Home
  By Author [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Title [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Language
all Classics books content using ISYS

Download this book: [ ASCII ]

Look for this book on Amazon


We have new books nearly every day.
If you would like a news letter once a week or once a month
fill out this form and we will give you a summary of the books for that week or month by email.

Title: Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff 40: Die Empörung im Weltenfahrzeug
Author: Anonymous
Language: German
As this book started as an ASCII text book there are no pictures available.


*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff 40: Die Empörung im Weltenfahrzeug" ***


          40. Band. Jeder Band ist vollständig abgeschlossen.
                       Preis 10 Pf. (15 Heller.)



              Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff.



                    Die Empörung im Weltenfahrzeug.


   [Illustration: Ein grauenvoller Anblick bot sich den Eintretenden
     dar. Die Körper der beiden Männer wurden in furchtbarem Wirbel
           von der unheimlichen Maschine umhergeschleudert.]


                    Druck- und Verlags-Gesellschaft
                                 Berlin



                    Die Empörung im Weltenfahrzeug.



                              1. Kapitel.
                          Das seltsame Licht.


Dichter Nebel bedeckte Land und Meer.

Die grauen Massen lagerten sich schwer über die schäumenden Wogen, sodaß
das Auge nicht in die Weite zu schweifen vermochte.

Auch auf der geheimnisvollen Insel des Kapitän Mors lagen die Nebel und
dieser Umstand brachte es dahin, daß die Wachsamkeit, die auf der Insel
herrschte, verdoppelt wurde.

Allerdings hatte man keine Schiffe gewahrt und auch kein Zeichen eines
feindlichen Angriffes bemerkt. Dagegen hatte Kapitän Mors, der stets und
ständig Erkundigungen in der Welt einzog, einiges erfahren, was ihm zu
denken gab. Es schien, als ob wieder mal ein Angriff auf die
geheimnisvolle Insel geplant wurde. --

Die Nacht war vorüber und der Morgen dämmerte. Durch die Nebelmassen
schritt der stolze Mann, der das lenkbare Luftschiff und das
Weltenfahrzeug erbaut und hier auf der Insel wie ein König in seinem
Reiche herrschte.

Kapitän Mors inspizierte die Wächter, die er hier und dort am
Klippenstrand der Felseninsel aufgestellt hatte und ließ sich von ihnen
Bericht erstatten.

Soeben nahte er einem hohen Klippenrand, dort stand im Schutz einiger
gewaltiger Felsblöcke eine Männergestalt, die sich zum Schutz gegen die
feuchtkalten Nebel in eine große Decke eingehüllt hatte.

Es war einer der Inder, einer der treuen Gefährten des Kapitän Mors. Er
trat an den Wächter heran.

»Ist etwas vorgefallen?« fragte er mit jenem freundlichen Ernst, den er
stets seinen Leuten zeigte.

Kapitän Mors erwartete eine verneinende Antwort, denn der Nebel
versperrte ja jede Fernsicht, die Antwort setzte ihn daher in einiges
Erstaunen.

»Gesehen habe ich was, Kapitän,« lautete der Bescheid des
Wachehaltenden, »und zwar gegen Morgen. Als sich der Morgenwind erhob,
blies er tüchtig in die Nebelmassen und trieb sie ein wenig auseinander.
Da habe ich einige hundert Meter von der Insel ein sonderbares Licht
gesehen, es war ein bläulich-grüner Schimmer, der zuweilen aufzuckte und
dann wieder verschwand. Es wiederholte sich noch mehrmals.«

»Also ein Schiff,« meinte Kapitän Mors ruhig. »So scheinen die Gerüchte,
die ich vernommen, doch auf Wahrheit zu beruhen. Nun, mögen meine Gegner
nur kommen, sie finden einen heißen Empfang, ich würde diesmal keine
Schonung kennen. Wenn sie mich reizen, will ich ihnen mal meine Macht
zeigen.«

»Nein, Kapitän, ein Schiff war es nicht,« fuhr der Wächter fort. »Der
Wind hatte die Nebelmassen völlig verjagt und da hätte ich ein Schiff
sehen müssen, ja selbst einen Gegenstand, der nur so groß wie ein Boot
gewesen wäre. An der Stelle, wo das Licht aufflimmerte, sah ich nichts
als die Gewässer, welche im regelmäßigen Kommen und Gehen gegen unsere
Felsenküste brandeten. Das war ja eben das Sonderbare.«

»So, so,« erwiderte Kapitän Mors gedehnt, »und Du hast Dich nicht
getäuscht?«

»Nein, Kapitän, denn ich habe das Licht immer wieder beobachtet, bis es
endlich verschwand. Im Meere gibt es ja viele Geheimnisse und da wollte
ich Euch schon fragen, ob es nicht ein ungeheures Tier gewesen sein
kann. Gibt es doch sogar elektrisch leuchtende Fische. Könnte da nicht
irgend ein solches Riesentier aus den Tiefen des Meeres emporgestiegen
sein?«

»Ich bezweifle es,« erwiderte Kapitän Mors. »Allerdings gibt es große
Fische, die eine Art natürlicher Leuchtapparate besitzen, aber dies
Licht ist doch zu schwach, um in solcher Entfernung bemerkt zu werden.
Auch würden derartige Seeungeheuer, die in ungeheuren Tiefen leben,
alsbald den Tod finden. Schade, daß ich das Licht nicht selbst gesehen
habe, aber ich werde jetzt meine Maßnahmen darnach treffen.«

Kapitän Mors blieb noch eine ganze Weile bei dem Wächter und beide
Männer blickten auf das Meer, aber die Nebelmassen zogen sich immer
dichter und dichter zusammen.

Der Mann an der Seite des Kapitän Mors schien öfters zusammenzuzucken,
er zitterte krampfhaft und Kapitän Mors schien dies bald zu bemerken.

»Fühlst Du noch immer die krankhaften Zuckungen in Deinem Körper?«
fragte er plötzlich. »Ich habe diesen Zustand auch bei Deinen Gefährten
beobachtet, welche die Fahrten im Weltenfahrzeug unternahmen.«

»Allerdings, Kapitän,« klang es zurück. »Zeitweise ist es, als ob die
Glieder völlig gelähmt seien, es gibt Stunden, in denen man sich kaum
bewegen kann.«

»Seltsam,« murmelte Kapitän Mors. »Weder ich, noch Star oder Terror
haben etwas von diesen Anfällen bemerkt, auch die Töchter des Ingenieurs
und der Astronom sind von solchen Anfechtungen verschont geblieben. Es
scheint, daß nur die Inder unter den Fahrten im Weltenfahrzeug leiden.
Das kommt wohl daher, daß sie aus einem tropischen Lande stammen, und
ihre Körper weniger widerstandsfähig sind, als die der Europäer.«

»Ich glaube es auch, Kapitän, aber wir werden uns daran gewöhnen. Wir
werden aushalten, bis wir bei den Fahrten im Weltenraum dieselbe
Widerstandskraft besitzen. Der Mensch gewöhnt sich ja an alles.«

»Das ist richtig,« antwortete Kapitän Mors, »aber ich habe keine Lust,
die Gesundheit meiner getreuen Anhänger zu vernichten. Dabei bin ich
doch auf meine Inder angewiesen. Nun vielleicht wird sich auch hier Rat
schaffen lassen.«

Das verdächtige Licht zeigte sich nicht mehr und die Nebel blieben. Die
Sonne vermochte nicht, diese grauen Massen zu durchbrechen, es schien,
als hätte eine böse Fee die Insel und das ganze weite Meer verzaubert.

Kapitän Mors sprach nicht über die Beobachtung des Inders, aber er ließ
alle nur erdenklichen Vorsichtsmaßregeln treffen.

An den meisten Stellen war ja die Insel völlig unzugänglich und bot den
Anblick einer kolossalen Felsenmasse.

An den wenigen Stellen aber, wo eine Landung möglich schien, wurden
sonderbar aussehende Apparate aufgestellt, die von zuverlässigen Leuten
bedient wurden.

Das waren Zerstörungsapparate, welche dem Erfindungsgenie des Kapitän
Mors ihre Entstehung verdankten.

Diese Apparate konnten auf ziemliche Entfernung hin zerstörend wirken,
sie konnten gepanzerte Schiffe vernichten. Kapitän Mors hatte keine
Lust, ein Betreten seines Reiches zu dulden.

Er gab den Männern, welche die Zerstörungsapparate bedienten, Vollmacht,
daß sie nach ihrem eigenen Gutdünken handeln sollten, gebot aber, wenn
irgend möglich, das Hauptquartier, wie er sein Heim auf der Insel
nannte, beim Erkennen verdächtiger Gegenstände benachrichtigen zu
wollen.

Der Vormittag verging ruhig.

Alle Männer auf der geheimnisvollen Insel beobachteten das Meer, soweit
es eben der durch die Nebelmassen gehemmte Blick erlaubte.

Auch die Männer des Kapitäns meinten, daß irgend ein Anschlag geplant
sei, der möglicherweise mit besonderer Heimtücke in Szene gesetzt werden
würde.

Am Nachmittag begann sich der Wind, der sich völlig gelegt, wieder zu
erheben, er wurde stärker und stärker und entwickelte sich allgemach zu
einem Sturme.

In kurzer Zeit schlugen die Wellen mit fürchterlicher Gewalt gegen das
Klippenufer, es war ein großartiges Schauspiel, wie der Sturm die
Nebelmassen durcheinander schleuderte.

Die Bewohner der Insel kannten solche Naturereignisse. Die dichten Nebel
waren gewöhnlich die Vorboten schwerer Stürme, die sich zuletzt zu
wahrhaft rasenden Orkanen steigerten.

Das schien auch diesmal der Fall zu sein, denn der Wind nahm derartig
zu, daß sich die majestätischen Stämme der Kokospalmen wie dünne
Grashalme bogen, daß die Kronen der Palmen beinahe den Erdboden
berührten.

Aber für die Bewohner der Insel war nichts zu besorgen.

Alle Gebäude waren fest errichtet und an Stellen erbaut, wo sie gegen
den wütenden Sturm Schutz fanden. Die Häuser an der Haupteinfahrt
bestanden aus Stein und konnten selbst dem wütendsten Orkan Trotz
bieten.

Fürchterlich war das Tosen des rasenden Gesellen, das Geheul und Gebrüll
der Brandung, die Wellen schlugen an die Felsenküste, als wollten sie
die Klippen zertrümmern.

»Wenn Feinde von uns draußen sind, geht es ihnen schlecht,« sprach
Ingenieur Star zu Kapitän Mors. »Mögen sie nun nahen, wie sie wollen,
der Orkan verdirbt ihnen den Spaß. Selbst wenn sie unter dem Schutze des
Nebels die teuflischsten Anschläge geplant hätten.«

Mors gab keine Antwort, aber er teilte offenbar die Ansicht seines
Gefährten.

Es durfte sich niemand aus den Häusern wagen, der Orkan schleuderte
alles zu Boden. Nur der Luftpirat verließ einige Male sein
Hauptquartier, dieser eiserne Mann trotzte selbst der Gewalt der
Elemente.

Der Abend kam und der Orkan wütete mit unverminderter Gewalt fort, die
Nebelmassen aber waren jetzt völlig verschwunden.

Der Sturm hatte sie hinweggefegt und nun bot die See ein Bild, wie man
es selten zu schauen vermochte.

Haushohe Wogen jagten daher, und schlugen mit fürchterlicher Gewalt
gegen die Klippen, die ihnen den Weg versperrten.

Ein salziger Sprühregen flog weit landeinwärts und die Uferfelsen waren
mit weißem Schaum bedeckt, so daß es aussah, als ob Schnee gefallen
wäre.

Da brauchte niemand Wache zu halten. Aber die Leute, welche an der
Hafeneinfahrt wohnten, sahen bis spät in die Nacht auf die See hinaus
und betrachteten mit nie ermüdendem Staunen das prächtige Spiel der
entfesselten Naturgewalten.

Um Mitternacht vernahm Kapitän Mors den Zuruf der beiden Ingenieure, die
jetzt in dem steinernen Hause wohnten.

»Kapitän, Kapitän,« rief Terror, indem er an die Tür klopfte. »Wir haben
eben draußen auf der See ein grünlich-blaues Licht gesehen. Es ist
gerade, als ob da ein Fahrzeug von den empörten Wogen hin- und
hergeschleudert wird. Aber merkwürdiger Weise ist kein Schiff zu
erblicken.«

In wenigen Augenblicken stand Kapitän Mors am Fenster.

Da sah er auch den seltsamen Lichtschimmer, der ab und zu aufblitzte. Er
zog an der Klippeninsel vorüber und es schien, als wolle er jene Stelle
erreichen, wo die Felsen direkt senkrecht aus dem Meere emporstiegen.

»Es wird etwas von den Wogen dahingetrieben,« sprach Kapitän Mors, »der
Wächter, den ich heute morgen sprach, dachte an einen riesigen Fisch,
aber das halte ich für ausgeschlossen, ich muß das unbekannte Ding für
Menschenwerk halten.«

Mors hatte das Fenster aufgerissen.

Zu sehen war nichts mehr, man vernahm nur das Brüllen der Wogen, das
gräßliche Sausen und Heulen des Sturmes, das Knarren und Aechzen der
Palmen, die sich unablässig unter den anstürmenden Orkanstößen neigten.

