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Title: Solidarismus - Natürliche wirtschaftliche Erlösung des Menschen Author: Diesel, Rudolf Language: German As this book started as an ASCII text book there are no pictures available. *** Start of this LibraryBlog Digital Book "Solidarismus - Natürliche wirtschaftliche Erlösung des Menschen" *** Umschließungen mit * zeigen "gesperrt" gedruckten Text an, solche mit = fett gedruckten Text, und Umschließungen mit ~ Text, der im Original in einer anderen Schriftart gedruckt war. Offensichtliche Druckfehler wurden berichtigt. Im Übrigen wurden Inkonsistenzen in der Interpunktion und Schreibweise einzelner Wörter belassen. Eine Liste mit sonstigen Korrekturen finden Sie am Ende des Buchs. Solidarismus. Natürliche wirtschaftliche Erlösung des Menschen. Von Rudolf Diesel, Ingenieur in München. [Illustration] München und Berlin. Druck und Verlag von R. Oldenbourg. 1903. Übersetzungsrecht vorbehalten. Inhaltsverzeichnis. Erstes Buch. Seite Wesen, Organisation und Wirkungen des Solidarismus 1 Kapitel 1. Die Grundlagen des Solidarismus 1 Eigentum am Arbeitsprodukt 1 Grundbegriff der Volkskasse 2 Grundbegriff des Bienenstocks 3 Kapitel 2. Organisation der Volkskasse. Volksvertrag 5 Grundlagen und Zweck der Volkskasse 5 Finanzen der Volkskasse 7 Verwaltung und Leitung der Volkskasse 8 Pflichten und Rechte der Brüder 9 Bedingungen zur Errichtung von Bienenstöcken 12 Kapitel 3. Organisation der Bienenstöcke. Arbeitsvertrag 13 Grundlagen und Zweck der Bienenstöcke 13 Verwaltung und Leitung der Bienenstöcke 14 Finanzen der Bienenstöcke 14 Die sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke 16 für das körperliche Wohl 16 für das geistig-sittliche Wohl, Geselligkeit und Erholung 17 Pflichten der Bienenstöcke zur Volkskasse und unter sich 18 Pflichten und Rechte der Bienen 18 Kapitel 4. Gesamtorganisation 21 Kapitel 5. Der Solidarismus 25 Kapitel 6. Beweis der praktischen Durchführbarkeit des Solidarismus 26 Die Produktion 26 Die Warenverteilung 28 Die sozialen Einrichtungen 30 Die schiedsmännische Selbstentscheidung 31 Die Anlage der Ersparnisse 34 Die Aufbringung der Mittel für den Solidarismus 35 Mittel der Volkskasse 35 Mittel der Bienenstöcke 40 Schlußwort zu diesem Kapitel 42 Kapitel 7. Wirkungen des Solidarismus 43 Wirkungen des Solidarismus auf das Wohl der einzelnen 44 Materielles Wohl 44 Körperliches Wohl 45 Geistig-sittliches Wohl 46 Ethische Wirkungen des Solidarismus 47 Wirkungen des Solidarismus auf das Wohl der Gesamtheit 49 Schlußwort zu diesem Kapitel 53 Kapitel 8. Wem nützt der Solidarismus? 54 Allen Abhängigen 54 Allen Selbständigen 55 Den Frauen 59 Dem Staate 61 Den Gemeinden 65 Der Kirche 65 Schlußwort zu diesem Kapitel 67 Kapitel 9. Aufruf zum Solidarismus 68 Anhänge zum ersten Buch 71 1. Statistik der Einkommensverhältnisse in Deutschland 71 2. Statistik der möglichen Brüderbeiträge zur Volkskasse 73 3. Weniger wichtige Formen der Bienenstöcke. Der Bienenstock für Arbeitsleistungen 74 4. Einiges über Produktiv- und Konsumgenossenschaften 75 5. Statistik der Spareinlagen des deutschen Volkes 77 6. Ausschlaggebende Bedeutung der großen Masse auf allen Gebieten der Volkswirtschaft 78 7. Statistik des Getränke- und Tabakverbrauchs in Deutschland 82 8. Statistische Angaben über einige Trusts 83 9. Vergleich der Jahresabrechnungen verschiedener Aktiengesellschaften mit den Abrechnungen nach Bienenstockvorschriften 84 Zweites Buch. Die solidaristischen Verträge 85 Einleitung 85 I. Erklärung des Solidarismus 86 II. Volksvertrag 87 1. Teil. Grundlagen und Zweck des Volksvertrags 87 § 1. Grundlagen 87 § 2. Zweck 87 2. Teil. Finanzen der Volkskasse 89 § 3. Vermögen der Volkskasse 89 § 4. Stammfonds 89 § 5. Anteilfonds 89 § 6. Eigentumsrecht an den Bienenstöcken 90 § 7. Sparkassenfonds 90 § 8. Gewinne der Volkskasse 90 § 9. Jahresabrechnung 90 3. Teil. Verwaltung und Leitung der Volkskasse 91 ~A.~ Volksrat 91 § 10. Bestellung des Volksrats 91 § 11. Kompetenzen des Volksrats 91 § 12. Sitzungsordnung des Volksrats 92 § 13. Abstimmungsordnung des Volksrats 93 § 14. Abänderungen des Volksvertrags 93 § 15. Bezüge der Volksräte 93 ~B.~ Präsident der Volkskasse 94 § 16. Bestellung des Präsidenten 94 § 17. Kompetenzen des Präsidenten 94 § 18. Geschäftsordnung des Präsidenten 94 § 19. Einkommen des Präsidenten 95 ~C.~ Direktorium der Volkskasse 95 § 20. Bestellung des Direktoriums 95 § 21. Kompetenzen des Direktoriums 95 § 22. Geschäftsordnung des Direktoriums 95 ~D.~ Die Delegierten der Volkskasse 96 § 23. Bestellung der Delegierten 96 § 24. Kompetenzen der Delegierten 96 ~E.~ § 25. Allgemeine Bestimmungen für alle Beamten der Volkskasse 97 4. Teil. Pflichten und Rechte der Brüder 98 § 26. Pflichten der Brüder 98 § 27. Die Brüderbeiträge 98 § 28. Brüderschein. Brüderakten 99 § 29. Rechte der Brüder 99 1. Wahlen zum Volksrat 99 2. Errichtung von Bienenstöcken 99 3. Anstellung als Bienen 99 4. Warenbezüge 100 5. Warenlieferungen 100 6. Anlage der Ersparnisse 100 7. Allgemeine Rechte 100 8. Schiedssprüche 100 § 30. Unterbrechung der Brüderrechte. Einziehung des Brüderscheins 100 5. Teil. Bedingungen zur Errichtung von Bienenstöcken 101 § 31. Anmeldebedingungen 101 § 32. Form des Antrags 101 § 33. Prüfung des Antrags und Beschlußfassung darüber 101 § 34. Ernennung der Vorstände 102 § 35. Errichtungsurkunde des Bienenstocks 102 6. Teil. § 36. Übergangsbestimmungen 102 7. Teil. Beilagen zum Volksvertrag 103 Beilage 1. Wahlordnung für den Volksrat, zu § 10 des Volksvertrags 103 Beilage 2. Muster eines Brüderscheins und Erklärung desselben 105 III. Arbeitsvertrag der Bienenstöcke 107 1. Teil. Grundlagen und Zweck der Bienenstöcke 107 § 1. Grundlagen 107 § 2. Zweck 107 2. Teil. Finanzen der Bienenstöcke 108 § 3. Kapital 108 § 4. Rechnungsmodus 108 § 5. Jahresabrechnung 109 3. Teil. Verwaltung und Leitung der Bienenstöcke 110 ~A.~ Vorstand des Bienenstocks 110 § 6. Bestellung des Vorstands 110 § 7. Kompetenzen des Vorstands 110 § 8. Geschäftsordnung des Vorstands 110 ~B.~ Vorstandsausschuß des Bienenstocks 111 § 9. Bestellung des Vorstandsausschusses 111 § 10. Kompetenzen des Vorstandsausschusses 111 § 11. Geschäftsordnung des Vorstandsausschusses 112 § 12. Einkommen der Mitglieder des Vorstandsausschusses 113 ~C.~ Jahresversammlung des Bienenstocks 113 § 13. Zusammensetzung der Jahresversammlung 113 § 14. Geschäftsordnung der Jahresversammlung 113 § 15. Kompetenzen der Jahresversammlung 114 4. Teil. Pflichten und Rechte der Bienen 114 § 16. Pflichten der Bienen 114 § 17. Die Bienenbeiträge 115 § 18. Bienenschein. Bienenakten 115 § 19. Rechte der Bienen 116 1. Wahlen zum Volksrat 116 2. Errichtung von Bienenstöcken 116 3. Anstellung als Bienen 116 4. Warenbezüge 116 5. Warenlieferungen 117 6. Anlage der Ersparnisse 117 7. Allgemeine Rechte 117 8. Schiedssprüche 117 9. Wahlen zum Vorstandsausschuß 117 10. Normaleinkommen 117 11. Urlaub 117 12. Ergänzungseinkommen 117 13. Krankheits- und Unfallzuschüsse 118 14. Invaliditäts- und Seniorenanteile 118 15. Witwen- und Waisenanteile 118 16. Erziehung von Doppelwaisen 119 17. Bestattung 119 18. Auszahlungen 119 § 20. Unterbrechung der Bienenrechte. Einziehung des Bienenscheins 119 5. Teil. Pflichten der Bienenstöcke zur Volkskasse und unter sich 120 § 21. Pflichten zur Volkskasse 120 § 22. Gegenseitige und gemeinsame Bezüge von Waren und Leistungen 120 § 23. Gegenseitige Tauschlager 120 § 24. Allgemeine Gegenseitigkeitsverpflichtungen 121 6. Teil. Die sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke 121 § 25. Allgemeine Grundsätze 121 § 26. Einrichtungen für das körperliche Wohl 122 ~a.~ Ernährung 122 ~b.~ Wohnung 122 ~c.~ Gesundheitspflege 122 § 27. Einrichtungen für das geistige und sittliche Wohl 123 ~a.~ Erziehung, Unterricht und Fortbildung 123 ~b.~ Geselligkeit und Erholung 123 § 28. Stipendienfonds 124 7. Teil. § 29. Übergangsbestimmungen 124 Erstes Buch. Wesen, Organisation und Wirkungen des Solidarismus. Kapitel 1. Die Grundlagen des Solidarismus. Eigentum am Arbeitsprodukt. Stellst du durch deine Arbeit mit eigenen Werkzeugen und Materialien ein Produkt her, so ist dasselbe dein Eigentum. Hast du nicht eigene Mittel zur Beschaffung der Materialien und Werkzeuge, so kannst du dieselben gegen übliche Verzinsung und ratenweise Rückzahlung entlehnen, wenn ein vermögender Freund, welcher Vertrauen in deine Ehrenhaftigkeit, Arbeitskraft und Fähigkeiten setzt, dafür haftet. Das Produkt deiner Arbeit oder der dafür erzielte Erlös ist auch dann dein unbestrittenes Eigentum. Schafft ihr aber zu mehreren durch gemeinschaftliche Arbeit in einem Betriebe, mit Kapital, das ihr auf Grund der Haftung eines Kapitalisten entlehnt, verzinst und ratenweise rückzahlt, ein Gut und bringt es in den Konsum, so ist das Produkt eurer gemeinsamen Arbeit oder dessen Erlös Eigentum eurer Gemeinschaft, gleichgültig ob dieselbe aus wenigen oder Hunderten von Mitgliedern besteht. Der für euren Kredit haftende Kapitalist kann zur Sicherung gegen Verluste sich das Eigentumsrecht an eurem Betriebe vorbehalten und sich ausbedingen, von diesem Rechte unter gewissen Umständen Gebrauch zu machen, etwa wenn der Betrieb Verluste bis zu einem bestimmten Betrage herbeiführen sollte; er wird auch berechtigterweise für seine Haftung und die damit verbundene Mühewaltung eine mäßige Entschädigung, vielleicht in Form einer jährlichen Prämie, fordern können. *Ihr seid demnach unbestrittene Eigentümer eures Arbeitsprodukts, d. h. Selbstunternehmer, wenn ihr aus den Erträgnissen eures Betriebes die übliche Verzinsung und ratenweise Rückzahlung des geborgten Kapitals bewerkstelligt, und wenn gleichzeitig für letzteres in unanfechtbarer Weise gehaftet wird.* Dies entspricht den Sitten und der Moral, dem Rechtsgefühl und den Gesetzen. Grundbegriff der Volkskasse. Diese Haftung könnt ihr ohne fremde Hilfe selbst leisten, wenn ihr Arbeitenden alle als geschlossene Gesamtheit auftretet und einig handelt. Ihr seid in Deutschland 50 Millionen Menschen, die von Gehalt, Lohn, Salär abhängen.[1] Wenn jeder von euch wöchentlich nur einen Pfennig in eine gemeinsame Volkskasse gibt, so werdet ihr als Gesamtheit in einer Woche eine halbe Million Mark besitzen; legt ihr dieselbe in unangreifbarer Form an, etwa in Hypotheken oder in sicheren Staatspapieren, so könnt ihr damit Bürgschaft leisten für einen Betrieb mit einer halben Million Mark Kapital, d. h. einige hundert eurer Brüder zu unabhängigen Selbstunternehmern machen, die über ihr Arbeitsprodukt frei verfügen. Die allwöchentliche Wiederholung dieses unmerklichen Opfers führt in einem einzigen Jahre zu einem Besitz der Gesamtheit von 26 Millionen Mark, mit welchem ihr im Wege der Kredithaftung vielleicht 10000 Brüdern nebst ihren Familienangehörigen, im ganzen 20000 oder 30000 Menschen, unabhängig machen könnt. Entschließt ihr euch aber, statt in jeder Woche *an jedem Tage einen Pfennig der Gesamtheit zu opfern*, so habt ihr pro Jahr 182 Millionen und in 10 Jahren schon 2 Milliarden Mark zu eurer wirtschaftlichen Erlösung zur Verfügung. Um dieses wundervolle Ziel zu erreichen, bedarf es nur einer winzigen, unfühlbaren *Leistung jedes einzelnen für die Gesamtheit und des Eintretens, des Haftens dieser Gesamtheit für die einzelnen* und deren Unternehmungen; die winzige Leistung muß aber von *allen* ohne Ausnahme vollbracht werden und sich *unablässig* wiederholen; führt ihr diesen Grundsatz mit eiserner Konsequenz durch, steht ihr zusammen wie *ein* Mann, handelt ihr zusammen wie *ein* Kopf, seid ihr unbeugsam gewillt, dieses Ziel zu erreichen, *so habt ihr auch die Macht dazu*; unaufhaltsam vermehrt sich die Wirkung, und in nicht zu ferner Zeit werdet ihr Brüder und Schwestern alle freie Herren eurer Arbeit sein. Das Geld in eurer Volkskasse, euer Gesamtkapital, wird hierbei nicht ausgegeben; es hat das Wunder bloß durch sein Vorhandensein bewirkt; die Betriebe eurer Brüder sind mit dem Kredit geschaffen, welcher ihnen durch eure Gesamtbürgschaft zuteil wurde. Wenn diese Betriebe blühen und gedeihen und nach einigen Jahren in sich selbst die Sicherheit für ihr Kapital tragen, oder wenn sie es nach und nach zurückbezahlt haben, so kann die Gesamtheit mit der hierdurch frei werdenden Bürgschaftssumme neue Betriebe ins Leben rufen und so in immer wachsendem Tempo das Werk der wirtschaftlichen Erlösung beschleunigen. Der Inhalt eurer Volkskasse aber, gebildet aus euren unaufhörlich fließenden einzelnen Pfennigen, immer vermehrt und niemals vermindert, wird mit der Zeit unermeßlich werden wie das von den unablässig fallenden Regentropfen gebildete Meer. Ihr kennt das Beispiel eines zu Anfang unserer Zeitrechnung zu 5% auf Zinseszins angelegten Pfennigs. Derselbe wäre heute zu einer Summe angewachsen, zu deren Darstellung man 5000 Millionen massiv goldener Kugeln von der Größe unserer Erde brauchen würde; diese Rechnung, auf eure *Brüderpfennige* angewendet, zeigt, daß bei einer Kopfleistung von 1 Pfennig pro Woche die 26 Millionen eurer ersten Jahressammlung allein nach 100 Jahren schon 2½ Milliarden Mark überschreiten, nach 200 Jahren 250 Milliarden Mark. Bei einer *Kopfleistung von 1 Pfennig pro Tag* aber wachsen die 182 Millionen eurer *ersten* Jahressammlung nach 100 Jahren auf 18 Milliarden und nach 200 Jahren auf 1800 Milliarden an. Diese an sich schon beinahe unfaßbar hohen Zahlen werden noch beliebig oft vervielfacht, wenn ihr nicht 1 Jahr lang, sondern 10, 20, 30 Jahre lang eure Pfennigsammlung fortsetzt. Wenn ihr also unentwegt Jahr auf Jahr, Jahrzehnt auf Jahrzehnt *täglich euren Pfennig* zur Volkskasse tragt, so werdet ihr in absehbaren Zeiten als *Gesamtheit* über ein Vermögen verfügen, für welches das Wort *unermeßlich* nicht übertrieben erscheint, auch wenn einige eurer Unternehmungen mißlingen und die Bürgschaft eurer Volkskasse von Zeit zu Zeit wirklich beanspruchen sollten. Begreift ihr die Macht der Zahl und der Zeit? Begreift ihr, daß ihr euch *selbst erlösen* könnt, wenn ihr Zahl und Zeit richtig verwendet, die *Zahl durch Einigkeit, die Zeit durch Beharrlichkeit*? Begreift ihr aber auch, daß ihr diese Macht nur habt, wenn jeder von euch, ohne Ausnahme, für die Gesamtheit wirkt, und daß ihr sie nur behaltet, wenn ihr geschlossene Gesamtheit, d. h. einig bleibt? Nehmt einmal an, ihr hättet alle während mehrerer Jahre einige Pfennige pro Woche und Kopf geopfert, dadurch eure deutsche Volkskasse gegründet und sie besitze bereits 100 oder 200 Millionen Mark; sie werde verwaltet von einem Ausschuß der Besten und Tüchtigsten unter euch, durch euer Vertrauen und von euch selbst berufen zu diesem Ehrenamt. Das Direktorium dieser eurer Volkskasse sei fest organisiert, ihre Gelder in sicherster Form zinstragend angelegt, mit der Bestimmung, daß kein Pfennig davon andern Zwecken dienen darf als ausschließlich der Haftung für den euren Betrieben gewährten Kredit. Wie werdet ihr nun diese Betriebe ins Leben rufen? Grundbegriff des Bienenstocks. Ihr wollt z. B. einen großen Betrieb zur Herstellung von Schuhen errichten. Unter denjenigen, welche durch ihre stets wiederkehrende brüderliche Leistung zur Volkskasse deren Bestehen ermöglichten -- sie seien einfach *Brüder* genannt -- sucht das Direktorium der Volkskasse diejenigen Männer als Leiter des künftigen Unternehmens aus, welche in diesem Fache den Ruf großer Fähigkeiten genießen und als Ehrenmänner bekannt sind; es schließt mit denselben einen Vertrag, welcher ihre Bezüge, ihre Rechte und Pflichten als Vorstände des Betriebes festsetzt und sie ermächtigt, das nötige Kapital -- es sei 1 Million Mark -- durch eine Anleihe aufzunehmen, welche aus den Geschäftserträgnissen zu verzinsen und innerhalb 50 Jahren in gleichmäßigen Raten an die Darleiher zurückzuzahlen ist. Die Schuldscheine, welche für diese Anleihe von der neuen Unternehmung ausgegeben werden, sind mit der unbedingten Haftungsklausel der Volkskasse sowohl für Kapital als Zins versehen; ist der Zinsfuß etwas höher, etwa um 1% als üblich, so wird den Vorständen des zu gründenden Betriebes das Kapital von selbst zufließen, denn keine andere Geldanlage bietet gleiche Vorteile und Sicherheiten. Die Schuldscheine selbst können bei Beobachtung gewisser Formen wie Banknoten als Zahlmittel dienen. Für ihre Haftung behält sich die Volkskasse das Eigentumsrecht an eurem Betriebe vor, und für ihre Bemühungen und Spesen erhält sie aus eurem Betrieb eine kleine jährliche Prämie, denn das Kapital der Volkskasse darf bestimmungsgemäß nicht angegriffen werden, also auch nicht für geschäftliche Auslagen. Mit dem Gelde dieser Anleihe errichten die Vorstände ihren Betrieb, genau wie es die Direktoren einer Aktiengesellschaft mit dem ihnen anvertrauten Kapital zu tun pflegen. Sie bringen selbstverständlich die besten Maschinen und technischen Hilfsmittel zur Anwendung, suchen sich unter der Zahl der Brüder die besten als Beamten, Meister und Arbeiter; haben sie doch hieran das größte Interesse, da das *ganze Betriebserträgnis Eigentum der Mitwirkenden ist und ihnen als Gegenwert ihrer Arbeit ausbezahlt wird*. In einem solchen Betrieb wird jeder ganz von selbst, aus eigenstem Interesse seine höchste Leistung einsetzen; jeder wird sein ganzes Können, seine ganze Zeit und Kraft dem gemeinsamen Werke widmen, dessen Resultat gemeinsames Eigentum ist. Denkt ihr dabei nicht an einen Bienenstock, in welchem jede Biene in unausgesetztem, hingebendem Fleiß am gemeinsamen Werke mithilft und in welchem der gesammelte Honig gemeinsames Eigentum aller Bienen des Stockes ist als Nahrung, nicht nur für den Augenblick, sondern auch für die Zeit des unproduktiven Winters? Kommt ihr nicht von selbst auf den Gedanken, ein solches Unternehmen einen Bienenstocksbetrieb oder kurz *Bienenstock* und dessen Mitglieder *Bienen* zu nennen? Ebenso wie für Schuhe errichtet ihr unter dem Schutze der Haftung der Gesamtheit -- der Volkskasse -- noch andere Bienenstöcke für Kleider, Wäsche, Lebensmittel, Möbel, Hausgerät usw., und in kurzer Zeit besitzt ihr einen Grundstock von Selbstbetrieben, welche die wichtigsten Lebensbedürfnisse nicht nur der darin Beschäftigten, sondern einer vielfach höheren Anzahl von Menschen herstellen können, und welche den Ausgangspunkt einer großartigen, auf Interessengemeinschaft beruhenden Organisation bilden. Da nämlich eure sämtlichen Bienenstöcke einen gemeinsamen Ursprung und einen gemeinsamen Besitzer, die Volkskasse, haben, so werden sie sich nicht gegenseitig Konkurrenz machen, sondern sich aushelfen und unterstützen. Geradezu selbstverständlich ist, daß jeder Bienenstock den andern seine Produkte zusendet für den Absatz an ihre Bienen; denn jeder Bienenstock vereinigt durch seinen Betrieb eine große Anzahl von Menschen, deren Lebensbedürfnisse am einfachsten und bequemsten am Arbeitsorte selbst befriedigt werden. -- Eure Bienenstöcke tauschen also ihre Waren aus; in jedem derselben entsteht auf diese Weise ein *Tauschlager*, dessen Waren den Bienen und deren Familienmitgliedern, aber auch den Brüdern im allgemeinen, zur Verfügung stehen, und zwar zu den denkbar billigsten Preisen, da keinerlei Zwischenspesen darauf lasten. Der Bienenstock erhöht also eure Einnahmen, indem er euch sein ganzes Betriebserträgnis auszahlt, und er erniedrigt gleichzeitig die Ausgaben für eure gesamte Lebenshaltung, indem er euch eure Lebensbedürfnisse zu den niedrigsten überhaupt erreichbaren Kosten am Arbeitsorte überläßt. Da ihr nun notwendigerweise durch eure Tätigkeit gezwungen seid, euch täglich in eurem Bienenstock zu vereinigen und eure Familien in der Nähe zu haben, so drängt sich von selbst der Gedanke auf, diese Versorgung nicht auf die materielle Seite eures Lebens zu beschränken, sondern auch auf eure sonstigen körperlichen, geistigen und sittlichen Bedürfnisse auszudehnen durch Einrichtungen, welche am besten als »*soziale Einrichtungen*« des Bienenstockes bezeichnet werden. Auf diese Weise wird der Bienenstock nicht nur ein Produktionszentrum, sondern gleichzeitig ein *Zentrum vollständiger wirtschaftlicher Versorgung* für euch und die eurigen von der Geburt an bis zum Tode. Kapitel 2. Organisation der Volkskasse. Volksvertrag. Vorhin wurde vorausgesetzt, eure Volkskasse sei bereits gegründet und fest gefügt; nunmehr ist deren Organisation zu erläutern. Grundlagen und Zweck der Volkskasse. Die Volkskasse beruht auf einem Vertrag, den die freiwillig Beitretenden unter sich abschließen; letztere werden im einzelnen, je nach ihrem Geschlecht, Brüder oder Schwestern, in ihrer Gesamtheit aber ohne Unterscheidung *Brüder* genannt; ihr Vertrag heißt kurzweg *Volksvertrag*. Die Brüder vereinbaren darin, unter sich die Errichtung von Bienenstöcken zu veranlassen, zu unterstützen und zu fördern und möglichst zahlreiche Brüder zu Bienen, d. h. zu Mitgliedern von Bienenstöcken zu machen. Bienenstöcke sind Betriebe, welche unter Ausschluß der Erzielung eines Gewinnes folgende Zwecke haben: 1. ihre gesamten Erträgnisse ihren Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit auszuzahlen und durch richtige Organisation der Arbeit und der Güterverteilung die Einnahmen der Bienen zu erhöhen, deren Ausgaben zu vermindern und ihre materiellen Bedürfnisse vollständig und in möglichst vollkommener Weise zu befriedigen; 2. durch soziale Einrichtungen auch für die Befriedigung der körperlichen, geistigen und sittlichen Bedürfnisse der Bienen und ihrer Angehörigen, wozu auch ein ausreichendes Maß von Lebensannehmlichkeiten gehört, möglichst vollständig zu sorgen; 3. durch vorsorgliche Maßnahmen die Bienen und ihre Angehörigen von der Geburt bis zum Tode vor den Folgen der natürlichen Ungleichheiten (Verschiedenheit der Gesundheit, der physischen und geistigen Fähigkeiten, der Lebensdauer) und der sozialen Schädlichkeiten (Unfälle, Arbeitslosigkeit) zu schützen; 4. nicht zum Bienenstock gehörende Brüder in möglichst großem Umfange in den Mitgenuß der aufgezählten Vorteile zu setzen. Zur Erreichung dieser Zwecke hat jeder Bienenstock in seinem Betrieb folgende Abteilungen: 1. einen Produktivbetrieb zur Herstellung von Arbeitsprodukten oder für bestimmte Arbeitsleistungen; 2. ein Tauschlager für Austausch und Verteilung der Güter; 3. die sozialen Einrichtungen; 4. die vorsorglichen Kassen, deren Führung und Kontrolle vertragsmäßig der Volkskasse zusteht, bzw. für welche dieselbe haftet. Zur Erreichung des Zwecks der Errichtung möglichst vieler Bienenstöcke vereinbaren im Volksvertrag die Brüder, regelmäßige Beiträge in eine gemeinsame Sparkasse, »Deutsche Volkskasse« oder kurzweg »Volkskasse« genannt, einzuzahlen, die angesammelten Gelder möglichst günstig anzulegen und so ein unangreifbares großes Kapital, *Stammfonds* genannt, zu bilden. Dasselbe wird unter Ausschluß jeder Gewinnerzielung nur zu folgenden gemeinnützigen Zwecken verwendet: 1. für das Kapital und den Zins der Anleihen zu haften, welche von den einzelnen Brüdergruppen zur Errichtung von Bienenstöcken aufgenommen werden, und zwar unter allen Umständen, da nur dann das nötige Vertrauen bestehen kann, den Bienenstöcken größere Kapitalien zu überlassen. Zur Erhöhung des allseitigen Vertrauens wird diese Volkskasse einer behördlichen oder staatlichen Aufsicht unterstellt; 2. für die zwischen den Bienenstöcken und ihren Bienen vereinbarten Normaleinkommen sowie Krankheits- und Unfallszuschüsse zu haften, selbst wenn die Erträgnisse des betreffenden Bienenstocks hierzu nicht ausreichen. Diese Haftung ist nur aufgehoben im Falle von Arbeitseinstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiks, da deren Wirkungen so verheerend sind, daß der Bestand der Volkskasse gefährdet wäre, wenn sie auch hierfür haften wollte. Außerdem errichtet die Volkskasse aus einem Teil der Erträgnisse aller Bienenstöcke einen gemeinsamen »*Anteilfonds*«, aus welchem den Bienen Invaliden-, Witwen- und Waisenanteile und vom 65. Lebensjahre ab Alters- oder Seniorenanteile ausbezahlt werden. Die auf diesen Grundlagen errichteten Bienenstöcke übernehmen im Volksvertrag die Gegenverpflichtung, ihre Produkte den Brüdern zu »Bienenpreisen« zu liefern. Unter Bienenpreis ist nicht bloß der Produktionspreis allein verstanden, sondern der Preis, welcher entsteht aus der Beschaffung der Materialien, der Herstellung der Ware und der Verbringung derselben in den Verkehr, d. h. aus den gesamten Betriebskosten des Bienenstocks; es ist der wirkliche, natürliche Selbstkostenpreis. Ferner übernehmen die Bienenstöcke die Verpflichtung, den Brüdern alle Lieferungen und Arbeiten für die Bienenstöcke zu übertragen und dieselben in den Genuß aller Rechte und Vorteile zu setzen, welche durch das Bestehen des Volksvertrags und der Bienenstöcke vorhanden sind oder sein werden, um deren wirtschaftliche Wohlfahrt und Unabhängigkeit zu heben. Endlich verpflichtet sich die Volkskasse, in einem besonderen *Sparkassenfonds* die Gelder und Ersparnisse der Brüder und Bienenstöcke zu verwalten und denselben den *vollen sich daraus ergebenden Zinsertrag auszuzahlen*, selbstverständlich abzüglich der Spesen. Finanzen der Volkskasse. Der Volksvertrag enthält demnach Bestimmungen über die Finanzen der Volkskasse, über den Stammfonds, den Anteilfonds, den Sparkassenfonds und die Jahresabrechnung sowie über die Prüfung derselben durch die Organe des Staates. Die Volkskasse behält unter allen Umständen das *Eigentumsrecht* an allen zur Errichtung gelangenden Bienenstöcken, während die in denselben jeweils angestellten Bienen das *Nutzungsrecht* haben, und zwar unter den Bedingungen eines besonderen Vertrags, welcher Arbeitsvertrag der Bienenstöcke heißt und einen Teil des Volksvertrags bildet.[2] Auch sind Bestimmungen vorhanden über die Verwendung freier Kapitalien zu gemeinnützigen Zwecken. Gesonderte konfessionelle oder politische Interessen dürfen dabei nicht unterstützt werden, aus dem einfachen Grunde, weil die Volkskasse lediglich zu rein wirtschaftlichen Zwecken gebildet ist und ihre Mittel nur für solche verwenden darf. Der Betrieb der Volkskasse geschieht nicht zum Erwerb, sondern ausschließlich für die geschilderten gemeinnützigen Zwecke; Gewinne oder Überschüsse sind daher nicht vorhanden. Dagegen darf die Volkskasse auch keine Spesen selbst tragen und muß sich dieselben grundsätzlich ersetzen lassen. Verwaltung und Leitung der Volkskasse. Der Volksvertrag enthält ferner Bestimmungen über die Verwaltung und Leitung der Volkskasse. Die Verwaltung geschieht durch einen Ausschuß von Vertrauensleuten, welcher unter den besten und tüchtigsten, schon in reiferem Alter stehenden und erfahrenen Bienen, nach einer bestimmten Wahlordnung, von der Gesamtheit der über 25 Jahre alten Brüder auf je 5 Jahre gewählt wird. Daß dieser Ausschuß aus Bienen, d. i. Mitgliedern von Bienenstöcken bestehen muß, ist selbstverständlich, da sie nur als solche die nötigen Erfahrungen für ihr Amt gesammelt haben können. Die Gesamtheit dieses Ausschusses heißt der *Volksrat*. Die Zahl der Mitglieder desselben richtet sich nach der Zahl der dem Volksvertrag angehörenden Brüder und beträgt eines für jede halbe Million, darf jedoch unter eine gewisse Mindestzahl, etwa 9, nicht heruntergehen. Der Volksrat ist Vertreter und Bevollmächtigter der Gesamtheit der Brüder; er entscheidet in regelmäßig stattfindenden Tagungen über alle die Ausführung des Volksvertrags und die Verwaltung der Volkskasse betreffenden Angelegenheiten, über die bestmögliche Verwertung und Anlage ihres Vermögens, über die Wahl von Beamten der Volkskasse und die Errichtung von Bienenstöcken und hat bei eventuellen Differenzen in Angelegenheiten der Volkskasse und der Bienenstöcke durch *kostenlosen Schiedsspruch unter Ausschluß der Gerichte* zu entscheiden, jedoch stets erst nach vorhergegangenem *Vermittlungsversuche*. Der Volksrat hat das Recht, die Öffentlichkeit seiner Sitzungen für die Brüder zu beschließen; alle Schiedsspruchsitzungen sind von Rechts wegen öffentlich. Der Volksrat hat auch die Befugnis, von seinem Eigentumsrecht Gebrauch zu machen und einen Bienenstock aufzulösen, jedoch nur unter gewissen, voraus bestimmten Verhältnissen, z. B. wenn ein Bienenstock mehrere Jahre hindurch mit starken Verlusten arbeitet und damit selbst beweist, daß sein Dasein keine Berechtigung hat, oder wenn ein Bienenstock die eingegangenen Vertragsbedingungen nicht einhält oder durch Streiks und Gewaltmittel Sondervorteile erreichen will. Die Beschlüsse der Volksräte, mit Ausnahme der Wahlen und Bestellung von Beamten, werden unter Angabe der Namen und der einzelnen Abstimmungen veröffentlicht. Die Volksräte bleiben während ihrer Tagungen im vollen Bezug ihrer Einkommen aus ihren Bienenstöcken und beziehen von der Volkskasse eine Entschädigung für ihre Mühewaltung. Es ist denselben verboten, Orden und Titel anzunehmen, um in ihrer ungemein wichtigen und großen Aufgabe der Verwaltung der Volkskasse unbeeinflußt zu bleiben. Die eigentliche Leitung der Geschäfte der Volkskasse, d. h. die Ausführung der Beschlüsse des Volksrats, geschieht durch das *Direktorium*, welches aus einer durch den Volksrat zu bestimmenden Anzahl und von diesem zu erwählenden *Direktoren* besteht. Das Direktorium ist auch der gesetzliche Vertreter der Volkskasse nach außen. Da ein direkter geschäftlicher Verkehr zwischen den einzelnen Volksräten und Direktoren undurchführbar ist, so erwählen die Volksräte aus ihrer Mitte, als ihren ständigen Bevollmächtigten und Vermittler zwischen dem Volksrat und dem Direktorium einen höchsten Beamten, den *Präsidenten der Volkskasse*, welcher die Beschlüsse des Volksrates ausfertigt und deren Durchführung veranlaßt und überwacht, welcher ferner in Ausführung der Beschlüsse des Volksrats die Beamten der Volkskasse ernennt oder entläßt und sie auf den Volksvertrag verpflichtet, welcher ferner im Namen der Volkskasse Verträge abschließt und nach Bedarf außerordentliche Tagungen des Volksrates einberuft. Nur ein Volksrat, welcher schon 5 Jahre lang als solcher tätig war, kann zum Präsidenten gewählt werden, niemals aber zweimal hintereinander; diese Bestimmung sichert einerseits die nötige Erfahrung, anderseits die nötige periodische Auffrischung für dieses wichtige Amt der Volkskasse. Da die Volkskasse ihren Wirkungskreis über das ganze Land erstreckt, so muß sie in den einzelnen Bezirken desselben und bei den einzelnen Bienenstöcken durch Bevollmächtigte, die *Delegierten der Volkskasse*, vertreten sein. Diese vermitteln zwischen den Brüdern und Bienenstöcken ihres Bezirks und der Volkskasse und berichten laufend an letztere über ihre Geschäfte; sie wohnen den Vorstandssitzungen der ihnen zugewiesenen Bienenstöcke beratend bei und haben das Recht, Anträge zu stellen; sie nehmen in deren Bücher und Akten, Betriebe und Einrichtungen, überhaupt in ihre Geschäftsführung Einsicht und unterstützen deren Vorstand mit Rat und Tat; sie nehmen ferner die Anträge der Brüder aus ihren Bezirken auf Errichtung neuer Bienenstöcke entgegen und begutachten dieselben bei der Volkskasse; sie vertreten in allen Lagen das *Interesse der Gesamtheit* der Brüder gegen alle etwaigen Sonderinteressen und haben zu bestimmten Tagen und Stunden die sich meldenden Bienen und Brüder persönlich zu empfangen, deren Wünsche und Anträge zu hören, zu prüfen und ihnen die geeignete Folge zu geben. Sie sind auch die natürlichen Vermittler bei Differenzen zwischen den Bienenstöcken und Brüdern und haben, im Falle ihre Vermittlung mißlingt, den Schiedsspruch der im Volksvertrag vorgesehenen Instanzen herbeizuführen. Die Delegierten selbst sind wieder unterstützt teils durch bezahlte Beamten, teils durch freiwillige *Ortsvertreter*. Die Brüder und Bienen haben die Pflicht, derartige kleine Ämter, welche zur Förderung der gemeinsamen Zwecke dienen, unentgeltlich zu übernehmen und in ihren Kreisen hierfür zu wirken. Die Beziehungen des Volksrats zu den verschiedenen Beamten der Volkskasse sowie die Beziehungen der letzteren unter sich, der Kreis ihrer Tätigkeit, ihre Kompetenzen, Geschäftsordnungen und Bezüge sind selbstverständlich im Volksvertrag sorgfältig festgestellt. Derselbe enthält auch für alle Beamten der Volkskasse die Bestimmung, daß sie weder Orden noch Titel annehmen dürfen und daß der geschäftliche Verkehr der Volkskasse sich in den einfachsten Formen unter Weglassung von Titulaturen und nicht sachlichen Formeln und Formalitäten zu bewegen hat. Pflichten und Rechte der Brüder. Von besonderer Wichtigkeit ist derjenige Teil des Volksvertrags, welcher die Pflichten und Rechte der Brüder behandelt. Die allgemeinsten und vornehmsten Pflichten der Brüder sind das *Wirken des einzelnen für die Gesamtheit sowie unantastbare Ehrenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit*. Der Volksvertrag beruht auf dem gegenseitigen Vertrauen, daß die versprochene Vertragstreue eingehalten, d. h. der Volksvertrag anerkannt werde, und daß die Brüder alles tun, was die Interessen und Zwecke der Volkskasse fördert, und alles unterlassen, was der Volkskasse, den Bienenstöcken und den Brüdern Nachteile bringen kann. Insbesondere wird das Nehmen und Geben von Provisionen in Angelegenheiten der Volkskasse und Bienenstöcke verboten. Neben diesen allgemeinen Pflichten der Brüder sind einige besondere Pflichten zu erfüllen; die wichtigsten derselben sind die Zahlung regelmäßiger Beiträge an die Volkskasse, *Brüderbeiträge* genannt, der *Bezug aller Lebensbedürfnisse aus Bienenstöcken*, soweit diese dazu ausreichen, sowie endlich die Vorlage aller ihrer Differenzen in Sachen des Volksvertrags unter *Ausschluß der Gerichte* an die Volkskasse und die *Unterwerfung unter deren Schiedsspruch*. Die Höhe des Brüderbeitrags ist grundsätzlich monatlich 1 Mark; sie darf jedoch für die kleinen Einkommen bis etwa 1500 Mark im Jahr auf den Mindestbeitrag von monatlich 50 Pfennig reduziert werden; das entspricht fast genau dem in Kapitel 1 vorgeschlagenen täglichen Pfennig pro Kopf.[3] Brüder mit Einkommen über 3000 Mark mögen selbst ihren Beitrag entsprechend erhöhen; in Anbetracht der von den Brüdern übernommenen Pflicht der Ehrenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit wird die Bemessung der Brüderbeiträge nicht kontrolliert. Als Brüder werden nur Personen aufgenommen, welche das 17. Jahr vollendet haben; unter diesem Alter genießen dieselben als Familienmitglieder von Brüdern mit diesen die Vorteile der Volkskasse ohne Beitragsleistung. Über 17 Jahre alt, müssen sie hierzu selbst Brüder sein. Es leuchtet ein, daß es praktisch undurchführbar wäre, die Brüderbeiträge täglich und pfennigweise einzuzahlen; es ist daher eine möglichst einfache, wenig Zeit und Mühe nehmende Methode für die Beitragsleistung gewählt, welche beinahe keine Verwaltung erfordert, auch schon zu den feststehenden Lebensgewohnheiten gehört, nämlich das Einkleben von Wertmarken in hierzu bestimmte Karten, monatlich einmal. Diese Karten heißen *Brüderscheine*; sie sind streng persönlich und dienen den Brüdern als Legitimation bei Ausübung aller ihrer Rechte, wobei die Wertmarken von Zeit zu Zeit entwertet werden, z. B. beim Bezug von Waren aus Bienenstöcken u. dgl. Jeder ausgefüllte Brüderschein wird durch den Delegierten des Bezirkes gegen einen neuen umgetauscht, eventuell per Post, bei welcher Gelegenheit der Delegierte entsprechende Eintragungen in die *Brüderakten* vornimmt, welche er für alle Brüder seines Bezirkes zu führen hat. Bemerkungen über das politische oder religiöse Bekenntnis der Brüder dürfen diese Akten nicht enthalten. Beim Wohnsitzwechsel eines Bruders wird dessen Brüderakt dem Delegierten seines neuen Wohnsitzes übergeben. Diese Brüderakten sind die Grundlage der Volkskasse für ihre Statistik über Produktion, Konsum, Arbeitsmarkt, Anzahl der Brüder etc. Damit diese Akten immer richtig seien, enthält jeder Brüderschein nur 12 Markenfelder, wodurch die Erneuerung jedes Jahr einmal automatisch erfolgt. Die Brüder müssen ihren Brüderbeitrag mindestens für die letztverflossenen 12 Monate ohne Einziehung des Brüderscheins geleistet haben, um im Vollbesitz der *Brüderrechte* zu sein. Man kann daher vom 16. Jahre ab Brüderbeiträge leisten und mit dem 17. Jahre Bruder werden. Auch die Rechte der Brüder sind im Volksvertrag genau aufgezählt. Das allgemeinste und vornehmste Recht der Brüder ist das *Eintreten der Gesamtheit für jeden einzelnen*. Im besonderen haben die Brüder folgende Rechte: Auf Grund der Wahlordnung die *Volksräte zu wählen*; neue *Bienenstöcke zu errichten*, soweit der Stammfonds der Volkskasse jeweils für die entsprechenden Haftungen ausreicht; in vorhandenen Bienenstöcken *als Bienen angestellt zu werden*, soweit dies möglich ist und soweit sie ihren Brüderbeitrag mindestens 60 Monate ohne Einziehung des Brüderscheins geleistet haben und die sonstigen im Arbeitsvertrag der Bienenstöcke genannten Bedingungen hierzu erfüllen; von den Bienenstöcken *Waren und Leistungen zu Bienenpreisen* für sich und ihre unter 17 Jahre alten Angehörigen *zu erhalten*, bzw. *Lieferungen und Leistungen für Bienenstöcke auszuführen*; die Volkskasse als *Sparkasse* für ihre Ersparnisse zu benutzen gegen Auszahlung des *vollen* sich daraus ergebenden Zinsertrages; endlich in Streitfällen *kostenfreien Schiedsspruch* durch die Organe der Volkskasse zu erlangen. Die Erfüllung der Brüderpflichten ist eine *freiwillige*, die Nichterfüllung bedeutet demnach freiwilligen Austritt aus dem Volksvertrag und Verzicht auf die Brüderrechte. In diesem Falle wird der Brüderschein eingezogen, worüber der Volksvertrag präzise Bestimmungen enthält, namentlich um Irrtümer und Benachteiligungen zu vermeiden. Insbesondere darf die Einziehung nur bei Ausübung eines Brüderrechtes stattfinden, also niemals für eine Handlung im Privatleben an sich. Wenn die Pflicht der Ehrenhaftigkeit selbstverständlich als eine ganz allgemeine aufzufassen ist, so kommt doch in Sachen der Brüderscheine allein das Verhältnis zum Volksvertrag in Betracht. Hierdurch ist Denunziation, Beaufsichtigung des Privatlebens etc. ausgeschlossen. Etwa doch vorkommende Übergriffe oder Irrtümer können durch die vorgesehenen Rekurse gutgemacht werden. Rechte, welche bis zum Tage der Einziehung erworben waren, können unter *keinen Umständen entzogen werden*; die Brüderrechte können auch jederzeit wieder erworben werden durch 12 Monate langes Einzahlen eines Brüderbeitrags an die Volkskasse ohne neuerliche Einziehung des Brüderscheins. *Ein Strafrecht der Volkskasse gegenüber den Brüdern existiert nicht*; daher enthält der Paragraph über die Einziehung der Brüderscheine keine Aufzählung von Vergehen und Abstufung von Strafen, sondern nur allgemein Erfüllung oder Nichterfüllung der Brüderpflichten. Mit der Ehrenhaftigkeit ist kein Kompromiß möglich; man gehört daher zur Volkskasse oder nicht; Zwischendinge sind unmöglich. Sollte trotz dieser Einfachheit manchmal ein Zweifel vorkommen, so ist derselbe stets zugunsten des betreffenden Bruders auszulegen; außerdem ist der Weg zum Wiedereintritt immer offen und wird so leicht als möglich gemacht. Die Einziehung des Brüderscheins ist lediglich das äußere Merkmal für die Auflösung des Vertragsverhältnisses, aber keine Strafe. Bedingungen zur Errichtung von Bienenstöcken. Endlich enthält der Volksvertrag Bestimmungen über die Errichtung von Bienenstöcken, die Form der betreffenden Anträge, die Art der Prüfung und Genehmigung bzw. Ablehnung derselben, die Ernennung des Vorstandes der zu errichtenden Bienenstöcke und die Aufstellung der Errichtungsurkunde derselben. Selbstverständlich steht der Volkskasse selbst die Initiative zur Errichtung von Bienenstöcken zu, aber auch die Brüder haben das Recht, Anträge dazu zu stellen. Dieses Antragsrecht bezweckt, der Volkskasse aus allen Teilen des Landes her, aus den daran am meisten interessierten Kreisen, Anregungen zu industriellen Unternehmungen zu geben. Um jedoch von vornherein unreife Vorschläge zu vermeiden, haben nur solche Mitglieder der Volkskasse das Antragsrecht, welche mindestens 5 Jahre lang ihre Brüdertreue bewährt und dadurch schon Erfahrungen in Volkskassen-Angelegenheiten gesammelt haben. Es handelt sich dabei nicht darum, bei den Organen der Volkskasse aufs Geratewohl einen solchen Antrag zu stellen, vielmehr muß derselbe von den Antragstellern in jeder Beziehung gründlich erwogen und begründet sein; zu diesem Zweck erhalten die Antragsteller Formulare, welche eine Anzahl von Fragen stellen, aus deren wahrheitsgetreuer Beantwortung ein Urteil möglich ist über die Persönlichkeit der Antragsteller selbst und deren Fähigkeiten, sowie über die Art des beabsichtigten Betriebes, dessen finanzielle und technische Grundlagen, die Wahl des Ortes und die Chancen, die er bietet, die Möglichkeit der Beschaffung des Personals usw. *Fragen über das politische oder religiöse Bekenntnis der Antragsteller dürfen dabei nicht gestellt werden.