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Title: Schein und Sein - Nachgelassene Gedichte Author: Busch, Wilhelm Language: German As this book started as an ASCII text book there are no pictures available. *** Start of this LibraryBlog Digital Book "Schein und Sein - Nachgelassene Gedichte" *** Anmerkungen zur Transkription. Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist _so ausgezeichnet_. Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so markiert~. Schein und Sein [Illustration] Wilhelm Busch Schein und Sein Nachgelassene Gedichte [Illustration] Zweite Auflage München Lothar Joachim Verlag 1909 ~Published April 15 1909, Privilege of Copyright in the U. S. reserved by Lothar Joachim, Munich under the Act approved March 3 1905.~ Alle Rechte vorbehalten. Inhalts-Verzeichnis. [Illustration] Seite Schein und Sein 1 1899 Woher, wohin? 2 1899 Der Stern 3 Leider! 4 Selbstgefällig 5 Zum Geburtstag im Juni 6 Unbeliebtes Wunder 9 1895 Waldfrevel 12 1899 Abschied 13 Der Renommist 14 1899 Doppelte Freude 16 1899 So und So 17 1899 Greulig 18 1899 Empfehlung 19 1899 Zum Geburtstag 20 1898 Modern 22 1899 Der fremde Hund 23 1899 So war's 24 1899 Die Nachbarskinder 25 1899 Von selbst 26 1899 Beneidenswerth 27 1899 Auch er 28 1899 Die alte Sorge 29 1899 Eitelkeit 30 1899 Gedankenvoll 31 Vielleicht 33 1899 Niemals 34 1899 Wanderlust 35 1899 Beruhigt 36 1899 Fehlgeschossen 37 1899 Unbillig 38 1899 Er ist mal so 39 1899 Verzeihlich 40 1899 Befriedigt 41 1899 Gestört 42 1899 Armer Haushalt 43 1899 Ärgerlich 44 1899 Gedrungen 45 1899 Im Sommer 46 1899 Künftig 47 1899 Vergeblich 48 1899 Versäumt 49 1899 Wassermuhmen 50 1899 Das Blut 51 1899 So nicht 52 1899 Laß ihn 53 1899 Bis auf weiters 54 1899 Gründer 55 1899 Entrüstet 56 1899 Wiedergeburt 58 1899 Frisch gewagt 59 1899 Glückspilz 60 1899 Immerfort 61 1899 Verfrüht 62 1899 Nörgeln 63 1899 Vertraut 64 1900 Tröstlich 65 1900 Unfrei 66 1900 Zwei Jungfern 67 1900 Unbequem 68 1900 Rechthaber 69 1900 Bös und gut 70 1902 Immerhin 71 1905 Erbauliche Bescheidenheit 73 1906 Ich bin Papa 74 1907 Gründliche Heilung 76 1907 Frühlingslied 78 1907 Zu Neujahr 80 1907 In trauter Verborgenheit 81 1907 Was Großmütterlein sang 83 Am Vorabend von Rosens Geburtstag 85 1893 Peinlich berührt 91 1907 Das traurige Röslein 92 Der Thürmer 93 1907 Buch des Lebens 95 [Illustration] Schein und Sein. [Illustration: Faksimile] Mein Kind, es sind allhier die Dinge, Gleichviel, ob große, ob geringe, Im Wesentlichen so verpackt, Daß man sie nicht wie Nüsse knackt. Wie wolltest du dich unterwinden, Kurzweg die Menschen zu ergründen. Du kennst sie nur von außerwärts. Du siehst die Weste, nicht das Herz. W. B. 1899. Woher, wohin? Wo sich Ewigkeiten dehnen, Hören die Gedanken auf, Nur der Herzen frommes Sehnen Ahnt, was ohne Zeitenlauf. Wo wir waren, wo wir bleiben, Sagt kein kluges Menschenwort; Doch die Grübelgeister schreiben: Bist du weg, so bleibe fort. Laß dich nicht auf's Neu gelüsten. Was geschah, es wird geschehn. Ewig an des Lebens Küsten Wirst du scheiternd untergehn. Der Stern. Hätt Einer auch fast mehr Verstand, Als wie die drei Weisen aus Morgenland, Und ließe sich dünken, er wär wohl nie Dem Sternlein nachgereist, wie sie; Dennoch, wenn nun das Weihnachtsfest Seine Lichtlein wonniglich scheinen läßt, Fällt auch auf sein verständig Gesicht, Er mag es merken oder nicht, Ein freundlicher Strahl Des Wundersternes von dazumal. Leider! So ist's in alter Zeit gewesen, So ist es, fürcht ich, auch noch heut. Wer nicht besonders auserlesen, Dem macht die Tugend Schwierigkeit. Aufsteigend mußt du dich bemühen, Doch ohne Mühe sinkest du. Der liebe Gott muß immer ziehen, Dem Teufel fällt's von selber zu. Selbstgefällig. Mein Büdelein Is noch so tlein, Is noch so dumm, Ein ames Wum, Muß tille liegen In seine Wiegen Und hat noch keine Hos'. Ätsch, ätsch! Und ich bin schon so goß. Zum Geburtstag im Juni. Den Jahreszeiten allen Selbviert sei Preis und Ehr! Nur sag ich: Mir gefallen Sie minder oder mehr. Der Frühling wird ja immer Gerühmt, wie sich's gebührt, Weil er mit grünem Schimmer Die graue Welt verziert. Doch hat in unsrer Zone Er durch den Reif der Nacht Schon manche grüne Bohne Und Gurke umgebracht. Stets wird auch Ruhm erwerben Der Herbst, vorausgesetzt, Daß er mit vollen Körben Uns Aug und Mund ergötzt. Indeß durch leises Tupfen Gemahnt er uns bereits: Bald, Kinder, kommt der Schnupfen Und's Gripperl seinerseits. Der Winter kommt. Es blasen Die Winde scharf und kühl; Roth werden alle Nasen, Und Kohlen braucht man viel. Nein, mir gefällt am besten Das, was der Sommer bringt, Wenn auf belaubten Ästen Die Schaar der Vöglein singt. Wenn Rosen, zahm und wilde, In vollster Blüthe stehn, Wenn über Lustgefilde Zephire kosend wehn. Und wollt' mich Einer fragen, Wann's mir im Sommer dann Besonders thät behagen, Den Juni gäb ich an. Und wieder dann darunter Den selben Tag gerad, Wo einst ein Kindlein munter Zuerst zu Tage trat. Drum flattert dies Gedichtchen Jetzt über Berg und Thal Und grüßt das liebe Nichtchen Vom Onkel tausendmal. Unbeliebtes Wunder. In Tours, zu Martin Bischofs Zeit, Gab's Krüppel viel und Bettelleut. Darunter auch ein Ehepaar, Was glücklich und zufrieden war. Er, sonst gesund, war blind und stumm; Sie sehend, aber lahm und krumm An jedem Glied, bis auf die Zunge Und eine unverletzte Lunge. Das paßte schön. Sie reitet ihn Und, selbstverständlich, leitet ihn Als ein geduldig Sattelthier, Sie obenauf, er unter ihr, Ganz einfach mit geringer Müh, Bloß durch die Worte Hott und Hüh, Bald so bald so, vor allen Dingen Dahin, wo grad die Leute gingen. Fast Jeder, der's noch nicht gesehn, Bleibt unwillkürlich stille stehn, Ruft: »Liebergott, was ist denn das?