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Title: Othello
Author: William Shakespeare, - To be updated
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Othello" ***


Othello, der Mohr von Venedig.

William Shakespeare

Ein Trauerspiel.

Uebersetzt von Christoph Martin Wieland

Personen.

Der Herzog von Venedig.
Brabantio, ein Edler Venetianer.
Gratiano, dessen Bruder,
Lodovico, derselben Neffe.
Othello, der Mohr, Venetianischer General in Cypern.
Cassio, sein General-Lieutenant.
Jago, Faehndrich des Othello.
Rodrigo, ein einfaeltiger Junker, in Desdemona verliebt.
Montano, des Mohren Vorfahrer im Commando zu Cypern.
Hans Wurst, des Mohren Diener.
Ein Herold.
Desdemona, des Brabantio Tochter.
Emilia, Jago's Weib.
Bianca, eine Courtisane, Cassio's Liebste.
Officiers, verschiedene Cavaliers, Abgeordnete, Musicanten,
Matrosen, und Bediente.

Der Schau-Plaz ist im ersten Aufzug in Venedig; und durch das ganze
uebrige Stuek in Cypern.



Erster Aufzug.



Erste Scene.
 (Eine Strasse in Venedig.)
 (Rodrigo und Jago treten auf.)


Rodrigo.
Stille, sage mir nichts mehr davon, ich nehm' es sehr uebel, dass du,
Jago, der du mit meinem Beutel schalten und walten durftest, als ob
er dein eigen gewesen waere, Nachricht von diesem--

Jago.
Ihr wollt mich ja nicht anhoeren: Wenn ich jemals von so was nur
getraeumt habe, so seht mich als ein Scheusal an.

Rodrigo.
Du sagtest mir, du truegest einen unversoehnlichen Hass gegen ihn.

Jago.
Speyt mir ins Gesicht, wenn's nicht so ist.  Drey grosse Maenner in
dieser Stadt zogen, in eigner Person, die Muezen bis auf den Boden
vor ihm ab, dass er mich zu seinem Lieutenant machen moechte: Und, so
wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich kenne mich, ich weiss, dass ich
keinen schlechtern Plaz werth bin.

Aber er, dessen hochmuethiger Eigensinn andre Absichten hatte,
entwischte ihnen mit einem Galimathias von Umstaenden, und
rauhtoenenden Kriegs-Kunst-Woertern; und das Ende vom Liede war, dass
er meine Goenner mit einer langen Nase abziehen liess.  Es ist mir
leid, sagt er, aber ihr kommt zu spaet; ich habe mir meinen
Lieutenant schon ausersehen.  Und wer ist denn der?  Ein gewisser
Michel Cassio, ein Bursche, der noch keinen Feldzug gethan hat, der
von Anordnung eines Treffens gerade so viel versteht als eine Woll-
Spinnerin--nichts als was er aus Buechern gelernt, blosse Theorie,
wovon unsre ehrsamen, friedliebenden Senatoren eben so gelehrt
sprechen koennen als er; blosses Gewaesche, ohne Erfahrung--Das ist
alles, was er vom Krieg versteht--Der hatte den Vorzug; und ich,
von dem seine Augen in Rhodis, in Cypern, und in so vielen andern
Orten, auf Christlichem und Heidnischem Boden, die Proben gesehen
haben; ich muss mich mit Complimenten und Versprechungen abspeisen
lassen--ich bin euer Schuldner, mein Herr, habt Geduld  wir wollen
schon Gelegenheit finden, mit einander abzurechnen, und dergleichen-
-Kurz, er muss nun sein Lieutenant seyn, und ich, Dank sey den
Goettern!  seiner Mohrischen Excellenz demuethiger Fahnen-Junker.

Rodrigo.
Beym Himmel, ich wollte lieber sein Profos seyn.

Jago.
Dafuer ist nun kein Kraut gewachsen Es geht im Dienste nicht anders;
Befoerdrung geht heutigs Tags nach Gunst und Empfehlungs-Schreiben,
und nicht nach der Zeit, die man im Dienste gewesen ist, wie vor
Zeiten, da der zweyte allemal den erstern erbte.  Nun, mein Herr,
mach' ich euch selbst zum Richter, ob ich mit einigem Schein der
Wahrheit beschuldiget werden kan, dass ich den Mohren liebe.

Rodrigo.
Ich moechte nicht gerne haben, dass du ihn begleitest.

Jago.
O mein Herr, das lasst euch keine Sorge machen; ich begleite ihn, um
mir selbst auf seine Unkosten Dienste zu thun.  Wir koennen nicht
alle Befehlhaber seyn, und nicht alle Befehlhaber koennen getreue
Diener haben.  Ihr werdet in der Welt manchen Dienst-ergebenen,
knie-biegenden Schurken sehen, der unter einer vieljaehrigen treu-
eyfrigen Dienstbarkeit endlich so grau wird wie seines Herrn Esel,
ohne etwas anders davon zu haben, als dass er gefuettert, und wenn er
alt ist gar abgedankt wird.  Peitscht mir solche gutherzige
Schurken--Dagegen giebt es andre, die zwar ihr Gesicht meisterlich
in pflichtschuldige Falten zu legen wissen, aber ihr Herz hingegen
vor aller fremden Zuneigung rein bewahren; die ihren Herren nichts
als den aeusserlichen Schein der Ergebenheit und eines erdichteten
Eifers zeigen, aber eben dadurch ihre Sachen am besten machen, und
wenn sie ihre Pfeiffen geschnitten haben, davon gehen, und ihre
eigne Herren sind.  Das sind noch Leute die einigen Verstand haben,
und ich habe die Ehre einer von ihnen zu seyn.  Es ist so gewiss
als ihr Rodrigo seyd; waer' ich der Mohr, so moecht ich nicht Jago
seyn: izt dien ich, das wissen die Goetter!  bloss um mir selbst zu
dienen, und nicht aus Ergebenheit und Liebe--ich stelle mich zwar
so, aber das hat seine Absichten--denn wahrhaftig, wenn mein
Gesicht, und meine aeusserlichen Handlungen die wahre innerliche
Gestalt meines Herzens zeigten, so wuerde mein Herz in kurzem den
Kraehen zum Futter dienen--Mein guter Freund, ich bin nicht, was ich
scheine.

Rodrigo.
Was fuer ein Gluek macht der dik-maulichte Kerl, wenn er sie so davon
tragen kann!

Jago.
Ruft ihren Vater auf, wekt ihn auf, macht Lerm, versalzt ihm
wenigstens seinen Spass; ruft es in den Strassen aus, jagt ihre
Verwandten in den Harnisch, und wenn ihr ihn aus dem Paradiese,
worein er sich eingenistert hat, nicht vertreiben koennt, so plagt
ihn doch mit Fliegen,

{ed. * Eine Anspielung auf die Beobachtung, dass die
schoensten und fruchtbarsten Gegenden des Erdbodens am meisten mit
Ungeziefer gestraft sind.}

so dass seine Freude, wenn sie gleich nicht
voellig aufhoert Freude zu seyn, doch wenigstens durch die
Verdriesslichkeiten womit sie unterbrochen wird, etwas von ihrer
Farbe verliere.

Rodrigo.
Hier ist ihres Vaters Haus ich will ihm ueberlaut ruffen.

Jago.
Thut es, und mit einem so graesslichen Ton, und Zetter-Geschrey, als
wie wenn bey Nacht durch Nachlaessigkeit Feuer in einer volkreichen
Stadt ausgekommen ist.

Rodrigo.
He!  holla!  Brabantio!  Signor Brabantio!  he!

Jago.
Wacht auf!  he!  holla!  Brabantio!  he!  Diebe!  Diebe!
Seht zu euerm Haus, zu eurer Tochter, und zu euern Geld-Saeken:
Diebe!  Diebe!



Zweyte Scene.
 (Brabantio zeigt sich oben an einem Fenster.)


Brabantio.
Was ist die Ursache dieser fuerchterlichen Aufforderung?  Was
giebt's hier?

Rodrigo.
Signor, ist eure ganze Familie zu Hause?

Jago.
Sind alle eure Thueren verriegelt?

Brabantio.
Was sollen diese Fragen?

Jago.
Sakerlot!  Herr, man bestiehlt euch; zieht doch wenigstens einen
Rok an, und seht zu euern Sachen; man greift euch nach der Seele,
euer bestes Kleinod ist verlohren; eben izt in diesem Augenblik,
Herr, bespringt ein alter schwarzer Schaaf-Bok euer weisses Schaaf.
Auf, auf, wekt die schnarchenden Buerger mit der Sturm-Gloke, oder
der Teufel wird euch zum Grossvater machen; auf, sag ich.

Brabantio.
Wie?  Habt ihr euern Verstand verlohren?

Rodrigo.
Mein hochzuverehrender Herr und Goenner, kennt ihr meine Stimme
nicht?

Brabantio.
Wahrlich nicht; wer seyd ihr dann?

Rodrigo.
Mein Nam' ist Rodrigo.

Brabantio.
Desto schlimmer!  Hab ich dir nicht verboten, um meine Thueren
herum zu schwaermen?  Hab ich dir nicht aufrichtig und ehrlich
herausgesagt, meine Tochter sey nicht fuer dich gemacht?  Und izt,
nachdem du dich voll gefressen und gesoffen hast, kommst du in
tollem Muthe boshafter Weise den Narren mit mir zu treiben, und
mich in der Ruhe zu stoeren?

Rodrigo.
Herr, Herr, Herr--

Brabantio.
Aber du darfst dich unfehlbar darauf verlassen, dass mein Unwille
und mein Ansehen es in ihrer Gewalt haben, dich theuer davor
bezahlen zu machen.

Rodrigo.
Geduld, mein guter Herr.

Brabantio.
Was sagst du mir von Dieben?  Wir sind hier in Venedig; mein Haus
ist keine Scheure.

Rodrigo.
Sehr ehrwuerdiger Brabantio, ich komm in der Einfalt meines Herzens,
und in guter Meynung zu euch.

Jago.
Sakerlot!  Herr, ihr seyd, glaub ich, einer von denen die Gott den
Dienst aufkuenden wuerden, wenn's der Teufel so haben wollte.  Weil
wir kommen, und euch einen Dienst thun wollen, so meynt ihr wir
seyen Spizbuben; ihr wollt also haben, dass eure Tochter von einem
Barber-Hengst belegt werden soll; ihr wollt haben, dass eure Enkel
euch anwiehern; ihr wollt Postklepper zu Vettern und kleine
Andalusische Stutten zu Basen haben.

Brabantio.
Was fuer ein heilloser Lotterbube bist du?

Jago.
Ich bin einer, Herr, der ausdrueklich hieherkommt euch zu sagen, dass
eure Tochter und der Mohr im Begriff sind das Thier mit zween Rueken
zu machen.

Brabantio.
Du bist ein Nichtswuerdiger--

Jago.
Ihr seyd ein Senator.

Brabantio.
Du sollst mir das bezahlen.  Ich kenne dich, Rodrigo.

Rodrigo.
Mein Herr, ich bin fuer alles gut.  Aber ich bitte euch, hoert mich
nur an.  Wenn es mit euerm guten Willen und hochweisen Beyfall
geschehen ist, (wie ich fast vermuthen sollte) dass eure schoene
Tochter, in dieser nehmlichen Nacht, in keiner bessern Begleitung
als eines gemietheten Schurken, eines Gondoliers, den viehischen
Umarmungen eines geilen Mohren zugefuehrt worden; wenn das, sag ich,
mit eurer Begnehmigung geschehen ist, so haben wir euch allerdings
groeblich beleidiget.  Wisst ihr aber nichts hievon, so sind wir
diejenigen, die sich ueber Unrecht zu beschweren haben; oder ich
verstehe nicht was die gute Lebensart mit sich bringt.  Glaubet
nicht, dass ich von allem Gefuehl der Anstaendigkeit so sehr verlassen
sey, dass ich aus blossem Muthwillen hieher kommen und Eure
Excellenz zum Besten haben sollte.  Ich sag es noch ein mal, wenn
ihr eurer Tochter nicht die Erlaubniss dazu gegeben habt, so hat sie
sich sehr vergangen, indem sie ihre Pflicht, ihre Schoenheit, ihren
Verstand, und ihr Vermoegen einem herumirrenden Ritter, einem
Abentheurer, aufopfert, der hier und allenthalben ein Fremdling ist--
Verzieht nicht laenger; sezt euch selbst ins Klare: Wenn sie in
ihrem Zimmer oder in euerm Hause zu finden ist, so lasst mich die
ganze Strenge der Justiz dafuer erfahren, dass ich euch so misshandelt
habe.

Brabantio.
Schlagt Feuer, he!  bringt mir ein Licht--Ruft meine Leute
zusammen--Dieser Zufall sieht meinem Traum nicht ungleich, und ich
sterbe vor Furcht, dass es so seyn moechte.  He!  Licht, sag ich,
Licht!

Jago.
Lebt wohl, ich kan mich nicht laenger aufhalten--Es wuerde sich gar
nicht wol fuer meinen Plaz schiken, und mir in keinerley Absicht
gesund seyn, als ein Zeuge gegen den Mohren vorgefuehrt zu werden.
Die Gruende, die ihn zum Heerfuehrer in dem Cyprischen Kriege, worinn
sie wuerklich begriffen sind, bestimmen, sind so dringend, dass sie,
fuer ihre Seelen, keinen andern von seinem Gewicht finden koennen,
dem sie dieses Geschaeft mit Sicherheit anvertrauen duerften.  Bey
solchen Umstaenden muss ich, ob ich ihn gleich so herzlich hasse als
die Pein der Hoelle, doch aeusserlich, meines eignen Vortheils wegen,
dergleichen thun, als ob ich ihm gaenzlich ergeben sey.  Damit ihr
ihn aber unfehlbar findet, so fuehret den Brabantio und seine Leute
zum Schuezen, und dort werd' ich bey ihm seyn.  Hiemit, gehabt euch
wol.

(Jago geht ab.)



Dritte Scene.
 (Brabantio und einige Bediente mit Fakeln.)


Brabantio.
Mein Ungluek ist nur allzugewiss.  Sie ist weg; und Schmach und
Bitterkeit ist nun der Antheil meines uebrigen Lebens.  Nun,
Rodrigo, wo sahst du sie?  O, das ungluekselige Maedchen!  Mit dem
Mohren, sagst du?  Wer wollte mehr ein Vater seyn wollen?--Woher
wusstest du, dass sie's war?  O!  das ist unbegreiflich, wie sehr
ich mich an ihr betrogen habe!--Was sagte sie zu euch?--Noch mehr
Fakeln her--Ruft meine ganze Verwandtschaft zusammen--meynt ihr,
sie seyen schon verheurathet?

Rodrigo.
Ich denke freylich, sie sind's.

Brabantio.
O Himmel!  wie ist's moeglich, dass sie so aus der Art schlagen
konnte!--Vaeter, forthin trauet euern Kindern nicht weiter als ihr
sie sehet.  Giebt es nicht Zauber-Mittel, wodurch die Unschuld
eines jungen unwissenden Maedchens verfuehrt werden kan?  Habt ihr
nichts von dergleichen Dingen gelesen, Rodrigo?

Rodrigo.
Ja mein Herr, das hab' ich, in der That.

Brabantio (zu einem Bedienten.)
Ruft meinen Bruder; oh, wie wollt' ich izt, ihr haettet sie gehabt,
auf eine oder die andre Art--Wisst ihr, wo wir sie und den Mohren
antreffen koennen?

Rodrigo.
Ich denke, ich werde sie entdeken koennen, wenn es euch gefaellt,
unter einer guten Bedekung mit mir zu gehen.

Brabantio.
Ich bitte euch, geht voran.  Ich will von Hause zu Hause ruffen;
ich kann befehlen, wenn's noethig ist; schafft Waffen her, holla!
und holt einige Officiers, auf die man sich verlassen kan--Geht,
mein guter Rodrigo, ich will dankbar fuer eure Bemuehung seyn.

(Sie gehen ab.)



Vierte Scene.
 (Verwandelt sich in eine andre Strasse vorm Schuezen.)
 (Othello, Jago, und Gefolge mit Fakeln.)


Jago.
Ob ich gleich, seitdem ich das Kriegs-Handwerk treibe, manchen im
Feld erschlagen habe, so mach' ich mir doch das groesseste Gewissen
draus, einen vorsezlichen Mord zu begehen!  Weniger Bedenklichkeit
wuerde manchmal mein Vortheil seyn--Ich dachte neun- oder zehn mal,
ich muesste ihm nothwendig eins unter die Ribben geben.

Othello.
Es ist besser, dass du's nicht gethan hast.

Jago.
Nein, aber er plapperte, er gayferte so lotterbuebisches Zeug, und
in so empfindlichen Ausdrueken gegen eure Ehre, dass all mein Bisschen
Sanftmuth kaum zureichend war, mich bey Geduld zu erhalten.  Aber
ich bitte euch, mein Herr, seyd ihr auch recht gueltig verheurathet?
Denn davon duerft ihr versichert seyn, dass der (Magnifico) sehr
beliebt ist, und dass seine Stimme in der Republik zum wenigsten so
viel zu bedeuten hat, als des Herzogs selbst: Er wird auf die
Zerreissung euers Bandes dringen, und wenn sich seine Macht auch so
weit nicht erstrekt, euch doch so viel Uebels thun, als das Gesez
in seiner aeussersten Strenge ihm Befugniss geben kan.

Othello.
Er mag sein Aergstes thun; die Dienste, die ich der Regierung
gethan habe, werden seine Klagen weit ueberschreyen.  Es ist noch
unbekannt, (ich werd es aber beweisen, wenn die Rettung meiner Ehre
mich zu einem Schritt zwingt, den ich sonst als eine meiner
unwuerdige Pralerey ansehe,) dass mein Blut aus einer koeniglichen
Quelle geflossen ist; und meine Verdienste allein sind, ohne
Vergroesserung, zulaenglich auf ein so stolzes Gluek Anspruch zu
machen, als dieses ist, dessen ich mich bemaechtiget habe.  Denn
wisse, Jago, waer' es nicht, dass ich die reizende Desdemona liebe,
der Werth des ganzen Oceans sollte mich nicht bewegen, meine
Freyheit in die Fesseln des ehlichen Standes schliessen zu lassen.
Aber siehe, was fuer Lichter kommen dort?



Fuenfte Scene.
 (Cassio, mit Fakeln, zu den Vorigen.)


Jago.
Es werden der aufgebrachte Vater und seine Freunde seyn--das beste
waer', ihr giengt hinein.

Othello.
Ich?  gewiss nicht, ich muss gefunden werden.  Meine Verdienste,
mein Titel, und mein unerschrokner Muth sollen mich in meinem
wahren Lichte zeigen.  Sind sie's?

Jago.
Beym Janus, ich denke, nein.

Othello.
Es sind Leute vom Herzog und mein Lieutenant: guten Abend, meine
Freunde; was bringt ihr Neues?

Cassio.
Der Herzog entbeut euch seinen Gruss, Feldherr; und ersucht euch mit
der eilfertigsten Behendigkeit, gleich diesen Augenblik, um eure
Gegenwart.

Othello.
Was meynt ihr, warum es zu thun sey?

Cassio.
Etwas von Cypern, soviel ich errathen kan.  Es muss eine dringende
Anliegenheit seyn.  Die Galeren haben in dieser nemlichen Nacht
zwoelf Expressen hinter einander hergeschikt, ein grosser Theil der
Senatoren ist auf, und im Pallast des Herzogs versammelt.  Man
liess euch sehr dringend ruffen, und da man euch nicht in euerm
Quartier fand, schikte der Senat drey verschiedene Partheyen aus,
euch ueberall aufzusuchen.

Othello.
Es ist gut, dass ihr mich gefunden habt: Ich habe nur ein Wort in
diesem Hause zu reden, und dann will ich mit euch gehen.

(Othello geht ab.)

Cassio.
Faehndrich, was thut er hier?

Jago.
Meiner Treue, er hat heute Nacht eine reiche Land-Caraque

{ed. * Eigner Name der ehmaligen grossen Portugiesischen
Kauf-Fardey-Schiffe.}

aufgebracht; wenn sie fuer gute Prise erklaert wird, so ist sein Gluek
gemacht.

Cassio.
Ich weiss nicht, was ihr sagen wollt.

Jago.
Er hat sich verheurathet.

Cassio.
Mit wem?

Jago.
Bey G***, mit--he!  Herr General, wollt ihr gehen?  (Othello zu
den Vorigen.)

Othello.
Hier bin ich--

Cassio.
Da kommt eine andre Parthey, die euch sucht.



Sechste Scene.
 (Brabantio, und Rodrigo, mit Officieren, Bedienten und Fakeln.)


Jago.
Es ist Brabantio; General, nehmt euch in Acht; er hat nichts Gutes im Sinn.

Othello.
Holla!  Steht, ihr dort!

Rodrigo.
Signor, es ist der Mohr.

Brabantio.
Zu Boden mit ihm, dem Raeuber!

(Sie ziehen auf beyden Seiten.)

Jago.
Wie, ihr, Rodrigo?--Kommt, mein Herr, ich bin auf eurer Seite--(Zu
Othello.)

Othello.
Stekt eure Degen ein, der Thau moechte sie rostig machen.  Werther
Signor, euer Alter wird euch mehr Gewalt geben, als eure Waffen.

Brabantio.
O du schaendlicher Raeuber!  Wo hast du meine Tochter hin verborgen?
Verdammlicher Bube!  Du hast sie bezaubert; denn ich will alles was
Vernunft hat den Ausspruch thun lassen, ob ein Maedchen, so jung, so
schoen, so zaertlich als sie war, von ihrem Stand und Gluek, und so
abgeneigt vom Heurathen, dass sie den Augen der auserlesensten und
reichsten von unsrer edelsten Jugend sich entzog--ob ein solches
Maedchen, ohne die fesselnde Gewalt zaubrischer Kuenste faehig gewesen
waere, dem allgemeinen Spott Troz zu bieten, und aus dem vaeterlichen
Haus zu entlauffen, um in die russichten Arme eines solchen Dings
wie du, das geschikter ist Schreken zu erweken, als Liebe, sich
hinein zu stuerzen?  Die ganze Welt sey Richter, ob es nicht
handgreiflich ist, dass du vermittelst schnoeder Zauber-Mittel oder
Liebes-Traenke die das Hirn verrueken, ihre schuldlose Jugend
missbraucht und verleitet hast--Ich will es untersucht haben: Es ist
wahrscheinlich, man kan sich nichts anders vorstellen.  Ich
arrestiere dich also hier, als einen Verfuehrer und der hiezu
verbotne Kuenste treibt--Bemaechtigt euch seiner; und wenn er sich
wehrt, so entwaffnet ihn auf seine Gefahr.

Othello.
Haltet ein, zu beyden Seiten; wenn es hier meine Scene zum Fechten
waere, so wuerd' ich's ohne einen Einsager gewusst haben.  Wohin wollt
ihr, dass ich mit euch gehen soll, mich auf diese Anklage zu
verantworten?

Brabantio.
Ins Gefaengniss, bis zur gehoerigen Zeit, wo du vor der Gerichts-Bank
erscheinen sollst.

Othello.
Aber wenn ich euch gehorche, wie soll indess der Herzog zufrieden
gestellt werden, dessen Abgeordnete hier zu meiner Seite und im
Begriff sind, mich in einer dringenden Angelegenheit des Staats zu
ihm zu fuehren?

Officier.
Diss verhaelt sich wuerklich so, sehr edler Herr; der Herzog ist im
Staats-Rath; und ich bin sicher, dass ihr gleichfalls dahin beruffen
worden seyd.

Brabantio.
Wie?  der Herzog im Staats-Rath?  In dieser spaeten Nacht?  Fuehrt
ihn dahin; meine Sache ist keine Kleinigkeit.  Der Herzog selbst
und jeder von meinen Bruedern im Staat kan nicht anders als diese
Beleidigung so empfinden, als ob sie ihnen selbst angethan worden
waere.  Wenn solche Frefel-Thaten ungestraft veruebt werden duerften,
so wuerden bald Sclaven und Banditen unsre Befehlshaber seyn.

(Sie gehen ab.)



Siebende Scene.
 (Verwandelt sich in das Rath-Haus.)
 (Der Herzog und die Senatoren, an einer Tafel mit Lichtern sizend,
  und einige Officianten etc.)


Herzog.
Es ist zu wenig Uebereinstimmung in diesen Zeitungen, als dass sie
Glauben verdienen koennten.

1. Senator.
In der That, sie gehen weit von einander ab; meine Briefe sagen
hundert und sieben Galeren.

Herzog.
Und meine hundert und vierzig.

2. Senator.
Und die meinen zwoohundert; allein ob sie gleich in der Zahl nicht
zusammentreffen, (welches in Faellen, wo der Bericht nach blosser
Muthmassung gemacht werden muss, nicht zu verwundern ist,) so
stimmen doch alle darinn ueberein, dass eine tuerkische Flotte in der
See ist, und dass es auf Cypern abgesehen sey.

Herzog.
Es ist moeglich, und wenn ich mich auch irren sollte, so werd' ich
doch alle Maassnehmungen einer klugen Furcht, die allezeit die
Mutter der Sicherheit ist, bey diesen Umstaenden gut heissen.

Matrosen (hinter der Scene.)



Holla!  ho!  he!  aufgemacht!  (Die Matrosen kommen herein.)

Officiers.
Eine Bottschaft von den Galeeren.

Herzog.
Nun!--was ist euer Anbringen?

1. Matrose.
Ich habe Befehl der Regierung anzuzeigen, dass die Tuerkischen Kriegs-
Zuruestungen der Insel Rhodis gelten.

(Die Matrosen gehen ab.)

Herzog.
Was sagt ihr zu diesem Wechsel?

1. Senator.
Es kan nicht seyn, es ist ganz und gar nicht glaublich.  Es ist ein
blosser Kunstgriff, unsre Augen von der Seite abzuhalten, wo die
Gefahr wuerklich ist.  Wenn wir bedenken, wie wichtig Cypern den
Tuerken ist--wie viel gelegner es ihnen ist als Rhodis--und dass sie
die Eroberung desselben weit eher hoffen koennen, da es weniger
befestigt, und in allen Absichten in schwaecherm Vertheidigungs-
Stand ist--Wenn wir dieses in gehoerige Betrachtung ziehen, so
werden wir uns schwerlich einbilden koennen, dass der Tuerk so
unbesonnen seyn werde, eine reiche und leicht zu gewinnende Beute
fahren zu lassen, um sich an eine gefaehrliche und wenig
vortheilhafte Unternehmung zu wagen, von der er sich mit keiner
Wahrscheinlichkeit einen guten Erfolg versprechen kan.

Herzog.
In der That, allen Umstaenden nach ist es nicht auf Rhodis abgezielt.

Officiers.
Hier kommt wieder eine Zeitung.  (Ein Expresser tritt auf.)

Expresser.
Erlauchte und Gnaedige Herren, die Ottomannen, die in geradem Lauf
gegen die Insel Rhodis gesegelt hatten, haben sich dort mit einem
kleinern Geschwader vereinbart--

1. Senator.
Das dacht' ich ja; wie stark haltet ihr sie?

Expresser.
Dreyssig Segel; und nun steuern sie ihren Lauf, ohne ihre wahre
Absichten laenger zu verheelen, nach Cypern.  Signor Montano, euer
getreuer und tapfrer Befehlshaber auf dieser Insel, erstattet Euch,
unter Versicherung seiner pflichtvollen Ergebenheit, diesen Bericht,
und bittet ihm vollen Glauben beyzumessen.

Herzog.
Wir sind also nun gewiss, dass es um Cypern zu thun ist; ist Marcus
Luccicos nicht in der Stadt?

1. Senator.
Er ist wuerklich in Florenz.

Herzog.
Schreibet unverzueglich in unserm Namen an ihn, dass er sich mit der
aeussersten Eilfertigkeit hieher begebe.

1. Senator.
Hier kommt Brabantio und der tapfre Mohr.



Achte Scene.
 (Brabantio, Othello, Cassio, Jago, Rodrigo und Officiers, zu den
  Vorigen.)


Herzog.
Tapfrer Othello, wir sind im Begriff Eurer gegen unsern allgemeinen
Feind Ottoman vonnoethen zu haben.

(Zu Brabantio.)
Ich sah euch nicht gleich; willkommen, werther Signor; wir
mangelten euern Rath und eure Huelfe diese Nacht.

Brabantio.
Und ich die eurige; vergebet mir, Durchlauchtigster; weder mein
Plaz, noch was mir von einem vorschwebenden Staats-Geschaefte gesagt
wurde, hat mich aus meinem Bette aufgewekt; das gemeine Wesen ficht
mich izt wenig an; mein Privat-Schmerz ist von einer so wuethenden
und ungestuemen Art, dass er alle andre Sorgen verschlingt, und mich
nichts anders fuehlen laesst.

Herzog.
Wie?  Was kan die Ursach seyn?

Brabantio.
Meine Tochter!  O!  meine Tochter!--

Senator.
Gestorben?

Brabantio.
Fuer mich wenigstens; sie ist verfuehrt, von mir weggestohlen,
missbraucht worden, durch Zauber-Mittel und Liebes-Traenke, den Kram
von Markt-Schreyern, zu Grunde gerichtet worden--Denn auf eine so
widernatuerliche Art konnte die Natur (da sie weder dumm, noch blind,
noch schwach von Sinnen ist,) nicht ausschweiffen--Zauberey allein
konnte sie dahin bringen--

Herzog.
Wer der auch seyn mag, der durch so schaendliche Mittel eure Tochter,
sich selbst, und euch entfuehrt hat, dessen Urtheil sollt ihr
selbst in dem blutigen Gesez-Buch lesen, und selbst der Ausleger
des strengen Buchstabens seyn; ja, und wenn unser eigner Sohn der
Thaeter waere.

Brabantio.
Ich danke Eu.  Durchlaucht unterthaenig.  Hier ist der Mann, dieser
Mohr, den nun eben, wie es scheint, euer Befehl, in Geschaeften des
Staats hieher gebracht hat.

Alle.
Das thut uns herzlich leid.

Herzog (zu Othello.)

Und was koennt ihr, eurer Seits, hierauf antworten?

Brabantio.
Nichts, als dass es so ist.

Othello.
Erlauchte und Grossmaechtigste Herren, meine sehr edle, geliebte und
gnaedige Gebieter; dass ich dieses alten Mannes Tochter entfuehrt habe,
ist wahr; und wahr ist's, dass ich mit ihr vermaehlt bin--So weit
erstrekt sich die aeusserste Linie meines Verbrechens, und weiter
nicht--Ich bin kein Redner, und wenig geuebt in der friedsamen Kunst,
die Zuhoerer durch Worte zu gewinnen--Seitdem diese meine Arme
siebenjaehriges Mark hatten, bis izt, die leztverflossnen neun oder
zehen Monate ausgenommen, sind die Arbeiten des Kriegs meine
einzige Beschaeftigung gewesen--in diesen Kreis ist alle meine
Wissenschaft eingeschlossen, und das ist alles, wovon ich reden kan.
Ich werde also, indem ich fuer mich selbst rede, meiner Sache
wenig Vortheil verschaffen.  Und doch will ich, mit eurer Erlaubniss,
eine aufrichtige ungeschminkte Erzaehlung von dem ganzen Hergang
meiner Liebes-Geschichte machen; damit ihr sehet, durch was fuer
Traenke, Zauber-Formeln, Beschwoerungen und uebernatuerliche Kuenste,
(weil ich doch solche Mittel gebraucht zu haben beschuldiget werde,)
ich seine Tochter gewonnen habe.