So ging die Nacht vorüber und gegen Morgen brach sich die Gewalt der
Elemente, der Orkan tobte nicht mehr, aber die Wellen brandeten noch mit
aller Macht gegen die Steilklippen.

Auf der geheimnisvollen Insel pflegte man nach solchen furchtbaren
Stürmen immer die Küste abzusuchen, da es nicht selten vorkam, daß
alsdann Trümmer angeschwemmt wurden.

Oft genug fand man Eingeborenen-Canots von den benachbarten Inseln oder
vielmehr die Trümmer dieser sonst ziemlich seetüchtigen Fahrzeuge.

Es war jetzt hell genug geworden, aber ein feiner Regen rieselte
hernieder.

Kapitän Mors, die Ingenieure und einige Inder hüllten sich in ihre
wasserdichten Regenmäntel und machten sich daran, den Klippenstrand der
geheimnisvollen Insel zu umschreiten.

Unwillkürlich verfolgte Kapitän Mors den Weg nach dem nordöstlichen
Strand und wendete sich der Stelle zu, wohin das blaugrüne Licht
getrieben wurde.

Einer der Inder, ein junger, sehr leichtfüßiger Mann, war eine Strecke
voraus und erstieg gerade mit großer Behendigkeit die Klippen.

Da richtete sich der Mann plötzlich empor.

»Kapitän, Kapitän,« schrie er, mit den Armen gestikulierend. »Kommt
rasch, rasch, hier ist etwas Seltsames zwischen die Klippen geklemmt und
da sind auch Menschen!«

Es war kein Wunder, daß dieser Zuruf Kapitän Mors und dessen Begleiter
zur größten Eile veranlaßte.

Sie rannten um die Wette, klommen an den Klippen empor und schauten in
eine Art Bai hinunter.

Diese war ganz von Klippen angefüllt und dort lag in der Tat etwas
Merkwürdiges.

Es erschien fast wie ein riesiger Fisch von ungeheuren Dimensionen, wie
ein gestrandetes Ungeheuer, an dessen Seiten die Wogen brandeten.

Gischt und Wogenschaum gingen über das sonderbare Ding hinweg, so daß es
nur selten den Blicken sichtbar wurde.

»Das ist kein Meeresungeheuer,« rief Kapitän Mors plötzlich. »Das ist
Menschenwerk, ein Fahrzeug, welches sicherlich aus Metall hergestellt
ist. Nein, ich täusche mich nicht, das ist ein Unterseeboot.«

»Von dem ist das geheimnisvolle Licht ausgegangen,« ergänzte Terror.
»Kapitän, die dort hatten nichts Gutes im Sinne. Es war auf uns
abgesehen, das Unterseeboot wollte jedenfalls die Bewohner unserer Insel
angreifen. Jetzt ist das Ding gescheitert und die Wellen werden es
allmählich in Stücke zerschlagen.«

»Das mag sein,« erwiderte Kapitän Mors. »Aber jetzt müssen wir sehen,
daß wir die Menschen dort auf die Insel schaffen. Das gebietet die
Menschlichkeit, selbst, wenn diese Leute feindliche Absichten hegen. Was
dann mit diesen Leuten geschehen wird, werde ich noch bestimmen. Sie
befinden sich jetzt in größter Not und sind dem Untergang nahe.«

Es war in der Tat ein großes Unterseeboot, welches der furchtbare Sturm
zwischen die Klippen getrieben hatte.

Da lag es festgeklemmt und ragte gleich einem kolossalen Ungeheuer aus
den Wogen empor.

Seine Lage aber brachte es mit sich, daß eine Anzahl Menschen, die sich
zweifellos im Innern befunden hatten, eine hoch aus dem Wasser
emporragende Klippe erreichen konnten.

Da hockten sie in verzweifelter Lage, bis auf die Haut durchnäßt, Gischt
und Wogenschaum ging über sie hinweg, und die Brandung drohte diese
Leute mit sich fortzureißen und ihre Körper an den zackigen Klippen zu
zerschmettern.



                              2. Kapitel.
                   Die Mannschaften vom Unterseeboot.


Kapitän Mors legte beide Hände an den Mund, so daß sie gleichsam ein
Sprachrohr bildeten.

»Haltet aus!« schrie er mit mächtiger Stimme, die den Donner der Wogen
übertönte. »Klammert Euch fest, es kommt Hilfe!«

Auf der geheimnisvollen Insel befanden sich nicht nur Zerstörungs-,
sondern auch Rettungsapparate.

Kapitän Mors schickte den schnellfüßigen Inder nach dem Hauptquartier
mit dem Befehl, daß einer der Rettungsapparate herbeigeschafft werden
sollte.

Dieser war ganz nach der Art erbaut, wie man solche an den europäischen
Meeresküsten verwendete. Es war ein Raketenapparat mit Stricken und
Körben, die mittels Rollen auf dem Seil bewegt werden konnten.

Es dauerte noch eine halbe Stunde, aber dann war der mit dem
Rettungsapparat beladene Wagen zur Stelle.

Zuerst wurde eine Art Mörser auf die Klippen gestellt, und mit einer
Rakete geladen.

An diese Rakete war ein dünnes Tau befestigt und Kapitän Mors feuerte
den Mörser so geschickt ab, daß die lange Leine bis zu der von den
Schiffbrüchigen besetzten Klippe hinüberflog.

Die gestrandeten Mannschaften begriffen sofort, was da vorging und
mochten ähnliche Rettungsapparate kennen.

Sie ergriffen die Leine und zogen sie an, auf diese Weise zogen sie ein
dickes, an die Leine gebundenes Tau zur Klippe hinüber.

Das Ende dieses sehr festen und widerstandsfähigen Taues wurde an den
Felsen befestigt, und so war eine Verbindung zwischen der Klippe und dem
festen Lande hergestellt. Man brauchte nur noch den auf Rollen laufenden
Korb hinüberzusenden, um die Schiffbrüchigen einen nach dem andern auf
die geheimnisvolle Insel zu holen.

Da das Tau in etwas abschüssiger Richtung nach der Klippe hinabführte,
rollte der Rettungskorb leicht hinunter.

Zwei der halberstarrten Männer stiegen ein und wurden mittelst einer
Leine, die am Korb befestigt war, von den Indern auf den Felsenstrand
der Insel herübergezogen.

Dort reichte man ihnen sofort wollene Decken, während der Rettungskorb
schon wieder nach der Klippe hinunterrollte.

Auf diese einfache Art und Weise wurden im Verlauf von kaum einer halben
Stunde die sämtlichen zehn Männer, welche sich auf der Klippe befanden,
auf die Insel gebracht.

Kapitän Mors betrachtete die Geretteten, die vor Kälte und Nässe fast
erstarrt waren und sich in einem ganz jämmerlichen Zustande befanden.

Je zwei Inder faßten einen der Geretteten unter den Arm, da sie
dieselben nur auf diese Weise aufrecht zu erhalten vermochten.

Nun ging es landeinwärts, nach einem der in den Klüften erbauten
Gebäude, in denen die Schiffbrüchigen einstweilen Unterkunft finden
sollten.

Dort wurden sie ihrer triefend nassen Kleidung entledigt und ihnen
einige warme, behagliche Lagerstätten hergerichtet.

Die Leute ließen alles mit sich geschehen, ganz wie kleine, hilflose
Kinder, sie waren zu Tode erschöpft und nicht imstande, einen Laut
hervorzubringen.

Todmüde mußten sie sein, da sie alsbald in eine Art Totenschlummer
verfielen und regungslos zwischen den wollenen Decken lagen.

Kapitän Mors bestellte sofort eine Anzahl seiner Inder als Wächter.

Er gab ihnen den Befehl, die Geretteten zu bewachen und wenn sie das
Bewußtsein erlangten, belebendes Getränk und Speisen zu reichen.

Zugleich aber sollten ihn die Inder von dem Erwachen der Geretteten
benachrichtigen.

Darauf begab sich der Luftpirat in das Hauptquartier zurück, nachdem er
vorher die Stelle des Schiffsbruchs besichtigt hatte.

Das große Unterseeboot war schon halb zertrümmert und Kapitän Mors war
überzeugt, daß es in wenigen Stunden der Wut der Wellen zum Opfer
gefallen sein würde.

Der Rest des Tages verging, und es kam die Nacht, Kapitän Mors erhielt
zeitweise Nachrichten, aber es wurde ihm gemeldet, daß die
Schiffbrüchigen noch immer in totenähnlichem Schlafe lägen.

Erst am nächsten Morgen wurde gemeldet, daß sie erwacht seien und daß
man ihnen Speise und Trank gereicht hätte.

Kapitän Mors begab sich sofort in das Gebäude, welches den Gestrandeten
zum Aufenthalt diente.

Die zehn Männer waren bei voller Besinnung, saßen auf ihren Lagerstätten
und blickten mit einiger Neugier, vor allen Dingen aber auch mit einer
gewissen Scheu auf den Mann mit der Maske.

Sie mochten vielleicht an ihr zukünftiges Schicksal denken und über
dasselbe in Sorge sein. Kapitän Mors aber las in den Augen dieser
Männer.

»Es war auf mich abgesehen, kein Zweifel,« murmelte er. »Das galt mir!
Diese Männer haben jetzt Sorge, daß ich sie zur Verantwortung ziehen
möchte. Sie fürchten für ihr Leben.«

Der Maskierte trat näher und heftete seine Feueraugen auf die geretteten
Mannschaften.

Er war überzeugt, daß sich kein Offizier darunter befand, sondern daß er
nur die gewöhnliche Besatzung des gescheiterten Fahrzeuges gerettet
hatte.

»Nun?« fragte Kapitän Mors mit eiserner Strenge, während seine
durchdringenden Augen auf den Leuten hafteten. »Wie kommt Ihr denn
hierher? Was hattet Ihr am Strande meiner Insel zu tun?«

Kapitän Mors hatte die Leute französisch angesprochen und sah sofort,
daß er verstanden wurde.

»Ja, was können wir dafür,« erwiderte einer der Männer, der jetzt das
Wort ergriff und den die andern wohl stillschweigend als den Sprecher
betrachteten. »Wir sind Matrosen und Mechaniker, wir mußten gehorchen.
Wir haben gar keine Ahnung gehabt, um was es sich handelte, als wir von
Saigon hierher beordert wurden. Unsere Offiziere, die haben es freilich
besser gewußt, sie hatten geheime Befehle empfangen. Aber die Offiziere
sind tot. Als das Unterseeboot gegen die Felsen stieß, wurden sie, da
sie sich im vorderen Räume nahe der Torpedokammer befanden, buchstäblich
zerquetscht. Wir befanden uns im Achterteil des Fahrzeuges und konnten
uns, da der Metallrumpf auseinanderklaffte, im letzten Moment auf die
Klippe zu retten.«

»Wie hieß das Fahrzeug?« fragte Kapitän Mors.

»Der »Fliegefisch«,« schallte es zurück. »Das Unterseeboot gehörte zur
Flotte, die die Häfen Tonkins besetzt hält, dort war die Order gekommen
und da wurde der »Fliegefisch« in die Südsee dirigiert. Wir sind hier
schon eine Woche herumgefahren, ehe uns das Unglück ereilte.«

»Das war also das seltsame Licht,« murmelte Kapitän Mors. »Dies rührte
vom Unterseeboot her, das zur Spionage abgesandt worden war. Also hatten
es auch mal die Franzosen auf mich abgesehen. Nun, es ist ja ein
vergebliches Bemühen. Die Offiziere des Unterseeboots sind tot und die
gerettete Mannschaft kann nicht dafür, daß die Vorgesetzten das Fahrzeug
an diese Küste schickten. Was soll ich mit den Leuten anfangen? Gesehen
haben sie nichts. Ich hätte fast Lust, sie mit einem Eingeborenenboote
über kurz oder lang nach Australien zu senden. Aber, das ist auch eine
zweifelhafte Sache. Weiter hinten wohnen noch kannibalische Stämme, da
könnten die Leute in die Hände der Menschenfresser fallen.«

Star trat heran.

»Freilassen dürft Ihr sie nicht, Kapitän,« flüsterte er. »Wenn sie auch
nicht viel gesehen haben, können sie doch über manches, was hier auf der
Insel vorgeht, Auskunft geben. Ihr wißt ja, was Ihr gesagt habt, wenn
ein Fremdling die Insel betritt, so bleibt er zeitlebens ein
Gefangener.«

»Nun, das werden wir sehen,« meinte Kapitän Mors. »Vorläufig kann ich
noch keine Entscheidung treffen. Die Männer werden aufs schärfste
bewacht, sonst aber mit allem versehen, was sie nur bedürfen. Das Haus
hier werden sie unter keinen Umständen verlassen, wenigstens nicht ohne
meine Erlaubnis.«

Damit wendete sich Kapitän Mors zur Tür.

»Hört, hört, Herr,« rief ihm der Wortführer der Geretteten nach. »Was
geschieht mit uns? Hat man unseren Tod beschlossen?«

»Ich lasse nicht nutzlos morden,« gab Mors zurück und verließ
unmittelbar darauf das Zimmer.

Das war freilich ein schlechter Trost und die Schiffbrüchigen schienen
über ihr Schicksal in Unruhe zu geraten. Sie flüsterten zusammen und
warfen besorgte Blicke auf die bewaffneten Inder, die wie Statuen ihr
Wächteramt verrichteten.