« Greift in den Sack, giebt ihnen Was Und denkt noch lange gern und heiter An dieses Roß und diesen Reiter. So hätten denn gewiß die zwei Durch fortgesetzte Bettelei, Vereint in solcherlei Gestalt, Auch ferner ihren Unterhalt, Ja, ein Vermögen, sich erworben, Wär' Bischof Martin nicht gestorben. Als dieser nun gestorben war, Legt man ihn auf die Todtenbahr Und thät' ihn unter Weheklagen Fein langsam nach dem Dome tragen Zu seiner wohlverdienten Ruh. Und sieh, ein Wunder trug sich zu. Da, wo der Zug vorüber kam, Wer irgend blind, wer irgend lahm, Der fühlte sich sogleich genesen, Als ob er niemals krank gewesen. Oh, wie erschrak die lahme Frau! Von weitem schon sah sie's genau, Weil sie hoch oben, wie gewohnt, Auf des Gemahles Rücken thront. »Lauf, rief sie, laufe schnell von hinnen, Damit wir noch beizeit entrinnen.« Er läuft, er stößt an einen Stein, Er fällt und bricht beinah ein Bein. Die Prozession ist auch schon da. Sie zieht vorbei. Der Blinde sah, Die Lahme, ebenfalls kuriert, Kann gehn, als wie mit Öl geschmiert, Und beide sind wie neu geboren Und kratzen sich verdutzt die Ohren. Jetzt fragt es sich: Was aber nun? Wer leben will, der muß was thun. Denn wer kein Geld sein eigen nennt Und hat zum Betteln kein Talent Und hält zum Stehlen sich zu fein Und mag auch nicht im Kloster sein, Der ist fürwahr nicht zu beneiden. Das überlegten sich die Beiden. Sie, sehr begabt, wird eine fesche Gesuchte Plätterin der Wäsche. Er, mehr beschränkt, nahm eine Axt Und spaltet Klötze, daß es knackst, Von morgens früh bis in die Nacht. Das hat Sankt Martin gut gemacht. Waldfrevel. Ein hübsches Pärchen ging einmal Tief in des Waldes Gründe. Sie pflückte Beeren ohne Zahl, Er schnitt Was in die Rinde. Der pflichtgetreue Förster sieht's. Was sind das für Geschichten? Er zieht sein Buch, er nimmt Notiz Und wird den Fall berichten. Abschied. Die Bäume hören auf zu blühn, Mein Schatz will in die Fremde ziehn; Mein Schatz der sprach ein bittres Wort: Du bleibst nun hier, aber ich muß fort. Leb wohl, mein Schatz, ich bleib dir treu, Wo du auch bist, wo ich auch sei. Bei Regen und bei Sonnenschein, So lang ich lebe, gedenk ich dein. So lang ich lebe, lieb ich dich, Und wenn ich sterbe, bet für mich, Und wenn du kommst zu meinem Grab, So denk, daß ich dich geliebet hab. Einst in München geschrieben als Ergänzung zu der letzten Strophe, die Freund Krempelsetzer, der das Ganze componirte aus dem Volksmunde behalten hatte. Der Renommist. In einem Winkel, genannt die Butze, Wo allerlei Kram, Der nichts mehr nutze, Zusammenkam; Bei alten Hüten, alten Vasen, Bei Töpfen, ohne Henkel und Nasen, Befand sich ein Reiterstiefel auch, Jetzt nur noch ein faltiger Lederschlauch. Großmächtig hat er das Wort geführt Und ganz gewaltiglich renommirt: »Ha, damals! Ich und mein Kamerad! Immer fein gewichst von hinten und vorn, Blitzblank der Sporn, Durch die Straßen geklirrt, Alle Herzen verwirrt, Es war ein Staat! Hurrah, der Krieg, Maustodt oder Sieg! Unser Herr Leutenant, Schneidig, Schwert in der Hand; Doch hätt ich nicht gespornt sein Pferd, Verloren wär die Schlacht von Wörth.« In dem Moment, zu aller Schrecke, Trat plötzlich hervor aus seiner Ecke Ein strammer Reiserbesen. »Hinaus! rief er, du alter Renommist! Was schert es uns, was du gewesen; Wir sehen, was du bist!« -- Ein Schubbs. Ein Schwung. Der Stiefel liegt draußen auf dem Dung. Doppelte Freude. Ein Herr warf einem Bettelmann Fünf Groschen in den Felber. Das that dem Andern wohl, und dann That es auch wohl ihm selber. Der Eine, weil er gar so gut, Kann sich von Herzen loben; Der Andre trinkt sich frischen Muth Und fühlt sich auch gehoben. So und so. Zur Schenke lenkt mit Wohlbehagen Er jeden Abend seinen Schritt Und bleibt, bis daß die Lerchen schlagen. Er singt die letzte Strophe mit. Dagegen ist es zu beklagen, Daß er die Kirche nie betritt. Hier, leider, kann man niemals sagen: Er singt die letzte Strophe mit. Greulig. Er hatte, was sich nicht gehört, Drei Bräute an der Zahl Und nahm, nachdem er sie bethört, 'ne vierte zum Gemahl. Allein, es war ein kurzes Glück. Kaum waren sie getraut, So hat der Hund auch diesen Strick Schon wieder abgekaut. Empfehlung. Du bist nervös. Drum lies doch mal Das Buch, das man dir anempfahl. Es ist beinah, wie eine Reise Im alten wohlbekannten Gleise. Der Weg ist grad und flach das Land, Rechts, links und unten nichts wie Sand. Kein Räderlärm verbittert dich, Kein harter Stoß erschüttert dich, Und bald umfängt dich sanft und kühl Ein Kaumvorhandenseinsgefühl. Du bist behaglich eingenickt. Dann, wenn du angenehm erquickt, Kehrst du beim »stillen Wirthe« ein. Da giebt