogar eine
Predigt diese Form der schönen Kunst, ohne doch =gesucht= zu scheinen,
an sich haben müsse; man wird sie aber darum nicht Werke der schönen
Kunst nennen. Zu der letzteren aber wird ein Gedicht, eine Musik, eine
Bildergallerie u. d. gl. gezählt; und da |313.15| kann man an einem
seinsollenden Werke der schönen Kunst oftmals Genie ohne Geschmack, an
einem andern Geschmack ohne Genie wahrnehmen.


§ 49. #192#

Von den Vermögen des Gemüths, welche das Genie ausmachen. |313.20|

Man sagt von gewissen Producten, von welchen man erwartet, daß sie
sich, zum Theil wenigstens, als schöne Kunst zeigen sollten: sie sind
ohne =Geist=; ob man gleich an ihnen, was den Geschmack betrifft,
nichts zu tadeln findet. Ein Gedicht kann recht nett und elegant sein,
aber es ist ohne Geist. Eine Geschichte ist genau und ordentlich,
aber ohne Geist. Eine |313.25| feierliche Rede ist gründlich und
zugleich zierlich, aber ohne Geist. Manche Conversation ist nicht ohne
Unterhaltung, aber doch ohne Geist; selbst von einem Frauenzimmer sagt
man wohl: sie ist hübsch, gesprächig und artig, aber ohne Geist. Was
ist denn das, was man hier unter Geist versteht?

=Geist= in ästhetischer Bedeutung heißt das belebende Princip im
Gemüthe. |313.30| Dasjenige aber, wodurch dieses Princip die Seele
belebt, der Stoff, den es dazu anwendet, ist das, was die Gemüthskräfte
zweckmäßig in Schwung versetzt, d. i. in ein solches Spiel, welches
sich von selbst erhält und selbst die Kräfte dazu stärkt.

Nun behaupte ich, dieses Princip sei nichts anders, als das
Vermögen |313.35| der Darstellung =ästhetischer Ideen=; unter
einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der
Einbildungskraft, die viel zu denken veranlaßt, ohne daß ihr doch
irgend ein bestimmter Gedanke, #193# d. i. =Begriff=, adäquat sein
kann, die folglich keine Sprache völlig erreicht und verständlich
machen kann. — Man sieht leicht, daß sie das |314.5| Gegenstück
(Pendant) von einer =Vernunftidee= sei, welche umgekehrt ein Begriff
ist, dem keine =Anschauung= (Vorstellung der Einbildungskraft) adäquat
sein kann.

Die Einbildungskraft (als productives Erkenntnißvermögen) ist nämlich
sehr mächtig in Schaffung gleichsam einer andern Natur aus dem |314.10|
Stoffe, den ihr die wirkliche giebt. Wir unterhalten uns mit ihr,
wo uns die Erfahrung zu alltäglich vorkommt; bilden diese auch wohl
um: zwar noch immer nach analogischen Gesetzen, aber doch auch nach
Principien, die höher hinauf in der Vernunft liegen (und die uns eben
sowohl natürlich sind als die, nach welchen der Verstand die empirische
Natur auffaßt); |314.15| wobei wir unsere Freiheit vom Gesetze der
Association (welches dem empirischen Gebrauche jenes Vermögens anhängt)
fühlen, nach welchem uns von der Natur zwar Stoff geliehen, dieser aber
von uns zu etwas ganz anderem, nämlich dem, was die Natur übertrifft,
verarbeitet werden kann.

Man kann dergleichen Vorstellungen der Einbildungskraft =Ideen=
|314.20| nennen: eines Theils darum, weil sie zu etwas über die
Erfahrungsgränze hinaus Liegendem wenigstens streben und so einer
Darstellung der Vernunftbegriffe (der intellectuellen Ideen) nahe
zu kommen suchen, welches #194# ihnen den Anschein einer objectiven
Realität giebt; andrerseits und zwar hauptsächlich, weil ihnen als
innern Anschauungen kein Begriff völlig |314.25| adäquat sein kann.
Der Dichter wagt es, Vernunftideen von unsichtbaren Wesen, das Reich
der Seligen, das Höllenreich, die Ewigkeit, die Schöpfung u. d. gl.,
zu versinnlichen; oder auch das, was zwar Beispiele in der Erfahrung
findet, z. B. den Tod, den Neid und alle Laster, imgleichen die Liebe,
den Ruhm u. d. gl., über die Schranken der Erfahrung hinaus |314.30|
vermittelst einer Einbildungskraft, die dem Vernunft-Vorspiele in
Erreichung eines Größten nacheifert, in einer Vollständigkeit sinnlich
zu machen, für die sich in der Natur kein Beispiel findet; und es ist
eigentlich die Dichtkunst, in welcher sich das Vermögen ästhetischer
Ideen in seinem ganzen Maße zeigen kann. Dieses Vermögen aber, für
sich allein |314.35| betrachtet, ist eigentlich nur ein Talent (der
Einbildungskraft).

Wenn nun einem Begriffe eine Vorstellung der Einbildungskraft
untergelegt wird, die zu seiner Darstellung gehört, aber für sich
allein so viel zu denken veranlaßt, als sich niemals in einem
bestimmten Begriff zusammenfassen läßt, mithin den Begriff selbst auf
unbegränzte Art ästhetisch erweitert: so ist die Einbildungskraft
hiebei schöpferisch und bringt das Vermögen intellectueller Ideen
(die Vernunft) in Bewegung, |315.5| mehr nämlich bei Veranlassung
einer Vorstellung zu denken (was zwar zu dem Begriffe des Gegenstandes
gehört), als in ihr aufgefaßt und deutlich #195# gemacht werden kann.

Man nennt diejenigen Formen, welche nicht die Darstellung eines
gegebenen Begriffs selber ausmachen, sondern nur als Nebenvorstellungen
|315.10| der Einbildungskraft die damit verknüpften Folgen und
die Verwandtschaft desselben mit andern ausdrücken, =Attribute=
(ästhetische) eines Gegenstandes, dessen Begriff als Vernunftidee
nicht adäquat dargestellt werden kann. So ist der Adler Jupiters mit
dem Blitze in den Klauen ein Attribut des mächtigen Himmelskönigs und
der Pfau der prächtigen |315.15| Himmelskönigin. Sie stellen nicht
wie die =logischen Attribute= das, was in unsern Begriffen von der
Erhabenheit und Majestät der Schöpfung liegt, sondern etwas anderes
vor, was der Einbildungskraft Anlaß giebt, sich über eine Menge von
verwandten Vorstellungen zu verbreiten, die mehr denken lassen, als man
in einem durch Worte bestimmten Begriff |315.20| ausdrücken kann; und
geben eine =ästhetische Idee=, die jener Vernunftidee statt logischer
Darstellung dient, eigentlich aber um das Gemüth zu beleben, indem sie
ihm die Aussicht in ein unabsehliches Feld verwandter Vorstellungen
eröffnet. Die schöne Kunst aber thut dieses nicht allein in der Malerei
oder Bildhauerkunst (wo der Namen der Attribute gewöhnlich |315.25|
gebraucht wird); sondern die Dichtkunst und Beredsamkeit nehmen den
Geist, der ihre Werke belebt, auch lediglich von den ästhetischen
Attributen der Gegenstände her, welche den logischen zu Seite gehen und
der Einbildungskraft #196# einen Schwung geben, mehr dabei, obzwar auf
unentwickelte Art, zu denken, als sich in einem Begriffe, mithin in
einem bestimmten |315.30| Sprachausdrucke zusammenfassen läßt. — Ich
muß mich der Kürze wegen nur auf wenige Beispiele einschränken.

Wenn der große König sich in einem seiner Gedichte so ausdrückt: »Laßt
uns aus dem Leben ohne Murren weichen und ohne etwas zu bedauern,
indem wir die Welt noch alsdann mit Wohlthaten überhäuft zurücklassen.
|315.35| So verbreitet die Sonne, nachdem sie ihren Tageslauf vollendet
hat, noch ein mildes Licht am Himmel; und die letzten Strahlen, die
sie in die Lüfte schickt, sind ihre letzten Seufzer für das Wohl
der Welt«: so belebt er seine Vernunftidee von weltbürgerlicher
Gesinnung noch am Ende des Lebens durch ein Attribut, welches die
Einbildungskraft (in der Erinnerung an alle Annehmlichkeiten eines
vollbrachten schönen Sommertages, die uns ein heiterer Abend ins Gemüth
ruft) |316.5| jener Vorstellung beigesellt, und welches eine Menge
von Empfindungen und Nebenvorstellungen rege macht, für die sich kein
Ausdruck findet. Andererseits kann sogar ein intellectueller Begriff
umgekehrt zum Attribut einer Vorstellung der Sinne dienen und so diese
letztere durch die Idee des Übersinnlichen beleben; aber nur indem
das Ästhetische, was dem Bewußtsein |316.10| des letztern subjectiv
anhänglich ist, hiezu gebraucht wird. So #197# sagt z. B. ein gewisser
Dichter in der Beschreibung eines schönen Morgens: »Die Sonne quoll
hervor, wie Ruh aus Tugend quillt.« Das Bewußtsein der Tugend, wenn man
sich auch nur in Gedanken in die Stelle eines Tugendhaften versetzt,
verbreitet im Gemüthe eine Menge erhabener |316.15| und beruhigender
Gefühle und eine gränzenlose Aussicht in eine frohe Zukunft, die kein
Ausdruck, welcher einem bestimmten Begriffe angemessen ist, völlig
erreicht.[16]

  [16] Vielleicht ist nie etwas Erhabneres gesagt, oder ein
  Gedanke erhabener ausgedrückt worden, als in jener Aufschrift
  über dem Tempel der =Isis= (der Mutter =Natur=): »Ich bin
  alles, was da ist, was da war, und was da sein wird, und
  meinen Schleier hat kein Sterblicher aufgedeckt.« =Segner=
  benutzte diese Idee durch eine sinnreiche seiner Naturlehre
  vorgesetzte Vignette, um seinen Lehrling, den er in
  |316.35| diesen Tempel zu führen bereit war, vorher mit dem
  heiligen Schauer zu erfüllen, der das Gemüth zu feierlicher
  Aufmerksamkeit stimmen soll.

Mit einem Worte, die ästhetische Idee ist eine einem gegebenen Begriffe
beigesellte Vorstellung der Einbildungskraft, welche mit einer solchen
|316.20| Mannigfaltigkeit der Theilvorstellungen in dem freien
Gebrauche derselben verbunden ist, daß für sie kein Ausdruck, der
einen bestimmten Begriff bezeichnet, gefunden werden kann, die also zu
einem Begriffe viel Unnennbares hinzu denken läßt, dessen Gefühl die
Erkenntnißvermögen belebt und mit der Sprache, als bloßem Buchstaben,
Geist verbindet. |316.25|

Die Gemüthskräfte also, deren Vereinigung (in gewissem Verhältnisse)
#198# das =Genie= ausmacht, sind Einbildungskraft und Verstand. Nur, da
im Gebrauch der Einbildungskraft zum Erkenntnisse die Einbildungskraft
unter dem Zwange des Verstandes und der Beschränkung unterworfen ist,
dem Begriffe desselben angemessen zu sein; in ästhetischer Absicht
|316.30| aber die Einbildungskraft frei ist, um noch über jene
Einstimmung zum Begriffe, doch ungesucht reichhaltigen unentwickelten
Stoff für den Verstand, worauf dieser in seinem Begriffe nicht
Rücksicht nahm, zu liefern, welchen dieser aber nicht sowohl objectiv
zum Erkenntnisse, als subjectiv zur Belebung der Erkenntnißkräfte,
indirect also doch auch zu Erkenntnissen |317.5| anwendet: so besteht
das Genie eigentlich in dem glücklichen Verhältnisse, welches keine
Wissenschaft lehren und kein Fleiß erlernen kann, zu einem gegebenen
Begriffe Ideen aufzufinden und andrerseits zu diesen den =Ausdruck= zu
treffen, durch den die dadurch bewirkte subjective Gemüthsstimmung, als
Begleitung eines Begriffs, anderen mitgetheilt |317.10| werden kann.
Das letztere Talent ist eigentlich dasjenige, was man Geist nennt; denn
das Unnennbare in dem Gemüthszustande bei einer gewissen Vorstellung
auszudrücken und allgemein mittheilbar zu machen, der Ausdruck mag
nun in Sprache, oder Malerei, oder Plastik bestehen: das erfordert
ein Vermögen, das schnell vorübergehende Spiel der Einbildungskraft
|317.15| aufzufassen und in einen Begriff (der eben darum original
ist und #199# zugleich eine neue Regel eröffnet, die aus keinen
vorhergehenden Principien oder Beispielen hat gefolgert werden können)
zu vereinigen, der sich ohne Zwang der Regeln mittheilen läßt.

       *       *       *       *       *

Wenn wir nach diesen Zergliederungen auf die oben gegebene Erklärung
|317.20| dessen, was man =Genie= nennt, zurücksehen, so finden wir:
=erstlich=, daß es ein Talent zur Kunst sei, nicht zur Wissenschaft,
in welcher deutlich gekannte Regeln vorangehen und das Verfahren in
derselben bestimmen müssen; =zweitens=, daß es als Kunsttalent einen
bestimmten Begriff von dem Producte als Zweck, mithin Verstand, aber
auch eine |317.25| (wenn gleich unbestimmte) Vorstellung von dem
Stoff, d. i. der Anschauung, zur Darstellung dieses Begriffs, mithin
ein Verhältniß der Einbildungskraft zum Verstande voraussetze; daß es
sich =drittens= nicht sowohl in der Ausführung des vorgesetzten Zwecks
in Darstellung eines bestimmten =Begriffs=, als vielmehr im Vortrage,
oder dem Ausdrucke =ästhetischer |317.30| Ideen=, welche zu jener
Absicht reichen Stoff enthalten, zeige, mithin die Einbildungskraft in
ihrer Freiheit von aller Anleitung der Regeln dennoch als zweckmäßig
zur Darstellung des gegebenen Begriffs vorstellig mache; daß endlich
=viertens= die ungesuchte, unabsichtliche subjective Zweckmäßigkeit
in der freien Übereinstimmung der Einbildungskraft zur Gesetzlichkeit
#200# des Verstandes eine solche Proportion und Stimmung dieser
Vermögen voraussetze, als keine Befolgung von Regeln, es sei der
Wissenschaft oder mechanischen Nachahmung, bewirken, sondern bloß die
Natur des Subjects hervorbringen kann. |318.5|

Nach diesen Voraussetzungen ist Genie: die musterhafte Originalität
der Naturgabe eines Subjects im =freien= Gebrauche seiner
Erkenntnißvermögen. Auf solche Weise ist das Product eines Genies (nach
demjenigen, was in demselben dem Genie, nicht der möglichen Erlernung
oder der Schule zuzuschreiben ist) ein Beispiel nicht der Nachahmung
(denn da |318.10| würde das, was daran Genie ist und den Geist des
Werks ausmacht, verloren gehen), sondern der Nachfolge für ein
anderes Genie, welches dadurch zum Gefühl seiner eigenen Originalität
aufgeweckt wird, Zwangsfreiheit von Regeln so in der Kunst auszuüben,
daß diese dadurch selbst eine neue Regel bekommt, wodurch das Talent
sich als musterhaft zeigt. |318.15| Weil aber das Genie ein Günstling
der Natur ist, dergleichen man nur als seltene Erscheinung anzusehen
hat: so bringt sein Beispiel für andere gute Köpfe eine Schule hervor,
d. i. eine methodische Unterweisung nach Regeln, soweit man sie aus
jenen Geistesproducten und ihrer Eigenthümlichkeit hat ziehen können;
und für diese ist die schöne Kunst sofern Nachahmung, |318.20| der die
Natur durch ein Genie die Regel gab.

Aber diese Nachahmung wird =Nachäffung=, wenn der Schüler alles
#201# =nachmacht= bis auf das, was das Genie als Mißgestalt nur hat
zulassen müssen, weil es sich, ohne die Idee zu schwächen, nicht wohl
wegschaffen ließ. Dieser Muth ist an einem Genie allein Verdienst; und
eine gewisse |318.25| =Kühnheit= im Ausdrucke und überhaupt manche
Abweichung von der gemeinen Regel steht demselben wohl an, ist aber
keinesweges nachahmungswürdig, sondern bleibt immer an sich ein Fehler,
den man wegzuschaffen suchen muß, für welchen aber das Genie gleichsam
privilegirt ist, da das Unnachahmliche seines Geistesschwunges durch
ängstliche Behutsamkeit |318.30| leiden würde. Das =Manieriren= ist
eine andere Art von Nachäffung, nämlich der bloßen =Eigenthümlichkeit=
(Originalität) überhaupt, um sich ja von Nachahmern so weit als
möglich zu entfernen, ohne doch das Talent zu besitzen, dabei zugleich
=musterhaft= zu sein. — Zwar giebt es zweierlei Art (_modus_)
überhaupt der Zusammenstellung seiner Gedanken |318.35| des Vortrages,
deren die eine =Manier= (_modus aestheticus_), die andere =Methode=
(_modus logicus_) heißt, die sich darin von einander unterscheiden:
daß die erstere kein anderes Richtmaß hat, als das =Gefühl= der Einheit
in der Darstellung, die andere aber hierin bestimmte =Principien=
befolgt; für die schöne Kunst gilt also nur die erstere. Allein
=manierirt= heißt ein Kunstproduct nur alsdann, wenn der Vortrag seiner
Idee in demselben auf die Sonderbarkeit =angelegt= und nicht der Idee
angemessen |319.5| #202# gemacht wird. Das Prangende (Preciöse), das
Geschrobene und Affectirte, um sich nur vom Gemeinen (aber ohne Geist)
zu unterscheiden, sind dem Benehmen desjenigen ähnlich, von dem man
sagt, daß er sich sprechen höre, oder welcher steht und geht, als ob er
auf einer Bühne wäre, um angegafft zu werden, welches jederzeit einen
Stümper verräth. |319.10|


§ 50.

Von der Verbindung des Geschmacks mit Genie in Producten der schönen
Kunst.

Wenn die Frage ist, woran in Sachen der schönen Kunst mehr gelegen
sei, ob daran, daß sich an ihnen Genie, oder ob daß sich Geschmack
|319.15| zeige, so ist das eben so viel, als wenn gefragt würde, ob es
darin mehr auf Einbildung, als auf Urtheilskraft ankomme. Da nun eine
Kunst in Ansehung des ersteren eher eine =geistreiche=, in Ansehung des
zweiten aber allein eine =schöne= Kunst genannt zu werden verdient:
so ist das letztere wenigstens als unumgängliche Bedingung (_conditio
sine qua non_) |319.20| das Vornehmste, worauf man in Beurtheilung
der Kunst als schöne Kunst zu sehen hat. Reich und original an Ideen
zu sein, bedarf es nicht so nothwendig zum Behuf der Schönheit, aber
wohl der Angemessenheit jener Einbildungskraft in ihrer Freiheit zu
der Gesetzmäßigkeit des Verstandes. Denn aller Reichthum der ersteren
bringt in ihrer gesetzlosen Freiheit |319.25| #203# nichts als Unsinn
hervor; die Urtheilskraft ist hingegen das Vermögen, sie dem Verstande
anzupassen.

Der Geschmack ist =so= wie die Urtheilskraft überhaupt die Disciplin
(oder Zucht) des Genies, beschneidet diesem sehr die Flügel und
macht es gesittet oder geschliffen; zugleich aber giebt er diesem
eine Leitung, worüber |319.30| und bis wie weit es sich verbreiten
soll, um zweckmäßig zu bleiben; und indem er Klarheit und Ordnung
in die Gedankenfülle hineinbringt, macht er die Ideen haltbar,
eines daurenden, zugleich auch allgemeinen Beifalls, der Nachfolge
anderer und einer immer fortschreitenden Cultur fähig. Wenn also im
Widerstreite beiderlei Eigenschaften an einem Producte |319.35| etwas
aufgeopfert werden soll, so müßte es eher auf der Seite des Genies
geschehen: und die Urtheilskraft, welche in Sachen der schönen Kunst
aus eigenen Principien den Ausspruch thut, wird eher der Freiheit und
dem Reichthum der Einbildungskraft, als dem Verstande Abbruch zu thun
erlauben. |320.5|

Zur schönen Kunst würden also =Einbildungskraft=, =Verstand=, =Geist=
und =Geschmack= erforderlich sein[17].

  [17] Die drei ersteren Vermögen bekommen durch das vierte
  allererst ihre =Vereinigung=. =Hume= giebt in seiner
  Geschichte den Engländern zu verstehen, daß, obzwar sie
  in ihren Werken keinem Volke in der Welt in Ansehung der
  Beweisthümer |320.30| der drei ersteren Eigenschaften,
  =abgesondert= betrachtet, etwas nachgäben, sie doch in
  der, welche sie vereinigt, ihren Nachbaren, den Franzosen,
  nachstehen müßten.


§ 51. #204#

Von der Eintheilung der schönen Künste.

Man kann überhaupt Schönheit (sie mag Natur- oder Kunstschönheit
|320.10| sein) den =Ausdruck= ästhetischer Ideen nennen: nur daß in
der schönen Kunst diese Idee durch einen Begriff vom Object veranlaßt
werden muß, in der schönen Natur aber die bloße Reflexion über eine
gegebene Anschauung ohne Begriff von dem, was der Gegenstand sein soll,
zur Erweckung und Mittheilung der Idee, von welcher jenes Object als
der |320.15| =Ausdruck= betrachtet wird, hinreichend ist.

Wenn wir also die schönen Künste eintheilen wollen, so können wir,
wenigstens zum Versuche, kein bequemeres Princip dazu wählen, als die
Analogie der Kunst mit der Art des Ausdrucks, dessen sich Menschen im
Sprechen bedienen, um sich so vollkommen, als möglich ist, einander, d.
i. |320.20| nicht bloß ihren Begriffen, sondern auch Empfindungen nach,
mitzutheilen[18]. — Dieser besteht in dem =Worte=, der =Geberdung=
und dem =Tone= (Articulation, Gesticulation und Modulation). Nur
die Verbindung dieser #205# drei Arten des Ausdrucks macht die
vollständige Mittheilung des Sprechenden aus. Denn Gedanke, Anschauung
und Empfindung werden dadurch |320.25| zugleich und vereinigt auf den
andern übergetragen.

  [18] Der Leser wird diesen Entwurf zu einer möglichen
  Eintheilung der schönen Künste nicht als beabsichtigte Theorie
  beurtheilen. Es ist nur einer von den mancherlei Versuchen,
  die man noch anstellen kann und soll. |320.35|

Es giebt also nur dreierlei Arten schöner Künste: die =redende=, die
=bildende= und die Kunst =des Spiels der Empfindungen= (als äußerer
Sinneneindrücke). Man könnte diese Eintheilung auch dichotomisch
einrichten, so daß die schöne Kunst in die des Ausdrucks der Gedanken,
oder der Anschauungen und diese wiederum bloß nach ihrer Form, oder
ihrer Materie (der Empfindung) eingetheilt würde. Allein sie würde
alsdann |321.5| zu abstract und nicht so angemessen den gemeinen
Begriffen aussehen.

1) Die REDENDEN Künste sind =Beredsamkeit= und =Dichtkunst=.
=Beredsamkeit= ist die Kunst, ein Geschäft des Verstandes als ein
freies Spiel der Einbildungskraft zu betreiben; =Dichtkunst=, ein
freies Spiel der Einbildungskraft als ein Geschäft des Verstandes
auszuführen. |321.10|

Der =Redner= also kündigt ein Geschäft an und führt es so aus, als ob
es bloß ein =Spiel= mit Ideen sei, um die Zuhörer zu unterhalten. Der
=Dichter= kündigt bloß ein unterhaltendes =Spiel= mit Ideen an, und
es kommt doch so viel für den Verstand heraus, als ob er bloß dessen
Geschäft zu treiben die Absicht gehabt hätte. Die Verbindung und
Harmonie beider |321.15| #206# Erkenntnißvermögen, der Sinnlichkeit und
des Verstandes, die einander zwar nicht entbehren können, aber doch
auch ohne Zwang und wechselseitigen Abbruch sich nicht wohl vereinigen
lassen, muß unabsichtlich zu sein und sich von selbst so zu fügen
scheinen; sonst ist es nicht =schöne= Kunst. Daher alles Gesuchte und
Peinliche darin vermieden werden muß; |321.20| denn schöne Kunst muß
in doppelter Bedeutung freie Kunst sein: sowohl daß sie nicht als
Lohngeschäft eine Arbeit sei, deren Größe sich nach einem bestimmten
Maßstabe beurtheilen, erzwingen oder bezahlen läßt; als auch, daß das
Gemüth sich zwar beschäftigt, aber dabei doch, ohne auf einen andern
Zweck hinauszusehen, (unabhängig vom Lohne) befriedigt und erweckt
|321.25| fühlt.

Der Redner giebt also zwar etwas, was er nicht verspricht, nämlich ein
unterhaltendes Spiel der Einbildungskraft; aber er bricht auch dem etwas
ab, was er verspricht, und was doch sein angekündigtes Geschäft ist,
nämlich den Verstand zweckmäßig zu beschäftigen. Der Dichter dagegen
|321.30| verspricht wenig und kündigt ein bloßes Spiel mit Ideen an,
leistet aber etwas, was eines Geschäftes würdig ist, nämlich dem
Verstande spielend Nahrung zu verschaffen und seinen Begriffen durch
Einbildungskraft Leben zu geben: mithin jener im Grunde weniger, dieser
mehr, als er verspricht. |321.35|

2) Die BILDENDEN Künste oder die des Ausdrucks für Ideen in #207#
der =Sinnenanschauung= (nicht durch Vorstellungen der bloßen
Einbildungskraft, die durch Worte aufgeregt werden) sind entweder
die der =Sinnenwahrheit= oder des =Sinnenscheins=. Die erste heißt
die =Plastik=, die zweite die =Malerei=. Beide machen Gestalten im
Raume zum Ausdrucke für Ideen: jene macht Gestalten für zwei Sinne
kennbar, dem Gesichte und Gefühl (obzwar dem letzteren nicht in Absicht
auf Schönheit), |322.5| diese nur für den erstern. Die ästhetische
Idee (Archetypon, Urbild) liegt zu beiden in der Einbildungskraft
zum Grunde: die Gestalt aber, welche den Ausdruck derselben ausmacht
(Ektypon, Nachbild), wird entweder in ihrer körperlichen Ausdehnung
(wie der Gegenstand selbst existirt) oder nach der Art, wie diese sich
im Auge malt (nach ihrer Apparenz |322.10| in einer Fläche), gegeben;
oder, was auch das erstere ist, entweder die Beziehung auf einen
wirklichen Zweck, oder nur der Anschein desselben der Reflexion zur
Bedingung gemacht.

Zur =Plastik=, als der ersten Art schöner bildender Künste, gehört die
=Bildhauerkunst= und =Baukunst=. Die =erste= ist diejenige, welche
Begriffe |322.15| von Dingen, so wie sie =in der Natur existiren
könnten=, körperlich darstellt (doch als schöne Kunst mit Rücksicht auf
ästhetische Zweckmäßigkeit); die =zweite= ist die Kunst, Begriffe von
Dingen, die =nur durch Kunst= möglich sind, und deren Form nicht die
Natur, sondern #208# einen willkürlichen Zweck zum Bestimmungsgrunde
hat, zu dieser Absicht, |322.20| doch auch zugleich ästhetisch
zweckmäßig darzustellen. Bei der letzteren ist ein gewisser =Gebrauch=
des künstlichen Gegenstandes die Hauptsache, worauf als Bedingung die
ästhetischen Ideen eingeschränkt werden. Bei der ersteren ist der bloße
=Ausdruck= ästhetischer Ideen die Hauptabsicht. So sind Bildsäulen von
Menschen, Göttern, Thieren u. d. gl. von der erstern |322.25| Art;
aber Tempel, oder Prachtgebäude zum Behuf öffentlicher Versammlungen,
oder auch Wohnungen, Ehrenbogen, Säulen, Cenotaphien u. d. gl., zum
Ehrengedächtniß errichtet, zur Baukunst gehörig. Ja alle Hausgeräthe
(die Arbeit des Tischlers u. d. gl. Dinge zum Gebrauche) können dazu
gezählt werden: weil die Angemessenheit des Products zu einem gewissen
|322.30| Gebrauche das Wesentliche eines =Bauwerks= ausmacht; dagegen
ein bloßes =Bildwerk=, das lediglich zum Anschauen gemacht ist und für
sich selbst gefallen soll, als körperliche Darstellung bloße Nachahmung
der Natur ist, doch mit Rücksicht auf ästhetische Ideen: wobei denn die
=Sinnenwahrheit= nicht so weit gehen darf, daß es aufhöre als Kunst und
|322.35| Product der Willkür zu erscheinen.

Die =Malerkunst=, als die zweite Art bildender Künste, welche den
=Sinnenschein= künstlich mit Ideen verbunden darstellt, würde ich
in die der schönen =Schilderung= der =Natur= und in die der schönen
=Zusammenstellung= ihrer =Producte= eintheilen. Die erste wäre die
=eigentliche #209# Malerei=, die zweite die =Lustgärtnerei=. Denn die
erste giebt nur den Schein der körperlichen Ausdehnung; die zweite zwar
diese nach |323.5| der Wahrheit, aber nur den Schein von Benutzung und
Gebrauch zu anderen Zwecken, als bloß für das Spiel der Einbildung in
Beschauung ihrer Formen[19]. Die letztere ist nichts anders, als die
Schmückung des Bodens mit derselben Mannigfaltigkeit (Gräsern, Blumen,
Sträuchen und Bäumen, selbst Gewässern, Hügeln und Thälern), womit ihn
die Natur |323.10| dem Anschauen darstellt, nur anders und angemessen
gewissen Ideen zusammengestellt. Die schöne Zusammenstellung aber
körperlicher Dinge ist #210# auch nur für das Auge gegeben, wie die
Malerei; der Sinn des Gefühls kann keine anschauliche Vorstellung von
einer solchen Form verschaffen. Zu der Malerei im weiten Sinne würde
ich noch die Verzierung der Zimmer |323.15| durch Tapeten, Aufsätze
und alles schöne Amöblement, welches bloß zur =Ansicht= dient, zählen;
imgleichen die Kunst der Kleidung nach Geschmack (Ringe, Dosen u. s.
w.). Denn ein Parterre von allerlei Blumen, ein Zimmer mit allerlei
Zierathen (selbst den Putz der Damen darunter begriffen) machen an
einem Prachtfeste eine Art von Gemälde aus, welches, |323.20| so
wie die eigentlich sogenannten (die nicht etwa Geschichte, oder
Naturkenntniß zu =lehren= die Absicht haben) bloß zum Ansehen da ist,
um die Einbildungskraft im freien Spiele mit Ideen zu unterhalten und
ohne bestimmten Zweck die ästhetische Urtheilskraft zu beschäftigen.
Das Machwerk an allem diesem Schmucke mag immer mechanisch sehr
unterschieden |323.25| sein und ganz verschiedene Künstler erfordern;
das Geschmacksurtheil ist doch über das, was in dieser Kunst schön
ist, sofern auf einerlei Art bestimmt: nämlich nur die Formen (ohne
Rücksicht auf einen Zweck) so, wie sie sich dem Auge darbieten, einzeln
oder in ihrer Zusammensetzung nach der Wirkung, die sie auf die
Einbildungskraft thun, zu |324.5| beurtheilen. — Wie aber bildende
Kunst zur Geberdung in einer Sprache (der Analogie nach) gezählt werden
könne, wird dadurch gerechtfertigt, #211# daß der Geist des Künstlers
durch diese Gestalten von dem, was und wie er gedacht hat, einen
körperlichen Ausdruck giebt und die Sache selbst gleichsam mimisch
sprechen macht: ein sehr gewöhnliches Spiel unserer |324.10| Phantasie,
welche leblosen Dingen ihrer Form gemäß einen Geist unterlegt, der aus
ihnen spricht.

  [19] Daß die Lustgärtnerei als eine Art von Malerkunst
  betrachtet werden könne, ob sie zwar ihre Formen körperlich
  darstellt, scheint befremdlich; da sie aber ihre Formen
  wirklich aus der Natur nimmt (die Bäume, Gesträuche, Gräser
  und Blumen aus Wald und Feld, wenigstens uranfänglich) und
  sofern nicht etwa wie die Plastik Kunst ist, auch keinen
  Begriff von dem Gegenstande und seinem Zwecke |323.30| (wie
  etwa die Baukunst) zur Bedingung ihrer Zusammenstellung hat,
  sondern bloß das freie Spiel der Einbildungskraft in der
  Beschauung: so kommt sie mit der bloß ästhetischen Malerei,
  die kein bestimmtes Thema hat (Luft, Land und Wasser durch
  Licht und Schatten unterhaltend zusammen stellt), sofern
  überein. — Überhaupt wird der Leser dieses nur als einen
  Versuch von der Verbindung der schönen |323.35| Künste unter
  einem Princip, welches diesmal das des Ausdrucks ästhetischer
  Ideen (nach der Analogie einer Sprache) sein soll, beurtheilen
  und nicht als für entschieden gehaltene Ableitung derselben
  ansehen.

3) Die Kunst des SCHÖNEN SPIELS DER EMPFINDUNGEN (die von außen
erzeugt werden und das sich gleichwohl doch muß allgemein mittheilen
lassen) kann nichts anders als die Proportion der verschiedenen
|324.15| Grade der Stimmung (Spannung) des Sinns, dem die Empfindung
angehört, d. i. den Ton desselben, betreffen; und in dieser
weitläuftigen Bedeutung des Worts kann sie in das künstliche Spiel der
Empfindungen des Gehörs und der des Gesichts, mithin in =Musik= und
=Farbenkunst= eingetheilt werden. — Es ist merkwürdig: daß diese zwei
Sinne außer |324.20| der Empfänglichkeit für Eindrücke, so viel davon
erforderlich ist, um von äußern Gegenständen vermittelst ihrer Begriffe
zu bekommen, noch einer besondern damit verbundenen Empfindung fähig
sind, von welcher man nicht recht ausmachen kann, ob sie den Sinn,
oder die Reflexion zum Grunde habe; und daß diese Affectibilität doch
bisweilen mangeln kann, |324.25| obgleich der Sinn übrigens, was seinen
Gebrauch zum Erkenntniß der Objecte betrifft, gar nicht mangelhaft,
sondern wohl gar vorzüglich fein #212# ist. Das heißt, man kann nicht
mit Gewißheit sagen: ob eine Farbe oder ein Ton (Klang) bloß angenehme
Empfindungen, oder an sich schon ein schönes Spiel von Empfindungen
sei und als ein solches ein Wohlgefallen |324.30| an der Form in der
ästhetischen Beurtheilung bei sich führe. Wenn man die Schnelligkeit
der Licht- oder, in der zweiten Art, der Luftbebungen, die alles
unser Vermögen, die Proportion der Zeiteintheilung durch dieselben
unmittelbar bei der Wahrnehmung zu beurtheilen, wahrscheinlicherweise
bei weitem übertrifft, bedenkt: so sollte man glauben, nur die
=Wirkung= |324.35| dieser Zitterungen auf die elastischen Theile
unsers Körpers werde empfunden, die =Zeiteintheilung= durch dieselben
aber nicht bemerkt und in Beurtheilung gezogen, mithin mit Farben
und Tönen nur Annehmlichkeit, nicht Schönheit ihrer Composition
verbunden. Bedenkt man aber dagegen =erstlich= das Mathematische,
welches sich über die Proportion dieser Schwingungen in der Musik und
ihre Beurtheilung sagen läßt, und beurtheilt die Farbenabstechung,
wie billig, nach der Analogie mit der |325.5| letztern; zieht man
=zweitens= die, obzwar seltenen Beispiele von Menschen, die mit dem
besten Gesichte von der Welt nicht haben Farben und mit dem schärfsten
Gehöre nicht Töne unterscheiden können, zu Rath, imgleichen für die,
welche dieses können, die Wahrnehmung einer veränderten Qualität (nicht
bloß des Grades der Empfindung) bei den verschiedenen Anspannungen
|325.10| auf der Farben- oder Tonleiter, imgleichen daß die Zahl
derselben #213# für =begreifliche= Unterschiede bestimmt ist: so möchte
man sich genöthigt sehen, die Empfindungen von beiden nicht als bloßen
Sinneneindruck, sondern als die Wirkung einer Beurtheilung der Form im
Spiele vieler Empfindungen anzusehen. Der Unterschied, den die eine
oder die |325.15| andere Meinung in der Beurtheilung des Grundes der
Musik giebt, würde aber nur die Definition dahin verändern, daß man sie
entweder, wie wir gethan haben, für das =schöne= Spiel der Empfindungen
(durch das Gehör), oder =angenehmer= Empfindungen erklärte. Nur nach
der erstern Erklärungsart wird Musik gänzlich als =schöne=, nach der
zweiten aber als |325.20| =angenehme= Kunst (wenigstens zum Theil)
vorgestellt werden.


§ 52.

Von der Verbindung der schönen Künste in einem und demselben Producte.

Die Beredsamkeit kann mit einer malerischen Darstellung ihrer
Subjecte |325.25| sowohl als Gegenstände in einem =Schauspiele=, die
Poesie mit Musik im =Gesange=, dieser aber zugleich mit malerischer
(theatralischer) Darstellung in einer =Oper=, das Spiel der
Empfindungen in einer Musik mit dem Spiele der Gestalten im =Tanz=
u. s. w. verbunden werden. Auch kann die Darstellung des Erhabenen,
sofern sie zur schönen Kunst gehört, |325.30| in einem =gereimten
Trauerspiele=, einem =Lehrgedichte=, einem =Oratorium= #214# sich mit
der Schönheit vereinigen; und in diesen Verbindungen ist die schöne
Kunst noch künstlicher: ob aber auch schöner (da sich so mannigfaltige
verschiedene Arten des Wohlgefallens einander durchkreuzen), kann in
einigen dieser Fälle bezweifelt werden. Doch in aller schönen |325.35|
Kunst besteht das Wesentliche in der Form, welche für die Beobachtung
und Beurtheilung zweckmäßig ist, wo die Lust zugleich Cultur ist
und den Geist zu Ideen stimmt, mithin ihn mehrerer solcher Lust und
Unterhaltung empfänglich macht; nicht in der Materie der Empfindung
(dem Reize oder der Rührung), wo es bloß auf Genuß angelegt ist,
welcher |326.5| nichts in der Idee zurückläßt, den Geist stumpf, den
Gegenstand nach und nach anekelnd und das Gemüth durch das Bewußtsein
seiner im Urtheile der Vernunft zweckwidrigen Stimmung mit sich selbst
unzufrieden und launisch macht.

Wenn die schönen Künste nicht nahe oder fern mit moralischen Ideen
|326.10| in Verbindung gebracht werden, die allein ein selbstständiges
Wohlgefallen bei sich führen, so ist das letzere ihr endliches
Schicksal. Sie dienen alsdann nur zur Zerstreuung, deren man immer
desto mehr bedürftig wird, als man sich ihrer bedient, um die
Unzufriedenheit des Gemüths mit sich selbst dadurch zu vertreiben,
daß man sich immer noch unnützlicher und |326.15| mit sich selbst
unzufriedener macht. Überhaupt sind die Schönheiten der Natur zu der
ersteren Absicht am zuträglichsten, wenn man früh dazu #215# gewöhnt
wird, sie zu beobachten, zu beurtheilen und zu bewundern.


§ 53.

Vergleichung des ästhetischen Werths der schönen Künste |326.20|
untereinander.

Unter allen behauptet die =Dichtkunst= (die fast gänzlich dem Genie
ihren Ursprung verdankt und am wenigsten durch Vorschrift, oder durch
Beispiele geleitet sein will) den obersten Rang. Sie erweitert das
Gemüth dadurch, daß sie die Einbildungskraft in Freiheit setzt und
innerhalb |326.25| den Schranken eines gegebenen Begriffs unter der
unbegränzten Mannigfaltigkeit möglicher damit zusammenstimmender
Formen diejenige darbietet, welche die Darstellung desselben mit einer
Gedankenfülle verknüpft, der kein Sprachausdruck völlig adäquat ist,
und sich also ästhetisch zu Ideen erhebt. Sie stärkt das Gemüth, indem
sie es sein |326.30| freies, selbstthätiges und von der Naturbestimmung
unabhängiges Vermögen fühlen läßt, die Natur als Erscheinung nach
Ansichten zu betrachten und zu beurtheilen, die sie nicht von selbst
weder für den Sinn noch den Verstand in der Erfahrung darbietet,
und sie also zum Behuf und gleichsam zum Schema des Übersinnlichen
zu gebrauchen. Sie spielt mit |326.35| dem Schein, den sie nach
Belieben bewirkt, ohne doch dadurch zu betrügen; denn sie erklärt
ihre Beschäftigung selbst für bloßes Spiel, welches gleichwohl #216#
vom Verstande und zu dessen Geschäfte zweckmäßig gebraucht werden
kann. — Die Beredsamkeit, sofern darunter die Kunst zu überreden,
d. i. durch den schönen Schein zu hintergehen (als _ars oratoria_),
und nicht |327.5| bloße Wohlredenheit (Eloquenz und Stil) verstanden
wird, ist eine Dialektik, die von der Dichtkunst nur so viel entlehnt,
als nöthig ist, die Gemüther vor der Beurtheilung für den Redner zu
dessen Vortheil zu gewinnen und dieser die Freiheit zu benehmen; kann
also weder für die Gerichtsschranken, noch für die Kanzeln angerathen
werden. Denn wenn |327.10| es um bürgerliche Gesetze, um das Recht
einzelner Personen, oder um dauerhafte Belehrung und Bestimmung der
Gemüther zur richtigen Kenntniß und gewissenhaften Beobachtung ihrer
Pflicht zu thun ist: so ist es unter der Würde eines so wichtigen
Geschäftes, auch nur eine Spur von Üppigkeit des Witzes und der
Einbildungskraft, noch mehr aber von |327.15| der Kunst zu überreden
und zu irgend jemandes Vortheil einzunehmen blicken zu lassen. Denn
wenn sie gleich bisweilen zu an sich rechtmäßigen und lobenswürdigen
Absichten angewandt werden kann, so wird sie doch dadurch verwerflich,
daß auf diese Art die Maximen und Gesinnungen subjectiv verderbt
werden, wenn gleich die That objectiv gesetzmäßig ist: |327.20| indem
es nicht genug ist, das, was Recht ist, zu thun, sondern es auch
aus dem Grunde allein, weil es Recht ist, auszuüben. Auch hat der
bloße deutliche Begriff dieser Arten von menschlicher Angelegenheit,
mit einer [P:217] lebhaften Darstellung in Beispielen verbunden und
ohne Verstoß wider die Regeln des Wohllauts der Sprache, oder der
Wohlanständigkeit des |327.25| Ausdrucks für Ideen der Vernunft (die
zusammen die Wohlredenheit ausmachen), schon an sich hinreichenden
Einfluß auf menschliche Gemüther, als daß es nöthig wäre noch die
Maschinen der Überredung hiebei anzulegen; welche, da sie eben sowohl
auch zur Beschönigung oder Verdeckung des Lasters und Irrthums
gebraucht werden können, den geheimen Verdacht wegen |327.30| einer
künstlichen Überlistung nicht ganz vertilgen können. In der Dichtkunst
geht alles ehrlich und aufrichtig zu. Sie erklärt sich, ein bloßes
unterhaltendes Spiel mit der Einbildungskraft und zwar der Form nach
einstimmig mit Verstandesgesetzen treiben zu wollen; und verlangt nicht
den Verstand durch sinnliche Darstellung zu überschleichen und zu
verstricken.[20] |327.35|

  [20] Ich muß gestehen: daß ein schönes Gedicht mir immer
  ein reines Vergnügen gemacht hat, anstatt daß die Lesung der
  besten Rede eines römischen Volks- oder jetzigen Parlaments-
  oder Kanzelredners jederzeit mit dem unangenehmen Gefühl der
  Mißbilligung einer hinterlistigen Kunst vermengt war, welche
  die Menschen als |328.25| Maschinen in wichtigen Dingen zu
  einem Urtheile zu bewegen versteht, das im ruhigen Nachdenken
  alles Gewicht bei ihnen verlieren muß. Beredtheit und
  Wohlredenheit (zusammen Rhetorik) gehören zur schönen Kunst;
  aber Rednerkunst (_ars oratoria_) ist, als Kunst sich der
  Schwächen der Menschen zu seinen Absichten zu bedienen (diese
  mögen immer so gut gemeint, oder auch wirklich gut sein,
  als sie |328.30| wollen), gar keiner =Achtung= würdig. Auch
  erhob sie sich nur sowohl in Athen als in Rom zur höchsten
  Stufe zu einer Zeit, da der Staat seinem Verderben zueilte
  und wahre patriotische Denkungsart erloschen war. Wer bei
  klarer Einsicht in Sachen die Sprache nach deren Reichthum und
  Reinigkeit in seiner Gewalt hat und bei einer fruchtbaren, zur
  Darstellung seiner Ideen tüchtigen Einbildungskraft |328.35|
  lebhaften Herzensantheil am wahren Guten nimmt, ist der _vir
  bonus dicendi peritus_, der Redner ohne Kunst, aber voll
  Nachdruck, wie ihn =Cicero= haben will, ohne doch diesem Ideal
  selbst immer treu geblieben zu sein.

Nach der Dichtkunst würde ich, =wenn es um Reiz und Bewegung #218#
des Gemüths zu thun ist=, diejenige, welche ihr unter den redenden
am nächsten kommt und sich damit auch sehr natürlich vereinigen
läßt, nämlich die =Tonkunst=, setzen. Denn ob sie zwar durch lauter
Empfindungen ohne Begriffe spricht, mithin nicht wie die Poesie
etwas zum Nachdenken |328.5| übrig bleiben läßt, so bewegt sie
doch das Gemüth mannigfaltiger und, obgleich bloß vorübergehend,
doch inniglicher; ist aber freilich mehr Genuß als Cultur (das
Gedankenspiel, was nebenbei dadurch erregt wird, ist bloß die Wirkung
einer gleichsam mechanischen Association); und hat, durch Vernunft
beurtheilt, weniger Werth, als jede andere der schönen |328.10|
Künste. Daher verlangt sie wie jeder Genuß öftern Wechsel und hält
die mehrmalige Wiederholung nicht aus, ohne Überdruß zu erzeugen. Der
Reiz derselben, der sich so allgemein mittheilen läßt, scheint darauf
#219# zu beruhen: daß jeder Ausdruck der Sprache im Zusammenhange
einen Ton hat, der dem Sinne desselben angemessen ist; daß dieser Ton
mehr |328.15| oder weniger einen Affect des Sprechenden bezeichnet
und gegenseitig auch im Hörenden hervorbringt, der denn in diesem
umgekehrt auch die Idee erregt, die in der Sprache mit solchem Tone
ausgedrückt wird; und daß, so wie die Modulation gleichsam eine
allgemeine jedem Menschen verständliche Sprache der Empfindungen ist,
die Tonkunst diese für sich |328.20| allein in ihrem ganzen Nachdrucke,
nämlich als Sprache der Affecten, ausübt und so nach dem Gesetze der
Association die damit natürlicher Weise verbundenen ästhetischen Ideen
allgemein mittheilt; daß aber, weil jene ästhetischen Ideen keine
Begriffe und bestimmte Gedanken sind, die Form der Zusammensetzung
dieser Empfindungen (Harmonie und Melodie) nur statt der Form einer
Sprache dazu dient, vermittelst einer proportionirten Stimmung
derselben (welche, weil sie bei Tönen auf dem Verhältniß der Zahl
der Luftbebungen in derselben Zeit, sofern die Töne zugleich oder
|329.5| auch nach einander verbunden werden, beruht, mathematisch
unter gewisse Regeln gebracht werden kann) die ästhetische Idee
eines zusammenhängenden Ganzen einer unnennbaren Gedankenfülle einem
gewissen Thema gemäß, welches den in dem Stücke herrschenden Affect
ausmacht, auszudrücken. An dieser mathematischen Form, obgleich nicht
durch bestimmte |329.10| #220# Begriffe vorgestellt, hängt allein
das Wohlgefallen, welches die bloße Reflexion über eine solche Menge
einander begleitender oder folgender Empfindungen mit diesem Spiele
derselben als für jedermann gültige Bedingung seiner Schönheit
verknüpft; und sie ist es allein, nach welcher der Geschmack sich ein
Recht über das Urtheil von jedermann zum voraus |329.15| auszusprechen
anmaßen darf.

Aber an dem Reize und der Gemüthsbewegung, welche die Musik
hervorbringt, hat die Mathematik sicherlich nicht den mindesten
Antheil; sondern sie ist nur die unumgängliche Bedingung (_conditio
sine qua non_) derjenigen Proportion der Eindrücke in ihrer Verbindung
sowohl als |329.20| ihrem Wechsel, wodurch es möglich wird sie zusammen
zu fassen und zu verhindern, daß diese einander nicht zerstören,
sondern zu einer continuirlichen Bewegung und Belebung des Gemüths
durch damit consonirende Affecten und hiemit zu einem behaglichen
Selbstgenusse zusammenstimmen.

Wenn man dagegen den Werth der schönen Künste nach der Cultur |329.25|
schätzt, die sie dem Gemüth verschaffen, und die Erweiterung der
Vermögen, welche in der Urtheilskraft zum Erkenntnisse zusammen
kommen müssen, zum Maßstabe nimmt: so hat Musik unter den schönen
Künsten sofern den untersten (so wie unter denen, die zugleich nach
ihrer Annehmlichkeit geschätzt werden, vielleicht den obersten)
Platz, weil sie bloß mit |329.30| Empfindungen spielt. Die bildenden
Künste gehen ihr also in diesem #221# Betracht weit vor; denn
indem sie die Einbildungskraft in ein freies und doch zugleich dem
Verstande angemessenes Spiel versetzen, so treiben sie zugleich
ein Geschäft, indem sie ein Product zu Stande bringen, welches den
Verstandesbegriffen zu einem dauerhaften und für sie selbst sich
empfehlenden |329.35| Vehikel dient, die Vereinigung derselben mit der
Sinnlichkeit und so gleichsam die Urbanität der obern Erkenntnißkräfte
zu befördern. Beiderlei Art Künste nehmen einen ganz verschiedenen
Gang: die erstere von Empfindungen zu unbestimmten Ideen; die zweite
Art aber von bestimmten Ideen zu Empfindungen. Die letztern sind
von =bleibendem=, die erstern nur von =transitorischem= Eindrucke.
Die Einbildungskraft kann jene zurückrufen und sich damit angenehm
unterhalten; diese aber |330.5| erlöschen entweder gänzlich, oder wenn
sie unwillkürlich von der Einbildungskraft wiederholt werden, sind sie
uns eher lästig als angenehm. Außerdem hängt der Musik ein gewisser
Mangel der Urbanität an, daß sie vornehmlich nach Beschaffenheit ihrer
Instrumente ihren Einfluß weiter, als man ihn verlangt, (auf die
Nachbarschaft) ausbreitet und so |330.10| sich gleichsam aufdringt,
mithin der Freiheit andrer außer der musikalischen Gesellschaft Abbruch
thut; welches die Künste, die zu den Augen reden, nicht thun, indem man
seine Augen nur wegwenden darf, wenn man ihren Eindruck nicht einlassen
will. Es ist hiemit fast so, wie mit #222# der Ergötzung durch einen
sich weit ausbreitenden Geruch bewandt. Der, |330.15| welcher sein
parfümirtes Schnupftuch aus der Tasche zieht, tractirt alle um und
neben sich wider ihren Willen und nöthigt sie, wenn sie athmen wollen,
zugleich zu genießen; daher es auch aus der Mode gekommen ist.[21]
— Unter den bildenden Künsten würde ich der =Malerei= den Vorzug
geben: theils weil sie als Zeichnungskunst allen übrigen bildenden zum
|330.20| Grunde liegt; theils weil sie weit mehr in die Region der
Ideen eindringen und auch das Feld der Anschauung diesen gemäß mehr
erweitern kann, als es den übrigen verstattet ist.

  [21] Diejenigen, welche zu den häuslichen Andachtsübungen
  auch das Singen geistlicher Lieder empfohlen haben, bedachten
  nicht, daß sie dem Publicum durch eine solche =lärmende=
  (eben dadurch gemeiniglich pharisäische) Andacht eine große
  Beschwerde auflegen, indem sie die Nachbarschaft entweder mit
  zu singen oder ihr Gedankengeschäft niederzulegen nöthigen.
  |330.35|


§ 54.

Anmerkung. |330.25|

Zwischen dem, =was bloß in der Beurtheilung gefällt=, und dem, was
=vergnügt= (in der Empfindung gefällt), ist, wie wir oft gezeigt
haben, ein wesentlicher Unterschied. Das letztere ist etwas, welches
man nicht so, wie das erstere jedermann ansinnen kann. Vergnügen (die
Ursache desselben mag immerhin auch in Ideen liegen) scheint jederzeit
in |330.30| einem Gefühl der Beförderung des gesammten Lebens des
Menschen, mithin auch des körperlichen Wohlbefindens, d. i. der
Gesundheit, zu bestehen; #223# so daß =Epikur=, der alles Vergnügen
im Grunde für körperliche Empfindung ausgab, sofern vielleicht nicht
Unrecht haben mag und sich nur selbst mißverstand, wenn er das
intellectuelle und selbst praktische Wohlgefallen |331.5| zu den
Vergnügen zählte. Wenn man den letztern Unterschied vor Augen hat, so
kann man sich erklären, wie ein Vergnügen dem, der es empfindet, selbst
mißfallen könne (wie die Freude eines dürftigen, aber wohldenkenden
Menschen über die Erbschaft von seinem ihn liebenden, aber kargen
Vater), oder wie ein tiefer Schmerz dem, der ihn leidet, doch gefallen
|331.10| könne (die Traurigkeit einer Wittwe über ihres verdienstvollen
Mannes Tod), oder wie ein Vergnügen obenein noch gefallen könne (wie
das an Wissenschaften, die wir treiben), oder ein Schmerz (z. B. Haß,
Neid und Rachgierde) uns noch dazu mißfallen könne. Das Wohlgefallen
oder Mißfallen beruht hier auf der Vernunft und ist mit der =Billigung=
oder |331.15| =Mißbilligung= einerlei; Vergnügen und Schmerz aber
können nur auf dem Gefühl oder der Aussicht auf ein (aus welchem Grunde
es auch sei) mögliches =Wohl-= oder =Übelbefinden= beruhen.

Alles wechselnde freie Spiel der Empfindungen (die keine Absicht zum
Grunde haben) vergnügt, weil es das Gefühl der Gesundheit befördert:
|331.20| wir mögen nun in der Vernunftbeurtheilung an seinem
Gegenstande und selbst an diesem Vergnügen ein Wohlgefallen haben oder
nicht; und dieses Vergnügen kann bis zum Affect steigen, obgleich wir
an dem Gegenstande selbst kein Interesse, wenigstens kein solches
nehmen, was dem Grad des letztern proportionirt wäre. Wir können sie
ins =Glücksspiel=, =Tonspiel= |331.25| und =Gedankenspiel= eintheilen.
Das =erste= fordert ein =Interesse=, es sei der Eitelkeit oder des
Eigennutzes, welches aber bei weitem nicht so groß ist, als das
Interesse an der Art, wie wir es uns zu verschaffen suchen; #224# das
=zweite= bloß den Wechsel der =Empfindungen=, deren jede ihre Beziehung
auf Affect, aber ohne den Grad eines Affects hat und ästhetische
|331.30| Ideen rege macht; das =dritte= entspringt bloß aus dem Wechsel
der Vorstellungen in der Urtheilskraft, wodurch zwar kein Gedanke, der
irgend ein Interesse bei sich führte, erzeugt, das Gemüth aber doch
belebt wird.

Wie vergnügend die Spiele sein müssen, ohne daß man nöthig hätte
interessirte Absicht dabei zum Grunde zu legen, zeigen alle unsere
Abendgesellschaften; |331.35| denn ohne Spiel kann sich beinahe keine
unterhalten. Aber die Affecten der Hoffnung, der Furcht, der Freude,
des Zorns, des Hohns spielen dabei, indem sie jeden Augenblick ihre
Rolle wechseln, und sind so lebhaft, daß dadurch als eine innere
Motion das ganze Lebensgeschäft im Körper befördert zu sein scheint,
wie eine dadurch erzeugte Munterkeit des Gemüths es beweist, obgleich
weder etwas gewonnen noch gelernt worden. Aber da das Glücksspiel kein
schönes Spiel ist, so wollen wir es hier bei |332.5| Seite setzen.
Hingegen Musik und Stoff zum Lachen sind zweierlei Arten des Spiels
mit ästhetischen Ideen, oder auch Verstandesvorstellungen, wodurch
am Ende nichts gedacht wird, und die bloß durch ihren Wechsel und
dennoch lebhaft vergnügen können; wodurch sie ziemlich klar zu erkennen
geben, daß die Belebung in beiden bloß körperlich sei, ob sie gleich
von |332.10| Ideen des Gemüths erregt wird, und daß das Gefühl der
Gesundheit durch eine jenem Spiele correspondirende Bewegung der
Eingeweide das ganze, für so fein und geistvoll gepriesene Vergnügen
einer aufgeweckten Gesellschaft ausmacht. Nicht die Beurtheilung
der Harmonie in Tönen oder Witzeinfällen, die mit ihrer Schönheit
nur zum nothwendigen Vehikel |332.15| dient, sondern das beförderte
Lebensgeschäft im Körper, der Affect, der die #225# Eingeweide und das
Zwerchfell bewegt, mit einem Worte das Gefühl der Gesundheit (welche
sich ohne solche Veranlassung sonst nicht fühlen läßt), machen das
Vergnügen aus, welches man daran findet, daß man dem Körper auch durch
die Seele beikommen und diese zum Arzt von jenem |332.20| brauchen kann.

In der Musik geht dieses Spiel von der Empfindung des Körpers zu
ästhetischen Ideen (der Objecte für Affecten), von diesen alsdann
wieder zurück, aber mit vereinigter Kraft auf den Körper. Im Scherze
(der eben sowohl wie jene eher zur angenehmen, als schönen Kunst
gezählt zu werden |332.25| verdient) hebt das Spiel von Gedanken an,
die insgesammt, sofern sie sich sinnlich ausdrücken wollen, auch den
Körper beschäftigen; und indem der Verstand in dieser Darstellung,
worin er das Erwartete nicht findet, plötzlich nachläßt, so fühlt man
die Wirkung dieser Nachlassung im Körper durch die Schwingung der
Organen, welche die Herstellung ihres Gleichgewichts |332.30| befördert
und auf die Gesundheit einen wohlthätigen Einfluß hat.

Es muß in allem, was ein lebhaftes, erschütterndes Lachen erregen
soll, etwas Widersinniges sein (woran also der Verstand an sich
kein Wohlgefallen finden kann). =Das Lachen ist ein Affect aus der
plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts.= |332.35|
Eben diese Verwandlung, die für den Verstand gewiß nicht erfreulich
ist, erfreuet doch indirekt auf einen Augenblick sehr lebhaft. Also
muß die Ursache in dem Einflusse der Vorstellung auf den Körper und
dessen Wechselwirkung auf das Gemüth bestehen; und zwar nicht, sofern
die Vorstellung objectiv ein Gegenstand des Vergnügens ist (denn wie
kann eine getäuschte Erwartung vergnügen?), sondern lediglich dadurch,
daß sie als #226# bloßes Spiel der Vorstellungen ein Gleichgewicht der
Lebenskräfte im |333.5| Körper hervorbringt.

Wenn jemand erzählt: daß ein Indianer, der an der Tafel eines
Engländers in Surate eine Bouteille mit Ale öffnen und alles dies
Bier, in Schaum verwandelt, herausdringen sah, mit vielen Ausrufungen
seine große Verwunderung anzeigte und auf die Frage des Engländers:
Was |333.10| ist denn hier sich so sehr zu verwundern? antwortete:
Ich wundere mich auch nicht darüber, daß es herausgeht, sondern wie
ihrs habt herein kriegen können, so lachen wir, und es macht uns eine
herzliche Lust: nicht weil wir uns etwa klüger finden als diesen
Unwissenden, oder sonst über etwas, was uns der Verstand hierin
Wohlgefälliges bemerken ließe; sondern unsre |333.15| Erwartung war
gespannt und verschwindet plötzlich in Nichts. Oder wenn der Erbe
eines reichen Verwandten diesem sein Leichenbegängniß recht feierlich
veranstalten will, aber klagt, daß es ihm hiemit nicht recht gelingen
wolle; denn (sagt er): je mehr ich meinen Trauerleuten Geld gebe,
betrübt auszusehen, desto lustiger sehen sie aus, so lachen wir laut,
und der Grund |333.20| liegt darin, daß eine Erwartung sich plötzlich
in Nichts verwandelt. Man muß wohl bemerken: daß sie sich nicht in das
positive Gegentheil eines erwarteten Gegenstandes — denn das ist immer
Etwas und kann oft betrüben, — sondern in Nichts verwandeln müsse.
Denn wenn jemand uns mit der Erzählung einer Geschichte große Erwartung
erregt, und wir beim |333.25| Schlusse die Unwahrheit derselben sofort
einsehen, so macht es uns Mißfallen; wie z. B. die von Leuten, welche
vor großem Gram in einer Nacht graue Haare bekommen haben sollen.
Dagegen wenn auf eine dergleichen Erzählung zur Erwiderung ein anderer
Schalk sehr umständlich den Gram eines Kaufmanns erzählt, der, aus
Indien mit allem seinem Vermögen |333.30| #227# in Waaren nach Europa
zurückkehrend, in einem schweren Sturm alles über Bord zu werfen
genöthigt wurde und sich dermaßen grämte, daß ihm darüber in derselben
Nacht die =Perrüke= grau ward: so lachen wir, und es macht uns
Vergnügen, weil wir unsern eignen Mißgriff nach einem für uns übrigens
gleichgültigen Gegenstande, oder vielmehr unsere |333.35| verfolgte
Idee wie einen Ball noch eine Zeit lang hin- und herschlagen, indem wir
bloß gemeint sind ihn zu greifen und fest zu halten. Es ist hier nicht
die Abfertigung eines Lügners oder Dummkopfs, welche das Vergnügen
erweckt: denn auch für sich würde die letztere mit angenommenem Ernst
erzählte Geschichte eine Gesellschaft in ein helles Lachen versetzen;
und jenes wäre gewöhnlichermaßen auch der Aufmerksamkeit nicht werth.
|334.5|.

Merkwürdig ist: daß in allen solchen Fällen der Spaß immer etwas in
sich enthalten muß, welches auf einen Augenblick täuschen kann; daher
wenn der Schein in Nichts verschwindet, das Gemüth wieder zurücksieht,
um es mit ihm noch einmal zu versuchen, und so durch schnell hinter
einander folgende Anspannung und Abspannung hin- und zurückgeschnellt
|334.10| und in Schwankung gesetzt wird: die, weil der Absprung
von dem, was gleichsam die Saite anzog, plötzlich (nicht durch ein
allmähliges Nachlassen) geschah, eine Gemüthsbewegung und mit ihr
harmonirende inwendige körperliche Bewegung verursachen muß, die
unwillkürlich fortdauert und Ermüdung, dabei aber auch Aufheiterung
(die Wirkungen einer zur Gesundheit |334.15| gereichenden Motion)
hervorbringt.

Denn wenn man annimmt, daß mit allen unsern Gedanken zugleich irgend
eine Bewegung in den Organen des Körpers harmonisch verbunden sei:
so wird man so ziemlich begreifen, wie jener plötzlichen Versetzung
des Gemüths bald in einen, bald in den andern Standpunkt, um seinen
Gegenstand |334.20| #228# zu betrachten, eine wechselseitige Anspannung
und Loslassung der elastischen Theile unserer Eingeweide, die sich dem
Zwerchfell mittheilt, correspondiren könne (gleich derjenigen, welche
kitzliche Leute fühlen): wobei die Lunge die Luft mit schnell einander
folgenden Absätzen ausstößt und so eine der Gesundheit zuträgliche
Bewegung bewirkt, welche allein |334.25| und nicht das, was im Gemüthe
vorgeht, die eigentliche Ursache des Vergnügens an einem Gedanken ist,
der im Grunde nichts vorstellt. — Voltaire sagte, der Himmel habe uns
zum Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens zwei Dinge
gegeben: die =Hoffnung= und den =Schlaf=. Er hätte noch das =Lachen=
dazu rechnen können; wenn die Mittel |334.30| es bei Vernünftigen
zu erregen nur so leicht bei der Hand wären, und der Witz oder die
Originalität der Laune, die dazu erforderlich sind, nicht ebenso
selten wären, als häufig das Talent ist, =kopfbrechend= wie mystische
Grübler, =halsbrechend= wie Genies, oder =herzbrechend= wie empfindsame
Romanschreiber (auch wohl dergleichen Moralisten) zu dichten. |334.35|

Man kann also, wie mich dünkt, dem Epikur wohl einräumen: daß alles
Vergnügen, wenn es gleich durch Begriffe veranlaßt wird, welche
ästhetische Ideen erwecken, =animalische=, d. i. körperliche,
Empfindung sei; ohne dadurch dem =geistigen= Gefühl der Achtung
für moralische Ideen, welches kein Vergnügen ist, sondern eine
Selbstschätzung (der Menschheit in uns), die uns über das Bedürfniß
desselben erhebt, ja selbst nicht einmal dem minder edlen des
=Geschmacks= im mindesten Abbruch zu thun. |335.5|

Etwas aus beiden Zusammengesetztes findet sich in der =Naivität=, die
der Ausbruch der der Menschheit ursprünglich natürlichen Aufrichtigkeit
wider die zur andern Natur gewordene Verstellungskunst ist. Man #229#
lacht über die Einfalt, die es noch nicht versteht sich zu verstellen;
und erfreut sich doch auch über die Einfalt der Natur, die jener Kunst
hier einen |335.10| Querstrich spielt. Man erwartete die alltägliche
Sitte der gekünstelten und auf den schönen Schein vorsichtig angelegten
Äußerung; und siehe! es ist die unverdorbne, schuldlose Natur, die man
anzutreffen gar nicht gewärtig und die der, welcher sie blicken ließ,
zu entblößen auch nicht gemeint war. Daß der schöne, aber falsche
Schein, der gewöhnlich in unserm Urtheile |335.15| sehr viel bedeutet,
hier plötzlich in Nichts verwandelt, daß gleichsam der Schalk in uns
selbst bloßgestellt wird, bringt die Bewegung des Gemüths nach zwei
entgegengesetzten Richtungen nach einander hervor, die zugleich den
Körper heilsam schüttelt. Daß aber etwas, was unendlich besser als
alle angenommene Sitte ist, die Lauterkeit der Denkungsart (wenigstens
|335.20| die Anlage dazu), doch nicht ganz in der menschlichen Natur
erloschen ist, mischt Ernst und Hochschätzung in dieses Spiel der
Urtheilskraft. Weil es aber nur eine auf kurze Zeit sich hervorthuende
Erscheinung ist, und die Decke der Verstellungskunst bald wieder
vorgezogen wird: so mengt sich zugleich ein Bedauren darunter, welches
eine Rührung der Zärtlichkeit |335.25| ist, die sich als Spiel mit
einem solchen gutherzigen Lachen sehr wohl verbinden läßt und auch
wirklich damit gewöhnlich verbindet, zugleich auch demjenigen, der den
Stoff dazu hergiebt, die Verlegenheit darüber, daß er noch nicht nach
Menschenweise gewitzigt ist, zu vergüten pflegt. — Eine Kunst, =naiv=
zu sein, ist daher ein Widerspruch; allein die Naivität in |335.30|
einer erdichteten Person vorzustellen, ist wohl möglich und schöne,
obzwar auch seltene Kunst. Mit der Naivität muß offenherzige Einfalt,
welche die Natur nur darum nicht verkünstelt, weil sie sich darauf
nicht versteht, #230# was Kunst des Umganges sei, nicht verwechselt
werden.

Zu dem, was aufmunternd, mit dem Vergnügen aus dem Lachen |335.35|
nahe verwandt und zur Originalität des Geistes, aber eben nicht zum
Talent der schönen Kunst gehörig ist, kann auch die =launichte= Manier
gezählt werden. =Laune= im guten Verstande bedeutet nämlich das Talent,
sich willkürlich in eine gewisse Gemüthsdisposition versetzen zu
können, in der alle Dinge ganz anders als gewöhnlich (sogar umgekehrt)
und doch gewissen Vernunftprincipien in einer solchen Gemüthsstimmung
gemäß beurtheilt werden. Wer solchen Veränderungen unwillkürlich
unterworfen |336.5| ist, ist =launisch=; wer sie aber willkürlich und
zweckmäßig (zum Behuf einer lebhaften Darstellung vermittelst eines
Lachen erregenden Contrastes) anzunehmen vermag, der und sein Vortrag
heißt =launicht=. Diese Manier gehört indeß mehr zur angenehmen als
schönen Kunst, weil der Gegenstand der letztern immer einige Würde
an sich zeigen muß und daher einen |336.10| gewissen Ernst in der
Darstellung, so wie der Geschmack in der Beurtheilung erfordert.



Der Kritik der ästhetischen Urtheilskraft #231#



Zweiter Abschnitt.

Die Dialektik der ästhetischen Urtheilskraft.


§ 55.

Eine Urtheilskraft, die dialektisch sein soll, muß zuvörderst
vernünftelnd |337.5| sein; d. i. die Urtheile derselben müssen
auf Allgemeinheit und zwar a priori Anspruch machen[22]: denn in
solcher Urtheile Entgegensetzung besteht die Dialektik. Daher ist
die Unvereinbarkeit ästhetischer Sinnesurtheile (über das Angenehme
und Unangenehme) nicht dialektisch. Auch der Widerstreit der
Geschmacksurtheile, sofern sich ein jeder bloß auf seinen |337.10|
eignen Geschmack beruft, macht keine Dialektik des Geschmacks aus:
weil #232# niemand sein Urtheil zur allgemeinen Regel zu machen
gedenkt. Es bleibt also kein Begriff von einer Dialektik übrig,
welche den Geschmack angehen könnte, als der einer Dialektik der
=Kritik= des Geschmacks (nicht des Geschmacks selbst) in Ansehung
ihrer =Principien=: da nämlich über den |337.15| Grund der Möglichkeit
der Geschmacksurtheile überhaupt einander widerstreitende Begriffe
natürlicher und unvermeidlicher Weise auftreten. Transscendentale
Kritik des Geschmacks wird also nur sofern einen Theil enthalten,
der den Namen einer Dialektik der ästhetischen Urtheilskraft führen
kann, wenn sich eine Antinomie der Principien dieses Vermögens findet,
|337.20| welche die Gesetzmäßigkeit desselben, mithin auch seine innere
Möglichkeit zweifelhaft macht.

  [22] Ein vernünftelndes Urtheil (_iudicium ratiocinans_)
  kann ein jedes heißen, das sich als allgemein ankündigt; denn
  sofern kann es zum Obersatze in einem Vernunftschlusse dienen.
  Ein Vernunfturtheil (_iudicium ratiocinatum_) kann dagegen
  nur ein |337.25| solches genannt werden, welches als der
  Schlußsatz von einem Vernunftschlusse, folglich als _a priori_
  gegründet gedacht wird.


§ 56.

Vorstellung der Antinomie des Geschmacks.

Der erste Gemeinort des Geschmacks ist in dem Satze, womit sich jeder
Geschmacklose gegen Tadel zu verwahren denkt, enthalten: =ein jeder hat
seinen eignen Geschmack=. Das heißt so viel als: der Bestimmungsgrund
|338.5| dieses Urtheils ist bloß subjectiv (Vergnügen oder Schmerz);
und das Urtheil hat kein Recht auf die nothwendige Beistimmung anderer.

Der zweite Gemeinort desselben, der auch von denen sogar gebraucht
wird, die dem Geschmacksurtheile das Recht einräumen, für jedermann
#233# gültig auszusprechen, ist: =über den Geschmack läßt sich nicht
disputiren=. |338.10| Das heißt so viel als: der Bestimmungsgrund eines
Geschmacksurtheils mag zwar auch objectiv sein, aber er läßt sich
nicht auf bestimmte Begriffe bringen; mithin kann über das Urtheil
selbst durch Beweise nichts =entschieden= werden, obgleich darüber
gar wohl und mit Recht =gestritten= werden kann. Denn =Streiten=
und =Disputiren= sind zwar |338.15| darin einerlei, daß sie durch
wechselseitigen Widerstand der Urtheile Einhelligkeit derselben
hervorzubringen suchen, darin aber verschieden, daß das letztere dieses
nach bestimmten Begriffen als Beweisgründen zu bewirken hofft, mithin
=objective Begriffe= als Gründe des Urtheils annimmt. Wo dieses aber
als unthunlich betrachtet wird, da wird das Disputiren |338.20| eben
sowohl als unthunlich beurtheilt.

Man sieht leicht, daß zwischen diesen zwei Gemeinörtern ein Satz fehlt,
der zwar nicht sprichwörtlich im Umlaufe, aber doch in jedermanns
Sinne enthalten ist, nämlich: =über den Geschmack läßt sich streiten=
(obgleich nicht disputiren). Dieser Satz aber enthält das Gegentheil
des |338.25| obersten Satzes. Denn worüber es erlaubt sein soll zu
streiten, da muß Hoffnung sein unter einander überein zu kommen; mithin
muß man auf Gründe des Urtheils, die nicht bloß Privatgültigkeit haben
und also nicht bloß subjectiv sind, rechnen können; welchem gleichwohl
jener Grundsatz: =ein jeder hat seinen eignen Geschmack=, gerade
entgegen ist. |338.30|

Es zeigt sich also in Ansehung des Princips des Geschmacks folgende
#234# Antinomie:

1) =Thesis.= Das Geschmacksurtheil gründet sich nicht auf Begriffen;
denn sonst ließe sich darüber disputiren (durch Beweise entscheiden).

2) =Antithesis.= Das Geschmacksurtheil gründet sich auf Begriffen;
|338.35| denn sonst ließe sich ungeachtet der Verschiedenheit desselben
darüber auch nicht einmal streiten (auf die nothwendige Einstimmung
anderer mit diesem Urtheile Anspruch machen).


§ 57.

Auflösung der Antinomie des Geschmacks.

Es ist keine Möglichkeit, den Widerstreit jener jedem
Geschmacksurtheile |339.5| untergelegten Principien (welche nichts
anders sind, als die oben in der Analytik vorgestellten zwei
Eigenthümlichkeiten des Geschmacksurtheils) zu heben, als daß man
zeigt: der Begriff, worauf man das Object in dieser Art Urtheile
bezieht, werde in beiden Maximen der ästhetischen Urtheilskraft
nicht in einerlei Sinn genommen; dieser zwiefache Sinn oder |339.10|
Gesichtspunkt der Beurtheilung sei unserer transscendentalen
Urtheilskraft nothwendig; aber auch der Schein in der Vermengung des
einen mit dem andern, als natürliche Illusion, unvermeidlich.

Auf irgend einen Begriff muß sich das Geschmacksurtheil beziehen; denn
sonst könnte es schlechterdings nicht auf nothwendige Gültigkeit für
|339.15| #235# jedermann Anspruch machen. Aber =aus= einem Begriffe
darf es darum eben nicht erweislich sein, weil ein Begriff entweder
bestimmbar, oder auch an sich unbestimmt und zugleich unbestimmbar
sein kann. Von der erstern Art ist der Verstandesbegriff, der durch
Prädicate der sinnlichen Anschauung, die ihm correspondiren kann,
bestimmbar ist; von der zweiten |339.20| aber der transscendentale
Vernunftbegriff von dem Übersinnlichen, was aller jener Anschauung zum
Grunde liegt, der also weiter nicht theoretisch bestimmt werden kann.

Nun geht das Geschmacksurtheil auf Gegenstände der Sinne, aber nicht um
einen =Begriff= derselben für den Verstand zu bestimmen; denn |339.25|
es ist kein Erkenntnißurtheil. Es ist daher, als auf das Gefühl der
Lust bezogene anschauliche einzelne Vorstellung, nur ein Privaturtheil:
und sofern würde es seiner Gültigkeit nach auf das urtheilende
Individuum allein beschränkt sein: der Gegenstand ist =für mich= ein
Gegenstand des Wohlgefallens, für andre mag es sich anders verhalten;
— ein jeder hat |339.30| seinen Geschmack.

Gleichwohl ist ohne Zweifel im Geschmacksurtheile eine erweiterte
Beziehung der Vorstellung des Objects (zugleich auch des Subjects)
enthalten, worauf wir eine Ausdehnung dieser Art Urtheile als
nothwendig für jedermann gründen: welcher daher nothwendig irgend
ein Begriff zum |339.35| Grunde liegen muß; aber ein Begriff, der
sich gar nicht durch Anschauung #236# bestimmen, durch den sich
nichts erkennen, mithin auch =kein Beweis= für das Geschmacksurtheil
=führen läßt=. Ein dergleichen Begriff aber ist der bloße reine
Vernunftbegriff von dem Übersinnlichen, was dem Gegenstande (und auch
dem urtheilenden Subjecte) als Sinnenobjecte, mithin |340.5| als
Erscheinung zum Grunde liegt. Denn nähme man eine solche Rücksicht
nicht an, so wäre der Anspruch des Geschmacksurtheils auf allgemeine
Gültigkeit nicht zu retten; wäre der Begriff, worauf es sich gründet,
ein nur bloß verworrener Verstandesbegriff etwa von Vollkommenheit,
dem man correspondirend die sinnliche Anschauung des Schönen beigeben
|340.10| könnte: so würde es wenigstens an sich möglich sein,
das Geschmacksurtheil auf Beweise zu gründen, welches der Thesis
widerspricht.

Nun fällt aber aller Widerspruch weg, wenn ich sage: das
Geschmacksurtheil gründet sich auf einem Begriffe (eines Grundes
überhaupt von der subjectiven Zweckmäßigkeit der Natur für die
Urtheilskraft), aus dem |340.15| aber nichts in Ansehung des Objects
erkannt und bewiesen werden kann, weil er an sich unbestimmbar und zum
Erkenntniß untauglich ist; es bekommt aber durch eben denselben doch
zugleich Gültigkeit für jedermann (bei jedem zwar als einzelnes, die
Anschauung unmittelbar begleitendes Urtheil): weil der Bestimmungsgrund
desselben vielleicht im Begriffe von |340.20| demjenigen liegt, was als
das übersinnliche Substrat der Menschheit angesehen #237# werden kann.

Es kommt bei der Auflösung einer Antinomie nur auf die Möglichkeit an,
daß zwei einander dem Scheine nach widerstreitende Sätze einander in
der That nicht widersprechen, sondern neben einander bestehen |340.25|
können, wenn gleich die Erklärung der Möglichkeit ihres Begriffs unser
Erkenntnißvermögen übersteigt. Daß dieser Schein auch natürlich und der
menschlichen Vernunft unvermeidlich sei, imgleichen warum er es sei und
bleibe, ob er gleich nach der Auflösung des Scheinwiderspruchs nicht
betrügt, kann hieraus auch begreiflich gemacht werden. |340.30|

Wir nehmen nämlich den Begriff, worauf die Allgemeingültigkeit eines
Urtheils sich gründen muß, in beiden widerstreitenden Urtheilen in
einerlei Bedeutung und sagen doch von ihm zwei entgegengesetzte
Prädicate aus. In der Thesis sollte es daher heißen: Das
Geschmacksurtheil gründet sich nicht auf =bestimmten= Begriffen; in der
Antithesis aber: |340.35| Das Geschmacksurtheil gründet sich doch auf
einem, obzwar =unbestimmten=, Begriffe (nämlich vom übersinnlichen
Substrat der Erscheinungen); und alsdann wäre zwischen ihnen kein
Widerstreit.