* Gleichzeitig mit dem Antrag haben die Antragsteller für die Kosten des Verfahrens eine, allerdings verhältnismäßig geringe, Geldsumme zu deponieren, welche zu dem Kapital des zu errichtenden Bienenstocks im Verhältnis steht, und welche ihnen bei Errichtung des Bienenstocks zurückvergütet wird, bei Nichterrichtung desselben jedoch der Volkskasse verbleibt. Nur durch dieses Mittel ist es möglich zu verhindern, daß bei der Volkskasse ungenügend vorbereitete oder unüberlegte Anträge gestellt werden, durch welche derselben unnütze Arbeiten und Kosten erwachsen. Die so vorbereiteten Anträge werden durch die Organe der Volkskasse sorgfältig geprüft unter Zuziehung der Antragsteller und hierauf entweder unter Angabe der Gründe abgelehnt oder definitiv genehmigt. Im letzteren Falle ernennt die Volkskasse die Vorstände des zu errichtenden Bienenstocks meist aus dem Kreise der Antragsteller selbst und schließt mit ihnen die Dienstverträge ab; die so ernannten Vorstände haben hierauf durch ihre Unterschrift die Errichtungsurkunde des neuen Bienenstocks anzuerkennen. Diese enthält die Verpflichtung auf den allen Bienenstöcken gemeinsamen Arbeitsvertrag der Bienenstöcke (siehe nächstes Kapitel) sowie auf diejenigen Bestimmungen, welche für den betreffenden Bienenstock speziell vereinbart sind, also über die Höhe des Anleihekapitals, die Aufstellung der Bilanzen u. dgl. Hierauf gehen die Vorstände in ganz ähnlicher Weise vor wie etwa die Direktoren einer neu errichteten Aktiengesellschaft; sie bauen ihre Werkstätten, richten dieselben ein, stellen ihr Personal an und setzen ihren Betrieb in Gang. Der Unterschied gegen andere Betriebsformen ist beim Bienenstock der, daß außer dem technischen oder produktiven Betrieb von vornherein ein Tauschlager für die wichtigsten Lebensbedürfnisse und die Gesamtheit der nötigen sozialen Einrichtungen für die Bienen mit zu errichten ist. Kapitel 3. Organisation der Bienenstöcke. Arbeitsvertrag. Die Grundbegriffe der Bienenstöcke wurden in Kapitel 1 aus den natürlichen Bedingungen gemeinsamer Produktion abgeleitet. Zum vollen Verständnis derselben ist eine nähere Erläuterung ihrer Organisation erforderlich. Grundlagen und Zweck der Bienenstöcke. Die Errichtung eines Bienenstocks durch die Volkskasse nach Maßgabe des Volksvertrags erfolgt, wie schon am Schlusse des vorigen Kapitels erwähnt, auf Grund von Bestimmungen, welche für alle Bienenstöcke dieselben sind und auf welche sowohl die Vorstände als sämtliche Bienen verpflichtet werden; dieselben enthalten die Bedingungen, unter welchen das gemeinsame Arbeiten in dem Bienenstock stattfindet, und die Beziehungen der Bienenstöcke zur Volkskasse und unter sich; die Gesamtheit dieser Bestimmungen bildet einen Vertrag, geschlossen zwischen den jeweiligen Mitgliedern des Bienenstocks als Nutznießer und der Volkskasse als Eigentümerin desselben. Dieser Vertrag heißt »*Arbeitsvertrag der Bienenstöcke*«. Er enthält zunächst dieselbe Definition des Bienenstocks, welche auch im Volksvertrag enthalten ist (siehe Kapitel 2) und deshalb hier nicht wiederholt wird. Es geht daraus hervor, daß der Bienenstock die natürliche Vereinigung eines Produktionszentrums für einzelne Waren mit einem Konsumzentrum für alle Arten von Waren ist und gleichzeitig ein Zentrum vollständiger wirtschaftlicher Versorgung seiner Bienen und deren Angehörigen von der Geburt an bis zum Tode und in allen Lebenslagen. Der Bienenstock erfüllt diese Aufgabe mit ganz einfachen, natürlichen Mitteln und im wesentlichen selbständig. Die Intervention der Volkskasse findet nur in wenigen Dingen statt, und nur in solchen, welche die gemeinsamen Interessen aller Bienenstöcke betreffen. Das Arbeitsprodukt des Bienenstocks ist das Resultat einer dreifachen Tätigkeit: dem Beschaffen der Materialien, dem Verarbeiten derselben und der Verteilung der fertigen Ware; das Erträgnis dieses Arbeitsprodukts ist Eigentum aller derjenigen, welche in einer der genannten drei Richtungen daran arbeiteten, gleichgültig in welcher Eigenschaft. Der Arbeitsvertrag der Bienenstöcke enthält alle Bestimmungen über die Organisation einer solchen Gemeinschaft. Verwaltung und Leitung der Bienenstöcke. Der Bienenstock ist ein *Selbstbetrieb*; die Bienen teilen sich in die Arbeit und in die Erträgnisse; sie sind alle *Teilhaber* des Geschäftes; sie haben die uneingeschränkte Nutznießung und Verwaltung desselben; sie leiten ihr Geschäft selbst durch eine Anzahl von Vertrauensleuten, welche sie aus ihrer Mitte unter den Beamten, Meistern und Arbeitern erwählen, und welche zusammen mit den von der Volkskasse ernannten Vorständen und mit dem Bienenstockarzt den *Vorstandsausschuß* des Bienenstocks bilden, welcher seine Sitzungen nach Bedarf abhält; der Delegierte der Volkskasse wohnt dessen Sitzungen beratend bei. Dieser Ausschuß verfaßt die Arbeitsordnung des Bienenstocks, stellt die Bienen an, schließt mit ihnen die Dienstverträge, entscheidet über alle Geschäfts- und Verwaltungsangelegenheiten des Bienenstocks und kontrolliert die Ausführung seiner Beschlüsse. Der Vorstandsausschuß hat auch nach den Bestimmungen des Arbeitsvertrags bei Streitigkeiten Vermittlungsversuche zu machen, bzw. seinen Schiedsspruch abzugeben. Die gewählten Mitglieder des Vorstandsausschusses beziehen für ihre Tätigkeit ein um 10% erhöhtes Normaleinkommen. Der *Vorstand* ist der Vollstrecker der Beschlüsse des Ausschusses und der Vertreter der Bienenstöcke nach außen im Sinne des Handelsgesetzes. In einer *jährlichen Versammlung* aller Bienen des Stockes gibt der Ausschuß Rechenschaft über seine Tätigkeit; jede Biene hat dort das Recht der *freien Diskussion* aller Geschäftsvorgänge und das Recht, durch die *Wahl* der Ausschußmitglieder ihrer Ansicht Geltung zu verschaffen; auch das Recht, in den Ausschuß *gewählt* zu werden, wenn sie das Vertrauen der übrigen Bienen genießt. Bei außergewöhnlichen Ereignissen können auch außerordentliche Versammlungen einberufen werden. Finanzen der Bienenstöcke. Ferner behandelt der Arbeitsvertrag die Finanzen der Bienenstöcke. Das Anlage- und Betriebskapital derselben wird beschafft durch Aufnahme einer verzinslichen, in 50 Jahresraten aus den Einnahmen rückzahlbaren Anleihe, für deren Kapital und Zinsen die Volkskasse unter allen Umständen haftet. Die Abrechnung des Geschäftsjahres des Bienenstocks geschieht nach denselben Grundsätzen wie in einem Geschäfte, in welchem eine Anzahl Teilhaber, ohne fremde Hilfe beizuziehen, sich in die Arbeit teilen. Die Teilhaber ziehen von ihren Bruttoeinnahmen zunächst die Geschäftsunkosten aller Art ab, zu welchen selbstverständlich vorläufige Akonto Entnahmen zur Bestreitung ihrer laufenden Lebensbedürfnisse nicht gehören; sie bringen ferner in Abzug etwaige Rückzahlungen, welche sie laut eingegangener Schuldverpflichtungen für entliehenes Kapital zu leisten haben, sowie die vereinbarten Zinsen für solche Anleihen; endlich bringen sie in Abzug Sicherstellungen für zweifelhafte Debitoren, Abschreibungen und gewisse Reserven für alle Fälle der Zukunft, Neuanschaffungen u. dgl. Der Rest ist das Erträgnis des Geschäftes, welches unter die Teilhaber nach den unter ihnen bestehenden Vereinbarungen verteilt wird, selbstverständlich unter Abzug der im Laufe des Jahres von jedem einzelnen für seine laufenden Bedürfnisse im voraus entnommenen Beträge. Derselbe Rechnungsmodus wird im Arbeitsvertrag auch für den Bienenstock festgelegt, welcher sich von dem eben beschriebenen Geschäft nur dadurch unterscheidet, daß die Teilhaber zahlreicher sind. Nach Abzug der laufenden Geschäftsunkosten und der Beträge für Zinsen und zurückzuzahlende Kapitalien sowie nach vorsichtigen Sicherstellungen für zweifelhafte Debitoren, Abschreibungen und Rücklagen sowie einen Abzug für Dotierung eines Stipendienfonds für allgemeine Zwecke *gehört das gesamte Erträgnis den Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit*. Auch sie entnehmen hiervon schon im Laufe des Jahres entsprechende Beträge voraus, welche der Ordnung halber von vornherein vereinbart sind und *Normaleinkommen* heißen, weil sie zur Bestreitung ihrer laufenden, normalen Lebensbedürfnisse dienen; im Laufe des Jahres werden auch die vereinbarten *Zuschüsse für Krankheiten und Unfälle* entnommen. Der nunmehr verbleibende Rest, das *Resterträgnis*, gelangt unter den Bienen zur Verteilung. Aber ebenso wie die Bienen als vorsichtige Geschäftsleute ihren Betrieb durch genügende Rücklagen gegen Überraschungen und unvorhergesehene Schicksalsschläge schützen, werden sie auch als sparsame und vorsorgliche Privatleute durch entsprechende Rücklagen für ihr Alter, etwaige Invalidität sowie für ihre eventuellen Witwen und Waisen sorgen. Deshalb bestimmt der Arbeitsvertrag der Bienenstöcke, daß die *Hälfte* des Resterträgnisses für diese Fälle zurückzulegen und *bei der Volkskasse* in einen allen Bienenstöcken gemeinsamen *Anteilfonds* zur Verwahrung und Anlage zu hinterlegen ist. Die Volkskasse zahlt dann daraus die *Senioren-*, *Invaliden-*, *Witwen-* und *Waisenanteile* aus, wenn die Zeit dazu gekommen ist. Die *zweite Hälfte* des Resterträgnisses wird an die Bienen als *Ergänzungseinkommen* ausbezahlt und kann getrost und mit gutem Gewissen von denselben zur Verbesserung ihres materiellen Daseins und ihrer Lebensannehmlichkeit verwendet werden. Die Verteilung des Ergänzungseinkommens findet genau in dem Verhältnis der Normaleinkommen statt; denn letztere werden zwischen dem Vorstandsausschuß und den Bienen nach ihren Fähigkeiten, ihrem Verhalten und ihren Leistungen frei vereinbart und bilden den Maßstab für den Nutzen, den sie dem Bienenstock leisten. *Ihrer Leistung entsprechend sind die Bienen am Gesamterträgnis beteiligt*; dieser proportional ist nicht nur das Normal- und Ergänzungseinkommen, sondern auch der Senioren-, Invaliditäts-, Witwen- und Waisenanteil und jedes Einkommen überhaupt aus dem Bienenstock, welchen Namen es haben möge. Für den Fall, daß die Erträgnisse des Bienenstocks zur Verteilung von Ergänzungseinkommen nicht ausreichen, entfallen dieselben selbstverständlich; sollten dieselben jedoch auch zur Auszahlung der vereinbarten Normaleinkommen sowie der Krankheits- und Unfallszuschüsse nicht ausreichen, so *leistet die Volkskasse unter allen Umständen, ausgenommen bei Arbeitseinstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiks, die Differenz*, sowie sie ja auch für *Kapital und Zins der Anleihe unbedingt haftet*, falls der beinahe undenkbare Fall eintreten sollte, daß die Bruttoeinnahmen auch hierfür nicht ausreichen. Trotzdem die Volkskasse Eigentümerin des Bienenstocks ist, verlangt dieselbe aus ihm *keinen Gewinn* und kann auch keinen erhalten, da das *Gesamterträgnis den Bienen gehört*. Da die Volkskasse aber grundsätzlich ihren Stammfonds nicht durch Spesen angreifen darf, so muß sie die mit ihrer Mühewaltung verbundenen Kosten decken und zwar in Form einer kleinen Prämie, welche sich nach der Höhe des Anleihekapitals des Bienenstocks richtet und zu den laufenden Geschäftsunkosten des letzteren rechnet. Auf diesen Grundlagen stellt der Vorstandsausschuß des Bienenstocks alljährlich die *Jahresabrechnung* fest und rechnet mit den Bienen und der Volkskasse darüber ab. Die sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke. Die sozialen Einrichtungen sind nicht freiwillig, sondern für jeden Bienenstock *obligatorisch*, und zwar in dem Umfange, wie sie von den Bienen und Brüdern beansprucht werden; deshalb enthält der Arbeitsvertrag der Bienenstöcke hierüber bestimmte Vorschriften. Diese Einrichtungen unterscheiden sich in solche für das körperliche Wohl und solche für das geistig-sittliche Wohl; zu letzteren gehören auch diejenigen für Geselligkeit und Erholung. Einrichtungen für das körperliche Wohl. Jeder Bienenstock hat eine besteingerichtete *Speisehalle* zu errichten und den Benutzern darin gut zubereitete, nahrhafte und wohlschmeckende Kost zu Bienenpreisen sowie gutes Trinkwasser, Tee und Kaffee unentgeltlich zu verabreichen. Der Bienenstock hat ferner für gute und *hygienische Wohnungen* für seine Bienen zu sorgen und denselben zu Bienenpreisen mietweise zu überlassen. Diese Wohnungen dürfen niemals an die Bienen verkauft werden, um ein Abhängigkeitsverhältnis derselben vom Bienenstock zu vermeiden. Auch zur Beschaffung behaglicher Wohnungseinrichtungen zu Bienenpreisen hat der Bienenstock behilflich zu sein. Für ledige Bienen, Männer und Frauen, sind *Logierhäuser* und *Heime* anzulegen, die ebenfalls zu Bienenpreisen benutzbar sind. Jeder Bienenstock hat ferner ein seinem Umfang entsprechendes, mit allen Hilfsmitteln versehenes, vorzüglich eingerichtetes *Krankenhaus* zu errichten. Dasselbe soll eine getrennte *Abteilung für Wöchnerinnen* in Verbindung mit einem *Säuglingsheim* haben, in welche die Aufnahme ohne Unterscheidung der Ehelichkeit oder Unehelichkeit stattfindet. Diese Anstalten stehen unter der Leitung eines oder mehrerer festangestellter *Bienenstockärzte*; letztere haben überdies die laufende Aufsicht über die hygienischen Verhältnisse sowohl des Betriebes als der Wohnungen, der Schulen und Erziehungsanstalten; sie halten für die Bienen *Sprechstunde am Sitze des Bienenstocks* ab und pflegen kranke Bienen im Krankenhaus oder zu Hause. *Keine* Kategorie von Krankheiten ist hiervon *ausgeschlossen*. Ferner hat jeder Bienenstock die vollkommensten *Einrichtungen zur Verhütung von Unfällen und Betriebskrankheiten* zu treffen und gesonderte *Umkleide- und Waschräume, Douchen-, Wannen- und Schwimmbäder* sowie *Spiel- und Turnplätze* anzulegen. Ferner haben die Bienenstöcke *Genesungsheime* für Rekonvaleszenten einzurichten und alljährlich eine möglichst große Anzahl von Kindern in *Ferienkolonien* zu schicken. Die Benutzung sämtlicher Krankheits- und Hygieneeinrichtungen, die ärztliche Pflege und die Lieferung von Arzneien und Krankengeräten sind *kostenlos*. Einrichtungen für das geistig-sittliche Wohl, für Geselligkeit und Erholung. Jeder Bienenstock hat zur *kostenlosen Benutzung* zu halten: 1. Kinderhorte und Kleinkinderschulen; 2. Elementarschulen, da, wo die vorhandenen Schulen nicht ausreichen oder zu weit entfernt sind; 3. Lehrlingswerkstätten in Verbindung mit Fortbildungsschulen, deren Kurse nur in den Tagesstunden stattfinden; 4. Haushaltungsschulen für Mädchen in Verbindung mit den Heimen für ledige weibliche Bienen; 5. Schulen für weibliche Erwerbsarbeiten für nicht mehr schulpflichtige Mädchen; 6. Vortragszyklen für Erwachsene; 7. eine Bibliothek guter Bücher; 8. einen Gesellschaftssaal für zwanglose Zusammenkünfte und gesellige Veranstaltungen aller Art, wie Musik, Gesang, Vorträge, Spiele usw. Alle diese Einrichtungen stehen den Bienen und ihren Familienangehörigen kostenlos zur Verfügung; selbstverständlich sind dieselben *frei*, davon Gebrauch zu machen oder nicht. Von besonderer Wichtigkeit ist aber die im Arbeitsvertrag festgesetzte Verpflichtung der Bienenstöcke, ihre gesamten sozialen Einrichtungen auch den *Brüdern*, also den bloßen Mitgliedern der Volkskasse, gegen Legitimation durch ihren Brüderschein zur Benutzung zu überlassen, und zwar unter denselben Bedingungen wie den Bienen selbst. Pflichten der Bienenstöcke zur Volkskasse und unter sich. Der Arbeitsvertrag bestimmt, daß jeder Bienenstock ein Lager seiner eigenen Produkte und der laufenden Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände aus andern Bienenstöcken zu halten und den Brüdern zu Bienenpreisen abzugeben hat. Durch diese Lager tauschen die Bienenstöcke ihre Arbeitsprodukte gegenseitig gegen Verrechnung zu Bienenpreisen aus: sie heißen daher *Tauschlager*. Für solche Waren, welche nicht unmittelbar zu liefern sind, ist statt des Tauschlagers ein Musterlager zu halten, nach dessen Mustern bestellt wird. Jeder Bienenstock hat somit den andern Bienenstöcken als kostenlose Absatzstelle ihrer Waren zu dienen, und diese Gegenseitigkeit der Leistungen und Unterstützungen findet überhaupt im weitesten Sinne für Vertretungen, Auskünfte, Geldoperationen usw. statt, so daß *jeder Bienenstock als Filiale der andern fungiert*, selbstverständlich gegen Ersatz der Spesen. Diese Verpflichtung hat der Bienenstock auch der Volkskasse gegenüber; er hat insbesondere dem Delegierten der Volkskasse die erforderlichen Räume, Beamten und sonstigen Hilfsmittel unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Wenn mehrere Bienenstöcke einen gemeinsamen Delegierten haben, so teilen sie sich in diese Kosten. Selbstverständlich ist die Bestimmung, daß ein *Bienenstock Waren und Arbeiten nur an Bienenstöcke und Brüder liefern oder nur von solchen beziehen darf*, und daß in *Bienenstöcken nur Bienen beschäftigt werden dürfen* unter Ausschluß der Heimarbeit. Pflichten und Rechte der Bienen. Ebenso wichtig wie im Volksvertrag, ist auch im Arbeitsvertrag derjenige Teil, welcher die Pflichten und Rechte der Bienen behandelt. Die Leistungen der Brüder in die Volkskasse ermöglichen die Errichtung von Bienenstöcken und damit die Sicherung der gesamten Existenzbedingungen der Bienen und ihrer Angehörigen; es ist daher natürlich, daß die Pflichten der Bienen gegen die Volkskasse nicht nur bestehen bleiben, sondern noch weit höhere sind als früher, da sie nur Brüder waren. Insbesondere ist deren *vornehmste Pflicht, das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit*, eine viel umfassendere geworden; die Beiträge der Bienen zum Stammfonds der Volkskasse sind höher und den Einnahmen proportional; ferner haben die Bienen den Brüdern und andern Bienenstöcken ihre Produkte zu Bienenpreisen (das sind grundsätzlich Selbstkosten) zu überlassen und alle sozialen Einrichtungen ihres Bienenstocks, als da sind: ärztliche Behandlung, Krankenhäuser, Speisehallen, Wohnungen, Schulen, Bibliotheken, Erholungsanstalten usw. den Brüdern zu genau denselben bevorzugten Bedingungen zugänglich zu machen, welche für sie selbst gelten. Neben diesen erhöhten allgemeinen Pflichten gegenüber der Gesamtheit der Brüder haben die Bienen noch einige besondere Pflichten, welche in ihrem Verhältnis zum Bienenstock begründet sind, insbesondere die *Anerkennung* und treue Befolgung *des Arbeitsvertrags und der Arbeitsordnung* ihres Bienenstocks sowie Befolgung der im Interesse des Gesamtwohls von dessen Vorstandsausschuß getroffenen Anordnungen und Disziplinarvorschriften, endlich das Einsetzen ihres ganzen Könnens und ihrer ganzen Kraft für die *größte und beste Leistung des Bienenstocks bei geringstem Aufwande*. Was die Höhe der Beiträge der Bienen zur Volkskasse anlangt, so sind dieselben auf 1% aller Einkommen aus dem Bienenstock festgesetzt; dieser Betrag wird bei jeder Auszahlung seitens des Bienenstocks zurückbehalten und an die Volkskasse abgeführt; es *bedarf demnach hier des Markensystems nicht mehr*. Die bloße Zugehörigkeit zum Bienenstock ist ohne weiteres und ohne jede Formalität und Kontrolle der Beweis der Pflichterfüllung als Biene; die Eigenschaft als solche wird durch eine von dem Bienenstock ausgestellte Karte, *Bienenschein* genannt, bestätigt, welche als Legitimation bei Ausübung aller Bienenrechte dient. Der Bienenstock legt für jede seiner Bienen einen *Bienenakt* an, in welchem die Personalien, alle geleisteten Beiträge und erworbenen Rechte sowie die Unterbrechungen der Beitragsleistungen und etwaige Einziehungen des Bienenscheins und deren Gründe eingetragen werden; Bemerkungen über das *politische* und *religiöse* Bekenntnis der Bienen dürfen diese Akten *nicht enthalten*. Auf Grund dieser Bienenakten wird jeder Biene beim Austritt aus dem Bienenstock ein neuer Brüderschein ausgestellt, welcher ihr als Legitimation gegenüber der Volkskasse und andern Bienenstöcken dient; wechselt eine Biene ihren Bienenstock, so wird deren Bienenakt dem neuen Bienenstock übergeben. Diese Akten bilden wiederum für die Volkskasse die Grundlage ihrer Statistik und geben ihr einen vollkommenen Überblick über die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes. Nach Feststellung der Pflichten zählt der Arbeitsvertrag der Bienenstöcke auch die Rechte der Bienen auf. Diese bleiben der Volkskasse gegenüber dieselben wie die der Brüder, sind aber, wie die Pflichten, infolge des Verhältnisses zum Bienenstock wesentlich erweitert. Das *vornehmste Recht der Bienen, das Eintreten der Gesamtheit für jeden einzelnen*, ist dermaßen erweitert, daß es sich auf deren gesamtes Leben und das ihrer Angehörigen ausdehnt. *Das Normaleinkommen ist garantiert* und darf mit zunehmenden Dienstjahren *nicht abnehmen*, wird auch während der vereinbarten jährlichen Urlaube, auf welche jede Biene das Recht hat, ungeschmälert ausbezahlt. Nur im Falle von Kriegen, Revolutionen und Streiks darf das Normaleinkommen durch Beschluß des Volksrates vermindert oder aufgehoben werden, um eine Gefährdung der Volkskasse durch solche unberechenbare Ereignisse zu vermeiden. Das von den Bienen erworbene *Ergänzungseinkommen* wird denselben unverkürzt ausbezahlt. Im Falle von militärischen Übungen in Friedenszeiten, sowie Krankheiten, Folgen von Unfällen und Wochenbetten, ist den Bienen unter allen Umständen ein *Zuschuß in Höhe der Hälfte ihrer Normaleinkommen* gesichert sowie jederzeit *freie ärztliche Behandlung und Krankenpflege*. Eine einmal angestellte Biene kann *nur* infolge grober Pflichtverletzung, d. h. Einziehen ihres Bienenscheins entlassen werden, nicht aber wegen Krankheit oder aus allgemeinen Gründen wie Schwankungen der Konjunktur, Überproduktion u. dgl., da solche Verhältnisse dadurch ausgeglichen werden, daß die Arbeitszeit *aller* beteiligten Bienen gleichmäßig herauf- oder herabgesetzt wird unter Aufrechterhaltung der Normaleinkommen, so daß derartige ungünstige Verhältnisse von *allen Schultern gemeinsam getragen werden*. Betriebsunterbrechungen durch höhere Gewalten werden durch zeitweises *Versetzen der Bienen in andere Bienenstöcke* ausgeglichen. Im Falle der Invalidität und bei Erreichung des Seniorenalters hat jede Biene Anspruch auf jährliche *Invaliden-* bezw. *Seniorenanteile*, deren Höhe abhängt von der Gesamtzahl ihrer aktiven Dienstjahre als Biene in irgend welchen Bienenstöcken; die Höhe dieser Anteile beginnt mit 0,4 des Normaleinkommens zwischen dem 1. und 5. Dienstjahr und steigt nach und nach auf das volle Normaleinkommen, welches mit dem 44. Dienstjahr erreicht wird. Der Seniorenanteil beginnt mit dem vollendeten 65. Jahre auf alle Fälle und endet mit dem Tode. Der Invalidenanteil beginnt mit Feststellung der Invalidität und dauert so lange wie diese. *Witwen* von Bienen erhalten, soferne sie Mitglieder der Volkskasse sind, 0,4 des Normaleinkommens der Ehemänner im Augenblicke ihres Todes, und jedes Kind ¼ des Anteils der Witwe. *Doppelwaisen* werden auf Kosten des Bienenstocks bis zur Erwerbsfähigkeit oder Großjährigkeit erzogen. Bei Todesfällen findet Bestattung auf Kosten des Bienenstocks statt, und zwar für alle Bienen in gleichen Formen. Eines der wichtigen Rechte der Bienen ist auch das, nicht nur die Volksräte zu *wählen*, sondern vom 30. Jahre ab zu *Volksräten gewählt werden* zu können und während ihrer Tätigkeit als solche im vollen Bezug der Einkommen und Rechte aus ihrem Bienenstock zu bleiben; ferner das Recht, in ihrem eigenen Bienenstock die Mitglieder des Vorstandsausschusses zu *wählen* bzw. dazu *gewählt zu werden*. Daß die Volkskasse, d. i. die Gesamtheit der Brüder, die Bienen in den Besitz solch umfassender Rechte erst setzen darf, wenn sie fest auf dieselben zählen kann, ist billig; deshalb können Brüder zu Bienen erst ernannt werden, wenn sie durch fünfjährige Zugehörigkeit zur Volkskasse und unentwegte Vertragstreue zu derselben sowie durch eine halbjährige Probezeit in einem Bienenstocke sich dieser Rechte würdig gezeigt haben; in den Übergangszeiten, d. h. wenn Bienenstöcke errichtet werden, ehe es schon fünfjährige Brüder gibt, ist hiervon abzuweichen; hierfür enthält der Arbeitsvertrag spezielle Übergangsbestimmungen. Auch kann die Eigenschaft als Biene nur volljährigen Brüdern zuerkannt werden, weil nur solche imstande sind, vollwertige Mitglieder ihres Bienenstocks zu sein; die Männer müssen ihre Hauptmilitärzeit erledigt haben. Die Zugehörigkeit zum Arbeitsvertrag der Bienenstöcke ist eine *freiwillige*. Die Nichterfüllung der darin übernommenen Pflichten bedeutet demnach freiwilligen Austritt aus demselben und Verzicht auf die Bienenrechte. In diesem Falle erfolgt das Einziehen des Bienenscheins, worüber der Arbeitsvertrag präzise Bestimmungen enthält, namentlich dahin zielend, Irrungen und Benachteiligungen der Bienen zu verhüten und Rekurse derselben zu ermöglichen. Rechte, welche bis zum Tage der Einziehung erworben waren, z. B. fällige Einkommen, Krankheitszuschüsse oder schon erworbene Senioren-, Invaliditäts- oder Witwenanteile u. dgl., können unter keinen Umständen entzogen werden. Zweifelhafte Fälle sind stets zugunsten der betreffenden Biene auszulegen. Die Bienenrechte können auch jederzeit wieder erworben werden, wenn die Vorschriften des Arbeitsvertrags hierfür erfüllt werden, also durch 60 Monate langes Einzahlen eines Brüderbeitrags zur Volkskasse ohne neuerliches Einziehen des Brüderscheins: der Vorstandsausschuß hat das Recht, diese Frist auf 40 und 20 Monate herabzusetzen. *Ein Strafrecht des Bienenstocks gegenüber seinen Bienen existiert nicht*; man gehört zum Bienenstock, wenn man seine Pflicht erfüllt und gehört zu ihm nicht, wenn man sie nicht erfüllt. Das Einziehen des Bienenscheins ist keine Strafe, sondern lediglich das äußere Zeichen für die Auflösung des Vertragsverhältnisses. Kapitel 4. Gesamtorganisation. Brüder! Die Güterproduktion eines Volkes besteht aus zwei Teilen: der gewerblich-industriellen und der landwirtschaftlichen; eure Bienenstöcke sind daher nach diesen beiden Hauptrichtungen zu entwickeln. Das Wesen eines *industriellen Bienenstocks* ist euch schon klar; derselbe kann durch Übernahme vorhandener Betriebe oder Errichtung neuer Anlagen entstehen. Außer dem eigentlichen industriellen Betrieb, welcher sich äußerlich wenig von andern Betriebsarten unterscheidet, besteht er aber unter allen Umständen noch aus den obligatorischen sozialen Einrichtungen und dem Tauschlager; erstere sorgen für gute Ernährung, gesunde Wohnung, Hygiene, ärztliche Pflege; ferner für Erziehung, Unterricht und Fortbildung eurer Kinder, Geselligkeit und Erholung; letzteres gibt euch die Möglichkeit des Bezuges aller eurer Lebensbedürfnisse in bester Qualität und zu den niedrigsten erreichbaren Preisen, den Bienenpreisen. Da der Bienenstock somit eure sämtlichen Bedürfnisse für alle Lebensalter und Lebenslagen am Orte seines Bestehens befriedigt, so ist er nicht auf bestimmte Orte angewiesen; ihr werdet ihn vorwiegend außerhalb der Städte anlegen, um die Schädlichkeiten derselben zu meiden und um des Genusses von Luft, Licht und freier Natur teilhaftig zu werden. Was den *landwirtschaftlichen Bienenstock* betrifft, so gestaltet sich derselbe wie folgt: Eine größere Zahl von Landwirten, deren Güter beisammen liegen, beschließen, dieselben zusammenzulegen und gemeinschaftlich zu bebauen; sie beantragen bei der Volkskasse die Errichtung eines Bienenstocks unter gleichzeitiger Bezeichnung derjenigen, welche als Vorstände desselben sich eignen. Die Volkskasse untersucht den Antrag, macht eingehende Erhebungen, findet alle Bedingungen günstig, gewinnt auch die Überzeugung, daß die vorgeschlagenen Vorstände tüchtige, bewährte Landwirte sind, unter deren Führung der Betrieb gedeihen wird; sie schließt mit denselben die Errichtungsurkunde und ermächtigt sie zur Aufnahme des nötigen Kapitals. Infolge der bedingungslosen, unter allen Umständen giltigen Haftung der Volkskasse für Kapital und Zins und infolge des etwas höheren Zinsfußes, welcher geboten wird, ist dieses Kapital bald beschafft und es beginnt die Tätigkeit. Für die Abtretung des Landes an den Bienenstock wird den früheren Besitzern je nach Wunsch baar Geld bezahlt oder ein Schuldschein des Bienenstockes ausgestellt; letzteres wird wegen des höheren Zinsfußes und der größeren Sicherheit im allgemeinen vorgezogen werden; um so mehr, als der Schuldschein selbst, nach Art einer Banknote, als Zahlmittel für die Verpflichtungen seines Besitzers dienen kann. Die so zusammengelegten Landbesitze werden nunmehr unter gemeinsamer Verwaltung des unter den früheren Besitzern und Mitarbeitern selbst gewählten Vorstandsausschusses bebaut, wobei dieselben Kräfte und Personen verwendet werden wie früher, jetzt aber als vollbeteiligte Bienen. Die Bebauung geschieht in weit systematischerer und rationellerer Weise wie früher; infolge der Einheitlichkeit der Leitung muß nicht mehr jeder einzelne von euch sich in allen möglichen Tätigkeiten zersplittern, kann sich vielmehr der seinen Fähigkeiten am meisten zusagenden Arbeit widmen; das Resultat eurer Arbeit wird hierdurch vermehrt, verbessert und verbilligt. Durch die gemeinsamen Maschinen und die großen zusammenhängenden Ländereien wird euer Betrieb ökonomischer, eure Tierzucht wird durch die gemeinsamen Maßnahmen eine bessere; alle Rohmaterialien, Saaten, Dünge- und Futtermittel, Maschinen, Tiere etc. werden im großen bezogen, und zwar in Bienenstöcken, also weit billiger als bisher; eure Produkte gehen ohne Bemühung eurerseits ohne weiteres in die Tauschlager der andern Bienenstöcke und werden dort mit Preisen bezahlt, die nicht geringer sind, als ihr sie sonst im Großverkauf erzielt. Nirgends wird sich der Vorteil gemeinsamer Arbeit so sehr in höheren Erträgnissen ausdrücken wie in der Landwirtschaft; in keinem Betriebe ist der Wert der Haftung der Gesamtheit für den einzelnen Betrieb so augenfällig, wird doch dadurch die schlimmste Sorge, die Unsicherheit über den Ausfall der Ernte, beseitigt und dieses Risiko auf alle Schultern verteilt, wodurch es verschwindet. Derjenige unter euch, welcher sein Gut an den Bienenstock abtrat, verdient durch die höhere Verzinsung seines Kapitals allein schon so viel wie früher durch seine ganze Arbeit; er bezieht aber, wenn er im Bienenstock in irgend einer Stellung mitarbeitet, außerdem sein garantiertes Normaleinkommen und sein Ergänzungseinkommen und ist an den Senioren-, Invaliditäts- und Witwenanteilen sowie an allen sozialen Einrichtungen beteiligt. Und welche Umwandlung auch für euch einfache landwirtschaftliche Arbeiter! Ihr seid nun Mitbesitzer eures Gutes, euer Normaleinkommen ist so hoch bemessen wie das eines städtischen Arbeiters und ist euch nebst Krankheits-, Alters-, Witwen- und Waisenanteilen etc. ein für allemal gesichert. Auch der landwirtschaftliche Bienenstock hat die obligatorischen sozialen Einrichtungen nach den Vorschriften des Arbeitsvertrags zu treffen; er hat sein Krankenhaus mit den Ärzten, seine Schulen mit den Lehrern, seine Speisehallen, seine Bäder und hygienische Einrichtungen usw. zu halten; auch er bietet seinen Bienen die Vorteile des gesunden Essens, der guten Wohnung, der ärztlichen Pflege, der Erziehung der Kinder; auch er stellt denselben in seinem Tauschlager alle Lebensbedürfnisse an Ort und Stelle zu weit billigeren Preisen als bisher zur Verfügung. Welch ein Unterschied zwischen einer solchen Brüdergemeinde und einer gewöhnlichen Gemeinde, wo jeder allein und einsam mit ungenügenden Mitteln und Kenntnissen für die vielerlei Tätigkeiten eine meist durch die Konkurrenz verbitterte Existenz führt und oft nach seiner Jahresmühe sich durch ein Unwetter um den Lohn seiner Arbeit betrogen sieht! Errichtet erst einmal einige solcher Bienenstöcke, und nur zu bald werden die Nichtbeteiligten den Unterschied ihres Betriebes gegenüber dem euren an dem Stand der Kulturen, am Erträgnis derselben, an der Haltung, dem körperlichen Befinden und dem geistigen Fortschritt der Bienen erkennen und nach kurzer Zeit die dargebotene Bruderhand ergreifen und sich aufnehmen lassen in den allein richtigen Bund der Interessengemeinschaft.[4] Entsprechend den Mitteln der Volkskasse legt ihr eure industriellen und landwirtschaftlichen Bienenstöcke über das ganze Land, möglichst gleichmäßig verteilt und für die verschiedenartigsten Produkte an, so daß die *Gesamtheit derselben alle eure Lebensbedürfnisse*, oder wenigstens die wichtigsten derselben, zu befriedigen imstande ist. Betriebe für Waren, die an Ort und Stelle verbraucht werden oder leicht verderblich sind (Brot u. dgl.), werden in kleinerem Maßstab und an vielen Orten angelegt, die andern dagegen konzentriert und in großem Maßstab, um alle Vorteile des Großbetriebes zu sichern; eine Anzahl industrieller Bienenstöcke wird jeweils mit entsprechenden landwirtschaftlichen gruppiert. Diese Bienenstöcke liefern sich vertragsmäßig gegenseitig ihre Waren; auf diese Weise erhaltet ihr alle eure Lebensbedürfnisse bei jedem euch zunächst liegenden Bienenstock zu Bienenpreisen, frei von einer Unsumme überflüssiger Kosten und von umständlichen Verwaltungsmaßregeln. Von besonderer Wichtigkeit ist der Umstand, daß alle Bienenstöcke zusammengenommen *sich selbst genügen*, sich gegenseitig ergänzen, ohne in den allgemeinen Konkurrenzkampf einzutreten und auch ohne sich gegenseitig Konkurrenz zu bieten; denn die Volkskasse untersucht bei Errichtung neuer Bienenstöcke in erster Linie die Bedürfnisfrage; sie wählt dafür diejenigen Orte, welche für das betreffende Produkt die günstigsten Verhältnisse vereinigen, als da sind: die geschultesten Arbeitskräfte, die billigste und leichteste Beschaffung der Materialien, die günstigsten Transportbedingungen und vor allem der gesicherte Konsum durch eine genügende Anzahl von Brüdern. Durch diese Vorsicht ist die Gefahr des Mißlingens der Bienenstockbetriebe ausgeschlossen, eine Gefährdung des Kapitals wird nur bei ganz besonders ungünstigen Verhältnissen oder Unglücksfällen eintreten; kommt dieser seltene Fall einmal ausnahmsweise vor, dann tritt die Volkskasse für den einzelnen Bienenstock in die Schranken, indem sie etwaige Verluste deckt. Solche Verluste, auf Millionen und Abermillionen von Schultern verteilt, sind keine Verluste mehr; die Volkskasse fühlt dieselben so wenig, wie das Meer das Versiegen einiger Wasserzuflüsse fühlt. Wie die unaufhörlich fallenden Regentropfen, zu Flüssen und Strömen vereinigt, den unermeßlichen, grenzenlosen Ozean bilden, so bilden und erhalten die winzigen aber unaufhörlichen und millionenfachen Tagespfennige der Brüder das Kapital der Volkskasse; fast ließe sich berechnen, in welcher Zeit das letztere so groß sein wird, daß es die gesamte Produktion des Vaterlandes zu tragen imstande ist. Doch Geduld! Die Geschichte der Menschheit macht ebensowenig plötzliche Sprünge wie die Natur! Nicht alle Brüder können *sofort* Bienen sein; aber je mehr Brüder ihr seid, je einheitlicher und entschlossener ihr auftretet, desto größer wird das Kapital der Volkskasse, desto rascher reiht sich Bienenstock an Bienenstock, und durch die enorm vermehrende Wirkung der Zeit schließt sich endlich der Kreis, in dessen Umspannung *alle Brüder auch Bienen sind, das eigentliche Endziel des Volksvertrags und einer naturgemäßen Volkswirtschaft*. Die vor euren Augen entrollte Gesamtorganisation wird durch ein wunderbares Uhrwerk regiert, dessen Triebfeder die *Interessengemeinschaft* ist, und in welchem die *Volkskasse das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit, der Bienenstock dagegen das Eintreten der Gesamtheit für den einzelnen darstellt*. Während die vereinigten Tagespfennige aller Brüder die Machtstellung der Volkskasse begründen, sorgen die auf Grund dieser Macht errichteten Bienenstöcke dafür, den einzelnen Brüdern das Leben zu verbilligen, zu vereinfachen, zu verschönern und ihnen das für die Gesamtheit gebrachte Opfer hundertfach zu ersetzen; den Bienen aber sichert der Bienenstock die ganze Existenz sowie die seiner Angehörigen für alle Fälle des Lebens und macht dieselben hierdurch zu zufriedenen Gliedern der Gesellschaft. Es wird manchmal das Gleichnis gebraucht, daß die Erde einem durch die modernen Errungenschaften ungemein schön ausgestatteten Wohnhause gleiche, in welchem sich aber die Menschen um die Räume streiten, für welche die Parteien und Klassen die Lebensordnung für die richtige Benutzung noch nicht gefunden haben.[5] Der Solidarismus »erzieht das neue Geschlecht für das neue Wohnhaus und gibt ihm die richtige Benutzungsordnung für dasselbe und die Mittel, dieselbe gerecht zu handhaben«! So ihr das eingesehen habt, Brüder, verliert es nicht mehr aus dem Sinn; euer Lebenszweck sei fortan, Bienenstöcke zu errichten, Bienen zu werden! Kapitel 5. Der Solidarismus. Brüder, Schwestern! Ihr habt nun erkannt, daß Volksvertrag und Arbeitsvertrag der Bienenstöcke die notwendigen Regeln sind für einen Zusammenschluß aller Arbeitenden zum Zwecke der Erreichung engster wirtschaftlicher Interessengemeinschaft nach dem Grundsatz: *Wirken des einzelnen für die Gesamtheit, Eintreten der Gesamtheit für den einzelnen*, welcher hier nicht auf irgend ein Einzelgebiet, sondern mit eiserner Konsequenz auf das gesamte wirtschaftliche Leben in allen seinen Äußerungen ausgedehnt ist. Die vorausgesehenen herrlichen Resultate sind nur der Ausfluß eines einzigen Grundgedankens, desjenigen der Zusammengehörigkeit aller Menschen, der Einheitlichkeit der menschlichen Gesellschaft, der Einheit und Gemeinschaft ihrer Interessen, des zum Bewußtsein gekommenen Gefühls, *daß alles, was der Gesamtheit nützt oder schadet, auch dem einzelnen nützt oder schadet, weil der einzelne ein Teil der Gesamtheit ist*, mit einem Worte, der »*Solidarität*« aller Menschen. Dieses schönste und inhaltreichste Wort der menschlichen Sprache: *Solidarität* bezeichnet den *abstrakten Begriff* oder das *Gefühl* der Zusammengehörigkeit und Brüderlichkeit unter den Menschen, gepaart mit Liebe und Gerechtigkeit. Die Gesamtheit der auf Grundlage der Solidarität aufgebauten, vertragsmäßig festgelegten *konkreten Wirtschaftsorganisation* und ihrer sämtlichen materiellen, geistigen und ethischen Konsequenzen, wie sie in den vorhergehenden Kapiteln entwickelt wurde, sei kurzweg »~Solidarismus~« genannt. Solidarismus ist zielbewußt *organisierte* Menschenliebe, ist *in Taten umgesetzte* Solidarität. Der Solidarismus findet in dem *Zusammenwirken von Volkskasse und Bienenstock* seine komplette praktische Verwirklichung. *Der Solidarismus baut auf der Pflicht des einzelnen, für die Gesamtheit zu wirken, dessen Recht auf, daß die Gesamtheit für ihn eintrete.* Solidarismus, die vollkommene *Gleichsetzung des Einzelinteresses mit dem Gesamtinteresse*, ist die freie Vereinbarung der Menschen zu gegenseitiger Gerechtigkeit durch Arbeit, Einigkeit und Liebe. Der Solidarismus ist die Sonne, welche gleichmäßig über *alle* scheinend, durch ihre milde Wärme und ihr glänzendes Licht die Menschheit aus ihrem Winterschlaf zur *wirtschaftlichen Erlösung* erwecken wird. Kapitel 6. Beweis der praktischen Durchführbarkeit des Solidarismus. Brüder! Ihr habt gesehen, daß der Solidarismus eine sechsfache Aufgabe hat: 1. Die gesicherte und geordnete Produktion der Lebensbedürfnisse seiner Brüder; 2. die gerechte und günstigste Verteilung der Arbeitsprodukte unter seine Brüder nach deren Bedarf; 3. die Befriedigung aller sonstigen berechtigten sozialen Bedürfnisse der Brüder von ihrer Geburt an bis zum Tode und in allen Lebenslagen; 4. die schiedsmännische und kostenlose Selbstentscheidung seiner eigenen Angelegenheiten; 5. die nutzbringende Anlage der Ersparnisse der Brüder; 6. die Aufbringung der finanziellen Mittel für seine Tätigkeit. Laßt uns untersuchen, ob die Wechselwirkung zwischen Volkskasse und Bienenstock diese Aufgaben praktisch löst. Die Produktion. Daß die Produktion in den Bienenstöcken mindestens ebensogut vor sich gehen wird wie etwa in der heute gebräuchlichsten Betriebsform, der Aktiengesellschaft, bedarf keines Beweises; beide sind mit fremdem Kapital errichtet, beide haben außer ihren laufenden Geschäftsspesen dieses Kapital zu amortisieren und zu verzinsen; während aber die Aktiengesellschaft der *Arbeit* eine gewisse übliche Normalentlohnung anweist und ihre Erträgnisse darüber hinaus an die Aktionäre, also an das Kapital abgibt, *weist im Gegenteil der Bienenstock dem Kapital eine gewisse übliche Normalentlohnung an und verteilt die Erträgnisse darüber hinaus als Einkommen an seine Bienen, also an die Arbeitenden selbst*. Dieser Unterschied beider Betriebsarten ist der Grund, weshalb der Bienenstock weit bessere Resultate erzielen muß. *Ihr werdet im Bienenstock nach der Höhe eurer Leistung entlohnt*; schon das Normaleinkommen wird nach dieser Leistung, nach dem Verdienste für die Gesamtheit bemessen, und diesem proportional sind alle eure Bezüge: die Ergänzungseinkommen, die Krankenzuschüsse, die Altersanteile, die Bezüge der Hinterbliebenen; bei dieser Aussicht auf höchste Entlohnung für höchste Leistung wird jeder von selbst das Streben haben, das höchste wirklich zu leisten; das Fehlen aller materiellen Sorgen für euch und die eurigen infolge der sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke, gestattet euch, euch ganz dem Drange eurer Talente hinzugeben, eure Fähigkeiten tatsächlich zur Höchstleistung zu entwickeln, euer Können und Wollen freischaffend aufs höchste anzuspannen. Und da ein jeder von euch Mitbesitzer des Erträgnisses ist, wird er dafür sorgen, daß die *höchste Leistung mit geringstem Aufwande erfolge*; wird nicht von selbst ein jeder auf peinlichste Sparsamkeit des Betriebes, Vermeidung jeder überflüssigen Ausgabe, Schonung der Maschinen und Werkzeuge, sehen, wie wenn sie sein eigen wären; wird nicht ein jeder von euch ein scharfes Auge für alle Vorgänge haben, die das Ergebnis des Betriebs nachteilig oder vorteilhaft beeinflussen können, dem Vorstandsausschuß darüber berichten und auf diese Weise selbst zur guten Verwaltung beitragen; wird nicht ein jeder von euch dafür sorgen, daß keine untüchtigen, unfleißigen, unnützen Bienen aufgenommen werden, und werden nicht allein schon durch diese Auswahl die Mitglieder eures Bienenstocks aus den Besten und Leistungsfähigsten bestehen? Daß also eure Arbeit besser, euer Betrieb billiger wird, ist zweifellos. Bleibt die Frage der Verwaltung, der Disziplin. Es wurden schon vereinzelte Versuche unternommen, die sämtlichen Mitarbeiter eines Betriebs zu gemeinsamen Besitzern derselben zu machen und die Mitglieder der Verwaltung durch Wahl aus deren Mitte hervorgehen zu lassen; diese Versuche mißglückten häufig, und es wurde daraus der Schluß gezogen, daß diese Methode unmöglich sei.