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Title: A. van Dyck
Author: Knackfuss, H. (Hermann)
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "A. van Dyck" ***


  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

    Der vorliegende Text wurde anhand der 1902 erschienenen Buchausgabe
    so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische
    Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und
    altertümliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original
    unverändert; fremdsprachliche Zitate wurden nicht korrigiert.

    Einige Abbildungen wurden zwischen die Absätze verschoben
    und zum Teil sinngemäß gruppiert, um den Textfluss nicht zu
    beeinträchtigen. Das Verzeichnis der Abbildungen wurde vom
    Bearbeiter der Übersichtlichkeit halber an den Anfang des Buches
    verschoben.

    Besondere Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit
    den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:

      fett:          =Gleichheitszeichen=
      gesperrt:      +Pluszeichen+
      Antiqua:       ~Tilden~
      unterstrichen: _Unterstriche_

  ####################################################################



                          Liebhaber-Ausgaben

                            [Illustration]



                         Künstler-Monographien

                In Verbindung mit Andern herausgegeben

                                  von

                              H. Knackfuß

                                 XIII

                              A. van Dyck

                       =Bielefeld= und =Leipzig=

                     Verlag von Velhagen & Klasing

                                 1902



                              A. van Dyck

                                  Von

                             H. Knackfuß.

            Mit 61 Abbildungen von Gemälden und Zeichnungen

                            Vierte Auflage

                            [Illustration]

                       =Bielefeld= und =Leipzig=

                     Verlag von Velhagen & Klasing

                                 1902



Von diesem Werke ist für Liebhaber und Freunde besonders luxuriös
ausgestatteter Bücher außer der vorliegenden Ausgabe

_eine numerierte Ausgabe_

veranstaltet, von der nur 100 Exemplare auf Extra-Kunstdruckpapier
gedruckt sind. Jedes Exemplar ist in der Presse sorgfältig numeriert
(von 1-100) und in einen reichen Ganzlederband gebunden. Der Preis
eines solchen Exemplars betragt 20 M. Ein Nachdruck dieser Ausgabe, auf
welche jede Buchhandlung Bestellungen annimmt, wird nicht veranstaltet.

    =Die Verlagshandlung.=


Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.



[Illustration: +Anton van Dyck.+ Selbstbildnis des Meisters in der
königl. Galerie der Uffizien zu Florenz.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E., Paris und New York. (Zu Seite 64).]



Verzeichnis der Abbildungen.


     Abb.                                                          Seite

        Anton van Dyck (Titelbild).

     1. Jugendliches Selbstbildnis des Meisters                        2

     2. Reiterbild Karls V.                                            3

     3. Der heilige Sebastian                                          7

     4. Die Dornenkrönung                                              9

     5. Ein Senator von Genua                                         10

     6. Die Gemahlin des Senators                                     11

     7. Abbildung eines italienischen Edelmannes                      12

     8. Bildnis eines jungen Mannes                                   13

     9. Genofeva von Urfé, Herzogin von Croy                          14

    10. Karl Alexander, Herzog von Croy                               15

    11. Tanzende Engel                                                16

    12. Christus am Kreuze                                            17

    13. Bildnis eines Unbekannten                                     18

    14. Beweinung Christi                                             19

    15. Sogenannter Bürgermeister von Antwerpen                       20

    16. Sogenannte Bürgermeisterin von Antwerpen                      21

    17. Wolfgang Wilhelm von der Pfalz-Neuburg, Herzog von Jülich
        und Berg                                                      22

    18. Beweinung Christi                                             23

    19. Beweinung Christi                                             25

    20. Der Leichnam Christi von Engeln beweint                       26

    21. Maria, Jesus und Johannes                                     27

    22. Ruhe auf der Flucht nach Ägypten                              29

    23. Der Maler Jan de Waal und seine Frau                          30

    24. Christus und der geheilte Gichtbrüchige                       32

    25. Susanna im Bade                                               33

    26. Der Bildhauer Andreas Colyns de Nole                          35

    27. Der Kupferstecher Karl de Mallery                             36

    28. Der heilige Sebastian                                         37

    29. Danae                                                         39

    30. Der Organist Heinrich Liberti                                 41

    31. Der Maler Fr. Snyders und seine Frau                          43

    32. Diana und Endymion, von einem Satyr überrascht                45

    33. Bildnis eines älteren Herrn                                   46

    34. Simson und Delila                                             47

    35. Der Maler Kaspar de Crayer                                    50

    36. Maria Luisa de Tassis                                         51

    37. Bildnis einer jungen Dame                                     53

    38. Bildnis eines älteren Herrn                                   54

    39. Bildnis einer älteren Dame                                    55

    40. Wallenstein                                                   56

    41. Gustav Adolf von Schweden                                     57

    42. Van Dycks Selbstporträt mit der Sonnenblume                   58

    43. König Karl I. von England                                     59

    44. Henriette Marie, Königin von England                          61

    45. Anton van Dyck und Sir Endymion Porter                        63

    46. Der Kardinal-Infant Don Ferdinand von Österreich              64

    47. Allegorisches Bild der Lady Venetia Digby                     65

    48. Beweinung Christi                                             67

    49. Christus am Kreuz                                             69

    50. Die Anbetung der Hirten                                       70

    51. König Karl I. von England                                     71

    52. König Karl I. von England und sein Stallmeister Sir
        Thomas Morton                                                 74

    53. Die Kinder Karls I. von England: Prinzessin Maria, Prinz
        Jakob, Prinz Karl, Prinzessin Elisabeth und Prinzessin Anna   75

    54. Die Kinder Karls I. von England: Karl, Prinz von Wales;
        Jakob, Herzog von York; Prinzessin Maria                      77

    55. Lady Diana Cecil, Gräfin von Oxford                           78

    56. Beatrix von Cusance, Prinzessin von Cantecroix                79

    57. Charles Cavendish                                             80

    58. Lords John und Bernard Stuart                                 81

    59. Englische Wappenherolde                                       84

    60. Maria Ruthven, die Gattin des Meisters                        85



Anton van Dyck.


Unter den zahlreichen Nachfolgern und Schülern des Rubens hat keiner
so festgegründetes Anrecht auf bleibenden Ruhm erworben wie Anton
van Dyck: kein von mächtigem Schöpfergeist getragener Künstler
gleich seinem großen Meister, aber auf dem begrenzten Gebiet der
Bildnisdarstellung einer der größten Maler aller Zeiten. Anton van Dyck
erblickte das Licht der Welt zu Antwerpen am 22. März 1599. Sein Vater
Franz van Dyck war ein begüterter Kaufmann. Nach der Überlieferung
der alten Biographen wäre derselbe mit seiner Ehefrau Maria Cuypers
oder Kupers aus Herzogenbusch nach Antwerpen gekommen. Doch entbehrt
diese angebliche Einwanderung aus Holland jeder Beglaubigung. Vielmehr
war schon der Großvater als Kaufmann in Antwerpen ansässig, und
es ist anzunehmen, daß die stolze vlämische Handelsstadt die alte
Heimat des Geschlechts war. Der Name van Dyck kommt im Laufe des XVI.
Jahrhunderts mehrmals in den Verzeichnissen der St. Lukas-Gilde vor;
ein Familienzusammenhang dieser vergessenen Maler mit demjenigen, der
den Namen berühmt machte, hat sich indessen nicht nachweisen lassen.
Eine unverbürgte Nachricht meldet, daß Franz van Dyck Glasmaler gewesen
sei, bevor er zum Kaufmannsstande überging. Von Maria Cuypers wird
erzählt, daß sie eine große Kunstfertigkeit im Sticken besaß. Eine
umfangreiche Stickerei, an welcher sie bis kurz vor der Geburt Antons
-- des siebenten in einer Reihe von zwölf Geschwistern -- arbeitete,
wird besonders namhaft gemacht; die Geschichte der biblischen Susanna
war darin, von schönem Rankenwerk umgeben, dargestellt. Frau Maria
starb nach der Geburt ihres zwölften Kindes am 17. April 1607. Sie mag
in Anton schon frühzeitig den Erben ihrer künstlerischen Veranlagung
erkannt haben, und gern nehmen wir an, daß sie es war, die in ihm
den keimenden Kunsttrieb pflegte und entwickelte. Man findet in der
künstlerischen Eigenart van Dycks sein ganzes Leben hindurch etwas
von weiblicher Empfindungsweise; das ist sein Besonderes, dasjenige,
wodurch er sich am augenfälligsten von dem stark männlichen Rubens
unterscheidet. Von seinen Geschwistern widmeten sich mehrere einem
zurückgezogenen geistlichen Leben. Bei ihm scheint hinsichtlich der
Berufswahl schon im Kindesalter kein Zweifel bestanden zu haben.
Bereits im Jahre 1609 wurde Anton van Dyck in das Namensverzeichnis
der St. Lukas-Gilde eingetragen, und zwar als Schüler des Heinrich van
Balen. Bereits am 11. Februar 1618 wurde Anton van Dyck als Freimeister
in die Gilde aufgenommen. Die früh erreichte Meisterschaft verdankte
er nicht allein dem Unterricht des wackeren van Balen, sondern in
höherem Maße seiner Tätigkeit in der Werkstatt des Rubens, in die
er nach einigen Jahren der Unterweisung durch jenen älteren Meister
aufgenommen wurde. Um dieser Vergünstigung, nach welcher damals viele
vergeblich strebten, teilhaftig zu werden, muß der noch sehr junge
angehende Maler schon bedeutende Proben seiner Begabung abgelegt haben.
Auch nach erreichtem Meisterrecht verblieb Anton van Dyck noch zwei
Jahre lang in dem Schülerverhältnis zu Rubens. Es war die Zeit, wo der
große Antwerpener Meister auch nicht annähernd mehr imstande war,
die Flut von Bestellungen, die auf ihn eindrang, durch eigenhändige
Arbeit zu bewältigen, so daß er die Mithilfe seiner auserlesenen
Schüler in reichstem Maße in Anspruch nahm. Zunächst mußte van Dyck
in Rubens’ Werkstatt sich üben an der Nachbildung von Werken großer
italienischer Maler, welche die Sammlung seines Lehrers zierten.
Derartige Nachbildungen waren aber keineswegs getreue Kopien, es
waren vielmehr freie Bearbeitungen der gegebenen Vorbilder, sozusagen
Übersetzungen derselben in die Formensprache der eigenen Zeit. Ein
Belegstück hierfür ist van Dycks Reiterbild Karls V., welches sich
in der Uffiziengalerie zu Florenz befindet, und welches zweifellos
ein und dasselbe ist mit einem als „Kaiser Karl V. nach Tizian“
bezeichneten Gemälde van Dycks, das im Verzeichnis des Rubensschen
Nachlasses namhaft gemacht wird: beim ersten Anblick dieses Gemäldes
möchte man eher an ein Urbild von Rubens als an ein solches von
Tizian denken (Abb. 2). Aus der Lehrzeit bei van Balen brachte der
junge van Dyck eine besondere Geschicklichkeit, in kleinem Maßstabe
grau in grau zu malen, mit. Darum betraute Rubens ihn gern mit der
ehrenvollen Aufgabe, nach seinen großen Gemälden die Vorlagen für
deren Kupferstichnachbildung anzufertigen. Aber die Haupttätigkeit
van Dycks während seiner Ausbildungszeit bei Rubens bestand darin,
daß er die Entwürfe des Meisters im großen auf die Leinwand übertrug
und bald mehr, bald weniger ausführte, so daß für Rubens selbst zur
Vollendung des Bildes nur eine geringere oder stärkere Überarbeitung --
unter Umständen auch wohl gar nichts -- zu tun übrigblieb. Wir wissen,
daß Rubens den Käufern seiner Bilder gegenüber die Mitwirkung der
Schüler an denselben gewissenhaft angab und je nach dem Maß dieser
Mitwirkung den Preis niedriger ansetzte. Wenn Rubens in einem Brief an
Sir Dudley Carleton (vom 28. April 1618) ein Bild, welches den Achilles
unter den Töchtern des Lykomedes vorstellte, als von seinem besten
Schüler gemalt bezeichnet, so nehmen wir gern an, daß mit diesem besten
Schüler van Dyck gemeint sei. Aus der Art und Weise, wie Rubens von
diesem Bilde spricht, möchte man fast schließen, daß auch der Entwurf
desselben von dem Schüler und nur die letzte Übermalung von dem Meister
herrührte. Auf solche Weise wird es wohl begreiflich, daß es aus der
Zeit gegen das Jahr 1620 eine ganze Anzahl von Bildern gibt, bei
denen es völlig zweifelhaft bleibt, ob sie mit mehr Recht dem Rubens
oder dem van Dyck zuzuschreiben sind. In seinen großen Kompositionen
kirchlichen und weltlichen Inhalts zeigt sich van Dyck zeitlebens als
in der Erfindung von Rubens abhängig. Nicht als ob man ihn schlechtweg
als dessen Nachahmer bezeichnen dürfte; aber fast alle seine derartigen
Werke erinnern an inhaltsgleiche oder verwandte Schöpfungen des großen
Meisters. Nur fehlt ihnen dessen ursprüngliche Kraft und blendende
Farbenpracht; es tritt vielmehr eine Neigung zu weicheren Stimmungen,
sowohl in der Empfindung wie in der Farbe, zu Tage.

[Illustration: Abb. 1. +Jugendliches Selbstbildnis des Meisters.+
In der königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 5.)]

[Illustration: Abb. 2. +Reiterbild Karls V.+ In der königl. Galerie der
Uffizien zu Florenz.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E., Paris und New York. (Zu Seite 2.)]

Als das erste Werk, welches van Dyck selbständig ausführte, wird die
für die Dominikanerkirche St. Paul zu Antwerpen gemalte und noch in
dieser Kirche befindliche Kreuztragung Christi namhaft gemacht. Es
ist nicht unwahrscheinlich, daß dieses Gemälde schon im Jahre 1617
entstanden ist. Aber noch im Jahre 1620 finden wir van Dyck damit
beschäftigt, Entwürfe seines Meisters auszuführen. Sein Name wird
ausdrücklich genannt in dem Vertrage, welchen die Antwerpener Jesuiten
im März 1620 mit Rubens über die Ausmalung der Deckengewölbe ihrer
Kirche abschlossen.

Mit einundzwanzig Jahren war van Dyck, trotz des noch bestehenden
Schülerverhältnisses zu Rubens, schon ein berühmter Maler. Zwar
hatte er auf dem Gebiet, auf welchem er später unsterblichen Ruhm
erringen sollte, in der Bildnismalerei, noch kaum namhafte Proben
seines Könnens abgelegt. Zwei Porträts, die als Erzeugnisse des Jahres
1618 irgendwo erwähnt werden, sind später verschollen. Um 1620 muß
das Selbstbildnis des jungen Künstlers entstanden sein, welches die
Münchener Pinakothek besitzt. Da zeigt uns der schon so früh Bewunderte
ein zartes, hübsches Gesicht, von üppigem blonden Haar umgeben, und
blickt uns aus dunkelblauen Augen mit einem liebenswürdigen Lächeln an
(Abb. 1). Von einigen anderen Bildnissen vermutet man auf Grund der
Malweise, daß sie diesem Abschnitt seines Lebens angehören. Solche sind
die beiden Brustbilder des Landschaftsmalers Jan Wildens, von denen
sich das eine in der fürstlich Liechtensteinschen Sammlung zu Wien,
das andere in der Kasseler Gemäldegalerie befindet, und das Brustbild
einer Dame in mittleren Jahren, ebenfalls in Kassel. Besonders diese
letztere erinnert sehr auffallend an die Art des Rubens, dem die feine
Zusammenstimmung der hellen Gesichtsfarbe mit dem Weiß der Krause sehr
glücklich abgelauscht ist. Das sind schöne Bildnisse; aber doch keine
Werke, die damals in Antwerpen ungewöhnliches Aufsehen hätten erregen
können. Aber man glaubte in van Dyck in seiner Eigenschaft als Schöpfer
großer, figurenreicher und farbenprächtiger Darstellungen einen zweiten
Rubens heranwachsen zu sehen. Namentlich in Gemälden kirchlichen
Inhalts schien derselbe erfolgreich mit seinem Lehrer zu wetteifern.
Die Bewunderer vergaßen, daß dasjenige, was sie für Ebenbürtigkeit
hielten, zum großen Teil nur die Aufnahmefähigkeit eines gelehrigen
Schülers war. In deutschen Sammlungen befinden sich verschiedene
bezeichnende Beispiele von religiösen Malereien van Dycks aus dieser
Zeit. Ob dieselben jemals zum Aufstellen auf Altären bestimmt gewesen
sind, darf man wohl bezweifeln. Es hat eher den Anschein, als ob der
Rubensschüler bei der freien Wahl von Stoffen, an denen er seine junge
Kraft erproben wollte, durch eine persönliche Vorliebe zu derartigen
Gegenständen geführt worden sei. Den Käufern von Gemälden war ja bei
dem damaligen hohen Stand des Kunstsinnes in den Niederlanden der
Gegenstand eines Bildes Nebensache, sie schätzten dasselbe nur nach
seinen künstlerischen Eigenschaften. Darum darf man sich andererseits
auch nicht darüber wundern, wenn man Gemälden begegnet, in denen weiter
nichts als der Gegenstand kirchlich ist und jede Spur von religiöser
Auffassung fehlt. So hat das der Zeit um 1620 angehörige Bild von van
Dyck in der Münchener Pinakothek, welches den heiligen Sebastianus
darstellt, seine Entstehung augenscheinlich in erster Linie dem Wunsche
des jungen Malers, Gelegenheit zum Malen einer schönen nackten Gestalt
zu finden, zu verdanken. Der Heilige, ein kräftig gebauter Jüngling von
blendend heller Hautfarbe, wird von muskelstarken Schergen an einen
Baum gebunden. Reiter in blitzendem Waffenschmuck beaufsichtigen die
Vollstreckung des Befehls (Abb. 3). Von einer Vertiefung des Künstlers
in den Gehalt seiner Aufgabe im kirchlichen Sinne, als Schilderung
eines Helden, der für seinen Glauben in den Tod geht, ist -- trotz
der himmelwärts gewendeten Blicke Sebastians -- gar keine Rede. Nicht
einmal von einer Vertiefung nach der rein menschlichen Seite hin.
Wenn wir den Körper des Heiligen bewundern, so haben wir der Absicht
des Malers genug getan; daß wir von dessen Geschick ergriffen werden
sollen, verlangt derselbe nicht von uns. Dem leuchtenden Fleischton
der jugendlichen Gestalt ordnet sich auch in der Farbe alles andere
im Bilde unter. Diese Farbe bewegt sich in echt Rubensschen Tönen;
nur daß von einem düsteren Ton der Luft aus die Stimmung etwas von
dem besonderen Charakter van Dycks bekommt. Das Rot der Fahne, welche
der eine Reiter hält, ist so frisch und kräftig, als ob Rubens selbst
es hingestrichen hätte. Eine Besonderheit von van Dyck, die auch in
vielen seiner späteren Gemälde auffällt, ist die, daß der Maßstab etwas
unter Lebensgröße ist. -- Ein Zeigenwollen des Könnens -- der genialen
Faust möchte man sagen -- des Rubensschülers spricht aus dem Bilde im
Museum zu Berlin, welches den Täufer und den Evangelisten Johannes
nebeneinander stehend enthält, und das um eben dieser Zusammenstellung
willen, die keine Handlung enthält, am ersten als wirkliches Altarbild
gedacht zu sein scheint. Ernster in religiösem Sinne aufgefaßt ist
das andere Bild des Berliner Museums, welches die Dornenkrönung
Christi darstellt. Die mächtigen Formen und die starken Bewegungen
der Schergen, von denen einer einen blitzenden Eisenharnisch trägt,
die Farbengebung und der ganze Gesamteindruck des Gemäldes verraten
das erfolgreiche Studium der Rubensschen Art und Weise. Aber durch
die Rubensschen Formen und Farben hindurch spricht eine persönliche
Stimmung. Der Gestalt des leidenden Erlösers sieht man es an, daß ihre
Auffassung aus einer wirklichen, innerlichen Empfindung des Malers
hervorgegangen ist. Es scheint, daß van Dyck, von dem gesagt wird,
daß er immer das Leiden besser habe schildern können als das Handeln,
hier einen Gegenstand nach seinem Herzen gefunden hat. Die Berliner
Dornenkrönung ist eine nur wenig veränderte Wiederholung von einem im
Pradomuseum zu Madrid befindlichen Gemälde. Dieses letztere, als das
ursprünglichere, gibt sich durch den tiefen Ernst seiner Stimmung --
bei großem Reichtum der Farben -- in noch höherem Maße wie jenes als
der echte Ausdruck wahren künstlerischen Gefühls zu erkennen (Abb. 4).
König Philipp IV. von Spanien, der dieses Gemälde aus dem Rubensschen
Nachlaß erwarb, hielt dasselbe für kirchlich genug, um den Escorial zu
schmücken; dasselbe hat dort im Kloster den ihm zugewiesenen Platz inne
gehabt bis zur Einrichtung des Madrider Museums im Jahre 1818.