Mehr, als diesen Widerstreit in den Ansprüchen und Gegenansprüchen
des Geschmacks zu heben, können wir nicht leisten. Ein bestimmtes
objectives Princip des Geschmacks, wornach die Urtheile desselben
geleitet, |341.5| #238# geprüft und bewiesen werden könnten, zu
geben, ist schlechterdings unmöglich; denn es wäre alsdann kein
Geschmacksurtheil. Das subjective Princip, nämlich die unbestimmte
Idee des Übersinnlichen in uns, kann nur als der einzige Schlüssel
der Enträthselung dieses uns selbst seinen Quellen nach verborgenen
Vermögens angezeigt, aber durch nichts weiter begreiflich |341.10|
gemacht werden.

Der hier aufgestellten und ausgeglichenen Antinomie liegt der richtige
Begriff des Geschmacks, nämlich als einer bloß reflectirenden
ästhetischen Urtheilskraft, zum Grunde; und da wurden beide dem
Scheine nach widerstreitende Grundsätze mit einander vereinigt, indem
=beide wahr |341.15| sein können=, welches auch genug ist. Würde
dagegen zum Bestimmungsgrunde des Geschmacks (wegen der Einzelnheit
der Vorstellung, die dem Geschmacksurtheil zum Grunde liegt), wie von
Einigen geschieht, die =Annehmlichkeit=, oder, wie Andere (wegen der
Allgemeingültigkeit desselben) wollen, das Princip der =Vollkommenheit=
angenommen und die Definition |341.20| des Geschmacks darnach
eingerichtet: so entspringt daraus eine Antinomie, die schlechterdings
nicht auszugleichen ist, als so, daß man zeigt, daß =beide= einander
(aber nicht bloß contradictorisch) entgegenstehende =Sätze falsch
sind=: welches dann beweiset, daß der Begriff, worauf ein jeder
gegründet ist, sich selbst widerspreche. Man sieht also, daß |341.25|
#239# die Hebung der Antinomie der ästhetischen Urtheilskraft einen
ähnlichen Gang nehme mit dem, welchen die Kritik in Auflösung der
Antinomieen der reinen theoretischen Vernunft befolgte; und daß eben so
hier und auch in der Kritik der praktischen Vernunft die Antinomieen
wider Willen nöthigen, über das Sinnliche hinaus zu sehen und im
Übersinnlichen den |341.30| Vereinigungspunkt aller unserer Vermögen _a
priori_ zu suchen: weil kein anderer Ausweg übrig bleibt, die Vernunft
mit sich selbst einstimmig zu machen.


=Anmerkung I.=

Da wir in der Transscendental-Philosophie so oft Veranlassung finden,
|341.35| Ideen von Verstandesbegriffen zu unterscheiden, so kann
es von Nutzen sein, ihrem Unterschiede angemessene Kunstausdrücke
einzuführen. Ich glaube, man werde nichts dawider haben, wenn
ich einige in Vorschlag bringe. — Ideen in der allgemeinsten
Bedeutung sind nach einem gewissen (subjectiven oder objectiven)
Princip auf einen Gegenstand bezogene Vorstellungen, sofern sie
doch nie eine Erkenntniß desselben werden |342.5| können. Sie sind
entweder nach einem bloß subjectiven Princip der Übereinstimmung
der Erkenntnißvermögen unter einander (der Einbildungskraft und
des Verstandes) auf eine Anschauung bezogen: und heißen alsdann
=ästhetische=; oder nach einem objectiven Princip auf einen Begriff
bezogen, können aber doch nie eine Erkenntniß des Gegenstandes abgeben:
|342.10| und heißen Vernunftideen; in welchem Falle der Begriff ein
=transscendenter= Begriff ist, welcher vom Verstandesbegriffe, dem
jederzeit eine #240# adäquat correspondirende Erfahrung untergelegt
werden kann, und der darum =immanent= heißt, unterschieden ist.

Eine =ästhetische Idee= kann keine Erkenntniß werden, weil sie eine
|342.15| =Anschauung= (der Einbildungskraft) ist, der niemals ein
Begriff adäquat gefunden werden kann. Eine =Vernunftidee= kann nie
Erkenntniß werden, weil sie einen =Begriff= (vom Übersinnlichen)
enthält, dem niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann.

Nun glaube ich, man könne die ästhetische Idee eine =inexponible=
|342.20| Vorstellung der Einbildungskraft, die Vernunftidee aber
einen =indemonstrabeln= Begriff der Vernunft nennen. Von beiden
wird vorausgesetzt, daß sie nicht etwa gar grundlos, sondern (nach
der obigen Erklärung einer Idee überhaupt) gewissen Principien der
Erkenntnißvermögen, wozu sie gehören (jene den subjectiven, diese
objectiven Principien), gemäß erzeugt |342.25| seien.

=Verstandesbegriffe= müssen als solche jederzeit demonstrabel sein
(wenn unter demonstriren wie in der Anatomie bloß das =Darstellen=
verstanden wird); d. i. der ihnen correspondirende Gegenstand muß
jederzeit in der Anschauung (reinen oder empirischen) gegeben werden
können: |342.30| denn dadurch allein können sie Erkenntnisse werden.
Der Begriff der =Größe= kann in der Raumesanschauung _a priori_, z. B.
einer geraden Linie u. s. w., gegeben werden; der Begriff der =Ursache=
an der Undurchdringlichkeit, dem Stoße der Körper u. s. w. Mithin
können beide durch eine empirische Anschauung belegt, d. i. der Gedanke
davon an einem Beispiele |342.35| gewiesen (demonstrirt, aufgezeigt)
werden; und dieses muß geschehen können: widrigenfalls man nicht gewiß
ist, ob der Gedanke nicht leer, d. i. ohne alles Object sei.

Man bedient sich in der Logik der Ausdrücke des Demonstrabeln oder
#241# Indemonstrabeln gemeiniglich nur in Ansehung der =Sätze=:
da die ersteren besser durch die Benennung der nur mittelbar, die
zweiten der =unmittelbar-gewissen= |343.5| Sätze könnten bezeichnet
werden; denn die reine Philosophie hat auch Sätze von beiden Arten,
wenn darunter beweisfähige und beweisunfähige wahre Sätze verstanden
werden. Allein aus Gründen _a priori_ kann sie als Philosophie zwar
beweisen, aber nicht demonstriren; wenn man nicht ganz und gar von
der Wortbedeutung abgehen will, nach |343.10| welcher demonstriren
(_ostendere_, _exhibere_) so viel heißt, als (es sei im Beweisen oder
auch bloß im Definiren) seinen Begriff zugleich in der Anschauung
darstellen: welche, wenn sie Anschauung =a priori= ist, das Construiren
desselben heißt, wenn sie aber auch empirisch ist, gleichwohl die
Vorzeigung des Objects bleibt, durch welche dem Begriffe die objective
|343.15| Realität gesichert wird. So sagt man von einem Anatomiker: er
demonstrire das menschliche Auge, wenn er den Begriff, den er vorher
discursiv vorgetragen hat, vermittelst der Zergliederung dieses Organs
anschaulich macht.

Diesem zufolge ist der Vernunftbegriff vom übersinnlichen Substrat
|343.20| aller Erscheinungen überhaupt, oder auch von dem, was unserer
Willkür in Beziehung auf moralische Gesetze zum Grunde gelegt werden
muß, nämlich von der transscendentalen Freiheit, schon der Species nach
ein indemonstrabler Begriff und Vernunftidee, Tugend aber ist dies dem
Grade nach: weil dem ersteren an sich gar nichts der Qualität nach in
der |343.25| Erfahrung Correspondirendes gegeben werden kann, in der
zweiten aber kein Erfahrungsproduct jener Causalität den Grad erreicht,
den die Vernunftidee zur Regel vorschreibt.

So wie an einer Vernunftidee die =Einbildungskraft= mit ihren #242#
Anschauungen den gegebenen Begriff nicht erreicht: so erreicht bei
einer |343.30| ästhetischen Idee der =Verstand= durch seine Begriffe
nie die ganze innere Anschauung der Einbildungskraft, welche sie
mit einer gegebenen Vorstellung verbindet. Da nun eine Vorstellung
der Einbildungskraft auf Begriffe bringen so viel heißt, als sie
=exponiren=: so kann die ästhetische Idee eine =inexponible=
Vorstellung derselben (in ihrem freien Spiele) |343.35| genannt werden.
Ich werde von dieser Art Ideen in der Folge noch einiges auszuführen
Gelegenheit haben; jetzt bemerke ich nur: daß beide Arten von Ideen,
die Vernunftideen sowohl als die ästhetischen, ihre Principien haben
müssen; und zwar beide in der Vernunft, jene in den objectiven, diese
in den subjectiven Principien ihres Gebrauchs.

Man kann diesem zufolge GENIE auch durch das Vermögen =ästhetischer
Ideen= erklären: wodurch zugleich der Grund angezeigt wird, warum
|344.5| in Producten des Genies die Natur (des Subjects), nicht ein
überlegter Zweck der Kunst (der Hervorbringung des Schönen) die Regel
giebt. Denn da das Schöne nicht nach Begriffen beurtheilt werden
muß, sondern nach der zweckmäßigen Stimmung der Einbildungskraft zur
Übereinstimmung mit dem Vermögen der Begriffe überhaupt: so kann nicht
Regel und |344.10| Vorschrift, sondern nur das, was bloß Natur im
Subjecte ist, aber nicht unter Regeln oder Begriffe gefaßt werden kann,
d. i. das übersinnliche Substrat aller seiner Vermögen (welches kein
Verstandesbegriff erreicht), folglich das, auf welches in Beziehung
alle unsere Erkenntnißvermögen zusammenstimmend zu machen, der letzte
durch das Intelligible unserer |344.15| Natur gegebene Zweck ist, jener
ästhetischen, aber unbedingten Zweckmäßigkeit in der schönen Kunst,
die jedermann gefallen zu müssen rechtmäßigen #243# Anspruch machen
soll, zum subjectiven Richtmaße dienen. So ist es auch allein möglich,
daß dieser, der man kein objectives Princip vorschreiben kann, ein
subjectives und doch allgemeingültiges Princip |344.20| _a priori_ zum
Grunde liege.


=Anmerkung II.=

Folgende wichtige Bemerkung bietet sich hier von selbst dar: daß es
nämlich =dreierlei Arten der Antinomie= der reinen Vernunft gebe,
die aber alle darin übereinkommen, daß sie dieselbe zwingen, von der
sonst |344.25| sehr natürlichen Voraussetzung, die Gegenstände der
Sinne für die Dinge an sich selbst zu halten, abzugehen, sie vielmehr
bloß für Erscheinungen gelten zu lassen und ihnen ein intelligibles
Substrat (etwas Übersinnliches, wovon der Begriff nur Idee ist und
keine eigentliche Erkenntniß zuläßt) unterzulegen. Ohne eine solche
Antinomie würde die Vernunft |344.30| sich niemals zu Annehmung eines
solchen das Feld ihrer Speculation so sehr verengenden Princips und
zu Aufopferungen, wobei so viele sonst sehr schimmernde Hoffnungen
gänzlich verschwinden müssen, entschließen können; denn selbst jetzt,
da sich ihr zur Vergütung dieser Einbuße ein um desto größerer
Gebrauch in praktischer Rücksicht eröffnet, scheint sie sich |344.35|
nicht ohne Schmerz von jenen Hoffnungen trennen und von der alten
Anhänglichkeit losmachen können.

Daß es drei Arten der Antinomie giebt, hat seinen Grund darin, daß
es drei Erkenntnißvermögen: Verstand, Urtheilskraft und Vernunft,
giebt, deren jedes (als oberes Erkenntnißvermögen) seine Principien
_a priori_ |345.5| haben muß; da denn die Vernunft, sofern sie über
diese Principien selbst und ihren Gebrauch urtheilt, in Ansehung ihrer
aller zu dem gegebenen #244# Bedingten unnachlaßlich das Unbedingte
fordert, welches sich doch nie finden läßt, wenn man das Sinnliche
als zu den Dingen an sich selbst gehörig betrachtet und ihm nicht
vielmehr, als bloßer Erscheinung, etwas |345.10| Übersinnliches (das
intelligible Substrat der Natur außer uns und in uns) als Sache an sich
selbst unterlegt. Da giebt es dann 1) eine Antinomie der Vernunft in
Ansehung des theoretischen Gebrauchs des Verstandes bis zum Unbedingten
hinauf =für das Erkenntnißvermögen=; 2) eine Antinomie der Vernunft
in Ansehung des ästhetischen Gebrauchs der Urtheilskraft |345.15|
=für das Gefühl der Lust und Unlust=; 3) eine Antinomie in Ansehung
des praktischen Gebrauchs der an sich selbst gesetzgebenden Vernunft
=für das Begehrungsvermögen=: sofern alle diese Vermögen ihre obere
Principien _a priori_ haben und gemäß einer unumgänglichen Forderung
der Vernunft nach diesen Principien auch =unbedingt= müssen |345.20|
urtheilen und ihr Object bestimmen können.

In Ansehung zweier Antinomieen, der des theoretischen und der des
praktischen Gebrauchs, jener obern Erkenntnißvermögen haben wir die
=Unvermeidlichkeit= derselben, wenn dergleichen Urtheile nicht auf
ein übersinnliches Substrat der gegebenen Objecte als Erscheinungen
zurücksehen, |345.25| dagegen aber auch die =Auflöslichkeit= derselben,
sobald das letztere geschieht, schon anderwärts gezeigt. Was nun
die Antinomie im Gebrauch der Urtheilskraft gemäß der Forderung
der Vernunft und deren hier gegebene Auflösung betrifft: so giebt
es kein anderes Mittel, derselben auszuweichen, als =entweder= zu
läugnen, daß dem ästhetischen Geschmacksurtheile |345.30| irgend
ein Princip _a priori_ zum Grunde liege, so daß aller Anspruch auf
Nothwendigkeit allgemeiner Beistimmung grundloser, leerer Wahn sei,
und ein Geschmacksurtheil nur sofern für richtig gehalten zu #245#
werden verdiene, weil =es sich trifft=, daß viele in Ansehung desselben
übereinkommen, und auch dieses eigentlich nicht um deswillen, weil man
|345.35| hinter dieser Einstimmung ein Princip _a priori_ =vermuthet=,
sondern (wie im Gaumengeschmack) weil die Subjecte zufälliger Weise
gleichförmig organisirt seien; =oder= man müßte annehmen, daß das
Geschmacksurtheil eigentlich ein verstecktes Vernunfturtheil über die
an einem Dinge und die Beziehung des Mannigfaltigen in ihm zu einem
Zwecke entdeckte Vollkommenheit sei, mithin nur um der Verworrenheit
willen, die dieser unserer Reflexion anhängt, ästhetisch genannt
werde, ob es gleich im |346.5| Grunde teleologisch sei: in welchem
Falle man die Auflösung der Antinomie durch transscendentale Ideen für
unnöthig und nichtig erklären und so mit den Objecten der Sinne nicht
als bloßen Erscheinungen, sondern auch als Dingen an sich selbst jene
Geschmacksgesetze vereinigen könnte. Wie wenig aber die eine sowohl als
die andere Ausflucht verschlage, ist |346.10| an mehrern Orten in der
Exposition der Geschmacksurtheile gezeigt worden.

Räumt man aber unserer Deduction wenigstens so viel ein, daß sie auf
dem rechten Wege geschehe, wenn gleich noch nicht in allen Stücken
hell genug gemacht sei, so zeigen sich drei Ideen: =erstlich= des
Übersinnlichen |346.15| überhaupt ohne weitere Bestimmung als Substrats
der Natur; =zweitens= eben desselben, als Princips der subjectiven
Zweckmäßigkeit der Natur für unser Erkenntnißvermögen; =drittens=
eben desselben, als Princips der Zwecke der Freiheit und Princips der
Übereinstimmung derselben mit jener im Sittlichen. |346.20|


§ 58. #246#

Vom Idealismus der Zweckmäßigkeit der Natur sowohl als Kunst, als dem
alleinigen Princip der ästhetischen Urtheilskraft.

Man kann zuvörderst das Princip des Geschmacks entweder darin |346.25|
setzen, daß dieser jederzeit nach empirischen Bestimmungsgründen
und also nach solchen, die nur _a posteriori_ durch Sinne gegeben
werden, oder man kann einräumen, daß er aus einem Grunde _a priori_
urtheile. Das erstere wäre der =Empirism= der Kritik des Geschmacks,
das zweite der =Rationalism= derselben. Nach dem =ersten= wäre das
Object unseres Wohlgefallens |346.30| nicht vom =Angenehmen=, nach
dem zweiten, wenn das Urtheil auf bestimmten Begriffen beruhte, nicht
vom =Guten= unterschieden; und so würde alle =Schönheit= aus der Welt
weggeläugnet und nur ein besonderer Namen, vielleicht für eine gewisse
Mischung von beiden vorgenannten Arten des Wohlgefallens, an dessen
Statt übrig bleiben. Allein |346.35| wir haben gezeigt, daß es auch
Gründe des Wohlgefallens _a priori_ gebe, die also mit dem Princip
des Rationalisms zusammen bestehen können, ungeachtet sie nicht in
=bestimmte Begriffe= gefaßt werden können.

Der Rationalism des Princips des Geschmacks ist dagegen entweder der
des =Realisms= der Zweckmäßigkeit, oder des =Idealisms= derselben.
|347.5| Weil nun ein Geschmacksurtheil kein Erkenntnißurtheil und
Schönheit #247# keine Beschaffenheit des Objects, für sich betrachtet,
ist: so kann der Rationalism des Princips des Geschmacks niemals
darin gesetzt werden, daß die Zweckmäßigkeit in diesem Urtheile
als objectiv gedacht werde, d. i. daß das Urtheil theoretisch,
mithin auch logisch (wenn gleich nur in einer |347.10| verworrenen
Beurtheilung) auf die Vollkommenheit des Objects, sondern nur
=ästhetisch=, auf die Übereinstimmung seiner Vorstellung in der
Einbildungskraft mit den wesentlichen Principien der Urtheilskraft
überhaupt, im Subjecte gehe. Folglich kann selbst nach dem Princip des
Rationalisms das Geschmacksurtheil und der Unterschied des Realisms und
|347.15| Idealisms desselben nur darin gesetzt werden, daß entweder
jene subjective Zweckmäßigkeit im erstern Falle als wirklicher
(absichtlicher) =Zweck= der Natur (oder der Kunst) mit unserer
Urtheilskraft übereinzustimmen oder im zweiten Falle nur als eine ohne
Zweck von selbst und zufälliger Weise sich hervorthuende zweckmäßige
Übereinstimmung zu dem Bedürfniß der |347.20| Urtheilskraft in Ansehung
der Natur und ihrer nach besondern Gesetzen erzeugten Formen angenommen
werde.

Dem Realism der ästhetischen Zweckmäßigkeit der Natur, da man nämlich
annehmen möchte, daß der Hervorbringung des Schönen eine Idee desselben
in der hervorbringenden Ursache, nämlich ein =Zweck= zu |347.25|
Gunsten unserer Einbildungskraft, zum Grunde gelegen habe, reden die
#248# schönen Bildungen im Reiche der organisirten Natur gar sehr das
Wort. Die Blumen, Blüthen, ja die Gestalten ganzer Gewächse, die für
ihren eigenen Gebrauch unnöthige, aber für unsern Geschmack gleichsam
ausgewählte Zierlichkeit der thierischen Bildungen von allerlei
Gattungen; vornehmlich |347.30| die unsern Augen so wohlgefällige und
reizende Mannigfaltigkeit und harmonische Zusammensetzung der Farben
(am Fasan, an Schalthieren, Insecten, bis zu den gemeinsten Blumen),
die, indem sie bloß die Oberfläche und auch an dieser nicht einmal die
Figur der Geschöpfe, welche doch noch zu den innern Zwecken derselben
erforderlich sein könnte, betreffen, |347.35| gänzlich auf äußere
Beschauung abgezweckt zu sein scheinen: geben der Erklärungsart
durch Annehmung wirklicher Zwecke der Natur für unsere ästhetische
Urtheilskraft ein großes Gewicht.

Dagegen widersetzt sich dieser Annahme nicht allein die Vernunft
durch ihre Maximen, allerwärts die unnöthige Vervielfältigung der
Principien nach aller Möglichkeit zu verhüten; sondern die Natur zeigt
in ihren |348.5| freien Bildungen überall so viel mechanischen Hang
zu Erzeugung von Formen, die für den ästhetischen Gebrauch unserer
Urtheilskraft gleichsam gemacht zu sein scheinen, ohne den geringsten
Grund zur Vermuthung an die Hand zu geben, daß es dazu noch etwas mehr
als ihres Mechanisms, bloß als Natur, bedürfe, wornach sie auch ohne
alle ihnen zum Grunde |348.10| liegende Idee für unsere Beurtheilung
zweckmäßig sein können. Ich verstehe #249# aber unter einer =freien
Bildung= der Natur =diejenige=, wodurch aus einem =Flüssigen in Ruhe=
durch Verflüchtigung oder Absonderung eines Theils desselben (bisweilen
bloß der Wärmmaterie) das Übrige bei dem Festwerden eine bestimmte
Gestalt oder Gewebe (Figur oder Textur) |348.15| annimmt, die nach
der specifischen Verschiedenheit der Materien verschieden, in eben
derselben aber genau dieselbe ist. Hiezu aber wird, was man unter einer
wahren Flüssigkeit jederzeit versteht, nämlich daß die Materie in ihr
völlig aufgelöset, d. i. nicht als ein bloßes Gemenge fester und darin
bloß schwebender Theile anzusehen sei, vorausgesetzt. |348.20|

Die Bildung geschieht alsdann durch =Anschießen=, d. i. durch ein
plötzliches Festwerden, nicht durch einen allmähligen Übergang aus dem
flüssigen in den festen Zustand, sondern gleichsam durch einen Sprung,
welcher Übergang auch das =Krystallisiren= genannt wird. Das gemeinste
Beispiel von dieser Art Bildung ist das gefrierende Wasser, in welchem
|348.25| sich zuerst gerade Eisstrählchen erzeugen, die in Winkeln von
60 Grad sich zusammenfügen, indeß sich andere an jedem Punkt derselben
eben so ansetzen, bis alles zu Eis geworden ist: so daß während dieser
Zeit das Wasser zwischen den Eisstrählchen nicht allmählig zäher wird,
sondern so vollkommen flüssig ist, als es bei weit größerer Wärme
sein würde, und doch |348.30| die völlige Eiskälte hat. Die sich
absondernde Materie, die im Augenblicke #250# des Festwerdens plötzlich
entwischt, ist ein ansehnliches Quantum von Wärmestoff, dessen Abgang,
da es bloß zum Flüssigsein erfordert ward, dieses nunmehrige Eis
nicht im mindesten kälter, als das kurz vorher in ihm flüssige Wasser
zurückläßt. |348.35|

Viele Salze, imgleichen Steine, die eine krystallinische Figur
haben, werden eben so von einer im Wasser, wer weiß durch was für
Vermittelung aufgelösten Erdart erzeugt. Eben so bilden sich die
drusichten Configurationen vieler Minern, des würflichten Bleiglanzes,
des Rothgüldenerzes u. d. gl., allem Vermuthen nach auch im Wasser
und durch Anschießen der Theile: indem sie durch irgend eine Ursache
genöthigt werden, dieses Vehikel zu verlassen und sich unter einander
in bestimmte äußere Gestalten |349.5| zu vereinigen.

Aber auch innerlich zeigen alle Materien, welche bloß durch Hitze
flüssig waren und durch Erkalten Festigkeit angenommen haben, im
Bruche eine bestimmte Textur und lassen daraus urtheilen, daß, wenn
nicht ihr eigenes Gewicht oder die Luftberührung es gehindert hätte,
sie auch äußerlich |349.10| ihre specifisch eigenthümliche Gestalt
würden gewiesen haben: dergleichen man an einigen Metallen, die nach
der Schmelzung äußerlich erhärtet, inwendig aber noch flüssig waren,
durch Abzapfen des innern, noch flüssigen Theils und nunmehriges
ruhiges Anschießen des übrigen inwendig zurückgebliebenen beobachtet
hat. Viele von jenen mineralischen |349.15| #251# Krystallisationen,
als die Spatdrusen, der Glaskopf, die Eisenblüthe, geben oft überaus
schöne Gestalten, wie sie die Kunst nur immer ausdenken möchte; und die
Glorie in der Höhle von Antiparos ist bloß das Product eines sich durch
Gipslager durchsickernden Wassers.

Das Flüssige ist allem Ansehen nach überhaupt älter als das Feste,
|349.20| und sowohl die Pflanzen als thierische Körper werden
aus flüssiger Nahrungsmaterie gebildet, sofern sie sich in Ruhe
formt: freilich zwar in der letztern zuvörderst nach einer gewissen
ursprünglichen auf Zwecke gerichteten Anlage (die, wie im zweiten
Theile gewiesen werden wird, nicht ästhetisch, sondern teleologisch
nach dem Princip des Realisms beurtheilt |349.25| werden muß);
aber nebenbei doch auch vielleicht als dem allgemeinen Gesetze der
Verwandtschaft der Materien gemäß anschießend und sich in Freiheit
bildend. So wie nun die in einer Atmosphäre, welche ein Gemisch
verschiedener Luftarten ist, aufgelösten wäßrigen Flüssigkeiten,
wenn sich die letzeren durch Abgang der Wärme von jener scheiden,
Schneefiguren |349.30| erzeugen, die nach Verschiedenheit der
dermaligen Luftmischung von oft sehr künstlich scheinender und überaus
schöner Figur sind: so läßt sich, ohne dem teleologischen Princip
der Beurtheilung der Organisation etwas zu entziehen, wohl denken:
daß, was die Schönheit der Blumen, der Vogelfedern, der Muscheln
ihrer Gestalt sowohl als Farbe nach betrifft, diese |349.35| #252#
der Natur und ihrem Vermögen, sich in ihrer Freiheit ohne besondere
darauf gerichtete Zwecke nach chemischen Gesetzen durch Absetzung der
zur Organisation erforderlichen Materie auch ästhetisch-zweckmäßig zu
bilden, zugeschrieben werden könne.

Was aber das Princip der =Idealität= der Zweckmäßigkeit im Schönen
der Natur, als dasjenige, welches wir im ästhetischen Urtheile
selbst jederzeit zum Grunde legen, und welches uns keinen Realism
eines |350.5| Zwecks derselben für unsere Vorstellungskraft zum
Erklärungsgrunde zu brauchen erlaubt, geradezu beweiset: ist, daß wir
in der Beurtheilung der Schönheit überhaupt das Richtmaß derselben
_a priori_ in uns selbst suchen, und die ästhetische Urtheilskraft
in Ansehung des Urtheils, ob etwas schön sei oder nicht, selbst
gesetzgebend ist, welches bei Annehmung des Realisms |350.10| der
Zweckmäßigkeit der Natur nicht Statt finden kann, weil wir da von
der Natur lernen müßten, was wir schön zu finden hätten, und das
Geschmacksurtheil empirischen Principien unterworfen sein würde. Denn
in einer solchen Beurtheilung kommt es nicht darauf an, was die Natur
ist, oder auch für uns als Zweck ist, sondern wie wir sie aufnehmen. Es
|350.15| würde immer eine objective Zweckmäßigkeit der Natur sein, wenn
sie für unser Wohlgefallen ihre Formen gebildet hätte; und nicht eine
subjective Zweckmäßigkeit, welche auf dem Spiele der Einbildungskraft
in ihrer Freiheit #253# beruhte, wo es Gunst ist, womit wir die Natur
aufnehmen, nicht Gunst, die sie uns erzeigt. Die Eigenschaft der Natur,
daß sie für uns |350.20| Gelegenheit enthält, die innere Zweckmäßigkeit
in dem Verhältnisse unserer Gemüthskräfte in Beurtheilung gewisser
Producte derselben wahrzunehmen, und zwar als eine solche, die aus
einem übersinnlichen Grunde für nothwendig und allgemeingültig erklärt
werden soll, kann nicht Naturzweck sein, oder vielmehr von uns als
ein solcher beurtheilt werden: weil sonst |350.25| das Urtheil,
das dadurch bestimmt würde, Heteronomie, aber nicht, wie es einem
Geschmacksurtheile geziemt, frei sein und Autonomie zum Grunde haben
würde.

In der schönen Kunst ist das Princip des Idealisms der Zweckmäßigkeit
noch deutlicher zu erkennen. Denn daß hier nicht ein ästhetischer
|350.30| Realism derselben durch Empfindungen (wobei sie statt schöner
bloß angenehme Kunst sein würde) angenommen werden könne: das hat
sie mit der schönen Natur gemein. Allein daß das Wohlgefallen durch
ästhetische Ideen nicht von der Erreichung bestimmter Zwecke (als
mechanisch absichtliche Kunst) abhängen müsse, folglich selbst im
Rationalism des |350.35| Princips Idealität der Zwecke, nicht Realität
derselben zum Grunde liege: leuchtet auch schon dadurch ein, daß
schöne Kunst als solche nicht als ein Product des Verstandes und
der Wissenschaft, sondern des Genies betrachtet werden muß und also
durch =ästhetische= Ideen, welche von Vernunftideen bestimmter Zwecke
wesentlich unterschieden sind, ihre Regel bekomme. #254#

So wie die =Idealität= der Gegenstände der Sinne als Erscheinungen
|351.5| die einzige Art ist, die Möglichkeit zu erklären, daß ihre
Formen _a priori_ bestimmt werden können: so ist auch der =Idealism=
der Zweckmäßigkeit in Beurtheilung des Schönen der Natur und der Kunst
die einzige Voraussetzung, unter der allein die Kritik die Möglichkeit
eines Geschmacksurtheils, welches _a priori_ Gültigkeit für jedermann
fordert (ohne doch die |351.10| Zweckmäßigkeit, die am Objecte
vorgestellt wird, auf Begriffe zu gründen), erklären kann.


§ 59.

Von der Schönheit als Symbol der Sittlichkeit.

Die Realität unserer Begriffe darzuthun, werden immer Anschauungen
|351.15| erfordert. Sind es empirische Begriffe, so heißen die
letzteren =Beispiele=. Sind jene reine Verstandesbegriffe, so werden
die letzteren =Schemate= genannt. Verlangt man gar, daß die objective
Realität der Vernunftbegriffe, d. i. der Ideen, und zwar zum Behuf des
theoretischen Erkenntnisses derselben dargethan werde, so begehrt man
etwas Unmögliches, |351.20| weil ihnen schlechterdings keine Anschauung
angemessen gegeben werden kann.

Alle =Hypotypose= (Darstellung, _subiectio sub adspectum_) als
Versinnlichung #255# ist zwiefach: entweder =schematisch=, da einem
Begriffe, den der Verstand faßt, die correspondirende Anschauung _a
priori_ gegeben wird; |351.25| oder =symbolisch=, da einem Begriffe,
den nur die Vernunft denken und dem keine sinnliche Anschauung
angemessen sein kann, eine solche untergelegt wird, mit welcher das
Verfahren der Urtheilskraft demjenigen, was sie im Schematisiren
beobachtet, bloß analogisch ist, d. i. mit ihm bloß der Regel dieses
Verfahrens, nicht der Anschauung selbst, mithin bloß der |351.30| Form
der Reflexion, nicht dem Inhalte nach übereinkommt.

Es ist ein von den neuern Logikern zwar angenommener, aber
sinnverkehrender, unrechter Gebrauch des Worts =symbolisch=, wenn man
es der =intuitiven= Vorstellungsart entgegensetzt; denn die symbolische
ist nur eine Art der intuitiven. Die letztere (die intuitive) kann
nämlich in die |351.35| =schematische= und in die =symbolische=
Vorstellungsart eingetheilt werden. Beide sind Hypotyposen, d. i.
Darstellungen (_exhibitiones_): nicht bloße =Charakterismen=, d. i.
Bezeichnungen der Begriffe durch begleitende sinnliche Zeichen, die gar
nichts zu der Anschauung des Objects Gehöriges enthalten, sondern nur
jenen nach dem Gesetze der Association der Einbildungskraft, mithin
in subjectiver Absicht zum Mittel der Reproduction |352.5| dienen;
dergleichen sind entweder Worte, oder sichtbare (algebraische, #256#
selbst mimische) Zeichen, als bloße =Ausdrücke= für Begriffe[23].

  [23] Das Intuitive der Erkenntniß muß dem Discursiven (nicht
  dem Symbolischen) entgegen gesetzt werden. Das erstere ist nun
  entweder =schematisch= durch |352.35| =Demonstration=; oder
  =symbolisch= als Vorstellung nach einer bloßen =Analogie=.

Alle Anschauungen, die man Begriffen _a priori_ unterlegt, sind also
entweder =Schemate= oder =Symbole=, wovon die erstern directe, die
zweiten indirecte Darstellungen des Begriffs enthalten. Die erstern
thun dieses |352.10| demonstrativ, die zweiten vermittelst einer
Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient),
in welcher die Urtheilskraft ein doppeltes Geschäft verrichtet,
erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung
und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion über jene Anschauung
auf einen ganz andern Gegenstand, von |352.15| dem der erstere nur
das Symbol ist, anzuwenden. So wird ein monarchischer Staat durch
einen beseelten Körper, wenn er nach inneren Volksgesetzen, durch eine
bloße Maschine aber (wie etwa eine Handmühle), wenn er durch einen
einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, in beiden Fällen aber nur
=symbolisch= vorgestellt. Denn zwischen einem despotischen |352.20|
Staate und einer Handmühle ist zwar keine Ähnlichkeit, wohl aber
zwischen den Regeln, über beide und ihre Causalität zu reflectiren.
Dies Geschäft ist bis jetzt noch wenig auseinander gesetzt worden,
so sehr es #257# auch eine tiefere Untersuchung verdient; allein
hier ist nicht der Ort, sich dabei aufzuhalten. Unsere Sprache ist
voll von dergleichen indirecten |352.25| Darstellungen nach einer
Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema für den
Begriff, sondern bloß ein Symbol für die Reflexion enthält. So sind
die Wörter =Grund= (Stütze, Basis), =Abhängen= (von oben Gehalten
werden), woraus =Fließen= (statt Folgen), =Substanz= (wie Locke sich
ausdrückt: der Träger der Accidenzen) und unzählige andere |352.30|
nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrücke für
Begriffe nicht vermittelst einer directen Anschauung, sondern nur nach
einer Analogie mit derselben, d. i. der Übertragung der Reflexion über
einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem
vielleicht nie eine Anschauung direct correspondiren kann. Wenn man
eine bloße Vorstellungsart schon Erkenntniß nennen darf (welches, wenn
sie ein Princip nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstandes
ist, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von
ihm für uns |353.5| und den zweckmäßigen Gebrauch derselben werden
soll, wohl erlaubt ist): so ist alle unsere Erkenntniß von Gott bloß
symbolisch; und der, welcher sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille
u. s. w., die allein an Weltwesen ihre objective Realität beweisen,
für schematisch nimmt, geräth in den Anthropomorphism, so wie, wenn er
alles Intuitive wegläßt, in den |353.10| #258# Deism, wodurch überall
nichts, auch nicht in praktischer Absicht, erkannt wird.

Nun sage ich: das Schöne ist das Symbol des Sittlich-Guten; und auch
nur in dieser Rücksicht (einer Beziehung, die jedermann natürlich
ist, und die auch jedermann andern als Pflicht zumuthet) gefällt es
mit einem |353.15| Anspruche auf jedes andern Beistimmung, wobei sich
das Gemüth zugleich einer gewissen Veredlung und Erhebung über die
bloße Empfänglichkeit einer Lust durch Sinneneindrücke bewußt ist und
anderer Werth auch nach einer ähnlichen Maxime ihrer Urtheilskraft
schätzt. Das ist das =Intelligibele=, worauf, wie der vorige Paragraph
Anzeige that, der Geschmack |353.20| hinaussieht, wozu nämlich selbst
unsere oberen Erkenntnißvermögen zusammenstimmen, und ohne welches
zwischen ihrer Natur, verglichen mit den Ansprüchen, die der Geschmack
macht, lauter Widersprüche erwachsen würden. In diesem Vermögen sieht
sich die Urtheilskraft nicht, wie sonst in empirischer Beurtheilung
einer Heteronomie der Erfahrungsgesetze unterworfen: |353.25| sie
giebt in Ansehung der Gegenstände eines so reinen Wohlgefallens
ihr selbst das Gesetz, so wie die Vernunft es in Ansehung des
Begehrungsvermögens thut; und sieht sich sowohl wegen dieser innern
Möglichkeit im Subjecte, als wegen der äußern Möglichkeit einer damit
übereinstimmenden Natur auf etwas im Subjecte selbst und außer ihm,
|353.30| #259# was nicht Natur, auch nicht Freiheit, doch aber mit
dem Grunde der letzteren, nämlich dem Übersinnlichen, verknüpft ist,
bezogen, in welchem das theoretische Vermögen mit dem praktischen auf
gemeinschaftliche und unbekannte Art zur Einheit verbunden wird. Wir
wollen einige Stücke dieser Analogie anführen, indem wir zugleich die
Verschiedenheit derselben |353.35| nicht unbemerkt lassen.

1) Das Schöne gefällt =unmittelbar= (aber nur in der reflectirenden
Anschauung, nicht wie Sittlichkeit im Begriffe). 2) Es gefällt
=ohne alles Interesse= (das Sittlich-Gute zwar nothwendig mit einem
Interesse, aber nicht einem solchen, was vor dem Urtheile über das
Wohlgefallen vorhergeht, verbunden, sondern was dadurch allererst
bewirkt wird). 3) Die =Freiheit= der Einbildungskraft (also der
Sinnlichkeit unseres |354.5| Vermögens) wird in der Beurtheilung
des Schönen mit der Gesetzmäßigkeit des Verstandes als einstimmig
vorgestellt (im moralischen Urtheile wird die Freiheit des Willens
als Zusammenstimmung des letzteren mit sich selbst nach allgemeinen
Vernunftgesetzen gedacht). 4) Das subjective Princip der Beurtheilung
des Schönen wird als =allgemein=, d. i. für |354.10| jedermann gültig,
aber durch keinen allgemeinen Begriff kenntlich vorgestellt (das
objective Princip der Moralität wird auch für allgemein, d. i. für
alle Subjecte, zugleich auch für alle Handlungen desselben Subjects,
und dabei durch einen allgemeinen Begriff kenntlich erklärt). Daher
ist #260# das moralische Urtheil nicht allein bestimmter constitutiver
Principien |354.15| fähig, sondern ist =nur= durch Gründung der Maximen
auf dieselben und ihre Allgemeinheit möglich.

Die Rücksicht auf diese Analogie ist auch dem gemeinen Verstande
gewöhnlich; und wir benennen schöne Gegenstände der Natur oder der
Kunst oft mit Namen, die eine sittliche Beurtheilung zum Grunde zu
legen |354.20| scheinen. Wir nennen Gebäude oder Bäume majestätisch
und prächtig, oder Gefilde lachend und fröhlich; selbst Farben werden
unschuldig, bescheiden, zärtlich genannt, weil sie Empfindungen
erregen, die etwas mit dem Bewußtsein eines durch moralische Urtheile
bewirkten Gemüthszustandes Analogisches enthalten. Der Geschmack
macht gleichsam den Übergang |354.25| vom Sinnenreiz zum habituellen
moralischen Interesse ohne einen zu gewaltsamen Sprung möglich, indem
er die Einbildungskraft auch in ihrer Freiheit als zweckmäßig für den
Verstand bestimmbar vorstellt und sogar an Gegenständen der Sinne auch
ohne Sinnenreiz ein freies Wohlgefallen finden lehrt. |354.30|


§ 60. #261#

Anhang.

Von der Methodenlehre des Geschmacks.

Die Eintheilung einer Kritik in Elementarlehre und Methodenlehre,
welche vor der Wissenschaft vorhergeht, läßt sich auf die
Geschmackskritik |354.35| nicht anwenden: weil es keine Wissenschaft
des Schönen giebt noch geben kann, und das Urtheil des Geschmacks
nicht durch Principien bestimmbar ist. Denn was das Wissenschaftliche
in jeder Kunst anlangt, welches auf =Wahrheit= in der Darstellung
ihres Objects geht, so ist dieses zwar die unumgängliche Bedingung
(_conditio sine qua non_) der schönen Kunst, |355.5| aber diese nicht
selber. Es giebt also für die schöne Kunst nur eine =Manier= (_modus_),
nicht =Lehrart= (_methodus_). Der Meister muß es vormachen, was und
wie es der Schüler zu Stande bringen soll; und die allgemeinen Regeln,
worunter er zuletzt sein Verfahren bringt, können eher dienen, die
Hauptmomente desselben gelegentlich in Erinnerung zu |355.10| bringen,
als sie ihm vorzuschreiben. Hiebei muß dennoch auf ein gewisses Ideal
Rücksicht genommen werden, welches die Kunst vor Augen haben muß,
ob sie es gleich in ihrer Ausübung nie völlig erreicht. Nur durch
die Aufweckung der Einbildungskraft des Schülers zur Angemessenheit
mit einem gegebenen Begriffe, durch die angemerkte Unzulänglichkeit
des |355.15| #262# Ausdrucks für die Idee, welche der Begriff selbst
nicht erreicht, weil sie ästhetisch ist, und durch scharfe Kritik kann
verhütet werden, daß die Beispiele, die ihm vorgelegt werden, von ihm
nicht sofort für Urbilder und etwa keiner noch höhern Norm und eigener
Beurtheilung unterworfene Muster der Nachahmung gehalten und so das
Genie, mit ihm aber auch |355.20| die Freiheit der Einbildungskraft
selbst in ihrer Gesetzmäßigkeit erstickt werde, ohne welche keine
schöne Kunst, selbst nicht einmal ein richtiger sie beurtheilender
eigener Geschmack möglich ist.

Die Propädeutik zu aller schönen Kunst, sofern es auf den höchsten
Grad ihrer Vollkommenheit angelegt ist, scheint nicht in Vorschriften,
sondern |355.25| in der Cultur der Gemüthskräfte durch diejenigen
Vorkenntnisse zu liegen, welche man _humaniora_ nennt: vermuthlich
weil =Humanität= einerseits das allgemeine =Theilnehmungsgefühl=,
andererseits das Vermögen sich innigst und allgemein =mittheilen=
zu können bedeutet; welche Eigenschaften, zusammen verbunden, die
der Menschheit angemessene |355.30| Geselligkeit ausmachen, wodurch
sie sich von der thierischen Eingeschränktheit unterscheidet. Das
Zeitalter sowohl als die Völker, in welchen der rege Trieb zur
=gesetzlichen= Geselligkeit, wodurch ein Volk ein dauerndes gemeines
Wesen ausmacht, mit den großen Schwierigkeiten rang, welche die
schwere Aufgabe, Freiheit (und also auch Gleichheit) mit |355.35|
#263# einem Zwange (mehr der Achtung und Unterwerfung aus Pflicht als
Furcht) zu vereinigen, umgeben; ein solches Zeitalter und ein solches
Volk mußte die Kunst der wechselseitigen Mittheilung der Ideen des
ausgebildetesten Theils mit dem roheren, die Abstimmung der Erweiterung
und Verfeinerung der ersteren zur natürlichen Einfalt und Originalität
des letzteren und auf diese Art dasjenige Mittel zwischen der höheren
Cultur und der genügsamen Natur zuerst erfinden, welches den richtigen,
nach keinen allgemeinen |356.5| Regeln anzugebenden Maßstab auch für
den Geschmack, als allgemeinen Menschensinn, ausmacht.

Schwerlich wird ein späteres Zeitalter jene Muster entbehrlich machen:
weil es der Natur immer weniger nahe sein wird und sich zuletzt, ohne
bleibende Beispiele von ihr zu haben, kaum einen Begriff von der
glücklichen |356.10| Vereinigung des gesetzlichen Zwanges der höchsten
Cultur mit der Kraft und Richtigkeit der ihren eigenen Werth fühlenden
freien Natur in einem und demselben Volke zu machen im Stande sein
möchte.

Da aber der Geschmack im Grunde ein Beurtheilungsvermögen der
Versinnlichung sittlicher Ideen (vermittelst einer gewissen Analogie
der |356.15| Reflexion über beide) ist, wovon auch und von der darauf
zu gründenden größeren Empfänglichkeit für das Gefühl aus den letzteren
(welches das moralische heißt) diejenige Lust sich ableitet, welche
der Geschmack als für die Menschheit überhaupt, nicht bloß für eines
Jeden Privatgefühl gültig #264# erklärt: so leuchtet ein, daß die wahre
Propädeutik zur Gründung des |356.20| Geschmacks die Entwickelung
sittlicher Ideen und die Cultur des moralischen Gefühls sei; da, nur
wenn mit diesem die Sinnlichkeit in Einstimmung gebracht wird, der
ächte Geschmack eine bestimmte, unveränderliche Form annehmen kann.



  Der      #265#
  Kritik der Urtheilskraft



  Zweiter Theil.

  Kritik der teleologischen Urtheilskraft.


§ 61. #267#

Von der objectiven Zweckmäßigkeit der Natur.

Man hat nach transscendentalen Principien guten Grund, eine subjective
Zweckmäßigkeit der Natur in ihren besondern Gesetzen zu der Faßlichkeit
für die menschliche Urtheilskraft und der Möglichkeit der Verknüpfung
|359.5| der besondern Erfahrungen in ein System derselben anzunehmen;
wo dann unter den vielen Producten derselben auch solche als möglich
erwartet werden können, die, als ob sie ganz eigentlich für unsere
Urtheilskraft angelegt wären, solche specifische ihr angemessene
Formen enthalten, welche durch ihre Mannigfaltigkeit und Einheit die
Gemüthskräfte (die im Gebrauche |359.10| dieses Vermögens im Spiele
sind) gleichsam zu stärken und zu unterhalten dienen, und denen man
daher den Namen =schöner= Formen beilegt.

Daß aber Dinge der Natur einander als Mittel zu Zwecken dienen, und
ihre Möglichkeit selbst nur durch diese Art von Causalität hinreichend
|359.15| verständlich sei, dazu haben wir gar keinen Grund in der
allgemeinen Idee der Natur, als Inbegriffs der Gegenstände der Sinne.
Denn im obigen #268# Falle konnte die Vorstellung der Dinge, weil sie
etwas in uns ist, als zu der innerlich zweckmäßigen Stimmung unserer
Erkenntnißvermögen geschickt und tauglich, ganz wohl auch _a priori_
gedacht werden; wie aber |359.20| Zwecke, die nicht die unsrigen sind,
und die auch der Natur (welche wir nicht als intelligentes Wesen
annehmen) nicht zukommen, doch eine besondere Art der Causalität,
wenigstens eine ganz eigne Gesetzmäßigkeit derselben ausmachen können
oder sollen, läßt sich _a priori_ gar nicht mit einigem Grunde
präsumiren. Was aber noch mehr ist, so kann uns selbst |359.25| die
Erfahrung die Wirklichkeit derselben nicht beweisen; es müßte denn eine
Vernünftelei vorhergegangen sein, die nur den Begriff des Zwecks in
die Natur der Dinge hineinspielt, aber ihn nicht von den Objecten und
ihrer Erfahrungserkenntniß hernimmt, denselben also mehr braucht, die
Natur nach der Analogie mit einem subjectiven Grunde der Verknüpfung
der Vorstellungen in uns begreiflich zu machen, als sie aus objectiven
Gründen zu erkennen. |360.5|

Überdem ist die objective Zweckmäßigkeit, als Princip der Möglichkeit
der Dinge der Natur, so weit davon entfernt, mit dem Begriffe derselben
=nothwendig= zusammenzuhängen: daß sie vielmehr gerade das ist, worauf
man sich vorzüglich beruft, um die Zufälligkeit derselben (der Natur)
und ihrer Form daraus zu beweisen. Denn wenn man z. B. den |360.10| Bau
eines Vogels, die Höhlung in seinen Knochen, die Lage seiner Flügel
#269# zur Bewegung und des Schwanzes zum Steuern u. s. w. anführt:
so sagt man, daß dieses alles nach dem bloßen _nexus effectivus_ in
der Natur, ohne noch eine besondere Art der Causalität, nämlich die
der Zwecke (_nexus finalis_), zu Hülfe zu nehmen, im höchsten Grade
zufällig sei; d. i. daß sich |360.15| die Natur, als bloßer Mechanism
betrachtet, auf tausendfache Art habe anders bilden können, ohne gerade
auf die Einheit nach einem solchen Princip zu stoßen, und man also
außer dem Begriffe der Natur, nicht in demselben den mindesten Grund
dazu _a priori_ allein anzutreffen hoffen dürfe. |360.20|

Gleichwohl wird die teleologische Beurtheilung, wenigstens
problematisch, mit Recht zur Naturforschung gezogen; aber nur um sie
nach der =Analogie= mit der Causalität nach Zwecken unter Principien
der Beobachtung und Nachforschung zu bringen, ohne sich anzumaßen sie
darnach zu =erklären=. Sie gehört also zur reflectirenden, nicht der
bestimmenden |360.25| Urtheilskraft. Der Begriff von Verbindungen und
Formen der Natur nach Zwecken ist doch wenigstens =ein Princip mehr=,
die Erscheinungen derselben unter Regeln zu bringen, wo die Gesetze
der Causalität nach dem bloßen Mechanism derselben nicht zulangen.
Denn wir führen einen teleologischen Grund an, wo wir einem Begriffe
vom Objecte, als ob er |360.30| in der Natur (nicht in uns) befindlich
wäre, Causalität in Ansehung eines Objects zueignen, oder vielmehr
nach der Analogie einer solchen Causalität #270# (dergleichen wir in
uns antreffen) uns die Möglichkeit des Gegenstandes vorstellen, mithin
die Natur als durch eignes Vermögen =technisch= denken; wogegen,
wenn wir ihr nicht eine solche Wirkungsart beilegen, ihre Causalität
|360.35| als blinder Mechanism vorgestellt werden müßte. Würden wir
dagegen der Natur =absichtlich=-wirkende Ursachen unterlegen, mithin
der Teleologie nicht bloß ein =regulatives= Princip für die bloße
=Beurtheilung= der Erscheinungen, denen die Natur nach ihren besondern
Gesetzen als unterworfen gedacht werden könne, sondern dadurch auch
ein =constitutives= Princip der =Ableitung= ihrer Producte von ihren
Ursachen zum Grunde legen: so würde der Begriff eines Naturzwecks
nicht mehr für die |361.5| reflectirende, sondern die bestimmende
Urtheilskraft gehören; alsdann aber in der That gar nicht der
Urtheilskraft eigenthümlich angehören (wie der Begriff der Schönheit
als formaler subjectiver Zweckmäßigkeit), sondern als Vernunftbegriff
eine neue Causalität in der Naturwissenschaft einführen, die wir doch
nur von uns selbst entlehnen und andern Wesen beilegen, |361.10| ohne
sie gleichwohl mit uns als gleichartig annehmen zu wollen.


Erste Abtheilung. #271#

Analytik der teleologischen Urtheilskraft.


§ 62.

Von der objectiven Zweckmäßigkeit, die bloß formal ist, zum
Unterschiede von der materialen. |362.5|

Alle geometrische Figuren, die nach einem Princip gezeichnet werden,
zeigen eine mannigfaltige, oft bewunderte objective Zweckmäßigkeit,
nämlich der Tauglichkeit zur Auflösung vieler Probleme nach einem
einzigen Princip und auch wohl eines jeden derselben auf unendlich
verschiedene Art, an sich. Die Zweckmäßigkeit ist hier offenbar
objectiv und intellectuell, |362.10| nicht aber bloß subjectiv und
ästhetisch. Denn sie drückt die Angemessenheit der Figur zur Erzeugung
vieler abgezweckten Gestalten aus und wird durch Vernunft erkannt.
Allein die Zweckmäßigkeit macht doch den Begriff von dem Gegenstande
selbst nicht möglich, d. i. er wird nicht bloß in Rücksicht auf diesen
Gebrauch als möglich angesehen. |362.15|

In einer so einfachen Figur, als der Cirkel ist, liegt der Grund zu
#272# einer Auflösung einer Menge von Problemen, deren jedes für
sich mancherlei Zurüstung erfordern würde, und die als eine von den
unendlich vielen vortrefflichen Eigenschaften dieser Figur sich
gleichsam von selbst ergiebt. Ist es z. B. darum zu thun, aus der
gegebenen Grundlinie und |362.20| dem ihr gegenüberstehenden Winkel
einen Triangel zu construiren, so ist die Aufgabe unbestimmt, d. i. sie
läßt sich auf unendlich mannigfaltige Art auflösen. Allein der Cirkel
befaßt sie doch alle insgesammt, als der geometrische Ort für alle
Dreiecke, die dieser Bedingung gemäß sind. Oder zwei Linien sollen sich
einander so schneiden, daß das Rechteck aus |362.25| den zwei Theilen
der einen dem Rechteck aus den zwei Theilen der andern gleich sei: so
hat die Auflösung der Aufgabe dem Ansehen nach viele Schwierigkeit.
Aber alle Linien, die sich innerhalb dem Cirkel, dessen Umkreis jede
derselben begränzt, schneiden, theilen sich von selbst in dieser
Proportion. Die andern krummen Linien geben wiederum andere zweckmäßige
Auflösungen an die Hand, an die in der Regel, die ihre Construction
ausmacht, gar nicht gedacht war. Alle Kegelschnitte für sich und in
Vergleichung mit einander sind fruchtbar an Principien zur Auflösung
einer |363.5| Menge möglicher Probleme, so einfach auch ihre Erklärung
ist, welche ihren Begriff bestimmt. — Es ist eine wahre Freude, den
Eifer der alten Geometer anzusehen, mit dem sie diesen Eigenschaften
der Linien dieser #273# Art nachforschten, ohne sich durch die Frage
eingeschränkter Köpfe irre machen zu lassen, wozu denn diese Kenntniß
nützen sollte; z. B. die der Parabel, |363.10| ohne das Gesetz der
Schwere auf der Erde zu kennen, welches ihnen die Anwendung derselben
auf die Wurfslinie schwerer Körper (deren Richtung der Schwere in
ihrer Bewegung als parallel angesehen werden kann) würde an die Hand
gegeben haben; oder der Ellipse, ohne zu ahnen, daß auch eine Schwere
an Himmelskörpern zu finden sei, und ohne ihr |363.15| Gesetz in
verschiedenen Entfernungen vom Anziehungspunkte zu kennen, welches
macht, daß sie diese Linie in freier Bewegung beschreiben. Während
dessen, daß sie hierin, ihnen selbst unbewußt, für die Nachkommenschaft
arbeiteten, ergötzten sie sich an einer Zweckmäßigkeit in dem Wesen
der Dinge, die sie doch völlig _a priori_ in ihrer Nothwendigkeit
darstellen |363.20| konnten. Plato, selbst Meister in dieser
Wissenschaft, gerieth über eine solche ursprüngliche Beschaffenheit
der Dinge, welche zu entdecken wir aller Erfahrung entbehren können,
und über das Vermögen des Gemüths, die Harmonie der Wesen aus ihrem
übersinnlichen Princip schöpfen zu können (wozu noch die Eigenschaften
der Zahlen kommen, mit denen das Gemüth |363.25| in der Musik spielt),
in die Begeisterung, welche ihn über die Erfahrungsbegriffe zu Ideen
erhob, die ihm nur durch eine intellectuelle Gemeinschaft mit dem
Ursprunge aller Wesen erklärlich zu sein schienen. Kein Wunder, daß
er den der Meßkunst Unkundigen aus seiner Schule verwies, indem
#274# er das, was Anaxagoras aus Erfahrungsgegenständen und ihrer
Zweckverbindung |363.30| schloß, aus der reinen, dem menschlichen
Geiste innerlich beiwohnenden Anschauung abzuleiten dachte. Denn in der
Nothwendigkeit dessen, was zweckmäßig ist und so beschaffen ist, als
ob es für unsern Gebrauch absichtlich so eingerichtet wäre, gleichwohl
aber dem Wesen der Dinge ursprünglich zuzukommen scheint, ohne auf
unsern Gebrauch Rücksicht |363.35| zu nehmen, liegt eben der Grund der
großen Bewunderung der Natur, nicht sowohl außer uns, als in unserer
eigenen Vernunft; wobei es wohl verzeihlich ist, daß diese Bewunderung
durch Mißverstand nach und nach bis zur Schwärmerei steigen mochte.

Diese intellectuelle Zweckmäßigkeit aber, ob sie gleich objectiv
ist (nicht wie die ästhetische subjectiv), läßt sich gleichwohl
ihrer Möglichkeit nach als bloß formale (nicht reale), d. i. als
Zweckmäßigkeit, ohne daß |364.5| doch ein Zweck ihr zum Grunde zu
legen, mithin Teleologie dazu nöthig wäre, gar wohl, aber nur im
Allgemeinen begreifen. Die Cirkelfigur ist eine Anschauung, die durch
den Verstand nach einem Princip bestimmt worden: die Einheit dieses
Princips, welches ich willkürlich annehme und als Begriff zum Grunde
lege, angewandt auf eine Form der Anschauung |364.10| (den Raum), die
gleichfalls bloß als Vorstellung und zwar _a priori_ in mir angetroffen
wird, macht die Einheit vieler sich aus der Construction jenes Begriffs
ergebender Regeln, die in mancherlei möglicher #275# Absicht zweckmäßig
sind, begreiflich, ohne dieser Zweckmäßigkeit einen =Zweck=, oder
irgend einen andern Grund derselben unterlegen zu |364.15| dürfen. Es
ist hiemit nicht so bewandt, als wenn ich in einem in gewisse Gränzen
eingeschlossenen Inbegriffe von =Dingen= außer mir, z. B. einem Garten,
Ordnung und Regelmäßigkeit der Bäume, Blumenbeete, Gänge u. s. w.
anträfe, welche ich _a priori_ aus meiner nach einer beliebigen Regel
gemachten Umgränzung eines Raums zu folgern nicht |364.20| hoffen kann:
weil es existirende Dinge sind, die empirisch gegeben sein müssen, um
erkannt werden zu können, und nicht eine bloße nach einem Princip _a
priori_ bestimmte Vorstellung in mir. Daher die letztere (empirische)
Zweckmäßigkeit, als =real=, von dem Begriffe eines Zwecks abhängig ist.
|364.25|

Aber auch der Grund der Bewunderung einer, obzwar in dem Wesen der
Dinge (sofern ihre Begriffe construirt werden können) wahrgenommenen
Zweckmäßigkeit läßt sich sehr wohl und zwar als rechtmäßig einsehen.
Die mannigfaltigen Regeln, deren Einheit (aus einem Princip) diese
Bewunderung erregt, sind insgesammt synthetisch und folgen nicht
|364.30| aus einem =Begriffe= des Objects, z. B. des Cirkels, sondern
bedürfen es, daß dieses Object in der Anschauung gegeben sei. Dadurch
aber bekommt diese Einheit das Ansehen, als ob sie empirisch einen von
unserer Vorstellungskraft unterschiedenen äußern Grund der Regeln habe,
und #276# also die Übereinstimmung des Objects zu dem Bedürfniß der
Regeln, |364.35| welches dem Verstande eigen ist, an sich zufällig,
mithin nur durch einen ausdrücklich darauf gerichteten Zweck möglich
sei. Nun sollte uns zwar eben diese Harmonie, weil sie aller dieser
Zweckmäßigkeit ungeachtet dennoch nicht empirisch, sondern _a priori_
erkannt wird, von selbst darauf bringen, daß der Raum, durch dessen
Bestimmung (vermittelst der Einbildungskraft gemäß einem Begriffe) das
Object allein möglich war, nicht eine Beschaffenheit der Dinge außer
mir, sondern eine bloße Vorstellungsart |365.5| in mir sei, und ich
also in die Figur, die ich =einem Begriffe angemessen= zeichne, d. i.
in meine eigene Vorstellungsart von dem, was mir äußerlich, es sei an
sich, was es wolle, gegeben wird, die =Zweckmäßigkeit hineinbringe=,
nicht von diesem über dieselbe empirisch belehrt werde, folglich zu
jener keinen besondern Zweck außer mir am Objecte |365.10| bedürfe.
Weil aber diese Überlegung schon einen kritischen Gebrauch der Vernunft
erfordert, mithin in der Beurtheilung des Gegenstandes nach seinen
Eigenschaften nicht sofort mit enthalten sein kann: so giebt mir die
letztere unmittelbar nichts als Vereinigung heterogener Regeln (sogar
nach dem, was sie Ungleichartiges an sich haben) in einem Princip
an |365.15| die Hand, welches, ohne einen außer meinem Begriffe und
überhaupt meiner Vorstellung _a priori_ liegenden besondern Grund dazu
zu fordern, #277# dennoch von mir _a priori_ als wahrhaft erkannt
wird. Nun ist die =Verwunderung= ein Anstoß des Gemüths an der
Unvereinbarkeit einer Vorstellung und der durch sie gegebenen Regel
mit den schon in ihm zum |365.20| Grunde liegenden Principien, welcher
also einen Zweifel, ob man auch recht gesehen oder geurtheilt habe,
hervorbringt; =Bewunderung= aber eine immer wiederkommende Verwunderung
ungeachtet der Verschwindung dieses Zweifels. Folglich ist die letzte
eine ganz natürliche Wirkung jener beobachteten Zweckmäßigkeit in dem
Wesen der Dinge (als Erscheinungen), |365.25| die auch sofern nicht
getadelt werden kann, indem die Vereinbarung jener Form der sinnlichen
Anschauung (welche der Raum heißt) mit dem Vermögen der Begriffe (dem
Verstande) nicht allein deswegen, daß sie gerade diese und keine
andere ist, uns unerklärlich, sondern überdem noch für das Gemüth
erweiternd ist, noch etwas über jene sinnliche Vorstellungen |365.30|
Hinausliegendes gleichsam zu ahnen, worin, obzwar uns unbekannt, der
letzte Grund jener Einstimmung angetroffen werden mag. Diesen zu
kennen, haben wir zwar auch nicht nöthig, wenn es bloß um formale
Zweckmäßigkeit unserer Vorstellungen _a priori_ zu thun ist; aber
auch nur da hinaussehen zu müssen, flößt für den Gegenstand, der uns
|365.35| dazu nöthigt, zugleich Bewunderung ein.

Man ist gewohnt, die erwähnten Eigenschaften sowohl der geometrischen
Gestalten, als auch wohl der Zahlen wegen einer gewissen aus der
#278# Einfachheit ihrer Construction nicht erwarteten Zweckmäßigkeit
derselben _a priori_ zu allerlei Erkenntnißgebrauch =Schönheit= zu
nennen; und spricht z. B. von dieser oder jener =schönen= Eigenschaft
des Cirkels, welche auf diese oder jene Art entdeckt wäre. Allein
es ist keine ästhetische Beurtheilung, |366.5| durch die wir sie
zweckmäßig finden; keine Beurtheilung ohne Begriff, die eine bloße
=subjective= Zweckmäßigkeit im freien Spiele unserer Erkenntnißvermögen
bemerklich machte: sondern eine intellectuelle nach Begriffen, welche
eine objective Zweckmäßigkeit, d. i. Tauglichkeit zu allerlei (ins
Unendliche mannigfaltigen) Zwecken, deutlich zu erkennen |366.10|
giebt. Man müßte sie eher eine =relative Vollkommenheit=, als eine
Schönheit der mathematischen Figur nennen. Die Benennung einer
=intellectuellen Schönheit= kann auch überhaupt nicht füglich erlaubt
werden: weil sonst das Wort Schönheit alle bestimmte Bedeutung, oder
das intellectuelle Wohlgefallen allen Vorzug vor dem sinnlichen
verlieren |366.15| müßte. Eher würde man eine =Demonstration= solcher
Eigenschaften, weil durch diese der Verstand als Vermögen der Begriffe
und die Einbildungskraft als Vermögen der Darstellung derselben
_a priori_ sich gestärkt fühlen (welches mit der Präcision, die
die Vernunft hineinbringt, zusammen die Eleganz derselben genannt
wird), schön nennen können: indem |366.20| hier doch wenigstens
das Wohlgefallen, obgleich der Grund desselben in Begriffen liegt,
subjectiv ist, da die Vollkommenheit ein objectives #279# Wohlgefallen
bei sich führt.


§ 63.

Von der relativen Zweckmäßigkeit der Natur zum Unterschiede |366.25|
von der innern.

Die Erfahrung leitet unsere Urtheilskraft auf den Begriff einer
objectiven und materialen Zweckmäßigkeit, d. i. auf den Begriff eines
Zwecks der Natur nur alsdann, wenn ein Verhältniß der Ursache zur
Wirkung zu beurtheilen ist[24], welches wir als gesetzlich einzusehen
uns nur dadurch |366.30| vermögend finden, daß wir die Idee der
Wirkung der Causalität ihrer Ursache, als die dieser selbst zum Grunde
liegende Bedingung der Möglichkeit der ersteren, unterlegen. Dieses
kann aber auf zwiefache Weise geschehen: entweder indem wir die Wirkung
unmittelbar als Kunstproduct, oder nur als Material für die Kunst
anderer möglicher Naturwesen, |367.5| also entweder als Zweck, oder
als Mittel zum zweckmäßigen Gebrauche anderer Ursachen, ansehen. Die
letztere Zweckmäßigkeit heißt die Nutzbarkeit (für Menschen), oder auch
Zuträglichkeit (für jedes andere #280# Geschöpf) und ist bloß relativ,
indeß die erstere eine innere Zweckmäßigkeit des Naturwesens ist.
|367.10|

  [24] Weil in der reinen Mathematik nicht von der Existenz,
  sondern nur der Möglichkeit der Dinge, nämlich einer ihrem
  Begriffe correspondirenden Anschauung, mithin gar nicht von
  Ursache und Wirkung die Rede sein kann: so muß folglich alle
  daselbst angemerkte Zweckmäßigkeit bloß als formal, niemals
  als Naturzweck betrachtet werden. |366.35|

Die Flüsse führen z. B. allerlei zum Wachsthum der Pflanzen dienliche
Erde mit sich fort, die sie bisweilen mitten im Lande, oft auch
an ihren Mündungen absetzen. Die Fluth führt diesen Schlich an
manchen Küsten über das Land, oder setzt ihn an dessen Ufer ab; und
wenn vornehmlich Menschen dazu helfen, damit die Ebbe ihn nicht
wieder wegführe, so |367.15| nimmt das fruchtbare Land zu, und das
Gewächsreich gewinnt da Platz, wo vorher Fische und Schalthiere ihren
Aufenthalt gehabt hatten. Die meisten Landeserweiterungen auf diese Art
hat wohl die Natur selbst verrichtet und fährt damit auch noch, obzwar
langsam, fort. — Nun fragt sich, ob dies als ein Zweck der Natur
zu beurtheilen sei, weil es eine Nutzbarkeit |367.20| für Menschen
enthält; denn die für das Gewächsreich selber kann man nicht in
Anschlag bringen, weil dagegen eben so viel den Meergeschöpfen entzogen
wird, als dem Lande Vortheil zuwächst.

Oder, um ein Beispiel von der Zuträglichkeit gewisser Naturdinge als
Mittel für andere Geschöpfe (wenn man sie als Zwecke voraussetzt)
|367.25| zu geben: so ist kein Boden den Fichten gedeihlicher,
als ein Sandboden. Nun hat das alte Meer, ehe es sich vom Lande
zurückzog, so viele Sandstriche in unsern nordlichen Gegenden
zurückgelassen, daß auf diesem für alle Cultur sonst so unbrauchbaren
Boden weitläuftige Fichtenwälder haben #281# aufschlagen können, wegen
deren unvernünftiger Ausrottung wir häufig |367.30| unsere Vorfahren
anklagen; und da kann man fragen, ob diese uralte Absetzung der
Sandschichten ein Zweck der Natur war zum Behuf der darauf möglichen
Fichtenwälder. So viel ist klar: daß, wenn man diese als Zweck der
Natur annimmt, man jenen Sand auch, aber nur als relativen Zweck
einräumen müsse, wozu wiederum der alte Meeresstrand und |367.35|
dessen Zurückziehen das Mittel war; denn in der Reihe der einander
subordinirten Glieder einer Zweckverbindung muß ein jedes Mittelglied
als Zweck (obgleich eben nicht als Endzweck) betrachtet werden, wozu
seine nächste Ursache das Mittel ist. Eben so, wenn einmal Rindvieh,
Schafe, Pferde u. s. w. in der Welt sein sollten, so mußte Gras auf
Erden, aber es mußten auch Salzkräuter in Sandwüsten wachsen, wenn
Kameele gedeihen sollten, oder auch diese und andere grasfressende
Thierarten in Menge |368.5| anzutreffen sein, wenn es Wölfe, Tiger und
Löwen geben sollte. Mithin ist die objective Zweckmäßigkeit, die sich
auf Zuträglichkeit gründet, nicht eine objective Zweckmäßigkeit der
Dinge an sich selbst, als ob der Sand für sich als Wirkung aus seiner
Ursache, dem Meere, nicht könnte begriffen werden, ohne dem letztern
einen Zweck unterzulegen und ohne die Wirkung, |368.10| nämlich den
Sand, als Kunstwerk zu betrachten. Sie ist eine bloß relative, dem
Dinge selbst, dem sie beigelegt wird, bloß zufällige Zweckmäßigkeit;
#282# und obgleich unter den angeführten Beispielen die Grasarten für
sich als organisirte Producte der Natur, mithin als kunstreich zu
beurtheilen sind, so werden sie doch in Beziehung auf Thiere, die sich
davon |368.15| nähren, als bloße rohe Materie angesehen.

Wenn aber vollends der Mensch durch Freiheit seiner Causalität die
Naturdinge seinen oft thörichten Absichten (die bunten Vogelfedern
zum Putzwerk seiner Bekleidung, farbige Erden oder Pflanzensäfte
zur Schminke), manchmal auch aus vernünftiger Absicht das Pferd zum
|368.20| Reiten, den Stier und in Minorca sogar den Esel und das
Schwein zum Pflügen zuträglich findet: so kann man hier auch nicht
einmal einen relativen Naturzweck (auf diesen Gebrauch) annehmen.
Denn seine Vernunft weiß den Dingen eine Übereinstimmung mit seinen
willkürlichen Einfällen, wozu er selbst nicht einmal von der Natur
prädestinirt |368.25| war, zu geben. Nur =wenn= man annimmt, Menschen
haben auf Erden leben sollen, so müssen doch wenigstens die Mittel,
ohne die sie als Thiere und selbst als vernünftige Thiere (in wie
niedrigem Grade es auch sei) nicht bestehen konnten, auch nicht
fehlen; alsdann aber würden diejenigen Naturdinge, die zu diesem Behuf
unentbehrlich sind, auch als Naturzwecke |368.30| angesehen werden
müssen.

Man sieht hieraus leicht ein, daß die äußere Zweckmäßigkeit
(Zuträglichkeit eines Dinges für andere) nur unter der Bedingung, daß
die #283# Existenz desjenigen, dem es zunächst oder auf entfernte Weise
zuträglich ist, für sich selbst Zweck der Natur sei, für einen äußern
Naturzweck angesehen |368.35| werden könne. Da jenes aber durch bloße
Naturbetrachtung nimmermehr auszumachen ist: so folgt, daß die relative
Zweckmäßigkeit, ob sie gleich hypothetisch auf Naturzwecke Anzeige
giebt, dennoch zu keinem absoluten teleologischen Urtheile berechtige.

Der Schnee sichert die Saaten in kalten Ländern wider den Frost;
er erleichtert die Gemeinschaft der Menschen (durch Schlitten);
der Lappländer findet dort Thiere, die diese Gemeinschaft bewirken
(Rennthiere), |369.5| die an einem dürren Moose, welches sie sich
selbst unter dem Schnee hervorscharren müssen, hinreichende Nahrung
finden und gleichwohl sich leicht zähmen und der Freiheit, in der sie
sich gar wohl erhalten könnten, willig berauben lassen. Für andere
Völker in derselben Eiszone enthält das Meer reichen Vorrath an
Thieren, die außer der Nahrung und |369.10| Kleidung, die sie liefern,
und dem Holze, welches ihnen das Meer zu Wohnungen gleichsam hinflößt,
ihnen noch Brennmaterien zur Erwärmung ihrer Hütten liefern. Hier ist
nun eine bewundernswürdige Zusammenkunft von so viel Beziehungen der
Natur auf einen Zweck; und dieser ist der Grönländer, der Lappe, der
Samojede, der Jakute u. s. w. |369.15| Aber man sieht nicht, warum
überhaupt Menschen dort leben müssen. Also sagen: daß =darum= Dünste
aus der Luft in der Form des Schnees #284# herunterfallen, das Meer
seine Ströme habe, welche das in wärmern Ländern gewachsene Holz dahin
schwemmen, und große mit Öl angefüllte Seethiere da sind, =weil= der
Ursache, die alle die Naturproducte herbeischafft, |369.20| die Idee
eines Vortheils für gewisse armselige Geschöpfe zum Grunde liege:
wäre ein sehr gewagtes und willkürliches Urtheil. Denn wenn alle
diese Naturnützlichkeit auch nicht wäre, so würden wir nichts an der
Zulänglichkeit der Naturursachen zu dieser Beschaffenheit vermissen;
vielmehr eine solche Anlage auch nur zu verlangen und der Natur
|369.25| einen solchen Zweck zuzumuthen (da ohnedas nur die größte
Unverträglichkeit der Menschen unter einander sie bis in so unwirthbare
Gegenden hat versprengen können), würde uns selbst vermessen und
unüberlegt zu sein dünken.


§ 64. |369.30|

Von dem eigenthümlichen Charakter der Dinge als Naturzwecke.

Um einzusehen, daß ein Ding nur als Zweck möglich sei, d. h. die
Causalität seines Ursprungs nicht im Mechanism der Natur, sondern in
einer Ursache, deren Vermögen zu wirken durch Begriffe bestimmt wird,
|369.35| suchen zu müssen, dazu wird erfordert: daß seine Form nicht
nach bloßen Naturgesetzen möglich sei, d. i. solchen, welche von uns
durch den Verstand allein, auf Gegenstände der Sinne angewandt, erkannt
werden können; sondern daß selbst ihr empirisches Erkenntniß ihrer
Ursache und Wirkung #285# nach Begriffe der Vernunft voraussetze. Diese
=Zufälligkeit= seiner |370.5| Form bei allen empirischen Naturgesetzen
in Beziehung auf die Vernunft, da die Vernunft, welcher an einer jeden
Form eines Naturproducts auch die Nothwendigkeit derselben erkennen
muß, wenn sie auch nur die mit seiner Erzeugung verknüpften Bedingungen
einsehen will, gleichwohl an jener gegebenen Form diese Nothwendigkeit
nicht annehmen kann, ist selbst |370.10| ein Grund, die Causalität
desselben so anzunehmen, als ob sie eben darum nur durch Vernunft
möglich sei; diese aber ist alsdann das Vermögen, nach Zwecken zu
handeln (ein Wille); und das Object, welches nur als aus diesem möglich
vorgestellt wird, würde nur als Zweck für möglich vorgestellt werden.
|370.15|

Wenn jemand in einem ihm unbewohnt scheinenden Lande eine geometrische
Figur, allenfalls ein reguläres Sechseck, im Sande gezeichnet
wahrnähme: so würde seine Reflexion, indem sie an einem Begriffe
derselben arbeitet, der Einheit des Princips der Erzeugung desselben,
wenn gleich dunkel, vermittelst der Vernunft inne werden und so
dieser gemäß |370.20| den Sand, das benachbarte Meer, die Winde, oder
auch Thiere mit ihren Fußtritten, die er kennt, oder jede andere
vernunftlose Ursache nicht als einen Grund der Möglichkeit einer
solchen Gestalt beurtheilen: weil ihm die Zufälligkeit, mit einem
solchen Begriffe, der nur in der Vernunft #286# möglich ist, zusammen
zu treffen, so unendlich groß scheinen würde, daß |370.25| es eben so
gut wäre, als ob es dazu gar kein Naturgesetz gebe, daß folglich auch
keine Ursache in der bloß mechanisch wirkenden Natur, sondern nur der
Begriff von einem solchen Object als Begriff, den nur Vernunft geben
und mit demselben den Gegenstand vergleichen kann, auch die Causalität
zu einer solchen Wirkung enthalten, folglich diese durchaus als
Zweck, |370.30| aber nicht Naturzweck, d. i. als Product der =Kunst=,
angesehen werden könne (_vestigium hominis video_).

Um aber etwas, das man als Naturproduct erkennt, gleichwohl doch auch
als Zweck, mithin als =Naturzweck= zu beurtheilen: dazu, wenn nicht
etwa hierin gar ein Widerspruch liegt, wird schon mehr erfordert. Ich
|370.35| würde vorläufig sagen: ein Ding existirt als Naturzweck,
=wenn es von sich selbst= (obgleich in zwiefachem Sinne) =Ursache und
Wirkung ist=; denn hierin liegt eine Causalität, dergleichen mit dem
bloßen Begriffe einer Natur, ohne ihr einen Zweck unterzulegen, nicht
verbunden, aber auch alsdann zwar ohne Widerspruch gedacht, aber nicht
begriffen werden kann. Wir wollen die Bestimmung dieser Idee von einem
Naturzwecke zuvörderst durch ein Beispiel erläutern, ehe wir sie völlig
auseinander |371.5| setzen.

Ein Baum zeugt erstlich einen andern Baum nach einem bekannten
Naturgesetze. Der Baum aber, den er erzeugt, ist von derselben Gattung;
#287# und so erzeugt er sich selbst der =Gattung= nach, in der er
einerseits als Wirkung, andrerseits als Ursache, von sich selbst
unaufhörlich hervorgebracht |371.10| und eben so sich selbst oft
hervorbringend, sich als Gattung beständig erhält.

Zweitens erzeugt ein Baum sich auch selbst als =Individuum=. Diese
Art von Wirkung nennen wir zwar nur das Wachsthum; aber dieses ist
in solchem Sinne zu nehmen, daß es von jeder andern Größenzunahme
|371.15| nach mechanischen Gesetzen gänzlich unterschieden und einer
Zeugung, wiewohl unter einem andern Namen, gleich zu achten ist. Die
Materie, die er zu sich hinzusetzt, verarbeitet dieses Gewächs vorher
zu specifisch-eigenthümlicher Qualität, welche der Naturmechanism außer
ihm nicht liefern kann, und bildet sich selbst weiter aus vermittelst
eines |371.20| Stoffes, der seiner Mischung nach sein eignes Product
ist. Denn ob er zwar, was die Bestandtheile betrifft, die er von der
Natur außer ihm erhält, nur als Educt angesehen werden muß: so ist doch
in der Scheidung und neuen Zusammensetzung dieses rohen Stoffs eine
solche Originalität des Scheidungs- und Bildungsvermögens dieser Art
Naturwesen anzutreffen, |371.25| daß alle Kunst davon unendlich weit
entfernt bleibt, wenn sie es versucht, aus den Elementen, die sie durch
Zergliederung derselben erhält, oder auch dem Stoff, den die Natur
zur Nahrung derselben liefert, jene Producte des Gewächsreichs wieder
herzustellen.

=Drittens= erzeugt ein Theil dieses Geschöpfs auch sich selbst so: daß
|371.30| #288# die Erhaltung des einen von der Erhaltung der andern
wechselsweise abhängt. Das Auge an einem Baumblatt, dem Zweige eines
andern eingeimpft, bringt an einem fremdartigen Stocke ein Gewächs
von seiner eignen Art hervor und eben so das Pfropfreis auf einem
andern Stamme. Daher kann man auch an demselben Baume jeden Zweig oder
Blatt als |371.35| bloß auf diesem gepfropft oder oculirt, mithin als
einen für sich selbst bestehenden Baum, der sich nur an einen andern
anhängt und parasitisch nährt, ansehen. Zugleich sind die Blätter zwar
Producte des Baums, erhalten aber diesen doch auch gegenseitig; denn
die wiederholte Entblätterung würde ihn tödten, und sein Wachsthum
hängt von ihrer Wirkung auf den Stamm ab. Der Selbsthülfe der Natur in
diesen Geschöpfen bei ihrer Verletzung, wo der Mangel eines Theils, der
zur Erhaltung |372.5| der benachbarten gehörte, von den übrigen ergänzt
wird; der Mißgeburten oder Mißgestalten im Wachsthum, da gewisse Theile
wegen vorkommender Mängel oder Hindernisse sich auf ganz neue Art
formen, um das, was da ist, zu erhalten und ein anomalisches Geschöpf
hervorzubringen: will ich hier nur im Vorbeigehen erwähnen, ungeachtet
sie |372.10| unter die wundersamsten Eigenschaften organisirter
Geschöpfe gehören.