[6] Im Bienenstock jedoch sind die Verhältnisse andere; der Bienenstock ist nicht Eigentum der in demselben Beschäftigten; diese haben nur die volle Nutznießung des Erträgnisses; Eigentümer ist die Volkskasse, d. h. die Gesamtheit der Brüder, und diese ernennt den Vorstand, genau wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft deren Vorstand ernennt. Dieser *von der Wahl unabhängige Vorstand vertritt die Stabilität der Verwaltung* und wird darin unterstützt mit Rat und Tat durch den Delegierten der Volkskasse. Dieser Vorstand wird aber unterstützt durch eine Anzahl aus der Wahl hervorgegangener Angehöriger des Bienenstocks, welche durch die Spezialkenntnisse ihrer verschiedenen Beschäftigungszweige eine sachgemäßere, eingehendere Verwaltung verbürgen, als sie je durch den Vorstand allein, ohne diese praktische Unterstützung möglich wäre; gerade die Heranziehung aller Spezialtalente in die Verwaltung verbürgt ein tiefes, genaues Eingehen auf alle Vorgänge und eine alle Möglichkeiten und Nützlichkeiten erfassende Verwaltung. Eine solche Verwaltung erreicht in bezug auf höchste Leistung und geringsten Aufwand das beste; sie bedeutet an sich allein schon eine sehr wesentliche Herabsetzung der Kosten, da sie die heute üblichen, oft erstaunlich hohen Verwaltungs- und Direktionsausgaben und, hiermit zusammenhängend, eine Menge überflüssiger Spesen beseitigt. Euer eigenstes Interesse wird euch veranlassen, einerseits nur die Tüchtigsten und Besten zu den Ehrenämtern des Vorstandsausschusses zu ernennen, anderseits aber den Anordnungen eurer selbst gewählten Leiter zu folgen, euch den selbstgemachten Gesetzen zu fügen und euren freiwillig und frei eingegangenen Arbeitsvertrag in Treue zu halten; ihr arbeitet ja nicht im Interesse irgend eines Dritten, sondern für euch selbst. Die Gegenseitigkeitsorganisation der Bienenstöcke gewährleistet auch unter allen Umständen eine wesentliche Herabsetzung der Generalunkosten, sowohl für die Einkäufe der Materialien als für den Verkauf der Produkte, welche ja von vornherein ihre festen Lieferanten bzw. Abnehmer in den andern Bienenstöcken haben, ohne daß die enormen Spesen, welche heute infolge des Konkurrenzkampfes erforderlich sind, aufzuwenden wären. Aber, könntet ihr einwenden, hat denn nicht die Verpflichtung der Bienenstöcke, zu Bienenpreisen an die Brüder und Bienenstöcke zu liefern, und die Unmöglichkeit, höhere Preise zu verlangen, geringere Einnahmen im Gefolge, welche unter Umständen den Bestand des Bienenstocks gefährden könnten? Das ist nicht der Fall, denn der wirkliche Produzent erhält auch heute nur Fabrikpreise für seine Waren; er hat von den etwaigen späteren höheren Verkaufspreisen auch heute keinen Nutzen. Daß die Brüder und Bienenstöcke billiger zu ihren Waren kommen, liegt nicht daran, daß der produzierende Bienenstock weniger erhält, sondern lediglich an der direkten Lieferung jedes Bienenstocks an die andern, also an der praktischen, unnütze Kosten ersparenden Warenverteilung. Der Bienenpreis selbst wird, wenigstens in den ersten Zeiten des Solidarismus, sich nur wenig von dem unterscheiden, was heute Fabrikpreis genannt wird. Das Ergebnis der Bienenstockorganisation für die Produktion ist daher: bessere Arbeit, billigerer Betrieb; bessere, präzisere, mit weniger Unkosten verknüpfte Verwaltung; festere Disziplin, unbedingte Vertragstreue, billigerer Bezug der Materialien, bessere Preise für die Arbeitsprodukte. Die Warenverteilung. Ist die Verteilung der Produkte in der durch den Solidarismus vorgeschriebenen Weise praktisch möglich? Im Bienenstock vereinigen sich täglich zum Zwecke ihrer Arbeit sämtliche Bienen desselben, seien das nun einige Hundert oder einige Tausend; ist es da nicht selbstverständlich, ihnen an diesem Orte oder in dessen Nähe alle Produkte zu bieten, welche sie zu ihrem Lebensunterhalte brauchen; wozu sie oder ihre Angehörigen zwingen, Zeit und Kraft zu vergeuden, um diese Waren irgendwo an zahlreichen entfernten und zerstreuten Orten zu suchen? Viele größere heutige Werke haben dies längst erkannt und Warenhäuser für ihre Angestellten geschaffen; man muß sich nur wundern, daß es nicht schon allgemein geschieht, da das Bedürfnis dazu schon längst tief empfunden wird. Wie für die Produktion, so ist auch für den Konsum die große Masse der kleinen Leute maßgebend. Der Konsum der Massen, d. h. aller Einkommen unter 3000 Mark, also derer, die wir als direkt und indirekt abhängig bezeichnet haben, ist sechsmal so groß als der der vorhandenen Reichen zusammen; dieser Massenkonsum ist der ausschlaggebende Faktor für eine Volkswirtschaft, also der Konsum derjenigen, welche die eigentliche Arbeit der Produktion vollbringen; es beweist das die an sich beinahe selbstverständliche Tatsache, daß diejenigen, welche produzieren, ihre Produktion größtenteils selbst aufzehren, und daß es allein rationell ist, das Konsumzentrum dahin zu verlegen, wo es gebraucht wird, d. h. in das Produktionszentrum. Denkt euch in einem Dorfe eine Anzahl Leute beisammen wohnen, wovon der eine Schneider, der andere Schuhmacher, andere Bäcker, Metzger, Landwirte usw. sind, derart, daß alle zusammen ungefähr die wesentlichsten Lebensbedürfnisse herstellen; diese Leute tragen ihre Waren sämtlich erst in die entfernte Stadt, belasten dieselben zu diesem Zweck mit allerlei Spesen, bedienen sich kostspieliger Vermittler, und die Nachbarn gehen ebenfalls in diese Stadt, vergeuden Zeit, Mühe, Kraft und Geld, um schließlich mit einem Gegenstand heimzukommen, den sie mühelos, unbelastet mit all den Kosten beim Nachbarn hätten holen können. Das ist aber in einem einfachen Bilde genau das, was heute die Volkswirtschaft tut und was die solidaristische Organisation vermeidet; diese stellt dem Produzenten *am Orte seiner Arbeit* seine Lebensbedürfnisse zur Verfügung; die obligatorische direkte Lieferung des einen Bienenstocks an alle andern gewährleistet den billigsten Preis für den produzierenden Bienenstock. Ihr gebt des Morgens bei der Ankunft im Bienenstock einen Zettel ab mit der Aufzählung der gewünschten Waren und könnt dieselben mittags oder abends vom Verteilungslager mitnehmen ohne Mühe, ohne dem Abwiegen, Abmessen, Verpacken beiwohnen zu müssen. Für diejenigen Waren, welche nicht sofort abgeliefert werden müssen, wie Stoffe, Geräte, Möbel etc, wird nach Musterlager bestellt, die Lieferung dagegen vom produzierenden Bienenstock direkt bewerkstelligt; hier entfällt sogar das Halten des Lagers, so daß noch billigere Preise möglich sind als beim Kauf ab Lager, ohne daß der Produzent dabei Einbuße erleidet. Glaubt nicht, daß der Betrieb solcher Verteilungslager zu umfangreich, zu umständlich oder nicht durchführbar sei; die Beispiele der heute in allen Ländern existierenden großen Warenhäuser sowohl von Privat-Unternehmern[7] als von größeren Fabriken, als von Offiziers-, Beamten- und Arbeiterkonsumgenossenschaften beweisen das Gegenteil; neu ist die Sache nicht, der Solidarismus folgt hier nur gegebenen Beispielen, aber in einem andern Sinne, im *Sinne des Gesamtwohles* allein, und in sehr *vereinfachter Form*. Einfacher ist die *Verproviantierung* des Tauschlagers, weil sie sich durch die Gegenseitigkeitsverpflichtungen der Bienenstöcke automatisch vollzieht; einfacher ist die Warenausgabe, weil für den größten Teil der Käufer die Notwendigkeit der persönlichen Anwesenheit dabei wegfällt und der Verkehr in den Räumen dadurch verringert wird; besonders einfach wird das Liefern nach Musterlager, welches nur im Solidarismus durchführbar ist, wo die Gegenseitigkeit Bürgschaft dafür gibt, daß die gelieferte Ware genau nach Muster ausfällt; einfacher ist auch der *Betrieb* der Bienenstocklager, weil jeder Bruder auf Grund seines Brüderscheins die Ware ohne weiteres zum Bienenpreis erhält; er sieht sofort seine Ersparnis, braucht nicht ein Jahr auf deren Rückzahlung zu warten, hat kein Buch zu führen, keine Marken und Scheine aufzubewahren. Mit wunderbarer Selbstverständlichkeit arbeitet das einfache Räderwerk; geringerer Aufwand zur Verteilung der Waren an die Konsumenten ist nicht mehr denkbar! Die sozialen Einrichtungen. Es ist der Einwand zu erwarten, daß ein industrielles Unternehmen sich nicht mit all den Nebenbetrieben belasten kann, welche die obligatorischen sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke mit sich bringen, daß keine Verwaltung so verschiedenartige Tätigkeiten wird beherrschen können, daß durch die Nebenbetriebe der Hauptbetrieb leiden wird usw. Auch hier ist der Solidarismus in der glücklichen Lage, nichts Neues und Ungewohntes zu verlangen, sondern auf geradezu glänzende Vorbilder hinweisen zu können. Es ist euch ja bekannt, daß in der heutigen Industrie in bezug auf Wohlfahrtseinrichtungen in einzelnen Etablissements Großartiges geleistet ist; allbekannte Beispiele sind die Fabriken von Friedrich Krupp in Essen, die Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Ko. in Elberfeld, die Badische Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen etc., in welchen *sämtliche* Einrichtungen der Bienenstöcke schon vorhanden sind; es bestehen dort Krankenkassen mit einer großen Anzahl ausschließlich in deren Diensten stehenden Ärzten, mit unentgeltlicher Behandlung der Familienmitglieder der Arbeiter; ferner prachtvoll ausgestattete Polikliniken auf den Fabrikgrundstücken, Konsumanstalten mit Rückvergütung von 9% der Einkaufssumme an die Mitglieder, Arbeiterspeiseanstalten, Aufenthalts- und Baderäume, Junggesellenheime, Haushaltungsschulen, Lehrlingswerkstätten, Bibliotheken, Orchester- und Gesangvereine, Beamtenkasinos; ferner Arbeiterwohnungen, Sparkassen mit 5%iger Verzinsung der Einlagen, verschiedene Pensionskassen und Stiftungen, Dienstaltersprämien und Unterstützungsfonds für Fälle der Not. Viele dieser Anstalten werden von den Beamten und Arbeitern selbst verwaltet. Derartige Werke kann man nach Dutzenden aufzählen; die oben mit Namen angeführten sind beliebig herausgegriffen; in keinem derselben stört die Verwaltung der Wohlfahrtseinrichtungen den Hauptzweck des Betriebes, ja im Gegenteil, bei allen kann man trotz der Ausgaben für dieselben die glänzendste Prosperität nachweisen, die in denselben erzielten Gewinne sind oft erstaunlich hoch; ja, es darf wohl allgemein ausgesprochen werden, daß gerade diejenigen Unternehmungen, welche derartige Wohlfahrtseinrichtungen haben, die größten, reichsten und gewinnbringendsten sind. Das ist nicht etwa ein Zufall, sondern beweist direkt, daß diese Einrichtungen die Prosperität der betreffenden Unternehmungen erhöhen; ja, es erscheint heute beinahe unmöglich, daß ein großindustrielles Werk ohne diese Einrichtungen überhaupt auf die Dauer gedeihen kann; dieselben sind aus der Notwendigkeit heraus entstanden; ohne eigene Wohnungen für Arbeiter, Meister und Beamte ist die Beschaffung des Personals ausgeschlossen, ohne eigene Konsumanstalten die Versorgung desselben einfach nicht möglich, und auch alle andern Einrichtungen haben ihren Ursprung in der Beseitigung von Mißständen, welche die Entwicklung der Werke hemmen, oder den Betrieb unmöglich machen würden. Also aus eigenem Interesse, aus Notwendigkeit, entstanden die Wohlfahrtseinrichtungen; nur diejenigen Werke, welche sie in vollem Umfange haben, stehen selbständig und unabhängig da und gelangen zu solcher Entwicklung und Größe wie die angeführten Beispiele; die andern, welche sie noch nicht in vollem Umfange besitzen, haben sie wenigstens teilweise oder legen dieselben nach und nach an. Diejenigen Anstalten, welche sie nicht haben, sind die kleineren und weniger blühenden. Es darf als Erfahrungssatz ausgesprochen werden, daß die Größe und Blüte eines Werkes und insbesondere seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit direkt mit der Größe und Blüte seiner Wohlfahrtseinrichtungen in Zusammenhang steht. Scheinbare Ausnahmen hiervon machen bloß die Werke in größeren Städten oder deren Nähe, welche ihre Lage für ihre Zwecke ausnützen, dafür aber die Stadt mit materiellen, sittlichen und moralischen Schäden überfluten. Auch hier verallgemeinert also der Solidarismus nur eine Richtung, welche die Industrie selbst *in ihrem eigenen Interesse als notwendig erkannt hat*; er macht sich deren Erfahrungen zunutze, indem er die Gesamtheit der Wohlfahrtseinrichtungen zu obligatorischen Zusätzen jedes Bienenstockes macht; indem er das tut, nimmt er ihnen den Charakter des bloßen Wohlwollens, der Wohltat, der Gnade, und macht sie zu einfachen *Rechten der arbeitenden Bienen*, da sie doch aus dem Erlös ihrer Arbeit bezahlt werden. Deshalb nennt sie der Solidarismus auch soziale Einrichtungen und nicht mehr Wohlfahrtseinrichtungen, weil diesen Worten noch allgemein der Charakter der freiwilligen Gabe, der Wohltat, oft der Gnade anhaftet. Ein anderer Einwand gegen die sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke liegt in deren Kosten; auf diesen Punkt gibt die Besprechung der finanziellen Grundlagen des Solidarismus befriedigende Antwort. Die schiedsmännische Selbstentscheidung. Einer der Leitsätze des Solidarismus lautet, daß innerhalb seiner Organisation *kein Bruder das Recht hat über einen andern Bruder zu richten, daß unter den Brüdern kein Strafrecht besteht*. Die natürliche Folge hiervon ist, daß alle Streitfälle des Solidarismus, d. h. in Angelegenheiten der Volkskasse und der Bienenstöcke, nicht durch Richter und Richterspruch, sondern *durch Schiedsmänner und Schiedsspruch* und zwar *kostenlos* zu entscheiden sind, und daß die Anerkennung des Schiedsspruches Pflicht aller Brüder ist. Ebenso wichtig aber ist die solidaristische Vorschrift, daß jeder Streitfall, welcher Art er auch sei, *zuerst dem Vermittlungsversuch unterliegt*, und zwar stets durch Personen, welche den Streitenden nahe stehen. Durch das für die Parteien maßgebende Urteil von Standes- und Fachgenossen wird der weitaus größte Teil der Streitfälle überhaupt durch Vermittlung erledigt und nicht bis zum Schiedsspruch gebracht. Kommt es aber in einzelnen Fällen doch dazu, so urteilen die Schiedsmänner nicht mechanisch nach starren, geschriebenen Buchstabengesetzen, sondern nach der wirklichen lebendigen Sachlage von Angesicht zu Angesicht, von Mensch zu Mensch, und als solche Menschen, die täglich Umgang mit euch haben, die gleiche Arbeit verrichten wie ihr und alle Verhältnisse des Falles miterleben; sie werden durch keine Bezahlung in ihrem Urteil beeinflußt, sondern haben im Gegenteil ein persönliches und materielles Interesse an der Verkürzung und Vereinfachung der Prozedur. Die Schiedsmänner sind Menschen, die sich selbst zur Brüderlichkeit verpflichtet haben und welche stets unter sich einen Vertreter der Gesamtheit, den Delegierten, haben, dessen Aufgabe es ist, nicht mitzuentscheiden, sondern die Schiedsmänner immer wieder an ihr Gelöbnis der Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu erinnern und daran, daß der Schiedsspruch nur Recht und Unrecht begründen, aber keine Strafe verfügen, keine erworbenen Rechte entziehen darf. Der Erfolg ist nicht starres Recht, sondern menschliche Gerechtigkeit. Und was ist die Sanktion dieser Schiedssprüche werdet ihr fragen? Was nützt ein Schiedsspruch, dessen Ausführung nicht gewährleistet ist, da kein Strafrecht die Ausführung desselben sichert? Nun, wenn einer von euch nach Ablehnung aller Vermittlungsversuche im Schiedsspruche unterliegt und sich demselben nicht fügt, so verletzt er eine seiner Brüderpflichten und tritt damit selbst aus der Gemeinschaft der Brüder aus; die Folge ist, daß er seine Einkäufe nicht mehr in den Lagern der Bienenstöcke machen kann, daß er die sozialen Einrichtungen derselben, Schulen, Krankenhäuser, Ärzte, hygienische Einrichtungen nicht mehr benutzen kann, daß er aus dem Bienenstock austreten muß, da nur Bienen im Bienenstock beschäftigt sein dürfen. Er wird sich sicherlich diese bitteren Konsequenzen seines Tuns überlegen, ehe er zu weit geht, im allgemeinen schon, ehe er es zum Schiedsspruch kommen läßt. Warum soll eine solche Behandlung der Differenzen und Streitfälle nicht möglich sein? Ist sie nicht einfacher, natürlicher, selbstverständlicher als das Bestrafen nach einer unübersehbaren Zahl dehnbarer Gesetze und starrer Paragraphen? Heute schon ist überall die Erkenntnis rege, daß hierin Wandel geschaffen werden muß; es lassen sich Beispiele genug anführen, in welchen wenigstens versucht ist, nach ähnlichen Grundsätzen wie im Solidarismus zu urteilen! Heute schon sind in verschiedenen Staaten für gewisse Streitigkeiten Sühneversuche vor Schiedsmännern oder Schiedssprüche durch Friedensrichter vorgeschrieben; im geschäftlichen Leben sind Vergleiche unter Ausschluß der Gerichte ungemein häufig; viele Genossenschaften haben schon ihre schiedsrichterlichen Ausschüsse. Den Einigungsämtern ist die Regelung der Arbeitsverhältnisse, die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die Entscheidung über Lohnhöhe, Fabrikordnungen etc. übertragen, wobei die Parteien freiwillig diese Entscheidung aufsuchen und die Richter ebenfalls aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern bestehen, welche frei gewählt werden; auch die Schiedsgerichte der Unfallversicherung bestehen zu gleichen Teilen aus Mitgliedern der Genossenschaft und Vertretern der versicherten Arbeiter; auch die Gewerbegerichte bestehen aus gewählten Arbeitgebern und Arbeitnehmern und haben ähnliche Aufgaben, darunter die, zuerst einen Vergleich anzustreben. Sind nicht in neuerer Zeit die Schiedssprüche bei Streiks und Lohnkämpfen häufig geworden? Haben wir nicht in den Schöffengerichten und Schwurgerichten das Bestreben, die Starrheit und Unmenschlichkeit des Buchstabengesetzes zu ersetzen oder zu mildern durch rein menschliche Erwägungen? Um noch höher zu gehen, wurden nicht schon Streitfälle zwischen Einzelstaaten in den Vereinigten Staaten, in der Schweiz, in Deutschland etc. durch Schiedssprüche einer gemeinsamen Instanz beigelegt? Sind nicht schon manche internationale Streitigkeiten auf diesem Wege geschlichtet worden, und ist es nicht das Bestreben unserer Zeit, diese Lösung allgemeiner zu machen? Auch hier verlangt der Solidarismus nichts Neues, Unmögliches; auch hier verdichtet er bloß ein allgemeines Streben, eine Sehnsucht unserer Zeit, indem er große, einheitliche Gesichtspunkte aufstellt und geordnet auf alle einschlägigen Verhältnisse anwendet; damit faßt er das unlösbare Gewirr der Einzelbestrebungen in ein einziges, leicht durchführbares Gesetz für seine Brüder zusammen: *die Pflicht der Selbstentscheidung aller Streitfragen, die Kostenlosigkeit aller Schiedssprüche und die Beseitigung aller Strafe*. Und ist es denn nicht auch moralisch, sittlich und menschlich ein hoher Standpunkt, dem, der seine Pflicht verletzt, zu sagen: du willst die Pflicht, welche dir das gemeinsame Leben mit deinen Brüdern auferlegt, nicht erfüllen, gut, so gehe deine eigenen Wege; wir ziehen dich dafür nicht zur Verantwortung, wir strafen dich nicht, wir wollen dich dann aber nicht in unserer Brüdergemeinde haben; dir allein bist du verantwortlich für deine Handlungen; findest du aber eines Tags, daß es für dich besser ist, in unserer Gemeinschaft zu leben, so sei alles vergessen, mit Freuden nehmen wir dich wieder auf, nichts von deinen früher erworbenen Rechten ist verloren, wo du aufgehört hast, kannst du wieder anknüpfen; erfülle die frei übernommenen Pflichten, und du bist wieder unser Bruder wie zuvor. Werden wir auf diesem Wege nicht weiter kommen als durch Strafen, Einsperren, Ausstoßen auf immer aus der Gesellschaft? Glaubt mir, Brüder, in einer solidaristischen Gemeinschaft wird der »geborene Verbrechertypus« bald verschwunden sein, da die Verhältnisse, die ihn dazu machen, beseitigt sind. Im Solidarismus spürt ein jeder an sich selbst, ohne Richter, die Folgen seines Tuns. Die Anlage der Ersparnisse. Der Volksvertrag bestimmt, daß die Volkskasse die Gelder und Ersparnisse der Brüder, soweit ihr dieselben anvertraut werden, in einem besonderen Sparkassenfonds verwaltet und denselben *den vollen, sich daraus ergebenden Zinsertrag* -- selbstverständlich abzüglich Verwaltungsspesen -- auszahlt. Warum solltet ihr eure Ersparnisse der Volkskasse nicht anvertrauen, sind dieselben etwa dort weniger sicher oder weniger gut angelegt als bei den gebräuchlichen heutigen öffentlichen Sparkassen, deren wichtigster Typus die städtischen Sparkassen sind? Die Sparkassen der Volkskasse werden geleitet wie Bienenstöcke, d. h. durch Vorstände, welche direkt von der Volkskasse ernannt werden und denen ein Vorstandsausschuß beigegeben ist, welcher aus allen Kategorien der Angestellten durch diese selbst gewählt wird; Delegierte der Volkskasse haben die Pflicht der Einsicht in alle Geschäftsbetriebe, Bücher und Akten. Dieser an sich schon alle Sicherheit bietende Apparat steht unter der Oberverwaltung des Volksrats, also der besten, erprobtesten, bewährtesten Brüder aus dem ganzen Lande, die durch direkte Wahl von der Gesamtheit der Brüder zu diesen höchsten Ehrenstellen des Solidarismus berufen sind; der Volksrat gibt alljährlich öffentlich genauen Rechenschaftsbericht, welcher seinerseits wieder von einer Regierungskommission geprüft und anerkannt wird. Kann eine Verwaltung überhaupt größere Sicherheiten bieten als diese; werden nicht heute ungeheure Vermögen Instituten anvertraut, welche weder in sich noch durch die Organisation ihrer Verwaltung so weitgehende Gewähr bieten wie die Volkskasse? Warum sollte eine von den Einlegern selbst gegründete und verwaltete große allgemeine einheitliche Sparkasse schlechter oder unsicherer arbeiten als die Hunderte von zerstreuten, unzusammenhängenden Privat-, Post-, Stadt- und anderen Sparkassen? Bietet doch die Bienenstockorganisation an sich die meisten Garantien für die Pflichterfüllung der Bienen, weil jede Pflichtverletzung für diese sofort die Einziehung des Bienenscheins mit Aufhebung aller Bienenrechte zur Folge hat, dagegen die Pflichterfüllung die sichere und vollständige Versorgung der Biene und ihrer Angehörigen in allen Lebenslagen und bis zum Lebensende bedeutet. Wird unter diesen Umständen die Untreue nicht verschwinden oder äußerst selten werden? Auch ist die Volkskasse durch ihre, das ganze Volk und Land umspannende Organisation, durch ihre direkten Beziehungen zu allen Erwerbszweigen, durch die zahllosen, über das Land verteilten Delegierten und Bienenstöcke, welche ihr sämtlich als Filialen dienen, wie kein anderes Institut in der Lage, die beste, sicherste, fruchtbringendste Anlage der ihr anvertrauten Kapitalien durchzuführen. Ist nicht heute schon eine große Tendenz bemerkbar, die kleineren Ersparnisse den verschiedensten Genossenschaften anzuvertrauen, wo sie genossenschaftlich durch Vertrauensmänner verwaltet werden und *tatsächlich mehr Zinsen bringen* als in den öffentlichen Sparkassen; und werden diese Ersparnisse nicht heute schon in gewaltigen Summen, welche in Deutschland jährlich nach Milliarden zählen, in der Form von Kredit mit oder ohne Bürgschaft für die verschiedensten privaten und genossenschaftlichen Unternehmungen angelegt? Es kann euch also nicht zweifelhaft sein, daß die Geldanlagen der Volkskasse in bezug auf Qualität und Sicherheit keiner der Anlagen nachstehen, denen ihr heute unbeschränkt vertraut. Ebenso sicher aber ist, daß die Anlage bei der Volkskasse euch höhere Erträgnisse abwirft. Es ist ja kein Geheimnis, daß z. B. die öffentlichen Sparkassen die Erträgnisse ihrer Anlagen nicht voll an die Sparer auszahlen, sondern beträchtliche Teile davon für allgemeine und öffentliche Zwecke ausgeben und daß tatsächlich in Deutschland Hunderte von Millionen auf diese Weise im Laufe der Jahre den Sparern entzogen werden. Der Zinsbetrag, um welchen die Einleger geschmälert werden, beträgt zwischen ¾ und 1%.[8] Die Volkskasse dagegen hat die vertragsmäßige Pflicht, *das ganze Erträgnis auszuzahlen*; sie darf vertragsmäßig nicht einen Pfennig andern Zwecken zuwenden; da sie zudem als große, einheitliche Verwaltung bedeutend sparsamer arbeitet als die Hunderte von Einzelverwaltungen der heutigen Sparkassen, *so ist euch in den Sparkassen der Volkskasse eine Mehrverzinsung von mindestens einem Prozent gesichert*. Die Aufbringung der Mittel für den Solidarismus. Wenn sonach die verschiedenen Aufgaben, die sich der Solidarismus setzt, praktisch durchführbar erscheinen, so bleibt noch die eine wichtigste Frage, die Aufbringung der Mittel zur Erreichung dieser Ziele, zu beleuchten und zwar sowohl für die Volkskasse als für die Bienenstöcke. Mittel der Volkskasse. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die große Masse der Abhängigen im heutigen Staatsleben in jeder Beziehung maßgebend ist, daß sie in allen Erscheinungen der Volkswirtschaft das ausschlaggebende Element bildet; sie ist der größte Produzent, der größte Konsument, der größte Steuerzahler und der größte Kapitalist.[9] Wird nun die große Masse, welche auch für den Solidarismus ausschlaggebend ist, sich bewähren? Wird dieselbe bei ihrem an sich schon karg bemessenen Einkommen sich zu dem erforderlichen Opfer auf dem Altar der Gesamtheit verstehen? Was wird von dem einzelnen verlangt und ist damit überhaupt ein Opfer verbunden? Brüder, ihr wißt selbst nicht, wie reich ihr seid, über welche gewaltigen Mittel ihr verfügt! Die Gesamtanlage in euren deutschen Sparkassen beträgt gegenwärtig 12 bis 14 Milliarden Mark oder rund 200 bis 230 Mark auf den Kopf der Bevölkerung.[10] Ihr habt vorhin gesehen, daß diese Gelder in dem *Sparkassenfonds der Volkskasse* mindestens 1%, also pro Kopf der Bevölkerung 2 bis 2½ Mark Mehrerträgnis bringen würden. Der Brüderbeitrag zur Volkskasse von 1 Pfennig pro Tag und Kopf, oder 3 Mark 65 Pfennige pro Jahr, wird demnach durch *die bloße Benutzung der Volkskasse als Sparkasse schon zu 2/3 gedeckt*, d. h. die Hunderte von Millionen, welche heute den kleinen Sparern unbemerkt an Zinsen verloren gehen, würden zur Begründung des Solidarismus beinahe ausreichen. Das ist recht schön, werdet ihr sagen, aber diese Durchschnittsrechnung von ca. 200 Mark Ersparnis pro Kopf stimmt nicht; unter den Brüdern, welche die Volkskasse erhalten sollen, ist vielleicht die Hälfte oder mehr, die überhaupt nichts erspart haben; wo sollen diese ihren Tagespfennig hernehmen? Der Einwand ist richtig, die Rechnung für den Durchschnitt ist unanfechtbar, sie stimmt aber nicht für jeden einzelnen. Nun beträgt der jährliche Bier-, Branntwein- und Tabakkonsum in Deutschland pro Kopf 42 Mark; die Ausgabe pro Familie für diese Dinge beträgt 140 bis 200 Mark.[11] Sollte es wirklich nicht möglich sein, hiervon die Volkskassenbeiträge von 12 Mark pro Familie abzusparen? Die Gesamtausgabe des deutschen Volkes für alkoholische Getränke und Tabak beträgt 3½ Milliarden Mark im Jahre; eure Beiträge zur Volkskasse sollen ca. 200 Millionen Mark betragen, d. i. der 17. Teil dieser Ausgabe; es würde also genügen, jeden 17. Schluck Branntwein, jede 17. Zigarre, jedes 17. Glas Bier nicht zu nehmen, *um den Beitrag zur Volkskasse ganz zu decken*; für diejenigen, welche ihren Beitrag schon teilweise aus der besseren Verzinsung ihrer Ersparnisse bei der Volkskasse bestreiten, ist nur jedes 50. Glas Bier, jede 50. oder 60. Zigarre zu sparen, um zu dem gleichen Ergebnis zu kommen. Kann man das Opfer nennen? Ist das unmöglich oder nur schwierig? Nicht ein Aufgeben dieser recht überflüssigen und schädlichen aber euch lieb gewordenen Gewohnheiten, sondern nur *eine ganz geringe, in Wirklichkeit nicht fühlbare Einschränkung würde schon zu eurer wirtschaftlichen Erlösung genügen*! Bei dem täglichen Beitrag eines Pfennigs pro Kopf wird bei einer Beteiligung von 50 Millionen Brüdern das eingezahlte Kapital der Volkskasse in 30 Jahren ca. 6 Milliarden Mark betragen, welche in derselben Zeit durch Zinsen, Prämien etc. auf mindestens 12 Milliarden Mark anwachsen; mit diesem Stammkapital könnte die Volkskasse Haftung übernehmen für vielleicht 40 Milliarden Mark Bienenstockkapitalien. *Mit dem winzigen Beitrag von 1 Pfennig pro Kopf und Tag kann also in einem einzigen Menschenalter schon ein beträchtlicher Teil der Volkswirtschaft des Vaterlandes solidaristisch sein*: nach dem ersten Menschenalter aber wächst diese Wirkung enorm schnell. Wenn diese Rechnung nicht unanfechtbar wäre, würde man nicht fassen, daß der Tagespfennig der Enterbten solche gewaltige Wirkungen in so kurzer Zeit haben kann. Und die Millionen und Abermillionen von Arbeitstagen und Löhnen die alljährlich Hunderttausende von euch den Streikbewegungen opfern![12] Zwei solcher entgangenen Taglöhne, bei vielen ein einziger, machen so viel aus wie euer ganzer Jahresbeitrag zur Volkskasse, ohne zu sprechen von der Not und dem Leid, dem Hunger und Kummer für eure Weiber, Greise und Kinder und den zahllosen Tränen, welche jeder Ausstand im Gefolge hat. Wäre es nicht besser, auch diese Summen dem einheitlich großen Zweck des Solidarismus zuzuführen, wo sie mit *Sicherheit* zum Erfolg führen? *Einen Pfennig pro Tag soll jeder von euch sparen!* Wenn ihr eine Sparbüchse haltet und jeden Morgen diesen einzelnen Pfennig in dieselbe einlegt, glaubt ihr wirklich, selbst die Wenigstbemittelten unter euch, daß ihr deshalb wirklich etwas entbehren müßtet? Ihr müßt doch selbst euch sagen: Nein, das ist noch erschwinglich, das können wir und wollen wir. Ihr könnt es um so mehr, als euch, allerdings nicht sofort, aber doch in absehbarer Zeit, in einigen Jahren schon, diese Beiträge durch die viel billigeren Bezüge eurer Lebensmittel aus den Tauschlagern der Bienenstöcke ersetzt werden, *wenn ihr erst einige Jahre lang durch eure Beiträge die Errichtung der ersten Bienenstöcke ermöglicht habt*; so bald dieses geschehen, werden sich dieselben rasch vermehren, und dann ersteht euch für jede 10 Pfennig, die ihr für eure Lebensmittel im Bienenstock ausgebt, wenigstens 1 Pfennig Ersparnis; euer täglicher Pfennig wird euch 10 und 20fach ersetzt. Habt ihr euch erst einmal überzeugt, daß alles das wahr ist, so habt ihr keinen Grund, keine Entschuldigung mehr, an dem großen Menschheitswerke nicht teilzunehmen. Neben dem Kapital, welches aus euren Brüderbeiträgen entsteht, welches also der *Volkskasse* gehört und sich, da es nicht angegriffen wird, immer vermehrt und niemals vermindert, habt ihr heute schon die 12 bis 14 Milliarden eurer Sparkasseneinlagen, die nicht der Gesamtheit gehören, sondern euer *persönliches Eigentum* sind, die aber, der Volkskasse zur Verwaltung übergeben, dieser einen solchen Kredit und ein solches Ansehen schaffen würden, daß durch *diese Tatsache allein die deutsche Volkskasse mit einem Schlage gegründet sein kann*. Ihr wißt, daß die Bienenstöcke mit fremden Kapitalien errichtet werden, welche auf Grund von Schuldscheinen aufgenommen werden, und für deren Kapital und Zinsen von der Volkskasse unbedingt gehaftet wird; ihr wißt ferner, daß der Zinsfuß dieser Anleihe, um das Kapital zu dieser neuen Anlageform heranzuziehen, etwa 1% höher ist als üblich. Wenn nun, wie ihr vorhin gesehen habt, eure Ersparnisse durch bloßes Anlegen bei der Sparkasse der Volkskasse euch 1% mehr Zinsen tragen als in andern öffentlichen Sparkassen, so werden sie euch ein weiteres Prozent mehr einbringen, wenn ihr nicht bloß die gewöhnliche, einfache Spareinlage macht sondern für euer Geld Schuldscheine von Bienenstöcken erwerbt; tut ihr das, so ist durch diese Form des Sparens euer Volkskassenbeitrag mehr wie gedeckt, ohne von euerm Einkommen irgend eine Abgabe zu erheischen. Ihr riskiert dabei nichts, denn die Volkskasse haftet für euer Kapital sowohl als den Zins ein für allemal; dafür, daß für diese Garantie jederzeit Deckung vorhanden ist, bürgt die Verwaltung durch den Volksrat. Diese Haftung für Kapital und Zins der Bienenstöcke ist im Grunde eine *Versicherung auf Gegenseitigkeit gegen das Risiko ungünstiger Geschäfte*, d. h. wenn unter den vorhandenen Bienenstöcken der eine oder andere durch irgendwelche Verhältnisse schlechte Abschlüsse macht, so ersetzt die Gesamtheit die Unterbilanz, gerade wie bei Feuerversicherungen, Lebensversicherungen, Versicherungen gegen Hagel- und Wetterschäden u. dgl. Es ist gewiß, daß bei der Vorsicht, mit welcher die Bienenstöcke errichtet werden, der vorherigen genauen Untersuchung der Bedürfnisfrage, des vorher schon gesicherten Absatzes bei der sorgfältigen Auswahl von nur bewährtem Personal, bei der fortwährenden Beaufsichtigung durch die Organe der Volkskasse, bei dem Lebensinteresse, welches jede einzelne Biene am Gedeihen ihres Bienenstockes hat, daß unter diesen Verhältnissen das Risiko ungünstiger Geschäfte ein geringeres ist als heute und als das Risiko durch Naturereignisse und Feuer. Auch in dieser Hinsicht gibt die nüchterne Zahl ein besseres Bild als allgemeine Betrachtungen und zugleich vollkommene Beruhigung. Nehmt an, es seien in Bienenstöcken zunächst einmal als Anfang 200 Millionen Mark angelegt und es sei in der Volkskasse ein Stammfonds *in gleichem Betrage zur Deckung* der Haftung vorhanden; möge nun, um ganz übertriebene, selbst in Zeiten schlimmster Krisis und bei der heutigen wilden Konkurrenz nicht einmal vorhandene, Verhältnisse anzunehmen, hiervon der 20. Teil zugrunde gehen, d. h. ein Ersatz von 10 Millionen Mark erforderlich sein. Wenn die Volkskasse wirklich 50 Millionen Köpfe zählt, so würde zum Ersatz dieses gewaltigen Schadens auf den Kopf eine Summe von 20 Pfennig treffen; nimmt man aber den Schaden in normalerer Höhe an, mit etwa 2 Millionen Mark, d. h., daß jeder hundertste Bienenstock gänzlich zugrunde geht, so würden auf den Kopf 4 Pfennig und auf die Familie 13 Pfennig treffen! Aber selbst dieser geringe Betrag wird nicht vom einzelnen verlangt, da der Schaden von der Volkskasse bezahlt wird, wo er durch die Zinsen des Stammfonds und die Prämien, welche die Bienenstöcke an die Volkskasse für diese Versicherung zahlen, mehrfach gedeckt ist. Die Zinsen des Stammfonds von 200 Millionen Mark, wie er als Beispiel angenommen wurde, zu 4%, betragen 8 Millionen Mark; die Prämien der Bienenstöcke, zu 1% ihres Kapitals, betragen 2 Millionen Mark; es sind also 10 Millionen Mark oder der 20. Teil des in Bienenstöcken angelegten Kapitals zur Erfüllung der Haftung vorhanden, ohne den Stammfonds anzugreifen. Verluste in solcher Höhe sind aber niemals zu verzeichnen; in normalen Verhältnissen und bei der sorgfältigen Verwaltung der Bienenstöcke wird die Prämie allein für den Ersatz der Verluste genügen. Wenn aber im Laufe der Jahrzehnte der Stammfonds eine ansehnliche Höhe erreicht haben und nach Milliarden zählen wird, ist der zu leistende Schadenersatz neben den zur Verfügung stehenden Mitteln verschwindend klein. *Wenn ihr euch also dazu entschließt, einige Jahre lang einen Pfennig pro Tag und Kopf in die Volkskasse zu legen, und derselben eure Ersparnisse zwecks Anlage derselben anzuvertrauen, so ist der Solidarismus gegründet; ja er ist eigentlich schon vorhanden, denn die dazu erforderlichen Mittel liegen tatsächlich in den öffentlichen Sparkassen schon heute bereit.* Die Sparkasse der Volkskasse verwirklicht im vollsten Umfange das Ideal, die Summe aller angesammelten kleinen Kapitalien im Wege des absolut gesicherten Kredits den Sparern *selbst* zur Benutzung zuzuführen, und auf dem Wege der solidaristischen Organisation deren sämtliche Existenzbedürfnisse voll zu befriedigen. Nennt mir den Kapitalisten, den Ring, den Trust[13] auf der ganzen Welt, der über solch gewaltige Mittel verfügt wie ihr! Was euch fehlt sind nicht die Mittel, sondern nur die Einigkeit und der Wille! Und was wird aus dem Stammkapital der Volkskasse? Unaufhörlich vergrößert durch den Tagespfennig aller Arbeitenden, immer vermehrt, niemals vermindert, wird es im Laufe weniger Menschenalter zu unermeßlicher Höhe anwachsen; es wird bald weit über den Deckungsbedarf für die Bienenstockanleihen hinauswachsen, namentlich dann, wenn die ältern Bienenstöcke ihre Kapitalien zurückbezahlt haben oder ihren eigenen Kredit genießen. Dann Brüder, kommt die Zeit, wo ihr diesen unermeßlichen Reichtum, den Reichtum der Gesamtheit, auch anderen allgemeinen, gemeinnützigen Zwecken zuwenden werdet; eure Macht wird dann so groß, daß kein Wunsch unerfüllbar, kein Gedankenflug zu hoch für seine Verwirklichung sein wird! Dann werdet ihr eure Städte verschönern, eure Verkehrsmittel verbessern und vermehren, Werke der Kunst, Forschungen der Wissenschaft und große Erfindungen fördern, euch an den großen internationalen völkerverbindenden Aufgaben und Friedenswerken beteiligen. Möget ihr einsehen, daß diese goldene Zeit um so eher kommt, je allgemeiner und regelmäßiger euer Tagespfennig zur Volkskasse wandert. Mittel der Bienenstöcke. Kann euer Bienenstock seinen zahlreichen Vertragsverpflichtungen in bezug auf Einkommen der Bienen, Krankheits- und Unfallszuschüsse, Senioren-, Invaliditäts-, Witwen- und Waisenanteile nachkommen, seine sämtlichen obligatorischen, sozialen Einrichtungen in der vorgeschriebenen Weise erhalten und dabei noch nennenswerte Ergänzungseinkommen für euch erzielen? Die Antwort auf diese Frage erfolgt wiederum am besten durch nüchterne Zahlen aus bestehenden Verhältnissen. Im Anhang 9[14] sind die finanziellen Abschlüsse einiger Aktiengesellschaften aus den letztverflossenen Jahren zusammengestellt, und zwar jeweils auf zwei Arten: 1. so, wie dieselben tatsächlich erfolgt sind, und 2. so, wie sie nach dem Arbeitsvertrag der Bienenstöcke zu erfolgen haben. Es sind dabei die Einnahmen und alle Arten von Ausgaben in beiden Fällen gleich angenommen; es ist ferner angenommen, daß die Normaleinkommen der Bienen den heutigen Arbeitslöhnen entsprechen; die Verluste für zweifelhafte Schuldner, die Abschreibungen und Rücklagen sind ebenfalls für beide Rechnungsarten in gleicher Höhe eingesetzt. Dagegen sind im Bienenstockkonto weggelassen alle Tantiemen und Gratifikationen, weil diese durch die Ergänzungseinkommen ersetzt werden, ferner die übrigens meist geringfügigen Zuwendungen zu Unterstützungs- und Pensionsfonds verschiedener Art, weil ja der Bienenstock für alle Bedürfnisse von Rechts wegen sorgt und daher Unterstützungen nicht zu leisten hat. Dafür sind im Bienenstockkonto aufgenommen: die Verzinsung und Rückzahlung seines Kapitals, die Prämie an die Volkskasse für deren Haftungen und die Zuwendungen zum Stipendienfonds; diese verschiedenen Ausgabeposten, welche die Aktiengesellschaften nicht haben, da sie ihr Aktienkapital niemals zurückzahlen, machen meist so große Beträge aus, daß das verteilbare Erträgnis beim Bienenstock fast stets bedeutend kleiner ist, als bei der Aktiengesellschaft; trotzdem entfallen für den Anteilfonds der Volkskasse und Ergänzungseinkommen der Bienen beträchtliche Summen, wie die Schlußzusammenstellung in Anhang 9 ausweist. Die dort gegebenen Beispiele, welche aus sehr verschiedenen Industrien und verschiedenen Jahren, darunter die Krisisjahre 1900 und 1901, genommen sind, ergeben tatsächlich mittlere Ergänzungseinkommen zwischen 10 und 40% des *durchschnittlichen* Jahreslohnes pro Kopf[15]; die bedeutendsten Ergänzungseinkommen haben diejenigen Werke, welche die in Bienenstöcken vorgeschriebenen Wohlfahrtseinrichtungen heute schon in vollem Umfange haben, wie die Farbenfabriken Friedrich Bayer & Ko., die Badische Anilin- und Sodafabrik etc., für diese Werke ist der Vergleich mit den Bienenstöcken auch gerechtfertigt, weil in deren Ausgaben die Kosten für die sämtlichen Wohlfahrtseinrichtungen enthalten sind; für die andern Werke gibt der Vergleich kein Bild, da nicht bekannt ist, ob und wie viel von deren Ausgaben auf Wohlfahrtseinrichtungen trifft. Selbstverständlich kann man auch genug Beispiele anführen, bei welchen Ergänzungseinkommen sich nicht ergeben, man braucht dazu nur solche Aktiengesellschaften zu wählen, welche mit Verlust arbeiten; aber ebensowenig wie diese im laufenden Geschäftsleben die Norm bilden, ebensowenig können sie euren Bienenstöcken als Beispiele entgegengehalten werden; wie diese Art Betriebe im laufenden Geschäftsleben *von selbst ausscheiden*, da sie nicht weiter arbeiten *können*, so wird dies auch im Solidarismus der Fall sein, da dem Volksrate das Recht vorbehalten ist, solche Bienenstöcke, welche mit Verlusten arbeiten, aufzulösen, da sie damit selbst beweisen, daß sie *nicht existenzfähig* und *nicht existenzberechtigt* sind. Bis zu dieser Auflösung aber hat die Volkskasse die Haftung für die Verpflichtungen des Bienenstocks, so daß selbst in diesem Falle alle Existenzbedürfnisse der Bienen und ihrer Angehörigen, solange der Bienenstock besteht, voll gesichert sind. Die obigen Vergleiche zwischen Aktiengesellschaft und Bienenstöcken dürfen indes nicht zu wörtlich genommen werden; das Konto der Aktiengesellschaft zeigt allenfalls das *Minimum* an, welches ein Bienenstock im *ungünstigsten* Fall noch erreichen könnte. In Wirklichkeit stellt sich die Rechnung für die Bienenstöcke *viel günstiger*, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Das Bewußtsein der Biene, das volle Erträgnis ihrer Arbeit auch wirklich selbst zu erhalten, erzeugt *größere Leistung mit geringerem Aufwand*. 2. Die Mitwirkung der aus den Beamten, Meistern und Arbeitern selbst gewählten Mitglieder des Vorstandsausschusses in der Verwaltung sichert *bessere, sparsamere Verwaltung*. 3. Die abnorm hohen Gehälter und Tantiemen des höheren Personals und überhaupt die hohen *Verwaltungsspesen fallen weg*. 4. Da der Bienenstock sein Kapital zurückbezahlt, so werden seine Verpflichtungen in dieser Beziehung im Laufe der Jahre geringer, während die Aktiengesellschaft ihr Kapital immer schuldig bleibt; der Unterschied in den notwendigen Abschreibungen, Rücklagen, Reserven etc. macht sich in den *Konten bedeutend bemerkbar zugunsten der Bienenstöcke*, namentlich solcher, welche schon länger bestehen. 5. Der wesentlichste Unterschied zugunsten der Bienenstöcke liegt aber in den Gegenseitigkeitsverpflichtungen der Bienenstöcke, welche viel *günstigere Einkäufe* der Materialien und gesichertere, *mit fast keinen Spesen verbundene Verkäufe der ganzen Produktion* gestatten; *die hierdurch im Bienenstock ersparten Summen sind sehr bedeutend*. 6. Infolge der vor der Errichtung des Bienenstocks veranstalteten Erhebungen über die Bedürfnisfrage, die günstigsten Produktionsbedingungen, den gesicherten Absatz, das Personal etc. gelangen überhaupt nur solche Bienenstöcke zur Errichtung, deren Existenzbedingungen nicht nur gesicherte, sondern hervorragend günstige sind. Die natürliche Auswahl, welche die Volkskasse infolge der Zentralisation ihrer Informationen über Nachfrage und Angebot von Waren, ihrer Arbeiterstatistiken etc. zu treffen in der Lage ist, *fundiert jeden Bienenstock von vornherein sicherer als jede andere Betriebsform*; einen indirekten Beweis hierfür kann man aus der Wirksamkeit der Trusts ableiten. So wurde z. B. durch den amerikanischen Zuckertrust die Anzahl der Zuckerraffinerien in den Vereinigten Staaten auf 1/3 reduziert und dennoch der ganze Bedarf des Landes gedeckt.[16] Der Wiskytrust reduzierte die Zahl seiner Betriebe von 84 auf 12, also auf 1/7 und deckte damit doch den Bedarf. Während im früheren Zustand Betrieb auf Betrieb verkrachte und auch die bestehenbleibenden der gleichen Gefahr ausgesetzt waren und nur vegetierten, erzielten diese Trusts nachher sehr hohe Gewinne für das zusammengelegte Kapital aller früheren Betriebe. Diese Beispiele, die beliebig vermehrt werden können, zeigen, *mit welch gewaltiger Verschwendung an Kapital und Arbeitskraft in der heutigen Volkswirtschaft gearbeitet wird, und welche erstaunlichen Ersparnisse die solidaristische Organisation an Geld und Kraft herbeigeführt*; denn das was die Trusts nachträglich getan haben, die Beseitigung der Überflüssigen, Schwachen, das tut die Volkskasse vorher, *indem sie überflüssige*, schwach *fundierte, minderwertige, nicht existenzfähige Betriebe überhaupt nicht entstehen läßt*, sie tut es aber nicht zum Vorteil eines oder weniger einzelner, *sondern zum Wohle der Gesamtheit*. Das Prinzip der Einschränkung der Produktion nach dem Konsum wird im Solidarismus zur gesunden, einzig richtigen Grundlage der Volkswirtschaft zugunsten der Gesamtwohlfahrt. Die finanzielle Grundlage des Bienenstocks, selbst wenn man nur die heutigen Betriebsformen zum Vergleich heranzieht, ist demnach eine gesunde; sie wird aber durch die sonstigen Bedingungen der solidaristischen Organisation noch derartig verbessert, daß gegenüber den heutigen Betrieben geradezu erstaunliche finanzielle Resultate zu erwarten sind. Schlußwort zu diesem Kapitel. Brüder! Es wurde euch in diesem Kapitel *bewiesen*, daß der Solidarismus keine Utopie ist; bewiesen nicht durch allgemeine Betrachtungen, auf Grund mehr oder weniger unsicherer Annahmen, sondern durch nüchterne Zahlen, geschöpft mitten heraus aus dem wirklichen Leben, entnommen aus der Praxis des heutigen Wirtschaftslebens. Es wurde bewiesen, daß alle Einrichtungen des Solidarismus *einzeln* schon bestehen und vorzüglich funktionieren, daß keine derselben neue Anforderungen stellt, neue Gewohnheiten verlangt. Es wurde bewiesen, daß der Solidarismus aufgebaut ist auf den großen Gedanken einer glänzenden Reihe von Menschheitsfreunden, welche zum Teil Märtyrer ihrer Pionierarbeit wurden; daß er fußt auf der *Erfahrung* früherer Perioden in der Geschichte der menschlichen Wirtschaft, daß er aus diesen Erfahrungen das entnimmt, was in der heutigen Zeit und mit den heutigen Mitteln durchführbar ist, und daß er nur die einzelnen zerstreuten Bestrebungen in eine einzige große Bewegung nach wirtschaftlicher Erlösung unter gemeinsamer Leitung nach einheitlichen Gesichtspunkten vereinigt. Es wurde bewiesen, daß der *Geist der Zeit diese Einrichtungen fordert, daß sie nur der Ausdruck vorhandener, tiefempfundener Bedürfnisse sind*; es wurde bewiesen, daß nicht nur die finanzielle Grundlage des Solidarismus eine gesunde ist, sondern daß selbst die *Mittel zur Begründung desselben schon vorhanden sind*; es wurde endlich bewiesen, daß selbst die kleinen Opfer, welche ihr Brüder scheinbar bringen müßt, um die wunderbaren Wirkungen des Solidarismus herbeizuführen, keine wirklichen Opfer sind, sondern 10 und 20fach durch die rein materiellen Vorteile des Solidarismus zurückerstattet werden, und daß zur Verwirklichung des Solidarismus nichts erforderlich ist als ein *gemeinsamer Willensakt und eine intelligente Organisation unter selbstloser, mit eiserner Folgerichtigkeit vorgehender Leitung*! Alle die einzelnen Bestrebungen, welche heute die Menschheit erfüllen, sei es in Form von Wohlfahrtseinrichtungen oder Wohltätigkeitsveranstaltungen, von sozialen Gesetzen oder genossenschaftlichen Bestrebungen, alle bezwecken die Milderung der Wirkungen des sozialen Elends; der Solidarismus aber bezweckt und erreicht die Beseitigung der Ursachen des sozialen Elendes und damit des letzteren selbst. *Der Solidarismus erreicht auf natürlichem Wege eure wirtschaftliche Erlösung.