[Illustration: Abb. 3. +Der heilige Sebastian.+ In der königl.
Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 6.)]

[Illustration: Abb. 4. +Die Dornenkrönung.+ Im Pradomuseum zu Madrid.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E., Paris und New York. (Zu Seite 6.)]

[Illustration: Abb. 5. +Ein Senator von Genua.+

Im königl. Museum zu Berlin. (Zu Seite 17.)]

[Illustration: Abb. 6. +Die Gemahlin des Senators Abb. 5.+

Im königl. Museum zu Berlin. (Zu Seite 17.)]

Derartige Schöpfungen konnten den Augen feiner Kenner wohl offenbaren,
daß der junge van Dyck ein nicht zu unterschätzendes persönliches
Kunstvermögen besaß. Aber was der großen Mehrheit am meisten in die
Augen stach, war doch wohl nicht dieses Eigene, sondern im Gegenteil
der Umstand, daß er so ähnlich komponierte und malte wie Rubens. Darum
setzten namentlich die englischen Kunstliebhaber, die nicht genug
Rubenssche Bilder bekommen konnten, auf ihn ihre Hoffnung, und es
wurde der Versuch gemacht, ihn nach England herüberzuziehen. In einem
Briefe, welchen der große englische Kunstfreund Graf Thomas Arundel
von seinem in Antwerpen sich aufhaltenden Geschäftsträger empfing (vom
17. Juli 1620), findet sich die bemerkenswerte Stelle: „Van Dyck wohnt
bei Herrn Rubens, und seine Werke fangen an, beinahe ebenso geschätzt
zu werden wie diejenigen seines Meisters. Er ist ein junger Mann
von etwa zwanzig Jahren und der Sohn sehr reicher Eltern in dieser
Stadt, weshalb es schwer sein wird, ihn zum Verlassen der Heimat zu
bewegen, zumal er sieht, welches Vermögen Rubens hier erwirbt.“ Wenn
in der Tat bei dem jungen Maler Abneigung oder Bedenken gegen eine
Übersiedelung nach England bestanden, so mußten dieselben schwinden
gegenüber einer Berufung durch den englischen König selbst. Gegen Ende
November 1620 befand sich „Rubens’ berühmter Schüler“ -- wie er in
einem Schreiben an Sir Dudley Carleton, dem wir die erste Nachricht
hierüber verdanken, genannt wird -- in England, und König Jakob I.
hatte ihm ein Jahresgehalt von 100 Pfund Sterling ausgeworfen. Wir
erfahren nicht viel über van Dycks Tätigkeit während dieses seines
ersten Aufenthaltes in England. Am 28. Februar des folgenden Jahres
erhielt er einen achtmonatlichen Urlaub. Nach der Form, in welcher
ihm der Reisepaß bewilligt wurde, hätte van Dyck im Herbst 1621 nach
England zurückkehren sollen. Für die Annahme, daß er dieses, wenn
auch nur zu kurzem Aufenthalt, getan habe, gibt es keine Belege. Es
drängte ihn, möglichst bald nach Italien zu reisen und durch Anblick
der Meisterwerke des vorhergegangenen Jahrhunderts seine Ausbildung zu
vervollständigen. Auch Rubens, der ja selbst die schönsten Jahre seiner
Jugend in Italien verbracht hatte, mochte dem jungen Kunstgenossen zu
dieser Reise raten, -- freilich nicht, wie böse Zungen zu flüstern
wußten, aus Neid, um einen gefahrdrohenden Nebenbuhler aus Antwerpen
fortzuschaffen. Als van Dyck nach dem Süden aufbrach, gab er seinem
verehrten Lehrer Rubens als Abschiedsgeschenk ein Gemälde, welches die
Gefangennahme Christi darstellte. Aus dem Verzeichnis der Kunstwerke
des Rubensschen Nachlasses erfahren wir, daß dieses Bild neben noch
mehreren anderen von der Hand des berühmten Schülers die Sammlung
des Meisters bis zu dessen Tode schmückte; bei der Veräußerung des
Nachlasses wurde es vom König von Spanien erworben und befindet
sich jetzt im Museum zu Madrid. Es ist ein Werk von ansehnlichem
Umfang, dreieinhalb Meter hoch und zweieinhalb Meter breit, und von
überlebensgroßem Maßstab. Die Schilderung des Vorganges faßt, nach dem
Beispiel früherer Meister, den Kuß des Judas, das Einstürmen der rohen
Häscher auf den verratenen Christus und den Zorn des Petrus, der mit
wuchtigem Schwerthieb den Malchus zu Boden wirft, in einen Augenblick
zusammen. Die Empfindungsweise, aus der das Gemälde hervorgegangen ist,
ist die nämliche wie bei jener Dornenkrönung. Aber die Farbe erinnert
hier weniger als dort an Rubens. Es ist ein düsteres Nachtstück mit
greller Beleuchtung durch den roten Schein der Fackeln, prächtig in
der Wirkung. Wohl keins von den späteren Geschichtsbildern van Dycks
erreicht eine solche Mächtigkeit des Eindruckes wie dieses. Die
Ansehnlichkeit des Geschenkes bekundet, daß van Dyck sich wohl bewußt
war, wie großen Dank er Rubens für dessen Unterweisung schuldete. Es
wird erzählt, daß er als Gegengeschenk von dem Meister eines von dessen
andalusischen Pferden für die Reise empfing. -- Die Überlieferung weiß
ein romantisches Geschichtchen zu berichten von einer Liebschaft,
welche den jungen Maler gleich nach Antritt seiner Reise in dem
zwischen Löwen und Brüssel gelegenen Dorfe Saventhem festgehalten
hätte und Veranlassung geworden wäre, daß van Dyck für die dortige
Kirche zwei Gemälde ausführte. Das Geschichtchen ist von der Forschung
beseitigt worden; seine Entstehung mag in der beglaubigten Tatsache
gesucht werden, daß van Dyck in Saventhem -- aber erst im Jahre 1629 --
um die Hand von Isabella van Ophem, einer Tochter des Landvogts Martin
van Ophem anhielt, die ihm indessen verweigert wurde. Die dortige
Kirche besitzt ein Gemälde von der Hand van Dycks, welches den heiligen
Martin darstellt. Aber dasselbe verdankt seine Entstehung nicht der
Liebe, sondern einer Bestellung, welche Ferdinand von Boisschot, Herr
zu Saventhem, dem jungen Künstler im Jahre 1621 machte. Das Bild gehört
zu denjenigen, welche noch ganz in Rubensscher Weise erdacht sind. Der
heilige Martin hält auf einem prächtigen Schimmel, der ungeduldig mit
dem Huf scharrt, neben dem am Boden sitzenden nackten Bettler. Mit
einem Schnitt seines Degens hat er den Mantel in zwei Hälften geteilt.
Der Bettler hat das herabfallende Stück, noch ehe die Hand des Gebers
dessen Ende losgelassen hat, ergriffen, um sich darin einzuwickeln; die
andere Hälfte bleibt auf der Schulter des Reiters liegen. Ein zweiter
Bettler blickt mißgünstig auf in der Erwartung, daß auch ihm eine Gabe
zu teil werden soll. Dessen häßliches Gesicht und grobe, lumpenbedeckte
Formen bilden einen wirkungsvollen Gegensatz gegen die vornehme
Erscheinung des Martinus, eines feinen Jünglings mit einem Gesicht
von echt van Dyckscher Sanftheit. In blitzender Rüstung, mit einem
federgeschmückten Barett über den Locken, hebt die Gestalt des Heiligen
sich farbenprächtig ab von dem Blau und Silbergrau einer wolkigen Luft,
zwischen den dunklen Massen seiner berittenen Begleitung einerseits und
einer Gebäudeecke andererseits. Daß das schöne Gemälde seinen Platz
in der Dorfkirche hat behaupten können, ist merkwürdig genug. Um die
Mitte des XVIII. Jahrhunderts widersetzten die Einwohner des Ortes
sich mit bewaffneter Hand dem beabsichtigten Verkaufe dieses Schatzes
ihrer Kirche. In der Napoleonischen Zeit war es nur unter dem Schutze
einer Truppenabteilung möglich, das Bild aus der Kirche zu holen, um
es, wie so viele andere kostbare Gemälde, nach Paris zu schaffen. Bei
der Rückerstattung der geraubten Kunstwerke im Jahre 1815 wurde es
zur Freude der Bevölkerung an seinen alten Platz zurückgebracht. Ein
Versuch, dasselbe zu stehlen, der einige Jahre später gemacht wurde,
gab Veranlassung zu besonderen Vorsichtsmaßregeln zum Schutze des
kostbaren Kunstbesitzes.

Das zweite Altarbild, welches van Dyck für die Kirche zu Saventhem
malte, stellte die heilige Familie dar. Dasselbe entstand erst nach der
Rückkehr des Künstlers aus Italien, wahrscheinlich in dem genannten
Jahre 1629. Dieses ist nicht mehr vorhanden. Es fiel schon im Jahre
1673 der Raub- oder Zerstörungslust einer Mordbrennerschar Ludwigs XIV.
zum Opfer.

[Illustration: Abb. 7. +Bildnis eines italienischen Edelmannes.+

In der königl. Gemäldegalerie zu Kassel.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München.

(Zu Seite 17.)]

[Illustration: Abb. 8. +Bildnis eines jungen Mannes.+ In der königl.
Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 18.)]

Wann Anton van Dyck, der in so jungen Jahren schon auf eine
erstaunliche Menge von ansehnlichen Werken zurückblicken konnte, seine
italienische Reise antrat, darüber gehen die Angaben auseinander. Am
1. Dezember 1622 starb sein Vater. Nach der meistverbreiteten Annahme
war er an dessen Sterbebett zugegen und reiste einige Monate später,
also im Jahre 1623, von Antwerpen ab. Nach einem anderen Bericht aber
machte van Dyck sich schon im Herbst 1621 auf den Weg nach Italien.
Wenn wir diesem letzteren Bericht folgen, so finden wir van Dyck, den
der mit Rubens befreundete italienische Edelmann Vanni begleitete,
in der zweiten Hälfte des Novembers 1621 in Genua. Hier fand er
freundliche Aufnahme bei Landsleuten und Kunstgenossen, den Brüdern
Lukas und Cornelius de Wael. Nach einem Aufenthalt von einigen Wochen
in Genua, wo schon die Erinnerung an Rubens ihm das wohlwollendste
Entgegenkommen der mächtigen Adelsfamilien der Stadt sicherte, begab
er sich zu Schiff nach Civitavecchia, um Rom zu erreichen. Auch die
ewige Stadt fesselte ihn jetzt nur für kurze Zeit. Sein Verlangen
war auf Venedig gerichtet, wo er die Großmeister der Farbe an der
Quelle studieren wollte. Als er auf dem Wege dorthin sich in Florenz
aufhielt, malte er den Oheim des Großherzogs Ferdinand II., Lorenzo
de’ Medici, und wurde von diesem beschenkt. In Venedig gab er sich
mit Fleiß dem Studium der farbenprächtigen Schöpfungen der alten
Meister, insbesondere derjenigen Tizians, hin. Er hat unverkennbare
Vorteile aus diesem Studium gezogen. Man gewahrt in seinen damaligen
und späteren Werken deutlich die Einwirkung von Tizians Farbe auf
seine Geschmacksbildung. Auch in der gewählten malerischen Auffassung
von Bildnissen mag man den Einfluß erkennen, den die Werke des großen
Venezianers auf ihn ausübten. Es wird erzählt, daß van Dycks Geldmittel
während der Studienzeit in Venedig schwach geworden seien und daß er
sich daraufhin nach Genua begeben habe, um dort, wo der Name seines
Lehrers Rubens ihn empfahl, durch das nächstliegende Mittel eines
Malers zum Geldverdienen, durch die Bildnismalerei, seine Verhältnisse
wieder aufzubessern. So hätte ihn die Not auf dasjenige Gebiet geführt,
auf welchem seine eigenste Begabung lag. Wie über den Zeitpunkt des
Antritts seiner Reise nach Italien, so sind auch über seine Hin- und
Herzüge in diesem Lande die Angaben der Berichterstatter widersprechend
und verworren. Nach der annehmbareren Nachricht begab sich van Dyck von
Venedig aus nicht nach Genua, sondern, nach einem Aufenthalt in Mantua,
wo er den Herzog Ferdinand porträtierte, zurück nach Rom. Hier malte
er im Jahre 1622 ein Werk, welches große Anerkennung fand, das schöne,
lebens- und charaktervolle Bildnis des vormaligen päpstlichen Nuntius
in Brüssel, des Kardinals Bentivoglio, das sich jetzt in der Sammlung
des Pittipalastes zu Florenz befindet. Was ihm als Bildnismaler den
höchsten Beifall in den Kreisen der Aristokratie verschaffen mußte,
war die vollendete Vornehmheit der Auffassung, mit welcher er die
Persönlichkeiten wiedergab.

[Illustration: Abb. 9. +Genofeva von Urfé, Herzogin von Croy.+ In der
königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 42.)]

[Illustration: Abb. 10. +Karl Alexander, Herzog von Croy.+ In der
königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 42.)]

Van Dyck selbst war eine durch und durch vornehme Natur, fein gebildet
an Sitten, gleich liebenswürdig in seinem Wesen wie in seinem Äußeren.
Überall gewann er die Herzen in den Kreisen derjenigen, welche ihre
Porträts bei ihm bestellten. Aber in den Kreisen seiner Landsleute und
Kunstgenossen in Rom erregte er heftigen Anstoß durch seine feinen
Sitten und durch die Gewohnheit, sich in gewählter Weise zu kleiden und
sich mit zahlreicher Dienerschaft zu umgeben. Denn in der vlämischen
Malerkolonie zu Rom war es Stil, ein möglichst ungeschlachtes Benehmen
zur Schau zu tragen und die Mußestunden durch ein wüstes Kneipenleben
auszufüllen. Derartiges war van Dyck in seinem innersten Wesen zuwider,
und er vermochte es nicht, sich der „Schilderbent“ (Malergesellschaft)
anzuschließen. Dafür erntete er den Spottnamen „der Malerkavalier“
(~il pittore cavalieresco~) und Schlimmeres als dieses: man suchte
nicht nur seine Person, sondern auch sein Können herabzuwürdigen. Ob es
wahr ist, daß ihm hierdurch der Aufenthalt in Rom, wo er manche sehr
bemerkenswerte Erzeugnisse seiner Kunst, wie namentlich das Reiterbild
des Prinzen Karl Colonna (in der Gemäldesammlung des Palastes Colonna)
zurückgelassen hat, verleidet wurde, mag dahingestellt bleiben.
Jedenfalls begab er sich im Herbst des Jahres 1623 wieder nach Genua.
Hier verweilte er nun längere Zeit, und er malte eine Menge von
Bildnissen aus der höchsten Gesellschaft dieser Stadt. Vielleicht noch
vor seiner Ankunft in Genua malte er in Turin mehrere Bildnisse von
Mitgliedern des Hauses Savoyen, darunter ein stolzes Reiterbild des
Prinzen Thomas von Carignan und mehrere allerliebste Kinderporträts,
die sich jetzt sämtlich im Museum zu Turin befinden. Die Beziehungen
zu diesem Fürstenhause veranlaßten van Dyck zu einer Unterbrechung
seines Aufenthalts in Genua. Der Herzog Emmanuel Philibert von Savoyen,
Vicekönig von Sicilien, berief ihn nach Palermo. Van Dyck folgte
der Einladung im Sommer 1624 und malte die Bildnisse des Fürsten
und verschiedener Personen von dessen Hof. Auch fing er ein großes
Altarbild mit vielen Heiligen für die Rosenkranzbruderschaft zu Palermo
an. Aber der Ausbruch der Pest, der der Vicekönig selbst als eines
der ersten Opfer fiel, zwang ihn zum Verlassen der Insel, ehe er mit
den dort begonnenen Werken fertig geworden war. Er blieb nun in Genua
bis zu seiner Heimkehr, als Bildnismaler der vornehmen Welt reichlich
beschäftigt.

[Illustration: Abb. 11. +Tanzende Engelein.+ Zeichnung im Besitz des
Herzogs von Aumale.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E., Paris und New York. (Zu Seite 20.)]

In Genua befindet sich denn auch eine erheblich größere Anzahl von
seinen Werken als irgendwo anders in Italien. In den Marmorpalästen
der Brignole-Sale, Durazzo, Balbi, Spinola blicken, von der Hand des
nordischen Meisters gleichsam lebendig festgehalten, die stolzen
Gestalten der einstigen Besitzer, mit lieblichen Kindererscheinungen
wechselnd, von den Wänden auf den Beschauer herab, und diese Bildnisse
stellen die italienischen Gemälde, von denen sie umgeben sind, in
Schatten. Das Bildnis des Marchese Anton Julius von Brignole-Sale,
der auf einem langmähnigen Schimmel dem Beschauer grüßend im Schritt
entgegenreitet, und dasjenige von dessen Gemahlin Pauline Adorno, die
in reichem blauem Sammetkleide, geschmückt mit den Reizen bestrickender
Jugendschönheit, hoheitsvoll und anmutig dahinschreitet, seien als
ausgezeichnete Meisterwerke besonders erwähnt.

Hinter den Bildnissen steht alles, was Italien an sonstigen Gemälden
von van Dyck bewahrt, wie der Zahl, so auch der Bedeutung nach zurück.
Doch befinden sich immerhin sehr bemerkenswerte Schöpfungen unter
seinen dortigen religiösen Bildern. So zu Rom der jeden Beschauer
ergreifende Christus am Kreuze mit den schmerzvoll zum Himmel
gewendeten Blicken, in der Gemäldesammlung der Villa Borghese; und die
liebenswürdige Heilige Familie im Museum zu Turin.

[Illustration: Abb. 12. +Christus am Kreuze.+

Skizze des für die Kapuzinerkirche zu Dendermonde gemalten Altarbildes.