Am nächsten Morgen wurde Kapitän Mors gemeldet, daß ihn die Geretteten
wieder zu sprechen wünschten.

»Sie haben sich alle gut erholt,« meinte Star, der diese Botschaft
brachte. »Es sind alles kräftige, stattliche Kerle. Sechs von ihnen
stammen aus der Normandie, die anderen vier sind Irländer. Sie verstehen
übrigens sämtlich etwas von der Mechanik und vom Ingenieurwesen, das
habe ich durch allerhand Fragen herausbekommen. Wenn sie Gefangene
bleiben, können sie uns möglicherweise gute Dienste leisten.«

»Das wird sich finden,« erwiderte Kapitän Mors. »Mein Entschluß ist noch
nicht gefaßt. Ich werde jetzt mit den Leuten sprechen.«

Eine halbe Stunde später stand Kapitän Mors vor den Geretteten, die mit
scheuen Mienen auf den Mann schauten.

Sie trauten offenbar dem Frieden nicht und meinten, das Abenteuer möchte
übel enden, sie fürchteten, daß Kapitän Mors den Befehl zu ihrer
Hinrichtung geben möchte.

»Nun, was begehrt Ihr?« fragte der Maskierte. »Was habt Ihr für ein
Anliegen?«

Der Sprecher der Schiffbrüchigen war ein Irländer, der sich Wilkes
nannte.

Er schien auf dem Unterseeboot als Steuermann gedient zu haben und war
offenbar ein sehr geschickter Mensch, der Kapitän Mors gute Dienste
leisten konnte.

»Ich wollte eine Bitte an Euch richten, Herr,« begann Wilkes in recht
demütigem Tone. »Wir wissen, daß wir uns auf einer Insel befinden, auf
die man schwer hinauf, aber wohl noch schwerer hinunterkommt. Wir sind
alles Leute hier, die was gelernt haben und viel von der Technik und dem
Ingenieurwesen verstehen. Ihr wißt sicherlich, daß nur solche Leute zum
Dienst auf den Unterseebooten zugelassen werden.«

Kapitän Mors neigte den Kopf, als Zeichen der Zustimmung.

»Dienen tut keiner gern,« fuhr Wilkes fort. »Aber heutzutage muß man ja
froh sein, wenn man nur Beschäftigung findet. Der Dienst auf dem
Unterseeboot ist schwer, aufreibend und gefährlich. Da es nun mal das
Schicksal so gefügt hat, daß wir hier auf dieser Insel stranden sollten,
so bitte ich Euch im Namen meiner Kameraden, uns gewissermaßen in Eure
Dienste aufzunehmen. Wir wollen uns nützlich machen, so gut wir können,
wir versprechen fleißig zu arbeiten und das, was wir gelernt haben, zu
Eurem Nutzen anzuwenden. Dafür bitten wir nur, daß uns das Leben
geschenkt wird. Wenn wir diese Gewißheit haben, sind wir schon glücklich
und zufrieden.«

Kapitän Mors war nie grausam und die Unterwürfigkeit dieser Leute machte
auf ihn einen gewissen Eindruck.

Aber, es kam auch noch etwas anderes hinzu. Ihm war eben ein Gedanke
durchs Hirn gezuckt. Blitzartig, wie alle jene Entschlüsse, die der
Luftpirat faßte.

Kapitän Mors plante nämlich eine neue Reise mit dem Weltenfahrzeug.

Da hatte er aber bei seinen letzten Fahrten zu seinem Verdruß bemerkt,
daß die Inder, seine treuen Gefährten, unter den ungewohnten Strapazen
litten.

Jedenfalls war es ihre Konstitution und die Gewöhnung an das tropische
Klima, welche die Folgen der seltsamen Reisen so nachteilig auf sie
wirken ließ. Die Inder kränkelten und es zeigten sich bei ihnen seltsame
Nervenzuckungen. Es war zweifellos, daß sie sich an die abenteuerlichen
Fahrten im Weltenraum erst gewöhnen mußten.

Da Star oder Terror aber abwechselnd auf der Insel zurückbleiben mußten,
so hatte Mors nur einen einzigen Mann, der ihm bei der Bedienung der
Maschinen zur Hand gehen konnte, das war aber völlig ungenügend.

Zwar hatte er noch die beiden Töchter des Ingenieurs als Gehilfinnen zur
Verfügung, aber das waren doch nur Mädchen, und Kapitän Mors dachte viel
zu edel, als daß er die beiden, die so treu an ihm hingen, mit schwerer
Arbeit überbürdet hätte.

Da kam ihm der Gedanke, das Angebot der Mannschaft des Unterseeboots zu
benutzen. Das waren Leute, die er gebrauchen konnte, die verstanden, mit
Maschinen umzugehen, die waren zäh und widerstandsfähig, das hatten sie
schon bei der Strandung auf den Klippen bewiesen.

Prüfend sah er sie an und musterte sie mit seinen feurigen Augen.

»Wenn ich ein Uebriges tun würde?« sprach er langsam. »Wenn ich Euer
Leben schone, Euch mit allem Nötigen versehe, und Ihr für Eure Dienste
außerdem eine besondere Belohnung erhaltet?«

»O, dann könnt Ihr mit uns machen, was Ihr wollt,« rief Wilkes
hocherfreut. »Dann tun wir für Euch, was Ihr nur verlangt, dann gehen
wir, wenn es nötig ist, mit in die Hölle.«

»Es ist gut,« erwiderte Mors mit schnellem Entschluß. »Ich nehme Euch
beim Wort. Zwei von Euch werden auf dieser Insel zurückbleiben und mir
gewissermaßen als Geiseln für Euer Wohlverhalten dienen. Diese Männer
werden bewacht, aber sie sollen nichts entbehren. Acht von Euch will ich
zu einer geheimnisvollen Reise mitnehmen und zusehen, ob Ihr mir
wirklich so nützlich seid, wie Ihr es versprecht. Seid Ihr das, so könnt
Ihr auf meinen Dank rechnen. Eurer Los ist dann gesichert, Ihr könnt
später im Ueberfluß leben, Ihr braucht nichts zu entbehren. Ihr könnt
nach längerer Prüfung sogar unter meine Gefährten aufgenommen werden.
Wenn Ihr das wollt, so sollt Ihr mir den Eid der Treue leisten.«

»Wir wollen es, wir wollen es,« riefen die Leute, wie aus einem Munde,
während sie förmlich jubilierten. »Wir haben es ohnehin schlecht genug
gehabt, unsere Offiziere waren Tyrannen, da sind wir drangsaliert und im
Unterseeboot härter wie Gefangene gehalten worden. Diese Knechtschaft
haben wir satt, wir wollen Euch treulich dienen, Euch überall hin
begleiten. Wir schwören es, wir gehen mit Euch, selbst in die Hölle.«



                              3. Kapitel.
                  Auf der Reise in unbekannte Fernen.


Acht Tage nach dem Scheitern des Unterseebootes war alles in Ordnung.

Das Weltenfahrzeug wartete nur auf seine Besatzung, um sich in die Lüfte
erheben zu können. Die Gestrandeten aber hatten ihre Kräfte wieder
erlangt und erklärten sich immer wieder bereit, Kapitän Mors bis in die
entferntesten Gegenden zu begleiten.

Sie hatten ihm Treue geschworen und willig den furchtbaren Eid
geleistet, der sie mit den Gefährten des Maskierten vereinigte.

Wohin es ging, wußten sie freilich nicht, das hatte Kapitän Mors ihnen
nicht gesagt, er hatte nicht einmal vom Weltenfahrzeug gesprochen.

Wohl aber ließ er die Leute durch Star und Terror aushorchen und die
Männer gaben willig über alles Auskunft.

Da kam es denn heraus, daß sie von Kapitän Mors wenig genug wußten.

Ihre Offiziere hatten zu ihnen gesagt, daß man die Geheimnisse einer
Felseninsel ausspüren wollte, auf der ein Mann sein Wesen trieb, den man
als den größten Feind der Menschheit bezeichnete.

Ferner hatten die Leute einige Geschichten von dem lenkbaren Luftschiff
gehört, welches hier und da auf Erden auftauchte und allgemein als der
Schrecken des Erdballs bezeichnet wurde.

Aus den Reden der Männer ging hervor, daß sie auf eine Reise mit dem
lenkbaren Luftschiff rechneten, ja, daß sie sich auf eine solche
wunderbare Reise freuten.

Star und Terror waren Menschenkenner und beobachteten die
Schiffbrüchigen unablässig. Sie suchten über deren Charakter ins Klare
zu kommen.

»Kapitän,« sprach Terror, als er am siebenten Tage dem Luftpiraten
Bericht erstattete. »Die sechs Männer aus der Normandie sind offenbar
recht zuverlässig und gut zu gebrauchen. Ich denke, sie werden uns noch
die besten Dienste leisten. Die vier Irländer sind noch geschickter als
die Franzosen, aber sie erscheinen mir verschmitzter und wortkarger.
Denen ist nicht so zu trauen.«

»Sie haben den Treueid geleistet,« erwiderte Kapitän Mors. »Sie sehen,
daß sie nicht von mir tyrannisiert werden. Ich glaube, sie werden ebenso
gute Dienste leisten wie die Leute aus der Normandie, indessen werden
zwei von den Irländern zurückbleiben. Die beiden anderen nehme ich mit,
darunter Wilkes und Penn. Der eine ist Steuermann, der andere
Ingenieurmaat auf dem Unterseeboot gewesen. Ich will diese Männer zum
Bedienen der Maschinen im Weltenfahrzeug verwenden.«

»Na, die werden staunen,« meinte Terror, der diesmal Kapitän Mors auf
die Fahrt im Weltenraum begleiten sollte. »Sie glauben nämlich, daß es
eine Fahrt im lenkbaren Luftschiff ist, und da werden sie sich nicht
wenig verwundern, wenn wir sie in das metallne Fahrzeug führen. Davon
haben sie übrigens nicht das geringste erfahren. Sie wissen gar nicht,
daß wir ein Weltenfahrzeug besitzen.«

»Desto besser,« erwiderte Kapitän Mors. »Sie sollen ja ohnehin bei Nacht
und Nebel das Weltenfahrzeug besteigen und vorerst, außer dem
Maschinenraum, wenig von dem Innern des Weltenfahrzeuges zu Gesicht
bekommen. Du wirst natürlich das Kommando über diese Männer übernehmen
und sie allgemein in die Handgriffe und das Wesen der Maschinen
einweihen. Die Leute sind jetzt völlig bei Kräften und wir wollen in
übernächster Nacht emporsteigen. Der Professor und die Töchter des
Ingenieurs sind bereits benachrichtigt. Der Astronom ist ganz glücklich,
daß er wieder die Wunder der Sternenwelt betrachten darf; van Haalen
kann die Zeit der Abfahrt kaum erwarten.«

Am übernächsten Abend war alles bereit.

Zwei der Irländer sollten zurückbleiben, was sie nur sehr ungern taten,
sie baten und flehten, daß sie an der Reise teilnehmen durften, aber
Kapitän Mors blieb hier unerbittlich. Er wollte nur acht Männer von den
Geretteten mit sich nehmen.

Die Inder blieben diesmal sämtlich zurück, Kapitän Mors ließ nicht
einmal den treuen Lindo an der geheimnisvollen Fahrt teilnehmen.

Das geschah aus Sorge um die Gesundheit der Inder, die ja unablässig
kränkelten und oft die seltsamsten Nervenzuckungen zeigten.

Bei den Europäern war dies nicht der Fall und Kapitän Mors hoffte, daß
die neuen Mannschaften genau solche Widerstandsfähigkeit zeigen würden,
wie Star und Terror und seine übrigen europäischen Begleiter.

Das sollte die bevorstehende Reise zeigen.

Um Mitternacht wurden diese acht Leute abgeholt und von Kapitän Mors und
einigen Indern nach dem großen Felsenkrater geführt, in dem die Halle
für das große Weltenfahrzeug erbaut war.

Die Leute machten große Augen, als sie den riesigen Metallkörper
gewahrten.

»Ist denn das das lenkbare Luftschiff?« hörte Kapitän Mors den einen
murmeln. »Wenn es das ist, so sieht es sonderbar genug aus. Das hatte
ich mir ganz anders vorgestellt. Als einen Metallkörper, der mit einem
ungemein leichten Gas gefüllt ist, mit Anbauten. Aber das Ding sieht ja
aus, als solle man ins Innere hineinsteigen.«

Das Erstaunen der Männer wuchs, als sie durch die luftdicht zu
verschließenden Doppeltüren in das Innere des Fahrzeuges steigen mußten.
Sie rissen die Augen weit auf, als der Maskierte sie in den sogenannten
Maschinenraum geleitete.

Da war der Lenkapparat, da standen die sonderbaren Maschinen, die auf
den riesigen Diamanten montiert waren. Maschinen, wie sie die Männer
noch nie gesehen hatten und deren Anblick ihnen Rufe des Erstaunens
entlockte.

Der Professor, die beiden Mädchen und Terror befanden sich schon an Bord
des Weltenfahrzeugs und Kapitän Mors hatte von den Zurückbleibenden
kurzen Abschied genommen.

Nun schloß er die Türen und begab sich mit Terror nach dem Lenkraum, wo
die acht Leute vom Unterseeboot ganz verdutzt die wunderbaren Maschinen
beguckten.