* Kapitel 7. Wirkungen des Solidarismus. *Brüder! Der Zweck der Arbeit, gleichgültig ob körperlich oder geistig, ist, mit geringstem Aufwand und kleinster Anstrengung die volle Befriedigung aller physischen, intellektuellen und moralischen Existenzbedürfnisse der Arbeitenden und ihrer noch nicht oder nicht mehr arbeitsfähigen Angehörigen sowie deren Schutz gegen die Folgen der natürlichen Ungleichheiten und der sozialen Schädlichkeiten von der Geburt an bis zum Tode.* Diesen Zweck könnt ihr, auf euch selbst angewiesen, nicht erreichen; ihr erreicht ihn aber im Solidarismus dadurch, daß die Gesamtheit für jeden einzelnen eintritt, unter der Bedingung, daß jeder einzelne einen bestimmten Teil seiner Arbeit durch freiwillig übernommene Verpflichtung der Gesamtheit widmet. Eine gesunde Volkswirtschaft hat durch eine richtige Organisation der Arbeit die zweifache Aufgabe zu lösen: Erstens: Daß der oben umschriebene Zweck der Arbeit für *jedes einzelne ihrer Mitglieder* im vollem Umfange erreicht werde. Zweitens: Daß durch diese Wahrung der Interessen der einzelnen *das große Interesse der Gesamtheit ihrer Mitglieder nicht leide*. Daß der Solidarismus diese zweifache Aufgabe für seine Angehörigen vollständig löst, ist in folgendem erwiesen. Wirkungen des Solidarismus auf das Wohl der einzelnen. Materielles Wohl der Brüder. Wenn ihr Bienen seid, so sorgt der Bienenstock durch das garantierte Normaleinkommen für alle eure unmittelbaren Lebensbedürfnisse in ausreichender Weise; durch das Ergänzungseinkommen seid ihr in der Lage, auch darüber hinaus an den Genüssen des Lebens und den Segnungen der Kultur reichlich teilzunehmen. Gleichzeitig mit der Erhöhung eurer Einnahmen gibt euch der Bienenstock bedeutende Verminderung eurer Ausgaben durch seine Tauschlager und seine sozialen Einrichtungen. Die Krankheits- und Unfallszuschüsse, die Krankenhäuser und Ärzte sorgen für euch bei Krankheiten und Unfällen; die Bestimmung, daß ihr nur bei eigener Pflichtverletzung entlassen werden könnt, gibt euch Sicherheit gegen Arbeitslosigkeit; der Invalidenanteil sichert euch gegen die Folgen der Arbeitsunfähigkeit, der Seniorenanteil gewährt euch in noch genußfähigem Alter Freiheit von Arbeit bei ungeschmälertem Normaleinkommen; die Witwen- und Waisenanteile und die Erziehung der Doppelwaisen sorgen für eure Hinterbliebenen im Falle eures Todes. Indem der Bienenstock euch und die Euren ein für allemal von allen materiellen Sorgen des Lebens befreit, macht er euch zu unabhängigen Menschen. Aber auch ihr Brüder, die ihr noch nicht das Glück habt, Mitglieder von Bienenstöcken zu sein, kommt durch eure bloße Zugehörigkeit zur Volkskasse zu Vorteilen, die ihr auf keinem andern Weg erlangen könnt: sie ermöglicht euch bessere, billigere, mühelosere Lebenshaltung durch den Bezug eurer sämtlichen Lebensbedürfnisse zu Bienenpreisen, und durch die Mitbenutzung aller sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke zu denselben Bedingungen wie die Bienen selbst: die Krankenpflege in den Krankenhäusern, die hygienischen Einrichtungen, die Erziehung und Versorgung eurer Kinder im zartesten Alter, der Unterricht und die Fortbildung auch nach dem schulpflichtigen Alter, die gesunde Kost, die hygienischen Wohnungen usw. Alle diese Einrichtungen vermindern und vereinfachen euch die Sorge für Küche, Haus und Erziehung und heben euer materielles Wohl. Brüder! Vergegenwärtigt euch doch die Wirkung all dieser Einrichtungen auf euer Familienleben! Wenn eure Kinder in bestgeleiteten Anstalten und Schulen untergebracht, mit liebevoller Pflege umgeben sind, euer Weib sich nicht mehr mit Einholen, Kochen und Zutragen der Nahrungsmittel, mit Krankenpflege zu befassen hat, welche Ruhe wird da in euer Heim einziehen, wieviel schöner, gemütlicher sich dasselbe gestalten, wieviel Zeit könnt ihr auf Erholung und Unterhaltung, auf Fortbildung, nach der ihr doch alle lechzt, auf edlen Lebensgenuß im Familien- oder Freundeskreis verwenden! Eure Frau kann sich, wenn sie es wünscht, ohne Familienpflichten zu verletzen, einem Beruf hingeben und so das stolze Bewußtsein bekommen, auch ihrerseits zum materiellen Wohlstand des Hauses beizutragen. Freilich werdet ihr Bienen diese gemeinnützigen Einrichtungen, diese Schulen, Krankenhäuser, Speisehallen selbst zu bezahlen haben, da ja euer Bienenstock dieselben unterhält und daher diese Kosten vom Erträgnis desselben abgehen; aber, wenn dieselben nicht vorhanden wären, hätte jeder einzelne von euch doch die Ausgaben dafür zu bestreiten, welche im Leben doch nicht zu umgehen sind, und dann tritt von selbst die Frage auf: Ist es denn nicht billiger und besser, die Nahrungsmittel nur an einer einzigen Stelle im Großen einzukaufen, statt an hundert oder tausend Plätzen in einzelnen, minimalen Mengen, sie an einer Stelle, auf einem Feuer zu kochen, statt auf hundert oder tausend zerstreuten Herden, eure Kinder an einer Stelle zu erziehen, in schönen, gesunden Räumen, mit allen notwendigen Mitteln, statt in Tausenden von engen Wohnungen, mit unzulänglichen Mitteln, nur zu oft verwahrlost, unbewacht, sich selbst überlassen? *Alles was besser und billiger gemeinsam vollbracht wird, soll der Mensch nicht einzeln ausführen.* -- Alles, was von allen benutzt wird und allen zugute kommt, wie die sozialen Einrichtungen, soll auf gemeinsame Kosten gehen. -- Alles was nur von einzelnen oder von jedem verschieden beansprucht wird, wie Nahrung, Kleidung, soll der einzelne selbst bezahlen, aber zum Bienenpreise. Diese Grundsätze führt der Solidarismus für alle Bedürfnisse der Brüder, welcher Art sie auch seien, folgerichtig durch. Diese solidaristische Interessengemeinschaft bringt unberechenbare Ersparnis an Zeit, Kraft, Geld, Aufregung und Mühe, und das Endergebnis ist eine gewaltige Verbesserung für jede Einzelwirtschaft. Körperliches Wohl der Brüder. *Auf der Gesundheit beruht die geistige und körperliche Produktionskraft des einzelnen und des ganzen Volkes*, mit der Kraft und Gesundheit steigt und fällt seine Leistung. Deshalb nimmt der Solidarismus euch schon im zartesten Alter im Säuglingsheim unter seine Fittiche, versorgt euch dann in Kinderhorten, überwacht eure Gesundheit durch die Bienenstockärzte auch im schulpflichtigen Alter und während eurer Lehrzeit, gibt euch gesunde Aufenthaltsräume, Spiel- und Sportplätze und verfolgt auf Schritt und Tritt euer Wohlbefinden. Und diese Sorge hört nicht auf, wenn ihr erwachsen seid; jederzeit steht euch der Rat erfahrener, eurem Wohl ergebener, ja an eurem Wohl direkt interessierter Ärzte zur Seite; Bäder und hygienische Einrichtungen aller Art, gesunde Wohnungen, gesunde Kost stehen euch zur Verfügung; ein jährlicher Urlaub gestattet euch Erholung von der Anstrengung der Arbeit. Eure Betriebe und die Hygiene eurer Wohnungen werden ständig überwacht, um Krankheiten und Unfälle nach menschlich möglichen Kräften zu vermeiden und um euer höchstes Gut, die Gesundheit, vor Gefahren zu schützen; wenn euch trotzdem etwas zustößt, so stehen euch die besteingerichteten Krankenhäuser, die sorgfältigste ärztliche Pflege, zu Gebote; und das alles kostenlos für euch und die Euren, am Orte eurer Tätigkeit mühelos erreichbar, nur anzunehmen und zu benutzen ohne umständliche Formen, Kontrollen und Schreibereien. Und schafft denn nicht die völlige Befreiung von materiellen Sorgen -- die erste Bedingung für das körperliche Gedeihen -- für die gute Wirkung all dieser Maßnahmen die notwendige Unterlage, und werden dieselben nicht gefördert durch Wegschaffung zahlloser unnützer Arbeiten und Anstrengungen aus eurem Leben? Geistig-sittliches Wohl der Brüder. Der Solidarismus sorgt nicht nur für euer materielles und körperliches Wohl sondern *auch in vollstem Umfange für eure geistigen und sittlichen Bedürfnisse*. In den Kinderschulen der Bienenstöcke wird in eure Kinder schon beim ersten Erwachen ihres Geistes und vor der Schulpflicht die Aufnahmefähigkeit für geistige Entwicklung und der Keim zu sittlichen Grundsätzen und Gewohnheiten gelegt, und dies wird fortgesetzt durch die sorgfältige Überwachung und Bewahrung vor sittlichen Schäden und Verwahrlosung während der Schulzeit. Nach dieser Zeit nimmt der Bienenstock eure Söhne wieder ganz unter seine Führung durch Fachunterricht in seinen Lehrwerkstätten unter gleichzeitiger Weiterbildung in Fortbildungsschulen; eure Töchter werden in den Anstalten der Bienenstöcke zu praktischen, sparsamen Hausfrauen erzogen, fähig, auch ihre Kinder auf eine geistig und sittlich höhere Stufe zu bringen und ihre Ehemänner an das Haus zu fesseln. Der Solidarismus übernimmt auf diese Weise die soziale Erziehung und bildet nach und nach Menschen heran, denen das soziale Gewissen, die Vertragstreue, die unerschütterliche Ehrenhaftigkeit und die Solidarität aller Menschen, aber auch die Sparsamkeit und Vorsorge, die Wahrheit und Natürlichkeit, die Mäßigkeit, die respektvollen Beziehungen der Geschlechter, selbstverständliche Dinge sind, und welche von Generation zu Generation festere Stützen des Solidarismus werden, da sie von Hause aus für diesen erzogen sind und das Leben ohne denselben nicht kennen und nicht verstehen. Diese günstige Beeinflußung hört auch in eurem späteren Leben nicht mehr auf; durch die obligatorischen Rücklagen zu dem Anteilfonds der Volkskasse wird auch im reifen Alter der Sinn für Sparsamkeit und Vorsorge wach erhalten; für die Befriedigung eures Wissensdurstes und Bildungsdranges, das Höchste was in euch ist, sorgt der Solidarismus durch die im Bienenstock veranstalteten Vortragszyklen über nützliche und bildende Stoffe, durch die euch zur Verfügung stehenden Bücher und Zeitschriften und all die Einrichtungen, welche euch das Wissen und die Kunst näher zu bringen bestimmt sind. Euer Stipendienfonds sorgt dafür, die von der Natur Begabten höheren Studien zuzuführen und euch Ausstellungen und ähnliche Veranstaltungen zugänglich zu machen, deren Resultate wieder eurem Bienenstock, eurer Gesamtheit zugute kommen. Auch für die so notwendige und nützliche Erholung und Geselligkeit, für euer Anschlußbedürfnis im Kreise eurer Kollegen und Freunde unter Zuziehung eurer Familien ist gesorgt, und auch in dieser Richtung wird eure Lust und Freude am Leben erhöht. Ethische Wirkungen des Solidarismus. Brüder! *Ein jeder von euch strebt nicht nur nach Selbsterhaltung sondern auch nach Glück auf Erden*; ein jeder sucht sein Leben so reich und wertvoll als möglich zu gestalten; das ist euer unveräußerliches Recht. Daß jeder dabei bestrebt ist, den höchsten Gewinn, *die höchste Leistung mit geringstem Aufwande* und geringster Anstrengung zu erreichen, ist im innersten Wesen des Menschen begründet, ist das Naturgesetz seines Lebens, das Grundprinzip aller menschlichen Tätigkeit, der Schlüssel zu jedem Fortschritt. Dieses Weltgesetz des kleinsten Kraftaufwandes, das auch die körperliche Welt regiert, und dessen universelles Wirken die Wissenschaft zu erkennen beginnt, muß auch das *natürliche Gesetz der menschlichen Wirtschaft sein*, aber nicht zugunsten einiger weniger, sondern *allein zugunsten der Gesamtheit*. In diesem Sinne aufgefaßt, wird das Gesetz des höchsten Gewinns mit geringster Anstrengung zum höchsten und moralischesten Gesetz menschlicher Tätigkeit und menschlichen Fortschritts, zur hauptsächlichsten, ja einzigen Triebkraft einer ganz von selbst spielenden Wirtschaftsorganisation. Die logische Anwendung dieses Gesetzes führt von selbst, ohne Zwang, zum Ersatz des wilden Interessengegensatzes durch Interessengemeinschaft, des Klassenkampfes durch Klassenversöhnung, *des Kampfes aller gegen alle durch das Eintreten aller für alle*, zum Solidarismus! Der Solidarismus fordert *erst* das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit, *dann* erst das Eintreten der Gesamtheit für den einzelnen. *Erst Pflicht, dann Recht!* Der Solidarismus fordert schon von jedem Bruder zuerst und ständig die Abgabe eines geringen Teils seiner Einkünfte an die Gesamtheit, die Volkskasse, aber erst im Bienenstock kommt diese Pflichterfüllung gegen die Gesamtheit zu ihrer vollen Entfaltung: für die *Gesamtheit* der Brüder unterhaltet ihr die Speisehallen, die hygienischen Einrichtungen, die Krankenhäuser, die Ärzte; der *Gesamtheit* der Brüder widmet ihr die Kinderhorte, die Schulen, die Unterrichts- und Fortbildungsanstalten, die Bibliotheken, die Einrichtungen für Geselligkeit und Erholung; für die *Gesamtheit* sind die Tauschlager zu Bienenpreisen bestimmt; der *Gesamtheit* der Bienen gehört derjenige Teil der Erträgnisse, welcher im Anteilfonds der Volkskasse deponiert wird. Erst wenn ihr diese Arbeit für die *Gesamtheit* geleistet habt, dürft ihr euer Ergänzungseinkommen beziehen, dieses aber, wie das Normaleinkommen, wie alle Bezüge überhaupt, sowie die Bezüge eurer Witwen und Waisen, *proportional eure Leistung für die Gesamtheit*. Was du für die Gesamtheit tust, das tust du für dich, denn du bist ein Teil der Gesamtheit; niemals dienst du den Zwecken anderer; jede nützliche Handlung, jede Anstrengung, jede Verbesserung für die Allgemeinheit, übt sofort für dich selbst und deine Familie das ganze Leben hindurch und darüber hinaus für deine Nachkommen ihre Wirkung aus. Der Solidarismus gewährt keine Almosen, keine Unterstützung, keine Wohltat; er beseitigt deren Notwendigkeit; alles, was der Solidarismus dir und den deinen gibt, ist dein wohlverdientes Recht, erworben durch deine Arbeit für die Gesamtheit. Der Grundsatz: der höchsten Leistung *für* die Gesamtheit die höchste Entlohnung *durch* die Gesamtheit verwirklicht den in jedes Menschen Brust wohnenden *Gerechtigkeitsbegriff*. Und das alles geschieht in *Frieden* und *Liebe*! Denn, da ihr alle Beteiligte am gemeinsamen Werke seid, so sind keine Gegensätze zu schlichten, sondern nur gemeinsame Interessen zu beraten; es gibt also bei den manchmal doch auftretenden Differenzen keine Kläger und Beklagte, sondern nur Meinungsverschiedenheiten, die meist durch Vermittlung, ausnahmsweise durch Schiedsspruch erledigt werden, gesprochen von euren eigenen Vertrauensmännern in voller Menschenliebe und mit dem Bewußtsein, daß niemand ein Strafrecht über seinesgleichen hat, sondern ein jeder die Pflicht, auszuhelfen, zu stützen, keine brauchbare Kraft verloren gehen zu lassen. Auch eure *Freiheit* wahrt der Solidarismus; denn euer Beitritt zur Volkskasse und euer Austritt aus derselben sind freiwillig; der Arbeitsvertrag der Bienenstöcke ist ein freiwilliger und freier, mit gleichen Rechten für alle; kein Gesetz zwingt euch, ihm beizutreten; auch die sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke könnt ihr benutzen oder nicht; ihr seid freie Menschen! Nur die Überzeugung von dem Nutzen der solidaristischen Einrichtungen soll euch zu deren Benutzung veranlassen, nur das *natürliche* Spiel derselben soll euch zu ihnen ziehen, euch an dieselben fesseln. Ihr seht, Brüder, daß der Solidarismus *alle sozialen Tugenden* in euch erweckt und entwickelt! Euer Streben nach eigenem Glück wird zugleich das wunderbarste, segensreichste Prinzip tätiger Nächstenliebe, da alles, was ihr als Brüder und Bienen tut, für alle geschieht, im Namen des Solidarismus. Euer gemeinsames Arbeiten im Selbstbetriebe hebt das Gefühl der Selbstzucht und Disziplin, der Verantwortlichkeit und der Pflicht, der Toleranz und wahrhaften Gerechtigkeit gegen andere, stärkt den Charakter und den Willen. Das Gesetz: »höchster Lohn der höchsten Leistung für die Gesamtheit« zeitigt die höchste Entfaltung der Persönlichkeit; die Sparkassen und sozialen Einrichtungen erwecken die Vorsorge ohne Egoismus und Genußsucht. Eure völlig freie Betätigung und Selbstbestimmung, der Vollbesitz des Erträgnisses eures Arbeitsprodukts, die Tatsache, daß jeder den Erfolg sich selbst verdankt, erhöhen das Gefühl eurer menschlichen Würde, geben euch die Energie eines ernsten und hohen Wollens zur Selbstbetätigung und Selbstvervollkommnung; sie geben euch die Gabe, die Würde und Hoheit der Arbeit anzuerkennen, die Wertschätzung des Menschen nicht nach Äußerlichkeiten, sondern nach seiner Leistung und seinem Verdienst für die Gesamtheit zu beurteilen, denn nicht die Arbeit allein adelt, sondern nur die Arbeit für die Gesamtheit! Diese allein ist der Ursprung alles Guten und Edlen auf Erden, die Quelle von Freude und Glück. Und auch für die äußere Anerkennung, welche der Mensch für seine Tätigkeit nicht entbehren kann, sorgt der Solidarismus dadurch, daß sowohl in der Volkskasse als in Bienenstöcken die Verwaltung durch freie Wahl der Besten stattfindet, daß die höchsten Ehrenstellen denen zufallen, welche das Höchste für die Gesamtheit leisteten. Wirkungen des Solidarismus auf das Wohl der Gesamtheit. Die geschilderten Wirkungen des Solidarismus auf den einzelnen gehören eigentlich auch hierher, denn die Grundidee des Solidarismus ist die *Gleichstellung des Einzelwohls mit dem Gesamtwohl*: wenn für alle einzelnen gesorgt ist, so ist auch für die Gesamtheit gesorgt, denn die Summe der einzelnen ist die Gesamtheit. Gleichwohl ist die Einteilung in Einzelwohl und Gesamtwohl beibehalten, um zu beweisen, daß diese zwei Dinge nicht sich ausschließen, sondern im Gegenteil im Solidarismus tatsächlich identisch sind. Der Solidarismus befriedigt, wie ihr gesehen habt, die Existenzbedürfnisse jedes *einzelnen* von seiner Geburt bis zu seinem Tode; ist er richtig aufgebaut, so muß er nunmehr die Probe darauf bestehen, daß er auch jederzeit das Interesse der Gesamtheit wahrt und niemals das eine dem andern opfert. Aus der Definition des Zwecks der Arbeit, welche an den Kopf dieses Kapitels gestellt wurde, ergibt sich ohne weiteres der *Wert des Arbeitsprodukts*: der Erlös aus demselben muß so groß sein, daß der geschilderte Zweck erreicht wird; nicht weniger, aber auch nicht mehr. Euer Bienenstock bestimmt demnach den Wert seiner Arbeitsprodukte so, daß er durch seine Erträgnisse allen seinen vertragsmäßigen Verpflichtungen in bezug auf Einkommen seiner Bienen, soziale Einrichtungen, Anteile etc. nachkommen kann, nachdem er alle seine Geschäftsunkosten, einschließlich der Rückzahlung und Verzinsung seines Kapitals in Abzug gebracht hat. Zu dem so bestimmten *wirklichen Selbstkosten*preise oder *natürlichen Preise*, welcher Bienenpreis genannt wird, ist er zur Lieferung an alle Bienenstöcke und Brüder verpflichtet; darüber hinaus darf er nichts fordern, da dies über den Zweck der Arbeit hinausginge und zu überflüssiger Anhäufung von Geld, für welches keine vertragsmäßige Verwendung besteht, führen müßte. Eine gewisse Beweglichkeit der Preisbestimmung liegt nur in dem Resterträgnis des Bienenstocks; dieses gehört aber zur Hälfte der *Gesamtheit*, die andere Hälfte, das Ergänzungseinkommen, dient als wohlverdiente Entlohnung besonderer Anstrengungen und Leistungen, um die ebenfalls im Arbeitszwecke liegende Forderung des *geringsten Aufwandes* herbeizuführen; je größer eure Leistung, je geringer gleichzeitig euer Aufwand, desto größer euer Ergänzungseinkommen. Daß dieses nicht mißbraucht werde, um die Preise unnatürlich in die Höhe zu schrauben, dafür sorgt die Gegenseitigkeit eurer Bienenstöcke; sind doch im Solidarismus Produzent und Konsument vereinigt; jeder Bienenstock liefert seine Waren nicht nur an die andern, sondern auch an seine eigenen Bienen zum gleichen Preise; ihr habt kein Interesse an künstlicher Preiserhöhung, die ihr auch selbst bezahlen müßtet, und welche die andern Bienenstöcke euch ebenfalls durch höhere Preise entgelten lassen würden. Die Vereinigung von Produzent und Konsument in Bienenstöcken führt daher niemals eine Verteuerung, sondern nur eine möglichste Verbilligung aller Waren zugunsten aller bis zu ihrer natürlichen unteren Grenze herbei. Eine *obere* Grenze ist den Bienenpreisen an und für sich schon gesteckt; sie dürfen keinesfalls höher sein als die Fabrikpreise der heutigen Unternehmungen, da ja, wenn sie höher wären, den Brüdern aus der Verpflichtung des Bezugs ihrer Bedürfnisse aus den Bienenstöcken Nachteile statt Vorteile entstehen würden. Eine der wichtigsten volkswirtschaftlichen Wirkungen des Solidarismus ist demnach *die Preisbestimmung der Arbeitsprodukte* außer durch die darauf verwendeten Geschäftsspesen lediglich *durch den Wert der auf deren Herstellung und Verteilung verwendeten Arbeit*, unabhängig von äußern zufälligen Einflüssen, wie Nachfrage und Angebot, Konjunktur etc., oder von erzwungenen und künstlichen Einflüssen. Diese natürliche Preisbestimmung ist die einzig gerechte, denn Produktionsfaktor ist nur Arbeit, und zwar geistige wie körperliche, welche getrennt undenkbar sind; Wertmesser der Arbeitsprodukte kann daher neben den allgemeinen Geschäftsauslagen, zu welchen ein für allemal Verzinsung und Rückzahlung des Kapitals gehören, nur die darauf verwendete Arbeit im allgemeinen Sinne sein; Arbeit allein verleiht Wert und ist Wert; ein Naturprodukt ohne Arbeit, eine ganze Fabrik ohne Arbeit sind wertlos. Wenn somit durch die solidaristischen Verträge der Wert des Arbeitsprodukts für die Brüder fest bestimmt ist, so wird damit die *Schwankung des Marktpreises beseitigt*. Da ferner eure Bienenstöcke sich gegenseitig ihre Waren liefern, so haben sie einen ganz bestimmten, *bekannten Konsumentenkreis*; ihr werdet demnach nicht aufs Geratewohl produzieren, sondern nur entsprechend dem euch stets bekannten Konsum; ein Überschuß würde ja liegen bleiben oder die Arbeit eures Bienenstocks auf einige Zeit lahmlegen; jeder Bienenstock hat demnach sein bestimmtes Arbeitspensum, nach welchem er sein Personal und seinen Betrieb einrichtet; damit ist die Notwendigkeit des Verkaufs zu Schleuderpreisen bei Überproduktion, die pressante Nachfrage mit Preissteigerung zu andern Zeiten vermieden. Durch diesen natürlichen Warenaustausch der Bienenstöcke zu Bienenpreisen ist somit innerhalb der solidaristischen Organisation das vielleicht größte und schwierigste Problem moderner Volkswirtschaft gelöst: *die Beseitigung der zügellosen, anarchistischen Produktion*, die *natürliche Regelung der Produktion nach der Nachfrage*, die *Vermeidung der periodischen Krisen*, welche alle Völker so schwer heimsuchen. Die *Konkurrenz verschwindet* mit ihren die Kräfte nutzlos aufreibenden, alle Schwächeren brutal vernichtenden Kämpfen; der Solidarismus beseitigt im Gegenteil die größere oder geringere Geschicklichkeit, überhaupt die Ungleichheit der Kontrahenten, und stützt den Schwächeren durch den Überschuß des Stärkeren; er beseitigt die lediglich aus der Konkurrenz entstehende Herstellung vieler überflüssiger und schädlicher Dinge. Der Solidarismus beseitigt auch das Hauptübel der Konkurrenz: die Preisunterbietung auf Kosten der Qualität und ersetzt es durch einen gewaltigen Vorteil, das Überbieten in der Qualität bei gleichem Preise, denn aus den Tauschlagern der Bienenstöcke werden selbstverständlich -- da der Preis feststeht -- immer die besten Waren vorgezogen, die geringeren nicht nachverlangt. Auch das *Risiko* ist durch die solidaristische Organisation der Arbeit und der Warenverteilung beseitigt, denn dasselbe ist nicht mehr vorhanden, sobald die Produktion sich nach der Nachfrage regelt; außerdem haftet die Volkskasse für Kapital und Zins der Bienenstöcke, für Normaleinkommen usw. der Bienen; was also allenfalls an Risiko dennoch verbleiben könnte, wird von Millionen von Schultern getragen, d. h. es wird gleich null. Auch die volkswirtschaftlich eminent wichtige Forderung, daß der Zweck der Arbeit mit *geringstem Aufwande* erreicht werde, ist im Solidarismus befriedigt durch das Gesetz der höchsten Entlohnung für die höchste Leistung und dadurch, daß ihr im Bienenstock Geschäftsteilhaber seid, wodurch ihr von selbst danach strebt, möglichst viel zu leisten und dafür möglichst wenig Kraft, Material und Geld auszugeben. Dadurch, daß der Bienenstock sein eigener Konsument ist, sind Fälschungen von Waren von selbst ausgeschlossen; hierdurch sowie durch die unbedingte Haftung der Volkskasse für Kapital und Zins, welche den allgemeinen Kredit befestigt, entsteht unbedingtes Vertrauen in Handel und Wandel. Dieses wird noch dadurch erhöht, daß die Schuldscheine der Bienenstöcke jederzeit ohne Vorauskündigung zum Nennwert einlösbar, daher jeder Spekulation unzugänglich sind; in den Kapitalmarkt kommt hierdurch Ruhe und Ordnung, dessen verderbliche Schwankungen sind beseitigt. Der Solidarismus bekämpft nicht das Kapital, er benutzt es, aber in festen und geregelten Bahnen. Durch die billige Lebenshaltung unter gleichzeitiger Erhöhung des Einkommens, welche der Solidarismus herbeiführt, wird die Konsumfähigkeit der Massen und damit die gesamte nationale Volkswirtschaft enorm gekräftigt, denn für diese ist die Kaufkraft der großen *Masse ausschlaggebend*.[17] Wie der Solidarismus das Leben des einzelnen verbessert und erhöht, *so verbessert und erhöht er auch das Leben der Gesamtheit, der Nation*, welche die Summe der einzelnen ist. Der Solidarismus regelt auch von selbst die Frage der *Arbeitszeit*, welche nur eine Frage des Eigeninteresses ist, beinahe unabhängig vom Willen; keiner von euch wird auch nur eine Minute länger arbeiten, als zur Bewältigung des *vorgeschriebenen Pensums* erforderlich ist; wolltet ihr es tun, so könntet ihr es nicht, da über das Pensum hinaus nicht produziert wird; es wird sich bald von selbst herausstellen, ob bei geringerer Arbeitszeit die Intensität der Arbeit und eure Gesamtleistung zunimmt, wie dies durch Statistiker und Beobachter bewiesen zu sein scheint; ihr werdet bei derjenigen Arbeitszeit stehen bleiben, welche die höchste Gesamtleistung bietet und dabei eurem Bienenstock noch Ersparnisse an allgemeinen Unkosten, wie Heizung, Beleuchtung, Betriebskraft u. dgl., bringt. Bei schwankendem Bedarf wird -- der Arbeitsvertrag der Bienenstöcke sieht das vor -- die Arbeitszeit dem Bedarf angepaßt. Da der Bienenstock euch nicht aus allgemeinen Gründen entlassen darf, so wird er sich hüten, zu viele Bienen anzustellen, falls einmal eine vorübergehende Mehrleistung erforderlich ist; diese Anpassung der Arbeitsleistung an den Arbeitsbedarf beseitigt die Arbeitslosigkeit; sie ist eine notwendige Folge der Anpassung der Produktion an die Nachfrage. Auch die Frage der *Akkordarbeit* löst der Solidarismus von selbst; wenn ihr durch Akkordarbeit euer Normaleinkommen und damit proportional alle andern Einkünfte erhöhen könnt, so werdet ihr selbst danach verlangen, und die Bienenstockverwaltung wird es gewähren, da die Gesamtheit den Nutzen davon hat, nach dem Prinzip des Solidarismus: der höchsten Leistung für die Gesamtheit die höchste Entlohnung durch die Gesamtheit. Die *Hausindustrie*, dieser Krebsschaden aller Volkswirtschaft, wird durch den Solidarismus ganz beseitigt, da Bienenstöcke nur Bienen beschäftigen dürfen, also nur solche Mitglieder, welche voll und ganz an dem Arbeitsvertrag der Bienenstöcke und dessen Wirkungen beteiligt sind. Ganz in derselben selbstverständlichen Weise löst der Solidarismus die Frage nach der *Altersgrenze, dem Seniorenalter* der Bienen; auch das sieht euer Arbeitsvertrag vor, indem er folgendes bestimmt: »Weist der Anteilfonds der Volkskasse dauernde und beträchtliche Überschüsse auf, so sollen dieselben verwendet werden zur langsamen, gleichmäßigen Herabsetzung des Seniorenalters.« Zeigt sich also im Laufe der Jahrzehnte, daß der Anteilfonds sich ständig vermehrt, so folgt daraus, daß für die Befriedigung aller Bedürfnisse zu viel gearbeitet wurde, und daß die Altersgrenze für alle Bienen, welche anfangs auf 65 Jahre angenommen war, auf 64, 63 Jahre herabgesetzt werden kann, ohne der Gesamtheit zu schaden; weitsehende Volkswirte haben schon oft ausgesprochen, daß bei richtiger Einteilung der Arbeit die Menschen mit 50, ja mit 40 Jahren aufhören könnten zu arbeiten, und daß 20 bis 25 Jahre richtig geleiteter, zielbewußter Arbeit aller Menschen zur Befriedigung ihrer gesamten Bedürfnisse ausreichen müßten. Die Herabsetzung der Arbeitsjahre ist eines der Hauptziele der Menschheit; das Gesetz: kleinster Aufwand für größte Leistung gilt nicht nur für den einzelnen sondern auch für die Gesamtheit; die Bedürfnisse der Gesamtheit sind nicht unbeschränkt, unendlich, im Gegenteil, deren Summe ist beschränkt, und es handelt sich darum, *diese beschränkte Summe von Bedürfnissen mit geringstem Aufwand, namentlich an menschlicher Arbeit zu befriedigen*; es sollen möglichst viele Menschen möglichst früh das Seniorenalter erreichen. In dieser solidaristischen Auffassung der Verminderung des Arbeitspensums der *Gesamtheit* sind die *Maschinen, die technischen Fortschritte überhaupt, die gewaltigsten und nützlichsten Faktoren* und nicht mehr die Instrumente der Sklaverei, als welche sie heute oft angesehen werden. Der Solidarismus beseitigt innerhalb seines Wirkungskreises die *Streiks* und *ähnliche Lohnkämpfe*; denn euer Bienenstock ist Selbstbetrieb, wird von euch selbst verwaltet; euch gehört das gesamte Erträgnis. Ein Streik wäre daher ein Auflehnen gegen euch selbst, eure eigenen Maßnahmen, ein Schneiden ins eigene Fleisch, eine sinnlose Handlung, welche ihr nicht begehen werdet, da sie dem gesunden Menschenverstand widerspricht, und weil ihr zur Erreichung eurer Wünsche das Wahlrecht in die Verwaltung habt. Der Solidarismus macht die einzelnen *nationalen Produktionszweige solidarisch*, anstatt gegnerisch; es gibt keine Interessengegensätze zwischen denselben, da die Bienenstöcke ihre Produkte in gemeinsamen Tauschlagern an sich selbst liefern, sondern nur noch Interessengemeinschaft, da jede Last, die ein Produktionszweig dem andern auferlegen will, ihn als Abnehmer selbst trifft. Und welche Fortschritte für die *öffentliche Gesundheit* bedeuten die zahlreichen, über das ganze Land verteilten kleineren besteingerichteten und überwachten Krankenhäuser gegenüber der hygienisch so verwerflichen Konzentration aller möglichen Kranken in den meist überfüllten Spitälern der Städte einerseits und dem gänzlichen Mangel derartiger Anstalten auf dem flachen Lande anderseits. Die völlige Unabhängigkeit jedes Bienenstocks in bezug auf seine Lage beseitigt die *materiellen und moralischen Nachteile der Anhäufung der Massen in den Großstädten* und ermöglicht das Ideal der Volkswirtschaft, die Dezentralisation. Von welch wohltätiger Wirkung ist endlich die Hebung des geistigen und moralischen Niveaus der Gesamtbevölkerung, nicht nur durch all die Einrichtungen, welche speziell in dieser Richtung wirken, sondern auch durch den ethischen Einfluß der solidaristischen Anschauung an sich. Schlußwort zu diesem Kapitel. Brüder! Der Solidarismus hat also seine Probe bestanden! Alle Wirkungen, welche dem einzelnen nützen, nützen auch der Gesamtheit; nirgends hat sich gezeigt, daß das Einzelwohl dem Gesamtwohl im Wege stände; von welcher Seite man es auch anfassen mag, stets zeigen sich die beiden identisch. Der Solidarismus ist in seiner Grundidee, der Gleichstellung des Gesamtwohls mit dem Einzelwohl, von elementarer Einfachheit und doch so mächtig, daß er berufen ist, zum Träger eines der größten Fortschritte der Menschheit zu werden. Der Solidarismus bringt in das scheinbar unlösbare Chaos des gegenwärtigen Wirtschaftslebens und dessen wilde Kämpfe plötzlich Licht, Ordnung, Ruhe, Frieden, Harmonie, Gerechtigkeit, Vernunft, Liebe; er *faßt all die Einzelbestrebungen zusammen*, welche unter dem führenden Gedanken der Solidarität im Laufe und namentlich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts entstanden in Form von genossenschaftlichen Organisationen für Produktion und Konsum, wirtschaftlichen Systemen, sozialen Gesetzen, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Wohlfahrtseinrichtungen aller Art, Erziehungsbestrebungen der Massen; er faßt sie zusammen in eine einzige, einheitliche, scharf definierte, in Form bestimmter Verträge gefaßte Bewegung, deren Räderwerk so klar und verständlich vor euch liegt, *daß der einfachste Verstand es fassen kann*. Kapitel 8. Wem nützt der Solidarismus? Allen Abhängigen. Direkt abhängig sind alle diejenigen Arbeitenden, welche ihre geistige oder körperliche Arbeit gegen Gehalt, Lohn, Salär leisten, mit einem Worte *alle Salärierten*. Es gehören dazu alle Arbeiter, Gehilfen, Dienstboten und Taglöhner der Landwirtschaft, der Industrie und des Gewerbes, des Handels und Verkehrs, aber auch das gesamte Personal dieser Berufe: Aufsichtsbeamte, Werkmeister, Verwaltungs- und Bureaupersonal, technische und Betriebsbeamte. Dieselben umfassen 70% der Bevölkerung.[18] Diese enorme Majorität unserer Brüder hat geradezu ein Lebensinteresse am Zustandekommen des Solidarismus, weil er dieselben zu unabhängigen Menschen, Teilhabern ihrer eigenen Betriebe und Besitzern des vollen Erlöses aus ihrer Arbeit macht, einen jeden nach seiner Leistung, aber für jeden mit gesicherter Existenz für sich und die Seinen in allen Fällen des Lebens, von der Geburt an bis zum Tode, mit sehr verbilligter und verschönerter Lebenshaltung. Nicht einer von euch wird daran zweifeln, daß der Solidarismus für ihn ein neues Leben mit ungeahnten Freuden und Genüssen, eine wahre Befreiung bedeutet. Aber zu diesen 70% »direkt Abhängiger« treten noch mindestens 25% der Bevölkerung »indirekt Abhängiger« hinzu, deren Existenzbedingungen äußerst prekär und notdürftig sind, die, wie die offizielle Statistik sagt, »*nur mühselig existieren*«. Werdet ihr kleinen und kleinsten Landwirte, Krämer, Wirtschaftsbesitzer und Gewerbetreibende aller Art es nicht auch als eine Erlösung empfinden, der nagenden Sorge für das Morgen enthoben und Mitglied eines wohlgeordneten Bienenstockbetriebes zu sein, mit gesicherten Einnahmen, mit Anteilen für Krankheit und Alter, mit Versorgung eurer Familie nach dem Tod, mit all den wundervollen sozialen Einrichtungen, welche ihr heute kaum dem Namen nach kennt? Werdet ihr, abhängigen Brüder, die ihr insgesamt 95 bis 97% unserer Bevölkerung ausmacht, nicht danach lechzen, eure jetzige Lage aufzugeben und in solche Betriebe zu kommen, die euch alles bieten, wonach ihr euch seit Generationen vergebens sehnt; werdet ihr euch nicht förmlich dazu drängen, und werdet ihr nicht, da ihr nicht alle sofort Bienen werden könnt, doch mit Freuden euren Brüderbeitrag zur Volkskasse leisten, um wenigstens baldmöglichst deren Vorteile zu genießen! Und selbst wenn ihr schon alt seid und in verdüsterter Stimmung für euch selbst nicht mehr daran zu glauben wagt, werdet ihr es nicht für eure Kinder tun, um dazu beizutragen, daß diesen die Befreiung erstehe!? Und werdet ihr es nicht auch schon deshalb tun, um das erhebende Bewußtsein zu haben, nach euren Kräften mitzuwirken an der größten Aufgabe dieser Zeiten, an eurer wirtschaftlichen Erlösung? Zieht ihr denn nicht alle ausnahmslos vor, für die Zwecke *der Gesamtheit* zu arbeiten als für die Zwecke eines einzelnen. Tut ihr denn nicht jetzt oft schon weit mehr? Wenn ihr Wochen oder Monate die Arbeit einstellt, auf euren Lohn verzichtet und hungert zu dem idealen Zwecke, mitzuhelfen an der Verbesserung der Lage eurer Brüder, bringt ihr da nicht ein Opfer, so groß, wie es der Solidarismus in Jahren, vielleicht in eurem ganzen Leben nicht von euch fordert, und bringt ihr es nicht ohne Hoffnung, daß es euch vergolten werde, während der Solidarismus euch eure Opfer schon in kurzer Zeit in Form billiger Lebenshaltung vielfach ersetzt!? Allen Selbständigen. Zu den Selbständigen des Volkes gehören alle mittleren und großen Geschäftsleute, Gewerbetreibende, Fabrikanten, Landwirte, deren Einkommensverhältnisse derartige sind, daß eine gewisse oder vollständige Unabhängigkeit daraus entsteht; es werden auch hierher gezählt die mittleren und höheren Staatsbeamten, die Angehörigen des Heeres und der freien Berufe. Auf diese Kategorie entfallen nur 3% der Gesamtbevölkerung, und selbst von diesen kann mindestens die Hälfte immerhin in nur sehr bescheidenen Grenzen als unabhängig gelten.[19] Es ist mit Gewißheit anzunehmen, daß selbst unter diesen noch eine große Zahl sich befindet, die ohne weiteres ihre jetzige Situation gerne eintauschen würde gegen eine führende Stellung in einem Bienenstock, welche ebenfalls die ruhige, sorgenlose Tätigkeit in Bienenstöcken, die damit verknüpfte vollständige Sicherung für sich und die Ihrigen gegen alle Zwischenfälle des Lebens ebenfalls als eine Erlösung aus ihrem immerhin mühe- und sorgenvollen, unsichern Dasein begrüßen würde. Fragt euch nur selbst aufrichtig und unbefangen, ihr Männer, fragt eure Frauen, was sie darüber denken! Wäre es denn wirklich ein beklagenswerter Verlust, euer Geschäft aufzugeben und dafür die Leitung eines Tauschlagers oder einer Abteilung in einem Bienenstock oder die Betriebsleitung einer Bienenstocks-Werkstätte zu übernehmen? Wäre da nicht im Gegenteil euer Wirkungskreis ein viel umfassenderer, interessanterer, nützlicherer? Würdet ihr denn an eurem Ansehen einbüßen? Genießt denn heute der Bureauchef oder Betriebsleiter einer Fabrik geringeres Ansehen als der Besitzer eines kaufmännischen Detail- oder Engrosgeschäftes, einer Agentur oder einer mechanischen oder sonstigen Werkstätte? Gilt ein Fabrikdirektor oder der Direktor einer Bank heute als etwas geringeres als ein größerer Gewerbetreibender oder ein selbständiger Bankier? Im Gegenteil! Es ist heute schon Sitte, große Privatgeschäfte in Aktiengesellschaften umzuwandeln, und der Ehrgeiz von deren Besitzern, Direktoren, und ihrer Angestellten, Beamten dieser Gesellschaften zu werden. Um wieviel mehr wird das im Solidarismus der Fall sein, wo die Tätigkeit in Bienenstöcken und in der Volkskasse der *Gesamtheit* gewidmet ist, einem *Gemeinwohl* dient: solche Tätigkeit erzeugt immer größeres Ansehen bei den Mitbürgern und das stolze Bewußtsein in der eigenen Brust, daß man nicht nur für sich allein und seine kleinen Interessen lebt, sondern auch für seine Brüder nützliche Werke tut. Es wäre euch also wirklich kein Schaden, wenn durch das Errichten eines neuen Bienenstocks eine Anzahl eurer Geschäfte aufgesogen würde. Versteht wohl, Brüder, aufgesogen, aufgenommen, nicht beseitigt! *Der Solidarismus zerstört nicht, er baut auf!* Der große Bienenstock vernichtet nicht die Kleinen, er *vereinigt sie* zu gemeinsamer und erfolgreicherer Arbeit; er schaltet niemand von euch aus, sondern er reiht euch alle mit gleichen Rechten ein, gleichgültig ob eure Arbeit der Beschaffung, der Herstellung oder der Verteilung der Güter gewidmet ist. Der Solidarismus bildet aus vielen kleinen, sich bekämpfenden oder zerstörenden Betrieben einen *großen, kraftvollen, gesunden Organismus*, in dem sich alle unterstützend helfen! Gerade ihr seid es also, welche die Bienenstöcke errichten und Nutzen davon haben sollt; aus euren Kreisen soll die Anregung zur Errichtung derselben kommen, sich das höhere Personal rekrutieren; ihr seid dazu bestimmt, im eigenen Interesse die solidaristische Bewegung in die Hand zu nehmen und die Massen mitzureißen. Der Solidarismus wirkt nicht gegen eure Interessen, sondern für dieselben, er kommt geradezu den Wünschen entgegen, die ihr vielleicht unausgesprochen, vielleicht nicht einmal vollbewußt, in euch tragt. Und ihr Großen, wirklich Unabhängigen? Ihr könnt selbstverständlich euch stolz zur Seite wenden und sagen: »Wir brauchen das nicht!