In der fürstl. Liechtensteinschen Gemäldesammlung zu Wien.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E., Paris und New York. (Zu Seite 20.)]

Von den Werken van Dycks aus seiner italienischen Zeit finden wir,
da die meisten derselben an ihren ursprünglichen Bestimmungsorten
verblieben sind, verhältnismäßig wenige außerhalb Italiens. Doch ist
das Berliner Museum erfreulicherweise in den Besitz von zwei ganz
hervorragenden Prachtstücken gelangt, die aus dem Palast Balbi zu
Genua stammen; von dort hatten sie im vorigen Jahrhundert ihren Weg in
die Sammlung eines englischen Lords gefunden. Es sind die Bildnisse
eines ältlichen Ehepaares, das in feierlicher Prunktracht mit großer
Würdeentfaltung dasitzt. Nach der Überlieferung ist dieser Herr mit
dem klugen Gesicht, mit der mächtigen Stirn und dem feinen Mund der
Senator Bartolommeo Giustiniani, und seine Gemahlin gehört dem Hause
Spinola an. Van Dyck läßt uns hier nicht nur sein hohes Geschick in der
malerischen Bildgestaltung, sondern in ganz besonderm Maße auch die
feine Durcharbeitung des Ausdruckes, die Enthüllung des inneren Wesens
der dargestellten Persönlichkeiten bewundern (Abb. 5 und 6). Auch
die Gemäldegalerie zu Kassel besitzt ein Bildnis in ganzer Figur von
einem unbekannten italienischen Edelmann, das den besten der Genueser
Bildnisse nicht nachsteht und durch den wunderbaren Wohllaut seiner
Farbenharmonie zu seinen vorzüglichsten Schöpfungen im eigentlich
malerischen Sinne gehört (Abb. 7). Der Abgebildete ist ein schlanker
junger Mann, der in zwangloser, aber tadellos vornehmer Haltung in
einer marmornen Halle seines Palastes steht. Das von leicht gewelltem,
schwarzbraunem Haar umflossene Gesicht ist von einer frischeren
Röte, als man sie im allgemeinen an Südländern zu sehen gewohnt ist,
überflogen; auf der Oberlippe sproßt ein noch halb durchsichtiger
Bart. Seine Oberkleider sind von braunem, rotviolett schillerndem
Sammet, die seidenen Strümpfe haben eine entsprechende braunrote Farbe;
der Ärmel der Unterweste zeigt reiche Goldstickerei auf goldbrauner
Seide; der lose über die linke Schulter gehängte Mantel besteht aus
dem nämlichen Sammet wie Wams und Beinkleid und ist mit einem leichten
Seidenstoff, welcher die rotviolette Farbe wiederholt, gefüttert;
die herabhängenden Enden der dem Anzug gleichfarbigen Kniegürtel
und die Rosetten der Schuhe sind von dunkelgetöntem Goldstoff. Dazu
als Hintergrund eine Säule und eine im Schatten verschwimmende Wand
in dem eigentümlich reizvollen goldigen Ton, mit dem die Zeit den
weißen italienischen Marmor bisweilen überzieht. In diesem Ganzen von
köstlich zusammengestimmten braunen Tönen stehen das Gesicht und die
wohlgepflegten Hände als leuchtende Helligkeiten, hervorgehoben durch
den durchsichtigen weißen Battist der Manschetten und des Kragens, der
die Form der angeblich von König Philipp IV. erfundenen spanischen
„Golilla“ hat. Eine lebhafte Gegensatzfarbe bringt den Zusammenklang
der Farben zum Abschluß: das schimmernde Blaugrün eines Vorhanges,
der oben um die Säule geschlungen ist. -- In der Münchener Pinakothek
finden wir an Werken, die van Dyck während seines Aufenthaltes in
Italien malte, die Halbfigur des Filippo Spinola und das Kniestück des
jungen Marchese Mirabella; dann das treffliche Brustbild eines blonden
Nordländers, der seinen Mantel nach italienischer Art wie eine Toga
über die Schulter geworfen hat -- das sprechende Bild eines jungen
deutschen Künstlers in Italien, mutmaßlich des Bildhauers Georg Petel
aus Augsburg, der zu derselben Zeit wie van Dyck in Genua verweilte
(Abb. 8).

[Illustration: Abb. 13. +Bildnis eines Unbekannten.+

In der königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 45.)]

Über die Zeit von van Dycks Heimkehr aus Italien gehen die Ansichten
ebenso weit auseinander wie über den Antritt seiner italienischen
Reise. Die Nachricht, welche durch die Bestimmtheit ihrer Angaben als
die am meisten glaubwürdige erscheint, nennt den 4. Juli 1625 als den
Tag seiner Ankunft in Marseille, wohin er sich von Genua aus auf dem
Landwege, weil die Seefahrt wegen der zwischen Genua und Frankreich
bestehenden Feindseligkeiten gefährlich erschien, begeben hätte. Auf
der Weiterreise nach Norden verweilte er einige Zeit in Aix-en-Provence
als Gast von Rubens’ gelehrtem Freund Fabri de Peiresc. Mit diesen
Nachrichten ist die von anderer Seite gemachte Angabe, daß er -- nach
einem mutmaßlichen Aufenthalt in Paris -- im Dezember 1625 oder im
Januar 1626 in Antwerpen wieder eingetroffen wäre, wohl zu vereinigen.

Nach der Ankunft in der Heimatstadt hatte van Dyck eine Pflicht gegen
seinen verstorbenen Vater zu erfüllen. Auf dem Sterbebette hatte
dieser den Wunsch ausgesprochen, es solle seiner Dankbarkeit gegen
die Antwerpener Dominikanerinnen, die ihm während seiner letzten
Lebensjahre treue Dienste erwiesen hatten, durch die Stiftung eines
Altargemäldes für deren Kirche Ausdruck gegeben werden. Anton van Dyck
malte in Ausführung dieses frommen Wunsches einen Christus am Kreuz
zwischen den Heiligen Dominicus und Katharina von Siena; an den Fuß
des Kreuzes setzte er einen Engel mit gesenkter Fackel und fügte die
Inschrift auf einem Stein hinzu: „Auf daß seinem verstorbenen Vater die
Erde nicht schwer sei.“ Dieses Gemälde befand sich im Jahre 1794, als
die französischen Kommissare die nach Paris zu überführenden Kunstwerke
aussuchten, noch in der Dominikanerinnenkirche, obgleich das Kloster
damals bereits aufgehoben war. Es kam mit so vielen anderen belgischen
Kunstschätzen nach Paris, und nach der Rückgabe im Jahre 1815 wurde es
dem Museum zu Antwerpen einverleibt. Der Überlieferung nach soll van
Dyck dieses Gedächtnisbild erst im Jahre 1629 ausgeführt haben; nach
anderer Angabe jedoch schon 1626.

[Illustration: Abb. 14. +Beweinung Christi.+ Im Museum zu Antwerpen.
(Zu Seite 30.)]

[Illustration: Abb. 15. +Sogenannter Bürgermeister von Antwerpen.+

In der königl. Pinakothek zu München. Nach einer Originalphotographie
von Franz Hanfstaengl in München. (Zu Seite 45.)]

[Illustration: Abb. 16. +Sogenannte Bürgermeisterin von Antwerpen.+ In
der königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 45.)]

Das Jahr 1626 wird auch als dasjenige der Entstehung eines anderen
Kreuzigungsbildes angegeben, eines Altargemäldes, welches van Dyck für
die Kapuzinerkirche zu Dendermonde anfertigte. In diesem Bilde ist zu
den unter dem Kreuze befindlichen herkömmlichen Personen, in Entrückung
des Vorgangs aus den geschichtlichen Zeitverhältnissen, aber in
sinnbildlicher Beziehung, der heilige Franz von Assisi, der Gründer des
Ordens, welchem die Kapuziner angehören, hinzugefügt; der Ordensstifter
kniet in inbrünstiger Anbetung am Fuße des Kreuzes, zwischen der Gruppe
von Maria, Johannes und Magdalena einerseits und den abziehenden
Kriegsleuten andererseits. Das Gemälde befindet sich, nachdem es
gleichfalls in der Franzosenzeit weggenommen war, jetzt nicht mehr in
der Kapuzinerkirche, sondern in der Hauptkirche zu Dendermonde. Die
einfarbig, aber in sorgfältiger Ausführung gemalte Skizze zu demselben
besitzt die fürstlich Liechtensteinsche Gemäldegalerie zu Wien (Abb.
12).

Wahrscheinlich hielt sich van Dyck im Jahre 1626 eine Zeitlang in
Brüssel auf, am Hofe der Statthalterin, der Infantin Isabella Clara
Eugenia. Er hat deren Bildnis in der Tracht der Clarissinnen, deren
Orden die Fürstin nach dem Tode ihres Gemahls beigetreten war, gemalt.
Von diesem Bildnis gibt es mehrere Exemplare, die einander den Rang
der Ursprünglichkeit streitig machen. In Brüssel erhielt van Dyck
auch die Bestellung, den Stadtrat in einem Gruppenbilde zu malen. Das
umfangreiche Gemälde, in welchem er sich dieses Auftrages entledigte,
wurde nicht nur wegen der sprechenden Ähnlichkeit der Persönlichkeiten
und wegen der geschickten Anordnung bewundert, sondern auch wegen des
Geschicks, mit welchem sinnbildliche Idealgestalten in die Darstellung
eingeflochten waren. Dasselbe ist bei der Beschießung von Brüssel im
Jahre 1695 dem Feuer zum Opfer gefallen.

Einzelne Geschichtsschreiber erzählen von einer Reise nach England,
welche van Dyck im Jahre 1627 unternommen haben soll. Er wäre nach
kurzem Aufenthalt wieder von dort zurückgekehrt, weil es ihm ungeachtet
der Bemühungen seiner alten Gönner, vor allen des großen Kunstfreundes
Graf Arundel, nicht gelungen wäre, an den Hof des jungen Karl I.,
der inzwischen seinem Vater Jakob I. gefolgt war, zu gelangen. Mit
dieser Reise bringt man die Entstehung der Bildnisse zweier englischen
Persönlichkeiten, eines Herrn und einer Dame, in Zusammenhang, welche
sich in der Gemäldesammlung im Haag befinden. Van Dyck hat diese beiden
Bildnisse ganz gegen seine Gewohnheit mit seiner Namensunterschrift und
außerdem mit den Jahreszahlen, dasjenige des Herrn mit 1627, dasjenige
der Dame mit 1628 bezeichnet. Wahrscheinlich sind dieselben aber nicht
in England, sondern in Holland entstanden.

Vom Jahre 1628 an -- darin stimmen alle Nachrichten überein -- war
van Dyck wieder in Antwerpen ansässig. In diesem Jahre malte er für
die dortige Augustinerkirche das Bild: Der heilige Augustinus in der
Verzückung. In diesem noch an seinem Platze befindlichen Gemälde,
welches zu den bedeutenderen und selbständigsten von van Dycks großen
Bildern religiösen Inhalts zählt, sieht man den großen Kirchenlehrer,
neben dem seine Mutter Monica steht, in begeisterte Anschauung der
heiligen Dreifaltigkeit versunken, die der geöffnete Himmel ihm
zeigt. Zu den ernsten Hauptfiguren bildet eine Schar von Engeln in
Kindergestalt, welche die Erscheinung der Gottheit umschweben, einen
ansprechenden Gegensatz. In Kinderfiguren wußte van Dyck überhaupt
eine große Lieblichkeit zu entfalten, wenn er auch in seinen Engelchen
und Amoretten die gesunde Natürlichkeit Rubensscher Putten nicht
erreichte. Wohl das Reizvollste, was er in dieser Beziehung geschaffen
hat, ist der Engelreigen auf dem mit der Bezeichnung „Madonna mit
den Rebhühnern“ belegten Gemälde in der Ermitage zu St. Petersburg.
Dieses Gemälde ist überhaupt eins der schönsten Marienbilder van
Dycks, ebenso ausgezeichnet durch die anmutige Poesie der Erfindung
wie durch die köstliche, liebevolle Ausführung der mannigfaltigen
Einzelheiten. Es stellt einen Augenblick der Rast während der Flucht
der heiligen Familie nach Ägypten dar. Unter einem schattenspendenden
Fruchtbaum haben Maria und Joseph sich niedergelassen; Blumen blühen
ringsum, Vögel wiegen sich in den Zweigen und in der klaren Luft, und
im sonnigen Lichte tanzt eine Schar kleiner Engel zur Unterhaltung des
Jesuskindes einen verschlungenen Reigen. (Abb. 11 gibt eine besondere
Zeichnung von der Hauptgruppe des Engelreigens wieder.)

Zu den spärlichen urkundlich sicheren Nachrichten aus dem Leben van
Dycks gehört die, daß er am 6. März 1628 sein Testament machte. Danach
sollte seine gesamte Hinterlassenschaft seinen beiden als Beghinen in
Antwerpen lebenden Schwestern Susanna und Isabella zukommen und nach
deren Tode an die Armen und an die St. Michaeliskirche fallen.

In dem nämlichen Jahre trat van Dyck einer von den Jesuiten geleiteten
frommen Vereinigung, der Bruderschaft der Unvermählten, bei. Für die
Kapelle, welche diese Bruderschaft in der Jesuitenkirche hatte, malte
er 1629 und 1630 zwei Altarbilder, das eine der heiligen Rosalia, das
andere dem seligen Hermann Joseph gewidmet. Beide Gemälde befinden sich
jetzt in der kaiserlichen Gemäldegalerie zu Wien. Die heilige Rosalia
ist in einer liebenswürdigen, in lichter Farbenfreude glänzenden
Komposition dargestellt, wie sie, vor dem Throne der Muttergottes
knieend, von dem Jesuskinde die Krone der Heiligkeit empfängt; an
den Seiten des Thrones stehen die Apostel Petrus und Paulus, und
Engel schweben, Rosen bringend, herbei. Hermann Joseph erscheint
gleichfalls vor den Füßen der Jungfrau Maria knieend; ein Engel hat
ihn geleitet, und die Himmelskönigin legt, sich vornehm und zugleich
freundlich herabneigend, ihre Hand in die Hand des mit dem Ausdruck der
Ergriffenheit und inniger Verehrung emporsehenden jungen Geistlichen.
-- Der Preis, der dem Künstler für die beiden Gemälde bezahlt wurde,
betrug 450 Gulden.

Aus dem Jahre 1630 erfahren wir ferner, daß van Dyck sich an einer
Anleihe der Stadt Antwerpen beteiligte, indem er eine Summe von 4800
Gulden hergab, wofür er eine jährliche Rente von 300 Gulden bekam. Eine
weitere feststehende Einnahme, im Betrag von 250 Gulden, erhielt er vom
Hof zu Brüssel auf Grund des ihm von der Infantin verliehenen Titels
eines Hofmalers.

[Illustration: Abb. 17. +Wolfgang Wilhelm von der Pfalz-Neuburg, Herzog
von Jülich und Berg.+

In der königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 45.)]

In dasselbe Jahr fällt ein zeitweiliger Aufenthalt van Dycks im Haag,
wohin er berufen wurde, um den Erbstatthalter Friedrich Heinrich von
Nassau und dessen Gemahlin Amalie von Solms zu malen. Die Bildnisse
beider Fürstlichkeiten befinden sich jetzt im Pradomuseum zu Madrid.
Der Prinz steht in voller Rüstung da; die Prinzessin, jugendlich
und schön, sitzt, in schwarze Seide gekleidet, in einem Sessel. Ein
zweites Bild der Fürstin besitzt das Wiener Hofmuseum. Amalie von Solms
war eine große Verehrerin der Kunst van Dycks. In dem Verzeichnisse
ihres Nachlasses werden acht Gemälde von dessen Hand namhaft gemacht.
Noch andere Werke von ihm werden unter den Bildern, welche das
dem Erbstatthalter gehörige Schloß Loo schmückten, genannt. Außer
Bildnissen befinden sich unter diesen für das Fürstenpaar gemalten
Bildern Darstellungen religiösen, mythologischen und allegorischen
Inhalts.

Aus der Zeit des Aufenthaltes in Holland wird ein Geschichtchen
überliefert von der Begegnung van Dycks mit Franz Hals. Der Antwerpener
Maler sei in die Werkstatt des Haarlemer Meisters getreten und habe,
ohne sich zu nennen, sein Porträt bestellt. Franz Hals habe sich sofort
an die Arbeit begeben und in einer kaum zweistündigen Sitzung das Bild
fertig gemacht. Darauf habe van Dyck gesagt, das Porträtmalen schiene
eine leichte Sache zu sein, er wolle es auch einmal versuchen. Und nun
habe er den Franz Hals in noch kürzerer Zeit gemalt. Da sei diesem die
Erkenntnis gekommen, daß der Fremde kein anderer als Anton van Dyck
sein könne, und voller Freude über die unerwartet gemachte persönliche
Bekanntschaft mit einem Ebenbürtigen oder Größeren, habe Franz Hals
seinen Besucher ins Wirtshaus mitgenommen. -- Das Geschichtchen ist
vielleicht mehr für die alten Biographen bezeichnend, als für die
beiden Künstlerpersönlichkeiten. Was davon als Tatsache übrigbleibt,
ist, daß van Dyck den Franz Hals porträtiert hat. Er zeichnete damals
auch von mehreren anderen holländischen Künstlern die Bildnisse.

[Illustration: Abb. 18. +Beweinung Christi.+ In der königl. Pinakothek
zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 31.)]

[Illustration: Abb. 19. +Beweinung Christi.+ Im königl. Museum zu
Berlin.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 31.)]

In das Jahr 1631 fällt wieder die Entstehung eines berühmten
Altargemäldes. Roger Braye, Kanonikus der Liebfrauenkirche zu
Courtrai, bestellte bei van Dyck für eine Kapelle dieser Kirche eine
Darstellung der Kreuzigung Christi. Der Künstler wählte, wie dies
auch Rubens einmal getan hatte, den Augenblick der Aufrichtung des
Kreuzes. Unter der Aufsicht eines berittenen Kriegsmannes, hinter dem
ein anderer Reiter das obrigkeitliche Banner trägt, strengen vier
Männer sich an, das Kreuz emporzurichten und zugleich in die Grube
einzupflanzen, die ein fünfter mit der Schaufel ausgeworfen hat. Die
rohen Hände der Henker greifen unbarmherzig in das zarte, weiße Fleisch
des Gekreuzigten, der mit dem Blicke des unschuldigen Opferlammes die
Augen nach oben wendet. In diesem Ausdruck der vollkommenen Unschuld
und einer Ergebung, die kein unwillkürliches Widerstreben, kein Zucken
eines Muskels im Schmerze zuläßt, liegt das eigentümlich Ergreifende
des Bildes, dasjenige, wodurch dasselbe einen anderen Charakter
bekommt, als das inhaltsgleiche Rubenssche Gemälde, das ihm in der
Anordnung der Komposition mit dem diagonal das Bild durchschneidenden
Kreuz und auch darin ähnlich ist, daß eine mächtige Einwirkung auf
das Gemüt des Beschauers erzielt wird durch das Zusammenstellen von
nur ganz mitleidlosen Personen mit der mitleiderweckenden Gestalt des
Opfers.

[Illustration: Abb. 20. +Der Leichnam Christi, von Engeln beweint.+

Zeichnung in der Albertina zu Wien.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E., Paris und New York. (Zu Seite 31.)]

[Illustration: Abb. 21. +Maria, Jesus und Johannes.+ In der königl.
Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 32.)]