§ 65. #289#

Dinge als Naturzwecke sind organisirte Wesen.

Nach dem im vorigen § angeführten Charakter muß ein Ding, welches als
Naturproduct doch zugleich nur als Naturzweck möglich erkannt werden
|372.15| soll, sich zu sich selbst wechselseitig als Ursache und
Wirkung verhalten, welches ein etwas uneigentlicher und unbestimmter
Ausdruck ist, der einer Ableitung von einem bestimmten Begriffe bedarf.

Die Causalverbindung, sofern sie bloß durch den Verstand gedacht wird,
ist eine Verknüpfung, die eine Reihe (von Ursachen und Wirkungen)
|372.20| ausmacht, welche immer abwärts geht; und die Dinge selbst,
welche als Wirkungen andere als Ursache voraussetzen, können von
diesen nicht gegenseitig zugleich Ursache sein. Diese Causalverbindung
nennt man die der wirkenden Ursachen (_nexus effectivus_). Dagegen
aber kann doch auch eine Causalverbindung nach einem Vernunftbegriffe
(von Zwecken) gedacht |372.25| werden, welche, wenn man sie als Reihe
betrachtete, sowohl abwärts als aufwärts Abhängigkeit bei sich führen
würde, in der das Ding, welches einmal als Wirkung bezeichnet ist,
dennoch aufwärts den Namen einer Ursache desjenigen Dinges verdient,
wovon es die Wirkung ist. Im Praktischen (nämlich der Kunst) findet man
leicht dergleichen Verknüpfung, |372.30| wie z. B. das Haus zwar die
Ursache der Gelder ist, die für Miethe eingenommen #290# werden, aber
doch auch umgekehrt die Vorstellung von diesem möglichen Einkommen die
Ursache der Erbauung des Hauses war. Eine solche Causalverknüpfung wird
die der Endursachen (_nexus finalis_) genannt. Man könnte die erstere
vielleicht schicklicher die Verknüpfung der |372.35| realen, die
zweite der idealen Ursachen nennen, weil bei dieser Benennung zugleich
begriffen wird, daß es nicht mehr als diese zwei Arten der Causalität
geben könne.

Zu einem Dinge als Naturzwecke wird nun =erstlich= erfordert, daß
die Theile (ihrem Dasein und der Form nach) nur durch ihre Beziehung
|373.5| auf das Ganze möglich sind. Denn das Ding selbst ist ein Zweck,
folglich unter einem Begriffe oder einer Idee befaßt, die alles, was in
ihm enthalten sein soll, _a priori_ bestimmen muß. Sofern aber ein Ding
nur auf diese Art als möglich gedacht wird, ist es bloß ein Kunstwerk,
d. i. das Product einer von der Materie (den Theilen) desselben
unterschiedenen vernünftigen |373.10| Ursache, deren Causalität (in
Herbeischaffung und Verbindung der Theile) durch ihre Idee von einem
dadurch möglichen Ganzen (mithin nicht durch die Natur außer ihm)
bestimmt wird.

Soll aber ein Ding als Naturproduct in sich selbst und seiner innern
Möglichkeit doch eine Beziehung auf Zwecke enthalten, d. i. nur
als Naturzweck |373.15| und ohne die Causalität der Begriffe von
vernünftigen Wesen außer ihm möglich sein: so wird =zweitens= dazu
erfordert: daß die Theile desselben #291# sich dadurch zur Einheit
eines Ganzen verbinden, daß sie von einander wechselseitig Ursache und
Wirkung ihrer Form sind. Denn auf solche Weise ist es allein möglich,
daß umgekehrt (wechselseitig) die Idee |373.20| des Ganzen wiederum
die Form und Verbindung aller Theile bestimme: nicht als Ursache —
denn da wäre es ein Kunstproduct —, sondern als Erkenntnißgrund der
systematischen Einheit der Form und Verbindung alles Mannigfaltigen,
was in der gegebenen Materie enthalten ist, für den, der es beurtheilt.
|373.25|

Zu einem Körper also, der an sich und seiner innern Möglichkeit nach
als Naturzweck beurtheilt werden soll, wird erfordert, daß die Theile
desselben einander insgesammt ihrer Form sowohl als Verbindung nach
wechselseitig und so ein Ganzes aus eigener Causalität hervorbringen,
dessen Begriff wiederum umgekehrt (in einem Wesen, welches die einem
|373.30| solchen Product angemessene Causalität nach Begriffen besäße)
Ursache von demselben nach einem Princip sein, folglich die Verknüpfung
der =wirkenden Ursachen= zugleich als =Wirkung durch Endursachen=
beurtheilt werden könnte.

In einem solchen Producte der Natur wird ein jeder Theil so, wie
|373.35| er nur =durch= alle übrige da ist, auch als =um der andern=
und des Ganzen =willen= existirend, d. i. als Werkzeug (Organ) gedacht:
welches aber nicht genug ist (denn er könnte auch Werkzeug der
Kunst sein und #292# so nur als Zweck überhaupt möglich vorgestellt
werden); sondern als ein die andern Theile (folglich jeder den andern
wechselseitig) =hervorbringendes= Organ, dergleichen kein Werkzeug
der Kunst, sondern nur der allen Stoff zu Werkzeugen (selbst denen
der Kunst) liefernden Natur sein |374.5| kann: und nur dann und
darum wird ein solches Product, als _organisirtes_ und =sich selbst
organisirendes= Wesen, ein =Naturzweck= genannt werden können.

In einer Uhr ist ein Theil das Werkzeug der Bewegung der andern, aber
nicht ein Rad die wirkende Ursache der Hervorbringung des andern;
|374.10| ein Theil ist zwar um des andern willen, aber nicht durch
denselben da. Daher ist auch die hervorbringende Ursache derselben und
ihrer Form nicht in der Natur (dieser Materie), sondern außer ihr in
einem Wesen, welches nach Ideen eines durch seine Causalität möglichen
Ganzen wirken kann, enthalten. Daher bringt auch nicht ein Rad in der
Uhr das andere, |374.15| noch weniger eine Uhr andere Uhren hervor, so
daß sie andere Materie dazu benutzte (sie organisirte); daher ersetzt
sie auch nicht von selbst die ihr entwandten Theile, oder vergütet
ihren Mangel in der ersten Bildung durch den Beitritt der übrigen,
oder bessert sich etwa selbst aus, wenn sie in Unordnung gerathen ist:
welches alles wir dagegen von der organisirten |374.20| Natur erwarten
können. — Ein organisirtes Wesen ist also nicht bloß Maschine: denn
die hat lediglich =bewegende= Kraft; sondern es besitzt #293# in sich
=bildende= Kraft und zwar eine solche, die es den Materien mittheilt,
welche sie nicht haben (sie organisirt): also eine sich fortpflanzende
bildende Kraft, welche durch das Bewegungsvermögen allein (den |374.25|
Mechanism) nicht erklärt werden kann.

Man sagt von der Natur und ihrem Vermögen in organisirten Producten bei
weitem zu wenig, wenn man dieses ein =Analogon= der =Kunst= nennt; denn
da denkt man sich den Künstler (ein vernünftiges Wesen) außer ihr. Sie
organisirt sich vielmehr selbst und in jeder Species |374.30| ihrer
organisirten Producte, zwar nach einerlei Exemplar im Ganzen, aber doch
auch mit schicklichen Abweichungen, die die Selbsterhaltung nach den
Umständen erfordert. Näher tritt man vielleicht dieser unerforschlichen
Eigenschaft, wenn man sie ein =Analogon des Lebens= nennt: aber da
muß man entweder die Materie als bloße Materie mit einer Eigenschaft
|374.35| (Hylozoism) begaben, die ihrem Wesen widerstreitet; oder
ihr ein fremdartiges mit ihr =in Gemeinschaft stehendes= Princip
(eine Seele) beigesellen: wozu man aber, wenn ein solches Product
ein Naturproduct sein soll, organisirte Materie als Werkzeug jener
Seele entweder schon voraussetzt und jene also nicht im mindesten
begreiflicher macht, oder die Seele zur Künstlerin dieses Bauwerks
machen und so das Product der Natur (der körperlichen) entziehen muß.
Genau zu reden, hat also die |375.5| #294# Organisation der Natur
nichts Analogisches mit irgend einer Causalität, die wir kennen[25].
Schönheit der Natur, weil sie den Gegenständen nur in Beziehung auf die
Reflexion über die =äußere= Anschauung derselben, mithin nur der Form
der Oberfläche wegen beigelegt wird, kann mit Recht ein Analogon der
Kunst genannt werden. Aber =innere Naturvollkommenheit=, |375.10| wie
sie diejenigen Dinge besitzen, welche nur als =Naturzwecke= möglich
sind und darum organisirte Wesen heißen, ist nach keiner Analogie
irgend eines uns bekannten physischen, d. i. Naturvermögens, ja, da wir
selbst zur Natur im weitesten Verstande gehören, selbst nicht einmal
durch eine genau angemessene Analogie mit menschlicher |375.15| Kunst
denkbar und erklärlich.

  [25] Man kann umgekehrt einer gewissen Verbindung, die aber
  auch mehr in der Idee als in der Wirklichkeit angetroffen
  wird, durch eine Analogie mit den genannten |375.30|
  unmittelbaren Naturzwecken Licht geben. So hat man sich bei
  einer neuerlich unternommenen gänzlichen Umbildung eines
  großen Volks zu einem Staat des Worts =Organisation= häufig
  für Einrichtung der Magistraturen usw. und selbst des ganzen
  Staatskörpers sehr schicklich bedient. Denn jedes Glied soll
  freilich in einem solchen Ganzen nicht bloß Mittel, sondern
  zugleich auch Zweck und, indem es zu |375.35| der Möglichkeit
  des Ganzen mitwirkt, durch die Idee des Ganzen wiederum seiner
  Stelle und Function nach bestimmt sein.

Der Begriff eines Dinges, als an sich Naturzwecks, ist also kein
constitutiver Begriff des Verstandes oder der Vernunft, kann aber doch
ein regulativer Begriff für die reflectirende Urtheilskraft sein, nach
einer #295# entfernten Analogie mit unserer Causalität nach Zwecken
überhaupt die |375.20| Nachforschung über Gegenstände dieser Art zu
leiten und über ihren obersten Grund nachzudenken; das letztere zwar
nicht zum Behuf der Kenntniß der Natur, oder jenes Urgrundes derselben,
sondern vielmehr eben desselben praktischen Vernunftvermögens in
uns, mit welchem wir die Ursache jener Zweckmäßigkeit in Analogie
betrachteten. |375.25|

Organisirte Wesen sind also die einzigen in der Natur, welche, wenn
man sie auch für sich und ohne ein Verhältniß auf andere Dinge
betrachtet, doch nur als Zwecke derselben möglich gedacht werden
müssen, und die also zuerst dem Begriffe eines =Zwecks=, der nicht
ein praktischer, sondern Zweck =der Natur= ist, objective Realität
und dadurch für die Naturwissenschaft den Grund zu einer Teleologie,
d. i. einer Beurtheilungsart ihrer Objecte nach einem besondern
Princip, verschaffen, dergleichen man in sie einzuführen (weil man die
Möglichkeit einer solchen Art |376.5| Causalität gar nicht _a priori_
einsehen kann) sonst schlechterdings nicht berechtigt sein würde.


§ 66.

Vom Princip der Beurtheilung der innern Zweckmäßigkeit in organisirten
Wesen. |376.10|

Dieses Princip, zugleich die Definition derselben, heißt: =Ein
organisirtes Product der Natur ist das, in welchem alles #296# Zweck
und wechselseitig auch Mittel ist.= Nichts in ihm ist umsonst,
zwecklos, oder einem blinden Naturmechanism zuzuschreiben.

Dieses Princip ist zwar seiner Veranlassung nach von Erfahrung |376.15|
abzuleiten, nämlich derjenigen, welche methodisch angestellt wird und
Beobachtung heißt; der Allgemeinheit und Nothwendigkeit wegen aber, die
es von einer solchen Zweckmäßigkeit aussagt, kann es nicht bloß auf
Erfahrungsgründen beruhen, sondern muß irgend ein Princip _a priori_,
wenn es gleich bloß regulativ wäre, und jene Zwecke allein in der Idee
des Beurtheilenden |376.20| und nirgend in einer wirkenden Ursache
lägen, zum Grunde haben. Man kann daher obgenanntes Princip eine
=Maxime= der Beurtheilung der innern Zweckmäßigkeit organisirter Wesen
nennen.

Daß die Zergliederer der Gewächse und Thiere, um ihre Structur zu
erforschen und die Gründe einsehen zu können, warum und zu welchem
|376.25| Ende solche Theile, warum eine solche Lage und Verbindung
der Theile und gerade diese innere Form ihnen gegeben worden, jene
Maxime: daß nichts in einem solchen Geschöpf =umsonst= sei, als
unumgänglich nothwendig annehmen und sie eben so, als den Grundsatz der
allgemeinen Naturlehre: daß =nichts von ungefähr= geschehe, geltend
machen, ist |376.30| bekannt. In der That können sie sich auch von
diesem teleologischen Grundsatze eben so wenig lossagen, als von dem
allgemeinen physischen, weil, so wie bei Verlassung des letzteren gar
keine Erfahrung überhaupt, #297# so bei der des ersteren Grundsatzes
kein Leitfaden für die Beobachtung einer Art von Naturdingen, die wir
einmal teleologisch unter dem Begriffe |376.35| der Naturzwecke gedacht
haben, übrig bleiben würde.

Denn dieser Begriff führt die Vernunft in eine ganz andere Ordnung
der Dinge, als die eines bloßen Mechanisms der Natur, der uns hier
nicht mehr genug thun will. Eine Idee soll der Möglichkeit des
Naturproducts zum Grunde liegen. Weil diese aber eine absolute Einheit
der Vorstellung ist, statt daß die Materie eine Vielheit der Dinge
ist, die für sich |377.5| keine bestimmte Einheit der Zusammensetzung
an die Hand geben kann: so muß, wenn jene Einheit der Idee sogar
als Bestimmungsgrund _a priori_ eines Naturgesetzes der Causalität
einer solchen Form des Zusammengesetzten dienen soll, der Zweck der
Natur auf =Alles=, was in ihrem Producte liegt, erstreckt werden.
Denn wenn wir einmal dergleichen Wirkung |377.10| =im Ganzen= auf
einen übersinnlichen Bestimmungsgrund über den blinden Mechanism der
Natur hinaus beziehen, müssen wir sie auch ganz nach diesem Princip
beurtheilen; und es ist kein Grund da, die Form eines solchen Dinges
noch zum Theil vom letzteren als abhängig anzunehmen, da alsdann bei
der Vermischung ungleichartiger Principien gar |377.15| keine sichere
Regel der Beurtheilung übrig bleiben würde.

Es mag immer sein, daß z. B. in einem thierischen Körper manche #298#
Theile als Concretionen nach bloß mechanischen Gesetzen begriffen
werden könnten (als Häute, Knochen, Haare). Doch muß die Ursache,
welche die dazu schickliche Materie herbeischafft, diese so modificirt,
formt und an |377.20| ihren gehörigen Stellen absetzt, immer
teleologisch beurtheilt werden, so daß alles in ihm als organisirt
betrachtet werden muß, und alles auch in gewisser Beziehung auf das
Ding selbst wiederum Organ ist.


§ 67.

Vom Princip der teleologischen Beurtheilung der Natur |377.25|
überhaupt als System der Zwecke.

Wir haben oben von der =äußeren= Zweckmäßigkeit der Naturdinge
gesagt: daß sie keine hinreichende Berechtigung gebe, sie zugleich
als Zwecke der Natur zu Erklärungsgründen ihres Daseins und die
zufällig-zweckmäßigen Wirkungen derselben in der Idee zu Gründen ihres
Daseins |377.30| nach dem Princip der Endursachen zu brauchen. So
kann man die =Flüsse=, weil sie die Gemeinschaft im Innern der Länder
unter Völkern befördern, die =Gebirge=, weil sie zu diesen die Quellen
und zur Erhaltung derselben den Schneevorrath für regenlose Zeiten
enthalten, imgleichen den =Abhang= der Länder, der diese Gewässer
abführt und das Land |377.35| trocken werden läßt, darum nicht sofort
für Naturzwecke halten: weil, obzwar #299# diese Gestalt der Oberfläche
der Erde zur Entstehung und Erhaltung des Gewächs- und Thierreichs sehr
nöthig war, sie doch nichts an sich hat, zu dessen Möglichkeit man
sich genöthigt sähe eine Causalität nach Zwecken anzunehmen. Eben das
gilt von Gewächsen, die der Mensch zu seiner |378.5| Nothdurft oder
Ergötzlichkeit nutzt: von Thieren, dem Kameele, dem Rinde, dem Pferde,
Hunde u. s. w., die er theils zu seiner Nahrung, theils seinem Dienste
so vielfältig gebrauchen und großentheils gar nicht entbehren kann.
Von Dingen, deren keines für sich als Zweck anzusehen man Ursache hat,
kann das äußere Verhältniß nur hypothetisch für zweckmäßig beurtheilt
|378.10| werden.

Ein Ding seiner innern Form halber als Naturzweck beurtheilen, ist
ganz etwas anderes, als die Existenz dieses Dinges für Zweck der
Natur halten. Zu der letztern Behauptung bedürfen wir nicht bloß den
Begriff von einem möglichen Zweck, sondern die Erkenntniß des Endzwecks
(_scopus_) |378.15| der Natur, welches eine Beziehung derselben
auf etwas Übersinnliches bedarf, die alle unsere teleologische
Naturerkenntniß weit übersteigt; denn der Zweck der Existenz der Natur
selbst muß über die Natur hinaus gesucht werden. Die innere Form eines
bloßen Grashalms kann seinen bloß nach der Regel der Zwecke möglichen
Ursprung für unser menschliches |378.20| Beurtheilungsvermögen
hinreichend beweisen. Geht man aber davon ab und sieht nur auf den
Gebrauch, den andere Naturwesen davon machen, #300# verläßt also
die Betrachtung der innern Organisation und sieht nur auf äußere
zweckmäßige Beziehungen, wie das Gras dem Vieh, wie dieses dem Menschen
als Mittel zu seiner Existenz nöthig sei; und man sieht |378.25|
nicht, warum es denn nöthig sei, daß Menschen existiren (welches,
wenn man etwa die Neuholländer oder Feuerländer in Gedanken hat, so
leicht nicht zu beantworten sein möchte): so gelangt man zu keinem
kategorischen Zwecke, sondern alle diese zweckmäßige Beziehung beruht
auf einer immer weiter hinauszusetzenden Bedingung, die als unbedingt
(das Dasein eines |378.30| Dinges als Endzweck) ganz außerhalb der
physisch-teleologischen Weltbetrachtung liegt. Alsdann aber ist ein
solches Ding auch nicht Naturzweck; denn es ist (oder seine ganze
Gattung) nicht als Naturproduct anzusehen.

Es ist also nur die Materie, sofern sie organisirt ist, welche den
Begriff |378.35| von ihr als einem Naturzwecke nothwendig bei sich
führt, weil diese ihre specifische Form zugleich Product der Natur ist.
Aber dieser Begriff führt nun nothwendig auf die Idee der gesammten
Natur als eines Systems nach der Regel der Zwecke, welcher Idee nun
aller Mechanism der Natur nach Principien der Vernunft (wenigstens um
daran die Naturerscheinung zu versuchen) untergeordnet werden muß.
Das Princip der Vernunft ist ihr als nur subjectiv, d. i. als Maxime,
zuständig: Alles |379.5| in der Welt ist irgend wozu gut; nichts ist
in ihr umsonst; und man ist #301# durch das Beispiel, das die Natur an
ihren organischen Producten giebt, berechtigt, ja berufen, von ihr und
ihren Gesetzen nichts, als was im Ganzen zweckmäßig ist, zu erwarten.

Es versteht sich, daß dieses nicht ein Princip für die bestimmende,
|379.10| sondern nur für die reflectirende Urtheilskraft sei,
daß es regulativ und nicht constitutiv sei, und wir dadurch nur
einen Leitfaden bekommen, die Naturdinge in Beziehung auf einen
Bestimmungsgrund, der schon gegeben ist, nach einer neuen gesetzlichen
Ordnung zu betrachten und die Naturkunde nach einem andern Princip,
nämlich dem der Endursachen, |379.15| doch unbeschadet dem des
Mechanisms ihrer Causalität zu erweitern. Übrigens wird dadurch
keinesweges ausgemacht, ob irgend etwas, das wir nach diesem Princip
beurtheilen, =absichtlich= Zweck der Natur sei: ob die Gräser für
das Rind oder Schaf und ob dieses und die übrigen Naturdinge für den
Menschen da sind. Es ist gut, selbst die uns unangenehmen |379.20| und
in besondern Beziehungen zweckwidrigen Dinge auch von dieser Seite zu
betrachten. So könnte man z. B. sagen: das Ungeziefer, welches die
Menschen in ihren Kleidern, Haaren oder Bettstellen plagt, sei nach
einer weisen Naturanstalt ein Antrieb zur Reinlichkeit, die für sich
schon ein wichtiges Mittel der Erhaltung der Gesundheit ist. Oder die
Mosquitomücken |379.25| und andere stechende Insecten, welche die
Wüsten von Amerika #302# den Wilden so beschwerlich machen, seien so
viel Stacheln der Thätigkeit für diese angehende Menschen, um die
Moräste abzuleiten und die dichten den Luftzug abhaltenden Wälder
licht zu machen und dadurch, imgleichen durch den Anbau des Bodens
ihren Aufenthalt zugleich gesünder zu |379.30| machen. Selbst was dem
Menschen in seiner innern Organisation widernatürlich zu sein scheint,
wenn es auf diese Weise behandelt wird, giebt eine unterhaltende,
bisweilen auch belehrende Aussicht in eine teleologische Ordnung
der Dinge, auf die uns ohne ein solches Princip die bloß physische
Betrachtung allein nicht führen würde. So wie einige den |379.35|
Bandwurm dem Menschen oder Thiere, dem er beiwohnt, gleichsam zum
Ersatz eines gewissen Mangels seiner Lebensorganen beigegeben zu sein
urtheilen: so würde ich fragen, ob nicht die Träume (ohne die niemals
der Schlaf ist, ob man sich gleich nur selten derselben erinnert) eine
zweckmäßige Anordnung der Natur sein mögen, indem sie nämlich bei dem
Abspannen aller körperlichen bewegenden Kräfte dazu dienen, vermittelst
der Einbildungskraft und der großen Geschäftigkeit derselben (die
in |380.5| diesem Zustande mehrentheils bis zum Affecte steigt) die
Lebensorganen innigst zu bewegen; so wie sie auch bei überfülltem
Magen, wo diese Bewegung um desto nöthiger ist, im Nachtschlafe
gemeiniglich mit desto mehr Lebhaftigkeit spielt; daß folglich ohne
diese innerlich bewegende Kraft und ermüdende Unruhe, worüber wir
die Träume anklagen (die |380.10| #303# doch in der That vielleicht
Heilmittel sind), der Schlaf selbst im gesunden Zustande wohl gar ein
völliges Erlöschen des Lebens sein würde.

Auch Schönheit der Natur, d. i. ihre Zusammenstimmung mit dem freien
Spiele unserer Erkenntnißvermögen in der Auffassung und Beurtheilung
ihrer Erscheinung, kann auf die Art als objective Zweckmäßigkeit
|380.15| der Natur in ihrem Ganzen, als System, worin der Mensch
ein Glied ist, betrachtet werden: wenn einmal die teleologische
Beurtheilung derselben durch die Naturzwecke, welche uns die
organisirten Wesen an die Hand geben, zu der Idee eines großen Systems
der Zwecke der Natur uns berechtigt hat. Wir können es als eine
Gunst[26], die die Natur für |380.20| uns gehabt hat, betrachten,
daß sie über das Nützliche noch Schönheit und Reize so reichlich
austheilte, und sie deshalb lieben, so wie ihrer Unermeßlichkeit wegen
mit Achtung betrachten und uns selbst in dieser Betrachtung #304#
veredelt fühlen: gerade als ob die Natur ganz eigentlich in dieser
Absicht ihre herrliche Bühne aufgeschlagen und ausgeschmückt habe.
|380.25|

  [26] In dem ästhetischen Theile wurde gesagt: =wir sähen die
  schöne Natur |380.30| mit Gunst an=, indem wir an ihrer Form
  ein ganz freies (uninteressirtes) Wohlgefallen haben. Denn
  in diesem bloßen Geschmacksurtheile wird gar nicht darauf
  Rücksicht genommen, zu welchem Zwecke diese Naturschönheiten
  existiren: ob um uns eine Lust zu erwecken, oder ohne alle
  Beziehung auf uns als Zwecke. In einem teleologischen Urtheile
  aber geben wir auch auf diese Beziehung Acht; und da können
  |380.35| wir es =als Gunst der Natur ansehen=, daß sie uns
  durch Aufstellung so vieler schönen Gestalten zur Kultur hat
  beförderlich sein wollen.

Wir wollen in diesem § nichts anders sagen, als daß, wenn wir einmal an
der Natur ein Vermögen entdeckt haben, Producte hervorzubringen, die
nur nach dem Begriffe der Endursachen von uns gedacht werden können,
wir weiter gehen und auch die, welche (oder ihr, obgleich zweckmäßiges,
Verhältniß) es eben nicht nothwendig machen, über den Mechanism der
blind wirkenden Ursachen hinaus ein ander Princip für ihre Möglichkeit
aufzusuchen, dennoch als zu einem System der Zwecke gehörig beurtheilen
dürfen: weil uns die erstere Idee schon, was ihren Grund betrifft, über
die Sinnenwelt hinausführt; da denn die Einheit des übersinnlichen
|381.5| Princips nicht bloß für gewisse Species der Naturwesen, sondern
für das Naturganze als System auf dieselbe Art als gültig betrachtet
werden muß.


§ 68.

Von dem Princip der Teleologie als innerem Princip der
Naturwissenschaft. |381.10|

Die Principien einer Wissenschaft sind derselben entweder innerlich
und werden einheimisch genannt (_principia domestica_); oder sie sind
auf Begriffe, die nur außer ihr Platz finden können, gegründet und
sind =auswärtige= Principien (_peregrina_). Wissenschaften, welche die
letzteren enthalten, #305# legen ihren Lehren Lehnsätze (_Lemmata_)
zum Grunde; d. i. sie |381.15| borgen irgend einen Begriff und mit ihm
einen Grund der Anordnung von einer anderen Wissenschaft.

Eine jede Wissenschaft ist für sich ein System; und es ist nicht genug,
in ihr nach Principien zu bauen und also technisch zu verfahren,
sondern man muß mit ihr, als einem für sich bestehenden Gebäude, auch
architektonisch |381.20| zu Werke gehen und sie nicht wie einen Anbau
und als einen Theil eines andern Gebäudes, sondern als ein Ganzes für
sich behandeln, ob man gleich nachher einen Übergang aus diesem in
jenes oder wechselseitig errichten kann.

Wenn man also für die Naturwissenschaft und in ihren Context den
|381.25| Begriff von Gott hereinbringt, um sich die Zweckmäßigkeit
in der Natur erklärlich zu machen, und hernach diese Zweckmäßigkeit
wiederum braucht, um zu beweisen, daß ein Gott sei: so ist in keiner
von beiden Wissenschaften innerer Bestand; und ein täuschendes Diallele
bringt jede in Unsicherheit, dadurch daß sie ihre Gränzen in einander
laufen lassen. |381.30|

Der Ausdruck eines Zwecks der Natur beugt dieser Verwirrung schon
genugsam vor, um Naturwissenschaft und die Veranlassung, die sie
zur =teleologischen= Beurtheilung ihrer Gegenstände giebt, nicht
mit der Gottesbetrachtung und also einer =theologischen= Ableitung
zu vermengen; und man muß es nicht als unbedeutend ansehen, ob man
jenen Ausdruck |381.35| #306# mit dem eines göttlichen Zwecks in
der Anordnung der Natur verwechsele, oder wohl gar den letztern für
schicklicher und einer frommen Seele angemessener ausgebe, weil es
doch am Ende dahin kommen müsse, jene zweckmäßige Formen in der Natur
von einem weisen Welturheber abzuleiten; sondern sich sorgfältig und
bescheiden auf den Ausdruck, der |382.5| gerade nur so viel sagt, als
wir wissen, nämlich eines Zwecks der Natur, einschränken. Denn ehe
wir noch nach der Ursache der Natur selbst fragen, finden wir in der
Natur und dem Laufe ihrer Erzeugung dergleichen Producte, die nach
bekannten Erfahrungsgesetzen in ihr erzeugt werden, nach welchen die
Naturwissenschaft ihre Gegenstände beurtheilen, mithin auch |382.10|
deren Causalität nach der Regel der Zwecke in ihr selbst suchen muß.
Daher muß sie ihre Gränze nicht überspringen, um das, dessen Begriffe
gar keine Erfahrung angemessen sein kann, und woran man sich allererst
nach Vollendung der Naturwissenschaft zu wagen befugt ist, in sie
selbst als einheimisches Princip hinein zu ziehen. |382.15|

Naturbeschaffenheiten, die sich _a priori_ demonstriren und also
ihrer Möglichkeit nach aus allgemeinen Principien ohne allen Beitritt
der Erfahrung einsehen lassen, können, ob sie gleich eine technische
Zweckmäßigkeit bei sich führen, dennoch, weil sie schlechterdings
nothwendig sind, gar nicht zur Teleologie der Natur, als einer
in die Physik gehörigen |382.20| Methode die Fragen derselben
aufzulösen, gezählt werden. Arithmetische, #307# geometrische
Analogieen, imgleichen allgemeine mechanische Gesetze, so sehr uns
auch die Vereinigung verschiedener dem Anschein nach von einander
ganz unabhängiger Regeln in einem Princip an ihnen befremdend und
bewundernswürdig vorkommen mag, enthalten deswegen keinen Anspruch
|382.25| darauf, teleologische Erklärungsgründe in der Physik zu sein;
und wenn sie gleich in der allgemeinen Theorie der Zweckmäßigkeit
der Dinge der Natur überhaupt mit in Betrachtung gezogen zu werden
verdienen, so würde diese doch anderwärts hin, nämlich in die
Metaphysik, gehören und kein inneres Princip der Naturwissenschaft
ausmachen: wie es wohl |382.30| mit den empirischen Gesetzen der
Naturzwecke an organisirten Wesen nicht allein erlaubt, sondern auch
unvermeidlich ist, die teleologische =Beurtheilungsart= zum Princip
der Naturlehre in Ansehung einer eigenen Classe ihrer Gegenstände zu
gebrauchen.

Damit nun Physik sich genau in ihren Gränzen halte, so abstrahirt
|382.35| sie von der Frage, ob die Naturzwecke es =absichtlich=
oder =unabsichtlich= sind, gänzlich; denn das würde Einmengung in
ein fremdes Geschäft (nämlich das der Metaphysik) sein. Genug,
es sind nach Naturgesetzen, die wir uns nur unter der Idee der
Zwecke als Princip denken können, einzig und allein =erklärbare=
und bloß auf diese Weise ihrer innern Form nach, #308# sogar auch
nur innerlich =erkennbare= Gegenstände. Um sich also auch nicht der
mindesten Anmaßung, als wollte man etwas, was gar nicht in |383.5|
die Physik gehört, nämlich eine übernatürliche Ursache, unter unsere
Erkenntnißgründe mischen, verdächtig zu machen: spricht man in der
Teleologie zwar von der Natur, als ob die Zweckmäßigkeit in ihr
absichtlich sei, aber doch zugleich so, daß man der Natur, d. i.
der Materie, diese Absicht beilegt; wodurch man (weil hierüber kein
Mißverstand Statt |383.10| finden kann, indem von selbst schon keiner
einem leblosen Stoffe Absicht in eigentlicher Bedeutung des Worts
beilegen wird) anzeigen will, daß dieses Wort hier nur ein Princip
der reflectirenden, nicht der bestimmenden Urtheilskraft bedeute und
also keinen besondern Grund der Causalität einführen solle, sondern
auch nur zum Gebrauche der Vernunft eine andere |383.15| Art der
Nachforschung, als die nach mechanischen Gesetzen ist, hinzufüge, um
die Unzulänglichkeit der letzteren selbst zur empirischen Aufsuchung
aller besondern Gesetze der Natur zu ergänzen. Daher spricht man in der
Teleologie, so fern sie zur Physik gezogen wird, ganz recht von der
Weisheit, der Sparsamkeit, der Vorsorge, der Wohlthätigkeit der Natur,
ohne |383.20| dadurch aus ihr ein verständiges Wesen zu machen (weil
das ungereimt wäre); aber auch ohne sich zu erkühnen, ein anderes,
verständiges Wesen über sie als Werkmeister setzen zu wollen, weil
dieses vermessen[27] sein #309# würde: sondern es soll dadurch nur eine
Art der Causalität der Natur nach einer Analogie mit der unsrigen im
technischen Gebrauche der Vernunft |383.25| bezeichnet werden, um die
Regel, wornach gewissen Producten der Natur nachgeforscht werden muß,
vor Augen zu haben.

  [27] Das deutsche Wort =vermessen= ist ein gutes,
  bedeutungsvolles Wort. Ein Urtheil, bei welchem man das
  Längenmaß seiner Kräfte (des Verstandes) zu überschlagen
  vergißt, kann bisweilen sehr demüthig klingen und macht doch
  große Ansprüche und ist doch sehr vermessen. Von der Art sind
  die meisten, wodurch man die göttliche Weisheit zu erheben
  vorgiebt, indem man ihr in den Werken der |383.35| Schöpfung
  und der Erhaltung Absichten unterlegt, die eigentlich der
  eigenen Weisheit des Vernünftlers Ehre machen sollen.

Warum aber macht doch die Teleologie gewöhnlich keinen eigenen Theil
der theoretischen Naturwissenschaft aus, sondern wird zur Theologie als
Propädeutik oder Übergang gezogen? Dieses geschieht, um das |383.30|

Studium der Natur nach ihrem Mechanism an demjenigen fest zu halten,
was wir unserer Beobachtung oder den Experimenten so unterwerfen
können, daß wir es gleich der Natur wenigstens der Ähnlichkeit der
Gesetze nach selbst hervorbringen könnten; denn nur soviel sieht man
vollständig ein, als man nach Begriffen selbst machen und zu Stande
bringen kann. |384.5| Organisation aber als innerer Zweck der Natur
übersteigt unendlich alles Vermögen einer ähnlichen Darstellung durch
Kunst: und was äußere für #310# zweckmäßig gehaltene Natureinrichtungen
betrifft (z. B. Winde, Regen u. d. gl.), so betrachtet die Physik wohl
den Mechanism derselben; aber ihre Beziehung auf Zwecke, so fern diese
eine zur Ursache nothwendig gehörige |384.10| Bedingung sein soll, kann
sie gar nicht darstellen, weil diese Nothwendigkeit der Verknüpfung
gänzlich die Verbindung unserer Begriffe und nicht die Beschaffenheit
der Dinge angeht.


Zweite Abtheilung. #311#

Dialektik der teleologischen Urtheilskraft.


§ 69.

Was eine Antinomie der Urtheilskraft sei.

Die =bestimmende= Urtheilskraft hat für sich keine Principien, welche
|385.5| =Begriffe von Objecten= gründen. Sie ist keine Autonomie;
denn sie =subsumirt= nur unter gegebenen Gesetzen, oder Begriffen,
als Principien. Eben darum ist sie auch keiner Gefahr ihrer eigenen
Antinomie und keinem Widerstreit ihrer Principien ausgesetzt. So
war die transscendentale Urtheilskraft, welche die Bedingungen
unter Kategorieen zu subsumiren enthielt, |385.10| für sich nicht
=nomothetisch=; sondern nannte nur die Bedingungen der sinnlichen
Anschauung, unter welchen einem gegebenen Begriffe, als Gesetze des
Verstandes, Realität (Anwendung) gegeben werden kann: worüber sie
niemals mit sich selbst in Uneinigkeit (wenigstens den Principien nach)
gerathen konnte. |385.15|

Allein die =reflectirende= Urtheilskraft soll unter einem Gesetze
subsumiren, #312# welches noch nicht gegeben und also in der That nur
ein Princip der Reflexion über Gegenstände ist, für die es uns objectiv
gänzlich an einem Gesetze mangelt, oder an einem Begriffe vom Object,
der zum Princip für vorkommende Fälle hinreichend wäre. Da nun kein
Gebrauch |385.20| der Erkenntnißvermögen ohne Principien verstattet
werden darf, so wird die reflectirende Urtheilskraft in solchen Fällen
ihr selbst zum Princip dienen müssen: welches, weil es nicht objectiv
ist und keinen für die Absicht hinreichenden Erkenntnißgrund des
Objects unterlegen kann, als bloß subjectives Princip zum zweckmäßigen
Gebrauche der Erkenntnißvermögen, |385.25| nämlich über eine Art
Gegenstände zu reflectiren, dienen soll. Also hat in Beziehung
auf solche Fälle die reflectirende Urtheilskraft ihre Maximen und
zwar nothwendige zum Behuf der Erkenntniß der Naturgesetze in der
Erfahrung, um vermittelst derselben zu Begriffen zu gelangen, sollten
diese auch Vernunftbegriffe sein; wenn sie solcher durchaus bedarf, um
die Natur nach ihren empirischen Gesetzen bloß kennen zu lernen. —
Zwischen diesen nothwendigen Maximen der reflectirenden Urtheilskraft
kann nun ein Widerstreit, mithin eine Antinomie Statt |386.5| finden,
worauf sich eine Dialektik gründet, die, wenn jede von zwei einander
widerstreitenden Maximen in der Natur der Erkenntnißvermögen ihren
Grund hat, eine natürliche Dialektik genannt werden kann und ein #313#
unvermeidlicher Schein, den man in der Kritik entblößen und auflösen
muß, damit er nicht betrüge. |386.10|


§ 70.

Vorstellung dieser Antinomie.

So fern die Vernunft es mit der Natur als Inbegriff der Gegenstände
äußerer Sinne zu thun hat, kann sie sich auf Gesetze gründen, die der
Verstand theils selbst _a priori_ der Natur vorschreibt, theils durch
die |386.15| in der Erfahrung vorkommenden empirischen Bestimmungen
ins Unabsehliche erweitern kann. Zur Anwendung der erstern Art von
Gesetzen, nämlich der =allgemeinen= der materiellen Natur überhaupt,
braucht die Urtheilskraft kein besonderes Princip der Reflexion;
denn da ist sie bestimmend, weil ihr ein objectives Princip durch
den Verstand gegeben |386.20| ist. Aber was die besondern Gesetze
betrifft, die uns nur durch Erfahrung kund werden können, so kann
unter ihnen eine so große Mannigfaltigkeit und Ungleichartigkeit sein,
daß die Urtheilskraft sich selbst zum Princip dienen muß, um auch
nur in den Erscheinungen der Natur nach einem Gesetze zu forschen
und es auszuspähen, indem sie ein solches zum Leitfaden |386.25|
bedarf, wenn sie ein zusammenhängendes Erfahrungserkenntniß nach einer
durchgängigen Gesetzmäßigkeit der Natur, die Einheit derselben nach
empirischen Gesetzen, auch nur hoffen soll. Bei dieser zufälligen
Einheit der besonderen Gesetze kann es sich nun zutragen: daß #314#
die Urtheilskraft in ihrer Reflexion von zwei Maximen ausgeht, deren
|386.30| eine ihr der bloße Verstand _a priori_ an die Hand giebt;
die andere aber durch besondere Erfahrungen veranlaßt wird, welche
die Vernunft ins Spiel bringen, um nach einem besondern Princip die
Beurtheilung der körperlichen Natur und ihrer Gesetze anzustellen.
Da trifft es sich dann, daß diese zweierlei Maximen nicht wohl neben
einander bestehen zu |386.35| können den Anschein haben, mithin sich
eine Dialektik hervorthut, welche die Urtheilskraft in dem Princip
ihrer Reflexion irre macht.

=Die erste Maxime= derselben ist der =Satz=: Alle Erzeugung materieller
Dinge und ihrer Formen muß als nach bloß mechanischen Gesetzen möglich
beurtheilt werden. |387.5|

=Die zweite Maxime= ist der =Gegensatz=: Einige Producte der
materiellen Natur können nicht als nach bloß mechanischen Gesetzen
möglich beurtheilt werden (ihre Beurtheilung erfordert ein ganz anderes
Gesetz der Causalität, nämlich das der Endursachen).

Wenn man diese regulativen Grundsätze für die Nachforschung nun
|387.10| in constitutive der Möglichkeit der Objecte selbst
verwandelte, so würden sie so lauten:

=Satz=: Alle Erzeugung materieller Dinge ist nach bloß mechanischen
Gesetzen möglich.

=Gegensatz=: Einige Erzeugung derselben ist nach bloß mechanischen
|387.15| #315# Gesetzen nicht möglich.

In dieser letzteren Qualität, als objective Principien für die
bestimmende Urtheilskraft, würden sie einander widersprechen, mithin
einer von beiden Sätzen nothwendig falsch sein; aber das wäre alsdann
zwar eine Antinomie, doch nicht der Urtheilskraft, sondern ein
Widerstreit in |387.20| der Gesetzgebung der Vernunft. Die Vernunft
kann aber weder den einen noch den andern dieser Grundsätze beweisen:
weil wir von Möglichkeit der Dinge nach bloß empirischen Gesetzen der
Natur kein bestimmendes Princip _a priori_ haben können.

Was dagegen die zuerst vorgetragene Maxime einer reflectirenden
|387.25| Urtheilskraft betrifft, so enthält sie in der That gar
keinen Widerspruch. Denn wenn ich sage: ich muß alle Ereignisse in
der materiellen Natur, mithin auch alle Formen als Producte derselben
ihrer Möglichkeit nach nach bloß mechanischen Gesetzen =beurtheilen=,
so sage ich damit nicht: sie =sind darnach allein= (ausschließungsweise
von jeder andern Art |387.30| Causalität) =möglich=; sondern das
will nur anzeigen: ich =soll= jederzeit über dieselben =nach dem
Princip= des bloßen Mechanisms der Natur =reflectiren= und mithin
diesem, soweit ich kann, nachforschen, weil, ohne ihn zum Grunde der
Nachforschung zu legen, es gar keine eigentliche Naturerkenntniß geben
kann. Dieses hindert nun die zweite Maxime bei |387.35| gelegentlicher
Veranlassung nicht, nämlich bei einigen Naturformen (und #316# auf
deren Veranlassung sogar der ganzen Natur), nach einem Princip zu
spüren und über sie zu reflectiren, welches von der Erklärung nach
dem Mechanism der Natur ganz verschieden ist, nämlich dem Princip der
Endursachen. Denn die Reflexion nach der ersten Maxime wird dadurch
nicht aufgehoben, vielmehr wird es geboten, sie, so weit man kann, zu
verfolgen; auch wird dadurch nicht gesagt, daß nach dem Mechanism der
|388.5| Natur jene Formen nicht möglich wären. Nur wird behauptet, daß
=die menschliche Vernunft= in Befolgung derselben und auf diese Art
niemals von dem, was das Specifische eines Naturzwecks ausmacht, den
mindesten Grund, wohl aber andere Erkenntnisse von Naturgesetzen wird
auffinden können; wobei es als unausgemacht dahin gestellt wird, ob
|388.10| nicht in dem uns unbekannten inneren Grunde der Natur selbst
die physisch-mechanische und die Zweckverbindung an denselben Dingen
in einem Princip zusammen hängen mögen: nur daß unsere Vernunft sie in
einem solchen nicht zu vereinigen im Stande ist, und die Urtheilskraft
also als (aus einem subjectiven Grunde) =reflectirende=, nicht als
(einem |388.15| objectiven Princip der Möglichkeit der Dinge an sich
zufolge) bestimmende Urtheilskraft genöthigt ist, für gewisse Formen in
der Natur ein anderes Princip, als das des Naturmechanisms zum Grunde
ihrer Möglichkeit zu denken.


§ 71. |388.20| #317#

Vorbereitung zur Auflösung obiger Antinomie.

Wir können die Unmöglichkeit der Erzeugung der organisirten
Naturproducte durch den bloßen Mechanism der Natur keineswegs beweisen,
weil wir die unendliche Mannigfaltigkeit der besondern Naturgesetze,
die für uns zufällig sind, da sie nur empirisch erkannt werden, ihrem
ersten |388.25| innern Grunde nach nicht einsehen und so das innere,
durchgängig zureichende Princip der Möglichkeit einer Natur (welches
im Übersinnlichen liegt) schlechterdings nicht erreichen können. Ob
also das productive Vermögen der Natur auch für dasjenige, was wir als
nach der Idee von Zwecken geformt oder verbunden beurtheilen, nicht
eben so gut als für das, |388.30| wozu wir bloß ein Maschinenwesen der
Natur zu bedürfen glauben, zulange; und ob in der That für Dinge als
eigentliche Naturzwecke (wie wir sie nothwendig beurtheilen müssen)
eine ganz andere Art von ursprünglicher Causalität, die gar nicht in
der materiellen Natur oder ihrem intelligibelen Substrat enthalten sein
kann, nämlich ein architektonischer Verstand, zum |388.35| Grunde
liege: darüber kann unsere in Ansehung des Begriffs der Causalität,
wenn er _a priori_ specificirt werden soll, sehr enge eingeschränkte
Vernunft schlechterdings keine Auskunft geben. — Aber daß respectiv
auf unser Erkenntnißvermögen der bloße Mechanism der Natur für die
Erzeugung #318# organisirter Wesen auch keinen Erklärungsgrund abgeben
könne, |389.5| ist eben so ungezweifelt gewiß. =Für die reflectirende
Urtheilskraft= ist also das ein ganz richtiger Grundsatz: daß für die
so offenbare Verknüpfung der Dinge nach Endursachen eine vom Mechanism
unterschiedene Causalität, nämlich einer nach Zwecken handelnden
(verständigen) Weltursache, gedacht werden müsse; so übereilt und
unerweislich er auch |389.10| =für die bestimmende sein= würde. In
dem ersteren Falle ist er bloße Maxime der Urtheilskraft, wobei der
Begriff jener Causalität eine bloße Idee ist, der man keinesweges
Realität zuzugestehen unternimmt, sondern sie nur zum Leitfaden der
Reflexion braucht, die dabei für alle mechanische Erklärungsgründe
immer offen bleibt und sich nicht aus der Sinnenwelt |389.15| verliert;
im zweiten Falle würde der Grundsatz ein objectives Princip sein, das
die Vernunft vorschriebe und dem die Urtheilskraft sich bestimmend
unterwerfen müßte, wobei sie aber über die Sinnenwelt hinaus sich ins
Überschwengliche verliert und vielleicht irre geführt wird.

Aller Anschein einer Antinomie zwischen den Maximen der eigentlich
|389.20| physischen (mechanischen) und der teleologischen
(technischen) Erklärungsart beruht also darauf: daß man einen
Grundsatz der reflectirenden Urtheilskraft mit dem der bestimmenden
und die =Autonomie= der ersteren (die bloß subjectiv für unsern
Vernunftgebrauch in Ansehung der besonderen #319# Erfahrungsgesetze
gilt) mit der =Heteronomie= der anderen, welche |389.25| sich nach
den von dem Verstande gegebenen (allgemeinen oder besondern) Gesetzen
richten muß, verwechselt.


§ 72.

Von den mancherlei Systemen über die Zweckmäßigkeit der Natur. |389.30|

Die Richtigkeit des Grundsatzes, daß über gewisse Dinge der Natur
(organisirte Wesen) und ihre Möglichkeit nach dem Begriffe von
Endursachen geurtheilt werden müsse, selbst auch nur wenn man, um ihre
Beschaffenheit durch Beobachtung kennen zu lernen, einen =Leitfaden=
verlangt, ohne sich bis zur Untersuchung über ihren ersten Ursprung zu
|389.35| versteigen, hat noch niemand bezweifelt. Die Frage kann also
nur sein: ob dieser Grundsatz bloß subjectiv gültig, d. i. bloß Maxime
unserer Urtheilskraft, oder ein objectives Princip der Natur sei, nach
welchem ihr außer ihrem Mechanism (nach bloßen Bewegungsgesetzen) noch
eine andere Art von Causalität zukomme, nämlich die der Endursachen,
|390.5| unter denen jene (die bewegenden Kräfte) nur als Mittelursachen
ständen.

Nun könnte man diese Frage oder Aufgabe für die Speculation gänzlich
unausgemacht und unaufgelöset lassen: weil, wenn wir uns mit der
letzteren innerhalb den Gränzen der bloßen Naturerkenntniß begnügen,
wir an jenen Maximen genug haben, um die Natur, so weit als menschliche
|390.10| #320# Kräfte reichen, zu studiren und ihren verborgensten
Geheimnissen nachzuspüren. Es ist also wohl eine gewisse Ahnung unserer
Vernunft, oder ein von der Natur uns gleichsam gegebener Wink, daß wir
vermittelst jenes Begriffs von Endursachen wohl gar über die Natur
hinauslangen und sie selbst an den höchsten Punkt in der Reihe der
Ursachen |390.15| knüpfen könnten, wenn wir die Nachforschung der Natur
(ob wir gleich darin noch nicht weit gekommen sind) verließen, oder
wenigstens einige Zeit aussetzten und vorher, worauf jener Fremdling in
der Naturwissenschaft, nämlich der Begriff der Naturzwecke, führe, zu
erkunden versuchten. |390.20|

Hier müßte nun freilich jene unbestrittene Maxime in die ein
weites Feld zu Streitigkeiten eröffnende Aufgabe übergehen: ob die
Zweckverknüpfnug in der Natur eine besondere Art der Causalität für
dieselbe =beweise=; oder ob sie, an sich und nach objectiven Principien
betrachtet, nicht vielmehr mit dem Mechanism der Natur einerlei sei,
oder auf einem |390.25| und demselben Grunde beruhe: nur daß wir,
da dieser für unsere Nachforschung in manchen Naturproducten oft zu
tief versteckt ist, es mit einem subjectiven Princip, nämlich dem der
Kunst, d. i. der Causalität nach Ideen, versuchen, um sie der Natur der
Analogie nach unterzulegen; welche Nothülfe uns auch in vielen Fällen
gelingt, in einigen zwar zu |390.30| mißlingen scheint, auf alle Fälle
aber nicht berechtigt, eine besondere, von #321# der Causalität nach
bloß mechanischen Gesetzen der Natur selbst unterschiedene Wirkungsart
in die Naturwissenschaft einzuführen. Wir wollen, indem wir das
Verfahren (die Causalität) der Natur wegen des Zweckähnlichen, welches
wir in ihren Producten finden, Technik nennen, diese |390.35| in die
=absichtliche= (_technica intentionalis_) und in die =unabsichtliche=
(_technica naturalis_) eintheilen. Die erste soll bedeuten: daß das
productive Vermögen der Natur nach Endursachen für eine besondere
Art von Causalität gehalten werden müsse; die zweite: daß sie mit dem
Mechanism der Natur im Grunde ganz einerlei sei, und das zufällige
Zusammentreffen mit unseren Kunstbegriffen und ihren Regeln, als bloß
subjective Bedingung sie zu beurtheilen, fälschlich für eine besondere
Art der Naturerzeugung |391.5| ausgedeutet werde.

Wenn wir jetzt von den Systemen der Naturerklärung in Ansehung der
Endursachen reden, so muß man wohl bemerken: daß sie insgesammt
dogmatisch, d. i. über objective Principien der Möglichkeit der
Dinge, es sei durch absichtlich oder lauter unabsichtlich wirkende
Ursachen, unter einander |391.10| streitig sind, nicht aber etwa
über die subjective Maxime, über die Ursache solcher zweckmäßigen
Producte bloß zu urtheilen: in welchem letztern Falle =disparate=
Principien noch wohl vereinigt werden könnten, anstatt daß im ersteren
=contradictorisch-entgegengesetzte= einander #322# aufheben und neben
sich nicht bestehen können. |391.15|

Die Systeme in Ansehung der Technik der Natur, d. i. ihrer productiven
Kraft nach der Regel der Zwecke, sind zwiefach: des =Idealismus=, oder
des =Realismus= der Naturzwecke. Der erstere ist die Behauptung: daß
alle Zweckmäßigkeit der Natur =unabsichtlich=; der zweite: daß einige
derselben (in organisirten Wesen) =absichtlich= sei; woraus denn auch
die |391.20| als Hypothese gegründete Folge gezogen werden könnte,
daß die Technik der Natur, auch was alle andere Producte derselben in
Beziehung auf das Naturganze betrifft, absichtlich, d. i. Zweck, sei.

1) Der =Idealism= der Zweckmäßigkeit (ich verstehe hier immer die
objective) ist nun entweder der der =Casualität=, oder der =Fatalität=
|391.25| der Naturbestimmung in der zweckmäßigen Form ihrer Producte.
Das erstere Princip betrifft die Beziehung der Materie auf den
physischen Grund ihrer Form, nämlich die Bewegungsgesetze; das zweite
auf ihren und der ganzen Natur =hyperphysischen= Grund. Das System der
=Casualität=, welches dem Epikur oder Demokritus beigelegt wird, ist,
|391.30| nach dem Buchstaben genommen, so offenbar ungereimt, daß es
uns nicht aufhalten darf; dagegen ist das System der Fatalität (wovon
man den Spinoza zum Urheber macht, ob es gleich allem Ansehen nach viel
älter ist), welches sich auf etwas Übersinnliches beruft, wohin also
unsere Einsicht #323# nicht reicht, so leicht nicht zu widerlegen:
darum weil sein Begriff |391.35| von dem Urwesen gar nicht zu verstehen
ist. So viel ist aber klar: daß die Zweckverbindung in der Welt in
demselben als unabsichtlich angenommen werden muß (weil sie von
einem Urwesen, aber nicht von seinem Verstande, mithin keiner Absicht
desselben, sondern aus der Nothwendigkeit seiner Natur und der davon
abstammenden Welteinheit abgeleitet wird), mithin der Fatalismus der
Zweckmäßigkeit zugleich ein Idealism derselben ist. |392.5|

2) Der =Realism= der Zweckmäßigkeit der Natur ist auch entweder
physisch oder hyperphysisch. Der =erste= gründet die Zwecke in der
Natur auf dem Analogon eines nach Absicht handelnden Vermögens, dem
=Leben der Materie= (in ihr, oder auch durch ein belebendes inneres
Princip, eine Weltseele) und heißt der =Hylozoism=. Der =zweite= leitet
sie von dem |392.10| Urgrunde des Weltalls, als einem mit Absicht
hervorbringenden (ursprünglich lebenden) verständigen Wesen ab und ist
der =Theism=.[28]

  [28] Man sieht hieraus: daß in den meisten speculativen
  Dingen der reinen Vernunft, |392.25| was die dogmatischen
  Behauptungen betrifft, die philosophischen Schulen
  gemeiniglich alle Auflösungen, die über eine gewisse
  Frage möglich sind, versucht haben. So hat man über die
  Zweckmäßigkeit der Natur bald entweder die =leblose Materie=,
  oder einen =leblosen Gott=, bald eine =lebende Materie=,
  oder auch einen =lebendigen Gott= zu diesem Behufe versucht.
  Für uns bleibt nichts |392.30| übrig, als, wenn es Noth
  thun sollte, von allen diesen =objectiven Behauptungen=
  abzugehen und unser Urtheil bloß in Beziehung auf unsere
  Erkenntnißvermögen =kritisch= zu erwägen, um ihrem Princip
  eine, wo nicht dogmatische, doch zum sichern Vernunftgebrauch
  hinreichende Gültigkeit einer Maxime zu verschaffen. |392.35|


§ 73. #324#

Keines der obigen Systeme leistet das, was es vorgiebt.

Was wollen alle jene Systeme? Sie wollen unsere teleologischen |392.15|
Urtheile über die Natur erklären und gehen damit so zu Werke, daß ein
Theil die Wahrheit derselben läugnet, mithin sie für einen Idealism der
Natur (als Kunst vorgestellt) erklärt; der andere Theil sie als wahr
anerkennt und die Möglichkeit einer Natur nach der Idee der Endursachen
darzuthun verspricht. |392.20|

1) Die für den Idealism der Endursachen in der Natur streitenden
Systeme lassen nun einerseits zwar an dem Princip derselben eine
Causalität nach Bewegungsgesetzen zu (durch welche die Naturdinge
zweckmäßig existiren); aber sie läugnen an ihr die =Intentionalität=,
d. i. daß sie absichtlich zu dieser ihrer zweckmäßigen Hervorbringung
bestimmt, oder mit anderen Worten ein Zweck die Ursache sei. Dieses
ist die Erklärungsart Epikurs, nach welcher der Unterschied einer
Technik der Natur von der bloßen Mechanik gänzlich abgeläugnet wird,
und nicht allein für die Übereinstimmung der erzeugten Producte mit
unsern Begriffen vom |393.5| #325# Zwecke, mithin für die Technik,
sondern selbst für die Bestimmung der Ursachen dieser Erzeugung
nach Bewegungsgesetzen, mithin ihre Mechanik der blinde Zufall zum
Erklärungsgrunde angenommen, also nichts, auch nicht einmal der Schein
in unserm teleologischen Urtheile erklärt, mithin der vorgebliche
Idealism in demselben keineswegs dargethan wird. |393.10|

Andererseits will =Spinoza= uns aller Nachfrage nach dem Grunde der
Möglichkeit der Zwecke der Natur dadurch überheben und dieser Idee
alle Realität nehmen, daß er sie überhaupt nicht für Producte, sondern
für einem Urwesen inhärirende Accidenzen gelten läßt und diesem Wesen,
als Substrat jener Naturdinge, in Ansehung derselben nicht Causalität,
|393.15| sondern bloß Subsistenz beilegt und (wegen der unbedingten
Nothwendigkeit desselben sammt allen Naturdingen, als ihm inhärirenden
Accidenzen) den Naturformen zwar die Einheit des Grundes, die zu
aller Zweckmäßigkeit erforderlich ist, sichert, aber zugleich die
Zufälligkeit derselben, ohne die keine =Zweckeinheit= gedacht werden
kann, entreißt und |393.20| mit ihr alles =Absichtliche=, so wie dem
Urgrunde der Naturdinge allen Verstand wegnimmt.

Der Spinozism leistet aber das nicht, was er will. Er will einen
Erklärungsgrund der Zweckverknüpfung (die er nicht läugnet) der Dinge
der Natur angeben und nennt bloß die Einheit des Subjects, dem sie
alle |393.25| inhäriren. Aber wenn man ihm auch diese Art zu existiren
für die Weltwesen #326# einräumt, so ist doch jene ontologische
Einheit darum noch nicht sofort =Zweckeinheit= und macht diese
keinesweges begreiflich. Die letztere ist nämlich eine ganz besondere
Art derselben, die aus der Verknüpfung der Dinge (Weltwesen) in einem
Subjecte (dem Urwesen) gar nicht folgt, |393.30| sondern durchaus
die Beziehung auf eine =Ursache=, die Verstand hat, bei sich führt
und selbst, wenn man alle diese Dinge in einem einfachen Subjecte
vereinigte, doch niemals eine Zweckbeziehung darstellt: wofern man
unter ihnen nicht erstlich innere =Wirkungen= der Substanz als einer
=Ursache=, zweitens eben derselben als Ursache =durch ihren Verstand=
|393.35| denkt. Ohne diese formalen Bedingungen ist alle Einheit bloße
Naturnothwendigkeit und, wird sie gleichwohl Dingen beigelegt, die wir
als außer einander vorstellen, blinde Nothwendigkeit. Will man aber
das, was die Schule die transscendentale Vollkommenheit der Dinge (in
Beziehung auf ihr eigenes Wesen) nennt, nach welcher alle Dinge alles
an sich haben, was erfordert wird, um so ein Ding und kein anderes
zu sein, Zweckmäßigkeit der Natur nennen: so ist das ein kindisches
Spielwerk |394.5| mit Worten statt Begriffen. Denn wenn alle Dinge
als Zwecke gedacht werden müssen, also ein Ding sein und Zweck sein
einerlei ist, so giebt es im Grunde nichts, was besonders als Zweck
vorgestellt zu werden verdiente.

Man sieht hieraus wohl: daß Spinoza dadurch, daß er unsere Begriffe
|394.10| #327# von dem Zweckmäßigen in der Natur auf das Bewußtsein
unserer selbst in einem allbefassenden (doch zugleich einfachen) Wesen
zurückführte und jene Form bloß in der Einheit des letzern suchte,
nicht den Realism, sondern bloß den Idealism der Zweckmäßigkeit
derselben zu behaupten die Absicht haben mußte, diese aber selbst doch
nicht bewerkstelligen konnte, |394.15| weil die bloße Vorstellung der
Einheit des Substrats auch nicht einmal die Idee von einer auch nur
unabsichtlichen Zweckmäßigkeit bewirken kann.

2) Die, welche den =Realism= der Naturzwecke nicht bloß behaupten,
sondern ihn auch zu erklären vermeinen, glauben eine besondere Art der
Causalität, nämlich absichtlich wirkender Ursachen, wenigstens ihrer
Möglichkeit |394.20| nach einsehen zu können; sonst könnten sie es
nicht unternehmen jene erklären zu wollen. Denn zur Befugniß selbst der
gewagtesten Hypothese muß wenigstens die =Möglichkeit= dessen, was man
als Grund annimmt, =gewiß= sein, und man muß dem Begriffe desselben
seine objective Realität sichern können. |394.25|

Aber die Möglichkeit einer lebenden Materie (deren Begriff einen
Widerspruch enthält, weil Leblosigkeit, _inertia_, den wesentlichen
Charakter derselben ausmacht) läßt sich nicht einmal denken; die einer
belebten Materie und der gesammten Natur, als eines Thiers, kann nur
sofern (zum Behuf einer Hypothese der Zweckmäßigkeit im Großen der
Natur) dürftiger |394.30| #328# Weise gebraucht werden, als sie uns
an der Organisation derselben im Kleinen in der Erfahrung offenbart
wird, keinesweges aber _a priori_ ihrer Möglichkeit nach eingesehen
werden. Es muß also ein Cirkel im Erklären begangen werden, wenn man
die Zweckmäßigkeit der Natur an organisirten Wesen aus dem Leben der
Materie ableiten will und dieses |394.35| Leben wiederum nicht anders
als in organisirten Wesen kennt, also ohne dergleichen Erfahrung sich
keinen Begriff von der Möglichkeit derselben machen kann. Der Hylozoism
leistet also das nicht, was er verspricht.

Der =Theism= kann endlich die Möglichkeit der Naturzwecke als einen
Schlüssel zur Teleologie eben so wenig dogmatisch begründen; ob er
zwar vor allen Erklärungsgründen derselben darin den Vorzug hat, daß
er durch |395.5| einen Verstand, den er dem Urwesen beilegt, die
Zweckmäßigkeit der Natur dem Idealism am besten entreißt und eine
absichtliche Causalität für die Erzeugung derselben einführt.

Denn da müßte allererst, für die bestimmende Urtheilskraft hinreichend,
die Unmöglichkeit der Zweckeinheit in der Materie durch den |395.10|
bloßen Mechanism derselben bewiesen werden, um berechtigt zu sein
den Grund derselben über die Natur hinaus auf bestimmte Weise zu
setzen. Wir können aber nichts weiter herausbringen, als daß nach der
Beschaffenheit und den Schranken unserer Erkenntnißvermögen (indem wir
den ersten, inneren Grund selbst dieses Mechanisms nicht einsehen)
wir |395.15| #329# auf keinerlei Weise in der Materie ein Princip
bestimmter Zweckbeziehungen suchen müssen, sondern für uns keine andere
Beurtheilungsart der Erzeugung ihrer Producte als Naturzwecke übrig
bleibe, als die durch einen obersten Verstand als Weltursache. Das ist
aber nur ein Grund für die reflectirende, nicht für die bestimmende
Urtheilskraft und kann |395.20| schlechterdings zu keiner objectiven
Behauptung berechtigen.


§ 74.

Die Ursache der Unmöglichkeit, den Begriff einer Technik der Natur
dogmatisch zu behandeln, ist die Unerklärlichkeit eines Naturzwecks.
|395.25|

Wir verfahren mit einem Begriffe (wenn er gleich empirisch bedingt
sein sollte) dogmatisch, wenn wir ihn als unter einem anderen
Begriffe des Objects, der ein Princip der Vernunft ausmacht,
enthalten betrachten und ihn diesem gemäß bestimmen. Wir verfahren
aber mit ihm bloß kritisch, wenn wir ihn nur in Beziehung auf unser
Erkenntnißvermögen, |395.30| mithin auf die subjectiven Bedingungen ihn
zu denken betrachten, ohne es zu unternehmen über sein Object etwas
zu entscheiden. Das dogmatische Verfahren mit einem Begriffe ist also
dasjenige, welches für die bestimmende, das kritische das, welches bloß
für die reflectirende Urtheilskraft gesetzmäßig ist. |395.35|

Nun ist der Begriff von einem Dinge als Naturzwecke ein Begriff, #330#
der die Natur unter eine Causalität, die nur durch Vernunft denkbar
ist, subsumirt, um nach diesem Princip über das, was vom Objecte in
der Erfahrung gegeben ist, zu urtheilen. Um ihn aber dogmatisch für
die bestimmende Urtheilskraft zu gebrauchen, müßten wir der objectiven
Realität |396.5| dieses Begriffs zuvor versichert sein, weil wir sonst
kein Naturding unter ihm subsumiren könnten. Der Begriff eines Dinges
als Naturzwecks ist aber zwar ein empirisch bedingter, d. i. nur
unter gewissen in der Erfahrung gegebenen Bedingungen möglicher, aber
doch von derselben nicht zu abstrahirender, sondern nur nach einem
Vernunftprincip |396.10| in der Beurtheilung des Gegenstandes möglicher
Begriff. Er kann also als ein solches Princip seiner objectiven
Realität nach (d. i. daß ihm gemäß ein Object möglich sei) gar nicht
eingesehen und dogmatisch begründet werden; und wir wissen nicht, ob er
bloß ein vernünftelnder und objectiv leerer (_conceptus ratiocinans_),
oder ein Vernunftbegriff, ein Erkenntniß |396.15| gründender, von der
Vernunft bestätigter (_conceptus ratiocinatus_), sei. Also kann er
nicht dogmatisch für die bestimmende Urtheilskraft behandelt werden: d.
i. es kann nicht allein nicht ausgemacht werden, ob Dinge der Natur,
als Naturzwecke betrachtet, für ihre Erzeugung eine Causalität von ganz
besonderer Art (die nach Absichten) erfordern, oder nicht; sondern
|396.20| es kann auch nicht einmal darnach gefragt werden, weil der
Begriff eines #331# Naturzwecks seiner objectiven Realität nach durch
die Vernunft gar nicht erweislich ist (d. i. er ist nicht für die
bestimmende Urtheilskraft constitutiv, sondern für die reflectirende
bloß regulativ).

Daß er es aber nicht sei, ist daraus klar, weil er als Begriff von
|396.25| einem =Naturproduct= Naturnothwendigkeit und doch zugleich
eine Zufälligkeit der Form des Objects (in Beziehung auf bloße
Gesetze der Natur) an eben demselben Dinge als Zweck in sich faßt;
folglich, wenn hierin kein Widerspruch sein soll, einen Grund für
die Möglichkeit des Dinges in der Natur und doch auch einen Grund
der Möglichkeit dieser Natur |396.30| selbst und ihrer Beziehung
auf etwas, das nicht empirisch erkennbare Natur (übersinnlich),
mithin für uns gar nicht erkennbar ist, enthalten muß, um nach
einer andern Art Causalität als der des Naturmechanisms beurtheilt
zu werden, wenn man seine Möglichkeit ausmachen will. Da also der
Begriff eines Dinges als Naturzwecks =für die bestimmende |396.35|
Urtheilskraft= überschwenglich ist, wenn man das Object durch die
Vernunft betrachtet (ob er zwar für die reflectirende Urtheilskraft
in Ansehung der Gegenstände der Erfahrung immanent sein mag), mithin
ihm für bestimmende Urtheile die objective Realität nicht verschafft
werden kann: so ist hieraus begreiflich, wie alle Systeme, die man
für die dogmatische Behandlung des Begriffs der Naturzwecke und der
Natur, als #332# eines durch Endursachen zusammenhängenden Ganzen, nur
immer entwerfen |397.5| mag, weder objectiv bejahend, noch objectiv
verneinend irgend etwas entscheiden können; weil, wenn Dinge unter
einem Begriffe, der bloß problematisch ist, subsumirt werden, die
synthetischen Prädicate desselben (z. B. hier: ob der Zweck der Natur,
den wir uns zu der Erzeugung der Dinge denken, absichtlich oder
unabsichtlich sei) eben solche |397.10| (problematische) Urtheile, sie
mögen nun bejahend oder verneinend sein, vom Object abgeben müssen,
indem man nicht weiß, ob man über Etwas oder Nichts urtheilt. Der
Begriff einer Causalität durch Zwecke (der Kunst) hat allerdings
objective Realität, der einer Causalität nach dem Mechanism der Natur
eben sowohl. Aber der Begriff einer Causalität |397.15| der Natur nach
der Regel der Zwecke, noch mehr aber eines Wesens, dergleichen uns gar
nicht in der Erfahrung gegeben werden kann, nämlich eines solchen als
Urgrundes der Natur, kann zwar ohne Widerspruch gedacht werden, aber
zu dogmatischen Bestimmungen doch nicht taugen: weil ihm, da er nicht
aus der Erfahrung gezogen werden kann, auch zur |397.20| Möglichkeit
derselben nicht erforderlich ist, seine objective Realität durch nichts
gesichert werden kann. Geschähe dieses aber auch, wie kann ich Dinge,
die für Producte göttlicher Kunst bestimmt angegeben werden, noch unter
Producte der Natur zählen, deren Unfähigkeit, dergleichen nach ihren
#333# Gesetzen hervorzubringen, eben die Berufung auf eine von ihr
unterschiedene |397.25| Ursache nothwendig machte?


§ 75.

Der Begriff einer objectiven Zweckmäßigkeit der Natur ist ein
kritisches Princip der Vernunft für die reflectirende Urtheilskraft.
|397.30|

Es ist doch etwas ganz Anderes, ob ich sage: die Erzeugung gewisser
Dinge der Natur, oder auch der gesammten Natur ist nur durch eine
Ursache, die sich nach Absichten zum Handeln bestimmt, möglich;
oder ich kann =nach der eigenthümlichen Beschaffenheit meiner
Erkenntnißvermögen= über die Möglichkeit jener Dinge und ihre |397.35|
Erzeugung nicht anders urtheilen, als wenn ich mir zu dieser eine
Ursache, die nach Absichten wirkt, mithin ein Wesen denke, welches
nach der Analogie mit der Causalität eines Verstandes productiv
ist. Im ersteren Falle will ich etwas über das Object ausmachen und
bin verbunden, die objective Realität eines angenommenen Begriffs
darzuthun; im zweiten |398.5| bestimmt die Vernunft nur den Gebrauch
meiner Erkenntnißvermögen angemessen ihrer Eigenthümlichkeit und
den wesentlichen Bedingungen ihres Umfanges sowohl, als ihrer
Schranken. Also ist das erste Princip ein =objectiver= Grundsatz
für die bestimmende, das zweite ein subjectiver Grundsatz bloß für
die reflectirende Urtheilskraft, mithin eine Maxime |398.10| #334#
derselben, die ihr die Vernunft auferlegt.

Wir haben nämlich unentbehrlich nöthig, der Natur den Begriff einer
Absicht unterzulegen, wenn wir ihr auch nur in ihren organisirten
Producten durch fortgesetzte Beobachtung nachforschen wollen; und
dieser Begriff ist also schon für den Erfahrungsgebrauch unserer
Vernunft eine |398.15| schlechterdings nothwendige Maxime. Es ist
offenbar: daß, da einmal ein solcher Leitfaden die Natur zu studiren
aufgenommen und bewährt gefunden ist, wir die gedachte Maxime der
Urtheilskraft auch am Ganzen der Natur wenigstens versuchen müssen,
weil sich nach derselben noch manche Gesetze derselben dürften
auffinden lassen, die uns nach der Beschränkung |398.20| unserer
Einsichten in das Innere des Mechanisms derselben sonst verborgen
bleiben würden. Aber in Ansehung des letztern Gebrauchs ist jene Maxime
der Urtheilskraft zwar nützlich, aber nicht unentbehrlich, weil uns
die Natur im Ganzen als organisirt (in der oben angeführten engsten
Bedeutung des Worts) nicht gegeben ist. Hingegen in Ansehung |398.25|
der Producte derselben, welche nur als absichtlich so und nicht anders
geformt müssen beurtheilt werden, um auch nur eine Erfahrungserkenntniß
ihrer innern Beschaffenheit zu bekommen, ist jene Maxime der
reflectirenden Urtheilskraft wesentlich nothwendig: weil selbst der
Gedanke von ihnen als organisirten Dingen, ohne den Gedanken einer
Erzeugung mit |398.30| #335# Absicht damit zu verbinden, unmöglich ist.

Nun ist der Begriff eines Dinges, dessen Existenz oder Form wir
uns unter der Bedingung eines Zwecks als möglich vorstellen, mit
dem Begriffe einer Zufälligkeit desselben (nach Naturgesetzen)
unzertrennlich verbunden. Daher machen auch die Naturdinge, welche
wir nur als |398.35| Zwecke möglich finden, den vornehmsten Beweis
für die Zufälligkeit des Weltganzen aus und sind der einzige für den
gemeinen Verstand eben sowohl als den Philosophen geltende Beweisgrund
der Abhängigkeit und des Ursprungs desselben von einem außer der Welt
existirenden und zwar (um jener zweckmäßigen Form willen) verständigen
Wesen: daß also die Teleologie keine Vollendung des Aufschlusses für
ihre Nachforschungen, als in einer Theologie findet. |399.5|

Was beweiset nun aber am Ende auch die allervollständigste
Teleologie? Beweiset sie etwa, daß ein solches verständiges Wesen da
sei? Nein; nichts weiter, als daß wir nach Beschaffenheit unserer
Erkenntnißvermögen, also in Verbindung der Erfahrung mit den obersten
Principien der Vernunft, uns schlechterdings keinen Begriff von
der Möglichkeit einer |399.10| solchen Welt machen können, als so,
daß wir uns eine =absichtlich-wirkende= oberste Ursache derselben
denken. Objectiv können wir also nicht den Satz darthun: es ist ein
verständiges Urwesen; sondern nur subjectiv für den Gebrauch unserer
Urtheilskraft in ihrer Reflexion über die Zwecke #336# in der Natur,
die nach keinem anderen Princip als dem einer absichtlichen |399.15|
Causalität einer höchsten Ursache gedacht werden können.

Wollten wir den obersten Satz dogmatisch, aus teleologischen Gründen,
darthun: so würden wir von Schwierigkeiten befangen werden, aus denen
wir uns nicht herauswickeln könnten. Denn da würde diesen Schlüssen der
Satz zum Grunde gelegt werden müssen: die organisirten |399.20| Wesen
in der Welt sind nicht anders, als durch eine absichtlich-wirkende
Ursache möglich. Daß aber, weil wir diese Dinge nur unter der Idee
der Zwecke in ihrer Causalverbindung verfolgen und diese nach ihrer
Gesetzmäßigkeit erkennen können, wir auch berechtigt wären, eben
dieses auch für jedes denkende und erkennende Wesen als nothwendige,
mithin dem |399.25| Objecte und nicht bloß unserm Subjecte anhängende
Bedingung vorauszusetzen: das müßten wir hiebei unvermeidlich behaupten
wollen. Aber mit einer solchen Behauptung kommen wir nicht durch.
Denn da wir die Zwecke in der Natur als absichtliche eigentlich
nicht =beobachten=, sondern nur in der Reflexion über ihre Producte
diesen Begriff als einen |399.30| Leitfaden der Urtheilskraft
hinzu =denken=: so sind sie uns nicht durch das Object gegeben. _A
priori_ ist es sogar für uns unmöglich, einen solchen Begriff seiner
objectiven Realität nach als annehmungsfähig zu rechtfertigen. Es
bleibt also schlechterdings ein nur auf subjectiven Bedingungen, #337#
nämlich der unseren Erkenntnißvermögen angemessen reflectirenden
|399.35| Urtheilskraft, beruhender Satz, der, wenn man ihn als
objectiv-dogmatisch geltend ausdrückte, heißen würde: Es ist ein Gott;
nun aber für uns Menschen nur die eingeschränkte Formel erlaubt:
Wir können uns die Zweckmäßigkeit, die selbst unserer Erkenntniß der
inneren Möglichkeit vieler Naturdinge zum Grunde gelegt werden muß,
gar nicht anders denken und begreiflich machen, als indem wir sie und
überhaupt die Welt uns als ein Product einer verständigen Ursache
(eines Gottes) vorstellen. |400.5|

Wenn nun dieser auf einer unumgänglich nothwendigen Maxime unserer
Urtheilskraft gegründete Satz allem sowohl speculativen als praktischen
Gebrauche unserer Vernunft in jeder =menschlichen= Absicht vollkommen
genugthuend ist: so möchte ich wohl wissen, was uns dann darunter
|400.10| abgehe, daß wir ihn nicht auch für höhere Wesen gültig,
nämlich aus reinen objectiven Gründen (die leider unser Vermögen
übersteigen), beweisen können. Es ist nämlich ganz gewiß, daß wir die
organisirten Wesen und deren innere Möglichkeit nach bloß mechanischen
Principien der Natur nicht einmal zureichend kennen lernen, viel
weniger uns erklären |400.15| können; und zwar so gewiß, daß man dreist
sagen kann: es ist für Menschen ungereimt, auch nur einen solchen
Anschlag zu fassen, oder zu #338# hoffen, daß noch etwa dereinst ein
Newton aufstehen könne, der auch nur die Erzeugung eines Grashalms
nach Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, begreiflich
machen werde; sondern man muß diese Einsicht |400.20| den Menschen
schlechterdings absprechen. Daß dann aber auch in der Natur, wenn wir
bis zum Princip derselben in der Specification ihrer allgemeinen uns
bekannten Gesetze durchdringen könnten, ein hinreichender Grund der
Möglichkeit organisirten Wesen, ohne ihrer Erzeugung eine Absicht
unterzulegen (also im bloßen Mechanism derselben), gar nicht |400.25|
verborgen liegen =könne=, das wäre wiederum von uns zu vermessen
geurtheilt; denn woher wollen wir das wissen? Wahrscheinlichkeiten
fallen hier gar weg, wo es auf Urtheile der reinen Vernunft ankommt.
— Also können wir über den Satz: ob ein nach Absichten handelndes
Wesen als Weltursache (mithin als Urheber) dem, was wir mit Recht
Naturzwecke |400.30| nennen, zum Grunde liege, objectiv gar nicht,
weder bejahend noch verneinend, urtheilen; nur so viel ist sicher,
daß, wenn wir doch wenigstens nach dem, was uns einzusehen durch
unsere eigene Natur vergönnt ist (nach den Bedingungen und Schranken
unserer Vernunft), urtheilen sollen, wir schlechterdings nichts anders
als ein verständiges Wesen der |400.35| Möglichkeit jener Naturzwecke
zum Grunde legen können: welches der Maxime unserer reflectirenden
Urtheilskraft, folglich einem subjectiven, #339# aber dem menschlichen
Geschlecht unnachlaßlich anhängenden Grunde allein gemäß ist.


§ 76.

Anmerkung.

Diese Betrachtung, welche es gar sehr verdient in der
Transscendentalphilosophie |401.5| umständlich ausgeführt zu werden,
mag hier nur episodisch zur Erläuterung (nicht zum Beweise des hier
Vorgetragenen) eintreten.