« Niemand wird euch darum gram sein. Werdet ihr aber nicht gerade deshalb, weil ihr so hoch und unabhängig dasteht, in euren Herzen die Regung fühlen, die *Hände eurer Brüder zu ergreifen und an einem Werke reiner, uneigennütziger Menschenliebe mitzuwirken*? Ja, selbst wenn ihr diesen idealen Zweck nicht erkennt oder nicht anerkennt, so habt ihr doch Kinder, deren Zukunft immerhin nicht ganz so sicher vor euch steht wie eure eigene; werdet ihr nicht diesen die Möglichkeit verschaffen wollen, an dieser wundervollen Bewegung teilzunehmen und sich deren Vorteile für alle Fälle der Zukunft zu sichern? Auch euch, den reinen Kapitalisten, nützt der Solidarismus, denn die Bienenstöcke geben für ihre Anleihen höhere Zinsen als üblich und mehr Sicherheit wie jede andere Anlage; denn die Haftung der Volkskassen für Kapital und Zins gilt unter allen Umständen selbst bei Krisen, Kriegen und Revolutionen. Auch ihr, Beamten des Staates, Angehörige des Heeres, auch ihr habt ein *Interesse* an der Entwicklung des Solidarismus; gerade weil der Staat so schön für euch sorgt, euch euren Gehalt in allen Lebenslagen sichert, euch und die euren pensioniert, habt ihr Gelegenheit gehabt, diesen Teil des Solidarismus an euch selbst kennen und schätzen zu lernen, und deshalb werdet ihr bemüht sein, diese Vorteile und die noch viel weitergehenden des Solidarismus euren Kindern zu sichern, die nicht alle Beamten und Offiziere sein können; ja, für euch selbst werdet ihr Interesse daran haben, euch durch eure Beiträge zur Volkskasse dieses neue Land auf alle Fälle offen zu halten und vielleicht so manches Mal Gelegenheit haben, freiwillig oder nicht, dasselbe zu betreten und im Solidarismus neue Bahnen zu finden; ihr alle werdet darin willkommen sein! Dasselbe trifft zu für euch, Vertreter der freien Berufe! Ihr aber habt neben dem rein persönlichen, materiellen Interesse mehr wie alle andern *ein ideales Interesse daran*, den Solidarismus mit allen Kräften zu fördern; seid ihr doch die *geistigen Führer* der Nation und müßt als solche das Bestreben haben, euer Volk leistungsfähig zu machen, dasselbe moralisch und sittlich hoch zu heben, materiell gut zu stellen, zufrieden zu machen und so zum Wachsen und Gedeihen des Vaterlandes, zu seiner kulturellen Hebung in erster Linie beizutragen! Welch wunderbare Aufgabe fällt dabei den einzelnen Gruppen eurer freien Berufe zu! Welche Rolle die Ärzte im Solidarismus zu spielen bestimmt sind, geht schon aus der ihnen in den Bienenstöcken zugewiesenen großen Aufgabe hervor; durch die ständige Überwachung der Bienen am Orte ihrer Tätigkeit sind sie weit mehr als heute in der Lage, den eigentlichen Zweck der Medizin, *das Verhüten der Krankheiten*, in erster Linie zu pflegen; durch die fortwährende Fühlung mit ihren Bienen und deren Angehörigen, ihren Einfluß auf die Ernährung, die häusliche und Schulhygiene werden sie zu wahren Freunden und Beratern derselben und kommen so in die Lage, nicht nur an der körperlichen sondern auch an der geistigen und moralischen Gesundheit der ihnen anvertrauten Brüder ständig mitzuarbeiten; infolge ihrer festen Anstellung an den Bienenstöcken sind sie den Kranken gegenüber gänzlich unabhängig von materiellen Fragen, ja, infolge ihrer Beteiligung am Einkommen der Bienenstöcke haben sie ein direktes materielles Interesse daran, nur gesunde und leistungsfähige Bienen in ihren Stöcken zu haben. Auch die Lehrberufe sind im Solidarismus zu einem erweiterten und erhöhten Wirkungskreise berufen; durch die Einrichtungen für die Erziehung und geistige Fortbildung der Bienen, welche an jedem Bienenstock obligatorisch sind, durch all die dort einzurichtenden Schulen und Vortragszyklen entstehen, über das ganze Land ausgebreitet, allen gleichmäßig und unentgeltlich zur Verfügung, ebensoviele Plätze für die Beseitigung der Unwissenheit und des Aberglaubens, für die Verbreitung und Popularisierung der Wissenschaften, für das Wirken ihrer Vertreter, für das Erwecken der unerschöpflichen geistigen Energien in der Gesamtheit des Volkes, für die Ausbreitung des Wissens auf die große Masse der geistig enterbten und damit für eine ungeahnte kulturelle Hebung der Nation; dieser Umstand allein müßte alle Angehörigen der gelehrten und Lehrberufe zu begeisterten Anhängern des Solidarismus machen! Der Lehrer hat in der solidaristischen Gemeinschaft eine ähnlich hohe Aufgabe wie der Arzt; auch er steht in fortwährender Fühlung, in unausgesetztem geistigen Austausch mit seinen Bienen in allen Lebensaltern und wird so zu ihrem Freund und Berater; auch er ist an der Leistungsfähigkeit seines Bienenstocks, welche zu der Summe der geistigen Fähigkeiten seiner Mitglieder in direktem Verhältnis steht, materiell interessiert, da er selbst Biene des Stocks ist. Sein Einfluß ist so groß und wichtig, daß auch sein Ansehen und seine materielle Lage entsprechend hoch stehen müssen. Auch die Kunst erhält durch den Solidarismus neues Lebensblut; die Kunst lebt von den Idealen der Menschen; jedes große Volksideal, jede Religion hat den weitestgehenden Einfluß auf die Kunstentwicklung der betreffenden Zeit, das ist bewiesen z. B. durch den geradezu überwältigenden Einfluß, welchen die Götterlehre auf die Kunst der antiken Welt, die christliche Lehre auf die Kunstentwicklung der modernen Welt gehabt haben. Die wundervollen kirchlichen Bauten aller Völker und die verschwenderische Anhäufung von Kunstwerken in denselben sind doch alle nur zu Ehren und zur Pflege eines reinen Ideals, des Christentums entstanden, für die Gesamtheit aller und durch die Jahrhunderte lang angehäuften Mittel dieser Gesamtheit, ohne Unterschied des Ranges und des Reichtums. Warum soll nicht ein anderes, hohes Ideal, *das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit, das Eintreten der Gesamtheit für den einzelnen, der Solidarismus*, eine neue große Periode begeisterter Kunst herbeiführen, wenn es erst von der Menge als solches erkannt und erfaßt ist? Ist denn die Menge nicht durstig nach den idealen Genüssen der Kunst; geht doch hin in die populären Konzerte, in die billigen Vorstellungen unserer Klassiker, in die Gratistage unserer Kunstausstellungen und seht, wie die Menge die Kunst genießt und was aus der Kunst werden kann, wenn erst die Menge die Mittel in die Hand bekommt sich an derselben zu beteiligen! Darum, ihr Vertreter der freien Berufe, ihr Künstler und Ingenieure, Schriftsteller und Gelehrte, Seelsorger und Ärzte, kommt alle, alle, mitzuwirken, das Ideal des Opferns und Wirkens für die Gesamtheit zu verbreiten, die Begeisterung zu erwecken für das hohe Ziel, die Menschen zu Menschen zu machen, *ein Zeitalter der Uneigennützigkeit herbeizuführen, wie es die Geschichte noch nicht sah*! Den Frauen. Nirgends im Solidarismus ist ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Frauen und Männern gemacht; Frauen und Männer haben im Volksvertrag und im Arbeitsvertrag der Bienenstöcke gleiche Pflichten und Rechte und werden unter gleichen Bedingungen Brüder und Bienen: beiden Geschlechtern sind dieselben Unterrichts- und Bildungsmöglichkeiten eröffnet; nichts ist den Frauen vorenthalten. Schwestern! Werdet ihr euch deshalb im Bienenstock auf die männlichen Berufe stürzen, wie das so vielfach angenommen wird? Keineswegs! Da der Bienenstock auf Interessengemeinschaft beruht, so wäre es gegen euer eigenes Interesse gehandelt, eine Tätigkeit ergreifen zu wollen, die euren Kräften, eurer Natur nicht entspricht; ihr würdet ja darin weniger leisten und durch das geringere Gesamterträgnis nur euch selbst mitschädigen. In diesem freien Spiel der Interessengemeinschaft ergibt sich euer Wirkungskreis von selbst; wenn ihr auch nicht zu jedem Beruf geschaffen seid, so darf euch doch keiner verschlossen bleiben, die Natur weist euch selbst die Wege; und wenn euch eure innere Stimme oder heiligste Pflicht an das Haus fesselt, so wird niemand euch veranlassen wollen, einen andern Beruf als den der Mutter und Hausfrau zu ergreifen. Dort aber, wo dies nicht der Fall, oder wo es unmöglich ist, da ergreift Berufe soviel ihr könnt; dadurch, daß euch der Bienenstock einen großen Teil der Haushaltungs- und Erziehungsmühen abnimmt, werdet ihr frei für andere Berufe; die Bienenstöcke, abgesehen von den auch sonst der Frau überlassenen Beschäftigungszweigen, bieten euch in ihren sozialen Anstalten eine ganze Reihe neuer Tätigkeiten, welche so recht dem eigentlichen Wirkungskreise eures Geschlechtes angehören; mit jedem neuen Bienenstock findet eine große Anzahl von Frauen Beschäftigung in den Speisehallen, den Krankenhäusern, Erholungs- und Rekonvaleszentenheimen, den Kinderhorten und Schulen. Eure Männer arbeiten in Bienenstöcken, ihr Frauen versorgt darin als Bienen die sozialen Einrichtungen, eure Kinder befinden sich in euren eigenen Horten, Schulen und Erziehungsanstalten, eure Kranken unter eurer eigenen Pflege in den Kranken- und Erholungshäusern; auch eure Mahlzeiten könnt ihr hier einnehmen und abends geht ihr mit den Euren nach Hause und pflegt im eigenen Heim das Familienleben, oder ihr geht in die Erholungsräume eures oder eines befreundeten Bienenstocks und pflegt mit Freunden der Geselligkeit oder der Bildung. Und da ihr selbst Bienen eurer Stöcke seid, so habt auch ihr ein Anrecht auf alle Vorteile des Arbeitsvertrags, gesichertes Einkommen, Krankenzuschüsse, Seniorenanteile, und wie sie alle heißen mögen. Schwestern, öffnet doch eure Augen und sehet! Wenn eure Männer noch nicht recht verstehen wollen, was der Solidarismus ist, dann macht ihr es ihnen klar, ihr werdet es vielleicht rascher erfassen, weil für euch und eure Kinder die Vorteile noch größer sind als für den Mann allein; werdet selbst sofort Schwestern und baldmöglichst Mitglieder von Bienenstöcken, auch wenn ihr noch nicht verheiratet seid. Eine Jungfrau, welche Biene ist, deren ganze Existenz in allen Lebenslagen gesichert ist, ist wirtschaftlich frei; sie steht so unabhängig da, daß sie beim Heiraten bloß der Stimme ihres Herzens zu folgen braucht und von andern Erwägungen frei bleiben kann; sie *muß* nicht heiraten um versorgt zu sein. Aber auch der Mann wird freier nach seinem Herzen wählen, da er mit der Heirat nicht zu befürchten hat, Lasten und Sorgen auf sich zu nehmen, die er nicht bewältigen kann; in welch angenehmem, gesichertem Wohlstand wird eine Familie leben, wenn Mann *und* Frau Bienen sind. Werdet ihr denn, wie das so viel befürchtet wird, euren Männern durch eure eigenen Berufe schaden und diesen die Arbeit entziehen? Törichter Wahn! Ihr habt schon gesehen, daß der Bienenstock euch Berufe eröffnet, die der Mann überhaupt nicht versehen kann, und daß für die Berufe, welche von beiden Geschlechtern versehen werden können, die Trennung von selbst sich so vollzieht, daß jedes Geschlecht nur solche ergreift, in welchen es das Höchste leisten kann, dafür bürgt die Organisation, welche auf Interessengemeinschaft beruht und welche ganz von selbst nicht duldet, daß ein Starker nicht voll ausgenutzt oder ein Schwacher an eine Stelle gesetzt wird, die er nicht ausfüllen kann; das Gesetz der höchsten Entlohnung für höchste Leistung ist auch hier der regelnde Faktor. Da ein Volk nur eine begrenzte Menge von Bedürfnissen hat, so wird dieselbe um so rascher hergestellt sein, je mehr Menschen daran arbeiten; die Mitarbeiterschaft der Frau ist daher in der solidaristischen Gemeinschaft dem Manne keine Konkurrenz, sondern eine Hilfe und hat zur Folge, *die gesamte Arbeitszeit der Brüder zu verkürzen*; je mehr Frauen mitarbeiten, desto eher wird es möglich sein, das Seniorenalter für alle herabzusetzen und die von jedem einzelnen zu leistende gesamte *Lebensarbeit zu vermindern*. Darum Schwestern, ergreift Berufe! Habt Vertrauen auf eure Fähigkeiten, eure Persönlichkeit, eure Kraft! Werdet mündig, werdet die ebenbürtigen Gefährtinnen eurer Männer, die sittliche Leuchte eurer Familie und durch diese der Nation! Nehmet Teil am geistigen Leben unserer Zeit und greifet ein mit weicher Hand und warmem Herzen in das schwierigste Problem der Menschheit, die *Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit*! Veranlaßt eure Männer, eure Brüder, der Volkskasse beizutreten, lehrt eure Kinder, sobald sie es begreifen können, ihre Tagespfennige zur Volkskasse zu tragen, laßt sie Brüder werden, sobald sie das Alter dazu erreicht; legt in eure Söhne und Töchter den großen, herrlichen Gedanken des Wirkens für die Gesamtheit; erzieht sie im Solidarismus, denn ihnen gehört die Zukunft; in eurer Jugend ist noch frisch und unverfälscht der Trieb nach Wahrheit und Gerechtigkeit, die unwiderstehliche Begeisterung für große Ideale, die ungebrochene Hoffnung, dieselben zu erreichen, die Tatkraft, Opferwilligkeit und Kampfesfreudigkeit, der Glaube an sich selbst! Wenn die Früchte des Solidarismus auch für euch selbst noch nicht alle reif werden, so werden *sie* einst die von euch gelegte Saat aufgehen sehen und ihre Früchte genießen. *Ihr Frauen habt vom Solidarismus nicht nur Großes sondern alles zu gewinnen; wenn ihr ihn wollt, wenn ihr daran glaubt, dann wird er siegen!* Dem Staate. Kann oder soll der Staat den Solidarismus dekretieren? Nein! Denn der Staat ist der Hüter und Beschützer *aller* Formen wirtschaftlicher Produktion, die sich in gesetzlichen Bahnen bewegen, er darf nicht eine Wirtschaftsform auf Kosten einer andern vorschreiben; er kann nicht mit einem Federstrich plötzlich alle wirtschaftlichen Erscheinungen, die sich seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden entwickelten, beseitigen. Der Solidarismus ist eine neue, höhere Form des Wirtschaftslebens, welche sich *mit vollem Bewußtsein im Rahmen der bestehenden Gesetze bewegt* und sich neben die andern Formen stellt, und zwar gleichberechtigt, denn die Gesetze gelten für alle. Diese Wirtschaftsform trägt ihre *Lebenskraft in sich selbst*, in ihrem Prinzip, sie kann aber vom Staate ebensowenig vorgeschrieben werden wie etwa die Form der Aktiengesellschaft oder irgend eine andere als einzig richtige vorgeschrieben werden kann, ohne eine Menge anderer Interessen zu verletzen, ohne mit Gewalt in andere wirtschaftliche Verhältnisse einzugreifen, die ebenfalls unter dem Schutze des Staates stehen. Der Staat kann auch deshalb den Solidarismus nicht vorschreiben, weil er es nur durch Gesetze, d. h. durch Zwang, tun könnte, während einer der unantastbaren Grundsätze des Solidarismus die volle *Freiheit* des einzelnen ist, sich ihm zuzuwenden oder nicht, weil der Solidarismus auf dem *freien Vertrag* zwischen den Beteiligten beruht, also zwischen den einzelnen Menschen, und nicht auf einem Vertrag zwischen Volk und Staat, der ein Unding wäre. Der Solidarismus entwickelt sich freiheitlich, oder er entwickelt sich nicht; er *braucht keine Sondergesetze*! Steht deshalb der Solidarismus im Gegensatz zum Staate? Nein! Ist doch der *Staat selbst schon teilweise solidaristisch* organisiert; beruht doch sein *Kredit* auf den summierten *Beiträgen der Gesamtheit*, den Steuern, wobei die kleinen und kleinsten Beiträge der großen Masse den ausschlaggebenden Teil der Einnahmen ausmachen.[20] Auf Grund seines Kredits nimmt er *Anleihen* auf, die er, wie die Bienenstöcke, normal *verzinst* und in Annuitäten *zurückzahlt*, und für welche er *Kapital und Zins garantiert*; mit Teilen dieser Anleihen eröffnet er Selbstbetriebe, die wiederum teilweise solidaristisch organisiert sind. Der Staat *sichert* seine Beamten, abgesehen von meist selbstverschuldeten Ausnahmefällen, gegen *Entlassung* und *Verminderung des Gehaltes* mit wachsenden Dienstjahren; er zahlt die Gehälter in *Krankheitsfällen* weiter, gewährt *Alters-*, *Witwen-* und *Waisenpensionen* und sorgt für seine Angehörigen durch eine große Zahl von *Wohlfahrtseinrichtungen*. Merkwürdigerweise finden diese solidaristischen Grundsätze nur auf die Beamten Anwendung, nicht aber auf das niedere Personal und die große Masse der Arbeiter. Warum? Hierauf gibt es wohl nur eine zutreffende Antwort: Weil die Entwicklung noch nicht so weit gediehen ist. Der Staat hat diese Lücke erkannt und sucht durch soziale Gesetze dieselbe auszufüllen, zu deren Lasten er wesentlich beiträgt; aber seine Mittel reichen nicht aus, und deshalb hat er das *größte Interesse daran, eine auf Selbsthilfe beruhende Bewegung zu unterstützen*, bei welcher jeder einzelne Betrieb (Bienenstock) alle *Existenzbedingungen seiner Gruppe selbständig* und *vollständig* aus seinen *eigenen Mitteln sichert*. Der Solidarismus entwickelt sich friedlich, ohne Heftigkeit, ohne Haß; keine Biene wird streiken, weil sie gegen sich selbst kämpfen und sich ins eigene Fleisch schneiden würde; kein Bruder wird revolutionieren, weil er weiß, daß der Solidarismus sicherer, einfacher und ohne Opfer zum Ziele führt; der Solidarismus sucht nicht einseitig die Interessen einer Klasse zu fördern; sein innerstes Wesen ist: Wirken aller für die *Gesamtheit*, für *alle Klassen*, ohne Ausnahme; die Gesamtheit ist aber die Nation; der *Solidarismus fördert also die Wohlfahrt der Nation* mehr als die Wirtschaftsformen, bei welchen alle nur persönliche Zwecke verfolgen; *der Solidarismus erhöht die materielle und moralische Größe des Staates*. *Der Solidarismus beseitigt Klassenhaß und Klassenkämpfe*; denn die solidaristischen Betriebe sind Selbstbetriebe, sie enthalten *keinen Gegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*, sondern nur Beteiligte am gemeinsamen Werk. Dieser Umstand allein würde genügen, um für den Staat den Solidarismus als die *begehrenswerteste Einrichtung dieser Zeit* erscheinen zu lassen, weil der Staat einen großen, vielleicht den größten Teil seiner Kraft, seiner Mittel, seines Verwaltungsapparats und seiner gesetzgeberischen Tätigkeit auf die Schlichtung dieses einen Gegensatzes verwendet, und weil er für diesen einen Gegensatz eine solche Menge von Bestimmungen, Gesetzen und Zwangsmaßregeln schaffen mußte, daß daraus eine unhaltbare Wirrnis und Zerfahrenheit entstanden ist; trotzdem sind die Beteiligten nicht befriedigt, denn Zwang erzeugt stets Opposition und *aller Zwang ist ohnmächtig gegenüber der unermeßlichen Macht, welche dem Grundgesetze der Menschheit, ihrem Streben nach Glück, innewohnt*. Der Solidarismus macht daher die Mission des Staates zu einer friedlichen, statt auf Gewalt und Zwang beruhenden. Aber neben den idealen und volkswirtschaftlichen Vorteilen, die dem Staat aus dem Solidarismus erwachsen, entspringen demselben daraus auch rein materielle, fiskalische Vorteile, deren Anführung von Interesse ist: Die Volkskasse hat die gewaltigen Kapitalien, welche sich bei ihr im Laufe von Jahrzehnten anhäufen, sicher anzulegen; sie wird sich dazu in erster Linie die Staatsanleihen aussuchen und einst imstande sein, einen großen Teil der Anleihen des Staates allein zu übernehmen[21] und damit die Frage der Staatsanleihen vereinheitlichen und vereinfachen. Aber auch die Steuerfrage wird durch eine allgemeine Ausdehnung der Bienenstöcke auf die vaterländische Industrie ungemein erleichtert. Es ist ja selbstverständlich, daß die Bienen als freie unabhängige Bürger und Selbstunternehmer nicht steuerfrei sein wollen; sie verlangen nicht bloß *gleiche Rechte*, sondern auch *gleiche Pflichten wie alle Staatsbürger*; wie groß oder klein ihr Einkommen sein mag, so müssen sie grundsätzlich *gleichmäßige Besteuerung aller* wünschen; denn die progressive Besteuerung, die Steuerbefreiung der gering Bemittelten, führt den Staat unbewußt im fiskalischen Interesse zur Unterstützung, Förderung und Begünstigung aller Bemittelten, aller großkapitalistischen Unternehmungen auf Kosten und zu Ungunsten derjenigen, die keine oder geringe Steuern zahlen; sind aber alle Einkommen prozentual gleich besteuert, so hat der Staat *am Gedeihen aller das gleiche Interesse*, ein Standpunkt, der weit mehr der hohen, moralischen Aufgabe des Staates und der Gerechtigkeit entspricht, abgesehen davon, daß auch der minder Bemittelte erst dadurch das Bewußtsein gleicher Behandlung aller Staatsbürger bekommt. Selbstverständlich kann dieser höhere Zustand des Steuerwesens nicht heute eingeführt werden; er hat zur Voraussetzung, daß auch der höhere Zustand der Wirtschaftsform, der Solidarismus, schon bestehe; ist das aber der Fall, dann können die Bienenstöcke bei Einführung einer gleichmäßigen Einkommensteuer dieselbe für ihr *gesamtes Personal* in jährlich *einer einzigen Summe* direkt an den Staat zahlen, und es könnte der umständliche Apparat der Selbsteinschätzung, Kontrolle, Steuerzahlung und Einziehung mit einem Schlage beseitigt werden. Dadurch, daß der Bienenstock seine gesamten Erträgnisse als Entlohnung für deren Arbeit an seine Mitglieder ausbezahlt, wird das *Einkommen* der letzteren in den weitaus meisten Fällen den steuerfreien Mindestbetrag (in Preußen 900 Mark) überschreiten, so daß eine allgemeine Verbreitung des Solidarismus selbst ohne Änderung der Steuergesetze die 65% *der Bevölkerung, welche heute steuerfrei sind*[22], oder den größten Teil derselben *zu Steuerzahlern machen würde*, so daß der Staat seine Einnahmen aus Einkommensteuern mühelos verdoppeln könnte, denn auch hier sind die kleinen Beiträge der Massen das Ausschlaggebende gegenüber der Minorität der Bemittelten, trotz deren höheren Zahlungen. Eine allgemeine Verbreitung des Solidarismus würde also für den Staat zur Folge haben, daß er durch Einführung einer für alle Einnahmen gleichen prozentualen Einkommensteuer alle andern Steuern beseitigen, seinen Steuergesetzgebungs- und Verwaltungsapparat wesentlich vereinfachen, und dabei doch seine Einnahmen befestigen, regeln und erhöhen könnte. Gleichzeitig damit würde die Volkswirtschaft von den lästigen Fesseln befreit, welche heute in einer Unzahl von Steuern und Abgaben ihr anhaften und den *freien Flug fast aller nationalen Produktionszweige verhindern*. Die solidaristische Selbsthilfe genügt überhaupt in *allen* Fällen zur Lösung der wirtschaftlichen Fragen, *ohne* daß der Staat zur Unterstützung einzelner Gruppen durch besondere Gesetze und Maßregeln einzutreten braucht; als Beweis sei nur *ein* wichtiger Sonderfall, die Zollfrage, noch hier erwähnt. Die Bienenstöcke sind nach ihrem Arbeitsvertrag verpflichtet, ihre Waren von den andern Bienenstöcken des Landes zu beziehen, so lange dieselben hierzu ausreichen; wäre nun der größte Teil der vaterländischen Produktion solidaristisch organisiert, so müßten sämtliche Bienenstöcke des Landes, z. B. ihr Getreide, von den landwirtschaftlichen Bienenstöcken für Getreideproduktion beziehen und dürften ausländisches Getreide erst kaufen, wenn kein inländisches Bienenstockgetreide mehr zu haben wäre. Da nun die Volkskasse den Bienenstöcken ihr Kapital mit Zinsen und ihre Normaleinkommen nebst dem Unterhalt aller sozialen Einrichtungen garantiert, so würde bei ungenügenden Getreidepreisen die Volkskasse gezwungen sein, den Fehlbetrag an die landwirtschaftlichen Bienenstöcke auszuzahlen; das könnte ja geschehen, dann würde einfach die Gesamtheit diesen Fehlbetrag tragen; da aber der Volksrat die Pflicht hat, das Vermögen der Volkskasse intakt zu halten, so wird er dafür sorgen, daß der Getreidepreis derartig erhöht werde, daß die landwirtschaftlichen Bienenstöcke ihren Verpflichtungen aus eigenen Mitteln nachkommen können; da der Bienenpreis obligatorisch ist, so zahlt jeder einzelne in diesem Falle etwas mehr für seinen Getreidebedarf; er wird sich aber darüber nicht beklagen, denn den einzelnen trifft erstaunlich wenig und jeder hat dabei das Gefühl der Gerechtigkeit. So wird also auch diese Frage sich durch das selbständige Spiel des solidaristischen Prinzips des Eintretens aller für alle auf die einfachste und natürlichste Weise lösen; reicht nun die inländische Getreideproduktion nicht aus, so werden die Bienenstöcke ausländisches Getreide einführen, natürlich zu möglichst billigem Preise; ein Zoll ist also zum Schutze der inländischen Produktion nicht erforderlich; diese schützt sich durch die solidaristische Interessengemeinschaft selbst; ein Zoll wäre dann nur noch eine fiskalische Maßnahme zur Erhöhung der Staatseinnahmen, eine Konsumsteuer wie jede andere, und *ebenso unrichtig wie jede Konsumsteuer*; denn ein Staat, welcher seine Volkswirtschaft möglichst entwickeln will, und das ist doch sein höchstes Ziel, soll vor allem den *Konsum zu erhöhen suchen* und nicht ihn durch Konsumsteuern herabdrücken. Wenn auch diese letzteren Ausblicke theoretischer Natur sind und einen Zukunftszustand betreffen, welcher erst denkbar ist, wenn der Solidarismus allgemein eingeführt sein wird, so zeigen dieselben doch, wie auch die vorhergehenden, daß *der Staat zum Solidarismus nicht im Gegensatz steht, daß er vielmehr das größte Interesse daran hat, daß der Solidarismus möglichst rasch sich einführe und möglichst lebenskräftig werde*; der Staat ist in seinen eigenen Betrieben schon zum Teil solidaristisch organisiert und kann es deshalb nur begrüßen, wenn auch die Privatbetriebe auf diesen Grundlagen organisiert werden. Der Solidarismus hat außer direkt materiellen und fiskalischen Vorteilen für den Staat und der Möglichkeit enormer Vereinfachung seiner Verwaltung und Gesetzgebung eine Reihe von unschätzbaren idealen Vorteilen. Er gestattet, die Bevölkerung einer friedlichen und zugleich freiheitlichen Entwicklung, einer bedeutend erhöhten Gesamtwohlfahrt zuzuführen, Einheit und Eintracht, höchste und vollendetste Entwicklung des einzelnen zu erreichen und der nationalen Volkswirtschaft eine ungeahnt glanzvolle Zukunft zu bereiten. Der Solidarismus ermöglicht dem Staate, nur solche Einrichtungen zu treffen, welche der *Gesamtheit, d. h. allen* einzelnen, nützen, statt solcher, welche nur einzelnen Gruppen nützen, den andern aber schadet; *er gestattet dem Staate, seinen höchsten Beruf, die Gerechtigkeit, zu verwirklichen*, denn Gerechtigkeit ist auch der Inhalt des Solidarismus. Deshalb ist es Staatsinteresse, den Solidarismus zu fördern; der Staat, welcher das zuerst erkennt, wird seine Kraft vervielfachen, da sie sich dann auf die Liebe *aller* stützen wird; dieser Staat wird der mächtigste, materiell und moralisch der größte sein! Den Gemeinden. Was vom Staate gesagt wurde, gilt auch von der Gemeinde, welche im Grunde ein kleiner Staat im Staate ist; auch die Gemeinden haben in vielen Dingen schon solidaristische Organisation, aber ebenfalls nicht konsequent durchgeführt; auch die Gemeinden haben das größte Interesse an dem Zustandekommen des Solidarismus; sie sollten das Beispiel geben, jede Gemeinde sollte sich als einen Bienenstock betrachten und alle in ihr Tätigen als Bienen; es würden dadurch alle wirtschaftlichen Fragen der Gemeinden befriedigend gelöst. Der früher geschilderte landwirtschaftliche Bienenstock ist im Grunde ein Gemeindebienenstock, jeder Bienenstock mit seinen Produktionswerkstätten einerseits, seinen Tauschlagern andrerseits, mit seinen sozialen Einrichtungen und versorglichen Anstalten, ist eine in sich komplette, abgeschlossene, sich selbst versorgende Gemeinde, deren Mitgliederzahl selbst bei kleinen Bienenstöcken bald größer sein wird als die durchschnittliche Einwohnerzahl gewöhnlicher politischer Gemeinden. Der Kirche. *Die Gebote des Christentums sind auch die des Solidarismus.* Der höchste Beruf der Kirche ist die Verwirklichung dieser Gebote unter den Menschen: der Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit, der Friedfertigkeit, Barmherzigkeit und Liebe; das ist auch der Beruf des Solidarismus, welcher die erhabenen Lehren des reinen Christentums im Geiste seines Begründers auf die *praktische* Volkswirtschaft, auf die *Organisation* der Arbeit und Güterverteilung überträgt. Das Gebot: »Deine Rede sei Ja Ja, Nein Nein, was darüber ist, das ist vom Übel«, hat der Solidarismus aufgenommen in der Verpflichtung der Brüder zu unantastbarer Wahrhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit. Das Gebot: »Trachtet nach der Gerechtigkeit« ist ebenfalls im Solidarismus enthalten, denn er fordert eine gerechte Verteilung der Güter und Segnungen der Kultur unter allen Menschen, einem jeden nach seiner Leistung, aber ohne jemals einen auszuschließen. »Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen, ihr aber seid alle Brüder«, steht auch im Solidarismus, auch er fordert die Brüderlichkeit; die Beiträge zur Volkskasse, die Arbeit im Bienenstock sind Brüderleistungen, denn alle haben daran teil. Das Gebot der Friedfertigkeit findet im Solidarismus in der Vorschrift seinen Ausdruck, daß alle Brüder ihre Differenzen nicht den Gerichten vorzulegen haben, sondern den brüderlichen Schiedsgerichten, welche nicht richten, sondern schlichten und versöhnen. Auch das Gebot der Barmherzigkeit: »Richte nicht, damit du nicht gerichtet werdest«, erfüllen dieselben, denn sie verhängen keine Strafe. »Kein Bruder hat ein Strafrecht über den andern«, ist eines der höchsten Gebote des Solidarismus. Auch das andere Gebot der Barmherzigkeit: »Laßt uns vergeben unsern Schuldigen«, schreibt der Solidarismus vor; denn der Bruder, welcher durch eigene Schuld seine Rechte verlor, ist nicht ausgestoßen; er wird, wenn er seine Brüderpflicht erfüllt, jederzeit in die Brüdergemeinde mit offenen Armen wieder aufgenommen. Und das höchste Gebot des Christentums: »Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst«, ist es nicht auch das höchste Gebot des Solidarismus, welcher im Kapitel der Brüderpflichten also beginnt: »Die allgemeinste und vornehmste Pflicht der Brüder ist das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit«; ist dieses Wirken für die Gesamtheit, dieses fortwährende Abtreten eines Teiles der Arbeit an die Gesamtheit der Brüder nicht eine tägliche, stündliche Betätigung der Nächstenliebe, ein ununterbrochenes Umsetzen des Gebotes in die Tat? Ist es nicht eine unausgesetzte Ausübung des Wortes: »Alles nun, das ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen, das ist das Gesetz?« Alles was die Kirche lehrt, ist durch den Solidarismus in das wirtschaftliche Leben *übertragen*. Unternimmt es die Kirche, auch die *wirtschaftlichen* Interessen der Enterbten zu unterstützen und zu heben, für dieselben *auf dieser Erde schon ein gewisses Maß von Glück* und Befriedigung und Freude am Leben zu schaffen, dann werden die Enterbten auch aufnahmefähiger für ihre ethischen Fragen und ihre rein geistigen Lehren; wenn die Menge erfaßt, daß Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Liebe keine *leeren Worte* sind, sondern *praktische* Folgen für ihr *irdisches* Dasein haben, dann wird sie dieselben erst verstehen lernen, selbst üben und begreifen, *daß das Wirken für andere, für die Gesamtheit, daß die Liebe die Grundlage zur Lösung aller materiellen und ethischen Probleme ist, welche die Menschheit bewegen*. Darum, Kirche, unterstütze den Solidarismus; er ist dein mächtigster Verbündeter; durch ihn allein kannst du deine Lehren in Einklang bringen mit den Anforderungen und Bedürfnissen moderner Kultur! Schlußwort zu diesem Kapitel. Brüder! So zeigt sich denn das wundervolle Ergebnis, daß nicht etwa bloß die »Mühseligen und Beladenen«, die »Enterbten« ein Interesse am Zustandekommen des Solidarismus haben, sondern *alle* Berufe, *alle* Stände, alle Parteien, alle Ordnungen der menschlichen Tätigkeit bis hinauf zu Kirche und Staat! Niemand hat daraus Nachteile, alle aber haben Vorteile! Wo der Solidarismus bestehende Einrichtungen ändert, gibt er dafür sofort bessere, vorteilhaftere, höhere. Die Richtigkeit und Kraft des einfachen Gedankens zeigt sich darin, daß er immer richtig bleibt, auf welches Gebiet er auch übertragen werden mag: *Was der Gesamtheit nützt, muß auch dem einzelnen nützen, denn der einzelne ist ein Teil der Gesamtheit.* Nicht das Wohl des Arbeiterstandes, des Mittelstandes, dieser oder jener Gruppe, dieser oder jener Partei, nein, *das Gesamtwohl allein, das Wohl aller ohne Ausnahme ist es, das ihn leitet; nur das führt zu Gerechtigkeit und Liebe*, alles andere zu Haß, Zwist, Kampf und Vernichtung. Tut er das aber, so ist er berufen das Volk zufrieden, das Vaterland groß und mächtig zu machen! Darum wirkt alle mit am Solidarismus! Wie ihr auch im einzelnen darüber denken mögt, wie groß oder klein im einzelnen euer Interesse daran sein mag, eines leuchtet doch euch allen ein: der ideale Zweck der Bewegung: *für jeden einzelnen muß es eine Freude, ein inneres Bedürfnis sein, mitzuwirken am größten Fortschritt unserer Zeit*! Kapitel 9. Aufruf zum Solidarismus! *Brüder! Ihr habt das natürliche Spiel der solidaristischen Organisation, dieses Gegenseitigkeitsvertrags zwischen der Gesamtheit und dem einzelnen klar erfaßt!* *Ihr wißt, daß ihr auf Grund dieser Organisation Betriebe ins Leben rufen könnt, deren Erträgnis euch voll und ganz als Entlohnung eurer Arbeit gehört, die euch ermöglichen, von der Geburt bis zum Tode eure materiellen, geistigen und moralischen Bedürfnisse voll zu befriedigen, ein ausreichendes Maß von Lebensannehmlichkeit zu genießen und euch gegen alle natürlichen Ungleichheiten und sozialen Schäden ein für allemal zu schützen.* *Ihr habt ferner erfaßt, wie diese Betriebe auch die Brüder, welche noch nicht das Glück haben, Mitglieder derselben zu sein, in den Genuß vereinfachter, verbilligter, verbesserter, müheloserer Lebenshaltung setzen und denselben den Unterricht und die Erziehung ihrer Kinder, die Pflege ihrer Kranken, die Mitbenutzung aller sozialen Einrichtungen sichern.* *Ihr habt begriffen, daß der Solidarismus euch befreit, euer Leben erweitert, verschönt und lebenswert macht.* *Ihr habt auch eingesehen, daß nichts im Solidarismus Doktrin, Theorie, Willkür oder Selbsttäuschung ist; alles ist Wirklichkeit, gründet sich auf Benutzung bestehender Verhältnisse, im Rahmen bestehender Gesetze, in friedlicher Entwicklung bei vollkommener individueller Freiheit. Alles beruht auf dem natürlichen Spiel der solidaristischen Kräfte. Vergebens sucht ihr nach unausführbaren, unmöglichen Dingen, es sind deren keine vorhanden; streng folgerichtig entwickelt und berechnet sich alles ziffermäßig aus dem Leben, aus den Tatsachen; alles steht praktisch erreichbar deutlich vor euren Augen!* *Ihr habt auch erfaßt, was euch in den Stand setzt, euer herrliches Ziel zu erreichen; es ist euer täglicher Brüderpfennig, das kleine, unmerkliche Opfer des einzelnen, welches sich durch die Wirkung eurer Zahl und durch die Wirkung der Zeit von Generation zu Generation millionenfach vermehrt und euch, als Gesamtheit, eine unermeßliche materielle und moralische Macht verleiht!* *Ihr seid entschlossen, diese durch eure Einigkeit erzielte unermeßliche Macht der Gemeinschaft zu benutzen zum Wohle der Gesamtheit nicht für Werke des Kampfes und der Zerstörung, sondern für das große Werk des Friedens und des Aufbaues, der wirtschaftlichen Erlösung, des Solidarismus!* *Was ihr als Gesamtheit wollt, das wird! Vereint seid ihr unüberwindlich; das Geheimnis eurer wirtschaftlichen Erlösung ist eure Solidarität.* *Solidarität ist das Gesetz, welches mit Kraft und Klarheit sich abhebt auf dem dunkel verworrenen Hintergrund unserer Kultur; in welchem sich das Ringen unserer Zeit nach Erlösung verdichtet, mit elementarer Gewalt hervorquellend aus der Wirrnis, die uns umgibt. Mit unfehlbarer Notwendigkeit führt es zum triumphierenden Sieg der Aufklärung, zur Befreiung, zu großem, freiem, wahrem Menschentum, zu einer neuen Form der Kultur, welche die Mittel der Menschheit gewaltig steigert!* *Die Menschen sind unbefriedigt, sie fühlen, daß unsere Kultur gezwungen, unnatürlich ist, daß sie dem Leben keinen Gehalt, dem Tun keine Bedeutung gibt; eine ungeheure Sehnsucht nach Besserem und Höherem erfüllt die Menschheit, alles sehnt sich nach Gerechtigkeit und Liebe. Eure Gelehrten, eure Schriftsteller, eure Geschichtsschreiber, eure Kulturforscher, alle rufen: Es kann nicht mehr so weiter gehen, die Welt ist reif für bessere Zeiten! Hört ihr denn nicht, Brüder, Schwestern, wie die Welt allüberall erklingt von den Rufen eurer Propheten: Seid einig, seid solidarisch.* *Vorwärts denn, Männer, Frauen, Jugend, im Namen der Gerechtigkeit und der Liebe, im Namen des Solidarismus; vereint entschlossen eure Kräfte, schließt die Reihen, organisiert euch, sucht eure Führer, bildet eure friedlichen Legionen von Brüdern! Kommt! Opfert eure täglichen Brüderpfennige auf dem Altar der Gesamtheit, bildet eure Volkskasse; ihr selbst seid eure Erlöser, glaubt an euch selbst und helft euch selbst! Macht den Solidarismus zur führenden Macht des Geisteslebens; je schneller ihr es tut, je kräftiger ihr einsetzt, je beharrlicher, je unbeugsamer ihr euren Willen durchführt, desto rascher winkt die Erlösung; in eurer Hand liegt euer Geschick.* *Volk, du hast die Kraft, Volk, du hast die Macht! Erwache! Rüttle dich auf, ans Werk! Moralische Kräfte bestimmen deine Geschicke. Nicht länger sei gleichgültig gegen dein eigenes Schicksal, glaube an dich, an die Macht deines Willens! Erfülle dich mit diesem großen Ideal des Wirkens für die Gesamtheit; frohlockend und unverwandt verfolge das gesteckte Ziel: deine wirtschaftliche Erlösung. Wenn auch dessen Erreichung Märtyrer fordert, dein ist der Sieg!* Anhänge zum ersten Buch. Anhang 1. =Statistik der Einkommensverhältnisse in Deutschland.= Die letzte zu Gebote stehende Statistik des Deutschen Reiches ist vom Jahre 1895. Nach derselben zählte man damals in Deutschland 51,7 Millionen Einwohner. Darunter waren Erwerbstätige, d. h. einen Beruf Ausübende: 22,1 Millionen, und nicht erwerbende Ehefrauen, Kinder und sonstige Angehörige: 27,5 Millionen. Wenn die Rentner, Pensionäre, Unterstützte, Gefangene mit zusammen: 2,1 Millionen hier außer Rechnung bleiben, so ist das Verhältnis der Erwerbstätigen zu den nicht erwerbenden Angehörigen 22,1 : 27,5 oder fast genau 4 : 5. Von den Erwerbstätigen sind in der Statistik als *Selbständige* bezeichnet: 5,9 Millionen, als Angestellte und Arbeiter: 14,6 Millionen und als Dienstboten: 1,6 Millionen. Die Zahl der *Abhängigen* ist daher: 16,2 Millionen und auf diese entfallen Angehörige: 20,3 Millionen, so daß: 36,5 Millionen Einwohner = 70% der Bevölkerung von Gehalt, Lohn, Salär *direkt* abhängen, wobei Zivil- und Militärbeamte und freie Berufsarten nicht mitgerechnet sind. Von der heutigen Einwohnerzahl Deutschlands von ca. 59 Millionen sind demnach ca. 42 Millionen *direkt abhängig*. Unter die sogenannten »Selbständigen« ist aber eine große Anzahl von nur scheinbar Selbständigen gerechnet; es gehören vor allem hiezu diejenigen, welche im eigenen Hause oder für eigene Rechnung arbeiten, aber doch nur als Arbeiter oder Angestellte von Großbetrieben gelten können, wie sehr viele Schneider, Konfektionäre, Verfertiger von Spielwaren, Näherinnen, Strickerinnen, Hausweber und überhaupt Hausindustrielle aller Art, dann auch Handelsreisende und Vermittler; ferner gehören hierher gewisse selbständige Gewerbetreibende, welche doch durchaus abhängig sind, z. B. Zugeherinnen, Hausierer, Dienstmänner, Stellmacher, Lootsen, Scherenschleifer, um nur einige zu nennen; endlich befinden sich unter den sogenannten »Selbständigen« der Reichsstatistik solche, welche es tatsächlich sind, von denen aber die Statistik selbst sagt, daß sie »*nur mühselig existieren*«; hierzu gehören in erster Linie die ganz kleinen Landwirte, Krämer, Wirtschaftsbesitzer, kleinste Gewerbetreibende aller Art, deren Lage viel ungünstiger, unsicherer und abhängiger ist, als die der meisten Angestellten und Arbeiter, welche direkt von ihrem Salär abhängen, aber dieses wenigstens sicher beziehen. Man kann diese Kategorie als die »*indirekt Abhängigen*« bezeichnen. Eine Zusammenstellung aller hier in Betracht kommenden, aus den ca. 6 Millionen Selbständigen der Reichsstatistik, ergibt, sehr mäßig geschätzt, 2½ bis 3 Millionen; rechnet man hierzu ihre Angehörigen, so ist auf die heutige Einwohnerzahl umgerechnet, die Gesamtzahl der indirekt Abhängigen 7-8 Millionen, welche zu obigen 42 Millionen »*direkt Abhängigen*« hinzuzuzählen sind, so daß die Gesamtzahl der »*Abhängigen*« überhaupt auf rund 50 Millionen, also mehr wie 80% der Bevölkerung, angegeben werden kann. Sieht man von den Bezeichnungen der offiziellen Statistik ab und nennt, wie das den laufenden Anschauungen und namentlich der Wirklichkeit mehr entspricht, *abhängig* alle diejenigen, welche nur sehr beschränkte Mittel besitzen und sich ihre Lebensbedürfnisse nur teilweise oder notdürftig beschaffen können, so ist die Zahl der »Abhängigen« in diesem Sinne noch weit größer. Nach der preußischen Einkommensteuerstatistik pro 1900/01 sind 65,25% der Bevölkerung überhaupt steuerfrei, weil die betreffenden Familienhäupter Einkommen unter 900 Mark jährlich haben oder wegen zu großer Kinderzahl u. dgl., mit einem Wort wegen Armut. Für weitere 31,97% der Bevölkerung sind die Familienhäupter mit Einkommen von 900 bis 3000 Mark zensiert, so daß nur 2,78% der Bevölkerung auf Zensiten mit mehr als 3000 Mark Einkommen entfallen. Da nach der Statistik auf einen Zensiten durchschnittlich 2,25 Angehörige treffen, so haben über 65% der Bevölkerung Einkommen unter 900 Mark für 3,25 Personen, also höchstens 75 Pfennig pro Person und Tag im *Maximum*, im Durchschnitt kaum 50 Pfennig; und 32% haben zwischen 900 und 3000 Mark, also *höchstens* 2,53 Mark pro Tag und Kopf, im Durchschnitt kaum 1,50 Mark. In diesem Sinne darf man wohl 97% der Bevölkerung als abhängig bezeichnen; gegen ca. 80% in der vorigen Betrachtungsweise; denn so wie in Preußen, wird es ja durchschnittlich auch für das Deutsche Reich sein. Wenn auch die noch verbleibenden 3% der Bevölkerung näher zergliedert werden, so trifft über die Hälfte, nämlich 1,7%, auf Zensiten mit Einkommen von 3-6000 Mark, also durchschnittlich 4-4500 Mark. *Und es bleiben zuletzt nur 1,3% der Bevölkerung, deren Familienhäupter Einkommen über 6000 Mark haben*, bei denen man also eine Selbständigkeit und Unabhängigkeit in allen Lagen des Lebens im weiteren Sinne annehmen kann. Der jährliche Durchschnittsverdienst des deutschen Arbeiters wird nach der Statistik der Berufsgenossenschaften zu 732 Mark angenommen, das entspricht genau 2 Mark pro Tag. In einzelnen Berufen ist der Durchschnittsverdienst geringer, in andern höher, im Bergbau z. B. 1107 Mark im Jahre 1900. * * * * * Die *Vermögensverhältnisse in andern Ländern* sind denen Deutschlands nicht unähnlich; eine Statistik der Vereinigten Staaten anfangs der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts gibt folgende Einteilung: -----------------------------------------+--------------------- Bezeichnung Anteil an der | Anteil am Bevölkerung | Nationalvermögen % | % -----------------------------------------+--------------------- Reiche 1,4 | 70 Mittlere 8,6 | 12 Arme und Ärmste 90 | 18 Die als Ärmste bezeichneten sind gänzlich besitzlos und bilden 50% der Bevölkerung. Heute, anfangs unseres Jahrhunderts, ist der Anteil der Armen am Nationalvermögen wesentlich geringer; infolge der enormen Geldansammlung in einzelnen Händen wird heute ca. 1% der Gesamtbevölkerung im Besitze von 80 bis 85% des nationalen Vermögens sein. Anhang 2. =Statistik der möglichen Brüderbeiträge zur Volkskasse.= Nach Anhang 1 treffen auf einen Steuerzensiten 2,25 Angehörige, so daß durchschnittlich eine Familie aus 3,25 Menschen besteht. Auf die Gesamteinwohnerzahl Deutschlands von ca. 59 Millionen treffen daher rund 18 Millionen Familien und auf die in Anhang 1 ermittelten mindestens 50 Millionen *Abhängigen* treffen 15,4 Millionen Familien. Nimmt man in jeder Familie zwei zahlende Mitglieder der Volkskasse oder Brüder an, z. B. Mann und Frau oder Mann und erwachsener Sohn oder dgl., so ist die Zahl der Beitragenden 31 Millionen; zählt man für diese alle nur den Minimalbeitrag von 6 Mark pro Jahr, so wäre die Gesamteinnahme der Volkskasse im Jahre 186 Millionen Mark. Zu demselben Resultat gelangt man mit dem in Kapitel 1 vorgeschlagenen *Volkskassenbeitrag von 1 Pfennig pro Tag und Kopf der Brüder*, also von 3,65 Mark pro Jahr; bei einer Mitgliederzahl von 3,25 pro Familie entspricht das einem Jahresbeitrag pro Familie von 3,25 × 3,65 = 11,86 Mark oder rund 12 Mark. Der jährliche Beitrag von 6 Mark *pro Bruder* bzw. 12 Mark *pro Familie* entspricht also genau dem in Kapitel 1 vorgeschlagenen *täglichen Pfennig pro Kopf*. Die Rechnung von 1 Pfennig pro Tag und Kopf führt bei 50 Millionen Brüdern auch ohne weiteres zu derselben jährlichen Gesamteinnahme der Volkskasse von 182 Millionen Mark. Gleichfalls zu demselben Resultate führt eine dritte Rechnungsmethode wie folgt: nach der schon im Anhang 1 erwähnten Statistik des Deutschen Reiches vom Jahre 1895 sind ca. 36,5% der Bevölkerung unter 16 Jahre alt; nach dem Volksvertrag können die Brüder vom 16. Jahre ab ihre Einzahlungen leisten und mit dem 17. Jahre das Brüderrecht erhalten. Nimmt man an, daß von diesem Rechte die 50 Millionen Abhängigen Gebrauch machen, so sind 63,5% hiervon, also rund 32 Millionen Köpfe, für die Brüderbeiträge reif; das ergibt bei 6 Mark pro Kopf 192 Millionen Mark jährlichen Gesamtbeitrag zur Volkskasse, d. i. annähernd ebensoviel wie oben schon berechnet. Bei all diesen Berechnungen ist angenommen, daß nur die Abhängigen sich beteiligen, daß diese alle nur den Mindestbeitrag von 6 Mark pro Jahr bezahlen und daß noch keine Bienen existieren, deren obligater Beitrag mit 1% des Einkommens durchschnittlich wohl mindestens doppelt so hoch sein wird. Bei einer ziemlich allgemeinen Beteiligung der *Abhängigen*, d. i. von ca. 80% der Bevölkerung, an der Volkskasse *bringt daher der brüderliche Tagespfennig rund 200 Millionen im Jahre*. Anhang 3. =Weniger wichtige Formen der Bienenstöcke. Der Bienenstock für Arbeitsleistungen.