Das Gemälde wurde im Mai 1631 an seinem Platz aufgestellt. Es befindet
sich noch heute in der Liebfrauenkirche zu Courtrai. Das Archiv
des Kapitels dieser Kirche bewahrt noch als ein seltenes Stück die
eigenhändige Quittung van Dycks über den Empfang des Honorars von
hundert Pfund vlämisch (sechshundert Gulden).

Neben den wenigen Werken, deren Entstehungszeit feststeht, schuf van
Dyck in den sechs oder sieben Jahren, welche er nach der Rückkehr aus
Italien in der Heimat zubrachte, eine Menge von Gemälden, für welche
die Zeitangabe im einzelnen fehlt. Im allgemeinen nimmt man an, daß
diejenigen Bilder, bei denen die Erinnerung an die Farbengebung der
venezianischen Meister am stärksten nachklingt, am frühesten nach der
italienischen Reise entstanden seien. Doch ist auch diese Annahme kein
unbedingt sicherer Anhaltspunkt. Jedenfalls war dieser Abschnitt seines
Lebens derjenige, in welchem er mit einer unglaublichen Leichtigkeit
des Schaffens die reichste und vielseitigste Tätigkeit entfaltete und
in welchem er zur höchsten Entwickelung seines Könnens gelangte. -- In
diese Zeit fallen neben den schon genannten Altarbildern eine große
Zahl hervorragender religiöser Gemälde. Besonders häufig kommen unter
denselben die Kreuzigung und die Beweinung Christi vor.

[Illustration: Abb. 22. +Ruhe auf der Flucht nach Ägypten.+ In der
königl. Pinakothek zu München. (Zu Seite 32.)]

[Illustration: Abb. 23. +Der Maler Jan de Waal und seine Frau.+ In der
königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 49.)]

Den letzteren Gegenstand wußte der Meister in mannigfaltiger Weise und
immer ergreifend aufzufassen. Die berühmtesten dieser Darstellungen
befinden sich im Museum zu Antwerpen und in der Münchener Pinakothek.
Auf dem Antwerpener Bilde sehen wir den heiligen Leichnam lang
ausgestreckt und starr, mit Haupt und Schulter auf den Schoß der
Mutter gebettet daliegen. Maria, mit dem Rücken an das dunkle Gestein
des Felsens gelehnt, dessen Gruft den Toten aufnehmen soll, breitet
in lautem Jammer die Arme aus. Der Jünger Johannes hat die Rechte
des Heilands gefaßt und zeigt die blutigen Wunden den Engeln, die
herbeigekommen sind und bei dem Anblick in Tränen ausbrechen. Die
Gruppe des Johannes und der Engel steht in weichen, warmen Tönen vor
der blassen blauen Luft. In eigentümlicher, eindrucksvoller Wirkung
wird der bleiche Fleischton des Leichnams durch dieses Nebeneinander
der kalten Helligkeit und des warmen Dunkels einerseits und durch
das reine Weiß des Leintuches und das Blaugrün des über den Schoß
Marias gebreiteten Tuches andererseits hervorgehoben (Abb. 14). Das
Münchener Bild ist von dem Antwerpener im ganzen Eindruck schon dadurch
verschieden, daß sich alles in weicheren, fließenden Linien bewegt.
So ist auch die Stimmung hier noch weicher, klagender, als dort. Der
Schauplatz ist nicht vor den Gruftfelsen verlegt, sondern an den Fuß
des schräg umgelegten Kreuzes. Maria lehnt sich mit den Schultern
an den Stamm und wendet das Antlitz -- eine getreue Übertragung des
antiken Niobekopfes in die Malerei -- zum Himmel. Den schmerzlichen
Blick begleitet eine gleichsam fragende Gebärde der ausgestreckten
rechten Hand, während die andere Hand die durchbohrte Linke des toten
Sohnes emporhebt. Der Leichnam liegt mit dem ganzen Oberkörper in
den Schoß der Mutter geschmiegt, sein Haupt ruht wie schlummernd an
ihrer Brust. Engel in farbigen Gewändern, zum Teil von dem hellen
Licht bestrahlt, das den Körper des Heilands mit einem goldigen Ton
überflutet, zum Teil in tiefe, weiche Schatten gehüllt, betrachten
schmerzerfüllt den Toten, und weinende Cherubimköpfe erscheinen im
Gewölk der von der roten Abendglut durchleuchteten Luft. Man mag,
wenn man will, etwas von gesuchter Formenschönheit in diesem Gemälde
finden; aber die Empfindung, aus der das Ganze hervorgegangen, ist
echt (Abb. 18). Diesen beiden gefeierten Darstellungen reiht sich das
inhaltsgleiche Gemälde im Berliner Museum ebenbürtig an. Hier ist der
heilige Leichnam auf einer mit dem Leintuch bedeckten Steinbank vor
dem Felsen niedergelassen worden. Johannes, auf derselben Steinbank
sitzend, hält ihm den Oberkörper und das Haupt in erhöhter Lage. Die
Mutter Maria steht daneben und beugt sich mit vorgestreckten Händen
herab, um den Toten noch einmal zu umarmen. Magdalena, an ihrer Seite,
faßt nach ihrem Arm, als wollte sie ein allzu heftiges Vorwärtsstürzen
verhindern. Die Klage des Himmels deutet nur ein kleiner Engelknabe
an, der mit schmerzlich bewegtem Gesichtchen dem Beschauer das Wundmal
in der Hand des Erlösers zeigt. Die Stimmung ist auch hier weich.
Licht und Farbe entwickeln sich in gedämpften Tönen aus braunen Tiefen
heraus. Die große braungraue Masse des Felsens bildet den Hintergrund
für die Frauen; Maria trägt ein dunkelgraues Kleid, gelblichen
Schleier und blaues Kopftuch, Magdalena ein dunkelgelbes Kleid, dessen
Farbe mit derjenigen ihres goldblonden Haares fast übereinstimmt,
und einen schwarzen Überwurf. Der Oberkörper des Johannes, der mit
einem schwärzlichen Rock bekleidet ist, hebt sich dunkel ab von der
grauwolkigen Luft, die nur an einzelnen Stellen das Blau des Himmels
zwischen hellen Lichtern aus den Wolkenrändern hervorblicken läßt.
Wie bei Maria das herkömmliche Blau der Kleidung nur an dem kleinen
Stück gezeigt wird, welches ihr über Hinterhaupt und Schulter liegt,
so ist bei Johannes das übliche Rot auf das Stück Mantel beschränkt,
welches über seinen Knieen hängt (Abb. 19). Neben diesen Gemälden mag
eine ausdrucksvolle Zeichnung in der Albertina zu Wien erwähnt werden,
welche den toten Christus im Innern der Gruft, wo eine Schar von Engeln
ihn weinend umgibt, darstellt. Es ist bezeichnend für van Dyck, daß
auch hier der Leichnam nicht starr und gestreckt, sondern mit erhöhtem
Oberkörper und leicht gebogenen Gliedern daliegt, so daß ein weicher
Fluß der Linien entsteht (Abb. 20).

Zu den Kreuzigungsbildern gehören außer den schon besprochenen noch
zwei figurenreiche Altargemälde in belgischen Kirchen: das eine in
der Kathedrale zu Mecheln, das andere in der St. Michaelskirche zu
Gent. Auf dem ersteren wird die Ergebenheit des Heilands durch die
gewaltsamen Schmerzbewegungen der zwei Schächer hervorgehoben. Christus
wendet sein Haupt der wehklagenden Mutter zu. Johannes steht Maria zur
Seite, und Magdalena umklammert den Fuß des Kreuzes. Petrus und ein
anderer Apostel kommen in einiger Entfernung heran. Kriegsleute zu
Fuß und zu Pferd füllen den übrigen Raum. Das Bild wurde im Auftrage
eines Herrn van der Laen für den Preis von 2000 Gulden für die
Minoritenkirche zu Mecheln gemalt. Im Jahre 1794 nach Paris entführt,
wurde es nach der Rückgabe an die Domkirche St. Romuald geschenkt. Das
Genter Gemälde, das leider durch wiederholte sogenannte Restaurationen
sehr verdorben ist, stellt den Augenblick dar, wo dem durstenden
Heiland der Essigschwamm gereicht wird. Auch hier sieht man auf der
einen Seite Maria und Johannes, auf der anderen die Kriegsleute,
Magdalena am Fuße des Kreuzes, in der Luft flattern zwei kleine Engel
vor dem verfinsterten Himmel. -- Ein für die Minoritenkirche zu Lille
gemaltes Altarbild, welches den Gekreuzigten mit Maria und Johannes
zeigt, befindet sich jetzt im Museum zu Lille. -- In zahlreichen
Bildern hat van Dyck die einzelne Gestalt des hell beleuchtet vor
einem schwarzgrauen Himmel hängenden gekreuzigten Erlösers mit tiefer
Auffassung gemalt (vergl. Abb. 49).

Neben solchen Schilderungen des Leidens und Schmerzes steht eine Anzahl
liebenswürdig aufgefaßter Madonnenbilder. Vielleicht das schönste von
diesen befindet sich in der Münchener Pinakothek. Eine liebliche und
doch groß und ernst aufgefaßte Gestalt, hält Maria mit beiden Händen
das neben ihr auf einem Stein stehende Jesuskind und blickt sinnend
herab auf den kleinen Johannes, der das Spruchband mit den Worten:
„Siehe, das Lamm Gottes“ emporreicht. Die rechte Seite Marias und
der Kopf des Johannesknaben heben sich mit kräftigem Umriß von einer
lichtwolkigen Luft ab; in der anderen Hälfte des Gemäldes bildet dunkel
beschattetes Mauerwerk, mit welchem das dunkle Obergewand Marias weich
zusammenklingt, einen tiefen Hintergrund für die leuchtend helle
Gestalt des unbekleideten Jesuskindes. Zweifellos ist es berechtigt,
wenn man in der gewundenen Stellung des Kindes etwas Geziertes finden
will. Aber darüber mag man gern hinwegsehen im Genuß der echten
malerischen Empfindung des farbenschönen Gemäldes (Abb. 21). -- Ein
zweites Marienbild, welches die Münchener Pinakothek besitzt, fesselt
gleichfalls durch eine innige Lieblichkeit. Die heilige Familie
befindet sich auf der Flucht nach Ägypten, unter Bäumen eine kurze
Rast genießend. Der kleine Jesus ist auf dem Schoße Marias, mit dem
Kopfe an ihre Brust gelehnt, eingeschlafen, und leise, behutsam, daß
ja ihre Bewegung das Kind nicht wecke, wendet diese den Kopf ein wenig
zur Seite, um zu hören, was der Pflegevater Joseph, der sich über ihre
Schultern beugt, zu ihr spricht. In zarten, lichten Farben heben sich
die Gruppe von Mutter und Kind und der Kopf des Greises von dem Dunkel
der Bäume ab, das von lichten Luftdurchblicken unterbrochen wird (Abb.
22).

[Illustration: Abb. 24. +Christus und der geheilte Gichtbrüchige.+
In der königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 35.)]

Im Louvremuseum zu Paris befindet sich ein sehr schönes Marienbild,
welches ein niederknieendes Ehepaar in Anbetung vor dem vom Schoß der
Mutter sich ihm freundlich zuneigenden Jesuskinde zeigt. Derartige
Stifterbilder waren damals ziemlich aus der Mode gekommen; van
Dyck aber fand hier eine glückliche Gelegenheit, seine Kunst als
Madonnenmaler und als Bildnismaler vereinigt zu zeigen. -- In die Zahl
der Marienbilder gehört noch die von ihm mehrmals gemalte Darstellung,
welche die Muttergottes als Zuflucht der reuigen Sünder zeigt. König
David, Maria Magdalena und den verlorenen Sohn sehen wir als die
Vertreter der Bußfertigen in einer solchen Darstellung, welche in
zwei übereinstimmenden Exemplaren im Louvre und im Berliner Museum
vorhanden ist.

[Illustration: Abb. 25. +Susanna im Bade.+ In der königl. Pinakothek zu
München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 35.)]

Die Münchener Pinakothek, in der man van Dyck nach allen Seiten hin
kennen lernen kann, bietet uns auch mehrere Beispiele von Gemälden,
welche ihre Stoffe der Heiligen Schrift entnehmen, ohne darum irgendwie
einen kirchlichen Charakter zu beanspruchen. Sichtlich unter dem noch
ganz frisch wirkenden Eindruck der Werke Tizians entstanden ist das
Bild: Christus spricht mit dem geheilten Gichtbrüchigen. Dieses aus
vier Figuren -- dem Heiland, dem Geheilten mit seinem Bettzeug über
dem Arm, einem Jünger und einem Pharisäer -- auf aus lichter Luft und
einer dunklen Wand zusammengesetztem Hintergrund bestehende Gemälde
stellt sich uns unverkennbar als ein Versuch dar, mit dem großen
Venezianer in Bezug auf Farben und Ausdruck zu wetteifern (Abb. 24).
Ungleich selbständiger und darum ansprechender ist die Darstellung
der von den beiden Alten im Bade überraschten Susanna (Abb. 25). Hier
hat der Maler geschwelgt in der Wiedergabe des eigenen Zaubers hell
beleuchteten zarten Fleisches, und er hat sich dabei mehr von dem Reiz
der lebendigen Natur, als von der Erinnerung an alte italienische
Meister leiten lassen. In dem dunklen Rotbraun des Gewandes, mit dem
Susanna sich zu verhüllen sucht, hat er einen prächtigen Gegensatzton
zu der lichten Haut gefunden, auf deren Hervorhebung auch die ganz
dunkel gehaltene Umgebung berechnet ist; nur die ausdrucksvoll
sprechenden Köpfe der beiden Alten und die rechte Hand des einen, der
mit lüsternem Finger die weiche Schulter des Mädchens berührt, treten
noch hell aus dem Dunkel hervor. Erfreulich wirkt in diesem Bilde auch
das Fehlen jeglicher Geziertheit in Bewegung und Ausdruck der Susanna;
wie die Ueberraschte sich erschreckt zur Seite biegt und in sich
zusammenzieht und dabei zugleich einen Blick entschlossener Abwehr dem
Manne zusendet, der mit Worten und mit dem tätlichen Versuch, ihr das
Gewand, das sie mit kräftig geschlossener Faust festhält, zu entziehen,
auf sie eindringt, das ist mit einer bewunderungswürdigen Natürlichkeit
wiedergegeben. Trotz der glücklichen Durchbildung des Ausdrucks in
diesem Werk braucht man nicht daran zu zweifeln, daß van Dyck, ebenso
wie wohl fast alle Maler, welche jemals diesen Gegenstand behandelt
haben, die keusche Susanna nicht um ihrer Tugend, sondern um ihrer
Entkleidung willen malte.

[Illustration: Abb. 26. +Der Bildhauer Andreas Colyns de Nole.+

In der königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 49.)]

[Illustration: Abb. 27. +Der Kupferstecher Karl de Mallery.+

In der königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 49.)]

Die blendende Wiedergabe weichen, jugendlichen Fleisches war ihm
auch die Hauptaufgabe bei der zweiten in der Münchener Pinakothek
befindlichen Darstellung der Marter des heiligen Sebastian (Abb.
28), als deren Entstehungszeit das Jahr 1626 überliefert wird,
und die einen ganz anderen künstlerischen Charakter zeigt wie das
ältere Gemälde des gleichen Inhalts. Der Heilige, so jugendlich
aufgefaßt und so weiß und zart, daß man bei diesem Anblick wirklich
nicht an einen römischen Kriegsmann denken kann, scheint hier an
nichts anderes zu denken, als an die Schaustellung seiner anmutigen
Körperformen zum Zwecke der Bewunderung. Mit einem geradezu koketten
Ausdruck heftet er den Blick auf den Beschauer. Und es gelingt ihm
in der Tat, unsere Bewunderung derartig zu fesseln, daß wir kaum zu
einer Empfindung für die unangenehme Lage, in der er sich befindet,
gelangen. Ein halbnackter Riese schnürt den Strick zusammen, mit dem
die Unterschenkel des Verurteilten an den Baumstamm gebunden sind;
ein wilder dunkelbrauner Schütze, der sich prächtig abhebt von dem
weißen Roß des die Exekution leitenden Hauptmanns, legt ihm die Hand
aufs Haupt, als wolle er ihn höhnisch auffordern, dem Tod recht mutig
ins Auge zu sehen; ein anderer, dessen Gesicht im Schatten des Helms
verschwindet, wählt prüfend die schärfsten Geschosse aus seinem
Pfeilbündel aus. Aber diese Gestalten, durch deren Gebaren der Maler
sich bemüht hat, das Schreckliche des Vorgangs recht anschaulich zu
machen, vermögen unseren Blick nicht festzuhalten, der immer nur auf
der lichten Jünglingsgestalt haften bleibt; und ihr grimmiges Tun
reicht nicht aus, um eine Empfindung des Mitleids aufkommen zu lassen
für den seine Schönheit so hell ins Licht stellenden Märtyrer. Es ist
nicht möglich, die Geziertheit weiter zu treiben, -- und doch bestrickt
uns das Gemälde und fesselt uns zu längerer Betrachtung, und zwar nicht
allein durch die prächtig gemalte anmutige Jünglingsgestalt, sondern
auch durch den hohen malerischen Reiz des Ganzen.

[Illustration: Abb. 28. +Der heilige Sebastian.+ In der königl.
Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 35.)]

[Illustration: Abb. 29. +Danae.+ In der königl. Gemäldegalerie zu
Dresden.

Nach einer Aufnahme von F. & O. Brockmanns Nachf. (R. Tamm) in Dresden.
(Zu Seite 41.)]

Seltener als aus dem religiösen Stoffgebiet wählte van Dyck die
Vorwürfe für seine Bilder aus der Mythologie. Für ihn hatte die
antike Götterwelt nicht annähernd mehr eine solche Bedeutung, wie sie
für Rubens hatte. Das lag sowohl in den Anschauungen des jüngeren
Geschlechts, dem er angehörte, als auch in seinem Temperament
begründet. In Rubens lebte noch etwas von jenem Geist der Renaissance,
der den Heidengöttern und ihrem Gefolge gleichsam ein neues
Dasein gegeben hatte; für seine überschäumende Vollkraft waren
jene von übermenschlicher Kraft und übermenschlicher Daseinsfreude
erfüllten Gestalten, mit denen er Himmel und Erde und Meer bevölkerte,
eine so naturgemäße Verkörperung seiner Ideen, daß sie für seine
Einbildungskraft sozusagen die Bedeutung von wirklich vorhandenen Wesen
hatten, -- in ähnlicher Weise etwa, wie zu unserer Zeit Moritz von
Schwind sagte, daß er an seine Nixen und Erdmännlein glaube. Für van
Dyck dagegen war die ganze klassische Götter- und Heldensage weiter
nichts als ein großes Nachschlagebuch für Stoffe, welche Gelegenheit
zum Malen nackter Figuren gaben, besonders weiblicher, zu deren
Darstellung sich sonst nur selten Veranlassung fand. So haben denn auch
seine mythologischen Gestalten nichts mehr von urwüchsigen Naturwesen,
man sieht ihnen vielmehr das entkleidete Modell an.

[Illustration: Abb. 30. +Der Organist Heinrich Liberti.+ In der königl.
Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 49.)]