Die Vernunft ist ein Vermögen der Principien und geht in ihrer
äußersten Forderung auf das Unbedingte; da hingegen der Verstand ihr
immer nur unter einer gewissen Bedingung, die gegeben werden muß, zu
|401.10| Diensten steht. Ohne Begriffe des Verstandes aber, welchen
objective Realität gegeben werden muß, kann die Vernunft gar nicht
objectiv (synthetisch) urtheilen und enthält als theoretische Vernunft
für sich schlechterdings keine constitutive, sondern bloß regulative
Principien. Man wird bald inne: daß, wo der Verstand nicht folgen kann,
die Vernunft überschwenglich |401.15| wird und in zwar gegründeten
Ideen (als regulativen Principien), aber nicht objectiv gültigen
Begriffen sich hervorthut; der Verstand aber, der mit ihr nicht
Schritt halten kann, aber doch zur Gültigkeit für Objecte nöthig sein
würde, die Gültigkeit jener Ideen der Vernunft nur auf das Subject,
aber doch allgemein für alle von dieser Gattung, |401.20| d. i. auf
die Bedingung einschränke, daß nach der Natur unseres (menschlichen)
Erkenntnißvermögens oder gar überhaupt nach dem Begriffe, =den wir
uns= von dem Vermögen eines endlichen vernünftigen Wesens überhaupt
=machen= können, nicht anders als so könne und müsse gedacht werden:
ohne doch zu behaupten, daß der Grund eines solchen Urtheils |401.25|
#340# im Objecte liege. Wir wollen Beispiele anführen, die zwar zu
viel Wichtigkeit und auch Schwierigkeit haben, um sie hier sofort
als erwiesene Sätze dem Leser aufzudringen, die ihm aber Stoff zum
Nachdenken geben und dem, was hier unser eigenthümliches Geschäft ist,
zur Erläuterung dienen können. |401.30|

Es ist dem menschlichen Verstande unumgänglich nothwendig, Möglichkeit
und Wirklichkeit der Dinge zu unterscheiden. Der Grund davon liegt
im Subjecte und der Natur seiner Erkenntnißvermögen. Denn wären zu
dieser ihrer Ausübung nicht zwei ganz heterogene Stücke, Verstand für
Begriffe und sinnliche Anschauung für Objecte, die ihnen |401.35|
correspondiren, erforderlich: so würde es keine solche Unterscheidung
(zwischen dem Möglichen und Wirklichen) geben. Wäre nämlich unser
Verstand anschauend, so hätte er keine Gegenstände als das Wirkliche.
Begriffe (die bloß auf die Möglichkeit eines Gegenstandes gehen)
und sinnliche Anschauungen (welche uns etwas geben, ohne es dadurch
doch als Gegenstand erkennen zu lassen) würden beide wegfallen. Nun
beruht |402.5| aber alle unsere Unterscheidung des bloß Möglichen vom
Wirklichen darauf, daß das erstere nur die Position der Vorstellung
eines Dinges respectiv auf unsern Begriff und überhaupt das Vermögen
zu denken, das letztere aber die Setzung des Dinges an sich selbst
(außer diesem Begriffe) bedeutet. Also ist die Unterscheidung möglicher
Dinge von wirklichen |402.10| eine solche, die bloß subjectiv für
den menschlichen Verstand gilt, da wir nämlich etwas immer noch in
Gedanken haben können, ob es gleich nicht ist, oder etwas als gegeben
uns vorstellen, ob wir gleich noch keinen Begriff davon haben. Die
Sätze also: daß Dinge möglich sein können, ohne wirklich zu sein, daß
also aus der bloßen Möglichkeit auf die Wirklichkeit |402.15| gar nicht
geschlossen werden könne, gelten ganz richtig für die menschliche #341#
Vernunft, ohne darum zu beweisen, daß dieser Unterschied in den Dingen
selbst liege. Denn daß dieses nicht daraus gefolgert werden könne,
mithin jene Sätze zwar allerdings auch von Objecten gelten, so fern
unser Erkenntnißvermögen als sinnlich-bedingt sich auch mit Objecten
der Sinne |402.20| beschäftigt, aber nicht von Dingen überhaupt:
leuchtet aus der unablaßlichen Forderung der Vernunft ein, irgend ein
Etwas (den Urgrund) als unbedingt nothwendig existirend anzunehmen,
an welchem Möglichkeit und Wirklichkeit gar nicht mehr unterschieden
werden sollen, und für welche Idee unser Verstand schlechterdings
keinen Begriff hat, d. i. keine Art ausfinden |402.25| kann, wie er
ein solches Ding und seine Art zu existiren sich vorstellen solle.
Denn wenn er es =denkt= (er mag es denken, wie er will), so ist es
bloß als möglich vorgestellt. Ist er sich dessen als in der Anschauung
gegeben bewußt, so ist es wirklich, ohne sich hiebei irgend etwas von
Möglichkeit zu denken. Daher ist der Begriff eines absolut-nothwendigen
|402.30| Wesens zwar eine unentbehrliche Vernunftidee, aber ein für
den menschlichen Verstand unerreichbarer problematischer Begriff. Er
gilt aber doch für den Gebrauch unserer Erkenntnißvermögen nach der
eigenthümlichen Beschaffenheit derselben, mithin nicht vom Objecte
und hiemit für jedes erkennende Wesen: weil ich nicht bei jedem das
Denken und die Anschauung, |402.35| als zwei verschiedene Bedingungen
der Ausübung seiner Erkenntnißvermögen, mithin der Möglichkeit und
Wirklichkeit der Dinge, voraussetzen kann. Für einen Verstand, bei
dem dieser Unterschied nicht einträte, würde es heißen: alle Objecte,
die ich erkenne, =sind= (existiren); und die Möglichkeit einiger,
die doch nicht existirten, d. i. Zufälligkeit derselben, wenn sie
existiren, also auch die davon zu unterscheidende Nothwendigkeit würde
in die Vorstellung eines solchen Wesens gar nicht |403.5| #342# kommen
können. Was unserm Verstande aber so beschwerlich fällt, der Vernunft
hier mit seinen Begriffen es gleich zu thun, ist bloß: daß für ihn als
menschlichen Verstand dasjenige überschwenglich (d. i. den subjectiven
Bedingungen seines Erkenntnisses unmöglich) ist, was doch die Vernunft
als zum Object gehörig zum Princip macht. — Hierbei gilt nun immer
|403.10| die Maxime, daß wir alle Objecte da, wo ihr Erkenntniß das
Vermögen des Verstandes übersteigt, nach den subjectiven, unserer (d.
i. der menschlichen) Natur nothwendig anhängenden Bedingungen der
Ausübung ihrer Vermögen denken; und wenn die auf diese Art gefällten
Urtheile (wie es auch in Ansehung der überschwenglichen Begriffe
nicht anders sein kann) |403.15| nicht constitutive Principien,
die das Object, wie es beschaffen ist, bestimmen, sein können, so
werden es doch regulative, in der Ausübung immanente und sichere, der
menschlichen Absicht angemessene Principien bleiben.

So wie die Vernunft in theoretischer Betrachtung der Natur die Idee
|403.20| einer unbedingten Nothwendigkeit ihres Urgrundes annehmen
muß: so setzt sie auch in praktischer ihre eigene (in Ansehung der
Natur) unbedingte Causalität, d. i. Freiheit, voraus, indem sie sich
ihres moralischen Gebots bewußt ist. Weil nun aber hier die objective
Nothwendigkeit der Handlung als Pflicht derjenigen, die sie als
Begebenheit haben würde, wenn ihr |403.25| Grund in der Natur und nicht
in der Freiheit (d. i. der Vernunftcausalität) läge, entgegengesetzt
und die moralisch-schlechthin-nothwendige Handlung physisch als ganz
zufällig angesehen wird (d. i. daß das, was nothwendig geschehen
=sollte=, doch öfter nicht geschieht): so ist klar, daß es nur von
der subjectiven Beschaffenheit unsers praktischen Vermögens herrührt,
daß |403.30| die moralischen Gesetze als Gebote (und die ihnen gemäße
Handlungen #343# als Pflichten) vorgestellt werden müssen, und die
Vernunft diese Nothwendigkeit nicht durch ein =Sein= (Geschehen),
sondern Sein-Sollen ausdrückt: welches nicht Statt finden würde,
wenn die Vernunft ohne Sinnlichkeit (als subjective Bedingung ihrer
Anwendung auf Gegenstände |403.35| der Natur) ihrer Causalität nach,
mithin als Ursache in einer intelligibelen, mit dem moralischen Gesetze
durchgängig übereinstimmenden Welt betrachtet würde, wo zwischen
Sollen und Thun, zwischen einem praktischen Gesetze von dem, was durch
uns möglich ist, und dem theoretischen von dem, was durch uns wirklich
ist, kein Unterschied sein würde. Ob nun aber gleich eine intelligibele
Welt, in welcher alles darum wirklich sein würde, bloß nur weil es
(als etwas Gutes) möglich ist, und selbst die |404.5| Freiheit als
formale Bedingung derselben für uns ein überschwenglicher Begriff ist,
der zu keinem constitutiven Prinzip, ein Object und dessen objective
Realität zu bestimmen, tauglich ist: so dient die letztere doch nach
der Beschaffenheit unserer (zum Theil sinnlichen) Natur und Vermögens
für uns und alle vernünftige mit der Sinnenwelt in Verbindung stehende
|404.10| Wesen, so weit wir sie uns nach der Beschaffenheit unserer
Vernunft vorstellen können, zu einem allgemeinen =regulativen= Princip,
welches die Beschaffenheit der Freiheit als Form der Causalität nicht
objectiv bestimmt, sondern und zwar mit nicht minderer Gültigkeit,
als ob dieses geschähe, die Regel der Handlungen nach jener Idee für
jedermann zu |404.15| Geboten macht.

Eben so kann man auch, was unsern vorhabenden Fall betrifft, einräumen:
wir würden zwischen Naturmechanism und Technik der Natur, d. i.
Zweckverknüpfung in derselben, keinen Unterschied finden, wäre unser
Verstand nicht von der Art, daß er vom Allgemeinen zum Besondern
|404.20| gehen muß, und die Urtheilskraft also in Ansehung des
Besondern keine #344# Zweckmäßigkeit erkennen, mithin keine bestimmende
Urtheile fällen kann, ohne ein allgemeines Gesetz zu haben, worunter
sie jenes subsumiren könne. Da nun aber das Besondere als ein solches
in Ansehung des Allgemeinen etwas Zufälliges enthält, gleichwohl
aber die Vernunft in der |404.25| Verbindung besonderer Gesetze der
Natur doch auch Einheit, mithin Gesetzlichkeit erfordert (welche
Gesetzlichkeit des Zufälligen Zweckmäßigkeit heißt), und die Ableitung
der besonderen Gesetze aus den allgemeinen in Ansehung dessen, was
jene Zufälliges in sich enthalten, _a priori_ durch Bestimmung des
Begriffs vom Objecte unmöglich ist: so wird der Begriff |404.30| der
Zweckmäßigkeit der Natur in ihren Producten ein für die menschliche
Urtheilskraft in Ansehung der Natur nothwendiger, aber nicht die
Bestimmung der Objecte selbst angehender Begriff sein, also ein
subjectives Princip der Vernunft für die Urtheilskraft, welches als
regulativ (nicht constitutiv) für unsere =menschliche Urtheilskraft=
eben so nothwendig |404.35| gilt, als ob es ein objectives Princip
wäre.


§ 77.

Von der Eigenthümlichkeit des menschlichen Verstandes, wodurch uns der
Begriff eines Naturzwecks möglich wird.

Wir haben in der Anmerkung Eigenthümlichkeiten unseres (selbst des
oberen) Erkenntnißvermögens, welche wir leichtlich als objective
|405.5| Prädicate auf die Sachen selbst überzutragen verleitet werden,
angeführt; aber sie betreffen Ideen, denen angemessen kein Gegenstand
in der Erfahrung #345# gegeben werden kann, und die alsdann nur zu
regulativen Principien in Verfolgung der letzeren dienen konnten. Mit
dem Begriffe eines Naturzwecks verhält es sich zwar eben so, was die
Ursache der |405.10| Möglichkeit eines solchen Prädicats betrifft, die
nur in der Idee liegen kann; aber die ihr gemäße Folge (das Product
selbst) ist doch in der Natur gegeben, und der Begriff einer Causalität
der letzteren, als eines nach Zwecken handelnden Wesens, scheint
die Idee eines Naturzwecks zu einem constitutiven Princip desselben
zu machen: und darin hat sie etwas |405.15| von allen andern Ideen
Unterscheidendes.

Dieses Unterscheidende besteht aber darin: daß gedachte Idee nicht
ein Vernunftprincip für den Verstand, sondern für die Urtheilskraft,
mithin lediglich die Anwendung eines Verstandes überhaupt auf mögliche
Gegenstände der Erfahrung ist; und zwar da, wo das Urtheil nicht
bestimmend, |405.20| sondern bloß reflectirend sein kann, mithin
der Gegenstand zwar in der Erfahrung gegeben, aber darüber der Idee
gemäß gar nicht einmal =bestimmt= (geschweige völlig angemessen)
=geurtheilt,= sondern nur über ihn reflectirt werden kann.

Es betrifft also eine Eigenthümlichkeit =unseres= (menschlichen)
Verstandes |405.25| in Ansehung der Urtheilskraft in der Reflexion
derselben über Dinge der Natur. Wenn das aber ist, so muß hier die
Idee von einem andern möglichen Verstande, als dem menschlichen zum
Grunde liegen #346# (so wie wir in der Kritik der r. V. eine andere
mögliche Anschauung in Gedanken haben mußten, wenn die unsrige als
eine besondere Art, nämlich |405.30| die, für welche Gegenstände
nur als Erscheinungen gelten, gehalten werden sollte), damit man
sagen könne: gewisse Naturproducte =müssen= nach der besonderen
Beschaffenheit unseres Verstandes =von uns= ihrer Möglichkeit nach
als absichtlich und als Zwecke erzeugt =betrachtet werden,= ohne doch
darum zu verlangen, daß es wirklich eine besondere |405.35| Ursache,
welche die Vorstellung eines Zwecks zu ihrem Bestimmungsgrunde hat,
gebe, mithin ohne in Abrede zu ziehen, daß nicht ein anderer (höherer)
Verstand, als der menschliche auch im Mechanism der Natur, d. i. einer
Causalverbindung, zu der nicht ausschließungsweise ein Verstand als
Ursache angenommen wird, den Grund der Möglichkeit solcher Producte der
|406.5| Natur antreffen könne.

Es kommt hier also auf das Verhalten =unseres= Verstandes zur
Urtheilskraft an, daß wir nämlich darin eine gewisse Zufälligkeit der
Beschaffenheit des unsrigen aufsuchen, um diese Eigenthümlichkeit
unseres Verstandes zum Unterschiede von anderen möglichen anzumerken.
|406.10|

Diese Zufälligkeit findet sich ganz natürlich in dem =Besondern=,
welches die Urtheilskraft unter das =Allgemeine= der Verstandesbegriffe
bringen soll; denn durch das Allgemeine =unseres= (menschlichen)
Verstandes ist das Besondere nicht bestimmt; und es ist zufällig,
auf wie vielerlei #347# Art unterschiedene Dinge, die doch in einem
gemeinsamen Merkmale |406.15| übereinkommen, unserer Wahrnehmung
vorkommen können. Unser Verstand ist ein Vermögen der Begriffe, d.
i. ein discursiver Verstand, für den es freilich zufällig sein muß,
welcherlei und wie sehr verschieden das Besondere sein mag, das ihm
in der Natur gegeben werden und das unter seine Begriffe gebracht
werden kann. Weil aber zum Erkenntniß doch auch |406.20| Anschauung
gehört, und ein Vermögen einer =völligen Spontaneität der Anschauung=
ein von der Sinnlichkeit unterschiedenes und davon ganz unabhängiges
Erkenntnißvermögen, mithin Verstand in der allgemeinsten Bedeutung sein
würde: so kann man sich auch einen =intuitiven= Verstand (negativ,
nämlich bloß als nicht discursiven) denken, welcher |406.25| nicht
vom Allgemeinen zum Besonderen und so zum Einzelnen (durch Begriffe)
geht, und für welchen jene Zufälligkeit der Zusammenstimmung der
Natur in ihren Producten nach =besondern= Gesetzen zum Verstande
nicht angetroffen wird, welche dem unsrigen es so schwer macht, das
Mannigfaltige derselben zur Einheit des Erkenntnisses zu bringen;
ein Geschäft, |406.30| das der unsrige nur durch Übereinstimmung der
Naturmerkmale zu unserm Vermögen der Begriffe, welche sehr zufällig
ist, zu Stande bringen kann, dessen ein anschauender Verstand aber
nicht bedarf.

Unser Verstand hat also das Eigene für die Urtheilskraft, daß im
#348# Erkenntniß durch denselben durch das Allgemeine das Besondere
nicht bestimmt |406.35| wird, und dieses also von jenem allein
nicht abgeleitet werden kann; gleichwohl aber dieses Besondere in
der Mannigfaltigkeit der Natur zum Allgemeinen (durch Begriffe und
Gesetze) zusammenstimmen soll, um darunter subsumirt werden zu können,
welche Zusammenstimmung unter solchen Umständen sehr zufällig und für
die Urtheilskraft ohne bestimmtes Princip sein muß.

Um nun gleichwohl die Möglichkeit einer solchen Zusammenstimmung
|407.5| der Dinge der Natur zur Urtheilskraft (welche wir als
zufällig, mithin nur durch einen darauf gerichteten Zweck als möglich
vorstellen) wenigstens denken zu können, müssen wir uns zugleich einen
andern Verstand denken, in Beziehung auf welchen und zwar vor allem
ihm beigelegten Zweck wir jene Zusammenstimmung der Naturgesetze mit
unserer Urtheilskraft, |407.10| die für unsern Verstand nur durch das
Verbindungsmittel der Zwecke denkbar ist, als =nothwendig= vorstellen
können.

Unser Verstand nämlich hat die Eigenschaft, daß er in
seinem Erkenntnisse, z. B. der Ursache eines Products, vom
=Analytisch-Allgemeinen= (von Begriffen) zum Besondern (der gegebenen
empirischen Anschauung) |407.15| gehen muß; wobei er also in Ansehung
der Mannigfaltigkeit des letztern nichts bestimmt, sondern diese
Bestimmung für die Urtheilskraft #349# von der Subsumtion der
empirischen Anschauung (wenn der Gegenstand ein Naturproduct ist) unter
dem Begriff erwarten muß. Nun können wir uns aber auch einen Verstand
denken, der, weil er nicht wie der unsrige |407.20| discursiv, sondern
intuitiv ist, vom =Synthetisch-Allgemeinen= (der Anschauung eines
Ganzen als eines solchen) zum Besondern geht, d. i. vom Ganzen zu den
Theilen; der also und dessen Vorstellung des Ganzen die =Zufälligkeit=
der Verbindung der Theile nicht in sich enthält, um eine bestimmte
Form des Ganzen möglich zu machen, die unser Verstand |407.25| bedarf,
welcher von den Theilen als allgemeingedachten Gründen zu verschiedenen
darunter zu subsumirenden möglichen Formen als Folgen fortgehen muß.
Nach der Beschaffenheit unseres Verstandes ist hingegen ein reales
Ganze der Natur nur als Wirkung der concurrirenden bewegenden Kräfte
der Theile anzusehen. Wollen wir uns also nicht die Möglichkeit
|407.30| des Ganzen als von den Theilen, wie es unserm discursiven
Verstande gemäß ist, sondern nach Maßgabe des intuitiven (urbildlichen)
die Möglichkeit der Theile (ihrer Beschaffenheit und Verbindung nach)
als vom Ganzen abhängend vorstellen: so kann dieses nach eben derselben
Eigenthümlichkeit unseres Verstandes nicht so geschehen, daß das Ganze
den |407.35| Grund der Möglichkeit der Verknüpfung der Theile (welches
in der discursiven Erkenntnißart Widerspruch sein würde), sondern nur
daß die =Vorstellung= eines Ganzen den Grund der Möglichkeit der Form
desselben #350# und der dazu gehörigen Verknüpfung der Theile enthalte.
Da das Ganze nun aber alsdann eine Wirkung, =Product=, sein würde,
dessen =Vorstellung= als die =Ursache= seiner Möglichkeit angesehen
wird, das Product aber einer Ursache, deren Bestimmungsgrund bloß
die Vorstellung |408.5| ihrer Wirkung ist, ein Zweck heißt: so folgt
daraus, daß es bloß eine Folge aus der besondern Beschaffenheit unseres
Verstandes sei, wenn wir Produkte der Natur nach einer andern Art der
Causalität, als der der Naturgesetze der Materie, nämlich nur nach der
der Zwecke und Endursachen, uns als möglich vorstellen, und daß dieses
Princip nicht die Möglichkeit |408.10| solcher Dinge selbst (selbst
als Phänomene betrachtet) nach dieser Erzeugungsart, sondern nur die
unserem Verstande mögliche Beurtheilung derselben angehe. Wobei wir
zugleich einsehen, warum wir in der Naturkunde mit einer Erklärung der
Producte der Natur durch Causalität nach Zwecken lange nicht zufrieden
sind, weil wir nämlich in derselben die Naturerzeugung |408.15|
bloß unserm Vermögen sie zu beurtheilen, d. i. der reflectirenden
Urtheilskraft und nicht den Dingen selbst zum Behuf der bestimmenden
Urtheilskraft angemessen zu beurtheilen verlangen. Es ist hiebei auch
gar nicht nöthig zu beweisen, daß ein solcher _intellectus archetypus_
möglich sei, sondern nur daß wir in der Dagegenhaltung unseres
discursiven, |408.20| der Bilder bedürftigen Verstandes (_intellectus
ectypus_) und der #351# Zufälligkeit einer solchen Beschaffenheit auf
jene Idee (eines _intellectus archetypus_) geführt werden, diese auch
keinen Widerspruch enthalte.

Wenn wir nun ein Ganzes der Materie seiner Form nach als ein Product
der Theile und ihrer Kräfte und Vermögen sich von selbst zu verbinden
|408.25| (andere Materien, die diese einander zuführen, hinzugedacht)
betrachten: so stellen wir uns eine mechanische Erzeugungsart desselben
vor. Aber es kommt auf solche Art kein Begriff von einem Ganzen als
Zweck heraus, dessen innere Möglichkeit durchaus die Idee von einem
Ganzen voraussetzt, von der selbst die Beschaffenheit und Wirkungsart
der Theile |408.30| abhängt, wie wir uns doch einen organisirten Körper
vorstellen müssen. Hieraus folgt aber, wie eben gewiesen worden, nicht,
daß die mechanische Erzeugung eines solchen Körpers unmöglich sei;
denn das würde soviel sagen, als, es sei eine solche Einheit in der
Verknüpfung des Mannigfaltigen =für jeden Verstand= unmöglich (d. i.
widersprechend) sich vorzustellen, |408.35| ohne daß die Idee derselben
zugleich die erzeugende Ursache derselben sei, d. i. ohne absichtliche
Hervorbringung. Gleichwohl würde dieses in der That folgen, wenn wir
materielle Wesen als Dinge an sich selbst anzusehen berechtigt wären.
Denn alsdann würde die Einheit, welche den Grund der Möglichkeit der
Naturbildungen ausmacht, lediglich die Einheit des Raums sein, welcher
aber kein Realgrund der Erzeugungen, sondern #352# nur die formale
Bedingung derselben ist; obwohl er mit dem Realgrunde, |409.5| welchen
wir suchen, darin einige Ähnlichkeit hat, daß in ihm kein Theil ohne
in Verhältniß auf das Ganze (dessen Vorstellung also der Möglichkeit
der Theile zum Grunde liegt) bestimmt werden kann. Da es aber doch
wenigstens möglich ist, die materielle Welt als bloße Erscheinung
zu betrachten und etwas als Ding an sich selbst (welches nicht
Erscheinung |409.10| ist), als Substrat, zu denken, diesem aber eine
correspondirende intellectuelle Anschauung (wenn sie gleich nicht die
unsrige ist) unterzulegen: so würde ein, obzwar für uns unerkennbarer,
übersinnlicher Realgrund für die Natur Statt finden, zu der wir
selbst mitgehören, in welcher wir also das, was in ihr als Gegenstand
der Sinne nothwendig ist, |409.15| nach mechanischen Gesetzen, die
Zusammenstimmung und Einheit aber der besonderen Gesetze und der Formen
nach denselben, die wir in Ansehung jener als zufällig beurtheilen
müssen, in ihr als Gegenstande der Vernunft (ja das Naturganze als
System) zugleich nach teleologischen Gesetzen betrachten und sie
nach zweierlei Principien beurtheilen würden, |409.20| ohne daß die
mechanische Erklärungsart durch die teleologische, als ob sie einander
widersprächen, ausgeschlossen wird.

Hieraus läßt sich auch das, was man sonst zwar leicht vermuthen, aber
schwerlich mit Gewißheit behaupten und beweisen konnte, einsehen,
#353# daß zwar das Princip einer mechanischen Ableitung zweckmäßiger
Naturproducte |409.25| neben dem teleologischen bestehen, dieses
letztere aber keinesweges entbehrlich machen könnte: d. i. man kann
an einem Dinge, welches wir als Naturzweck beurtheilen müssen (einem
organisirten Wesen), zwar alle bekannte und noch zu entdeckende Gesetze
der mechanischen Erzeugung versuchen und auch hoffen dürfen damit
guten Fortgang zu haben, niemals |409.30| aber der Berufung auf einen
davon ganz unterschiedenen Erzeugungsgrund, nämlich der Causalität
durch Zwecke, für die Möglichkeit eines solchen Products überhoben
sein; und schlechterdings kann keine menschliche Vernunft (auch keine
endliche, die der Qualität nach der unsrigen ähnlich wäre, sie aber dem
Grade nach noch so sehr überstiege) die Erzeugung |409.35| auch nur
eines Gräschens aus bloß mechanischen Ursachen zu verstehen hoffen.
Denn wenn die teleologische Verknüpfung der Ursachen und Wirkungen
zur Möglichkeit eines solchen Gegenstandes für die Urtheilskraft ganz
unentbehrlich ist, selbst um diese nur am Leitfaden der Erfahrung zu
studieren; wenn für äußere Gegenstände als Erscheinungen ein sich
auf Zwecke beziehender hinreichender Grund gar nicht angetroffen
werden kann, sondern dieser, der auch in der Natur liegt, doch nur
im |410.5| übersinnlichen Substrat derselben gesucht werden muß, von
welchem uns aber alle mögliche Einsicht abgeschnitten ist: so ist
es uns schlechterdings unmöglich, aus der Natur selbst hergenommene
Erklärungsgründe für #354# Zweckverbindungen zu schöpfen, und es
ist nach der Beschaffenheit des menschlichen Erkenntnißvermögens
nothwendig, den obersten Grund dazu |410.10| in einem ursprünglichen
Verstande als Weltursache zu suchen.


§ 78.

Von der Vereinigung des Princips des allgemeinen Mechanismus der
Materie mit dem teleologischen in der Technik der Natur. |410.15|

Es liegt der Vernunft unendlich viel daran, den Mechanism der Natur in
ihren Erzeugungen nicht fallen zu lassen und in der Erklärung derselben
nicht vorbei zu gehen: weil ohne diesen keine Einsicht in die Natur
der Dinge erlangt werden kann. Wenn man uns gleich einräumt: daß ein
höchster Architekt die Formen der Natur, so wie sie von je her da sind,
|410.20| unmittelbar geschaffen, oder die, welche sich in ihrem Laufe
continuirlich nach eben demselben Muster bilden, prädeterminirt habe:
so ist doch dadurch unsere Erkenntniß der Natur nicht im mindesten
gefördert: weil wir jenes Wesens Handlungsart und die Ideen desselben,
welche die Principien der Möglichkeit der Naturwesen enthalten sollen,
gar nicht kennen |410.25| und von demselben als von oben herab (_a
priori_) die Natur nicht erklären können. Wollen wir aber von den
Formen der Gegenstände der Erfahrung, also von unten hinauf (_a
posteriori_), weil wir in diesen Zweckmäßigkeit anzutreffen glauben,
um diese zu erklären, uns auf eine nach Zwecken #355# wirkende Ursache
berufen: so würden wir ganz tautologisch erklären und |410.30| die
Vernunft mit Worten täuschen, ohne noch zu erwähnen: daß da, wo wir
uns mit dieser Erklärungsart ins Überschwengliche verlieren, wohin uns
die Naturerkenntniß nicht folgen kann, die Vernunft dichterisch zu
schwärmen verleitet wird, welches zu verhüten eben ihre vorzüglichste
Bestimmung ist. |410.35|

Von der andern Seite ist es eine eben sowohl nothwendige Maxime der
Vernunft, das Princip der Zwecke an den Producten der Natur nicht
vorbei zu gehen: weil es, wenn es gleich die Entstehungsart derselben
uns eben nicht begreiflicher macht, doch ein heuristisches Princip
ist, den besondern Gesetzen der Natur nachzuforschen; gesetzt auch,
daß man davon |411.5| keinen Gebrauch machen wollte, um die Natur
selbst darnach zu erklären, indem man sie so lange, ob sie gleich
absichtliche Zweckeinheit augenscheinlich darlegen, noch immer nur
Naturzwecke nennt, d. i. ohne über die Natur hinaus den Grund der
Möglichkeit derselben zu suchen. Weil es aber doch am Ende zur Frage
wegen der letzteren kommen muß: so ist es eben |411.10| so nothwendig
für sie, eine besondere Art der Causalität, die sich nicht in der Natur
vorfindet, zu denken, als die Mechanik der Naturursachen die ihrige
hat, indem zu der Receptivität mehrerer und anderer Formen, als deren
die Materie nach der letzteren fähig ist, noch eine Spontaneität einer
#356# Ursache (die also nicht Materie sein kann) hinzukommen muß, ohne
welche |411.15| von jenen Formen kein Grund angegeben werden kann. Zwar
muß die Vernunft, ehe sie diesen Schritt thut, behutsam verfahren und
nicht jede Technik der Natur, d. i. ein productives Vermögen derselben,
welches Zweckmäßigkeit der Gestalt für unsere bloße Apprehension an
sich zeigt (wie bei regulären Körpern), für teleologisch zu erklären
suchen, sondern immer |411.20| so lange für bloß mechanisch-möglich
ansehen; allein darüber das teleologische Princip gar ausschließen und,
wo die Zweckmäßigkeit für die Vernunftuntersuchung der Möglichkeit der
Naturformen durch ihre Ursachen sich ganz unläugbar als Beziehung auf
eine andere Art der Causalität zeigt, doch immer den bloßen Mechanism
befolgen wollen, muß die Vernunft |411.25| eben so phantastisch
und unter Hirngespinsten von Naturvermögen, die sich gar nicht
denken lassen, herumschweifend machen, als eine bloß teleologische
Erklärungsart, die gar keine Rücksicht auf den Naturmechanism nimmt,
sie schwärmerisch machte.

An einem und eben demselben Dinge der Natur lassen sich nicht beide
|411.30| Principien, als Grundsätze der Erklärung (Deduction) eines
von dem andern, verknüpfen, d. i. als dogmatische und constitutive
Principien der Natureinsicht für die bestimmende Urtheilskraft
vereinigen. Wenn ich z. B. von einer Made annehme, sie sei als Product
des bloßen Mechanismus der Materie (der neuen Bildung, die sie für
sich selbst bewerkstelligt, |411.35| #357# wenn ihre Elemente durch
Fäulniß in Freiheit gesetzt werden) anzusehen: so kann ich nun nicht
von eben derselben Materie, als einer Causalität nach Zwecken zu
handeln, eben dasselbe Product ableiten. Umgekehrt, wenn ich dasselbe
Product als Naturzweck annehme, kann ich nicht auf eine mechanische
Erzeugungsart desselben rechnen und solche als constitutives Princip
zur Beurtheilung desselben seiner Möglichkeit nach annehmen und so
beide Principien vereinigen. Denn eine Erklärungsart schließt |412.5|
die andere aus; gesetzt auch, daß objectiv beide Gründe der Möglichkeit
eines solchen Products auf einem einzigen beruhten, wir aber auf
diesen nicht Rücksicht nähmen. Das Princip, welches die Vereinbarkeit
beider in Beurtheilung der Natur nach denselben möglich machen soll,
muß in dem, was außerhalb beiden (mithin auch außer der möglichen
empirischen Naturvorstellung) |412.10| liegt, von dieser aber doch
den Grund enthält, d. i. im Übersinnlichen, gesetzt und eine jede
beider Erklärungsarten darauf bezogen werden. Da wir nun von diesem
nichts als den unbestimmten Begriff eines Grundes haben können, der
die Beurtheilung der Natur nach empirischen Gesetzen möglich macht,
übrigens aber ihn durch kein Prädicat |412.15| näher bestimmen können:
so folgt, daß die Vereinigung beider Principien nicht auf einem Grunde
der =Erklärung= (Explication) der Möglichkeit eines Products nach
gegebenen Gesetzen für die =bestimmende=, #358# sondern nur auf einem
Grunde der =Erörterung= (Exposition) derselben für die reflectirende
Urtheilskraft beruhen könne. — Denn Erklären heißt |412.20| von
einem Princip ableiten, welches man also deutlich muß erkennen und
angeben können. Nun müssen zwar das Princip des Mechanisms der Natur
und das der Causalität derselben nach Zwecken an einem und eben
demselben Naturproducte in einem einzigen oberen Princip zusammenhängen
und daraus gemeinschaftlich abfließen, weil sie sonst in der
Naturbetrachtung |412.25| nicht neben einander bestehen könnten. Wenn
aber dieses objectiv-gemeinschaftliche und also auch die Gemeinschaft
der davon abhängenden Maxime der Naturforschung berechtigende Princip
von der Art ist, daß es zwar angezeigt, nie aber bestimmt erkannt und
für den Gebrauch in vorkommenden Fällen deutlich angegeben werden
kann: so läßt sich aus |412.30| einem solchen Princip keine Erklärung,
d. i. deutliche und bestimmte Ableitung, der Möglichkeit eines nach
jenen zwei heterogenen Principien möglichen Naturproducts ziehen. Nun
ist aber das gemeinschaftliche Princip der mechanischen einerseits
und der teleologischen Ableitung andrerseits das =Übersinnliche=,
welches wir der Natur als Phänomen unterlegen |412.35| müssen. Von
diesem aber können wir uns in theoretischer Absicht nicht den mindesten
bejahend bestimmten Begriff machen. Wie also nach demselben, als
Princip, die Natur (nach ihren besondern Gesetzen) für uns ein System
ausmache, welches sowohl nach dem Princip der Erzeugung #359# von
physischen als dem der Endursachen als möglich erkannt werden könne:
läßt sich keinesweges erklären; sondern nur, wenn es sich zuträgt,
daß Gegenstände der Natur vorkommen, die nach dem Princip des
Mechanisms |413.5| (welches jederzeit an einem Naturwesen Anspruch
hat) ihrer Möglichkeit nach, ohne uns auf teleologische Grundsätze
zu stützen, von uns nicht können gedacht werden, voraussetzen, daß
man nur getrost beiden gemäß den Naturgesetzen nachforschen dürfe
(nachdem die Möglichkeit ihres Products aus einem oder dem andern
Princip unserm Verstande |413.10| erkennbar ist), ohne sich an den
scheinbaren Widerstreit zu stoßen, der sich zwischen den Principien der
Beurtheilung desselben hervorthut: weil wenigstens die Möglichkeit, daß
beide auch objectiv in einem Princip vereinbar sein möchten (da sie
Erscheinungen betreffen, die einen übersinnlichen Grund voraussetzen),
gesichert ist. |413.15|

Ob also gleich sowohl der Mechanism als der teleologische
(absichtliche) Technicism der Natur in Ansehung ebendesselben Products
und seiner Möglichkeit unter einem gemeinschaftlichen obern Princip
der Natur nach besondern Gesetzen stehen mögen: so können wir doch, da
dieses Princip =transscendent= ist, nach der Eingeschränktheit unseres
Verstandes |413.20| beide Principien =in der Erklärung= eben derselben
Naturerzeugung alsdann nicht vereinigen, wenn selbst die innere
Möglichkeit dieses Products nur durch eine Causalität nach Zwecken
=verständlich= ist (wie organisirte #360# Materien von der Art sind).
Es bleibt also bei dem obigen Grundsatze der Teleologie: daß nach der
Beschaffenheit des menschlichen |413.25| Verstandes für die Möglichkeit
organischer Wesen in der Natur keine andere als absichtlich wirkende
Ursache könne angenommen werden, und der bloße Mechanism der Natur zur
Erklärung dieser ihrer Producte gar nicht hinlänglich sein könne; ohne
doch dadurch in Ansehung der Möglichkeit solcher Dinge selbst durch
diesen Grundsatz entscheiden zu wollen. |413.30|

Da nämlich dieser nur eine Maxime der reflectirenden, nicht der
bestimmenden Urtheilskraft ist, daher nur subjectiv für uns, nicht
objectiv für die Möglichkeit dieser Art Dinge selbst gilt (wo beiderlei
Erzeugungsarten wohl in einem und demselben Grunde zusammenhängen
könnten); da ferner ohne allen zu der teleologisch-gedachten
Erzeugungsart hinzukommenden |413.35| Begriff von einem dabei zugleich
anzutreffenden Mechanism der Natur dergleichen Erzeugung gar nicht
als Naturproduct beurtheilt werden könnte: so führt obige Maxime
zugleich die Nothwendigkeit einer Vereinigung beider Principien in der
Beurtheilung der Dinge als Naturzwecke bei sich, aber nicht um eine
ganz, oder in gewissen Stücken an die Stelle der andern zu setzen.
Denn an die Stelle dessen, was (von uns wenigstens) nur als nach
Absicht möglich gedacht wird, läßt sich kein Mechanism; |414.5| und
an die Stelle dessen, was nach diesem als nothwendig erkannt wird,
läßt sich keine Zufälligkeit, die eines Zwecks zum Bestimmungsgrunde
#361# bedürfe, annehmen: sondern nur die eine (der Mechanism) der
andern (dem absichtlichen Technicism) unterordnen, welches nach dem
transscendentalen Princip der Zweckmäßigkeit der Natur ganz wohl
geschehen |414.10| darf.

Denn wo Zwecke als Gründe der Möglichkeit gewisser Dinge gedacht
werden, da muß man auch Mittel annehmen, deren Wirkungsgesetz =für
sich= nichts einen Zweck Voraussetzendes bedarf, mithin mechanisch
und doch eine untergeordnete Ursache absichtlicher Wirkungen sein
kann. Daher |414.15| läßt sich selbst in organischen Producten der
Natur, noch mehr aber, wenn wir, durch die unendliche Menge derselben
veranlaßt, das Absichtliche in der Verbindung der Naturursachen nach
besondern Gesetzen nun auch (wenigstens durch erlaubte Hypothese)
zum =allgemeinen Princip= der reflectirenden Urtheilskraft für
das Naturganze (die Welt) annehmen, |414.20| eine große und sogar
allgemeine Verbindung der mechanischen Gesetze mit den teleologischen
in den Erzeugungen der Natur denken, ohne die Principien der
Beurtheilung derselben zu verwechseln und eines an die Stelle des
andern zu setzen: weil in einer teleologischen Beurtheilung die
Materie, selbst wenn die Form, welche sie annimmt, nur als nach Absicht
|414.25| möglich beurtheilt wird, doch ihrer Natur nach mechanischen
Gesetzen gemäß jenem vorgestellten Zwecke auch zum Mittel untergeordnet
sein kann; wiewohl, #362# da der Grund dieser Vereinbarkeit in
demjenigen liegt, was weder das eine noch das andere (weder Mechanism,
noch Zweckverbindung), sondern das übersinnliche Substrat der Natur
ist, von dem wir nichts erkennen, |414.30| für unsere (die menschliche)
Vernunft beide Vorstellungsarten der Möglichkeit solcher Objecte nicht
zusammenzuschmelzen sind, sondern wir sie nicht anders als nach der
Verknüpfung der Endursachen auf einem obersten Verstande gegründet
beurtheilen können, wodurch also der teleologischen Erklärungsart
nichts benommen wird. |414.35|

Weil nun aber ganz unbestimmt und für unsere Vernunft auch auf immer
unbestimmbar ist, wieviel der Mechanism der Natur als Mittel zu jeder
Endabsicht in derselben thue; und wegen des oberwähnten intelligibelen
Princips der Möglichkeit einer Natur überhaupt gar angenommen werden
kann, daß sie durchgängig nach beiderlei allgemein zusammenstimmenden
Gesetzen (den physischen und den der Endursachen) möglich sei, wiewohl
wir die Art, wie dieses zugehe, gar nicht einsehen können: so |415.5|
wissen wir auch nicht, wie weit die für uns mögliche mechanische
Erklärungsart gehe, sondern nur so viel gewiß: daß, so weit wir nur
immer darin kommen mögen, sie doch allemal für Dinge, die wir einmal
als Naturzwecke anerkennen, unzureichend sein und wir also nach
der Beschaffenheit unseres Verstandes jene Gründe insgesammt einem
teleologischen |415.10| #363# Princip unterordnen müssen.

Hierauf gründet sich nun die Befugniß und wegen der Wichtigkeit,
welche das Naturstudium nach dem Princip des Mechanisms für unsern
theoretischen Vernunftgebrauch hat, auch der Beruf: alle Producte und
Ereignisse der Natur, selbst die zweckmäßigsten so weit mechanisch zu
erklären, |415.15| als es immer in unserm Vermögen (dessen Schranken
wir innerhalb dieser Untersuchungsart nicht angeben können) steht,
dabei aber niemals aus den Augen zu verlieren, daß wir die, welche wir
allein unter dem Begriffe vom Zwecke der Vernunft zur Untersuchung
selbst auch nur aufstellen können, der wesentlichen Beschaffenheit
unserer Vernunft gemäß, |415.20| jene mechanischen Ursachen ungeachtet,
doch zuletzt der Causalität nach Zwecken unterordnen müssen.


Anhang. #364#

Methodenlehre der teleologischen Urtheilskraft.


§ 79.

Ob die Teleologie als zur Naturlehre gehörend abgehandelt werden müsse.
|416.5|

Eine jede Wissenschaft muß in der Encyklopädie aller Wissenschaften
ihre bestimmte Stelle haben. Ist es eine philosophische Wissenschaft,
so muß ihr ihre Stelle in dem theoretischen oder praktischen Theil
derselben und, hat sie ihren Platz im ersteren, entweder in der
Naturlehre, so fern sie das, was Gegenstand der Erfahrung sein
kann, erwägt (folglich der |416.10| Körperlehre, der Seelenlehre
und allgemeinen Weltwissenschaft), oder in der Gotteslehre (von dem
Urgrunde der Welt als Inbegriff aller Gegenstände der Erfahrung)
angewiesen werden.

Nun fragt sich: Welche Stelle gebührt der Teleologie? Gehört sie
zur (eigentlich sogenannten) Naturwissenschaft, oder zur Theologie?
Eins |416.15| von beiden muß sein; denn zum Übergange aus einer in
die andere kann gar keine Wissenschaft gehören, weil dieser nur
die Articulation oder Organisation des Systems und keinen Platz in
demselben bedeutet.

Daß sie in die Theologie als ein Theil derselben nicht gehöre, obgleich
#365# in derselben von ihr der wichtigste Gebrauch gemacht werden
kann, ist für |416.20| sich selbst klar. Denn sie hat Naturerzeugungen
und die Ursache derselben zu ihrem Gegenstande; und ob sie gleich
auf die letztere, als einen außer und über die Natur belegenen Grund
(göttlichen Urheber) hinausweiset, so thut sie dieses doch nicht für
die bestimmende, sondern nur (um die Beurtheilung der Dinge in der Welt
durch eine solche Idee dem |416.25| menschlichen Verstande angemessen
als regulatives Princip zu leiten) bloß für die reflectirende
Urtheilskraft in der Naturbetrachtung.

Eben so wenig scheint sie aber auch in die Naturwissenschaft zu
gehören, welche bestimmender und nicht bloß reflectirender Principien
bedarf, um von Naturwirkungen objective Gründe anzugeben. In der That
ist auch für die Theorie der Natur, oder die mechanische Erklärung
der Phänomene derselben durch ihre wirkenden Ursachen dadurch nichts
gewonnen, |417.5| daß man sie nach dem Verhältnisse der Zwecke zu
einander betrachtet. Die Aufstellung der Zwecke der Natur an ihren
Producten, so fern sie ein System nach teleologischen Begriffen
ausmachen, ist eigentlich nur zur Naturbeschreibung gehörig, welche
nach einem besondern Leitfaden abgefaßt ist: wo die Vernunft zwar
ein herrliches unterrichtendes |417.10| und praktisch in mancherlei
Absicht zweckmäßiges Geschäft verrichtet, aber über das Entstehen und
die innere Möglichkeit dieser Formen gar keinen #366# Aufschluß giebt,
worum es doch der theoretischen Naturwissenschaft eigentlich zu thun
ist.

Die Teleologie als Wissenschaft gehört also zu gar keiner
Doctrin, |417.15| sondern nur zur Kritik und zwar eines besondern
Erkenntnißvermögens, nämlich der Urtheilskraft. Aber so fern sie
Principien _a priori_ enthält, kann und muß sie die Methode, wie über
die Natur nach dem Princip der Endursachen geurtheilt werden müsse,
angeben; und so hat ihre Methodenlehre wenigstens negativen Einfluß auf
das Verfahren in der theoretischen |417.20| Naturwissenschaft und auch
auf das Verhältniß, welches diese in der Metaphysik zur Theologie als
Propädeutik derselben haben kann.


§ 80.

Von der nothwendigen Unterordnung des Princips des Mechanisms unter dem
teleologischen in Erklärung eines |417.25| Dinges als Naturzwecks.

Die =Befugniß= auf eine bloß mechanische Erklärungsart aller
Naturproducte =auszugehen= ist an sich ganz unbeschränkt; aber das
=Vermögen= damit allein =auszulangen= ist nach der Beschaffenheit
unseres Verstandes, sofern er es mit Dingen als Naturzwecken zu thun
hat, nicht |417.30| allein sehr beschränkt, sondern auch deutlich
begränzt: nämlich so, daß #367# nach einem Princip der Urtheilskraft
durch das erstere Verfahren allein zur Erklärung der letzeren gar
nichts ausgerichtet werden könne, mithin die Beurtheilung solcher
Producte jederzeit von uns zugleich einem teleologischen Princip
untergeordnet werden müsse. |417.35|

Es ist daher vernünftig, ja verdienstlich, dem Naturmechanism zum
Behuf einer Erklärung der Naturproducte soweit nachzugehen, als es
mit Wahrscheinlichkeit geschehen kann, ja diesen Versuch nicht darum
aufzugeben, weil es =an sich= unmöglich sei auf seinem Wege mit der
Zweckmäßigkeit der Natur zusammenzutreffen, sondern nur darum, weil
es =für |418.5| uns= als Menschen unmöglich ist; indem dazu eine
andere als sinnliche Anschauung und ein bestimmtes Erkenntniß des
intelligibelen Substrats der Natur, woraus selbst von dem Mechanism
der Erscheinungen nach besondern Gesetzen Grund angegeben werden
könne, erforderlich sein würde, welches alles unser Vermögen gänzlich
übersteigt. |418.10|

Damit also der Naturforscher nicht auf reinen Verlust arbeite, so
muß er in Beurtheilung der Dinge, deren Begriff als Naturzwecke
unbezweifelt gegründet ist (organisirter Wesen), immer irgend eine
ursprüngliche Organisation zum Grunde legen, welche jenen Mechanism
selbst benutzt, um andere organisirte Formen hervorzubringen, oder die
seinige |418.15| zu neuen Gestalten (die doch aber immer aus jenem
Zwecke und ihm gemäß #368# erfolgen) zu entwickeln.

Es ist rühmlich, vermittelst einer comparativen Anatomie die große
Schöpfung organisirter Naturen durchzugehen, um zu sehen: ob sich daran
nicht etwas einem System Ähnliches und zwar dem Erzeugungsprincip
|418.20| nach vorfinde; ohne daß wir nöthig haben, beim bloßen
Beurtheilungsprincip (welches für die Einsicht ihrer Erzeugung keinen
Aufschluß giebt) stehen zu bleiben und muthlos allen Anspruch auf
=Natureinsicht= in diesem Felde aufzugeben. Die Übereinkunft so vieler
Thiergattungen in einem gewissen gemeinsamen Schema, das nicht allein
in ihrem Knochenbau, |418.25| sondern auch in der Anordnung der
übrigen Theile zum Grunde zu liegen scheint, wo bewundrungswürdige
Einfalt des Grundrisses durch Verkürzung einer und Verlängerung
anderer, durch Einwickelung dieser und Auswickelung jener Theile eine
so große Mannigfaltigkeit von Species hat hervorbringen können, läßt
einen obgleich schwachen Strahl |418.30| von Hoffnung in das Gemüth
fallen, daß hier wohl etwas mit dem Princip des Mechanismus der
Natur, ohne welches es überhaupt keine Naturwissenschaft geben kann,
auszurichten sein möchte. Diese Analogie der Formen, sofern sie bei
aller Verschiedenheit einem gemeinschaftlichen Urbilde gemäß erzeugt
zu sein scheinen, verstärkt die Vermuthung einer |418.35| wirklichen
Verwandtschaft derselben in der Erzeugung von einer gemeinschaftlichen
Urmutter durch die stufenartige Annäherung einer Thiergattung #369#
zur andern, von derjenigen an, in welcher das Princip der Zwecke
am meisten bewährt zu sein scheint, nämlich dem Menschen, bis zum
Polyp, von diesem sogar bis zu Moosen und Flechten und endlich zu der
niedrigsten uns merklichen Stufe der Natur, zur rohen Materie: aus
welcher und ihren Kräften nach mechanischen Gesetzen (gleich denen,
wornach |419.5| sie in Krystallerzeugungen wirkt) die ganze Technik
der Natur, die uns in organisirten Wesen so unbegreiflich ist, daß wir
uns dazu ein anderes Princip zu denken genöthigt glauben, abzustammen
scheint.

Hier steht es nun dem =Archäologen= der Natur frei, aus den
übriggebliebenen Spuren ihrer ältesten Revolutionen nach allem ihm
bekannten |419.10| oder gemuthmaßten Mechanism derselben jene große
Familie von Geschöpfen (denn so müßte man sie sich vorstellen, wenn
die genannte durchgängig zusammenhängende Verwandtschaft einen Grund
haben soll) entspringen zu lassen. Er kann den Mutterschooß der Erde,
die eben aus ihrem chaotischen Zustande herausging (gleichsam als ein
großes Thier), |419.15| anfänglich Geschöpfe von minder-zweckmäßiger
Form, diese wiederum andere, welche angemessener ihrem Zeugungsplatze
und ihrem Verhältnisse unter einander sich ausbildeten, gebären lassen;
bis diese Gebärmutter selbst, erstarrt, sich verknöchert, ihre Geburten
auf bestimmte, fernerhin nicht ausartende Species eingeschränkt hätte,
und die Mannigfaltigkeit so |419.20| #370# bliebe, wie sie am Ende
der Operation jener fruchtbaren Bildungskraft ausgefallen war. —
Allein er muß gleichwohl zu dem Ende dieser allgemeinen Mutter eine
auf alle diese Geschöpfe zweckmäßig gestellte Organisation beilegen,
widrigenfalls die Zweckform der Producte des Thier- und Pflanzenreichs
ihrer Möglichkeit nach gar nicht zu denken ist.[29] Alsdann |419.25|
aber hat er den Erklärungsgrund nur weiter aufgeschoben und kann sich
nicht anmaßen, die Erzeugung jener zwei Reiche von der Bedingung der
#371# Endursachen unabhängig gemacht zu haben.

  [29] Eine Hypothese von solcher Art kann man ein gewagtes
  Abenteuer der Vernunft nennen; und es mögen wenige selbst
  von den scharfsinnigsten Naturforschern sein, denen es nicht
  bisweilen durch den Kopf gegangen wäre. Denn ungereimt ist
  es eben nicht, wie die _generatio aequivoca_, worunter man
  die Erzeugung eines organisirten Wesens durch die Mechanik
  der rohen unorganisirten Materie versteht. Sie |419.30|
  wäre immer noch _generatio univoca_ in der allgemeinsten
  Bedeutung des Worts, sofern nur etwas Organisches aus einem
  andern Organischen, obzwar unter dieser Art Wesen specifisch
  von ihm Unterschiedenen, erzeugt würde; z. B. wenn gewisse
  Wasserthiere sich nach und nach zu Sumpfthieren und aus diesen
  nach einigen Zeugungen zu Landthieren ausbildeten. _A priori_,
  im Urtheile der bloßen Vernunft, |419.35| widerstreitet sich
  das nicht. Allein die Erfahrung zeigt davon kein Beispiel,
  nach der vielmehr alle Zeugung, die wir kennen, _generatio
  homonyma_ ist, nicht bloß _univoca_ im Gegensatz mit der
  Zeugung aus unorganisirtem Stoffe, sondern auch ein in
  der Organisation selbst mit dem Erzeugenden gleichartiges
  Product hervorbringt, und die _generatio heteronyma_, so weit
  unsere Erfahrungskenntniß der Natur |420.35| reicht, nirgend
  angetroffen wird.

Selbst, was die Veränderung betrifft, welcher gewisse Individuen der
organisirten Gattungen zufälligerweise unterworfen werden, wenn man
|420.5| findet, daß ihr so abgeänderter Charakter erblich und in die
Zeugungskraft aufgenommen wird, so kann sie nicht füglich anders denn
als gelegentliche Entwickelung einer in der Species ursprünglich
vorhandenen zweckmäßigen Anlage zur Selbsterhaltung der Art beurtheilt
werden: weil das Zeugen seines gleichen bei der durchgängigen innern
Zweckmäßigkeit |420.10| eines organisirten Wesens mit der Bedingung
nichts in die Zeugungskraft aufzunehmen, was nicht auch in einem
solchen System von Zwecken zu einer der unentwickelten ursprünglichen
Anlagen gehört, so nahe verbunden ist. Denn wenn man von diesem Princip
abgeht, so kann man mit Sicherheit nicht wissen, ob nicht mehrere
Stücke der jetzt |420.15| an einer Species anzutreffenden Form eben
so zufälligen zwecklosen Ursprungs sein mögen; und das Princip der
Teleologie: in einem organisirten Wesen nichts von dem, was sich in der
Fortpflanzung desselben erhält, als unzweckmäßig zu beurtheilen, müßte
dadurch in der Anwendung sehr unzuverlässig werden und lediglich für
den Urstamm (den wir aber |420.20| nicht mehr kennen) gültig sein.

=Hume= macht wider diejenigen, welche für alle solche Naturzwecke
#372# ein teleologisches Princip der Beurtheilung, d. i. einen
architektonischen Verstand, anzunehmen nöthig finden, die Einwendung:
daß man mit eben dem Rechte fragen könnte, wie denn ein solcher
Verstand möglich sei, |420.25| d. i. wie die mancherlei Vermögen und
Eigenschaften, welche die Möglichkeit eines Verstandes, der zugleich
ausführende Macht hat, ausmachen, sich so zweckmäßig in einem Wesen
haben zusammen finden können. Allein dieser Einwurf ist nichtig. Denn
die ganze Schwierigkeit, welche die Frage wegen der ersten Erzeugung
eines in sich selbst Zwecke enthaltenden |420.30| und durch sie allein
begreiflichen Dinges umgiebt, beruht auf der Nachfrage nach Einheit
des Grundes der Verbindung des Mannigfaltigen =außer einander= in
diesem Producte; da denn, wenn dieser Grund in dem Verstande einer
hervorbringenden Ursache als einfacher Substanz gesetzt wird, jene
Frage, sofern sie teleologisch ist, hinreichend beantwortet wird,
wenn aber die Ursache bloß in der Materie, als einem Aggregat vieler
Substanzen außer einander, gesucht wird, die Einheit des Princips
für die innerlich zweckmäßige Form ihrer Bildung gänzlich ermangelt;
|421.5| und die =Autokratie= der Materie in Erzeugungen, welche von
unserm Verstande nur als Zwecke begriffen werden können, ist ein Wort
ohne Bedeutung.

Daher kommt es, daß diejenigen, welche für die objectiv-zweckmäßigen
Formen der Materie einen obersten Grund der Möglichkeit derselben
|421.10| #373# suchen, ohne ihm eben einen Verstand zuzugestehen,
das Weltganze doch gern zu einer einigen, allbefassenden Substanz
(Pantheism), oder (welches nur eine bestimmtere Erklärung des vorigen
ist) zu einem Inbegriffe vieler einer einigen =einfachen Substanz=
inhärirenden Bestimmungen (Spinozism) machen, bloß um jene Bedingung
aller Zweckmäßigkeit, die |421.15| =Einheit= des Grundes, heraus zu
bekommen; wobei sie zwar =einer= Bedingung der Aufgabe, nämlich der
Einheit in der Zweckbeziehung, vermittelst des bloß ontologischen
Begriffs einer einfachen Substanz ein Genüge thun, aber für die
=andere= Bedingung, nämlich das Verhältniß derselben zu ihrer Folge
als =Zweck=, wodurch jener ontologische Grund |421.20| für die Frage
näher bestimmt werden soll, nichts anführen, mithin =die ganze=
Frage keinesweges beantworten. Auch bleibt sie schlechterdings
unbeantwortlich (für unsere Vernunft), wenn wir jenen Urgrund der
Dinge nicht als einfache =Substanz= und dieser ihre Eigenschaft zu der
specifischen Beschaffenheit der auf sie sich gründenden Naturformen,
|421.25| nämlich der Zweckeinheit, nicht als die einer intelligenten
Substanz, das Verhältniß aber derselben zu den letzteren (wegen der
Zufälligkeit, die wir an allem finden, was wir uns nur als Zweck
möglich denken) nicht als das Verhältniß einer =Causalität= uns
vorstellen.


§ 81. |421.30| #374#

Von der Beigesellung des Mechanismus zum teleologischen Princip in der
Erklärung eines Naturzwecks als Naturproducts.

Gleich wie der Mechanism der Natur nach dem vorhergehenden § allein
nicht zulangen kann, um sich die Möglichkeit eines organisirten
|421.35| Wesens darnach zu denken, sondern (wenigstens nach der
Beschaffenheit unsers Erkenntnißvermögens) einer absichtlich wirkenden
Ursache ursprünglich untergeordnet werden muß: so langt eben so wenig
der bloße teleologische Grund eines solchen Wesens hin, es zugleich als
ein Product der Natur zu betrachten und zu beurtheilen, wenn nicht der
Mechanism |422.5| der letzteren dem ersteren beigesellt wird, gleichsam
als das Werkzeug einer absichtlich wirkenden Ursache, deren Zwecke die
Natur in ihren mechanischen Gesetzen gleichwohl untergeordnet ist. Die
Möglichkeit einer solchen Vereinigung zweier ganz verschiedener Arten
von Causalität, der Natur in ihrer allgemeinen Gesetzmäßigkeit mit
einer Idee, welche jene auf eine |422.10| besondere Form einschränkt,
wozu sie für sich gar keinen Grund enthält, begreift unsere Vernunft
nicht; sie liegt im übersinnlichen Substrat der Natur, wovon wir
nichts bejahend bestimmen können, als daß es das Wesen an sich sei,
von welchem wir bloß die Erscheinung kennen. Aber das Princip: alles,
was wir als zu dieser Natur (_Phaenomenon_) gehörig |422.15| #375# und
als Product derselben annehmen, auch nach mechanischen Gesetzen mit
ihr verknüpft denken zu müssen, bleibt nichts desto weniger in seiner
Kraft: weil ohne diese Art von Causalität organisirte Wesen, als Zwecke
der Natur, doch keine Naturproducte sein würden.

Wenn nun das teleologische Princip der Erzeugung dieser Wesen
angenommen |422.20| wird (wie es denn nicht anders sein kann): so
kann man entweder den =Occasionalism=, oder den =Prästabilism= der
Ursache ihrer innerlich zweckmäßigen Form zum Grunde legen. Nach
dem ersteren würde die oberste Weltursache ihrer Idee gemäß bei
Gelegenheit einer jeden Begattung der in derselben sich mischenden
Materie unmittelbar die |422.25| organische Bildung geben; nach dem
zweiten würde sie in die anfänglichen Producte dieser ihrer Weisheit
nur die Anlage gebracht haben, vermittelst deren ein organisches Wesen
seines Gleichen hervorbringt und die Species sich selbst beständig
erhält, imgleichen der Abgang der Individuen durch ihre zugleich an
ihrer Zerstörung arbeitende Natur continuirlich ersetzt |422.30| wird.
Wenn man den Occasionalism der Hervorbringung organisirter Wesen
annimmt, so geht alle Natur hiebei gänzlich verloren, mit ihr auch
aller Vernunftgebrauch, über die Möglichkeit einer solchen Art Producte
zu urtheilen; daher man voraussetzen kann, daß niemand dieses System
annehmen wird, dem es irgend um Philosophie zu thun ist. |422.35|

Der =Prästabilism= kann nun wiederum auf zwiefache Art verfahren.
#376# Er betrachtet nämlich ein jedes von seines Gleichen gezeugte
organische Wesen entweder als das =Educt=, oder als das =Product= des
ersteren. Das System der Zeugungen als bloßer Educte heißt das der
=individuellen Präformation=, oder auch die =Evolutionstheorie=; das
der Zeugungen als Producte wird das System der =Epigenesis= genannt.
Dieses letztere kann auch System =der generischen Präformation= genannt
|423.5| werden: weil das productive Vermögen der Zeugenden doch nach
den inneren zweckmäßigen Anlagen, die ihrem Stamme zu Theil wurden,
also die specifische Form _virtualiter_ präformirt war. Diesem gemäß
würde man die entgegenstehende Theorie der individuellen Präformation
auch besser =Involutionstheorie= (oder die der Einschachtelung) nennen
|423.10| können.

Die Verfechter der =Evolutionstheorie=, welche jedes Individuum von
der bildenden Kraft der Natur ausnehmen, um es unmittelbar aus der
Hand des Schöpfers kommen zu lassen, wollten es also doch nicht wagen,
dieses nach der Hypothese des Occasionalisms geschehen zu lassen,
|423.15| so daß die Begattung eine bloße Formalität wäre, unter der
eine oberste verständige Weltursache beschlossen hätte, jedesmal
eine Frucht mit unmittelbarer Hand zu bilden und der Mutter nur die
Auswickelung und Ernährung derselben zu überlassen. Sie erklärten
sich für die Präformation; #377# gleich als wenn es nicht einerlei
wäre, übernatürlicher Weise im |423.20| Anfange oder im Fortlaufe der
Welt dergleichen Formen entstehen zu lassen, und nicht vielmehr eine
große Menge übernatürlicher Anstalten durch gelegentliche Schöpfung
erspart würde, welche erforderlich wären, damit der im Anfange der Welt
gebildete Embryo die lange Zeit hindurch bis zu seiner Entwickelung
nicht von den zerstörenden Kräften der Natur |423.25| litte und sich
unverletzt erhielte, imgleichen eine unermeßlich größere Zahl solcher
vorgebildeten Wesen, als jemals entwickelt werden sollten, und mit
ihnen eben so viel Schöpfungen dadurch unnöthig und zwecklos gemacht
würden. Allein sie wollten doch wenigstens etwas hierin der Natur
überlassen, um nicht gar in völlige Hyperphysik zu gerathen, die
aller Naturerklärung |423.30| entbehren kann. Sie hielten zwar noch
fest an ihrer Hyperphysik, selbst da sie an Mißgeburten (die man doch
unmöglich für Zwecke der Natur halten kann) eine bewunderungswürdige
Zweckmäßigkeit fanden, sollte sie auch nur darauf abgezielt sein, daß
ein Anatomiker einmal daran, als einer zwecklosen Zweckmäßigkeit,
Anstoß nehmen und niederschlagende |423.35| Bewunderung fühlen sollte.
Aber die Erzeugung der Bastarte konnten sie schlechterdings nicht in
das System der Präformation hineinpassen, sondern mußten dem Samen
der männlichen Geschöpfe, dem sie übrigens nichts als die mechanische
Eigenschaft, zum ersten Nahrungsmittel des Embryo zu dienen,
zugestanden hatten, doch noch obenein eine #378# zweckmäßig bildende
Kraft zugestehen: welche sie doch in Ansehung des ganzen Products einer
Erzeugung von zwei Geschöpfen derselben Gattung |424.5| keinem von
beiden einräumen wollten.

Wenn man dagegen an dem Vertheidiger der =Epigenesis= den großen
Vorzug, den er in Ansehung der Erfahrungsgründe zum Beweise seiner
Theorie vor dem ersteren hat, gleich nicht kennte: so würde die
Vernunft doch schon zum Voraus für seine Erklärungsart mit vorzüglicher
|424.10| Gunst eingenommen sein, weil sie die Natur in Ansehung
der Dinge, welche man ursprünglich nur nach der Causalität der
Zwecke sich als möglich vorstellen kann, doch wenigstens, was die
Fortpflanzung betrifft, als selbst hervorbringend, nicht bloß als
entwickelnd betrachtet und so doch mit dem kleinst-möglichen Aufwande
des Übernatürlichen alles Folgende |424.15| vom ersten Anfange an der
Natur überläßt (ohne aber über diesen ersten Anfang, an dem die Physik
überhaupt scheitert, sie mag es mit einer Kette der Ursachen versuchen,
mit welcher sie wolle, etwas zu bestimmen).

In Ansehung dieser Theorie der Epigenesis hat niemand mehr sowohl
zum Beweise derselben, als auch zur Gründung der ächten Principien
|424.20| ihrer Anwendung zum Theil durch die Beschränkung eines zu
vermessenen Gebrauchs derselben geleistet, als Herr Hofr. =Blumenbach=.
Von organisirter Materie hebt er alle physische Erklärungsart dieser
Bildungen #379# an. Denn daß rohe Materie sich nach mechanischen
Gesetzen ursprünglich selbst gebildet habe, daß aus der Natur des
Leblosen Leben |424.25| habe entspringen und Materie in die Form einer
sich selbst erhaltenden Zweckmäßigkeit sich von selbst habe fügen
können, erklärt er mit Recht für vernunftwidrig; läßt aber zugleich
dem Naturmechanism unter diesem uns unerforschlichen =Princip= einer
ursprünglichen =Organisation= einen unbestimmbaren, zugleich doch auch
unverkennbaren Antheil, wozu das |424.30| Vermögen der Materie (zum
Unterschiede von der ihr allgemein beiwohnenden bloß mechanischen
=Bildungskraft=) von ihm in einem organisirten Körper ein (gleichsam
unter der höheren Leitung und Anweisung der ersteren stehender)
=Bildungstrieb= genannt wird.


§ 82.

Von dem teleologischen System in den äußern Verhältnissen organisirter
Wesen.

Unter der äußern Zweckmäßigkeit verstehe ich diejenige, da ein Ding
der Natur einem andern als Mittel zum Zwecke dient. Nun können
Dinge, |425.5| die keine innere Zweckmäßigkeit haben, oder zu ihrer
Möglichkeit voraussetzen, z. B. Erden, Luft, Wasser u. s. w.,
gleichwohl äußerlich, d. i. im Verhältniß auf andere Wesen, sehr
zweckmäßig sein; aber diese müssen #380# jederzeit organisirte Wesen,
d. i. Naturzwecke, sein, denn sonst könnten jene auch nicht als Mittel
beurtheilt werden. So können Wasser, Luft |425.10| und Erden nicht als
Mittel zu Anhäufung von Gebirgen angesehen werden, weil diese an sich
gar nichts enthalten, was einen Grund ihrer Möglichkeit nach Zwecken
erforderte, worauf in Beziehung also ihre Ursache niemals unter dem
Prädicate eines Mittels (das dazu nützte) vorgestellt werden kann.
|425.15|

Die äußere Zweckmäßigkeit ist ein ganz anderer Begriff, als der
Begriff der inneren, welche mit der Möglichkeit eines Gegenstandes,
unangesehen ob seine Wirklichkeit selbst Zweck sei oder nicht,
verbunden ist. Man kann von einem organisirten Wesen noch fragen: Wozu
ist es da? aber nicht leicht von Dingen, an denen man bloß die Wirkung
vom Mechanism |425.20| der Natur erkennt. Denn in jenen stellen wir
uns schon eine Causalität nach Zwecken zu ihrer inneren Möglichkeit,
einen schaffenden Verstand, vor und beziehen dieses thätige Vermögen
auf den Bestimmungsgrund desselben, die Absicht. Es giebt nur eine
einzige äußere Zweckmäßigkeit, die mit der innern der Organisation
zusammenhängt |425.25| und, ohne daß die Frage sein darf, zu welchem
Ende dieses so organisirte Wesen eben habe existiren müssen, dennoch
im äußeren Verhältniß eines Mittels zum Zwecke dient. Dieses ist die
Organisation beiderlei Geschlechts #381# in Beziehung auf einander
zur Fortpflanzung ihrer Art; denn hier kann man immer noch eben so
wie bei einem Individuum fragen: |425.30| Warum mußte ein solches
Paar existiren? Die Antwort ist: Dieses hier macht allererst ein
=organisirendes= Ganze aus, obzwar nicht ein organisirtes in einem
einzigen Körper.

Wenn man nun fragt, wozu ein Ding da ist, so ist die Antwort entweder:
Sein Dasein und seine Erzeugung hat gar keine Beziehung auf |425.35|
eine nach Absichten wirkende Ursache, und alsdann versteht man immer
einen Ursprung derselben aus dem Mechanism der Natur; oder: Es ist
irgend ein absichtlicher Grund seines Daseins (als eines zufälligen
Naturwesens), und diesen Gedanken kann man schwerlich von dem Begriffe
eines organisirten Dinges trennen: weil, da wir einmal seiner innern
Möglichkeit eine Causalität der Endursachen und eine Idee, die dieser
|426.5| zum Grunde liegt, unterlegen müssen, wir auch die Existenz
dieses Productes nicht anders denn als Zweck denken können. Denn die
vorgestellte Wirkung, deren Vorstellung zugleich der Bestimmungsgrund
der verständigen wirkenden Ursache zu ihrer Hervorbringung ist, heißt
=Zweck=. In diesem Falle also kann man entweder sagen: Der Zweck der
Existenz eines |426.10| solchen Naturwesens ist in ihm selbst, d. i.
es ist nicht bloß Zweck, sondern auch =Endzweck=; oder: Dieser ist
außer ihm in anderen Naturwesen, d. i. es existirt zweckmäßig nicht als
Endzweck, sondern nothwendig zugleich #382# als Mittel.

Wenn wir aber die ganze Natur durchgehen, so finden wir in ihr als
|426.15| Natur kein Wesen, welches auf den Vorzug, Endzweck der
Schöpfung zu sein, Anspruch machen könnte; und man kann sogar _a
priori_ beweisen: daß dasjenige, was etwa noch für die Natur ein
=letzter Zweck= sein könnte, nach allen erdenklichen Bestimmungen
und Eigenschaften, womit man es ausrüsten möchte, doch als Naturding
niemals ein =Endzweck= |426.20| sein könne.

Wenn man das Gewächsreich ansieht, so könnte man anfänglich durch die
unermeßliche Fruchtbarkeit, durch welche es sich beinahe über jeden
Boden verbreitet, auf den Gedanken gebracht werden, es für ein bloßes
Product des Mechanisms der Natur, welchen sie in den Bildungen |426.25|
des Mineralreichs zeigt, zu halten. Eine nähere Kenntniß aber der
unbeschreiblich weisen Organisation in demselben läßt uns an diesem
Gedanken nicht haften, sondern veranlaßt die Frage: Wozu sind diese
Geschöpfe da? Wenn man sich antwortet: Für das Thierreich, welches
dadurch genährt wird, damit es sich in so mannigfaltigen Gattungen über
|426.30| die Erde habe verbreiten können, so kommt die Frage wieder:
Wozu sind denn diese pflanzen-verzehrenden Thiere da? Die Antwort würde
etwa sein: Für die Raubthiere, die sich nur von dem nähren können,
was Leben #383# hat. Endlich ist die Frage: Wozu sind diese sammt
den vorigen Naturreichen gut? Für den Menschen zu dem mannigfaltigen
Gebrauche, den |426.35| ihn sein Verstand von allen jenen Geschöpfen
machen lehrt; und er ist der letzte Zweck der Schöpfung hier auf
Erden, weil er das einzige Wesen auf derselben ist, welches sich
einen Begriff von Zwecken machen und aus einem Aggregat von zweckmäßig
gebildeten Dingen durch seine Vernunft ein System der Zwecke machen
kann.

Man könnte auch mit dem Ritter Linné den dem Scheine nach umgekehrten
Weg gehen und sagen: Die gewächsfressenden Thiere sind da, |427.5|
um den üppigen Wuchs des Pflanzenreichs, wodurch viele Species
derselben erstickt werden würden, zu mäßigen; die Raubthiere, um der
Gefräßigkeit jener Gränzen zu setzen; endlich der Mensch, damit, indem
er diese verfolgt und vermindert, ein gewisses Gleichgewicht unter
den hervorbringenden und den zerstörenden Kräften der Natur gestiftet
werde. |427.10| Und so würde der Mensch, so sehr er auch in gewisser
Beziehung als Zweck gewürdigt sein möchte, doch in anderer wiederum nur
den Rang eines Mittels haben.

Wenn man sich eine objective Zweckmäßigkeit in der Mannigfaltigkeit der
Gattungen der Erdgeschöpfe und ihrem äußern Verhältnisse zu |427.15|
einander; als zweckmäßig construirter Wesen, zum Princip macht: so
ist es der Vernunft gemäß, sich in diesem Verhältnisse wiederum
eine gewisse #384# Organisation und ein System aller Naturreiche
nach Endursachen zu denken. Allein hier scheint die Erfahrung der
Vernunftmaxime laut zu widersprechen, vornehmlich was einen letzten
Zweck der Natur betrifft, der doch |427.20| zu der Möglichkeit eines
solchen Systems erforderlich ist, und den wir nirgend anders als im
Menschen setzen können: da vielmehr in Ansehung dieses, als einer der
vielen Thiergattungen, die Natur so wenig von den zerstörenden als
erzeugenden Kräften die mindeste Ausnahme gemacht hat, alles einem
Mechanism derselben ohne einen Zweck zu unterwerfen. |427.25|

Das erste, was in einer Anordnung zu einem zweckmäßigen Ganzen der
Naturwesen auf der Erde absichtlich eingerichtet sein müßte, würde
wohl ihr Wohnplatz, der Boden und das Element sein, auf und in welchem
sie ihr Fortkommen haben sollten. Allein eine genauere Kenntniß der
Beschaffenheit dieser Grundlage aller organischen Erzeugung giebt
|427.30| auf keine anderen als ganz unabsichtlich wirkende, ja eher
noch verwüstende, als Erzeugung, Ordnung und Zwecke begünstigende
Ursachen Anzeige. Land und Meer enthalten nicht allein Denkmäler von
alten mächtigen Verwüstungen, die sie und alle Geschöpfe auf und in
demselben betroffen haben, in sich; sondern ihr ganzes Bauwerk, die
Erdlager des einen und |427.35| die Gränzen des andern haben gänzlich
das Ansehen des Products wilder, allgewaltiger Kräfte einer im
chaotischen Zustande arbeitenden Natur. So zweckmäßig auch jetzt die
Gestalt, das Bauwerk und der Abhang der #385# Länder für die Aufnahme
der Gewässer aus der Luft, für die Quelladern zwischen Erdschichten
von mannigfaltiger Art (für mancherlei Producte) und den Lauf der
Ströme angeordnet zu sein scheinen mögen: so beweiset doch eine nähere
Untersuchung derselben, daß sie bloß als die Wirkung |428.5| theils
feuriger, theils wässeriger Eruptionen, oder auch Empörungen des Oceans
zu Stande gekommen sind; sowohl was die erste Erzeugung dieser Gestalt,
als vornehmlich die nachmalige Umbildung derselben zugleich mit dem
Untergange ihrer ersten organischen Erzeugungen betrifft.[30] Wenn
nun der Wohnplatz, der Mutterboden (des Landes) und der Mutterschooß
|428.10| (des Meeres), für alle diese Geschöpfe auf keinen andern als
einen gänzlich unabsichtlichen Mechanism seiner Erzeugung Anzeige
giebt: wie und #386# mit welchem Recht können wir für diese letztern
Producte einen andern Ursprung verlangen und behaupten? Wenn gleich der
Mensch, wie die genaueste Prüfung der Überreste jener Naturverwüstungen
(nach Camper's |428.15| Urtheile) zu beweisen scheint, in diesen
Revolutionen nicht mit begriffen war: so ist er doch von den
übrigen Erdgeschöpfen so abhängig, daß, wenn ein über die anderen
allgemeinwaltender Mechanism der Natur eingeräumt wird, er als darunter
mit begriffen angesehen werden muß; wenn ihn gleich sein Verstand
(großentheils wenigstens) unter ihren Verwüstungen |428.20| hat retten
können.

  [30] Wenn der einmal angenommene Name =Naturgeschichte=
  für Naturbeschreibung bleiben soll, so kann man das, was
  die erstere buchstäblich anzeigt, nämlich eine Vorstellung
  des ehemaligen, =alten= Zustandes der Erde, worüber man,
  |428.30| wenn man gleich keine Gewißheit hoffen darf, doch
  mit gutem Grunde Vermuthungen wagt, die =Archäologie= der
  =Natur= im Gegensatz mit der Kunst nennen. Zu jener würden die
  Petrefacten, so wie zu dieser die geschnittenen Steine u. s.
  w. gehören. Denn da man doch wirklich an einer solchen (unter
  dem Namen einer Theorie der Erde) beständig, wenn gleich wie
  billig langsam arbeitet, so wäre dieser |428.35| Namen eben
  nicht einer bloß eingebildeten Naturforschung gegeben, sondern
  einer solchen, zu der die Natur selbst uns einladet und
  auffordert.

Dieses Argument scheint aber mehr zu beweisen, als die Absicht
enthielt, wozu es aufgestellt war: nämlich nicht bloß, daß der Mensch
kein letzter Zweck der Natur und aus dem nämlichen Grunde das Aggregat
der organisirten Naturdinge auf der Erde nicht ein System von Zwecken
sein |428.25| könne; sondern daß gar die vorher für Naturzwecke
gehaltenen Naturproducte keinen andern Ursprung haben, als den
Mechanism der Natur.

Allein in der obigen Auflösung der Antinomie der Principien der
mechanischen und der teleologischen Erzeugungsart der organischen
Naturwesen haben wir gesehen: daß, da sie in Ansehung der nach ihren
besondern Gesetzen (zu deren systematischem Zusammenhange uns aber der
Schlüssel fehlt) bildenden Natur bloß Principien der reflectirenden
Urtheilskraft |429.5| #387# sind, die nämlich ihren Ursprung nicht an
sich bestimmen, sondern nur sagen, daß wir nach der Beschaffenheit
unseres Verstandes und unsrer Vernunft ihn in dieser Art Wesen
nicht anders als nach Endursachen denken können, die größtmögliche
Bestrebung, ja Kühnheit in Versuchen sie mechanisch zu erklären nicht
allein erlaubt ist, sondern wir auch |429.10| durch Vernunft dazu
aufgerufen sind, ungeachtet wir wissen, daß wir damit aus subjectiven
Gründen der besondern Art und Beschränkung unseres Verstandes (und
nicht etwa, weil der Mechanism der Erzeugung einem Ursprunge nach
Zwecken an sich widerspräche) niemals auslangen können; und daß endlich
in dem übersinnlichen Princip der Natur (sowohl außer |429.15| uns als
in uns) gar wohl die Vereinbarkeit beider Arten sich die Möglichkeit
der Natur vorzustellen liegen könne, indem die Vorstellungsart nach
Endursachen nur eine subjective Bedingung unseres Vernunftgebrauchs
sei, wenn sie die Beurtheilung der Gegenstände nicht bloß als
Erscheinungen angestellt wissen will, sondern diese Erscheinungen
selbst sammt ihren |429.20| Principien auf das übersinnliche Substrat
zu beziehen verlangt, um gewisse Gesetze der Einheit derselben möglich
zu finden, die sie sich nicht anders als durch Zwecke (wovon die
Vernunft auch solche hat, die übersinnlich sind) vorstellig machen kann.