= Außer dem industriellen und landwirtschaftlichen Bienenstock, welche ein greifbares Arbeitsprodukt erzeugen, muß es noch eine dritte Art von Bienenstöcken geben, welche nur Arbeitsleistungen bieten; ein Typus hiervon ist der Bienenstock für häusliche Arbeiten. Ein Bienenstock für weibliche Hausarbeiten besteht zunächst aus einem Heim, in welchem die betreffenden Mädchen und Frauen gemeinsam wohnen und wirtschaften, ferner aus den vorgeschriebenen sozialen Einrichtungen für Hygiene, Krankenpflege etc. und endlich dem Tauschlager für Bezug der Lebensbedürfnisse. Dieses Heim ist an und für sich gleichzeitig eine Schule für die betreffenden weiblichen Arbeiten: Kochen, Haushaltung, Nähen, Krankenpflege etc. Diejenigen, welche häusliche Arbeiten wünschen, wenden sich an diesen Bienenstock, welcher ihnen, falls sie Mitglieder der Volkskasse, d. i. Brüder, sind, die betreffenden Bienen, sei es nur für einzelne Arbeiten, Tagesstunden oder Tage oder für lange Zeitperioden ganz überläßt; die Bezahlung für die Leistungen erfolgt an den Bienenstock, dessen finanzielle Organisation mit Normal- und Ergänzungseinkommen, Kranken- und Unfallszuschüssen, Anteilen etc. den Arbeitsverträgen der Bienenstöcke entspricht. Ähnlich organisiert ist der Bienenstock für männliche Hausarbeiten. Diese Organisation bietet sowohl für die Bienen, welche ihr angehören, als diejenigen Brüder, welche deren Leistungen gebrauchen, wesentliche Vorteile. Die Zugehörigkeit zu einem Bienenstock bietet ja an und für sich die Gewähr für Ehrenhaftigkeit und Pflichttreue der Bienen, außerdem hat sie eine regelrechte Schulung und Erziehung in der betreffenden Arbeit zur Folge; das Wohnen in den Heimen und das dort vorhandene Familienleben beseitigen die Gefahren für Sitte und Moral ihrer Mitglieder. Die Bienen für häusliche Leistungen sind daher ausgesuchte, bewährte und gut geschulte Kräfte; die Regelung der Entlohnung mit der Verwaltung des Bienenstocks beseitigt denjenigen Punkt in dem Verkehr, welche die meisten Zwiste mit sich bringen; im Falle der Unverträglichkeit der Charaktere hat der Bienenstock sofort Ersatz. Die Spezialisierung der Dienstleistungen verbessert dieselben und vereinfacht den betreffenden Haushalt; ist es doch heute schon weitverbreitete Sitte, gewisse häusliche Dienste entweder in besonderen Fällen oder regelmäßig durch dritte Personen oder Unternehmer ausführen zu lassen, z. B. Bohnern, Teppichklopfen, Fensterputzen, Waschen, Gärtnerei, Servieren, Fahren, Nähen, Scheuern, Kochen; ja, es steht zweifellos heute schon fest, daß das Verhältnis der Haushaltungen zu derartigen dritten Personen wesentlich besser ist als mit den ständig angestellten Dienstboten. Der Übergang zum Bienenstock für häusliche Leistungen ist daher nicht so groß, wie auf den ersten Blick erscheinen könnte; er ist nur eine Verallgemeinerung heute schon vielfach üblicher Gewohnheiten; jeder vorurteilsfrei Denkende wird den bedeutenden Fortschritt erkennen, welcher darin für alle Beteiligten liegt. Das Bestreben der Volkskasse wird im allgemeinen auf die Errichtung von industriellen und landwirtschaftlichen Betrieben gerichtet sein und nicht auf die Errichtung solcher Leistungsbienenstöcke, da nur durch erstere die vollständige wirtschaftliche Selbständigkeit der Bienen, wie sie der Selbstbetrieb mit sich bringt, erreicht wird. Indes wird die Volkskasse Anträge auf Errichtung derartiger Bienenstöcke nicht ablehnen können, da sie für alle Brüder gleichmäßig besteht und alle berechtigten Wünsche derselben erfüllt. Wegen ihrer geringeren Wichtigkeit ist diese Art von Bienenstöcken nicht in den Haupttext aufgenommen; es soll hier nur gezeigt werden, daß der Arbeitsvertrag der Bienenstöcke auch auf derartige Verhältnisse Anwendung finden kann. Anhang 4. =Einiges über Produktiv- und Konsumgenossenschaften.= Sehr viele bisherige Versuche genossenschaftlicher Produktion mit Gewinnbeteiligung, unter Selbstverwaltung der Arbeiter, haben mit Mißerfolgen geendet; in neuerer Zeit sind infolge größerer Erfahrung oder unter besonders günstigen Umständen derartige Versuche schon besser ausgefallen; eine Anzahl Produktionsgenossenschaften zahlt heute trotz wesentlich verkürzter Arbeitszeit um 7-11% höhere Löhne als nicht genossenschaftliche Betriebe; sogar einige sehr große Erfolge in dieser Richtung können genannt werden, z. B. die Glasfabrik Albi oder die hochherzige, bewunderungswürdige Karl Zeiß-Stiftung in Jena. Trotzdem sind derartige selbständige reine Produktivgenossenschaften als allgemeine Betriebsform einer Volkswirtschaft undenkbar; und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie sich wegen ihrer meist ungenügenden Mittel gegen die übermächtige Konkurrenz der verschiedenen Formen großkapitalistischer Produktion oder kapitalistischer Vereinigungen nicht halten können; sie sind ein Zwitter, sie wollen die modernen Errungenschaften der Genossenschaften einseitig auf die Produktion allein anwenden; sie wollen ihren Gewinn wohl unter sich genossenschaftlich verteilen, suchen denselben aber genau wie die kapitalistischen Produzenten, in wütendem Konkurrenzkampf auf Kosten des Konsumenten möglichst zu erhöhen, wobei sie gegen die rein kapitalistischen Produzenten aus den oben erwähnten Gründen fast immer unterliegen. Sie sind in ihrer inneren Organisation Genossenschafter, nach außen aber kapitalistisch. Die reinen Konsumgenossenschaften haben größere äußere Erfolge zu verzeichnen, weil sie ihren Mitgliedern sehr bemerkenswerte und in die Augen fallende Vorteile bieten, nämlich eine Rückvergütung auf alle ihre Einkäufe von durchschnittlich 8-10%, aber auch sie sind ein Zwitter, sie wahren einseitig bloß das Interesse des Konsumenten und denken überhaupt nicht an die Anwendung der genossenschaftlichen Grundsätze auf die Produktion. Das trifft auch noch größtenteils zu bei denjenigen Konsumgenossenschaften, welche *selbst* produzieren; wenn sie auch nach außen genossenschaftlich sind, so sind sie innerlich kapitalistisch, denn sie kaufen ihre Materialien wie alle andern Produzenten, ihre Löhne sind die üblichen, in vielen Fällen allerdings mit einem Zuschlag von 5 oder 6%, die Fabrik gehört den Zeichnern des Kapitals, die Gewinne werden an die Inhaber der Anteilscheine, d. h. an das Kapital ausbezahlt; der einzige Unterschied ist, daß diese Anteile sehr klein und sehr zahlreich sind; der Anteil der Arbeiter an der Verwaltung ist praktisch verschwindend, für Wohlfahrtseinrichtungen geschieht nicht mehr, meist aber weniger wie in der sonstigen Industrie etc. Beide Arten von Genossenschaften berücksichtigen nicht, daß jedes Produktionszentrum an sich auch ein Konsumzentrum ist, daß beide untrennbar sind, und deshalb gehören alle Konsumobjekte da vereinigt, wo sich an und für sich eine größere Anzahl von Menschen ansammeln muß, nämlich im Produktionszentrum, und es sind die genossenschaftlichen Prinzipien auf den Produzenten *und* Konsumenten anzuwenden, *weil beide ein und dieselbe Person sind* und nicht zwei getrennt sich feindlich gegenüberstehende Wesen. Die wahre Genossenschaft tritt gar nicht in die allgemeine Konkurrenz ein, weder für die Produktion noch für den Konsum, sie arbeitet lediglich für ihren eigenen Bedarf. Die genossenschaftliche Bewegung fängt auch an, das einzusehen; immer mehr werden die Produktivgenossenschaften mit den Konsumgenossenschaften vereinigt, immer mehr suchen letztere selbst zu produzieren; sie sind auf dem Wege zu der Erkenntnis, aber noch in den kapitalistischen Ideen befangen: Einkauf, Verkauf, ortsübliche Löhne, Anteilscheine, Verzinsung, Dividenden, Gewinne etc.! Alles Dinge, welche die solidaristische Organisation nicht mehr kennt! Anhang 5. =Statistik der Spareinlagen des deutschen Volks.= Nach dem statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich betrug die Höhe der Spareinlagen in öffentlichen Sparkassen Deutschlands pro Kopf der Bevölkerung im Jahre 1900 157 Mark und das Gesamtguthaben der Einleger 8839 Millionen. Legt man die durchschnittliche Steigerung der Einlagen der letzten 10 Jahre zugrunde, so ist das Guthaben pro Kopf im Jahre 1903 ca. 185 Mark und bei ca. 60 Millionen heutiger Einwohnerzahl ist das gesamte Sparkassenguthaben des deutschen Volks ca. 11 Milliarden Mark. Dazu kommen noch die Einlagen in nicht öffentlichen Sparkassen, z. B. in den Kreditgenossenschaften, ferner in Konsumvereinen und Produktivgenossenschaften aller Art; diese betragen für 1901 rund 1,5 bis 2 Milliarden Mark, nach der Statistik der deutschen Kreditgenossenschaften im Jahrbuch des Allgemeinen Verbandes der deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften für 1901. Die Gesamtsumme der Spareinlagen der kleinen Sparer Deutschlands dürfte daher zwischen 12 und 14 Milliarden Mark betragen, d. h. bei 60 Millionen Einwohnern zwischen 200 und 230 Mark pro Kopf. Nach Dr. C. J. Fuchs, Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1901, ist die Gesamtsumme aller Sparkasseneinlagen in Deutschland dreimal so groß als die Summe der Depositen in allen deutschen Banken. Gegenwärtig wird auf jeden vierten Einwohner ein Sparkassenbuch kommen; 28 bis 40% der Einleger gehören dem Arbeiterstand an, und ca. 1/3 der Einlagen sind ganz kleine Posten bis zu 60 Mark. Nach Riehn, Das Konsumvereinswesen, Berlin 1902, S. 80, betrugen die Zinsüberschüsse der preußischen Sparkassen 1898 0,87 bis 0,90% oder 48 Millionen Mark von dem zinsbar angelegten Kapital; nach Abzug der Verwaltungskosten mit 9 Millionen Mark waren es immer noch 0,70 bis 0,75% oder 39 Millionen Mark, um welche die Zinserträgnisse der Einleger geschmälert wurden. -- Diese Summen wurden verwendet teils für kommunale und andere der Sparkasse fremde Zwecke, teils zur Anhäufung ganz enormer Reservefonds, welche z. B. im Jahre 1900 bei den öffentlichen Sparkassen des Deutschen Reichs über ½ Milliarde Mark betrugen, und welche den Einlegern nicht den geringsten Nutzen bringen. Die Kreditgenossenschaften verzinsen die Spareinlagen und die angeliehenen Gelder der Einleger durchschnittlich mit 3,61% gegenüber 3% der öffentlichen Sparkassen. Würden also die Einleger der letzteren ihre 11 Milliarden genossenschaftlich anlegen, so würden sie aus diesen heute schon bestehenden Anstalten jährlich 67 Millionen Mark mehr Zinsen erhalten. Die von diesen Kreditgenossenschaften gewährten Kredite sind schwer zu ermitteln, da genaue Statistiken fehlen, sie sind aber unter allen Umständen erstaunlich hoch und betragen 3 bis 4 Milliarden Mark pro Jahr. Anhang 6. =Ausschlaggebende Bedeutung der großen Masse auf allen Gebieten der Volkswirtschaft.= In Anhang 1 wurde statistisch nachgewiesen, daß für ca. 65% der Bevölkerung die Jahreseinnahme der Familienhäupter unter 900 Mark und für weitere 32% zwischen 900 und 3000 Mark beträgt; das sind zusammen 97% der Bevölkerung, also tatsächlich die *große Masse* derselben. Es ist leicht zu beweisen, daß es diese *große Masse* ist, welche, als Ganzes betrachtet, in allen Dingen der Volkswirtschaft den *ausschlaggebenden Faktor* bildet, sowohl als Produzent wie als Konsument, sowohl als Kapitalist wie als Steuerzahler. Als Produzent. Für die Produktion bedarf diese Behauptung eigentlich keines Beweises; da es Tatsache ist, daß für die große Masse die Familienhäupter unter 3000 Mark Jahreseinkommen haben, so folgt daraus, daß diese 97% der Bevölkerung arbeiten *müssen*, um zu leben, und daß sie somit *mindestens 97% der Gesamtarbeit* des Landes *wirklich leisten*. Als Konsument. Nicht ebenso selbstverständlich ist das Verhältnis für den Konsum. Hier herrschte sogar bis in die neuere Zeit hinein die Ansicht, daß der Verbrauch der bemittelten Minorität weit größer sei als derjenige der unbemittelten Massen. Dieser gründliche volkswirtschaftliche Irrtum ist heute widerlegt. R. E. May hat in seinem 1900 erschienenen Werk: »Das Verhältnis des Verbrauchs der Massen zu demjenigen der Wohlhabenden und Reichen« nachgewiesen, daß der Verbrauch der großen Masse (als welche er alle Einkommen unter 3000 Mark ansieht) *sechsmal so groß ist* als derjenige der Wohlhabenden und Reichen (über 3000 Mark Einkommen). Würde der Konsum der letzteren plötzlich verschwinden, so würde die Volkswirtschaft das selbstverständlich spüren, aber ein durchgreifender Schaden, ja eine Krisis würde damit kaum verbunden sein. Maßgebend für das Gedeihen einer Volkswirtschaft ist danach der Konsum der großen Masse der Abhängigen. Daraus erhellt die eminente Wichtigkeit der Kaufkraft der untern Einkommensschichten und die *ungeheure Macht der vereinten Kaufkraft* dieser Schichten; eine verhältnismäßig kleine Verringerung dieser Kaufkraft führt sofort eine schwere Krisis herbei, und eine geringe Erhöhung derselben ist für das Gedeihen der Volkswirtschaft, also für die Gesamtwohlfahrt, unvergleichlich wichtiger als das Ansammeln noch so großer Einzelvermögen oder als das Erschließen noch so großer ausländischer Absatzgebiete; denn auch der Konsum des Außenhandels ist im Verhältnis zum inländischen Verbrauch der großen Masse viel geringer, als man gemeinhin annimmt; so beträgt in Deutschland die Gesamtausfuhr pro Kopf jährlich 70 Mark, der inländische Verbrauch pro Kopf *mindestens* 200 Mark[23], d. h. *mindestens ¾ des ganzen Verbrauchs*. (Siehe G. Maier, Soziale Bewegungen, 1902.) Diese Zahlen beweisen, daß die große Masse der Produzenten eines Landes *der Hauptsache nach ihr eigener Konsument ist*. Möchte doch das Bewußtsein unseren maßgebenden Faktoren in Fleisch und Blut übergehen, *daß die Blüte einer Volkswirtschaft direkt proportional ist der Kaufkraft der großen Masse*, und daß die Ankündigung des Anwachsens des Durchschnittseinkommens der großen Masse um 5 oder 10% für die Beurteilung der industriellen und landwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes ungleich mehr bedeutet als die Aufzählung noch so vieler erstaunlich hoher Steuerzahler. Als Kapitalist. Im Anhang 4 wurde bewiesen, daß die Gesamtsumme der Spareinlagen der kleinen Sparer in Deutschland wenigstens 12 bis 14 Milliarden Mark beträgt. Vergleicht man diese Summe mit den Kapitalien der größten amerikanischen Trusts (Anhang 7), so zeigt sich das überraschende Ergebnis, daß die deutschen Kleinsparer dreimal so viel Kapital besitzen als der gewaltigste Trust der Welt, der amerikanische Stahltrust, und siebenmal so viel Kapital wie der allmächtige Petroleumtrust, welcher allen Kulturländern seine Bedingungen diktiert. Es folgt daraus, daß die *Kleinsparer eines einzigen Landes als Gesamtheit der größte Kapitalist sind*, größer und mächtiger als selbst die gewaltigsten Kapitalvereinigungen, vor denen die ganze Welt das Knie beugt, und denen die Industrien aller Länder tributpflichtig sind. Als Steuerzahler. Wie man früher irrtümlich annahm, daß die Wohlhabenden und Reichen die größten Verbraucher seien, so nimmt man heute noch an, daß sie den größten Teil der Steuern eines Landes aufbringen. Die Ansicht, daß die Steuern der Hauptsache nach von den sogenannten »leistungsfähigen Schultern« getragen werden, daß ein großer Teil der Bevölkerung überhaupt steuerfrei sei, ist allgemein verbreitet, und doch ist sie ein *schwerer Irrtum*. Diese Ansicht trifft einigermaßen zu nur für die direkten Steuern, unter welchen die wichtigste die Einkommensteuer ist. So betrug im Jahre 1901[24] die Gesamteinkommensteuer der physischen Zensiten in Preußen 168,13 Millionen Mark. Hiervon entfielen auf Zensiten mit über 3000 Mark Jahreseinkommen 114,01 Millionen Mark. Demnach beträgt die Leistung der Zensiten unter 3000 Mark Einkommen 54,12 Millionen Mark. Es bezahlt also von dieser Steuer die große Masse (97% der Bevölkerung) nur rund 1/3, und die übrigen 3% der Bevölkerung 2/3. Ganz anders aber gestaltet sich das Bild, wenn man die zweite wichtigste Steuergruppe, die indirekten Steuern in Betracht zieht; diese sind der Hauptsache nach Verbrauchssteuern, Zölle, in süddeutschen Staaten Weinsteuer, Fleisch- und besonders Biersteuer u. dgl., dieselben hängen nicht vom Einkommen, sondern *vom Verbrauch pro Kopf an alltäglichen Lebensmitteln* ab, sind also im wesentlichen pro Kopf für alle gleich; allenfalls könnte man annehmen, daß die große Masse hiervon 6/7 und der Rest der Bevölkerung 1/7 leistet, weil sich der *Konsum* dieser beiden Gruppen, wie vorhin gezeigt wurde, so verhält. Nach einer Abhandlung des badischen Finanzministers Dr. Buchenberger entfallen nun auf den Kopf der Bevölkerung in den letzten Jahren aus den zwei wichtigsten Steuerarten: in Preußen in Bayern 1. an direkten Steuern 6,07 M. 5,90 M. 2. an Zöllen und Verbrauchssteuern 15,28 " 21,06 " --------- -------- zusammen 21,35 M. 26,96 M. Nimmt man für Preußen heute eine Einwohnerzahl von rund 34½ Millionen und für Bayern von 6 Millionen an, so bringen diese beiden Steuerarten ungefähr folgende Summen: in Preußen in Bayern 1. direkte Steuern 210 Mill. M. 36 Mill. M. 2. Zölle und Verbrauchssteuern 530 " " 126 " " ----------------------------- zusammen 740 Mill. M. 162 Mill. M. Nun entfallen auf die große Masse (unter 3000 Mark Einkommen) wie wir sahen, von der Steuer 1 1/3, von Steuer 2 6/7. Demnach gestaltet sich die Steuerverteilung wie folgt: in Preußen in Bayern auf die große Masse (unter 3000 M. Einkommen) 70 + 455 = 525 Mill. 12 + 108 = 120 Mill. auf die Wohlhabenden und Reichen (über 3000 M. Einkommen) 140 + 75 = 215 " 24 + 18 = 42 " ---------- ------------ zusammen 740 Mill. 162 Mill. *Die große Masse trägt demnach in Preußen 5/6, in Bayern ¾ der beiden wichtigsten Steuern*, trotz der Einkommensteuerfreiheit von 65% der Bevölkerung und trotz der zum Teil bedeutenden Leistungen einzelner sehr bemittelter Steuerzahler. *Die Besteuerung der großen Massen ist demnach die wesentlichste, ja die ausschlaggebende Einnahmequelle der Staaten.* Diese große Masse als Gesamtheit ist der größte Steuerzahler. Daß dies auch für die schwerste aller Steuern, den Militärdienst, zutrifft, ist selbstverständlich, da die große Masse, entsprechend ihrer Zahl, auch hierzu 97% der Gesamtlast liefert. Von der großen Masse hängt die militärische Macht des Staates ab. *Die große Masse ist also in allen wichtigen Dingen der ausschlaggebende Faktor im Staate und in der Volkswirtschaft.* Daß aber der Einfluß dieses größten Teils der Bevölkerung, seine Vertretung im Parlament, seine rechtliche Stellung und sein Anteil an den Segnungen der Kultur nicht dieser maßgebenden Stellung und überwiegenden Leistung entspricht, muß jeder rechtlich Denkende zugeben. Wenn aber diese Masse trotzdem heute eine so durchaus überwiegende Leistung aufweist, *wieviel mehr müßte das der Fall sein, wenn man dieselbe durch mehr Anteil an den Segnungen der Kultur geistig und körperlich leistungsfähiger machte*. Je höher das Niveau ist, auf welchem die Masse steht, desto höher ist die Leistung, die Macht und das Ansehen des Landes. Das ist der logische Schluß aus diesem nackten Zahlenmaterial. Anhang 7. =Statistik des Getränke- und Tabakverbrauchs in Deutschland.= Nach den Angaben des Kaiserlich Statistischen Amts (»Die Deutsche Volkswirtschaft am Schlusse des 19. Jahrhunderts«, Berlin 1900) galten für Deutschland folgende Verbrauchszahlen in den Jahren 1897 bis 1899: ==============+=============+==========+===============+=================== Genußmittel | Verbrauch | Einheits-| Verbrauchswert| Gesamtverkaufswert | pro Kopf der| preis | pro Kopf der | für Deutschland | Bevölkerung | | Bevölkerung | bei 60 Mill. | und Jahr | | und Jahr | Einwohner | l | Mark | Mark | Millionen Mark --------------+-------------+----------+---------------+------------------- Bier | 124 | 0,25 | 31,-- | 1860,-- |(Bayern | | | | allein 248) | | (62) | Branntwein | 4,5 | 1,20 | 5,40 | 324,-- | | | | Tabakfabrikate| -- | -- | 6,20 | 372,-- | | | | --------------+-------------+----------+---------------+------------------- | -- | -- | 42,60 | 2556,-- | Bei einer durchschnittlichen Kopfzahl von 3,25 pro Familie ist also die Ausgabe pro Familie für Bier, Branntwein und Tabak M. 138,45 pro Jahr. Für Wein, Schaumwein, Most u. dgl. sind keine zuverlässigen statistischen Angaben vorhanden. Neuere Autoren bezeichnen den Durchschnittsverbrauch pro Kopf und Jahr mit: 13 l Branntwein, 116 l Bier, 6,4 l Wein. Nach neueren Schätzungen (Zeitschrift für Sozialwissenschaft, G. Reimer, Berlin) ist im Jahre 1902 die Jahresausgabe des deutschen Volkes für *Bier allein schon 2½ Milliarden* und für sämtliche Getränke zusammen und Tabak mindestens *3½ Milliarden Mark*. Nach diesen Schätzungen gibt der unverheiratete Arbeiter 14 bis 20%, der verheiratete Arbeiter 7 bis 9% seines Verdienstes für Branntwein und Bier aus. In Großbritannien ist die Ausgabe für alkoholhaltige Getränke allein pro Kopf und Jahr 78 Mark (in England allein 84 Mark) und die Gesamtausgabe der Bevölkerung im Jahre 1898: 3 Milliarden 151 Millionen Mark. Anhang 8. =Statistische Angaben über einige Trusts.= =================================+================+======================= Name der Trusts | Deren Kapital | Der Trust produzierte | in Aktien und | von der | Anleihen im | Gesamtproduktion | Jahre 1901 | des betr. Artikels | | in den Vereinigten | | Staaten | Millionen Mark | % ---------------------------------+--------------- +---------------------- U. S. Steel Corporation (Stahl) | 5188 | 70 Cons. Tobacco Co. (Tabak) | 752 | 70 Standard Oil Co. (Petroleum) | 440 | 82 American Bicycle Co. (Fahrräder) | 160 | 65 U. St. Leather Co. (Leder) | 520 | 50 International Paper Co. (Papier) | 192 | 60 American Thread Co. (Garn) | 600 | 33 National Stark Co. (Stärke) | 25 | 100 Am. Sugar Refining Co. (Zucker) | 300 | 90 Der *gewaltigste Trust der Welt*, der amerikanische Stahltrust, verfügte demnach in 1902 nur über ein Kapital von 5 Milliarden Mark d. i. *ein Drittel* der Spareinlagen der *deutschen Kleinsparer*; die allmächtige Standard Oil Co. besitzt nur ¾ Milliarden Mark, d. i. *ein Siebentel* der Ersparnisse der deutschen Kleinsparer. *Whiskytrust.* Derselbe wurde aus 84 Betrieben gebildet; unter diesen wurden die 12 bestgelegenen und besteingerichteten in vollem Betrieb erhalten, die 72 übrigen zu andern Zwecken verkauft und deren Erlös auf die mustergültige Einrichtung der zwölf ersten Betriebe verwendet. Diese erzeugten so viel Ware wie früher alle 84 Betriebe zusammen und ergaben eine günstige Verzinsung des vollen Kapitalwerts der 84 früheren Fabriken, so daß niemand auch nur einen Pfennig einbüßte. *Zuckertrust.* 40 Zuckerraffinerien mit einem Gesamtkapital von 600 Millionen Mark bekämpften sich so sehr, daß 18 davon innerhalb weniger Jahre verkrachten. Die 22 übriggebliebenen bildeten einen Trust, verfuhren wie der Whiskytrust, indem sie noch eine weitere Reihe von Betrieben gänzlich aufgaben und erzeugten bald mit etwa 1/3 der früheren Fabriken nahezu den ganzen Zuckerbedarf des Landes mit sehr hohen Gewinnen. Anhang 9. =Zusammenstellung der Ergebnisse nachstehender Abrechnungen.= +================+===============+=============================+=========+ | Firma | Verteilbares | Zuwendungen des Bienenstocks|Durch- | | | Erträgnis | |schnitt- | | +-------+-------+-------+-----------+---------+liche | | |bei der|beim |zum |zum Anteil-|für Er- |Höhe der | | |Aktien-|Bienen-|Stipen-|fonds der |gänzungs-|Ergän- | | | | | | | |zungsein-| | |gesell-|stock |dien- |Volkskasse |einkommen|kommen | | |schaft | |fonds | |d. Bienen|pro Biene| | |Mark |Mark |Mark | Mark | Mark |ca. Mark| +----------------+-------+-------+-------+-----------+---------+---------+ |Farbenfabriken | | | | | | | |vorm. Fr. |3171990|2016556| 106135| 1008278 | 1008278 | 440 | |Bayer & Ko., | | | | | | | |Elberfeld 1897 | | | | | | | | | | | | | | | |Chemische Fabrik|1440000| 962996| 50684| 481498 | 481498 | 300 | |Griesheim 1899 | | | | | | | | | | | | | | | |Vereinigte | | | | | | | |Maschinenfabrik | | | | | | | |Augsburg und | | | | | | | |Maschinenbau- |2400000|1479333| 77860| 739666 | 739666 | 80 | |Ges. Nürnberg, | | | | | | | |A.-Ges. 1900 | | | | | | | | | | | | | | | |Bürstenfabrik | | | | | | | |Pensberger | | | | | | | |& Ko. A.-G., | | | | | | | |München 1901 | 108000| 64460| 3389| 32230 | 32230 | 80 | | | | | | | | | | | | | | | | | |Brauerei Binding| | | | | | | |A.-G., Frankfurt| | | | | | | |a. M. 1900/01 | 390000| 282189| 14852| 141094 | 141094 | 550 | | | | | | | | | | | | | | | | | |Badische Anilin-| | | | | | | |und Sodafabrik, | | | | | | | |Ludwigshafen |5040000|4164967| 219208| 2082483 | 2082483 | 330 | |1900 | | | | | | | +----------------+-------+-------+-------+-----------+---------+---------+ Anhang 9. =Vergleich der Jahresabrechnungen verschiedener Aktiengesellschaften mit den Abrechnungen nach Bienenstockvorschriften.= +-------------------------------------+----------------------------------+ | | Farbenfabriken vorm. Friedr. | | | Bayer & Co., Elberfeld. | | | | | | Aktienkapital M. 11000000 | | | Anleihe " 2767000 | | | Gesamtkapital " 13767000 | | | Arbeiterzahl ca. 2000 | | | Beamtenzahl " 300 | | | Gesamtpersonal " 2300 | | | | | | Abrechnung pro 1897. | | | | | | Gewinnvortrag aus | | | 1896: M. 236683 | | | Bruttoeinnahmen " 6040581 | | | Gesamte Brutto- " 6277264 | | | einnahmen | | | | | | Ausgaben. | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | | Nach den veröffent-| Nach Bienen-| | | lichten Konten der | stock- | | | Gesellschaft | vorschriften| +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Generalspesen | 1291938 | 1291938 | | Obligationen, Zinsen | 128744 | -- | | Verluste an zweifelhaften Schuldnern| 64606 | 64606 | | Abschreibungen | 1459986 | 1459986 | | Unterstützungsfonds | 50000 | -- | | Pensionsfonds | -- | -- | | Gratifikationen | 110000 | -- | | Vortrag auf neue Rechnung, | | | | Dispositionsfonds | -- | -- | | Tantiemen | -- | -- | | Rücklagen | -- | 236683 | | Tilgung: 1/50 des Gesamtkapitals | -- | 275340 | | Anleihezinsen: 5% des Gesamtkapitals| -- | 688350 | | Prämie an die Volkskasse 1% des | | | | Gesamtkapitals | -- | 137670 | | Stipendienfonds: 5% des Überschusses| -- | 106135 | | -------------------+--------------------+-------------+ | Summe der Ausgaben | 3105274 | 4260708 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Verteilbare Summe als Differenz | | | | a. d. Brutto- einnahmen und der | | | | Summe der Ausgaben: | 3171990 | 2016556 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Hievon Dividende |18% = M. 1980000[25]| -- | | Hievon zum Anteilfonds der | | | | Volkskasse | -- | 1008278 | | " Ergänzungseinkommen der Bienen | -- | 1008278 | | Ergänzungseinkommen pro Kopf | -- | ca. 440 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ +-------------------------------------+----------------------------------+ | | Chem. Fabrik Griesheim- | | | Elektron, Griesheim. | | | | | | Aktienkapital M. 9000000 | | | Anleihe " 900009 | | | Gesamtkapital " 9900000 | | | Arbeiterzahl 1902 1600 | | | Beamte 120 | | | Gesamtpersonal 1720 | | | | | | Abrechnung pro 1899. | | | | | | Bruttoeinnahmen M. 3799222 | | | | | | | | | | | | | | | | | | Ausgaben. | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | | Nach den veröffent-| Nach Bienen-| | | lichten Konten der | stock- | | | Gesellschaft | vorschriften| +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Generalspesen | 754693 | 754693 | | Obligationen, Zinsen | -- | -- | | Verluste an zweifelhaften Schuldnern| -- | -- | | Abschreibungen | 853768 | 853768 | | Unterstützungsfonds | 26705 | -- | | Pensionsfonds | 25666 | -- | | Gratifikationen | 42000 | -- | | Vortrag auf neue Rechnung, | | | | Dispositionsfonds | 385081 | -- | | Tantiemen | 271309 | -- | | Rücklagen | -- | 385081 | | Tilgung: 1/50 des Gesamtkapitals | -- | 198000 | | Anleihezinsen: 5% des Gesamtkapitals| -- | 495000 | | Prämie an die Volkskasse 1% des | | | | Gesamtkapitals | -- | 99000 | | Stipendienfonds: 5% des Überschusses| -- | 50684 | | -------------------+--------------------+-------------+ | Summe der Ausgaben | 2359222 | 2836226 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Verteilbare Summe als Differenz | | | | a. d. Bruttoeinnahmen und der | | | | Summe der Ausgaben: | 1440000 | 962996 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Hievon Dividende | 16% = M. 1440000 | -- | | Hievon zum Anteilfonds der | | | | Volkskasse | -- | 481498 | | " Ergänzungseinkommen der Bienen | -- | 481498 | | Ergänzungseinkommen pro Kopf | -- | ca. 300 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ +-------------------------------------+----------------------------------+ | | Ver. Maschinenfabr. Augsburg | | | u. Maschinenbauges. Nürnberg, | | | A.-G. Augsburg | | | | | | Aktienkapital M. 10285719,43 | | | Anleihen " 4000000,-- | | | Gesamtkapital " 14285719,43 | | | Arbeiterzahl } | | | Beamte } 9400 | | | | | | Abrechnung pro 1899/1900. | | | | | | Bruttogewinn M. 3569007,81 | | | (hier sind von den Bruttoein- | | | nahmen schon Generalspesen, | | | Zinsen, Tantiemen etc. in Abzug | | | gebracht.) | | | | | | Ausgaben. | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | | Nach den veröffent-| Nach Bienen-| | | lichten Konten der | stock- | | | Gesellschaft | vorschriften| +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Generalspesen | -- | -- | | Obligationen, Zinsen | -- | -- | | Verluste an zweifelhaften Schuldnern| -- | -- | | Abschreibungen | 772193,81 | 772193,81 | | Unterstützungsfonds | } | -- | | Pensionsfonds | } 100000,-- | -- | | Gratifikationen | -- | -- | | Vortrag auf neue Rechnung, | | | | Dispositionsfonds | 200000 | -- | | Tantiemen | -- | -- | | Rücklagen | 96814 | 96814,-- | | Tilgung: 1/50 des Gesamtkapitals | -- | 285700,-- | | Anleihezinsen: 5% des Gesamtkapitals| -- | 714250,-- | | Prämie an die Volkskasse 1% des | | | | Gesamtkapitals | -- | 142857,-- | | Stipendienfonds: 5% des Überschusses| -- | 77860,-- | | -------------------+--------------------+-------------+ | Summe der Ausgaben | 1169007,81 | 2089674,81 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Verteilbare Summe als Differenz | | | | a. d. Bruttoeinnahmen und der | | | | Summe der Ausgaben: | 2400000 | 1479333,-- | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Hievon Dividende | 23-1/3% M. 2400000| -- | | Hievon zum Anteilfonds der | | | | Volkskasse | -- | 739666,-- | | " Ergänzungseinkommen der Bienen | -- | 739666,-- | | Ergänzungseinkommen pro Kopf | -- | ca. 80 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ +-------------------------------------+----------------------------------+ | | Bürstenfabrik Pensberger & Co. | | | A.-G., München | | | | | | Aktienkapital M. 1200000 | | | Anleihe (Hypothek) " 600000 | | | Gesamtkapital " 1800000 | | | Arbeiterzahl 398 | | | Beamtenzahl 16 | | | Gesamtpersonal 414 | | | | | | Abrechnung pro 1901. | | | | | | Gewinnvortrag aus | | | 1900. M. 27379 | | | Bruttogewinn " 412601 | | | Gesamt-Brutto- | | | einnahme " 439980 | | | | | | Ausgaben. | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | | Nach den veröffent-| Nach Bienen-| | | lichten Konten der | stock- | | | Gesellschaft | vorschriften| +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Generalspesen | 183765 | 183765 | | Obligationen, Zinsen | 24943 | -- | | Verluste an zweifelhaften Schuldnern| -- | -- | | Abschreibungen | 17508 | 17508 | | Unterstützungsfonds | 5000 | -- | | Pensionsfonds | 5000 | -- | | Gratifikationen | -- | -- | | Vortrag auf neue Rechnung, | | | | Dispositionsfonds | 26858 | -- | | Tantiemen | 28218 | -- | | Rücklagen | 40688 | 26858 | | Tilgung: 1/50 des Gesamtkapitals | -- | 36000 | | Anleihezinsen: 5% des Gesamtkapitals| -- | 90000 | | Prämie an die Volkskasse 1% des | | | | Gesamtkapitals | -- | 18000 | | Stipendienfonds: 5% des Überschusses| -- | 3389 | | -------------------+--------------------+-------------+ | Summe der Ausgaben | 331980 | 375520 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Verteilbare Summe als Differenz | | | a. d. Bruttoeinnahmen und der | | | | Summe der Ausgaben: | 108000 | 64460 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Hievon Dividende | 9% = M. 108000 | -- | | Hievon zum Anteilfonds der | | | | Volkskasse | -- | 32230 | | " Ergänzungseinkommen der Bienen | -- | 32230 | | Ergänzungseinkommen pro Kopf | -- | ca. 80 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ +-------------------------------------+----------------------------------+ | | Brauerei Binding A.-G., | | | Frankfurt a. M. | | | | | | Aktienkapital M. 3000000 | | | Anleihe " 2000000 | | | Gesamtkapital " 5000000 | | | Arbeiterzahl 1902 230 | | | Beamtenzahl 27 | | | Gesamtpersonal 257 | | | | | | Abrechnung pro 1900/01. | | | | | | Gewinnvortrag aus | | | 1899/1900 M. 53187 | | | Bruttogewinn " 3996906 | | | Gesamt-Brutto- | | | einnahme " 4050093 | | | | | | Ausgaben. | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | | Nach den veröffent-| Nach Bienen-| | | lichten Konten der | stock- | | | Gesellschaft | vorschriften| +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Generalspesen | 3002894 | 3002894 | | Obligationen, Zinsen | -- | -- | | Verluste an zweifelhaften Schuldnern| -- | -- | | Abschreibungen | 282595 | 282595 | | Unterstützungsfonds | -- | -- } | | Pensionsfonds | -- | -- } | | Gratifikationen | -- | -- | | Vortrag auf neue Rechnung, | | | | Dispositionsfonds | 67563 | -- | | Tantiemen | 107041 | -- | | Rücklagen | 200000 | 67563 | | Tilgung: 1/50 des Gesamtkapitals | -- | 100000 | | Anleihezinsen: 5% des Gesamtkapitals| -- | 250000 | | Prämie an die Volkskasse 1% des | | | | Gesamtkapitals | -- | 50000 | | Stipendienfonds: 5% des Überschusses| -- | 14852 | | -------------------+--------------------+-------------+ | Summe der Ausgaben | 3660093 | 3767904 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Verteilbare Summe als Differenz | | | | a. d. Bruttoeinnahmen und der | | | | Summe der Ausgaben: | 390000 | 282189 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Hievon Dividende | 13% = M. 390000 | -- | | Hievon zum Anteilfonds der | | | | Volkskasse | -- | 141094 | | " Ergänzungseinkommen der Bienen | -- | 141094 | | Ergänzungseinkommen pro Kopf | -- | ca. 550 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ +-------------------------------------+----------------------------------+ | | Badische Anilin- und Sodafabrik, | | | Ludwigshafen. | | | | | | Aktienkapital M. 21000000 | | | Arbeiterzahl inkl. Aufseher 6300 | | | | | | Abrechnung pro 1900 | | | | | | Bruttogewinn inkl. Vortrag nach | | | Abzug der Generalspesen etc. | | | aus 1899 M. 10243013 | | | | | | | | | | | | Ausgaben. | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | | Nach den veröffent-| Nach Bienen-| | | lichten Konten der | stock- | | | Gesellschaft | vorschriften| +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Generalspesen | -- | -- | | Obligationen, Zinsen | -- | -- | | Verluste an zweifelhaften Schuldnern| -- | -- | | Abschreibungen | 3522595 | 3522595 | | Unterstützungsfonds | 150000 | -- | | Pensionsfonds | -- | -- | | Gratifikationen | -- | -- | | Vortrag auf neue Rechnung, | | | | Dispositionsfonds | 656243 | -- | | Tantiemen | 874175 | -- | | Rücklagen | -- | 656243 | | Tilgung: 1/50 des Gesamtkapitals | -- | 420000 | | Anleihezinsen: 5% des Gesamtkapitals| -- | 1050000 | | Prämie an die Volkskasse 1% des | | | | Gesamtkapitals | -- | 210000 | | Stipendienfonds: 5% des Überschusses| -- | 219208 | | -------------------+--------------------+-------------+ | Summe der Ausgaben | 5203013 | 6078046 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Verteilbare Summe als Differenz | | | | a. d. Bruttoeinnahmen und der | | | | Summe der Ausgaben: | 5040000 | 4164967 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ | Hievon Dividende | 24% = M. 5040000 | -- | | Hievon zum Anteilfonds der | | | | Volkskasse | -- | 2082483 | | " Ergänzungseinkommen der Bienen | -- | 2082483 | | Ergänzungseinkommen pro Kopf | -- | ca. 330 | +-------------------------------------+--------------------+-------------+ Zweites Buch. Die solidaristischen Verträge. Einleitung. Während das erste Buch das Wesen, die Organisation und die Wirkungen des Solidarismus entwickelte, folgt im zweiten Buch der eigentliche Wortlaut der solidaristischen Verträge selbst. Diese bestehen aus: I. Erklärung des Solidarismus, II. Volksvertrag, III. Arbeitsvertrag der Bienenstöcke. Wie alle Verträge, so sind auch diese nüchtern und trocken und bestehen lediglich aus einer Reihe von Paragraphen mit allgemeinen Vorschriften, ohne jede Erläuterung über Zweck und Wirkung derselben; sie sind die Zusammenfassung alles dessen, was im ersten Buch gesagt wurde, in der Form gegenseitiger Rechte und Pflichten der vertragschließenden Teile; es ist hier kein Kommentar dazu gegeben, da das ganze erste Buch als solcher anzusehen ist und insbesondere dessen Kapitel 2 und 3 eine direkte Wiedergabe dieser Verträge in laufender Sprache sind. Diejenigen, welche an Verträge gewöhnt sind, werden die folgenden breit finden; es sind auch wirklich viele Bestimmungen des Volksvertrags in dem Arbeitsvertrag der Bienenstöcke wörtlich wiederholt; in einzelnen Fällen ist neben die nüchterne Vertragsvorschrift doch noch ein erläuternder Satz über Zweck und Wirkung mit aufgenommen; das geschah absichtlich des leichteren und allgemeineren Verständnisses halber auch für solche, denen diese Dinge nicht geläufig sind. Unter allen Umständen ist die definitive Form der Verträge jeweils den Landesgesetzen anzupassen, welche ja schon innerhalb Deutschlands verschieden, in andern Ländern in manchen Dingen geradezu entgegengesetzt sind. -- Ohne an den allgemeinen Grundlagen zu rütteln, werden also die Verträge in verschiedenen Ländern so manche Variante aufweisen; auch an vorhandene soziale Gesetze sind sie anzupassen, wenn auch niemals damit zu verquicken. Die solidaristischen Verträge müssen innerhalb der durch die Gesetze gezogenen Grenzen sich bewegen, aber immer selbständig sein. I. Erklärung des Solidarismus. Der Solidarismus erklärt innerhalb seiner Wirtschaftsorganisation: Als Grundlage aller seiner Handlungen: das Gleichsetzen des Eigeninteresses mit dem Gesamtinteresse, die Solidarität aller Brüder. Als oberste Pflichten der Brüder: das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit und unverbrüchliche Wahrhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit. Als oberstes Recht der Brüder: das Eintreten der Gesamtheit für den einzelnen. Als unantastbares Gut der Brüder: individuelle Freiheit sowie gleiche Rechte zur Betätigung ihrer Individualität und gleiche Rechte an den sozialen Einrichtungen des Solidarismus, ohne Unterschied des Geschlechts, des Stammes, des Bekenntnisses und der Partei. Als alleinige Instanz für alle Streitfälle der Brüder: die solidaristischen Versöhnungs- und Schiedsämter, welche kein Strafrecht haben. Als Verpflichtung aller solidaristischen Gemeinschaften: die Wiederaufnahme jedes ausgeschiedenen Bruders, welcher seine Brüderpflichten wieder erfüllt. Der Solidarismus erklärt als Ausfluß dieser allgemeinen Gebote für seine besondere Arbeitsorganisation: Als Zweck der Arbeit: die volle Befriedigung aller berechtigten physischen, intellektuellen und moralischen Existenzbedürfnisse der arbeitenden und ihrer noch nicht oder nicht mehr arbeitsfähigen Angehörigen sowie deren Schutz gegen die Folgen der natürlichen Ungleichheiten und sozialen Schädlichkeiten von der Geburt bis zum Tode. Als natürliches Gesetz der Arbeit: die Erreichung der höchsten Leistung für die Gesamtheit mit geringstem Aufwande. Als natürlichen Preis des Arbeitsprodukts denjenigen, welcher sich aus der vollen Erfüllung des Arbeitszwecks ergibt. Als Eigentümer des Erlöses aus dem Arbeitsprodukt: diejenigen, die es geschaffen und in den Verkehr gebracht haben. Die Entlohnung für die Arbeit proportional der Leistung für die Gesamtheit. Das Recht auf Arbeit für alle in seine Betriebe aufgenommenen Brüder, welche ihre solidaristische Pflicht erfüllen. II. Volksvertrag. 1. Teil. Grundlage und Zweck des Volksvertrags. § 1. Grundlagen. Auf der Grundlage des Solidarismus wird gegenwärtiger Vertrag unter denjenigen Personen, welche demselben freiwillig beitreten, geschlossen. Diese Personen werden im einzelnen je nach ihrem Geschlecht Bruder oder Schwester, in ihrer Gesamtheit aber ohne Unterscheidung Brüder genannt. Die Dauer dieses Vertrags ist nicht beschränkt. § 2. Zweck. Die Brüder errichten unter sich die Deutsche Volkskasse, deren Tätigkeitsgebiet das Deutsche Reich und deren Sitz X ist. Dieselbe ist eine der behördlichen Aufsicht unterstellte Sparkasse, welche unter Ausschluß der Erzielung eines Gewinns folgenden gemeinnützigen Zwecken dient: 1. Unter ihren Brüdern die Errichtung von Bienenstöcken zu veranlassen, zu unterstützen und zu fördern und möglichst zahlreiche Brüder zu Bienen, d. h. zu Mitgliedern von Bienenstöcken, zu machen. Bienenstöcke sind Betriebe, welche unter Ausschluß der Erzielung eines Gewinns folgende Zwecke haben: ~a.~ Ihre gesamten Erträgnisse den Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit auszuzahlen und durch richtige Organisation der Arbeit und der Güterverteilung die Einnahmen der Bienen zu erhöhen, deren Ausgaben zu vermindern und ihre materiellen Bedürfnisse vollständig und in möglichst vollkommener Weise zu befriedigen. ~b.~ Durch soziale Einrichtungen auch für die Befriedigung der körperlichen, geistigen und sittlichen Bedürfnisse der Bienen und ihrer Angehörigen, wozu auch ein ausreichendes Maß von Lebensannehmlichkeit gehört, möglichst vollständig zu sorgen. ~c.~ Durch vorsorgliche Maßnahmen die Bienen und ihre Angehörigen von der Geburt bis zum Tode vor den Folgen der natürlichen Ungleichheiten (Gesundheit, physische und geistige Fähigkeiten, Lebensdauer) und sozialen Schädlichkeiten (Unfälle, Arbeitslosigkeit) zu schützen. ~d.~ Nicht zum Bienenstock gehörende Brüder in möglichst großem Umfang in den Mitgenuß der aufgezählten Vorteile zu setzen. 2. Unter allen Umständen für das Kapital und den Zins der Anleihen zu haften, welche die Bienenstöcke mit Ermächtigung der Volkskasse aufnehmen. 3. Für die, zwischen den Bienenstöcken und ihren Bienen vereinbarten Normaleinkommen sowie für die Krankheits- und Unfallszuschüsse, zu welchen auch die Anteile für Invalidität infolge von Unfällen im Dienste rechnen, unter allen Umständen, ausgenommen bei Arbeits-Einstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiken, zu haften, auch wenn die Erträgnisse des betreffenden Bienenstocks hierzu nicht ausreichen. 4. Die Auslagen der Bienenstöcke für die den Bienen vom vollendeten 65. Lebensjahre (Seniorenalter) an ausbezahlten Seniorenanteile sowie für Invaliden-, Witwen- und Waisenanteile und für die Erziehung von Doppelwaisen zu ersetzen und zwar aus einem für alle Bienenstöcke gemeinsamen Anteilfonds, welcher aus den Erträgnissen der Bienenstöcke erhalten wird. 5. Denjenigen Brüdern, welche noch nicht Bienen sind, folgende Rechte zu verleihen, soweit die Verhältnisse es jeweils gestatten: ~a.~ in den Bienenstöcken Bienen zu werden; ~b.~ von den Bienenstöcken Waren und Leistungen zu Bienenpreisen zu erhalten. Bienenpreis einer Ware ist derjenige Preis, welcher entsteht aus der Verteilung der gesamten Betriebskosten des Bienenstocks auf die Arbeitsprodukte desselben, also der wirkliche Selbstkostenpreis. ~c.~ Lieferungen und Arbeiten für Bienenstöcke auszuführen; ~d.~ überhaupt alle Rechte und Vorteile, welche durch das Bestehen des Volksvertrags und der Bienenstöcke vorhanden sind oder sein werden. 6. Gelder und Ersparnisse der Brüder und Bienenstöcke in einem besonderen Sparkassenfonds zu verwalten und denselben den vollen, abzüglich der Spesen sich daraus ergebenden Zinsertrag auszuzahlen. 7. Etwaige über ihre Verpflichtungen hinausgehende Kapitalien zu sonstigen gemeinnützigen Zwecken für die Brüder und Bienenstöcke, zur Hebung ihrer wirtschaftlichen Wohlfahrt und Unabhängigkeit und zur Pflege der Künste und Wissenschaften zugunsten der Allgemeinheit zu verwenden. 2. Teil. Finanzen der Volkskasse. § 3. Vermögen der Volkskasse. Dasselbe besteht aus: ~a.~ dem Stammfonds; ~b.~ dem Anteilfonds; ~c.~ dem Eigentumsrecht an sämtlichen zur Errichtung gelangenden Bienenstöcken. § 4. Stammfonds. Dessen Einnahmen bestehen aus: ~a.~ den Beiträgen der Brüder (§ 26); ~b.~ den für Kapitalhaftungen von den Bienenstöcken bezahlten Prämien (§ 35 ~b~); ~c.~ den Antragsgebühren bei Errichtung neuer Bienenstöcke (§ 32) und andern aus den geschäftlichen Abwicklungen entstehenden Einnahmen; ~d.~ zufälligen Einnahmen, Stiftungen u. dgl.; ~e.