Die Danae in der Dresdener Gemäldegalerie, eine hübsche jugendliche
Gestalt, die, auf dem Ruhelager ausgestreckt, die Arme nach dem vom
Himmel fallenden Golde ausbreitet, während ihre alte Dienerin sich
vergeblich bemüht, etwas davon im Gewande aufzufangen, macht den
Eindruck einer eleganten Salondame (Abb. 29). Frischer wirkt das im
Pradomuseum zu Madrid befindliche Gemälde: Diana und Endymion von einem
Satyr belauscht. Im Waldesdunkel schlummert die Göttin, von Jagdgerät
und Jagdbeute umgeben, auf einem aus ihren abgelegten Gewändern
bereiteten Lager; ihre linke Hand ruht im Arm des Schläfers Endymion.
Auch der Jagdhund ist eingeschlafen. Der Satyr schleicht im Dickicht
leise heran, ganz verborgen im Schatten; nur ein Arm von ihm kommt in
das Licht hervor, ein langer, gerade ausgestreckter Arm, der höhnisch
auf die Göttin hinweist, als sollten andere, unseren Blicken noch
verborgene Waldgeister darauf aufmerksam gemacht werden, in welcher
Lage die sonst so unnahbare Jungfrau hier zu sehen sei. In weichen
Tönen entwickelt sich die schöne Farbe des Bildes aus einem bräunlichen
Grundton heraus (Abb. 32).

Als in die Reihe der mythologischen Darstellungen gehörig mag noch
ein in englischem Privatbesitz befindliches Gemälde besonders erwähnt
werden, in welchem van Dyck sich selbst als Paris mit dem Apfel in der
Hand -- aber ohne die Göttinnen -- gemalt hat.

Den mythologischen Bildern schließt sich als inhaltsverwandt eine
mehrmals behandelte Darstellung von Rinaldo und Armida an -- ein
Stoff, den schon Rubens aus der Dichtung Tassos als Bildgegenstand
herausgehoben hatte. Die schöne, lächelnde Zauberin, die auf dem Rasen
des Gartens sitzt, und der Held, der mit dem Kopf in ihrem Schoße
ruht; ein dunkler Hintergrund von üppig dichtem Laubwerk und ringsum
die Lichtgestalten eines Schwarmes von kleinen Liebesgöttern, die in
der Luft und auf dem Boden sich neckisch umhertummeln: so setzt sich
diese von einer reizvollen dichterischen Stimmung erfüllte Schöpfung
van Dycks zusammen, von der sich das bekannteste Exemplar im Louvre
befindet. Van Dyck malte diesen Gegenstand im Jahre 1629 für einen
Kammerherrn des Königs von England, Endymion Porter, der ihn mit der
Anfertigung eines für den König bestimmten Bildes beauftragt hatte.
Ein anderes Exemplar befand sich unter den Gemälden, welche er für den
Erbstatthalter von Holland und dessen Gemahlin ausführte.

Dem mythologischen Gebiet mag man auch einige, nicht gerade sonderlich
gehaltreiche Allegorien beizählen, wie die Darstellung des Zeitgottes,
der dem Amor die Flügel beschneidet, in der Sammlung des Herzogs von
Marlborough.

Weiterhin reihen sich der verhältnismäßig geringen Zahl von van Dycks
Historienbildern nicht religiösen Inhalts noch einige Darstellungen
aus der biblischen und aus der römischen Geschichte ein. So die
Gefangennahme Simsons, eine für van Dyck ungewöhnlich wild bewegte
Komposition, in der kaiserl. Gemäldegalerie zu Wien (Abb. 34), und die
Enthaltsamkeit des Scipio, in einer englischen Sammlung. -- Auch die
neuere Geschichte hat ihm in vereinzelten Fällen Stoffe geliefert.
So finden wir in der Münchener Pinakothek eine große Schilderung der
Schlacht bei Saint-Martin-Eglise, in welcher Heinrich IV. den Herzog
von Mayenne besiegte. Van Dyck malte dieses Bild im Verein mit dem
Schlachtenmaler Snayers; von seiner eigenen Hand rühren wohl nur die
stolzen Reiterfiguren des Königs und seines Gefolges im Vordergrund her.

Wie hoch man auch den Wert von manchen der sogenannten Historienbilder,
namentlich derjenigen religiösen Inhalts, welche van Dyck in den
Jahren 1626 bis 1632 entstehen ließ, schätzen mag: sein Bestes gab er
auch in diesem Abschnitt seines Lebens, den man als seine Blütezeit
betrachten muß, in Bildnissen. Seine außerordentliche Befähigung, die
Menschen in überzeugender Ähnlichkeit und zugleich in ansprechendster
Auffassung wiederzugeben, und solche Darstellungen zu in Form und Farbe
gleich abgerundeten wirklichen Kunstwerken -- zu eigentlichen Bildern
im Malersinne des Wortes -- zu gestalten, wurde allgemein anerkannt,
und kaum eine Persönlichkeit von irgend welcher Bedeutung, die in
Antwerpen lebte oder vorübergehend dort verweilte, versäumte es, sich
von van Dyck malen zu lassen. Auch die französische Königin Maria von
Medici besuchte ihn bei ihrer Durchreise durch Antwerpen im Jahre
1631 in seiner Werkstatt und saß ihm zu einem Bilde. Van Dyck hatte
eine glückliche Hand in der Wiedergabe hochstehender Personen; fast
noch glücklicher war er im Festhalten der Erscheinung von Künstlern.
Die Menge der meisterhaften Bildnisse, die er vor dem Ablauf seines
dreiunddreißigsten Lebensjahres neben der doch auch sehr ansehnlichen
Zahl anderer Werke malte, bekundet eine Leichtigkeit des Schaffens, die
derjenigen des Rubens nicht nachstand.

[Illustration: Abb. 31. +Der Maler Franz Snyders und seine Frau.+ In
der königl. Gemäldegalerie zu Kassel.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 49.)]

[Illustration: Abb. 32. +Diana und Endymion, von einem Satyr
überrascht.+ Im Pradomuseum zu Madrid.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E., Paris und New York. (Zu Seite 42.)]

In deutschen Galerien finden wir zahlreiche Prachtstücke von Bildnissen
van Dycks aus diesen Jahren rastloser Arbeit. Sehen wir uns zunächst
in der Münchener Pinakothek um, so finden wir da eine ganze Reihe
von stolzen Porträts in ganzer Figur. Der Zeit nach stehen an deren
Spitze vielleicht die Bilder des Herzogs Karl Alexander von Croy und
seiner Gemahlin Genofeva von Urfé (Abb. 9 und 10). Die Herzogin, eine
zu ihrer Zeit als Schönheit gefeierte Dame, die wir hier in einem
Kleid von schwarzem Atlas mit reich gemusterten hellseidenen Einsätzen
dastehen sehen, ist dem Maler weniger gut gelungen als der Herzog,
dessen wohlbeleibte Gestalt in lebendiger Bewegung an der Schwelle
eines Treppenaufganges steht, und der uns aus seinem fleischigen,
von schwarzen Locken eingerahmten Gesicht mit einem freundlichen
Blick anschaut; er scheint gleichsam die Einladung auszusprechen, mit
ihm seine fürstliche Wohnung zu betreten. Der höchsten Aristokratie
gehört ohne Zweifel auch der unbekannte Herr an, der in stolzer
Haltung, die Linke unter dem Atlasmantel in die Seite gestemmt, mit
dem abgenommenen Hut in der Rechten dasteht und uns fest und ruhig
ansieht (Abb. 13). Von den Bildnissen eines unbekannten Ehepaares,
das ohne rechten Grund als ein Bürgermeister von Antwerpen mit seiner
Gattin bezeichnet zu werden pflegt (Abb. 15 und 16), ist dasjenige
der Dame, bei der das dunkle Seidenkleid und die reichen Spitzen ein
angenehmes Gesicht und feine Hände prächtig hervortreten lassen, ein
ganz besonders fesselndes Meisterwerk. Den Glanzpunkt aber in der
Reihe dieser vornehmen Gestalten in ganzer Figur bildet die fürstliche
Erscheinung des Herzogs Wolfgang Wilhelm, Pfalzgrafen bei Rhein und
von Neuburg (Abb. 17). Das Bild wurde, nach Ausweis des alten Katalogs
der Düsseldorfer Gemäldegalerie, im Jahre 1629 gemalt. Wolfgang
Wilhelm, seit 1624 Herzog von Berg, war der Begründer dieser berühmten
Gemäldesammlung, welche im Jahre 1805, um sie vor den Franzosen zu
retten, aus der bergischen Hauptstadt nach München gebracht wurde,
wo sie seitdem verblieben ist. Seinem Kunstsinn verdankt daher die
Münchener Pinakothek ihren Reichtum an Werken von Rubens und van Dyck.
In einer ganz schlicht natürlichen Haltung, aber ein echter Edelmann
und Landesherr, steht der Pfalzgraf da, mit der Linken am Degengriffe,
die Rechte in das Ordensband des Goldenen Vließes gesteckt; ihm zur
Seite eine gewaltige gefleckte Dogge. -- Nicht minder vorzüglich als
malerische Meisterwerke und fesselnder noch durch das Eingehende,
man möchte sagen Freundschaftliche der Auffassung, stehen neben den
Bildern hoher Persönlichkeiten die Künstlerbildnisse. Während dort die
stattliche Darstellung in ganzer Figur vom Besteller verlangt oder vom
Künstler gewünscht war, hat van Dyck bei diesen immer die Wiedergabe
in halber Figur oder in Brustbild vorgezogen. Ein wahres Prachtstück
ist das Doppelbildnis des Malers Jan de Waal und seiner Gattin. Der
alte Herr, der Vater jener beiden Maler, mit denen van Dyck zu
Genua in enger Freundschaft lebte, steht in würdevoller aufrechter
Haltung da; seine Miene scheint uns von dem Ernst seines künstlerischen
Wollens während eines langen Lebens zu erzählen, und seine Wendung
nach der Gattin hin mit der sprechenden Handbewegung scheint uns zu
sagen, eine wie treue Stütze er an dieser braven Frau gefunden habe,
deren vertrocknetes, vergilbtes Gesicht die Spuren vieler Sorgen und
Mühen trägt (Abb. 23). Ebenfalls mit seiner Gattin ist der Bildhauer
Colyns de Nole gemalt, aber nicht in einem Rahmen vereinigt, sondern
in zwei Gegenstücken. Die beiden Bilder gehören dicht nebeneinander.
Mit einer gewissen Behäbigkeit, durch die indessen ein von Natur
lebhafteres Temperament hindurchspricht, im Lehnstuhl sitzend, blickt
Colyns uns mit einem Ausdruck innerer Zufriedenheit an (Abb. 26).
Ihm gegenüber sitzt seine Lebensgefährtin, sehr stattlich gekleidet,
in einem gleichen Lehnstuhl; sie ist noch ziemlich jung; aber ihre
Schönheit beginnt der Einwirkung von Kümmernissen zu unterliegen.
Ein Töchterchen schmiegt sich an den Arm der Mutter und sieht mit
einem fast scheuen Blick nach dem Vater hinüber. In einem kostbaren
Kabinettstück von ganz kleinem Maßstabe ist der Schlachten- und
Landschaftsmaler Peter Snayers abgebildet, der mit seinem wetterharten
Gesicht unter dem breitkrempigen Hut selbst wie einer der Kriegsleute
aussieht, die er zu malen liebte. Karl de Malery, ein Kupferstecher,
zeigt sich uns in einem Bilde von wunderbarer Lebenswahrheit; blond,
fleischig, gesund und phlegmatisch, mit einer feinen, wohlgepflegten
Hand, die er über dem künstlerisch um die Schulter geworfenen Mantel
zur Schau stellt (Abb. 27). Den Bildnissen von Vertretern der bildenden
Kunst reiht sich dasjenige eines Musikers an: Heinrich Liberti aus
Gröningen, Organist an der Antwerpener Kathedrale, wird uns vorgeführt
als ein schönheitsbewußter Jüngling, der, mit einer großen Goldkette
geschmückt, mit einem Notenblatt in der Hand, sich in weicher Bewegung
an eine Kirchensäule lehnt und sich mit geziertem Ausdruck das Aussehen
eines Engels oder eines Evangelisten Johannes gibt. Man kann freilich
in Zweifel darüber bleiben, ob die Verantwortung für diese gekünstelte
Auffassung nicht mehr dem Maler als dem Musiker zur Last fällt (Abb.
30).

[Illustration: Abb. 33. +Bildnis eines älteren Herrn.+ In der königl.
Gemäldegalerie zu Kassel.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 50.)]

[Illustration: Abb. 34. +Simson und Delila.+ In der kaiserlichen
Gemäldegalerie zu Wien. Nach einer Originalphotographie von Franz
Hanfstaengl in München. (Zu Seite 42.)]

[Illustration: Abb. 35. +Der Maler Kaspar de Crayer.+ In der
Liechtensteingalerie zu Wien.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 53.)]

Eine Anzahl von Meisterwerken der Bildniskunst ersten Ranges finden
wir in der Gemäldegalerie zu Kassel. Da steht an allererster Stelle
das Doppelbildnis des Tiermalers Franz Snyders und seiner Frau.
Snyders ist öfter von van Dyck gemalt worden, und immer ist er ihm
Gegenstand eines ausgezeichneten Bildes geworden. In dem Kasseler
Gemälde sitzen Mann und Frau nebeneinander; ihre Rechte ruht auf
seiner auf die Armlehne des Stuhles gelegten Linken. Beide sehen
den Beschauer klar und ruhig an. Das feine, geistreiche Gesicht des
Snyders ist bleich von Farbe; Haar und Bart sind blond, die Augen
grau. Wer Snyders zum erstenmal sieht, ist erstaunt, in dieser
fast zart zu nennenden Erscheinung den Maler jener Tierstücke, in
denen wahrhaft Rubenssche Leidenschaft lebt, zu finden. Das kluge
Gesicht von Frau Snyders ist weiß und rosig; ihre Augen haben ganz
die nämliche Farbe, wie die des Mannes; ihr Haar ist dunkler. Beide
sind angenehme Persönlichkeiten, so liebenswürdig aufgefaßt, daß sie
gleich beim ersten Anblick das Herz des Beschauers gewinnen. Nach
der herrschenden Mode sind beide in Schwarz gekleidet, das Kleid der
Frau hat vorn herunter einen zierlich gearbeiteten goldgestickten
Einsatz. Der Hintergrund setzt sich zusammen aus einem aufgerafften
olivengrauen Vorhang und einem durch einen breiten grauen Pfeiler
geteilten Ausblick ins Freie, wo sich unter ruhigem, grauem Himmel
eine baumreiche Ebene zu einer fernen blauen Hügellinie hinzieht. Der
Farbenreiz des Gemäldes ist ebenso künstlerisch vollkommen, wie die
Lebendigkeit und geistige Tiefe der Auffassung (Abb. 31). Ein diesem
ebenbürtiges Familienbild zeigt einen Herrn Sebastian Leers mit Frau
und Söhnchen, gleichfalls ein vollendetes Prachtstück sowohl in Bezug
auf lebendige Personenschilderung wie auf die Schönheit des Tons. Auch
hier sitzen Mann und Frau -- diese eine lebhaft blickende Brünette --
nebeneinander, in schwarzer Seidenkleidung. mit Einsatz von Goldbrokat
am Frauenkleid. Der blonde Knabe, der neben seiner Mutter steht, hat
ein Mäntelchen von hellgrüner Seide umgenommen, das einen reizvollen
lebhaften Ton in die Stimmung des Ganzen bringt. Auch hier enthält
der Hintergrund einen Ausblick ins Freie von kühlem Ton. Zu den
prächtigsten unter den in Kassel befindlichen van Dyckschen Bildnissen
gehören ferner zwei Gegenstücke, welche einen Herrn und eine Dame
in ganzer Figur zeigen. Wer die beiden Persönlichkeiten sind, ist
nicht bekannt. Jedenfalls hat dieser Herr, der mit einer Gebärde des
Sprechens uns gegenübersteht, irgend ein öffentliches Amt bekleidet.
Er trägt ein Staatsgewand von schwarzer Seide, aus langem Rock und
Überwurf bestehend. Das Seidenschwarz mit seinen glänzenden grauen
Lichtern, eine bräunlich-graue Wand, in der oben links am Bildrande
sich ein schmaler Durchblick in das Freie öffnet, und das dunkle Grün
eines an der rechten Seite des Bildes bis zum Boden herabhängenden
seidenen Vorhangs vereinigen sich zu einem Dreiklang von vornehmer,
ernster Wirkung, aus dem sich die Helligkeiten des von braunem Haar
eingefaßten Gesichts und der Hände -- das warme Fleisch von kühlem
Weißzeug begleitet -- lebhaft herauslösen (Abb. 33). Bei dem dazu
gehörigen Damenbildnis ist die Farbenstimmung ebenso vornehm, aber
reicher, festlicher. Ein Vorhang von roter Seide fällt auf die Lehne
eines rotgepolsterten Sessels herab, unter dem ein Smyrnateppich liegt.
Von dieser roten Masse, die zu gesteigerter Lebhaftigkeit der Wirkung
gebracht wird dadurch, daß man über dem schräg fallenden Vorhang in die
dunkelblaue Luft und auf die grünen Blätter eines Feigenbaumes sieht,
heben sich die hellen Töne des Kopfes, den ergrauendes blondes Haar,
in Löckchen gekräuselt, umgibt, der Hand, welche die Handschuhe lose
haltend auf der Stuhllehne liegt, und des mit reichen Spitzen besetzten
durchsichtigen Weißzeuges von Kragen und Manschette, sowie das tiefe
Schwarz des Atlaskleides klar und prächtig ab. An der anderen Seite der
Figur, der Schattenseite, kommt das Rot nicht wieder zum Vorschein, und
die Töne verlieren sich weich in einem dunklen graubraunen Hintergrund.

[Illustration: Abb. 36. +Maria Luisa de Tassis.+ In der
Liechtensteingalerie zu Wien.

Nach einer Photographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu Seite 53
und 54.)]

[Illustration: Abb. 37. +Bildnis einer jungen Dame.+ In der
Liechtensteingalerie zu Wien.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
dieser Seite.)]

Einen Schatz von vorzüglichen Werken van Dycks besitzt die fürstlich
Liechtensteinsche Gemäldesammlung zu Wien. Unter den Künstlerbildnissen
ragte hier das des Malers Kaspar de Crayer hervor, ein Meisterstück
von zu voller Körperhaftigkeit durchgebildeter Ausführung, mit einer
wundervollen Hand (Abb. 35). Das vorzüglichste aber ist das Bildnis
einer jungen Dame aus Antwerpen, Maria Luisa de Tassis (Abb. 36),
welche nach der bei den höheren Ständen beliebten französischen
Mode gekleidet ist. Wenn wir zum Vergleich das ebenda befindliche
Bildnis einer anderen hübschen jungen Dame betrachten, welche uns die
einheimische niederländische Tracht in reichster Ausstattung zeigt
(Abb. 37), so begreifen wir, daß es dem Maler ein Hochgenuß gewesen
sein muß, eine so anmutige Erscheinung wie Maria Luisa de Tassis
in einer Kleidung abbilden zu können, welche freiere, lebendiger
bewegte Linien und lichtere Farben zeigte und die Körperformen weniger
erdrückte. Die Kleidung von Maria Luisa de Tassis -- schwarzer Atlas
und weiße Seide, Schleifen und feinste Spitzen, Schmuck von Perlen,
Gold und Edelsteinen -- ist sehr reich. Aber all dieser Reichtum ist,
stofflich und malerisch, nur der wertvolle Rahmen für den köstlichen
Inhalt, das junge, schöne, liebenswürdige Weib. Es gibt wenige
Damenporträts, die man diesem zur Seite stellen dürfte (Abb. 36).