§. 83 |429.25| #388#

Von dem letzten Zwecke der Natur als eines teleologischen Systems.

Wir haben im vorigen gezeigt, daß wir den Menschen nicht bloß wie alle
organisirte Wesen als Naturzweck, sondern auch hier auf Erden als
den =letzten= Zweck der Natur, in Beziehung auf welchen alle übrige
Naturdinge |429.30| ein System von Zwecken ausmachen, nach Grundsätzen
der Vernunft zwar nicht für die bestimmende, doch für die reflectirende
Urtheilskraft zu beurtheilen hinreichende Ursache haben. Wenn nun
dasjenige im Menschen selbst angetroffen werden muß, was als Zweck
durch seine Verknüpfung mit der Natur befördert werden soll: so muß
entweder der Zweck |429.35| von der Art sein, daß er selbst durch die
Natur in ihrer Wohlthätigkeit befriedigt werden kann; oder es ist die
Tauglichkeit und Geschicklichkeit zu allerlei Zwecken, wozu die Natur
(äußerlich und innerlich) von ihm gebraucht werden könne. Der erste
Zweck der Natur würde die =Glückseligkeit=, der zweite die =Cultur= des
Menschen sein. |430.5|

Der Begriff der Glückseligkeit ist nicht ein solcher, den der Mensch
etwa von seinen Instincten abstrahirt und so aus der Thierheit in
ihm selbst hernimmt; sondern ist eine bloße =Idee= eines Zustandes,
welcher er den letzteren unter bloß empirischen Bedingungen (welches
unmöglich ist) #389# adäquat machen will. Er entwirft sie sich selbst
und zwar auf so verschiedene |430.10| Art durch seinen mit der
Einbildungskraft und den Sinnen verwickelten Verstand; er ändert sogar
diesen so oft, daß die Natur, wenn sie auch seiner Willkür gänzlich
unterworfen wäre, doch schlechterdings kein bestimmtes allgemeines
und festes Gesetz annehmen könnte, um mit diesem schwankenden Begriff
und so mit dem Zweck, den jeder sich willkürlicher |430.15| Weise
vorsetzt, übereinzustimmen. Aber selbst wenn wir entweder diesen auf
das wahrhafte Naturbedürfniß, worin unsere Gattung durchgängig mit sich
übereinstimmt, herabsetzen, oder andererseits die Geschicklichkeit
sich eingebildete Zwecke zu verschaffen noch so hoch steigern wollten:
so würde doch, was der Mensch unter Glückseligkeit versteht, und was
in der |430.20| That sein eigener letzter Naturzweck (nicht Zweck
der Freiheit) ist, von ihm nie erreicht werden; denn seine Natur
ist nicht von der Art, irgendwo im Besitze und Genusse aufzuhören
und befriedigt zu werden. Andrerseits ist so weit gefehlt, daß die
Natur ihn zu ihrem besondern Liebling aufgenommen und vor allen
Thieren mit Wohltun begünstigt habe, daß sie |430.25| ihn vielmehr
in ihren verderblichen Wirkungen, in Pest, Hunger, Wassergefahr,
Frost, Anfall von andern großen und kleinen Thieren u. d. gl., eben
so wenig verschont, wie jedes andere Thier; noch mehr aber, daß das
Widersinnische der =Naturanlagen= in ihm ihn noch in selbstersonnene
Plagen und noch andere von seiner eigenen Gattung durch den Druck der
|430.30| #390# Herrschaft, die Barbarei der Kriege u. s. w. in solche
Noth versetzt und er selbst, so viel an ihm ist, an der Zerstörung
seiner eigenen Gattung arbeitet, daß selbst bei der wohlthätigsten
Natur außer uns der Zweck derselben, wenn er auf die Glückseligkeit
unserer Species gestellt wäre, in einem System derselben auf Erden
nicht erreicht werden würde, weil die |430.35| Natur in uns derselben
nicht empfänglich ist. Er ist also immer nur Glied in der Kette der
Naturzwecke: zwar Princip in Ansehung manches Zwecks, wozu die Natur
ihn in ihrer Anlage bestimmt zu haben scheint, indem er sich selbst
dazu macht; aber doch auch Mittel zur Erhaltung der Zweckmäßigkeit im
Mechanism der übrigen Glieder. Als das einzige Wesen auf Erden, welches
Verstand, mithin ein Vermögen hat, sich selbst willkürlich Zwecke zu
setzen, ist er zwar betitelter Herr der Natur und, |431.5| wenn man
diese als ein teleologisches System ansieht, seiner Bestimmung nach
der letzte Zweck der Natur; aber immer nur bedingt, nämlich daß er
es verstehe und den Willen habe, dieser und ihm selbst eine solche
Zweckbeziehung zu geben, die unabhängig von der Natur sich selbst
genug, mithin Endzweck sein könne, der aber in der Natur gar nicht
gesucht |431.10| werden muß.

Um aber auszufinden, worein wir am Menschen wenigstens jenen =letzten=
Zweck der Natur zu setzen haben, müssen wir dasjenige, was die #391#
Natur zu leisten vermag, um ihn zu dem vorzubereiten, was er selbst
thun muß, um Endzweck zu sein, heraussuchen und es von allen den
Zwecken |431.15| absondern, deren Möglichkeit auf Bedingungen beruht,
die man allein von der Natur erwarten darf. Von der letztern Art ist
die Glückseligkeit auf Erden, worunter der Inbegriff aller durch die
Natur außer und in dem Menschen möglichen Zwecke desselben verstanden
wird; das ist die Materie aller seiner Zwecke auf Erden, die, wenn
er sie zu seinem ganzen |431.20| Zwecke macht, ihn unfähig macht,
seiner eigenen Existenz einen Endzweck zu setzen und dazu zusammen zu
stimmen. Es bleibt also von allen seinen Zwecken in der Natur nur die
formale, subjective Bedingung, nämlich der Tauglichkeit: sich selbst
überhaupt Zwecke zu setzen und (unabhängig von der Natur in seiner
Zweckbestimmung) die Natur den Maximen seiner |431.25| freien Zwecke
überhaupt angemessen als Mittel zu gebrauchen, übrig, was die Natur in
Absicht auf den Endzweck, der außer ihr liegt, ausrichten und welches
also als ihr letzter Zweck angesehen werden kann. Die Hervorbringung
der Tauglichkeit eines vernünftigen Wesens zu beliebigen Zwecken
überhaupt (folglich in seiner Freiheit) ist die =Cultur=. Also kann
|431.30| nur die Cultur der letzte Zweck sein, den man der Natur in
Ansehung der Menschengattung beizulegen Ursache hat (nicht seine eigene
Glückseligkeit auf Erden, oder wohl gar bloß das vornehmste Werkzeug zu
sein, Ordnung #392# und Einhelligkeit in der vernunftlosen Natur außer
ihm zu stiften).

Aber nicht jede Cultur ist zu diesem letzten Zwecke der Natur
hinlänglich. |431.35| Die der =Geschicklichkeit= ist freilich die
vornehmste subjective Bedingung der Tauglichkeit zur Beförderung der
Zwecke überhaupt; aber doch nicht hinreichend den =Willen= in der
Bestimmung und Wahl seiner Zwecke zu befördern, welche doch zum ganzen
Umfange eine Tauglichkeit zu Zwecken wesentlich gehört. Die letztere
Bedingung der Tauglichkeit, welche man die Cultur der Zucht (Disciplin)
nennen könnte, ist negativ und besteht in der Befreiung des Willens von
dem Despotism der Begierden, |432.5| wodurch wir, an gewisse Naturdinge
geheftet, unfähig gemacht werden, selbst zu wählen, indem wir uns
die Triebe zu Fesseln dienen lassen, die uns die Natur nur statt
Leitfäden beigegeben hat, um die Bestimmung der Thierheit in uns nicht
zu vernachlässigen, oder gar zu verletzen, indeß wir doch frei genug
sind, sie anzuziehen oder nachzulassen, |432.10| zu verlängern oder zu
verkürzen, nachdem es die Zwecke der Vernunft erfordern.

Die Geschicklichkeit kann in der Menschengattung nicht wohl entwickelt
werden, als vermittelst der Ungleichheit unter Menschen: da die größte
Zahl die Nothwendigkeit des Lebens gleichsam mechanisch, ohne |432.15|
dazu besonders Kunst zu bedürfen, zur Gemächlichkeit und Muße anderer
besorgt, welche die minder nothwendigen Stücke der Cultur, Wissenschaft
#393# und Kunst, bearbeiten, und von diesen in einem Stande des
Drucks, saurer Arbeit und wenig Genusses gehalten wird, auf welche
Classe sich denn doch manches von der Cultur der höhern nach und nach
auch verbreitet. |432.20| Die Plagen aber wachsen im Fortschritte
derselben (dessen Höhe, wenn der Hang zum Entbehrlichen schon dem
Unentbehrlichen Abbruch zu thun anfängt, Luxus heißt) auf beiden Seiten
gleich mächtig, auf der einen durch fremde Gewaltthätigkeit, auf der
andern durch innere Ungenügsamkeit; aber das glänzende Elend ist doch
mit der Entwickelung der |432.25| Naturanlagen in der Menschengattung
verbunden, und der Zweck der Natur selbst, wenn es gleich nicht unser
Zweck ist, wird doch hiebei erreicht. Die formale Bedingung, unter
welcher die Natur diese ihre Endabsicht allein erreichen kann, ist
diejenige Verfassung im Verhältnisse der Menschen untereinander, wo
dem Abbruche der einander wechselseitig widerstreitenden |432.30|
Freiheit gesetzmäßige Gewalt in einem Ganzen, welches =bürgerliche
Gesellschaft= heißt, entgegengesetzt wird; denn nur in ihr kann die
größte Entwickelung der Naturanlagen geschehen. Zu derselben wäre aber
doch, wenn gleich Menschen sie auszufinden klug und sich ihrem Zwange
willig zu unterwerfen weise genug wären, noch ein =weltbürgerliches=
Ganze, |432.35| d. i. ein System aller Staaten, die auf einander
nachtheilig zu wirken in Gefahr sind, erforderlich. In dessen
Ermangelung und bei dem Hinderniß, welches Ehrsucht, Herrschsucht
und Habsucht vornehmlich bei denen, #394# die Gewalt in Händen haben,
selbst der Möglichkeit eines solchen Entwurfs entgegen setzen, ist der
=Krieg= (theils in welchem sich Staaten zerspalten und in kleinere
auflösen, theils ein Staat andere, kleinere mit sich vereinigt und ein
größeres Ganze zu bilden strebt) unvermeidlich: der, |433.5| so wie er
ein unabsichtlicher (durch zügellose Leidenschaften angeregter) Versuch
der Menschen, doch tief verborgener, vielleicht absichtlicher der
obersten Weisheit ist, Gesetzmäßigkeit mit der Freiheit der Staaten und
dadurch Einheit eines moralisch begründeten Systems derselben, wo nicht
zu stiften, dennoch vorzubereiten und ungeachtet der schrecklichsten
Drangsale, |433.10| womit er das menschliche Geschlecht belegt, und
der vielleicht noch größern, womit die beständige Bereitschaft dazu
im Frieden drückt, dennoch eine Triebfeder mehr ist (indessen die
Hoffnung zu dem Ruhestande einer Volksglückseligkeit sich immer weiter
entfernt) alle Talente, die zur Cultur dienen, bis zum höchsten Grade
zu entwickeln. |433.15|

Was die Disciplin der Neigungen betrifft, zu denen die Naturanlage in
Absicht auf unsere Bestimmung als einer Thiergattung ganz zweckmäßig
ist, die aber die Entwickelung der Menschheit sehr erschweren: so
zeigt sich doch auch in Ansehung dieses zweiten Erfordernisses zur
Cultur ein zweckmäßiges Streben der Natur zu einer Ausbildung, welche
uns |433.20| höherer Zwecke, als die Natur selbst liefern kann,
empfänglich macht. Das Übergewicht der Übel, welche die Verfeinerung
des Geschmacks bis zur #395# Idealisirung desselben und selbst der
Luxus in Wissenschaften, als einer Nahrung für die Eitelkeit, durch
die unzubefriedigende Menge der dadurch erzeugten Neigungen über uns
ausschüttet, ist nicht zu bestreiten: dagegen |433.25| aber der Zweck
der Natur auch nicht zu verkennen, der Rohigkeit und dem Ungestüm
derjenigen Neigungen, welche mehr der Thierheit in uns angehören und
der Ausbildung zu unserer höheren Bestimmung am meisten entgegen
sind (der Neigungen des Genusses), immer mehr abzugewinnen und der
Entwickelung der Menschheit Platz zu machen. Schöne Kunst |433.30| und
Wissenschaften, die durch eine Lust, die sich allgemein mittheilen
läßt, und durch Geschliffenheit und Verfeinerung für die Gesellschaft,
wenn gleich den Menschen nicht sittlich besser, doch gesittet machen,
gewinnen der Tyrannei des Sinnenhanges sehr viel ab und bereiten
dadurch den Menschen zu einer Herrschaft vor, in welcher die Vernunft
allein Gewalt |433.35| haben soll: indeß die Übel, womit uns theils die
Natur, theils die unvertragsame Selbstsucht der Menschen heimsucht,
zugleich die Kräfte der Seele aufbieten, steigern und stählen, um
jenen nicht zu unterliegen, und uns so eine Tauglichkeit zu höheren
Zwecken, die in uns verborgen liegt, fühlen lassen.[31]

  [31] Was das Leben für uns für einen Werth habe, wenn
  dieser bloß nach dem geschätzt wird, =was man genießt=
  (dem natürlichen Zweck der Summe aller Neigungen, |434.25|
  der Glückseligkeit), ist leicht zu entscheiden. Er sinkt
  unter Null; denn wer wollte wohl das Leben unter denselben
  Bedingungen, oder auch nach einem neuen, selbstentworfenen
  (doch dem Naturlaufe gemäßen) Plane, der aber auch bloß auf
  Genuß gestellt wäre, aufs neue antreten? Welchen Werth das
  Leben dem zufolge habe, was es, nach dem Zwecke, den die Natur
  mit uns hat, geführt, in sich enthält und |434.30| welches
  in dem besteht, =was man thut= (nicht bloß genießt), wo wir
  aber immer doch nur Mittel zu unbestimmtem Endzwecke sind, ist
  oben gezeigt worden. Es bleibt also wohl nichts übrig, als der
  Werth, den wir unserem Leben selbst geben durch das, was wir
  nicht allein thun, sondern auch so unabhängig von der Natur
  zweckmäßig thun, daß selbst die Existenz der Natur nur unter
  dieser Bedingung |434.35| Zweck sein kann.


§ 84. #396#

Von dem Endzwecke des Daseins einer Welt, d. i. der |434.5| Schöpfung
selbst.

=Endzweck= ist derjenige Zweck, der keines andern als Bedingung seiner
Möglichkeit bedarf.

Wenn für die Zweckmäßigkeit der Natur der bloße Mechanism derselben zum
Erklärungsgrunde angenommen wird, so kann man nicht |434.10| fragen:
wozu die Dinge in der Welt da sind; denn es ist alsdann nach einem
solchen idealistischen System nur von der physischen Möglichkeit der
Dinge (welche uns als Zwecke zu denken bloße Vernünftelei ohne Object
sein würde) die Rede: man mag nun diese Form der Dinge auf den Zufall,
oder blinde Nothwendigkeit deuten, in beiden Fällen wäre |434.15|
#397# jene Frage leer. Nehmen wir aber die Zweckverbindung in der Welt
für real und für sie eine besondere Art der Causalität, nämlich einer
=absichtlich wirkenden= Ursache, an, so können wir bei der Frage nicht
stehen bleiben: wozu Dinge der Welt (organisirte Wesen) diese oder
jene Form haben, in diese oder jene Verhältnisse gegen andere von der
Natur gesetzt |434.20| sind; sondern da einmal ein Verstand gedacht
wird, der als die Ursache der Möglichkeit solcher Formen angesehen
werden muß, wie sie wirklich an Dingen gefunden werden, so muß auch in
eben demselben nach dem objectiven Grunde gefragt werden, der diesen
productiven Verstand zu einer Wirkung dieser Art bestimmt haben könne,
welcher dann der Endzweck ist, wozu dergleichen Dinge da sind.

Ich habe oben gesagt: daß der Endzweck kein Zweck sei, welchen zu
bewirken und der Idee desselben gemäß hervorzubringen, die Natur
hinreichend |435.5| wäre, weil er unbedingt ist. Denn es ist nichts in
der Natur (als einem Sinnenwesen), wozu der in ihr selbst befindliche
Bestimmungsgrund nicht immer wiederum bedingt wäre; und dieses gilt
nicht bloß von der Natur außer uns (der materiellen), sondern auch
in uns (der denkenden): wohl zu verstehen, daß ich in mir nur das
betrachte, was Natur ist. Ein |435.10| Ding aber, was nothwendig seiner
objectiven Beschaffenheit wegen als Endzweck einer verständigen Ursache
existiren soll, muß von der Art sein, daß es in der Ordnung der Zwecke
von keiner anderweitigen Bedingung, #398# als bloß seiner Idee abhängig
ist.

Nun haben wir nur eine einzige Art Wesen in der Welt, deren Causalität
|435.15| teleologisch, d. i. auf Zwecke gerichtet, und doch
zugleich so beschaffen ist, daß das Gesetz, nach welchem sie sich
Zwecke zu bestimmen haben, von ihnen selbst als unbedingt und von
Naturbedingungen unabhängig, an sich aber als nothwendig vorgestellt
wird. Das Wesen dieser Art ist der Mensch, aber als Noumenon
betrachtet; das einzige Naturwesen, an welchem |435.20| wir doch ein
übersinnliches Vermögen (die =Freiheit=) und sogar das Gesetz der
Causalität sammt dem Objecte derselben, welches es sich als höchsten
Zweck vorsetzen kann (das höchste Gut in der Welt), von Seiten seiner
eigenen Beschaffenheit erkennen können.

Von dem Menschen nun (und so jedem vernünftigen Wesen in der |435.25|
Welt), als einem moralischen Wesen, kann nicht weiter gefragt werden:
wozu (_quem in finem_) er existire. Sein Dasein hat den höchsten Zweck
selbst in sich, dem, so viel er vermag, er die ganze Natur unterwerfen
kann, wenigstens welchem zuwider er sich keinem Einflusse der Natur
unterworfen halten darf. — Wenn nun Dinge der Welt, als ihrer Existenz
nach |435.30| abhängige Wesen, einer nach Zwecken handelnden obersten
Ursache bedürfen, so ist der Mensch der Schöpfung Endzweck; denn
ohne diesen wäre die Kette der einander untergeordneten Zwecke nicht
vollständig gegründet; und nur im Menschen, aber auch in diesem nur
als Subjecte der Moralität #399# ist die unbedingte Gesetzgebung in
Ansehung der Zwecke anzutreffen, welche |435.35| ihn also allein
fähig macht ein Endzweck zu sein, dem die ganze Natur teleologisch
untergeordnet ist[32].

  [32] Es wäre möglich, daß Glückseligkeit der vernünftigen
  Wesen in der Welt ein Zweck der Natur wäre, und alsdann
  wäre sie auch ihr =letzter= Zweck. Wenigstens |436.15| kann
  man _a priori_ nicht einsehen, warum die Natur nicht so
  eingerichtet sein sollte, weil durch ihren Mechanism diese
  Wirkung, wenigstens so viel wir einsehen, wohl möglich
  wäre. Aber Moralität und eine ihr untergeordnete Causalität
  nach Zwecken ist schlechterdings durch Naturursachen
  unmöglich; denn das Princip ihrer Bestimmung zum Handeln ist
  übersinnlich, ist also das einzige Mögliche in der Ordnung
  der Zwecke, |436.20| was in Ansehung der Natur schlechthin
  unbedingt ist und ihr Subject dadurch zum =Endzwecke= der
  Schöpfung, dem die ganze Natur untergeordnet ist, allein
  qualificirt. — =Glückseligkeit= dagegen ist, wie im vorigen
  § nach dem Zeugniß der Erfahrung gezeigt worden, nicht einmal
  ein =Zweck der Natur= in Ansehung der Menschen mit einem
  Vorzuge vor anderen Geschöpfen: weit gefehlt, daß sie ein
  =Endzweck |436.25| der Schöpfung= sein sollte. Menschen mögen
  sie sich immer zu ihrem letzten subjectiven Zwecke machen.
  Wenn ich aber nach dem Endzwecke der Schöpfung frage: Wozu
  haben Menschen existiren müssen? so ist von einem objectiven
  obersten Zwecke die Rede, wie ihn die höchste Vernunft zu
  ihrer Schöpfung erfordern würde. Antwortet man nun darauf:
  Damit Wesen existiren, denen jene oberste Ursache wohlthun
  |436.30| könne, so widerspricht man der Bedingung, welcher
  die Vernunft des Menschen selbst seinen innigsten Wunsch
  der Glückseligkeit unterwirft (nämlich die Übereinstimmung
  mit seiner eigenen inneren moralischen Gesetzgebung). Dies
  beweiset: daß die Glückseligkeit nur bedingter Zweck, der
  Mensch also nur als moralisches Wesen Endzweck der Schöpfung
  sein könne; was aber seinen Zustand betrifft, Glückseligkeit
  nur |436.35| als Folge nach Maßgabe der Übereinstimmung mit
  jenem Zwecke, als dem Zwecke seines Daseins, in Verbindung
  stehe.


§ 85. #400#

Von der Physikotheologie.

Die PHYSIKOTHEOLOGIE ist der Versuch der Vernunft, aus den |436.5|
=Zwecken= der Natur (die nur empirisch erkannt werden können) auf die
oberste Ursache der Natur und ihre Eigenschaften zu schließen. Eine
Moraltheologie (Ethikotheologie) wäre der Versuch, aus dem
moralischen Zwecke vernünftiger Wesen in der Natur (der _a priori_
erkannt werden kann) auf jene Ursache und ihre Eigenschaften zu
schließen. |436.10|

Die erstere geht natürlicher Weise vor der zweiten vorher. Denn wenn
wir von den Dingen in der Welt auf eine Weltursache =teleologisch=
schließen wollen: so müssen Zwecke der Natur zuerst gegeben sein, für
die wir nachher einen Endzweck und für diesen dann das Princip der
Causalität dieser obersten Ursache zu suchen haben.

Nach dem teleologischen Princip können und müssen viele Nachforschungen
der Natur geschehen, ohne daß man nach dem Grunde der Möglichkeit,
zweckmäßig zu wirken, welche wir an verschiedenen der Producte |437.5|
#401# der Natur antreffen, zu fragen Ursache hat. Will man nun aber
auch hievon einen Begriff haben, so haben wir dazu schlechterdings
keine weitergehende Einsicht, als bloß die Maxime der reflectirenden
Urtheilskraft: daß nämlich, wenn uns auch nur ein einziges organisches
Product der Natur gegeben wäre, wir nach der Beschaffenheit unseres
Erkenntnißvermögens |437.10| dafür keinen andern Grund denken können,
als den einer Ursache der Natur selbst (es sei der ganzen Natur oder
auch nur dieses Stücks derselben), die durch Verstand die Causalität
zu demselben enthält; ein Beurtheilungsprincip, wodurch wir in der
Erklärung der Naturdinge und ihres Ursprungs zwar um nichts weiter
gebracht werden, das uns aber |437.15| doch über die Natur hinaus
einige Aussicht eröffnet, um den sonst so unfruchtbaren Begriff eines
Urwesens vielleicht näher bestimmen zu können.

Nun sage ich: die Physikotheologie, so weit sie auch getrieben werden
mag, kann uns doch nichts von einem =Endzwecke= der Schöpfung eröffnen;
denn sie reicht nicht einmal bis zur Frage nach demselben. Sie kann
|437.20| also zwar den Begriff einer verständigen Weltursache als einen
subjectiv für die Beschaffenheit unseres Erkenntnißvermögens allein
tauglichen Begriff von der Möglichkeit der Dinge, die wir uns nach
Zwecken verständlich machen können, rechtfertigen, aber diesen Begriff
weder in theoretischer noch praktischer Absicht weiter bestimmen; und
ihr Versuch erreicht seine |437.25| #402# Absicht nicht, eine Theologie
zu gründen, sondern sie bleibt immer nur eine physische Teleologie:
weil die Zweckbeziehung in ihr immer nur als in der Natur bedingt
betrachtet wird und werden muß; mithin den Zweck, wozu die Natur selbst
existirt (wozu der Grund außer der Natur gesucht werden muß) gar nicht
einmal in Anfrage bringen kann, auf dessen bestimmte |437.30| Idee
gleichwohl der bestimmte Begriff jener oberen verständigen Weltursache,
mithin die Möglichkeit einer Theologie ankommt.

Wozu die Dinge in der Welt einander nützen; wozu das Mannigfaltige
in einem Dinge für dieses Ding selbst gut ist; wie man sogar Grund
habe anzunehmen, daß nichts in der Welt umsonst, sondern alles irgend
|437.35| wozu =in der Natur=, unter der Bedingung daß gewisse Dinge
(als Zwecke) existiren sollten, gut sei, wobei mithin unsere Vernunft
für die Urtheilskraft kein anderes Princip der Möglichkeit des
Objects ihrer unvermeidlichen teleologischen Beurtheilung in ihrem
Vermögen hat, als das, den Mechanism der Natur der Architektonik
eines verständigen Welturhebers unterzuordnen: das alles leistet
die teleologische Weltbetrachtung sehr herrlich und zur äußersten
Bewunderung. Weil aber die Data, mithin |438.5| die Principien, jenen
Begriff einer intelligenten Weltursache (als höchsten Künstlers) zu
=bestimmen=, bloß empirisch sind: so lassen sie auf keine Eigenschaften
weiter schließen, als uns die Erfahrung an den Wirkungen derselben
offenbart, welche, da sie nie die gesammte Natur als System befassen
#403# kann, oft auf (dem Anscheine nach) jenem Begriffe und unter
einander |438.10| widerstreitende Beweisgründe stoßen muß, niemals
aber, wenn wir gleich vermögend wären auch das ganze System, sofern es
bloße Natur betrifft, empirisch zu überschauen, uns über die Natur zu
dem Zwecke ihrer Existenz selber und dadurch zum bestimmten Begriffe
jener obern Intelligenz erheben kann. |438.15|

Wenn man sich die Aufgabe, um deren Auflösung es einer Physikotheologie
zu thun ist, klein macht, so scheint ihre Auflösung leicht.
Verschwendet man nämlich den Begriff von einer =Gottheit= an jedes
von uns gedachte verständige Wesen, deren es eines oder mehrere geben
mag, welches viel und sehr große, aber eben nicht alle Eigenschaften
habe, die zu |438.20| Gründung einer mit dem größtmöglichen Zwecke
übereinstimmenden Natur überhaupt erforderlich sind; oder hält man es
für nichts, in einer Theorie den Mangel dessen, was die Beweisgründe
leisten, durch willkürliche Zusätze zu ergänzen, und, wo man nur
Grund hat =viel= Vollkommenheit anzunehmen (und was ist viel für
uns?), sich da befugt hält =alle |438.25| mögliche= vorauszusetzen:
so macht die physische Teleologie wichtige Ansprüche auf den Ruhm,
eine Theologie zu begründen. Wenn aber verlangt wird anzuzeigen,
was uns denn antreibe und überdem berechtige, jene Ergänzungen zu
machen: so werden wir in den Principien des theoretischen Gebrauchs
der Vernunft, welcher durchaus verlangt, zu Erklärung eines |438.30|
#404# Objects der Erfahrung diesem nicht mehr Eigenschaften beizulegen,
als empirische Data zu ihrer Möglichkeit anzutreffen sind, vergeblich
Grund zu unserer Rechtfertigung suchen. Bei näherer Prüfung würden wir
sehen, daß eigentlich eine Idee von einem höchsten Wesen, die auf ganz
verschiedenem Vernunftgebrauch (dem praktischen) beruht, in uns _a
priori_ zum |438.35| Grunde liege, welche uns antreibt, die mangelhafte
Vorstellung einer physischen Teleologie von dem Urgrunde der Zwecke in
der Natur bis zum Begriffe einer Gottheit zu ergänzen; und wir würden
uns nicht fälschlich einbilden, diese Idee, mit ihr aber eine Theologie
durch den theoretischen Vernunftgebrauch der physischen Weltkenntniß zu
Stande gebracht, viel weniger, ihre Realität bewiesen zu haben.

Man kann es den Alten nicht so hoch zum Tadel anrechnen, wenn |439.5|
sie sich ihre Götter als theils ihrem Vermögen, theils den Absichten
und Willensmeinungen nach sehr mannigfaltig verschieden, alle aber,
selbst ihr Oberhaupt nicht ausgenommen, noch immer auf menschliche
Weise eingeschränkt dachten. Denn wenn sie die Einrichtung und den Gang
der Dinge in der Natur betrachteten, so fanden sie zwar Grund genug
etwas |439.10| mehr als Mechanisches zur Ursache derselben anzunehmen
und Absichten gewisser oberer Ursachen, die sie nicht anders als
übermenschlich denken konnten, hinter dem Maschinenwerk dieser Welt
zu vermuthen. Weil sie #405# aber das Gute und Böse, das Zweckmäßige
und Zweckwidrige in ihr wenigstens für unsere Einsicht sehr gemischt
antrafen und sich nicht erlauben |439.15| konnten, insgeheim dennoch
zum Grunde liegende weise und wohlthätige Zwecke, von denen sie
doch den Beweis nicht sahen, zum Behuf der willkürlichen Idee eines
höchstvollkommenen Urhebers anzunehmen: so konnte ihr Urtheil von der
obersten Weltursache schwerlich anders ausfallen, so fern sie nämlich
nach Maximen des bloß theoretischen Gebrauchs der Vernunft |439.20|
ganz consequent verfuhren. Andere, die als Physiker zugleich Theologen
sein wollten, dachten Befriedigung für die Vernunft darin zu finden,
daß sie für die absolute Einheit des Princips der Naturdinge, welche
die Vernunft fordert, vermittelst der Idee von einem Wesen sorgten,
in welchem als alleiniger Substanz jene insgesammt nur inhärirende
Bestimmungen |439.25| wären: welche Substanz zwar nicht durch Verstand
Ursache der Welt, in welcher aber doch als Subject aller Verstand der
Weltwesen anzutreffen wäre; ein Wesen folglich, das zwar nicht nach
Zwecken etwas hervorbrächte, in welchem aber doch alle Dinge wegen der
Einheit des Subjects, von dem sie bloß Bestimmungen sind, auch ohne
Zweck und Absicht |439.30| nothwendig sich auf einander zweckmäßig
beziehen mußten. So führten sie den Idealism der Endursachen ein: indem
sie die so schwer herauszubringende Einheit einer Menge zweckmäßig
verbundener Substanzen statt der Causalabhängigkeit =von einer= in
die der Inhärenz =in einer= #406# verwandelten; welches System in der
Folge, von Seiten der inhärirenden |439.35| Weltwesen betrachtet, als
=Pantheism=, von Seiten des allein subsistirenden Subjects als Urwesens
(späterhin) als =Spinozism=, nicht sowohl die Frage vom ersten Grunde
der Zweckmäßigkeit der Natur auflösete, als sie vielmehr für nichtig
erklärte, indem der letztere Begriff, aller seiner Realität beraubt,
zur bloßen Mißdeutung eines allgemeinen ontologischen Begriffs von
einem Dinge überhaupt gemacht wurde.

Nach bloß theoretischen Principien des Vernunftgebrauchs (worauf
|440.5| die Physikotheologie sich allein gründet) kann also niemals der
Begriff einer Gottheit, der für unsere teleologische Beurtheilung der
Natur zureichte, herausgebracht werden. Denn wir erklären entweder alle
Teleologie für bloße Täuschung der Urtheilskraft in der Beurtheilung
der Causalverbindung der Dinge und flüchten uns zu dem alleinigen
Princip |440.10| eines bloßen Mechanisms der Natur, welche wegen der
Einheit der Substanz, von der sie nichts als das Mannigfaltige der
Bestimmungen derselben sei, uns eine allgemeine Beziehung auf Zwecke
zu enthalten bloß scheine; oder wenn wir statt dieses Idealisms der
Endursachen dem Grundsatze des Realisms dieser besondern Art der
Causalität anhänglich bleiben |440.15| wollen, so mögen wir viele
verständige Urwesen, oder nur ein einiges den Naturzwecken unterlegen:
sobald wir zu Begründung des Begriffs von demselben nichts als
Erfahrungsprincipien, von der wirklichen Zweckverbindung #407# in der
Welt hergenommen, zur Hand haben, so können wir einerseits wider die
Mißhelligkeit, die die Natur in Ansehung der Zweckeinheit |440.20|
in vielen Beispielen aufstellt, keinen Rath finden, andrerseits den
Begriff einer einigen intelligenten Ursache, so wie wir ihn, durch
bloße Erfahrung berechtigt, herausbringen, niemals für irgend eine,
auf welche Art es auch sei, (theoretisch oder praktisch) brauchbare
Theologie bestimmt genug daraus ziehen. |440.25|

Die physische Teleologie treibt uns zwar an, eine Theologie zu
suchen, aber kann keine hervorbringen, so weit wir auch der Natur
durch Erfahrung nachspüren und der in ihr entdeckten Zweckverbindung
durch Vernunftideen (die zu physischen Aufgaben theoretisch sein
müssen) zu Hülfe kommen mögen. Was hilfts, wird man mit Recht klagen,
daß wir allen |440.30| diesen Einrichtungen einen großen, einen für
uns unermeßlichen Verstand zum Grunde legen und ihn diese Welt nach
Absichten anordnen lassen? wenn uns die Natur von der Endabsicht
nichts sagt, noch jemals sagen kann, ohne welche wir uns doch keinen
gemeinschaftlichen Beziehungspunkt aller dieser Naturzwecke, kein
hinreichendes teleologisches Princip machen |440.35| können, theils
die Zwecke insgesammt in einem System zu erkennen, theils uns von dem
obersten Verstande, als Ursache einer solchen Natur, einen Begriff zu
machen, der unserer über sie teleologisch reflectirenden Urtheilskraft
#408# zum Richtmaße dienen könnte. Ich hätte alsdann zwar einen
=Kunstverstand= für zerstreute Zwecke; aber keine =Weisheit= für einen
Endzweck, der doch eigentlich den Bestimmungsgrund von jenem enthalten
muß. In Ermangelung aber eines Endzwecks, den nur die reine Vernunft
|441.5| _a priori_ an die Hand geben kann (weil alle Zwecke in der
Welt empirisch bedingt sind und nichts, als was hiezu oder dazu als
zufälliger Absicht, nicht was schlechthin gut ist, enthalten können),
und der mich allein lehren würde: welche Eigenschaften, welchen Grad
und welches Verhältniß der obersten Ursache der Natur ich mir zu denken
habe, um diese als teleologisches |441.10| System zu beurtheilen;
wie und mit welchem Rechte darf ich da meinen sehr eingeschränkten
Begriff von jenem ursprünglichen Verstande, den ich auf meine geringe
Weltkenntniß gründen kann, von der Macht dieses Urwesens seine Ideen
zur Wirklichkeit zu bringen, von seinem Willen es zu thun u. s. w.,
nach Belieben erweitern und bis zur Idee eines allweisen |441.15|
unendlichen Wesens ergänzen? Dies würde, wenn es theoretisch geschehen
sollte, in mir selbst Allwissenheit voraussetzen, um die Zwecke der
Natur in ihrem ganzen Zusammenhange einzusehen und noch obenein alle
andere mögliche Plane denken zu können, mit denen in Vergleichung der
gegenwärtige als der beste mit Grunde beurtheilt werden müßte. Denn
|441.20| ohne diese vollendete Kenntniß der Wirkung kann ich auf keinen
bestimmten Begriff von der obersten Ursache, der nur in dem von einer
in allem #409# Betracht unendlichen Intelligenz, d. i. dem Begriffe
einer Gottheit, angetroffen werden kann, schließen und eine Grundlage
zur Theologie zu Stande bringen. |441.25|

Wir können also bei aller möglichen Erweiterung der physischen
Teleologie nach dem oben angeführten Grundsatze wohl sagen: daß wir
nach der Beschaffenheit und den Principien unseres Erkenntnißvermögens
die Natur in ihren uns bekannt gewordenen zweckmäßigen Anordnungen
nicht anders denn als das Product eines Verstandes, dem diese
unterworfen ist, |441.30| denken können. Ob aber dieser Verstand mit
dem Ganzen derselben und dessen Hervorbringung noch eine Endabsicht
gehabt haben möge (die alsdann nicht in der Natur der Sinnenwelt liegen
würde): das kann uns die theoretische Naturforschung nie eröffnen;
sondern es bleibt bei aller Kenntniß derselben unausgemacht, ob jene
oberste Ursache überall nach einem |441.35| Endzwecke und nicht
vielmehr durch einen von der bloßen Nothwendigkeit seiner Natur zu
Hervorbringung gewisser Formen bestimmten Verstand (nach der Analogie
mit dem, was wir bei den Thieren den Kunstinstinct nennen) Urgrund
derselben sei: ohne daß es nöthig sei, ihr darum auch nur Weisheit,
viel weniger höchste und mit allen andern zur Vollkommenheit ihres
Products erforderlichen Eigenschaften verbundene Weisheit beizulegen.
|442.5|

Also ist Physikotheologie eine mißverstandene physische Teleologie,
#410# nur als Vorbereitung (Propädeutik) zur Theologie brauchbar und
nur durch Hinzukunft eines anderweitigen Princips, auf das sie sich
stützen kann, nicht aber an sich selbst, wie ihr Name es anzeigen will,
zu dieser Absicht zureichend. |442.10|


§ 86.

Von der Ethikotheologie.

Es ist ein Urtheil, dessen sich selbst der gemeinste Verstand nicht
entschlagen kann, wenn er über das Dasein der Dinge in der Welt
und die Existenz der Welt selbst nachdenkt: daß nämlich alle die
mannigfaltigen |442.15| Geschöpfe, von wie großer Kunsteinrichtung und
wie mannigfaltigem zweckmäßig auf einander bezogenen Zusammenhange
sie auch sein mögen, ja selbst das Ganze so vieler Systeme derselben,
die wir unrichtiger Weise Welten nennen, zu nichts da sein würden,
wenn es in ihnen nicht Menschen (vernünftige Wesen überhaupt) gäbe;
d. i. daß ohne den Menschen |442.20| die ganze Schöpfung eine bloße
Wüste, umsonst und ohne Endzweck sein würde. Es ist aber auch nicht das
Erkenntnißvermögen desselben (theoretische Vernunft), in Beziehung auf
welches das Dasein alles Übrigen in der Welt allererst seinen Werth
bekommt, etwa damit irgend Jemand da sei, welcher die Welt =betrachten=
könne. Denn wenn diese Betrachtung |442.25| der Welt ihm doch nichts
als Dinge ohne Endzweck vorstellig machte, so #411# kann daraus, daß
sie erkannt wird, dem Dasein derselben kein Werth erwachsen; und man
muß schon einen Endzweck derselben voraussetzen, in Beziehung auf
welchen die Weltbetrachtung selbst einen Werth habe. Auch ist es nicht
das Gefühl der Lust und der Summe derselben, in Beziehung |442.30|
auf welches wir einen Endzweck der Schöpfung als gegeben denken, d.
i. nicht das Wohlsein, der Genuß (er sei körperlich oder geistig),
mit einem Worte die Glückseligkeit, wornach wir jenen absoluten Werth
schätzen. Denn: daß, wenn der Mensch da ist, er diese ihm selbst zur
Endabsicht macht, giebt keinen Begriff, wozu er dann überhaupt da sei,
und welchen |442.35| Werth er dann selbst habe, um ihm seine Existenz
angenehm zu machen. Er muß also schon als Endzweck der Schöpfung
vorausgesetzt werden, um einen Vernunftgrund zu haben, warum die Natur
zu seiner Glückseligkeit zusammen stimmen müsse, wenn sie als ein
absolutes Ganze nach Principien der Zwecke betrachtet wird. — Also ist
es nur das Begehrungsvermögen: aber nicht dasjenige, was ihn von der
Natur (durch sinnliche Antriebe) |443.5| abhängig macht, nicht das, in
Ansehung dessen der Werth seines Daseins auf dem, was er empfängt und
genießt, beruht: sondern der Werth, welchen er allein sich selbst geben
kann, und welcher in dem besteht, was er thut, wie und nach welchen
Principien er nicht als Naturglied, sondern in der =Freiheit= seines
Begehrungsvermögens handelt; d. h. ein |443.10| #412# guter Wille ist
dasjenige, wodurch sein Dasein allein einen absoluten Werth und in
Beziehung auf welches das Dasein der Welt einen =Endzweck= haben kann.

Auch stimmt damit das gemeinste Urtheil der gesunden Menschenvernunft
vollkommen zusammen: nämlich daß der Mensch nur als moralisches
|443.15| Wesen ein Endzweck der Schöpfung sein könne, wenn man die
Beurtheilung nur auf diese Frage leitet und veranlaßt sie zu versuchen.
Was hilfts, wird man sagen, daß dieser Mensch so viel Talent hat,
daß er damit sogar sehr thätig ist und dadurch einen nützlichen
Einfluß auf das gemeine Wesen ausübt und also in Verhältniß sowohl
auf seine Glücksumstände, |443.20| als auch auf Anderer Nutzen einen
großen Werth hat, wenn er keinen guten Willen besitzt? Er ist ein
verachtungswürdiges Object, wenn man ihn nach seinem Innern betrachtet;
und wenn die Schöpfung nicht überall ohne Endzweck sein soll, so
muß er, der als Mensch auch dazu gehört, doch als böser Mensch in
einer Welt unter moralischen Gesetzen diesen |443.25| gemäß seines
subjectiven Zwecks (der Glückseligkeit) verlustig gehen, als der
einzigen Bedingung, unter der seine Existenz mit dem Endzwecke zusammen
bestehen kann.

Wenn wir nun in der Welt Zweckanordnungen antreffen und, wie es
die Vernunft unvermeidlich fordert, die Zwecke, die es nur bedingt
sind, |443.30| einem unbedingten obersten, d. i. einem Endzwecke,
unterordnen: so sieht man erstlich leicht, daß alsdann nicht von einem
Zwecke der Natur (innerhalb #413# derselben), sofern sie existirt,
sondern dem Zwecke ihrer Existenz mit allen ihren Einrichtungen, mithin
von dem letzten =Zwecke der Schöpfung= die Rede ist und in diesem
auch eigentlich von der obersten Bedingung, |443.35| unter der allein
ein Endzweck (d. i. der Bestimmungsgrund eines höchsten Verstandes zu
Hervorbringung der Weltwesen) Statt finden kann.

Da wir nun den Menschen nur als moralisches Wesen für den Zweck der
Schöpfung anerkennen: so haben wir erstlich einen Grund, wenigstens die
Hauptbedingung, die Welt als ein nach Zwecken zusammenhängendes Ganze
und als System von Endursachen anzusehen; vornehmlich aber für die nach
Beschaffenheit unserer Vernunft uns nothwendige Beziehung |444.5| der
Naturzwecke auf eine verständige Weltursache =ein Princip=, die Natur
und Eigenschaften dieser ersten Ursache als obersten Grundes im Reiche
der Zwecke zu denken und so den Begriff derselben zu bestimmen: welches
die physische Teleologie nicht vermochte, die nur unbestimmte und eben
darum zum theoretischen sowohl als praktischen Gebrauche untaugliche
|444.10| Begriffe von demselben veranlassen konnte.

Aus diesem so bestimmten Princip der Causalität des Urwesens werden
wir es nicht bloß als Intelligenz und gesetzgebend für die Natur,
sondern auch als gesetzgebendes Oberhaupt in einem moralischen Reiche
der Zwecke denken müssen. In Beziehung auf das =höchste= unter
seiner Herrschaft |444.15| #414# allein mögliche =Gut=, nämlich
die Existenz vernünftiger Wesen unter moralischen Gesetzen, werden
wir uns dieses Urwesen als =allwissend= denken: damit selbst das
Innerste der Gesinnungen (welches den eigentlichen moralischen Werth
der Handlungen vernünftiger Weltwesen ausmacht) ihm nicht verborgen
sei; als =allmächtig=: damit es die ganze Natur |444.20| diesem
höchsten Zwecke angemessen machen könne; als =allgütig= und zugleich
=gerecht=: weil diese beiden Eigenschaften (vereinigt die =Weisheit=)
die Bedingungen der Causalität einer obersten Ursache der Welt als
höchsten Guts unter moralischen Gesetzen ausmachen; und so auch
alle noch übrigen transscendentalen Eigenschaften, als =Ewigkeit=,
=Allgegenwart= |444.25| u. s. w. (denn Güte und Gerechtigkeit sind
moralische Eigenschaften), die in Beziehung auf einen solchen Endzweck
vorausgesetzt werden, an demselben denken müssen. — Auf solche Weise
ergänzt die =moralische= Teleologie den Mangel der =physischen=
und gründet allererst eine =Theologie=: da die letztere, wenn sie
nicht unbemerkt aus der ersteren borgte, |444.30| sondern consequent
verfahren sollte, für sich allein nichts als eine =Dämonologie=, welche
keines bestimmten Begriffs fähig ist, begründen könnte.

Aber das Princip der Beziehung der Welt wegen der moralischen
Zweckbestimmung gewisser Wesen in derselben auf eine oberste Ursache,
#415# als Gottheit, thut dieses nicht bloß dadurch, daß es den
physisch-teleologischen |444.35| Beweisgrund ergänzt und also diesen
nothwendig zum Grunde legt; sondern es ist dazu auch =für sich=
hinreichend und treibt die Aufmerksamkeit auf die Zwecke der Natur
und die Nachforschung der hinter ihren Formen verborgen liegenden
unbegreiflich großen Kunst, um den Ideen, die die reine praktische
Vernunft herbeischafft, an den Naturzwecken beiläufige Bestätigung
zu geben. Denn der Begriff von Weltwesen unter moralischen Gesetzen
ist ein Prinzip _a priori_, wornach sich der Mensch nothwendig
|445.5| beurtheilen muß. Daß ferner, wenn es überall eine absichtlich
wirkende und auf einen Zweck gerichtete Weltursache giebt, jenes
moralische Verhältniß eben so nothwendig die Bedingung der Möglichkeit
einer Schöpfung sein müsse, als das nach physischen Gesetzen (wenn
nämlich jene verständige Ursache auch einen Endzweck hat): sieht die
Vernunft auch _a priori_ |445.10| als einen für sie zur teleologischen
Beurtheilung der Existenz der Dinge nothwendigen Grundsatz an. Nun
kommt es nur darauf an: ob wir irgend einen für die Vernunft (es sei
die speculative oder praktische) hinreichenden Grund haben, der nach
Zwecken handelnden obersten Ursache einen =Endzweck= beizulegen.
Denn daß alsdann dieser nach der subjectiven |445.15| Beschaffenheit
unserer Vernunft, und selbst wie wir uns auch die Vernunft anderer
Wesen nur immer denken mögen, kein anderer als =der #416# Mensch unter
moralischen Gesetzen= sein könne: kann _a priori_ für uns als gewiß
gelten; da hingegen die Zwecke der Natur in der physischen Ordnung _a
priori_ gar nicht können erkannt, vornehmlich, daß eine |445.20| Natur
ohne solche nicht existiren könne, auf keine Weise kann eingesehen
werden.


=Anmerkung.=

Setzet einen Menschen in den Augenblicken der Stimmung seines
Gemüths zur moralischen Empfindung! Wenn er sich, umgeben von einer
|445.25| schönen Natur, in einem ruhigen, heitern Genusse seines
Daseins befindet, so fühlt er in sich ein Bedürfniß, irgend jemand
dafür dankbar zu sein. Oder er sehe sich ein andermal in derselben
Gemüthsverfassung im Gedränge von Pflichten, denen er nur durch
freiwillige Aufopferung Genüge leisten kann und will; so fühlt er
in sich ein Bedürfniß, hiemit zugleich |445.30| etwas Befohlnes
ausgerichtet und einem Oberherren gehorcht zu haben. Oder er habe
sich etwa unbedachtsamer Weise wider seine Pflicht vergangen,
wodurch er doch eben nicht Menschen verantwortlich geworden ist;
so werden die strengen Selbstverweise dennoch eine Sprache in ihm
führen, als ob sie die Stimme eines Richters wären, dem er darüber
|445.35| Rechenschaft abzulegen hätte. Mit einem Worte: er bedarf
einer moralischen Intelligenz, um für den Zweck, wozu er existirt,
ein Wesen zu haben, welches diesem gemäß von ihm und der Welt die
Ursache sei. Triebfedern hinter diesen Gefühlen herauszukünsteln, ist
vergeblich; denn sie hängen unmittelbar mit der reinsten moralischen
Gesinnung zusammen, weil |446.5| =Dankbarkeit=, =Gehorsam= und
=Demüthigung= (Unterwerfung unter #417# verdiente Züchtigung) besondere
Gemüthsstimmungen zur Pflicht sind, und das zu Erweiterung seiner
moralischen Gesinnung geneigte Gemüth hier sich nur einen Gegenstand
freiwillig denkt, der nicht in der Welt ist, um wo möglich auch
gegen einen solchen seine Pflicht zu beweisen. Es ist also |446.10|
wenigstens möglich und auch der Grund dazu in moralischer Denkungsart
gelegen, ein reines moralisches Bedürfniß der Existenz eines Wesens
sich vorzustellen, unter welchem entweder unsere Sittlichkeit mehr
Stärke oder auch (wenigstens unserer Vorstellung nach) mehr Umfang,
nämlich einen neuen Gegenstand für ihre Ausübung, gewinnt; d. i. ein
moralisch-gesetzgebendes |446.15| Wesen außer der Welt ohne alle
Rücksicht auf theoretischen Beweis, noch weniger auf selbstsüchtiges
Interesse aus reinem moralischen, von allem fremden Einflusse freien
(dabei freilich nur subjectiven) Grunde anzunehmen, auf bloße
Anpreisung einer für sich allein gesetzgebenden reinen praktischen
Vernunft. Und ob gleich eine solche Stimmung des |446.20| Gemüths
selten vorkäme, oder auch nicht lange haftete, sondern flüchtig und
ohne dauernde Wirkung, oder auch ohne einiges Nachdenken über den
in einem solchen Schattenbilde vorgestellten Gegenstand und ohne
Bemühung ihn unter deutliche Begriffe zu bringen vorüberginge: so ist
doch der Grund dazu, die moralische Anlage in uns, als subjectives
Princip, |446.25| sich in der Weltbetrachtung mit ihrer Zweckmäßigkeit
durch Naturursachen nicht zu begnügen, sondern ihr eine oberste nach
moralischen Principien die Natur beherrschende Ursache unterzulegen,
unverkennbar. — Wozu noch kommt, daß wir, nach einem allgemeinen
höchsten Zwecke zu streben, uns durch das moralische Gesetz gedrungen,
uns aber doch und die gesammte |446.30| Natur ihn zu erreichen
unvermögend fühlen; daß wir, nur so fern wir darnach streben, dem
Endzwecke einer verständigen Weltursache (wenn #418# es eine solche
gäbe) gemäß zu sein urtheilen dürfen; und so ist ein reiner moralischer
Grund der praktischen Vernunft vorhanden, diese Ursache (da es ohne
Widerspruch geschehen kann) anzunehmen, wo nicht mehr, doch |446.35|
damit wir jene Bestrebung in ihren Wirkungen nicht für ganz eitel
anzusehen und dadurch sie ermatten zu lassen Gefahr laufen.

Mit diesem allem soll hier nur so viel gesagt werden: daß die =Furcht=
zwar zuerst =Götter= (Dämonen), aber die =Vernunft= vermittelst
ihrer moralischen Principien zuerst den Begriff von =Gott= habe
hervorbringen können (auch selbst wenn man in der Teleologie der Natur,
wie gemeiniglich, sehr unwissend, oder auch wegen der Schwierigkeit,
die einander hierin |447.5| widersprechenden Erscheinungen durch ein
genugsam bewährtes Princip auszugleichen, sehr zweifelhaft war);
und daß die innere =moralische= Zweckbestimmung seines Daseins das
ergänzte, was der Naturkenntniß abging, indem sie nämlich anwies, zu
dem Endzwecke vom Dasein aller Dinge, wozu das Princip nicht anders als
=ethisch= der Vernunft genugthuend |447.10| ist, die oberste Ursache
mit Eigenschaften, womit sie die ganze Natur jener einzigen Absicht (zu
der diese bloß Werkzeug ist) zu unterwerfen vermögend ist, (d. i. als
eine =Gottheit=) zu denken.


§ 87.

Von dem moralischen Beweise des Daseins Gottes. |447.15|

Es giebt eine =physische Teleologie=, welche einen für unsere
theoretisch reflectirende Urtheilskraft hinreichenden Beweisgrund an
die Hand giebt, das Dasein einer verständigen Weltursache anzunehmen.
Wir #419# finden aber in uns selbst und noch mehr in dem Begriffe
eines vernünftigen mit Freiheit (seiner Causalität) begabten Wesens
überhaupt auch eine |447.20| =moralische Teleologie=, die aber,
weil die Zweckbeziehung in uns selbst _a priori_ sammt dem Gesetze
derselben bestimmt, mithin als nothwendig erkannt werden kann, zu
diesem Behuf keiner verständigen Ursache außer uns für diese innere
Gesetzmäßigkeit bedarf: so wenig als wir bei dem, was wir in den
geometrischen Eigenschaften der Figuren (für allerlei |447.25| mögliche
Kunstausübung) Zweckmäßiges finden, auf einen ihnen dieses ertheilenden
höchsten Verstand hinaus sehen dürfen. Aber diese moralische Teleologie
betrifft doch uns als Weltwesen und also mit andern Dingen in der
Welt verbundene Wesen: auf welche letzteren entweder als Zwecke, oder
als Gegenstände, in Ansehung deren wir selbst Endzweck sind, unsere
|447.30| Beurtheilung zu richten, eben dieselben moralischen Gesetze
uns zur Vorschrift machen. Von dieser moralischen Teleologie nun,
welche die Beziehung unserer eigenen Causalität auf Zwecke und sogar
auf einen Endzweck, der von uns in der Welt beabsichtigt werden muß,
imgleichen die wechselseitige Beziehung der Welt auf jenen sittlichen
Zweck und die |447.35| äußere Möglichkeit seiner Ausführung (wozu
keine physische Teleologie uns Anleitung geben kann) betrifft, geht
nun die nothwendige Frage aus: ob sie unsere vernünftige Beurtheilung
nöthige, über die Welt hinaus zu #420# gehen und zu jener Beziehung
der Natur auf das Sittliche in uns ein verständiges oberstes Princip
zu suchen, um die Natur auch in Beziehung |448.5| auf die moralische
innere Gesetzgebung und deren mögliche Ausführung uns als zweckmäßig
vorzustellen. Folglich giebt es allerdings eine moralische Teleologie;
und diese hängt mit der =Nomothetik= der Freiheit einerseits und der
der Natur andererseits eben so nothwendig zusammen als bürgerliche
Gesetzgebung mit der Frage, wo man die executive Gewalt |448.10| suchen
soll, und überhaupt in allem, worin die Vernunft ein Princip der
Wirklichkeit einer gewissen gesetzmäßigen, nur nach Ideen möglichen
Ordnung der Dinge angeben soll, Zusammenhang ist. — Wir wollen den
Fortschritt der Vernunft von jener moralischen Teleologie und ihrer
Beziehung auf die physische zur =Theologie= allererst vortragen und
nachher über die |448.15| Möglichkeit und Bündigkeit dieser Schlußart
Betrachtungen anstellen.

Wenn man das Dasein gewisser Dinge (oder auch nur gewisser Formen
der Dinge) als zufällig, mithin nur durch etwas Anderes als Ursache
möglich annimmt: so kann man zu dieser Causalität den obersten
und also zu dem Bedingten den unbedingten Grund entweder in der
|448.20| physischen, oder teleologischen Ordnung suchen (nach dem
_nexu effectivo_, oder _finali_). D. i. man kann fragen: welches
ist die oberste hervorbringende Ursache? oder was ist der oberste
(schlechthin unbedingte) Zweck #421# derselben, d. i. der Endzweck
ihrer Hervorbringung dieser oder aller ihrer Producte überhaupt? wobei
dann freilich vorausgesetzt wird, daß diese |448.25| Ursache einer
Vorstellung der Zwecke fähig, mithin ein verständiges Wesen sei, oder
wenigstens von uns als nach den Gesetzen eines solchen Wesens handelnd
gedacht werden müsse.

Nun ist, wenn man der letztern Ordnung nachgeht, es ein =Grundsatz=,
dem selbst die gemeinste Menschenvernunft unmittelbar Beifall zu
|448.30| geben genöthigt ist: daß, wenn überall ein =Endzweck=, den
die Vernunft _a priori_ angeben muß, Statt finden soll, dieser kein
anderer, als =der Mensch= (ein jedes vernünftige Weltwesen) =unter
moralischen Gesetzen= sein könne.[33] Denn (so urtheilt ein jeder):
bestände die Welt aus #422# lauter leblosen, oder zwar zum Theil aus
lebenden, aber vernunftlosen Wesen, so würde das Dasein einer solchen
Welt gar keinen Werth haben, weil in ihr kein Wesen existirte, das von
einem Werthe den mindesten Begriff hat. Wären dagegen auch vernünftige
Wesen, deren Vernunft aber den Werth des Daseins der Dinge nur im
Verhältnisse der Natur |449.5| zu ihnen (ihrem Wohlbefinden) zu setzen,
nicht aber sich einen solchen ursprünglich #423# (in der Freiheit)
selbst zu verschaffen im Stande wäre: so wären zwar (relative) Zwecke
in der Welt, aber kein (absoluter) Endzweck, weil das Dasein solcher
vernünftigen Wesen doch immer zwecklos sein würde. Die moralischen
Gesetze aber sind von der eigenthümlichen Beschaffenheit, |449.10|
daß sie etwas als Zweck ohne Bedingung, mithin gerade so, wie der
Begriff eines Endzwecks es bedarf, für die Vernunft vorschreiben: und
die Existenz einer solchen Vernunft, die in der Zweckbeziehung ihr
selbst das oberste Gesetz sein kann, mit andern Worten die Existenz
vernünftiger Wesen unter moralischen Gesetzen, kann also allein als
Endzweck |449.15| vom Dasein einer Welt gedacht werden. Ist dagegen
dieses nicht so bewandt, so liegt dem Dasein derselben entweder gar
kein Zweck in der Ursache, oder es liegen ihm Zwecke ohne Endzweck zum
Grunde.

  [33] Ich sage mit Fleiß: =unter= moralischen Gesetzen. Nicht
  der Mensch =nach= |448.35| moralischen Gesetzen, d. i. ein
  solcher, der sich ihnen gemäß verhält, ist der Endzweck der
  Schöpfung. Denn mit dem letztern Ausdrucke würden wir mehr
  sagen, als wir wissen: nämlich daß es in der Gewalt eines
  Welturhebers stehe, zu machen, daß der Mensch den moralischen
  Gesetzen jederzeit sich angemessen verhalte; welches einen
  Begriff von Freiheit und der Natur (von welcher letztern man
  allein einen äußern Urheber denken kann) voraussetzt, der eine
  Einsicht in das übersinnliche Substrat der |449.20| Natur
  und dessen Einerleiheit mit dem, was die Causalität durch
  Freiheit in der Welt möglich macht, enthalten müßte, die weit
  über unsere Vernunfteinsicht hinausgeht. Nur vom =Menschen
  unter moralischen Gesetzen= können wir, ohne die Schranken
  unserer Einsicht zu überschreiten, sagen: sein Dasein
  mache der Welt Endzweck aus. Dieses stimmt auch vollkommen
  mit dem Urtheile der moralisch über den Weltlauf |449.25|
  reflectirenden Menschenvernunft. Wir glauben die Spuren einer
  weisen Zweckbeziehung auch am Bösen wahrzunehmen, wenn wir nur
  sehen, daß der frevelhafte Bösewicht nicht eher stirbt, als
  bis er die wohlverschuldete Strafe seiner Unthaten erlitten
  hat. Nach unseren Begriffen von freier Causalität beruht
  das Wohl- oder Übelverhalten auf uns; die höchste Weisheit
  aber der Weltregierung setzen wir darin, |449.30| daß zu dem
  ersteren die Veranlassung, für beides aber der Erfolg nach
  moralischen Gesetzen verhängt sei. In dem letzteren besteht
  eigentlich die Ehre Gottes, welche daher von Theologen nicht
  unschicklich der letzte Zweck der Schöpfung genannt wird. —
  Noch ist anzumerken, daß wir unter dem Wort Schöpfung, wenn
  wir uns dessen bedienen, nichts anders, als was hier gesagt
  worden ist, nämlich die Ursache |449.35| vom =Dasein= einer
  =Welt=, oder der Dinge in ihr (der Substanzen), verstehen;
  wie das auch der eigentliche Begriff dieses Worts mit sich
  bringt (_actuatio substantiae est creatio_): welches mithin
  nicht schon die Voraussetzung einer freiwirkenden, folglich
  verständigen Ursache (deren Dasein wir allererst beweisen
  wollen) bei sich führt.

Das moralische Gesetz als formale Vernunftbedingung des Gebrauchs
unserer Freiheit verbindet uns für sich allein, ohne von irgend einem
|450.5| Zwecke als materialer Bedingung abzuhängen; aber es bestimmt
uns doch auch und zwar _a priori_ einen Endzweck, welchem nachzustreben
es uns verbindlich macht: und dieser ist das =höchste= durch Freiheit
mögliche =Gut in der Welt=.

Die subjective Bedingung, unter welcher der Mensch (und nach allen
|450.10| unsern Begriffen auch jedes vernünftige endliche Wesen)
sich unter dem obigen Gesetze einen Endzweck setzen kann, ist die
Glückseligkeit. Folglich, #424# das höchste in der Welt mögliche
und, so viel an uns ist, als Endzweck zu befördernde physische Gut
ist =Glückseligkeit=: unter der objectiven Bedingung der Einstimmung
des Menschen mit dem Gesetze der =Sittlichkeit=, |450.15| als der
Würdigkeit glücklich zu sein.

Diese zwei Erfordernisse des uns durch das moralische Gesetz
aufgegebenen Endzwecks können wir aber nach allen unsern
Vernunftvermögen als durch bloße Naturursachen =verknüpft= und der
Idee des gedachten Endzwecks angemessen unmöglich uns vorstellen.
Also stimmt der Begriff |450.20| von der =praktischen Nothwendigkeit=
eines solchen Zwecks durch die Anwendung unserer Kräfte nicht mit dem
theoretischen Begriffe von der =physischen Möglichkeit= der Bewirkung
desselben zusammen, wenn wir mit unserer Freiheit keine andere
Causalität (eines Mittels), als die der Natur verknüpfen. |450.25|

Folglich müssen wir eine moralische Weltursache (einen Welturheber)
annehmen, um uns gemäß dem moralischen Gesetze einen Endzweck
vorzusetzen; und so weit als das letztere nothwendig ist, so weit (d.
i. in demselben Grade und aus demselben Grunde) ist auch das erstere
nothwendig anzunehmen: nämlich es sei ein Gott.[34] |450.30|

  [34] Dieses moralische Argument soll keinen
  =objectiv=-gültigen Beweis vom Dasein Gottes an die Hand
  geben, nicht dem Zweifelgläubigen beweisen, daß ein Gott
  sei; sondern daß, wenn er moralisch consequent denken will,
  er die Annehmung dieses Satzes unter die Maximen seiner
  praktischen Vernunft =aufnehmen müsse=. — Es soll damit auch
  nicht gesagt werden: es ist =zur Sittlichkeit= nothwendig,
  die Glückseligkeit aller vernünftigen Weltwesen gemäß ihrer
  Moralität |450.35| anzunehmen; sondern: es ist =durch sie=
  nothwendig. Mithin ist es ein =subjectiv=, für moralische
  Wesen, hinreichendes Argument.

       *       *       *       *       *

Dieser Beweis, dem man leicht die Form der logischen Präcision anpassen
#425# kann, will nicht sagen: es ist eben so nothwendig das Dasein
Gottes anzunehmen, als die Gültigkeit des moralischen Gesetzes
anzuerkennen; mithin, wer sich vom erstern nicht überzeugen kann,
könne sich von den Verbindlichkeiten nach dem letztern los zu sein
urtheilen. Nein! nur die =Beabsichtigung= des durch die Befolgung
des letztern zu bewirkenden Endzwecks in der Welt (einer mit der
Befolgung moralischer Gesetze |451.5| harmonisch zusammentreffenden
Glückseligkeit vernünftiger Wesen, als des höchsten Weltbesten) müßte
alsdann aufgegeben werden. Ein jeder Vernünftige würde sich an der
Vorschrift der Sitten immer noch als strenge gebunden erkennen müssen;
denn die Gesetze derselben sind formal und gebieten unbedingt, ohne
Rücksicht auf Zwecke (als die Materie des |451.10| Wollens). Aber
das eine Erforderniß des Endzwecks, wie ihn die praktische Vernunft
den Weltwesen vorschreibt, ist ein in sie durch ihre Natur (als
#426# endlicher Wesen) gelegter unwiderstehlicher Zweck, den die
Vernunft nur dem moralischen Gesetze =als= unverletzlicher =Bedingung=
unterworfen, oder auch nach demselben allgemein gemacht wissen will und
so die Beförderung |451.15| der Glückseligkeit in Einstimmung mit der
Sittlichkeit zum Endzwecke macht. Diesen nun, so viel (was die ersteren
betrifft) in unserem Vermögen ist, zu befördern, wird uns durch das
moralische Gesetz geboten; der Ausschlag, den diese Bemühung hat, mag
sein, welcher er wolle. Die Erfüllung der Pflicht besteht in der Form
des ernstlichen Willens, |451.20| nicht in den Mittelursachen des
Gelingens.

Gesetzt also: ein Mensch überredete sich, theils durch die Schwäche
aller so sehr gepriesenen speculativen Argumente, theils durch manche
in der Natur und Sittenwelt ihm vorkommende Unregelmäßigkeiten bewogen,
von dem Satze: es sei kein Gott; so würde er doch in seinen eigenen
Augen |451.25| ein Nichtswürdiger sein, wenn er darum die Gesetze
der Pflicht für bloß eingebildet, ungültig, unverbindlich halten
und ungescheut zu übertreten beschließen wollte. Ein solcher würde
auch alsdann noch, wenn er sich in der Folge von dem, was er anfangs
bezweifelt hatte, überzeugen könnte, mit jener Denkungsart doch immer
ein Nichtswürdiger bleiben: ob er |451.30| gleich seine Pflicht, aber
aus Furcht, oder aus lohnsüchtiger Absicht, ohne pflichtverehrende
Gesinnung, der Wirkung nach so pünktlich, wie es immer #427# verlangt
werden mag, erfüllte. Umgekehrt, wenn er sie als Gläubiger seinem
Bewußtsein nach aufrichtig und uneigennützig befolgt und gleichwohl, so
oft er zum Versuche den Fall setzt, er könnte einmal überzeugt werden,
es sei kein Gott, sich sogleich von aller sittlichen Verbindlichkeit
frei |452.5| glaubte: müßte es doch mit der innern moralischen
Gesinnung in ihm nur schlecht bestellt sein.

Wir können also einen rechtschaffenen Mann (wie etwa den Spinoza)
annehmen, der sich fest überredet hält: es sei kein Gott und
(weil es in Ansehung des Objects der Moralität auf einerlei Folge
hinausläuft) auch |452.10| kein künftiges Leben; wie wird er seine
eigene innere Zweckbestimmung durch das moralische Gesetz, welches
er thätig verehrt, beurtheilen? Er verlangt von Befolgung desselben
für sich keinen Vortheil, weder in dieser noch in einer andern Welt;
uneigennützig will er vielmehr nur das Gute stiften, wozu jenes
heilige Gesetz allen seinen Kräften die Richtung giebt. |452.15| Aber
sein Bestreben ist begränzt; und von der Natur kann er zwar hin und
wieder einen zufälligen Beitritt, niemals aber eine gesetzmäßige und
nach beständigen Regeln (so wie innerlich seine Maximen sind und sein
müssen) eintreffende Zusammenstimmung zu dem Zwecke erwarten, welchen
zu bewirken er sich doch verbunden und angetrieben fühlt. Betrug,
Gewaltthätigkeit |452.20| und Neid werden immer um ihn im Schwange
gehen, ob #428# er gleich selbst redlich, friedfertig und wohlwollend
ist; und die Rechtschaffenen, die er außer sich noch antrifft, werden
unangesehen aller ihrer Würdigkeit glücklich zu sein dennoch durch
die Natur, die darauf nicht achtet, allen Übeln des Mangels, der
Krankheiten und des unzeitigen Todes gleich |452.25| den übrigen
Thieren der Erde unterworfen sein und es auch immer bleiben, bis ein
weites Grab sie insgesammt (redlich oder unredlich, das gilt hier
gleichviel) verschlingt und sie, die da glauben konnten, Endzweck der
Schöpfung zu sein, in den Schlund des zwecklosen Chaos der Materie
zurück wirft, aus dem sie gezogen waren. — Den Zweck also, den
dieser |452.30| Wohlgesinnte in Befolgung der moralischen Gesetze
vor Augen hatte und haben sollte, müßte er allerdings als unmöglich
aufgeben; oder will er auch hierin dem Rufe seiner sittlichen inneren
Bestimmung anhänglich bleiben und die Achtung, welche das sittliche
Gesetz ihm unmittelbar zum Gehorchen einflößt, nicht durch die
Nichtigkeit des einzigen ihrer hohen Forderung |452.35| angemessenen
idealischen Endzwecks schwächen (welches ohne einen der moralischen
Gesinnung widerfahrenden Abbruch nicht geschehen kann): so muß er,
welches er auch gar wohl thun kann, indem es an sich wenigstens nicht
widersprechend ist, in praktischer Absicht, d. i. um sich wenigstens
von der Möglichkeit des ihm moralisch vorgeschriebenen Endzwecks einen
Begriff zu machen, das Dasein eines =moralischen= Welturhebers, d. i.
#429# Gottes, annehmen. |453.5|


§ 88.

Beschränkung der Gültigkeit des moralischen Beweises.

Die reine Vernunft als praktisches Vermögen, d. i. als Vermögen den
freien Gebrauch unserer Causalität durch Ideen (reine Vernunftbegriffe)
zu bestimmen, enthält nicht allein im moralischen Gesetze ein
regulatives |453.10| Princip unserer Handlungen, sondern giebt auch
dadurch zugleich ein subjectiv-constitutives in dem Begriffe eines
Objects an die Hand, welches nur Vernunft denken kann, und welches
durch unsere Handlungen in der Welt nach jenem Gesetze wirklich gemacht
werden soll. Die Idee eines Endzwecks im Gebrauche der Freiheit nach
moralischen Gesetzen |453.15| hat also subjectiv-=praktische= Realität.
Wir sind _a priori_ durch die Vernunft bestimmt, das Weltbeste, welches
in der Verbindung des größten Wohls der vernünftigen Weltwesen mit
der höchsten Bedingung des Guten an denselben, d. i. der allgemeinen
Glückseligkeit mit der gesetzmäßigsten Sittlichkeit, besteht, nach
allen Kräften zu befördern. In diesem |453.20| Endzwecke ist die
Möglichkeit des einen Theils, nämlich der Glückseligkeit, empirisch
bedingt, d. i. von der Beschaffenheit der Natur (ob sie zu diesem
Zwecke übereinstimme oder nicht) abhängig und in theoretischer
Rücksicht #430# problematisch; indeß der andere Theil, nämlich die
Sittlichkeit, in Ansehung deren wir von der Naturmitwirkung frei sind,
seiner Möglichkeit |453.25| nach _a priori_ fest steht und dogmatisch
gewiß ist. Zur objectiven theoretischen Realität also des Begriffs
von dem Endzwecke vernünftiger Weltwesen wird erfordert, daß nicht
allein wir einen uns _a priori_ vorgesetzten Endzweck haben, sondern
daß auch die Schöpfung, d. i. die Welt selbst, ihrer Existenz nach
einen Endzweck habe: welches, wenn es _a priori_ bewiesen |453.30|
werden könnte, zur subjectiven Realität des Endzwecks die objective
hinzuthun würde. Denn hat die Schöpfung überall einen Endzweck, so
können wir ihn nicht anders denken, als so, daß er mit dem moralischen
(der allein den Begriff von einem Zwecke möglich macht) übereinstimmen
müsse. Nun finden wir aber in der Welt zwar Zwecke: und die physische
Teleologie stellt sie in solchem Maße dar, daß, wenn wir der Vernunft
gemäß urtheilen, wir zum Princip der Nachforschung der Natur zuletzt
anzunehmen Grund haben, daß in der Natur gar nichts ohne Zweck sei;
allein den Endzweck der Natur suchen wir in ihr selbst vergeblich.
|454.5| Dieser kann und muß daher, so wie die Idee davon nur in der
Vernunft liegt, selbst seiner objectiven Möglichkeit nach nur in
vernünftigen Wesen gesucht werden. Die praktische Vernunft der letzeren
aber giebt diesen Endzweck nicht allein an, sondern bestimmt auch
diesen Begriff in Ansehung der Bedingungen, unter welchen ein Endzweck
der Schöpfung allein von |454.10| #431# uns gedacht werden kann.

Es ist nun die Frage: ob die objective Realität des Begriffs von
einem Endzweck der Schöpfung nicht auch für die theoretischen
Forderungen der reinen Vernunft hinreichend, wenn gleich nicht
apodiktisch für die bestimmende, doch hinreichend für die Maximen der
theoretisch-reflectirenden |454.15| Urtheilskraft könne dargethan
werden. Dieses ist das mindeste, was man der speculativen Philosophie
ansinnen kann, die den sittlichen Zweck mit den Naturzwecken
vermittelst der Idee eines einzigen Zwecks zu verbinden sich anheischig
macht; aber auch dieses Wenige ist doch weit mehr, als sie je zu
leisten vermag. |454.20|

Nach dem Princip der theoretisch-reflectirenden Urtheilskraft würden
wir sagen: Wenn wir Grund haben, zu den zweckmäßigen Producten der
Natur eine oberste Ursache der Natur anzunehmen, deren Causalität in
Ansehung der Wirklichkeit der letzteren (die Schöpfung) von anderer
Art, als zum Mechanism der Natur erforderlich ist, nämlich als die
eines Verstandes, |454.25| gedacht werden muß: so werden wir auch an
diesem Urwesen nicht bloß allenthalben in der Natur Zwecke, sondern
auch einen Endzweck zu denken hinreichenden Grund haben, wenn gleich
nicht um das Dasein eines solchen Wesens darzuthun, doch wenigstens
(so wie es in der physischen Teleologie geschah) uns zu überzeugen,
daß wir die Möglichkeit |454.30| #432# einer solchen Welt nicht bloß
nach Zwecken, sondern auch nur dadurch, daß wir ihrer Existenz einen
Endzweck unterlegen, uns begreiflich machen können.

Allein Endzweck ist bloß ein Begriff unserer praktischen Vernunft und
kann aus keinen Datis der Erfahrung zu theoretischer Beurtheilung
|454.35| der Natur gefolgert, noch auf Erkenntniß derselben bezogen
werden. Es ist kein Gebrauch von diesem Begriffe möglich, als lediglich
für die praktische Vernunft nach moralischen Gesetzen; und der
Endzweck der Schöpfung ist diejenige Beschaffenheit der Welt, die zu
dem, was wir allein nach Gesetzen bestimmt angeben können, nämlich
dem Endzwecke unserer reinen praktischen Vernunft, und zwar so fern
sie praktisch sein soll, übereinstimmt. — Nun haben wir durch das
moralische Gesetz, welches uns diesen |455.5| letztern auferlegt, in
praktischer Absicht, nämlich um unsere Kräfte zur Bewirkung desselben
anzuwenden, einen Grund, die Möglichkeit, Ausführbarkeit desselben,
mithin auch (weil ohne Beitritt der Natur zu einer in unserer Gewalt
nicht stehenden Bedingung derselben die Bewirkung desselben unmöglich
sein würde) eine Natur der Dinge, die dazu übereinstimmt, |455.10|
anzunehmen. Also haben wir einen moralischen Grund, uns an einer Welt
auch einen Endzweck der Schöpfung zu denken.

Dieses ist nun noch nicht der Schluß von der moralischen Teleologie
#433# auf eine Theologie, d. i. auf das Dasein eines moralischen
Welturhebers, sondern nur auf einen Endzweck der Schöpfung, der
auf diese Art bestimmt |455.15| wird. Daß nun zu dieser Schöpfung,
d. i. der Existenz der Dinge gemäß einem =Endzwecke=, erstlich ein
verständiges, aber zweitens nicht bloß (wie zu der Möglichkeit der
Dinge der Natur, die wir als =Zwecke= zu beurtheilen genöthigt
waren) ein verständiges, sondern ein zugleich =moralisches= Wesen
als Welturheber, mithin ein =Gott= angenommen |455.20| werden müsse:
ist ein zweiter Schluß, welcher so beschaffen ist, daß man sieht,
er sei bloß für die Urtheilskraft nach Begriffen der praktischen
Vernunft und als ein solcher für die reflectirende, nicht die
bestimmende Urtheilskraft gefällt. Denn wir können uns nicht anmaßen
einzusehen: daß, obzwar in uns die moralisch-praktische Vernunft von
der technisch-praktischen |455.25| ihren Principien nach wesentlich
unterschieden ist, in der obersten Weltursache, wenn sie als
Intelligenz angenommen wird, es auch so sein müsse, und eine besondere
und verschiedene Art der Causalität derselben zum Endzwecke, als
bloß zu Zwecken der Natur erforderlich sei; daß wir mithin an unserm
Endzweck nicht bloß einen =moralischen Grund= haben, |455.30| einen
Endzweck der Schöpfung (als Wirkung), sondern auch ein =moralisches
Wesen= als Urgrund der Schöpfung anzunehmen. Wohl aber können wir
sagen: daß =nach der Beschaffenheit unseres Vernunftvermögens= #434#
wir uns die Möglichkeit einer solchen =auf das moralische Gesetz=
und dessen Object bezogenen Zweckmäßigkeit, als in diesem |455.35|
Endzwecke ist, ohne einen Welturheber und Regierer, der zugleich
moralischer Gesetzgeber ist, gar nicht begreiflich machen können.

Die Wirklichkeit eines höchsten moralisch-gesetzgebenden Urhebers ist
also bloß =für den praktischen Gebrauch= unserer Vernunft hinreichend
dargethan, ohne in Ansehung des Daseins desselben etwas theoretisch
zu bestimmen. Denn diese bedarf zur Möglichkeit ihres Zwecks, der uns
auch ohnedas durch ihre eigene Gesetzgebung aufgegeben ist, einer
Idee, |456.5| wodurch das Hinderniß aus dem Unvermögen ihrer Befolgung
nach dem bloßen Naturbegriffe von der Welt (für die reflectirende
Urtheilskraft hinreichend) weggeräumt wird; und diese Idee bekommt
dadurch praktische Realität, wenn ihr gleich alle Mittel, ihr eine
solche in theoretischer Absicht zur Erklärung der Natur und Bestimmung
der obersten Ursache zu |456.10| verschaffen, für das speculative
Erkenntniß gänzlich abgehen. Für die theoretisch reflectirende
Urtheilskraft bewies die physische Teleologie aus den Zwecken der
Natur hinreichend eine verständige Weltursache; für die praktische
bewirkt dieses die moralische durch den Begriff eines Endzwecks, den
sie in praktischer Absicht der Schöpfung beizulegen genöthigt ist. Die
|456.15| #435# objective Realität der Idee von Gott, als moralischen
Welturhebers, kann nun zwar nicht durch physische Zwecke =allein=
dargethan werden; gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntniß mit dem des
moralischen verbunden wird, sind jene vermöge der Maxime der reinen
Vernunft, Einheit der Principien, so viel sich thun läßt, zu befolgen,
von großer Bedeutung, um der |456.20| praktischen Realität jener Idee
durch die, welche sie in theoretischer Absicht für die Urtheilskraft
bereits hat, zu Hülfe zu kommen.