~ den Erträgnissen der mit den Geldern des Stammfonds gemachten Kapitalanlagen. Die Ausgaben des Stammfonds bestehen aus den ihn betreffenden Verwaltungskosten und aus sämtlichen für die Zwecke des § 2, mit Ausnahme von Ziffer 4 und 6, entstehenden Ausgaben, sowie aus zufälligen Verlusten. Die Haftungsverpflichtungen der Volkskasse dürfen nur so hoch sein, daß sie durch den Stammfonds eine hinreichend gesicherte Deckung finden. Weist der Stammfonds dauernde, beträchtliche Überschüsse über den Wert solcher Verpflichtungen auf, so sollen dieselben zu solchen gemeinnützigen Zwecken verwendet werden, welche allen Brüdern zugute kommen. Entsprechend den rein wirtschaftlichen Zwecken der Volkskasse dürfen hierbei niemals gesonderte konfessionelle oder politische Interessen unterstützt werden. § 5. Anteilfonds. Dessen Einnahmen bestehen aus den im Arbeitsvertrag der Bienenstöcke (§ 35) festgestellten Beiträgen der Bienenstöcke, aus den Erträgnissen der mit denselben gemachten Kapitalanlagen und aus solchen zufälligen Einnahmen, welche ausdrücklich diesem Fonds entstammen oder dafür bestimmt sind. Dessen Ausgaben bestehen aus den ihn betreffenden Verwaltungskosten und aus den nach § 2 Ziff. 4 entspringenden Ausgaben für Anteile und Erziehung. Weist der Anteilfonds in einem Jahre ein Defizit auf, so werden vom darauffolgenden Jahre ab die Anteilsätze für alle Berechtigten in allen Bienenstöcken gleichmäßig prozentual herabgesetzt, so lange, bis das Defizit ausgeglichen ist. Weist der Anteilfonds dauernde und beträchtliche Überschüsse auf, so sollen dieselben verwendet werden: in erster Linie zur langsamen, gleichmäßigen Herabsetzung des Seniorenalters (§ 2 Ziff. 4), in zweiter Linie für solche gemeinnützige Zwecke, welche allen Bienenstöcken bzw. Bienen gleichmäßig zugute kommen, jedoch niemals zur Unterstützung gesonderter konfessioneller oder politischer Interessen. § 6. Eigentumsrecht an den Bienenstöcken. Die Volkskasse behält unter allen Umständen das Eigentumsrecht an allen zur Errichtung gelangenden Bienenstöcken; während die jeweils in demselben angestellten Bienen das Nutzungsrecht haben und zwar unter den Bedingungen eines besonderen Vertrags, welcher Arbeitsvertrag der Bienenstöcke heißt und einen integrierenden Bestandteil des Volksvertrags bildet. § 7. Sparkassenfonds. Neben dem Fonds ihres eigenen Vermögens verwaltet die Volkskasse in einem besonderen Sparkassenfonds die ihr zu diesem Zwecke übergebenen Gelder und Ersparnisse der Brüder und Bienenstöcke. Die aus dieser Verwaltung resultierenden Erträgnisse werden den Einlegern -- abzüglich der Spesen -- in voller Höhe als Zinsen ausbezahlt. Die Einleger können ihre Einlagen unter den durch besonderes Statut festgesetzten Bedingungen aus diesem Fonds entnehmen. Für die Verbindlichkeiten des Sparkassenfonds haftet die Volkskasse. § 8. Gewinne der Volkskasse. Der Betrieb der Volkskasse geschieht nicht zum Erwerb. Das Vermögen derselben dient ausschließlich gemeinnützigen Zwecken. Die Erzielung von Gewinnen oder Überschüssen ist daher ausgeschlossen. Dagegen sollen alle Geschäftsspesen grundsätzlich nicht von der Volkskasse, sondern von denjenigen getragen werden, welche jeweils daraus Nutzen ziehen. Es geschieht das bei den Anteil- und Sparkassenfonds dadurch, daß die aufgelaufenen Spesen dem Fonds verrechnet werden, beim Stammfonds dadurch, daß die Spesen den einzelnen verrechnet werden, wie z. B. in Form von Antragsgebühren bei Errichtung neuer Bienenstöcke (§ 32) oder in Form einer kleinen Bezahlung für jeden neuen Brüderschein (§ 28) usw. § 9. Jahresabrechnung. Die Abschlußrechnung aller Fonds für jedes Kalenderjahr wird von der Regierungskommission geprüft und bei Richtigbefund bestätigt. Sie wird in den zu diesem Zwecke bestimmten Blättern veröffentlicht. 3. Teil. Verwaltung und Leitung der Volkskasse. ~A.~ Volksrat. § 10. Bestellung des Volksrats. Die Verwaltung der Volkskasse geschieht durch den Volksrat, welcher durch diejenigen Brüder, die das 25. Jahr vollendet haben, auf Grund einer besonderen Wahlordnung[26] aus dem Kreise der mindestens 30 Jahre alten Bienen durch allgemeine, direkte Wahlen auf je 5 Kalenderjahre gewählt wird. Die Zahl der Volksräte beträgt einen für jede volle halbe Million Brüder, mindestens aber 9. § 11. Kompetenzen des Volksrats. Der Volksrat ist Vertreter und Bevollmächtigter der Gesamtheit der Brüder und an keine Instruktionen gebunden. Er prüft die Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet darüber. Er bestimmt selbst seine Geschäftsordnung. Der Volksrat entscheidet über alle die Auslegung und Ausführung des Volksvertrags und die Verwaltung der Volkskasse betreffenden Angelegenheiten und die bestmögliche Verwertung und Anlage des Vermögens der letzteren. Er wählt den Präsidenten und den Vizepräsidenten der Volkskasse mit absoluter Stimmenmehrheit der vertragsmäßigen Anzahl Volksräte und verpflichtet dieselben auf den Volksvertrag. Er erwählt aus dem Kreise der Brüder und Bienen folgende Beamte der Volkskasse und bestimmt deren Einkommen, deren Geschäftsordnungen und Dienstanweisungen: ~a.~ Die Direktoren der Volkskasse und unter diesen den vorsitzenden Direktor und dessen Stellvertreter (§ 20); ~b.~ die Delegierten der Volkskasse (§ 23); ~c.~ alle sonstigen Beamten, soweit er nicht dem Präsidenten der Volkskasse Vollmacht gibt, dieselben selbständig zu ernennen. Der Volksrat beschließt entweder aus eigener Initiative oder auf Antrag des Direktoriums oder auf Antrag der Brüder über die Errichtung von Bienenstöcken und die Ernennung von deren Vorständen. Er prüft die Arbeitsordnungen der Bienenstöcke daraufhin, ob sie nichts den Grundsätzen des Solidarismus, dem Volksvertrag und dem Arbeitsvertrag der Bienenstöcke Zuwiderlaufendes enthalten und beschließt über deren Genehmigung. Er hat das Recht, Beschlüsse von Bienenstöcken, welche den Grundsätzen des Solidarismus, dem Volksvertrag oder dem Arbeitsvertrag der Bienenstöcke zuwiderlaufen, aufzuheben. Der Volksrat entscheidet in Zweifelsfällen über die Höhe der Bienenpreise, d. i. der Produktionspreise, im Sinne des Solidarismus. Der Volksrat hat das Recht einen Bienenstock aufzulösen wenn während zweier aufeinanderfolgenden Geschäftsjahre desselben die Deckungen für Fehlbeträge aus dem Stammfonds (§ 4) der Volkskasse zwei Zehntel des noch nicht zurückgezahlten Anleihekapitals überschreiten, oder wenn ein Bienenstock Bestimmungen des Volksvertrags oder des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke nicht anerkennt, oder durch Streiks und Gewaltmittel sich Sondervorteile zu verschaffen sucht. Der Volksrat entscheidet über Anträge, welche seine eigenen Mitglieder, der Präsident, das Direktorium, die Bienenstöcke und die Brüder an ihn richten. Der Volksrat entscheidet in erster und letzter Instanz durch Schiedsspruch, unter Ausschluß der Gerichte, auf Antrag des einen Teils, über Differenzen der Brüder, Bienen oder Bienenstöcke mit dem Direktorium, den Delegierten oder den Beamten der Volkskasse, sowie über Differenzen der Bienenstöcke unter sich, letzteres aber erst nachdem die Angelegenheit dem Vorstandsausschuß eines unparteiischen von der Volkskasse zu ernennenden Bienenstocks zur Vermittlung vorgelegt wurde und diese Vermittlung mißlang. Die Schiedssprüche des Volksrats sind kostenfrei und beziehen sich nur auf Begründung des Rechts und Unrechts sowie auf Bestimmung der Höhe des vom Unterliegenden dem Obsiegenden etwa zugefügten und diesem zu bezahlenden Schadens. Er kann keine Strafen verfügen. Der Volksrat entscheidet alle Auslegungsfragen des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke und hat die Initiative und Entscheidung über Änderungen desselben, letzteres jedoch niemals mit rückwirkender Kraft. Der Volksrat beschließt über den Abschluß von Verträgen mit andern Volkskassen. § 12. Sitzungsordnung des Volksrats. Der Volksrat versammelt sich zu seinen ordentlichen Tagungen am ersten Werktage des Februar, Juni und Oktober jeden Jahres und bleibt solange in Tagung, bis alle vorliegenden Geschäfte erledigt sind. Ein Volksrat, welcher in einer Tagung mehr als dreimal ohne triftigen Entschuldigungsgrund den Sitzungen fernbleibt, gilt als Demissionär. In der ersten Sitzung eines jeden Kalenderjahres erwählt der Volksrat seinen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter mit einfacher Stimmenmehrheit. Diese Posten dürfen nicht in zwei aufeinanderfolgenden Jahren von Vertretern derselben Industriegruppen besetzt sein. In der Junitagung findet die Prüfung der vom Präsidenten vorgelegten Jahresrechnung der Volkskasse für das verflossene Kalenderjahr und die Vorlage an die Regierungskommission zur Prüfung und Bestätigung statt. In der Oktobertagung wird das Budget für das folgende Kalenderjahr aufgestellt. In der letzten Sitzung der Oktobertagung des letzten Jahres der fünfjährigen Wahlperiode findet die Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten der Volkskasse aus dem Kreise der Mitglieder des Volksrates für die nächste Wahlperiode statt. Außerordentliche Tagungen des Volksrates werden durch den Präsidenten der Volkskasse einberufen. Sie dürfen nur die bei der Einberufung angekündigte Tagesordnung beraten. Der Volksrat hat das Recht, die Öffentlichkeit seiner Sitzungen für die Brüder zu beschließen. Alle Schiedsspruchsitzungen sind von Rechtswegen öffentlich für die Brüder. § 13. Abstimmungsordnung des Volksrats. Der Volksrat kann seine Geschäfte im Plenum oder in Ausschüssen behandeln. Beschlüsse finden jedoch nur im Plenum statt. Zu gültigen Beschlüssen ist die Anwesenheit von mindestens ¾ der vertragsmäßigen Anzahl Volksräte erforderlich, wobei Bruchteile unter ½ nicht, ½ und darüber für voll gerechnet werden.[27] Vor jeder Abstimmung über einen Antrag hat der Vorsitzende die Vorfrage zu stellen, ob derselbe der Erklärung des Solidarismus entspricht. Erst nach Bejahung dieser Vorfrage mit mindestens ¾ Majorität der anwesenden Volksräte findet die Abstimmung über den Gegenstand selbst nach einfacher Stimmenmehrheit statt. Der Vorsitzende übt das Stimmrecht mit aus. Bei Stimmengleichheit entscheidet seine Stimme. Die Beschlüsse des Volksrates werden unter Angabe der Namen und der Abstimmung der einzelnen Mitglieder in den hierzu bestimmten Blättern veröffentlicht. Abstimmungen bei Wahlen und zur Bestellung von Beamten sind geheim. § 14. Abänderung des Volksvertrags. Der Volksrat entscheidet in eigener Initiative oder auf Antrag des Präsidenten der Volkskasse, ob Änderungen des Volksvertrags erforderlich erscheinen. Wenn dieses der Fall ist, so muß die Änderung in zwei aufeinanderfolgenden Tagungen mit mindestens ¾ Majorität der vertragsmäßigen Anzahl Volksräte beschlossen werden um gültig zu sein. Solche Änderungen haben niemals rückwirkende Kraft. § 15. Bezüge der Volksräte. Die Volksräte erhalten von der Volkskasse Ersatz ihrer Reisespesen und ein Einkommen von X Mark für jeden Tag, an welchem sie Sitzungen beigewohnt haben. Sie bleiben im vollen Bezuge ihrer Einkommen und Rechte bei demjenigen Bienenstock, in welchem sie zur Zeit der Wahl zum Volksrat Bienen sind. Sie dürfen weder Orden noch Titel annehmen. ~B.~ Präsident der Volkskasse. § 16. Bestellung des Präsidenten. Der Präsident und der Vizepräsident der Volkskasse werden durch den Volksrat aus dem Kreise seiner Mitglieder durch absolute Stimmenmehrheit der vertragsmäßigen Anzahl Volksräte gewählt (§ 11). Sie müssen geborene Deutsche sein und zur Zeit der Wahl mindestens 10 Jahre lang ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt haben. Im Falle der Vakanz des Präsidentensitzes durch den Tod oder andere Ursachen wird derselbe sofort vom Vizepräsidenten eingenommen. Der Präsident hat seinen Wohnsitz am Sitz der Volkskasse. § 17. Kompetenzen des Präsidenten. Der Präsident ist der höchste Beamte der Volkskasse, der ständige Bevollmächtigte des Volksrats und der Vermittler zwischen diesem und dem Direktorium der Volkskasse. Er ist der oberste Hüter des Solidarismus und des Volksvertrags. Er eröffnet und schließt die Tagungen des Volksrats. Er fertigt die Beschlüsse des Volksrats aus, verkündigt sie und überwacht deren Ausführung. Er ernennt und entläßt in Vollzug der Beschlüsse des Volksrats die Beamten der Volkskasse, verpflichtet sie auf den Volksvertrag, schließt mit ihnen die Dienstverträge und überwacht deren Befolgung. Er schließt im Namen der Volkskasse Verträge auf Grund der Beschlüsse des Volksrats. Der Präsident beruft aus eigener Initiative oder auf Antrag des Direktoriums der Volkskasse den Volksrat zu außerordentlichen Tagungen unter Angabe der Tagesordnung. Er muß ihn einberufen auf Antrag von mindestens 1/3 der vertragsmäßigen Anzahl Volksräte. § 18. Geschäftsordnung des Präsidenten. Die Verfügungen des Präsidenten geschehen im Namen des Volksrats und bedürfen der Gegenzeichnung eines Mitglieds des Direktoriums der Volkskasse, welches dafür die Verantwortung übernimmt. Der Präsident kann keine seiner Rechte übertragen. Im Namen des Präsidenten werden eigene Anträge und Vorlagen desselben oder solche der Direktion vor den Volksrat gebracht und hier von hierzu ernannten Mitgliedern des Direktoriums vertreten. Der Präsident erstattet dem Volksrat alljährlich in der Eröffnungssitzung der Junitagung einen Bericht über die Lage und Verhältnisse der Volkskasse nebst Rechnungsabschluß für das voraufgegangene Jahr und legt demselben in der Eröffnungssitzung der Oktobertagung das Budget für das folgende Jahr vor. § 19. Einkommen des Präsidenten. Der Präsident bezieht von der Volkskasse ein jährliches Einkommen von X Mark. Dessen Auslagen in Ausübung seines Amtes werden von der Volkskasse vergütet. ~C.~ Direktorium der Volkskasse. § 20. Bestellung des Direktoriums. Die Leitung der Geschäfte der Volkskasse geschieht durch das Direktorium, welches aus einer durch den Volksrat zu bestimmenden Anzahl und von diesem zu erwählenden Direktoren besteht (§ 11). Der Vorsitzende des Direktoriums wird von dem Volksrate erwählt. Ein Direktoriumsmitglied kann nicht gleichzeitig Volksrat sein. Die Direktoren haben ihren Wohnsitz am Sitz der Volkskasse. § 21. Kompetenzen des Direktoriums. Das Direktorium führt die Beschlüsse des Volksrats aus und leitet die Geschäfte der Volkskasse nach Maßgabe des Volksvertrags und seines Dienstvertrags. Das Direktorium ist der gesetzliche Vertreter der Volkskasse nach außen. Das Direktorium bearbeitet eigene Anträge oder die Anträge der Brüder auf Errichtung von Bienenstöcken und legt dieselben mit seinen Gutachten und Vorschlägen über die zu ernennenden Vorstände und Stellvertreter derselben dem Volksrate zur Beschlußfassung vor. Es ernennt die vom Volksrate erwählten Beamten der Bienenstöcke, verpflichtet dieselben auf den Volksvertrag und den Arbeitsvertrag der Bienenstöcke und schließt mit ihnen die Errichtungsurkunden und Dienstverträge ab. Es legt dem Volksrate seine Vorschläge und Gutachten über die in den Bienenstöcken anzustellende Anzahl von Bienen der verschiedenen Kategorien und die Höhe ihrer Normaleinkommen zur Genehmigung vor. Es macht dem Volksrate laufende Berichte über alle wesentlichen Vorkommnisse bei den Bienenstöcken und im Kreise der Brüder, sowie über alle wichtigen Angelegenheiten der Volkskasse. Es bringt die zu ernennenden Delegierten der Volkskasse und alle sonstigen für die Erledigung der Geschäfte erforderlichen Beamten der Volkskasse in Vorschlag. Die Mitglieder des Direktoriums haben die Anträge des Präsidenten vor dem Volksrate zu vertreten und auf Wunsch des Volksrates dessen Sitzungen beratend beizuwohnen. Sie haben das Recht, den Sitzungen des Volksrats beizuwohnen und müssen auf Wunsch dort gehört werden. Das Direktorium vertritt die Volkskasse in allen Rechtsstreitigkeiten. § 22. Geschäftsordnung des Direktoriums. Zur Gültigkeit der im Namen des Direktoriums der Volkskasse erfolgenden Ausfertigungen ist die Unterschrift zweier Direktoren erforderlich. Das Direktorium hat alljährlich bis Ende April dem Präsidenten die Jahresabrechnung der Volkskasse für das verflossene Kalenderjahr und bis Ende August das Budget für das nächstfolgende Kalenderjahr vorzulegen. Die Mitglieder des Direktoriums sind solidarisch verantwortlich für die richtige Ausführung der Beschlüsse des Volksrats und einzeln verantwortlich für ihre persönlichen Handlungen. Das Direktorium hat die Verpflichtung, in seine sämtlichen Verträge, Vereinbarungen, Abmachungen etc. über Käufe, Verkäufe, Lieferungen etc. folgende, einen integrierenden Bestandteil derselben bildende Bestimmung aufzunehmen: »Die Volkskasse hat das Recht, diesen Vertrag (Vereinbarung etc.) aufzuheben, wenn sich herausstellt, daß derselbe durch Versprechung von Provisionen, Geschenken oder irgend welchen Sondervorteilen auf Kosten der Gesamtheit beeinflußt wurde, auch wenn die Ausführung des Versprechens nicht erfolgte.« ~D.~ Die Delegierten der Volkskasse. § 23. Bestellung der Delegierten. Die Vertretung der Volkskasse in den einzelnen Bezirken des Landes und bei den einzelnen Bienenstöcken geschieht durch die Delegierten, welche auf Vorschlag des Direktoriums vom Volksrate erwählt und durch den Präsidenten ernannt werden. Ihr Wohnsitz wird von dem Direktorium bestimmt. § 24. Kompetenzen der Delegierten. Die Delegierten sind die ständigen Bevollmächtigten der Volkskasse in den einzelnen Bezirken des Landes und bei den einzelnen ihnen zugewiesenen Bienenstöcken, sowie die Vermittler zwischen den Brüdern und Bienenstöcken einerseits und dem Direktorium der Volkskasse anderseits. Sie besorgen die Bezirksgeschäfte der Volkskasse und die Vertretung der letzteren bei den Bienenstöcken nach Maßgabe des Volksvertrags und der ihnen erteilten Dienstanweisungen. Sie haben über die Begebenheiten ihres Bezirks und ihrer Bienenstöcke laufend an das Direktorium der Volkskasse zu berichten. Sie haben den Sitzungen des Vorstandsausschusses ihrer Bienenstöcke nach Bedarf beizuwohnen. In diesen Sitzungen haben sie beratende Stimme und das Recht, Anträge zu stellen, sowie gegen ihnen unberechtigt erscheinende Beschlüsse ein Veto einzulegen und deren nochmalige Beratung in einer späteren Sitzung zu verlangen. Sie haben das Recht und die Pflicht, in die Bücher und Akten ihrer Bienenstöcke Einsicht zu nehmen, sämtliche Betriebe und Einrichtungen zu sehen und vom Vorstände jede Auskunft zu verlangen. Sie nehmen die Anträge der Brüder aus ihren Bezirken auf Errichtung neuer Bienenstöcke entgegen und übermitteln dieselben mit ihren Gutachten an das Direktorium der Volkskasse. Solche Geschäfte, welche sie nicht verfassungsmäßig persönlich zu erledigen haben, können sie in Übereinstimmung mit der Volkskasse durch Ortsvertreter besorgen lassen. Die Delegierten haben in allen Lagen das Interesse der Gesamtheit der Brüder gegen etwaige Sonderinteressen zu wahren. Sie haben zu bestimmten Tagen und Stunden die sich meldenden Brüder und Bienen persönlich zu empfangen, deren Wünsche, Anträge und Beschwerden anzuhören und zu prüfen, und denselben die geeignete Folge zu geben. Bei Differenzen zwischen den Bienenstöcken und Brüdern oder fremden Bienen müssen die Delegierten zunächst zu vermitteln suchen, haben aber, falls die Vermittlung mißlingt, die Entscheidung darüber durch Schiedsspruch in erster und letzter Instanz. ~E.~ Allgemeine Bestimmungen für alle Beamten der Volkskasse. § 25. Die Beamten der Deutschen Volkskasse können Männer oder Frauen sein. Sie müssen Deutsche sein. Sie dürfen keinerlei andere berufliche Beschäftigung haben und von keiner andern Seite Gehälter beziehen, auch nicht von Bienenstöcken. Sie stehen zur Volkskasse in demselben Verhältnis wie die Bienen zu ihrem Bienenstock, müssen also die für Bienen vorgeschriebenen Bedingungen erfüllen. Sie haben der Volkskasse gegenüber Bienenpflichten und Bienenrechte. Da die Volkskasse nicht dem Erwerb dient, so kann dieselbe nicht die Normaleinkommen ihrer Beamten entsprechend den Jahreserträgnissen ergänzen, wie das in den Bienenstöcken stattfindet. Die Beamten werden jedoch hierfür durch höhere Normaleinkommen entschädigt. Sie dürfen keine Titel und Orden annehmen. Die Beamten der Volkskasse sind verpflichtet, den geschäftlichen Verkehr in Volkskassen- und Bienenstockangelegenheiten in den einfachsten Formen unter Weglassung von Titulaturen und nicht sachlichen Formeln und Formalitäten durchzuführen.[28] 4. Teil. Pflichten und Rechte der Brüder. § 26. Pflichten der Brüder. Die allgemeinsten und vornehmsten Pflichten der Brüder sind das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit im Sinne des Solidarismus, unantastbare Ehrenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit. Im besonderen haben die Brüder folgende Pflichten: 1. Zahlung regelmäßiger Beiträge an die Volkskasse, Brüderbeiträge, durch monatliches Einkleben einer entsprechenden, von der Volkskasse auszugebenden Wertmarke in eine hierzu bestimmte Karte, welche Brüderschein heißt. Diese Karte wird gegen eine kleine Vergütung für die Kosten von der Volkskasse geliefert. 2. Beziehen ihrer Lebensbedürfnisse und sonstiger Leistungen aus Bienenstöcken, soweit dieselben hierzu ausreichen. 3. Anerkennung des Volksvertrags. 4. Streitigkeiten in Sachen des Volksvertrags den Organen der Volkskasse unter Ausschluß der Gerichte vorzulegen und sich deren Schiedsspruch zu unterwerfen. 5. Alle Handlungen zu unterlassen, welche der Volkskasse, den Bienenstöcken, den Brüdern oder Bienen Nachteile bringen, und beizutragen mit voller Kraft und ganzem Können zur Förderung der Interessen und Zwecke der Volkskasse. 6. Auf Wunsch der Volkskasse kostenlose Übernahme kleiner Ämter, welche zur Pflege des Solidarismus oder im Interesse der Organisation der Volkskasse, der Bienenstöcke oder gemeinnütziger Zwecke notwendig erscheinen, soferne sie dadurch ihren Berufspflichten nicht entzogen werden. 7. Keinerlei Provisionen, Geschenke oder Sondervorteile für ihre Mitwirkung in den Angelegenheiten der Volkskasse und Bienenstöcke anzunehmen oder zu geben. § 27. Die Brüderbeiträge. Brüder sind an einem bestimmten Zeitpunkte alle über 17 Jahre alten Personen, welche ihren Brüderbeitrag für die letztverflossenen 12 Kalendermonate ohne Einziehung des Brüderscheins (§ 30) geleistet haben. Der Brüderbeitrag beträgt monatlich 1 Mark, darf jedoch für Brüder mit Jahreseinkommen unter 1500 Mark auf den Mindestbeitrag von 50 Pfennig pro Monat reduziert werden. Brüder mit Jahreseinkommen über 3000 Mark mögen selbst ihren Beitrag entsprechend erhöhen. Da die Brüder die Pflicht der Ehrenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit übernommen haben, so unterliegt die Höhe der Brüderbeiträge keiner Kontrolle und wird nur geprüft, wenn die betreffenden Brüder es verlangen (z. B. bei Gelegenheit von Anträgen zur Errichtung von Bienenstöcken oder zur Anstellung als Bienen etc.) Geleistete Brüderbeiträge werden niemals zurückvergütet. § 28. Brüderschein. Brüderakten. Bei jeder Ausübung eines Brüderrechts (§ 29) ist der Brüderschein als Legitimation vorzulegen, wobei die jeweils noch nicht entwerteten Marken entwertet werden. Der Brüderschein ist persönlich und darf unter keinen Umständen abgetreten werden. Er enthält 12 Felder für Volkskassenmarken und muß jeweils nach Ausfüllung derselben dem zunächst wohnenden Delegierten zum Umtausch gegen einen neuen Brüderschein übergeben werden. Letzteres kann auch durch die Ortsvertreter oder durch Vermittlung eines Bienenstocks, auch durch die Post unter Vergütung der Spesen geschehen. Jeder neue Schein wird mit dem Stempel der Ausgabestelle, des Ausgabemonats und einer laufenden Nummer versehen.[29] Der Delegierte legt für die betreffenden Brüder je einen Brüderakt an, in welchem die Personalien, alle geleisteten Beiträge und erworbenen Rechte, sowie die Unterbrechungen der Beitragsleistungen und etwaige Einziehungen des betreffenden Brüderscheins und deren Gründe eingetragen werden. Bemerkungen über das politische oder religiöse Bekenntnis der Brüder dürfen diese Akten nicht enthalten. Auf Grund der Brüderakten werden verlorene, ganz ausgefüllte und schadhaft gewordene Brüderscheine gegen neue umgetauscht. Jeder neu ausgegebene Brüderschein enthält einen vollständigen Auszug aus dem betreffenden Brüderakt mit Ausnahme der Gründe für etwaige Einziehungen. Beim Wechsel des Wohnsitzes eines Bruders wird dessen Brüderakt dem Delegierten seines neuen Wohnsitzes übergeben. § 29. Rechte der Brüder. Das allgemeinste und vornehmste Recht der Brüder ist das Eintreten der Gesamtheit für jeden einzelnen im Sinne des Solidarismus. Im besonderen haben die Brüder folgende Rechte: 1. Die Volksräte auf Grund der Wahlordnung zu wählen (§ 10); 2. Neue Bienenstöcke auf Grund des Volksvertrags und des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke zu errichten, soweit der Stammfonds der Volkskasse jeweils für die entsprechenden Haftungen ausreicht. 3. In vorhandenen Bienenstöcken, soweit die Verhältnisse es jeweils gestatten, als Bienen angestellt zu werden (wenn sie ihren Brüderbeitrag mindestens 60 Monate ohne Einziehung des Brüderscheines geleistet haben und die sonstigen im Arbeitsvertrag der Bienenstöcke genannten Bedingungen hierzu erfüllen) und damit in den Genuß aller den Bienen durch diesen Arbeitsvertrag erwachsenden Vorteile zu treten. 4. Von den Bienenstöcken Waren und Leistungen für ihren eigenen Bedarf und denjenigen ihrer unter 17 Jahre alten Angehörigen zu Bienenpreisen gegen Barzahlung zu erhalten, soweit die vorhandenen Bienenstöcke solche zu liefern imstande sind, und zwar in der Reihenfolge der Anmeldungen. 5. Lieferungen und Leistungen für Bienenstöcke auszuführen, soweit solche zu vergeben sind. 6. Die Volkskasse zur Verwaltung ihrer Gelder und als Sparkasse für ihre Ersparnisse zu benutzen gegen Auszahlung des vollen sich hieraus ergebenden Zinsertrages. 7. In den Genuß aller Vorteile zu treten, welche durch das Bestehen des Volksvertrags für die Brüder vorhanden sind oder sein werden, soweit die Verhältnisse es jeweils gestatten. 8. Bei Streitigkeiten in Sachen des Volksvertrags kostenlosen Schiedsspruch durch die Organe der Volkskasse zu erlangen. Unterbrechung der Brüderrechte. § 30. Einziehung des Brüderscheins. Die Erfüllung der Brüderpflichten ist eine freiwillige; die Nichterfüllung der in § 24 aufgezählten Brüderpflichten bedeutet demnach freiwilligen Austritt aus dem Volksvertrag und Verzicht auf die Brüderrechte. In diesem Falle hat derjenige Beamte der Volkskasse oder des Bienenstocks, bei welchem in Ausübung seines Amtes und bei Ausübung eines Brüderrechts die Nichterfüllung der Brüderpflicht stattfindet, den Brüderschein der betreffenden Brüder einzuziehen. Letztere können dagegen Einspruch bei demjenigen Delegierten der Volkskasse, welcher ihre Brüderakten führt, erheben. Dieser legt den Fall demjenigen unbeteiligten Bienenstock seines Bezirks vor, welcher darüber am besten zu urteilen in der Lage ist, und dessen Vorstandsausschuß in kürzester Frist in erster und letzter Instanz in einer Plenarsitzung darüber entscheidet, wobei die betroffenen Brüder auf ihren Wunsch gehört werden müssen. Zweifelhafte Fälle und solche, welche offensichtlich aus Unkenntnis, Irrtum und ohne Absicht stattfanden, sind stets zugunsten der betroffenen Brüder auszulegen. Bei Bestätigung der Einziehung wird der Grund derselben in die Brüderakten eingetragen, der Brüderschein eingezogen und durch Aufstemplung des Buchstaben E auf der letzteingeklebten Wertmarke entwertet. Die bis zum Tage der Einziehung des Brüderscheins erworbenen Rechte können unter keinen Umständen entzogen werden. Dagegen können die Brüder freiwillig darauf verzichten. Nach Einziehung des Brüderscheins kann die Eigenschaft als Bruder laut § 27 durch 12 Monate langes Einzahlen eines Brüderbeitrags an die Volkskasse ohne neuerliche Einziehung wieder erworben werden. 5. Teil. Bedingungen zur Errichtung von Bienenstöcken. § 31. Anmeldebedingungen. Bienenstöcke werden errichtet auf Initiative der Volkskasse oder auf Antrag der Brüder. Anmeldungen auf Bildung von Bienenstöcken können nur von solchen Brüdern eingereicht werden, welche ihren Brüderbeitrag zur Zeit der Anmeldung wenigstens 60 Monate lang ohne Einziehung des Bienenscheins geleistet haben und im Besitz des Ausweises darüber sind. Sie sind bei demjenigen Delegierten, welcher die Volkskasse in dem betreffenden Bezirk vertritt, oder in Ermangelung eines solchen bei dem Direktorium der Volkskasse anzubringen. § 32. Form des Antrags. Der oder die Anmelder erhalten hierauf ein Formular zum Behufe des schriftlichen Antrags, welches wahrheitsgetreu auszufüllen und nebst den Brüderscheinen der Antragsteller einzureichen ist. Außerdem haben die Antragsteller alle Fragen über ihre Personalien und über den beabsichtigten Betrieb, welche die Volkskasse noch für notwendig erachten sollte, wahrheitsgetreu, genau und gewissenhaft schriftlich zu beantworten und alle Informationen schriftlich zu geben, welche zur Begutachtung des Antrags erforderlich sind. Fragen nach politischem und religiösem Bekenntnis dürfen dabei nicht gestellt werden. Die Antragsteller haben alle für die Beurteilung notwendig erscheinenden Papiere und Urkunden beizuschaffen. Die Antragsteller sind für die Richtigkeit dieses gesamten Informationsmaterials solidarisch haftbar. Gleichzeitig mit dem Antrag ist seitens der Antragsteller für die Kosten des Verfahrens eine Summe bei der Volkskasse einzuzahlen, die für jede M. 1000 des Kapitals, welches der zu errichtende Bienenstock erfordert, eine Mark beträgt und der Volkskasse unter allen Umständen erworben bleibt. Die Antragsteller haben das Recht, nach Errichtung des beantragten Bienenstocks aus dessen Vermögen die Summe zurückzufordern. § 33. Prüfung des Antrags und Beschlußfassung darüber. Hierauf erfolgt durch die Organe der Volkskasse eine eingehende Prüfung des Antrags unter Berücksichtigung aller einschlägigen persönlichen, geschäftlichen, finanziellen, technischen, örtlichen und allgemeinen Verhältnisse. Nach dieser Prüfung erfolgt mündliche Besprechung zwischen den Organen der Volkskasse und den Antragstellern, worauf das Direktorium der Volkskasse möglichst in der nächsten Tagung des Volksrats diesem den Antrag zur Beschlußfassung vorlegt. Den Anträgen, welche nicht in allen Punkten wahrheitsgetreu sind, wird keine Folge gegeben und den Antragstellern hiervon Mitteilung gemacht unter Einziehung der Brüderscheine (§ 30). Die Brüderscheine werden auch eingezogen, wenn die wissentlich unrichtigen Angaben erst nach Errichtung des Bienenstocks zum Vorschein kommen. Der Beschluß des Volksrats über Annahme oder Ablehnung eines Antrags wird durch das Direktorium der Volkskasse den Antragstellern mitgeteilt, in letzterem Fall unter Angabe der Gründe. § 34. Ernennung der Vorstände. Wenn der Volksrat den Antrag annimmt oder auf eigene Initiative die Errichtung eines Bienenstocks beschließt, so ernennt das Direktorium der Volkskasse die vom Volksrate erwählten Vorstände des betreffenden Bienenstocks, verpflichtet dieselben auf den Volksvertrag und schließt mit ihnen den Dienstvertrag ab, in welchem das Normaleinkommen, die Rechte und Pflichten der Vorstandsmitglieder in gegenseitigem Einvernehmen festgestellt werden. § 35. Errichtungsurkunde des Bienenstocks. Die so ernannten Vorstände haben durch ihre Unterschrift die Errichtungsurkunde des betreffenden Bienenstocks anzuerkennen und sich für die genaue Durchführung derselben zu verpflichten. Die Errichtungsurkunden enthalten die Verpflichtung der Vorstände auf den allen Bienenstöcken gemeinsamen Arbeitsvertrag der Bienenstöcke und außerdem folgende Bestimmungen, die für die einzelnen Bienenstöcke verschieden sind: ~a.~ den Namen und die Firmenzeichnung des neuen Bienenstocks, seinen Sitz und sein Kapital; ~b.~ die Bedingungen für die Aufnahme einer Anleihe von bestimmter Höhe zu bestimmtem Zinsfuß gegen Ausgabe von verzinslichen, spätestens innerhalb 50 Jahren rückzahlbaren Schuldscheinen, für deren Betrag und Zins die Volkskasse gegen eine zu vereinbarende Jahresprämie die Haftung übernimmt; ~c.~ Bestimmungen über die Aufstellung der jährlichen Bilanzen, insbesondere über den Abschreibungsmodus und etwa zu bildende Reserven etc., welche der Bienenstock einzuhalten verpflichtet ist; ~d.~ besondere Bestimmungen, welche je nach der Eigentümlichkeit jedes einzelnen Falles noch notwendig erscheinen sollten. 6. Teil. Übergangsbestimmungen. § 36. Da der gegenwärtige Text des Volksvertrags voraussetzt, daß die Volkskasse mit ihrer gesamten Organisation schon bestehe, so sind für den Anfang, solange das noch nicht der Fall ist, besondere Übergangsbestimmungen erforderlich, welche sich auf die ersten Maßnahmen zur Herbeiführung dieser Organisation selbst, bis zu ihrem völligen Funktionieren, beziehen. Diese Bestimmungen können hier nicht im einzelnen gegeben werden, da sie von den jeweiligen Verhältnissen abhängen. Sie beziehen sich u. a. auf die Wahl des ersten Volksrats, auf die Erwerbung der Brüder- und Bienenrechte bevor die Beiträge während der vorgeschriebenen Anzahl Monate geleistet werden konnten u. dgl. m. 7. Teil. Beilagen zum Volksvertrag. Beilage 1. Wahlordnung für den Volksrat zu § 10 des Volksvertrags. § 1. Wähler für den Volksrat sind alle deutschen Brüder und Bienen, welche das 25. Lebensjahr vollendet haben. § 2. Wählbar zum Volksrat ist jede deutsche Biene, welche das 30. Jahr vollendet hat. Die Wahl findet auf je 5 Kalenderjahre statt. § 3. Die Zahl der zu wählenden Volksräte beträgt einen für jede volle halbe Million Brüder und Bienen, mindestens aber 9. Sie wird von dem Präsidenten der Volkskasse im 4. Monate vor der Wahl auf Grund der sämtlichen durch die Delegierten der Volkskasse geführten Brüderakten festgestellt und gleichzeitig mit dem Tag der Wahl verkündet. § 4. Die Wahl findet in ganz Deutschland am gleichen Tage statt, indem die wahlberechtigten Brüder und Bienen unter Vorlage des Brüder- oder Bienenscheins ihren Stimmzettel persönlich oder durch Vertreter oder durch die Post bei demjenigen Delegierten oder Bienenstock abgeben, bei welchem ihre Brüder- oder Bienenakten geführt werden. § 5. Die abgegebenen Stimmzettel werden in eine Wahlurne niedergelegt. Sie können nach Belieben des Wählers offen oder geschlossen sein. Jeder Zettel darf nur den Namen eines einzigen Kandidaten tragen. § 6. Die Wahlhandlung und die Ermittlung des Wahlergebnisses sind öffentlich. Die Stimmzettel werden bei jedem Delegierten durch eine genügende Anzahl von Vertrauensmännern und bei jedem Bienenstock durch den Vorstandsrat desselben eröffnet, welche auch über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahlzettel, vorbehaltlich der Prüfung durch den Volksrat selbst, entscheidet. Die Namen der bei den Bienenstöcken gewählten Kandidaten werden, nach der Anzahl der erhaltenen Stimmen geordnet, am Tage nach der Wahl dem betreffenden Delegierten der Volkskasse zugestellt, welcher daraus zusammen mit den bei ihm gewählten Kandidaten eine Gesamtliste aller Kandidaten seines Bezirks, ebenfalls nach Stimmenzahl geordnet, herstellt und innerhalb 3 Tagen nach der Wahl dem Volksrate vorlegt. § 7. Der Volksrat verkündet hierauf die Namen der gewählten Volksräte unter Angabe der erhaltenen Stimmenzahl. Es sind dies diejenigen Kandidaten, welche in der Gesamtliste die meisten Stimmen erhalten haben, bis zur vorgeschriebenen Anzahl der zu wählenden Volksräte; bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Loos. Die nach dieser Anzahl noch weiter gewählten Kandidaten dienen in der Reihenfolge der erhaltenen Stimmenzahl als Ersatzmänner bei eintretenden Vakanzen der Volksräte durch Tod, Demission oder andere Ursachen. Beilage 2. Muster eines Brüderscheins. +----------------------------------+--------------------------------------+ | =Deutsche Volkskasse.= | | | | Dauer der letzten ununterbrochenen | | +--------------------+ | Beitragsperiode: 19 Monate | | |Delegierter 7 | | | | |Köln | +------------+------------+------------+ | |Juni 1903 | | | | | | |Laufende Nummer 714 | |Volkskassen-|Volkskassen-|Volkskassen-| | +------------------- + |marke 50 Pf.|marke 50 Pf.|marke 50 Pf.| | | | | | | Brüderschein Nr. 6 | | | | | für +------------+------------+------------+ | Herrn Heinrich *Jung*. | | | | | | | | | | Berufsstellung: Schlosser | | | | | Wohnhaft zu: Ehrenfeld | | | | | geboren am: 23. April 1876 +------------+------------+------------+ | zu: Berlin. | | | | | | | | | | | | | | | Unterschrift des Besitzers: | | | | | gez. *Heinrich Jung*. +------------+------------+------------+ | | | | | +==================================+ | | | | Auszug aus dem Brüderakt. | | | | | | | | | | Beginn der Brüderbeiträge: +------------+------------+------------+ | März 1897. | | | | Für jeden Kalendermonat ist eine | | Gesamte frühere: | Volkskassenmarke einzukleben. | | | | | | Nach Ausfüllung der 12 Felder ist | | | der Schein bei der Ausgabestelle | | Beitrags- Beitrags- Unterbre- | gegen einen neuen umzutauschen. Dies | | summe dauer chungsdauer| kann auch geschehen durch Vermittlung| | M. Monate Monate | des Ortsvertreters des Delegierten | + =================================+ oder eines Bienenstocks oder durch | | 29.-- 58.-- 16.-- | die Post unter Beifügung des | | | Rückportos. | | Datum etwaiger Einziehungen: | | | *keine*. | | +----------------------------------+--------------------------------------+ Erklärung des Brüderscheins. Heinrich Jung begann seine Brüderbeiträge im März 1897 und klebte ein: Im Jahre 1897 10 Marken à 50 Pf. = M. 5.-- " " 1898 12 " " " " = " 6.-- " " 1899 12 " " " " = " 6.-- " " 1900 5 " " " " = " 2.50 ------------ ------------- Summa 39 M. 19.50 Nach dieser Zeit, also im Juni 1900, geht er ins Ausland und unterbricht seine Beitragsleistungen. Nach seiner Rückkehr tritt er wieder ein, da er die Vorteile des billigen Bezugs seiner Lebensbedürfnisse, der Benutzung von Speisehallen, Krankenhäusern, Bibliotheken, der kostenlosen ärztlichen Pflege etc. voll würdigt. Er beginnt daher im Oktober 1901 wieder einzukleben, also nach einer 16 monatlichen Unterbrechung. Von da ab leistet er wieder regelmäßig seine Beiträge; auf seinem alten, noch unausgefüllten 4. Bienenschein sind noch 7 Felder frei, er braucht also erst im Mai 1902 seinen 5. und im Mai 1903 seinen 6. Schein, der obige Brüderschein ist sein sechster, den er im Mai 1903 erhält, er hat also bis zu dessen Ausgabe noch weiter geleistet 19 Beiträge à 50 Pf. (also seit Oktober 1901 bis April 1903 = 19 Monate), im ganzen mit seinen früheren Beiträgen also bis jetzt 58 Beiträge mit zusammen M. 29 bei 16 monatlicher Unterbrechung. -- Der Brüderschein enthält links den Auszug seiner Brüderakten nach den eben geschilderten Angaben und rechts die Felder für das Einkleben der Marken und einige Bemerkungen bezüglich des Umtausches des Brüderscheins. Die kleinen Kreise in den einzelnen Feldern bedeuten Durchlochungen, durch welche die Marken entwertet werden, z. B. durch den Kassierer eines Bienenstocks bei Gelegenheit von Einkäufen oder bei einer Wahl oder bei sonstiger Ausübung eines Brüderrechts. -- Zu den früher geleisteten 58 Monatsbeiträgen sind demnach nur noch 2 zu leisten, um Jung das Recht zu geben, Biene zu werden bzw. mit einer Anzahl anderer im gleichen Falle stehenden Brüdern einen neuen Bienenstock zu errichten. -- Hätte er während seines Aufenthalts im Ausland sich das sehr geringe Opfer auferlegt, seine Beiträge ruhig weiter zu leisten, so hätte er diese Zeit um 16 Monate früher erreichen können. III. Arbeitsvertrag der Bienenstöcke. 1. Teil. Grundlagen und Zweck der Bienenstöcke. § 1. Grundlagen. Auf der Grundlage des Solidarismus werden Bienenstöcke nach den Bestimmungen des Volksvertrags durch die Volkskasse errichtet, welche auch Eigentümerin derselben bleibt, deren Nutznießung aber der Gesamtheit der in denselben jeweils beschäftigten Bienen auf Grund des gegenwärtigen Arbeitsvertrags der Bienenstöcke überläßt. Die Mitglieder des Bienenstocks heißen Bienen. § 2. Zweck. Bienenstöcke sind Betriebe, welche unter Ausschluß der Erzielung eines Gewinns folgende Zwecke haben: ~a.~ Ihre gesamten Erträgnisse den Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit auszuzahlen und durch richtige Organisation der Arbeit und der Güterverteilung die Einnahmen der Bienen zu erhöhen, deren Ausgaben zu vermindern und ihre materiellen Bedürfnisse vollständig und in möglichst vollkommener Weise zu befriedigen. ~b.~ Durch soziale Einrichtungen auch für die Befriedigung der körperlichen, geistigen und sittlichen Bedürfnisse der Bienen und ihrer Angehörigen, wozu auch ein ausreichendes Maß von Lebensannehmlichkeit gehört, möglichst vollständig zu sorgen. ~c.~ Durch vorsorgliche Maßnahmen die Bienen und ihre Angehörigen von der Geburt bis zum Tode vor den Folgen der natürlichen Ungleichheiten (Gesundheit, physische und geistige Fähigkeiten, Lebensdauer) und sozialen Schädlichkeiten (Unfälle, Arbeitslosigkeit) zu schützen. ~d.~ Nicht zum Bienenstock gehörende Brüder in möglichst großem Umfang in den Mitgenuß der aufgezählten Vorteile zu setzen. Zur Erreichung dieser Zwecke hat jeder Bienenstock in seinem Betrieb folgende Abteilungen: 1. Einen Produktivbetrieb für Herstellung von Arbeitsprodukten oder für bestimmte Arbeitsleistungen; 2. ein Tauschlager für Austausch und Verteilung der Güter; 3. die sozialen Einrichtungen; 4. die vorsorglichen Kassen, deren Führung und Kontrolle vertragsmäßig der Volkskasse zusteht, bzw. für welche dieselbe haftet. 2. Teil. Finanzen der Bienenstöcke. § 3. Kapital. Das Anlage- und Betriebskapital eines Bienenstocks wird beschafft durch Aufnahme einer verzinslichen Anleihe gegen Ausgabe von Schuldscheinen, für deren Kapital und Zins die Volkskasse gegen eine zu vereinbarende Jahresprämie mit ihrem ganzen Stammfonds die Haftung übernimmt. Solche Schuldscheine können ausgegeben werden sowohl gegen Überlassung von barem Geld als von vorhandenen Betrieben, Immobilien, Mobilien und sonstigen Werten. Der Bienenstock ist verpflichtet, alljährlich den 50. Teil der Anleihe aus seinen Bruttoeinnahmen zurückzuzahlen. Die Volkskasse hat das Recht, die Schuldscheine jederzeit zum Nennwerte plus den aufgelaufenen Jahreszinsen einzulösen. § 4. Rechnungsmodus. Die Abrechnung des Geschäftsjahrs der Bienenstöcke hat, wie folgt, stattzufinden: Von den jährlichen Bruttoeinnahmen des Bienenstocks werden folgende Ausgaben abgezogen: ~a.~ Die Verwaltungs- und Geschäftsunkosten aller Art, zu welchen die an die Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit ausbezahlten Beträge nicht zählen; ~b.~ die fälligen Zinsen für das noch nicht heimbezahlte Anleihekapital; ~c.~ der alljährlich zur Rückzahlung gelangende 50. Teil des Anleihekapitals; ~d.~ genügende Sicherstellungen für zweifelhafte Debitoren; ~e.~ die in der Errichtungsurkunde des Bienenstocks vorgeschriebenen Abschreibungen; ~f.