[Illustration: Abb. 38. +Bildnis eines älteren Herrn.+ In der
Gemäldegalerie zu Dresden.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
dieser Seite.)]

Neben solchen malerischen Prachtstücken seien als Beispiele
allerschlichtester Auffassung, die sich mit dem wirkungsvollen
Herausheben der Köpfe im Rahmen des feinen Weißzeuges aus dem von
der schwarzen Kleidung im Verein mit einem tiefen Schattenton des
Hintergrundes gebildeten Dunkel begnügt, die Brustbilder eines älteren
Ehepaares in der Dresdener Gemäldegalerie erwähnt (Abb. 38 und 39).

Die wachsende Zahl der Bildnisse von Fürstlichkeiten und von
Berühmtheiten auf den Gebieten des Staatswesens, der Wissenschaften
und der Künste brachte den Meister auf den Gedanken, diese Bildnisse
in einem großen Sammelwerk zu veröffentlichen. Er fertigte nach den
Bildern oder nach Skizzen derselben, welche er für sich zurückbehielt,
kleine Wiederholungen braun in braun oder auch bloße Zeichnungen an,
als Vorlagen für Kupferstiche, welche von den besten Antwerpener
Stechern, von Schelte a Bolswert, Pontius, Vorstermann und anderen,
ausgeführt wurden. Die Herausgabe dieser „Ikonographie“, an deren
Vervollständigung van Dyck unausgesetzt arbeitete, übernahm der
Kupferdrucker Martin van den Enden. Die Sammlung wuchs bei Lebzeiten
des Meisters zu der Zahl von achtzig Blättern an und wurde später durch
Hinzufügung von einigen nachträglich ausgeführten Stichen und von
fünfzehn eigenhändigen Radierungen van Dycks zu einem Werk von hundert
Bildern und einem Titelblatt erweitert. In dieser Gestalt wurde das
Werk, da auch van den Enden inzwischen gestorben war, durch Gilles
Hendrickx in Antwerpen herausgegeben. Das von Jakob Neefs gestochene
Titelblatt zeigt auf einem Sockel, welchen die Köpfe der Minerva
und des Merkur schmücken, die Büste van Dycks, nach einem seiner
Selbstbildnisse. Auf dem Sockel steht in lateinischer Sprache der Titel:

                            „Bildnisse

    von Fürsten, gelehrten Männern, Malern, Kupferstechern, Bildhauern
    und von Liebhabern der Malerkunst, hundert an der Zahl,

                        von Anton van Dyck,

    Maler, nach dem Leben angefertigt und auf seine Kosten in Kupfer
    gestochen.“

[Illustration: Abb. 39. +Bildnis einer älteren Dame.+ In der
Gemäldegalerie zu Dresden.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 54.)]

Das Werk wurde mehrmals neu aufgelegt. Dabei wurden wiederholt einzelne
Bildnisse durch andere ersetzt, so daß im ganzen 190 Porträtstiche als
zur „Ikonographie“ van Dycks gehörig gezählt werden. Der Zahl nach
am stärksten vertreten und für die Nachwelt am anziehendsten sind
die Künstlerbildnisse. Die zahlreichen bedeutenden Meister, welche
als Zeitgenossen van Dycks in den spanischen Niederlanden wirkten,
und viele holländische werden uns hier in lebensvoller Erscheinung
vorgeführt. Mancher freilich, der damals für würdig befunden wurde,
einen Platz in der Sammlung von Berühmtheiten zu finden, zählt heute
zu den halb oder ganz Vergessenen. Die Angabe des Titels, daß die
Bildnisse nach dem Leben aufgenommen seien, erleidet übrigens eine
kleine Einschränkung. Die Reihe von Bildnissen berühmter Zeitgenossen
würde das Publikum nicht völlig zufrieden gestellt haben, wenn
diejenigen Persönlichkeiten darin vermißt wurden, die in den Jahren,
wo der dreißigjährige Krieg am heftigsten tobte und durch seine
Wechselfälle die Gemüter auch der entfernter Stehenden in aufregender
Spannung hielt, wohl am öftesten von aller Welt genannt wurden. Darum
nahm van Dyck auch die Bildnisse von Wallenstein und Gustav Adolf,
Tilly und Pappenheim in die Sammlung auf, obgleich er schwerlich jemals
Gelegenheit gehabt hat, einen dieser Kriegshelden persönlich zu sehen.
Er mußte sich, um diese zu malen, der Abbildungen bedienen, welche
von Deutschland aus in großer Zahl, wenn auch größtenteils als recht
unkünstlerische fliegende Blätter, auf den Markt gebracht wurden. Es
ist daher nicht zu verwundern, wenn diese Porträts nicht jenes Maß
von überzeugender Ähnlichkeit besitzen, das sonst den Bildnissen des
Meisters innewohnt: es bleibt bewunderungswürdig, wieviel glaubhafte
Lebensfülle er, trotz der ungenügenden Vorbilder, auch diesen Gestalten
zu geben vermocht hat (Abb. 40 und 41). Von den braun in braun gemalten
Vorlagen van Dycks für die Ikonographie sind etwa fünfzig erhalten; ein
großer Teil derselben befindet sich in der Münchener Pinakothek.

[Illustration: Abb. 40. +Wallenstein.+ Braun in braun gemalte
Vorlage für den von Peter de Jode d. j. ausgeführten Kupferstich der
Ikonographie.

In der königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
dieser Seite.)]

Es braucht nicht gesagt zu werden, daß eine Sammlung von Bildnissen,
die ihre Entstehung einem Maler wie van Dyck und so ausgezeichneten
Kupferstechern, wie diejenigen waren, die sich ihm zur Verfügung
stellten, verdankt, ein Werk von unschätzbarem künstlerischen Wert
ist. Es ist eine Folge von Meisterwerken. Das kostbarste aber in der
Ikonographie sind die von van Dyck selbst geätzten Blätter. Es ist
erstaunlich, mit welcher Gewandtheit van Dyck die von ihm nur selten
benutzte Radiernadel gehandhabt hat. Seine beherrschende Kenntnis vom
Bau des menschlichen Kopfes ließ ihn auch mit dem ungewohnten Werkzeug
mit einer solchen Sicherheit zeichnen, daß er auch hier das höchste Maß
von Lebendigkeit erreichte. Die künstlerische Unmittelbarkeit verleiht
den Blättern einen Reiz, durch den sie die an sich meisterhaften
Arbeiten der berufsmäßigen Kupferstecher in Schatten stellen. Man
zählt im ganzen, mit Hinzurechnung von dreien, welche von anderer Hand
fertig gemacht wurden, achtzehn von van Dyck radierte Bildnisse in
der Ikonographie. Darunter befinden sich sein Selbstporträt, Johann
Breughel, Peter Breughel, Franz Snyders. Auch seine Kupferstecher Paul
Pontius und Lukas Vorstermann radierte er selbst. Bei mehreren dieser
Blätter hat ihn wohl die persönliche Freundschaft zur eigenhändigen
Ausführung bewogen. Von seinen freundschaftlichen Beziehungen zu
Vorstermann gibt die Nachricht Kunde, daß er am 10. Mai 1631 dessen
Töchterchen aus der Taufe hob, welches nach ihm den Namen Antoinette
erhielt. -- Außer den Bildnissen von Zeitgenossen hat van Dyck
noch zwei andere Blätter radiert. Das eine ist eine komponierte
Porträtgruppe: Tizian und seine Geliebte, das andere eine religiöse
Darstellung: ~Ecce homo!~ Dieses letztere ist ein herrliches Blatt.
Ohne starke Wirkung von Hell und Dunkel, aber im feinsten Reiz der
Zeichnung ausgeführt, stehen drei Halbfiguren da: Christus, mit
Duldermiene die ihm angetane Schmach entgegennehmend, ein Scherge,
der ihm den Rohrstab überreicht, und ein behelmter Soldat, der ihm
den Purpurmantel umhängt. Nach dem Vorbilde Dürers hat van Dyck hier
den ganzen Hintergrund mit den Lichtstrahlen ausgefüllt, die von dem
dornengekrönten Haupt des Erlösers ausgehen. -- Die sämtlichen geätzten
Blätter van Dycks werden mit Recht sehr hoch geschätzt, namentlich in
ihren ersten Plattenzuständen, vor jeder nachträglichen Bearbeitung.

Im Laufe des Jahres 1631 wurden von England aus Verhandlungen mit van
Dyck geführt, um ihn zur Übersiedelung nach London zu bewegen. König
Karl I. hatte im Frühjahr des vorhergehenden Jahres durch seinen
Kammerherrn Endymion Porter das Gemälde „Rinaldo und Armida“ erhalten.
Was ihn aber bewogen haben soll, den vlämischen Maler an seinen Hof zu
ziehen, war, nach dem Bericht eines englischen Geschichtsschreibers,
nicht diese anmutige Komposition, sondern ein Bildnis. Ein Herr aus dem
Hofstaat des Königs, der Maler und Musiker Nikolaus Lanière, hatte sich
von van Dyck malen lassen. Er hatte zu dem Bilde, wie besonders erwähnt
wird, sieben Tage hintereinander, vormittags und nachmittags gesessen,
ohne daß der Maler ihm gestattet hätte, dasselbe zu sehen. Um so größer
war seine Freude und Befriedigung beim Anblick des fertigen Werkes.
„Dieses war das Bild, welches Karl I. gezeigt wurde und Veranlassung
gab zu der Reise van Dycks nach England.“

Den Auftrag, van Dyck den Wunsch des Königs von England mitzuteilen,
erhielt der aus der Geschichte des Rubens bekannte Maler-Diplomat
Gerbier. Es scheint, daß derselbe in der französischen Königin-Witwe
Maria de’ Medici eine Bundesgenossin fand. Anfangs machte van Dyck
Schwierigkeiten. Die Beziehungen zwischen ihm und Gerbier gestalteten
sich unfreundlich infolge eines seltsamen Vorkommnisses. Gerbier
schickte als Neujahrsgeschenk für den König ein Bild, welches die
geistliche Verlobung der heiligen Katharina von Alexandrien vorstellte,
als ein Werk von van Dycks nach England. Aber er war das Opfer einer
Täuschung; van Dyck erklärte, daß das Bild nicht von ihm herrühre.
Gerbier scheint zeitweilig die Hoffnung ganz aufgegeben zu haben,
seinen Auftrag erfüllen zu können. Aber schließlich ließ sich van Dyck
doch gewinnen. Am 13. März 1632 schrieb Gerbier von Brüssel aus an den
König: „Van Dyck ist hier und läßt sagen, daß er entschlossen ist, nach
England zu gehen.“

[Illustration: Abb. 41. +Gustav Adolf von Schweden.+ Braun in braun
gemalte Vorlage für den von Paul Pontius ausgeführten Kupferstich der
Ikonographie. In der königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 56.)]

Was van Dyck damals nach Brüssel geführt hatte, war vielleicht die
Anfertigung eines Bildnisses des Höchstkommandierenden der spanischen
Truppen in den Niederlanden, Franz von Mancada, Marquis von Aylona.
Van Dyck hat diesen hohen Herrn, der während seines Aufenthaltes
in Flandern nach und nach vom Gesandten bis zum Stellvertreter des
Statthalters aufrückte, wiederholt gemalt. In jener Zeit gerade, oder
kurz vorher, mag das stolze Reiterbildnis fertig geworden sein, welches
sich jetzt im Louvre befindet und als das schönste von des Meisters
Reiterbildern gepriesen zu werden pflegt. Auf diesem Bilde sehen wir
Mancada in Kriegsrüstung, aber ohne Helm, mit der roten spanischen
Schärpe und einem großen weißen Kragen über dem Harnisch, mit dem
Feldherrnstab in der Hand; er biegt auf einem mächtigen Schimmel in
scharfer Gangart um eine Ecke des Weges, so daß er sich gerade dem
Beschauer zuwendet. Roß und Reiter heben sich kräftig und farbig ab von
einem zum Teil aus bräunlichem, bewachsenem Gelände, zum Teil aus blau
und gelb bewölkter Luft bestehenden Hintergrund. Die landschaftliche
Ferne ist hier, wie immer bei van Dyck, nur Hintergrund; aufs feinste
abgestimmt zu der Figur, aber ohne die leiseste Absicht, irgendwie dem
natürlichen Tonverhältnis zwischen Figur und Landschaft, wie es sich in
der Wirklichkeit zeigt, Rechnung tragen zu wollen. Dies ist ein Punkt,
durch den sich van Dycks Reiterbilder in scharf sprechender Weise von
denjenigen seines spanischen Zeitgenossen Velazquez unterscheiden, der
gerade durch die naturalistische Stimmung von Landschaft und Figuren
seinen Bildnissen im Freien eine so großartige und den heutigen
Beschauer so besonders wohltuend berührende Wirkung zu geben gewußt hat.

[Illustration: Abb. 42. +Van Dycks Selbstporträt mit der Sonnenblume.+
Im herzogl. Museum zu Gotha.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 63.)]

[Illustration: Abb. 43. +König Karl I. von England.+ In der königl.
Gemäldegalerie zu Dresden.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 64.)]

[Illustration: Abb. 44. +Henriette Marie, Königin von England.+ In der
königl. Gemäldegalerie zu Dresden.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 64.)]

Anfang April 1632 befand sich van Dyck in London, und sofort wurde er
von Karl I. in Dienste genommen. Der König gewährte dem Maler
die Mittel zu einer wahrhaft glänzenden Lebensweise. Er wies ihm
eine Stadtwohnung in Blackfriars und einen Landsitz zu Eltham in der
Grafschaft Kent an und gab ihm ein sehr ansehnliches Einkommen, das,
ganz unabhängig von den Bezahlungen für jedes einzelne Gemälde, zuerst
tageweise, dann als Jahresgehalt bemessen wurde. Nach wenigen Monaten,
am 5. Juli 1642, gab er ihm die höchste Anerkennung dadurch, daß er ihn
zum Ritter schlug, wobei er ihm als besondere Auszeichnung eine goldene
Kette mit seinem in Diamanten gefaßten Porträt gab.

[Illustration: Abb. 45. +Anton van Dyck und Sir Endymion Porter.+
Im Pradomuseum zu Madrid.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 70.)]

Man kann es wohl verstehen, wenn van Dyck sich durch solche
Ehrenbezeugungen, in denen er eine alle Erwartungen übertreffende
Erfüllung tiefinnerster Wünsche finden mochte, sich hochbeglückt
fühlte. Dennoch befremdet uns eine an die Adresse der Neider und
der Verspötter des „~pittore cavalieresco~“ gerichtete Bekundung
dieses Glücksgefühles, die wir im Museum zu Gotha finden. Es ist ein
sinnbildlich umkleidetes Bildnis van Dycks. Der schöne Künstler blickt
mit einem Ausdruck hohen Selbstgefühls den Beschauer über die Schulter
an, und die Finger seiner Linken spielen mit der goldenen Königskette;
mit der Rechten aber weist er auf eine sich ihm zuwendende Sonnenblume
hin, so daß er sich selbst gleichsam als Sonne darstellt (Abb. 42).
Es liegt ein so hohes Maß von Eitelkeit in dieser Bildersprache, daß
man gern denken möchte, van Dyck sei gar nicht der Urheber, sondern
einer seiner Gegner habe ihm dieses „Selbstbildnis“ untergeschoben,
um ihn wegen seiner Eitelkeit lächerlich zu machen. Andererseits aber
ist das Bild zu gut gemalt, und zu sehr in van Dycks eigener Art, als
daß man es ohne weiteres für das Ergebnis eines solchen böswilligen
Scherzes halten könnte; auch ist es, wie der Vergleich mit den in
verschiedenen Galerien befindlichen, annähernd dieser Zeit angehörigen
Selbstbildnissen van Dycks lehrt, sehr ähnlich. Die Stellung mit dem
Blick über die Achsel, wie sie das Sonnenblumenbild zeigt, war eine
Stellung, die ihm bei seinen Selbstbildnissen besonders zusagte. Das
bekannteste unter diesen, das im „Saal der Maler“ der Uffiziengalerie
zu Florenz befindliche, ist freilich nicht das beste, wenigstens nicht
das besterhaltene; Auffrischungen und Nachbesserungen von unbefugter
Hand haben ihm einen großen Teil seines ursprünglichen Reizes geraubt
(siehe das Titelbild).

[Illustration: Abb. 46. +Der Kardinal-Infant Don Ferdinand von
Österreich.+

Im Pradomuseum zu Madrid.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 73.)]

Van Dycks vornehmste Aufgabe am englischen Hofe war es, den König
selbst und die Königin, die französische Prinzessin Henriette Marie, zu
malen. Die Zahl seiner Bildnisse des englischen Königspaares ist groß;
außer in England befinden sich auch in den festländischen Sammlungen
mehrere Exemplare (Abb. 43 und 44). Ein Bildnis der Königin nimmt eine
besondere Stellung ein dadurch, daß es in kleinem Maßstabe, aber dabei
nicht etwa als Skizze, sondern in allersorgfältigster Ausführung gemalt
ist. Es befindet sich in der weiteren Kreisen nur wenig bekannten, an
sehr bemerkenswerten Schätzen reichen Sammlung des Herrn Schmetz zu
Aachen. Die Königin ist in etwa Viertellebensgröße in ganzer Figur,
stehend, dargestellt; sie trägt ein hellgelbes Seidenkleid, und
das ganze Bild ist in wunderbarem Farbenreiz zusammengestimmt. Die
Kleinheit befremdet, so daß man sich beim Anblick dieses Meisterwerkes
zunächst fragt, ob denn wohl ein anderer niederländischer Maler, einer
der sogenannten Kabinettmaler, Gelegenheit gehabt haben könnte, die
Königin Henriette Marie zu porträtieren. Aber van Dyck wurde ja in
seiner Jugend gepriesen wegen seiner Befähigung zu feiner, sauberer
Malerei in kleinem Maßstab; und schwerlich hätte ein anderer diese
vornehme, echt van Dycksche Auffassung gefunden, die dem prächtigen
kleinen Bilde eigen ist.

[Illustration: Abb. 47. +Allegorisches Bildnis der Lady Venetia Digby.+
In der königl. Gemäldegalerie im Schloß Windsor.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 70.)]

[Illustration: Abb. 48. +Beweinung Christi.+ In der königl. Pinakothek
zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 74.)]

Van Dyck, der bewunderungswürdige Maler und liebenswürdige Mensch,
erfreute sich vom Anbeginne seines Aufenthalts in England an der
höchsten persönlichen Gunst des Königs. Häufig fuhr Karl I., wenn er
der Last der Staatsgeschäfte entfliehen wollte, von seiner Residenz
Whitehall über die Themse nach Blackfriars, um in zwangloser und
anregender Unterhaltung mit seinem Maler Erholung zu suchen.

[Illustration: Abb. 49. +Christus am Kreuz.+ In der königl. Pinakothek
zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
S. 31 u. 74.)]

[Illustration: Abb. 50. +Die Anbetung der Hirten.+ Zeichnung in der
Albertina zu Wien.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 77.)]

Es konnte nicht fehlen, daß die am Hofe verkehrenden Großen des Reiches
miteinander wetteiferten, dem vom Herrscher so hochgeschätzten Künstler
ihre Gunst zu bezeugen.