Brabantio.
Ein unschuldiges junges Maedchen, die immer das zaertlichste,
schuechternste Kind von der Welt war; eine so sanfte und ruhige
Seele, das jede ihrer Bewegungen ueber sich selbst zu erroethen
schien--und sie sollte, troz Natur, Jugend, Geburt, Ehre, allem in
der Welt, in einen Mann verliebt werden, den sie zu furchtsam war
nur anzusehen--Was fuer eine Art zu schliessen muss der haben, der
sich vorstellen kan, dass die Natur so weit von ihren eignen Gesezen
abweichen sollte--Es ist unmoeglich; aus der Hoelle mussten die
verdammten Kuenste hergeholt werden, die das zuwegebringen konnten.
Ich behaupte also noch einmal, dass er sie durch Traenke, die das
Blut in gewaltsame Unordnung sezen, oder durch irgend ein andres
uebernatuerliches Mittel missbraucht und zu Falle gebracht habe.

Herzog.
Behaupten ist nicht Beweisen--es gehoeren staerkere Beweisthuemer
hiezu als die blossen nakten Vermuthungen, die ihr, in ein duennes
Gewand einer schaalen Wahrscheinlichkeit gekleidet, gegen ihn
aufzustellen vermeynt.

1. Senator.
Redet dann, Othello; brauchtet ihr krumme und gewaltsame
Kunstmittel, die Neigungen dieser jungen Tochter zu erzwingen; oder
erhieltet ihr sie durch Bitten, und auf diejenige Weise, wie eine
Seele die andre anzuziehen pflegt?

Othello.
Ich bitte euch, lasst die junge Dame aus dem Schuezen herholen, und
sich selbst in Gegenwart ihres Vaters erklaeren; findet ihr, dass
ihre Erzaehlung seine Anklage rechtfertiget, so entsezet mich nicht
nur aller Ehren und Wuerden, die ich von euch empfangen habe,
sondern lasst mein Leben selbst der strengen Gerechtigkeit verfallen
seyn.

Herzog.
Holet Desdemona hieher.

(Zween oder drey gehen ab.)

Othello (zu Jago.)

Faehndrich, weiset ihnen den Weg, ihr kennt den Ort am besten--

(Jago geht ab.)

--Und indessen bis sie kommt, will ich, so aufrichtig als ich dem
Himmel selbst die Vergehungen meines Blutes bekenne, dieser
ehrwuerdigen Versammlung anzeigen, wie ich das Herz der schoenen
Desdemona gewonnen habe.

Herzog.
Redet, Othello.

Othello.
Ihr Vater liebte mich, lud mich oft ein, fragte mich immer nach der
Geschichte meines Lebens, von Jahr zu Jahr, und liess mich alle
Schlachten, Belagerungen und Abentheuer, durch die ich passiert bin,
erzaehlen.  Das that ich nun, und durchlief mein ganzes Leben, von
meinen kindischen Tagen an bis auf den nemlichen Augenblik, worinn
er mich erzaehlen hiess: Und da sprach ich ihm also von den
verschiedenen seltsamen Glueks-Wechseln, die ich erfahren, von
hunderterley tragischen und herzbrechenden Unfaellen, die mir zu
Wasser und Land aufgestossen, und wie oft ich kaum noch auf der
Breite eines Haars dem eindringenden Tod entgangen; und wie ich in
die Haende grausamer Feinde gefallen, und zum Sclaven verkauft
worden; und wie ich wieder in Freyheit gekommen, und dann die ganze
Geschichte meiner irrenden Ritterschaft--als von ungeheuern Grotten,
und unterirdischen Gewoelben, einoeden Inseln, Steinbruechen, Felsen
und Gebuergen, die mit dem Kopf am Himmel anstossen, und von
Cannibalen die einander aufessen und von Anthropophagen, und von
Leuten, die die Koepfe unter den Schultern tragen,--und was der
Dinge mehr war, womit ich ihn zu unterhalten pflegte.  Allem diesem
hoerte dann Desdemona mit grosser Aufmerksamkeit zu; und obgleich
die Hausgeschaefte sie von Zeit zu Zeit wegrieffen, so machte sie
sich doch so schnell als sie konnte, davon los, kam wieder zuruek
und verschlang meine Erzaehlung mit gierigem Ohr: Ich bemerkte
dieses, und da sich einst eine guenstige Stunde anbot, wusste ich
bald Anlas zu machen, dass sie mich recht von Herzen bat, ihr die
ganze Geschichte meiner Reisen, wovon sie nur einzelne, zerrissne
Stueke gehoert hatte, vollstaendig und im Zusammenhang zu erzaehlen:
Ich willigte ein, und lokte manche Thraene aus ihren schoenen Augen,
wenn ich auf die verschiednen Truebsalen und Unfaelle kam, die meine
Jugend ausgestanden.  Wie ich mit meiner Geschichte fertig war,
belohnte sie meine Muehe mit einer Welt voll Seufzer

{ed. * Es hiess "Kuesse" in einigen Ausgaben; und das war freylich in
mehr als einer Betrachtung sehr ungereimt.  Pope hat die aechte
Lesart wieder hergestellt.  Das junge Fraeulein, meynt er, waere gar
zu freygebig gewesen, wenn sie fuer die blosse Erzaehlung einer
Historie eine Welt voll Kuesse gegeben haette--und er hat allerdings
recht.}

--sie schwur bey ihrer Treu, es sey ausserordentlich, ueber die
Maassen ausserordentlich--es sey ruehrend, zum Verwundern ruehrend--
Sie wuenschte, sie haette nichts davon gehoert--und doch wuenschte sie,
der Himmel haette einen solchen Mann fuer sie gemacht--und endlich
dankte sie mir, und sagte, wenn ich einen Freund haette, der in sie
verliebt waere, so moecht' ich ihn nur meine Geschichte erzaehlen
lehren, und er wuerde sie damit gewinnen.  Auf diesen Wink fieng'
ich dann an zu reden,--und so verlohren wir beyde unsre Herzen--Sie
liebte mich aus Mitleiden mit den Gefahren die ich ausgestanden,
und ich liebte sie um dieses Mitleidens willen: Das ist die ganze
Zauberey die ich gebraucht habe.  Aber hier kommt sie selbst, lasst
sie Zeugniss geben.



Neunte Scene.


Herzog.
Ich denke, in vollem Ernst, eine solche Erzaehlung wuerde meine eigne
Tochter noch oben drein behexen--Guter Brabantio, seht diese Sache,
da sie nun nicht mehr zu aendern ist, von der besten Seite an.  Die
Leute brauchen im Nothfall immer lieber ihre zerbrochne Waffen, als
die blosse Hand.

Brabantio.
Ich bitte euch, lasst sie reden.  Bekennt sie, dass sie seinen Liebes-
Bewerbungen auf halben Weg entgegen gegangen sey, so falle
Verderben auf mein Haupt, wenn ich ihn einen Augenblik laenger tadle.
Kommt naeher, angenehmes Frauenzimmer; empfindet ihr, wem in
dieser ganzen edeln Versammlung ihr am meisten Gehorsam schuldig
seyd?

Desdemona.
Mein edler Vater, ich empfinde dass meine Pflicht hier getheilt ist:
Euch bin ich fuer mein Leben und fuer meine Erziehung verbunden, und
beydes lehrt mich die Ehrfurcht die ich euch schuldig bin.  Ihr
seyd Herr ueber meinen Gehorsam, in so fern ich eure Tochter bin.
Aber hier ist mein Gemahl; und soviel Ergebenheit, als meine Mutter
gegen euch zeigte, da sie ihren Vater verliess um euch anzuhaengen,
so viel bin ich hoffentlich befugt zu bekennen, dass ich dem Mohren,
meinem Gemahl, schuldig sey.

Brabantio.
Gott gesegne dir's; ich habe nichts mehr zu sagen.  Gefaellt's eurer
Durchlaucht, so wollen wir nun von den Staats-Angelegenheiten reden.
Ich wollte lieber ein Kind angenommen als gezeugt haben.  Komm
hieher, Mohr; hier geb ich dir von ganzem Herzen, was ich, wenn
du's nicht schon haettest, von ganzem Herzen vor dir verwahren
wollte.  Um euertwillen, Kleinod, bin ich in der Seele froh dass ich
keine andre Kinder habe--Denn der Streich, den du mir gespielt hast,
wuerde mich tyrannisch genug machen, ihnen Kloeze anzuhaengen.  Ich
bin fertig, Gnaedigster Herr.

Herzog.
Lasst mich nun in meinem eignen Character, in der Person eines
allgemeinen Vaters reden, und ein Urtheil faellen, das diesen
Liebenden zu einer Stuffe diene, sie wieder in eure Gunst zu heben.

{ed. * Von hier an spricht der Herzog im Original in Reimen, und wird
von Brabantio in gleicher Muenze bezahlt.}

Sobald nicht mehr zu helfen ist, so hat man das Aergste gesehen,
und Klagen sind nicht nur fruchtlos, sondern der naechste Weg ein
geschehenes Ungluek mit einem neuen zu haeuffen.  Wenn die Klugheit
die Streiche des Glueks nicht allemal verhindern kan, so kan doch
Geduld einen Scherz aus seinen Beleidigungen machen.  Der Beraubte,
der dazu laechelt, stiehlt dem Raeuber etwas, und der beraubt sich
selbst, der sich in vergeblichem Kummer verzehrt.

Brabantio.
Wenn das ist, so lasst die Tuerken uns immer Cypern wegnehmen; wir
verliehren's nicht, so lange wir dazu lachen koennen--Ich erkenne,
Gnaedigster Herr, die Weisheit euers Raths--Aber Worte sind doch nur
Worte, und ein verwundetes Herz ist noch nie durch die Ohren
geheilt worden--Ich bitte euch, zu den Staats-Geschaeften.

Herzog.
Die Tuerken machen furchtbare Zuruestungen, Cypern anzugreiffen:
Othello, dir ist am besten bekannt, in was fuer einem Vertheidigungs-
Stand der Plaz ist.  Wir haben zwar einen Befehlshaber von
bekannter Tuechtigkeit daselbst: Allein die allgemeine Meynung, die
unumschraenkte Koenigin der Welt, verspricht sich von euch eine noch
groessere Sicherheit; lasst's euch also gefallen, ueber die Glasur
euers neuen Glueks hinweg zu schluepfen, und die Freuden der Liebe
mit den Beschwerden dieser hartnaekigen und Gefahr-vollen
Unternehmung zu vertauschen.

Othello.
Die tyrannische Gewohnheit, erlauchte Senatoren, hat das steinharte
und staehlerne Lager des Kriegs mir laengst zum weichsten Pflaum-
Bette gemacht.  Die rauhe Arbeit des Kriegs ist fuer mich ein
Lustspiel, dem meine Seele mit angebohrner, flatternder Freudigkeit
entgegen eilt.  Ich unterziehe mich also dem gegenwaertigen Krieg
mit den Ottomannen; und alles, warum ich die Durchlauchtigste
Republik mit gebognen Knien bitte, ist, meine Gemahlin in ihren
unmittelbaren Schuz zu nehmen, und darauf bedacht zu seyn, dass sie
an einem anstaendigen Ort, und mit allem dem Glanz und Ansehen, so
sich fuer ihre Geburt schikt, unterhalten werde.

Herzog.
Also, in ihres Vaters Hause.

Brabantio.
Das will ich nicht.

Othello.
Ich noch weniger.

Desdemona.
Auch ich wollte nicht dort wohnen, und meinen Vater zu ungeduldigen
Gedanken reizen, wenn ich immer in seinen Augen waere.  Gnaedigster
Herr, leihet meiner Bitte ein geneigtes Ohr, und unterstuezet sie
mit eurer Stimme.

Herzog.
Was verlangt ihr, Desdemona?

Desdemona.
Dass ich den Mohren liebte, um mit ihm zu leben, mag die
Entschlossenheit, womit ich so vielen Vorurtheilen Gewalt angethan
habe, durch die ganze Welt austrompeten.  Mein Herz und meine
Person sind von meinem Gemahl unzertrennlich.  Ich sah Othello's
Gesicht in der Schoenheit seines Gemuethes, und seinen Verdiensten
und heldenmaessigen Eigenschaften hab ich meine Seele und mein
ganzes Gluek gewiedmet.  So dass, theureste Herren, wenn ich
zuruekgelassen werde, und er in den Krieg geht, ich des Rechts,
seine Gefahren mit ihm zu theilen, des Rechts, um deswillen ich ihn
liebe, verlustig, und in seiner schmerzlichen Abwesenheit zu einem
verdriesslichen Interim verurtheilt waere.  Lasst mich also mit ihm
gehen.

Othello.
Eure Genehmigung, Gnaedige Herren!  Ich bitte euch, lasst sie ihren
Willen haben.  Ich bitt' es nicht aus Rueksicht auf den Vortheil
meines eignen Vergnuegens, nicht aus Gefaelligkeit gegen die Hize
junger Begierden, die der erste Genuss mehr gereizt als befriedigt
hat;--sondern dem Edelmuth ihres Herzens seinen freyen Lauff zu
lassen.  Der Himmel verhuete, dass ihr mich faehig haltet, eure
ernsthaften und grossen Angelegenheiten zu vernachlaessigen, wenn sie
bey mir ist--Nein!  Wenn jemals die kindischen Puppen-Spiele des
befiederten Cupido die Werkzeuge meines Verstands und meiner
Thaetigkeit in ueppige Traegheit senken, und meine Ergoezungen meinen
Arbeiten schaedlich sind; dann lasst Haus-Weiber eine Brey-Pfanne aus
meinem Helm machen, und die unwuerdigsten, schmaehlichsten
Wiederwaertigkeiten sich zum Untergang meines Ruhms verschwoeren.

Herzog.
Ihr Gehen oder Bleiben soll eurer eignen Willkuehr ueberlassen seyn--
Die Geschaefte fordern die hastigste Eilfertigkeit.  Ihr muesst diese
Nacht noch fort.

Desdemona.
Diese Nacht, gnaedigster Herr?

Herzog.
Diese Nacht.

Othello.
Von Herzen gerne.

Herzog.
Morgen um neun Uhr wollen wir hier wieder zusammen kommen.  Othello,
lasst einen Officier zuruek, durch den wir euch euer Patent, und
eure Instruction nachschiken koennen.

Othello.
Wenn es Eu.  Durchlaucht nicht entgegen ist, so ist hier mein
Faehndrich, ein Mann von Ehre und Redlichkeit, dem ich die
Begleitung meines Weibs anvertrauen will, und durch den mir
zugleich alles andre nachgeschikt werden kan, was Eu.  Durchlaucht
fuer noethig haelt.

Herzog.
Ich bin's zufrieden.  Gute Nacht allerseits--(Zu Brabantio.)

Und, edler Signor, wenn Tugend die glaenzendste Schoenheit ist, so
ist euer Tochtermann mehr weiss als schwarz.

Senator.
Adieu, tapfrer Mohr, begegne Desdemonen wol.

Brabantio.
Sieh fleissig zu ihr, Mohr, wenn du Augen hast; sie hat ihren Vater
betrogen, und wird dir's vielleicht nicht besser machen.

(Der Herzog und die Senatoren gehen ab.)

Othello.
Ich stehe mit meinem Leben fuer ihre Treue--Ehrlicher Jago, dir muss
ich meine Desdemona hinterlassen; ich bitte dich, gieb ihr deine
Frau zur Gesellschaft, und bringe sie mit der besten Gelegenheit
nach.  Komm, Desdemona, ich habe nur eine Stunde, die ich der Liebe
und unsern Angelegenheiten schenken kan.  Wir muessen der Zeit
gehorchen.

(Sie gehen ab.)



Zehnte Scene.
 (Rodrigo und Jago bleiben.)


Rodrigo.
Jago--

Jago.
Was willst du mir sagen, tapfres Herz?

Rodrigo.
Was denkst du, dass ich thun will?

Jago.
Was?  Zu Bette gehen und schlaffen.

Rodrigo.
Ich will auf der Stelle gehn, und mich ins Wasser stuerzen.

Jago.
Wenn du das thust, so werd' ich dich in meinem Leben nicht mehr
lieb haben. Wie, du bist ein recht alberner Edelmann!

Rodrigo.
Es ist etwas albernes, leben, wenn Leben eine Qual ist; und dann,
so sterben wir ja nach den Regeln, wenn der Tod unser Arzt ist.

Jago.
O wie niedertraechtig das gedacht ist!  Es ist schon viermal sieben
Jahre, dass ich mich auf der Welt umsehe, und seitdem ich einen
Unterscheid zwischen einer Wohlthat und einer Beleidigung machen
kan, hab' ich noch keinen Menschen gesehen, der den Verstand haette
sich selbst zu lieben.  Eh ich sagen wollte, ich wolle mich einer
Guineischen Henne zulieb ersaeuffen, eh wollt' ich meine Menschheit
mit einem Wald-Teufel vertauschen.

Rodrigo.
Wie soll ich mir aber anders helfen?  Ich bekenn', es macht mir
schlechte Ehre, dass ich so vernarrt in sie bin; aber meine Tugend
ist nicht stark genug, dem Uebel abzuhelfen.

Jago.
Tugend?  Pfifferling.  Auf uns kommt es an, ob wir so oder so seyn
wollen.  Unsre Leiber sind unsre Gaerten, und unser Wille ist der
Gaertner darinn. Ob wir Nesseln oder Lattich drein saeen wollen, ob
wir ihn mit Ysop oder Thymian, mit einer einzigen Art von Gewaechsen,
oder mit vielerley Gattungen besezen, aus Faulheit verwildern und
unfruchtbar werden lassen, oder durch fleissige Wartung in guten
Stand sezen wollen: Das haengt alles lediglich von unsrer Willkuehr
ab. Haetten wir nicht in der Waage unsers Lebens eine Schaale voll
Vernunft, um die Sinnlichkeit in der andern im Gleichgewicht zu
halten, zu was fuer tollen Ausschweiffungen wuerde uns die Hize des
Bluts und der thierische Trieb dahinreissen?  Aber wir haben die
Vernunft dazu, dass sie unsre rasenden Bewegungen, unsre
fleischliche Triebe und zuegellose Lueste baendigen soll--Was nennt
ihr Liebe?  Meynt ihr, dass es eine so feyrliche Sache sey,  als ihr
euch einbildet?  Ein blosser Trieb des Blutes ist's, dem der Wille
den Zuegel verhaengt--Komm, sey ein Mann!  dich selbst ersaeuffen?
Ersaeuffe mir Kazen und junge blinde Hunde!  Ich habe dir meine
Freundschaft zugesagt, und ich mache mich gross, mit Seilen, die
unser beyder Leben ausdauern sollen, zu deinen Diensten gebunden zu
seyn.  Izt ist die Gelegenheit, da ich dir nuezlich seyn kan.  Einen
wolgespikten Beutel, und fort in diesen Krieg! Verbraeme dein
glattes Gesichtchen mit einem falschen Bart; Geld in deinen Beutel,
sag ich. Es ist unmoeglich, dass Desdemona den Mohren in die Laenge
lieben koennte,--nur Geld in deinen Beutel--noch der Mohr sie.
Alle Sachen, die mit solcher Heftigkeit anfangen, pflegen auch
schnell wieder aufzuhoeren--Spik du nur deinen Beutel--Diese Mohren
sind veraenderlich in ihren Neigungen;--fuell deinen Beutel mit Geld--
Der Lekerbissen, der ihm izt so suess daucht wie Syrop, wird ihm
bald genug bittrer als Coloquinten schmeken; und wenn sie, an ihrem
Theil, sich einmal an ihm ersaettiget hat, so werden ihr die Augen
ueber ihre ungereimte Wahl auf einmal aufgehen.  Sie (muss) sich
aendern, sie muss! Also fuell du nur deinen Beutel.  Wenn du ja zum
T** fahren willst, so thu es wenigstens auf einem angenehmern Weg
als Ersaeuffen.  Mach alles zu Gelde was du kanst.  Wenn Tugend und
ein armes zerbrechliches Geluebde zwischen diesem Landstreicher aus
der Barbarey und einer super-feinen verschmizten Venetianerin,
nicht staerker sind als mein Wiz und die ganze Zunft der Hoelle, so
sollst du sie in deine Arme kriegen.  Also Geld in deinen Sekel,
sag ich! Lass du dich lieber dafuer haengen, dass du deine Lust gebuesst
hast, als dich zu ersaeuffen, und nichts dafuer genossen zu haben.

Rodrigo.
Stehst du mir gut fuer meine Hoffnungen, wenn ich's wage?

Jago.
Verlass dich auf mich--Geh, mach Geld zusammen--Ich habe dirs oft
gesagt, und sage dirs wieder und wieder, ich hasse den Mohren.
Meine Ursach stekt mir tief im Herzen; dein Hass hat keinen
schlechtern Grund.  Lass uns gemeine Sache machen, um unsre Rache an
ihm zu nehmen.  Wenn du ihn zum Hahnrey machen kanst, so machst du
dir selbst ein Vergnuegen, und mir einen Spass.  Die Zukunft geht mit
allerley Begebenheiten schwanger, von denen sie zu gehoeriger Zeit
entbunden werden wird.  Geh du izt, und sorge fuer Geld; morgen mehr
von dieser Materie.  Adieu.

Rodrigo.
Wo sehen wir einander morgen?

Jago.
In meinem Quartier.

Rodrigo.
Ich will bey Zeiten kommen.

Jago.
Gut, geht nur, lebt wohl.  Hoert ihr, Rodrigo?

Rodrigo.
Was soll ich hoeren?

Jago.
Nichts mehr vom Ersaeuffen, hoert ihr's?

Rodrigo.
Es ist mir anders gekommen: Ich will gehen und alle meine Gueter zu
Geld machen.

(Er geht ab.)



Eilfte Scene.
 (Jago bleibt zuruek.)


Jago (allein.)
Geht nur, lebt wohl, nur einen wohlgespikten Beutel,--Bin ich nicht
ein gescheidter Kerl?  So mach' ich aus meinem Narren meinen
Schazmeister--Denn das hiesse wol meine erworbne Geschiklichkeit
uebel anwenden, wenn ich die Zeit mit einem solchen kleinen
Schneppen verderben wollte, ohne dass ich Spass und Vortheil davon
haette.  Ich hasse den Mohren, und das Publicum thut mir die Ehre an,
und glaubt, er habe zwischen meinen Bett-Laken meine Stelle
vertreten.  Ich weiss nicht, ob es so ist--aber mir ist eine blosse
Vermuthung von dieser Art genug, um so zu handeln, als ob ich's mit
Augen gesehen haette.  Er mag mich wol leiden--Desto bessre
Gelegenheit hab ich, ihm beyzukommen; Cassio ist ein Mann, der zu
meinem Vorhaben taugt: Lasst einmal sehen--seine Stelle zu kriegen
und meinen Hass zu ersaettigen--Wie, wie kommt das?  Lasst sehen--
Nach einiger Zeit dem Othello mit einer guten Art in's Ohr raunen,
dass er zu vertraulich mit seiner Frau ist--Seine Figur und sein
ganzes Betragen, werden den Verdacht rechtfertigen; er ist der Mann
dazu, die Weiber ungetreu zu machen.  Der Mohr ist von der offnen
treuherzigen Art Leuten, welche die Leute fuer ehrlich haelt, wenn
sie so aussehen; er wird sich so gutwillig an der Nase herumfuehren
lassen wie ein Esel--Ich hab es--Mein Entwurf ist gezeugt--und Rach
und Hoelle sollen die scheussliche Missgeburt ans Taglicht bringen!

(ab.)



Zweyter Aufzug.



Erste Scene.
 (Die Hauptstadt von Cypern.)
 (Montano, Statthalter von Cypern, und zween Officiers.)


Montano.
Was koennt ihr vom Vorgebuerg in der See unterscheiden?

1. Officier.
Gar nichts, als aufgethuermte Wellen; ich kan zwischen dem Himmel
und der See nicht ein einziges Segel entdeken.

Montano.
Mich daeucht, der Wind ist zu Land sehr heftig gewesen--Ein
ungestuemerer Sturm hat noch nie unsre Zinnen erschuettert--wenn er
auf der See eben so geraset hat, was fuer Ribben von Eichen sind,
wenn Berge auf sie herabschmelzen, stark genug, sich in ihren Fugen
zu erhalten?  Was fuer Zeitungen werden wir hievon hoeren?

2. Officier.
Die Zerstreuung der Tuerkischen Flotte--Steht nur am schaeumenden
Ufer, die zornigen Wogen scheinen euch bis in die Wolken hinauf zu
sprizen--Man daechte, die vom Sturm geschleuderte Welle spruehe dem
brennenden Baeren Wasser entgegen, und loesche die Nachtlichter des
Himmels aus--Ich habe in meinem Leben keinen so rasenden Sturm
gesehen.

Montano.
Wenn die Tuerkische Flotte sich nicht bey Zeit in irgend eine Bucht
hat retten koennen, so ist sie verlohren--es ist unmoeglich, dieses
Wetter auszuhalten.



Zweyte Scene.
 (Ein dritter Officier zu den Vorigen.)


3. Officier.
Etwas Neues, meine Herren, der Krieg ist zu Ende; dieses
verzweifelte Ungewitter hat die Tuerken so zugerichtet, dass ihre
Entwuerfe Halt machen muessen.  Ein ansehnliches Venetianisches
Schiff hat dem Schiffbruch und der Noth des groessesten Theils ihrer
Flotte zugesehen.

Montano.
Wie?  Ist das wahr?

3. Officier.
Das Schiff ist wuerklich hier eingelauffen; ein Veronesisches,
welches den Michael Cassio, den Lieutenant dieses tapfern Mohren
Othello, an Bord hatte; der Mohr selbst ist in der Ueberfahrt
begriffen, und wird in kurzem als oberster Kriegs-Befehlshaber hier
in Cypern eintreffen.

Montano.
Ich bin erfreut darueber; er hat alle Eigenschaften zu einem so
wichtigen Posten.

3. Officier.
Allein eben dieser Cassio, so troestlich das lautet, was er uns vom
Verlust der Tuerken berichtet, sieht doch duester aus, und wuenscht
dass der Mohr glueklich davon gekommen seyn moege; denn sie waren im
heftigsten Sturm abgereist.

Montano.
Der Himmel geb' es!  Ich bin sein Freund, und er ist beydes ein
guter Soldat und ein vollkommner Feldherr.  Wir wollen der See-
Seite zugehen, sowol um das schon eingelauffene Schiff zu
besichtigen, als dem wakern Othello, soweit bis Luft und Wasser
sich in unserm Auge vermischt, entgegen zu sehen.

Officier.
Kommt, wir wollen das thun--Eine jede Minute daeucht uns lange, bis
wir seiner glueklichen Ankunft versichert sind.



Dritte Scene.
 (Cassio zu den Vorigen.)


Cassio.
Dank sollen die Tapfern dieser kriegerischen Insel davor haben, dass
sie so gute Freunde des Mohren sind--Der Himmel beschueze ihn gegen
der Wuth der Elemente; ich hab' ihn in einer gefaehrlichen See
verlohren.

Montano.
Ist sein Schiff gut?

Cassio.
Sein Schiff ist gut gezimmert, und sein Pilot ein Mann von
Erfahrung und bewaehrter Geschiklichkeit: Ich bin also nicht ohne
Hoffnung.

Hinter der Scene
Ein Segel!  ein Segel!  ein Segel!

Cassio.
Was bedeutet dieses Geschrey?

1. Officier.
Die Stadt ist leer; Schaarenweis steht das Volk am Ufer, und sie
ruffen: Ein Segel!

Cassio.
Ich hoffe es ist des Ober-Befehlhabers.

Officier.
Sie geben ihm ihre Freude durch Zujauchzungen zu erkennen; es sind
Freunde, wenigstens.

Cassio.
Ich bitte euch, mein Herr, geht und bringt uns Gewissheit, wer
angekommen ist.

Officier.
Ich will.

(ab.)

Montano.
Aber mein lieber Lieutenant, ist euer General vermaehlt?

Cassio.
Ja, und hoechstglueklich; er hat eine junge Gemahlin davongetragen,
die alles uebertrift, was das ausschweiffende Geruecht zu ihrem Lob
sagen kan: eine Gemahlin, deren Schoenheit den Pinsel des feinsten
Mahlers beschaemt, und die in einem irdischen Kleide ein wahrer
Auszug aller Vollkommenheiten der Schoepfung ist--



Vierte Scene.
 (Der Officier kommt zuruek.)


Cassio.
Wie steht's?  Wer ist eingelauffen?

Officier.
Ein gewisser Jago, der Faehndrich des Generals.

Cassio.
Das kostbare Kleinod, womit er beladen war, hat seine Fahrt so
gluecklich gemacht; die Ungewitter selbst, schwellende Seen und
heulende Winde, die Wasserbedekten Felsen und die aufgehaeuften
Sandbaenke, (Verraether, die im Verborgnen lauren, den schuldlosen
Kiel anzuhalten) vergessen, gleich als ob sie ein Gefuehl der
Schoenheit haetten, ihre natuerliche Grausamkeit, um die goettliche
Desdemona unbeleidigt durchzulassen.

Montano.
Wer ist diese?

Cassio.
Sie, von der ich sprach, die Beherrscherin unsers grossen
Befehlshabers, die er der Fuehrung des kuehnen Jago anvertraut hat,
und deren beschleunigte Ankunft unsern Gedanken um eine Woche
wenigstens zuvorkoemmt.  Beschueze nun, o Himmel, beschueze noch
Othello!  und schwelle seine Seegel mit deinem eignen allmaechtigen
Athem auf, damit er mit seinem schoenen Schiff diese Bay beselige,
und wenn seine Liebe in Desdemonens Armen die Entzuekung des
Wiedersehens ausgeathmet hat, unsre erloeschende Geister in neues
Feuer seze, und ganz Cypern mit Muth und Vertrauen erfuelle.--



Fuenfte Scene.
 (Desdemona, Jago, Rodrigo und Aemilia zu den Vorigen.)


Cassio.
--O sehet!  der Schaz des Schiffes ist ans Land gekommen: Ihr
Maenner von Cypern, lasst eure Knie sie bewillkommen!  Heil dir,
Gebieterin, und jeder Segen des Himmels gehe vor dir her, folge dir,
und schwebe zu deiner Seiten rings um dich her.

Desdemona.
Ich danke euch, tapfrer Cassio--Was fuer Nachrichten koennt ihr mir
von meinem Herrn geben?

Cassio.
Er ist noch nicht angelaendet, doch weiss ich nichts anders, als dass
er wohl ist und in kurzem hier seyn wird.

Desdemona.
O--ich besorge nur--Wie verlohret ihr ihn?

Cassio.
Der heftige Streit zwischen Luft und Meer trennte unsre
Gesellschaft--Aber horcht, ein Segel!

Hinter der Scene:
Ein Segel!  ein Segel!

Officier.
Dieser Gruss wird gegen die Citadelle gemacht; es ist gleichfalls
ein Freund.

Cassio.
Seht was es ist: Mein lieber Faehndrich, willkommen!  (Zu Aemilia,
mit einem Kuss.)
Willkommen, Madam.  Nehmt mir nicht uebel, mein guter Jago, dass ich
meiner Freude den Lauf lasse; es ist eine Gewohnheit von meiner
Erziehung her, dass ich so frey im Ausdruk einer schuldigen
Hoeflichkeit bin.

Jago.
Ich wollte, mein Herr, sie waere gegen euch so freygebig mit ihren
Lippen, als sie es oft gegen mich mit ihrer Zunge ist, ihr wuerdet
ihrer genug kriegen!

Desdemona.
Wie, sie spricht ja gar nichts.

Jago.
Wahrhaftig, nur zuviel; ich find' es immer, wenn ich gerne schlafen
moechte; vor Euer Gnaden, da glaub' ich selber, dass sie ihre Zunge
ein wenig in ihr Herz stekt, und nur in Gedanken keift.

Aemilia.
Ihr habt wenig Ursache so zu reden.