es weder Bier noch Wein. Du schlürfst ein wenig Äpfelmost, Ißt eine leichte Löffelkost Mit wenig Fett und vieler Grütze, Gehst früh zu Bett in spitzer Mütze Und trinkst zuletzt ein Gläschen Wasser. Schlaf wohl, und segne den Verfasser! Zum Geburtstag. Der Juni kam. Lind weht die Luft. Geschoren ist der Rasen. Ein wonnevoller Rosenduft Dringt tief in alle Nasen. Manch angenehmes Vögelein Sitzt flötend auf den Bäumen, Indeß die Jungen, zart und klein, Im warmen Neste träumen. Flugs kommt denn auch dahergerennt, Schon früh im Morgenthaue, Mit seinem alten Instrument Der Musikant, der graue. Im Juni, wie er das gewohnt, Besucht er einen Garten, Um der Signora, die da thront, Mit Tönen aufzuwarten. Er räuspert sich, er macht sich lang, Er singt und streicht die Fiedel, Er singt, was er schon öfter sang; Du kennst das alte Liedel. Und wenn du gut geschlafen hast Und lächelst hold hernieder, Dann kommt der Kerl, ich fürchte fast, Zum nächsten Juni wieder. Modern. Hinweg mit diesen alten Herrn, Sie sind zu nichts mehr nütz! So rufen sie und nähmen gern Das Erbe in Besitz. Wie andre Erben, die in Noth, Vergeblich warten sie. Der alte reiche Hoffetodt Der stirbt bekanntlich nie. Der fremde Hund. Was fällt da im Boskettgesträuch Dem fremden Hunde ein? Geht man vorbei, so bellt er gleich Und scheint wie toll zu sein. Der Gärtner holt die Flinte her. Es knallt im Augenblick. Der arme Hund, getroffen schwer, Wankt in's Gebüsch zurück. Vier kleine Hündchen liegen hier Nackt, blind und unbewußt. Sie saugen emsig alle vier An einer todten Brust. So war's. Der Theetopf war so wunderschön, Sie liebt ihn, wie ihr Leben. Sie hat ihm leider aus Versehn Den Todesstoß gegeben. Was sie für Kummer da empfand, Nie wird sie es vergessen. Sie hielt die Scherben an einand Und sprach: So hat's gesessen! Die Nachbarskinder. Wer Andern gar zu wenig traut, Hat Angst an allen Ecken; Wer gar zu viel auf Andre baut, Erwacht mit Schrecken. Es trennt sie nur ein leichter Zaun, Die beiden Sorgengründer; Zu wenig und zu viel Vertraun Sind Nachbarskinder. Von selbst. Spare deine guten Lehren Für den eigenen Genuß. Kaum auch wirst du Wen bekehren, Zeigst du, wie man's machen muß. Laß ihn im Galoppe tollen, Reite ruhig deinen Trab. Ein zu ungestümes Wollen Wirft von selbst den Reiter ab. Beneidenswerth. Sahst du noch nie die ungemeine Und hohe Kunstgelenkigkeit, Sowohl der Flügel, wie der Beine, Im Thierbereich mit stillem Neid? Sieh nur, wie aus dem Felsgeklüfte Auf seinen Schwingen wunderbar Bis zu den Wolken durch die Lüfte In stolzen Kreisen schwebt der Aar. Sieh nur das Thierchen, das geringe, Das zu benennen sich nicht ziemt, Es ist durch seine Meistersprünge, Wenn nicht beliebt, so doch berühmt. Leicht zu erlegen diese beiden, Das schlag dir lieber aus dem Sinn. Wer es versucht, der wird bescheiden, Sei's Jäger oder Jägerin. Auch er. Rührend schöne Herzgeschichten, Die ihm vor der Seele schweben, Weiß der Dichter zu berichten. Wovon aber soll er leben? Was er fein zusammen harkte, Sauber eingebundne Werklein, Führt er eben auch zu Markte, Wie der Bauer seine Ferklein. Die alte Sorge. Er kriegte Geld. Die Sorge wich Die ihn bisher beklommen. Er hat die Jungfer Fröhlich sich Zu seinem Schatz genommen. Sie tranken Wein, sie aßen fein, Sie sangen zum Klaviere; Doch wie sie sich so recht erfreun, Da klopft es an die Thüre. Die alte Sorge war's, oweh, Die magerste der Sorgen. Sie setzte sich in's Kanapee Und wünschte Gutenmorgen. Eitelkeit. Ein Töpfchen stand im Dunkeln An stillverborgener Stelle. Ha, rief es, wie wollt ich funkeln, Käm ich nur mal in's Helle. Ihm geht es, wie vielen Narren. Säß Einer auch hinten im Winkel, So hat er doch seinen Sparren Und seinen aparten Dünkel. Gedankenvoll. Ich weiß ein stilles Fensterlein Liegt heimlich und versteckt, Das hat mit Laub der grüne Wein Und Ranken überdeckt. Im Laube spielt der Sommerwind, Die Rebe schwankt und nickt, Dahinter sitzt ein hübsches Kind Gedankenvoll und stickt. Im jugendklaren Angesicht Blüht wundersüß der Mund Als wie ein Rosenknösplein licht Früh in der Morgenstund. Im Netzgeflecht das blonde Haar Umfaßt ein braunes Band, Das liebe blaue Augenpaar Blickt sinnend auf die Hand. Und's Köpfchen scheint so still zu sein. Ist doch ein Taubenschlag. Gedanken fliegen aus und ein Den lieben langen Tag. Sie fliegen über Wald und Flur In's weite Land hinaus. Ach, käm ein einzig Täubchen nur Und flöge in mein Haus. Vielleicht. Sage nie: Dann soll's geschehen! Öffne dir ein Hinterpförtchen Durch »Vielleicht«, das nette Wörtchen, Oder sag: Ich will mal sehen! Denk an des Geschickes Walten. Wie die Schiffer auf den Plänen Ihrer Fahrten stets erwähnen: Wind und Wetter vorbehalten! Niemals. Wonach du sehnlich ausgeschaut, Es wurde dir beschieden. Du triumphirst und jubelst laut: Jetzt hab ich endlich Frieden! Ach, Freundchen, rede nicht so wild, Bezähme deine Zunge. Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt, Kriegt augenblicklich Junge. Wanderlust. Die Zeit, sie orgelt emsig weiter, Sein Liedchen singt dir jeder Tag, Vermischt mit Tönen, die nicht heiter, Wo Keiner was von hören mag. Sie klingen fort. Und mit den Jahren Wird draus ein voller Singverein. Es ist, um aus der Haut zu fahren. Du möchtest gern wo anders sein. Nun gut. Du mußt ja doch verreisen. So fülle denn den Wanderschlauch. Vielleicht vernimmst du neue Weisen, Und Hühneraugen kriegst du auch. Beruhigt. Zwei mal zwei gleich vier ist Wahrheit. Schade, daß sie leicht und leer ist, Denn ich wollte lieber Klarheit Über das, was voll und schwer ist. Emsig sucht ich aufzufinden, Was im tiefsten Grunde wurzelt, Lief umher nach allen Winden Und bin oft dabei gepurzelt. Endlich baut ich eine Hütte. Still nun zwischen ihren Wänden Sitz ich in der Welten Mitte, Unbekümmert um die Enden. Fehlgeschossen. Fritz war ein kecker Junge Und sehr geläufig mit der Zunge. Einstmals ist er beim Ährenlesen Draußen im Felde gewesen, Wo die Weizengarben, je zu zehn, Wie Häuslein in der Reihe stehn. Ein Wetter zog herauf. Da heißt es: Lauf! Und flink, wie ein Mäuslein Schlüpft er in's nächste Halmenhäuslein. Krach! -- Potztausendnochmal! Dicht daneben zündet der Wetterstrahl. Ätsch! rief der Junge, der nicht bange, Und streckt die Zunge aus, die lange: Fehlgeschossen, Herr Blitz! Hier saß der Fritz! Unbillig. Nahmst du in diesem großen Haus Nicht selbst Quartier? Mißfällt es dir, so zieh doch aus. Wer hält dich hier? Und schimpfe auf die Welt, mein Sohn, Nicht gar zu laut. Eh du geboren, hast du schon Mit dran gebaut. Er ist mal so. Zwar mit seinem losen Mund Neigt er zum Krakeele. Dabei ist er doch im Grund Eine treue Seele. Die er seine Freunde nennt, Dulden seine Witze, Denn ein Jeder, der ihn kennt, Kennt auch seine Mütze. Verzeihlich. Er ist ein Dichter, also eitel. Und, bitte, nehmt es ihm nicht krumm, Zieht er aus seinem Lügenbeutel So allerlei Brimborium. Juwelen, Gold und stolze Namen, Ein hohes Schloß im Mondenschein Und schöne höchstverliebte Damen, Dies alles nennt der Dichter sein. Indessen ist ein enges Stübchen Sein ungeheizter Aufenthalt. Er hat kein Geld, er hat kein Liebchen, Und seine Füße werden kalt. Befriedigt. Er 'hört, als eines von den Lichtern, Die höher stets und höher steigen, Bereits zu unsern besten Dichtern, Das läßt sich leider nicht verschweigen. Was weiß man von den Sittenrichtern? -- Er lebt von seiner Frau geschieden, Hat Schulden, ist nicht immer nüchtern -- Aha, jetzt sind wir schon zufrieden! Gestört. Ich gedachte still zu sitzen, Doch sogleich begann das Treiben: Du mußt gehen, laufen, schwitzen, Um so forsch, wie wir, zu bleiben. Und sie wollten mir nach ihrer Mode keine Ruhe gönnen, Gleich wie Boten und Hausierer Sollt ich hin und wieder rennen. Ich besah mir diese Geister, Diese ungestümen Treiber. Oft sind solche weisen Meister Grad die ärgsten Klageweiber. Armer Haushalt. Weh, wer ohne rechte Mittel Sich der Poesie vermählt. Täglich dünner wird der Kittel, Und die Milch im Hause fehlt. Aengstlich schwitzend muß er sitzen, Fort ist seine Seelenruh, Und vergeblich an den Zitzen Zupft er seine magre Kuh. Ärgerlich. Aus der Mühle schaut der Müller, Der so gerne mahlen will. Stiller wird der Wind und stiller, Und die Mühle stehet still. So geht's immer, wie ich finde, Rief der Müller voller Zorn. Hat man Korn, so fehlt's am Winde, Hat man Wind, so fehlt das Korn. Gedrungen. Schnell wachsende Keime Welken geschwinde; Zu lange Bäume Brechen im Winde. Schätz nach der Länge Nicht das Entsprungne; Fest im Gedränge Steht das Gedrungne. Im Sommer. In Sommerbäder Reist jetzt ein jeder Und lebt famos. Der arme Docter, Zu hause hockt er Patientenlos. Von Winterscenen, Von schrecklich schönen, Träumt sein Gemüth, Wenn, Dank Ihr Götter, Bei Hundewetter Sein Weizen blüht. Künftig. Oh komm herbei, du goldne Zeit, Wenn alle, die jetzt bummeln, In schöner Unparteilichkeit Sich bei der Arbeit tummeln. Der Lärm, womit der Musikant Uns stört, wird dann geringer. Wer Dünger fuhr, wer Garben band, Dem krümmen sich die Finger. Vergeblich. Schon recht. Du willst als Philosoph Die Wahrheit dir gewinnen; Du machst mit Worten ihr den Hof, Um so sie einzuspinnen. Nur sage nicht, daß zwischen dir Und ihr schon alles richtig. Sie ist und bleibt, das wissen wir, Jungfräulich, keusch und züchtig. Versäumt. Zur Arbeit ist kein Bub geschaffen, Das Lernen findet er nicht schön; Er möchte träumen, möchte gaffen Und Vogelnester suchen gehn. Er liebt es, lang im Bett zu liegen. Und wie es halt im Leben geht: Grad zu den frühen Morgenzügen Kommt man am leichtesten zu spät. Wassermuhmen. In dem See die Wassermuhmen Wollen ihr Vergnügen haben, Fangen Mädchen sich und Knaben, Machen Frösche draus und Blumen. Wie die Blümlein zierlich knicksen, Wie die Fröschlein zärtlich quacken, Wie sie flüstern, wie sie schnacken, So was freut die alten Nixen. Das Blut. Wie ein Kranker, den das Fieber Heiß gemacht und aufgeregt, Sich herüber und hinüber Auf die andre Seite legt -- So die Welt. Vor Haß und Hader Hat sie niemals noch geruht. Immerfort durch jede Ader Tobt das alte Sünderblut. So nicht. Um's Paradies ging eine Mauer Hübsch hoch vom besten Marmelstein. Der Kain, als ein Bub ein schlauer, Denkt sich: Ich komme doch hinein. Er stieg hinauf zu diesem Zwecke An einer Leiter mäuschenstumm. Da schlich der Teufel um die Ecke Und stieß ihn samt der Leiter