Hiebei ist nun zu Verhütung eines leicht eintretenden Mißverständnisses
höchst nöthig anzumerken, daß wir erstlich diese Eigenschaften des
höchsten Wesens nur nach der Analogie =denken= können. Denn wie wollten
|456.25| wir seine Natur, wovon uns die Erfahrung nichts Ähnliches
zeigen kann, erforschen? Zweitens, daß wir es durch dieselbe auch nur
denken, nicht darnach =erkennen= und sie ihm etwa theoretisch beilegen
können; denn das wäre für die bestimmende Urtheilskraft in speculativer
Absicht unserer Vernunft, um, was die oberste Weltursache =an sich=
sei, einzusehen. |456.30| Hier aber ist es nur darum zu thun, welchen
Begriff wir uns nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnißvermögen
von demselben zu machen und ob wir seine Existenz anzunehmen haben,
um einem Zwecke, den uns reine praktische Vernunft ohne alle solche
Voraussetzung _a priori_ nach allen Kräften zu bewirken auferlegt,
gleichfalls nur praktische Realität zu verschaffen, |456.35| #436# d.
i. nur eine beabsichtete Wirkung als möglich denken zu können. Immerhin
mag jener Begriff für die speculative Vernunft überschwenglich
sein; auch mögen die Eigenschaften, die wir dem dadurch gedachten
Wesen beilegen, objectiv gebraucht, einen Anthropomorphism in sich
verbergen: die Absicht ihres Gebrauchs ist auch nicht, seine für uns
unerreichbare Natur, sondern uns selbst und unseren Willen darnach
bestimmen zu wollen. So wie wir eine Ursache nach dem Begriffe, den wir
von der Wirkung |457.5| haben, (aber nur in Ansehung ihrer Relation
zu dieser) benennen, ohne darum die innere Beschaffenheit derselben
durch die Eigenschaften, die uns von dergleichen Ursachen einzig und
allein bekannt und durch Erfahrung gegeben werden müssen, innerlich
bestimmen zu wollen; so wie wir z. B. der Seele unter andern auch eine
_vim locomotivam_ beilegen, |457.10| weil wirklich Bewegungen des
Körpers entspringen, deren Ursache in ihren Vorstellungen liegt, ohne
ihr darum die einzige Art, wie wir bewegende Kräfte kennen, (nämlich
durch Anziehung, Druck, Stoß, mithin Bewegung, welche jederzeit ein
ausgedehntes Wesen voraussetzen) beilegen zu wollen: — eben so
werden wir =Etwas=, das den Grund der Möglichkeit |457.15| und der
praktischen Realität, d. i. der Ausführbarkeit, eines nothwendigen
moralischen Endzwecks enthält, annehmen müssen; dieses aber nach
Beschaffenheit der von ihm erwarteten Wirkung uns als ein weises,
nach moralischen #437# Gesetzen die Welt beherrschendes Wesen denken
können und der Beschaffenheit unserer Erkenntnißvermögen gemäß als
von der Natur unterschiedene |457.20| Ursache der Dinge denken
müssen, um nur das =Verhältniß= dieses alle unsere Erkenntnißvermögen
übersteigenden Wesens zum Objecte =unserer= praktischen Vernunft
auszudrücken: ohne doch dadurch die einzige uns bekannte Causalität
dieser Art, nämlich einen Verstand und Willen, ihm darum theoretisch
beilegen, ja selbst auch nur die an ihm gedachte |457.25| Causalität
in Ansehung dessen, was =für uns= Endzweck ist, als in diesem
Wesen selbst von der Causalität in Ansehung der Natur (und deren
Zweckbestimmungen überhaupt) objectiv unterscheiden zu wollen, sondern
diesen Unterschied nur als subjectiv nothwendig für die Beschaffenheit
unseres Erkenntnißvermögens und gültig für die reflectirende,
nicht für die |457.30| objectiv bestimmende Urtheilskraft annehmen
können. Wenn es aber auf das Praktische ankommt, so ist ein solches
=regulatives= Princip (für die Klugheit oder Weisheit): dem, was nach
Beschaffenheit unserer Erkenntnißvermögen von uns auf gewisse Weise
allein als möglich gedacht werden kann, als Zwecke gemäß zu handeln,
zugleich =constitutiv=, d. i. praktisch |457.35| bestimmend; indeß eben
dasselbe als Princip die objective Möglichkeit der Dinge zu beurtheilen
keinesweges theoretisch-bestimmend (daß nämlich auch dem Objecte
die einzige Art der Möglichkeit zukomme, die unserm #438# Vermögen
zu denken zukommt), sondern ein bloß =regulatives= Princip für die
reflectirende Urtheilskraft ist.


=Anmerkung.=

Dieser moralische Beweis ist nicht etwa ein neu erfundener, sondern
|458.5| allenfalls nur ein neu erörterter Beweisgrund; denn er hat vor
der frühesten Aufkeimung des menschlichen Vernunftvermögens schon in
demselben gelegen und wird mit der fortgehenden Cultur desselben nur
immer mehr entwickelt. Sobald die Menschen über Recht und Unrecht zu
reflectiren anfingen, in einer Zeit, wo sie über die Zweckmäßigkeit
der Natur noch |458.10| gleichgültig wegsahen, sie nützten, ohne
sich dabei etwas Anderes als den gewohnten Lauf der Natur zu denken,
mußte sich das Urtheil unvermeidlich einfinden: daß es im Ausgange
nimmermehr einerlei sein könne, ob ein Mensch sich redlich oder falsch,
billig oder gewaltthätig verhalten habe, wenn er gleich bis an sein
Lebensende, wenigstens sichtbarlich, für seine |458.15| Tugenden kein
Glück, oder für seine Verbrechen keine Strafe angetroffen habe. Es ist:
als ob sie in sich eine Stimme wahrnähmen, es müsse anders zugehen;
mithin mußte auch die, obgleich dunkle, Vorstellung von Etwas, dem
sie nachzustreben sich verbunden fühlten, verborgen liegen, womit ein
solcher Ausschlag sich gar nicht zusammenreimen lasse, oder womit,
|458.20| wenn sie den Weltlauf einmal als die einzige Ordnung der
Dinge ansahen, sie wiederum jene innere Zweckbestimmung ihres Gemüths
nicht zu vereinigen wußten. Nun mochten sie die Art, wie eine solche
Unregelmäßigkeit (welche dem menschlichen Gemüthe weit empörender sein
muß, als der blinde Zufall, den man etwa der Naturbeurtheilung zum
Princip |458.25| unterlegen wollte) ausgeglichen werden könne, sich
auf mancherlei noch so #439# grobe Weise vorstellen; so konnten sie
sich doch niemals ein anderes Princip der Möglichkeit der Vereinigung
der Natur mit ihrem inneren Sittengesetze erdenken, als eine nach
moralischen Gesetzen die Welt beherrschende oberste Ursache: weil ein
als Pflicht aufgegebener Endzweck in ihnen und |458.30| eine Natur ohne
allen Endzweck außer ihnen, in welcher gleichwohl jener Zweck wirklich
werden soll, im Widerspruche stehen. Über die innere Beschaffenheit
jener Weltursache konnten sie nun manchen Unsinn ausbrüten; jenes
moralische Verhältniß in der Weltregierung blieb immer dasselbe,
welches für die unangebauteste Vernunft, sofern sie sich als praktisch
betrachtet, |458.35| allgemein faßlich ist, mit welcher hingegen die
speculative bei weitem nicht gleichen Schritt halten kann. — Auch
wurde aller Wahrscheinlichkeit nach durch dieses moralische Interesse
allererst die Aufmerksamkeit auf die Schönheit und Zwecke der Natur
rege gemacht, die alsdann jene Idee zu bestärken vortrefflich diente,
sie aber doch nicht begründen, noch weniger jenes entbehren konnte,
weil selbst die Nachforschung |459.5| der Zwecke der Natur nur in
Beziehung auf den Endzweck dasjenige unmittelbare Interesse bekommt,
welches sich in der Bewunderung derselben ohne Rücksicht auf irgend
daraus zu ziehenden Vortheil in so großem Maße zeigt.


§ 89. |459.10|

Von dem Nutzen des moralischen Arguments.

Die Einschränkung der Vernunft in Ansehung aller unserer Ideen vom
Übersinnlichen auf die Bedingungen ihres praktischen Gebrauchs hat,
was #440# die Idee von Gott betrifft, den unverkennbaren Nutzen:
daß sie verhütet, daß =Theologie= sich nicht in THEOSOPHIE (in
vernunftverwirrende überschwengliche |459.15| Begriffe) versteige, oder
zur Dämonologie (einer anthropomorphistischen Vorstellungsart
des höchsten Wesens) herabsinke; daß =Religion= nicht in =Theurgie=
(ein schwärmerischer Wahn, von anderen übersinnlichen Wesen Gefühl und
auf sie wiederum Einfluß haben zu können), oder in =Idololatrie= (ein
abergläubischer Wahn, dem höchsten Wesen |459.20| sich durch andere
Mittel, als durch eine moralische Gesinnung wohlgefällig machen zu
können) gerathe[35].

  [35] Abgötterei in praktischem Verstande ist noch immer
  diejenige Religion, |459.30| welche sich das höchste Wesen
  mit Eigenschaften denkt, nach denen noch etwas anders, als
  Moralität die für sich taugliche Bedingung sein könne,
  seinem Willen in dem, was der Mensch zu thun vermag, gemäß
  zu sein. Denn so rein und frei von sinnlichen Bildern man
  auch in theoretischer Rücksicht jenen Begriff gefaßt haben
  mag, so ist er im Praktischen alsdann dennoch als ein =Idol=,
  d. i. der Beschaffenheit |459.35| seines Willens nach
  anthropomorphistisch, vorgestellt.

Denn wenn man der Eitelkeit oder Vermessenheit des Vernünftelns in
Ansehung dessen, was über die Sinnenwelt hinausliegt, auch nur das
mindeste theoretisch (und erkenntniß-erweiternd) zu bestimmen einräumt;
|459.25| wenn man mit Einsichten vom Dasein und von der Beschaffenheit
der #441# göttlichen Natur, von seinem Verstande und Willen, den
Gesetzen beider und den daraus auf die Welt abfließenden Eigenschaften
groß zu thun verstattet: so möchte ich wohl wissen, wo und an welcher
Stelle man die Anmaßungen der Vernunft begränzen wolle; denn wo jene
Einsichten hergenommen sind, eben daher können ja noch mehrere (wenn
man nur, wie man meint, sein Nachdenken anstrengte) erwartet werden.
Die Begränzung solcher Ansprüche müßte doch nach einem gewissen Princip
geschehen, nicht etwa bloß aus dem Grunde, weil wir finden, daß alle
Versuche mit |460.5| denselben bisher fehlgeschlagen sind; denn das
beweiset nichts wider die Möglichkeit eines besseren Ausschlags.
Hier aber ist kein Princip möglich, als entweder anzunehmen: daß in
Ansehung des Übersinnlichen schlechterdings gar nichts theoretisch (als
lediglich nur negativ) bestimmt werden könne, oder daß unsere Vernunft
eine noch unbenutzte Fundgrube |460.10| zu wer weiß wie großen, für uns
und unsere Nachkommen aufbewahrten erweiternden Kenntnissen in sich
enthalte. — Was aber Religion betrifft, d. i. die Moral in Beziehung
auf Gott als Gesetzgeber: so muß, wenn die theoretische Erkenntniß
desselben vorhergehen müßte, die Moral sich nach der Theologie richten
und nicht allein statt einer inneren nothwendigen |460.15| Gesetzgebung
der Vernunft eine äußere willkürliche eines obersten Wesens eingeführt
werden, sondern auch in dieser alles, was unsere Einsicht in #442# die
Natur desselben Mangelhaftes hat, sich auf die sittliche Vorschrift
erstrecken und so die Religion unmoralisch machen und verkehren.

In Ansehung der Hoffnung eines künftigen Lebens, wenn wir statt
|460.20| des Endzwecks, den wir der Vorschrift des moralischen Gesetzes
gemäß selbst zu vollführen haben, zum Leitfaden des Vernunfturtheils
über unsere Bestimmung (welches also nur in praktischer Beziehung als
nothwendig, oder annehmungswürdig betrachtet wird) unser theoretisches
Erkenntnißvermögen befragen, giebt die Seelenlehre in dieser Absicht,
so wie oben |460.25| die Theologie nichts mehr als einen negativen
Begriff von unserm denkenden Wesen: daß nämlich keine seiner Handlungen
und Erscheinungen des innern Sinnes materialistisch erklärt werden
könne; daß also von ihrer abgesonderten Natur und der Dauer oder
Nichtdauer ihrer Persönlichkeit nach dem Tode uns schlechterdings kein
erweiterndes, bestimmendes Urtheil |460.30| aus speculativen Gründen
durch unser gesammtes theoretisches Erkenntnißvermögen möglich sei.
Da also alles hier der teleologischen Beurtheilung unseres Daseins in
praktischer nothwendiger Rücksicht und der Annehmung unserer Fortdauer,
als der zu dem uns von der Vernunft schlechterdings aufgegebenen
Endzweck erforderlichen Bedingung, überlassen bleibt, |460.35| so zeigt
sich hier zugleich der Nutzen (der zwar beim ersten Anblick Verlust zu
sein scheint): daß, so wie die Theologie für uns nie Theosophie werden
#443# kann, die rationale =Psychologie= niemals =Pneumatologie= als
erweiternde Wissenschaft werden könne, so wie sie andrerseits auch
gesichert ist, in keinen =Materialism= zu verfallen; sondern daß sie
vielmehr bloß Anthropologie des innern Sinnes, d. i. Kenntniß unseres
denkenden Selbst im =Leben=, sei und als theoretisches Erkenntniß auch
bloß empirisch |461.5| bleibe; dagegen die rationale Psychologie, was
die Frage über unsere ewige Existenz betrifft, gar keine theoretische
Wissenschaft ist, sondern auf einem einzigen Schlusse der moralischen
Teleologie beruht, wie denn auch ihr ganzer Gebrauch bloß der letztern
als unserer praktischen Bestimmung wegen nothwendig ist. |461.10|


§ 90.

Von der Art des Fürwahrhaltens in einem teleologischen Beweise des
Daseins Gottes.

Zuerst wird zu jedem Beweise, er mag (wie bei dem Beweise durch
Beobachtung des Gegenstandes oder Experiment) durch unmittelbare
empirische |461.15| Darstellung dessen, was bewiesen werden soll, oder
durch Vernunft _a priori_ aus Principien geführt werden, erfordert:
daß er nicht =überrede=, sondern =überzeuge=, oder wenigstens auf
Überzeugung wirke; d. i. daß der Beweisgrund, oder der Schluß nicht
bloß ein subjectiver #444# (ästhetischer) Bestimmungsgrund des Beifalls
(bloßer Schein), sondern |461.20| objectiv-gültig und ein logischer
Grund der Erkenntniß sei: denn sonst wird der Verstand berückt, aber
nicht überführt. Von jener Art eines Scheinbeweises ist derjenige,
welcher vielleicht in guter Absicht, aber doch mit vorsetzlicher
Verhehlung seiner Schwäche in der natürlichen Theologie geführt wird:
wenn man die große Menge der Beweisthümer eines Ursprungs |461.25| der
Naturdinge nach dem Princip der Zwecke herbeizieht und sich den bloß
subjectiven Grund der menschlichen Vernunft zu Nutze macht, nämlich
den ihr eigenen Hang, wo es nur ohne Widerspruch geschehen kann, statt
vieler Principien ein einziges und, wo in diesem Princip nur einige
oder auch viele Erfordernisse zur Bestimmung eines Begriffs angetroffen
|461.30| werden, die übrigen hinzuzudenken, um den Begriff des Dinges
durch willkürliche Ergänzung zu vollenden. Denn freilich, wenn wir
so viele Producte in der Natur antreffen, die für uns Anzeigen einer
verständigen Ursache sind: warum sollen wir statt vieler solcher
Ursachen nicht lieber eine einzige und zwar an dieser nicht etwa bloß
großen Verstand |461.35| Macht u. s. w., sondern nicht vielmehr
Allweisheit, Allmacht, mit einem Worte sie als eine solche, die den
für alle mögliche Dinge zureichenden Grund solcher Eigenschaften
enthalte, denken? und über das diesem einigen alles vermögenden
Urwesen nicht bloß für die Naturgesetze und -Producte #445# Verstand,
sondern auch als einer moralischen Weltursache höchste sittliche
|462.5| praktische Vernunft beilegen; da durch diese Vollendung des
Begriffs ein für Natureinsicht sowohl als moralische Weisheit zusammen
hinreichendes Princip angegeben wird, und kein nur einigermaßen
gegründeter Einwurf wider die Möglichkeit einer solchen Idee gemacht
werden kann? Werden hiebei nun zugleich die moralischen Triebfedern des
Gemüths in Bewegung |462.10| gesetzt und ein lebhaftes Interesse der
letzteren mit rednerischer Stärke (deren sie auch wohl würdig sind)
hinzugefügt: so entspringt daraus eine Überredung von der objectiven
Zulänglichkeit des Beweises und ein (in den meisten Fällen seines
Gebrauchs) auch heilsamer Schein, der aller Prüfung der logischen
Schärfe desselben sich ganz überhebt und sogar dawider, |462.15| als ob
ihr ein frevelhafter Zweifel zum Grunde läge, Abscheu und Widerwillen
trägt. — Nun ist hierwider wohl nichts zu sagen, so fern man auf
populäre Brauchbarkeit eigentlich Rücksicht nimmt. Allein da doch die
Zerfällung desselben in die zwei ungleichartigen Stücke, die dieses
Argument enthält, nämlich in das, was zur physischen, und das, was zur
|462.20| moralischen Teleologie gehört, nicht abgehalten werden kann
und darf, indem die Zusammenschmelzung beider es unkenntlich macht,
wo der eigentliche Nerve des Beweises liege, und an welchem Theile
und wie er müßte bearbeitet werden, um für die Gültigkeit desselben
vor der schärfsten Prüfung #446# Stand halten zu können (selbst wenn
man an einem Theile die |462.25| Schwäche unserer Vernunfteinsicht
einzugestehen genöthigt sein sollte): so ist es für den Philosophen
Pflicht (gesetzt daß er auch die Anforderung der Aufrichtigkeit an
ihn für nichts rechnete), den obgleich noch so heilsamen Schein,
welchen eine solche Vermengung hervorbringen kann, aufzudecken und,
was bloß zur Überredung gehört, von dem, was auf Überzeugung |462.30|
führt, (die beide nicht bloß dem Grade, sondern selbst der Art nach
unterschiedene Bestimmungen des Beifalls sind) abzusondern, um die
Gemüthsfassung in diesem Beweise in ihrer ganzen Lauterkeit offen
darzustellen und diesen der strengsten Prüfung freimüthig unterwerfen
zu können.

Ein Beweis aber, der auf Überzeugung angelegt ist, kann wiederum
|462.35| zwiefacher Art sein, entweder ein solcher, der, was der
Gegenstand =an sich= sei, oder was er =für uns= (Menschen überhaupt)
nach den uns nothwendigen Vernunftprincipien seiner Beurtheilung
sei (ein Beweis κατ' αληθειαν oder κατ' ανθρωπον, das letztere Wort
in allgemeiner Bedeutung für Menschen überhaupt genommen), ausmachen
soll. Im ersteren Falle ist er auf hinreichende Principien für die
bestimmende, im zweiten bloß für die reflectirende Urtheilskraft
gegründet. Im letztern Falle kann er, auf bloß |463.5| theoretischen
Principien beruhend, niemals auf Überzeugung wirken; legt #447# er aber
ein praktisches Vernunftprincip zum Grunde (welches mithin allgemein
und nothwendig gilt), so darf er wohl auf eine in reiner praktischer
Absicht hinreichende, d. i. moralische, Überzeugung Anspruch machen.
Ein Beweis aber =wirkt auf Überzeugung=, ohne noch zu überzeugen, wenn
|463.10| er bloß auf dem Wege dahin geführt wird, d. i. nur objective
Gründe dazu in sich enthält, die, ob sie gleich noch nicht zur
Gewißheit hinreichend, dennoch von der Art sind, daß sie nicht bloß als
subjective Gründe des Urtheils zur Überredung dienen.

Alle theoretische Beweisgründe reichen nun entweder zu: 1) zum Beweise
|463.15| durch logisch-strenge =Vernunftschlüsse=; oder, wo dieses
nicht ist, 2) zum =Schlusse= nach der =Analogie=; oder, findet auch
dieses etwa nicht Statt, doch noch 3) zur =wahrscheinlichen Meinung=;
oder endlich, was das Mindeste ist, 4) zur Annehmung eines bloß
möglichen Erklärungsgrundes, als =Hypothese=. — Nun sage ich: daß
alle Beweisgründe |463.20| überhaupt, die auf theoretische Überzeugung
wirken, kein Fürwahrhalten dieser Art von dem höchsten bis zum
niedrigsten Grade desselben bewirken können, wenn der Satz von der
Existenz eines Urwesens, als eines Gottes in der dem ganzen Inhalte
dieses Begriffs angemessenen Bedeutung, nämlich als eines =moralischen=
Welturhebers, mithin so, daß durch ihn |463.25| zugleich der Endzweck
der Schöpfung angegeben wird, bewiesen werden #448# soll.

1) Was den =logisch-gerechten=, vom Allgemeinen zum Besonderen
fortgehenden Beweis betrifft, so ist in der Kritik hinreichend
dargethan worden: daß, da dem Begriffe von einem Wesen, welches
über die Natur |463.30| hinaus zu suchen ist, keine uns mögliche
Anschauung correspondirt, dessen Begriff also selbst, sofern er
durch synthetische Prädicate theoretisch bestimmt werden soll, für
uns jederzeit problematisch bleibt, schlechterdings kein Erkenntniß
desselben (wodurch der Umfang unseres theoretischen Wissens im
mindesten erweitert würde) Statt finde, und unter die allgemeinen
|463.35| Principien der Natur der Dinge der besondere Begriff eines
übersinnlichen Wesens gar nicht subsumirt werden könne, um von jenen
auf dieses zu schließen; weil jene Principien lediglich für die Natur
als Gegenstand der Sinne gelten.

2) Man kann sich zwar von zwei ungleichartigen Dingen eben in dem
Punkte ihrer Ungleichartigkeit eines derselben doch nach einer
=Analogie=[36] mit dem andern =denken=; aber aus dem, worin sie
ungleichartig sind, nicht |464.5| #449# von einem nach der Analogie auf
das andere =schließen=, d. i. dieses Merkmal #450# des specifischen
Unterschiedes auf das andere übertragen. So kann ich mir nach der
Analogie mit dem Gesetze der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung
in der wechselseitigen Anziehung und Abstoßung der Körper unter
einander auch die Gemeinschaft der Glieder eines gemeinen Wesens
nach Regeln des Rechts denken; aber jene specifischen Bestimmungen
(die materielle Anziehung oder Abstoßung) nicht auf diese übertragen
und sie den Bürgern beilegen, um ein System, welches Staat heißt,
auszumachen. — Eben so dürfen wir wohl die Causalität des Urwesens in
|465.5| Ansehung der Dinge der Welt, als Naturzwecke, nach der Analogie
eines Verstandes, als Grundes der Formen gewisser Producte, die wir
Kunstwerke nennen, denken (denn dieses geschieht nur zum Behuf des
theoretischen oder praktischen Gebrauchs unseres Erkenntnißvermögens,
den wir von diesem Begriffe in Ansehung der Naturdinge in der Welt
nach einem |465.10| gewissen Princip zu machen haben): aber wir können
daraus, daß unter #451# Weltwesen der Ursache einer Wirkung, die als
künstlich beurtheilt wird, Verstand beigelegt werden muß, keinesweges
nach einer Analogie schließen, daß auch dem Wesen, welches von der
Natur gänzlich unterschieden ist, in Ansehung der Natur selbst eben
dieselbe Causalität, die wir am Menschen |465.15| wahrnehmen, zukomme:
weil dieses eben den Punkt der Ungleichartigkeit betrifft, der zwischen
einer in Ansehung ihrer Wirkungen sinnlich-bedingten Ursache und dem
übersinnlichen Urwesen selbst im Begriffe desselben gedacht wird und
also auf diesen nicht übergetragen werden kann. — Eben darin, daß
ich mir die göttliche Causalität nur nach der Analogie mit |465.20|
einem Verstande (welches Vermögen wir an keinem anderen Wesen als dem
sinnlich-bedingten Menschen kennen) denken soll, liegt das Verbot, ihm
diesen nicht in der eigentlichen Bedeutung beizulegen[37].

  [36] =Analogie= (in qualitativer Bedeutung) ist die
  Identität des Verhältnisses |464.10| zwischen Gründen und
  Folgen (Ursachen und Wirkungen), sofern sie ungeachtet der
  specifischen Verschiedenheit der Dinge, oder derjenigen
  Eigenschaften an sich, welche den Grund von ähnlichen Folgen
  enthalten (d. i. außer diesem Verhältnisse betrachtet),
  Statt findet. So denken wir uns zu den Kunsthandlungen der
  Thiere in Vergleichung mit denen des Menschen den Grund
  dieser Wirkungen in den ersteren, den wir |464.15| nicht
  kennen, mit dem Grunde ähnlicher Wirkungen des Menschen (der
  Vernunft), den wir kennen, als Analogon der Vernunft; und
  wollen damit zugleich anzeigen: daß der Grund des thierischen
  Kunstvermögens unter der Benennung eines Instincts von der
  Vernunft in der That specifisch unterschieden, doch auf die
  Wirkung (der Bau der Biber mit dem der Menschen verglichen)
  ein ähnliches Verhältniß habe. — Deswegen |464.20| aber
  kann ich daraus, weil der Mensch zu seinem Bauen =Vernunft=
  braucht, nicht schließen, daß der Biber auch dergleichen haben
  müsse, und es einen =Schluß= nach der Analogie nennen. Aber
  aus der ähnlichen Wirkungsart der Thiere (wovon wir den Grund
  nicht unmittelbar wahrnehmen können), mit der des Menschen
  (dessen wir uns unmittelbar bewußt sind) verglichen, können
  wir ganz richtig =nach der |464.25| Analogie= schließen,
  daß die Thiere auch nach =Vorstellungen= handeln (nicht,
  wie Cartesius will, Maschinen sind) und ungeachtet ihrer
  specifischen Verschiedenheit doch der Gattung nach (als
  lebende Wesen) mit dem Menschen einerlei sind. Das Princip
  der Befugniß, so zu schließen, liegt in der Einerleiheit
  eines Grundes, die Thiere in Ansehung gedachter Bestimmung
  mit dem Menschen, als Menschen, so weit |464.30| wir sie
  äußerlich nach ihren Handlungen mit einander vergleichen, zu
  einerlei Gattung zu zählen. Es ist par ratio. Eben so kann ich
  die Causalität der obersten Weltursache in der Vergleichung
  der zweckmäßigen Producte derselben in der Welt mit den
  Kunstwerken des Menschen nach der Analogie eines Verstandes
  denken, aber nicht auf diese Eigenschaften in demselben nach
  der Analogie schließen: weil hier das Princip |464.35| der
  Möglichkeit einer solchen Schlußart gerade mangelt, nämlich
  die _paritas rationis_, das höchste Wesen mit dem Menschen
  (in Ansehung ihrer beiderseitigen Causalität) zu einer und
  derselben Gattung zu zählen. Die Causalität der Weltwesen,
  die immer sinnlich-bedingt (dergleichen die durch Verstand)
  ist, kann nicht auf ein Wesen übertragen werden, welches mit
  jenen keinen Gattungsbegriff, als den eines Dinges |464.40|
  überhaupt gemein hat.

  [37] Man vermißt dadurch nicht das Mindeste in der Vorstellung
  der Verhältnisse dieses Wesens zur Welt, sowohl was die
  theoretischen als praktischen Folgerungen aus diesem Begriffe
  betrifft. Was es an sich selbst sei, erforschen zu wollen,
  |465.35| ist ein eben so zweckloser als vergeblicher Vorwitz.

3) =Meinen= findet in Urtheilen _a priori_ gar nicht Statt; sondern
man erkennt durch sie entweder etwas als ganz gewiß, oder gar nichts.
Wenn |465.25| aber auch die gegebenen Beweisgründe, von denen wir
ausgehen (wie hier von den Zwecken in der Welt), empirisch sind, so
kann man mit diesen doch #452# über die Sinnenwelt hinaus nichts
meinen und solchen gewagten Urtheilen den mindesten Anspruch auf
Wahrscheinlichkeit zugestehen. Denn Wahrscheinlichkeit ist ein Theil
einer in einer gewissen Reihe der Gründe möglichen |465.30| Gewißheit
(die Gründe derselben werden darin mit dem Zureichenden als Theile
mit einem Ganzen verglichen), zu welchen jener unzureichende Grund
muß ergänzt werden können. Weil sie aber als Bestimmungsgründe der
Gewißheit eines und desselben Urtheils gleichartig sein müssen, indem
sie sonst nicht zusammen eine Größe (dergleichen die Gewißheit ist)
ausmachen würden: so kann nicht ein Theil derselben innerhalb den
Gränzen möglicher Erfahrung, ein anderer außerhalb aller möglichen
Erfahrung |466.5| liegen. Mithin, da bloß-empirische Beweisgründe auf
nichts Übersinnliches führen, der Mangel in der Reihe derselben auch
durch nichts ergänzt werden kann: so findet in dem Versuche, durch sie
zum Übersinnlichen und einer Erkenntniß desselben zu gelangen, nicht
die mindeste Annäherung, folglich in einem Urtheile über das letztere
durch von der Erfahrung |466.10| hergenommene Argumente auch keine
Wahrscheinlichkeit Statt.

4) Was als =Hypothese= zu Erklärung der Möglichkeit einer gegebenen
Erscheinung dienen soll, davon muß wenigstens die Möglichkeit
völlig gewiß sein. Es ist genug, daß ich bei einer Hypothese auf
die Erkenntniß der Wirklichkeit (die in einer für wahrscheinlich
ausgegebenen Meinung |466.15| #453# noch behauptet wird) Verzicht
thue: mehr kann ich nicht Preis geben; die Möglichkeit dessen, was
ich einer Erklärung zum Grunde lege, muß wenigstens keinem Zweifel
ausgesetzt sein, weil sonst der leeren Hirngespinste kein Ende sein
würde. Die Möglichkeit aber eines nach gewissen Begriffen bestimmten
übersinnlichen Wesens anzunehmen, da hiezu keine von den |466.20|
erforderlichen Bedingungen einer Erkenntniß nach dem, was in ihr
auf Anschauung beruht, gegeben ist, und also der bloße Satz des
Widerspruchs (der nichts als die Möglichkeit des Denkens und nicht
des gedachten Gegenstandes selbst beweisen kann) als Kriterium dieser
Möglichkeit übrig bleibt, würde eine völlig grundlose Voraussetzung
sein. |466.25|

Das Resultat hievon ist: daß für das Dasein des Urwesens als
einer Gottheit, oder der Seele als eines unsterblichen Geistes
schlechterdings kein Beweis in theoretischer Absicht, um auch nur
den mindesten Grad des Fürwahrhaltens zu wirken, für die menschliche
Vernunft möglich sei; und dieses aus dem ganz begreiflichen Grunde:
weil zur Bestimmung der |466.30| Ideen des Übersinnlichen für uns
gar kein Stoff da ist, indem wir diesen letzteren von Dingen in
der Sinnenwelt hernehmen müßten, ein solcher aber jenem Objecte
schlechterdings nicht angemessen ist, also ohne alle Bestimmung
derselben nichts mehr, als der Begriff von einem nichtsinnlichen Etwas
übrig bleibt, welches den letzten Grund der Sinnenwelt enthalte,
|466.35| #454# der noch kein Erkenntniß (als Erweiterung des Begriffs)
von seiner inneren Beschaffenheit ausmacht.


§ 91.

Von der Art des Fürwahrhaltens durch einen praktischen Glauben.

Wenn wir bloß auf die Art sehen, wie etwas =für uns= (nach der
subjectiven Beschaffenheit unserer Vorstellungskräfte) Object der
Erkenntniß |467.5| (_res cognoscibilis_) sein kann: so werden
alsdann die Begriffe nicht mit den Objecten, sondern bloß mit unsern
Erkenntnißvermögen und dem Gebrauche, den diese von der gegebenen
Vorstellung (in theoretischer oder praktischer Absicht) machen können,
zusammengehalten; und die Frage, ob etwas ein erkennbares Wesen sei
oder nicht, ist keine Frage, die die |467.10| Möglichkeit der Dinge
selbst, sondern unserer Erkenntniß derselben angeht.

=Erkennbare= Dinge sind nun von dreifacher Art: =Sachen der Meinung=
(_opinabile_), =Thatsachen= (_scibile_) und =Glaubenssachen= (_mere
credibile_).

1) Gegenstände der bloßen Vernunftideen, die für das theoretische
|467.15| Erkenntniß gar nicht in irgend einer möglichen Erfahrung
dargestellt werden können, sind sofern auch gar nicht =erkennbare=
Dinge, mithin kann man in Ansehung ihrer nicht einmal =meinen=; wie
denn _a priori_ zu #455# meinen schon an sich ungereimt und der gerade
Weg zu lauter Hirngespinsten ist. Entweder unser Satz _a priori_ ist
also gewiß, oder er enthält |467.20| gar nichts zum Fürwahrhalten.
Also sind =Meinungssachen= jederzeit Objecte einer wenigstens an sich
möglichen Erfahrungserkenntniß (Gegenstände der Sinnenwelt), die aber
nach dem bloßen Grade dieses Vermögens, den wir besitzen, =für uns=
unmöglich ist. So ist der Äther der neuern Physiker, eine elastische,
alle andere Materien durchdringende (mit |467.25| ihnen innigst
vermischte) Flüssigkeit, eine bloße Meinungssache, immer doch noch
von der Art, daß, wenn die äußern Sinne im höchsten Grade geschärft
wären, er wahrgenommen werden könnte; der aber nie in irgend einer
Beobachtung, oder Experimente dargestellt werden kann. Vernünftige
Bewohner anderer Planeten anzunehmen, ist eine Sache der Meinung;
denn |467.30| wenn wir diesen näher kommen könnten, welches an sich
möglich ist, würden wir, ob sie sind, oder nicht sind, durch Erfahrung
ausmachen; aber wir werden ihnen niemals so nahe kommen, und so bleibt
es beim Meinen. Allein Meinen: daß es reine, ohne Körper denkende
Geister im materiellen Univers gebe (wenn man nämlich gewisse dafür
ausgegebene wirkliche Erscheinungen, |467.35| wie billig, von der Hand
weiset), heißt dichten und ist gar keine Sache der Meinung, sondern
eine bloße Idee, welche übrig bleibt, wenn man von einem denkenden
Wesen alles Materielle wegnimmt und ihm doch das Denken übrig läßt.
Ob aber alsdann das Letztere (welches #456# wir nur am Menschen, d.
i. in Verbindung mit einem Körper, kennen) übrig bleibe, können wir
nicht ausmachen. Ein solches Ding ist ein =vernünfteltes |468.5|
Wesen= (_ens rationis ratiocinantis_), kein =Vernunftwesen= (_ens
rationis ratiocinatae_); von welchem letzteren es doch möglich ist,
die objective Realität seines Begriffs wenigstens für den praktischen
Gebrauch der Vernunft hinreichend darzuthun, weil dieser, der seine
eigenthümlichen und apodiktisch gewissen Principien _a priori_ hat, ihn
sogar erheischt |468.10| (postulirt).

2) Gegenstände für Begriffe, deren objective Realität (es sei durch
reine Vernunft, oder durch Erfahrung und im ersteren Falle aus
theoretischen oder praktischen Datis derselben, in allen Fällen aber
vermittelst einer ihnen correspondirenden Anschauung) bewiesen werden
kann, sind |468.15| (_res facti_) =Thatsachen=[38]. Dergleichen sind
die mathematischen Eigenschaften der Größen (in der Geometrie),
weil sie einer =Darstellung= _a priori_ für den theoretischen
Vernunftgebrauch fähig sind. Ferner sind #457# Dinge, oder
Beschaffenheiten derselben, die durch Erfahrung (eigene oder fremde
Erfahrung vermittelst der Zeugnisse) dargethan werden können, |468.20|
gleichfalls Thatsachen. — Was aber sehr merkwürdig ist, so findet
sich sogar eine Vernunftidee (die an sich keiner Darstellung in der
Anschauung, mithin auch keines theoretischen Beweises ihrer Möglichkeit
fähig ist) unter den Thatsachen; und das ist die Idee der =Freiheit=,
deren Realität als einer besondern Art von Causalität (von welcher
der Begriff in theoretischem |468.25| Betracht überschwenglich sein
würde) sich durch praktische Gesetze der reinen Vernunft und diesen
gemäß in wirklichen Handlungen, mithin in der Erfahrung darthun läßt.
— Die einzige unter allen Ideen der reinen Vernunft, deren Gegenstand
Thatsache ist und unter die _scibilia_ mit gerechnet werden muß.
|468.30|

  [38] Ich erweitere hier, wie mich dünkt, mit Recht, den
  Begriff einer Thatsache über die gewöhnliche Bedeutung
  dieses Worts. Denn es ist nicht nöthig, ja nicht einmal
  thunlich, diesen Ausdruck bloß auf die wirkliche Erfahrung
  einzuschränken, wenn von dem Verhältnisse der Dinge zu unseren
  Erkenntnißvermögen die Rede ist, da eine bloß mögliche
  Erfahrung schon hinreichend ist, um von ihnen bloß als
  Gegenständen |468.35| einer bestimmten Erkenntnißart zu reden.

3) Gegenstände, die in Beziehung auf den pflichtmäßigen Gebrauch der
reinen praktischen Vernunft (es sei als Folgen, oder als Gründe) _a
priori_ gedacht werden müssen, aber für den theoretischen Gebrauch
derselben überschwenglich sind, sind bloße =Glaubenssachen=.
Dergleichen ist das =höchste= durch Freiheit zu bewirkende =Gut= in der
Welt, dessen Begriff |469.5| in keiner für uns möglichen Erfahrung,
mithin für den theoretischen Vernunftgebrauch hinreichend seiner
objectiven Realität nach bewiesen werden kann, dessen Gebrauch aber
zur bestmöglichen Bewirkung jenes Zwecks doch durch praktische reine
Vernunft geboten ist und mithin als #458# möglich angenommen werden
muß. Diese gebotene Wirkung =zusammt |469.10| den einzigen für uns
denkbaren Bedingungen ihrer Möglichkeit=, nämlich dem Dasein Gottes
und der Seelen-Unsterblichkeit, sind =Glaubenssachen= (_res fidei_)
und zwar die einzigen unter allen Gegenständen, die so genannt werden
können[39]. Denn ob von uns gleich, was wir nur von der Erfahrung
anderer durch =Zeugniß= lernen können, geglaubt |469.15| werden muß,
so ist es darum doch noch nicht an sich Glaubenssache; denn bei jener
Zeugen =Einem= war es doch eigene Erfahrung und Thatsache, oder wird
als solche vorausgesetzt. Zudem muß es möglich sein, durch diesen Weg
(des historischen Glaubens) zum Wissen zu gelangen; und die Objecte
der Geschichte und Geographie, wie alles überhaupt, was |469.20| zu
wissen nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnißvermögen wenigstens
möglich ist, gehören nicht zu Glaubenssachen, sondern zu Thatsachen.
Nur Gegenstände der reinen Vernunft können allenfalls Glaubenssachen
#459# sein, aber nicht als Gegenstände der bloßen reinen speculativen
Vernunft; denn da können sie gar nicht einmal mit Sicherheit zu den
Sachen, d. i. |469.25| Objecten jenes für uns möglichen Erkenntnisses,
gezählt werden. Es sind Ideen, d. i. Begriffe, denen man die objective
Realität theoretisch nicht sichern kann. Dagegen ist der von uns zu
bewirkende höchste Endzweck, das, wodurch wir allein würdig werden
können selbst Endzweck einer Schöpfung zu sein, eine Idee, die für
uns in praktischer Beziehung objective |469.30| Realität hat, und
Sache; aber darum, weil wir diesem Begriffe in theoretischer Absicht
dieser Realität nicht verschaffen können, bloße Glaubenssache der
reinen Vernunft, mit ihm aber zugleich Gott und Unsterblichkeit,
als die Bedingungen, unter denen allein wir nach der Beschaffenheit
unserer (der menschlichen) Vernunft uns die Möglichkeit jenes Effects
des gesetzmäßigen Gebrauchs unserer Freiheit denken können. Das
Fürwahrhalten |470.5| aber in Glaubenssachen ist ein Fürwahrhalten in
reiner praktischer Absicht, d. i. ein moralischer Glaube, der nichts
für das theoretische, sondern bloß für das praktische, auf Befolgung
seiner Pflichten gerichtete, reine Vernunfterkenntniß beweiset und die
Speculation, oder die praktischen Klugheitsregeln nach dem Princip der
Selbstliebe gar nicht erweitert. |470.10| Wenn das oberste Princip
aller Sittengesetze ein Postulat ist, so wird zugleich die Möglichkeit
ihres höchsten Objects, mithin auch die Bedingung, #460# unter der
wir diese Möglichkeit denken können, dadurch zugleich mit postulirt.
Dadurch wird nun das Erkenntniß der letzteren weder Wissen noch Meinung
von dem Dasein und der Beschaffenheit dieser Bedingungen, |470.15| als
theoretische Erkenntnißart, sondern bloß Annahme in praktischer und
dazu gebotener Beziehung für den moralischen Gebrauch unserer Vernunft.

  [39] Glaubenssachen sind aber darum nicht =Glaubensartikel=,
  wenn man unter den letzteren solche Glaubenssachen versteht,
  zu deren =Bekenntniß= (innerem oder äußerem) man verpflichtet
  werden kann: dergleichen also die natürliche Theologie nicht
  enthält. Denn da sie als Glaubenssachen sich nicht (gleich
  den Thatsachen) auf |469.35| theoretische Beweise gründen
  können: so ist es ein freies Fürwahrhalten und auch nur als
  ein solches mit der Moralität des Subjects vereinbar.

Würden wir auch auf die Zwecke der Natur, die uns die physische
Teleologie in so reichem Maße vorlegt, einen =bestimmten= Begriff von
|470.20| einer verständigen Weltursache scheinbar gründen können, so
wäre das Dasein dieses Wesens doch nicht Glaubenssache. Denn da dieses
nicht zum Behuf der Erfüllung meiner Pflicht, sondern nur zur Erklärung
der Natur angenommen wird, so würde es bloß die unserer Vernunft
angemessenste Meinung und Hypothese sein. Nun führt jene Teleologie
keinesweges |470.25| auf einen bestimmten Begriff von Gott, der
hingegen allein in dem von einem moralischen Welturheber angetroffen
wird, weil dieser allein den Endzweck angiebt, zu welchem wir uns nur
sofern zählen können, als wir dem, was uns das moralische Gesetz als
Endzweck auferlegt, mithin uns verpflichtet, uns gemäß verhalten.
Folglich bekommt der Begriff von |470.30| Gott nur durch die Beziehung
auf das Object unserer Pflicht, als Bedingung der Möglichkeit den
Endzweck derselben zu erreichen, den Vorzug in unserm Fürwahrhalten
als Glaubenssache zu gelten; dagegen eben derselbe #461# Begriff doch
sein Object nicht als Thatsache geltend machen kann: weil, obzwar die
Nothwendigkeit der Pflicht für die praktische Vernunft |470.35| wohl
klar ist, doch die Erreichung des Endzwecks derselben, sofern er nicht
ganz in unserer Gewalt ist, nur zum Behuf des praktischen Gebrauchs
der Vernunft angenommen, also nicht so wie die Pflicht selbst
praktisch nothwendig ist[40].

  [40] Der Endzweck, den das moralische Gesetz zu befördern
  auferlegt, ist nicht der Grund der Pflicht; denn dieser
  liegt im moralischen Gesetze, welches als formales |471.10|
  praktisches Princip kategorisch leitet, unangesehen der
  Objecte des Begehrungsvermögens (der Materie des Wollens),
  mithin irgend eines Zwecks. Diese formale Beschaffenheit
  meiner Handlungen (Unterordnung derselben unter das Princip
  der Allgemeingültigkeit), worin allein ihr innerer moralischer
  Werth besteht, ist gänzlich in unserer Gewalt; und ich kann
  von der Möglichkeit, oder Unausführbarkeit der |471.15|
  Zwecke, die mir jenem Gesetze gemäß zu befördern obliegen, gar
  wohl abstrahiren (weil in ihnen nur der äußere Werth meiner
  Handlungen besteht), als von etwas, welches nie völlig in
  meiner Gewalt ist, um nur auf das zu sehen, was meines Thuns
  ist. Allein die Absicht, den Endzweck aller vernünftigen
  Wesen (Glückseligkeit, so weit sie einstimmig mit der Pflicht
  möglich ist) zu befördern, ist doch eben durch das Gesetz
  |471.20| der Pflicht auferlegt. Aber die speculative Vernunft
  sieht die Ausführbarkeit derselben (weder von Seiten unseres
  eigenen physischen Vermögens, noch der Mitwirkung der Natur)
  gar nicht ein; vielmehr muß sie aus solchen Ursachen, so viel
  wir vernünftiger Weise urtheilen können, einen solchen Erfolg
  unseres Wohlverhaltens von der bloßen Natur (in uns und außer
  uns), ohne Gott und Unsterblichkeit anzunehmen, für eine
  |471.25| ungegründete und nichtige, wenn gleich wohlgemeinte
  Erwartung halten und, wenn sie von diesem Urtheile völlige
  Gewißheit haben könnte, das moralische Gesetz selbst als bloße
  Täuschung unserer Vernunft in praktischer Rücksicht ansehen.
  Da aber die speculative Vernunft sich völlig überzeugt, daß
  das letztere nie geschehen kann, dagegen aber jene Ideen,
  deren Gegenstand über die Natur hinaus liegt, ohne Widerspruch
  |471.30| gedacht werden können: so wird sie für ihr eigenes
  praktisches Gesetz und die dadurch auferlegte Aufgabe, also in
  moralischer Rücksicht, jene Ideen als real anerkennen müssen,
  um nicht mit sich selbst in Widerspruch zu kommen.

=Glaube= (als _habitus_, nicht als _actus_) ist die moralische
Denkungsart #462# der Vernunft im Fürwahrhalten desjenigen, was für das
theoretische Erkenntniß unzugänglich ist. Er ist also der beharrliche
Grundsatz des |471.5| Gemüths, das, was zur Möglichkeit des höchsten
moralischen Endzwecks als Bedingung vorauszusetzen nothwendig ist,
wegen der Verbindlichkeit zu demselben als wahr anzunehmen[41]; obzwar
die Möglichkeit desselben, aber eben so wohl auch die Unmöglichkeit
von uns nicht eingesehen #463# werden kann. Der Glaube (schlechthin
so genannt) ist ein Vertrauen zu der Erreichung einer Absicht, deren
Beförderung Pflicht, die Möglichkeit der Ausführung derselben aber
für uns nicht =einzusehen= ist (folglich auch nicht die der einzigen
für uns denkbaren Bedingungen). Der Glaube also, |472.5| der sich
auf besondere Gegenstände, die nicht Gegenstände des möglichen
Wissens oder Meinens sind, bezieht (in welchem letztern Falle er,
vornehmlich im historischen, Leichtgläubigkeit und nicht Glaube heißen
müßte), ist ganz moralisch. Er ist ein freies Fürwahrhalten nicht
dessen, wozu dogmatische Beweise für die theoretisch bestimmende
Urtheilskraft |472.10| anzutreffen sind, noch wozu wir uns verbunden
halten, sondern dessen, was wir zum Behuf einer Absicht nach Gesetzen
der Freiheit annehmen; aber doch nicht wie etwa eine Meinung ohne
hinreichenden Grund, sondern als in der Vernunft (obwohl nur in
Ansehung ihres praktischen Gebrauchs), #464# =für die Absicht derselben
hinreichend=, gegründet: denn ohne ihn |472.15| hat die moralische
Denkungsart bei dem Verstoß gegen die Aufforderung der theoretischen
Vernunft zum Beweise (der Möglichkeit des Objects der Moralität)
keine feste Beharrlichkeit, sondern schwankt zwischen praktischen
Geboten und theoretischen Zweifeln. =Ungläubisch= sein, heißt der
Maxime nachhängen, Zeugnissen überhaupt nicht zu glauben; =ungläubig=
|472.20| aber ist der, welcher jenen Vernunftideen, weil es ihnen an
=theoretischer= Begründung ihrer Realität fehlt, darum alle Gültigkeit
abspricht. Er urtheilt also dogmatisch. Ein dogmatischer =Unglaube=
kann aber mit einer in der Denkungsart herrschenden sittlichen Maxime
nicht zusammen bestehen (denn einem Zwecke, der für nichts als
Hirngespinst erkannt wird, |472.25| nachzugehen, kann die Vernunft
nicht gebieten); wohl aber ein =Zweifelglaube=, dem der Mangel der
Überzeugung durch Gründe der speculativen Vernunft nur Hinderniß
ist, welchem eine kritische Einsicht in die Schranken der letztern
den Einfluß auf das Verhalten benehmen und ihm ein überwiegendes
praktisches Fürwahrhalten zum Ersatz hinstellen kann.

  [41] Er ist ein Vertrauen auf die Verheißung des moralischen
  Gesetzes; aber nicht als eine solche, die in demselben
  enthalten ist, sondern die ich hineinlege und |471.35| zwar
  aus moralisch hinreichendem Grunde. Denn ein Endzweck kann
  durch kein Gesetz der Vernunft geboten sein, ohne daß diese
  zugleich die Erreichbarkeit desselben, wenn gleich ungewiß,
  verspreche und hiemit auch das Fürwahrhalten der einzigen
  Bedingungen berechtige, unter denen unsere Vernunft sich
  diese allein denken kann. Das Wort Fides drückt dieses auch
  schon aus; und es kann nur bedenklich scheinen, |471.40| wie
  dieser Ausdruck und diese besondere Idee in die moralische
  Philosophie hineinkomme, da sie allererst mit dem Christenthum
  eingeführt worden, und die Annahme |472.30| derselben
  vielleicht nur eine schmeichlerische Nachahmung seiner Sprache
  zu sein scheinen dürfte. Aber das ist nicht der einzige Fall,
  da diese wundersame Religion in der größten Einfalt ihres
  Vortrages die Philosophie mit weit bestimmteren und reineren
  Begriffen der Sittlichkeit bereichert hat, als diese bis dahin
  hatte liefern können, die aber, wenn sie einmal da sind,
  von der Vernunft =frei= gebilligt und als solche |472.35|
  angenommen werden, auf die sie wohl von selbst hätte kommen
  und sie einführen können und sollen.

       *       *       *       *       *

Wenn man an die Stelle gewisser verfehlten Versuche in der Philosophie
ein anderes Princip aufführen und ihm Einfluß verschaffen will, so
gereicht es zu großer Befriedigung, einzusehen, wie jene und warum
|473.5| #465# sie fehl schlagen mußten.

=Gott=, =Freiheit= und =Seelenunsterblichkeit= sind diejenigen
Aufgaben, zu deren Auflösung alle Zurüstungen der Metaphysik, als
ihrem letzten und alleinigen Zwecke, abzielen. Nun glaubte man,
daß die Lehre von der Freiheit nur als negative Bedingung für die
praktische Philosophie |473.10| nöthig sei, die Lehre von Gott und der
Seelenbeschaffenheit hingegen, zur theoretischen gehörig, für sich
und abgesondert dargethan werden müsse, um beide nachher mit dem,
was das moralische Gesetz (das nur unter der Bedingung der Freiheit
möglich ist) gebietet, zu verknüpfen und so eine Religion zu Stande
zu bringen. Man kann aber bald einsehen, |473.15| daß diese Versuche
fehl schlagen mußten. Denn aus bloßen ontologischen Begriffen von
Dingen überhaupt, oder der Existenz eines nothwendigen Wesens läßt sich
schlechterdings kein durch Prädicate, die sich in der Erfahrung geben
lassen und also zum Erkenntnisse dienen könnten, bestimmter Begriff von
einem Urwesen machen; der aber, welcher auf Erfahrung |473.20| von der
physischen Zweckmäßigkeit der Natur gegründet wurde, konnte wiederum
keinen für die Moral, mithin zur Erkenntniß eines Gottes hinreichenden
Beweis abgeben. Eben so wenig konnte auch die Seelenkenntniß durch
Erfahrung (die wir nur in diesem Leben anstellen) einen Begriff von der
geistigen, unsterblichen Natur derselben, mithin für die |473.25| Moral
zureichend verschaffen. =Theologie= und =Pneumatologie=, als #466#
Aufgaben zum Behuf der Wissenschaften einer speculativen Vernunft, weil
deren Begriff für alle unsere Erkenntnißvermögen überschwenglich ist,
können durch keine empirische Data und Prädicate zu Stande kommen.
— Die Bestimmung beider Begriffe, Gottes sowohl als der Seele (in
Ansehung |473.30| ihrer Unsterblichkeit), kann nur durch Prädicate
geschehen, die, ob sie gleich selbst nur aus einem übersinnlichen
Grunde möglich sind, dennoch in der Erfahrung ihre Realität beweisen
müssen: denn so allein können sie von ganz übersinnlichen Wesen ein
Erkenntniß möglich machen. — Dergleichen ist nun der einzige in der
menschlichen Vernunft anzutreffende |473.35| Begriff der Freiheit
des Menschen unter moralischen Gesetzen zusammt dem Endzwecke, den
jene durch diese vorschreibt, wovon die erstern dem Urheber der Natur,
der zweite dem Menschen diejenigen Eigenschaften beizulegen tauglich
sind, welche zu der Möglichkeit beider die nothwendige Bedingung
enthalten: so daß eben aus dieser Idee auf die Existenz und |474.5|
die Beschaffenheit jener sonst gänzlich für uns verborgenen Wesen
geschlossen werden kann.

Also liegt der Grund der auf dem bloß theoretischen Wege verfehlten
Absicht, Gott und Unsterblichkeit zu beweisen, darin: daß von
dem Übersinnlichen auf diesem Wege (der Naturbegriffe) gar kein
Erkenntniß möglich |474.10| ist. Daß es dagegen auf dem moralischen
(des Freiheitsbegriffs) gelingt, #467# hat diesen Grund: daß hier das
Übersinnliche, welches dabei zum Grunde liegt (die Freiheit), durch ein
bestimmtes Gesetz der Causalität, welches aus ihm entspringt, nicht
allein Stoff zum Erkenntniß des andern Übersinnlichen (des moralischen
Endzwecks und der Bedingungen seiner |474.15| Ausführbarkeit)
verschafft, sondern auch als Thatsache seine Realität in Handlungen
darthut, aber eben darum auch keinen andern, als nur in praktischer
Absicht (welche auch die einzige ist, deren die Religion bedarf)
gültigen Beweisgrund abgeben kann.

Es bleibt hiebei immer sehr merkwürdig: daß unter den drei reinen
|474.20| Vernunftideen, =Gott=, =Freiheit= und =Unsterblichkeit=,
die der Freiheit der einzige Begriff des Übersinnlichen ist, welcher
seine objective Realität (vermittelst der Causalität, die in ihm
gedacht wird) an der Natur durch ihre in derselben mögliche Wirkung
beweiset und eben dadurch die Verknüpfung der beiden andern mit der
Natur, aller drei aber unter einander |474.25| zu einer Religion
möglich macht; und daß wir also in uns ein Princip haben, welches
die Idee des Übersinnlichen in uns, dadurch aber auch die desselben
außer uns zu einer, obgleich nur in praktischer Absicht möglichen,
Erkenntniß zu bestimmen vermögend ist, woran die bloß speculative
Philosophie (die auch von der Freiheit einen bloß negativen Begriff
geben |474.30| konnte) verzweifeln mußte: mithin der Freiheitsbegriff
(als Grundbegriff #468# aller unbedingt-praktischen Gesetze) die
Vernunft über diejenigen Gränzen erweitern kann, innerhalb deren jeder
Naturbegriff (theoretischer) ohne Hoffnung eingeschränkt bleiben müßte.


Allgemeine Anmerkung zur Teleologie.

Wenn die Frage ist: welchen Rang das moralische Argument, welches
das Dasein Gottes nur als Glaubenssache für die praktische reine
Vernunft beweiset, unter den übrigen in der Philosophie behaupte: so
läßt sich der ganze Besitz dieser letzteren leicht überschlagen, wo
es sich dann |475.5| ausweiset, daß hier nicht zu wählen sei, sondern
ihr theoretisches Vermögen vor einer unparteiischen Kritik alle seine
Ansprüche von selbst aufgeben müsse.

Auf Thatsache muß sie alles Fürwahrhalten zuvörderst gründen, wenn
es nicht völlig grundlos sein soll; und es kann also nur der einzige
Unterschied |475.10| im Beweisen Statt finden, ob auf diese Thatsache
ein Fürwahrhalten der daraus gezogenen Folgerung als =Wissen= für das
theoretische, oder bloß als =Glauben= für das praktische Erkenntniß
könne gegründet werden. Alle Thatsachen gehören entweder zum
=Naturbegriff=, der seine Realität an den vor allen Naturbegriffen
gegebenen (oder zu geben möglichen) |475.15| Gegenständen der
Sinne beweiset; oder zum =Freiheitsbegriffe=, der seine Realität
durch die Causalität der Vernunft in Ansehung gewisser durch sie
möglichen Wirkungen in der Sinnenwelt, die sie im moralischen Gesetze
unwiderleglich postulirt, hinreichend darthut. Der Naturbegriff (bloß
zur theoretischen Erkenntniß gehörige) ist nun entweder metaphysisch
|475.20| und völlig _a priori_; oder physisch, d. i. _a posteriori_
und nothwendig #469# nur durch bestimmte Erfahrung denkbar. Der
metaphysische Naturbegriff (der keine bestimmte Erfahrung voraussetzt)
ist also ontologisch.

=Der ontologische Beweis= vom Dasein Gottes aus dem Begriffe eines
Urwesens ist nun entweder der, welcher aus ontologischen Prädicaten,
|475.25| wodurch es allein durchgängig bestimmt gedacht werden
kann, auf das absolut-nothwendige Dasein, oder aus der absoluten
Nothwendigkeit des Daseins irgend eines Dinges, welches es auch
sei, auf die Prädicate des Urwesens schließt: denn zum Begriffe
eines Urwesens gehört, damit es nicht abgeleitet sei, die unbedingte
Nothwendigkeit seines Daseins und |475.30| (um diese sich vorzustellen)
die durchgängige Bestimmung durch den Begriff desselben. Beide
Erfordernisse glaubte man nun im Begriffe der ontologischen Idee eines
=allerrealsten Wesens= zu finden: und so entsprangen zwei metaphysische
Beweise.

Der einen bloß metaphysischen Naturbegriff zum Grunde legende
|475.35| (eigentlich-ontologisch genannte) Beweis schloß aus dem
Begriffe des allerrealsten Wesens auf seine schlechthin nothwendige
Existenz; denn (heißt es) wenn es nicht existirte, so würde ihm
eine Realität, nämlich die Existenz, mangeln. — Der andere (den
man auch den metaphysisch-=kosmologischen= Beweis nennt) schloß aus
der Nothwendigkeit der Existenz irgend eines Dinges (dergleichen,
da mir im Selbstbewußtsein ein Dasein |476.5| gegeben ist, durchaus
eingeräumt werden muß) auf die durchgängige Bestimmung desselben als
allerrealsten Wesens: weil alles Existirende durchgängig bestimmt, das
schlechterdings Nothwendige aber (nämlich was wir als ein solches,
mithin _a priori_ erkennen sollen) =durch seinen Begriff= durchgängig
bestimmt sein müsse; welches sich aber nur im Begriffe eines |476.10|
allerrealsten Dinges antreffen lasse. Es ist hier nicht nöthig, die
Sophisterei in beiden Schlüssen aufzudecken, welches schon anderwärts
geschehen #470# ist; sondern nur zu bemerken, daß solche Beweise, wenn
sie sich auch durch allerlei dialektische Subtilität verfechten ließen,
doch niemals über die Schule hinaus in das gemeine Wesen hinüberkommen
und auf den bloßen |476.15| gesunden Verstand den mindesten Einfluß
haben könnten.

Der Beweis, welcher einen Naturbegriff, der nur empirisch sein kann,
dennoch aber über die Gränzen der Natur als Inbegriffs der Gegenstände
der Sinne hinausführen soll, zum Grunde legt, kann kein anderer, als
der von den =Zwecken= der Natur sein: deren Begriff sich zwar nicht
_a priori_, |476.20| sondern nur durch die Erfahrung geben läßt, aber
doch einen solchen Begriff von dem Urgrunde der Natur verheißt, welcher
unter allen, die wir denken können, allein sich zum Übersinnlichen
schickt, nämlich den von einem höchsten Verstande als Weltursache;
welches er auch in der That nach Principien der reflectirenden
Urtheilskraft, d. i. nach der Beschaffenheit |476.25| unseres
(menschlichen) Erkenntnißvermögens, vollkommen ausrichtet. — Ob er
nun aber aus denselben Datis diesen Begriff eines =obersten=, d. i.
unabhängigen, verständigen Wesens auch als eines Gottes, d. i. Urhebers
einer Welt unter moralischen Gesetzen, mithin hinreichend bestimmt für
die Idee von einem Endzwecke des Daseins der Welt zu liefern im Stande
|476.30| sei, das ist eine Frage, worauf alles ankommt; wir mögen nun
einen theoretisch hinlänglichen Begriff von dem Urwesen zum Behuf
der gesammten Naturkenntniß, oder einen praktischen für die Religion
verlangen.

Dieses aus der physischen Teleologie genommene Argument ist
verehrungswerth. Es thut gleiche Wirkung zur Überzeugung auf den
gemeinen |476.35| Verstand, als auf den subtilsten Denker; und ein
=Reimarus= in seinem #471# noch nicht übertroffenen Werke, worin er
diesen Beweisgrund mit der ihm eigenen Gründlichkeit und Klarheit
weitläuftig ausführt, hat sich dadurch ein unsterbliches Verdienst
erworben. — Allein wodurch gewinnt dieser Beweis so gewaltigen Einfluß
auf das Gemüth, vornehmlich in der Beurtheilung durch kalte Vernunft
(denn die Rührung und Erhebung desselben durch die Wunder der Natur
könnte man zur Überredung rechnen), |477.5| auf eine ruhige, sich
gänzlich dahin gebende Beistimmung? Es sind nicht die physischen
Zwecke, die alle auf einen unergründlichen Verstand in der Weltursache
hindeuten; denn diese sind dazu unzureichend, weil sie das Bedürfniß
der fragenden Vernunft nicht befriedigen. Denn wozu sind (fragt diese)
alle jene künstliche Naturdinge; wozu der Mensch selbst, bei |477.10|
dem wir als dem letzten für uns denkbaren Zwecke der Natur stehen
bleiben müssen; wozu ist diese gesammte Natur da, und was ist der
Endzweck so großer und mannigfaltiger Kunst? Zum Genießen, oder zum
Anschauen, Betrachten und Bewundern (welches, wenn es dabei bleibt,
auch nichts weiter als Genuß von besonderer Art ist), als dem letzten
Endzweck, |477.15| warum die Welt und der Mensch selbst da ist,
geschaffen zu sein, kann die Vernunft nicht befriedigen: denn diese
setzt einen persönlichen Werth, den der Mensch sich allein geben kann,
als Bedingung, unter welcher allein er und sein Dasein Endzweck sein
kann, voraus. In Ermangelung desselben (der allein eines bestimmten
Begriffs fähig ist) thun die Zwecke der Natur |477.20| seiner Nachfrage
nicht Genüge, vornehmlich weil sie keinen =bestimmten Begriff= von
dem höchsten Wesen als einem allgenugsamen (und eben darum einigen,
eigentlich so zu nennenden =höchsten=) Wesen und den Gesetzen, nach
denen sein Verstand Ursache der Welt ist, an die Hand geben können.
|477.25|

Daß also der physisch-teleologische Beweis, gleich als ob er zugleich
#472# ein theologischer wäre, überzeugt, rührt nicht von der Benützung
der Ideen von Zwecken der Natur als so viel empirischen Beweisgründen
eines =höchsten= Verstandes her; sondern es mischt sich unvermerkt der
jedem Menschen beiwohnende und ihn so innigst bewegende moralische
Beweisgrund |477.30| in den Schluß mit ein, nach welchem man dem
Wesen, welches sich so unbegreiflich künstlich in den Zwecken der
Natur offenbart, auch einen Endzweck, mithin Weisheit (obzwar ohne
dazu durch die Wahrnehmung der ersteren berechtigt zu sein) beilegt
und also jenes Argument in Ansehung des Mangelhaften, welches ihm
noch anhängt, willkürlich ergänzt. In der |477.35| That bringt also
nur der moralische Beweisgrund die Überzeugung und auch diese nur
in moralischer Rücksicht, wozu jedermann seine Beistimmung innigst
fühlt, hervor; der physisch-teleologische aber hat nur das Verdienst,
das Gemüth in der Weltbetrachtung auf den Weg der Zwecke, dadurch aber
auf einen =verständigen= Welturheber zu leiten: da denn die moralische
Beziehung auf Zwecke und die Idee eines eben solchen Gesetzgebers und
Welturhebers, als theologischer Begriff, ob er zwar reine |478.5|
Zugabe ist, sich dennoch aus jenem Beweisgrunde von selbst zu
entwickeln scheint.

Hiebei kann man es in dem gewöhnlichen =Vortrage= fernerhin auch
bewenden lassen. Denn dem gemeinen und gesunden Verstande wird
es gemeiniglich schwer, die verschiedenen Principien, die er
vermischt, und |478.10| aus deren einem er wirklich allein und
richtig folgert, wenn die Absonderung viel Nachdenken bedarf, als
ungleichartig von einander zu scheiden. Der moralische Beweisgrund
vom Dasein Gottes =ergänzt= aber eigentlich auch nicht etwa bloß den
physisch-teleologischen zu einem vollständigen Beweise; sondern er
ist ein besonderer Beweis, der den Mangel der Überzeugung |478.15|
#473# aus dem letzteren =ersetzt=: indem dieser in der That nichts
leisten kann, als die Vernunft in der Beurtheilung des Grundes der
Natur und der zufälligen, aber bewunderungswürdigen Ordnung derselben,
welche uns nur durch Erfahrung bekannt wird, auf die Causalität
einer Ursache, die nach Zwecken den Grund derselben enthält, (die
wir nach der Beschaffenheit |478.20| unserer Erkenntnißvermögen als
verständige Ursache denken müssen) zu lenken und aufmerksam, so
aber des moralischen Beweises empfänglicher zu machen. Denn das,
was zu dem letztern Begriffe erforderlich ist, ist von allem, was
Naturbegriffe enthalten und lehren können, so wesentlich unterschieden,
daß es eines besondern, von den vorigen ganz unabhängigen |478.25|
Beweisgrundes und Beweises bedarf, um den Begriff vom Urwesen für eine
Theologie hinreichend anzugeben und auf seine Existenz zu schließen.
— Der moralische Beweis (der aber freilich nur das Dasein Gottes
in praktischer, doch auch unnachlaßlicher Rücksicht der Vernunft
beweiset) würde daher noch immer in seiner Kraft bleiben, wenn
wir in |478.30| der Welt gar keinen, oder nur zweideutigen Stoff
zur physischen Teleologie anträfen. Es läßt sich denken, daß sich
vernünftige Wesen von einer solchen Natur, welche keine deutliche Spur
von Organisation, sondern nur Wirkungen von einem bloßen Mechanism
der rohen Materie zeigte, umgeben sähen, um derentwillen und bei der
Veränderlichkeit einiger bloß |478.35| zufällig zweckmäßigen Formen
und Verhältnisse kein Grund zu sein schiene, auf einen verständigen
Urheber zu schließen; wo alsdann auch zu einer physischen Teleologie
keine Veranlassung sein würde: und dennoch würde die Vernunft, die
durch Naturbegriffe hier keine Anleitung bekommt, im Freiheitsbegriffe
und in den sich darauf gründenden sittlichen Ideen einen
praktisch-hinreichenden Grund finden, den Begriff des Urwesens diesen
#474# angemessen, d. i. als einer Gottheit, und die Natur (selbst unser
eigenes |479.5| Dasein) als einen jener und ihren Gesetzen gemäßen
Endzweck zu postuliren und zwar in Rücksicht auf das unnachlaßliche
Gebot der praktischen Vernunft. — Daß nun aber in der wirklichen Welt
für die vernünftigen Wesen in ihr reichlicher Stoff zur physischen
Teleologie ist (welches eben nicht nothwendig wäre), dient dem
moralischen Argument zu erwünschter |479.10| Bestätigung, soweit Natur
etwas den Vernunftideen (den moralischen) Analoges aufzustellen vermag.
Denn der Begriff einer obersten Ursache, die Verstand hat (welches
aber für eine Theologie lange nicht hinreichend ist), bekommt dadurch
die für die reflectirende Urtheilskraft hinreichende Realität; aber
er ist nicht erforderlich, um den moralischen Beweis darauf |479.15|
zu gründen: noch dient dieser, um jenen, der für sich allein gar
nicht auf Moralität hinweiset, durch fortgesetzten Schluß nach einem
einzigen Princip zu =einem= Beweise zu ergänzen. Zwei so ungleichartige
Principien, als Natur und Freiheit können nur zwei verschiedene
Beweisarten abgeben, da denn der Versuch, denselben aus der ersteren
zu führen, für das, was |479.20| bewiesen werden soll, unzulänglich
befunden wird.

Wenn der physisch-teleologische Beweisgrund zu dem gesuchten Beweise
zureichte, so wäre es für die speculative Vernunft sehr befriedigend;
denn er würde Hoffnung geben, eine Theosophie hervorzubringen (so
würde man nämlich die theoretische Erkenntniß der göttlichen Natur und
seiner |479.25| Existenz, welche zur Erklärung der Weltbeschaffenheit
und zugleich der Bestimmung der sittlichen Gesetze zureichte,
nennen müssen). Eben so wenn Psychologie zureichte, um dadurch zur
Erkenntniß der Unsterblichkeit der Seele zu gelangen, so würde sie
eine Pneumatologie, welche der speculativen #475# Vernunft eben
so willkommen wäre, möglich machen. Beide aber, so |479.30| lieb
es auch dem Dünkel der Wißbegierde sein mag, erfüllen nicht den
Wunsch der Vernunft in Absicht auf die Theorie, die auf Kenntniß der
Natur der Dinge gegründet sein müßte. Ob aber nicht die erstere als
Theologie, die zweite als Anthropologie, beide auf das sittliche, d.
i. das Freiheitsprincip gegründet, mithin dem praktischen Gebrauche
der Vernunft |479.35| angemessen, ihre objective Endabsicht besser
erfüllen, ist eine andere Frage, die wir hier nicht nöthig haben weiter
zu verfolgen.

Der physisch-teleologische Beweisgrund reicht aber darum nicht zur
Theologie zu, weil er keinen für diese Absicht hinreichend bestimmten
Begriff von dem Urwesen giebt, noch geben kann, sondern man diesen
gänzlich anderwärts hernehmen, oder seinen Mangel dadurch als durch
einen willkürlichen Zusatz ersetzen muß. Ihr schließt aus der großen
|480.5| Zweckmäßigkeit der Naturformen und ihrer Verhältnisse auf eine
verständige Weltursache; aber auf welchen Grad dieses Verstandes?
Ohne Zweifel könnt Ihr Euch nicht anmaßen: auf den höchst-möglichen
Verstand; denn dazu würde erfordert werden, daß Ihr einsähet, ein
größerer Verstand, als wovon Ihr Beweisthümer in der Welt wahrnehmet,
sei nicht denkbar: |480.10| welches Euch selber Allwissenheit beilegen
hieße. Eben so schließt Ihr aus der Größe der Welt auf eine sehr große
Macht des Urhebers; aber Ihr werdet Euch bescheiden, daß dieses nur
comparativ für Eure Fassungskraft Bedeutung hat, und, da Ihr nicht
alles Mögliche erkennt, um es mit der Weltgröße, so weit Ihr sie
kennt, zu vergleichen, Ihr nach einem so kleinen |480.15| Maßstabe
keine Allmacht des Urhebers folgern könnet, u. s. w. Nun gelangt Ihr
dadurch zu keinem bestimmten, für eine Theologie tauglichen Begriffe
eines Urwesens; denn dieser kann nur in dem der Allheit der mit #476#
einem Verstande vereinbarten Vollkommenheiten gefunden werden, wozu
Euch bloß =empirische= Data gar nicht verhelfen können: ohne einen
solchen |480.20| bestimmten Begriff aber könnt Ihr auch nicht auf
ein =einiges= verständiges Urwesen schließen, sondern (es sei zu
welchem Behuf) ein solches nur annehmen. — Nun kann man es zwar ganz
wohl einräumen, daß Ihr (da die Vernunft nichts Gegründetes dawider
zu sagen hat) willkürlich hinzusetzt: wo so viel Vollkommenheit
angetroffen wird, möge |480.25| man wohl alle Vollkommenheit in
einer einzigen Weltursache vereinigt annehmen; weil die Vernunft mit
einem so bestimmten Princip theoretisch und praktisch besser zurecht
kommt. Aber Ihr könnt denn doch diesen Begriff des Urwesens nicht als
von Euch bewiesen anpreisen, da Ihr ihn nur zum Behuf eines bessern
Vernunftgebrauchs angenommen habt. Alles |480.30| Jammern also oder
ohnmächtiges Zürnen über den vorgeblichen Frevel, die Bündigkeit Eurer
Schlußkette in Zweifel zu ziehen, ist eitle Großthuerei, die gern haben
möchte, daß man den Zweifel, welchen man gegen Euer Argument frei
heraussagt, für Bezweifelung heiliger Wahrheit halten möchte, um nur
hinter dieser Decke die Seichtigkeit desselben durchschlüpfen |480.35|
zu lassen.

Die moralische Teleologie hingegen, welche nicht minder fest gegründet
ist wie die physische, vielmehr dadurch, daß sie _a priori_ auf von
unserer Vernunft untrennbaren Principien beruht, Vorzug verdient, führt
auf das, was zur Möglichkeit einer Theologie erfordert wird, nämlich
auf einen bestimmten =Begriff= der obersten Ursache als Weltursache
nach moralischen Gesetzen, mithin einer solchen, die unserm moralischen
Endzwecke |481.5| Genüge thut: wozu nichts weniger als Allwissenheit,
Allmacht, Allgegenwart u. s. w. als dazu gehörige Natureigenschaften
erforderlich sind, die #477# mit dem moralischen Endzwecke, der
unendlich ist, als verbunden, mithin ihm adäquat gedacht werden müssen,
und kann so den Begriff eines =einzigen= Welturhebers, der zu einer
Theologie tauglich ist, ganz allein |481.10| verschaffen.

Auf solche Weise führt eine Theologie auch unmittelbar zur
=Religion=, d. i. der =Erkenntniß unserer Pflichten als göttlicher
Gebote=: weil die Erkenntniß unserer Pflicht und des darin uns durch
Vernunft auferlegten Endzwecks den Begriff von Gott zuerst bestimmt
hervorbringen |481.15| konnte, der also schon in seinem Ursprunge von
der Verbindlichkeit gegen dieses Wesen unzertrennlich ist; anstatt daß,
wenn der Begriff vom Urwesen auf dem bloß theoretischen Wege (nämlich
desselben als bloßer Ursache der Natur) auch bestimmt gefunden werden
könnte, es nachher noch mit großer Schwierigkeit, vielleicht gar
Unmöglichkeit es ohne |481.20| willkürliche Einschiebung zu leisten
verbunden sein würde, diesem Wesen eine Causalität nach moralischen
Gesetzen durch gründliche Beweise beizulegen, ohne die doch jener
angeblich theologische Begriff keine Grundlage zur Religion ausmachen
kann. Selbst wenn eine Religion auf diesem theoretischen Wege gegründet
werden könnte, würde sie in Ansehung der |481.25| Gesinnung (worin doch
ihr Wesentliches besteht) wirklich von derjenigen unterschieden sein,
in welcher der Begriff von Gott und die (praktische) Überzeugung von
seinem Dasein aus Grundideen der Sittlichkeit entspringt. Denn wenn wir
Allgewalt, Allwissenheit u. s. w. eines Welturhebers als anderwärts her
uns gegebene Begriffe voraussetzen müßten, |481.30| um nachher unsere
Begriffe von Pflichten auf unser Verhältniß zu ihm nur anzuwenden,
so müßten diese sehr stark den Anstrich von Zwang und abgenöthigter
Unterwerfung bei sich führen; statt dessen, wenn die Hochachtung für
das sittliche Gesetz uns ganz frei laut Vorschrift unserer eigenen
#478# Vernunft den Endzweck unserer Bestimmung vorstellt, wir eine
damit |481.35| und zu dessen Ausführung zusammenstimmende Ursache mit
der wahrhaftesten Ehrfurcht, die gänzlich von pathologischer Furcht
unterschieden ist, in unsere moralischen Aussichten mit aufnehmen und
uns derselben willig unterwerfen[42].

  [42] Die Bewunderung der Schönheit sowohl, als die Rührung
  durch die so mannigfaltigen Zwecke der Natur, welche
  ein nachdenkendes Gemüth noch vor einer |482.30| klaren
  Vorstellung eines vernünftigen Urhebers der Welt zu fühlen im
  Stande ist, haben etwas einem =religiösen= Gefühl Ähnliches
  an sich. Sie scheinen daher zuerst durch eine der moralischen
  analoge Beurtheilungsart derselben auf das moralische Gefühl
  (der Dankbarkeit und der Verehrung gegen die uns unbekannte
  Ursache) und also durch Erregung moralischer Ideen auf das
  Gemüth zu wirken, wenn sie |482.35| diejenige Bewunderung
  einflößen, die mit weit mehrerem Interesse verbunden ist, als
  bloße theoretische Betrachtung wirken kann.

Wenn man fragt, warum uns denn etwas daran gelegen sei, überhaupt eine
Theologie zu haben: so leuchtet klar ein, daß sie nicht zur Erweiterung
oder Berichtigung unserer Naturkenntniß und überhaupt irgend |482.5|
einer Theorie, sondern lediglich zur Religion, d. i. dem praktischen,
namentlich dem moralischen Gebrauche der Vernunft, in subjectiver
Absicht nöthig sei. Findet sich nun, daß das einzige Argument,
welches zu einem bestimmten Begriffe des Gegenstandes der Theologie
führt, selbst moralisch ist: so wird es nicht allein nicht befremden,
sondern man wird auch |482.10| in Ansehung der Zugänglichkeit des
Fürwahrhaltens aus diesem Beweisgrunde zur Endabsicht desselben
nichts vermissen, wenn gestanden wird, daß ein solches Argument
das Dasein Gottes nur für unsere moralische Bestimmung, d. i. in
praktischer Absicht, hinreichend darthue, und die Speculation in
demselben ihre Stärke keinesweges beweise, oder den Umfang |482.15|
#479# ihres Gebiets dadurch erweitere. Auch wird die Befremdung, oder
der vorgebliche Widerspruch einer hier behaupteten Möglichkeit einer
Theologie mit dem, was die Kritik der speculativen Vernunft von den
Kategorieen sagte: daß diese nämlich nur in Anwendung auf Gegenstände
der Sinne, keinesweges aber auf das Übersinnliche angewandt, Erkenntniß
|482.20| hervorbringen können, verschwinden, wenn man sie hier zu einem
Erkenntniß Gottes, aber nicht in theoretischer (nach dem, was seine uns
unerforschliche Natur an sich sei), sondern lediglich in praktischer
Absicht gebraucht sieht. — Um bei dieser Gelegenheit der Mißdeutung
jener sehr nothwendigen, aber auch zum Verdruß des blinden Dogmatikers
die Vernunft in |482.25| ihre Gränzen zurückweisenden Lehre der Kritik
ein Ende zu machen, füge ich hier nachstehende Erläuterung derselben
bei.