Jago.
Kommt, kommt, ich kenne euch Weiber so gut als einer; ihr seyd
Gemaehlde ausser Hause; Gloken in eurem Zimmer; wilde Kazen in eurer
Kueche; Heilige, wenn ihr beleidigt; Teufel, wenn ihr beleidigt
werdet; Comoediantinnen in eurer Wirthschaft, und nirgends Haus-
Weiber, als in--euerm Bette.

Desdemona.
O fy, schaemt euch, ihr garstiger Verlaeumder!

Jago.
Nein, es ist wie ich sage, oder ich will ein Tuerk seyn; ihr steht
auf, um zu spielen, und legt euch zu Bette, um zu arbeiten.

Aemilia.
Ihr sollt mir gewiss keine Lobrede schreiben!

Jago.
Ich rathe euch nicht, dass ihr mich dazu bestellet.

Desdemona.
Was wuerdest du von mir schreiben, wenn du mich loben muesstest?

Jago.
O Gnaedige Frau, sezt mich nicht in Versuchung; ich bin nichts, oder
ich bin ein Criticus.

Desdemona.
Kommt, eine kleine Probe--Dort ist jemand in die Bay eingelauffen.
--

Jago.
Ja, Gnaedige Frau.

Desdemona.
Ich bin nicht aufgeraeumt; ich beluege das was ich bin, indem ich was
anders scheine;--Komm, was wolltest du zu meinem Ruhm sagen?

Jago.
Ich bin wuerklich daran; aber, in der That, meine Erfindung geht so
ungern von meinem Hirnkasten ab, wie Vogel-Leim von einem Friess-Rok--
doch meine Muse arbeitet, und nun ist sie entbunden--Ein jeder
Mund bekennt und spricht, sie ist so weis' als schoen,
Doch eines zehrt das andre auf, das muss man auch gestehn.

Desdemona.
Vortreflich; aber wie, wenn sie schoen und albern waere?

Jago.
Albern?  Gut, die bloedste Schoene hatte stets so viel Verstand
Dass sie, wo nicht einen Mann, mindstens einen Erben fand.

Desdemona.
Das sind alte abgedroschne Einfaelle, um Narren im Bierhause lachen
zu machen.  Was fuer ein armseliges Lob hast du dann fuer eine, die
haesslich und albern ist?

Jago.
Keine ist so dumm und haesslich, die an List bey schlimmer Sache
Den Verschmiztesten und Schoensten nicht den Vorzug streitig mache.

Desdemona.
O grobe Ungeschiklichkeit!  Du lobest die Schlechteste am besten.
Aber was koenntest du dann zum Lob eines Frauenzimmers sagen, das in
der That Lob verdiente?  Einer solchen, deren Verdienste so
unstreitig waeren, dass sie es auf den Ausspruch der Bosheit selbst
ankommen lassen duerfte?

Jago.
Die, bey niemals welker Schoenheit frey von Stolz und Eigensinn,
Meisterin von ihrer Zunge, und doch keine Schreyerin,
Immer Geld im Beutel hat, und sich nie dadurch entehrte,
Die gelassen meiden kan, was ihr Herz sich gern gewaehrte;
Die, wenn sie der Mann beleidigt, doch der Rache gern entsagt,
Welche sanften Weiber-Herzen, wie man glaubt, so sehr behagt:
Die so treu der Weisheit ist, dass sie nie in ihrem Leben,
Um den Schwanz des besten Salms, eines Schel-Fischs Kopf gegeben;
Die zwar denkt, doch was sie denkt, niemand als sich selbst
vertraut,
Noch, wenn ihr Verehrer folgen, aus Zerstreuung um sich schaut;
Diese, wenn sie jemals war, konnte wol vortrefflich taugen--

Desdemona.
Und wozu dann?

Jago.
Ein Schmahl-Bier-Protocoll zu fuehren, und Narren auszusaugen.

Desdemona.
O, was fuer ein krueppelhafter, armseliger Schluss!  Lerne ja nichts
von ihm, Aemilia, ob er gleich dein Mann ist.  Was sagt ihr, Cassio,
wuerd' er nicht einen feinen Rath abgeben?

Cassio.
Es ist besser gemeynt als gesagt, Madam; Euer Gnaden werden den
Soldaten groesser in ihm finden, als den Gelehrten.

Jago (bey Seite.)
Er nimmt sie bey der Hand; gut, wol gegeben--fluestert einander ins
Ohr--Ich brauche kein staerkeres Gewebe als diss, um eine so grosse
Fliege wie Cassio zu verstriken.  Ey ja doch, laechle sie an, thu's--
in deiner eignen Hoeflichkeit sollst du gefangen werden--Ihr habt
recht, es ist so, in der That--Wenn solche arme kleine Freyheiten
euch um eure Lieutenants-Stelle bringen sollten, so waer' es besser,
ihr haettet eure drey Finger nicht so oft gekuesst--O vortrefflich!
wol gekuesst!  vortreffliche Galanterie!--es ist so, in der That--
Noch einmal--eure Finger an eure Lippen?  Ich wollt' es waeren
Clystier-Sprizen, so lieb seyd ihr mir.

(Trompeten.)

Ha, der Mohr kommt; ich kenne seine Trompete.

Cassio.
Es ist wuerklich so.

Desdemona.
Wir wollen ihm entgegen gehen--

Cassio.
Seht, hier ist er schon.



Sechste Scene.
 (Othello und Gefolge zu den Vorigen.)


Othello.
O meine schoene Heldin!

Desdemona.
Mein theurer Othello!

Othello.
Meine Verwundrung euch vor mir hier zu sehen, ist so gross als mein
Vergnuegen.  O Wonne meines Herzens!  Wenn auf jeden Sturm eine so
suesse Stille folgte, so moechten die Winde blasen, bis sie den Tod
aufgewekt haetten: So moechte die arbeitende Barke an Huegeln von
Wasser bis an den Olymp hinauf klettern, dann wieder so tief sich
tauchen, als die Hoelle vom Himmel ist!  Wenn ich izt sterben muesste,
so waer's in dem Augenblik, da meine Gluekseligkeit ihren hoechsten
Punkt erreicht hat; ich besorge sehr, diese Wonne meiner Seele ist
zu gross, als dass noch eine solche in der unbekannten Zukunft fuer
mich ligen kan.

Desdemona.
Das verhuete der Himmel, dass unsre Liebe und unser Vergnuegen nicht
in gleichem Maasse zunehmen sollte, wie unsre Tage wachsen!

Othello.
Amen, zu diesem holden Wunsch!  Ich kan nicht genug von dieser
Freude sagen, mein Herz ist so voll--

(er kuesst sie--)

und diss, und diss, moege die groesseste Dissonanz seyn, die jemals
unsre Herzen machen werden!

Jago (bei Seite.)

O, izt seyd ihr noch wolgestimmt; aber ich will den Wirbel legen,
der diese Musik macht, so wahr ich ehrlich bin!

Othello.
Kommt, wir wollen in's Schloss.  Nun, meine Freunde, der Krieg ist
geendigt, eh er angefangen hat; die Tuerken sind ertrunken.  Wie
leben unsre alten Bekannten auf dieser Insel?--Mein liebstes Herz,
ihr werdet in Cypern sehr geliebt werden; ich habe viele
Freundschaft hier empfangen--O meine Liebe, ich merke dass ich mich
vergesse; das Uebermaass meiner Freude macht mich schwaermen.--Ich
bitte dich, guter Jago, geh an die Rhede und lass meine Kisten
auspaken; und den Schiffs-Patron bring' in die Citadelle zu mir; er
ist ein geschikter Mann, dessen Verdiensten eine vorzuegliche
Achtung gebuehrt.  Kommt, Desdemona, noch einmal willkommen in
Cypern!

(Othello und Desdemona gehen ab.)



Siebende Scene.
 (Jago und Rodrigo bleiben.)


Jago (zu einigen Bedienten.)
Geht ihr dem Hafen zu, ich werde in einem Augenblik folgen--(zu
Rodrigo.)
Komm naeher, wenn du ein tapfrer Mann bist; (und man sagt doch, dass
die Liebe auch den feigesten Seelen eine gewisse Staerke und
Erhabenheit gebe, die ihnen sonst nicht natuerlich ist)--Horch mir
zu; der Lieutenant commandirt diese Nacht auf der Hauptwache.
Zuerst muss ich dir sagen, dass diese Desdemona geradezu in ihn
verliebt ist.

Rodrigo.
In ihn?  Wie, das ist nicht moeglich.

Jago.
Leg deine Finger auf den Mund und lass dir sagen, was du zu wissen
brauchst.  Bedenk einmal mit was fuer einer Heftigkeit sie anfangs
den Mohren liebte, bloss weil er aufschnitt, und ihr romanhafte
Luegen vorsagte.  Meynst du, sein Pralen werde machen, dass sie ihn
immer liebe?  Sey nicht so einfaeltig, und bilde dir solche Dinge
ein.  Ihr Auge muss doch auch eine Nahrung haben.  Und was ein
Vergnuegen kan sie davon haben, wenn sie den Teufel ansieht?  Wenn
die Entzuekungen des Liebes-Spiels das Blut ermattet haben, so
braucht es Reizungen, Schoenheiten, Sympathie im Alter, zaertliche
Empfindungen, was weiss ich's, kurz lauter Eigenschaften, die der
Mohr nicht hat, um es wieder anzuflammen.  Nun aber kan's nicht
fehlen, der Abgang dieser Erfordernisse und Uebereinstimmungen wird
ihre jugendliche Zaertlichkeit gar bald empoeren; sie wird finden,
dass sie sich betrogen hat; sie wird des Mohren erst satt, dann
ueberdruessig werden, dann einen Ekel vor ihm bekommen, und ihn
endlich gar verabscheuen, die Natur selbst wird sie das lehren und
sie zu einer andern Wahl noethigen.  Nun, Herr, dieses vorausgesezt,
(wie es dann eine ausgemachte Sonnenklare Sache ist,) wer darf sich
dieses Gluek mit bessrer Hoffnung versprechen als Cassio?  Der
geschmeidigste Schurke von der Welt; der nicht mehr Gewissen oder
Tugend hat, als der Wohlstand und die Klugheit erfordern, um unterm
Schuz der aeusserlichen Form eines bescheidnen und wohlgesitteten
Betragens seine geheimen Ausschweiffungen und Leichtfertigkeiten
desto sichrer auszuueben; ein glatter, abgeteilter Schurke, ein
Gelegenheits-Hascher, ein Gleissner, der sich das Ansehen von
Tugenden geben kan, die er nie gehabt hat; ein verteufelter Schurke!
Und dann kommt noch in Betrachtung, dass der Schurke huebsch, jung,
und mit allen den Erfordernissen begabt ist, worauf Thorheit und
unreiffe Jugend am meisten sehen.  Ein schwernoethischer
ausgemachter Schurke!  Und das Weibsbild kennt ihn schon besser,
als du dir einbildest.

Rodrigo.
Das kan ich unmoeglich von ihr glauben; sie ist von einer so
tugendhaften Gemuethsart--

Jago.
Tugendhafter Pfifferling!  Der Wein den sie trinkt ist aus Trauben
gemacht.  Wenn sie tugendhaft gewesen waere, so wuerde sie sich nicht
in den Mohren verliebt haben: Tugendhafter Quark!  Hast du dann
nicht gesehen wie sie mit seiner Hand auf- und abschaukelte?  Hast
du nicht darauf Acht gegeben?

Rodrigo.
Ja, das that ich; aber das war nur Hoeflichkeit.

Jago.
Leichtfertigkeit war's, bey meiner Seele!  Eine geheime Andeutung,
ein stillschweigender Prologus zu einem Lustspiel, wo man keine
Zuschauer verlangt.  Sie kamen einander ja mit ihren Lippen so nah,
dass ihr Athem sich vermischen und zusammenfliessen musste.  Das ist
ein vertrakter Gedanke, Rodrigo!  Wenn solche Vertraulichkeiten den
Weg bahnen, so darf man sich darauf verlassen, dass die Haupt-Action
bald nachkommen wird--Fy, Henker!--Aber, lasst euch nur von mir
rathen, Herr.  Ich hab' euch von Venedig mitgebracht.  Zieht mit
auf die Wache diese Nacht, ich will euch dazu commandieren.  Cassio
kennt euch nicht; und ich will nicht weit von euch seyn.  Seht dass
ihr dann eine Gelegenheit findet, ihn aufzubringen; redet zu laut,
oder haltet euch ueber seine Art zu commandieren auf, oder thut
sonst was das ihn aergern kan, wie es Zeit und Umstaende an die Hand
geben werden.

Rodrigo.
Gut.

Jago.
Er ist jaeh, und in einem Augenblik aufgebracht; es kan leicht
begegnen, dass er euch einen Schlag giebt.  Reizt ihn dazu; dann das
wuerde mir einen vortrefflichen Anlass geben, die Cyprier in eine
solche Empoerung gegen ihn zu sezen, dass nichts als seine Entfernung
sie besaenftigen soll.  Dadurch kommt ihr desto baelder zu euerm Zwek;
denn wenn Cassio einmal aus dem Weg ist, so will ich fuer das
uebrige schon Mittel finden, und ihr sollt glueklich werden.

Rodrigo.
Ich verstehe mich zu allem, wenn ihr's dahin bringen koennt.

Jago.
Dafuer steh ich dir.  Lass dich vor der Citadelle wieder antreffen;
ich muss nur einen kleinen Gang machen, um sein Gepaeke ans Land zu
holen.  Lebt wohl indessen.

Rodrigo.
Adieu.

(Er geht ab.)



Achte Scene.


Jago (allein.)
Dass Cassio sie liebt, das glaub ich, und dass sie ihn wieder liebt,
das laesst sich wenigstens glauben.  Was den Mohren betrift, so muss
ich gestehen, ob ich ihn gleich nicht leiden kan, dass er von einer
gesezten, liebreichen und edeln Gemueths-Art ist; und ich zweifle
gar nicht daran, dass er gegen Desdemona ein recht zaertlicher Ehmann
seyn wird.  Nun lieb ich sie auch, nicht eben aus Antrieb einer
sonderlichen Lust zu ihr, (ob ich gleich vielleicht fuer eben so
grosse Suenden in des Teufels Schuldbuch stehe,) sondern mehr um an
dem ueppigen Mohren Rache zu ueben, den ich im Verdacht habe, dass er
meinem Weibe zu nah' gekommen seyn moechte; ein Gedanke, der mir wie
mineralisches Gift an meinem Inwendigen nagt, und mir keine Ruhe
lassen wird, bis ich quitt mit ihm bin, Weib um Weib: Oder wenn mir
auch das fehlschluege, so muss mir der Mohr wenigstens in eine so
starke Eifersucht gesezt werden, dass die Vernunft selbst ihm nichts
dagegen helfen soll.  Und wenn dieser arme Venetianische Brak, den
ich bloss um seines guten Jagens willen liebe, unserm Michael Cassio
nur recht zu Leibe geht, so wollen wir ihn bald bey der Huefte
kriegen, und ihn dem Mohren auf eine Art empfehlen, die ihre
Wuerkung thun soll; und der Mohr soll mir noch danken, und mich noch
dafuer lieben und belohnen, dass ich ihn fein sauber zu einem Esel
mache, und ihn aus dem stolzen Frieden seiner Seele bis zur
Tollheit herausbetruege.  Das alles ligt hier--aber noch verworren;
Spizbueberey laesst ihr ganzes Gesicht nicht eher sehen, bis sie
vollbracht ist.

(Geht ab.)



Neunte Scene.
 (Die Strasse.)
 (Ein Herold tritt auf.)


Herold.
Es ist Othello's, unsers edeln und tapfern Ober-Befehlhabers, Wille
und Belieben, dass auf die zuverlaessig eingelauffene Nachricht von
dem gaenzlichen Untergang der Tuerkischen Flotte, jedermann seine
Freude oeffentlich, durch Taenze, Freuden-Feuer, und alle die Spiele
und Lustbarkeiten, wozu einen jeden seine Neigung treiben mag, an
den Tag geben moege--Zumal, da noch ueber diese gluekliche Zeitung,
sein Vermaehlungs-Fest ein Gegenstand der allgemeinen Freude ist.
Alle seine Vorraths-Kammern sind aufgeschlossen, und es ist jedem
erlaubt von dieser fuenften Stunde an, bis die Gloke eilfe
geschlagen haben wird, zu schmausen und sich zu erlustigen, wie es
ihm beliebt.  Dieses sollte, nach seinem Befehl, durch oeffentlichen
Ausruf bekannt gemacht werden.  Heil der Insel Cypern, und unserm
edeln General!

(Othello, Desdemona, Cassio, und Gefolge treten auf.)

Othello.
Mein lieber Cassio, seht diese Nacht zur Wache; wir wollen nicht
vergessen, in unsern Lustbarkeiten nie ueber das Ziel der
Anstaendigkeit und Maessigung hinauszuschweiffen.

Cassio.
Jago hat schon Befehl auf die Nacht; ich will aber nichts
destoweniger selbst ein Aug' auf alles haben.

Othello.
Jago ist ein ehrlicher Mensch--Gute Nacht, Cassio.  Morgen, so frueh
als euch gelegen ist, lasst mich eine Unterredung mit euch haben--

(Zu Desdemona.)

Komm, meine theure Liebe--Wenn der Kauf geschehen ist, so folgt die
Nuzniessung;--Gute Nacht.

(Othello und Desdemona gehen ab.)

(Jago zu Cassio.)

Cassio.
Willkommen Jago, wir muessen zur Wache.

Jago.
Izt noch nicht, Lieutenant, es ist noch nicht zehn Uhr.  Unser
General hat uns seiner Desdemona zu lieb so frueh entlassen, und wir
koennen ihn nicht desswegen tadeln--es ist seine erste Nacht, und sie
ist ein Lekerbissen fuer einen Jupiter.

Cassio.
Sie ist eine vortreffliche Dame.

Jago.
Und sie liebt das Spiel, ich stehe fuer sie.

Cassio.
In der That, sie ist ein reizendes Geschoepf.

Jago.
Was sie fuer ein paar Augen hat!  Es ist, als ob sie einen
auffordern--

Cassio.
Sehr anziehende Augen, und doch, wie mich daeucht, vollkommen
sittsam.

Jago.
Und wenn sie redt, ist nicht der blosse Ton ihrer Stimme ein Signal
zur Liebe?

Cassio.
Sie ist, in der That, die Vollkommenheit selbst.

Jago.
Gut, viel Glueks zu ihrer Hochzeit-Nacht!  Kommt, Lieutenant, ich
habe eine Flasche Wein, und es sind ein paar brave junge Cyprier
draussen, die gerne eins auf Othello's Gesundheit mit uns trinken
moechten.

Cassio.
Diese Nacht kan's nicht seyn, Jago; ich habe ein armes ungluekliches
Gehirn zum Trinken.  Ich moechte wol wuenschen, dass man eine andre
Manier, einander seinen guten Willen zu bezeugen, erfinden moechte
als Gesundheittrinken.

Jago.
Oh, es sind gute Freunde; nur ein Glaeschen; ich will fuer euch
trinken.

Cassio.
Ich habe diesen Abend nicht mehr als einen Bechervoll getrunken,
der noch dazu mit Wasser gemischt war, und ihr seht, was fuer
Veraenderungen er schon hier gemacht.  Es ist ein Ungluek fuer mich,
dass ich so wenig ertragen kan, aber ich darf es nicht wagen, mehr
zu thun.

Jago.
Wie, Mann?  Die heutige Nacht ist dazu bestimmt, dass man sich
lustig mache, und die jungen Herren wuerden sich durch unsre
Weigerung beleidigt finden.

Cassio.
Wo sind sie?

Jago.
Hier, vor der Thuer; ich bitte euch, ruft sie herein.

(Cassio geht ab.)

Jago (allein.)
Wenn ich ihm, ueber das was er schon getrunken hat, nur noch einen
Becher voll beybringen kan, so wird er so haendelsuechtig seyn, und
sich so unnuez machen wie meiner jungen Fraeulein Hund--Nun hat mein
ehrlicher Rodrigo, dem die Liebe nun vollends die unrechte Seite
herausgekehrt hat, diese Nacht auch manchen Stuzer auf Desdemonens
Gesundheit ausgeleert, und izt wird er mit auf die Wache ziehen.
Drey junge Cyprier, frische ruestige Bursche, die Herz und Ehre
haben, hab ich gleichfalls mit vollen Bechern zugedekt, und sie
sind auch von der Wache.  Unter dieser Schaar von Betrunknen kan es
mir also nicht schwer fallen, unsern Cassio zu einem Excess zu
bringen, wodurch er diese Insulaner vor die Koepfe stoesst--Aber da
kommen sie ja schon.  Wenn der Erfolg meinem Entwurf antwortet, so
segelt mein Boot mit Wind und Fluth davon.



Zehnte Scene.
 (Cassio, Montano, und drey junge Cyprier.)


Cassio.
Beym Himmel, sie haben mir schon einen Tips angehaengt.

Montano.
Einen sehr kleinen, in der That: ihr habt nicht ueber eine Maass
getrunken, so wahr ich ein Soldat bin.

Jago.
Wein her, Wein her!  (er faengt an zu singen)
 he!  Wein her, ihr Jungens!

Cassio.
Beym Himmel, das war ein huebsches Lied.

Jago.
Das lernt ich in England, wo sie, in der That, maechtige Zecher sind.
Euer Daehne, euer Deutscher, euer schmerbauchichter Hollaender--he!
zu trinken!  sind nichts gegen meinen Englaender.

Cassio.
So ist euer Englaender ein so grosser Trinker?

Jago.
Ob er's ist?  Ich sag euch, er trinkt euch eure Daenen zu Boden,
ohne dass ihr's ihm anseht.  Er braucht nicht zu schwizen, um ueber
euern Deutschen Meister zu werden; und euern Hollaender bringt er
zum Speyen, eh die naechste Flasche gefuellt werden kan.

Cassio.
Auf die Gesundheit unsers Generals!

Montano.
Da bin ich auch dabey, Lieutenant, ich will euch Bescheid thun.

Jago.
O das liebe England!
(Koenig Stephan war ein braver Pair etc.)

(Er singt.)
Mehr Wein her, he!

Cassio.
Ha, das Lied ist noch schoener als das vorige.

Jago.
Wollt ihr's noch einmal hoeren?

Cassio.
Nein, wahrhaftig, und hielte den fuer einen Mann der seines Plazes
nicht wuerdig waere, der solche Dinge thun wollte--Gut--Der Himmel
ist ueber uns alle; und es ist nun schon einmal so, dass die einen
selig werden, und die andern nicht selig werden.

Jago.
Das ist wahr, Herr Lieutenant.

Cassio.
Was mich betrift, (ohne unserm General, oder sonst einem Mann von
Stande zu nah zu treten,) so hoff' ich, selig zu werden.

Jago.
Und ich auch, Lieutenant.

Cassio.
Schon gut, aber, mit eurer Erlaubniss, nicht vor mir.  Der
Lieutenant muss vor dem Faehndrich selig werden.  Sagt mir nichts
mehr hievon!--Wir wollen von unsern Geschaeften reden--Vergieb uns
unsre Schulden!--Meine Herren, wir wollen zu unsern Geschaeften
sehen.  Bildet euch nicht ein, ihr Herren, dass ich betrunken sey:
Das ist mein Faehndrich; das ist meine rechte Hand, und das ist
meine linke.  Ich bin noch nicht betrunken, ich kan noch ziemlich
aufrecht stehen, und ich rede noch gut genug.

Alle.
Vortreflich gut.

Cassio.
Nun, recht gut also; so muesst ihr also nicht denken, dass ich
betrunken sey.

(Er geht ab.)



Eilfte Scene.


Montano.
Auf die Platte-Forme, meine Herren; kommt, wir wollen die Wache
besezen.

Jago.
Ihr seht diesen Burschen, der voraus gegangen ist; er ist ein guter
Soldat, werth zunaechst an Caesarn zu stehen, und unter ihm Befehle
zu geben.  Aber ihr seht auch sein Laster;--es ist schade fuer ihn--
er hat Stunden, wo dieses einzige Gebrechen alle seine Tugenden
unbrauchbar macht--ich fuerchte nur, das Vertrauen, das Othello in
den Mann sezt, mag in irgend einem solchen unglueklichen Augenblik
das Verderben dieser Insel seyn.

Montano.
Ist er denn oft so?

Jago.
Es ist jedesmal der Prologus zu seinem Schlaf.  Er wuerde euch
zweymal vier und zwanzig Stunden an einem Weg wachen, wenn Bacchus
seine Wiege nicht ruettelte.

Montano.
Es waere gut, wenn dem General eine Vorstellung hierueber gemacht
wuerde; vielleicht weiss er's nicht; oder sein gutes Gemueth ist von
den Verdiensten, die an Cassio in die Augen leuchten, so
eingenommen, dass er ihm seine Untugenden uebersieht; ist's nicht so?

(Rodrigo zu den Vorigen.)

Jago.
Was macht ihr hier, Rodrigo?  Ich bitte euch, seht wo der
Lieutenant ist, geht.

(Rodrigo geht ab.)

Montano.
Und es ist in der That recht zu bedauren, dass der Mohr einen so
wichtigen Plaz, die Vertretung seiner eignen Person, einem Mann
anvertrauen soll, der mit einem so eingewurzelten Gebrechen
behaftet ist; es waere die That eines ehrlichen Mannes, wenn man dem
Mohren das sagen wuerde.

Jago.
Der moecht' ich nicht seyn, und wenn ich diese ganze Insel damit zu
gewinnen wuesste; ich liebe den Cassio, und wollte alles in der Welt
thun, ihn von diesem Uebel zu heilen.  Horcht, was fuer ein Lerm ist
das?

(Man schreyt hinter der Scene: Helft, helft!)
(Cassio verfolgt den Rodrigo auf den Schau-Plaz.)

Cassio.
Du Raker!  du Lumpenhund!

Montano.
Was habt ihr, Lieutenant?

Cassio.
Ein Schurke soll mich meine Schuldigkeit lehren!  Ich will den
Schurken in eine Kuerbis-Flasche hineinpruegeln.

Rodrigo.
Mich pruegeln--

Cassio.
Rueppelst du dich noch, Lumpenkerl?

Montano (der ihn zuruekhaelt.)
Haltet ein, guter Lieutenant; ich bitte euch, mein Herr, haltet ein.

Cassio.
Lasst mich gehen, Herr, oder ihr kriegt eins auf die Ohren.

Montano.
Kommt, kommt, ihr seyd ein betrunkener Mann.

Cassio.
Betrunken?--

(Er zieht den Degen gegen Montano, welcher sich zur Wehr sezt.)

Jago (zu Rodrigo leise.)
Weg, sag ich, hinaus, und schlagt Lermen.

(Rodrigo geht.)

Nein, guter Lieutenant--Ums Himmels willen, meine Herren--Helft!
he!--Lieutenant--meine Herren--Montano--helft, ihr Herren!  das ist
mir eine feine Wache, in der That!--Nu ja, wer hat den Einfall gar
die Sturmgloke zu laeuten?--Zum Teufel, halt!  die ganze Stadt wird
in Bewegung kommen.  Fy, fy, Lieutenant!  halt, sag ich!  Ihr
verliehrt eure Ehre auf eine unwiederbringliche Art.



Zwoelfte Scene.
 (Othello, mit seinem Gefolge zu den Vorigen.)


Othello.
Was giebt es hier?

Montano.
Ich blute stark, ich bin verwundet, doch nicht toedtlich.

Othello.
Halt, so lieb euch euer Leben ist.

Jago.
Halt, he, Lieutenant--Herr--Montano--meine Herren--Habt ihr denn
allen Verstand verlohren?  Wisst ihr nicht mehr, wer, und vor wem
ihr seyd?  Der General redt mit euch--Halt, sag ich--schaemt euch
doch wenigstens, und haltet ein--

Othello.
Wie, was soll das seyn, he!  Wer ist der Urheber von diesem Unfug?
Sind wir zu Tuerken geworden?  Und thun uns selbst was der Himmel
den Ottomannen verboten hat?  Aus Schaam wenigstens vor diesen
Unglaeubigen, macht diesem barbarischen Gefecht ein Ende; der erste
von euch, der sich noch ruehrt, ist auf der Stelle des Todes!  Heisst
diese Gloke schweigen, sie schrekt diese Insel aus ihrer Ruhe auf.
Was war denn der Anlas zu diesem Handel?  Ehrlicher Jago, dein
blasses Gesicht sagt mir, dass du bekuemmert bist--Sprich, wer machte
den Anfang?  Sage die Wahrheit, so lieb ich dir bin!

Jago.
Ich weiss es nicht; wir waren alle gute Freunde, nur eben, nur noch
vor einem Augenblik auf der Hauptwache beisammen, so freundlich wie
Braut und Braeutigam, wenn sie zu Bette gehen wollen--und dann, in
einem Augenblik (nicht anders als ob irgend ein aufgehender Planet
den Leuten die Vernunft genommen haette) sind sie mit ihren Degen
heraus, und gehen einander auf Leib und Leben.  Ich kan nicht sagen,
was der Anlas zu diesem unsinnigen Zwist war; aber ich wollte, ich
haette in irgend einer ruehmlichen Action diese Beine verlohren, die
mich zu einem Theil davon gefuehrt haben.

Othello.
Wie kommt es, Cassio, dass ihr euch so vergessen habt?

Cassio.
Ich bitte euch, entschuldigt mich, ich kan nicht reden.

Othello.
Wuerdiger Montano, ihr seyd sonst ein gesitteter Mann: die Welt legt
euch den Charakter eines gesezten und sittsamen Juenglings bey, und
die Weisesten sprechen euern Namen mit Hochachtung aus.  Was fuer
ein Anlas konnte euch dahin bringen, euern Ruhm so leichtsinnig zu
verschleudern, und die gute Meynung der Welt um den Namen eines
Nacht-Schwaermers hinzugeben?  Antwortet mir auf das!

Montano.
Wuerdiger Othello, ich bin gefaehrlich verwundet: Euer Officier, Jago,
kan mir eine Muehe ersparen, die mir izt einige Ungelegenheit
verursachen wuerde; er weiss alles, was ich euch sagen koennte; und
ich wisste auch nicht was ich diese Nacht ueber Unrechtes gesagt oder
gethan haette, es waere denn, dass Selbstvertheidigung, wenn wir
gewaltsam angefallen werden, eine Suende seyn sollte.

Othello.
Nun, beym Himmel, mein Blut fangt an ueber meine Vernunft Meister zu
werden--Reizt mich nicht, sag ich euch, oder wenn ich nur diesen
Arm hebe, so soll der Beste von euch unter meinem Zorn zu Boden
sinken.  Lasst mich wissen, wie dieser schaendliche Tumult sich anhub;
wer der Anfaenger war; und derjenige, welcher schuldig befunden
wird, hat einen Freund an mir verlohren, und wenn er mein Zwillings-
Bruder waere--Wie?  in einer mit Krieg bedraeuten Stadt, deren
Einwohner noch mit Schreken angefuellt sind, sich von der Furcht
eines feindlichen Ueberfalls noch nicht erholt haben, um Privat-
Haendeln willen einen Lerm anfangen?  Und das bey Nacht, und auf der
Hauptwache, die der Schirm der allgemeinen Sicherheit seyn soll?
Es ist etwas ungeheures!  Rede, Jago, wer war der Anfaenger?

Montano.
Wenn du aus Partheylichkeit, Freundschaft oder vermeynter Pflicht
mehr oder weniger sagst als wahr ist, so bist du kein Soldat.