~ die ebenda bezeichneten oder durch außergewöhnliche Umstände erforderlichen Rücklagen. Die nunmehr verbleibende Summe ist das *Erträgnis* des Bienenstocks, welches der Gesamtheit der Bienen als Gegenwert für ihre Arbeit gehört und, wie folgt, verwendet wird: 1. Zur Auszahlung der den Bienen garantierten Normaleinkommen; dieselben dürfen in zu vereinbarenden Raten während des Rechnungsjahrs im voraus aus laufenden Mitteln entnommen werden; 2. zur Auszahlung der Krankheits- und Unfallzuschüsse an die Bienen; zu letzteren gehören auch die Anteile für Invalidität infolge von Unfällen im Dienste; diese Auszahlungen dürfen nach Bedarf während des Rechnungsjahrs im voraus aus laufenden Mitteln entnommen werden; 3. zur Dotierung eines Stipendienfonds in Höhe von 5% der nunmehr verbleibenden Summe solange, bis derselbe 1% des Kapitals der Bienenstöcke beträgt, auf welche Höhe er stets wieder zu ergänzen ist. Die nunmehr verbleibende Summe heißt *Resterträgnis* und wird verwendet: 4. Die Hälfte zur Auszahlung eines Ergänzungseinkommens an die Bienen im Verhältnis ihrer Normaleinkommen; 5. die andere Hälfte als Beitrag des Bienenstocks zum Anteilfonds der Volkskasse zwecks Auszahlung von Senioren-[30], Invaliditäts-, Witwen- und Waisenanteilen. Reichen die Bruttoeinnahmen für die Ausgaben ~ad a~, ~b~ und ~c~ nicht aus, so leistet die Volkskasse unter allen Umständen die Differenz. Reicht das Erträgnis zu den Leistungen ~ad~ 1, garantierte Normaleinkommen, und 2, Krankheits- und Unfallszuschüsse, nicht aus, so leistet die Volkskasse unter allen Umständen, ausgenommen bei Arbeitseinstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiken die Differenz. Diese Deckungen werden aus den etwaigen Resterträgnissen des Bienenstocks in späteren Jahren an die Volkskasse zurückbezahlt. Da die gesamten Erträgnisse des Bienenstocks an die Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit ausbezahlt werden, so sind Gewinne oder Überschüsse nicht vorhanden, daher nicht an die Volkskasse abführbar. § 5. Jahresabrechnung. Die Finanzlage des Bienenstocks wird innerhalb dreier Monate nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahrs durch den Vorstandsausschuß desselben festgestellt; in dem darauffolgenden Monat findet die Abrechnung mit der Volkskasse statt. Der Bienenstock ist verpflichtet, Finanzangelegenheiten durch die Volkskasse erledigen zu lassen und seine Gelder der Volkskasse zur Verwaltung zu übergeben, wogegen letztere den vollen sich daraus ergebenden Zinsertrag, abzüglich Spesen, an den Bienenstock vergütet. 3. Teil. Verwaltung und Leitung der Bienenstöcke. ~A.~ Vorstand des Bienenstocks. § 6. Bestellung des Vorstands. Der Vorstand des Bienenstocks im Sinne des Handelsgesetzbuchs besteht aus einer oder mehreren Personen, welche von dem Direktorium der Volkskasse nach den Beschlüssen des Volksrats ernannt werden. Das Direktorium der Volkskasse verpflichtet die Vorstände auf den Volksvertrag und den Arbeitsvertrag der Bienenstöcke und schließt mit ihnen die Errichtungsurkunde des Bienenstocks und den Dienstvertrag ab. Das Direktorium der Volkskasse kann auch die Anstellung, unbeschadet vertragsmäßiger Ansprüche, jederzeit widerrufen und neue Vorstandsmitglieder ernennen. Dasselbe bestimmt die Anzahl der Vorstandsmitglieder und der Prokuristen, die Art der Firmenzeichnung und die Stellvertretung der Vorstandsmitglieder in Verhinderungsfällen und bei Vakanzen. § 7. Kompetenzen des Vorstands. Dem Vorstande obliegt der Betrieb des Geschäfts nach Maßgabe des Volksvertrags, des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke, der Errichtungsurkunde des Bienenstocks und seines Dienstvertrags, sowie nach Maßgabe der Beschlüsse des Vorstandsausschusses (3. Teil ~B~) des Bienenstocks, welche er zu vollziehen hat. § 8. Geschäftsordnung des Vorstands. Der Vorstand, dessen Stellvertreter und Prokuristen legitimieren sich durch notarielles Protokoll oder durch Auszüge aus dem Firmenregister. Der Vorstand hat innerhalb dreier Monate nach Schluß des Geschäftsjahrs dem Vorstandsausschuß die Jahresabrechnung nebst Bericht über die Lage des Geschäfts und die wichtigsten Begebenheiten zur Prüfung und Bestätigung vorzulegen. Der Vorstand ist verpflichtet, den geschäftlichen Verkehr in Volkskassen- und Bienenstockangelegenheiten in den einfachsten Formen, unter Weglassung von Titulaturen und nicht sachlichen Formeln und Formalitäten durchzuführen.[31] Der Vorstand hat die Verpflichtung, in seine sämtlichen Verträge, Vereinbarungen, Abmachungen etc. über Käufe, Verkäufe, Lieferungen etc. seines Bienenstocks folgende, einen integrierenden Bestandteil derselben bildende Bestimmung aufzunehmen: »Der Bienenstock hat das Recht, diesen Vertrag (Vereinbarung etc.) aufzuheben, wenn sich herausstellt, daß derselbe durch Versprechen von Provisionen, Geschenken oder irgendwelchen Sondervorteilen auf Kosten der Gesamtheit beeinflußt wurde, auch wenn die Ausführung des Versprechens nicht erfolgte.« ~B.~ Vorstandsausschuß des Bienenstocks. § 9. Bestellung des Vorstandsausschusses. Der Vorstandsausschuß besteht: ~a.~ aus den sämtlichen Vorstandsmitgliedern, unter welchen das Direktorium der Volkskasse den Vorsitzenden des Vorstandsausschusses und dessen Stellvertreter bestimmt; ~b.~ aus sämtlichen Prokuristen; ~c.~ aus einer durch das Direktorium der Volkskasse zu bestimmenden Anzahl von Beamten, Meistern und Arbeitern des Bienenstocks, welche in der Jahresversammlung durch die sämtlichen Bienen des Bienenstocks für die Dauer bis zur nächsten ordentlichen Jahresversammlung gewählt werden. Austretende Mitglieder können wiedergewählt werden; ~d.~ aus dem Bienenstockarzt bzw. Chefarzt, wenn mehrere Ärzte vorhanden sind. Zu jeder Sitzung des Vorstandsausschusses ist der Delegierte der Volkskasse bei dem betreffenden Bienenstock rechtzeitig einzuladen. § 10. Kompetenzen des Vorstandsausschusses. Zur Zuständigkeit des Vorstandsausschusses gehören: Die Verfassung der Arbeitsordnung und die Vorlage derselben, sowie etwaiger Abänderungen, an die Volkskasse zur Genehmigung. Die Anstellung von Bienen und der Abschluß von Dienstverträgen mit denselben, wobei für die Anzahl von Bienen jeder Kategorie und die Höhe ihrer Normaleinkommen vorher die Genehmigung der Volkskasse einzuholen ist. Die Erklärung von Brüdern zu Bienen nach vollbrachter halbjähriger Probezeit im Bienenstock. Die Entscheidung über alle Geschäfts- und Verwaltungsangelegenheiten ihres Bienenstocks und die Kontrolle über die richtige Ausführung derselben. Die Entgegennahme der Jahresbilanzen und des Berichtes des Vorstandes, Prüfung und Bestätigung derselben. Der Vorstandsausschuß entscheidet durch Schiedsspruch in erster und letzter Instanz kostenlos unter Ausschluß der Gerichte über die an ihn gelangenden Rekurse von Brüdern und Bienen betreffend Einziehung von Brüder- und Bienenscheinen. Schiedsspruchsitzungen sind für Brüder und Bienen öffentlich. Er vermittelt kostenlos auf Verlangen der Volkskasse in Streitigkeiten zwischen Brüdern, Bienen oder Bienenstöcken mit dem Direktorium, den Delegierten oder den Beamten der Volkskasse sowie in Differenzen zwischen Bienenstöcken und berichtet an die Volkskasse über das Ergebnis. § 11. Geschäftsordnung des Vorstandsausschusses. Die Berufung des Vorstandsausschusses erfolgt nach Bedarf durch den Vorsitzenden oder in dessen Verhinderung durch dessen Stellvertreter. Sie muß innerhalb dreier Tage erfolgen, wenn der Delegierte der Volkskasse oder wenigstens drei Mitglieder des Vorstandsausschusses es beantragen. Zwecks Arbeitsteilung kann sich der Vorstandsausschuß in Teile trennen, welchen unter dem Vorsitz je eines Vorstandsmitglieds oder dessen Stellvertreters bestimmte Geschäftssparten zugewiesen werden, jedoch ist die Einberufung der Teilsitzungen sämtlichen Mitgliedern des Vorstandsausschusses mit der Tagesordnung bekanntzugeben, und sämtliche Mitglieder haben das Recht, denselben beizuwohnen und mitzustimmen. Alle Beschlüsse der Teilsitzungen sind sofort dem Delegierten und dem Vorsitzenden des Vorstandsausschusses mitzuteilen und von der nächsten Vollsitzung bestätigen zu lassen. Ohne diese Bestätigung sind sie ungültig. Die Vollsitzungen sind nur beschlußfähig wenn mindestens ¾ der vertragsmäßigen Anzahl Mitglieder anwesend sind. Die Beschlüsse selbst erfolgen mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit muß derselbe Gegenstand in der nächsten Vollsitzung nochmals zur Abstimmung kommen. In dieser Sitzung entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden. Der Delegierte der Volkskasse bei dem Bienenstock hat das Recht, den Sitzungen des Vorstandsausschusses mit beratender Stimme beizuwohnen, Anträge zu stellen, gegen ihm unberechtigt erscheinende Beschlüsse ein Veto einzulegen, und deren nochmalige Beratung in einer späteren Sitzung zu verlangen. Über die Verhandlungen des Vorstandsausschusses, sowohl der Teil- als der Vollsitzungen, sind Protokolle zu führen, welche von sämtlichen Anwesenden zu unterzeichnen und von den nicht anwesenden Mitgliedern durch Unterschrift zur Kenntnis zu nehmen sind. Die Mitglieder des Vorstandsausschusses sind über die Verhandlungen und Beschlüsse zu Stillschweigen verpflichtet. Sie haben das Recht und die Pflicht der Einsichtnahme in die Kasse, Bücher, Korrespondenzen und Akten. § 12. Einkommen der Mitglieder des Vorstandsausschusses. Diejenigen Mitglieder des Vorstandsausschusses, welche nach § 9 ~c~ ihr Amt durch Wahl erhalten, beziehen für ihre Mühewaltung während ihrer Amtsdauer ein um 10% erhöhtes Normaleinkommen. Sämtliche Mitglieder haben Anspruch auf Ersatz ihrer in Amtshandlungen entstehenden Barauslagen. ~C.~ Jahresversammlung des Bienenstocks. § 13. Zusammensetzung der Jahresversammlung. In jedem Jahre findet eine ordentliche Jahresversammlung aller Bienen des Bienenstocks statt. Jede Biene des Bienenstocks, ob aktiv oder inaktiv, welche sich durch ihren Bienenschein legitimiert, hat Zutritt zur Jahresversammlung und besitzt dortselbst eine Stimme. § 14. Geschäftsordnung der Jahresversammlung. Die ordentliche Jahresversammlung findet im 4. Monat nach Ablauf des Geschäftsjahres statt. Die Jahresversammlung wird durch den Vorstand durch einmaliges Ausschreiben in den dazu bestimmten Blättern unter Angabe der Tagesordnung, mit einer Frist von zwei Wochen und gleichzeitigem Anschlag am schwarzen Brett des Bienenstocks berufen. Bei außergewöhnlichen Ereignissen kann auch eine außerordentliche Jahresversammlung stattfinden. Sie muß einberufen werden, wenn der Delegierte oder der Vorstand oder mindestens drei Mitglieder des Vorstandsausschusses, welche nicht dem Vorstand angehören, es verlangen. Den Vorsitz in der Jahresversammlung führt der Delegierte der Volkskasse oder ein in dessen Verhinderung durch die Volkskasse ernannter Stellvertreter. Der Vorsitzende bestimmt die Reihenfolge der Gegenstände der Tagesordnung. Die Beschlüsse und Wahlen der Jahresversammlung erfolgen mit einfacher Stimmenmehrheit und können, wenn sich kein Widerspruch erhebt, durch Zuruf erfolgen. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. Über alle Beschlüsse und Wahlen der Jahresversammlung ist ein Protokoll aufzunehmen, das vom Vorsitzenden und von sämtlichen anwesenden Mitgliedern des Vorstandsausschusses zu unterzeichnen ist. § 15. Kompetenzen der Jahresversammlung. Zur Zuständigkeit der Jahresversammlung gehört: ~a.~ Die Entgegennahme des Jahresberichts, der Jahresabrechnung sowie der Abrechnung mit der Volkskasse; Entgegennahme des Berichts über die Höhe der Ergänzungseinkommen. Jede Biene hat das Recht, hierüber Fragen zu stellen und Aufschlüsse zu verlangen. Eine Beschlußfassung darüber findet nicht statt. ~b.~ Die Beschlußfassung über Anträge des Vorstandsausschusses betreffend die Verwendung eines Teiles der Ergänzungseinkommen für die allgemeinen Zwecke und sozialen Einrichtungen des Bienenstocks. ~c.~ Die Wahl der Mitglieder des Vorstandsausschusses für das kommende Jahr, und zwar für jedes Mitglied einzeln. ~d.~ Die freie Diskussion aller aus den Kreisen der Bienen kommenden Anträge über Angelegenheiten der Volkskasse und der Bienenstöcke. Auf Wunsch kann über solche Anträge eine Probeabstimmung stattfinden um festzustellen, ob die Mehrheit für oder gegen einen solchen Antrag ist. Ein Beschluß kann jedoch nicht gefaßt werden. Die auf diese Weise zutage getretenen Wünsche dienen dem Vorstandsausschuß sowie der Volkskasse als Anregungen zur Förderung des Gesamtinteresses. Diskussionen über Fragen der Politik und Religion sind verboten. 4. Teil. Pflichten und Rechte der Bienen. § 16. Pflichten der Bienen. Solche Brüder, welche in Bienenstöcken angestellt werden, heißen Bienen. Sie werden solange als Bienen ihres Bienenstocks betrachtet, als sie von demselben Einkommen oder Anteile beziehen, gleichgültig ob aktiv oder inaktiv. Die Pflichten der Bienen sind grundsätzlich dieselben wie die der Brüder, sie sind jedoch infolge ihres besonderen Verhältnisses zum Bienenstock wesentlich erweitert. Die allgemeinsten und vornehmsten Pflichten der Bienen sind das Wirken des einzelnen für die Gesamtheit im Sinne des Solidarismus sowie unantastbare Ehrenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit. Im besonderen haben die Bienen folgende Pflichten: 1. Zahlung eines Bienenbeitrags an die Volkskasse in Höhe von 1% sämtlicher ihnen von den Bienenstöcken als Gegenwert ihrer Arbeit ausbezahlten Beträge. 2. Beziehen ihrer Lebensbedürfnisse und sonstigen Leistungen aus Bienenstöcken, soweit dieselben hierzu ausreichen. 3. Anerkennung des Volksvertrags, des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke und der Arbeitsordnung des Bienenstocks, in welchem sie tätig sind, sowie Befolgung der im Interesse des Gesamtwohls vom Vorstandsausschuß ihres Bienenstocks getroffenen Anordnungen und Disziplinarvorschriften. 4. Streitigkeiten in Sachen des Volksvertrags und der Bienenstöcke den Organen der Volkskasse oder der Bienenstöcke unter Ausschluß der Gerichte vorzulegen und sich deren Schiedsspruch zu unterwerfen. 5. Alle Handlungen zu unterlassen, welche der Volkskasse, den Bienenstöcken, den Brüdern oder Bienen Nachteile bringen, und beizutragen mit voller Kraft und ganzem Können zur Förderung der Interessen und Zwecke der Volkskasse sowie zur Erreichung der größten Leistung des Bienenstocks bei geringstem Aufwande, und zur geordneten sachgemäßen Abwicklung seiner Geschäfte. 6. Auf Wunsch der Volkskasse oder des Vorstandsausschusses ihres Bienenstocks kostenlose Übernahme kleiner Ämter, welche zur Pflege des Solidarismus oder im Interesse der Organisation der Volkskasse, der Bienenstöcke oder gemeinnütziger Zwecke notwendig erscheinen, sofern sie dadurch ihren Berufspflichten nicht entzogen werden. 7. Keinerlei Provisionen, Geschenke oder Sondervorteile für ihre Mitwirkung in den Angelegenheiten der Volkskasse und Bienenstöcke anzunehmen oder zu geben. § 17. Die Bienenbeiträge. Bienen können an einem bestimmten Zeitpunkt solche volljährige Brüder sein, welche ihren Brüderbeitrag (§ 27 des Volksvertrags) wenigstens 60 Monate lang ohne Einziehung des Brüderscheins geleistet haben, und welche nach einer halbjährigen Probezeit in einem Bienenstock von dem Vorstandsausschuß desselben zu Bienen erklärt wurden. Männer können vor Erledigung ihrer Hauptmilitärpflicht nicht zu Bienen ernannt werden. Die Einzahlung der Bienenbeiträge an die Volkskasse geschieht durch den Vorstand des Bienenstocks, der zu diesem Zweck 1% aller an die Bienen als Gegenwert ihrer Arbeit zur Auszahlung gelangenden Beträge zurückbehält. Geleistete Bienenbeiträge werden niemals zurückvergütet. § 18. Bienenschein. Bienenakten. Der Bienenstock stellt jeder seiner Bienen eine Karte, Bienenschein genannt, aus, welcher bei jeder Ausübung eines Bienenrechts als Legitimation vorzulegen ist. Der Bienenschein ist persönlich und darf unter keinen Umständen abgetreten werden. Der Bienenstock legt für jede seiner Bienen einen Bienenakt an, welchem die Personalien, alle geleisteten Beiträge und erworbenen Rechte, sowie die Unterbrechungen der Beitragsleistungen und etwaige Einziehungen der Bienenscheine und deren Gründe eingetragen werden. Bemerkungen über das politische oder religiöse Bekenntnis der Bienen dürfen diese Akten nicht enthalten. Beim Austritt aus dem Bienenstock erhält die Biene gegen Auslieferung ihres Bienenscheins einen neuen Brüderschein, welcher einen vollständigen Auszug aus dem betreffenden Akt mit Ausnahme der Gründe für etwaige Einziehungen enthält, und welcher ihr als Legitimation gegenüber der Volkskasse und andern Bienenstöcken dient. Die alten Brüder- und Bienenscheine werden zu den Akten gelegt. Auf Grund dieser Akten tauscht der Bienenstock verlorne, eingezogene oder schadhaft gewordene Scheine gegen neue um. Wechselt eine Biene ihren Bienenstock, so wird deren Bienenakt dem neuen Bienenstock übergeben. § 19. Rechte der Bienen. Die Rechte der Bienen sind grundsätzlich dieselben wie die der Brüder, sind jedoch infolge ihres besonderen Verhältnisses zum Bienenstock wesentlich erweitert. Das allgemeinste und vornehmste Recht der Bienen ist das Eintreten der Gesamtheit für jeden einzelnen im Sinne des Solidarismus. Im besonderen haben die Bienen folgende Rechte: 1. Volksräte auf Grund des Volksvertrags zu wählen und selbst zu Volksräten gewählt zu werden, und während ihrer Tätigkeit als Volksräte im vollen Bezuge ihrer Einkommen und Rechte aus ihrem Bienenstock zu bleiben. 2. Neue Bienenstöcke auf Grund des Volksvertrags und des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke zu errichten, soweit der Stammfonds der Volkskasse jeweils für die entsprechenden Haftungen ausreicht. 3. In vorhandenen Bienenstöcken, soweit es die Verhältnisse jeweils gestatten, als Bienen angestellt zu werden. Angestellte Bienen können nur infolge Einziehung ihres Bienenscheins (§ 20) entlassen werden. Krankheit, Invalidität oder allgemeine Verhältnisse, wie Schwankungen der Konjunktur, Überproduktion u. dgl. können niemals Entlassungen von Bienen begründen, letztere werden vielmehr durch allgemeine Änderung der Arbeitszeit für alle Bienen eines Bienenstocks oder gleichartiger Bienenstöcke eines Bezirks oder des ganzen Landes nach den Beschlüssen des Volksrats unter Aufrechterhaltung der Normaleinkommen ausgeglichen. Dagegen können Bienen, wenn es die geschäftlichen Verhältnisse erfordern, in andere Bienenstöcke versetzt werden. Bienen, deren Bienenstöcke durch Feuersbrünste, Überschwemmungen oder Naturereignisse ganz oder teilweise außer Betrieb kommen, werden bis zur Wiederaufnahme des Betriebs von der Volkskasse andern Bienenstöcken zugeteilt. 4. Von den Bienenstöcken Waren und Leistungen für ihren eigenen Bedarf und denjenigen ihrer unter 17 Jahre alten Angehörigen zu Bienenpreisen gegen Barzahlung zu erhalten, soweit die vorhandenen Bienenstöcke solche zu liefern imstande sind, und zwar in der Reihenfolge der Anmeldung. Bienenpreis einer Ware ist derjenige Preis, welcher entsteht aus der Verteilung der gesamten Betriebskosten des Bienenstocks auf die Arbeitsprodukte desselben, also der wirkliche Selbstkostenpreis. 5. Lieferungen und Leistungen für Bienenstöcke auszuführen, soweit solche zu vergeben sind. 6. Die Volkskasse zur Verwaltung ihrer Gelder und als Sparkasse für ihre Ersparnisse zu benutzen gegen Auszahlung des vollen sich hieraus ergebenden Zinsertrages. 7. In den Genuß aller Vorteile zu treten, welche durch das Bestehen des Volksvertrags und des Arbeitsvertrags der Bienenstöcke für Brüder und Bienen vorhanden sind oder sein werden. 8. Bei Streitigkeiten in Sachen des Volksvertrags und der Bienenstöcke kostenlosen Schiedsspruch durch die Organe der Volkskasse und der Bienenstöcke zu erlangen. 9. Eine bestimmte Anzahl von Beamten, Meistern und Arbeitern ihres Bienenstocks in den Vorstandsausschuß desselben zu wählen bzw. in diesen Vorstandsausschuß gewählt zu werden. 10. Auf richtige und rechtzeitige Auszahlung der mit ihren Bienenstöcken vereinbarten Normaleinkommen unter allen Umständen, ausgenommen bei Arbeitseinstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiken. In diesen Ausnahmefällen beschließt der Volksrat darüber, ob eine gänzliche oder zeitweise Aufhebung, oder eine allgemeine, gleichmäßig verteilte Reduktion der Normaleinkommen stattfinden muß. Die Normaleinkommen der Bienen werden zwischen diesen und dem Vorstand des Bienenstocks frei vereinbart und der Genehmigung des Vorstandsausschusses unterbreitet. Dabei sind die Fähigkeiten, das Verhalten und die Leistungen der Bienen, d. h. der Nutzen, den sie der Gesamtheit zu leisten imstande sind, ausschlaggebend. Akkordarbeit ist dabei nicht ausgeschlossen, sie gibt der Biene im Gegenteil Gelegenheit zur Betätigung ihrer Talente und zur Erhöhung ihres Normaleinkommens und damit aller andern Bezüge, welche demselben proportional sind. Mit der zunehmenden Gesamtzahl der Dienstjahre in Bienenstöcken soll (wenn nicht ausnahmsweise ganz besondere Gründe vorliegen) keine Abnahme der Normaleinkommen eintreten, da die Gesamtzahl der Dienstjahre als Biene als ein der Gesamtheit geleisteter Dienst anerkannt wird. 11. Auf einen jährlichen, bei der Anstellung der Biene zu vereinbarenden Erholungsurlaub bei Fortbezug der Normaleinkommen, zu einem von dem Vorstand zu bestimmenden Zeitpunkte. 12. Auf richtige und rechtzeitige Auszahlung nach der jeweiligen Jahresversammlung ihres Bienenstocks der Ergänzungseinkommen, soweit solche vorhanden, nach Maßgabe dieses Arbeitsvertrags. 13. Während militärischer Übungen in Friedenszeiten, Krankheiten, Wochenbetten und Folgen von Unfällen auf einen Zuschuß in der Höhe der Hälfte ihrer Normaleinkommen, sowie freie ärztliche Behandlung zu Hause oder in den Krankenhäusern des Bienenstocks; ferner kostenlose Arzneien und Krankengeräte. Dieser Zuschuß beginnt mit dem Tage des Aufhörens des Normaleinkommens und endet mit der Erklärung des Chefarztes ihres Bienenstocks, daß die Krankheit zu Ende oder Invalidität eingetreten ist. Die Krankheits- und Unfallszuschüsse, zu welchen auch die Anteile für Invalidität infolge von Unfällen im Dienste gehören, kommen ebenfalls unter allen Umständen, ausgenommen bei Arbeitseinstellungen infolge von Kriegen, Revolutionen und Streiken zur Auszahlung. 14. Im Falle der Invalidität und bei Erreichung des Seniorenalters auf einen jährlichen Invaliditäts- bzw. Seniorenanteil, dessen Höhe abhängt von der Anzahl der aktiven Dienstjahre als Biene in Bienenstöcken, und dessen Maximalhöhe, wie folgt, festgesetzt ist: 1. bis 5. Dienstjahr 0,4 des letzten Normaleinkommens 6. " 10. " 0,5 " " " 11. " 15. " 0,6 " " " 16. " 20. " 0,7 " " " 21. " 30. " 0,8 " " " 31. " 44. " 0,9 " " " über 44 " 1,0 " " " Bei Berechnung der Dienstjahre kommen Unterbrechungen durch Urlaub, Krankheit und militärische Übungen im Frieden nicht in Abzug. Diese Maximalsätze werden nur dann ausbezahlt, wenn der Anteilfonds der Volkskasse dazu ausreicht. Andernfalls werden die Sätze für alle Bienenstöcke gleichmäßig prozentual herabgesetzt. (§ 5 des Volksvertrags.) Der Invaliditätsanteil beginnt mit dem Tage der Feststellung der Invalidität durch den Chefarzt des Bienenstocks und endet mit dem Aufhören der Invalidität ebenfalls nach der Erklärung desselben. Der Seniorenanteil beginnt mit dem vollendeten 65. Lebensjahr (Seniorenalter) und endet mit dem Tode. Weist der Anteilfonds der Volkskasse dauernde und beträchtliche Überschüsse auf, so können dieselben verwendet werden zur langsamen, gleichmäßigen Herabsetzung des Seniorenalters. 15. Witwen von männlichen Bienen haben das Recht, bis zu ihrem Tode oder ihrer Wiederverehelichung auf einen Witwenanteil in der Höhe von 0,4 der Normaleinkommen ihrer Männer im Augenblicke ihres Todes, wenn sie aktiv waren, bzw. des Invaliditäts- oder Seniorenanteils, wenn sie im Genuß solcher waren. Jedes von einer männlichen Biene hinterlassene Kind hat das Recht, bis zur Großjährigkeit bzw. bei Töchtern bis zu ihrer Verheiratung auf ¼ des Witwenanteils. Der Anteil für Witwen und Waisen zusammen darf 0,8 des Normalbezugs des verstorbenen Manns nicht überschreiten. Diese Anteile beginnen mit dem Tage, welcher auf den Tod des Mannes folgt. Sie werden nur an solche Witwen ausbezahlt, welche an diesem Tage Schwestern sind, und nur an solche Waisenkinder, welche an diesem Tage entweder noch nicht das 17. Lebensjahr erreicht haben, oder, falls sie es überschritten haben, Brüder sind. 16. Doppelwaisen von Bienen haben das Recht, auf Kosten des Bienenstocks bis zur ausreichenden Erwerbsfähigkeit, spätestens Großjährigkeit erzogen zu werden, wobei dieselben Bedingungen maßgebend sind wie für einfache Waisen. 17. Im Falle ihres Todes auf Kosten des Bienenstocks bestattet zu werden, und zwar für alle Bienen in gleichen Formen. 18. Sämtliche Auszahlungen an aktive und inaktive Bienen bzw. deren Witwen und Waisen erfolgen durch denjenigen Bienenstock, deren Mitglieder sie sind bzw. zuletzt waren. § 20. Unterbrechung der Bienenrechte. Einziehung des Bienenscheins. Der Arbeitsvertrag der Bienenstöcke ist ein freier und seitens der Bienen freiwillig eingegangen. Die Nichterfüllung der in § 16 aufgezählten Bienenpflichten bedeutet demnach freiwilligen Austritt aus dem Arbeitsvertrag und Verzicht auf die Bienenrechte. In diesem Fall hat derjenige Beamte der Volkskasse oder des Bienenstocks, bei welchem in Ausübung seines Amts und bei Ausübung eines Bienenrechts die Nichterfüllung der Bienenpflicht stattfindet, den Bienenschein der betreffenden Bienen einzuziehen. Letztere können dagegen Einspruch bei dem Delegierten ihres Bienenstocks erheben. Dieser legt den Fall demjenigen unbeteiligten Bienenstock seines Bezirks vor, welcher darüber am besten zu urteilen in der Lage ist, und dessen Vorstandsausschuß in kürzester Frist in erster und letzter Instanz in einer Plenarsitzung darüber entscheidet, wobei die betroffenen Bienen auf ihren Wunsch gehört werden müssen. Zweifelhafte Fälle und solche, welche offensichtlich aus Unkenntnis, Irrtum und ohne Absicht stattfanden, sind stets zugunsten der betroffenen Bienen auszulegen. Bei Bestätigung der Einziehung wird der Grund derselben in die Bienenakten eingetragen, der Bienenschein eingezogen und durch Aufstemplung des Buchstaben ~E~ entwertet. Die bis zum Tage der Einziehung des Bienenscheins erworbenen Rechte können unter keinen Umständen entzogen werden. Dagegen können die Bienen freiwillig darauf verzichten. Nach Einziehung des Bienenscheins kann die Eigenschaft als Biene laut § 17 durch 60 Monate langes Einzahlen eines Brüderbeitrags an die Volkskasse ohne neuerliche Einziehung wieder erworben werden. Der entscheidende Vorstandsausschuß hat jedoch das Recht, je nach dem Sachverhalt sofort beim Schiedsspruch oder später die Bienenrechte schon nach 20 oder 40, statt 60 Monaten wieder zuzulassen. 5. Teil. Pflichten der Bienenstöcke zur Volkskasse und unter sich. § 21. Pflichten zur Volkskasse. Jeder Bienenstock übernimmt bei seiner Errichtung die Pflichten einer Filiale der Volkskasse und hat die in seinem Wirkungskreis liegenden Geschäfte der Volkskasse auf seine Kosten aber unter Leitung des Delegierten der Volkskasse zu besorgen. Zu diesem Zwecke hat er dem Delegierten die erforderlichen Räume, Beamten und sonstigen Hilfsmittel unentgeltlich zu liefern. Wenn mehrere Bienenstöcke einen gemeinsamen Delegierten haben, so teilen sie die Kosten der Geschäftsführung der Delegierten pro rata ihrer Bienenzahl. § 22. Gegenseitige und gemeinsame Bezüge von Waren und Leistungen. Ein Bienenstock darf Waren und Arbeiten grundsätzlich nur an Bienenstöcke, Bienen und Brüder liefern oder nur von solchen beziehen und zwar nur zu Bienenpreisen. Nur wenn die Zahl und Leistungsfähigkeit der Bienenstöcke, Bienen und Brüder hierzu nicht ausreicht, darf der Bienenstock mit andern Firmen und Personen abschließen, wobei die Bienenpreise nicht maßgebend sind. Die Bienenstöcke dürfen für Arbeiten ihres laufenden Betriebes nur Bienen beschäftigen; die Zuziehung der Heimarbeit ist verboten. Für die Beschaffung derjenigen Materialien, Rohstoffe und Leistungen, welche für mehrere Bienenstöcke dieselben sind, haben dieselben eine gemeinsame Geschäftsstelle zu halten oder einen der Bienenstöcke mit dem gemeinsamen Bezug zu beauftragen. Die Kosten werden pro rata der bezogenen Mengen auf die beteiligten Bienenstöcke verteilt. § 23. Gegenseitige Tauschlager. Jeder Bienenstock hat ein Lager seiner eigenen Produkte und der laufenden Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände aus andern Bienenstöcken (mit der Beschränkung des § 21 auch aus andern Quellen) zu halten und den Bienen und Brüdern zu Bienenpreisen abzugeben. Durch diese Lager tauschen die Bienenstöcke ihre Arbeitsprodukte gegenseitig gegen Verrechnung zu Bienenpreisen aus, sie heißen daher Tauschlager. Mehrere örtlich nicht zu weit voneinander entfernte Bienenstöcke können ein Tauschlager gemeinsam halten bzw. getrennte Warengattungen führen, die sich gegenseitig ergänzen. Die Volkskasse entscheidet im Einzelfall, ob dies zulässig ist. Solche Waren, welche nicht auf Lager gehalten werden können, hat jeder Bienenstock auf Verlangen der Bienen oder Brüder zu Bienenpreisen zu besorgen. Für solche Waren, deren Verkauf nicht durch unmittelbare Lieferung erfolgt, soll statt des Tauschlagers ein bloßes Musterlager gehalten werden, nach dessen Mustern die bestellten Waren in kürzester Lieferfrist geliefert werden. Jeder Bienenstock hat somit den andern Bienenstöcken als kostenlose Absatzstelle ihrer Waren zu dienen. § 24. Allgemeine Gegenseitigkeitsverpflichtungen. Die Gegenseitigkeit der Leistungen und Unterstützungen ist im weitesten Sinne aufzufassen, findet also auch statt für Vertretungen, Auskünfte, für die Auszahlung der Zinsen, Rückzahlung der Schuldscheine und sonstige Geldoperationen und geschäftliche Erledigungen aller Art, jeweils gegen Verrechnung der erwachsenden Selbstkosten. Im Zweifelsfalle entscheidet über den Umfang dieser Gegenseitigkeitspflichten die Volkskasse. Die Bildung von Ringen, Syndikaten, Trusts zwischen mehreren Bienenstöcken oder Gruppen von Bienenstöcken ist untersagt. 6. Teil. Die sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke. § 25. Allgemeine Grundsätze. Die Aufgabe des Bienenstocks gegen seine Bienen ist nicht erschöpft mit der Erhöhung des Einkommens durch Auszahlung des vollen Betriebserträgnisses, mit der Verminderung der Ausgaben durch die Verteilungslager zu Bienenpreisen und mit dem Schutze der Bienen gegen natürliche Ungleichheiten und soziale Schädlichkeiten durch seine vorsorglichen Bestimmungen. Der Bienenstock hat außerdem die Pflicht, alle diejenigen Einrichtungen zu treffen, welche das Familienleben heben, die Mühe und Sorge des Haushaltes sowie des Unterrichts und der Erziehung der Kinder erleichtern und im weitesten Sinne für das körperliche, geistige und sittliche Wohl der Bienen zu sorgen. Die in diesem Arbeitsvertrag vorgeschriebenen, für alle Bienenstöcke obligatorischen Einrichtungen sind nur die wichtigsten zur Erreichung dieser Ziele; dieselben sollen mit den Fortschritten der Zeit vermehrt, verbessert und vervollständigt werden im Sinne des Solidarismus. Diese Einrichtungen können je nach der Sachlage jeweils einem einzigen Bienenstock oder mehreren, örtlich nicht weit getrennten Bienenstöcken gemeinsam gehören, letzteres jedoch nur ausnahmsweise, bei kleinen Betrieben und mit Zustimmung des Direktoriums der Volkskasse. Sämtliche hierher gehörende Einrichtungen der Bienenstöcke stehen den Bienen der betreffenden Bienenstöcke und ihren Familienmitgliedern zur Verfügung: letztere, falls über 17 Jahre alt, müssen sich jedoch durch ihren Brüderschein legitimieren. Die Brüder haben gegen Vorzeigung ihres Brüderscheins ebenfalls das Recht der Benutzung, soweit die Verhältnisse es jeweils gestatten. § 26. Einrichtungen für das körperliche Wohl. ~a.~ *Ernährung.* Jeder Bienenstock hat eine geräumige, helle, gut ventilierte und geheizte Speiseanstalt zu errichten, in welcher den Benutzern nahrhafte, wohlschmeckende, gut zubereitete Speisen zu Bienenpreisen verabfolgt werden, und in welchen Speisewärmer kostenlos für diejenigen vorhanden sind, welche ihre Speisen selbst mitbringen. Die Abgabe von Tee und Kaffee als Getränk hat darin unentgeltlich stattzufinden. Auch muß dort gesundes Trinkwasser beliebig zur Verfügung stehen. ~b.~ *Wohnung.* Der Bienenstock hat für gesunde, helle, luftige und geräumige Wohnungen für seine Bienen, sei es in eigenen oder fremden Bauten zu sorgen und dieselben zu Bienenpreisen zu vermieten, aber niemals zu verkaufen; auf Versorgung mit gutem Wasser und guter Beleuchtung ist dabei hauptsächlich zu achten. Auch zur Beschaffung behaglicher und praktischer Wohnungseinrichtungen zu Bienenpreisen hat der Bienenstock mitzuwirken. Für ledige Bienen, sowohl Männer als Frauen, sind Logierhäuser oder Heime anzulegen, welche ebenfalls zu Bienenpreisen benutzbar sind. ~c.~ *Gesundheitspflege.* Jeder Bienenstock hat ein vorzüglich eingerichtetes Krankenhaus zu errichten mit Instrumentarium, Apotheke, Krankenwagen oder Bahre, Medizinalbädern, Desinfektionsapparat etc. Dasselbe soll eine getrennte Abteilung für Wöchnerinnen in Verbindung mit einem Säuglingsheim haben, in welchen die Aufnahmen ohne Unterscheidung der Ehelichkeit oder Unehelichkeit stattfinden. Da, wo dieses Krankenhaus nicht auf dem Grundstück des Bienenstockes steht oder sich nicht nahe genug befindet, ist im Bienenstock ein Verbandslokal anzulegen (Samariterstube), welches nur diesem Zwecke dient, mit den nötigen Betten, Instrumenten und Geräten. Diese Anstalten stehen unter der Leitung eines oder mehrerer Ärzte, welche vom Bienenstock fest angestellt sind und zu demselben im Verhältnis der Bienen stehen müssen. Ein Arzt kann auch mehreren Bienenstöcken angehören. Diese Ärzte haben zu festgesetzten Zeiten, während der Arbeitszeit der Bienen, Sprechstunde am Sitz des Bienenstocks zu halten und die sich meldenden Kranken im Krankenhaus des Bienenstocks oder zu Hause zu pflegen. Keine Kategorie von Krankheiten ist hiervon ausgeschlossen. Sie haben ferner die Hygiene der Wohnung und der Ernährung der Bienen und die Gesundheit der Kinder derselben laufend zu überwachen, denselben mit Rat und Tat beizustehen und ihr Hauptaugenmerk auf das Verhüten der Krankheiten, insbesondere der Betriebskrankheiten, sowie auf die Unfallverhütung zu lenken. Sie haben als Hausfreunde aufklärend und erzieherisch zu wirken und das höchste Gut der Bienen, ihre Gesundheit, zu hüten. Sie haben ferner die Hygiene sämtlicher Betriebe des Bienenstocks sowie seiner Schulen und Erziehungsanstalten laufend zu überwachen und eine Statistik der Hygiene ihres Bienenstocks zu führen. Die Ärzte werden hierbei unterstützt durch fest angestellte Pflegeschwestern und Heilgehilfen sowie im Nebenamt durch eine Anzahl Bienen des Bienenstocks, welche im Samariterdienst ausgebildet sind. Zu den obligatorischen Hygienemaßnahmen der Bienenstöcke gehören noch die vollkommensten Einrichtungen zur Verhütung von Unfällen und zur Verhütung der Betriebskrankheiten, gesonderte Umkleide- und Waschräume für die Bienen, sowie Dusche-, Wannen- und Schwimmbäder; endlich Spiel- und Turnplätze, möglichst in Verbindung mit den Schulen. Der Bienenstock hat alljährlich eine möglichst große Anzahl von Kindern in Ferienkolonien zu schicken. Ferner sollen die Bienenstöcke möglichst Genesungsheime für Rekonvaleszenten errichten. Die Benutzung sämtlicher Hygieneeinrichtungen ~sub c.~ ist kostenlos, nur für die Ferienkolonien können die beteiligten Eltern, eventuell auch der Stipendienfonds, zu Beiträgen herangezogen werden. § 27. Einrichtungen für das geistige und sittliche Wohl. ~a.~ Erziehung, Unterricht und Fortbildung. Die Bienenstöcke haben zur kostenlosen Benutzung zu halten: 1. Kinderhorte und Kleinkinderschulen; 2. Elementarschulen, da wo die vorhandenen Volksschulen nicht ausreichen oder zu weit entfernt sind; 3. gesonderte Lehrlingswerkstätten mit bezahlten Lehrlingen in obligatorischer Verbindung mit Fortbildungsschulen, deren Kurse nur in den Tagesstunden stattfinden; 4. Haushaltungsschulen für nicht mehr schulpflichtige Mädchen in Verbindung mit den Heimen für ledige weibliche Bienen; 5. Schulen für weibliche Erwerbsarbeiten für nicht mehr schulpflichtige Mädchen, zugleich Näh- und Strickschule für schulpflichtige Mädchen, deren Kurse nur in den Tagesstunden stattfinden dürfen; 6. an den Abenden und eventuell Sonntags Vortragszyklen (möglichst mit Projektionen) oder sonstigen anschaulichen Vorführungen für Erwachsene über nützliche und bildende Themen, z. B. Samariterwesen und Krankenpflege, Literatur, Volkswirtschaft, Geschichte, Kunst und Kunstpflege etc., in erster Linie aber über das Wesen und den Nutzen des Solidarismus; 7. eine Bibliothek guter Bücher. Sämtliche Schulen und Vorträge werden gehalten teils von hierzu speziell angestellten Bienen, teils von dem Personal der Bienenstöcke im Nebenamt. ~b.~ Geselligkeit und Erholung. Jeder Bienenstock hat zur Pflege des Gefühls der Zusammengehörigkeit und der Einigkeit einen Gesellschaftssaal oder ein Gesellschaftshaus zu errichten mit Restaurant und möglichst mit Garten zur kostenlosen Benutzung entweder für einzelne oder für zwanglose Zusammenkünste geselliger Vereinigungen und zur Veranstaltung von bildenden Unterhaltungen, Theatervorstellungen, Musik- und Gesangsvorträgen, sowie von Spielen, Turn- und Sportübungen und Ausflügen. Es soll hiermit verbunden sein ein Lesezimmer mit guten Zeitschriften und Büchern. Im Restaurant des Gesellschaftshauses werden Speisen und Getränke zu den Bedingungen des § 26 ~a~ verabreicht. § 28. Stipendienfonds. Der Stipendienfonds des Bienenstocks dient für solche Zwecke, welche im Arbeitsvertrag nicht speziell vorgesehen sind, insbesondere für folgende: Ermöglichung höherer Studien für besonders hervorragende Leute, Studienreisen und Ausstellungsreisen für Ausbildung in speziellen Fragen oder Branchen, Unterstützungen bei ungewöhnlich schweren Umständen, zur Erhöhung von Senioren-, Invaliditäts-, Witwen- und Waisenanteilen in den Übergangszeiten, solange die Dienstzeiten noch nicht lange genug sind, um zu genügend hohen Anteilen zu berechtigen, Unterstützung solcher Kranker oder Erholungsbedürftiger, welche besonders lange, kostspielige oder auswärtige Kuren gebrauchen, Beteiligung an Ferienkolonien, eventuell Beteiligung an gemeinnützigen Bestrebungen, welche nicht direkt mit der Volkskasse und den Bienenstöcken zusammenhängen. Über die Verwendung des Stipendienfonds beschließt der Vorstandsausschuß des Bienenstocks. Entsprechend den rein wirtschaftlichen Zwecken des Bienenstocks dürfen hierbei niemals gesonderte konfessionelle oder politische Interessen unterstützt werden. 7. Teil. Übergangsbestimmungen. § 29. Da der gegenwärtige Text des Arbeitsvertrages voraussetzt, daß sowohl die Volkskasse als eine größere Anzahl von Bienenstöcken mit ihrer gesamten Organisation schon bestehen, so sind für den Anfang, solange das noch nicht der Fall ist, besondere Übergangsbestimmungen erforderlich, welche sich auf die ersten Maßnahmen zur Herbeiführung dieser Organisationen selbst bis zu ihrem völligen Funktionieren beziehen. Diese Bestimmungen können hier nicht im einzelnen gegeben werden, da sie von den jeweiligen Verhältnissen abhängen. Sie werden sich u. a. beziehen auf den Anstellungsmodus der ersten Bienen, bevor die Beiträge während der vorgeschriebenen Anzahl Monate geleistet werden konnten u. dgl. Fußnoten: [1] Statistischen Beweis hierfür siehe Anhang 1, Seite 71. [2] Dieser Arbeitsvertrag der Bienenstöcke kommt im nächsten Kapitel zur Besprechung. [3] Statistischen Beweis hierfür siehe Anhang 2, Seite 73. [4] Andere, weniger wichtige Formen von Bienenstöcken siehe Anhang 3, S. 74. [5] Schmoller. [6] Siehe Anhang 4, Seite 75. [7] Das Warenhaus als Privatunternehmen hat keinen gemeinnützigen Zweck; es ist hier bloß erwähnt um zu beweisen, daß die Technik des Betriebes großer Warenlager etwas durchaus bekanntes, keinerlei Schwierigkeiten bietendes ist. [8] Siehe Anhang 5, Seite 77. [9] Beweis hierfür siehe Anhang 6, Seite 78. [10] Siehe Anhang 5, Seite 77. [11] Siehe Anhang 7, Seite 82. [12] Der Gesamtschaden des großen amerikanischen Kohlenarbeiterstreiks 1902 betrug nach der offiziellen Feststellung durch das Schiedsgericht 396 Millionen Mark, der amerikanische Stahlarbeiterstreik 1901 kostete 100 Millionen Mark, der belgische Generalstreik im Jahre 1902: 3 Millionen Franks täglich. [13] Siehe Anhang 8, Seite 83. [14] Siehe Anhang 9, zwischen Seite 84 und 85. [15] Durchschnittlicher Jahreslohn 700-1000 Mark. Siehe Anhang 1, Seite 71. [16] Siehe Anhang 8, S. 83. [17] Siehe Anhang 6, Seite 78. [18] Siehe Anhang 1, Seite 71. [19] Siehe Anhang 1, Seite 71. [20] Siehe Anhang 6, Seite 78. [21] Vorbilder dazu sind schon vorhanden bei einigen englischen Genossenschaften, welche ganze Stadtanleihen übernommen haben. [22] Siehe Anhang 1, Seite 71, und Anhang 6, Seite 78. [23] Diese Summe von 200 Mark als Gesamt-Jahresausgabe pro Kopf im Mittel dürfte wohl wesentlich zu niedrig gegriffen sein. [24] Nach der Zeitschrift des Kgl. Preußischen Statistischen Bureaus 1902. [25] Der Rest von M. 1191990 wahrscheinlich für Tantiemen, Vorträge etc. verwendet. [26] Siehe Beilage Nr. 1 zum Volksvertrag. [27] Beispiel: Bei 9 Volksräten müssen mindestens 7 anwesend sein, denn ¾ × 9 = 6¾, aufgerundet auf 7. -- Bei 10 Volksräten müssen 8 anwesend sein, denn ¾ × 10 = 7½, aufgerundet auf 8. -- Bei 11 Volksräten ebenfalls 8, denn ¾ × 11 = 8¾, abgerundet auf 8. [28] Um die verschiedenen Kategorien von Beamten in ihrem Verhältnis zur Volkskasse zu unterscheiden, genügt es, einfach Ordnungszahlen einzuführen und z. B. einen Anfänger oder Lehrling als Primus, einen ungelernten Gehilfen oder Handlanger als Sekundus, das gelernte laufende Personal für die niederen Arbeiten als Tertius, einen Vorarbeiter oder mittleren Verwaltungsbeamten als Quartus zu bezeichnen u. s. w. bis hinauf zu dem höchsten leitenden Beamten oder Dezimus. Mehr als zehn Stufen sind nicht erforderlich. Diese oder ähnliche Worte bezeichnen genau das Verhältnis zur Gesamtverwaltung, ohne die Bedeutung eines Titels zu haben oder als solche gebraucht werden zu können. [29] Muster eines Brüderscheins siehe Beilage Nr. 2 zum Volksvertrag. [30] Senioren sind diejenigen Bienen, welche durch die Zahl ihrer Dienstjahre das Recht erworben haben, ihr volles Normaleinkommen weiter zu beziehen ohne zu arbeiten. Es ist damit nicht notwendig der Begriff des Alters zu verbinden. Die Senioren sind infolge ihrer Dienste eine Art Ehrenmitglieder der Bienenstöcke. [31] Um die verschiedenen Kategorien von Bienen in ihrem Verhältnis zum Bienenstock zu unterscheiden, genügt es, einfache Ordnungszahlen einzuführen, z. B. einen Anfänger oder Lehrling als Primus, einen ungelernten Gehilfen oder Handlanger als Sekundus, einen gelernten Handwerker als Tertius, einen Vorarbeiter als Quartus usw. zu bezeichnen, bis etwa hinauf zu dem höchsten leitenden Beamten, welcher ein Dezimus wäre. Dieselben Bezeichnungen wären in analoger Weise auf die Verwaltungsbeamten anzuwenden. Mehr als zehn Stufen sind nicht erforderlich. Diese oder ähnliche Worte bezeichnen genau das Verhältnis zur Gesamtverwaltung, ohne die Bedeutung eines Titels zu haben oder als solcher gebraucht werden zu können. Anmerkungen zur Transkription: In "Dieser Vertrag heißt »*Arbeitsvertrag der Bienenstöcke*«." stand nach "Arbeitsvertrag" ein zusätzliches schließendes Anführungszeichen. Dieses wurde entfernt, da der ganze Terminus gesperrt gedruckt und von Anführungszeichen umschlossen ist. In "Diese Wohnungen dürfen niemals an die Bienen verkauft werden, um ein Abhängigkeitsverhältnis derselben vom Bienenstock zu vermeiden." stand Anhängigkeitsverhältnis und wurde zu Abhängigkeitsverhältnis geändert. *** End of this LibraryBlog Digital Book "Solidarismus - Natürliche wirtschaftliche Erlösung des Menschen" *** Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.