um. Der Vater Adam, der's gesehen, Sprach, während er ihn liegen ließ: Du Schlingel! Dir ist recht geschehen. So kommt man nicht in's Paradies. Laß ihn. Er ist verliebt, laß ihn gewähren, Bekümmre dich um dein Pläsir, Und kommst du gar, ihn zu bekehren, Wirft er dich sicher vor die Thür. Mit Gründen ist da nichts zu machen. Was Einer mag, ist seine Sach, Denn kurz gesagt: In Herzenssachen Geht Jeder seiner Nase nach. Bis auf weiters. Das Messer blitzt, die Schweine schrein, Man muß sie halt benutzen, Denn Jeder denkt: Wozu das Schwein, Wenn wir es nicht verputzen? Und Jeder schmunzelt, Jeder nagt Nach Art der Kannibalen, Bis man dereinst Pfui Teufel! sagt Zum Schinken aus Westfalen. Gründer. Geschäftig sind die Menschenkinder, Die große Zunft von kleinen Meistern, Als Mitbegründer, Miterfinder Sich diese Welt zurecht zu kleistern. Nur leider kann man sich nicht einen, Wie man das Ding am besten mache. Das Bauen mit belebten Steinen Ist eine höchst verzwickte Sache. Welch ein Gedrängel und Getriebe Von Lieb und Haß bei Nacht und Tage, Und unaufhörlich setzt es Hiebe, Und unaufhörlich tönt die Klage. Gottlob, es giebt auch stille Leute, Die meiden dies Gewühl und hassen's Und bauen auf der andern Seite Sich eine Welt des Unterlassens. Entrüstet. Zu gräßlich hatt er mich geneckt. Wie weh war mir zu Sinn. Und tief gekränkt und aufgeschreckt Zum Kirchhof lief ich hin. Ich saß auf einem Leichenstein, Die Augen weint ich roth. Ach lieber Gott, erbarm dich mein Und mach mich endlich todt. Sieht er mich dann in meinem Sarg, So wird er lebenssatt Und stirbt vor Gram, weil er so arg Mein Herz behandelt hat. Kaum war's gesagt, so legten sich Zwei Arme um mich her, Und auf der Stelle fühlte ich, Wer das gethan, war er. Wir kehrten Arm in Arm zurück. Ich sah ihn an bei Licht. Nein, solchen treuen Liebesblick Hat doch kein Bösewicht. Wiedergeburt. Wer nicht will, wird nie zunichte, Kehrt beständig wieder heim. Frisch herauf zum alten Lichte Dringt der neue Lebenskeim. Keiner fürchte zu versinken, Der in's tiefe Dunkel fährt. Tausend Möglichkeiten winken Ihm, der gerne wiederkehrt. Dennoch seh ich dich erbeben, Eh du in die Urne langst. Weil dir bange vor dem Leben, Hast du vor dem Tode Angst. Frisch gewagt. Es kamen mal zwei Knaben An einen breiten Graben. Der erste sprang hinüber, Schlankweg je ehr je lieber. War das nicht keck? Der zweite, fein besonnen, Eh er das Werk begonnen, Sprang in den Dreck. Glückspilz. Geboren ward er ohne Wehen Bei Leuten, die mit Geld versehen. Er schwänzt die Schule, lernt nicht viel, Hat Glück bei Weibern und im Spiel, Nimmt eine Frau sich, eine schöne, Erzeugt mit ihr zwei kluge Söhne, Hat Appetit, kriegt einen Bauch, Und einen Orden kriegt er auch, Und stirbt, nachdem er aufgespeichert Ein paar Milliönchen, hochbetagt; Obgleich ein jeder weiß und sagt: Er war mit Dummerjan geräuchert! Immerfort. Das Sonnenstäubchen fern im Raume, Das Tröpfchen, das im Grase blinkt, Das dürre Blättchen, das vom Baume Im Hauch des Windes niedersinkt -- Ein jedes wirkt an seinem Örtchen Still weiter, wie es muß und mag, Ja selbst ein leises Flüsterwörtchen Klingt fort bis an den jüngsten Tag. Verfrüht. Papa, nicht wahr, Im nächsten Jahr, Wenn ich erst groß Und lesen kann und schreiben kann, Dann krieg ich einen hübschen Mann Mit einer Ticktackuhr An einer goldnen Schnur. Der nimmt mich auf den Schooß Und sagt zu mir: Mein Engel, Und giebt mir Zuckerkrengel Und Kuchen und Pasteten. Nicht wahr, Papa? Der Vater brummt: Na na, Was ist das für Gefabel. Die Vögel, die dann flöten, Die haben noch keinen Schnabel. Nörgeln. Nörgeln ist das Allerschlimmste, Keiner ist davon erbaut; Keiner fährt, und wär's der Dümmste, Gern aus seiner werthen Haut. Vertraut. Wie liegt die Welt so frisch und thauig Vor mir im Morgensonnenschein. Entzückt vom hohen Hügel schau ich Ins frühlingsgrüne Thal hinein. Mit allen Kreaturen bin ich In schönster Seelenharmonie. Wir sind verwandt, ich fühl es innig, Und eben darum lieb ich sie. Und wird auch mal der Himmel grauer; Wer voll Vertraun die Welt besieht, Den freut es, wenn ein Regenschauer Mit Sturm und Blitz vorüberzieht. Tröstlich. Die Lehre von der Wiederkehr Ist zweifelhaften Sinns. Es fragt sich sehr, ob man nachher Noch sagen kann: Ich bins. Allein was thut's, wenn mit der Zeit Sich ändert die Gestalt? Die Fähigkeit zu Lust und Leid Vergeht wohl nicht so bald. Unfrei. Ganz richtig, diese Welt ist nichtig. Auch du, der in Person erscheint, Bist ebenfalls nicht gar so wichtig, Wie deine Eitelkeit vermeint. Was hilft es dir, damit zu prahlen, Daß du ein freies Menschenkind? Mußt du nicht pünktlich Steuern zahlen, Obwohl sie dir zuwider sind? Wärst du vielleicht auch, so zu sagen, Erhaben über gut und schlecht, Trotzdem behandelt dich dein Magen Als ganz gemeinen Futterknecht. Lang bleibst du überhaupt nicht munter. Das Alter kommt und zieht dich krumm Und stößt dich rücksichtslos hinunter Ins dunkle Sammelsurium. Daselbst umfängt dich das Gewimmel Der Unsichtbaren, wie zuerst, Eh du erschienst, und nur der Himmel Weiß, ob und wann du wiederkehrst. Zwei Jungfern. Zwei Jungfern giebt es in Dorf und Stadt, Sie leben beständig im