Jago.
Ruehret mich an keinem so empfindlichen Theil an: Ich wollte mir
lieber diese Zunge aus dem Mund reissen lassen, als dass ich meinem
Freund Cassio zum Schaden reden wollte: jedoch hoff' ich es koenne
ihm keinen Schaden thun, wenn ich die Wahrheit sage.  So verhaelt
sich die Sache, General: Montano und ich waren in einem Gespraech
begriffen, als ein Bursche hereinzulauffen kam, der aus vollem Hals
um Huelfe schrie, und Cassio mit blossem Degen hinter ihm her,
vermuthlich um ihn abzustraffen.  Hierueber gieng dieser Herr auf
den Cassio zu, und bat ihn sich zufrieden zu geben, ich selbst aber
lief dem schreienden Kerl nach, aus Furcht, sein Geschrey moechte
(wie es auch wuerklich begegnet ist,) die Stadt in Unruh sezen;
allein, da er schneller auf den Beinen war, so verlohr' ich ihn
gleich aus dem Gesicht, kehrte also wieder zuruek, um so mehr als
ich das Klingeln und Fallen von blossen Degen und den Cassio
gewaltig fluchen hoerte, welches ich vor dieser Nacht niemals haette
von ihm sagen koennen.  Wie ich nun zuruek kam, so fand ich sie im
hizigsten Gefecht begriffen, kurz, in den nemlichen Umstaenden,
worinn ihr selbst sie auseinander gebracht habt.  Mehr kan ich von
diesem Handel nicht sagen.  Aber Menschen sind Menschen; die besten
vergessen sich zuweilen; und wenn ihm auch Cassio ein wenig zuviel
gethan hat, wie denn Leute in der Wuth oft ihre liebsten Freunde
schlagen, so glaub ich doch gewiss, dass Cassio von dem Burschen, der
entlaufen ist, irgend eine grobe Beleidigung, die nicht zu dulden
war, empfangen haben muss.

Othello.
Ich sehe, Jago, dass dein gutes Gemueth und deine Liebe zu Cassio
seine Schuld zu verkleinern sucht.  Cassio, ich liebe dich, aber du
bist mein Officier nicht mehr--(Desdemona, mit Gefolge, zu den
Vorigen.) Seht, ist nicht meine liebste Desdemona aufgestanden--ich
will dich zu einem Exempel machen.

Desdemona.
Was ist hier zu thun?

Othello.
Es ist alles in seiner Ordnung.  Komm zu Bette, meine Liebe--Mein
Herr, ich will selbst der Arzt fuer eure Wunden seyn--Fuehrt ihn nach
Hause.  Jago, lass dir die Beruhigung der Stadt angelegen seyn--Komm,
 Desdemona; es ist einer von den Zufaellen des Soldaten-Lebens, oft
vom suessesten Schlummer durch kriegrisches Getuemmel aufgewekt zu
werden.

(Sie gehen ab.)



Dreyzehnte Scene.
 (Jago und Cassio bleiben.)


Jago.
Wie, seyd ihr verwundet, Lieutenant?

Cassio.
So, dass mir alle Wundaerzte der Welt nicht helfen koennen.

Jago.
Das verhuete der Himmel!

Cassio.
O Guter Name!  Guter Name!  Ich habe meinen guten Namen verlohren;
ich habe mein unsterbliches Theil verlohren, was mir uebrig
geblieben, ist ein blosses Thier.  Meinen guten Namen, Jago, meinen
guten Namen!--

Jago.
So wahr ich ein Bidermann bin, ich dachte, ihr haettet irgend eine
tieffe Wunde in den Leib bekommen; das haette mehr zu bedeuten als
ein guter Name--Diese Schimaere, die so oft ohne Verdienste gewonnen,
und ohne Verschuldung verlohren wird.  Ihr habt nichts verlohren,
als in so fern ihr euch einbildet, dass ihr was verlohren habt.  Wie,
Mann--man kan Mittel finden, den General wieder zu gewinnen.  Ihr
seyd nur noch muendlich cassiert, eine Straffe, worinn mehr Politik
als boeser Willen ist; gerade so, als wenn einer seinen unschuldigen
Hund schluege, um einen uebermuethigen Loewen zu erschreken.  Gebt ihm
gute Worte, so ist er wieder euer.

Cassio.
Ich wollte lieber selbst um meine Verwerfung bitten, als einen so
rechtschaffnen General mit einem so schlechten, so versoffenen, so
unbedachtsamen Officier betruegen.  Besoffen?  und plappern wie ein
Papagay?  und Haendel anfangen?  grosspralen?  fluchen?  und dummes
Zeug mit seinem eignen Schatten reden?  O du unbaendiger Geist des
Weins, wenn du noch keinen Namen hast, woran man dich kennen kan,
so lass dich Teufel heissen.

Jago.
Wer war der Kerl, den ihr mit dem Degen verfolgtet?  was hatte er
euch gethan?

Cassio.
Das weiss ich nicht.

Jago.
Ists moeglich?

Cassio.
Ich erinnere mich eines verworrenen Klumpens von Sachen, aber
nichts deutlich: Eines Handels, aber nicht warum.  O dass ein Mann
einen Feind zu seinem Mund einlassen soll, damit er ihm seine
Vernunft wegstehlen koenne!  dass wir faehig sind, mit lauter Freude,
Lust, Scherz und Wohlleben uns in Bestien zu verwandeln!

Jago.
Nun, gebt euch zufrieden, ihr seyd wieder ganz wohl: Wie habt ihr
euch sobald wieder erholt?

Cassio.
Der Teufel der Trunkenheit hat dem Teufel des Zorns Plaz gemacht;
eine Unvollkommenheit zeigt mir eine andre--o wie herzlich veracht'
ich mich selber!

Jago.
Kommt, ihr seyd ein allzustrenger Moralist.  In Betrachtung der
Zeit, des Orts und der gegenwaertigen Umstaende dieses Lands moecht'
ich selbst von Herzen wuenschen, es waere nicht begegnet; aber da es
nun einmal so ist wie es ist, so ergebt euch darein, und denkt
darauf, wie ihr's wieder gut machen wollt.

Cassio.
Gesezt, ich geh, und bitt' ihn wieder um meine Stelle, so wird er
mir sagen, ich sey ein Trunkenbold--Haette ich so viele Maeuler als
die Hydra, eine solche Antwort wuerde sie mir alle stopfen.  Izt ein
vernuenftiger Mensch seyn, bald darauf ein Narr, und dann ploezlich
gar ein Vieh--Ein jedes Glas das man zuviel trinkt ist verflucht,
und das Ingrediens davon ist ein Teufel.

Jago.
Kommt, kommt, guter Wein ist ein guter (Spiritus familiaris,) wenn
man mit ihm umzugehen weiss: Keine Declamationen mehr dagegen!--Mein
lieber Lieutenant, ich hoffe doch, ihr glaubt, dass ich euer Freund
bin.

Cassio.
Ihr habt mir Proben davon gegeben, mein Herr--Ich, betrunken!--

Jago.
Das ist etwas, das euch und einem jeden andern ehrlichen Mann in
der Welt einmal begegnen kan--Ich will euch sagen, was ihr thun
solltet.  Unsers Generals Frau ist izt der General.  Ich kan mich
dieses Ausdruks bedienen, weil er sich ganz und gar der Beschauung,
Betrachtung und Beherzigung ihrer Vollkommenheiten und Schoenheiten
gewiedmet und ueberlassen zu haben scheint.  Macht ihr ein
freymuethiges Gestaendniss euers Fehlers, und lasst nicht ab, bis sie
euch verspricht euch wieder zu euerm Plaz zu helfen.  Sie ist von
einer so grossmuethigen, so guetigen, so menschenfreundlichen Gemueths-
Art, dass sie es fuer einen Mangel an Guete hielte, nicht noch mehr zu
thun als man von ihr begehrt.  Bittet sie, dieses zerbrochne Band
zwischen euch und ihrem Manne wieder zusammen zu loethen--und ich
will alles was ich habe gegen eine Steknadel sezen, eure
Freundschaft wird staerker werden als sie je gewesen ist.

Cassio.
Euer Rath ist gut.

Jago.
Er ist wenigstens gut gemeynt, und kommt aus einem aufrichtigen und
freundschaftlichen Herzen.

Cassio.
Davon bin ich ueberzeuget; ich will es nicht laenger als bis morgen
frueh anstehen lassen, die tugendhafte Desdemona um ihr Vorwort zu
bitten; ich bin gaenzlich verlohren, wenn ich auf eine so
schimpfliche Art von hier gejagt werde.

Jago.
Ihr habt recht; gute Nacht, Lieutenant; ich muss zur Wache sehen.

Cassio.
Gute Nacht, redlicher Jago--

(Er geht ab.)



Vierzehnte Scene.


Jago (allein.)
Und wo ist nun der, welcher sagen kan, ich spiele die Rolle eines
Spizbuben?  Da der Rath, den ich ihm gebe, gut, ehrlich, von dem
wahrscheinlichsten Erfolg, ja in der That der gerade Weg ist, den
Mohren wieder zu gewinnen.  Denn es ist etwas sehr leichtes die
gutherzige Desdemona zu bewegen, dass sie irgend eine erlaubte Bitte
beguenstige; sie ist von einer so ueberfliessend-wohlthaetigen Natur
wie die alles umfassenden Elemente.  Und dann ist fuer sie wiederum
nichts leichters als den Mohren zu gewinnen, waer' es auch seinem
Taufbund zu entsagen, so gaenzlich ist seine Seele in ihrer Liebe
verstrikt; sie kan mit ihm anfangen was sie will, machen, wieder
vernichten, wie es ihrem Eigensinn nur belieben mag, den Gott mit
seiner Schwaeche zu spielen.  Bin ich denn also ein Spizbube, dem
Cassio einen Weg zu rathen, der ihn so gerade zu seinem Besten
fuehrt?  Beym Abgott der Hoelle!  wenn Teufel ihre schwaerzeste Suenden
ausueben wollen, so taeuschen sie uns zuvor in himmlischen Gestalten--
So mach' ichs wuerklich auch.  Denn indess dass dieser ehrliche Thor
sich Desdemonen zu Fuessen wirft, um sein Gluek wieder herzustellen,
und sie alle ihre Macht ueber den Mohren zu Cassio's Vortheil
anwendet; ich will ihm den giftigen Argwohn in die Ohren blasen,
dass sie ihn nur zu Buessung ihrer Lust so gerne bey sich zu behalten
wuensche; und je eyfriger sie sich bemuehen wird, ihm Gutes zu thun,
je mehr wird sie ihren Credit in den Augen des Mohren verliehren.
So will ich ihre Tugend in Pech verwandeln, und aus ihrer Guete
selbst ein Nez machen, worinn sie alle gefangen werden sollen.  Wo
kommt ihr her, Rodrigo?



Fuenfzehnte Scene.
 (Rodrigo zu Jago.)


Rodrigo.
Ich lauffe hier mit der Jagd, nicht wie ein Hund der jagt, sondern
nur, wie einer der schreyen hilft.  Mein Geld ist beynah
aufgebraucht; heute Nachts bin ich ganz unvergleichlich abgepruegelt
worden; und ich denke, das Ende vom Liede wird seyn, dass ich so
viel Erfahrung fuer meine Muehe habe; und so werd' ich mit einem
leeren Beutel und einem Bisschen mehr Wiz wieder nach Venedig zuruek
kehren--

Jago.
Was fuer elende Leute sind doch die, so keine Geduld haben koennen!
Wenn heilt jemals eine Wunde anderst als nach und nach--Du weissst
doch, dass wir nicht zaubern koennen, sondern dass alles was wir thun,
natuerlich zugehen muss; und die Natur will ihre Zeit haben.  Wo
fehlt es dann, lasst sehen?  Cassio hat dich gepruegelt, und du hast
fuer ein paar arme Schlaege diesen Cassio cassiert--Was reiff werden
soll, muss erst bluehen.  Gedulde dich noch ein wenig: Es ist
wuerklich schon Tag.  Vergnuegen und Arbeit machen, dass uns die
Stunden kurz scheinen.  Entfern' dich; geh, wohin du angewiesen
bist; geh, sag ich--du sollst bald mehr von mir hoeren--Nun, so geh
doch--

(Rodrigo geht.)

Nun sind zwey Dinge zu thun; mein Weib muss fuer den Cassio zur
Desdemonen gehen, und das will ich bald veranstaltet haben; ich muss
indess den Mohren auf die Seite nehmen, und ihn nicht eher wieder
erscheinen lassen, als gerade wenn er den Cassio bey seiner Frauen
ueberraschen kan--ja, so muss es gehen--und das Eisen soll
geschmiedet werden, weil es noch warm ist.

(Er geht ab.)



Dritter Aufzug.



Erste Scene.
 (Vor Othello's Pallast.)
 (Cassio, mit Musicanten, tritt auf.)


Cassio.
Meine Herren, hier spielt eins, (ich will eure Muehe vergelten,)
etwas das nicht zu lange waehrt, und dann wuenscht dem General einen
guten Morgen.

(Die Musik faengt an; Hans Wurst kommt aus dem Hause heraus.)

Hans Wurst.
Wie, ihr Herren, sind eure Instrumente in Neapel gewesen, dass sie
so durch die Nase reden?--Hier ist Geld fuer euch; eure Musik
gefaellt dem General so wol, dass er wuenscht, ihr moechtet ihm den
Gefallen thun, und nicht gar zu laut damit seyn.

Musicant.
Gut, Herr, wir wollen's leiser machen.

Hans Wurst.
Wenn ihr eine Musik habt, die man nicht hoert, so macht immer fort:
Aber was man heisst, Musik zu hoeren, davon ist der General kein
sonderlicher Liebhaber.

Musicant.
Eine Musik, die man nicht hoert?--Wir koennen eine solche, Herr.

Hans Wurst.
So stekt eure Pfeiffen wieder in euern Sak, und zieht ab.  Geht,
zerfliesst in Luft, fort.

(Die Musicanten gehen ab.)

Cassio.
Hoerst du, guter Freund?

Hans Wurst.
Mit beyden Ohren.

Cassio.
Hier ist ein kleines Goldstuek fuer dich; wenn die Kammer-Frau der
Generalin auf ist, so sag' ihr, es sey ein gewisser Cassio da, der
sich die Erlaubniss ausbitte, ein paar Worte mit ihr zu reden.
Willt du?

Hans Wurst.
Sie ist auf, Herr; wenn sie mir in den Wurf kommt, so will ich
nicht ermangeln, es ihr zu notificieren.

(Er geht.)

Cassio.
Thu das, guter Freund--Da kommt Jago eben recht.

Jago.  (zu ihm.)
Ihr seyd also nicht zu Bette gegangen?

Cassio.
Nein, gewiss nicht; der Tag brach ja schon an, eh wir schieden.  Ich
bin so frey gewesen, und habe eure Frau hieher bitten lassen; ich
will sie ersuchen, sie moechte mir Zutritt bey Desdemona verschaffen.

Jago.
Ich will sie augenbliklich hieher schiken, und indess ein Mittel
ausfindig machen, um den Mohren auf die Seite zu bringen, damit ihr
ungehindert mit Desdemonen sprechen koennt.

(Er geht ab.)

Cassio.
Ich dank euch gehorsamst davor--In meinem Leben hab' ich keinen
gutherzigern und ehrlichern Florentiner gesehen!  (Aemilia zu
Cassio.)

Aemilia.
Guten Morgen, Herr Lieutenant.  Es ist mir leid, dass ihr Verdruss
gehabt habt; aber ich hoffe, es wird alles wieder gut werden.  Der
General und seine Gemahlin reden mit einander davon, und sie nimmt
eure Parthey sehr lebhaft.  Der Mohr haelt ihr entgegen, derjenige,
den ihr verwundet haettet, sey ein Mann von grossem Namen in Cypern,
und von einer ansehnlichen Familie; er koenne aus politischen
Ursachen nicht anders, als euch von sich entfernen.  Jedoch
versichert er zu gleicher Zeit, er liebe euch, und habe keine andre
Fuerbitter noethig, um euch wieder bey ihm in Gunst zu sezen, als
seine eigne Zuneigung.

Cassio.
Ich bitte euch dem ungeachtet, wenn ihr anders glaubt dass es
schiklich sey, und wenn es sich thun laesst, mir Gelegenheit zu
verschaffen, dass ich ein paar Worte mit Desdemonen allein sprechen
koennte.

Aemilia.
Ich bitte euch, kommt herein; ich will euch an einen Ort fuehren, wo
ihr Gelegenheit haben sollt, ihr alles zu sagen was ihr auf dem
Herzen habt.

Cassio.
Ich bin euch sehr dafuer verbunden.

(Sie gehen ab.)



Zweyte Scene.
 (Othello, Jago, und etliche Cyprische Edelleute.)


Othello.
Diese Briefe, Jago, gieb dem Schiffs-Patron, und bitte ihn, dem
Senat meine Schuldigkeit zu bezeugen.  Ich will indessen einen Gang
in die Vestungs-Werker thun, mache, dass du dort wieder zu mir
kommst.

Jago.
Ich werde nicht ermangeln, gnaediger Herr.

Othello.
Wollen wir gehen, meine Herren, und die Vestung besehen?

Edelleute.
Wir werden die Ehre haben, Eu.  Gnaden zu begleiten.

(Sie gehen ab.)



Dritte Scene.
 (Verwandelt sich in das Zimmer im Pallast.)
 (Desdemona, Cassio, und Aemilia.)


Desdemona.
Sey versichert, mein guter Cassio, ich will alle meine Vermoegenheit
zu deinem Besten anwenden.

Aemilia.
Thut es, liebste Madam; ich weiss, es bekuemmert meinen Mann, als ob
es seine eigne Sache waere.

Desdemona.
Ich glaub' es, er ist ein guter Mensch; zweifelt nicht, Cassio, ich
will meinen Herrn und euch wieder zu so guten Freunden machen, als
ihr gewesen seyd.

Cassio.
Meine grossmuethigste Gebieterin, was auch aus Cassio werden mag, so
wird er nie was anders als euer getreuer Diener seyn.

Desdemona.
Ich weiss es; ich danke euch; ihr liebet meinen Gemahl; ihr kennt
ihn schon lange; und seyd vollkommen versichert, er wird in dieser
Entfernung von euch nicht weiter gehen, als er durch politische
Ursachen sich genoethigt sehen wird.

Cassio.
Sehr wohl, Gnaedige Frau; aber diese politische Freundschaft kan so
lange waehren, und indess mit einer so leichten und waessrichten
Nahrung unterhalten werden, dass, indem ich abwesend bin, und ein
andrer meine Stelle inne hat, mein General meiner Ergebenheit und
meiner Dienste endlich gaenzlich vergessen wird.

Desdemona.
Macht euch keine solche Gedanken; hier in Aemiliens Gegenwart
verbuerg' ich mich selbst fuer deine Stelle.  Versichre dich, wenn
ich meine Freundschaft verspreche, so darf man sich darauf
verlassen, dass ich ihre Pflichten bis auf den aeussersten Punkt
erfuellen werde.  Mein Gemahl soll keine Ruhe haben, bis er sich
ergeben wird; er soll Tag und Nacht nichts anders hoeren, ich will
ihn bis in sein Bette damit verfolgen, und er soll nichts sagen
noch thun koennen, wovon ich nicht den Anlas nehme, ihn an Cassio's
Gesuch zu erinnern; sey also ruhig, Cassio; deine Sachwalterin soll
eher das Leben lassen, ehe sie deine Sache aufgeben soll.



Vierte Scene.
 (Othello und Jago treten von der Seite, in einiger Entfernung auf.)


Aemilia.
Gnaedige Frau, dort kommt euer Gemahl.

Cassio.
So will ich meinen Abschied nehmen, Gnaedige Frau.

Desdemona.
Warum dann?  Bleibt da, und hoert mich reden.

Cassio.
Izt nicht, Gnaedige Frau; ich bin so uebel aufgeraeumt, dass ich meiner
Sache keinen guten Schwung geben wuerde.

(Cassio geht ab.)

Desdemona.
Gut, nach euerm Belieben.

Jago (leise.)
Ha!  Das gefaellt mir nicht zum Besten--

Othello (zu Jago.)
Was sagst du?

Jago.
Nichts, Gnaediger Herr; oder wenn--ich weiss selbst nicht was.

Othello.
Gieng nicht diesen Augenblick Cassio von meiner Frauen weg?

Jago.
Cassio, Gnaediger Herr?--Nein, versichert, ich kan mir nicht
vorstellen, dass er sich, sobald er euch kommen sieht, so eilfertig
davon schleichen wuerde, als ob er kein gutes Gewissen haette.

Othello.
Ich glaube nicht anders als er war's.

Desdemona.
Wie steht's, mein Gemahl?  Ich sprach eben izt mit einem
Supplicanten, einem Mann, den eure Ungnade sehr unglueklich macht.

Othello.
Und wer ist dieser Mann?

Desdemona.
Wer sollt es seyn als euer Lieutenant, Cassio?  Liebster Gemahl,
wenn ich nur das mindeste Vermoegen ueber euer Herz habe, so soehnt
euch auf der Stelle wieder mit ihm aus.  Wenn er nicht ein Mann ist,
 der euch aufrichtig liebt, und der aus blosser Uebereilung und
nicht mit Vorsaz gefehlt hat, so versteh ich nichts davon was ein
ehrliches Gesicht ist.

Othello.
War er's, der nur eben weggieng?

Desdemona.
Und so niedergeschlagen, dass er meinem mitleidigen Herzen einen
Theil seines Kummers zuruekgelassen hat.  Ich bitte euch, mein Schaz,
lasst ihn zuruekruffen.

Othello.
Noch nicht, liebste Desdemona, ein andermal.

Desdemona.
Aber doch bald?

Othello.
Bald genug, mein Herz, fuer dich.

Desdemona.
Heute, Abends, zum Nacht-Essen?

Othello.
Das nicht.

Desdemona.
Also doch morgen auf den Mittag?

Othello.
Ich esse morgen mit einigen Officiers in der Citadelle zu Mittag.

Desdemona.
Nun, also doch Morgen Nachts, oder Dienstag Morgens oder Nachts,
oder Mittwoch Morgens, ich bitte dich, bestimme die Zeit; aber lass
es nicht laenger als drey Tage seyn; bey meiner Treue, er ist
bussfertig; und doch ist sein Verbrechen, nach der gemeinen Art
davon zu urtheilen und bey Seite gesezt, dass in Kriegszeiten von
einem Officier das beste Exempel gefordert wird, eine kleine
Uebereilung, die kaum einen Privat-Verweis verdient--Wenn soll er
kommen?  Sag mir's, Othello!  Mich nimmt in der Seele Wunder, was
ihr mich bitten koenntet, das ich euch abschlagen wuerde, oder wobey
ich so verdrieslich dastuehnde!  Wie?  Michael Cassio!--Der eurer
Liebe zu mir so gute Dienste leistete; der so oft, wenn ich nicht
sehr vortheilhaft von euch sprach, eure Parthey nahm--und ich soll
soviel Muehe haben, ihn wieder bey euch in Gunst zu sezen?  Glaubt
mir auf mein Wort, ich wollte wohl mehr--

Othello.
Ich bitte dich, lass es genug seyn; er kan kommen, wenn er will; ich
will dir nichts abschlagen.

Desdemona.
Wie, das ist keine Gefaelligkeit, die ich fuer mich bitte; es ist als
ob ich euch bitte eure Kleider zu tragen oder von einer gesunden
Speise zu essen, oder euch warm zu halten; kurz, als ob ich bey
euch darum anhielte, dass ihr euch selbst etwas zu gut thun moechtet.
Nein, wenn ich eine Bitte habe, wodurch ich eure Liebe in der That
auf die Probe zu stellen gedenke, so soll es etwas schweres und
grosses seyn, etwas das Herz erfordert, um bewilliget zu werden.

Othello.
Ich werde dir nichts abschlagen, und alles was ich mir dagegen von
dir ausbitte, ist, dass du mich izt ein wenig allein lassen wollest.

Desdemona.
Sollt' ich euch's abschlagen?  Nein; lebt wohl, mein Gemahl.

Othello.
Lebe wohl, meine Desdemona, ich will gleich folgen.

Desdemona.
Aemilia, komm; seyd wie es euch eure Laune eingiebt, ihr moegt seyn
wie ihr wollt, so bin ich gehorsam.

(Sie gehen ab.)



Fuenfte Scene.
 (Othello und Jago bleiben.)


Othello.
Anmuthsvolle Spizbuebin!--Verderben erhasche meine Seele, wenn ich
dich nicht liebe--und wenn ich dich nicht mehr liebe, so ist die
Welt wieder zum Chaos worden.

Jago.
Mein Gebietender Herr--

Othello.
Was willt du sagen, Jago?

Jago.
Wie ihr euch um eure Gemahlin bewarbet, wusste Michael Cassio etwas
von eurer Liebe?

Othello.
Allerdings, vom Anfang bis zum Ende: Warum fragst du?

Jago.
Bloss zu meiner eignen Befriedigung; es hat gar nichts boeses zu
bedeuten.

Othello.
Warum zu deiner eignen Befriedigung?

Jago.
Ich glaubte nicht, dass er etwas davon gewusst habe.

Othello.
Oh, ja, das hat er, und er war oft die Mittels-Person zwischen uns
beyden.

Jago.
In der That!

Othello.
In der That?  Ja, in der That!  Siehst du was hierinn?  Ist er
nicht ein rechtschaffner Mann?

Jago.
Rechtschaffen, Gnaediger Herr?

Othello.
Rechtschaffen?  Ja, rechtschaffen!

Jago.
Gnaediger Herr, so viel ich weiss.

Othello.
Was denkst du?

Jago.
Denken, Gnaediger Herr!

Othello.
Denken, Gnaediger Herr!--Wie, beym Himmel!  Was meynst du damit, dass
du mir immer nachhallest, gleich als ob irgend ein Ungeheuer, zu
graesslich um gezeigt zu werden, in deinen Gedanken verborgen laege?
Du meynst etwas damit; vor einer kleinen Weile hoert' ich dich sagen,
(das gefalle dir nicht)--wie Cassio von meinem Weibe weggieng.
Was gefiel dir nicht?--Und wie ich dir sagte, er sey waehrend dem
ganzen Lauf meiner Bewerbung um Desdemona mein Vertrauter gewesen,
riefst du, (in der That?) und zogst deine Augbraunen auf eine Art
zusammen, als ob du in selbem Augenblik irgend einem scheusslichen
Gedanken in deinem Gehirn den Ausgang versperren wolltest: Wenn du
mein Freund bist, so sage mir was du denkst.

Jago.
Gnaediger Herr, ihr wisst, dass ich euer Freund bin.

Othello.
Ich denke, du bist's: Und weil ich weiss, dass du ein gutherziger,
ehrlicher Mann bist, und deine Worte wiegst, eh du ihnen Athem
giebst, so schreken mich diese Pausen an dir; denn wenn es an einem
falschen unredlichen Spizbuben ein Kunstgriff oder auch oft bloss
ein angewoehntes Wesen ist, das nichts zu bedeuten hat; so ist es
hingegen an einem rechtschaffnen Mann ein Zeichen, dass er sich Muehe
giebt etwas in seinem Herzen zurueck zu halten, dessen Entdekung
schlimme Folgen habe koennte.

Jago.
Was Michael Cassio betrift, so darf ich schwoeren, dass ich ihn fuer
einen ehrlichen Mann halte.

Othello.
Dafuer halt' ich ihn auch.

Jago.
Die Leute sollten seyn, was sie scheinen; oder die es nicht sind,
von denen waere zu wuenschen, dass sie auch so aussaehen, wie Schelmen.

Othello.
Es ist wahr, die Leute sollten seyn, was sie scheinen.

Jago.
Nun, ich denke also, Cassio ist ein ehrlicher Mann.

Othello.
Nein, du willt mehr damit sagen; ich bitte dich, rede mit mir, wie
mit deiner eignen Seele, und gieb deinem aergsten Gedanken auch den
aergsten Ausdruk.

Jago.
Mein liebster General, verschonet mich.  Ob ich euch gleich einen
vollkommnen Gehorsam schuldig bin, so bin ich doch dazu nicht
verbunden, worinn alle Sclaven frey sind--euch meine Gedanken zu
sagen--Wie?  gesezt, sie seyen einmal falsch, schaendlich; wo ist
der Pallast, in den sich nicht zuweilen garstige Dinge eindraengen?
Wer hat ein so reines Herz, das nicht manchmal unziemliche
Vorstellungen sich unter seine guten Gedanken einmischen sollten?

Othello.
Du bist ein Verraether an deinem Freund, Jago, wenn du glaubst, er
werde betrogen, und ihm doch nicht entdekest was du denkst.

Jago.
Ich denke, dass ich mich vielleicht in meiner Muthmassung betruege;
(wie ich dann bekennen muss, dass es ein unglueklicher Fehler meines
Temperaments ist, zum Misstrauen geneigt zu seyn, und mir eine Sache
manchmal schlimmer einzubilden als sie ist,) ich bitte euch also,
Gnaediger Herr, euch selbst aus den ungefehren und unsichern
Bemerkungen eines Menschen, den sein Argwohn so leicht betruegen kan,
keine Ursachen zur Unruhe zu ziehen: Es waere nicht gut fuer euch,
und nicht ehrlich und vernuenftig an mir, wenn ich euch meine
Gedanken wollte wissen lassen.

Othello.
Was meynst du damit?

Jago.
Der gute Name, mein liebster gnaediger Herr, ist bey Manns- und
Weibsleuten ein Kleinod das ihnen so theuer seyn soll als ihre
Seele.  Wer mir mein Geld stiehlt, stiehlt Quark; es ist etwas und
ist nichts; es war mein, nun ists sein, und ist schon ein Sclave
von Tausenden gewesen; aber wer mir meinen guten Namen nimmt,
beraubt mich eines Schazes, der ihn nicht reicher und mich in der
That arm macht.

Othello.
Ich will wissen, was du denkst--

Jago.
Ihr koenntet das nicht, wenn ihr gleich mein Herz in eurer Hand
haettet; und sollt es nicht, so lang es in meiner Verwahrung ist.

Othello.
Ha!

Jago.
Oh, Gnaediger Herr, nehmt euch vor der Eifersucht in Acht; sie ist
ein gruen-aeugiges Ungeheuer, das sich toller Weise von demjenigen
naehrt was es am meisten verabscheut.  Mancher betrogne Ehemann ist
seines Schiksals gewiss, ohne desto unglueklicher zu seyn, weil ihm
seine Ungetreue gleichgueltig ist--Aber, o was fuer unselige Minuten
zaehlt derjenige ueber, der vor Liebe schmachtet und doch zweifelt;
der argwoehnet, und nur desto heftiger liebt!

Othello.
Ein elender Zustand, beym Himmel!

Jago.
Arm und zufrieden, ist reich und reich genug; aber ein
unermesslicher Reichthum ist so arm als der Winter fuer denjenigen,
der immer besorgt, es werde ihm ausgehen.  Guetiger Himmel!  bewahre
alle menschlichen Herzen vor Eifersucht!

Othello.
Wie?  Was meynst du damit?  Denkst du, ich wollte jemals mein Leben
in Eifersucht zubringen?  Die Monds-Veraenderungen unverwandt mit
argwoehnischen Augen begleiten?  Nein, einmal zweifeln heisst bey mir
entschlossen seyn.  Tausche mich gegen eine Ziege aus, wenn ich
jemals faehig bin meine Seele so missgeschaffnen Gespenstern einer
kranken Phantasie Preiss zu geben, als du dir einbildest.  Das kan
mich nicht eifersuechtig machen, wenn jemand sagt, mein Weib ist
schoen, isst mit gutem Appetit, liebt Gesellschaft, ist munter,
gespraechig, singt, spielt und tanzt gut; an einer tugendhaften
Person werden diese Dinge selbst zu Tugenden.  Eben so wenig werd'
ich jemals von meinen eignen Unvollkommenheiten Anlas zum kleinsten
Zweifel oder Verdacht einer Untreue von ihrer Seite nehmen; denn
sie hatte Augen und waehlte mich.  Nein, Jago; ich will sehen eh ich
zweifle; wenn ich zweifle, so will ich Beweise; und sobald ich
diese habe, weg auf einmal mit Liebe und Eifersucht!