»So, das ist Euer künftiger Wirkungskreis,« sprach Kapitän Mors. »Hier
werdet Ihr beschäftigt. Hier, Terror, ist mein Ingenieur, der wird Euch
nach und nach in alles einweihen. Ihm sollt Ihr helfen und alle seine
Befehle und Weisungen getreulich erfüllen. Auf gute Behandlung, auf
reichliche, ja luxuriöse Verpflegung könnt Ihr rechnen. Nun tut Eure
Pflicht, wie Ihr es gelobt habt und denkt an Euren Eid, dann werdet Ihr
über nichts klagen können.«

Kapitän Mors setzte den Lenkapparat und den Riesenmagneten in Bewegung.

Man vernahm das Surren und Brummen der Maschinen, zu gleicher Zeit stieg
das Weltenfahrzeug majestätisch in die Höhe.

»Sagt, Kapitän,« rief Wilkes im maßlosesten Erstaunen, »ist denn dies
hier das lenkbare Luftschiff, welches Euch so berühmt gemacht hat?«

»Nein,« erwiderte Kapitän Mors. »Es ist das Weltenfahrzeug. Ich besitze
zwei Fahrzeuge, die ich erbaut habe, das lenkbare Luftschiff, welches
auf der Insel zurückgeblieben ist. Damit bewegte ich mich im Luftkreis
der Erde. Aber dieses Fahrzeug hier ist der »Meteor«, welcher den
Weltenraum durchfliegt. An Bord desselben tut Ihr jetzt Eure Dienste.«

Die Männer waren sprachlos vor Staunen, aber sie zeigten sich willig,
besonders waren es die Leute aus der Normandie, die sich rasch in das
Rätselhafte und Geheimnisvolle zu finden wußten.

Sie zeigten sich sehr geschickt und griffen überall zu, auch die beiden
Irländer blieben in ihren Leistungen nicht zurück.

Wilkes und Penn aber wechselten zuweilen bedeutungsvolle Blicke und
benutzten jeden Augenblick, wo sie sich unbeobachtet glaubten, um leise
mit einander zu flüstern.

Kapitän Mors weihte die Leute in die Handhabung der Maschinen ein; aber
er verriet ihnen noch nicht alle Geheimnisse des Weltenfahrzeuges.

Er zeigte ihnen die Maschinen, ferner die Instrumente, welche anzeigten,
an welchem Ort sich das wunderbare Fahrzeug befand. Er erklärte ihnen
den Höhenmesser und die Maschine, welche die Entfernungen angab, er
zeigte den Staunenden, mit welch rasender Geschwindigkeit sie jetzt von
dannen sausten.

Kapitän Mors erntete Bewunderung, denn diese Leute verstanden die
Wissenschaft eines Ingenieurs zu schätzen. Kapitän Mors erschien ihnen,
wie der König der Ingenieure.

Die alleinigen Ausnahmen machten Wilkes und Penn, die fanden, wie alle
Irländer, bald ihre Ruhe und Gleichgültigkeit wieder.

Sie betrachteten all dieses Sonderbare hier mit der Miene von Männern,
die sich in alles zu finden wissen und machten sich im übrigen ebenso
nützlich, wie ihre anderen Gefährten.

Kapitän Mors bemerkte mit innerer Zufriedenheit, daß die Leute unter den
veränderten Verhältnissen nicht im mindesten zu leiden schienen.

Bei den Indern hatten sich jedesmal Störungen gezeigt, wenn eine solche
Reise angetreten wurde. Da klagten sie über Kopfschmerz, über Schwindel,
über fürchterliches Ohrensausen.

Die Leute aber hier, welche im Unterseeboot gearbeitet, zeigten sich
lustig und guter Dinge und meinten, daß solche Reise etwas Wunderbares
sei und daß sie an dieser Fahrt großes Vergnügen empfänden.

Kapitän Mors wollte diesmal im Weltenfahrzeug den ganzen Erdball
umkreisen, aber außerhalb der Luftzone die Fahrt unternehmen.

Da gedachte er nochmals die magnetischen Strömungen zu studieren, ferner
wollte er die seltsamen Geschöpfe beobachten, die an den Grenzen des
Luftozeans einstmals von ihm entdeckt wurden.

War diese Rundfahrt vollendet, so wollte Kapitän Mors den Riesenmagneten
der Erde zuwenden und dann mit furchtbarer Geschwindigkeit zum Trabanten
unserer Erde, zu dem noch so viele Rätsel bergenden Monde fliegen.

Die ersten zwei Tage und Nächte gingen ohne Störungen vorüber.

Die neue Mannschaft wechselte mit Wachen und Schlafen ab, so daß immer
vier Mann im Maschinenraum beschäftigt waren.

Ebenso wechselte Kapitän Mors mit Terror im Wachen und Schlafen ab, die
beiden Männer bedienten die geheimnisvollen Maschinen, während das
Weltenfahrzeug mit furchtbarer Geschwindigkeit durch die Räume sauste.

Am dritten Tage wurde Kapitän Mors wieder durch Terror abgelöst und
betrat den Maschinenraum, in dem die Hälfte der neuen Mannschaft
hantierte.

Wilkes war da, auch Penn und noch zwei von den Franzosen.

Als Kapitän Mors hereintrat, schwenkte Wilkes seine Mütze.

»Ein Hoch für den Luftpiraten!« schrie er, während seine drei Genossen
mit dröhnender Stimme in den Ruf mit einstimmten.

Kapitän Mors sah die Leute befremdet an.

Er wunderte sich nicht darüber, daß sie seinen Beinamen kannten, denn
der war ja über die ganze Erde verbreitet. Er staunte nur, daß sie ihn
mit solchem Beifall empfingen.

Da trat Wilkes auf ihn zu.

»Ja, so ist es, Kapitän, wir haben Euch so genannt, denn wir wissen ja,
daß Ihr Euch selber so genannt habt, und da werdet Ihr nicht böse sein.
Aber ich hätte Euch einen Vorschlag zu machen.«

»Nun, was willst Du?« fragte Kapitän Mors, der auch jeden der neuen
Mannschaft mit Du anredete. »Was hast Du für ein Begehr?«

»Kapitän, in diesem neuen Fahrzeug seid Ihr ja ein Herr der Welt,« rief
Wilkes, der große Begeisterung zeigte. »Mit diesem sonderbaren
Wunderwerk könnt Ihr Euch ein Königreich erobern. Dann braucht Ihr bloß
Eure Zerstörungsmaschinen anzuwenden und morgen ist ein Fürstentum Euer,
vielleicht Neu-Seeland oder eine andere große Insel. Mit Euren
Erfindungen werdet Ihr es so weit bringen, daß Euch der ganze Erdball
Tribut zahlen muß, daß Ihr die Geschichte der Völker bestimmt, daß sie
Euren Weisungen gehorchen müssen. Wir wollen dann alle Eure Befehle
ausführen.«

»Das heißt also, ich soll gewissermaßen ein Unterdrücker werden?« meinte
Mors mit großer Ruhe.

»Ja, das ist der Welt Lauf,« schrie Wilkes, dessen Augen seltsam
funkelten. »Es ist ein altes Sprichwort, wer die Macht besitzt, der hat
auch das Recht. So ist es auf Erden immer gegangen. Der Starke hat seine
Kraft benutzt, und den Vorteil davon gezogen. Wir haben Euch Treue
geschworen, Kapitän, und wir helfen Euch ein Fürstentum zu erobern.
Allerdings werdet Ihr Widerstand finden, aber den sollen die
Zerstörungsmaschinen besiegen. Also, hört auf meinen Vorschlag. Laßt die
Himmelsräume sein, auf den Sternen und Planeten ist nichts zu holen. Da
ist alles tot und starr, so habe ich es wenigstens in der Schule
gelernt.«

»Das ist ein Irrtum,« erwiderte Kapitän Mors kalt. »Irren ist
menschlich. Ich habe die Beweise, daß im Weltenraum das regste Leben
herrscht, daß sich auf anderen Planeten intelligente Bewohner befinden.
Ich habe die wunderbaren Fahrzeuge, mit denen sich diese uns an Kultur
überragenden Bewohner bewegen, mit eigenen Augen gesehen.«

Wilkes starrte den Kapitän einen Augenblick überrascht an.

Aber das dauerte nicht lange.

»Ach laßt doch die fernen Welten, Kapitän,« rief er. »Die Erde liegt uns
ja näher. Ich habe bereits erkannt, welche Macht Ihr besitzt, bin ich
doch selbst Ingenieur und mit diesem Fahrzeug hier könnt Ihr in der Tat
alles erobern. Wie wäre es mit Neu-Seeland? Das könnten wir uns im Nu
unterwerfen. Ihr könnt dort wie ein König herrschen und wir möchten dann
auch eine Rolle spielen. Wir helfen Euch, Kapitän, wir gebrauchen die
Zerstörungsmaschinen und werfen jeden Widerstand zu Boden.«

»Das will ich nicht,« erwiderte der Maskierte. »Ich bin nicht der Mann
dazu, der blühende Gemeinwesen vernichtet und Kultur zerstört. Ich bin
kein Vernichter, ich will Kultur schaffen, aber nicht als Mordbrenner
und als gesetzloser Räuber erscheinen.«

»Oho,« rief Wilkes. »Ihr seid doch der Luftpirat. Ihr habt oft genug
tollkühne Ueberfälle verübt. Ich habe manches gelesen. Ihr habt doch die
Schätze aus großen Bergwerken hinweggeführt, Millionen, ja Milliarden
erbeutet.«

»Ja, aber nur zu bestimmten Zwecken,« erwiderte Mors. »Wenn Du
aufmerksam mein Leben und meine Taten verfolgtest, so würdest Du gehört
haben, daß ich die erbeuteten Reichtümer zur Linderung der Not und des
Elends benutzte.«

»Ich hätte alles für mich behalten,« meinte Wilkes. »Ich hätte die
riesigsten Summen zusammengebracht und in Ueppigkeit und Schwelgerei
gelebt. Man lebt auf Erden nur einmal und soll sich das Dasein so
angenehm als möglich machen. O, wie oft habe ich die beneidet, die sich
jeden Wunsch erfüllen konnten. Nur der Reichtum macht glücklich.«

»Die Ansichten sind eben verschieden,« erwiderte Kapitän Mors kurz und
energisch. »Im übrigen wiederhole ich Dir, daß ich nimmer als Vernichter
und Zerstörer auftreten werde.«

Er trat an die Maschinen und prüfte die Instrumente, er machte sich
verschiedene Notizen und schritt dann zu dem nebenliegenden Arbeitsraum,
um dort die Berechnungen niederzuschreiben.

Die beiden Franzosen waren am Lenkapparat beschäftigt, den sie
bedienten. Wilkes und Penn aber zogen sich nach dem Hintergrund zurück,
wo sie durch die mächtigen Maschinenapparate völlig verdeckt wurden.

»Na, was sagst Du dazu,« meinte Wilkes zu dem anderen Irländer, dem er
alles anvertraute. »Ist dieser Kapitän Mors nicht ein kompletter Narr.
Er hat die Mittel in der Hand, um sich die ganze Welt zu erobern und
benutzt sie nicht? Nun, wenn er so dumm ist, dann müssen eben andere
Klugheit zeigen. Weißt Du, Kamerad, solche Gelegenheit kommt nicht
wieder. Jetzt wollen wir uns die Herrschaft über die ganze Erde
verscharren.«

»Still, sprich leiser,« mahnte Penn. »Die anderen könnten es hören.«

»Ach was, die müssen mittun,« rief Wilkes, indem er seine riesige
Gestalt reckte und streckte. »Das ist eine Kleinigkeit. Du sollst sehen,
die sind nebst den anderen Feuer und Flamme. Denen werden wir alles
Mögliche versprechen. Ich aber will die Macht des Mannes mit der Maske
besitzen. Der Narr, als er mir vorhin mein Anerbieten abschlug, da war
ich fest entschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Wir sind
hier acht Männer und der hat nur den einen, den Terror zur Verfügung.
Der Sterngucker und die beiden Mädchen können ihm nicht das geringste
nützen. Mein Entschluß steht fest. Wir bemächtigen uns der Herrschaft,
wir wollen dieses wunderbare und unwiderstehliche Fahrzeug zu unseren
Zukunftsplänen benutzen.«



                              4. Kapitel.
                         Die Meuterei beginnt.


Kapitän Mors ahnte nichts von dem Unheil, welches sich vorbereitete.

Er hielt die Mannschaft des Unterseebootes für Leute, die ihm später die
besten Dienste leisten konnten und dachte nicht daran, daß die zwei
Irländer eine Verschwörung vorbereiteten.

Wilkes und Penn waren auch schlau genug, um sich nichts anmerken zu
lassen.

Aber sie begannen ungesäumt ihre Wühlarbeit, und da galt es, die sechs
Franzosen auf ihre Seite zu ziehen.

Diese letzteren waren mit ihrer Lage ganz zufrieden und meinten, daß sie
ein wahres Herrenleben führten.

Wilkes und Penn aber verstanden es, diese Leute anderen Sinnes zu
machen.