Kriege, Die Wahrheit, die Niemand gerne hat, Und die scharmante Lüge. Vor jener, weil sie stolz und prüd Und voll moralischer Mücken, Sucht Jeder, der sie nur kommen sieht, Sich schleunigst weg zu drücken. Die andre, obwohl ihr nicht zu traun, Wird täglich beliebter und kecker, Und wenn wir sie von hinten beschaun, So hat sie einen Höcker. Unbequem. Ernst und dringend folgt mir eine Mahnung nach auf Schritt und Tritt: Sorge nicht nur für das Deine, Sondern für das Andre mit. Demnach soll ich unterlassen Was mir von Natur genehm, Um das Gute zu erfassen? Ei, das ist mal unbequem. Zu einem Wohlthätigkeitsbazar in Berlin geschickt. Dezember 1905. Rechthaber. Seine Meinung ist die rechte, Wenn er spricht, müßt ihr verstummen, Sonst erklärt er euch für Schlechte, Oder nennt euch gar die Dummen. Leider sind dergleichen Strolche Keine seltene Erscheinung. Wer nicht taub, der meidet solche Ritter von der eignen Meinung. Bös und gut. Wie kam ich nur aus jenem Frieden In's Weltgetös? Was einst vereint, hat sich geschieden, Und das ist bös. Nun bin ich nicht geneigt zum Geben, Nun heißt es: Nimm! Ja, ich muß tödten, um zu leben, Und das ist schlimm. Doch eine Sehnsucht blieb zurücke, Die niemals ruht. Sie zieht mich heim zum alten Glücke, Und das ist gut. Immerhin. Mein Herz, sei nicht beklommen, Noch wird die Welt nicht alt. Der Frühling ist wiedergekommen, Frisch grünt der deutsche Wald. Seit Ururvätertagen Stehen die Eichen am See, Die Nachtigallen schlagen, Zur Tränke kommt das Reh. Die Sonne geht auf und unter[1] Schon lange vieltausendmal, Noch immer eilen so munter Die Bächlein in's blühende Thal. Hier lieg ich im weichen Moose Unter dem rauschenden Baum, Die Zeit, die wesenlose, Verschwindet als wie ein Traum. Von kühlen Schatten umdämmert, Versink ich in selige Ruh; Ein Specht, der lustig hämmert, Nickt mir vertraulich zu. Mir ist, als ob er riefe: Heija, mein guter Gesell, Für ewig aus dunkler Tiefe Sprudelt der Lebensquell. [1] An Paul Lindau gegeben für Wilbrandts Gedenkbuch 1907. Erbauliche Bescheidenheit. Sehr schlecht befand sich Mutter Klöhn. Sie kann nicht gehn, Ist krumm und lahm Und liegt zubett und rührt sich nicht. Seit zwanzig Jahren hat sie schon die Gicht. Herr Küster Bötel, welcher häufig kam, Um gute Bessrung ihr zu wünschen, Erzählt ihr auch des weitern, Um sie ein wenig zu erheitern, Die Mordgeschichte, die man jüngst verbrochen. Ja, denken Sie nur mal, Der Präsident von Frankreich ist erstochen Von einem Strolch Mit einem Dolch. Ist das nicht ein Skandal? Oh, Lü und Kinners, rief sie voller Graun, Wat gift et doch vär Minschen. Sau wat könn _eck_ doch nich e daun!! Herr Bötel sprach und sah sie freundlich an: Dies Wort von Ihnen mag ich leiden. Ein guter Mensch ist niemals unbescheiden Und thut nicht mehr als was er kann. Adieu, Frau Klöhn! Auf fröhlich Wiedersehn! Ich bin Papa. Mitunter schwitzen muß der Schreiner, Er stößt auf manchen harten Ast. So geht es auch, wenn unsereiner Sich mit der Grübelei befaßt. Zum Glück hat meine gute Frau, Die liebevoll an alles denkt, Mir einen kleinen Fritz geschenkt, Denn oft erfreut mich dieser Knabe Durch seinen kindlichen Radau, Wenn ich so meine Schrullen habe. Heut mittag gab es wieder mal Mein Leibgericht, gespickten Aal, Und wie ich dann zur Körperpflege, Die Weste auf, die Augen zu, Die Hände friedlich auf dem Magen Im Polsterstuhl mich niederlege, Oh weh, ein Schwarm von dummen Fragen Verscheucht die heißersehnte Ruh. Ach, wird es mir denn niemals klar, Wo ich gewesen, eh ich war? Schwamm ich, verkrümelt in Atome, Gedankenlos im Wirbelstrome, Bis ich am Ende mich verdichtet Zu einer denkenden Person? Und jetzt, was hab ich ausgerichtet? Was war der Mühe karger Lohn? Das Geld ist rar, die Kurse sinken, Dagegen steigt der Preis der Schinken. Fast jeden Morgen klagt die Mutter: Ach Herr, wie theuer ist die Butter! Ja, selbst der Vater wird gerührt, Wenn er sein kleines Brödchen schmiert. Und doch, trotz dieser Seelenleiden, Will keiner gern von hinnen scheiden. Wer weiß? Ei sieh, wer kommt denn da? Hallo, der Fritz! Nun wird es heiter, Nun machen wir den Eselreiter. Flugs stell ich mich auf alle Viere, Indem ich auf und ab marschiere, Und rufe kräftig mein Ih -- ah! Vor Wähligkeit und Uebermuth. Ih -- ah! Die Welt ist nicht so übel. Wozu das närrische Gegrübel? Ich bin Papa, und damit gut. Gründliche Heilung. Es saß der fromme Meister Mit Weib und Kind bei Tisch. Ach, seine Lebensgeister Sind nicht wie sonst so frisch. Er sitzt mit krummem Nacken Vor seinem Leibgericht, Er hält sich beide Backen, Worin es heftig sticht. Das brennt wie heiße Kohlen. Au, schreit er, au, verdammt! Der Teufel soll sie holen, Die Zähne allesammt! Doch gleich, wie es in Nöthen Wohl öfter schon geschah, Begann er laut zu beten: Hilf, Apollonia! Kaum daß aus voller Seele Er diesen Spruch gethan, Fällt aus des Mundes Höhle Ihm plötzlich jeder Zahn. Und schmerzlos, Dank dem Himmel, Schmaust er, wie sonst der Brauch, Nur war es mehr Gemümmel, Und lispeln thät er auch. Pohsit! Wie klingt so niedlich Des Meisters Säuselton. Er trank, entschlummert friedlich, Und horch, da schnarcht er schon. 