Jago.
Das hoer' ich sehr gerne; dann nun darf ich mir also kein Bedenken
mehr machen, euch die Freundschaft und Ergebenheit sehen zu lassen,
die ich zu euch trage.  Nehmt also was ich sagen werde so auf, wie
es gemeynt ist.  Ich rede noch nicht von Beweisen; gebt auf eure
Gemahlin Acht, habt ein aufmerksames Auge auf sie und Cassio, das
ist alles was ich sagen kan: Nicht eifersuechtig, aber auch nicht
sicher; ich moechte nicht gerne, dass ein so edles Gemuethe wie das
eurige, aus einem Uebermaass von angebohrner Gutherzigkeit betrogen
wuerde; seht euch also vor.  Ich kenne die Venetianische Landes-Art;
in Venedig bekuemmern sie sich wenig, ob der Himmel ein Zeuge ihrer
Streiche ist, wenn nur ihre Maenner nichts davon gewahr werden; ihre
groeste Gewissenhaftigkeit geht insgemein nicht weiter, als dass sie
niemand zusehen lassen, wenn sie suendigen.

Othello.
Sagst du das?

Jago.
Sie betrog ihren Vater, wie sie sich euch ergab; und zu eben der
Zeit, da sie euch am heftigsten liebte, stellte sie sich, als ob
sie sich vor euch fuerchte.

Othello.
Das machte sie wuerklich so.

Jago.
Macht also den Schluss; konnte sie, so jung, so unschuldig als sie
war, sich so gut verstellen, dass ihr eigner Vater von allem was in
ihrem Herzen vorgieng, nichts gewahr werden konnte--Er dachte, es
muesse nothwendig Zauberey dabey gebraucht worden seyn--Doch ich bin
sehr zu tadeln: Ich bitte euch recht demuethig um Vergebung, dass ich
mich von meiner Liebe zu euch so weit verleiten lasse.

Othello.
Ich bin euch auf immer dafuer verbunden.

Jago.
Ich sehe doch, es hat eure Lebensgeister ein wenig in Unordnung
gebracht.

Othello.
Im mindsten nicht, im mindsten nicht!

Jago.
Glaubt mir, ich besorge, es ist so etwas; ich hoffe wenigstens, ihr
werdet ueberzeugt seyn, dass, was ich sagte aus Freundschaft zu euch
geflossen ist.  Aber, ich seh' es, ihr seyd beunruhigt--Ich bitte
euch recht instaendig, meinen Reden keine schlimmere Auslegung zu
geben, als meine Meynung ist.

Othello.
Das will ich auch nicht.

Jago.
Thaetet ihr's, Gnaediger Herr, so koenntet ihr Folgen daraus ziehen,
an die ich in der That nie gedacht habe.  Cassio ist mein Freund
und ein Mann der Verdienste hat--Gnaediger Herr, ich sehe, ihr seyd
unruhig--

Othello.
Nein, nicht sonderlich unruhig--ich denke nichts anders, als
Desdemona ist tugendhaft.

Jago.
Lange lebe sie so!  Und lange moeget ihr leben, so zu denken!

Othello.
Und doch, wenn die Natur einmal aus ihrem Geleis getreten ist--

Jago.
Das ist eben der Punct--Dass sie (wenn ich so frey seyn darf, es
herauszusagen) so viele Partheyen, die ihr natuerlicher Weise haetten
angemessner scheinen sollen, abgewiesen hat, um sich einem Liebhaber
zu ergeben, dessen Landesart, Farbe und Alter dem ihrigen so
entgegen gesezt war.  In der That, das scheint etwas
ausschweiffendes in ihrem Gemueth, eine gewisse Ueppigkeit und
Unordnung ihrer Einbildung und ihrer Neigungen anzuzeigen.  Doch
ich bitte euch um Vergebung, ich rede eigentlich nicht von ihr ins
besondere; ob ich gleich nicht ohne alle Sorge bin, so koennte, bey
kuehlerm Blut, darauf fallen, eure Gestalt mit derjenigen von ihren
Landsleuten zu vergleichen, und sich vielleicht ihre Wahl gereuen
zu lassen.

Othello.
Leb wohl, leb wohl; wenn du etwas weiters merkest, so lass mich's
wissen: Trag es deiner Frau auf, sie genau zu beobachten.  Verlass
mich, Jago.

Jago.
Ich beurlaube mich, gnaediger Herr.

(Er geht.)

Othello.
O warum heurathete ich!  Dieser ehrliche Mann sieht und weiss ohne
Zweifel mehr, weit mehr, als er sagt.

Jago (wieder zuruekkommend.)
Gnaediger Herr, ich wollt' ich duerfte Eu.  Gnaden bitten, dieser
Sache nicht weiter nachzuhaengen; ueberlasst es der Zeit; ob es gleich
ganz gut waere, dass Cassio wieder seine Stelle haette, (denn in der
That, bekleidete er sie mit grosser Geschiklichkeit,) so wuerdet ihr
doch, wenn es euch gefiele ihn noch eine Zeitlang in der
Ungewissheit zu lassen, dabey Anlass finden, ihn und sein Betragen
besser kennen zu lernen.  Gebt auch acht, ob eure Gemahlin seine
Wiedereinsezung mit Merkmalen von Ungestuem und Heftigkeit betreiben
wird; daraus wuerde sich vieles abnehmen lassen.  Mittlerweile
glaubet lieber, ich treibe meine Besorgnisse zu weit, und begegnet
ihr so, dass sie keine Veraenderung spueren koenne; ich bitte Eu.
Gnaden sehr darum.

Othello.
Verlass dich hierueber auf meine Klugheit.

Jago.
Ich empfehle mich nochmals.

(Er geht ab.)



Sechste Scene.
 (Othello allein.)


Othello.
Dieser Bursche ist der ehrlichste Mensch von der Welt, und kennt
die Menschen und den Lauf der Welt meisterlich: Find' ich sie
unkeusch, so soll alle meine Liebe sie nicht vor meinem Grimm
retten--Vielleicht weil ich schwarz bin, und keine von den
einschmeichelnden Eigenschaften im Umgang habe, die das ganze
Verdienst dieser Jungfern-Knechte ausmachen; oder weil ich schon im
herabsteigenden Alter bin--Doch, das will nicht viel sagen--Sie ist
hin, ich bin betrogen, und mein Trost muss seyn, einen Ekel vor ihr
zu fassen.  O der Fluch des Ehestandes!  Dass wir diese reizenden
Geschoepfe unser nennen koennen, und nicht ihre Neigungen!  Ich
wollte lieber eine Kroete seyn, und von den Ausduenstungen einer
Mistgrube leben, als in dem was ich liebe, einen Winkel fuer eines
andern Gebrauch zu wissen.  Und doch ist das die gewoehnliche Plage
der Grossen, die hierinn unglueklicher als die Geringen sind; es ist
ein unvermeidliches Schiksal wie der Tod--Hier kommt sie ja!
(Desdemona und Aemilia treten auf.) Wenn sie ungetreu ist, so
spottet der Himmel seiner selbst.  Ich kan es nicht glauben!

Desdemona.
Wie geht's, mein liebster Othello?  Euer Mittag-Essen, und die
edeln Insulaner, die ihr dazu eingeladen habt, warten auf eure
Gegenwart.

Othello.
Ich bin zu tadeln.

Desdemona.
Warum redet ihr so schwach?  Fehlt euch was?

Othello.
Ich hab' einen Schmerz hier an meiner Stirne.

Desdemona.
Das kommt nur, weil ihr zu viel gewacht habt, es wird bald wieder
vergehen.  Erlaubt mir nur, dass ich euch die Stirne hart verbinde,
so wird es in einer Stunde wieder besser seyn.

(Sie zieht ihr Schnupftuch heraus, um es ihm umzubinden.)

Othello.
Euer Schnupftuch ist zu klein: lasst es gut seyn: Kommt, ich will
mit euch gehen.

(Das Schnupftuch entfaellt ihr, indem sie es einsteken will.)

Desdemona.
Es ist mir recht leid, dass ihr nicht wohl seyd.

(Sie gehen ab.)



Siebende Scene.
 (Aemilia bleibt zuruek.)


Aemilia (indem sie das Schnupftuch aufliesst.)
Ich bin froh, dass ich dieses Schnupftuch gefunden habe; das war das
erste Geschenk, das sie von dem Mohren empfieng.  Mein wunderlicher
Mann hat mir schon hundertmal gute Worte gegeben, dass ich es
stehlen sollte.  Allein sie liebt es so sehr, (denn er beschwor sie,
es immer zu seinem Andenken zu behalten,) dass sie es immer mit
sich herum traegt, um es zu kuessen und damit zu schwazen.  Ich will
den Riss von der Stikerey abzeichnen, und es dann dem Jago geben;
was er damit machen will, weiss der Himmel, nicht ich: Ich habe
nichts dabey, als seine Grille zu befriedigen.  (Jago tritt auf.)

Jago.
Wie steht's?  Was macht ihr hier allein?

Aemilia.
Schmaehlt mich nicht; ich hab etwas fuer euch.

Jago.
Ihr habt etwas fuer mich?  Es ist etwas gemeines--

Aemilia.
Wie?

Jago.
Ein naerrisches Weib zu haben.

Aemilia.
O, ist das alles?  Was gebt ihr mir fuer dieses Schnupftuch?

Jago.
Was fuer ein Schnupftuch?

Aemilia.
Was fuer ein Schnupftuch?--Wie, das so der Mohr Desdemonen gab; das
nemliche, wo ihr mich so lange schon stehlen hiesset.

Jago.
Hast du ihr's gestohlen?

Aemilia.
Nein; aber sie liess es aus Versehen entfallen, und da ich zu allem
Gluek dabey war, so hub ich's auf; sieh, da ist es.

Jago.
Du bist ein braves Mensch; gieb mir's.

Aemilia.
Was wollt ihr damit machen, dass ihr so ernstlich haben wolltet, dass
ich's stehlen sollte?

Jago.
Wie, was geht das dich an?

Aemilia.
Wenn es nicht zu irgend einem Vorhaben von Wichtigkeit ist, so gebt
mir's wieder.  Die arme Frau!  Sie wird naerrisch werden, wenn sie
es missen wird.

Jago.
Thut nicht, als ob ihr was davon wisst.  Ich hab es noethig.  Geh,
lass mich allein--

(Aemilia geht ab.)

Izt will ich dieses Schnupftuch in Cassio's Quartier verliehren,
und es ihn finden lassen.  Die aermsten Kleinigkeiten sind fuer
eifersuechtige Leute so starke Bekraeftigungen, als Beweise aus der
Bibel.  Dieses Ding kan zu was gut sein.  Das Gift das ich dem
Mohren beygebracht habe, fangt schon an bey ihm zu wuerken:
Argwoehnische Einbildungen haben in der That die Natur des Gifts,
welches man anfangs am Geschmak kaum erkennen kan: aber sobald es
ins Blut uebergeht, wie eine Schwefel-Mine brennt--Das sagt ich!



Achte Scene.


Jago.
Seht, da kommt er!  Weder Mohn-Saamen, noch Mandragora, noch alle
einschlaefernde Saefte in der Welt zusammen genommen werden dir
jemals diesen suessen Schlaf wiedergeben, den du gestern noch
hattest--

Othello (vor sich.)
Ha!  Sie soll mir untreu seyn!

Jago.
Wie, wie stehts, General?  Nichts solches mehr!

Othello.
Hinweg!  fort!  Du spannst mich auf die Folter: Ich schwoer' es, es
ist besser mit seinen Augen sehen, dass man betrogen wird, als nur
besorgen muessen, dass man's sey.

Jago.
Wie, Gnaediger Herr?

Othello.
Was wusst' ich von ihren verstohlnen Ausschweiffungen?  Ich sah sie
nicht, ich dachte nicht daran, sie thaten mir kein Leid; ich
schlief die Nacht darauf wohl; war ruhig und froh; ich fand
Cassio's Kuesse nicht auf ihren Lippen.  Lasst den der bestohlen ward
und das Gestohlne nicht vermisst, lasst ihn nichts davon wissen, und
es ist soviel als ob er gar nicht bestohlen worden waere.

Jago.
Ich bedaure, dass ich solche Dinge hoeren muss.

Othello.
Und haette das ganze Lager bis auf die Trossbuben herab, ihren holden
Leib gekostet, und ich wuesste nur nichts davon, so waer' ich glueklich.
Aber, o!  nun auf ewig fahr wohl, Ruhe des Gemueths!  Fahr wohl,
Zufriedenheit!  Fahret wohl, ihr mit Federbueschen geschmuekten
Schaaren; und du, stolzer Krieg, der die schwellende Seele mit
edler Ruhmbegierde fuellt: O fahret wohl!  Fahret wohl wiehernde
Stuten, schmetternde Trompete, Muth-erwekende Trummel, und du
muntre Queer-Pfeiffe, koenigliches Panner, und der ganze Prunk und
Pomp des glorreichen Kriegs!  Und, o!  ihr toedtlichen Werkzeuge,
deren eherner Rachen Jupiters furchtbaren Donner nachahmt, fahret
wohl!  Othello's Arbeit ist gethan!

Jago.
Ist's moeglich, Gnaediger Herr?--

Othello.
Nichtswuerdiger, sey gewiss, dass du mir beweisen kanst, dass meine
Liebe eine Hure ist; sey dessen gewiss, gieb mir eine sichtbare
Probe--

(Er fasst ihn wuethend an.)

Oder, beym Werth der unsterblichen Seele des Menschen!  es waere dir
besser, wenn du ein Hund gebohren worden waerest, als meinem
aufgeschrekten Grimm zu begegnen.

Jago.
Ist es dazu gekommen?

Othello.
Lass mich's sehen; oder beweis es wenigstens so, dass kein Schatten
eines Zweifels uebrig bleibe: Oder weh deinem Leben!

Jago.
Mein edler Gebieter--

Othello.
Wenn du sie unschuldig angeklagt, und mich auf diese Folterbank
geschraubt hast, so bete nicht mehr, erstik dein Gewissen, haeuffe
Greuel auf Greuel, begeh Suenden, dass der Himmel weinen und die Erde
sich entsezen muss; du kanst nichts aergers thun, um das Maass deiner
Verdammniss voll zu machen als du schon gethan hast.

Jago.
O!  Barmherzigkeit!  Der Himmel steh mir bey!  Seyd ihr ein Mann?
Habt ihr eine Seele?  oder ein menschliches Gefuehl?  Gott sey bey
euch; nehmt mir mein Amt, und wenn ihr wollt, mein Leben dazu--O
ich unglueklicher Thor, dass ich erleben soll dass meine Ehrlichkeit
zum Verbrechen gemacht wird!  O Welt!  Welt!  Das ist dein Lauff;
ehrlich und aufrichtig, ist sein eigner Feind seyn.  Ich dank' euch
fuer diesen Unterricht; von nun will ich der Freundschaft gute Nacht
geben, und niemand mehr lieben als mich selbst.

Othello.
Nein, warte--Du solltest ehrlich seyn--

Jago.
Ich sollte klug seyn; Ehrlichkeit ist ein Narr, der jedermann gutes
thut, und nur sich selbst schadet.

Othello.
Bey allem was in der Welt ist, ich denke mein Weib ist unschuldig,
und denke sie ists nicht; ich denke du bist rechtschaffen, und
denke du bist's nicht; ich will Beweis haben.  Ihr Name, der so
frisch war wie Dianens Antliz, ist nun so schwarz als mein eignes.
Nein, wenn noch Strike, noch Dolche, noch Gift, Feuer oder Wasser
in der Welt sind, so will ich diese Pein nicht laenger ausstehen--
Ich wollt' ich waere meines Schiksals gewiss!

Jago.
Ich sehe, Gnaediger Herr, ihr werdet von eurer Leidenschaft
aufgerieben.  Es reut mich, dass ich Anlas dazu gegeben habe.  Ihr
wollt eures Schiksals gewiss seyn?

Othello.
Ja, das will ich.

Jago.
Und koennt; aber wie?  wie gewiss seyn, Gnaediger Herr?  wolltet ihr
ein Augenzeuge seyn--mit weitoffnen Augen zusehen?  Sehen wie sie--

Othello.
Tod und Verdammniss!  oh!

Jago.
Ich denk' es wuerde schwer halten, sie so vertraulich zu machen: Bey
solchen Spielen liebt man keine fremde Augen zu Zuschauern.  Was
dann?  Wie dann?  Was soll ich sagen?  Was nennt ihr Gewissheit?  Es
ist unmoeglich, dass ihr's mit Augen sehen koennt; und wenn sie so
unverschaemt waeren wie Geissen, so hizig wie die Wald-Teufels, und
so unbesonnen wie ein Dummkopf, den man mit Wein angefuellt hat.
Und doch sag ich, wenn Wahrscheinlichkeiten, wenn Umstaende die
geradeswegs bis vor die Thuere der Wahrheit fuehren, euch Gewissheit
geben koennen, so koennt' ihr sie haben.

Othello.
Gieb mir einen ueberfuehrenden Beweis, dass sie ungetreu ist.

Jago.
Ihr legt mir eine unangenehme Pflicht auf; aber da ich mich nun
einmal, aus unueberlegter Aufrichtigkeit und Freundschaft, so weit
in diese Sache eingelassen habe, so will ich weiter gehen.  Ich lag
lezthin mit Cassio in einem Bette; ein rasender Zahn machte dass ich
nicht schlafen konnte--Es giebt eine Art von Leuten, deren Seele so
schlapp ist, dass ihnen ihre geheimsten Gedanken im Schlaf entgehen.
Von dieser Art ist Cassio.  Er redte im Schlaf.  Liebste Desdemona,
hoert' ich ihn sagen, lass uns vorsichtig seyn.  Lass uns unser
Liebes-Verstaendniss dem schaerfsten Aug' unerforschlich machen!  Und
dann, gnaediger Herr, tappte er um sich, und druekte mir die Hand,
rief--O bezauberndes Geschoepf!  und kuesste mich dann nicht anders,
als ob er Kuesse, die auf meinen Lippen wuechsen, mit den Wurzeln
ausziehen wollte, legte dann sein Bein ueber meinen Schenkel, und
seufte und kuesste mich, und rief, verfluchtes Schiksal, das dich dem
Mohren gab!

Othello.
O Scheusal!  Scheusal!

Jago.
Nein, das war nur ein Traum.

Othello.
Aber ein Traum, der ganz deutlich anzeigt, was geschehen ist.

Jago.
Das ist ein verdammter Zweifel, ob es gleich nur ein Traum ist.  Es
kan doch immer dazu dienen, andre, an sich selbst zu schwache
Anzeigen zu verstaerken.

Othello.
Ich will sie von Glied zu Glied in Stueke reissen.

Jago.
Nicht so heftig!  Fasset euch; noch (sehen) wir nichts, sie kan
noch unschuldig seyn--Sagt mir nur das, habt ihr niemals ein
Schnupftuch, mit Erdbeeren ueberstikt, in eurer Gemahlin Hand
gesehen?

Othello.
Ich gab ihr so eines, es war mein erstes Geschenk.

Jago.
Davon weiss ich nichts; aber mit einem solchen Schnupftuch (und ich
bin gewiss, es war eurer Gemahlin ihres,) sah ich Cassio heute
seinen Bart wischen.

Othello.
Wenn's das nemliche waere--

Jago.
Es mag dieses oder ein anders seyn, so war es doch von ihr, und, zu
den andern Proben genommen, spricht es nicht zu ihrem Vortheil.

Othello.
O dass die Elende tausend Leben haette!  Eines ist zu wenig fuer meine
Rache.  Nun seh ich endlich--Schau, Jago, so blase ich alle meine
Liebe dem Himmel zu: Sie ist weg;--erhebe dich, schwarze Rache, aus
deiner unseligen Gruft!  und du, Liebe, tritt dem tyrannischen Hass
deinen Thron und deine Krone ab!  Wie mein Herz mir schwillt, als
ob es mit lauter Natter-Zungen angefuellt waere!

Jago.
Gebt euch noch zufrieden.

Othello.
O Blut, Blut, Blut!--

Jago.
Geduld, sag ich; ihr koennt vielleicht anders Sinnes werden.

Othello.
Niemals, Jago--niemals sollen meine blutige Gedanken, in ungestuemer
Fluth sich daherwaelzend, zu sanfter Liebe zuruek fliessen, bis eine
weite hinlaengliche Rache sie verschlungen haben wird--Das schwoer'
ich,

(er kniet,)

hoere Himmel das schrekliche, unwiederrufliche Geluebd!--Bey deiner
unzerstoerbaren Veste schwoer' ich Rache!

Jago (kniend.)
Stehet noch nicht auf--Seyd Zeugen, ihr ewigbrennenden Lampen dort
oben, und ihr Elemente, die uns rings umfassen; seyd Zeugen, dass
Jago hier alles was sein Verstand, seine Hand und sein Herz vermag,
zum Dienste des beleidigten Othello wiedmet!  Er befehle!  Und ich
will gehorchen, ohne Zaudern gehorchen, so blutig auch der Befehl
seyn mag!

Othello.
Ich bewillkomme deine Freundschaft nicht mit eiteln Danksagungen,
sondern mit gutwilliger Annahm; und im gleichen Augenblik will ich
dir sagen, wozu ich sie noethig habe.  In den naechsten dreyen Tagen,
lass mich von dir hoeren, dass Cassio nicht mehr ist.

Jago.
Mein Freund ist todt; ihr wollt es, es ist gethan.  Aber sie--sie
lasst leben!

Othello.
Verderben ueber sie, die unzuechtige Gleissnerin!  oh!  Verderben,
Verderben ueber sie!  Komm, geh mit mir auf die Seite, ich muss auf
irgend ein schnelles Mittel denken, den schoenen Teufel aus der Welt
zu schaffen.  Nunmehr bist du mein Lieutenant--

Jago.
Ich bin auf ewig der eurige.

(Sie gehen ab.)



Neunte Scene.
 (Ein andrer Theil des Pallasts.)
 (Desdemona, Aemilia, und Hans Wurst.)


Desdemona.
Guter Freund, wisst ihr, wo der Lieutenant Cassio ligt?

Hans Wurst.
Das unterstuehnd' ich mich wol nicht zu sagen, dass er irgendwo luege.

Desdemona.
Warum?

Hans Wurst.
Er ist ein Soldat; und wenn unser einer sagte, ein Soldat luege, das
waere Hals-Arbeit.

Desdemona.
Keine Possen!  Wo ist sein Quartier?

Hans Wurst.
Da wuerd' ich selbst luegen, wenn ich euch das sagen wollte.

Desdemona.
Auf diese Art werd' ich von dir keine Antwort kriegen.

Hans Wurst.
Ich weiss sein Quartier nicht; und wenn ich folglich ein Quartier
erdenken wollte, und sagen, er lige da, oder er lige da im Quartier,
so wuerd ich's in meinen Hals hinein luegen.

Desdemona.
Du kanst ihn doch erfragen?

Hans Wurst.
Ich will die ganze Welt catechisieren; ich will so lange nach ihm
fragen, bis mir jemand antwortet, wo er ist.

Desdemona.
Such ihn auf, und heiss ihn hieher kommen; sag ihm, ich habe meinen
Herrn auf gute Gedanken fuer ihn gebracht, und ich hoffe, es werde
alles gut gehen.

Hans Wurst.
Das ist endlich eine Verrichtung, die innert den Grenzen von eines
ehrlichen Kerls Wiz ligt; und also will ich sehen, ob ich damit zu
Stande kommen kan.

(Er geht.)

Desdemona.
Wo mag ich doch das Schnupftuch verlohren haben?

Aemilia.
Ich weiss es nicht, gnaedige Frau.

Desdemona.
Ich versichre dich, ich wollte lieber einen Beutel voll Crusado's
verlohren haben.  Wenn mein edler Mohr nicht zu vernuenftig und zu
grossmuethig gesinnt waere, um eifersuechtig zu seyn, so brauchte es
nicht mehr, um ihn auf schlimme Gedanken zu bringen.

Aemilia.
Ist er nicht eifersuechtig?

Desdemona.
Wer, er?  Ich denke, die Sonne, unter der er gebohren ward, zog
alle groben Duenste von dieser Art aus ihm.

Aemilia.
Seht, da kommt er.

Desdemona.
Ich will izt nicht von ihm ablassen, bis er den Cassio zu sich
ruffen laesst--Wie stehts mit euch, mein lieber Gemahl?



Zehnte Scene.
 (Othello zu den Vorigen.)


Othello.
Wohl, meine liebe Gemahlin--Himmel!  wie werd ich an mich halten
koennen!--wie gehts euch, Desdemona?  Gebt mir eure Hand; diese Hand
ist feucht, Madam.  Heiss, heiss, und feucht--eine solche Hand
erfordert Eingezogenheit; fasten und beten, viel Casteyung, und
geistliche Uebungen; denn es ist ein feuriger, schwizender Teufel
hier, der oft rebellisch wird; es ist eine gute Hand, eine
freygebige Hand.

Desdemona.
Ihr koennt in der That wohl so sagen; denn es war die Hand die mein
Herz weggab.

Othello.
Eine freygebige Hand.  In vorigen Zeiten gaben die Haende Herzen;
aber unsre neue Heraldik ist Haende ohne Herz.

{ed. * Eine satyrische Anspielung auf die vielen Baronets, welche Koenig
Jacob der Erste machte, und die unter andern Vorrechten eine rothe
Hand in einem silbernen Feld in den Wappen-Schild ihrer Vorfahren
bekamen.}

Desdemona.
Ich verstehe mich nichts hierauf; kommt, wir wollen nun von euerm
Versprechen reden.

Othello.
Was fuer ein Versprechen, mein Daeubchen?

Desdemona.
Ich habe zu Cassio geschikt, dass er kommen und mit euch reden solle.

Othello.
Ich bin mit einem beschwerlichen Schnuppen geplagt; leih mir dein
Schnupftuch!

Desdemona.
Hier, mein Gemahl.

Othello.
Das, so ihr von mir bekommen habt.

Desdemona.
Ich hab es nicht bey mir.

Othello.
Nicht?

Desdemona.
In der That, nicht.

Othello.
Das ist ein Fehler.  Das nemliche Schnupftuch hatte meine Mutter
von einer Zigaeunerin, die sich auf die Zauberey verstuhnd, und den
Leuten so gar sagen konnte, was sie dachten.  Sie sagte ihr, so
lange sie es behalten wuerde, wuerd' es sie liebenswuerdig und ihr das
Herz meines Vaters gaenzlich eigen machen; wenn sie es aber verloehre,
oder verschenkte, wuerde sie auf einmal allen Reiz in seinen Augen
verliehren, und ihm verhasst und unertraeglich werden.  Meine Mutter
gab mir's da sie starb und bat mich, wenn ich jemals heurathete, es
meinem Weibe zu geben.  Ich that es, und ich sag euch, habt Acht
darauf.--Bewahrt es, wie euern Augapfel: Es verliehren oder
weggeben, waer' ein Ungluek, dem kein anders zu vergleichen waere.

Desdemona.
Ists moeglich?

Othello.
Es ist wuerklich so; es ist etwas zauberisches in dem Gewebe davon.
Eine Fee, welche den Lauf der Sonne zweyhundert mal anfangen und
enden gesehen hatte, machte die Stikerey daran: Die Wuermer waren
geweyht, welche die Seide dazu spannen, und es wurde mit Mumien von
einbalsamierten Jungfern-Herzen gefaerbt.

Desdemona.
In der That!  Ist das wahr?

Othello.
Sehr wahr; ihr koennt also nur Sorge dazu tragen.

Desdemona.
Wenn es so ist, so wollt' ich zu Gott, ich haett' es nie gesehen!

Othello.
Ha!  Warum?

Desdemona.
Warum sprecht ihr so hastig und auffahrend?

Othello.
Ist's verlohren?  Ist's hin?  Sagt, ist es fort?

Desdemona.
Gott sey bey uns!--

Othello.
Was sagt ihr?

Desdemona.
Es ist nicht verlohren; aber gesezt, es waere verlohren?

Othello.
Ha!

Desdemona.
Ich sag, es ist nicht verlohren.

Othello.
Holt es, ich will es sehen.

Desdemona.
Gut, das kan ich, mein Herr; aber ich will izt nicht: Das ist ein
kleiner Streich, wodurch ihr mich von meiner Bitte abbringen wollt.
Ich bitte euch, lasst euer Haus dem Cassio wieder offen seyn.

Othello.
Holt mir das Schnupftuch--ich will nicht hoffen--

Desdemona.
Kommt, ihr werdet niemals einen bravern Mann an seinen Plaz
bekommen.

Othello.
Das Schnupftuch--

Desdemona.
Ein Mann, der bisher sein ganzes Gluek auf eure Freundschaft gebaut
hat; der Gefahren mit euch getheilt hat--

Othello.
Das Schnupftuch.

Desdemona.
Wahrhaftig, ihr seyd zu tadeln--

Othello.
Hinweg!--

(Er geht ab.)



Eilfte Scene.


Aemilia.
Wie?  Ich glaube der Mann ist eifersuechtig?

Desdemona.
So hab' ich ihn noch nie gesehen.  O ganz gewiss ist etwas
ausserordentliches in diesem Schnupftuch.  Ich bin hoechst
unglueklich es verlohren zu haben.

Aemilia.
Man lernt weder in einem noch in zweyen Jahren was ein Mann ist;
sie sind alle lauter Magen, und wir Arme sind ihr Futter; sie
schlingen uns gierig hinein; und wenn sie sich ueberfuellt haben, so
ruelpsen sie uns wieder aus.

{ed. * Dieses Gleichniss ist freylich unanstaendig genug; allein darum
bekuemmert unser Autor sich nicht; genug fuer ihn, dass es wahr ist.}

Seht, da kommt Cassio und mein Mann.

(Jago und Cassio treten auf.)

Jago.
Es ist kein andres Mittel uebrig; das muss sie thun--Wie glueklich!
hier ist sie schon; geht und bittet sie so sehr ihr koennt.

Desdemona.
Wie steht's, guter Cassio?  wie gehn eure Sachen?

Cassio.
Gnaedige Frau, ich habe noch immer meine vorige Bitte.  Auf eurer
Grossmuth beruht alle meine Hofnung zu meiner Wiederherstellung in
die Freundschaft euers Gemahls, den ich mit so gaenzlicher
Ergebenheit des Herzens ehre und liebe.  Ich moechte nicht noch
laenger aufgezogen werden.  Ist mein Vergehen so gross, dass weder
meine Reue noch meine ehmaligen Dienste, noch diejenigen die ich
kuenftig zu leisten wuensche, mich loskauffen und wieder in seine
Gunst einsezen koennen, so ist wenigstens das eine Wohlthat, wenn
ich weiss dass es so ist; damit ich in diesem Fall, in eine
erzwungene Zufriedenheit eingehuellt, einen andern Weg suchen kan,
um vom Allmosen des Glueks zu leben.

Desdemona.
Ach, mein lieber guter Cassio, meine Fuersprache ist dermalen sehr
unvermoegend; mein Gemahl ist nicht mein Gemahl; ich wuerde ihn nicht
mehr kennen, wenn er sich an Gestalt so sehr wie am Humor,
veraendert haette.  So stehe jeder gute Engel mir bey, wie ich nach
meinem aeussersten Vermoegen fuer euch gesprochen habe.  Aber alles
was ich durch meine Freymuethigkeit erhielt, war, dass ich mir seinen
Unwillen zuzog.  Ihr muesst euch noch ein wenig gedulden; was ich
thun kan, das will ich: Und ich will mehr als ich Herz haette fuer
mich selbst zu thun.  Lasst euch das genug seyn.