Wenn ich einem Körper =bewegende Kraft= beilege, mithin ihn durch
die Kategorie der =Causalität= denke: so =erkenne= ich ihn dadurch
zugleich, d. i. ich bestimme den Begriff desselben als Objects
überhaupt durch das, was ihm als Gegenstande der Sinne für sich (als
Bedingung der Möglichkeit jener Relation) zukommt. Denn ist die
bewegende Kraft, die ich ihm beilege, eine abstoßende: so kommt ihm
(wenn ich gleich noch |483.5| nicht einen andern, gegen den er sie
ausübt, neben ihm setze) ein Ort im Raume, ferner eine Ausdehnung,
d. i. Raum in ihm selbst, überdem Erfüllung desselben durch die
abstoßenden Kräfte seiner Theile zu, endlich auch das Gesetz dieser
Erfüllung (daß der Grund der Abstoßung der letzteren in derselben
Proportion abnehmen müsse, als die Ausdehnung des |483.10| Körpers
wächst, und der Raum, den er mit denselben Theilen durch diese Kraft
erfüllt, zunimmt). — Dagegen wenn ich mir ein übersinnliches Wesen
als den =ersten Beweger=, mithin durch die Kategorie der Causalität in
Ansehung derselben Weltbestimmung (der Bewegung der Materie) denke:
#480# so muß ich es nicht in irgend einem Orte im Raume, eben so wenig
als |483.15| ausgedehnt, ja ich darf es nicht einmal als in der Zeit
und mit andern zugleich existirend denken. Also habe ich gar keine
Bestimmungen, welche mir die Bedingung der Möglichkeit der Bewegung
durch dieses Wesen als Grund verständlich machen könnten. Folglich
erkenne ich dasselbe durch das Prädicat der Ursache (als ersten
Beweger) für sich nicht im mindesten: |483.20| sondern ich habe nur
die Vorstellung von einem Etwas, welches den Grund der Bewegungen in
der Welt enthält; und die Relation desselben zu diesen, als deren
Ursache, da sie mir sonst nichts zur Beschaffenheit des Dinges, welches
Ursache ist, Gehöriges an die Hand giebt, läßt den Begriff von dieser
ganz leer. Der Grund davon ist: weil ich mit Prädicaten, die nur
|483.25| in der Sinnenwelt ihr Object finden, zwar zu dem Dasein von
Etwas, was den Grund der letzteren enthalten muß, aber nicht zu der
Bestimmung seines Begriffs als übersinnlichen Wesens, welcher alle
jene Prädicate ausstößt, fortschreiten kann. Durch die Kategorie der
Causalität also, wenn ich sie durch den Begriff eines =ersten Bewegers=
bestimme, erkenne ich, |483.30| was Gott sei, nicht im mindesten;
vielleicht aber wird es besser gelingen, wenn ich aus der Weltordnung
Anlaß nehme, seine Causalität, als die eines obersten =Verstandes=
nicht bloß zu =denken=, sondern ihn auch durch diese Bestimmung des
genannten Begriffs zu =erkennen=: weil da die lästige Bedingung des
Raumes und der Ausdehnung wegfällt. — Allerdings |483.35| nöthigt
uns die große Zweckmäßigkeit in der Welt, eine oberste Ursache zu
derselben und deren Causalität als durch einen Verstand zu =denken=;
aber dadurch sind wir gar nicht befugt, ihr diesen =beizulegen= (wie
z. B. die Ewigkeit Gottes als Dasein zu aller Zeit zu denken, weil wir
uns sonst gar keinen Begriff vom bloßen Dasein als einer Größe, d. i.
als Dauer, machen können; oder die göttliche Allgegenwart als Dasein
#481# in allen Orten zu denken, um die unmittelbare Gegenwart für
Dinge |484.5| außer einander uns faßlich zu machen, ohne gleichwohl
eine dieser Bestimmungen Gott als etwas an ihm Erkanntes beilegen zu
dürfen). Wenn ich die Causalität des Menschen in Ansehung gewisser
Producte, welche nur durch absichtliche Zweckmäßigkeit erklärlich sind,
dadurch bestimme, daß ich sie als einen Verstand desselben denke: so
brauche ich nicht dabei |484.10| stehen zu bleiben, sondern kann ihm
dieses Prädicat als wohlbekannte Eigenschaft desselben beilegen und
ihn dadurch erkennen. Denn ich weiß, daß Anschauungen den Sinnen des
Menschen gegeben und durch den Verstand unter einen Begriff und hiemit
unter eine Regel gebracht werden; daß dieser Begriff nur das gemeinsame
Merkmal (mit Weglassung des |484.15| Besondern) enthalte und also
discursiv sei; daß die Regeln, um gegebene Vorstellungen unter ein
Bewußtsein überhaupt zu bringen, von ihm noch vor jenen Anschauungen
gegeben werden, u. s. w.: ich lege also diese Eigenschaft dem Menschen
bei als eine solche, wodurch ich ihn =erkenne=. Will ich nun aber ein
übersinnliches Wesen (Gott) als Intelligenz =denken=, |484.20| so ist
dieses in gewisser Rücksicht meines Vernunftgebrauchs nicht allein
erlaubt, sondern auch unvermeidlich; aber ihm Verstand beizulegen und
es dadurch als durch eine Eigenschaft desselben =erkennen= zu können,
sich schmeicheln, ist keineswegs erlaubt: weil ich alsdann alle jene
Bedingungen, unter denen ich allein einen Verstand kenne, weglassen
muß, mithin |484.25| das Prädicat, das nur zur Bestimmung des Menschen
dient, auf ein übersinnliches Object gar nicht bezogen werden kann,
und also durch eine so bestimmte Causalität, was Gott sei, gar nicht
erkannt werden kann. Und so geht es mit allen Kategorien, die gar keine
Bedeutung zum Erkenntniß in theoretischer Rücksicht haben können, wenn
sie nicht auf Gegenstände |484.30| #482# möglicher Erfahrung angewandt
werden. — Aber nach der Analogie mit einem Verstande kann ich, ja muß
ich mir wohl in gewisser anderer Rücksicht selbst ein übersinnliches
Wesen denken, ohne es gleichwohl dadurch theoretisch erkennen zu
wollen; wenn nämlich diese Bestimmung seiner Causalität eine Wirkung in
der Welt betrifft, die eine moralisch-nothwendige, |484.35| aber für
Sinnenwesen unausführbare Absicht enthält: da alsdann ein Erkenntniß
Gottes und seines Daseins (Theologie) durch bloß nach der Analogie an
ihm gedachte Eigenschaften und Bestimmungen seiner Causalität möglich
ist, welches in praktischer Beziehung, aber auch =nur in Rücksicht
auf diese= (als moralische) alle erforderliche Realität hat. — Es
ist also wohl eine Ethikotheologie möglich; denn die Moral kann zwar
mit ihrer Regel, aber nicht mit der Endabsicht, welche eben dieselbe
auferlegt, |485.5| ohne Theologie bestehen, ohne die Vernunft in
Ansehung der letzteren im bloßen zu lassen. Aber eine theologische
Ethik (der reinen Vernunft) ist unmöglich: weil Gesetze, die nicht die
Vernunft ursprünglich selbst giebt, und deren Befolgung sie als reines
praktisches Vermögen auch bewirkt, nicht moralisch sein können. Eben so
würde eine theologische Physik |485.10| ein Unding sein, weil sie keine
Naturgesetze, sondern Anordnungen eines höchsten Willens vortragen
würde; wogegen eine physische (eigentlich physisch-teleologische)
Theologie doch wenigstens als Propädeutik zur eigentlichen Theologie
dienen kann: indem sie durch die Betrachtung der Naturzwecke, von denen
sie reichen Stoff darbietet, zur Idee eines Endzweckes, |485.15| den
die Natur nicht aufstellen kann, Anlaß giebt; mithin das Bedürfniß
einer Theologie, die den Begriff von Gott für den höchsten praktischen
Gebrauch der Vernunft zureichend bestimmte, zwar fühlbar machen, aber
sie nicht hervorbringen und auf ihre Beweisthümer zulänglich gründen
kann.



Anmerkungen.



     Die Zahlen an den Seiten geben die Originalpaginirung
     der dem Text zu Grunde gelegten Ausgaben (1788 und 1793)
     wieder.



Kritik der Urtheilskraft.

Herausgeber: Wilhelm Windelband.


Einleitung.

Der Springpunkt für die Entstehungsgeschichte der _Kritik der
Urtheilskraft_ liegt genau an derselben Stelle, von der auch die
grossen historischen Wirkungen des Buches ausgegangen sind: es ist
die Behandlung der Probleme von Schönheit und Kunst mit denjenigen
des organischen Lebens unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt. Die
beiden sachlichen Gebiete, welche in den beiden Theilen des Werks als
_Kritik der ästhetischen_ und _der teleologischen Urtheilskraft_ neben
einander stehen, haben Kant je für sich lange und viel beschäftigt
und zu mannigfachen Untersuchungen und Äusserungen angeregt; aber
die Convergenz beider Problemreihen, vermöge deren sie zugleich
ihren Abschluss unter einem gemeinsamen Princip fanden, hat sich
nicht etwa stetig und allmählich durch ein Anspinnen sachlicher
Beziehungen zwischen beiden Gegenständen vollzogen, sondern sie ist
verhältnissmässig schnell und dem Philosophen selbst gewissermassen
überraschend durch die Einordnung beider Fragen unter ein formales
Grundproblem der kritischen Philosophie herbeigeführt worden.

Die teleologische Betrachtung der Natur ist für Kant, wie für das
ganze 18. Jahrhundert, umsomehr zu einem Hauptproblem geworden, als
die ganze Entwickelung seiner Erkenntnisslehre darauf hinauslief, die
philosophischen Grundlagen für die reine Naturwissenschaft, d. h. für
Newtons mathematisch-physikalische Theorie, zu finden. Je schärfer
diese um den Begriff der mechanischen Causalität concentrirt war,
umsomehr erwies sich das organische Leben als ein Grenzbegriff für die
theoretische Naturerklärung. So hatte Kant bereits in der _Allgemeinen
Naturgeschichte und Theorie des Himmels_ erklärt: _daß eher die
Bildung aller Himmelskörper, die Ursache ihrer Bewegungen, kurz, der
Ursprung der ganzen gegenwärtigen Verfassung des Weltbaues werde können
eingesehen werden, ehe die Erzeugung eines einzigen Krauts oder einer
Raupe aus mechanischen Gründen deutlich und vollständig kund werden
wird_[43]. Nachdem aber in der _Kritik der reinen Vernunft_ die Lehre
von den _Kategorien_ und den _Grundsätzen des reinen Verstandes_ mit
principiellem Ausschluss des Zweckbegriffes festgelegt worden war,
hatte der Philosoph von seiner Ideenlehre aus in dem _Anhang der
transscendentalen Dialektik_, wo er von der _Endabsicht der natürlichen
Dialektik der menschlichen Vernunft_ handelte, der teleologischen
Betrachtung der Natur die regulative Bedeutung zuerkannt, die Dinge
der Welt, sofern ihre erschöpfende Erklärung nach den Grundsätzen der
mechanischen Erklärung sich als unmöglich erweist, so anzusehen, =als
ob= sie von einer höchsten Intelligenz ihr Dasein hätten. Besondere
Veranlassung aber, der Frage der organischen Teleologie näher zu
treten, bot sich Kant in der mit seinen geschichtsphilosophischen
Überlegungen zusammenhängenden _Bestimmung des Begriffes einer
Menschenrace_. Die Stellung, die er mit dieser im Novemberheft 1785 der
»Berliner Monatsschrift« erschienenen Abhandlung eingenommen hatte,
vertheidigte er gegen einen Angriff Georg Forsters in der Schrift
_Über den Gebrauch teleologischer Principien in der Philosophie_, die
im Januar-Heft 1788 des »Deutschen Merkur« gedruckt wurde. Die hier
vorgetragenen Principien sind durchweg dieselben, wie dereinst in
der _Kritik der reinen Vernunft_ und wie nachher in der _Kritik der
Urtheilskraft_, wo sie mit dem ganzen Reichthum mannigfacher Anwendung
ihre nähere Ausführung gefunden haben. Aber nichts in dieser Schrift,
die zur Zeit des Abschlusses der _Kritik der praktischen Vernunft_
geschrieben worden ist, lässt auf die Absicht des Verfassers, den
Gegenstand in grösseren Dimensionen zu behandeln, und nichts darin
lässt auf einen Zusammenhang schliessen, in den diese Fragen mit den
ästhetischen Problemen gebracht werden sollten.

  [43] Vorrede, vgl. I 230.

Mit nicht minder lebhaftem persönlichen Interesse hat Kant von früh an
die ästhetischen Fragen verfolgt. Schon die _Beobachtungen über das
Gefühl des Schönen und Erhabenen_ zeigen eine ausserordentliche Fülle
feinsinniger Bemerkungen aus einem weiten Umkreise der Kenntniss,
und aus seinen Vorlesungen, wie aus seinen Reflexionen geht hervor,
dass er mit den Erscheinungen der schönen Literatur und mit den
kunstkritischen Theorien seiner Zeit in einem ausserordentlich
ausgedehnten Maasse vertraut gewesen ist[44]. Aber sein Interesse
daran war zunächst ein lediglich anthropologisches. Er betrachtete
diese Gegenstände nur vom Standpunkt der Psychologie aus und hielt
ihnen gegenüber die Möglichkeit einer anderen Doctrin damals für
ausgeschlossen. Damit war es durchaus vereinbar, dass Kant in dieser
seiner »empiristischen« Periode auf dem Katheder die Ästhetik ganz
im Baumgartenschen Sinne als Ergänzung und in Parallele zur Logik
behandelte. So heisst es in der _Nachricht von der Einrichtung seiner
Vorlesungen in dem Winterhalbjahre von 1765–766_ (II, 311) am
Schlusse der Ankündigung der Logik: _Wobei zugleich die sehr nahe
Verwandtschaft der Materien Anlaß giebt, bei der =Kritik der Vernunft=
einige Blicke auf die =Kritik des Geschmacks,= d. i. die =Ästhetik,=
zu werfen, davon die Regeln der einen jederzeit dazu dienen, die
der andern zu erläutern, und ihre Abstechung ein Mittel ist, beide
besser zu begreifen._ Auch weiterhin schrieb Kant sachlich den
Fragen des Geschmacks so viel Bedeutung zu, dass, als er im Jahre
1771 nach der Inauguraldissertation ein Werk unter dem Titel _Die
Grentzen der Sinnlichkeit und der Vernunft_ plante, er auch sie darin
behandeln wollte[45]. Es kam ihm damals wesentlich darauf an, _welchen
großen Einflus die gewisse und deutliche Einsicht in den Unterschied
dessen, was auf_ +subjectiv+_ischen_ +principi+_en der menschlichen
Seelenkräfte nicht allein der Sinnlichkeit, sondern auch des Verstandes
beruht, von dem was gerade auf die Gegenstände geht in der gantzen
Weltweisheit, ja so gar auf die wichtigsten Zwecke der Menschen
überhaupt habe_. Wenn in diesem Sinne auch der _Entwurf dessen, was
die Natur der Geschmackslehre, Metaphysick u. Moral ausmacht_, in dem
geplanten Werke enthalten sein sollte, so hatte das offenbar den Sinn,
dass die Geschmackslehre als eine rein empirische und durch apriorische
Principien nicht bestimmte Lehre dargestellt worden wäre. Denn diesen
Standpunkt nimmt Kant noch in der _Kritik der reinen Vernunft_ ein, wo
es in der Einleitung zur transscendentalen Ästhetik folgendermaassen
lautet[46]: _Die Deutschen sind die einzige, welche sich jetzt des
Worts Ästhetik bedienen, um dadurch das zu bezeichnen, was andre Kritik
des Geschmacks heißen. Es liegt hier eine verfehlte Hoffnung zum
Grunde, die der vortreffliche Analyst =Baumgarten= faßte, die kritische
Beurtheilung des Schönen unter Vernunftprincipien zu bringen und die
Regeln derselben zur Wissenschaft zu erheben. Allein diese Bemühung
ist vergeblich. Denn gedachte Regeln oder Kriterien sind ihren Quellen
nach blos empirisch und können also niemals zu Gesetzen_ a priori
_dienen, wornach sich unser Geschmacksurtheil richten müßte; vielmehr
macht das letztere den eigentlichen Probirstein der Richtigkeit der
ersteren aus. Um deswillen ist es rathsam diese Benennung wiederum
eingehen zu lassen und sie derjenigen Lehre aufzubehalten, die wahre
Wissenschaft ist, wodurch man auch der Sprache und dem Sinne der Alten
näher treten würde._ Ebenso heisst es in einer Anmerkung zum _Kanon der
reinen Vernunft_ in der _Transscendentalen Methodenlehre_[47]: _»so
gehören die Elemente unserer Urtheile, so fern sie sich auf Lust oder
Unlust beziehen, mithin der praktischen, nicht in den Inbegriff der
Transscendentalphilosophie«._

  [44] Das sehr umfangreiche Material dazu findet sich bisher am
  ausführlichsten gesammelt bei Otto Schlapp, Kants Lehre vom
  Genie und die Kritik der Urtheilskraft. Göttingen, 1901.

  [45] Siehe Kants Brief an Marcus Herz, vom 7. Juni 1771, X 117.

  [46] _Kritik der reinen Vernunft_, 1. Aufl., S. 21, Anmerkung.
  IV 30.

  [47] III 520 Anm.

In der fortschreitenden Beschäftigung mit diesen Gegenständen hat
sich aber Kants Auffassung allmählich verändert. Schon die II.
Auflage der _Kritik der reinen Vernunft_, deren Manuscript dem Jahre
1786 entstammt, giebt jener Stelle eine bemerkenswerthe Veränderung.
Statt _ihren Quellen_ heisst es hier[48] _ihren vornehmsten Quellen_
und statt _zu Gesetzen_ nur noch _zu bestimmten Gesetzen_. Es muss
also ein, wenn auch nur äusserst geringes Maass von Apriorität in
dem ästhetischen Verhalten zu dieser Zeit von Kant wenigstens nicht
mehr ganz für unmöglich gehalten worden sein. Dazu kommt noch, dass
er an der gleichen Stelle neben dem Vorschlage, die Baumgartensche
Terminologie wieder aufzugeben, jetzt auch noch die andre Möglichkeit
ins Auge fasst, _sich in die Benennung mit der speculativen Philosophie
zu theilen und die Ästhetik theils im transscendentalen Sinne,
theils in psychologischer Bedeutung zu nehmen_. Aber gerade diese
terminologische Concession, die sich in der Folge dazu erweitert
hat, dass Kant selbst für die Verwendung der Ausdrücke _Ästhetik_
und _ästhetisch_ in dem heutigen Sinne die entscheidende Bestimmung
ausgeübt hat, zeigt doch an dieser Stelle, dass er auch damals
noch die Ästhetik, welche die _Kritik des Geschmacks_ bedeuten
sollte, wesentlich in psychologischer Bedeutung nehmen und von ihrer
Parallelstellung zu den transscendentalen Disciplinen nichts wissen
wollte.

  [48] III 50 Anmerkung.

Offenbar aber ist seine Beschäftigung mit diesen Problemen immer mehr
zu so geschlossenen Ergebnissen gelangt, dass er schon während der
Zeit, als er seine ethischen Grundwerke ausführte, mit der kritischen
Darstellung der Geschmackslehre beschäftigt war. Wir sehen aus einem
Briefe von Bering[49] an ihn (28. Mai 1787), dass der Leipziger
Messkatalog bereits für das Jahr 1787 eine _Grundlegung zur Critik des
Geschmacks_ von Kant angekündigt hatte; und er selber berichtet in
einem Briefe an Schütz vom 25. Juni desselben Jahres[50], worin er auch
mittheilt, dass er in der künftigen Woche das Manuscript der _Kritik
der praktischen Vernunft_ nach Halle zum Druck zu schicken denke, am
Schluss, dass er nun alsbald zur _Grundlage der Kritik des Geschmacks_
gehen müsse. Nach diesen Ausdrücken scheint die Annahme (Benno
Erdmanns) nicht ausgeschlossen, dass Kant eine zeitlang daran gedacht
hat, ebenso wie er der _Kritik der praktischen Vernunft die Grundlegung
zur Metaphysik der Sitten_ vorangeschickt hatte, auch der _Kritik des
Geschmacks_ eine ähnliche Grundlegung vorangehen zu lassen, die dann
wohl ebenso die Aufgabe gehabt hätte, die Überführung von der populären
Auffassung des Schönen zu der philosophischen, d. h. kritischen
Behandlung darzulegen. Sie würde in diesem Falle den Entwickelungsgang
von Kants eigener Betrachtung des Gegenstandes, ihre Umlegung aus dem
psychologischen auf den transscendentalen Standpunkt darzustellen
berufen gewesen sein. Ob aber Kant ernstlich daran gegangen ist, eine
solche Theilung auch auf diesem Gebiete vorzunehmen, wird sich nicht
mehr entscheiden lassen.

  [49] X 465.

  [50] X 467.

Jedenfalls hat das Jahr 1787 den Umschwung in der Theorie des
Geschmacks für Kant mit sich gebracht. Sein Brief an Reinhold vom 28.
December 1787[51], worin er diesem für die »Briefe über die Kantische
Philosophie« dankt und ihm zugleich das Manuscript der Abhandlung _Über
die teleologischen Principien_ für den »Deutschen Mercur« einsendet,
lässt nicht den geringsten Zweifel darüber, dass die neue Erkenntniss,
die Kant bei seiner Beschäftigung mit der _Kritik des Geschmacks_
gewonnen hat, wesentlich zurückging auf _das Systematische, das die
Zergliederung der vorher betrachteten Vermögen mich im menschlichen
Gemüte hatte entdecken lassen, und welches zu bewundern und womöglich
zu ergründen, mir noch Stoff genug für den Überrest meines Lebens an
die Hand geben wird._ Dies Selbstbekenntniss Kants ist umso wichtiger,
als es nicht nur im Allgemeinen die Bedeutsamkeit des systematischen
Moments in seiner Art des Philosophirens erkennen lässt, sondern es
auch deutlich ausspricht, dass das gewaltigste seiner Werke auf der
Wirksamkeit dieses systematischen Momentes in dem Sinne beruht hat,
dass er dadurch zu einer tiefgehenden, ihm selbst unerwarteten Änderung
seiner Auffassung sich genöthigt gesehen hat. Er sagt in diesem Briefe
ausdrücklich, er sei auf diesem systematischen Wege dazu gelangt,
Principien a priori auf einem Gebiete zu finden, wo er dies vorher für
unmöglich gehalten habe, und er zeichnet hier in kurzen Strichen den
Grundriss für die Eintheilung der kritischen Philosophie überhaupt, den
er nachher in der Einleitung zur _Kritik der Urtheilskraft_ — und zwar
in deren beiden Formen gleichmässig — durchgeführt hat: _Der Vermögen
des Gemüths sind drei: Erkenntnißvermögen, Gefühl der Lust und Unlust,
und Begehrungsvermögen. Für das erste habe ich in der Critik der
reinen (theoretischen), für das dritte in der Critik der practischen
Vernunft Principien +a priori+ gefunden._ Die Aufgabe der _Kritik des
Geschmacks_ ist also zu dieser Zeit dahin bestimmt, Principien a priori
für das Gefühl der Lust und Unlust zu finden, und Kant bezeichnet
diesen Theil der Philosophie, indem er ihn neben die theoretische und
die praktische Philosophie stellt, als _Teleologie_.

  [51] a. a. O. S. 487f.

Diese Gleichsetzung der _Kritik des Geschmacks_ mit der Teleologie
würde unmöglich gewesen sein, wenn Kant nicht schon damals die
Erkenntniss gewonnen hätte, dass die Apriorität des ästhetischen
Urtheils auf der subjectiven Zweckmässigkeit im Zusammenspiel der
Erkenntnissvermögen und damit auf der allgemeinen Mittheilbarkeit des
darauf beruhenden Gefühls, in letzter Instanz somit auf dem _Bewußtsein
überhaupt_ oder dem _übersinnlichen Substrat der Menschheit_ beruht.
In der That findet sich in der Methodenlehre der _Kritik der
praktischen Vernunft_, deren Manuskript im Sommer 1787 abgeschlossen
wurde, bereits folgende Bemerkung: _wie alles, dessen Betrachtung
subjektiv ein Bewußtsein der Harmonie unserer Vorstellungskräfte
bewirkt, und wobei wir unser ganzes Erkenntnißvermögen (Verstand und
Einbildungskraft) gestärkt fühlen, ein Wohlgefallen hervorbringt, das
sich auch andern mittheilen läßt, wobei gleichwohl die Existenz des
Objekts uns gleichgültig bleibt, indem es nur als die Veranlassung
angesehen wird, der über die Thierheit erhabenen Anlage der Talente in
uns inne zu werden_[52]. Ja, diese gedrängte Vorwegnahme wesentlicher
Punkte der Analytik des Schönen steht dort in einem Zusammenhange,
wo auch von der Zweckmässigkeit der Organisation und sogar von
der _Beschäftigung der =Urtheilskraft=, welche uns unsre eigene
Erkenntnißkräfte fühlen läßt_, aber freilich nur in einer Weise die
Rede ist, worin der spätere systematische Zusammenhang höchstens im
Keime erkennbar ist. Für das Verständniss der Gedankenentwickelung,
die Kant zu diesem, ihn selbst überraschenden Ergebniss hat kommen
lassen, besitzen wir keine authentischen Angaben, und wir sind deshalb
auf die Begründungen des Ergebnisses angewiesen, die in der _Kritik
der Urtheilskraft_ selbst enthalten sind. Danach aber ist es klar,
dass die neue Erkenntniss für Kant aus seinen Untersuchungen über die
logische Structur des ästhetischen Urtheils erwachsen ist. Deshalb
ist es für ihn und seine ästhetische Philosophie durchaus wesentlich,
dass die _Analytik des Schönen_ nach dem Schema seiner Kategorienlehre
gegliedert ist, und es ist nicht zu verkennen, dass das entscheidende
Problem, das gerade aus dieser Behandlungsweise herausspringt, in
der Frage besteht, wie mit dem singularen Charakter des ästhetischen
Urtheiles seine Allgemeingiltigkeit vereinbar sei. Diese Fassung des
ästhetischen Problems schliesst sich mit einer zwingenden Analogie
an diejenige erkenntnisstheoretische Unterscheidung, welche Kant
zur Erläuterung seiner Kategorienlehre in den _Prolegomena_ neu
eingeführt hatte: die Unterscheidung des _Wahrnehmungsurtheiles_
und des _Erfahrungsurtheiles_. Die Analogie dieses Verhältnisses zu
demjenigen zwischen den Urtheilen über das Angenehme und das Schöne
nach der Kantischen Auffassung liegt unmittelbar auf der Hand[53].
Dort nun hatte Kant gefunden, dass das singulare _Wahrnehmungsurtheil_
zum _Erfahrungsurtheil_ mit dem Anspruche auf Allgemeingiltigkeit nur
dadurch werden könne, dass als Princip der Begründung eine Kategorie,
d. h. ein Begriff, hinzutritt. Bei dem Schönheitsurtheil dagegen war
diese Begründung durch einen Begriff ausdrücklich auszuschliessen,
und dadurch wurde es für den Philosophen zu einem logischen Problem.
In dem Augenblick, wo Kant in jener subjectiven Zweckmässigkeit
das apriorische Moment entdeckte, welches die Allgemeingiltigkeit
des ästhetischen Urtheiles trotz seiner formalen Singularität und
trotz seiner Unabhängigkeit von Begriffen verstehen liess, musste
ihm die Ästhetik aus dem Bereiche der Psychologie in dasjenige
der Transscendentalphilosophie hinüberrücken. Damit war auch das
dritte Gebiet des Seelenlebens, wie es Kant mit den gleichzeitigen
Eintheilungen von Sulzer, Mendelssohn und Tetens annahm, das Gefühl,
zum Gegenstande der kritischen Methode geworden.

  [52] V 160.

  [53] Diese Analogie ist ausgeführt bei Fr. Blencke, Die
  Trennung des Schönen vom Angenehmen in Kants Kritik der
  aesthetischen Urteilskraft. Leipzig 1889.

Wenn nun auch der Brief an Reinhold vom 28. December 1787 die
Gleichsetzung dieser philosophischen Kritik des Gefühlsvermögens
mit der Teleologie ausspricht, so enthält er andererseits nicht die
geringste Andeutung darüber, dass etwa dieser neuentdeckte Theil der
Philosophie noch andere Probleme enthalten sollte, und er bietet
ganz besonders nicht den geringsten Anhalt dafür, dass irgend ein
Zusammenhang dieser transscendentalen Ästhetik des Schönen mit solchen
Fragen in Aussicht genommen wäre, wie sie sonst und auch von Kant
gleichzeitig als teleologische bezeichnet zu werden pflegten. Die für
die systematische Gesamtgestaltung der _Kritik der Urtheilskraft_
entscheidende Bestimmung und die Beziehung der beiderseitigen Probleme
auf das Grundprincip der reflectirenden Urtheilskraft war somit um
diese Zeit noch nicht gefunden oder wenigstens nicht zu deutlicher
Erkenntniss und Formulirung gelangt. Daher gingen auch die Hoffnungen,
welche Kant am 24. December 1787 brieflich an Marcus Herz über den
baldigen Abschluss seines gesammten philosophischen Hauptwerkes
geäussert hatte[54], nicht in Erfüllung, und es kamen nicht nur
die Rectoratsgeschäfte, von denen er in dem Briefe an Reinhold vom
7. März 1788 spricht[55], und dann die Abfassung der Streitschrift
gegen Eberhard verzögernd dazwischen, sondern hauptsächlich die
Neugestaltung der Probleme, die zuerst darin zum Ausdruck kommt, dass
das Werk in dem Briefe an Reinhold vom 12. Mai 1789 zum ersten Mal
unter dem Titel _meine Critik der Urtheilskraft (von der die Critik
des Geschmacks ein Theil ist)_ für die nächste Michaelismesse in
Aussicht gestellt wird[56]. Jetzt also erst war die Vereinigung der
ästhetischen und der im engeren Sinne teleologischen Probleme unter
dem Princip der Urtheilskraft gelungen: und es fragt sich, wie diese
abschliessende Wendung der Kantischen Philosophie gefunden worden ist.
Die _Urtheilskraft_, von der nun die Rede ist, hat bekanntlich als
die _reflectirende Urtheilskraft_ einen ganz anderen Sinn, als jene
_Urtheilskraft_, von der Kant in der _Kritik der reinen Vernunft_
gehandelt hatte, die dort in der _Analytik der Grundsätze_ als die
_transscendentale Urtheilskraft_ eingeführt und von der eben die
Analytik der Grundsätze die _transscendentale Doctrin_ gebildet hatte.
Dieser _bestimmenden_ Urtheilskraft wird nun die _reflectirende_ als
dasjenige Princip gegenübergestellt, welches die transscendentalen
Bedingungen für die apriorischen Functionen des Gefühlsvermögens
enthalten soll.

  [54] X 486.

  [55] X 505.

  [56] XI 39.

Auch hierbei sind für Kant wesentlich systematische Erwägungen
maassgebend gewesen. Für die drei Gebiete des Seelenlebens, die er
als Vorstellungsvermögen, Gefühlsvermögen und Begehrungsvermögen
unterschied, konnten apriorische Principien, wenn es solche
gab, wiederum nur in den drei Arten des sogenannten oberen
Erkenntnissvermögens gesucht werden. Diese aber waren Verstand,
Urtheilskraft und Vernunft. Die Principien apriorischer Erkenntniss
hatte er im Verstand, d. h. in den Kategorien und den Grundsätzen,
diejenigen des Begehrungsvermögens oder des reinen Willens nach den
Untersuchungen der _Kritik der praktischen Vernunft_ in der »Vernunft«
im engeren Sinne des Wortes gefunden. So blieb für ein Apriori des
Gefühls, wenn es ein solches geben sollte, nur die Urtheilskraft als
Quelle übrig. Diese Function aber konnte die Urtheilskraft nicht in
Gestalt der Bedeutung übernehmen, welche sie in der _transscendentalen
Deduction der reinen Verstandesbegriffe_ als die Unterordnung der Daten
der Sinnlichkeit unter die Kategorien besass. Vielmehr musste in diesem
Falle eine ganz andersartige Function der Urtheilskraft angenommen
werden. Im Allgemeinen sah Kant das Wesen der Urtheilskraft darin, die
Unterordnung des Besonderen unter ein Allgemeines zu vollziehen[57]. Wo
diese Unterordnung so erfolgt, dass die Specification des Allgemeinen
zum Besonderen als eine begriffliche Nothwendigkeit eingesehen
werden kann, da haben wir es mit der bestimmenden Urtheilskraft
als einem transscendentalen oder empirischen Vermögen zu thun: die
transscendentale Urtheilskraft hatte Kant in diesem Sinne in der
transscendentalen Analytik als die Subsumption der Sinnlichkeit unter
die Kategorien vermöge des _Schematismus der reinen Verstandesbegriffe_
dargelegt. Nun hatte Kant gefunden, dass die Nothwendigkeit und
Allgemeingiltigkeit, welche das ästhetische Urtheil für sich in
Anspruch nimmt, auf der subjectiven Zweckmässigkeit der Form des
Gegenstandes für das Zusammenspiel der Erkenntnisskräfte, Sinnlichkeit
und Verstand, niemals aber auf Begriffen beruht. Hier zeigte sich also
eine Art der Urtheilskraft, worin der vorgestellte Gegenstand nicht
mehr für die Erkenntniss auf allgemeine Begriffe, sondern vielmehr für
das Gefühl auf ein Princip der Zweckmässigkeit in allgemeingültiger
Weise bezogen wurde. So entdeckte Kant das Princip einer Urtheilskraft
ohne allgemeine Begriffe, und diese nannte er die reflectirende
Urtheilskraft, in welcher das Allgemeine, worunter das Besondere
subsumirt werden soll, nicht in Begriffen gegeben ist, sondern erst
gesucht werden muß[58]. Damit war einerseits der Weg gefunden, Gefühle,
wie die der Lust und Unlust, die im Allgemeinen durchaus empirischen
Characters sind, auf die reflectirende Urtheilskraft zu beziehen und
ihnen damit den apriorischen Character zu gewinnen, andererseits aber
auch die Möglichkeit gegeben, im Bereiche der Erkenntnissthätigkeit
überall da, wo die Unterordnung des Besonderen unter das Allgemeine
in der Form der bestimmenden Urtheilskraft unmöglich war, die
Betrachtung der reflectirenden Urtheilskraft für sie eintreten zu
lassen. Wenn die synthetische Einheit des Mannigfaltigen durch die
begriffliche Function der bestimmenden Urtheilskraft nicht einzusehen
ist, so kann an ihre Stelle die reflectirende mit dem Princip der
Unterordnung des Mannigfaltigen unter einen einheitlichen Zweck
treten. Unter diesem Gesichtspunkte konnte die Zweckmässigkeit der
organischen Naturproducte, deren Nothwendigkeit aus den begrifflichen
Voraussetzungen des causalen Mechanismus nicht zu verstehen war, von
der reflectirenden Urtheilskraft angesehen werden. Insbesondere aber
eignete sich dieses Princip zur Ergänzung von Kants Bemühungen um die
Metaphysik der Natur. Denn wenn in dieser die Ableitung des Besonderen
aus dem Allgemeinen, die Specification des Allgemeinen zum Besonderen
auf dem begrifflichen Wege der bestimmenden Urtheilskraft unmöglich
war, wenn deshalb die besonderen Erscheinungen und Gesetzmässigkeiten
der Natur im Sinne einer begrifflich erkennbaren Nothwendigkeit
zufällig blieben, so konnte die synthetische Einheit der Erscheinungen,
die wir als Natur denken, nach dem Princip der reflectirenden
Urtheilskraft als ein zweckmäßiges Ganzes betrachtet werden.

  [57] Vgl. _Kritik der reinen Vernunft_ III 131: _so ist
  Urtheilskraft das Vermögen unter Regeln zu subsumiren_.

  [58] Vgl. _Kritik der reinen Vernunft_ III 429, wo der
  _apodiktische und constitutive Gebrauch der Vernunft_ in
  diesem Sinne von dem _problematischen_ und _regulativen_
  unterschieden wird.

Den springenden Punkt für die Beziehung des Gefühlsvermögens auf die im
engeren Sinne sogenannten teleologischen Probleme müssen wir deshalb
wiederum in logisch-erkenntnisstheoretischen Problemen allgemeinster
Art suchen. Denn von der Auffassung der nachher sogenannten objectiven
Zweckmässigkeit der organischen Wesen führt zu der sogenannten
subjectiven Zweckmässigkeit in dem Zustande des Gemüthes, der das
ästhetische Urtheil begründet, kein directer Weg. Das Zwischenglied,
das die letzte Vereinheitlichung in den Gedanken der kritischen
Philosophie vermittelt hat, liegt vielmehr bei denjenigen Überlegungen,
welche Kant als das Problem der _Specification der Natur_ bezeichnet
hat. Es ist die Frage, wie weit aus den Grundsätzen des reinen
Verstandes, die zugleich die allgemeinen Gesetze sind, welche nach der
_transscendentalen Deduction der reinen Verstandesbegriffe der Verstand
der Natur vorschreibt_, sich die besonderen Naturgesetze deduciren
lassen. Diese Frage blieb für Kant, nachdem er in den _metaphysischen
Anfangsgründen der Naturwissenschaft_ durch die Combination der
kategorialen Grundsätze mit mathematischen Principien bereits weiter
in die Besonderheit des Systems der Naturgesetze eingedrungen war,
ein systematisches Hauptinteresse, und er hat an ihrer Beantwortung
bekanntlich in seinem Alter mit unermüdlich erneuten Versuchen
gearbeitet, die in dem hinterlassenen Manuscript über den _Übergang aus
der Metapyhsik in die Physik_ niedergelegt sind. Dass ihn dies in der
Zeit der Entstehung der _Kritik der Urtheilskraft_ beschäftigte, sehen
wir aus dem Briefe an Marcus Herz, wo er am 26. Mai 1789 schreibt:
_mir, der ich in meinem 66^sten Jahre noch mit einer weitläuftigen
Arbeit meinen Plan zu vollenden (theils in Lieferung des letzten Theils
der Critik, nämlich dem der =Urtheilskraft=, welcher bald herauskommen
soll, theils in Ausarbeitung eines =Systems= der Metaphysik, der Natur
sowohl als der Sitten, jenen critischen Forderungen gemäß,) beladen
bin[59]._ Er erkennt also die _metaphysischen Anfangsgründe der
Naturwissenschaft_ noch nicht als Metaphysik der Natur an, ebenso wenig
wie die _Kritik der praktischen Vernunft_ als _Metapyhsik der Sitten_.
Die Herleitung der besonderen Naturgesetze aus den transscendentalen
Principien erkannte er aber damals noch mit vollkommen kritischer
Schärfe als eine Unmöglichkeit, und er fand hier nur den Ausweg
der teleologischen Betrachtung, wonach die Zusammenstimmung aller
einzelnen, der empirischen Erkenntniss zugänglichen Gesetzmässigkeiten
zu einem einheitlichen System der Erfahrung als die Zweckmässigkeit der
Natur für die Erkenntnissthätigkeit angesehen werden sollte. Das ist
der Grundgesichtspunkt der teleologischen reflectirenden Urtheilskraft,
welcher diese mit der ästhetischen reflectirenden Urtheilskraft in
unmittelbare Analogie treten liess. Daher handelt es sich auch in
den beiden Einleitungen in die _Kritik der Urtheilskraft_ — sowohl
in derjenigen, welche Kant schliesslich an die Spitze des Werkes
gestellt hat, als auch in derjenigen, von der wir nur die Auszüge von
Sigismund Beck kennen —, wo von den teleologischen Problemen die Rede
ist, nicht in erster Linie um die Frage nach der Zweckmässigkeit der
Lebewesen, sondern vielmehr principiell zunächst um das Problem der
Einheit der Natur als eines Systems der Erfahrung. In demselben Sinne
gliedert sich auch für die Einleitung der _Kritik der Urtheilskraft_
das Princip der _formalen Zweckmäßigkeit der Natur_ mit den Abschnitten
VII und VIII in die _ästhetische Vorstellung von der Zweckmäßigkeit
der Natur_ und die _=logische= Vorstellung von der Zweckmäßigkeit der
Natur_. Offenbar liegt dabei das aus der _Kritik der reinen Vernunft_
bekannte Eintheilungsschema von Ästhetik und Logik zu Grunde und wird,
wie dort auf die Erkenntniss a priori, so hier auf die apriorische
Betrachtung der reflectirenden Urtheilskraft bezogen. Aber das
Gemeinsame für beide Theile bleibt die Vernunftnothwendigkeit einer
formalen Zweckmässigkeit der Natur. Dies war der neue Grenzbegriff, den
Kant in der Durchführung der kritischen Metaphysik auf dem Boden der
_Kritik der reinen Vernunft_ entdeckte, und so mussten die ästhetische
und die teleologische Problemreihe miteinander auf das Princip der
reflectirenden Urtheilskraft convergiren.

  [59] XI 49.

Nachdem auf diese Weise unter einem völlig neuen Gesichtspunkte
der systematische Rahmen für das neue Werk gefunden war, konnte
die Ausarbeitung verhältnissmässig schnell alle die besonderen
Untersuchungen zusammenfassen, welche Kant zum grossen Theil im
Anschluss an seine Vorlesungen über die ästhetischen und über die
teleologischen Probleme im Einzelnen schon fortwährend angestellt
hatte. Das Wesentliche der principiellen Entwickelung bildete die
Einsicht in den Zusammenhang zwischen dem Gefühlsvermögen und der
reflectirenden Urtheilskraft: nachdem Kant gefunden hatte, dass es die
letztere ist, welche für das erstere die Begründung der Apriorität
ihrer ästhetischen Functionen im Schönen wie im Erhabenen abgiebt,
musste der Theorie des ästhetischen Urtheils diejenige des im engeren
Sinne teleologischen Urtheils an die Seite gestellt werden, weil
auch diese darauf hinauslaufen muss, seine Begründung in der von der
reflectirenden Urtheilskraft bestimmten Betrachtung der Natur als
eines zweckmässigen Systems der Erfahrung darzulegen. Die so überaus
wirkungsvolle Zusammenfassung der Probleme des organischen Lebens
und der Kunst hat sich also unter dem den letzten Abschluss der
Kantischen Weltanschauung bestimmenden Gedanken von der Einheit des
Systems der Erfahrung als eines zweckmässigen Ganzen vollzogen. In
den ursprünglichen Voraussetzungen der Kantischen Erkenntnisslehre
mit ihrer scharfen Sonderung von Form und Stoff lag es begründet,
dass der gegebene Inhalt der Erfahrung den synthetischen Formen des
Erkenntnissvermögens gegenüber in letzter Instanz etwas Zufälliges
bleiben musste und dass seine Formbarkeit durch Kategorien, seine
Subsumirbarkeit unter die Grundsätze eine unbegreifliche, »glückliche«
Thatsache bildete, die einen Charakter der Nothwendigkeit nicht mehr
für die begriffliche Einsicht, sondern nur noch für die teleologische
Betrachtung erhalten konnte: von diesem Verhältniss aus gesehen, bildet
die _Kritik der Urtheilskraft_ eine ebenso unerlässliche Ergänzung für
die _Kritik der reinen Vernunft_, wie sie nach einer andern Richtung
durch die _Kritik der praktischen Vernunft_ von Kant gegeben ist. So
hat die Gedankenarbeit des 9. Jahrzehnts vollendet, was in der des 8.
Jahrzehnts begonnen worden war.

Nachdem Kant diese Gedankenzusammenhänge zu ihrem systematischen
Abschluß gebracht hatte, ist die Abfassung der _Kritik der
Urtheilskraft_, wie es scheint, verhältnissmässig schnell von statten
gegangen. Wegen des Verlages hatte Kant mit dem Berliner Buchhändler
de la Garde abgeschlossen. Der Sohn seines alten Verlegers, Johann
Friedrich Hartknoch in Riga, dem Kant auf seine Bitte um den Verlag
der _Kritik des schönen Geschmacks_, (vgl. dessen Brief vom 15./26.
August 1789)[60] eine unbestimmte Zusage ertheilt hatte, war davon, wie
sein Brief vom 9./20. October 1790 zeigt[61], schmerzlich überrascht.
Die Wahl Kants scheint durch Rücksichten auf die Leistungsfähigkeit
des Verlags hinsichtlich der Schnelligkeit der Herstellung und der
Sicherheit des Betriebes veranlasst gewesen zu sein: denn er schreibt
an seinen Schüler Kiesewetter, den er de la Garde als Corrector
empfohlen hatte (Brief an de la Garde vom 15. October 1789 und von
Kiesewetter vom 19. November 1789)[62] bei Gelegenheit der Absendung
des ersten Theils des Manuscriptes am 21. Januar 1790, es solle,
falls de la Garde das Werk nicht bis zur Ostermesse fertig zu bringen
vermöchte, Kiesewetter Verhandlungen mit einem andern Buchhändler,
Himburg, einleiten[63]. An de la Garde schreibt er an demselben Tage,
mit der Zusendung des Manuscripttheils: _Die erste und vornehmste
Bedingung, unter der ich Ew: Hochedelgeb. dieses +Mcrpt.+ zu Ihrem
Verlage übergebe, ist: daß es zur rechten Zeit auf der nächsten Leipz.
Ostermesse fertig geliefert werde. Sollten Sie dieses zu leisten
sich nicht getrauen, so bitte es an Hrn. +Kiesewetter+ zu melden,
der hierüber von mir einen Auftrag bekommt. Allein ich hoffe: daß es
doch irgend eine Presse in Berlin oder dem benachbarten Sachsen geben
wird, welche in 14 Tagen 5 Bogen drucken wird, dadurch denn der Druck
ganz zeitig vollendet seyn kann. Da ich aber nicht zweifle: daß Sie
einen solchen Buchdruker in Berlin antreffen werden, so wiederhole
meine Empfehlung, den Hrn. +Kiesewetter+ zum +Corrector+ zu brauchen,
den Sie dann auch dafür so reichlich als für dergleichen Arbeit nur
zu geschehen pflegt, zu bezahlen belieben werden[64]._ Die Briefe
Kiesewetters und de la Gardes vom 29. Januar 1790[65] zeigen, dass
Verleger und Corrector die Wünsche Kants auf das eifrigste zu befolgen
begannen. Kant liess dann am 9. Februar eine zweite Manuscriptsendung
an de la Garde abgehen, wonach vom Text nur noch ein kleiner Rest
ausstand[66]. Er zeigte in dem weiteren Briefwechsel mit dem Verleger
und dem Corrector[67] eine rührende Bescheidenheit in der Bekundung
seiner Zufriedenheit über die Ausstattung und die Drucklegung des
Buches. Der Corrector hatte dabei, wie sein Brief vom 3. März 1790
beweist, mancherlei Verlegenheiten zu überwinden: »es sind nämlich
Stellen im Manuscript, die offenbar den Sinn entstellende Schreibfehler
enthalten, und wo ich mich genöthigt gesehen habe zu ändern.« Wir
erfahren dabei auch, dass er »bei der Correctur vom 2^ten bis
6^ten Bogen krank war, und also ein anderer[68], der dem Manuscripte
treulich folgte, die Correctur übernahm«. Dabei sei es zu seinem
grössten Ärger gekommen, dass zwei den Sinn entstellende Fehler
stehen blieben, die unter den Errata aufgeführt werden sollten[69].
Am 9. März 1790 hat dann Kant (vgl. Brief an de la Garde)[70] den
Rest des Textes im Manuscript an den Verleger abgeschickt und Vorrede
und Einleitung für das Ende der Passionswoche in Aussicht gestellt.
Die letztere Zusicherung wurde sodann am 22. März erfüllt (vgl. den
Brief an de la Garde vom 25. März 1790)[71]. Zugleich giebt Kant die
Adressen für seine Dedikations-Exemplare an, deren Zusammenstellung
nicht uninteressant ist: Graf von Windisch-Grätz in Böhmen, Geheimerath
Jacobi in Düsseldorf, Professor Reinhold in Jena, Professor Jacob in
Halle, Professor Blumenbach in Göttingen, ferner Geheimer Finanzrath
Wloemer in Berlin, D. Biester, Kiesewetter, D. u. Prof. Hertz[72].
Inzwischen hatte Kant, wie aus dem Brief an Kiesewetter vom 20.
April 1790[73] zu ersehen, einen Theil der Probebogen durchgesehen,
aber er schreibt darüber: _Ich fing an sie durchzugehen, (wegen der
Druckfehler) aber es war mir nachgerade verdrieslich und schob es
also auf, bis ich mehr derselben bekommen haben würde, um es auf
einmal abzumachen._ Er legt dann _einen Aufsatz von den gefundenen
Druckfehlern, auch einen Auslassungsfehler, bey, welche vielleicht noch
dem Werke angehängt werden können_, und spricht dann des Näheren über
einen Schreibfehler, der bei einer Überschrift untergelaufen war. Jenes
freilich sehr wenig sorgfältige Druckfehlerverzeichniss ist dann der
ersten Auflage des Werkes beigefügt worden, die rechtzeitig nach Kants
Wunsch zur Ostermesse 1790 erschien.

  [60] XI 71.

  [61] XI 217.

  [62] XI 95 u. 106.

  [63] XI 121.

  [64] XI 122f.

  [65] XI 124 u. 126.

  [66] XI 129f.

  [67] Vgl. XI 141, 193, 383.

  [68] Dieser »andere« war vermuthlich Friedr. Gentz, der wie
  aus seinem jetzt veröffentlichten Briefwechsel (Briefe von
  und an F. v. Gentz, herausgegeben von Fr. Karl Wittichen, I,
  München und Berlin 1909) hervorgeht, bei der ersten Auflage
  der _Kritik der Urtheilskraft_ die zweite Correctur gelesen
  hat und sich in einem Briefe an Garve (5. Dec. 1790, vgl. das.
  I 182) rühmt, dabei einige tausend Druckfehler weggeschafft zu
  haben.

  [69] XI 136.

  [70] XI 140f.

  [71] XI 142f.

  [72] Dazu sind nach dem Verzeichniss in de la Gardes Brief vom
  22. Mai 1790 (XI 172) noch Salomon Maimon und Prof. Michelsen
  gekommen.

  [73] XI 151f.

Mit dem Absatz des Buches war, wie Kiesewetter schon im Mai 1790
an Kant berichtete[74], der Verleger so zufrieden, dass er für das
folgende Jahr schon eine neue Auflage in Aussicht nahm. Auch de la
Garde bestätigt dies in dem Briefe vom 22. Mai 1790[75]. Indessen
kam es nicht so bald zur zweiten Auflage. Kant fragte am 2. September
und nochmals am 19. October 1790[76] bei dem Verleger an, bis wann er
spätestens seine Verbesserungen für die neue Auflage einzusenden habe.
Die Antwort darauf (Briefsammlung 427a) ist nicht erhalten, sie muss,
wie wir aus dem Briefe von de la Garde vom 5. Juli 1791 ersehen[77],
dahin gelautet haben, dass die neue Auflage bis zum Sommer 1791 Zeit
habe; nunmehr schreibt de la Garde, dass er nach der Michaelmesse
den Druck beginnen möchte und schickt ein durchschossenes Exemplar,
dessen Empfang Kant unter dem 15. August 1791 quittirt. Die Bitte der
Verlegers, die Verbesserungen bis zu Ende October zu erhalten, hat
Kant nach seinem Briefe vom 28. October 1791 nicht erfüllen können:
_da ich nothwendig meine ganze Zeit ununterbrochen dem Durchdenken der
hier abgehandelten Sachen widmen muß, welche ich aber im vergangenen
Sommer bis in den October hinein, durch ungewohnte Amtsgeschäfte und
auch manche litterärische unvermeidliche Zerstreuungen abgehalten,
nicht habe gewinnen können[78]._ Er bat damals um Aufschub nur
bis Ende November, theilte dann aber — wie sich de la Garde dazu
stellte, wissen wir nicht, da seine Antwort (Briefsammlung Nr. 463a)
nicht erhalten ist — erst am 30. März 1792 dem Verleger mit, dass
er das corrigirte Exemplar bald nach Ostern _zu überschicken bedacht
seyn werde_[79]. In der That ist dies, wie der Brief vom 12. Juni
besagt,[80] am 10. Juni geschehen. Die Correctur zur Einleitung
freilich kam erst am 2. October 1792, und Kant bemerkte dabei: _Auf
den Titel den Ausdruck: zweyte =Verbesserte= Ausgabe zu setzen, halte
ich nicht für schicklich, weil es nicht ganz ehrlich ist; denn die
Verbesserungen sind doch nicht wichtig genug, um sie zum besonderen
Bewegungsgrunde des Ankaufs zu machen: deshalb ich jenen Ausdruck auch
verbitte[81]._ Was die letztere Frage angeht, so war Kant, nachdem ihm
de la Garde unter dem 2. November 1792 bedauernd mitgetheilt hatte,
dass im Messkatalog schon »zweite verbesserte Auflage« stehe[82],
auch damit einverstanden, weil es im Grunde wenig zu bedeuten habe.
Er schrieb darüber am 21. December 1792: _Unwahr ist es wenigstens
nicht, wenn es mir gleich ein wenig prahlend zu seyn schien[83]._
Auf dem Titel des Buchs ist aber dann der Zusatz »verbesserte« doch
fortgefallen. Jedenfalls aber konnte Kant schon am 4. Januar 1793
dem Verleger für das _herrlich gebundene Exemplar_ der neuen Auflage
seinen Dank abstatten[84]. Die Änderungen, die Kant für die zweite
Auflage selbst gemacht hat, lassen sich schwer und auf jeden Fall nur
hypothetisch von denjenigen unterscheiden, zu welchen offenbar, wie
Kiesewetter bei der ersten Auflage, der Berliner Corrector auch jetzt
freie Hand hatte. Wer aber in diesem Falle der Corrector gewesen ist,
lässt sich nicht mit voller Sicherheit feststellen. Dass es wieder
Kiesewetter gewesen sein sollte, ist nicht anzunehmen, einerseits weil
sich in der fortlaufenden Correspondenz mit diesem nichts darüber
findet, andrerseits weil zwischen ihm und Kant wegen der Logik
Kiesewetters eine vorübergehende Verstimmung eingetreten war (vgl.
Brief von Kiesewetter 3. Juli 1791, von de la Garde 5. Juli 1791, von
Kant 2. Aug. 1791); der Briefwechsel mit Kiesewetter wird dann erst am
15. Juni 1793 von diesem wieder aufgenommen, nachdem ihm Kant durch
die Zusendung einer Schrift — der _Religion innerhalb der Grenzen der
bloßen Vernunft_ — entgegengekommen war. Dagegen ist es im höchsten
Maasse wahrscheinlich, dass der Corrector der zweiten (und ebenso der
dritten) Auflage Fr. Gentz gewesen ist. Dessen bisher veröffentlichter
Briefwechsel giebt zwar direct nur über seine Mitwirkung bei der
Correctur der ersten Auflage Aufschluss. Aber wie er schon diese
wesentlich auch aus Liebe zu seiner »alten Pflegemutter, der Kantischen
Philosophie« (er war Kant's Zuhörer gewesen[85]) übernommen hatte[86],
so las er auch das Werk zum zweiten Male aus sachlichem Interesse und
dabei auch zugleich mit Rücksicht auf die Druckfehler, deren noch immer
viele übrig geblieben seien. Er erwähnt dabei die Erforderlichkeit der
neuen Auflage, zu der aber — 5. Dec. 1790 — noch keine Anstalten
gemacht seien. Da nun ferner der Buchhändler de la Garde sein »sehr
vertrauter Freund und Verwandter« war[87], da auch seine finanziellen
Verhältnisse dauernd derart waren, dass ihm eine solche Nebenarbeit
willkommen sein musste, so spricht alles dafür, in ihm den bisher
vergebens gesuchten Corrector der zweiten (und dritten) Auflage zu
sehen: und wenn die Herausgeber immer die Hand dieses Correctors gerade
in der Vermeidung sprachlicher Härten und der Abrundung des Ausdrucks
glücklich gefunden haben, so stimmt es dazu, dass es die eines
Stilisten ersten Ranges wie Friedr. Gentz gewesen ist.

  [74] XI 161.

  [75] XI 172. Vgl. Gentz an Garve am 5. Dec. 1790 (Briefe von
  und an Gentz I 182).

  [76] XI 193f. u. 216f.

  [77] XI 257f.

  [78] XI 288.

  [79] XI 317.

  [80] XI 327.

  [81] XI 359.

  [82] XI 369.

  [83] XI 383.

  [84] XI 389.

  [85] Vgl. den Brief seines Vaters an Kant (X, 294) und dessen
  Aeusserung an Mendelssohn (X, 322), sowie den Brief von Fr.
  Gentz an Kant (X, 346).

  [86] Briefe von und an Gentz I, 156.

  [87] Ibid. 159.

Noch eine dritte Auflage des Werks ist bei Kants Lebzeiten im Jahre
1799 bei de la Garde erschienen. Allein über diese schweigen die
brieflichen Nachrichten vollständig. Aus der Correspondenz mit de la
Garde und mit Kiesewetter ist nichts erhalten, was mit dieser neuen
Auflage in Zusammenhang stünde. Selbst der Versuch, darüber in dem
ungedruckten Briefwechsel zwischen de la Garde und dem Kriegsrath
Scheffner Auskunft zu finden, hat nur ergeben, dass de la Garde am 4.
August 1798 (Briefwechsel Nr. 773a) an Kant eine Anweisung für das
Honorar der dritten Auflage der Kritik schickte und dabei meinte,
Kant solle wohl sich seines Versprechens erinnern und ihm von seinen
Werken wenigstens eines noch zukommen lassen; und weiterhin findet
sich in dem Briefe vom 30. September 1798 eine Bemerkung über die,
wie es scheint, nicht eben freundliche Art, in der Kant, vielleicht
unter dem Druck seines körperlichen Zustandes, die Verbindung mit
dem Verleger abgebrochen hatte: »Was Sie mir von Kant sagen, erklärt
freilich in etwas sein sonderbares Benehmen gegen mich. Gleich nach
meiner Rückkunft aus Paris überschickte ich ihm das Honorarium der
dritten Auflage seiner Kritik und dankte bei der Gelegenheit für die
freundschaftliche Äußerungen gegen Vg. (Vieweg) ferner noch Geschäfte
mit mir machen zu wollen. Als ich nach zwei Monat keine Antwort von ihm
erhielt, bat ich ihn, mir wenigstens der Ordnung wegen den Empfang des
Geldes anzuzeigen, allein hierauf hat er bis jetzt mit keiner Sylbe
geantwortet. Er scheint zu glauben, dass mein Dank eine Aufforderung
enthält, von seinem jetzigen Verleger abzugehen. Dadurch würde er
nun wohl freylich sein Versprechen erfüllen, allein mich nicht so
sehr beglücken, da ich mehr Verlagsprojecte habe als meine Kräfte es
erlauben in 3 Jahren zu bestreiten.«

Die dritte Auflage stimmt zwar in der Seitenzahl und in der Abtheilung
der Seiten mit der zweiten durchgängig überein, ist aber doch nicht,
wie man wohl gemeint hat, ein unveränderter Abdruck davon, sondern
zeigt wiederum eine Anzahl sprachlicher Veränderungen und gelegentlich
auch eine sachliche Abweichung, — Änderungen, die sich stilistisch in
der Richtung derjenigen der zweiten Auflage bewegen. Es ist deshalb
nicht unwahrscheinlich, obwohl in keiner Weise bezeugt, dass hier
derselbe Corrector, also vermuthlich Gentz, mitgewirkt hat, wie bei der
zweiten Auflage, und dass er wiederum dazu freie Hand hatte.

Was wir somit von der Geschichte des Drucks der drei Auflagen wissen,
lässt es als ausgeschlossen erscheinen, mit Sicherheit eine Form
des Werkes herzustellen, die in jeder Hinsicht auf Kants eigene
Textprüfung zurückginge. Schon bei der ersten Auflage haben Kiesewetter
und gelegentlich der andere Corrector ihre Hand im Spiele gehabt;
bei der zweiten gehen zweifellos die bedeutsamsten Textänderungen
auf Kants durchschossenes Exemplar zurück, aber es sind auch die
stilistischen Ausfeilungen durch Gentz als den wahrscheinlichen
Corrector hinzugekommen; bei der dritten endlich haben wir keinen
Grund zu der Annahme, dass Kant bei den Änderungen direct mitgewirkt
hätte, wohl aber zu der Voraussetzung, dass der Philosoph wiederum
seine allgemeine Einwilligung zu den Änderungen gegeben hat, welche der
Corrector vornahm. Über das Verhältniss der drei Texte zu einander hat
Benno Erdmann in seiner Sonderausgabe der _Kritik der Urtheilskraft_
(1880) eine vergleichende Untersuchung von so umfassender Sorgfalt
gemacht, dass darauf hier verwiesen werden muss. Für die vorliegende
Ausgabe ist im allgemeinen auf Grund der dargelegten Verhältnisse der
Text der zweiten Auflage (A^2) zu Grunde gelegt worden als derjenigen,
bei der Kant selbst noch in nachweisbarer Weise, wenn auch nicht
allein mitgewirkt hat. Doch erwies es sich als zweckmässig und unter
Umständen als erforderlich, gewisse Änderungen der dritten Auflage für
welche ja die Legitimation von Seiten Kants schliesslich auch soweit
reicht, wie für viele der Änderungen der zweiten Auflage, an denjenigen
Stellen einzusetzen, wo sie offenbare Verbesserungen des Ausdrucks oder
Erleichterung des Verständnisses bedeuteten.

DRUCKE: 1. _Critik der Urtheilskraft von Immanuel Kant. Berlin und
Libau, bey Lagarde und Friederich, 1790._

2. _— — Zweyte Auflage. Berlin, bey F. T. Lagarde. 1793._

3. _— — Dritte Auflage. Berlin, bey F. T. Lagarde. 1799._ (2 Drucke.)

Es erschienen ausserdem noch drei NACHDRUCKE:

1. _— — Frankfurt und Leipzig 1792._

2. _— — Neueste Auflage. Frankfurt und Leipzig 1794._

3. _— — Neueste, mit einem Register vermehrte Auflage. 2 Bde. Grätz
1797._


Sachliche Erläuterungen.

168{9.10} _sicheren alleinigen Besitz_] Der überlieferte Text
_sicheren, aber einigen Besitz_ ist verständlich, wenn man _einigen_
im Sinne von _einzigen_ nimmt, macht jedoch mit dem _aber_ eine
Schwierigkeit, die Erdmann zu heben suchte, indem er statt aber: _oder_
conjicirte. Auch dies jedoch ist sachlich nicht ohne Bedenken, und
deshalb wurde die Schwierigkeit durch _alleinigen_ zu umgehen gesucht.

178{18} (O mihi praeteritos, etc.)] Vergil Aen. VIII 560, der Vers
lautet vollständig: O mihi praeteritos referat si Juppiter annos.

204{32} _Irokesische =Sachem=_]. Sachem bedeutet eine Art von Häuptling
oder Friedenshäuptling: vgl. »Kantstudien« Bd. I, S. 155 f. Die von
Kant mitgetheilte Anecdote beruht, wie P. Menzer gefunden hat, auf
einer Stelle bei Charlevoix, histoire et description générale de la
Nouvelle-France. III S. 322. Paris 1744. »Des Iroquois, qui en 1666
allèrent à Paris, et à qui on fit voir toutes les maisons royales et
toutes les beautés de cette grande ville, n'y admirèrent rien, et
auraient préféré les villages à la capitale du plus florissant royaume
de l'Europe, s'ils n'avaient pas vu la rue de la Huchette, où les
boutiques des rotisseurs, qu'ils trouvaient toujours garnies de viandes
de toutes les sortes, les charmèrent beaucoup.«

224{28} _(woran ich doch gar nicht zweifle)_] Da die beiden ersten
Auflagen in dieser Klammer schreiben: _woran ich doch gar sehr
zweifle_, so lag hier ein Punkt totaler sachlicher Verschiedenheit
vor. Denn dass in der dritten Auflage das _nicht_ an die Stelle des
_sehr_ getreten ist, kann unmöglich nur die Sache eines Druckfehlers
sein. Diese Änderung der dritten Auflage, die vermuthlich auf deren
Corrector zurückgeht und die in den Text dieser Ausgabe aufgenommen
ist, entspricht nämlich durchaus der Stellung, welche Kant zu den
dort berührten Fragen eingenommen hat. An der Eulerschen Theorie,
der Undulationstheorie des Lichts, hat Kant, wie namentlich schon
eine Stelle in seiner Promotionsschrift +De igne+ zeigt, in der That
nicht gezweifelt. Er nennt diese Theorie dort (+Sectio+ II, +Prop.+
VIII; I, 378): +hypothesin naturae legibus maxime congruam et nuper
a clarissimo Eulero novo praesidio munitam+. In den _Metaphysischen
Anfangsgründen der Naturwissenschaft_ behandelt er (2. Hauptst. Lehrs.
8 Anm. 1 Note IV, 520) Eulers Hypothese mit entschiedener Zustimmung
und sucht die ihr aus der nur geradlinigen Fortpflanzung des Lichts
erwachsende Schwierigkeit auf eine _gar wohl vermeidliche mathematische
Vorstellung der Lichtmaterie_ zurückzuführen: vgl. daselbst 520, 21ff.
Auch die Wendung in der Anthropologie § 19 (VII, 156{4}) kann nicht
als eine Concession an die Emissionstheorie des Lichtes angesehen
werden. Jedenfalls hat Kant in der _Kritik der Urtheilskraft_ überall
Licht und Schall in Bezug auf die beiden »höheren« Sinne nach dieser
Richtung durchaus parallel behandelt. Vgl. z. B. § 42 S. 302{7}
oder § 51 S. 324{17} und 324{31}. Aber auch, was das Wichtigere
und wesentlich Bedeutsame ist, die ästhetische Verwendung dieser
physicalisch-physiologischen Theorie, wonach die reinen Farben wie
die reinen Töne nicht bloss eine Wirkung auf den _Sinn_, sondern
eine _Reflexion_ auf das regelmässige Spiel der Eindrücke enthalten,
ist von Kant überall ausdrücklich bejaht worden. Zwar führt er die
eingehendere Erwägung dieser Frage im § 51, 3 (S. 324{20}f.) mit der
Bemerkung ein, man könne nicht recht ausmachen, ob die Besonderheit
der Ton- und Farbenempfindung den Sinn oder die Reflexion zum Grunde
habe, — man könne nicht mit Gewissheit sagen, _ob eine Farbe oder ein
Ton bloß angenehme Empfindungen, oder an sich schon ein schönes Spiel
von Empfindungen sei und als ein solches ein Wohlgefallen an der Form
in der ästhetischen Beurtheilung bei sich führe_. Aber seine weiteren
Ausführungen lauten dann ausdrücklich: _So möchte man sich genöthigt
sehen, die Empfindungen von beiden nicht als bloßen Sinneneindruck,
sondern als die Wirkung einer Beurtheilung der Form im Spiele vieler
Empfindungen anzusehen._ Daraus folgt ihm dann, dass die Musik als
schöne Kunst und zwar als ein _schönes Spiel der Empfindungen durch
das Gehör_ erklärt werden soll: und dasselbe gilt nach dem Eingange
des Abschnitts für die Farbenkunst. Damit wird ausdrücklich bejaht,
woran Kant nach der Lesart der ersten und zweiten Auflage an dieser
Stelle _gar sehr_ gezweifelt haben soll. Ebenso aber heisst es § 42 S.
302{8}f. von Licht und Schall: _diese sind die einzigen Empfindungen,
welche nicht bloß Sinnengefühl, sondern auch Reflexion über die Form
der Modificationen der Sinne verstatten_. Und weiterhin (329{4}f.)
sagt Kant bei Behandlung der Tonkunst hinsichtlich der proportionirten
Stimmung, _welche, weil sie bei Tönen auf dem Verhältniß der Zahl
der Luftbebungen in derselben Zeit, sofern die Töne zugleich oder
auch nacheinander verbunden werden, beruht, mathematisch unter
gewisse Regeln gebracht werden kann: An dieser mathematischen Form,
obgleich nicht durch bestimmte Begriffe vorgestellt, hängt allein
das Wohlgefallen, welches die bloße Reflexion über eine solche Menge
einander begleitender oder folgender Empfindungen mit diesem Spiele
derselben als für jedermann gültige Bedingung seiner Schönheit
verknüpft; und sie ist es allein, nach welcher der Geschmack sich ein
Recht über das Urtheil von jedermann zum Voraus auszusprechen anmaßen
darf._ Selbst wenn es also, wie vermuthlich, der Corrector der dritten
Auflage sein sollte, auf den die Ersetzung des gar sehr durch das
gar _nicht_ zurückgeht, und selbst wenn die von ihm mit Anschluss an
den früheren Text eingesetzte Form einen etwas zu starken Ausdruck
hergestellt hätte, so entspricht doch die Änderung der von Kant in dem
Werke durchgängig vertretenen Ansicht derart, dass ihre Aufnahme in den
Text nicht nur berechtigt, sondern auch erforderlich schien.

315{33}f. Die Verse lauten im Original:

    »Oui, finissons sans trouble, et mourons sans regrets,
    En laissant l'Univers comblé de nos bienfaits.
    Ainsi l'Astre du jour, au bout de sa carrière,
    Répand sur l'horizon une douce lumière,
    Et les derniers rayons qu'il darde dans les airs
    Sont ses derniers soupirs qu'il donne à l'Univers.«

Sie finden sich am Schlusse der Epitre XVIII, Au Maréchal Keith,
Imitation du troisième livre de Lucrèce: »Sur les vaines terreurs de la
mort et les frayeurs d'une autre vie«, in den Poésies diverses, Berlin
1762, Bd. 2, S. 447; vgl. Oeuvres de Frédéric le Grand, 1846 ff. tome
X, p. 203.

316{13} Der Vers steht in den »Academischen Gedichten« von Withof im
3. Gesang der »Sinnlichen Ergötzungen«, Leipzig 1782, I, S. 70, und
lautet genau:

    »Die Sonne quoll hervor, wie Ruh' aus Güte quillt.«

  (Nachgewiesen von E. Schmidt und R. M. Meyer.)

328{36} Der Ausspruch stammt nicht von Cicero, sondern von
Cato; vgl. Catonis fragmenta ed. H. Jordan Lpz. 1860 S. 80; vgl.
Quintilianus Institut. orat. XII cap. 1, 1: Sit ergo nobis orator, quem
constituimus, is, qui a M. Catone finitur, vir bonus dicendi peritus.
Nachgewiesen von Schöndörffer.

343{13} _welche_] Richtiger wäre _welches_ bezogen auf _darstellen_.
Denn das, was, wenn sie (nämlich die Anschauung) a priori ist, das
Construiren heisst, ist eben das in _der Anschauung darstellen_.

353{20} _vorige Paragraph_] Dies Selbstcitat könnte sich im § 58 nur auf
den Nebensatz Seite 350{23}f. _die aus einem übersinnlichen Grunde
für nothwendig und allgemeingültig erklärt werden soll_ beziehen. Viel
wahrscheinlicher ist es, dass Kant an dieser Stelle das im Auge hatte,
was er im § 57 von dem _übersinnlichen Substrat der Menschheit als dem
einzigen Schlüssel der Enträthselung_ des Geschmacksurtheils (vgl.
S. 340{21} und 341{7}ff.) dargelegt und in der Anmerkung I näher
ausgeführt hatte. Darnach hiesse es genauer: _der vorvorige Paragraph_.

424{22} _Blumenbach_] Vgl. Erl. zu VII 89 5 und B's. Schrift Ȇber den
Bildungstrieb und das Zeugungsgeschäfte«. Göttingen 1781 und mit dem
abgekürzten Titel: »Über den Bildungstrieb« ebenda 1789.

427{4} _Linné_] Vgl. =Caroli a Linné=, Systema naturae ed. XII Holmiae
1766 I p. 17: »Politia naturae manifestatur ex tribus naturae regnis
simul: quemadmodum enim imperantium causa populi non sunt nati, sed
subditorum ordinis servando imperantes constituti, ita vegetabilium
causa animalia phytiphaga, phytigorum carnivora, et ex his maiora ob
parva, homo (qua animal) ob maxima et singula, sese vero praecipue,
saeva mercede conducta tyrannidem exercent, ut proportio cum nitore
reipublicae naturae perennet.«

428{15.16} _Camper_] Vgl. VII 89{5} und die Erläuterung dazu.

467{19.20} _Hirngespinste — Hirngespenster_] beide Formen finden sich
auch sonst in dem überlieferten Text Kantischer Werke, Hirngespinste
z. B. in der _Kritik der reinen Vernunft_ III 145{15}, Hirngespenster
in den _Krankheiten des Kopfes_ II 263{15} und 264{37}. Dass Kant
in einem und demselben Werk beide Formen angewendet haben sollte, ist
kaum anzunehmen; die Verschiedenheit scheint auf Rechnung der Setzer
bzw. der Correctoren zu fallen, zumal da an dieser Stelle die auf
alle Fälle fehlerhafte Form von A _Hirngespinster_ auf _Hirngespenster_
geführt haben dürfte. Der Gleichmässigkeit halber war deshalb auch hier
_Hirngespinste_ zu setzen, was an drei andern Stellen, 411{26}, 466{18},
472{25} sicher überliefert ist.

476{36.37} _Reimarus in seinem noch nicht übertroffenen Werke_] Gemeint
ist R's. Schrift: »Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion
in zehn Abhandlungen auf eine begreifliche Art erklärt und gerettet«
Hamburg 1754 u. ö. Vgl. II 161{22}.


Lesarten.

167{11} _dem_] _den?_ Vorländer || 167{18} _kann. — also_] _kann:
so, daß die Critik_ A^1 _und dementsprechend_ Z. 20 _nichts übrig
läßt_ A^1 || 167{25} _dienen_] fehlt A^1 || 168{3} das erste _der_]
fehlt? Hartenstein || 168{10} _alleinigen_] Windelband _aber einigen A
oder einzigen_ Erdmann || _welche_] A^2.3 _die_ A^1 || 169{6} _sie —
sie_] Vorländer _es — es_ A || 169{26} _logische_] _teleologische_?
Rosenkranz || 171{5} _Logik Principien_] A^{2.3} _Logik thut, die
der Form_ A^1 || 173{5} _Naturlehre gehalten, endlich?_ Erdmann ||
173{6} _Vorschriften_]? Kehrbach || 173{15.16} _unterworfen — also_]
fehlt A^1 || 173{35.36} _vorhergehende_] _vorgehende_ A || 174{27}
_und ihre_] A^2.3 _und auf welchem ihre_ A^1 || 175{3} _sie_] A^1.2
_jene_ A^3 || 175{32} _aber_] fehlt A^1 || 175{37} _als_] A^2.3
_also_ A^1 || 176{4} _deren_] A^2.3 _davon die_ A^1 || 176{5} _soll_]
fehlt A^1 || 176{10} _welches_] A^2.3 _was_ A^1 || 176{35} _überdem_]
_überdies?_ Rosenkranz, fehlt Erdmann || 177{21}ff. Die Anmerkung ist
Zusatz von A^2 || 179{1} _durch das_] A^2.3 _durchs_ A^1 || 179{2}
_vom_] Erdmann _von_ A || 179{32} _allgemeinen_] A^1.2 _allgemein_
A^3 || 180{15} _diese sich nicht_] Erdmann _diese nicht_ A || 180{34}
_desselben_] Windelband _derselben_ A || 183{5} _ist. — ist_] A^2.3
_ist, und unter diesen Gesetzen ist_ A^1 || 183{26} können); —
Ansehung_] A^2.3 _könnten); und in Ansehung deren_ A^1 || 183{33.34}
Naturdingen — besonderen_] Erdmann _Naturdinge — solche besondere_
A || 184{17.18} _erfreuet — werden_] A^2.3 steht A^1 erst nach dem
Conditionalsatze _wenn — antreffen_ || 184{30} _überdem — überdies?_
Rosenkranz || 185{7} _nach_] Zus. Hartenstein || 187{11} _jeder_]
_jener_? Hartenstein || 187{28.29} _Abtheilung_] A^1.2 _Abtheilungen_
A^3 || 187{34} _das_] A^2.3 _was_ A^1 || 188{4} _voraus sagte_] A^1.2
_vorhersagte_ A^3 || 188{5} _eine_] A^2.3 _eine solche_ A^1 || 189{6}
_sein mögen_] A^2.3 _seyn_ A^1 || 189{24} _ja — ohne_] A^2.3 _ja ohne
sogar_ A^1 || 190{13} _Wessen Gegenstandes_] A^2.3 _Ein Gegenstand,
dessen_ A^1 || 190{19} _überhaupt_] _überhaupt giltig?_ Erdmann ||
190{30} _den_] _dem?_ Rosenkranz || 191{19} _ein_] A^1 fehlt A^2.3 ||
191{25} _werden_] Erdmann _wird_ A || 192{6} _am_] _vom?_ Erdmann ||
192{10} _entsprungenes_] _entsprungen?_ Erdmann || 192{11} _wird_]
Windelband fehlt A _werden_ Erdmann || 193{19} _und_] A^1.2 _und der_
A^3 || 193{37} _enthält_] Windelband _enthalte_ A || 195{11} _könnten_]
A^1.2 _können_ A^3 || 195{26} _gemäß ihren_] A^2.3 _gemäß dieser ihren_
A^1 || 196{32.33} _reinen und praktischen_] A^2.3 _reinen praktischen_
A^1.