3. August 1907 an die »Lustige Woche« gegeben. Frühlingslied. In der Laube von Syringen, Oh, wie ist der Abend fein. Brüder, laßt die Gläser klingen, Angefüllt mit Maienwein. Heija, der frische Mai Er bringt uns mancherlei. Das Schönste aber hier auf Erden Ist lieben und geliebt zu werden, Heija, im frischen Mai. Ueber uns die lieben Sterne Blinken hell und frohgemuth, Denn sie sehen schon von ferne, Auch hier unten geht es gut. Wer sich jetzt bei trüber Kerzen Der Gelehrsamkeit befleißt, Diesem wünschen wir von Herzen, Daß er bald Professor heißt. Wer als Wein- und Weiberhasser Jedermann im Wege steht, Der genieße Brod und Wasser, Bis er endlich in sich geht. Wem vielleicht sein altes Hannchen Irgendwie abhanden kam, Nur getrost, es gab schon Manchen, Der ein neues Hannchen nahm. Also, eh der Mai zu Ende, Aufgeschaut und umgeblickt, Keiner, der nicht eine fände, Die ihn an ihr Herze drückt. Jahre steigen auf und nieder; Aber, wenn der Lenz erblüht, Dann, ihr Brüder, immer wieder Töne unser Jubellied. Heija, der frische Mai, Er bringt uns mancherlei, Das Schönste aber hier auf Erden Ist lieben und geliebt zu werden, Heija, im frischen Mai. Zu Neujahr. Will das Glück nach seinem Sinn Dir was Gutes schenken, Sage Dank und nimm es hin Ohne viel Bedenken. Jede Gabe sei begrüßt, Doch vor allen Dingen: Das, warum du dich _bemühst_, Möge dir gelingen. In trauter Verborgenheit. Ade, ihr Sommertage, Wie seid ihr so schnell enteilt, Gar mancherlei Lust und Plage Habt ihr uns zugetheilt. Wohl war es ein Entzücken, Zu wandeln im Sonnenschein, Nur die verflixten Mücken Mischten sich immer darein. Und wenn wir auf Waldeswegen Dem Sange der Vögel gelauscht, Dann kam natürlich ein Regen Auf uns hernieder gerauscht. Die lustigen Sänger haben Nach Süden sich aufgemacht, Bei Tage krächzen die Raben, Die Käuze schreien bei Nacht. Was ist das für Gesause! Es stürmt bereits und schneit. Da bleiben wir zwei zuhause In trauter Verborgenheit. Kein Wetter kann uns verdrießen. Mein Liebchen, ich und du, Wir halten uns warm und schließen Hübsch feste die Thüren zu. Was das Großmütterlein sang. Surre surre surre! Mein gutes Rädchen schnurre! Für unser kleines Kätchen Dreh mir ein feines Fädchen So lang von hier bis Köllen Wohl mehr als tausend Ellen. Wir wollen es winden Und Docken von binden, Meister Weber es geben, Soll Leinen uns weben, Das breiten wir beide Auf blumige Heide Auf Anger und Wiesen Und wollen es sonnen Benetzen und gießen Aus Bächen und Bronnen. Ach, komm du lieber Sonnenschein Und bleiche unser Leinen rein. Dann kriegt mein Herzenstäubchen Wohl manch ein feines Hemd Und Tüchlein oder Häubchen, Bis daß der Freier kömmt. Schön guten Tag, Herr Freiersmann! Was schaut er so mein Kätchen an? Das Kätchen geben wir nicht her, Und wenn's für Tausend Thaler wär. Ei, Mutter, nur nicht gleich geschmält! Den hübschen jungen Knaben Den will und muß ich haben; Den Krauskopf, den Krauskopf Hab ich mir auserwählt. Und willst du denn ein Bräutchen sein, So geb ich meinen Segen drein. So manches Blümlein wachsen mag Von Ostern bis Michelistag, So manches Körnlein, als man sät, So mancher Halm in Aehren steht, So vielmal Gutes wünsch ich dir Aus meines Herzens Grund herfür. Und wenn die Pfeifen klingen, Dann tanzen wir und springen; Dann spring ich wohl und tanz ich Von Danzig bis nach Nanzig -- Knipp knapp! Da reißt mein Faden ab! Am Vorabend von Rosens Geburtstag. Lauschend am Fenster sitzt der Poet. -- Draußen die Blumen und Pflänzchen Halten ihr Abendkränzchen Auf dem Gartenbeet. Der Mond in Silberlivree, Leise geschäftig, Kredenzt den Thau, den Blüthenthee, Anregend und kräftig. Und von Kelch zu Kelche Geht ein Geflüster: Also morgen ist er! _Frau Ehrenpreis_ (Veronika). Ja, morgen feiert sie Ihren werthen Entsprießungstag -- _Taubnessel_ (mit dem Hörrohr). Hä was? Hä welche? _Frau Ehrenpreis_ (lauter). -- -- Drüben im Garten die schöne Frau Rose -- -- _Taubnessel._ Ah! mit den zwei Knospen die! _Frau Ehrenpreis._ -- -- die tadel- und dornenlose -- -- _Distel_ (für sich). Wer's glauben mag! _Frau Ehrenpreis._ -- Von Duft und Glanz umwoben. _Distel._ Man weiß, man weiß! Die gute Frau Ehrenpreis Muß immer loben. Und doch hat unser Röschen, das feine Allerlei kleine Grillen und Räupchen Unter dem zierlichen Häubchen. _Gänseblümchen._ Oh wie reizend! _Distel._ Bald steht sie da so mildiglich Und senkt die Blätter, Bald rüttelt, schüttelt und spreizt sie sich, Je nach dem Wetter. _Gänseblümchen._ Oh wie reizend! _Klatschrose._ Ja reizend, das wollt ich meinen! Drum sieht man auch häufig den Löwenzahn, Den Rittersporn und den Baldrian Dort wachsen und erscheinen. _Gänseblümchen._ Oh wie reizend! _Klatschrose._ Ja reizend, ganz recht! Und dann dieser Musenknecht, Dieser Dichter -- _Distel._ Der Versetrichter -- _Klatschrose._ -- mit den langen Locken -- _Distel._ -- mit dem Loch im Socken. _Gänseblümchen._ Oh wie reizend! _Klatschrose._ Alltäglich kläglich mit Gefühl In ihrer Nähe Entlockt er seinem Saitenspiel Lieblich Getön Und singt so schön -- _Distel._ -- wie 'ne Mantelkrähe. _Klatschrose._ Zum Beispiel, noch gestern -- -- _Lilie_ (sanft). Geliebte Schwestern! -- _Frau Ehrenpreis._ Ihr Muster der Milde! Ihr