Jago.
Ist der General zornig?

Aemilia.
Er gieng nur erst von hier fort, und, versichert, er ist in einer
seltsamen Gemueths-Unruhe.

Jago.
Kan er zornig seyn?  Ich war dabey, wie die Canone seine Linien in
die Luft zerstiebte, und so schnell und gewaltsam wie der Teufel,
seinen Bruder unmittelbar an seiner Seite wegrafte; und kan er
zornig seyn?  So muss etwas wichtiges daran Ursache seyn; ich will
gehn und ihn aufsuchen; in der That, das bedeutet was, wenn er
zornig ist.

(Er geht ab.)



Zwoelfte Scene.
 (Desdemona, Aemilia und Cassio bleiben.)


Desdemona.
Ich bitte dich, thu das--Ganz gewiss muss etwas das den Staat betrift,
 entweder von Venedig, oder irgend ein unausgebruetetes Complot hier
in Cypern, wovon er die Entdekung gemacht hat, seinen sonst immer
heitern Geist verfinstert haben; und in solchen Faellen ist es die
Art der Menschen, dass sie ihren Unmuth an geringern Dingen
auslassen, wenn gleich grosse ihr Gegenstand sind.  Es ist nicht
anders.  Es darf uns nur ein Finger weh thun, so verbreitet sich
auch ueber unsre uebrigen gesunden Gliedmassen ein Gefuehl von Schmerz.
Nein, wir muessen denken, dass unsre Maenner keine Goetter sind; wir
koennen nicht von ihnen fordern, dass sie immer so zaertlich mit uns
umgehen, als sie vor der Hochzeit thun.  Schilt mich nur recht sehr
aus, Aemilia; ich unartiges Ding, ich war schon im Begriff seiner
Unfreundlichkeit in meinem Herzen den Process zu machen; aber nun
find' ich, dass meine Eigenliebe den Zeugen bestochen hat, und dass
er ungerechter Weise angeklagt worden ist.

Aemilia.
Gebe der Himmel, dass es Staats-Sachen seyen, wie ihr glaubt, und
keine eifersuechtige Grillen, die euch angehen.

Desdemona.
Das waere gar zu unglueklich!  Ich gab ihm niemals Ursache dazu.

Aemilia.
Eifersuechtige Gemuether lassen sich damit nicht beruhigen; sie sind
nicht allezeit eifersuechtig, weil sie eine Ursache dazu haben,
sondern oft nur, weil sie eifersuechtig sind.  Die Eifersucht ist
ein Ungeheuer, dass keinen andern Vater und keine andre Mutter hat
als sich selbst.

Desdemona.
Der Himmel bewahre Othello's Herz vor diesem Ungeheuer!

Aemilia.
Dazu sag ich Amen, Gnaedige Frau.

Desdemona.
Ich will sehen, wo er ist.  Cassio, entfernt euch nicht zu weit;
wenn ich ihn in einer bessern Laune finde, so will ich euer Anligen
wieder in Bewegung bringen, und das aeusserste versuchen, um
glueklich damit zu seyn.

Cassio.
Ich danke Eu.  Gnaden demuethig.

(Sie gehen auf verschiedenen Seiten ab.)



Dreyzehnte Scene.
 (Eine Strasse vor dem Pallast.)
 (Cassio, tritt wieder auf, und begegnet der Bianca.)


Bianca.
Guten Tag, Freund Cassio.

Cassio.
Was fuehrt euch hieher?  Wie steht's mit euch, meine schoenste
Bianca?  In der That, mein Herzchen, ich war im Begriff bey euch
anzusprechen.

Bianca.
Und ich war im Begriff euch einen Besuch in euerm Quartier
abzustatten, Cassio.  Wie?  eine ganze Woche wegbleiben?  Sieben
Tag' und Naechte?  Hundert und acht und sechszig Stunden?  Und eines
Liebhabers Abwesenheits-Stunden, die hundert und sechszig mal
langweiliger sind als der Stunden-Zeiger.  O!  eine verdriessliche
Rechnung!

Cassio.
Vergieb mir, Bianca; ich war diese Zeit ueber von bleyernen Gedanken
zu Boden gedruekt; aber ich werde in einer glueklichern Zeit diese
lange Rechnung von Abwesenheit zu tilgen wissen.  Liebste Bianca,
zeichne mir diesen Riss ab--

(Er giebt ihr Desdemonens Schnupftuch.)

Bianca.
O Cassio, woher habt ihr das?  Das hat mir die Mine von einem
Liebes-Pfand irgend einer neuern Freundin: Nun merk' ich die
Ursache deiner Abwesenheit die mir so schmerzlich war: Ist es dazu
gekommen?  Wohl, wohl!

Cassio.
Geh, Maedchen, und wirf deine haesslichen Muthmassungen dem Teufel in
die Zaehne, von dem du sie hast.  Du bildest dir also ein, das sey
ein Andenken von einer Liebste?  Nein, Bianca, in ganzem Ernst.

Bianca.
Wie, von wem ist es dann?

Cassio.
Das weiss ich selbst nicht; ich fand es in meinem Zimmer; die Arbeit
daran gefaellt mir ungemein, und eh man es wieder begehrt, (welches
vermuthlich geschehen wird) moecht' ich einen Abriss davon haben.
Nimm es, mein Herz, und zeichn' es ab, und lass mich izt allein.

Bianca.
Euch allein lassen?  Warum?

Cassio.
Ich warte hier auf den General, und denke, es wuerde mir eben keine
grosse Dienste bey ihm thun, wenn er mich beweibt sehen wuerde.

Bianca.
Wie ist das zu verstehen?

Cassio.
Nicht als liebt' ich euch nicht.

Bianca.
Sondern nur dass ihr mich nicht liebet.  Ich bitte euch, macht mir
das ein wenig deutlicher und sagt mir, ob ich euch diese Nacht
nicht sehen soll?

Cassio.
Wenigstens will ich euch sehen, sobald ich kan.

Bianca.
Nun wohl dann, ich muss es also drauf ankommen lassen.

(Sie gehen ab.)



Vierter Aufzug.



Erste Scene.
 (Eine Strasse vor dem Pallast.)
 (Othello und Jago treten auf.)


Jago.
Denkt ihr das?

Othello.
Ob ich's denke, Jago?

Jago.
Wie, einander heimlich kuessen?

Othello.
Unauthorisierte Kuesse?

Jago.
Oder auch nakend bey ihrem Freund im Bette zu ligen, eine, zwo und
mehr Stunden, ohne was boeses dabey zu meynen?  Das sollte nicht
moeglich seyn?

{ed. * Eine Anspielung auf die beruechtigte Keuschheits-Probe des
heiligen Robert von Arbrissel, der mitten zwischen zwoen schoenen
jungen Nonnen eine Probe machte, die mit einer Haesslichen gefaehrlich
waere.}

Othello.
Nakend im Bette, Jago, und nichts boeses dabey meynen?  Das heisst,
den Teufel zum Narren machen wollen: Leute, die mit tugendhaften
Absichten so etwas thun, die versucht der Teufel nicht; sie
versuchen den Himmel.

Jago.
Und doch, wenn sie nichts thun, so ist es nur eine laessliche Suende:
Aber wenn ich meinem Weib ein Schnupftuch gebe--

Othello.
Was dann?

Jago.
Was dann?  So gehoert's ihr zu, Gnaediger Herr; und da es ihr
zugehoert, so kan sie's, denk' ich, wieder einem andern geben.

Othello.
Ihre Ehre gehoert auch ihr zu; darf sie solche darum weggeben?

Jago.
Ihre Ehre ist ein unsichtbares Ding und es bleibt immer
problematisch ob man sie hat oder nicht hat; aber das Schnupftuch--

Othello.
Beym Himmel!  du erinnerst mich an etwas das ich so gern vergessen
haette; du sagtest--oh, es kommt ueber mein Gedaechtniss wie ein Ungluek-
weissagender Rabe ueber ein verpestetes Haus--er habe mein
Schnupftuch.

Jago.
Ja, und was ist's dann mehr?

Othello.
Es ist nur zuviel.

Jago.
Was waer' es denn, wenn ich sagte, ich habe mit meinen eignen Augen
gesehen, dass er euch beleidigt habe, oder ich hab' es von ihm
selbst gehoert, (wie es denn solche Schurken giebt, die, wenn sie
irgend ein Frauenzimmer, entweder durch ungestueme Verfolgungen oder
durch die freywillige Ergebung der Dame unter sich gebracht haben,
es unmoeglich von sich selbst erhalten koennen nicht zu plaudern.)

Othello.
Hat er dann etwas gesagt?

Jago.
Das hat er, Gnaediger Herr; aber dessen seyd versichert, nichts was
er nicht wieder laeugnen und verschwoeren wuerde.

Othello.
Was sagt' er denn?

Jago.
Was?  Er habe bey ihr--ich weiss nicht was gethan--

Othello.
Was denn, was denn?

Jago.
Gelegen.

Othello.
Bey ihr?

Jago.
Bey ihr, oder auf ihr--was ihr wollt--

Othello.
Bey ihr!  Auf ihr!  Bey ihr gelegen!  Das ist alles was man sagen
kan: Das Schnupftuch--Sein eigen Gestaendniss--Das Schnupftuch!  das
Schnupftuch!--Ich erschuettre vom blossen Gedanken--Ohne eine grosse
Ursache wuerde die Natur sich selbst in keinen solchen Schatten
einhuellen.  Es sind keine Worte, die mich so schuetteln--Nasen,
Ohren und Lippen--ist's moeglich!  Sein Gestaendniss!  Ihr Schnupftuch!
--O Teufel!

(Er wird ohnmaechtig.)

Jago.
Wuerke du nur wohl, meine Mixtur, wuerke!  So muss man leichtglaeubige
Narren fangen--manche rechtschaffne und keusche Frauen kommen, mit
aller ihrer Unschuld, gerad auf solche Art um ihren guten Namen.
Wie, he!  Gnaediger Herr!  Hoert ihr nicht?  Othello!  he!



Zweyte Scene.
 (Cassio tritt auf.)


Jago.
Wo kommt ihr her, Cassio?

Cassio.
Was giebt's hier?

Jago.
Der General ist von dem fallenden Weh ueberfallen worden; das ist
nun der zweyte Anstoss; er hatte gestern den ersten.

Cassio.
Reibt ihn um die Schlaefe.

Jago.
Nein, ruehrt ihn nicht an; man muss der Ohnmacht ihren ruhigen Gang
lassen; oder, er faengt an zu schaeumen, und bricht endlich voellig in
die wildeste Tobsucht aus: Seht, er ruehrt sich; entfernt euch ein
wenig, er wird gleich wieder zu sich selbst kommen; wenn er weg ist,
 so moecht' ich ueber eine Sache von grosser Wichtigkeit mit euch
sprechen koennen.

(Cassio geht ab.)

--Wie steht's mit euch, Gnaediger Herr?  Habt ihr den Kopf nicht
angeschlagen?

Othello.
Spottest du meiner noch?

Jago.
Ich spotte, beym Himmel!  nicht; aber ich wuenschte, dass ihr euer
Ungluek wie ein Mann trueget.

Othello.
Ein gehoernter Mann ist ein Ungeheuer; ein Unthier.

Jago.
Wenn das ist, so giebt es in volkreichen Staedten eine Menge
Ungeheuer, und dazu noch recht zahme und manierliche Ungeheuer.

Othello.
Er gestand's also selbst?

Jago.
Liebster General, seyd ein Mann!  denkt, es sind wenige baertige
Gesellen, die, wenn sie anders bejocht sind, nicht mit euch ziehen.
Millionen Maenner leben diesen Augenblik, die alle Nacht in einem
Bette ligen, das sie mit andern theilen; und die doch schwueren, dass
es ihnen eigen sey.  Euer Fall ist doch noch besser.  O, das ist
des Teufels groester Spass, eine unzuechtige Meze in ein sichres Ehe-
Bette zu legen, und sie fuer ein Tugendbild zu geben.  Nein, besser
ist's ich wisse's; wenn ich weiss, was ich bin, so weiss ich auch,
was sie seyn soll.

Othello.
O, du sprichst wie ein Orakel; das ist gewiss.

Jago.
Geht nur eine kleine Weile bey Seite, verbergt euch, und habt ein
wenig Geduld.  Waehrend dass ihr hier von euerm Schmerz so unmaennlich
ueberwaeltigt laget, kam Cassio hieher.  Ich erdachte gleich etwas,
um eurer Ohnmacht eine scheinbare Ursache zu geben, und schaffte
ihn wieder weg, bat ihn aber bald wieder zu kommen, weil ich mit
ihm zu reden haette.  Er versprach mir's.  Verbergt euch also nur
irgendwo, wo ihr ihn sehen koennt; und beobachtet das schelmische,
triumphierende Laecheln, die hoenische Zuege, die sichtbare
Leichtfertigkeit, die sein Geheimniss in seinem ganzen Gesicht
verrathen.  Denn er soll mir seine Erzaehlung wieder von vorn
anfangen; wo, wie, wie oft, seit wie lange, und wenn er mit eurer
Frau handgemein worden ist, und es noch ferner werden will; ich
sage, gebt nur auf seine Mine Acht--O zum Henker, Geduld, oder ich
muss endlich glauben, ihr seyd ueber und ueber lauter Galle, und habt
nicht das mindeste von einem Mann.

Othello.
Hoerst du, Jago!  Ich will dir zeigen, dass ich so lange geduldig
scheinen kan, als es noethig ist; aber eine blutige Rache soll mich
davor schadlos halten.

Jago.
Es laesst sich hoeren; aber nur alles zu rechter Zeit.  Wollt ihr bey
Seite gehen?

(Othello verbirgt sich.)
(--Jago, ohne dass ihn Othello hoeren kan, faehrt fort:)

Nun will ich den Cassio nach seiner Bianca fragen, einem Weibsbild,
das seine Reizungen verkauft, um sich Brod und Kleider davor
anzuschaffen.  Die Naerrin ist sterblich in Cassio verliebt, und zur
Straffe davor, dass sie schon so viele betrogen hat, wird sie izt
von ihm betrogen; denn er kan sich, wenn er nur von ihr reden hoert,
des ueberlauten Lachens nicht verwehren.--Da kommt er.



Dritte Scene.
 (Cassio (zu Jago.)


Jago.
Je mehr er lachen wird, je mehr wird Othello rasen; sein Laecheln,
seine Gebehrden, seine leichtsinnigen Manieren, seine kleinsten
Bewegungen, werden durch die Auslegung, die der eifersuechtige Mohr
davon macht, zu Verraethern an ihm werden Nun, wie geht's euch,
Lieutenant?

Cassio.
Desto schlimmer, weil ihr mir einen Charakter beylegt, dessen
Beraubung mir das Leben zur Quaal macht.

Jago.
Macht euch nur recht lebhaft an Desdemona, so kan's euch nicht
fehlen.  (leiser.)
Gelt, wenn Bianca die Gewalt dazu haette, wie schnell wuerdet ihr
wieder hergestellt seyn.

Cassio (lachend.)
Wie kommt ihr auf diese arme Naerrin?

Othello (vor sich.)
Seht, wie er schon lacht.

Jago.
In meinem Leben hab' ich kein Weibsbild so verliebt in einen Mann
gesehen.

Cassio.
Der arme Tropf, ich denke, in der That, sie ist in mich verliebt.

Othello (vor sich.)
Izt laeugnet er's so ganz kaltsinnig, und lacht hinten nach.

Jago.
Hoert ihr, Cassio?

Othello (vor sich)
Izt sezt er ihm zu, es ihm zu gestehen: Gut, gut, nur weiter!

Jago.
Sie giebt aus, ihr wollt sie heurathen.  Ist das eure Absicht?

Cassio.
Ha, ha, ha!

Othello.
Triumphierest du, Schurke?  Triumphierest du?

Cassio.
Ich, sie heurathen?--Eine barmherzige Schwester?  Ich bitte dich,
erweise meiner Vernunft so viel Christliche Liebe, und glaube etwas
bessers von ihr.  Ha, ha, ha!

Othello (vor sich.)
So, so: Wer gewinnt, hat gut lachen.

Jago.
In der That, die Rede geht, ihr werdet sie heurathen.

Cassio.
Ich bitte dich, redst du im Ernst?

Jago.
Ich will ein Schelm seyn, wenn es anderst ist.

Othello (vor sich.)
Hast du mein Mass genommen?  Nun, wohl dann!

Cassio.
Wenn das ist, so kommt es von dem Affen selbst.  Sie hat sich's in
den Kopf gesezt, dass ich sie heurathen werde, und das bloss, weil
sie es wuenscht, und nicht, weil ich ihr's versprochen haette.

Othello.
Izt faengt er die Historie an--

Cassio.
Sie war erst kuerzlich hier; sie spuekt mir nach, wo ich hingehe.
Ich war neulich am Ufer, und sprach mit etlichen Venetianerinnen,
da kommt die Naerrin, und faellt mir so zaertlich um den Hals--

Othello (bey Seite.)
Und ruft, o du allerliebstes Cassio, oder so was; seine Gebehrden
sagen das.

Cassio.
Haengt sich so an, und herzt und kuesst mich, und weint auf mich, und
schuettelt und druekt mich, so abscheulich zaertlich--Ha, ha, ha!--

Othello.
Izt erzaehlt er, wie sie ihn in mein Schlafzimmer gezogen habe: O,
ich sehe deine aufgestuelpte Nase vor mir, aber ich seh' den Hund
nicht, dem ich sie vorwerfen will.

Cassio.
Gut, ich kan mich nicht laenger hier aufhalten.

Jago.
Wie es euch beliebt--Aber da kommt sie ja selbst.



Vierte Scene.
 (Bianca zu den Vorigen.)


Cassio.
Was das fuer eine Meer-Kaze ist!  Zum Henker, und sie riecht noch
dazu nach Biesam:--Was soll denn das bedeuten, dass ihr mir so
nachlauft?

Bianca.
Das mag der Teufel und seine Grossmutter thun!  Sagt mir einmal, was
wolltet ihr mit dem Schnupftuch, das ihr mir vorhin gegeben habt?
Ich war wol eine grosse Naerrin, dass ich's annahm: Ich sollte die
Arbeit absehen?  Ein feines Stuek Arbeit, dass ihr in euerm
Schlafzimmer gefunden habt, und wisst nicht, wer es da verlohren
haben mag.  Ich will nicht ehrlich seyn, wenn es nicht ein Geschenk
von irgend einer ehrsamen Matrone ist; und ich soll die Arbeit dran
absehen?  Da, gebt es euerm Steken-Pferde: Woher ihr's auch haben
moegt, ich will nichts daran absehen, ich.

Cassio.
Nun, nun, meine schoene Bianca, sachte, sachte!

Othello (bey Seite.)
Beym Himmel, das wird wohl mein Schnupftuch seyn.

Bianca.
Wenn ihr heute zu mir zum Nachtessen kommen wollt, so koennt ihr; wo
nicht, so kommt nicht eher als bis man Anstalten auf euch gemacht
hat.

(Sie geht ab.)

Jago.
Lauft ihr nach, lauft ihr nach.

Cassio.
Das muss ich, sonst fangt sie auf der Strasse einen Lermen an.

Jago.
Wollt ihr bey ihr zu Nacht essen?

Cassio.
Ja, ich hab es im Sinn.

Jago.
Gut, vielleicht seh ich euch dort; denn ich moechte sehr gern mit
euch reden.

Cassio.
Ich bitt euch, kommt; wollt ihr--

Jago.
Verlasst euch darauf--

(Cassio geht ab.)



Fuenfte Scene.
 (Othello und Jago.)


Othello.
Was fuer eine Todesart soll ich ihm anthun, Jago?

Jago.
Habt ihr gesehen, wie lustig er sich mit seinem Verbrechen machte?

Othello.
Oh, Jago!

Jago.
Und saht ihr das Schnupftuch?

Othello.
War's das meinige?

Jago.
Das eurige, auf meine Ehre!  und habt ihr gesehen, wie viel er sich
aus dem einfaeltigen Geschoepf, eurer Frau, macht?--Sie gab es ihm
und er verschenkt es an seine Hure!

Othello.
Ich wollt, ich koennte neun Jahre lang an ihm morden--eine so artige
Frau!  Eine so schoene Frau!  Eine so anmuthsvolle Frau!

Jago.
Nein, das muesst ihr nun vergessen!

Othello.
O, lass sie verfaulen, verdorren und zur Hoelle fahren, eh es wieder
Tag wird!  leben soll sie nicht!  Nein, mein Herz ist zu Stein
worden: ich schlage drauf, und die Hand schmerzt mich davon--O, die
ganze Welt hat keine reizendere Creatur!  Sie haette an eines
Kaysers Seite ligen koennen, er wuerd' ihr Sclave gewesen seyn!

Jago.
Nicht doch; das sind Gedanken, die gar nicht zur Sache taugen.

Othello.
An den Galgen mit ihr, ich sage nur was sie ist--eine so feine
Arbeiterin mit der Nadel--eine vortrefliche Musicantin--Oh, sie
wuerde die Wildheit aus einem Baeren heraus singen so belebt, so
wizig!  So voller Geist!

Jago.
Desto schlimmer ist sie um das alles.

Othello.
O, tausend, tausendmal: Und dann von so einnehmender Gestalt!--

Jago.
Nur gar zu einnehmend.

Othello.
Ja, das ist wahr.  Aber doch ist es erbaermlich, Jago--oh, Jago, es
ist erbaermlich!--

Jago.
Wenn ihr so zaertlich gegen ihre Bosheiten seyd, so gebt ihr ein
Patent, dass sie euch beleidigen darf wie sie will; wenn ihr
gleichgueltig dabey seyd, so hat sich niemand darum zu bekuemmern.

Othello.
Ich will sie in kleine Stuekchen haken: Mich zum Hahnrey zu machen!

Jago.
Es ist garstig an ihr!

Othello.
Mit meinem Lieutenant!

Jago.
Das ist noch garstiger!

Othello.
Verschaffe mir eine Dose Gift bis auf die Nacht, Jago; ich will
keinen Wortwechsel mit ihr haben--ich darf meine Standhaftigkeit
nicht an ihre Reizungen wagen--Diese Nacht, Jago--

Jago.
Aber nicht durch Gift; erdrosselt sie in ihrem Bette, in dem Bette,
das sie entweiht hat.

Othello.
Gut, gut; dieses Mittel gefaellt mir, weil es gerecht ist--

Jago.
Und was den Cassio betrift, den ueberlasst mir; bis Mitternacht sollt
ihr mehr hoeren.

(Eine Trompete hinter der Scene.)

Othello.
Vortrefflich!  Wie?  Was bedeutet diese Trompete?

Jago.
Vermuthlich etwas von Venedig--Es ist Lodovico, vom Herzog
abgeschikt: Au, seht, eure Gemahlin ist schon bey ihm.



Sechste Scene.
 (Lodovico, Desdemona, und Gefolge treten auf.)


Lodovico.
Seyd mir gegruesst, wuerdiger General.

Othello.
Ich erwiedre den Wunsch von ganzem Herzen, mein Herr.

Lodovico.
Der Herzog und die Senatoren von Venedig gruessen euch.

(Er ueberreicht ihm ein Schreiben.)

Othello.
Ich kuesse die Urkunde ihrer Befehle.

Desdemona.
Und was giebt es neues, mein lieber Vetter Lodovico?

Jago.
Ich bin sehr erfreut euch zu sehen, mein Herr; willkommen in Cypern.

Lodovico.
Ich danke euch; was macht der Lieutenant Cassio?

Jago.
Er lebt, mein Herr.

Desdemona.
Vetter, es ist zwischen meinem Gemahl und ihm zu einem
unfreundlichen Bruch gekommen; aber ihr werdet alles wieder gut
machen.

Othello (vor sich.)
Seyd ihr dessen so gewiss?

Desdemona.
Mein Gemahl?

Othello (liesst.)
"Ermangelt nicht, dieses zu befolgen, so lieb euch--"

Lodovico (zu Desdemona.)
Er rief euch nicht; er ist in seinem Schreiben vertieft.  Ist ein
Missverstaendnis zwischen dem General und Cassio?

Desdemona.
Ein sehr ungluekliches; ich wollte gern alles thun, sie wieder zu
vereinigen, so lieb ist mir Cassio.

Othello.
Feuer und Schwefel!  (vor sich.)

Desdemona.
Mein Gemahl!

Othello.
Seyd ihr bey Verstand?

Desdemona (zu Lodovico.)
Wie, ist er zornig?

Lodovico.
Vielleicht hat ihn das Schreiben in einige Bewegung gebracht.  Denn,
wie ich vermuthe, so beruffen sie ihn nach Hause, und befehlen ihm,
sein Gouvernement dem Cassio zu ueberlassen.

Desdemona.
Glaubt mir, es erfreut mich.

Othello.
In der That!  (vor sich.)

Desdemona.
Mein Gemahl!

Othello.
Ich bin erfreut, dich toll zu sehen.  (vor sich.)

Desdemona.
Wie, mein liebster Othello?

Othello (nach ihr schlagend.)
Teufel!--

Desdemona.
Das hab' ich nicht verdient.

Lodovico.
Mein Herr, in Venedig wuerde das niemand glauben, wenn ich gleich
schwuere, dass ichs gesehen habe.  Es ist sehr viel; bittet ihr's ab;
sie weint.

Othello.
O Teufel!  Teufel!  Koennte die Erde von Weiberthraenen geschwaengert
werden, jeder Tropfe, den sie weint, wuerde ein Crocodil werden: Aus
meinem Gesicht--

Desdemona (indem sie gehen will.)
Ich will gehen, wenn euch mein Anblik so zuwieder ist.

Lodovico.
Wahrhaftig, eine gehorsame Frau--ich bitte Euer Gnaden, ruffet sie
zuruek.

Othello.
Madam--

Desdemona.
Mein Gemahl--

Othello.
Was wollt ihr mit ihr, mein Herr?

Lodovico.
Wer, ich, mein Herr?

Othello.
Ja; ihr wolltet ja, ich sollte machen, dass sie sich wieder umdrehe.
Herr, sie kan sich drehen, und drehen, und doch weiter kommen; sie
ist eine Meisterin darinn.  Und sie kan auch weinen, Herr, weinen;
und sie ist gehorsam; wie ihr sagtet, gehorsam; sehr gehorsam--
weint ihr nur fort--Was das anbetrift, mein Herr--O die
Leidenschaften spielt sie vortreflich!--Ich bin zuruekberuffen--

(zu Desdemona.)
Pakt ihr euch fort, ich will gleich wieder nach euch schiken--Mein
Herr, ich gehorche dem Oberherrlichen Befehl, und will nach Venedig
zuruek kehren--Weg, pake dich!--

(Desdemona geht ab.)

--Cassio soll meinen Plaz haben.  Und ihr, mein Herr, werdet mir
die Ehre erweisen, heute mit mir zu Nacht zu essen.  Ihr seyd
willkommen in Cypern--

(vor sich.)
Geissen, und Affen!

{ed. * [Sind diese Venetianer,] denkt er hinzu.}

(Er geht ab.)



Siebende Scene.
 (Lodovico und Jago bleiben zuruek.)


Lodovico.
Ist diss der edle Mohr, den unser ganzer Senat sein Alles und Alles
nennt?  Ist diss das Gemueth, dessen standhafte Tugend keine
Leidenschaft, kein Gluek, kein Zufall erschuettern kan?

Jago.
Er hat sich sehr veraendert.

Lodovico.
Ist er recht bey Sinnen?  Leidet er etwann am Gehirn?

Jago.
Er ist was er ist; ich mag nicht sagen, was ich denke.  Ich wollte
zu Gott, er waere, was er seyn koennte, wenn er nicht ist, was er
sollte.

Lodovico.
Wie, seine Gemahlin schlagen!

Jago.
In der That, es war nicht fein; und doch wuenscht' ich, ich wisste,
dass dieser Streich das aergste waere.

Lodovico.
Ist er gemeiniglich so?  oder wuerkte das Schreiben so stark auf
sein Blut, dass er zum ersten mal sich selbst so ungleich war?

Jago.
Es ist eine schlimme Sache, leider!  Es waere nicht anstaendig, wenn
ich sagen wollte, was ich gesehen und gehoert habe.  Ihr werdet ihn
durch euch selbst kennen lernen, und sein eignes Betragen wird ihn
so charakterisieren, dass ich meine Worte sparen kan.  Geht ihm nur
nach, und seht, wie er fortfahren wird.

(Sie gehen ab.)



Achte Scene.
 (Verwandelt sich in einen Saal im Pallast.)
 (Othello und Aemilia treten auf.)


Othello.
Ihr habt also nichts gesehen?

Aemilia.
Noch jemals was solches gehoert, oder nur gemuthmasset.

Othello.
Ihr habt doch den Cassio und sie beysammen gesehen?

Aemilia.
Aber da sah ich nichts boeses, und ich hoerte eine jede Sylbe, die
sie mit einander redeten.

Othello.
Wie, fluesterten sie niemals zusammen?

Aemilia.
Niemals, Gnaediger Herr.

Othello.
Und schikten sie euch niemals fort?

Aemilia.
Niemals.

Othello.
Etwann ihren Faecher, ihre Handschuhe, ihre Maske, oder so was zu
holen?

Aemilia.
Niemals, Gnaediger Herr.

Othello.
Das ist seltsam!

Aemilia.
Ich duerfte meine Seele an einem Pfahl wetten, Gnaediger Herr, dass
sie ehrlich ist: Wenn ihr anders denkt, so verbannet diesen
Gedanken, er betruegt euer Herz.  Der Himmel vergelt' es dem Elenden,
der es euch in den Kopf gesezt haben mag, mit dem Fluch der
Schlange!  Wahrhaftig, wenn sie nicht tugendhaft, keusch und getreu
ist, so giebt's keinen glueklichen Mann auf Erden; so ist die
reinste ihrer Weiber so haesslich als Laesterung.

Othello.
Geh, ruffe sie hieher.

(Aemilia geht ab.)

Sie sagt genug; allein sie ist eine einfaeltige Kupplerin, die nicht
mehr sagen kan--Das ist eine verschmizte Hure, die ihre garstigen
Geheimnisse behutsam zu verriegeln weiss--und doch kniet sie euch in
ihrem Zimmer hin, und betet: Das hab' ich selbst gesehen.



Neunte Scene.
 (Desdemona und Aemilia treten auf.)


Desdemona.
Was ist euer Wille, mein Gemahl?

Othello.
Kommt naeher, Huehnchen, wenn ich bitten darf.

Desdemona.
Was beliebt euch?

Othello.
Lasst mich eure Augen sehen; seht mir in's Gesicht.

Desdemona.
Was fuer eine entsezliche Einbildung kommt euch an?

Othello (Zu Aemilia.)
Ein Stuek von euerm Amt, Madam; lasst die handelnden Personen allein,
und schliesst die Thuere zu; hustet, oder ruft wenn jemand kommt.
Euer Geheimniss, euer Geheimniss--nein, macht euch fort.

(Aemilia geht ab.)

Desdemona.
Auf meinen Knien, was wollen diese Reden sagen?  Ich sehe wol, dass
etwas Entsezliches in euern Worten ist, aber ich verstehe sie
dennoch nicht.

Othello.
Wie?  Was bist du?

Desdemona.
Euer Weib, mein Herr; euer getreues, redliches Weib.

Othello.
Komm, schwoer mir das; sprich dir dein Urtheil selbst; sonst moechten,
 da du einem himmlischen Wesen so aehnlich bist, die Teufel sich
scheuen Hand an dich zu legen.  Zieh dir also eine zweyfache
Verdammniss zu; schwoere, du seyest ehrlich.