»Der Maskierte ist halb verrückt,« sprach Wilkes bei jeder Gelegenheit.
»Der ist schon dem Wahnwitz nahe. Der führt das sonderbare Fahrzeug
irgendwo hin ins Weltall, dorthin, wo keine Wiederkunft möglich ist, wo
es durch Naturgewalten vernichtet wird. Dieses prächtige Fahrzeug könnte
uns aber auf Erden die besten Dienste leisten. Damit kann man sich ein
ganzes Land erobern, da können wir die Herren spielen und das üppigste
Leben führen. Mit diesem Fahrzeug können wir die ganze Welt in Schrecken
setzen. Was soll uns die verrückte Fahrt in unbekannte Räume des
Weltalls. Nichts damit, wir bleiben auf der Erde. Verlaßt Euch darauf,
Kameraden, bald befinden wir uns in dem Besitz des wunderbaren
Fahrzeuges.«

Die Franzosen erinnerten den Irländer an den Eidschwur, den man
geleistet, aber Wilkes lachte nur darüber.

Er entwickelte solche Schlauheit und solche List, daß er die Franzosen,
wenn auch nicht überzeugte, doch allgemach auf seine Seite brachte.

Er sagte in berechnender Weise, daß das bevorstehende Unternehmen des
Maskierten mit dem Untergang aller enden müsse.

So waren wieder zwei Tage vergangen, die Rundfahrt um die Erde
vollendet. Das Weltenfahrzeug hatte bereits die Reise zum Trabanten der
Erde begonnen.

Kapitän Mors hatte im Benehmen der Mannschaft nicht das geringste
Verdächtige bemerkt, sondern nur gesehen, daß die Irländer und die
Franzosen ihre Pflicht taten.

Wilkes und Penn zeigten sich besonders lernbegierig, und da sie großes
Geschick und vortreffliche Kenntnis des Ingenieurwesens besaßen, hoffte
Terror, sie bald zum Gebrauch der geheimnisvollen Maschinen
heranzuziehen.

So erfuhren diese beiden immer neue Geheimnisse der Maschinen und
Kapitän Mors ahnte nicht, daß er damit die Verschwörung zur Reife
brachte.

»Jetzt wissen wir genug,« flüsterte Wilkes am Abend des dritten Tages
seinem Gefährten Penn zu. »Mehr brauche ich nicht zu wissen. Jetzt kann
ich dieses wunderbare Fahrzeug selber lenken. Nun kann es losgehen. Wenn
der Maskierte schlafen geht, brechen wir los und wenn der Terror uns
hindernd in den Weg tritt, wird er niedergeschlagen. Wenn der neue
Morgen kommt, müssen wir die Herren des neuen Weltenfahrzeuges sein.
Dann geht es zur Erde zurück, dann wollen wir selber mal Luftpirat
spielen.«

Es war Mitternacht und Kapitän Mors, der um elf Uhr von Terror abgelöst
worden war, lag im festen, ruhigen Schlummer.

Anita und Lucy Long halfen dem Astronomen, da sie sich in jeder Weise
nützlich zu machen suchten. Professor van Haalen war für diese Hilfe
sehr dankbar und hatte den beiden jungen reizenden Geschöpfen
verschiedene notwendige Beobachtungen übertragen.

Plötzlich hörte Kapitän Mors, wie jemand hart an die Tür seiner
Schlafkajüte klopfte.

Sofort fuhr er in die Höhe.

»Was gibt es?« rief der Luftpirat mit dröhnender Stimme. »Wer ist da
draußen?«

»Ich bin's, Kapitän, ich,« tönte Terrors Stimme. »Soeben bin ich mit
Mühe und Not dem drohenden Tode entronnen.«

Kapitän Mors stand im Nu an der Tür.

Herein stürzte Terror, der die eiserne Tür sofort hinter sich
zuschmetterte.

»Empörung, Empörung!« stieß er hervor. »Die neue Mannschaft rebelliert
und die beiden Irländer sind die Rädelsführer. Im Maschinenraum haben
sie mir plötzlich die Forderung gestellt, daß ich mich der Verschwörung
anschließen sollte und als ich mich weigerte, sind die beiden Irländer
wie toll auf mich eingedrungen. Ich hatte keine Waffe zur Hand. Da mußte
ich flüchten. Die Kerle haben aber sofort die Türen hinter mir versperrt
und nun sind sie im Besitz des Maschinen- und des Lenkraumes.«

Kapitän Mors war natürlich sehr überrascht, aber er verlor die
Besonnenheit keinen Augenblick.

Was da vorgefallen war, entzog sich freilich seiner Kenntnis, aber der
Maskierte beschloß die äußerste Energie zu gebrauchen.

»Wo ist der Professor und die beiden Mädchen?« fragte er.

»Die schlafen in den unteren Räumen,« erwiderte Terror.

»Gut,« entgegnete Mors. »Ich komme mit, wir müssen sie sofort wecken.«

(Man vergleiche hier immer den Plan des auf der Rückseite abgebildeten
Weltenfahrzeuges).

Kapitän Mors eilte mit Terror eine der eisernen Treppen hinab, die nach
den unteren Räumen führte.

Diese waren durch bewegliche Metallschieber von der Außenwelt getrennt
und in verschiedene Abteilungen geteilt, in denen sich die Vorräte, die
Reserveteile für die Maschinen und auch die verschiedenen Schlafkabinen
befanden.

Zu seinem Erstaunen fand Kapitän Mors im Mannschaftsraum zwei der
Franzosen, die in festem, ruhigem Schlummer lagen.

»Also sind es nur sechs, die sich an der Empörung beteiligen,« sprach er
zu Terror.

»Wer weiß denn,« erwiderte dieser. »Die können ja auch darin eingeweiht
sein.«

»Das wird sich finden,« meinte Mors. »Ich halte gerade die beiden hier
für biedere Männer, für echte Bewohner der Normandie, deren Herzen ohne
Falsch sind. Jedenfalls wollen wir sie hier einschließen, sodaß sie sich
nicht mit den Meuterern vereinigen können. Wecke Du den Professor, ich
werde die Schwestern aus dem Schlummer rufen.«

Die Räume hier bestanden ja alle aus Metall und konnten wie Stahlkammern
verschlossen werden.

Kapitän Mors sperrte die beiden schlafenden Franzosen ein, steckte den
Schlüssel zu sich und rannte dann nach der Schlafkammer der beiden
jungen Mädchen.

Diese kleideten sich hastig an und erschienen in kürzester Frist, ebenso
der Professor.

»Das ist ja eine schöne Geschichte,« meinte van Haalen, der nur an seine
gestörten Beobachtungen dachte. »Können Sie den Verschwörern nicht zu
Leibe gehen, Kapitän? Unter diesen Umständen ist ja Energie geboten.«

»Ganz richtig,« erwiderte Kapitän Mors. »Aber wir befinden uns im
Weltenraum. Da kann ich nicht in den Maschinenraum vordringen. Das ist
unmöglich, denn dadurch würde ich den Raum luftleer machen. Es bliebe ja
bloß der Fall übrig, daß ich eins der Fenster zertrümmerte, aber damit
würde das Unheil noch größer. Höchst wahrscheinlich haben auch die
Verschwörer die Metallschieber geschlossen. Wie mir Terror sagte, ist
die Tür bereits versperrt. Sie können vorerst über das Fahrzeug
verfügen.«

»Ist es nicht möglich, ihnen mit irgend einer Waffe beizukommen?« fragte
der Professor.

»Die beiden Irländer würden sich vorsehen,« lautete die Antwort des
Maskierten. »Ich glaube, die Franzosen sind nur irre geleitet, diese
Leute können Schonung beanspruchen. Aber nun merken Sie auf, Professor.
Wir müssen Vorsichtsmaßregeln treffen. Aller Wahrscheinlichkeit nach
werden die Verschwörer und das können nur die beiden Irländer sein,
Vorbereitungen treffen, um unsere Vernichtung herbeizuführen. Was sie da
tun werden, weiß ich noch nicht, aber das beste ist, daß Sie und die
beiden Mädchen in den Schlafkabinen bleiben und sich dort mit den
vorhandenen Riemen an die in dem Schlafraum befindlichen Handgriffe
festbinden. Ich sage das für den Fall, daß sich mit dem Weltenfahrzeug
etwas Unvorhergesehenes ereignet.«

»Meine Instrumente,« rief van Haalen, der jetzt nur an die Fernrohre
dachte. »Wenn die Instrumente zertrümmert werden, ist der Schaden
unersetzlich.«

»Wir werden sie sofort festschrauben,« erwiderte Mors tröstend. »Tun Sie
nur, was ich gesagt habe. Terror und ich werden zu handeln wissen.
Binden Sie sich fest, damit Sie auf alles vorbereitet sind. Das ist die
Hauptsache.«

Anita und Lucy Long wollten den Kapitän bei seinem Vorhaben
unterstützen, ihm helfen und wenn nötig mit ihm gegen die Empörer
kämpfen.

Aber Kapitän Mors schlug dies ruhig, aber entschieden ab.

»Ihr beide seid tapfer und mir treu ergeben,« sprach er zu den jungen
Mädchen. »Das weiß ich. Aber unter den obwaltenden Umständen könnt Ihr
mir nicht von Nutzen sein. Begebt Euch in Eure Schlafkabine und bindet
Euch fest. Alles andere ist jetzt meine Sache.«

Er eilte, von Terror gefolgt, nach den oberen Räumen und sicherte
zunächst die astronomischen Instrumente.

Diese wurden an dem Boden festgeschraubt, alle Vorbereitungen waren dazu
vorhanden.

Ferner wurden die Schutzkapseln über die kostbaren Gläser gestülpt und
damit die wertvollen Fernrohre gegen jeden Unfall gesichert.

Hierauf eilte Kapitän Mors nach dem Arbeitsraum, der an die
Maschinenkammer grenzte.

Sein erster Blick galt den dort hängenden Instrumenten.

»Ganz wie ich es mir dachte,« sprach er. »Sie versuchen das
Weltenfahrzeug zu wenden und nach der Erde zurückzukehren. Aber sie
handhaben die Maschinen falsch. Sie gebrauchen den Lenkapparat nicht
richtig. Sie handeln --«

Kapitän Mors stampfte mit dem Fuß auf, daß der Boden dröhnte.

»Was tun sie denn, Kapitän,« fragte Terror besorgt. »Sie beschädigen
wohl das Fahrzeug?«

»Bis jetzt noch nicht,« knirschte Kapitän Mors, »obwohl dieser Fall auch
noch eintreten könnte. Sie lenken das Weltenfahrzeug nicht richtig! Wenn
wir diesen Kurs einhalten, kommen wir auf den sogenannten toten Punkt,
wo sich die Anziehungskraft der Erde und des Mondes ausgleicht. Ich
allein kenne die Manöver, die dort nötig sind, um über die gefährliche
Stelle hinauszukommen. Wenn ich nicht in die Maschinenkammer gelange,
wird das Fahrzeug an diesem toten Punkt für alle Ewigkeit festsitzen.«

»Schöne Aussicht,« meinte Terror. »Was meint Ihr, Kapitän, wollen wir
mit den Meuterern verhandeln? Sie müssen ja sehen, daß sie der
Handhabung des Fahrzeuges nicht gewachsen sind. Da werden sie wieder zur
Besinnung kommen.«

»Ja, das will ich,« erwiderte Kapitän Mors und schlug mit der Faust
gegen die Eisentür, daß es dröhnte.

Sofort ließ sich Wilkes Stimme vernehmen.

»Was gibt's denn?« schrie er in einem Tone, der bewies, daß er sich als
Herr der Situation fühlte. »Was wollt Ihr denn, he?«

»Macht auf,« donnerte Kapitän Mors, »öffnet auf der Stelle.«

Ein Hohngelächter gab Antwort. Wilkes und Penn lachten wie die Tollen.

»Das glaube ich wohl,« schrie der erstere. »Aber wir müßten ja Narren
sein, wenn wir die Macht, die wir jetzt besitzen, aus den Händen lassen
sollten. Das fällt uns nicht im Traume ein. Wir gebieten jetzt über das
Weltenfahrzeug.«

»Wahnwitzige!« rief Kapitän Mors. »Ihr versteht nicht dieses wunderbare
Fahrzeug zu führen, dazu bin nur ich imstande. Oeffnet und ich will
sehen, ob ich noch Gnade walten lassen kann. Der Rausch hat Euch
gewissermaßen betört, der Sinnenrausch, daß Ihr ein solches Fahrzeug
lenkt. Aufgemacht, ich fordere es auf der Stelle!«

»Wenn tausend Teufel kämen, würde ich der Herr des Wunderfahrzeuges
bleiben,« schrie Wilkes. »Penn und ich, wir sind einig und die andern
hier gehorchen uns, denn sie sehen ja jetzt, daß wir auf Erden Schätze
erwerben, daß wir die mächtigsten Leute des ganzen Erdballs werden
können. Also spart Eure Worte! Wir haben die Macht und diese wollen wir
benutzen.«

Kapitän Mors trat zurück, denn er wußte, daß die schwere Eisentür nur
mit Anwendung größter Gewalt gesprengt werden konnte.

Er wollte sich überlegen, was zu beginnen wäre, unterdessen aber
berieten die beiden Rädelsführer da drinnen, wie sie sich des Maskierten
entledigen könnten.

Kapitän Mors hörte ein Wispern und Zischeln und da ahnte er, daß Unheil
drohte. Rasch verließ er den Arbeitsraum, um Terror zu warnen, während
das Hohngelächter von neuem aus dem verschlossenen Maschinenraum
herübertönte.