Es hat wohl niemals und nirgendwo ein Bildnismaler so zahlreiche
Aufträge gehabt, wie van Dyck in England. Von vielen Personen mußte
er eine ganze Anzahl von Bildnissen malen. So werden neun von ihm
ausgeführte Porträts des Grafen Strafford, des damals mächtigsten
Ratgebers des Königs, der in jenem Jahre 1632 als Statthalter nach
Irland ging und der neun Jahre später als erstes Opfer der beginnenden
Revolution sein Haupt auf das Blutgerüst legte, aufgezählt. Zu den
ersten Bildnissen, welche van Dyck neben denjenigen des Königspaares
malte, werden wohl diejenigen seiner besonderen Gönner, der
begeisterten Kunstfreunde, die für seine Berufung nach England gewirkt
hatten, gehören. Den vornehmsten Platz unter diesen nimmt der Graf
Arundel ein, den er siebenmal porträtierte. Mit Endymion Porter, dem
er die ersten Beziehungen zu Karl I. verdankte, hat van Dyck sich
selbst in einem Bilde vereinigt gemalt. Dieses Doppelbildnis befindet
sich jetzt im Pradomuseum zu Madrid im Verein mit einer Reihe van
Dyckscher Bildnisse, unter denen diejenigen des Malers David Rykaert
und eines unbekannten Musikers als vorzüglich schöne Werke aus seiner
Antwerpener Zeit noch hervorgehoben seien. Es ist ein Gemälde von
sehr vornehmer Wirkung. Van Dyck ist schwarz gekleidet, Porter weiß;
lebhafte, aber immer noch durch den weichen allgemeinen Ton gedämpfte
Farben, gelb und blau, schimmern in der Luft, die neben einem dunklen
Vorhang den Hintergrund bildet. Ein wirksamer Gegensatz liegt auch in
den Charakteren der beiden Persönlichkeiten: van Dyck schlank, zierlich
und lebhaft, der Engländer fleischig und unbeweglich (Abb. 45). Van
Dyck hat sich hier eine Stellung gegeben, die ganz besonders stark an
diejenige des Sonnenblumenbildes erinnert. Das Madrider Doppel-Bildnis
führt im dortigen Katalog die Bezeichnung: „Van Dyck und der Graf von
Bristol.“ Es wird daher meistens so genannt, obgleich die Irrigkeit
der Bezeichnung durch den Vergleich mit anderen Bildnissen von Bristol
und Porter erwiesen ist. Aber der Graf von Bristol, Sir Kenelm Digby,
zählte ebenfalls zu den engeren Freunden des Malers. Van Dyck nahm
dessen Bildnis als das eines Kunstliebhabers in die Ikonographie auf.
Das gemalte Porträt desselben, in welchem er in reicher Kleidung an
einem Tische, auf dem ein Himmelsglobus steht, sitzend dargestellt
ist, befindet sich in der Sammlung des Königs von England im Schloß
Windsor. Die Gattin des Grafen, Lady Venetia Digby, malte van Dyck
nicht weniger als viermal binnen Jahresfrist. In einem dieser Bilder,
das sich ebenfalls im Schloß Windsor befindet, hat er dem Porträt
eine allegorische Einkleidung gegeben. Da sitzt die Dame, in die
Falten idealer Gewänder gehüllt, zwischen einer Menge von Sinnbildern.
Hinter ihr liegt ein gefesselter Unhold mit zwei Gesichtern, der die
Verleumdung bedeuten soll; sie streichelt eine Taube, das Sinnbild der
Unschuld; ein Amorettenpaar liegt unter ihren Füßen, und Englein halten
über ihrem Kopfe einen Kranz (Abb. 47). Van Dyck malte dieses Bild, so
erzählte man, um dadurch Verwahrung einzulegen gegen das Gerücht, daß
er in seiner Zuneigung für die schöne Frau die Grenze des Erlaubten
überschritten habe. Es scheint, daß die englischen Damen an solchen
allegorischen Bildnissen Gefallen fanden. Van Dyck hat später noch
mehrere derartige gemalt. Lady Venetia Digby malte er zum letztenmal
nach ihrem am 1. Mai 1633 erfolgten frühen Tode, als Leiche mit dem
Ausdruck einer Schlummernden, mit einer entblätterten Rose zur Seite.

[Illustration: Abb. 51. +König Karl I. von England.+ In der
Gemäldesammlung des Louvre in Paris.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 78.)]

Im Frühjahr 1634 ließ sich van Dyck für einige Zeit nach den
Niederlanden beurlauben, wo er bis in das folgende Jahr hinein blieb.
Den größten Teil dieser Zeit muß er in Brüssel verbracht haben. In
seiner Heimatstadt Antwerpen finden wir ihn im Herbst 1634. Was er
dort an Besitz zurückgelassen hatte, verwaltete seine Schwester
Susanna; deren Pflege und Erziehung war auch eine Tochter, die er
hatte, Namens Maria Theresia, anvertraut. Am 18. Oktober ernannte ihn
die Antwerpener St. Lukas-Gilde zu ihrem Dekan. -- In Brüssel finden
wir van Dyck so emsig bei der Arbeit, wie er es immer war. Von hohen
Personen malte er den Herzog Gaston von Orleans, Bruder des Königs
Ludwig XIII., dessen Gemahlin Margarete und deren Schwester Henriette
von Lothringen, verwitwete Prinzessin von Pfalzburg; ferner den Prinzen
Thomas Franz von Savoyen-Carignan, der nach dem Tode des Marquis von
Aylona die Regierung der spanischen Niederlande bis zur Ankunft des
Bruders Philipps IV., des „Kardinal-Infanten“ Don Ferdinand, leitete.
Den Prinzen Carignan malte er gleich mehreremal; eines dieser Bilder
besitzt das Berliner Museum. Kaum war der Kardinal-Infant in Brüssel
eingetroffen, so wurde van Dyck auch mit der Anfertigung von dessen
Bildnis beauftragt. Dieses Porträt befindet sich jetzt im Pradomuseum
zu Madrid; es zeigt den Infanten in halber Figur, in der Prunkkleidung,
welche er bei dem feierlichen Einzug in Brüssel am 4. November 1634
trug (Abb. 46). Als die Stadt Antwerpen sich rüstete, diesem von
Belgien mit so vielen freudigen Hoffnungen erwarteten Fürsten einen
Empfang von unerhörter Pracht zu bereiten, schickte van Dyck auf Wunsch
der Stadt eine Kopie seines Bildnisses des Kardinal-Infanten dorthin,
„zur Verwendung bei den Triumphbögen und Schaustellungen“. Als dann
aber auch ein Porträt der Infantin Isabella zu dem gleichen Zweck von
ihm verlangt wurde, stellte der durch die englischen Preise verwöhnte
Künstler derartig hohe Forderungen an seine Vaterstadt, daß dieselbe
sich genötigt sah, die Verhandlungen abzubrechen.

Nach der Angabe eines niederländischen Geschichtsschreibers soll jenes
früher erwähnte Gruppenbild, in welchem van Dyck die Stadtobrigkeit von
Brüssel in dreiundzwanzig Figuren abmalte, auch in diesem Jahre 1634
entstanden sein.

Ein Meisterwerk seiner Bildniskunst schuf van Dyck damals in dem Bilde
des Rechtsanwaltes des Rates und Pensionärs der Stadt Brüssel, Justus
van Meerstraeten. Die Gemäldegalerie zu Kassel besitzt dieses in
halber Figur ausgeführte Porträt. Der ältliche, aber sehr rüstig und
entschieden aussehende Herr steht in schwarzseidener Staatskleidung
neben einem Tisch, auf dem sich mehrere große Bücher und eine antike
Büste befinden; seine Hand greift in einen Band des Corpus juris.
Dieses Bild ist in einem wunderbar klaren Lichtton gehalten; das
schwarze Gewand hebt sich hell ab von dem braunen Schattenton der Wand
des Hintergrundes; die bräunlich-weißen Töne der Lederbände und der
Büste auf der grünen Decke des Tisches und in der entgegengesetzten
Ecke des Bildes ein kühl-farbiger Ausblick auf die bewölkte Luft
ergänzen den fein gestimmten Zusammenklang der Farben. Auch das Bildnis
der Gattin des Justus van Meerstraeten, Isabella van Aßche, einer
freundlich aufgefaßten hübschen Brünette, das ebenfalls damals in
Brüssel entstanden sein wird, befindet sich in der Kasseler Galerie.

Eine Vorliebe für einen kühlen Ton, für den die schwarze Farbe die
Grundstimmung angibt, gilt im Gegensatz zu der aus einem warmen
Dunkelbraun heraus entwickelten Stimmung seiner früheren Werke als
bezeichnend für van Dycks spätere Zeit. Hiernach gelten auch noch
einige religiöse Bilder als Arbeiten, deren Entstehung in die Zeit
dieses vorübergehenden Aufenthaltes in den Niederlanden fallen könnte.
Zwei Gemälde der Münchener Pinakothek gehören in diese Zahl: ein
Christus am Kreuz und eine Beweinung des heiligen Leichnams, also
Behandlungen jener beiden Darstellungsstoffe, die ihm auch in früherer
Zeit so häufig als Gegenstand gedient hatten. Das Kreuzigungsbild,
in nur ein drittel Lebensgröße ausgeführt, zeigt den Heiland nach
seinem Verscheiden. Vor einem düster schwarzgrauen Himmel ragt das
Kreuz empor. Undeutlich sieht man in der Finsternis die Masse des
abziehenden Volkes. Der Tote am Kreuze, dessen Haupt vornüber gesunken
ist und den ein helles, auf dem Oberkörper am stärksten gesammeltes
Licht hervorhebt, bleibt einsam zurück. Der Wind spielt mit dem
Aufschriftzettel am Kreuz und mit dem Zipfel des Lendentuches (Abb.
49). Bei der Klage um den Leichnam Christi ist die Farbe vielleicht
noch mehr auf den Ausdruck von Schmerz und Trauer gestimmt, als bei
irgend einer der früheren Darstellungen dieses Gegenstandes. Die dunkle
Felsenwand bildet den alleinigen Hintergrund für die drei Gestalten,
die sich mit dem Toten beschäftigen. Die Unbehilflichkeit der Last
eines noch nicht erstarrten Toten ist stark betont. Das Haupt Christi
ist in äußerster Biegung des Nackens mit dem Gesicht auf den Schoß
der Mutter gesunken. Diese blickt mit einer Frage des Schmerzes zum
Himmel empor; Magdalena ringt die Hände und blickt auf den Toten herab;
Johannes bricht in lautes Weinen aus (Abb. 48).

[Illustration: Abb. 52. +König Karl I. von England und sein
Stallmeister Sir Thomas Morton.+

In der königl. Galerie des Buckinghampalastes.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 78.)]

[Illustration: Abb. 53. +Die Kinder Karls I. von England: Prinzessin
Maria, Prinz Jakob, Prinz Karl, Prinzessin Elisabeth und Prinzessin
Anna.+ Im königl. Museum zu Berlin.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 80.)]

Mit ziemlicher Sicherheit kann man die Entstehung eines an dem
ursprünglichen Platz seiner Bestimmung verbliebenen Altargemäldes
in die Zeit von 1634 bis 1635 setzen. Es ist die Darstellung
der Geburt Christi, welche van Dyck für die Liebfrauenkirche zu
Dendermonde -- die nämliche Kirche, in welcher jetzt auch das für die
dortige Kapuzinerkirche gemalte Kreuzigungsbild aufgestellt ist --
malte. Die Zeitbestimmung fußt darauf, daß in den erhaltenen alten
Rechnungsbüchern der Kirche die Auszahlung von fünfhundert Gulden an
Anton van Dyck für die Anfertigung des Altarbildes „die heilige Nacht“
unter den Ausgaben von 1635 vermerkt ist. Dieses Gemälde, in dem Maria
dargestellt ist, wie sie unter dem Gemäuer des Stalles sitzend den
herbeieilenden und niederknienden Hirten das Jesuskind zeigt, während
in der Luft schwebende Engelkinder das ~Gloria in excelsis~ singen,
verdankt seinen besonderen Ruhm der lichten, zarten Farbenstimmung und
dem Reiz der Kinderfiguren. Zu den Vorarbeiten für dasselbe mag die
hübsche Zeichnung in der Albertina zu Wien zu zählen sein, welche den
nämlichen Gegenstand in ähnlicher Komposition zeigt (Abb. 50).

[Illustration: Abb. 54. +Die Kinder Karls I. von England: Karl, Prinz
von Wales; Jakob, Herzog von York; Prinzessin Maria.+ In der königl.
Gemäldegalerie zu Dresden.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 79.)]

In diesem Gemälde dürfen wir wohl das letzte namhafte Historienbild
van Dycks erblicken. Denn das Wenige, was er später noch an
Bildern religiösen oder mythologischen Inhalts malte, war nur von
untergeordneter Bedeutung. Kenelm Digby wird als der Besteller einer
Anzahl von Gemälden religiösen Inhalts genannt, während König Karl I.
den Meister mit der Anfertigung mehrerer mythologischen Kompositionen
beauftragte.

[Illustration: Abb. 55. +Lady Diana Cecil, Gräfin von Oxford.+ Im
Pradomuseum zu Madrid.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 83.)]

Wahrscheinlich ziemlich früh im Jahre 1635 kehrte van Dyck nach
England zurück. Karl I. ließ sich und seine Familie immer von neuem
von van Dyck malen. Das berühmteste unter den Bildnissen des Königs
ist dasjenige im Louvre, das ihn im Reitanzuge am Rande eines Waldes
stehend zeigt, als ob er eben abgestiegen wäre von dem ungeduldig
scharrenden Jagdroß, das hinter ihm von einem Diener gehalten wird.
Es ist ein prächtiges Farbenstück. Der König, in weißer Atlasjacke,
roten Beinkleidern und hellgelben Lederstiefeln, mit dem breitkrempigen
schwarzen Hut auf den langen braunen Locken, hebt sich ab von einem
zur Küste abfallenden, buschig bewachsenen Gelände, einem weiten Blick
auf das Meer und einer sonnigen, weißwolkigen Luft. Das Pferd, ein
dunkler Schimmel, setzt sich von dem tiefen Braungrün der Waldbäume
und dem stumpfen Rot der Kleidung des Reitknechtes wirkungsvoll ab.
Neben dem Reitknecht wird noch, von diesem teilweise verdeckt, ein Page
sichtbar, der das hellseidene Mäntelchen des Königs trägt (Abb. 51).
-- Eine Anzahl stolzer Reiterbildnisse zeigt den König in Rüstung,
aber barhäuptig, mit einem Stallmeister, der ihm den vergoldeten Helm
nachträgt, zur Seite. So erscheint er in der Vorderansicht, ein Tor,
das wie ein Triumphbogen wirkt, durchreitend, in einem majestätischen
Bilde zu Windsor. In der Seitenansicht erblicken wir ihn in einem
kleinen Gemälde in der Sammlung des Buckinghampalastes (Abb. 52), das
der Entwurf zu sein scheint zu einem großen Bilde, das sich im Schlosse
des Herzogs von Marlborough befindet. Hier reitet der König ein Pferd
von heller Isabellenfarbe, in dem Bilde zu Windsor einen Grauschimmel.
-- In königlicher Ceremonienkleidung ist Karl I. abgebildet in einem
ebenfalls im Schloß Windsor befindlichen Gemälde. Ein anderes Bild
ebendort zeigt ihn als Familienvater mit der Königin und seinen beiden
Söhnen zusammensitzend.

[Illustration: Abb. 56. +Beatrix von Cusance, Prinzessin von
Cantecroix.+

In der königl. Galerie des Windsorschlosses.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 83.)]

[Illustration: Abb. 57. +Charles Cavendish.+ Im Besitze des Herzogs von
Devonshire zu London. (Zu Seite 83.)]

Die verschiedenen Gruppenbilder, in denen van Dyck die Kinder des
Königs malte, gehören zu dem Anziehendsten, was der Meister während
seines Aufenthaltes in England schuf. Während man manchen anderen
Gemälden seiner letzten Zeit die Eilfertigkeit der Entstehung ansieht,
sind die Kinder immer mit voller künstlerischer Liebe gemalt. Bei den
Kinderbildnissen läßt sich auch die Entstehungszeit näher bestimmen,
da das Alter der Dargestellten einen sicheren Anhalt gibt, während bei
den Bildnissen des Königs und der Königin meistens die Anhaltspunkte
zur Ermittelung des Jahres, in welchem sie gemalt wurden, fehlen. Auch
von diesen Kindergruppen gibt es eine ganze Menge. Das entzückendste
Juwel darunter befindet sich im Museum zu Turin. Es muß im Jahre 1635,
bald nach der Rückkehr des Meisters nach England, entstanden sein.
Es zeigt die drei ältesten Kinder des Königs, den Prinzen von Wales
(geboren 1630, nachmals König Karl II.), die Prinzessin Maria (geboren
1631, nachmals Gemahlin des Prinzen Wilhelm II. von Oranien) und den
Herzog von York (geboren 1633, nachmals König Jakob II.). Der letztere
kann eben allein stehen, und auch der Prinz von Wales trägt noch
Röckchen und Häubchen. Die drei Kinder stehen ohne inneren Zusammenhang
nebeneinander; der älteste, der schon eine gewisse gesetzte Miene zur
Schau trägt, streichelt den Kopf eines langhaarigen Hundes. Der Reiz
des Bildes liegt neben der liebenswürdigen Auffassung des Kindlichen
hauptsächlich in seiner wunderbaren Farbe. Im Hintergrund sieht man
auf blühende Rosen, und die hübschen Kinder in ihren hellfarbigen
Seidenkleidern wirken selbst wie liebliche Blumen. Um ein Jahr älter
sehen wir die nämlichen drei Kinder in dem köstlichen Bilde der
Dresdener Gemäldegalerie (Abb. 54). Hier stehen die drei farbigen
Lichtgestalten -- der Prinz von Wales schon in Knabenkleidung --
vor einem ruhigeren dunklen Hintergrund. Zwei niedliche gefleckte
Wachtelhündchen von jener Rasse, die am Hofe Karls I. so beliebt war,
daß sie heute noch davon den Namen führt, sitzen neben den Kindern; wie
die Tierchen angebracht sind, sind sie sowohl für das Zusammenwirken
der Farbe, wie für den Linienaufbau der Komposition von Bedeutung.
Ein mit dem Dresdener Bilde übereinstimmendes Gemälde befindet
sich im königlichen Schloß zu Windsor, und ein weiteres Exemplar
derselben Darstellung besitzt Herr Schmetz in Aachen. Es scheint,
daß der König in seiner Freude über die wohlgelungene Kindergruppe
eine zweimalige Wiederholung derselben befahl, damit jedes der Kinder
später ein solches Bild bekäme. Durch die Revolution, der Karl I.
zum Opfer fiel, wurde bekanntlich sein Kunstbesitz in die weite Welt
geschleudert. -- Größer ist die Gruppe der Kinder und reicher die
Komposition in dem im Schlosse Windsor befindlichen Gemälde von 1637,
wovon das Berliner Museum eine in dem nämlichen Jahr angefertigte
Wiederholung besitzt (Abb. 53). Zu den drei ältesten Kindern kommen
hier die kleinen Prinzessinnen Elisabeth und Anna hinzu. Ein Ausblick
in den Park und in die lichte Luft, den ein zur Seite gezogener
dunkelgrüner Vorhang frei läßt, und ein mit mattroter Decke belegter
Tisch, auf dem sich Früchte und glänzende Gefäße befinden, bringen ein
lebhaftes Farbenspiel in den Hintergrund, das mit dem Reiz der hellen
Kinderanzüge und den rosigen Gesichtchen entzückend zusammenklingt. Die
Prinzessin Maria ist ganz in Weiß gekleidet; der Herzog von York, der
noch Röckchen und Häubchen trägt, hat über dem weißen Kleid ein rotes,
gelb schillerndes Jäckchen an; der Prinz von Wales, der als Hauptfigur
in der Mitte des Bildes steht, trägt einen hellroten Anzug mit weißem
Futter in den Ärmelschlitzen und weiße Schuhe mit roten Rosetten;
seine linke Hand ruht auf dem Kopf einer mächtigen Dogge, deren gelbes
Fell einen prächtigen Ergänzungston abgibt zu den stärksten Farben
des Gemäldes: dem Rot des Prinzen von Wales und dem Hellblau, welches
die Farbe des Kleidchens der Prinzessin Elisabeth ist. Die jüngste
Prinzessin sitzt, von dem Schwesterchen gehalten, im Hemdchen auf
einem Stuhl, auf dem über einem dunklen Sammetkissen ein blaßrotes
Tuch liegt; vor den beiden Kleinen liegt ein winziges, weiß und braun
geflecktes Wachtelhündchen.