Desdemona.
Der Himmel weiss es.

Othello.
Der Himmel weiss, dass du falsch wie die Hoelle bist.

Desdemona.
An wem, mein Gemahl?  Mit wem?  Wie bin ich falsch?

Othello (Er weint.)
Ach, Desdemona!  Weg, weg, weg!--

Desdemona.
O des ungluekseligen Tags!  Warum weint ihr?  Bin ich die Beweg-
Ursach dieser Thraenen, mein liebster Mann?--Wenn ihr vielleicht
meinen Vater in Verdacht habt, dass er an eurer Zuruekberuffung
Schuld habe, so lasst es doch mich nicht entgelten; wenn ihr ihn
verlohren habt, so hab' ich ihn ja auch verlohren.

Othello.
Haett' es dem Himmel gefallen, mich durch Truebsale zu pruefen, haett'
er alle Arten von Schmerzen und Demuethigungen auf mein naktes Haupt
regnen, mich bis an die Lippen in Armuth versinken, mich ohne
Hoffnung der Befreyung in Sclaverey gerathen lassen; so wuerd' ich
noch in irgend einem Winkel meiner Seele einen Tropfen Geduld
gefunden haben.  Aber, ach!  mich zu einem festen Ziel fuer den
unbeweglichen Finger der spottenden Verachtung zu machen--und doch
auch das, auch das wollt' ich noch ertragen koennen.  Aber da,

{ed. * Man hat hier, einem herrschenden, obgleich an sich vielleicht
ungerechten Vorurtheil zu gefallen, von dem buchstaeblichen Sinn des
Originals ein wenig abweichen muessen.}

wo die Ruhe, der Trost, die Wonne meines Lebens lag, aus deinem Herzen
vertrieben zu seyn, oder es als eine Cisterne, worinn unflaetige
Kroeten zuegeln, zu besizen: Hebe dich weg, Geduld, du junger,
rosenwangichter Cherubin,--Da seh' ich grimmig wie die Hoelle aus.

Desdemona.
Ich hoffe, mein edelmuethiger Mann kennt mich genugsam, mich fuer
unschuldig zu halten.

Othello.
O, ja, wie Sommerfliegen in Schlachthaeusern, die von einem
anwehenden Lueftchen lebendig werden.  O du giftiges Unkraut, warum
bist du so lieblich anzusehen?  Du riechst so gut, dass einem der
Kopf davon weh thut.  Ich wollte, du waerest nie gebohren worden!

Desdemona.
Himmel!  was fuer eine Suende kan ich unwissender Weise begangen
haben?

Othello.
Wie, du fragst noch?  Du fragst was du begangen habest?  Begangen?--
O du Nichtswuerdige, ich wuerde meine Wangen zu Feuer-Essen machen,
wo die Zucht zu Asche verbrennen muesste, wenn ich deine Thaten
nennen wollte.  Wie?  was du begangen hast?  Der Himmel stopft sich
die Nase davor zu, und der Mond die Augen; der buhlerische Wind
sogar, der alles kuesst was ihm vorkommt, hat sich in die holen Minen
der Erde verkrochen, und will es nicht anhoeren.  Was du begangen
hast?--Unverschaemte Meze!

Desdemona.
Beym Himmel!  ihr thut mir Unrecht.

Othello.
Du bist keine Meze?

Desdemona.
Nein, so wahr ich eine Christin bin.  Wenn ein Weib, die sich fuer
ihren Mann allein, und von jeder fremden, unkeuschen, unerlaubten
Beruehrung rein bewahrt hat, keine Meze ist, so bin ich keine.

Othello.
Wie, auch keine Hure?

Desdemona.
Nein, so wahr ich selig zu werden wuensche!

Othello.
Ists moeglich?

Desdemona.
O Himmel, sey uns gnaedig!

Othello.
So bitt' ich also um Vergebung.  Ich sah euch fuer diese abgefeimte
Hure von Venedig an, die den Othello heurathete--



Zehnte Scene.
 (Aemilia zu den Vorigen.)


Othello.
Ihr, Frau Gelegenheits-Macherin,--Ihr, ihr, ja ihr!  Wir haben
unsre Sachen gemacht.  Hier ist Geld fuer eure Muehe; ich bitte euch,
dreht den Schluessel, und behaltet unser Geheimniss fuer euch.

(Er geht ab.)

Aemilia.
Um's Himmels willen, was macht der Herr sich vor Gedanken!--Wie
befindet sich Eu.  Gnaden?  Wie steht's um meine liebste Gnaedige
Frau?

Desdemona (allein.)
Es ist billig, dass mir so mitgespielt wird, sehr billig; wie hab
ich mich denn aufgefuehrt, dass er nur den Schatten eines Grundes zum
allerkleinsten Misstrauen gefunden haben soll?--



Eilfte Scene.
 (Jago und Aemilia zu Desdemona.)


Jago.
Was ist zu Eu.  Gnaden Befehl?  Wie steht's?

Desdemona.
Das kan ich nicht sagen; diejenigen, die eure Kinder ziehen, thun
es mit Freundlichkeit, und legen ihnen nicht zuviel auf; er haette
mich ja mit Sanftmuth ausschelten koennen: Denn, die Wahrheit zu
sagen, ich bin wie ein Kind wenn ich ausgescholten werde.

Jago.
Wovon ist die Rede, Gnaedige Frau?

Aemilia.
Ach, Jago, der Gnaedige Herr hat sie so behurt, ihr so schmaehlich
begegnet, so garstige Namen ueber sie ausgegossen, dass ein ehrliches
Herz es nicht ertragen kan.

Desdemona.
Verdien' ich einen solchen Namen, Jago?

Jago.
Was fuer einen Namen, Gnaedige Frau?

Desdemona.
Den, so sie sagte, dass mir mein Mann gegeben habe.

Aemilia.
Er nannte sie eine Hure; ein betrunkner Bettler wuerde sich schaemen,
seinem Menschen einen solchen Namen zu geben.

Jago.
Warum that er das?

Desdemona.
Das weiss ich nicht; was ich weiss, ist, dass ich nichts solches bin.

Jago.
Weinet nicht, weinet nicht; das ist ein leidiger Handel!

Aemilia.
Hat sie so viele grosse Partheyen ausgeschlagen--Hat sie ihren
Vater, ihr Vaterland, ihre Freunde aufgeopfert--um eine Hure
geheissen zu werden?  Sollte das einen nicht weinen machen?

Desdemona.
Das ist nun mein Schiksal.

Jago.
Ihr muesst es nicht von ihm leiden.  Wie ueberfiel ihn denn dieser
Anstoss?

Desdemona.
Das weiss der Himmel.

Aemilia.
Ich will mich haengen lassen, wenn nicht irgend ein hoellischer Bube,
irgend ein geschaeftiger, raubsuechtiger Schurke, irgend ein glatter,
lekender, Schlangen-zuengigter Sclave, um sich ein Verdienst bey ihm
zu machen, sie bey ihm verlaestert hat; ich will mich haengen lassen,
wenn es anders ist.

Jago.
Fy, es lebt kein solcher Mann, es ist unmoeglich.

Desdemona.
Wenn ein solcher Mann ist, so vergeb ihm der Himmel!

Aemilia.
Ein Strik vergeb ihm!  Und der Teufel nag' ihm seine verdammten
Knochen ab!  Warum soll er sie eine Hure heissen?  Wer soll denn
ihr Buhler seyn?  Wo?  wann?  wie?  Wo ist auch nur eine
Wahrscheinlichkeit davon?  Der Mohr ist durch irgend einen
galgenbuebischen Schurken, irgend einen elenden nichtswuerdigen
Erzlotterbuben belogen worden.  O Himmel, dass du doch solche
Gesellen an's Taglicht ziehen, und in jede ehrliche Hand eine
Geisel steken moechtest, um den Raker nakend durch die ganze Welt zu
peitschen, von einem Ende der Welt bis zum andern!

Jago.
Schreyt nur nicht so laut.

Aemilia.
O fy, die garstigen Kerls!  Gerad ein solcher Schuft wars, der euch
einst den Kopf auf die unrechte Seite stellte, und euch weis machte,
 dass ich mit dem Mohren in heimlichem Verstaendniss sey.

Jago.
Du bist nicht klug; geh, geh.

Desdemona.
Ach, Jago, sage mir, was soll ich thun um meinen Gemahl wieder zu
gewinnen?  Mein guter Freund, geh, rede du mit ihm; bey diesem
Licht des Himmels, ich weiss nicht, wie ich sein Herz verlohren habe.
Hier knie ich;

(sie kniet.)

Wenn jemals mein Wille in Worten, Gedanken oder in wuerklicher That
sich gegen seine Pflicht aufgelehnt hat; oder wenn jemals meine
Augen, meine Ohren oder irgend einer meiner Sinne sich an einem
andern Gegenstand ergoezt haben; oder wenn ich ihn nicht immer liebe,
geliebt habe, und sollt' er mich auch als eine Bettlerin von sich
verstossen, aufs zaertlichste lieben werde, so komme kein Trost in
meine Seele!  Unzaertlichkeit kan viel thun, sie kan mich ums Leben
bringen, aber meine Liebe kan sie nicht vermindern.  Ich kan nicht
sagen, Hure; es graut mir, da ich izt das Wort ausgesprochen habe;
aber das zu thun, was er bezeichnet, koennte mich die Welt mit ihrer
ganzen Masse von Eitelkeit nicht bewegen.

Jago.
Ich bitte euch, gebt euch zufrieden; es ist nur eine Laune von ihm;
die Staats-Angelegenheiten gehen ihm im Kopf herum, er ist
missvergnuegt darueber, und da muss nun sein Unmuth ueber euch
ausbrechen.

Desdemona.
Wenn es nur dieses waere--

Jago.
Es ist nichts anders, ich stehe dafuer.  (Trompeten.)
Horcht, diese Trompeten ruffen zum Nacht-Essen.  Der Abgeordnete
von Venedig bleibt bey der Tafel; geht hinein und weint nicht; es
wird alles wieder gut werden.

(Desdemona und Aemilia gehen ab.)



Zwoelfte Scene.
 (Rodrigo (zu Jago.)


Jago.
Ha, wo kommt ihr her, Rodrigo?

Rodrigo.
Ich finde nicht, dass du ehrlich mit mir zu Werke gehst.

Jago.
Wie findt ihr das?

Rodrigo.
Jeden Tag machst du mir irgend einen Dunst vor die Augen, Jago; und
ich fange endlich an zu sehen, dass du, anstatt mich nur um einen
Schritt meinen Hoffnungen naeher gebracht zu haben, mich weiter
zuruekgesezt hast, als ich jemals war.  Ich will es nicht laenger
dulden; und bin auch gar nicht der Meynung so ruhig einzusteken,
was ich naerrischer Weise bereits gelitten habe.

Jago.
Wollt ihr mich anhoeren, Rodrigo?

Rodrigo.
Meiner Treue, ich habe nur zuviel angehoert; eure Worte und eure
Thaten haben gar keine Gemeinschaft mit einander.

Jago.
Ihr beschuldiget mich mit groestem Unrecht.

Rodrigo.
Ich sage die lautre Wahrheit: Ihr habt mich um mein ganzes Vermoegen
gebracht.  Die Juwelen, die ihr von mir bekommen habt, um sie
Desdemonen zu ueberliefern, haetten eine Vestalin verfuehren sollen.
Ihr sagtet mir, sie habe sie empfangen, und brachtet mir die
troestlichsten Versicherungen von ihrer guten Wuerkung; aber ich
finde keine.

Jago.
Gut, nur weiter; sehr gut.

Rodrigo.
Sehr gut, nur weiter; ich kan nicht weiter, Herr, und es ist nicht
sehr gut; nein, ich denke, es ist boshaft, und ich fange an zu
merken, dass man mich nur am Narren-Seil herumfuehrt.

Jago.
Sehr gut.

Rodrigo.
Ich sag euch, es ist nicht sehr gut.  Ich will mich Desdemonen
selbst entdeken; wenn sie mir meine Juwelen wieder geben will, so
will ich klug seyn und ihr mit meiner Bewerbung nicht mehr
beschwerlich fallen: Wo nicht, so versichr' ich euch, ich will
meine Schadloshaltung an euch suchen.

Jago.
Ihr habt nun geredt--

Rodrigo.
Ja, und nichts, als was ich, meiner Seel!  zu thun im Sinn habe.

Jago.
Wie, nun seh ich doch dass du Feuer im Leibe hast; und von diesem
Augenblik an hab' ich eine groessere Meynung von dir als jemals.
Gieb mir deine Hand, Rodrigo; du hast alle Ursache gehabt, mir
Vorwuerfe zu machen, aber ich schwoere dir, dass ich in der ganzen
Sache redlich an dir gewesen bin.

Rodrigo.
Es hat sich nicht gezeigt.

Jago.
Ich muss es gestehen, in der That, euer Argwohn ist nicht ohne
Wahrscheinlichkeit.  Aber, Rodrigo, wenn du das hast, was ich dir
izt mit besserm Grund als jemals zutraue, (ich meyne,
Standhaftigkeit, Herz und Tapferkeit,) so zeig es diese Nacht.
Wenn du in der naechstfolgenden Nacht nicht bey Desdemonen ligen
wirst, so halte mich fuer einen Verraether, und schaffe mich aus der
Welt wie du willst.

Rodrigo.
Gut, was ist es?  Ist es etwas, das sich vernuenftiger Weise
unternehmen laesst?

Jago.
Wisset, mein Herr, dass eine Special-Commission von Venedig
eingetroffen ist, um den Cassio an Othello's Stelle einzusezen.

Rodrigo.
Ist das wahr?  Nun, so kehren Othello und Desdemona wieder nach
Venedig zurueck.

Jago.
O nein; er geht nach Mauritanien, und nimmt seine schoene Desdemona
mit sich; das geschieht unfehlbar, es muesste denn etwas begegnen,
wodurch sein hiesiger Aufenthalt verlaengert wuerde: Und das koennte
durch nichts gewisser erhalten werden, als wenn Cassio auf die
Seite geschaft wuerde.

Rodrigo.
Was nennt ihr, den Cassio auf die Seite schaffen?

Jago.
Das versteht sich von selbst; ihn unfaehig machen, in Othello's
Stelle einzutreten, mit einem Wort, ihm den Hals zu brechen.

Rodrigo.
Und ihr wollt, dass ich das thun soll?

Jago.
Ja, wenn ihr das Herz habt euch selbst Gutes zu thun.  Er isst heute
bey einer Courtisane zu Nacht; und ich will ihm dort Gesellschaft
leisten.  Er weiss noch nichts von seiner Befoerderung; wenn ihr dann
nur aufpassen wollt, bis er dort weggeht, (und ich will schon dafuer
sorgen, dass es zwischen zwoelf und ein Uhr geschehen soll:) So koennt
ihr ihn mit der groesten Bequemlichkeit ueberraschen.  Ich will in
der Naehe seyn, euern Angriff zu unterstuezen, und wir wollen ihn
zwischen zwey Feuer kriegen.  Kommt, steht nicht so bestuerzt da;
kommt mit mir; wir wollen von der Sache reden.  Ich will euch
zeigen, dass sein Tod so unumgaenglich nothwendig ist, dass ihr euch
verbunden sehen werdet, ihn zu befoerdern.  Es ist izt bald Nacht-
Essens-Zeit, und die Nacht nimmt ueberhand--Wir muessen gehen.

Rodrigo.
Ich muss mehr Licht in dieser Sache haben--

Jago.
Das sollt ihr bekommen.

(Sie gehen ab.)



Dreyzehnte Scene.
 (Othello, Lodovico, Desdemona, Aemilia und Gefolge.)


Lodovico.
Ich bitte euch, mein Herr, bemueht euch nicht weiter.

Othello.
Oh, ich bitte um Vergebung; die Bewegung wird mir wohl bekommen.

Lodovico.
Madam, gute Nacht; ich danke Eu.  Gnaden unterthaenig.

Desdemona.
Ihr werdet allezeit willkommen seyn, mein Herr.

Othello.
Wollt ihr gehen, mein Herr?--o, Desdemona!--

Desdemona.
Mein Gemahl--

Othello.
Geht sogleich zu Bette, ich werde bald wieder zuruek kommen; schikt
eure Bedienung hier fort; thut, was ich euch sage.

Desdemona.
Ich will, mein Gemahl.

(Lodovico und Othello gehen ab.)

Aemilia.
Wie geht es nun?  Er sieht freundlicher aus als diesen Abend.

Desdemona.
Er sagt, er wolle gleich zuruek kommen, und hat mir befohlen zu
Bette zu gehen, und euch wegzuschiken.

Aemilia.
Mich wegzuschiken?

Desdemona.
Das war sein Befehl; also, meine gute Aemilia, gieb mir mein Nacht-
Zeug, und gute Nacht.  Wir muessen ihm keinen Verdruss machen.

Aemilia.
Ich wollte, ihr haettet ihn nie gesehen!

Desdemona.
Das wollt' ich nicht; meine Liebe ist so wol mit ihm zufrieden, dass
sogar sein muerrisches Bezeugen, sein Schelten und Zuernen, eine Art
von Anmuth in meinen Augen hat.  Ich bitte dich, steke mir mein
Kopfzeug ab--

Aemilia.
Ich habe die Laken, die ihr mir sagtet, auf euer Bette gelegt.

Desdemona.
Es ist all eins: Guter Himmel!  Was fuer alberne Geschoepfe sind wir
nicht!  Wenn ich vor dir sterbe, so mache mir, ich bitte dich, aus
einem dieser Tuecher mein Todten-Hemde.

Aemilia.
Kommt, kommt; wie ihr redt!

Desdemona.
Meine Mutter hatte ein Kammer-Maedchen, die Barbara hiess; das arme
Ding war in jemand verliebt, der sie nicht wieder lieben wollte,
und da wurde sie zulezt naerrisch; sie hatte ein Lied, das sich
immer mit (Weide) endigte, es war ein altes Ding, aber es schikte
sich auf ihre Umstaende, und sie sang es bis in den lezten Augenblik
ihres Lebens.  Ich kan mir dieses Lied diese ganze Nacht durch
nicht aus dem Sinn bringen; es braucht alles, dass ich mich erwehre,
den Kopf auf eine Seite zu haengen, und es zu singen, wie die arme
Barbara.  Ich bitte dich, mach' dass du fertig wirst.

Aemilia.
Soll ich gehn und euern Schlaf-Rok holen?

Desdemona.
Nein, steke mich hier ab; dieser Lodovico ist ein recht artiger
Mann.

Aemilia.
Ein sehr huebscher Mann.

Desdemona.
Er spricht gut.

Aemilia.
Ich kenn' eine Dame in Venedig, die um einen Druk von seiner
Unterlippe eine Wallfahrt ins Gelobte Land gemacht haette.

Desdemona (singt.)
Das arme Ding, sie sass und sang, an einem Baum sass sie,
    Singt alle, gruene Weide;
Die Hand gelegt auf ihre Brust, den Kopf auf ihrem Knie,
    Singt Weide, Weide, Weide;
Der Bach, der murmelt neben ihr, in ihre Seufzer ein,
    Singt Weide, Weide, Weide;
Und ihrer Thraenen heisse Fluth erweichte Kieselstein;
    Singt Weide, Weide, Weide;
Weide, Weide, Weide etc.  Ich bitte dich, mache hurtig, er wird
alle Augenblike wiederkommen.  Singt all', ein gruenes Weiden-Zweig,
das muss mein Kraenzchen seyn.
    *  *  * O!  tadelt nicht sein hartes Herz, mein Herz
verzeiht ihm gern;
Nein, das folgt noch nicht--Horch was klopft so?

Aemilia.
Es ist nur der Wind.

Desdemona (singt.)
Ich nannte meinen Liebsten falsch; was sagt' er denn dazu?
    Singt Weide, Weide, Weide;
Ich thu mit andern Weibern schoen, mit andern Maennern du.  So, geh
du izt, gute Nacht; meine Augen brennen mich; bedeutet das Weinen?

Aemilia.
Das wollen wir nicht hoffen.

Desdemona.
Ich hab' es sagen gehoert; o diese Maenner, diese Maenner!  Sag mir
einmal, Aemilia, glaubst du in deinem Gewissen, dass es Weiber giebt,
die ihre Maenner auf eine so grobe Art hintergehen?

Aemilia.
Es giebt solche, das ist nur keine Frage.

Desdemona.
Wolltest du um die ganze Welt so was thun?

Aemilia.
Wie, thaetet ihr's nicht?

Desdemona.
Nein, bey diesem himmlischen Licht!

Aemilia.
Ich bey diesem himmlischen Licht auch nicht; es liesse sich eben so
gut im Dunkeln thun.

Desdemona.
Wolltest du eine solche That um die ganze Welt thun?

Aemilia.
Die ganze Welt ist gleichwol ein huebsches ansehnliches Ding, es
waer' ein feiner Preis fuer ein so kleines Verbrechen.

Desdemona.
Bey meiner Treu, ich denke, du thaetest es nicht.

Aemilia.
Und bey meiner Treu, ich denk', ich thaet' es; mit dem Vorbehalt,
dass es das erste und lezte mal seyn sollte.  Wahrhaftig, ich thaete
so was nicht um einen Finger-Ring, noch fuer ein paar Ellen Kammer-
Tuch, noch fuer einen neuen Unterrok, oder eine Kappe, oder so was
armseliges; aber fuer die ganze Welt!  Welches Weib wollte ihren
Mann nicht zu einem Hahnrey machen, damit er Herr von der ganzen
Welt wuerde?  Dafuer wollt' ich noch wol das Fegfeuer wagen.

Desdemona.
Ich will des Todes seyn, wenn ich so was Unrechtes um die ganze
Welt thun wollte.

Aemilia.
Wie, das Unrecht ist nur ein Unrecht in der Welt; und da ihr die
Welt fuer eure Muehe bekaemet, so waer' es ein Unrecht in eurer Welt,
und ihr koenntet es bald recht machen.

Desdemona.
Ich kan nicht glauben, dass es ein solches Weib giebt.

Aemilia.
O Ja, wohl ein duzend und so viele oben drein, dass sie die Welt, um
die sie spielten, bevoelkern koennten.  Allein, ich denke, der Fehler
ligt an den Maennern, wenn ihre Weiber fallen; gesezt, sie vergessen
ihre Pflichten gegen uns, und verschwenden an andre, was uns gehoert;
oder sie brechen in eine verdriessliche Eifersucht aus, und belegen
uns mit sclavischem Zwang; oder sie schlagen uns, oder sie bringen
uns unser Vermoegen durch; wahrhaftig, wir haben auch Galle, und so
sanft wir sind, so raechen wir uns doch gerne, wenn wir beleidigt
werden.  Unsre Herren Maenner sollen wissen, dass ihre Weiber so gut
Empfindlichkeit haben als sie; sie sehen, und riechen, und haben
einen Geschmak fuer suess und sauer, so gut wie ihre Maenner.  Was thun
sie, wenn sie uns mit andern vertauschen?  Ist es Spass?  Ich will
es glauben: Geschieht es aus Leidenschaft?  Ich will es glauben:
Ist es eine menschliche Schwachheit?  es mag auch seyn.  Und haben
wir nicht auch Leidenschaften?  Lieben wir den Zeitvertreib nicht
auch?  Sind wir nicht so gebrechlich als sie?  Sie moegen uns also
nur wohl begegnen; oder sie sollen wissen, dass wenn wir suendigen,
sie unsre Lehrmeister gewesen sind.

Desdemona.
Gute Nacht, gute Nacht; der Himmel gebe mir Gnade, anstatt Boeses
mit Boesem zu vertreiben, das Boese gut zu machen!

(Sie gehen ab.)



Fuenfter Aufzug.



Erste Scene.
 (Eine Strasse vor dem Pallast.)
 (Jago und Rodrigo treten auf.)


Jago.
Hier stellt euch hinter diese Faesser.  Er wird augenbliklich kommen:
Deinen blossen Degen in die Hand, und dann frisch dran!  Nur
munter, munter, sey unverzagt: ich will an deinem Ellenbogen seyn:
Es macht unser Gluek oder wir sind verlohren: Denk an das, und
entschliesse dich wie ein Mann.

Rodrigo.
Seyd ihr nur nahe bey der Hand, ich koennt' ihn verfehlen.

Jago.
Ich will hier stehen, es koennte nicht naeher seyn; fasst, Muth und
zieh deinen Degen.

Rodrigo (indem er sich auf die Seite stellt.)
Ich gehe ungern an diese That, aber er hat mir Gruende vorgelegt,
gegen die nichts einzuwenden ist; es ist endlich nichts, als ein
einzelner Mann weniger--Heraus, mein Schwerdt; er soll sterben.

Jago (vor sich.)
Ich habe diesen armen Geken gerieben, bis er empfindlich worden ist,
er faengt an aufzubrennen.  Nun mag er den Cassio ermorden, oder
Cassio ihn, oder einer den andern, so find' ich allemal meine
Rechnung dabey--Gut, aber wenn Rodrigo lebt, so wird er mich
anhalten, ihm die Menge Gold und Juwelen wieder zu erstatten, die
ich ihm als Geschenke fuer Desdemona, abpracticiert habe?  Das muss
nicht seyn--Bleibt Cassio uebrig, so macht mir der Anblik seines
Glueks meinen Zustand unertraeglich; und ueberdem, koennte mich der
Mohr verrathen; da kaem' ich in saubere Ungelegenheiten; nein,
sterben soll er!  So muss es seyn; ich hoer' ihn kommen.  (Cassio
tritt auf.)

Rodrigo.
Den Gang kenn' ich; es ist Er: Schelm, du must sterben.

(Er faellt den Cassio an, und bringt ihm einen Stoss bey.)

Cassio.
Dieser Stoss haette mir in der That uebel bekommen koennen, wenn mein
Kleid nicht besser gefuettert waere als du wusstest: Nun will ich
sehen, wie das deinige die Probe haelt.

(Er ficht mit Rodrigo; Jago haut den Cassio von hinten in die Beine,
 und entlaeuft; Rodrigo und Cassio fallen.)

Rodrigo.
O, ich bin des Todes.

Cassio.
Ich bin auf immer zum Krippel gemacht; Huelfe, he!  Moerder!  Moerder!



Zweyte Scene.
 (Othello erscheint am Fenster.)


Othello (vor sich.)
Das ist Cassio's Stimme--Jago haelt sein Wort.

Rodrigo.
Oh, Boesewicht, der ich bin!

Othello.
Das ist wol nicht anders.

Cassio.
Oh, Huelfe, Huelfe!  he!  Licht!  einen Wund-Arzt!

Othello.
Es ist Er!  O braver, ehrlicher, redlicher Jago, den das erlittne
Unrecht seines Freundes in einen so edlen Eifer sezt!  Du lehrst
mich--Puepchen, euer Liebling ist todt; und eure Stunde eilt heran--
Ich komme, Meze--Deine Reizungen, deine Blike, dein Laecheln, sind
aus meinem Herzen ausgewischt; und in deinem Bette, dem Schau-Plaz
deiner zuegellosen Lust, soll deine Straffe dich erhaschen!

(Er geht ab.)



Dritte Scene.
 (Lodovico und Gratiano treten in der Ferne auf.)


Cassio.
Wie dann, he!  Ist kein Waechter, ist kein Mensch da?  Moerder,
Moerder!

Gratiano.
Es ist irgend ein Unheil begegnet; die Stimme ist graesslich.

Cassio.
O Huelfe!

Lodovico.
Horcht!

Rodrigo.
O elender Boesewicht!

Lodovico.
Ich hoere zween oder drey wehklagen.  Es ist stokfinster; es koennte
Verstellung seyn: Es ist nicht sicher, naeher hinzugeben, da unsrer
nur zween sind.  (Jago, in seinem Hemd, mit gezognem Degen und
einem Licht, tritt auf.)

Lodovico.
Horcht.

Gratiano.
Hier kam einer in blossem Hemde, mit einem Licht und gezognem Degen.

Jago.
Wer ist hier?  Wer ruft Moerder?

Lodovico.
Das wissen wir nicht.

Jago.
Hoert ihr nicht schreyen?

Cassio.
Hier, hier: Um's Himmels willen, helft mir.

Jago.
Was giebt's hier?

Gratiano (zu Lodovico.)
Wie mich daeucht, so ist dieser hier Othello's Faehndrich.

Lodovico.
Er ist's, in der That, ein wakrer herzhafter Camerad.

Jago.
Wer seyd ihr hier, die ein so klaegliches Geschrey erheben?

Cassio.
Jago?--O ich bin gestuemmelt, von Banditen zum elenden Manne gemacht-
-Kommt mir zu Huelfe!

Jago.
Gott sey bey uns!  Lieutenant!  Was fuer Boesewichter haben das
gethan?

Cassio.
Ich denke, einer davon ligt hier, und kan sich nicht davon machen.

Jago.
Die meuchelmoerdrischen Schurken!  (zu Lodovico und Gratiano.)
Wer seyd ihr hier?  Kommt naeher, und helft.

Rodrigo.
O, helft mir hier.

Cassio.
Das ist einer von ihnen.

Jago.
Du moerdrischer Sclave!  du Raker!

(Er giebt dem Rodrigo vollends den Rest.)

Rodrigo.
O verruchter Jago!  unmenschlicher Hund!

Jago.
Leute im Dunkeln zu ermorden!  Wo sind diese blutige Diebe?  Wie?
diese Stadt ist ja so still als wenn alles ausgestorben waere!  He!
Mord!  Mord!--Wer seyd wohl ihr?  Seyd ihr ehrliche Leute oder--

Lodovico.
Qualificiert uns, wie ihr uns findet.

Jago.
Signor Lodovico?--

Lodovico.
Er selbst, mein Herr.

Jago.
Ich bitte tausendmal um Vergebung!  Hier ligt Cassio, von
Meuchelmoerdern verwundet.

Gratiano.
Cassio?

Jago.
Wie steht's um dich, Bruder?

Cassio.
Mein Bein ist entzwey gehauen.

Jago.
Das verhuete der Himmel!  Licht, meine Herren, ich will ihn mit
meinem Hemde verbinden.



Vierte Scene.
 (Bianca zu den Vorigen.)


Bianca.
Was ist hier fuer ein Lerm?  He, wer ist der, so ruft?

Cassio.
Wer ist der, so ruft?

Bianca.
O mein liebster Cassio!  Mein suesser Cassio!  O, Cassio, Cassio!
Cassio!

Jago.
O merkwuerdige Meze!  Cassio, koennt ihr nicht errathen, wer
diejenigen seyn moegen, die euch so zugerichtet haben?

Cassio.
Nein.

Gratiano.
Es bekuemmert mich sehr, euch so zu finden.  Ich war im Begriff,
euch aufzusuchen.

Jago.
Lehnt mir ein Knieband.  So--O wenn wir nur einen Lehn-Sessel
haetten, um ihn bequemer wegzutragen!

Bianca.
O Himmel, er wird ohnmaechtig.  O Cassio, Cassio, Cassio!

Jago.
Meine Herren allerseits; ich hab' eine Vermuthung, dass dieser
Buendel hier Antheil an dem veruebten Bubenstuek haben moechte.  Ein
wenig Geduld, lieber Cassio; kommt, kommt: Leiht mir das Licht:
Kennen wir dieses Gesicht oder nicht?  O Himmel!  Mein Freund, mein
liebster Landsmann?  Rodrigo?  Nein: ja, wuerklich: ja, es ist
Rodrigo.

Gratiano.
Wie, von Venedig?

Jago.
Eben er, mein Herr; kanntet ihr ihn?

Gratiano.
Ob ich ihn kannte?  Ah!

Jago.
Signor Gratiano!  Ich bitte Eu.  Gnaden sehr um Vergebung: Die
Verwirrung bey einem so blutigen Auftritt muss die Entschuldigung
meiner Unhoeflichkeit machen.