                              5. Kapitel.
                          Furchtbare Stunden.


Terror erwartete Kapitän Mors im Beobachtungsraum.

»Nun?« fragte er. »Haben sie sich besonnen? Wollen die Tollen
nachgeben?«

»Nein,« erwiderte Kapitän Mors. »Der Sinnestaumel hat sie gefaßt, sie
bilden sich ein, daß sie die Herren der Welt wären. Freilich sind es nur
zwei, die beiden Irländer, sie haben die Franzosen betört, diese waren
brave Leute und haben sich nur zu der Meuterei hinreißen lassen. Aber
jetzt gilt es Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Die Elenden da drinnen
wollen uns vernichten.«

Terror stellte keine Frage, denn er wußte, daß Kapitän Mors allein zu
handeln pflegte. Er folgte dem kühnen Manne nach einem kleineren Raume.

»Hier binde Dich an,« befahl Kapitän Mors. »Benutze die Riemen und die
Handgriffe. Binde Dich aber so an, daß Du Dich noch bewegen kannst und
triff nur Vorsichtsmaßregeln, daß Du nicht gegen die Wand geschmettert
wirst.«

»Und Ihr, Kapitän? Was wollt Ihr tun?« fragte Terror, indem er der
Weisung nachkam.

»Ich halte mich an den eisernen Handgriffen fest,« lautete die kurze
Antwort. »Das genügt mir, aber spute Dich, der Professor und die beiden
Mädchen sind gewarnt, sie haben Vorsichtsmaßregeln getroffen. Sie
befinden sich in gepolsterten Kammern, da kann ihnen kein Leid
zustoßen.«

»Aber wir könnten ja auch nach den gepolsterten Schlafkammern
hinabgehen,« meinte Terror. »Das wäre sicherer.«

»Allerdings,« erwiderte Mors. »Aber verschiedene Umstände zwingen uns,
hier oben zu bleiben. Die Empörer könnten sich zeigen, um zu sehen, was
aus uns geworden ist. Da müssen wir schnell zu Hand sein und zupacken.
Bist Du fertig? Nun, so ist es gut. Es war auch die höchste Zeit. Du
siehst, jetzt beginnt es, was ich vorausgesehen.«

Das Weltenfahrzeug begann furchtbar zu schwanken.

»Sie verändern das Gleichgewicht des Fahrzeuges,« rief Terror.

»Gewiß,« erwiderte Mors, indem er mit eiserner Kraft die metallenen
Griffe packte. »Wir werden gleich auf dem Kopf stehen.«

Das war auch der Fall.

Jedenfalls hatten die Meuterer in der Maschinenkammer Vorsorge
getroffen, daß sie bei dem Manöver, das sie jetzt mit dem Weltenfahrzeug
vornahmen, keinen Schaden erlitten.

Dagegen wollten sie dadurch Kapitän Mors und dessen treue Begleiter
verletzen oder gar vollkommen vernichten.

Die Handhabung mit dem Riesenmagnet und eine besondere Benutzung der
Maschinen gestattete, das Schwergewicht des Fahrzeuges zu ändern und so
stand urplötzlich das unterste zu oberst.

Dieser Plan der beiden Empörer legte von teuflischer Schlauheit Zeugnis
ab. Sie wollten, daß Kapitän Mors und seine Begleiter durch diese
plötzliche Umdrehung des Fahrzeuges mit den Köpfen gegen die metallenen
Decken schmettern sollten.

Die sechs Männer in der Maschinenkammer hatten sich jedenfalls dagegen
gesichert und festgebunden. Jetzt ließen sie das Fahrzeug wieder
blitzschnell herumdrehen.

Diese Manöver wiederholten sich noch zwei-, dreimal, mit geradezu
furchtbarer Schnelligkeit, es war ein Zeichen, daß die Empörer vieles
von Kapitän Mors gelernt hatten.

Sie verstanden mit der Maschine, welche die Schwerkraft des Fahrzeuges
und das Gleichgewicht veränderte, vortrefflich umzugehen und so wälzte
sich das Weltenfahrzeug noch zweimal herum, sodaß Kapitän Mors und
Terror mit den Köpfen nach unten schwebten.

Terror aber befand sich an den Riemen festgebunden in völliger
Sicherheit und Kapitän Mors hielt sich an den metallenen Handgriffen so
fest, als sei er mit ihnen verwachsen.

Das Weltenfahrzeug schwankte jetzt wie ein Schiff im wildesten Sturme,
bis es allmählich das Gleichgewicht bekam und nun wieder mit furchtbarer
Geschwindigkeit durch den Weltenraum dahinraste.

Kapitän Mors überzeugte sich mit einem Blick, daß Terror nicht verletzt
sei.

»So, das wäre vorüber,« meinte er. »Jetzt will ich zusehen, ob die
Empörer den Maschinenraum öffnen.«

»Wenn es geschieht, Kapitän, es sind sechs gegen einen und das
schlimmste ist, daß unsere elektrischen Waffen in einem Schrank des
Maschinenraums aufbewahrt werden.«

»Das ist allerdings fatal,« sprach der Maskierte. »Das erschwert mein
Vorhaben. Würden sie die Tür öffnen und hätte ich den elektrischen
Revolver zur Hand, so würde ich die Waffe unnachsichtlich gegen die
beiden Rädelsführer gebrauchen.«

»Wenn die Kerle die Waffen finden,« rief Terror besorgt, »dann werden
sie dieselben gegen uns gebrauchen.«

»Das mag sein,« erwiderte Mors. »Aber, dieser Schrank ist versteckt und
in die eiserne Wand eingelassen. Sie werden ihn nicht so leicht finden.
Außerdem trage ich den Schlüssel in meiner Tasche.«

Terror war in großer Sorge und meinte, die Meuterer möchten doch den
Schrank öffnen, die elektrischen Waffen finden und sich dann derer gegen
den Luftpiraten und dessen Anhänger bedienen.

War dies der Fall, so wurde die Situation eine geradezu verzweifelte.

»Das Auffinden der Waffen wäre allerdings ein schwerer Schlag,« sprach
Kapitän Mors, als Terror nochmals Bedenken äußerte. »Aber das alles ist
nicht so schlimm wie der Gedanke, daß die Empörer durch ihre
Unbesonnenheit das Weltenfahrzeug auf den sogenannten toten Punkt
bringen. Sie wissen nicht, wie man diese gefährliche Zone passiert und
da werden sie selbst ihr Todesurteil unterschreiben, aber zugleich auch
das unsere.«

»So wollen wir ihnen doch zurufen,« meinte Terror, der sich inzwischen
von den Riemen befreit hatte. »Wir werden ihnen zuschreien, daß sie
durch ihren Wahnsinn das Verderben heraufbeschwören? Vielleicht geben
sie dann nach und merken, daß sie sich ins Verderben bringen? Dann
könnten wir die Oberhand über das Fahrzeug bekommen.«

»Ich fürchte, sie werden die Nachricht mit Mißtrauen aufnehmen,«
erwiderte Mors. »Aber versuchen kannst Du es immerhin. Gehe an die
Eisentür der Maschinenkammer, denn ich sehe, daß die Leute nicht öffnen.
Versuche, was Du willst, aber ich fürchte, Du wirst wenig Erfolg haben.
Sollte sich während der Zeit das Weltenfahrzeug wieder drehen, mußt Du
Dich rasch an den Handgriffen festhalten. Zur Vorsicht kannst Du Dir
noch einen Riemen um den Leib binden.«

Terror tat, wie ihm geheißen und sicherte sich nach Möglichkeit gegen
das Umschlagen des Fahrzeuges.

Es konnte ja sehr leicht möglich sein, daß die Meuterer das vorherige so
gefährliche Manöver noch einmal wiederholten und er hatte keine Lust,
sich den Schädel an der Eisendecke des Weltenfahrzeugs zu zerschmettern.

Mors blieb einstweilen im Beobachtungsraum und öffnete dort ein kleines,
angeschraubtes Kästchen.

Dort lagen einige seltsam aussehende, patronenartige Gegenstände, die in
einer glänzenden Metallhülle steckten.

Mors nahm zwei derselben heraus und steckte sie in die Tasche,
unterdessen hatte Terror die Unterhandlung mit den Meuterern im fest
verschlossenen Maschinenraum begonnen.

»Wahrhaftig, der ist ja noch ganz lebendig,« schrie Wilkes drinnen. »Das
ist der Terror. He, hallo, wo ist denn der Maskierte? Warum hat sich der
nicht gemeldet?«

Terror war klug genug, um die Antwort schuldig zu bleiben, denn er
hoffte vielleicht, daß man Kapitän Mors für tot hielt, oder daß die
Meuterer doch wenigstens an eine Betäubung oder eine schwere Verletzung
glaubten.

»Von dem Maskierten spricht er nichts, Penn,« rief Wilkes drinnen seinem
Genossen zu. »Der hat jedenfalls was abbekommen. He, holla, aufgepaßt!«

Terror ahnte, daß das Fahrzeug noch einmal den furchtbaren Saltomortale
schlagen würde, und er klammerte sich krampfhaft an den eisernen
Handgriffen fest, während Kapitän Mors seinem Beispiel folgte.

Die Vorsichtsmaßregeln der beiden Männer vereitelten aber das
heimtückische Vorhaben der beiden Rädelsführer.

Endlich gewannen die beiden das Gleichgewicht wieder.

»Wahnsinnige,« rief Terror, als er sich wieder in der natürlichen Lage
befand. »Wißt Ihr denn nicht, daß Ihr der gefährlichen Zone zutreibt,
dem sogenannten toten Punkt, wo sich die Anziehungskraft der Erde mit
der des Mondes ausgleicht? Ihr kennt nicht die Art und Weise, wie man
die Maschinen bedienen muß. Oeffnet, Ihr Tollhäusler, sonst muß das
Fahrzeug bis in alle Ewigkeit in jener gefährlichen Zone schweben.«

Wilkes und Penn stutzten anfangs, aber dann brachen sie wieder in lautes
Hohngelächter aus.

»Wir sind doch keine Kinder,« schrieen sie. »Wir lassen uns doch nicht
durch solche Mätzchen fangen! Nichts damit. Wir sind nicht so dumm und
lassen uns nicht ins Bockshorn jagen, das sind bloß listige Reden, damit
wir den Maschinenraum öffnen. Aber wir denken nicht daran, wir befinden
uns ganz wohl und können auch zu einer Vorratskammer. Ihr aber werdet
früher oder später vom Teufel geholt, wir sind jetzt die Herren des
Weltenfahrzeuges!«

Da half alles nichts, Terror mußte zurück und wutschäumend den Meuterern
freies Spiel lassen.

Er hörte, wie sie drinnen herumhantierten, und verhielt sich völlig
still. Er lauschte auf das, was die Rebellen sprachen.

Den vier Franzosen schien gar nicht wohl zu Mute zu sein, wenigstens
vernahm Terror, wie sie verschiedene Einwendungen erhoben, wie sie
meinten, man solle auf die Warnung des Herrn des Weltenfahrzeuges
achten.

»Unsinn,« schrie Wilkes. »Laßt Euch doch nicht zum Narren halten. Der
möchte bloß herein und uns das Handwerk legen! Da seht Ihr ja seine
Ohnmacht. Derjenige, dem die Maschinenkammer gehört, der ist Herr der
Lage. Dabei bleibt es. Also wollen wir alles weitere abwarten. Wir
können die da draußen verlachen. Vielleicht hat sich der Terror noch
erhalten, aber es scheint wohl, daß der Luftpirat schwer verletzt oder
gar tot in einer Ecke liegt.«

»Schade wäre es um die hübschen Mädels,« meinte Penn, der schon vordem
nach den Schwestern geschielt hatte.

»Ach was,« brüllte Wilkes, »wenn wir die Macht haben, die wir später
besitzen werden, können wir über die schönsten Frauen und Mädchen der
ganzen Erde verfügen. Inzwischen wollen wir uns hier mal die Maschinen
näher betrachten. Hier aus dem großen Apparat in der Ecke kann ich noch
nicht klug werden. Den muß ich mal genauer untersuchen.«

Terror wußte, was die Empörer mit diesem Apparat meinten. Es war eine
seltsam aussehende Maschine, die in der Nähe der eisernen Treppe stand,
welche nach der Vorratskammer im Achterteil des Fahrzeuges
hinunterführte.

Wozu dieser Apparat diente, wußte Terror auch nicht, Kapitän Mors hatte
nie darüber gesprochen.

Die Maschine war auch noch nie in Gebrauch gewesen.

Er nahm sich schon vor, Kapitän Mors danach zu fragen, als er etwas
anderes hörte, was seine Seele mit Hoffnungslosigkeit erfüllte.

Die Meuterer hatten nämlich den verborgenen Wandschrank gefunden.

Deutlich vernahm Terror, wie sie dort hantierten, wie sie darüber
sprachen, was wohl darinnen enthalten sein mußte.

Einen Schlüssel fanden sie natürlich nicht und so entschlossen sie sich
kurz dazu, den Schrank aufzubrechen.

Terror schlich sich zu Kapitän Mors hinüber.