[Illustration: Abb. 58. +Lords John und Bernard Stuart.+ Im Besitz des
Count Darnley, Abham-House. (Zu Seite 83.)]

Von dem Maße der Inanspruchnahme von van Dycks Tätigkeit durch den
König kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man erfährt, daß
eine erhaltene Rechnung, welche Karl I. im Jahre 1638 begleichen ließ,
nachdem er die von dem Künstler angesetzten Preise zum Teil nicht
unerheblich herabgemindert hatte, dreiundzwanzig bis dahin unbezahlte
Gemälde aufführt, darunter allein zwölf Bildnisse der Königin und
fünf des Königs. Daneben aber malte van Dyck eine unglaublich große
Anzahl von Bildnissen anderer Personen. Von dem gesamten am englischen
Hofe verkehrenden Adel wurde er mit Bestellungen überhäuft, und er
wußte alle seine Auftraggeber durch Meisterwerke zu befriedigen. Ganz
besonders bewunderungswürdige Porträts von Damen finden wir unter den
Arbeiten dieser seiner letzten Zeit. Die Halbfigur der Gräfin von
Oxford, einer munter blickenden Brünette, deren warmfarbige Haut durch
das schwarze Seidenkleid und den aus einer graubraunen Felsenwand und
einem Stück blauer, weißbewölkter Luft zusammengesetzten Hintergrund
zu blendender Wirkung hervorgehoben wird (Abb. 55), und das stattliche
Bild in ganzer Figur der Prinzessin von Cantecroix, die in reicher
Gesellschaftskleidung die Schwelle ihres Hauses beschreitet, auf
der sie ein Hündchen begrüßt (Abb. 56), mögen als bezeichnende
Beispiele dienen. Ein paar vorzügliche Beispiele vornehmer englischer
Herrenporträts aus der Zeit von 1635 bis 1640 bieten das Brustbild
eines später durch schriftstellerische Arbeiten bekannt gewordenen
jüngeren Bruder des Ahnherren der Herzöge von Devonshire (Abb. 57) und
das stolze Doppelbild zweier Jünglinge aus dem Hause Stuart (Abb. 58).

Es sollen sich im ganzen etwa dreihundert van Dyckscher Porträts in
England befinden, der Mehrzahl nach in den Schlössern des Adels, noch
im Besitze der Nachkommen der abgemalten Personen.

Van Dyck würde unmöglich imstande gewesen sein, die Fülle der an ihn
herantretenden Aufgaben zu bewältigen, wenn er nicht mehrere begabte
Schüler sich zu brauchbaren Gehilfen herangezogen hätte; Johann de
Reyn aus Dünkirchen, den er aus Antwerpen mitgebracht hatte, der wegen
seiner Schnelligkeit im Malen angestaunte David Beeck aus Arnheim und
Jakob Gandy, der auch als selbständiger Bildnismaler hoch geschätzt
wurde und später in Irland lebte, werden genannt. Namentlich wird der
Meister die Hilfe der Schüler in den vielen Fällen in ausgiebiger Weise
in Anspruch genommen haben, wo es sich um Wiederholungen handelte;
solche wurden häufig verlangt, zum Zwecke der Verwendung als wertvolle
Geschenke bei Hochzeiten oder sonstigen festlichen Veranlassungen
innerhalb des Verwandten- und Bekanntenkreises der betreffenden
Herrschaften. Über die Art und Weise, wie van Dyck arbeitete, haben wir
ausführliche Nachrichten, die durchaus glaubwürdig sind, da sie sich
auf die Aussagen eines Mannes stützen, welcher dem Künstler persönlich
nahe stand. Der Kunstschriftsteller de Piles erzählt in seinem 1708
zu Paris erschienenen Lehrbuch der Malerei: „Der berühmte, allen
Freunden der schönen Künste wohlbekannte Jabach (aus Köln), der mit
van Dyck befreundet war und sich dreimal von ihm hatte abmalen lassen,
hat mir erzählt, daß er eines Tages zu jenem Maler von der Kürze der
Zeit, die derselbe zu seinen Bildnissen gebrauchte, sprach, worauf
jener erwiderte, er habe sich anfangs stark angestrengt und sich mit
seinen Bildern sehr viel Mühe gegeben um seines Rufes willen und um
zu lernen, dieselben schnell zu machen, in einer Zeit, wo er für das
tägliche Brot arbeitete. Folgendes hat er mir dann über van Dycks
gewöhnliches Verfahren mitgeteilt. Derselbe bestimmte den Personen,
welche er malen sollte, Tag und Stunde und arbeitete nicht länger als
eine Stunde auf einmal an jedem Porträt, sei es beim Anlegen, sei es
beim Fertigmachen; sobald seine Uhr ihm die Stunde anzeigte, erhob er
sich und machte der Person seine Verbeugung, um damit zu sagen, daß
es für diesen Tag genug sei, und verabredete mit ihr einen anderen
Tag und eine andere Stunde; darauf kam sein Kammerdiener, um ihm die
Pinsel zu reinigen und eine frische Palette zurecht zu machen, während
er eine andere Person empfing, der er diese Stunde bestimmt hatte. Er
arbeitete so an mehreren Bildnissen an dem nämlichen Tag, und zwar mit
einer außerordentlichen Geschwindigkeit. Nachdem er ein Porträt leicht
angelegt hatte, ließ er die Person die Stellung einnehmen, welche er
sich vorher ausgedacht hatte, und zeichnete auf grauem Papier mit
schwarzer und weißer Kreide die Gestalt und die Kleider auf, die er
groß und mit auserlesenem Geschmack anordnete. Diese Zeichnung gab er
danach geschickten Leuten, welche er bei sich hatte, um dieselbe nach
den Kleidern selbst, welche auf van Dycks Bitten ihm zu diesem Zweck
zugesandt wurden, auf das Bild zu übertragen. Wenn die Schüler die
Gewandungen, soweit sie konnten, nach der Natur ausgeführt hatten,
ging er leicht darüber und brachte in sehr kurzer Zeit durch seine
Kenntnisse die Kunst und die Wahrheit hinein, die wir daran bewundern.
Für die Hände hatte er gemietete Personen beiderlei Geschlechts, die
ihm als Modelle dienten.“ -- Es ist klar, daß dieser Bericht sich auf
die spätere Zeit des vielbeschäftigten Bildnismalers bezieht. In seinen
früheren Bildnissen hat van Dyck unverkennbar nicht allein das Nackte,
sondern auch die Kleidung und alles Beiwerk durchaus eigenhändig
ausgeführt. Was die Hände betrifft, so zeigen dieselben allerdings
schon auf den Porträts in Genua durchgehends eine gleichmäßige
Zierlichkeit, die mit der sprechenden individuellen Kennzeichnung der
Gesichter nicht übereinstimmt. Doch gibt es auch manche Bildnisse von
ihm, in denen der Charakter der Hände ebenso geistreich und treffend
aufgefaßt ist wie derjenige des Gesichts; besonders ist dies bei den
Künstlerbildnissen immer der Fall.

[Illustration: Abb. 59. +Englische Wappenherolde.+

Zeichnung in der Albertina zu Wien.

Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i.
E. und Paris. (Zu Seite 86.)]

[Illustration: Abb. 60. +Maria Ruthven, die Gattin des Meisters.+

In der königl. Pinakothek zu München.

Nach einer Originalphotographie von Franz Hanfstaengl in München. (Zu
Seite 86.)]

Weiter wird berichtet, daß van Dyck es liebte, nach Schluß des
Tagewerks die Personen, welche er malte, zu sich zu Tisch zu bitten,
und daß bei diesen Mahlzeiten ein Aufwand entfaltet wurde, der
demjenigen der höchsten englischen Aristokratie in nichts nachstand.
Nach getaner Arbeit lebte van Dyck vollständig wie ein Fürst. Seine
Einnahmen waren ungeheuer groß, und er gab mit vollen Händen aus. Es
wird erzählt, daß einst Karl I. während einer Porträtsitzung mit dem
Grafen Arundel über den schlechten Stand seiner Finanzen gesprochen und
dabei scherzweise die Frage an den Maler gerichtet habe, ob er auch
wohl wisse, was eine Geldverlegenheit bedeute. „Ja, Sire,“ soll van
Dyck dem König geantwortet haben, „wenn man offenen Tisch für seine
Freunde und offene Taschen für seine Freundinnen hält, findet man
leicht den Grund seiner Kasse.“

Mit diesem Wort ist die größte Schwäche des großen Malers berührt.
Weiblicher Liebenswürdigkeit und Schönheit brachte van Dyck allzu
sehr ein empfängliches Herz und empfängliche Sinne entgegen. Es
scheint, daß der König selbst darauf bedacht war, der schrankenlosen
Leichtlebigkeit des Künstlers durch eine passende Verheiratung ein
Ende zu machen. Damit bot sich zugleich eine Gelegenheit, einer
zum Hofstaat der Königin gehörigen jungen Dame aus altangesehenem,
aber mittellos gewordenem Geschlecht eine glänzende Versorgung zu
verschaffen. Dieses Mädchen hieß Mary Ruthven. Ihr Vater war Patrick
Ruthven, Graf von Gowrie, der unter der vorangegangenen Regierung in
den Verdacht des Hochverrats gekommen war und lange Zeit im Tower
gesessen hatte; darüber hatte er den Rest seines Familienbesitzes
verloren, und seine Tochter war, ungeachtet ihrer nahen Verwandtschaft
mit einigen der höchsten Familien des Landes, sogar mit den Stuarts
selbst, zu standesgemäßem Lebensunterhalt auf die Hilfe angewiesen,
welche das königliche Haus ihr zuwendete. -- Möglich ist es immerhin,
daß van Dyck mehr als durch äußere Vermittelung durch wirkliche Neigung
zu der hübschen, noch sehr jugendlichen Dame hingezogen wurde. Er
vermählte sich mit Mary Ruthven im Jahre 1639. Daß er seine Gattin
wiederholt im Bilde verewigte, versteht sich von selbst. Ein Kniestück
in der Münchener Pinakothek zeigt uns die anmutige Erscheinung der
jungen Frau, deren feines und regelmäßiges Gesicht eine auffallend
blasse Farbe hat (Abb. 60). Dieselbe ist auf diesem Gemälde mit einem
Violoncell beschäftigt. In der Liebe zur Musik begegnete sie sich mit
ihrem Gatten, der bei den glänzenden Gesellschaften, die er in seinem
Hause um sich zu versammeln liebte, es an musikalischer Unterhaltung
nicht fehlen ließ.

Man glaubt in den Bildnissen, welche van Dyck nach dem Jahr 1635 malte,
eine Abnahme seines künstlerischen Vermögens wahrnehmen zu können. Es
ist ja möglich, daß bei manchen derselben die große Schnelligkeit der
Herstellung und die Mitwirkung der Gehilfen allzu sehr sichtbar werden.
Jedenfalls aber hat der Meister bis an sein Ende in seinen Bildnissen
eine Eigentümlichkeit bewahrt, die er schon bei den in seinen
Jünglingsjahren gemalten genuesischen Porträts entfaltete: das ist der
unvergleichliche Adel der Auffassung, der aus den Gesichtern und aus
jeder Form, wie aus der ganzen Stimmung der Gemälde spricht. Ganz gewiß
besaßen nicht alle die hochstehenden Persönlichkeiten, welche van Dyck
malte, jene innerliche Vornehmheit und jene vornehme Liebenswürdigkeit,
durch die sie im Bilde so anziehend erscheinen. Aber was van Dyck von
den Seelen seiner Modelle in deren Zügen hervorschimmern sah, waren
eben nur die gewinnenden Eigenschaften adeligen Wesens; nicht nur
alles Gemeine, sondern jede ausgeprägte Spur von Leidenschaft lag
außerhalb seines künstlerischen Gesichtskreises. So erfüllte er seine
Bildnisgestalten mit einer vornehmen harmonischen Ruhe der Seele, für
welche die vornehme und ruhige Schönheit der Farbenstimmung -- an sich
ein Wunderwerk der Kunst -- nur als der naturgemäße malerische Ausdruck
erscheint. Daß dabei diese Gestalten in so sprechend naturwahrer und
glaubhafter Bildung, gleichsam lebendig vor uns stehen, dadurch kommen
jene Eigenschaften mit um so größerer Wirksamkeit zur Geltung. Es
liegt ein ganz eigener Reiz in einem van Dyckschen Bildnis. Man hat
vor demselben stets das Gefühl, sich in sehr guter Gesellschaft zu
befinden, und man bekommt die Vorstellung, daß es ein Genuß sein müßte,
sich mit dieser Persönlichkeit zu unterhalten. Daher sieht man sich an
einem solchen Bilde nie müde, mag auch die dargestellte Persönlichkeit
einem ganz unbekannt sein.

Merkwürdig ist es -- wenn auch nicht ohne mancherlei
Ähnlichkeitsbeispiele --, daß van Dyck sich von seiner Tätigkeit als
Bildnismaler, durch die er so unvergänglichen Ruhm erworben hat,
nicht dauernd befriedigt fühlte, sondern im Schaffen großartiger
Historienbilder seinen eigentlichen, nur durch die Umstände verfehlten
Beruf erblicken zu müssen glaubte. Je vollständiger die Menge der zu
malenden Bildnisse seine Zeit in Anspruch nahm, um so heißer entflammte
sich sein Verlangen nach solchen großen Taten. Er suchte Karl I.
zu einem Unternehmen zu gewinnen, welches ihm zur Stillung dieses
Verlangens die ausgiebigste Gelegenheit geboten haben würde. Sein
Vorschlag ging dahin, die Wände des großen Festsaals in Withehall,
dessen Decke im Jahre 1635 den Schmuck Rubensscher Gemälde empfangen
hatte, mit Darstellungen aus der Geschichte des Hosenbandordens zu
bekleiden. Van Dyck soll die Ansicht ausgesprochen haben, daß es am
schönsten wäre, seine bezüglichen Kompositionen nicht in Malerei,
sondern in Gestalt von Gobelins, die in der Teppichfabrik zu Mortlake
gewirkt werden sollten, auf die Wand zu bringen. Der König war dem
Plan nicht abgeneigt. Es entstanden auch einige darauf bezügliche
Entwürfe und Studien -- die kostbare Zeichnung zweier Wappenherolde
des Königreichs Großbritannien in der Albertina (Abb. 59) gehört
hierhin. Aber das Unternehmen scheiterte am Geldpunkt. Wenn man auch
die Angabe eines Schriftstellers, daß van Dyck die Kosten dieser
Wandausschmückung auf 80000 Pfund Sterling -- was nach den damaligen
Wertverhältnissen des Geldes heute einer Summe von nahezu vier
Millionen Mark gleichkommen würde -- veranschlagt habe, für übertrieben
halten mag: der König war jedenfalls nicht mehr in der Lage, hohe
Summen für künstlerische Unternehmungen zu verausgaben. Im Jahre 1640
begannen ja für Karl I. die Wirren und Bedrängnisse, die erst mit
seinem Gang zum Blutgerüst ein Ende nehmen sollten.

Nachdem van Dyck die Hoffnung aufgegeben hatte, für den König von
England ein großes Monumentalwerk der Malerei schaffen zu dürfen,
wollte er sein Glück am französischen Hof versuchen. Er verließ mit
seiner jungen Gattin London im September 1640 und begab sich zunächst
nach Holland, dann nach Antwerpen und von dort nach Paris. Er hoffte,
daß es ihm durch persönliche Vorstellung gelingen würde, den Auftrag
zur Ausführung der von Ludwig XIII. geplanten Ausschmückung der großen
Galerie des Louvre mit geschichtlichen Gemälden zu erhalten. Aber
auch hier wurden seine Erwartungen getäuscht. Ludwig XIII. hatte jene
Arbeit bereits dem Nicolas Poussin zuerteilt, der dieselbe dann später
doch wieder einem anderen, dem Günstling der Königin, Simon Vouet,
überlassen mußte.

In Paris erkrankte van Dyck. Am 16. November 1641 bat er in einem
Briefe, dessen Urschrift noch in einer englischen Autographensammlung
vorhanden ist, um Ausstellung eines Passes für sich und fünf Diener,
seinen Reisewagen und vier Mägde. Da es ihm von Tag zu Tag schlechter
ginge, schrieb er, verlange es ihn mit aller Macht nach seinem Heim
in England; wenn er, wie er hoffe, seine Gesundheit wiedererlange,
so würde er nach Paris zurückkommen, um die Bestellungen, welche der
Kardinal Richelieu ihm zugedacht, entgegenzunehmen.

Seine Frau, die ihrer Entbindung entgegensah, muß bereits vorher nach
England zurückgereist sein. Kurz nach der Heimkehr van Dycks in sein
Haus zu Blackfriars, am 1. Dezember, gab sie einem Töchterchen das
Leben.

Das Befinden van Dycks war inzwischen hoffnungslos geworden. Am 4.
Dezember fühlte er das Nahen des Todes und machte sein Testament.
Fünf Tage später, am 9. Dezember 1641, verschied er. Es wird erzählt,
Karl I. habe seinem Leibarzt eine Belohnung von 300 Pfund Sterling
versprochen, wenn es ihm gelänge, van Dyck am Leben zu erhalten. Im
Tode wurde der Maler durch die Bestattung seiner Hülle im Chor der St.
Pauls-Kirche geehrt. Der Brand dieser Kirche im Jahre 1665 hat die
Gruft vernichtet.

Van Dyck hinterließ trotz des großen Aufwandes, mit dem er gelebt
hatte, ein sehr ansehnliches Vermögen, das zwischen seiner Witwe und
seinen in Antwerpen lebenden nächsten Verwandten verteilt wurde.

Die junge Witwe schloß später eine zweite Ehe mit dem Baronet Richard
Pryse von Gogerddan.

Van Dycks Tochter Justiniana, das einzige Kind seiner Ehe, vermählte
sich mit dem Baronet Johann Stepney von Prendergast. König Karl II.
bewilligte ihr, um die Beträge auszugleichen, welche Karl I. ihrem
Vater schuldig geblieben war, eine Leibrente von 200 Pfund Sterling.
In dieser Familie Stepney lebte die Nachkommenschaft van Dycks bis
zum Jahre 1825 fort. -- Der holländische Maler Philipp van Dyck, der
in der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts eine umfangreiche, aber
nicht sehr künstlerische Tätigkeit im Bildnisfach entfaltete, steht mit
seinem großen Namensverwandten in keinem Familienzusammenhang.





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