Gratiano.
Ich erfreue mich euch zu sehen.

Jago.
Wie geht's euch, Cassio?  O, einen Arm-Sessel!  Einen Arm-Sessel!

Gratiano.
Rodrigo?

Jago.
Er, Er, es ist Er--Wenn wir nur einen Sessel haetten, damit man ihn
ohne Erschuetterung von hier wegbringen koennte; ich will den Wund-
Arzt des Generals holen.  Ihr, Mamsel, koenn't eure Muehe sparen.
Der Mann, Cassio, der hier in seinem Blute ligt, war mein bester
Freund.  Was fuer ein Missverstaendniss war denn zwischen euch?

Cassio.
Keines in der Welt; ich kenn' ihn nicht einmal.

Jago.
Wie?  Ihr seht ganz bleich aus?--Oh, tragt ihn doch aus der freyen
Luft!--Bleibt doch hier, meine Gnaedige Herren--

(Zu Bianca.)

Seht ihr blass aus, Mamsel?--Merkt ihr meine Herren, wie verstoert
ihre Augen herumfahren?  Gut, gut, das bedeutet was, wir werden
bald mehr hoeren.  Betrachtet sie recht, ich bitte euch, seht sie an;
seht ihr, meine Herren?  O, ein boeses Gewissen wird reden, wenn
alle Sprachen abgegangen waeren.



Fuenfte Scene.
 (Aemilia zu den Vorigen.)


Aemilia.
Ums Himmels willen, was giebt's hier?  Was giebt's hier, Mann?

Jago.
Cassio ist hier im Dunkeln von Rodrigo und seinen Gesellen, welche
entsprungen sind, angefallen worden; er ist uebel verwundet, und
Rodrigo todt.

Aemilia.
O Jammer!  der arme Cavalier!  der arme, gute Cassio!

Jago.
Das sind die Fruechte vom Huren-Leben--Ich bitte dich, Aemilia, geh,
frage den Cassio, wo er heute zu Nacht gegessen habe--

(zu Bianca.)

Wie, zittert ihr vor dieser Frage?

Bianca.
Er ass in meinem Hause zu Nacht, aber ich zittre nicht desswegen.

Jago.
O, that er das?--ich arretiere euch hier--kommt mit mir.

Aemilia.
O fy, die garstige Hure!

Bianca.
Ich bin keine Hure, ich bin eine so ehrliche Frau als ihr, die mich
so beschimpfst!

Aemilia.
Als ich?  Pfuy, das garstige Ding!

Jago.
Meine liebsten Herren, wir wollen dafuer sorgen, dass Cassio
verbunden wird.  Kommt, Mamsell, wir wollen euch schon die Zunge
loesen.  Aemilia, lauft ihr in die Citadelle, und sagt dem General
und der Gnaedigen Frauen was begegnet ist: Wollt ihr voran gehen?--

(vor sich.)

Der Ausgang dieser Nacht wird mein Gluek oder meinen Untergang
entscheiden.

(Sie gehen ab, Jago zulezt.)



Sechste Scene.
 (Ein Schlaf-Zimmer.  Desdemona in einem Bette, wovon der Vorhang
  halb weggezogen ist.)
 (Othello tritt mit einem Degen in einer, und einem Licht in der
  andern Hand auf.)


Othello.
Die Beleidigung ist zu gross, zu gross, meine Seele--Lasst sie mich
nicht vor euch nennen, ihr keuschen Sterne!  Sie ist zu gross!--Und
doch will ich ihr Blut nicht vergiessen, noch diese ihre Haut
zerrizen, die weisser als Schnee, und so glatt wie Alabaster ist.

(Er legt seinen Degen nieder.)

Und doch muss sie sterben; sie wuerde sonst noch mehr Ungluekliche
machen.  Das Licht ausgeloescht, und dann--Das Licht ausloeschen--O
du dienstbare Flamme, wenn ich dich ausloesche, und es gereut mich,
so kan ich dir dein Licht wieder geben: Aber wenn (dein) Licht
einmal ausgeblasen ist, du vollkommenstes Modell der sich selbst
uebertreffenden Natur, so weiss ich nicht, wo dieser prometheische
Funke ist, der es wieder anzuenden kan--

(Er stellt das Licht hin.)

Wenn ich deine Rose abgepfluekt habe, so kan ich ihr den belebenden
Geist nicht wiedergeben; sie muss verwelken--Ich will dich noch am
Stoke riechen--

(Er kuesst sie.)

--O du balsamischer Athem, fast koenntest du die Gerechtigkeit
bewegen ihr Schwerdt zu zerbrechen--Noch einen; noch einen--Sey so,
wenn du todt bist, und ich will dich erst ermorden, und dann lieben--
noch einen, der soll der lezte seyn--Holdseliges Geschoepf, wie
Schade, dass du sterben sollst!  Ich muss weinen, aber es sind
grausame Thraenen--Sie weinen auf die Hand, die dir den Tod bringt--
Sie erwacht.

Desdemona.
Wer ist hier?  Othello?

Othello.
Ja, Desdemona.

Desdemona.
Wollt ihr zu Bette kommen, mein Gemahl?

Othello.
Habt ihr euer Nachtgebet gebetet, Desdemona?

Desdemona.
Ja, mein Herr.

Othello.
Wenn ihr euch noch irgend eines Verbrechens erinnert, worueber ihr
euch mit dem Himmel noch nicht ausgesoehnt habt, so saeumt euch nicht,
um seine Gnade zu flehen.

Desdemona.
O Gott!  was meynt ihr mit dieser Aufforderung?

Othello.
Gut, thu es, und machs kurz; ich will bey Seite gehen.  Ich moechte
dich nicht unbereitet ueberraschen, nein, (der Himmel bewahre mich
davor!) ich moechte deine Seele nicht ermorden.

Desdemona.
Redet ihr von ermorden?

Othello.
Ja, das thu ich.

Desdemona.
So erbarme sich der Himmel ueber mich!

Othello.
Amen, von ganzem Herzen.

Desdemona.
Wenn ihr so sagt, so werdet ihr mich doch nicht umbringen wollen.

Othello.
Hum!

Desdemona.
Und doch fuercht' ich euch; ihr seyd gefaehrlich, wenn eure Augen so
rollen.  Warum ich mir foerchten soll, weiss ich nicht, da ich mir
keiner Schuld bewusst bin; und doch fuehl' ichs, dass mir bang ist.

Othello.
Denk an deine Suenden.

Desdemona.
Ich kenne keine, als die zu grosse Liebe, die ich zu euch trage.

Othello.
Ja, und davor must du sterben.

Desdemona.
Das ist unnatuerlich, Liebe mit dem Tode zu bestrafen.  O Gott!
Warum beisst ihr so in eure Unter-Lippe?  Irgend ein blutiges
Vorhaben erschuettert euern ganzen Bau; das sind fuerchterliche
Vorbedeutungen; und doch hoff' ich, ich hoffe, sie zielen nicht auf
mich.

Othello.
Schweig, und sey still.

Desdemona.
Ich will; was habt ihr dann?

Othello.
Das Schnupftuch, das mir so lieb war, und das ich dir gab, gabst du
dem Cassio?

Desdemona.
Nein, bey meinem Leben und meiner Seele; schikt nach ihm, und fragt
ihn.

Othello.
Holde Seele, nimm dich in Acht, nimm dich vor Meineyd in Acht; du
bist auf deinem Tod-Bette.

Desdemona.
Ja, aber doch noch nicht izt zu sterben.

Othello.
Diesen Augenblik; entlade dich also durch ein aufrichtiges
Bekenntniss deiner Suende; denn wenn du auch jeden Artikel mit einem
Eyde laeugnen wuerdest, so wuerd' es unvermoegend seyn, die tiefe
Ueberzeugung zu erschuettern, die mir diesen Seufzer erpresst.  Du
must sterben.

Desdemona.
O Himmel, erbarme dich meiner!

Othello.
Ich sag, Amen.

Desdemona.
Und erbarmt ihr euch auch!--Nie, in meinem Leben hab ich euch nie
beleidigt; niemals diesen Cassio geliebt, als mit dieser
allgemeinen Liebe, die der Himmel selbst billigt und fordert.  Ich
gab ihm niemalen kein Andenken.

Othello.
Beym Himmel, ich sah mein Schnupftuch in seiner Hand.  O
meineydiges Weibsbild!  du versteinerst mein Herz!  du machst, dass
ich das was ich zu thun vorhabe, einen Mord nennen muss, da ich es
fuer ein Opfer hielt.  Ich sah das Schnupftuch.

Desdemona.
So hat er's also gefunden; ich gab' es ihm nie; schikt nach ihm,
lasst ihn die Wahrheit gestehen.

Othello.
Er hat gestanden.

Desdemona.
Was, mein Gemahl?

Othello.
Dass er--mit dir zu thun gehabt--

Desdemona.
Wie, auf eine unerlaubte Art?

Othello.
Ja.

Desdemona.
Das kan er nicht sagen.

Othello.
Nein, sein Mund ist verstopft.  Der ehrliche Jago hat davor gesorgt.

Desdemona.
Wie, ist er todt?

Othello.
Waer' in jedem seiner Haare ein eignes Leben gewesen, meine grosse
Rache haette Zorn genug fuer alle gehabt.

Desdemona.
O Gott, so ist er verrathen, und ich bin verlohren!

Othello.
Weg mit dir, Schandhure!  Weinst du vor meinen Augen um ihn?

Desdemona.
Verbanne mich, lieber Mann, toedte mich nur nicht.

Othello.
Hinab, unzuechtiger Balg!

Desdemona.
Toedte mich morgen, lass mich nur diese Nacht noch leben.

Othello.
Nein, wenn du dich straeubst--

Desdemona.
Nur noch eine halbe Stunde.

Othello.
Schweige, du bekommst keinen Aufschub.

Desdemona.
Nur so lang ich ein Vater Unser beten kan.

Othello.
Es ist zu spaet.

(Er erstekt sie.)



Siebende Scene.
 (Aemilia, vor der Thuere.)


Aemilia.
Gnaediger Herr, Gnaediger Herr!  He!  Gnaediger Herr!

Othello.
Was fuer ein Getoes ist das?--Noch nicht todt?  noch nicht voellig
todt?  So grausam ich bin, bin ich doch barmherzig; ich wollte dich
nicht gern lang leiden lassen--So, so.

Aemilia (vor der Thuere.)
Wie?  he!  Gnaediger Herr!  Gnaediger Herr!

Othello.
Wer ist da?

Aemilia.
O mein lieber Gnaediger Herr, ich moechte nur ein Wort mit euch reden.

Othello.
Ja, es ist Emilia--In einem Augenblik--sie ist todt--Vermuthlich
wird sie mir die Nachricht von Cassios Tode bringen--Der Lerm war
gross--Ha, du ruehrst dich nicht mehr?  Still wie ein Grab.  Soll ich
sie hereinlassen?  Waer' es gut?  Mich daeucht, sie ruehrt sich wieder-
-Nein--Was ist das Beste?  Wenn sie herein koemmt, so wird sie mit
meinem Weibe reden wollen; meinem Weib?  Meinem Weib?  Was fuer
einem Weib?  Ich habe kein Weib--O Unertraeglich!  o bange Stunde!
Mich daeucht, es sollte izt eine dichte Verfinsterung der Sonne und
des Monds seyn, und der geschrekte Erdball sollte vor Entsezen
beben--

Aemilia.
Ich bitte euch, nur ein paar Worte, ach; mein lieber Gnaediger Herr!
--

Othello.
Ich hatte dich vergessen; oh, komm herein, Aemilia.  Sachte,
augenbliklich, ich muss nur erst den Vorhang ziehen.--Wer bist du?
Was willst du?

(Er riegelt die Thuer auf.)

(Aemilia kommt herein.)

Aemilia.
Ach, Gnaediger Herr, es ist eine greuliche Mordthat begangen worden!

Othello.
Wie?  izt?

Aemilia.
Eben izt, Gnaediger Herr.

Othello.
Da hat der Mond die Schuld; er ist der Erde naeher gekommen als
seine Gewohnheit ist, und nun werden alle Leute toll.

Aemilia.
Cassio hat einen jungen Venetianer, Rodrigo genannt, umgebracht.

Othello.
Rodrigo umgebracht?  und Cassio umgebracht?

Aemilia.
Nein, Cassio ist nicht todt.

Othello.
Cassio ist nicht todt?  So ist die Rache nur halb befriedigt.

Desdemona.
O unbillig, unbillig ermordet!--

Aemilia.
Gott helf uns!  was fuer ein Geschrey ist das?

Othello.
Das?  Was?

Aemilia.
O Himmel, es war meiner Gnaedigen Frauen Stimme.  Zu Huelfe, zu Huelfe!
He!  zu Huelfe!  O Gnaedige Frau, redet weiter; englische Desdemona,
o meine theureste Gebieterin, redet!

Desdemona.
Ich sterbe unschuldig.

Aemilia.
O, wer hat diese entsezliche That gethan?

Desdemona.
Niemand, ich selbst, lebe wohl; bringe meinem guetigen Gemahl meinen
lezten Gruss; o, lebe wohl.

(Sie stirbt.)

Othello.
Wie, wie sollte sie ermordet worden seyn?

Aemilia.
O Gott!  wer weiss das?

Othello.
Ihr hoertet's, sie sagte selbst, ich sey's nicht gewesen.

Aemilia.
Sie sagte so, ich kan nichts anders sagen.

Othello.
Sie ist als eine Luegnerin zur Hoelle gefahren; ich war's, der sie
ermordete.

Aemilia.
Oh, desto mehr Engel ist sie nun, und du ein desto schwaerzerer
Teufel.

Othello.
Sie ergab sich der Leichtfertigkeit, sie war eine Hure.

Aemilia.
Du laesterst sie, du bist ein Teufel.

Othello.
Sie war falsch wie Wasser.

Aemilia.
Und du bist rasch wie Feuer, wenn du das sagst.  Oh, sie war ein
Engel von Unschuld.

Othello.
Sie liess sich von Cassio deken; frag deinen Mann, wenn du's nicht
glauben willst.  Welcher Abgrund in der flammenden Hoelle waere tief
genug fuer mich, wenn ich ohne die staerksten Gruende so weit gegangen
waere?  Dein Mann weiss alles.

Aemilia.
Mein Mann?

Othello.
Dein Mann.

Aemilia.
Das sie ihrem Ehbett untreu war?

Othello.
Ja, mit Cassio.  Waere sie treu gewesen, glaube mir, wenn mir der
Himmel noch eine solche Welt, wie diese, aus einem einzigen ganzen
Chrysolith haette machen wollen, ich haette sie nicht darum gegeben.

Aemilia.
Mein Mann!

Othello.
Ja, er war's, der mir die erste Nachricht davon gab.  Er ist ein
ehrlicher Mann, und ein Feind schaendlicher Thaten.

Aemilia.
Mein Mann!

Othello.
Wozu soll diese doppelte Ausruffung, Weib?  Ich sage, dein Mann.

Aemilia.
O meine Gebieterin!  Arglistige Bosheit hat die eifersuechtige Liebe
betrogen, und du bist das Opfer.  Mein Mann soll gesagt haben, sie
sey ungetreu!

Othello.
Er, Weibsbild; ich sage, dein Mann; verstehst du das Wort?  Mein
Freund, dein Mann, der ehrliche, rechtschaffne Jago.

Aemilia.
Wenn er das sagt, so verderbe seine verruchte Seele in langsam
marternden Qualen!  Er luegt's in sein Herz hinein!  Nur zu sehr
liebte sie den hassenswuerdigen Teufel, mit dem sie sich beladen
hatte.

Othello.
Ha!--

Aemilia.
Thu dein aergstes; diese greuliche That, die du gethan hast, ist den
Himmel nicht mehr werth, wie du ihrer werth warst.

Othello.
Schweigen waere das rathsamste fuer dich.

Aemilia.
Du kanst nicht halb so geneigt seyn, mir Leid anzuthun, als ich es
wuensche: o Erzbetrueger!  o dummer Kerl!  dumm wie Mist!  du hast
eine That gethan--ich frage nichts nach deinem Degen, ich will
bekannt machen wer du bist, und wenn ich zwanzig Leben zu
verliehren haette--Huelfe!  Huelfe!  He!  Huelfe!  Der Mohr hat meine
Frau umgebracht.  Huelfe, Huelfe!



Achte Scene.
 (Montano, Gratiano, Jago und andre treten auf.)


Montano.
Was giebt es hier?  Wie, was bedeutet das, General?

Aemilia.
O, seyd ihr auch da, Jago?  Ihr habt es weit gebracht, dass die
Leute ihre Mordthaten auf euern Hals schieben.

Gratiano.
Was soll dieses bedeuten?

Aemilia.
Wiedersprich diesem Boesewicht, wenn du ein Mann bist; er giebt aus,
du habest ihm gesagt, seine Frau sey untreu gewesen: Ich bin gewiss,
du hast es nicht gesagt; du bist kein solcher Bube!  Rede, mein
Herz ist so voll, dass es zerspringen wird.

Jago.
Ich sagte ihm was ich dachte; und nicht mehr, als er selbst
glaubwuerdig und wahr befand.

Aemilia.
Aber sagtet ihr ihm jemals, sie sey untreu?

Jago.
Ja, das that ich.

Aemilia.
So sagtet ihr eine Luege.  eine hassenswuerdige, verdammte Luege; auf
meine Seel', eine Luege; eine verfluchte Luege.  Sie untreu mit
Cassio?  Sagtet ihr, mit Cassio?

Jago.
Mit Cassio, Frau; geht, geht, und lasst euch eure Zunge legen.

Aemilia.
Das will ich nicht; ich will, ich muss reden; es ist meine Pflicht,
dass ich rede.  Meine Frau ligt hier ermordet in ihrem Bette.

Alle.
Das wolle der Himmel nicht!

Aemilia.
Und eure Ohrenblaesereyen sind der Antrieb zu diesem Mord gewesen.

Othello.
Nein, seht nicht so erschroken aus, meine Herren; es ist wahr, es
ist wuerklich so.

Gratiano.
Das ist eine verwuenschte Wahrheit.

Montano.
O ungeheure That!

Aemilia.
Bueberey!  Schaendliche versuchte Bueberey!  Ich seh--ich rieche sie--
Verdammte Bueberey!--Ich dachte gleich--O, ich moechte vor Schmerz
Hand an mich selbst legen--o Bueberey!  Bueberey!

Jago.
Wie, seyd ihr toll?  Ich befehls euch, pakt euch heim.

Aemilia.
Meine liebe Herren, erlaubt mir dass ich reden darf, ich bin ihm
sonst Gehorsam schuldig, aber nicht izt: Vielleicht, Jago, werd'
ich nie wieder heim gehen.

Othello.
O!  O!  O!

(Er sinkt auf das Bette.)

Aemilia.
Ja, leg dich nur hin, und heule: Du hast die liebenswuerdigste
Unschuldige umgebracht, die jemals geathmet hat.

Othello (auffahrend.)
O, sie war lasterhaft!--Ich erkenn' euch erst izt, Oheim; hier ligt
eure Nichte, deren Athem, ich bekenn' es, diese Haende nur eben
gestopft haben; ich weiss es, diese That sieht graesslich aus.

Gratiano.
Arme Desdemona!  Ich bin froh, dass dein Vater todt ist: Deine
Heurath kuerzte ihm das Leben ab.  Lebte er noch, dieser Anblik
wuerde ihn zur Verzweiflung treiben; ja, er wuerde seinen guten Engel
von seiner Seite wegfluchen, und in Verzweiflung sterben.

Othello.
Es ist erbarmenswuerdig; aber Jago weiss es, dass sie die schaamvolle
That mit Cassio wol tausendmal begangen hat.  Cassio hat es
eingestanden; und zu Vergeltung seiner Liebes-Proben gab sie ihm
das, womit ich ihr das erste Geschenk gemacht hatte; ich sah es in
seiner Hand; es war ein Schnupftuch, ein altes Andenken, das mein
Vater meiner Mutter gegeben hatte.

Aemilia.
O Himmel!  O himmlische Maechte!

Jago.
Schweig, sag ich dir!

Aemilia.
Es muss heraus, es muss heraus--Ich, schweigen?  Lasst Engel, Menschen
und Teufel, lasst sie alle, alle, alle Schaam ueber mich schreyen,
wenn ich nicht rede.

Jago.
Sey klug und geh heim.

(Jago will sein Weib ermorden, und wird zuruek gehalten.)

Gratiano.
Fy, euern Degen gegen ein Weibsbild!

Aemilia.
O du dummer Mohr!  Dieses Schnupftuch, wovon du redst, fand ich von
ungefehr, und gab es meinem Manne, der mich gar oft aufs
instaendigste, angelegenste, (mehr, in der That, als eine solche
Kleinigkeit werth war,) bat, dass ich es stehlen moechte.

Jago.
Verfluchte Hure!

Aemilia.
Sie soll es dem Cassio gegeben haben?  Weh mir!  ich fand es, und
gab es meinem Manne!

Jago.
Rabenaass!  du luegst.

Aemilia.
Beym Himmel!  ich luege nicht; ich luege nicht, meine Herren; o du
meuchelmoerdrischer Dummkopf!  Was sollte ein solcher Narr mit einer
so vortreflichen Frau machen?

(Jago bricht los, verwundet seine Frau, und entspringt.)

Othello.
Sind keine Donnerkeile mehr im Himmel?  Wozu nuezt dann der Donner?
Unerhoerter Lotterbube!

Gratiano.
Sie faellt; er hat sein Weib umgebracht--

Aemilia.
Ja, ja; oh, legt mich an meiner Frauen Seite.

Gratiano.
Seine Frau ist ermordet, und er ist entlauffen.

Montano.
Das ist ein entsezlicher Boesewicht; nehmt diesen Degen in
Verwahrung, damit ihn der Mohr nicht erhasche; kommt, besezt die
auswendigen Thueren, lasst ihn nicht durch; toedtet ihn eher; ich
selbst will diesem Boesewicht nach; es ist ein verdammter Geselle!

(Montano und Gratiano gehen ab.)



Neunte Scene.


Othello.
Ich bin auch nicht mehr tapfer; ein jeder kleiner Klopffechter
nimmt mir meinen Degen weg.  Aber warum sollte die Ehre die Tugend
ueberleben?  Lasst immer alles dahin fahren!

Aemilia.
Was bedeutete dein Gesang, meine Gebieterin?  Hoere, kanst du mich
hoeren?  Ich will den Schwanen machen, und singend sterben; (Weide,
Weide, Weide--)--Mohr, sie war keusch; sie liebte dich, grausamer
Mohr; so sehe mein Geist die Seligkeit, wie ich die Wahrheit rede,
und diese Wahrheit--sey mein leztes Wort--

(Sie stirbt.)

Othello.
Ich habe noch einen andern Degen in diesem Zimmer, eine Spanische
Klinge, mit Wasser aus dem Ebro gestaehlt; o, hier ist sie: Oheim,
ich muss hinaus.

Gratiano (vor der Thuere.)
Wenn du es versuchst, wird es dir theuer zu stehen kommen; du hast
kein Gewehr, und sollst dich unterwerfen, du magst wollen oder
nicht.

Othello.
So schau zu mir herein und rede mit mir, oder ich will ohne Gewehr
ueber dich.

(Gratiano kommt herein.)

Gratiano.
Was wollt ihr?

Othello.
Seht!  ich hab ein Gewehr; ein schoeneres hieng niemals an eines
Soldaten Huefte.  Ich habe den Tag gesehen, da ich mit diesem
kleinen Arm, und diesem guten Degen mir durch mehr Hinternisse
einen Weg machte, als zwanzig solche Waechter wie ihr seyd.  Aber, o
eitle Pralerey!  Wer kan ueber sein Schiksal Meister werden?  Es ist
nun ein anders.  Erschreket nicht, ob ihr mich gleich bewaffnet
sehet; hier ist das Ende meiner Fahrt, hier ist mein Ziel, die
aeusserste Marke, die mein leztes Segel noch erreichen kan--tretet
ihr erschroken zuruek?  Es ist eine vergebliche Furcht: Zueket nur
ein Schilfrohr gegen Othello's Brust, so wird er sich zuruekziehen.
Wo sollte Othello hin gehen?  Nun--

(Er sieht auf Desdemona.)

--Wie siehst du nun aus?  Ungluekliches Geschoepf!  wie bleich!  Wenn
wir vor Gericht zusammen kommen, wird diese Mine, die du hast,
meine Seele vom Himmel herabschleudern, und Teufel werden sie
auffangen--Kalt, kalt, mein Maedchen; kalt, wie deine Keuschheit--O
verfluchter Sclave!  Peitscht mich, ihr boesen Geister, peitscht
mich vom Genuss dieses himmlischen Anschauens weg; zerstaeubt mich in
die Winde, roestet mich in Schwefel, wascht mich in bodenlosen
Schluenden von fluessigem Feuer--O Desdemona!  Desdemona!  todt!
todt!  oh, oh!



Zehnte Scene.
 (Lodovico, Cassio, der hereingefuehrt wird, Montano, Jago gebunden,
  und einige Officiers, zu den Vorigen.)


Lodovico.
Wo ist dieser rasche und hoechst ungluekliche Mann?

Othello.
Das ist der, der einst Othello war, hier bin ich.

Lodovico.
Wo habt ihr diese Viper?  Bringt den Buben hervor!

Othello.
Ich seh ihm auf die Fuesse; aber das ist eine Fabel.  Wenn du ein
Teufel bist, so kan ich dich nicht toedten.

(Othello stoesst nach Jago, und verwundet ihn.)

Lodovico.
Windet ihm seinen Degen aus den Haenden.

Jago.
Ich blute, Herr, aber ich lebe noch.

Othello.
Auch ist es mir nicht leid; ich will dass du lebest; du verdienst
nicht, so glueklich zu seyn und zu sterben.

Lodovico.
O du, Othello, einst ein so vortrefflicher Mann--nun in die
Fallstrike eines verruchten Sclaven gefallen--was soll man zu dir
sagen?

Othello.
Wie, was man will; dass ich ein ehrlicher Moerder sey, wenn ihr wollt:
Denn was ich that, that ich nicht aus Hass, sondern meine Ehre zu
raechen.

Lodovico.
Dieser Unselige hat einen Theil seines Bubenstueks eingestanden:
Beschlosset ihr und er mit einander, den Cassio zu ermorden?

Othello.
Ja.

Cassio.
Mein theurer General, ich gab euch niemals Ursache dazu.

Othello.
Ich glaub es, und bitte euch um Vergebung: Wollt ihr, ich bitte
euch, diesen Halb-Teufel fragen, warum er meinen Leib und meine
Seele so verstrikt habe?

Jago.
Fragt mich nichts; was ihr wisst, das wisst ihr; von diesem Augenblik
an soll kein Wort mehr aus meinem Munde gehen.

Lodovico.
Wie?  Auch nicht zum Beten?

Gratiano.
Foltern sollen dir den Mund schon aufthun.

Othello.
Gut, du thust am besten.

Lodovico.
Mein Herr, mich daeucht, ihr seht noch nicht klar in der Sache;
diese zween Briefe, die man in des erschlagenen Rodrigo Tasche
gefunden, werden euch aus dem Wunder helfen.  Einer davon enthaelt
die Ermordung des Cassio, welche Rodrigo auf sich nehmen sollte--

Othello.
O Boesewicht!

Cassio.
Mehr als heidnisch!

Lodovico.
Und hier ist der andre, die Antwort, die, dem Ansehen nach, Rodrigo
ihm zugeschikt haben wollte, wenn Jago nicht indessen selbst
gekommen und ihn befriediget haette.

Othello.
O du verpesteter Bube!--Wie kam't ihr zu meines Weibs Schnupftuch,
Cassio?

Cassio.
Ich fand es in meiner Kammer, und er gestuhnd uns eben izt, dass er
es in einer besondern Absicht daselbst hingeworfen habe, welche er
auch nach Herzens-Lust erreicht habe.

Othello.
O Narr!  Narr!  Narr!  der ich war!

Cassio.
Hier ist auch noch in Rodrigo's Briefe, wie er ihm vorwirft, dass er
ihn vermocht habe, mich auf der Wache zu beschimpfen; welches die
Gelegenheit dazu gab, dass ich cassiert wurde: Und eben erst, da er
nach einer langen Ohnmacht, worinn er fuer todt gehalten wurde,
wieder zu sich selbst kam, sagte er, Jago selbst habe ihm den Rest
gegeben.

Lodovico (zu Othello.)
Ihr muesst nun diesen Ort verlassen, und mit uns gehen: Eure Gewalt
ist euch abgenommen, und Cassio regiert nun in Cypern.  Was diesen
Sclaven betrift, wenn irgend eine sinnreiche Marter ausgedacht
werden kan, die ihn die grausamste Pein leiden mache, ohne ihn zu
bald aufzureiben, so wartet sie auf ihn.  Ihr, Othello, sollt in
enger Verwahrung bleiben, bis die Beschaffenheit eures Vergehens
der Regierung von Venedig bekannt gemacht seyn wird.  Kommt, fuehret
ihn hinweg.

Othello.
Sachte; ein paar Worte, eh ihr geht.  Ich habe dem Staat einige
Dienste geleistet, und sie wissen's: Nichts mehr davon.  Ich bitte
euch, wenn ihr in euern Briefen diese ungluekliche Geschicht'
erzaehlet, so redet von mir wie ich bin; verkleinert meine Fehler
nicht, aber macht mich auch nicht schlimmer als ich war.  Redet
also von einem, der nicht weislich liebte, aber zu sehr; von einem
der nicht leicht eiferte; aber nachdem er einmal von dieser
Leidenschaft ergriffen war, keine Grenzen kannte; von einem, dessen
Hand gleich dem verworfnen Juden (Herodes) eine Perle wegwarf,
deren unschaezbaren Werth sein ganzer Stamm nicht bezahlen konnte;
von einem dessen ungewohnte Augen, ihr gleich Arabiens Balsam-
Staude Thraenen, Jammer-lindernde Thraenen quellen sahet.  Dieses
schreibet, und sezt hinzu, dass ich einst in Aleppo, wo ein
bosshafter, schelmischer Tuerke einen Venetianer schlug und auf den
Staat schimpfte, den beschnittnen Hund bey der Gurgel gefasst, und
ihn so gekizelt habe.

(Er ersticht sich.)

Lodovico.
O blutige Nacht!

Gratiano.
Hier verliehren Worte alle ihre Kraft!

Othello (zu Desdemona.)
Ich kuesste dich, eh ich dich toedtete; nun ist nichts uebrig, als da
ich mich selbst getoedtet habe, mit einem Kuss zu sterben.

(Er sinkt auf Desdemonens Leiche und stirbt.)

Cassio.
Das besorgte ich, aber ich glaubte nicht, dass er ein Gewehr habe;
er hatte ein grosses Herz.

Lodovico (zu Jago.)
O Spartanischer Hund, verderblicher als Pest, Hunger, oder die
tobende See!  Schau auf die jammervolle Last dieses Bettes hin; das
ist dein Werk; der graessliche Anblik vergiftet das Gesicht--Lasst ihn
verhuellen, Gratiano.  Behaltet das Haus, und bemaechtigt euch des
Vermoegens des Mohren, denn ihr seyd sein Erbe.

(Zu Cassio.)

Euch, Herr Statthalter, verbleibt die Abstraffung dieses hoellischen
Bubens, die Zeit, der Ort, die Marter, o!  lasst sie so greulich als
seine Bosheit seyn.  Ich selbst eile zu Schiffe, um mit schwerem
Herzen dem Staat diesen jammervollen Zufall vorzutragen.

Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Othello, von William Shakespeare
(Uebersetzt von Christoph Martin Wieland)





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