204{22} _was_] A^1.2 _das_ A^3 || 204{33.34} _überdem_] _überdies?_
Rosenkranz || 204{34} _auf — =Rousseauisch=_] A^1.2 _auf gut
=Rousseauisch= auf die Eitelkeit der Großen_ A^3 || 205{22} _eben_]
A^2.3 _so eben_ A^1 || 206{5} _bloße_] _bloß?_ Erdmann || 206{13}
_da die_] A^2.3 _da nur die_ A^1 || 206{17} _welches_] A^2.3 _das_
A^1 || 206{21.22} _Erkenntnißvermögen_] A^2.3 _Erkenntniß_ A^1 ||
206{37} _mein_] _ein?_ Hartenstein || 207{2} _Gegenstande_] Erdmann
_Gegenstände_ A^1 _Gegenständen_ A^2.3 || 207{8.9} _so gar_] A^2.3
_sogar_ A^1 || 207{11} _Urtheilens_] _Urtheils?_ Hartenstein || 207{30}
_welches_] A^2.3 _das_ A^1 || 208{13} _andre Zusätze_] A^2.3 _andern
Zusätzen_ A^1 || 208{22} _aufgelegt — der_] A^2.3 _auferlegt macht.
Aber von der_ A^1 || 208{30} _an sich_] fehlt A^1 || _bloß_] A^2.3
_nur blos_ A^1 || 209{1} _absoluten_ fehlt A^1 || 209{3} _ungeachtet_]
A^2.3 _unerachtet_ A^1 || 209{21.22} _Nicht — gefällt_] Zusatz A^2
|| 209{22} _Dagegen_] Rosenkranz _Daher_ A || 209{27} (_weder —
praktisches_)] A^2.3 (_ein theoretisches_) A^1 || 210{5} _=gebilligt=_]
fehlt A^1 || 210{8.9} _aber — thierische_] Zusatz A^2 || 210{13.14}
_denn — ab_] A^2.3 _denn ein Interesse, sowohl das der Sinne, als
das der Vernunft, zwingt den Beifall ab_ A^1 || 210{17} _einzige_]
A^1.2 _einzig_ A^3 || 210{17.18} _einer, welcher_] A^2.3 _der, so_
A^1 || 210{30} _objectiv_] A^2.3 _auch_ A^1 || 210{35} _einen_]
Erdmann _eines_ A || 211{20} _hinge_] A^1.2 _hängte_ A^3 || 211{25}
_ausmachend_] Windelband _ausmachen_ A^1 _st. ausmachen l. ausmachen_
Druckfehlerverz. A^1 _ausmache_ A^2.3 _auszumachen_ Rosenkranz;
Erdmann stellt, um _ausmache_ beizubehalten, _wäre_ vor die Klammer
|| 212{15} _in_] fehlt A^1 || 212{21} _in_] A^2.3 _und in_ A^1 ||
212{22} _also_] fehlt A^1 || 212{23} _eigenen_] A^2.3 _besondern_
A^1 || 212{30} _Reiz_] A^2.3 _Einen Reiz_ A^1 || 212{35} _Anderer_]
A^2.3 _andere_ A^1 || 213{4} _besondern_] _eignen_ Erdmann vgl. zu
212{22} || 213{16.17} Das Eingeklammerte Zusatz von A^2 || 213{17}
_letzteren_] A^2.3 _letztere_ A^1 || 213{23} das zweite _beim_ fehlt
A^1 || 213{31} _seine_] A^2.3 _ihre_ A^1 || 213{34} _geblieben_]
fehlt? Erdmann || 214{6} _gebrauchen_] A^2.3 _brauchen_ A^1 || 214{8}
_jeglichem_] A^1.2 _jeglichen_ A^3 || 214{36} _bezeichnet_] fehlt A^1
|| 215{11} _sie_] A^1 _sich_ A^2.3 || 215{12} _logischen_] fehlt A^1 ||
215{17} _können — Urtheile_] A^3 _kann es nicht die Quantität eines
objectiv-gemeingültigen Urtheils_ A^1.2 || 215{24} _ästhetischen_]
A^2.3 _ästhetisches_ A^1 _ein ästhetisches_ Rosenkranz || 215{26}
_Geruche_] Erdmann _Gebrauche_ A || 215{27} _ein_] fehlt A^1 || 216{2}
_aufschwatzen_] A^3 _abschwatzen_ A^1 _beschwatzen_ A^2 || 216{5}
_glaubt_] A^2.3 _so glaubt_ A^1 || 216{7} _den Betrachtenden_] A^3
_ihn_ A^1.2 || 216{12} _betrachtet_] A^1.2 _angesehen_ A^3 || 216{16}
_es_] A^3 _er_ A^1.2 || 216{27.28} _wenn — fällte_] A^2 A^3 _wider
die er aber öfters fehlt und — fället_ A^1 || 217{23} _besondere_]
_bestimmte_? Hartenstein || 217{25} _an_] A^1.2 _in_ A^3 | 217{30}
_Dieser_] A^2.3 _und dieser_ A^1 || 219{5.6} _unbestimmter_] A^1.2
sc. begrifflich unbestimmter _bestimmter_ A^3 || 219{10} _sofern_]
A^2.3 _wenn_ A^1 || 219{17} _einzeln_] A^2.3 _einzelne_ A^1 || 219{21}
_für_] A^2.3 _als für_ A^1, Erdmann || 220{1} _Zweck_] _der Zweck_?
Hartenstein || 220{13.14} Das Eingeklammerte Zusatz von A^2 || 220{23}
_Ursachen_] A^2.3 _Ursache_ A^1 || 220{24} _einem_] A^1.2 _einen_
A^3 || 221{3} _der_] fehlt A^1 || 221{20} _Vorstellung von_] Zusatz
von A^2 || 221{33} _ein Causalverhältniß_] A^2.3 _ein besonderes
Causalverhältniß_ A^1 || 221{33}/222{1} _nur jederzeit_] _jederzeit
nur_? Vorländer || 222{4} _Unlust_] _der Unlust_? Erdmann || 222{14}
_nur_] A^2.3 _nur alsdenn_ A^1 || 222{20} _Urtheil hingegen_] A^2.3
_aber_ A^1 || 222{23} _einen_] Erdmann _ein_ A || 222{35} _analogisch_]
_analog_? Erdmann || 223{7} _dieses_] Windelband _diese_ A || 223{15}
_Indessen_] A^1.2 _Indeß_ A^3 || 223{17} _an_] A^2.3 _für_ A^1 ||
223{31} _von der_] fehlt A^1 || 223{32} (_als formale_) Zusatz von A^2
|| 224{13} _verdienten_] A^1.2 _verdienen_ A^3 || 224{14} _zu gelten_]
A^2.3 _gehalten zu werden_ A^1 || 224{21} _gleiche_] A^1.2 _solche_ A^3
|| 224{28} _nicht_] A^3 _sehr_ A^1.2 vgl. Erläuterungen || _würde_]
A^1.2 _würden_ A^3 || 224{36} _welchen_] Erdmann _welcher_ A || 225{19}
_was_] fehlt A^1 || 225{22} _belebt_] A^2.3 _beliebt_ A^1 || 225{24}
_erstere_] A^2.3 _schöne Form_ A^1 || 225{29} _bloßes_] fehlt A^1 ||
226{1.2} _die — sie_] Zusatz von A^2 || 226{2.3} _erhalten_] A^2.3
_erheben_ A^1 || 226{4} _Parerga_)] fehlt A^1 || 226{8} _Einfassungen
— oder_] fehlt A^1 || 226{16} Das Eingeklammerte Zusatz von A^2 ||
227{20} _Hiervon ist_], _welche von der =quantitativen=_ etc. A^1
|| 227{22.23} _bei welchem_] _der_ A^1 || 228{3} _wozu_] _womit_?
Erdmann || 228{4.5} _wenn es — wäre_] Zusatz von A^2 || 228{9}
_eine — subjective_] A^2.3 _formalen subjectiven_ A^1 || 228{12}
_Unterschied_] A^2.3 _Unterschied der_ A^1 || 228{13.14} _der — der_]
Vorländer _die — die_ A || 228{20} _gründen_] A^2.3 _gründet_ A^1 ||
228{21} _einzig_] A^3 _einig_ A^1.2 || 228{26} _in der Bestimmung_]
fehlt A^1 || 228{30} _sofern sie_] A^2.3 _die_ A^1 || 228{32}
_wollte — nennen_] A^1.2 _ästhetisch nennen wollte_ A^3 || 228{34}
_vorstellte_] A^1.2 _vorstellt_ A^3 || _welches — widerspricht_]
Zusatz von A^2 || 229{1.2} _als — Urtheils_] A^3 _der Bestimmung
desselben_ A^1.2 || 229{14} _Arten der_] Zusatz von A^3 || 229{19}
_jemand_] A^1.2 _niemand_ A^3 || 229{20} _daran_] A _darin_ Erdmann
|| 229{25} _der Paradiesvogel_] A^2.3 _die Paradiesvögel_] A^1 ||
229{31} _Phantasieen_] A^1.2 _Phantasiren_ A^3 || 230{1} _wodurch_]
A^2.3 _daß dadurch_ A^1 || 230{5} _Schönheit_] fehlt A^1 || 230{7}
_voraus_] erst nach _Vollkommenheit_ A^3 || 230{14} _Gefallende_] A^2.3
_gefallendes_ A^1 || 230{17} _ihrem_] A^2.3 _ihren_ A^1 || 230{22.23}
_ein Wohlgefallen, das auf einem Begriffe gegründet ist_ A^1, _auf
einem Begriffe gegründetes Wohlgefallen_ A^2.3, ein Zusatz Vorländer
|| 230{25} das erste _wodurch_] A^2.3 _dadurch_ A^1 || 230 _31–3_
_zwar — können_] A^2.3 _ist zwar nicht allgemein, doch können ihm
in — werden_ A^1 || 230{36} _jenes_] A^2.3 _jener_ A^1 || 231{6}
_wodurch_] A^2.3 _dadurch_ A^1 || 231{17} _auf_] A^2.3 _der auf_ A^1
|| 231{23} _halte_] A^2.3 _wende_ A^1 || 232{3} nach _zureichende_
noch einmal _empirische_ A^1.2 || 232{8} _anderen_] A^2.3 _andere_ A^1
|| 232{10} _wer aber_] A^2.3 _der aber, so_ A^1 || 232{14} _wonach_]
A^2.3 _darnach_ A^1 || 232{31} _dem eines_] Zusatz Windelband ||
232{33} _Veränderung_] A^3 _Veränderungen_ A^1.2 || 232{34} _lebenden_]
A^1.2 _lebenden Sprachen_ A^3 || 232{37} _hat_] A^1.2 _behält_ A^3
|| 233{8} _die_] A _diese_? Erdmann || 233{21} _eines_ fehlt A^1 ||
233{24} _seiner_] Erdmann _einer_ A || 233{32} _des_] A^1.3 _der_ A^2
|| 234{6.7} _Bewußtsein, ein_] A^2.3 _Bewußtsein, zu reproduciren,
ein Bild_ A^1 || 234{14} _in dem_] A^2.3 _der_ A^1 || 234{21} das
erste _und_] A^1.2 _nebst_ A^3 || 234{26–8} _liegt — wo — Grunde_]
A^2.3 _ist diese Gestalt das Ideal des — da — angestellt wird_ A^1
|| 234{28.29} _unter — Bedingungen_ fehlt A^1 || 234{29} _eine —
Normalidee_] A^2.3 _ein anderes Ideal_ A^1 || 234{37} _ihren_] A^1.2
_ihrer_ A^3 || 235{2} _ganze_ fehlt A^1 || 235{24} _welcher_] A^2.3
_der_ A^1 || 235{25} _wer_] A^2.3 _der_ A^1 || 236{1} _darin_] A^2.3
_daran_ A^1 || 236{14} _dem Gegenstande_] A^1.2 _den Gegenständen_ A^3
|| 236{21} _nun_] A^2.3 _aber_ A^1 || 236{22} _wo_] A^2.3 _da_ A^1 ||
236{26.27} _eine — deutlich_] A^1.2 _deutlich eine Zweckmäßigkeit_
A^3 || 237{3} _wo_] A^2.3 _da_ A^1 || _welcher_] A^2.3 _der_ A^1
|| 237{9} _als_] Windelband _wie_ A _wie ein_ Erdmann || 237{28}
_Beistimmung_ fehlt A^1 || 238{10.11} _nach — dunkel_] A^2.3 _nach,
ihnen als nur dunkel_ A^1 || 238{26} _wodurch_] A^2.3 _dadurch_ A^1
|| 238{32} _desselben_] Vorländer _derselben_ A || 239{10} _muß_] A^1
fehlt A^2.3 || 239{29} _das — subjectiv_] Windelband _zwar das Princip
nur subjectiv_ A _zwar — subjectiv ist_ Erdmann || 240{14} _und_]
A^1.2 _um_ A^3 || 240{17} _vom_] A^1.2 _des_ A^3 || 241{32–5} _Wo —
wahrgenommen wird_] A^2.3 _Wo eine Absicht — in einer Eintheilung_ A^1
|| 242{16} _alsdann_] A^2.3 fehlt A^1 || 242{19} _wobei_] A^2.3 _wo_
A^1 || 242{29} _Möbeln_] A^2.3 _Mobilien_ A^1 || 242{31} _dieser_] A
_diese_ Erdmann || 243{16.17} _wogegen die dort_] A^2.3 _dagegen daß
die dorten_ A^1 || 243{34} _indessen daß_] A^1.2 _während_ A^3 ||

244{32} (_das Schöne_) fehlt A^1 || 245{1.2} (_das Gefühl des
Erhabenen_) fehlt A^1 || 245{10} _enthält_] A^2.3 fehlt A^1 || 245{18}
_führt_] Windelband _führe_ A || 245{19} _hingegen_] A^3 _statt dessen_
A^1.2 || 245{21} _zwar_] A^2.3 _gar_ A^1 || 245{23} _aber_] A^2.3
fehlt A^1 || 245{29} _aufgefaßt_] A^2.3 _abgefaßt_ A^1 || 246{10}
_zur — der_] A^2.3 fehlt A^1 || 246{13} _Begriff_] A^2.3 fehlt A^1
|| 246{16} _so gar_] Hartenstein _sogar_ A || 246{19} _sich_] A^2.3
_sie_ A^1 || 247{10} _Interesse, der_] A _Interesse sein, der_ Erdmann
|| 248{8} _was_] A^1.2 _etwas_ A^3 || _als sagen_] A^3 _als zu sagen_
A^1.2 || 248{12} _ist — wird_] A^2.3 _ist er nicht_ A^1 || 248{13}
_es_] Erdmann _er_ A || 248{14} _Es_] A^2.3 _Er_ A^1 || 248{23} _die
— letztern_] A^2.3 _dieser ihre Größe_ A^1 || 248{24} _sie_] A^2.3
_es_ A^1 || 248{32.33} _Beistimmung_] Hartenstein _Bestimmung_ A ||
249{10} _übrigens_] A^2.3 _nun_ A^1 || 249{13} _beurtheilenden_]
fehlt A^1 || 249{23} _enthält_] Windelband _enthalte_ A || 250{15}
_werde_] A^2.3 _würde_ A^1 || 250{19.20} _Teleskope Mikroskope_] A^2.3
_Telescopien Microscopien_ A^1 || 250{24.25} _auf eine reelle_] A^2.3
_als einer reellen_ A^1 || 250{30–2} _klein. Mithin ist — erhaben_]
A^2.3 _klein, mithin Geistesstimmung — ist erhaben_ A^1 || 251{6.7}
_zwar — nur durch_] A^2.3 _zwar nur bestimmte — sei, durch_ A^1 ||
252{24} _Idee_] Windelband _Ideen_ A || 252{33} _vermischt) und_] A
_vermischt) ist und_ Erdmann? || 253{10} _der_] A^1 Druckfehlerverz.
_die_ A || 253{22} _diese_] A _die_ Erdmann? || 253{32.33} _ist
— Zweck-]mäßiges_ A^2.3 _ist etwas, was zwar — zweckmäßig ist,_
A^1 || 253{28} _Zusammensetzung_] A _Zusammenfassung_ Erdmann? ||
254{7} _Zusammensetzen_] A _Zusammenfassen_ Erdmann || 254{26} _sich
dasselbe_] A^2.3 _es sich_ A^1 || 254{35} _Das — Unendliche_] A^2.3
_Das Unendliche_ A^1|| 255{1} _Noumenons_] A^2.3 _Noumens_ A^1 ||
255{21} _gegebenen_ fehlt A^1 || 255{23} _die_] Zusatz Windelband
|| 255{25} _dieses — Vermögens_] A^2.3 _dieses Vermögens, welches
im Fortschreiten unbegrenzt ist_ A^1 || 255{35.36} _welches_] A^2.3
_das_ A^1 || 256{6} _sie_] A^1 _sich_ A^2.3 || 256{7} _erhabenen_]
Vorländer _Erhabenen_ A || 256{18} _wenn — sich_] _wenn es sich_ A^1
_wenn, indem es sich_ A^2.3 || 256{22} _ihren_] A^2.3 _ihrer_ A^1 ||
_findet_] A^2.3 _befindet_ A^1 || 256{31} _die unermeßliche_] A^3 _der
unermeßlichen_ A^1.2 || 256{33} _lassen_] _läßt_ Hartenstein || 257{4}
_eine ihnen_] _ihnen eine_ Erdmann || 257{14} _unveränderliches_]
A^2.3 _veränderliches_ A^1 || 257{17} _in — Ganzes_] A^2.3 _in einem
Ganzen_ A^1 Hartenstein || 257{29} _zu — durch_] A^2.3 _für die
durch_ A^1 || 257{31} _mit_] A^2.3 _zu_ A^1 || 258{9} _der Vernunft_]
Erdmann _des Verstandes_ A || _unangemessen_] A^2.3 _angemessen_ A^3
|| 258{20} _die_ fehlt A^1 || 258{27} _hier_] fehlt A^1 || 258{29}
_oder_] fehlt A^1 || 259{3} _einer] einer jeden_ Erdmann || 259{4}
_wodurch_] A^2.3 _dadurch_ A^1 || 259{9} _aber zur_] Erdmann _aber,
als zur_ A || 259{13} _sie_] A _es_ Vorländer || 259{19} _ward_] A^2.3
_wurde_ A^1 Druckfehlerverz. || 259{22} _als gegeben_] Windelband
_als bloß gegeben_ A^2.3 _als ganz gegeben_ A^1 Erdmann || 259{23.24}
_weil — gar_] A^2.3 _weil auf — Maaß, da gar_ A^1 || 259{30}
_Äußerste_] A^1.2 _äußere_ A^3 || 260{2} _Einbildungskraft — als_]
A^1.2 _Einbildungskraft für — Erweckung doch als_ A^3 || 260{3} _wird
aber_] A^2.3 _aber wird_ A^1 || 260{22} _dem_] A^1.2 _welchem_ A^3
|| 261{2} _ihn_] A^1.2 _Ihn_ A^3 || 261{3} _Wer_ A^2.3] _Der_ A^1 ||
261{5} _Jener_] A^2.3 _Er_ A^1 || 261{6} _Scheu_] A^2.3 _diesen Scheu_
A^1 || 261{33} _physische_ fehlt A^1 || 262{1} _wobei_] A^2.3 _dabei_
A^1 || 262{8} _solche_ fehlt A^1 || _anzusehen_] Erdmann _ansehen_ A
|| 262{21} _bleibt_] A^2.3 _ist_ A^1 || 263{7} _Handelsgeist_] A^3
_Handlungsgeist_ A^1.2 || 263{15} _über_ fehlt A^1 || 263{30.31}
_befindet — in der_] A^2.3 _ist in gar keiner_ A^1 || 263{32} _ganz
freies_] A^2.3 _zwangfreies_ A^1 || 263{34} _der_] A^2.3 _seiner_
A^1 || 263{35.36} _eine erkennt_] A^2.3 _einer seinem Willen gemäßen
Erhabenheit der Gesinnung an ihm selbst bewußt ist_ A^1 || 264{8} _dem
übermächtigen_] A^2.3 _das übermächtige_ A^1 || 264{23} _dieselbe_]
A^2.3 _sie_ A^1 || 265{3} _den_] A^2.3 _dem_ A^1 || 265{3.4} _unter
— derselben_] A^2.3 _unter dieser ihrer Voraussetzung_ A^1 || 265{5}
_letztern_] A^2.3 _letztere_ A^1 || 265{30} _zu dem_] A^2.3 _den_ A^1
|| 266{7} _im Menschen_ fehlt A^1 || 266{7.8} _auch diesem_] A^2.3
_dem_ A^1 || 266{11} _die_] _dieselbe_ Erdmann || 266{14} _würden_]
A^2.3 _würde_ A^1 || 266{17} _hinüberzuziehen_] A^2.3 _herüberzuziehen_
A^1 || 266{35} _worin_] A^2.3 _darin_ A^1 || 267{9} _die_ fehlt A^1
|| 267{33} _dieselbe — Zwecke_] A^2.3 _die Zwecke_ A^1 || 268{9}
_dieser_] Windelband _diesen_ A || 269{3.4} _durch ein Werkzeug_]
A^3 _einem Werkzeuge_ A^1.2 || 269{10} _welche_] A^2.3 _so sie_ A^1
|| 269{30} _sich_] Zus. Windelband _die Natur_ Erdmann || 269{31}
_doch_] A^1.2 _nur_ A^3 || 269{34} _doch_] A^1.2 _dennoch_ A^3 ||
270{18} _als_] A^3 fehlt A^1.2 || 270{21} _macht: denn_] A^2.3 _macht,
vorstellen, denn_ A^1 || 271{6} _versetzen_] _versetzten_ Vorländer
|| 271{34} _=gewisse=_] A^2.3 _die_ A^1 || 271{35} _moralische_]
Hartenstein _menschliche_ A || 272{6.7} _macht — bestimmen_] A^2.3
_macht sich nach freier Überlegung durch Grundsätze zu bestimmen_
A^1 || 274{7} _in dem_] Erdmann _indem_ A || 274{25} _Epoche_] A^1.2
_Periode_ A^3 || 275{8} _Sinnlichkeit_] A^2.3 _Sittlichkeit_ A^1 ||
275{24} _wovon_] A^2.3 _davon_ A^1 || 275{25} _uns selbst, was_]
Erdmann _uns, selbst was_ A || 275{30} _sondern auch_] A^3 _und_ A^1.2
|| 275{34} _genug sein_] A^3 _genug zu sein_ A^1.2 || 276{14} _selbst
unter_] _selbst und unter_ Erdmann? || 276{24} _=Saussure=_] A^2.3 v.
_=Saussure=_ A^1 || 277{2} _physiologische_] A^2.3 _psychologische_ A^1
|| 277{30} _sogar_] A^2.3 _so gar_ A^1 || _immer_] A^2.3 _alles_ A^1
|| 278{31–33} _herbeizuschaffen — Denn_] A^2.3 _herbeizuschaffen, so
ist doch eine transscendentale Erörterung dieses Vermögens zur Kritik
des Geschmacks wesentlich gehörig; denn_ A^1 || 278{33} _derselbe_]
A^2.3 _dieser_ A^1 || 278{35} _Verwerfungsaussprüche_] A^2.3
_Verwerfungsurtheile_ A^1 ||

278{36}—279{1} _Das Übrige — Urtheile_] A^2.3 _Drittes Buch.
Deduction der ästhetischen Urtheile_ A^1, cf. Kant's _Briefwechsel_
II 136, 152 _und_ A^1 Druckfehlerverz. || 279{10} _muß_] A^2.3
_mußte_ A^1 || 279{18} _Gemüth — zeigt_] A^2.3 _Gemüth gemäß ist_
A^1 || 279{24} _hingelangt_] A^2.3 _hinlangt_ A^1 || 280{4.5} das
erste _werden — Veranlassung_] A^2.3 _werde, welcher sich bewußt
zu werden, die Auffassung — Gegenstandes, die bloße Veranlassung
giebt_ A^1 || 280{15} _enthält_] A^2.3 _ist_ A^1 || 280{16.17} _der
Urtheile über_] _derer über_ A^1 || 280{25} _indeß_] A^2.3 _indessen
daß_ A^1 || 280{36} _haben_] A^2.3 _ist_ A^1 || 281{5} _könne_ fehlt
A^1 || 281{6} _hat_] A^1 _habe_ A^2.3 || 281{7.8} auch — für_ A^2.3
_auch ein Wohlgefallen für_ A^1 || 281{7} _dürfe_] A^1.2 _dürfte_ A^3
|| 281{16.17} _=erstlich= — die_] A^2.3 _=erstlich= der — einer
logischen — sondern der_ A^1 || 281{22} worin_] A^2.3 _darin_ A^1 ||
282{13} _unter — anderer_] A^2.3 _unter anderer ihren Urtheilen_ A^1
|| 282{15–7} _belehren — aussprechen_] A^2.3 _belehren, mithin nicht
— gefällt, folglich_ a priori _ausgesprochen werden_ A^1 || 282{16.17}
_aussprechen_] nach A^1 _absprechen_ A^2.3 || 282{20} _Erkenntniß_]
_Erkenntniß_- (sc. _Urtheile_) Erdmann || 282{22} _Publicums, noch_]
A^2.3 _Publicums, nicht durch das_ A^1 || 282{31} _bloß_] fehlt A^1
|| 283{5.6} _hervorzubringen_] A^2.3 _hervorzubringen, darthue_ A^1
|| 283{11} _vorgegangen_] _vorangegangen_ v. Kirchmann || 283{19}
_haben mag_] fehlt A^1 || 283{23} _einen_] A^2.3 _einem_ A^1 ||
283{28} _ablernen_] A^2.3 _abzulernen_ A^1 || 284{7} _stellen_]
A^2.3 _anstellen_ A^1 || 284{15} _die — Schönheit_] A^2.3 _die
der Schönheits-Beurtheilung_ A^1 || _abgebe; daß_] A^2.3 _abgebe
und daß_ A^1 || 284{16} _mögen_ fehlt A^1 || 284{16.17} _haben —
hinreichender_] A^2.3 _haben einen hinreichenden_ A^1 || 284{18}
_mithin logischen_ fehlt A^1 || 284{30} _auch_] A^2.3 _wenigstens_
A^1 || 284{32} _ich stopfe_] A^2.3 _so stopfe ich_ A^1 || 284{32.33}
_keine — Vernünfteln_] A^2.3 _nach keinen Gründen und Vernünfteln_
A^1 || 284{34} _seien_] Hartenstein _seyn_ A || 285{7} _auch_] A^2.3
_und_ A^1 || 285{9} _meinem_] fehlt A^1 || 285{17} _macht_] A^2.3
_machte_ A^1 || 286{5} _den_] A^2.3 _um den_ A^1 || 286{7} _sondern_]
A^2.3 _sondern um_ A^1 || 287{3} _desselben (das_] A^2.3 _derselben
(zum_ A^1 || 287{7.8} _wodurch_] A^2.3 _dadurch_ A^1 || 287{10 u.
11.12} _Zusammensetzung_] _Zusammenfassung_ Erdmann || 287{11} _des
Verstandes_] A^2.3 _den Verstand_ A^1 || 287{14} () fehlt A^1 ||
287{15} _Bedingung, daß_] Windelband _Bedingungen daß_ A _Bedingungen,
wodurch_ Erdmann || 287{22} _der Erkenntnißvermögen_], Erdmann _des
Erkenntnißvermögens_ A || 288{19} _damit — werde_] A^2.3 _um zu
begreifen_ A^1 || 288{25} _wo — sich_] A^2.3 _ihr_ A^1 || 290{6.7}
_eingeschränkt_] A^1 _eingerichtet_ A^2.3 || 290{7} _auf_] A^1.3 fehlt
A^2 || 290{22.23} _haben. — unvermeidliche_] A^2.3 _haben, welches
letztere zwar unvermeidliche_ A^1 || 291{3–5} _kann — benommen_]
A^2.3 _kann, dadurch aber doch — benommen wird_ A^1 || 291{14} _als_]
A^2.3 _auch als_ A^1 || 291{16} _ein_ fehlt A^1 || 291{16.17} _Natur —
für_] A^1.2 _Natur, der ihrem — anhinge, angesehen werden mußte, für_]
A^3 || 291{19} _Wirklichkeit_] _Wirksamkeit_ Hartenstein? || 291{20}
_offen_] A^2.3 _blos_ A^1 || 291{24} _Sinnesempfindung_] Windelband
cf. 291{27} _Sinnenempfindung_ A umgekehrt Erdmann || 291{33} _bei
der_] A^2.3 _durch die_ A^1 || 292{14–18} _hat. — berechtigt_] A^2.3
_hat, worauf aber, daß andere — ich nicht — berechtigt bin_ A^1 ||
292{29} _vermittelst — Verfahrens_] A^2.3 _durch ein Verfahren_ A^1
|| 292{34} _den_] A^2.3 _seinen_ A^1 || 292{35} _genöthigt_ fehlt
A^1 || 293{4} das zweite _nicht_ fehlt A^1 || 293{25} _zwar_ fehlt
A^1 || 293{26} _hierin_] A^2.3 _in diesem_ A^1 || 294{1} _anderer_]
A^2.3 _anderer ihre_ A^1 || 294{5} _dem_] A^2.3 _unserm_ A^1 ||
294{17 u. 18} _denken_] A^2.3 _zu denken_ A^1 || 294{22} _und —
ist_] A^2.3 _unter welchen das größte ist_ A^1 || _sich — Regeln_]
A^3 _sich die Naturregeln_ A^2 _die Natur sich Regeln_ A^1 _sich
die Natur den Regeln_ Erdmann || 294{23} _sein_] A^1 _ihr_ A^2.3 ||
295{11} _wegsetzt_] Windelband _wegsetzen_ A _wegsetzen kann_ Erdmann
|| 295{18} _die — Verstandes_] A^2.3 _die des Verstandes_ A^1 ||
295{22} _daß_ fehlt A^1 || 295{32} _wiederum_ fehlt A^1 || 296{3}
_versetzt_] A^2.3 _setzt_ A^1 || 296{18.19} _daß — verbunden_] A^2.3
_daß ein solches, nachdem — worden, damit nicht verbunden_ A^1 ||
296{28} _als_] _als die_ Erdmann || 296{34} _dem_] A^2.3 _den_ A^1 ||
298{1} _es_] A^2.3 _so_ A^1 || 298{10–12} _könne — Ursache_] A^2.3
_könne, welcher, ob er nicht — könne, wir — Ursache haben_ A^1 ||
298{14} _Vom_] A^1.2 _Von dem_ A^3 || 298{16} _diese_] A^2.3 _sie_
A^1 || 298{21} _öfter_] A^2 _öfters_ A^1 _oft_ A^3 || 298{33} _aber_
fehlt A^1 || 298{34} _haben_] _zu haben_ Erdmann || 298{35} _und daß_
fehlt A^1 || 299{6} _zur_] A^1.2 _zu_ A^3 Vorländer || 299{15} _ihm_
fehlt A^1 || 299{22} _was_] A^1.2 _welches_ A^3 || 299{28} _was_]
A^1.2 _das_ A^3 || 299{29.30} _nur — verbundenes_] A^2.3 _nur mit —
verbunden_ A^1 || 299{33.34} _allein — erwecken_] A^2.3 _an jener
allein — Interesse zu nehmen_ A^1 || 299{36} _um_ fehlt A^1 || 300{34}
_welcher_ A^2.3 _so_ A^1 || 301{12} _und_] Erdmann _mit_ A || 301{34}
_erwecken_] Zus. Erdmann || 302{17} _seiner_] _ihrer_ Erdmann, nicht
nöthig || 302{29} _hatte_] A^2.3 _hat_ A^1 || 302{37} _sollen_] A^2.3
_sollten_ A^1 || 303{22} _desselben_] Vorländer _derselben_ A ||
303{24} _seiner Ursache vor seiner Wirklichkeit_] Windelband _ihrer
— ihrer_ A || 304{6} _Beschäftigung_] A^2.3 _als Beschäftigung_ A^1
|| 304{16} _Handwerken_] A^1.2 _Handwerkern_ A^3 || 305{5.6} _man —
abgefertigt_] A^2.3 _man uns — abfertigen_ A^1 || 305{10} _der_] _in
den_ Erdmann || 305{11} _deshalb_] A^2.3 _um daher_ A^1 || 305{34}
_wunderliches_] A^2.3 _wunderlich_ A^1 || 306{21} _als_] _wie_ Erdmann
|| 306{22} _als_] _wie_ Erdmann || 307{6} _ohne — durchblickt_]
fehlt A^1 || 307{26.27} _mithin — lege_] A^2.3 _mithin ohne einen
— Grunde zu legen_ A^1 || 308{4} _doch_] _noch_ Rosenkranz? ||
308{6} _beschreiben oder_] fehlt A^1 || 308{10} _solchen_ fehlt A^1
|| 308{16.17} _und — schöne_] A^2.3 _und dieses auch nur, sofern
sie schöne_ A^1 || 308{27} _welcher — etwas_] A^2.3 _der, weil er
niemals was_ A^1 || 308{34} _vorgetragen hat_ fehlt A^1 || 309{15}
_jener_] A^2.3 _jener ihr_ A^1 || 309{16} _der Erkenntnisse_] A^2.3
_in Erkenntnissen_ A^1 || 309{29} _Formel_] _Form_ Erdmann || 310{26}
_wobei_] A^2.3 _bei dem_ A^1 || 311{4} _der_] A^1.2 _zur_ A^3 ||
311{21} _für_] _als_ Erdmann || 312{10.11} _als Schädlichkeiten_ fehlt
A^1 || 312{13} _die_] A^2.3 _der_ A^1 | 312{16} _aufdränge_] A^1.2
_aufdrängte_ A^3 || 312{31} _welchem_] _welchen_ Erdmann || 313{1}
_derselben_] _jener_ Erdmann || 313{10} _bleibt_] A^2.3 _ist_ A^1 ||
313{29} _denn das_] A^2.3 _das denn_ A^1 || 314{4} _die_] A^2.3 _den_
A^1 || 314{17} _nach — uns_] A^1.2 _so daß uns nach demselben_ A^3 ||
314{18.19} _dieser — dem_] A^2.3 _der von uns aber — anderem und_ A^1
|| 315{6} _nämlich_ fehlt A^1 ||315{8} _gemacht_] A^2.3 _gedacht_ A^1
|| 315{14} _Jupiters_] A^2.3 _des Jupiters_ A^1 || 316{9} _letztere_]
A^3 _letztern_ A^1.2 || 316{11} _anhänglich_] _anhängig_ v. Kirchmann
|| 316{21} _der_] A^1.2 von A^3 || 316{23} _die_] A^3 _der_ A^1.2
|| 316{24} _dessen_] A^2.3 _davon das_ A^1 || 316{27} _ausmacht_]
Windelband _ausmachen_ A || 316{28.29} _Einbildungskraft_] A^1.2
_erstere_ A^3 || 316{29} _Verstandes_ || A^1.2 _Verstandes steht_ A^3
|| 316{30}—317{1} _Absicht — über_] A^1.2 _Absicht sie hingegen frei
ist, um noch über_ A^3|| 317{2} _doch_] A^2.3 _noch_ A^1 || 317{11}
_Das letztere_] A^2.3 _Des letztern_ A^1 || 317{14} _das_] A^1.2
_dies_ A^3 || 317{19} _der Regeln_ fehlt A^1 || 318{11.12} _verloren
gehen_] A^2.3 _wegfallen_ A^1 || 318{20} _diese_] A^2.3 _die_ A^1
|| 318{29} _welchen_] A^2.3 _dergleichen_ A^1 || 319{9} _welcher_
fehlt A^1 || 319{21} _schöne_] _schöner_ Erdmann || 319{22.23} _Reich
— Angemessenheit_] A^1.2 _Zum Behuf der Schönheit bedarf es nicht
so nothwendig, reich — zu sein, als vielmehr der Angemessenheit_
A^3 || 319{26} _hingegen_] A^3 _aber_ A^1.2 || 319{31} _es_] A^2.3
_er_ A^1 || 320{26} _übergetragen_] A^2.3 _übertragen_ A^1 || 321{4}
_und_ fehlt A^1.2 || 321{6} _nicht — Begriffen_] A^1.2 _den gemeinen
Begriffen nicht so angemessen_ A^3 || 321{7} _REDENDEN_] _redenden_ A
|| 321{12} _Zuhörer_] A^1 _Zuschauer_ A^2.3 || 321{17} _können_ fehlt
A^1.2 || 321{23} _als_] Erdmann _sondern_ A || 321{34.35} _mithin —
verspricht._ fehlt A^1 || 322{4.5} _dem — letzteren_] _für das Gesicht
— für das letztere_ Erdmann || 322{11} _was_] Windelband _wenn_ A^1
_das erstere_ scil. _Urbild_ || 322{25} das zweite _von_] A^1.2 _zu_
A^3 || 322{28} _alle_] Erdmann _alles_ A || 322{30} _gezählt_] A^1.3
_gewählt_ A^2 || 322{31} _dagegen_] A^1.2 _wogegen_ A^3 || 323{6} _von
— Gebrauch_] A^2.3 _einer Benutzung und Gebrauchs_ A^1 || 323{13.14}
_der — kann_] A^3 _und der Sinn des Gefühls kann_ A^1 _der Sinn des
Gefühls aber kann_ A^2 || 323{22} _ist, um_] A^2.3 _ist, und um_ A^1
|| 323{35} _von der_] A^3 _die_ A^1.2 || 323{37} _Analogie_] A^1
_Anlage_ A^2.3 || 324{1.2} _erfordern — über_] A^2.3 _erfordern,
so ist doch das Geschmacksurtheil über_ A^1 || 324{15} _lassen_)]
Frey, dies Klammerzeichen in A nach _werden_ Z. 14. || 324{18} _der
— Empfindungen_] A^2.3 _mit dem Tone der Empfindung_ A^1 || 324{29}
_Empfindungen_] _Empfindung_ Erdmann || 324{30} _sei_] A^2 _seyn_
A^1 _seien_ A^3 || 324{31} _führe_] A^2 _führen_ A^1.3 || 324{33.34}
u. 324{37} _dieselben_] Erdmann, _dieselbe_ A || 325{6} _zieht —
=zweitens=_] A^2.3 _=zweitens=, zieht man_] A^1 || 325{8} _zu Rath_
fehlt A^1 || 325{11} _imgleichen_] A^1.2 _ferner_ A^3 || 325{17–19}
_man — erklärte_] A^2.3 _sie — erklärten_ A^1 || 325{18} _=schöne=_]
_schöne_ A || 325{28} _=Oper=_] A^2.3 _=Opera=_ A^1 || 326{6.7} _nach
und nach_ fehlt A^1 || 327{8} _dessen_] A^2.3 _seinem_ A^1 || 327{11}
_oder_] A^2.3 _und_ A^1 || 327{16} _irgend jemandes_] A^2.3 _seinem_
A^1 || 327{17–19} _lassen. — verwerflich_] A^2.3 _lassen, welche,
wenn — doch dadurch verwerflich wird_ A^1 || 327{21.22} das zweite
_es — ist_] A^2.3 _dieses auch aus dem Grunde, weil es allein Recht
ist_ A^1 || 327{26.27} _die — ausmachen_] A^1.2 _welches — ausmacht_
A^3 || 327{27} _an_] A^2.3 _für_ A^1 || 328{1} _=um=_] A^2.3 _=um
den=_ A^1 || 328{17} _denn_] _dann_ Rosenkranz || 328{21.22} _ausübt_]
A^3 _ausübe_ A^1.2 || 328{23} _mittheilt_] A^3 _mittheile_ A^1.2
|| 328{34} _deren_] A^2.3 _ihrem_ A^1 || 329{2} _Zusammensetzung_]
_Zusammenfassung_ Erdmann || 329{3} _dient_] A^3 _diene_ A^1.2 ||
329{35} _sie_] Windelband _sich_ A || 330{8–18} _Außerdem — gekommen
ist_ fehlt wie die Anmerkung 330{31–35} A^1 || 330{24} § 54 fehlt A
|| 330{34} _auflegen_] A^2 _auflegten_ A^3 || 330{35} _nöthigen_] A^2
_nöthigten_ A^3 || 331{17.18} _Aussicht — mögliches_] A^2.3 _Aussicht
eines, aus — sei, auf ein mögliches_ A^1 || 331{25} _ins_] A^1.2
_in_ A^3 || 331{28} _das — an_] A^2.3 _das an_ A^1 || 332{1} _ihre
Rolle_ fehlt A^1 || 332{6} _Hingegen_] A^2.3 _Aber_ A^1 || 332{8.9}
_und dennoch_ fehlt A^1 || 332{12} _jenem_] A^2.3 _jener ihrem_ A^1
|| 332{19} _machen_] _macht_ Erdmann || 332{30} _Schwingung_] A^2.3
_Schwingungen_ A^1 || 333{3} _ist_ (_denn_)] A^2.3 _ist, wie etwa
bei einem, der von einem großen Handlungsgewinn Nachricht bekommt_
(_denn_] A^1 || 333{5} _Gleichgewicht_] A^2.3 _Spiel_ A^1 || 333{7}
_ein_] A^2.3 _als ein_ A^1 || 333{9} _sah, mit_] A^2.3 _sah und
mit_ A^1 || 333{10} _anzeigte und auf_] A^2.3 _anzeigte, auf_ A^1
|| 333{18} _will, aber_] A^2.3 _will und_ A^1 || 333{22} _positive_
fehlt A^1 || 333{23} _oft_] A^2.3 _öfters_ A || 333{36} _lang_] A^2.3
_durch_ A^1 || 334{4} _Aufmerksamkeit_] A^2.3 _Mühe_ A^1 || 334{14}
_Bewegung_ fehlt A^1 || 334{23.24} _könne — die Luft_] A^2.3 _könne,
welche_ (_gleich — fühlen_) _die Luft_ A^1 || 334{28} _sagte_] _sagt_
Erdmann || 334{32} _sind_] A^2.3 _ist_ A^1 || 334{33} _ist_ fehlt
A^1 || 335{3} _welches_] A^2.3 _welche_ A^1 || 335{12} _vorsichtig_]
_sorgfältig_ Erdmann? 335{14} _die_] fehlt A^1 || _welcher_] A^2.3 _so
sie_ A^1 || 335{23} _eine — Erscheinung_] A^2.3 _nur eine kurze Zeit
Erscheinung_ A^1 || 335{27.28} _zugleich — darüber_] A^2.3 _zugleich
auch die Verlegenheit dessen, der — hergiebt, darüber_ A^1 || 335{29}
_gewitzigt_] A^1.2 _gewitzt_ A^3 ||

337{20} _findet_] A^2.3 _vorfindet_ A^1 || 338{36} _ungeachtet_] A^2.3
_unerachtet_ A^1 || 339{21} _was_] A^1.2 _welches_ A^3 || 339{22}
_theoretisch_] fehlt A^1 || 339{35} _daher_] fehlt A^1 || 340{4} _was_]
A^1.2 _das_ A^3 || 340{6} _als_] fehlt A^1 || 340{10} _beigeben_] A^2.3
_geben_ A^1 || 341{10} _aber_] _oder_ Hartenstein? || 341{27} _mit —
welchen_] A^2.3 _als den_ A^1 || 342{2} _einige_] A^2.3 _welche_ A^1
|| 342{10} _können_] A^2.3 _und können_ A^1 || 342{24} _wozu_] A^2.3
_dazu_ A^1 || 342{28.29} (_wenn — wird_) fehlt A^1 || 343{8} _werden.
Allein_] A^2.3 _werden; aber_ A^1 || 343{11} _im_] A^1 _in_ A^2.3 ||
343{13} _welche_] _welches_? Windelband || 343{14} _wenn — ist_] A^2.3
_ist diese aber auch empirisch_ A^1 || 343{23} _von der_] A^2.3 _der_
A^1 || 343{24} _ist dies_ fehlt A^1 || 344{14} _das — Beziehung_]
A^2 _das, worauf in Beziehung_ A^1 _das, in Beziehung auf welches_
A^3 || 345{21} _bestimmen_] A^2.3 _sollen bestimmen_ A^1 || 345{31}
_so daß_] Windelband _daß_ A _und zu behaupten, daß _Hartenstein_ d.
i. zu behaupten, daß_ Erdmann || 346{1} _seien_] _sind_ Rosenkranz ||
347{3} _ungeachtet_] A^2.3 _unerachtet_ A^1 || 347{19} _im zweiten
Falle_ fehlt A^1 || 347{32.33} _der — Schalthieren_] A^2.3 _von
Farben (am Fasan, Schalthieren_ A^1 || 348{10} _ihnen_] A^2.3 _ihr_
A^1 || 348{15} _dem_] A^2.3 _im_ A^1 || 348{33} _Wärmestoff_] A^2.3
_Wärmstoff_ A^1 || 349{10} _eigenes — Luftberührung_] A^2.3 _eigen
Gewicht oder Luftberührung_ A^1 || 349{14} _nunmehriges ruhiges_]
Erdmann _nunmehrigen ruhigen_ A || 349{30} _scheiden_] Hartenstein
_scheidet_ A || 350{19.20} _Gunst — erzeigt_] A^2.3 _eine solche,
die — erzeugt_ A^1 || 350{26} _würde_] Erdmann _wurde_ A || 351{26}
_und_] A^2.3 _aber_ A^1 || 351{29} _ist_] Erdmann fehlt A || 352{1}
+exhibitiones+] A^2.3 +exhibitio+ A^1 || 352{22} _den Regeln_] Erdmann
_der Regel_ A || 353{5} _an sich sei_] Windelband _an sich_ A _an sich
ist_ Erdmann 353{5} _der_] fehlt A^_1_ || 353{16} _Beistimmung_] A^2.3
_Bestimmung_ A^1 || 354{3} _was_] A^1.2 _welches_ A^3 || 354{4} _was_]
A^2.3 _welches_ A^3 || 354{30} _finden_] A^2.3 _zu finden_ A^1 ||
355{9} _worunter_] A^2.3 _darunter_ A^1 || 355{31} _Geselligkeit_] A^1
_Glückseligkeit_ A^2.3 || 355{36} _einem_] A^1.2 _dem_ A^3 || 356{3}
_des_] Windelband _der_ A || 356{16} _wovon — der_] A^2.3 _davon
auch und der_ A^1 || 356{19} _eines Jeden_] A^2.3 _jedes sein_ A^1 ||
356{22.23} _sei — eine_] A^2.3 _sei; mit welchem in Einstimmung die
Sinnlichkeit gebracht, der ächte Geschmack allein eine_ A^1 ||

359{6} _ein_] A^2.3 _einem_ A^1 || 359{9} _solche — Formen_] Erdmann
_eine solche — Form_ A || 360{25} _der_] A^1.2 _zu der_ A^3 ||
360{31} _befindlich_] A^2.3 _belegen_ A^1 || 360{35} _wogegen_]
A^2.3 _dagegen_ A^1 || 361{3} _ein_ fehlt A^1 || 361{8} _Begriff_]
A^2.3 _der_ A^1 || 363{14} _ahnen_] A^2.3 _ahnden_ A^1 || 363{33}
_so_] A^2.3 _was so_ A^1 || 363{34} _gleichwohl aber_] A^2.3 _was
gleichwohl_ A^1 || 364{19.20} _meiner — Umgränzung_] A^2.3 _meiner
beliebigen Umgränzung_ A^1 || 365{9} _empirisch_] fehlt A^1 || 365{21}
_welcher_] A^2.3 _welche_ A^1 || 365{25} _dem_] Erdmann _den_ A ||
365{31} _ahnen_] A^2.3 _ahnden_] A^1 || 365{32–36} _mag. — ein_]
A^2.3 _mag, welchen zu kennen — nöthig haben, wenn — thun ist, wohin
aber auch nur — müssen für — einflößt._ A^1 || 366{1.2} _wegen —
Erkenntnißgebrauch_] A^2.3 _um — Erkenntnißgebrauch willen_ A^1 ||
366{8} _machte_] A^1 _macht_ A^2.3 || 366{12} _Die_] A^1.2 _Diese_ A^3
|| 366{21} _desselben_] A^2.3 _derselben_ A^1 || 366{31–35} _Weil
— werden_] A^2.3 _Daher, weil — kann, alle daselbst — werden muß_
A^1 || 367{9} _indeß_] A^2.3 _indessen daß_ A^1 || 367{16} _gewinnt_]
A^2.3 _nimmt_ A^1 || 367{25} _Zwecke_] A^1 _Mittel_ A^2.3 || 368{9}
_seiner_] _einer_ Hartenstein || 368{21} _den Esel und_] fehlt A^1 ||
368{22} _zuträglich_] A^1 _zuträglicher_ A^2.3 || 369{9} _Völker_]
fehlt A^1 || 369{15} _der Jakute_] A^2.3 _oder J._ A^1 || 369{20} _alle
die_] _alle diese_ Erdmann || 369{26} _ohne das_] A^2.3 _ohnedem_ A^1
|| 369{33} _d. h._] A^2.3 _d. i._ A^1 _d. i. um_ Erdmann || 370{9}
_gleichwohl_] Erdmann _gleichwohl aber_ A || 370{17} _ein — Sechseck_]
A^2.3 _vom regulären Sechsecke_ A^1 || 370{37} (_obgleich — Sinne_)]
fehlt A^1 || 371{15} _dieses_] A^2.3 _dieser_ A^1 || _es_] A^2.3 er
A^1 || 371{18} _er_] A _es_ Erdmann || 371{19} _ihm_] Erdmann _ihr_ A
|| 371{26} _daß — unendlich_] A^2.3 _von der alle Kunst unendlich_
A^1 || 371{27} _erhält_] fehlt A^1 || 371{34} _das_] A^2.3 _der_ A^1
|| 372{3} _ihrer_] A^2.3 _dieser ihrer_ A^1 || 372{10} _ungeachtet_]
A^2.3 _unerachtet_ A^1 || 373{1} _Ursachen_] _Ursache_ Rosenkranz ||
373{32} _Princip sein_] Windelband _Princip_ A _Princip ist_ Erdmann ||
374{10} _ein Rad_] fehlt A^1 || _des_] A^2.3 _der_ A^1 || 374{15} _auch
nicht ein_] A^1 _auch so wenig wie ein_ A^2.3 || 374{22} _es_] A^3
_sie_ A^2 _sie_ fehlt A^1 || 374{23} _es_] A^3 _sie_ A^1.2 || 375{11}
_wie sie diejenigen_] A^2.3 _dergleichen_ A^1 || 375{23} _derselben_]
A^2.3 _desselben_ A^1 || _sondern_] A^2.3 _als_ A^1 || 376{32} _von_]
fehlt A^1 || 376{33} _Verlassung_] A^2.3 _Veranlassung_ A^1 || 377{5}
_daß_] A^2.3 _dessen_ A^1 || 377{10–13} _Denn, wenn — da_] A^2.3
_weil wenn — beziehen, wir sie auch — beurtheilen müssen und kein —
da ist_ A^1 || 377{19} _Doch muß_] A^2.3 _so muß doch_ A^1 || 377{20}
_formt_] fehlt A^1 || 377{25} das zweite _der_] Erdmann _über_ A ||
377{32} _Völkern_] A^3 _Völker_ A^1.2 || 379{7} _das_] Hartenstein
_daß_ A || 379{27} _seien_] A^2.3 _sind_ A^1 || 380{9} _daß — ohne_]
A^2.3 _und daß, ohne_ A^1 || 380{10} _ermüdende_] A^2.3 _die ermüdende_
A^1 || 380{20} _hat_] A^2.3 _haben_ A^1 || _es_] Vorländer _sie_ A ||
380{31} _ihrer_] A^2.3 _dieser ihrer_ A^1 || 381{13} _Platz_] A^2.3
_ihren Platz_ A^1 || 381{26} _hereinbringt_] A^1.2 _hineinbringt_ A^3
|| 382{6} _nur_] fehlt A^1 || 382{15} _einheimisches_] _einheitliches_
Erdmann? || 384{2} _den Experimenten_] A^2.3 _Experimenten_ A^1 ||

385{8} _keinem_] Erdmann _einem_ A || 386{6.7} _jede —
widerstreitenden_] A^2.3 _jede zweier einander widerstreitender_
A^1 || 386{18} _der =allgemeinen=_ A^3 _den =allgemeinen=_ A^1.2 ||
386{31} _eine_] A^2.3 _die eine_ A^1 || 387{1} _hervorthut_] A^2.3
_hervorfindet_ A^1 || 387{20} _doch_] A^2.3 _aber_ A^1 || 387{22}
_von_] _von der_ Vorländer || 387{36} _bei einigen_] A^2.3 _einigen_
A^1 || 388{1} _spüren_] A^2.3 _nachzuspüren_ A^1 || 388{14} _nicht —
vereinigen_] A^2.3 _zu vereinigen nicht_ A^1 || 389{10} _auch_] fehlt
A^1 || 390{6} _die_] Erdmann _der_ A || 390{18.19} _Fremdling — der_]
A^2.3 _Fremdling vom Begriffe in — nämlich der der_ A^1 || 391{11}
_sind — etwa_] A^2.3 _sind und nicht etwa_ A^1 || 391{32} _aufhalten_]
A^2.3 _verweilen_ A^1 || 394{13} _des_] Erdmann _der_ A || 394{33}
_ihrer_] A^2.3 _seiner_ A^1 || 396{5} _müßten_] Kirchmann _mußten_ A
|| 396{14} _bloß_] A^2.3 _nicht bloß_ A^1 || 396{21} _darnach_] fehlt
A^1 || 397{5} _eines — Ganzen_] A^2.3 _ein — hängendes Ganzes_
A^1 || 397{15} _eben sowohl_] A^2.3 _eben so wohl_ A^1 _ebensowohl_
Hartenstein _ebenso wohl_ Erdmann || 398{30} _den — Erzeugung_] A^2.3
_die einer Erzeugung_ A^1 || 399{2} _des_] fehlt A^1 || 399{3} _Wesen_]
A^1 _Wesens_ A^2.3 || 399{3–5} _daß — findet_] A^2.3 _und die
Teleologie findet — Theologie_ A^1 || 399{8} _nach_] A^2.3 _nach der_
A^1 || 399{18} _von_] A^2.3 _unter_ A^1 || 400{1} _Menschen_] A^2.3
_als Menschen_ A^1 || 400{5} (_eines Gottes_) fehlt A^1 || 400{28}
_gar_] A _ganz_ Hartenstein || 401{16} _zwar_] Rosenkranz _zuvor_ A ||
401{26} _liege_] A^1.2 _liegt_ A^3 || 401{27} _und auch Schwierigkeit_
fehlt A^1 || 402{3} _gehen_] fehlt A^1 || 402{9} (_außer — Begriffe_)]
fehlt A^1 || 402{21.22} _unablaßlichen_] A^2.3 _unnachlaßlichen_ A^1
|| 402{36} _seiner_] Windelband _ihrer_ A || 403{9} _Erkenntnisses_]
_Erkenntnisses nach_ Erdmann || 403{14} _diese_] A^2.3 _die_ A^1 ||
403{26} _der_] A^1.2 _in der_ A^3 || 404{14} _mit nicht_] A^1.2 _nicht
mit_ A^3 || 404{15} _Regel_] _Regeln_ Erdmann || 404{17} _vorhabenden_]
A^1.2 _vorliegenden_ A^3 || 405{31} _die_] Hartenstein _der_ A ||
405{33.34} _Verstandes — absichtlich_] _Verstandes ihrer Möglichkeit
nach =von uns= als absichtlich_ A^1 _Verstandes, =von uns= ihrer
Möglichkeit nach absichtlich_ A^2.3 || 406{9} _diese_] A^1 _die_ A^2.3
|| 406{25} (_negativ — discursiven_) fehlt A^1 || 406{33} _dessen_]
fehlt A^1 || 408{6} _ihrer_] Erdmann _seiner_ A || 408{12} _die —
mögliche_] Hartenstein _der — möglichen_ A || 410{9} _es ist_ fehlt
A^1 || 410{18} _die_] Erdmann _der_ A || 410{33} _Naturerkenntniß_]
A^3 _Naturkenntniß_ A^1.2 || 411{8} _darlegen_] Erdmann _darlegt_ A
|| 411{22} _gar_] A _ganz_ Erdmann || 412{4} _zur_] _der_ Hartenstein
|| 412{9} _dem_] A^1.2 _das_ A^3 || 412{11.12} _im Übersinnlichen_]
A^1.2 _ins Übersinnliche_ A^3 || 412{23} _nach Zwecken_] Zusatz Erdmann
_durch Technik_ Schopenhauer-Rosenkranz || 413{2} _ausmache_] A^1
_ausmacht_ A^2.3 || 413{27} _absichtlich_] _eine absichtlich_ Erdmann?
|| 413{32} _ist_] Zusatz Erdmann. || 414{28} _liegt_] fehlt A^1 ||
415{9} _sein_] sc. _müsse_; _seyn_ A _seien_ Rosenkranz _sei_ Erdmann ||

416{1} _Anhang_ fehlt A^1 || 418{32} _welches — keine_] A^2.3 _das
es ohne dem keine_ A^1 || 419{33} _würde_] A^2.3 _wurde_ A^1 ||
419{38} +univoca+] +univoca+ _ist_ Erdmann || 420{4} _welcher_] A^2.3
_der_ A^1 || 420{7} _so — füglich_] A^2.3 _kann nicht füglich_ A^1
|| _denn_] _Zusatz_ Vorländer || 420{34} _ein_] A^2.3 _nie_ A^1 ||
421{4} _außer_] Hartenstein _aus_ A || 421{17} _Zweckbeziehung_]
A^1.2 _Zweckverbindung_ A^3 || 421{26} _die_] Zusatz Erdmann ||
_intelligenten_] A^2.3 _intelligibelen_ A^1 || 421{28} _finden_]
Zusatz Windelband || 421{32} _Princip_] fehlt A^1 || 422{4} _hin_]
fehlt A^1 _zu_ Rosenkranz || 422{6} _der_] A^1 _des_ A^2.3 || 423{5}
_=Epigenesis=_] A^2.3 _Epigenesis_ A^1 || _Dieses — System_] A^2.3
_dieses kann auch das System_ A^1 || 423{14} _wollten_] A^2.3
_wollen_ A^1 || 423{20} _im_] A^2.3 _ob im_ A^1 || 423{23} _wären_]
A^2.3 _sein würden_ A^1 || 423{29} _würden_] A^2.3 _wurden_ A^1 ||
423{33.34} _fanden_] Erdmann _finden_ A || 425{16.17} _Begriff_]
fehlt A^1 || 425{28} _dient. Dieses_] A^2.3 _dient und diese_ A^1
|| 426{7} _denn_] Zusatz Vorländer || 426{8} _deren — zugleich_]
A^2.3 _die zugleich_ A^1 || 426{25} _welchen_] A^3 _welches_ A^1.2 ||
426{30} _mannigfaltigen_] Windelband _mannigfaltige_ A || 427{6.7}
_derselben_] _desselben_ Erdmann || 427{7.8} _um — jener_] A^2.3
_jener ihrer Gefräßigkeit_ A^1 || 427{35} _Erdlager_] _Erdlagen_
Erdmann || 428{1} _auch_] A^2.3 _wie auch_ A^1 || 428{11} _einen_]
Zusatz Vorländer || 428{13} _diese_] _die_ Erdmann || 429{11}
_ungeachtet_] A^2.3 _unerachtet_ A^1 || 429{13.14} _Verstandes —
können_] A^2.3 _Verstandes niemals auslangen können_ (_und nicht —
widerspräche)_ A^1 || 429{16} _sich_] A^2.3 _und_ A^1 || 429{28}
_vorigen_] _vorigen Paragraphen_ Erdmann || 430{29} _in — noch_]
A^2.3 _ihn selbst_ A^1 || 431{9} _genug_] A^2.3 _gnugsam_ A^1 ||
432{1} _den =Willen=_ A^2.3 _die =Freiheit=_ A^1 || 432{10} _indeß_]
A^2.3 _indessen daß_ A^1 || 432{11} _Vernunft_] _Natur_ Erdmann?
|| 432{30} _wechselseitig_] A^2.3 _wechselseitigen_ A^1 || 432{33}
_geschehen. Zu derselben_] A^2.3 _geschehen, zu welcher_ A^1 || 432{37}
_erforderlich — Ermangelung_] A^2.3 _wäre, in Ermangelung dessen_
A^1 || 433{3} _ist_] fehlt A^1 || 433{5} _unvermeidlich_: _der_]
A^2.3 _unvermeidlich ist, der_ A^1 || 433{7} _vielleicht_] fehlt
A^1 || 433{10} _vorzubereiten — ungeachtet_] A^2.3 _vorzubereiten,
unerachtet_ A^1 || 433{23} _und_ fehlt A^1 || 433{27.28} _angehören_]
A^1.2 _gehören_ A^3 || 433{29} (_der — Genusses_] A^2 (_denen des
Genusses_) A^1 (_den Neigungen des Genusses_ A^3 || 433{32} _durch_]
A^2.3 _die_ A^1 || 433{36} _indeß_] A^2.3 _indessen daß_ A^1 || 434{1}
_zu unterliegen_] A^3 _unterzuliegen_ A^1.2 || 434{27} _oder_] A^2.3
_aber_ A^1 || 434{27.28} _selbstentworfenen_] Windelband _selbst
entworfenen_ A || 434{29.30} _Leben — nach_ A^2.3 _Leben habe, nach
dem, was es nach_ A^1 || 434{31} _welches_ fehlt A^1 || 436{1} _ein_]
fehlt A^1 || 436{24.25} _der Menschen_] A^2.3 _des Menschen_ A^1 ||
436{32} _die_] Erdmann _der_ A || 437{15} _das_] A^2.3 _die_ A^1 ||
438{15} _kann_] Hartenstein _können_ A || 438{16} _es_ fehlt A^1 ||
438{19.20} _welches viel_] A^2 _das viel_ A^1 _welches viele_ A^3 ||
438{33} _suchen. — sehen_] A^2.3 _suchen und bei näherer Prüfung
sehen_ A^1 || 439{5.6} _wenn — Götter_] A^2.3 _sie entweder ihre
Götter sich als_ A^1 | 439{18} _eines_] A^2.3 _eines einigen_ A^1 ||
439{26} _wären — Substanz_] A^2.3 _wären, die zwar_ A^1 || 439{28}
_wäre_; — _zwar_] A^2.3 _wäre, welches zwar_ A^1 || 439{31.32}
_mußten. — ein_] A^2.3 _mußten, und so den Idealism — einführeten_
A^1 || 440{12} _der_] A^2.3 _seiner_ A^1 || 441{16.17} _ergänzen? —
voraussetzen_] A^2.3 _ergänzen, welches wenn — voraussetzen würde_
A^1 || 441{30} _denn_] Zusatz Vorländer || 442{6} _Physikotheologie_]
A^1.2 _die Physicotheologie_ A^3 || 442{16} _wie — wie_] A^2.3 _so
— so_ A^1 || 442{21} _eine bloße Wüste_ fehlt A^1 || 442{24} _etwa
— Jemand_] A^2.3 _nicht etwa damit irgend wer_ A^1 || 442{25.26}
_Betrachtung — Welt_] A^2.3 _Weltbetrachtung_ A^1 || 442{36} _er
dann_] A^2.3 _er, der Mensch, dann_ A^1 || 443{8} _welcher_ fehlt
A^1 || 443{11} _Wille, ist dasjenige_] A^2.3 _Wille, dasjenige_ A^1
|| 443{33} _dem_] A^2.3 _von dem_ A^1 || 443{34} _von dem_] A^2.3
_dem_ A^1 || 443{35} _ist_] A^2.3 _sey_ A^1 || 444{5} _nach_] A^2.3
_nach der_ A^1 || 444{20} _es_] Erdmann _er_ A || 444{24.25} _alle —
übrigen_] A^2.3 _alle übrige_ A^1 || 444{26} (_denn — Eigenschaften_]
fehlt A^1 || 445{6} _Daß_] _Da_ Rosenkranz || 445{21.22} _kann —
werden_] A^2.3 _eingesehen werden kann_ A^1 || 446{1} _hätte_]
Erdmann _hatte_ A || 446{3} _diesem gemäß_] A^2.3 _darnach_ A^1
|| 446{7} _Gemüthsstimmungen_] A^2.3 _Gemüthsbestimmungen_ A^1 ||
446{12.13} _sich vorzustellen_] fehlt A^1 || 446{15} _gewinnt_]
A^2.3 _gewinne_ A^1 || 446{34} _Ursache_] A^1.3 _Ursachen_ A^2 ||
446{36} _in ihren Wirkungen fehlt_ A^1 || 447{1} _diesem_] fehlt A^1
|| 447{16} _=Teleologie=_] A^2.3 _=Theologie=_ A^1 || 447{30} _oder
— unsere_] A^2.3 _oder uns selbst in Ansehung ihrer als Endzweck,
unsere_ A^1 || 447{34} _die_] A^2.3 _der_ A^1 || 448{2} _betrifft_
fehlt A^1 || 448{13} _Zusammenhang ist_] A^2.3 _zusammenhängt_
A^1 || 448{19} _den_] Erdmann _der_ A || 448{28} _gedacht_] A^2.3
_vorgestellt_ A^1 || 449{1} _zwar — Theil_] A^2.3 _zum Theil zwar_
A^1 || 449{18} _verhalte_] A^3 _verhält_ A^1 _verhalten_ A^2 ||
450{33}—451{37}] Die Anmerkung fehlt A^1 || 451{2} _erstern_] A^3
_letztern_ A^1.2 || 451{3} _letztern_] A^3 _ersteren_ A^1.2 || 451{4}
_letztern_] A^3 _ersteren_ A^1.2 || 451{7} _des höchsten Weltbesten_]
Erdmann _das höchste Weltbeste_ A || 451{10} _ohne — die_] A^2.3
_unangesehen aller Zwecke_ (_als der_ A^1 || 452{2} _erfüllte_.
_Umgekehrt_] A^2.3 _erfüllte_; _und umgekehrt_ A^1 || 452{8} _wie
— Spinoza_] fehlt A^1 || 452{9} _fest_] A^2.3 _festiglich_ A^1 ||
452{19} _Zusammenstimmung_] A^2.3 _Zusammenstimmung der Natur_ A^1 ||
453{12.13} _Objects — und welches_] A^2.3 _Objects, welches — kann,
an die Hand, das durch_ A^1 || 453{19} _denselben_] A^3 _demselben_
A^1.2 || 453{24} _indeß_] A^2.3 _indessen daß_ A^1 || 454{26} _muß_]
A^3 _mußte_ A^1.2 || 455{7.8} _Ausführbarkeit_] (_Ausführbarkeit_)
Erdmann || 455{21} _müsse_] A^3 _mußte_ A^1.2 || 455{28} _müsse_]
A^3 _mußte_ A^1.2 || 455{29.30} _sei — mithin_] A^2.3 _sei, mithin
wir_ A^1 || 456{18} _moralischen_] _moralischen Endzwecks_ Erdmann
|| 456{22} _bereits_] Hartenstein _bereit_ A || 456{27} _dieselbe_]
Erdmann _dasselbe_ A || 456{29} _bestimmende_] A^2.3 _bestimmte_ A^1
|| 456{36} _beabsichtete_] _beabsichtigte_ Erdmann || 457{6} _zu
dieser_] Erdmann _dieser_ A || 457{13} _Anziehung_] fehlt A^1 ||
457{36} _indeß_] A^2.3 _indessen daß_ A^1 || 458{27} _Weise_] A^2.3
_Art_ A^1 || 458{32} _innere_ fehlt A^1 || 459{35} _=Idol=_] A^2.3
_=Ideal=_ A^1 || 460{17} _werden_] Zusatz Windelband || 460{18} _auf_]
A^2.3 _auch auf_ A^1 || _Vorschrift_] A^1.3 _Vorsicht_ A^2 || 460{22}
_über_] A^1 _für_ A^2.3 || 460{27} _keine_] Hartenstein _keines_
A || 460{33} _praktischer nothwendiger_] _praktisch-nothwendiger_
Vorländer || 460{35} _erforderlichen_] A^2.3 _erforderlicher_ A^1
|| 461{12} _teleologischen_] Rosenkranz _moralischen_ A || 461{19}
_nicht — ein_] A^2.3 _nicht ein bloß_ A^1 || 462{5} _einer_ fehlt
A^1 || 462{23} _müßte_] A^2.3 _mußte_ A^1 || 463{11} _er — dahin_]
A^2.3 _er auf dem Wege dazu_ A^1 || 463{13.14} _Urtheils_] A^2.3
_Urtheilens_ A^1 || 463{23} _Satz — der_] A^2.3 _Satz, die Existenz_
A^1 || 464{11} _ungeachtet_] A^2.3 _unerachtet_ A^1 || 464{12–14}
_sich — Statt_] A^2.3 _sich_ (_d. i. — betrachtet_), _welche den
Grund — enthalten, statt_ A^1 || 464{17} _Analogon_] A^1.3 _Anlagen_
A^2 || 464{30} _mit dem_] _mit_ Erdmann || 464{39} (_dergleichen —
Verstand_) _ist, kann_] A^2.3 (_dergleichen ist die durch Verstand_)
_kann_ A^1 || 465{23} _nicht_] fehlt A^3 || 466{33} _also_] A^3
_aber_ A^1.2 || 467{7} _unsern_] A^2.3 _unserm_ A^1 || 467{19.20}
_Hirngespinsten_] Erdmann _Hirngespinstern_ A^2 _Hirngespenstern_
A^2.3 cf. 411{26}, 472{25} || 467{35} _wirkliche_ fehlt A^1 || 468{16}
(—) _Thatsachen_] A^2.3 _Thatsachen_ (—) A^1 || 468{22} _an sich_]
A^1.2 _sich_ an A^2 || 469{8.9} _kann — durch_] A^2.3 _kann, aber
doch durch_ A^1 || 469{10–13} _Wirkung — =Glaubenssachen=_] A^2.3
_Wirkung ist, zusammt — Unsterblichkeit, =Glaubenssachen=_ A^1 ||
469{20} _und Geographie_ fehlt A^1 || 469{35–36} _sich nicht_ (_gleich
— gründen_) Windelband _Glaubenssachen fürwahrhalten_ (_gleich —
nicht gründen_) A^1 _sich (gleich — nicht gründen)_ A^2.3 || 470{9.10}
_oder die — Selbstliebe_ fehlt A^1 || 470{13} _zugleich_ fehlt A^3
|| 471{7.8} _wegen — demselben_] A^2.3 _um der — demselben willen_
A^1 || 471{16} _obliegen_] _obliegt_ Erdmann || 471{17} _von_] Zusatz
Erdmann || 471{20} _Pflicht_] A^1.3 _Absicht_ A^2 || 471{26} das erste
_und_] fehlt A^1 || 471{34–36} _aber — Grunde_] fehlt A^1 || 472{1}
_aber_] A^1.2 _jedoch_ A^3 || 472{9} _dessen_ fehlt A^1 || 472{31}
_seiner_] A^3 _ihrer_ A^1.2 || 473{22} _konnte_] A^2.3 _könnte_ A^1
|| 473{31} _ihrer_] A^2.3 _dieser ihrer_ A^1 || 474{11} _ist. Daß_]
A^2.3 _ist und daß_ A^1 || 474{15} _der_] A^2.3 || _den_ A^1 || 474{18}
_deren_] A^2.3 _die_ A^1 || 474{28} _desselben_] A^2.3 _desjenigen_
A^1 || 475{3} _praktische_] A^1 _praktisch_ A^2.3 || 475{5} _der —
letzteren_] A^2.3 _dieser ihr ganzer Besitz_ A^1 || 475{9} _sie_] A^1.3
_sich_ A^3 || 475{31} _den_] A^2.3 _den bloßen_ A^1 || 476{5} _mir_]
A^1 _wir_ A^2 _uns_ A^3 || 476{10} _müsse_] A^2.3 _muß_ A^1 || 476{11}
_lasse_] A^2.3 _läßt_ A^1 || 476{23} _den_] A^3 _der_ A^1.2 || 476{31}
_nun_] A^2.3 _uns_ A^1 || 477{19–21} _voraus. In — Genüge_] A^2.3
_voraus_; _in — dessen (—) die Zwecke — Genüge thun_ A^1 || 477{24}
_sein_] A^1 _ein_ A^2.3 || 477{27} _Benützung_] Hartenstein _Bemühung_
A || 477{30} _ihn_ fehlt A^1 || 477{32} _in den_] A^2.3 _im_ A^1 ||
477{35}—478{2} _ergänzt_. _In — das_] _ergänzt, so daß in der That
nur — fühlt, hervorbringt, der — aber nur das Verdienst hat, das_
A^1 || 478{5} _theologischer_] A^1.3 _theoretischer_ A^2 || 478{14}
_etwa_ fehlt A^1 || 478{15} _er_ fehlt A^1 || 478{23} _Begriffe_]
_Beweise_ Erdmann || 478{32} _sich — Wesen_] A^1.2 _vernünftige Wesen
sich_ A^3 || 479{6} _jener_] A^2.3 _jenen_ A^1 || 479{13} _welches_]
A^2.3 _welcher_ A^1 || 479{33} _müßte_] A^2.3 _mußte_ A^1 || 480{20}
_Euch_] A^1.3 _auch_ A^2 || 480{29} _anpreisen_] A^2.3 _auspreisen_
A^1 || 480{31} _vorgeblichen_] A^2.3 _vergeblichen_ A^1 || 480{32}
_Eurer_] A^2.3 _einer Schlußkette_ A^1 || 480{33.34} _welchen —
heraussagt_] A^2 _den_ — A^1 _welcher gegen — herausgesagt wird_
A^3 || 482{5} _Naturkenntniß_] A^2.3 _Naturerkenntniß_ A^1 || 482{10}
_allein nicht_] A^2.3 _allein_ A^1 || 482{12} _desselben_] Windelband
_derselben_ A || 482{25} _aber — in_] A^2.3 _aber zum Verdruß —
Vernunft auch in_ A^1 || 482{27} _nachstehende_] A^2.3 _beigehende_
A^1 || 482{29} _Schönheit_] A^2.3 _Schönheiten_ A^1 || 483{5} _ihm_]
A^2.3 _ihnen_ A^1 || 483{20} _ersten_] A^1 _ersteren_ A^2.3 || 483{22}
_desselben_] Erdmann _derselben_ A || 483{36} _Zweckmäßigkeit_] A^2.3
_Zweckverbindung_ A^1 || 484{3} _uns_] Zusatz v. Kirchmann || 484{18}
_ich_] A^2.3 _und_ A^1 || 484{23} _durch eine_] A^2.3 _einer_ A^1.

                                                  =Wilhelm Windelband.=


Orthographie, Interpunction und Sprache.

Trotz ihres bedeutenden Umfanges enthält die _Kritik d. Urth._ wenig
störende Schreibungen und Sprachformen, von denen allerdings manche
durch häufiges Vorkommen das Bild des Druckes bestimmen. Andrerseits
treten orthographische und sprachliche Besonderheiten auf, die
unserm Brauch entsprechen, dagegen in den Kantdrucken sonst fast gar
nicht belegt sind. Die Sprache des Druckes und der gleichzeitigen
Kant-Manuscripte stehen sich zwar nahe, decken sich aber nicht.

ORTHOGRAPHIE. =Vocale=. Charakteristisch ist nur das _aa_ in _Maaß_
(selten _anmaßen_), das _ey_ in _Freyheit, Befreyung, zwey, zweyte,
zweyerlei, gemeynt, sey, seyn_ (esse), _Malerey_ (doch fällt mehrfach
_ei_ auf: _Freiheit_ öfter, _zwei, sein_ = esse, _beilegen_!).
— =Consonanten=. Widerspruchsvoll ist wie so oft die Behandlung
der _k-_Laute. _c_ steht häufig in Wörtern griechischer Abkunft:
_Critik, Microscop, Telescop, Character, dialectisch, apodictisch,
collossalisch, categorisch, practisch_ (doch auch oft _praktisch_);
vgl. dazu _Cameel, Orcan, Punct_. Hingegen haben aus dem Lateinischen
stammende _k_: _Prädikat, Produkt, Objekt, Instinkt, Publikum,
traktirt, reflektirend_ (indessen überwiegt hier _c_: _Product,
Object, reflectirend_). Auffällig ist ferner _f_ vor Consonant und im
Auslaut: _Begrif, Begrifs, Stof._ (selten _Begriff, Stoff_), _Hofnung,
eröfnet, herbeygeschaft, betrift, vortreflich_. — Dehnungs-_h_ war
verhältnissmässig selten zu beseitigen: _Gebehrde, Spuhr, willkührlich,
stöhrt_ (häufiger: _willkürlich, zerstörend_). — Auch die _s_ =
Laute boten wenig Anlass zu Eingriffen: _ss_ in _Ausschliessung,
heissen, ausser_ (vorwiegend _ß_: _einschließen, bloße, außer_ u. s.
w.), _Caussalität_ (selten _Causalität_). — Sonst findet sich noch
_v_ statt _u_: _Propädevtik, Pnevmatologie_. — =Anfangsbuchstaben=.
Abweichungen von der Regel sind selten: _Doctrinalen_ (_Geschäft_),
_Savoyische Bauer_; _ungleichartiges, etwas bloß subjectives_. —
=Zusammensetzung.= — Es finden sich: _ob zwar_ (auch _obzwar_)_, ob
gleich, oben ein, so fort_. — =Eigennamen=: _Epicur, Schakespeare._

INTERPUNCTION. Der Gebrauch von Komma und Semikolon stört recht oft.
=Komma= schliesst häufig adverbiale Bestimmungen ein, steht vor
Satztheilen, die durch _und_ angefügt sind, aber auch hinter anderen,
welche durch _mithin, aber, zugleich, sondern, wie_ eingeleitet
werden. Es erscheint vielfach überflüssig vor und hinter Appositionen
mit _als_, in Verbindungen wie _und, da_; _und, wenn_; _denn, wenn_;
_denn, weil_; _denn, daß_; _daher, wenn_; _dagegen, wenn_; _allein,
wenn_. Doch fehlt es in allen diesen Fällen auch oft. — Wiederum
vermissen wir es an Satzgrenzen, vor _obzwar, aber, ohne zu_, zwischen
unverbundenen gleichartigen Satztheilen, vor und hinter Appositionen,
praedicativen Attributen 250{15.16}; doch steht es in der Regel. —
Recht beliebt ist im Drucke =Semikolon=, das vielfach im Verhältniss
der Subordination durch Kolon 190{17} 191{20} u. a., oder, besonders
zwischen nebengeordneten Satztheilen, auch durch Komma 193{21} 309{29}
311{4} ersetzt werden musste.

SPRACHE. =Laute. Vocale.= Den Umlaut vermissen wir bei _abzuhangen,
überhangende, zusammenhangenden_ u. ä. (nicht immer; im Ganzen 8
Beispiele). — _alsdenn_ steht 9 mal, sonst stets _alsdann_. Die
Formen wechseln. Ein Unterschied nach Bogen wie in manchen älteren
Drucken ist weder hier noch bei anderen Schwankungen zu beobachten.
— Ableitungs- und Flexionssilben sind wie immer beim Verbum am
wenigsten fest. Wir finden die Ind. Imp. _beruheten, austheilete_
(aber z. B. _zählte_); die Conj. Imp. _fällete, beurtheilete, kennete,
beruhete_ (aber z. B. _fehlte, erfüllte, vorstellte, führte, bestimmte,
glaubte_); die unflectirten Part. Perf. _gestellet, beygesellet,
geführet, bestimmet, nachgeahmet, abgefasset, überzeuget_ (16 Belege;
Synkope herrscht, z. B. _vorgestellt, erschwert, bestimmt, entfernt,
aufgefaßt, geschätzt, erzeugt_ u. s. w.) und 1 mal die flectirte Form
_überfülletem_. — Dem entspricht die 3. Pers. Sing. Präs. _erhellet,
gehöret, bestimmet, siehet, veranlasset, hinflößet, schätzet, besorget_
u. a. (17 mal; sonst Synkope: _gefällt, spielt, führt, bestimmt,
scheint, geht, läßt, schätzt, gelangt_ u. s. w.). — Von Substantiven
sind zu nennen _Ursach_ 181{22.23} (sonst _Ursache,_ z. B. 181{24}
_Tischgeräthe_ 313{11} (Sing.), je 1 mal. — Consonanten. Einzelfälle
sind _Zierrathen_ 226{4}, _geschicht_ 403{29}. — =Flexion.= Auch hier
stören nur vereinzelte Formen: _der Gedanken_ 342{35} 343{1} (Sing., 2
mal), _der Blumenbeeten_ (1 mal, _seyn_ = _seien_ 284{34} (nur 1 mal!,
sonst ist stets _sind_, 4 mal auch _seyen_ gesetzt!). — =Wortbildung=.
Es finden sich _mehrmalen_ (1 Beleg) und mehrfach _vornämlich_
(vielleicht orthographisch aufzufassen). — =Syntax.= Änderungen
wurden gleichfalls nur vereinzelt nöthig _aus einem gemeinschaftlichem
Grunde_; _zu deren Bekenntniß_ (_innerem oder äußeren_); _denen=den_
(173{20}); _an allem diesen Schmucke, mit allem seinen Vermögen, mit
diesem allen_; _zwischen diesen zweyen Gemeinörtern, jenen zweyen
Principien, jener zweyen Reiche, von zweyen Geschöpfen; ankommen auf_
m. Dativ 205{10–2}; _vor jetzt_ 240{13.14} (statt _für jetzt_).
Die angeführten Fälle sind je nur 1 mal belegt, die beiden ersten
vielleicht aus Druckfehlern zu erklären.

                                                  =Ewald Frey.=



ÄNDERUNGEN IM TEXT:


  Seite  Original                       Änderung
  210    das sittliche Gesetzt          das sittliche Gesetz
  252    Nachrichten von Agypten        Nachrichten von Ägypten
  280    zu rechfertigen haben:         zu rechtfertigen haben:
  292    beider Erkennntnißvermögen     beider Erkenntnißvermögen
  295    ist am schwersten zu ereichen  ist am schwersten zu erreichen
  302    wenn mir gar andern zumuthen   wenn wir gar andern zumuthen
  333    daß es im hiemit nicht         daß es ihm hiemit nicht
  339    (zugleich auch des Subjets)    (zugleich auch des Subjects)
  388    wozu wi bloß                   wozu wir bloß
  n. 28  gegemeiniglich alle            gemeiniglich alle
  394    keines eges aber _a priori_    keinesweges aber _a priori_
  449    kann also allein als End-      kann also allein als Endzweck
  476    auf den gemeinnen Verstand     auf den gemeinen Verstand





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Kant's gesammelte Schriften - Band V. Kritik der Urtheilskraft." ***

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