»Es ist alles vorbei,« sprach er leise zu dem Maskierten. »Sie brechen
den Schrank auf, da werden sie unsere fürchterlichen Waffen finden. Dann
greifen sie uns an und dann werden wir ohne Gnade vernichtet.«

»Zuletzt werden wir uns sichern,« erwiderte Kapitän Mors. »Auch die
anderen eisernen Türen sind verschließbar. Da werden wir den Empörern
das Vordringen unmöglich machen.«

Terror seufzte leise, denn er hatte wenig Hoffnung, er meinte wohl, dies
Abenteuer würde das letzte des Kapitän Mors sein, und der berühmte
Luftpirat mit seinen Anhängern ein schmähliches Ende finden.

Die Meuterer besaßen jetzt die Waffen und an dem Jubelgeheul, welches
Wilkes und Penn ausstießen, erkannte man, daß die beiden geschickten
Männer wohl wußten, welche fürchterlich tödlichen Waffen sie in die
Hände bekommen hatten.

Sie wußten das schon von der Insel her, dort hatte man öfters von den
elektrischen Revolvern gesprochen. Sie wußten, daß diese fürchterlichen
Geschosse alles zerstörten. Sie konnten damit sogar die eisernen Türen
sprengen.

Alle diese Gedanken stürmten auf Terror ein, sodaß er ganz nach der
sonderbaren Maschine zu fragen vergaß, von der die Meuterer vorhin
gesprochen hatten.

Kapitän Mors zeigte jetzt eine Tollkühnheit sondergleichen.

Er schlich sich noch einmal nach dem Maschinenraum hinüber, obwohl ihn
Terror dringend zurückzuhalten suchte. Er lauschte noch einmal auf das
Stimmengewirr, welches er da drinnen hörte.

Dann kehrte er zurück, nachdem er die eine Verbindungstür hinter sich
geschlossen hatte.

»Es wird wenig nützen, Kapitän,« meinte Terror betrübt, »wenn die
Kanaillen die elektrischen Geschosse gegen die Tür senden, wird sie
zunächst aufspringen.«

»Ich habe verschiedenes vernommen,« erwiderte Mors. »Zunächst bin ich
überzeugt, daß nur die beiden Irländer die gefährlichen Waffen an sich
genommen haben. Den Franzosen dagegen haben sie diese Waffen nicht
gegeben. Es ist dies für mich ein Beweis, daß die übrigen Männer nur
irregeleitet und verführt worden sind, daß sie sich durch Versprechungen
auf eine glänzende Zukunft verlockt zum Treubruch hinreißen ließen.
Wären nur die beiden Irländer nicht, so würden die Franzosen bald zu uns
zurückkehren. Aber die beiden Rädelsführer sind zum äußersten
entschlossen. Ich aber auch. Auch ich werde jetzt gegen die Meuterer
vorgehen, koste es, was es wolle.«

»Aber, Kapitän, Ihr habt ja keine Waffen. Die befinden sich ja alle in
der Maschinenkammer,« meinte Terror halb verzweifelt.

Die Augen des Maskierten funkelten wie glühende Kohlen.

»Und ich muß doch hinein,« sprach er. »Geschehe, was da wolle. Hier,« er
zog die metallisch glänzenden Patronen hervor, »diese Sprengpatronen
sollen mir dazu dienen, die Tür nach dem Maschinenraum zu öffnen.«

»Dann werdet Ihr sofort von den Geschossen der elektrischen Revolver
begrüßt,« rief Terror. »Nein, das geht nicht. Das wäre Euer Verderben!
Mit Eurem Tode, Kapitän, ist aber alles zu Ende.«

»Haltet mich nicht zurück,« erwiderte Mors. »Es wäre völlig vergeblich.
An den Instrumenten sehe ich, daß wir uns bereits dem toten Punkt
nähern, ich muß das letzte aufbieten, um mein Fahrzeug aus dieser
gefährlichen Zone zu retten. Halte mich nicht zurück, Terror, es hat
keinen Zweck. Du weißt, wenn ich einen Entschluß gefaßt habe, so kann
nichts auf der Welt denselben erschüttern. Handeln muß ich. In den
nächsten Stunden wird die Entscheidung fallen.«



                              6. Kapitel.
                     Der tote Punkt im Weltenraum.


Terror fügte sich in das Unvermeidliche, denn er kannte ja den
rätselhaften Mann zur Genüge.

»Jetzt müssen wir eine kleine elektrische Batterie herstellen,« sprach
der Maskierte. »Es befinden sich einige an Bord des Weltenfahrzeuges,
aber auch diese stehen in der Maschinenkammer. Es ist, als hätte sich
alles gegen uns verschworen. Aber ich werde das Schicksal zu zwingen
suchen. Vorwärts, Terror, gehen wir an die Arbeit.«

Glücklicherweise waren einige Ersatzteile für die elektrische Batterie
vorhanden. Aber, es verging doch geraume Zeit, ehe die beiden Männer das
Nötige herstellen konnten.

Bald fehlte es an Drähten, bald an einem Isolator, aber endlich wurde
doch etwas zusammengebracht, was als elektrische Batterie zur Not dienen
konnte.

Die Zeit war aber rasch verflossen.

Kapitän Mors legte eben die letzte Hand an das Werk, als das
Weltenfahrzeug wieder unregelmäßige Bewegungen machte.

»Sie wollen uns wieder auf den Kopf stellen,« rief Terror, indem er nach
den Handgriffen faßte.

Mors aber sprang zu den Instrumenten.

Deutlich sah Terror, wie der Maskierte zusammen zuckte.

»Was gibt es?« rief er hinüber.

»Das Gefürchtete ist geschehen,« erwiderte Kapitän Mors. »Wir befinden
uns auf dem toten Punkte.«

»Eine schöne Bescherung,« murrte Terror, indem er sein Entsetzen
möglichst zu verbergen suchte. »Da können wir jetzt einen neuen
Weltkörper bilden und solange das Fahrzeug zusammenhält, wird es an
dieser Stelle zwischen Erde und Mond schweben, als ein riesiger
metallner Sarg, in dessen Innern wir allmählich zu Staub verfallen.«

»Unsere Lage ist in der Tat fürchterlich,« erwiderte Mors, indem er
unablässig die Instrumente beobachtete. »Durch die Unbesonnenheit der
Meuterer sind wir in diese schreckliche Lage gebracht worden und Du
siehst an den Instrumenten, daß sich das Fahrzeug völlig unbeweglich
verhält.«

»Gibt es kein Mittel, um den »Meteor« aus dieser furchtbaren Lage zu
befreien?« fragte Terror hastig.

»Vielleicht,« erwiderte Mors. »Du erinnerst Dich wohl, daß Du mit
Verwunderung die Maschine betrachtetest, die im Lenkraum neben der
Treppe zur Vorratskammer steht. An diese eigenartige Maschine, von der
eine Menge Drähte nach einer Art eisernen Galgen laufen, auf dem ein
ungeheurer Brennspiegel angebracht ist?«

»Ja, Kapitän,« erwiderte Terror. »Ich habe ja schon mehrmals danach
gefragt, aber Ihr habt nie eine Antwort gegeben.«

»Nein, diese Maschine habe ich für Notfälle aufgestellt, es ist das
Resultat langer Arbeit. Diese merkwürdige Maschine, deren Zweck Du Dir
nie erklären konntest, dient dazu, die sogenannte Sonnenenergie
aufzuspeichern.«

»Sonnenenergie,« wiederholte Terror, ohne zu wissen, was dies bedeutete.

»Ja, die Kraft, die der Sonnenball ausströmt, eine Kraft, so
fürchterlich, daß sie jeder Beschreibung spottet. Diese Kraft wäre wohl
imstande, das Weltenfahrzeug aus der gefährlichen Zone herauszureißen
oder vielmehr herauszutreiben, aber --«

»Nun?« fragte Terror, als Mors schwieg.

»Wenn jemand die Maschine in Tätigkeit setzt, so bringt sie ihm den Tod,
es gibt kein Mittel, um sich der Wirkung zu entziehen. Die Kraft, welche
in der Maschine durch den Brennspiegel aufgespeichert ist, würde den,
der sie in Gang setzt, sofort vernichten.«

Terror richtete sich hoch empor und seine treuherzigen Augen blitzten.

»Wenn wir nur da drinnen wären, Kapitän,« sprach er ernst, »dann würde
ich es sein, der die Maschine in Tätigkeit setzt. Ja, Kapitän, dann
würde ich mich für das allgemeine Wohl opfern.«

»Treue Seele,« sprach Mors sichtlich gerührt. »Diese Antwort habe ich
erwartet. Aber ich will es nicht. Ich will kein solches Opfer. Du sollst
nicht sterben. Wenn das Ende kommt, so enden wir eben vereint, wie wir
auch gelebt haben. Aber da wir uns jetzt auf dem toten Punkt befinden,
so will ich die Tür zum Maschinenraum öffnen, mag kommen, was da will.
Ich muß hinein! Ich empfinde es als Schmach, daß ich, Kapitän Mors, von
dem Maschinenraum meines Weltenfahrzeugs ausgeschlossen bleibe. Ich muß
und wenn eine Horde Teufel da drinnen sitzen sollte.«

Terror war außer sich, er beschwor Kapitän Mors förmlich, dieses
Vorhaben zu unterlassen, oder wenn es denn einmal sein sollte, ihm,
Terror, den Vorrang zu gestatten. Aber es war alles umsonst.

»Halte Du nur die Batterie,« sprach der Kapitän, »ich werde die Patronen
an die Tür der Maschinenkammer setzen, dann wird die Pforte gesprengt,
gleichviel, was daraus entsteht. Sei vorsichtig, vermeide jedes
Geräusch. Ich werde mich zu Boden werfen und die beiden Rädelsführer im
plötzlichen Aufspringen anzugreifen suchen. Vielleicht kann ich sie
überraschen.«

»Ich glaube es nicht,« erwiderte Terror traurig. »Es sind zu
verzweifelte Kerle, sie werden auf alles gefaßt sein.«

»Das bin ich auch,« erwiderte der Luftpirat. »Auch ich bin zum
Aeußersten entschlossen. Nun wollen wir sehen, wer die Oberhand gewinnt!
Ich oder die Meuterer.«

Mors trat vorsichtig an die Tür des Maschinenraumes.

Man hörte die Meuterer, er vernahm, wie sie mit einander sprachen, wie
sie Hoffnungen für die Zukunft austauschten.

Hauptsächlich sprachen Wilkes und Penn, die anderen verhielten sich
auffällig ruhig. Es mochte ihnen gar nicht wohl zu Mute sein.

Dabei sprachen sie auch über den Umstand, daß sich das Weltenfahrzeug
nicht von der Stelle bewegte.

»Was mag nur dahinterstecken?« hörte Mors deutlich Wilkes reden. »Das
Ding bewegt sich wahrhaftig nicht, da müssen wir irgend etwas an den
Maschinen versehen haben. Penn, Du hast vorhin da hinten an der
geheimnisvollen Maschine herumgepusselt, dadurch wirst Du wohl irgend
eine Stockung in der Bewegung hervorgerufen haben, denn anders ist das
gar nicht möglich.«

Der Angeredete verwahrte sich aber ganz entschieden gegen diese
Behauptung.

»Angeguckt habe ich das Ding, aber nicht berührt,« sprach er. »Aber
vielleicht dient es dazu, das Fahrzeug weiter zu bewegen. Man könnte es
ja mal probieren.«

Gleich darauf vernahm Mors, wie sich die beiden Meuterer an der
geheimnisvollen Maschine zu schaffen machten.

Er vernahm ein Knicken und Knacken, zweifellos setzten die Männer die
Hebel in Bewegung.

Anfangs wollte Kapitän Mors ihnen zurufen, aber er wurde bald anderer
Meinung. Eine eiserne Energie leuchtete jetzt aus seinen funkelnden
Augen.

Leise, ganz leise neigte er sich hinab und legte die eine Sprengpatrone
in die rechte Ecke der Türnische, während er die zweite Patrone in der
gegenüberliegenden Ecke unterbrachte.

Hierauf ergriff er die beiden dünnen, glänzenden Kupferdrähte, welche zu
der kleinen elektrischen Batterie führten.

Diese Drähte zog er mit größter Vorsicht durch kleine Oesen, welche an
abgeplatteten Enden der metallisch glänzenden Patronen angelötet waren
und befestigte sie rasch, so daß die Verbindungen zwischen den beiden
Drähten hergestellt waren.

Unmittelbar darauf legte sich Kapitän Mors flach auf den Boden nieder
und zwar so, daß er durch die etwas vorspringende Wand, hinter der sich
die Tür befand, gegen die Wirkung der Patronen geschützt wurde.

Dann winkte er Terror, der in einiger Entfernung stand und die kleine
elektrische Batterie bewachte.

Der treue Gefährte verstand das Zeichen seines Kapitäns und machte eine
bittende Gebärde, als wolle er den Tollkühnen von einem gefährlichen
Entschluß zurückhalten.

Aber Kapitän Mors wiederholte den Wink, energischer, als zuvor und da
mußte Terror mit schwerem Herzen gehorchen.

Er drückte auf den Knopf der kleinen Batterie und im nächsten Augenblick
sah man zwei blaue Funken blitzschnell auf den Drähten entlangfahren.

Ein dumpfes, dröhnendes Krachen ließ sich hören. Die beiden
Sprengpatronen hatten ihre Wirkung getan. Sie explodierten gleichzeitig
und übten einen furchtbaren Druck auf die versperrte Pforte.