Tugendgebilde! _Lilie._ Wen sollte der festliche Tag nicht rühren! Ich denke doch -- -- _Levkoje_, _Tulpe_, _Päonie_, _Flox_ etc. Ja ja, wir alle gratuliren!! _Frau Ehrenpreis._ Ein Schöngeist blüht in unsrer Mitte, Ein hochgeschickter -- Fräulein Federnelke -- _Federnelke._ Oh, bitte! _Distel_ (für sich). Blaustrumpf, verrückter! _Frau Ehrenpreis._ -- -- Federnelke, die wundersame, So lautet ihr holder botanischer Name. Vielleicht läßt sie sich freundlich erweichen Und schreibt und dichtet ein Billet, Duftend, geistvoll und nett. Das möge dann die dienende Biene, Unsere süße geflügelte Schleckerkathrine, Hinschwebend im frühesten Morgenwind, Dem hohen Geburtstagskind Ehrfurchtsvoll sumsend überreichen. _Gänseblümchen._ Oh wie reizend! _Federnelke_ (schreibt und liest). »Veredelte Rose und Nachbarin! »Nehmet dies Brieflein gnädig hin, »Sintemalen dasselbe geschrieben »Von allerlei Pflanzen, welche Euch lieben. »Verleihe der Himmel Euer Gnaden »Beständig ein sanftes Sonnenlicht »Und frischen Thau und meinetwegen »Auch hie und da ein wenig Regen, »Nur Sturmwind nicht, »Denn dieser thut der Schönheit Schaden. »Ergebenst mit Herz und Honigmund »Das Blumenkränzchen: Tugendbund.« _Gänseblümchen._ Oh wie reizend! _Federnelke._ Ich denke, es macht sich so! _Alle._ Bravo bravissimo! _Mond._ Noch 'n Täßchen Thee gefällig? _Levkoje._ Ich trank schon drei. _Flox._ Ich fünf. _Tulpe._ Ich acht. _Päonie._ Mein Mieder kracht! _Alle._ Gute Nacht, gute Nacht! (Die Blumen nicken. Der Mond geht unter. Der Poet, nachdem er noch einen Blick in die Nacht hinaus gebohrt, schließt leise das Fenster.) Peinlich berührt. Im Dorfe wohnt ein Vetter, Der gut versichert war Vor Brand und Hagelwetter Nun schon im zehnten Jahr. Doch nie seit dazumalen Ist ein Malör passiert, Und so für nichts zu zahlen, Hat peinlich ihn berührt. Jetzt, denkt er, überlasse Dem Glück ich Feld und Haus. Ich pfeife auf die Kasse. Und schleunig trat er aus. Oweh, nach wenig Tagen Da hieß es: Zapperment! Der Weizen ist zerschlagen Und Haus und Scheune brennt. Ein Narr hat Glück in Masse, Wer klug, hat selten Schwein. Und schleunig in die Kasse Trat er halt wieder ein. Das traurige Röslein. Ein Röslein war gar nicht munter, Weil es im Topfe stand, Sah immer traurig hinunter Auf die Blumen im freien Land. Die Blumen nicken und winken. Wie ist es im Freien so schön Zu tanzen und Thau zu trinken Bei lustigem Windeswehn. Von bunten Schmetterlingen Umgaukelt, geschmeichelt, geküßt; Dazwischen der Vöglein Singen Anmuthig zu hören ist. Wir preisen dich und loben Dich, fröhliche Sommerzeit; Ach, Röslein am Fenster droben Du thust uns auch gar zu leid. Da ist ins Land gekommen Der Winter mit seiner Noth. In Schnee und Frost verklommen Die Blumen sind alle todt. Ein Mägdlein hört es stürmen, Macht fest das Fenster zu. Jetzt will ich dich pflegen und schirmen, Du liebes Röslein du. Der Thürmer. Der Thürmer steht auf hohem Söller Und raucht sein Pfeifchen echten Kneller, Wobei der alte Invalid Von oben her die Welt besieht. Es kommt der Sommer allgemach. Die Schwalben fliegen um das Dach, Derweil schon manche stillbeglückt Im Neste sitzt und fleißig drückt. Zugleich tritt aus dem Gotteshaus Ein neuvermähltes Paar heraus, Das darf sich nun in allen Ehren Getreulich lieben und vermehren. -- Der Sommer kam, und allenthalben Schwebt ungezählt das Heer der Schwalben, Die, wenn sie flink vorüberflitzen, Des Thürmers alten Hut beschmitzen. Vom Platze unten tönt Juchhei, Die Klosterschüler haben frei, Sie necken, schrecken, jagen sich, Sie schlagen und vertragen sich Und grüßen keck mit Hohngelächter Des Thurmes hochgestellten Wächter. -- Der Sommer ging, die Schwalben setzen Sich auf das Kirchendach und schwätzen. Sie warten, bis der Abend da, Dann flogen sie nach Afrika. Doch unten, wo die Fackeln scheinen, Begraben sie mal wieder Einen Und singen ihm nach frommer Weise Ein Lebewohl zur letzten Reise. Bedenklich schaut der Thürmer drein. Still geht er in sein Kämmerlein Zu seinem großen Deckelkrug, Und als die Glocke zehne schlug, Nahm er das Horn mit frischem Muth Und blies ein kräftiges Tuhuht. Buch des Lebens. Haß, als minus und vergebens, Wird vom Leben abgeschrieben. Positiv im Buch des Lebens Steht verzeichnet nur das Lieben. Ob ein Minus oder Plus Uns verblieben, zeigt der Schluß. [Illustration] [Illustration] Von diesem Buche ist zugleich mit dieser Ausgabe auch eine Luxusausgabe in 1200 numerirten Exemplaren erschienen. Sie ist auf handgeschöpftes Büttenpapier gedruckt, in Leder gebunden und kostet Mk. 8.--. Im September 1908 erschien im gleichen Verlage: »Hernach« von Wilhelm Busch. Ein stattlicher Band mit 95 zum Theil farbigen Zeichnungen nebst Versen. ~A.~ Facsimile-Ausgabe in 1000 numerirten Exemplaren, die Zeichnungen in Lichtdruck, die Texte in des Dichters Handschrift reproduzirt, auf 60 Cartons gelegt. Gebunden in Kalbleder Preis Mk. 16.--. ~B.~ Gewöhnliche Ausgabe, in Buchdruck hergestellt auf starkem, getöntem Papier. In Leinwand gebunden Preis Mk. 5.--. [Illustration] *** End of this LibraryBlog Digital Book "Schein und Sein - Nachgelassene Gedichte" *** Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.