Ganz vermochten sie dieselbe freilich nicht zu öffnen, aber die Eisentür
wurde doch so verbogen, daß sie etwas klaffte, daß ein Mann mit beiden
Händen in die entstandene Spalte zu fassen vermochte.

Es war aber sehr fraglich, ob dieses Krachen drinnen gehört worden war.

Im selben Augenblick, wo Kapitän Mors die Sprengpatronen wirken ließ, wo
er sich mit tollkühner Verwegenheit dem Tode aussetzte, hatte da drinnen
ein wahrhaft höllischer Lärm begonnen, der die Explosion der beiden
Sprengpatronen völlig verschlang.

Kapitän Mors war ein wenig betäubt, aber er bewahrte seine Energie,
blitzschnell sprang er auf die Füße.

»Die Sonnenenergie-Maschine,« murmelte der Maskierte. »Sie haben sie in
Tätigkeit gesetzt. Jetzt hat die furchtbare Wirkung dieser Maschine
begonnen.«

Gleichzeitig setzte er die beiden Hände in die entstandene Spalte der
eisernen Tür.

Nun gebrauchte Kapitän Mors seine ganze Riesenkraft, er riß an der Tür,
er wollte die schon halbgeöffnete Pforte vollends aufreißen.

Freilich mußte er gewärtigen, daß das Verderben über ihn hereinbrach,
daß die beiden Rädelsführer die elektrischen Waffen gegen ihn
abfeuerten. Er mußte damit rechnen, daß er in Stücke zerrissen wurde.

Aber Kapitän Mors fragte nicht danach. Grimmiger packte er zu, ein Ruck
und noch ein furchtbarer Ruck, Kapitän Mors prallte zurück, aber die
eiserne Tür war offen.

Im Maschinenraum aber tönte ein wahrer Höllenspektakel. Es war, als ob
das ganze Weltenfahrzeug in Trümmer gehen sollte.

Durch dieses fürchterliche Stöhnen und Stampfen klang jetzt greuliches
Geschrei, fürchterliches Gezeter.

Kapitän Mors stürzte in die Maschinenkammer.

Links seitwärts gewahrte er flüchtig die Gestalten der vier Franzosen.

Sie lebten und hatten sich angstzitternd in einen Winkel geflüchtet.
Dort waren sie zwischen den Apparaten zusammengekrochen und hielten die
Hände vor die Augen, um nicht das Entsetzliche sehen zu müssen.

Kapitän Mors aber stand vor der Sonnenenergie-Maschine.

Wilkes und Penn, die beiden Rädelsführer, hatten sich damit zu schaffen
gemacht. Sie hatten an den verschiedenen Hebeln gerissen, an den Rädern
gedreht, ohne zu ahnen, daß dort in der fürchterlichen Maschine der Tod
lauerte.

Nun war das Verderben über sie hereingebrochen.

Grausig war dies Bild, welches jeder Beschreibung spottete. Die
fürchterliche Sonnenenergie-Maschine befand sich in voller Bewegung.

Die Drähte, welche Kapitän Mors angebracht, um die, durch die
Brennspiegel aufgespeicherte Kraft in die Maschine zu leiten, wirbelten
herum. Sie hatten die Gestalten der beiden Rädelsführer gefaßt und diese
wurden mit schrecklicher Gewalt herumgeschleudert.

Sie schwebten in der Luft und stießen gellende, kreischende Töne aus, um
sie herum aber brauste es wie in einem fürchterlichen Wirbel, da war es,
als ob unablässig Blitze einschlugen.

Gelbe, leuchtende Strahlenbündel schossen nach allen Richtungen, es
sauste und brauste, es zischte und knatterte, es sprühte und donnerte,
als ob man sich tatsächlich in der Hölle befände.

Die beiden Schurken hatten sich in der Tat der elektrischen Waffen
bemächtigt, aber sie kamen nicht dazu, die Waffen zu gebrauchen, sie
kamen auch nicht dazu, sie gegen Kapitän Mors zu kehren. Diese Männer
befanden sich bereits in den Banden des Todes.

Entsetzlich war das Schicksal, welches ihnen widerfuhr, aber das
Schicksal war ein wohlverdientes. Die grauenvolle Gewalt befand sich in
voller Tätigkeit, die Sonnenenergie-Maschine riß die beiden Rädelsführer
buchstäblich in Stücke.

Es war ein geradezu fürchterliches Bild, so entsetzlich, so furchtbar,
daß selbst Kapitän Mors wie angewurzelt stand. Es war ein Bild des
Grausens, der Vernichtung, es war ein Ende mit Schrecken.

Fürchterlich war das Tosen der Maschine, Kapitän Mors sah ein
Schauspiel, welches jeder Beschreibung spottete.

Die Körper der beiden Männer nahmen allmählich unheimliche Formen an,
sie veränderten sich rasch und zeigten allmählich die Gestalt von
Mumien.

Dabei wurden sie noch immer von den Drähten gefaßt und mit
fürchterlicher Gewalt herumgeschleudert. Man sah, wie die zuckenden
Blitzstrahlen die Körper der Männer allmählich vernichteten.

Kapitän Mors warf sich jetzt rasch zu Boden, es drohte eine neue Gefahr,
da die elektrischen Revolver, welche die beiden Rädelsführer in ihre
Gürtel gesteckt, sich jetzt entluden. Die schrecklichen Geschosse
platzten, richteten aber verhältnismäßig wenig Schaden an, man sah nur
große Beulen an den metallenen Wänden. Die Körper der beiden Männer aber
waren jetzt zu Kohle verwandelt. Sie zerfielen in Stücke, die
unheimliche Gewalt schien sie allmählich in Asche zu verwandeln.

Kapitän Mors kroch jetzt auf allen Vieren zu den zitternden Franzosen
hinüber.

Wohl waren dies geschickte, erfahrene Leute, die schon manches Mal die
Maschinen des Unterseeboots in Tätigkeit gesetzt hatten, aber diese
fürchterliche Kraft hier war ihnen völlig fremd. Sie erschien ihnen als
etwas Grausiges. Die Kraft war von geradezu zerstörender Wirkung.

Immer schrecklicher war das Schmettern, das Toben, das Zischen, das
Krachen, aber die Maschine schien jetzt nicht mehr von innen, sondern
nach außen zu wirken.

Es war so, als ob die menschlichen Körper die entsetzliche Kraft
angezogen hätten, und als ob diese unheimliche Energie jetzt, nachdem
die Menschenkörper zerstört waren, wieder den Gesetzen ihres Erbauers
gehorchte.

An dem hohen Stahlgerüst drehten sich die dort befindlichen Schwungräder
mit unheimlicher Geschwindigkeit. Man hörte das stoßweise Arbeiten der
Kolben, die an der Maschine angebracht waren und das Weltenfahrzeug
wurde jetzt von einer furchtbaren Gewalt gerüttelt und geschüttelt.

Ja, Mors hatte recht gehabt. Diese fürchterliche Maschine brachte dem,
der sie in Bewegung setzte, den Tod.

Das Schicksal aber hatte es gewollt, daß die Meuterer den Tod fanden,
daß sie es waren, welche ohne es zu wollen, die Sonnenenergie-Maschine
in Tätigkeit setzten, daß sie durch ihr wohlverdientes Ende den einzigen
Weg zur Rettung des Weltenfahrzeuges ermöglichten.

Immer furchtbarer wurden die Stöße, so daß die vier zitternden Franzosen
in der Ecke laut heulten und schrieen.

»Es ist alles zu Ende,« riefen sie klagend. »Jetzt ist alles aus und
vorbei. Das Fahrzeug geht in Stücke, nun werden auch wir in Atome, in
Fetzen zerrissen.«

Kapitän Mors achtete nicht auf die jammernden Meuterer. Er hatte andere
Dinge im Sinne. Er sprang jetzt zu den Instrumenten hinüber, welche die
Bewegung des Fahrzeuges anzeigten.

Da erschien auch Terror in der Türe.

Angstvoll spähte der treue Mann nach dem Kapitän umher und meinte, er
würde wohl nur noch die Fetzen von dem Luftpiraten gewahren.

Ein Freudenschrei entrang sich seiner Brust, als er Kapitän Mors
wohlbehalten bei den Instrumenten stehen sah, die der Luftpirat mit
seinen funkelnden Augen beobachtete.

Noch standen die Zeiger still, noch war das Weltenfahrzeug nicht in
Bewegung. Noch ruhte es unbeweglich in der gefährlichen Zone, welche
Kapitän Mors als toten Punkt bezeichnet hatte.

Aber immer fürchterlicher arbeitete die unheimliche Maschine, die jetzt
ganze Ströme von elektrischen Lichtstrahlen auszusenden schien. Es war
die Sonnenenergie, welche jetzt durch die Zylinder und Kolben der
rätselhaften Maschine hindurch zuckte.

Kapitän Mors stand unbeweglich. Wenn die Kraft der Maschine unwirksam
blieb, war die letzte Hoffnung verloren, dann blieb das Weltenfahrzeug
bis in alle Ewigkeit festgebannt an diesem gefährlichen Platze.

Plötzlich leuchteten seine Augen auf.

Der eine Zeiger vibrierte, er schwankte ein wenig hin und her, zitterte
und zuckte, und nun begann er sich plötzlich langsam zu drehen.

Ein seltsamer Ruf entrang sich der Kehle des Luftpiraten.

»Das Weltenfahrzeug bewegt sich,« stieß er hervor. »Der »Meteor« fliegt,
die Sonnenenergie hat die gefährliche Zone überwunden. Wir sind wieder
in Bewegung.«

Augenblicklich riß er den Hebel herum, der den Lenkapparat in Tätigkeit
setzte und die Instrumente bewiesen, daß das Fahrzeug einen riesigen
Bogen beschrieb. Es gehorchte wieder den Händen und dem Willen seines
genialen Erbauers.

»Kapitän,« rief Terror, »es ist aber gerade so, als wäre alles in
Trümmer gegangen. Das Fahrzeug knickt und knackt in allen Fugen.«

»Ja, wir müssen zur Erde zurück,« entgegnete Kapitän Mors. »Es muß erst
untersucht werden, ob der »Meteor« Schaden genommen hat. Einstweilen
hält noch alles zusammen, ich höre nirgends Luft entweichen.«

Da sah Terror die zitternden Franzosen.

Wütend stürzte er sich auf sie, um seinen Grimm an ihnen auszulassen,
während die vier Männer, deren Sinne von dem Geschehenen ganz verwirrt
waren, unter Heulen und Jammern um Vergebung flehten.

Terror war so wütend, daß er Anstalten machte, die vier Franzosen
tatsächlich in die andere Welt zu schaffen, als ihn ein Zuruf des
Maskierten daran verhinderte.

»Laß sie, Terror,« rief der stolze Mann. »Sie sind irregeführt,
verleitet durch die beiden Irländer, welche ein so fürchterliches Ende
fanden, die tragen die Schuld an allen Geschehnissen.«

»Aber, sie haben sich empört, Kapitän,« versetzte Terror wutschnaubend.
»Sie haben ihren Eid gebrochen. Sie verdienen den Tod in der schlimmsten
Gestalt.«

»Nein, ich will Gnade walten lassen,« erwiderte Mors. »Ich habe, als ich
an der Tür lauschte, deutlich gehört, daß diese Männer Wilkes und Penn
von ihrem Begehren abzubringen suchten. Sie sind nur den Verlockungen
erlegen und haben das Treiben der Rädelsführer zu lange geduldet. Strafe
sollen sie empfangen, aber ihr Leben wird geschont, und wenn sie sich
künftig treu zeigen, so will ich ihnen Verzeihung angedeihen lassen. Die
anderen beiden aber, die wir unten schlafend trafen, die sind ganz
unschuldig, die haben sich an der Meuterei nicht beteiligt.«

Die Franzosen warfen sich Kapitän Mors zu Füßen und versicherten hoch
und teuer, daß sie Wilkes und Penn durch fabelhafte Versprechungen zur
Untreue verlockt hätten, sie schwuren, daß sie künftig die treuesten
Diener, ja selbst die Sklaven des Maskierten sein würden.

Mors aber drehte den Riesenmagneten dem Monde zu, dessen bleiches Licht
durch eine Fensterluke hereinstrahlte.

Der »Meteor« wendete sich der Erde zu und mit furchtbarer
Geschwindigkeit sauste das Weltenfahrzeug dahin, der Erde, dem Ozean und
der geheimnisvollen Insel entgegen.



Anmerkungen zur Transkription


Dieser Text wurde nach einem Nachdruck-Auswahlband transkribiert: Heinz
J. Galle (Hrsg.): Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff. Dieter
von Reeken, Lüneburg, 2005, S. 85-122. Moderne Zusätze und Anmerkungen
wurden nicht übernommen. Die Originalausgaben hatten auch farbige
Rücktitel. Diese sind in dieser Ausgabe nicht enthalten, obwohl sich
im Text ein entsprechender Hinweis findet. Der entsprechende Rücktitel
mit dem Plan des Weltenfahrzeuges findet sich in Band 42.

Die Schreibweise der Buchvorlage wurde weitgehend beibehalten. Auch
Variationen in der Schreibweise von Namen wurden nicht verändert.
Lediglich offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff 40: Die Empörung im Weltenfahrzeug" ***

Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.



Home