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Title: Erzählungen aus der Römischen Geschichte in biographischer Form
Author: Stacke, Ludwig
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Erzählungen aus der Römischen Geschichte in biographischer Form" ***


  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

    Der vorliegende Text wurde anhand der 1904 erschienenen Buchausgabe
    so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische
    Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und
    heute nicht mehr gebräuchliche Schreibweisen bleiben gegenüber
    dem Original unverändert, sofern der Sinn des Texts dadurch
    nicht beeinträchtigt wird. Rechtschreibvarianten wurden nicht
    vereinheitlicht, wenn die jeweiligen Formen mehrmals bzw. gleich
    oft im Text vorkommen.

    Personennamen werden bei ihrer ersten Erwähnung oft mit Betonungs-
    und ggf. mit Aussprachezeichen versehen und erscheinen dann in der
    Regel gesperrt gedruckt, später meist nicht mehr.

    Die Buchwerbung wurde vom Bearbeiter der Übersichtlichkeit halber
    am Ende des Texts zusammengefasst.

    Besondere Schriftschnitte wurden mit Hilfe der folgenden
    Sonderzeichen gekennzeichnet:

        Fettdruck: =Gleichheitszeichen=
        gesperrt:  +Pluszeichen+
        Antiqua:   ~Tilden~

  ####################################################################



                              Erzählungen

                                aus der

                           alten Geschichte.

                                  Von

                       Prof. ~Dr.~ Ludw. Stacke.

                        II. Teil. 27. Auflage.

                         Römische Geschichten.

                           Oldenburg, 1904.

                Druck und Verlag von Gerhard Stalling.



                              Erzählungen

                                aus der

                         Römischen Geschichte

                        in biographischer Form.

                                  Von

                      Prof. ~Dr.~ Ludwig Stacke.

               Siebenundzwanzigste, verbesserte Auflage.

                            [Illustration]

                              Oldenburg.
                Druck und Verlag von Gerhard Stalling.
                                 1904.



Aus dem Vorwort zur 1. Auflage.


Dieses zweite Bändchen meiner Erzählungen enthält eine Auswahl
derjenigen Momente der römischen Geschichte, welche für den
biographischen Unterricht geeignet schienen. Die eigenen Worte der
Quellen anzuführen, wie ich es im ersten Bändchen, namentlich mit
den aus Herodotos gewählten Erzählungen getan habe, war hier fast
ganz unstatthaft; dagegen sind angemessene Darstellungen aus neueren
quellenmäßigen Bearbeitungen, wenn sie sich für meinen Zweck eigneten,
ganz oder teilweise aufgenommen worden. -- Über Marc Aurel hinaus
mochte ich die Erzählungen nicht fortsetzen; auch die Zeiten des
Unterganges des Reiches sind in dem angehängten +Schluß+ nur
sehr übersichtlich berührt, weil man mit dem Auftreten der Germanen
zweckmäßiger die Geschichte des Mittelalters eröffnet.

                                                     ~Dr.~ =Stacke=.



Vorwort zur 25. Auflage.


Nach denselben Gesichtspunkten, wie bei der letzten Auflage der
„Erzählungen aus der römischen Geschichte“, ist auch bei der
Bearbeitung des vorliegenden Bändchens verfahren worden. Man wird die
Tätigkeit der nachbessernden, ergänzenden oder berichtigenden Hand
auf jeder Seite gewahren. Unverändert dagegen ist die Grundanlage
und die Auswahl des Stoffes geblieben, mit der einen, schon bei dem
griechischen Teil der Erzählungen eingeführten Ausnahme, daß die seit
der 8. Auflage zugefügte „Geographische Überschrift des alten Italiens“
durch eine kurze historisch geographische Einleitung in die Geschichte
Roms ersetzt worden ist.

    +Oldenburg+, im März 1898.

                                                   ~Dr.~ =H. Stein=.



Vorwort zur 27. Auflage.


Die erneuerte Durchsicht hat bei dieser Auflage, außer vielfachen
kleineren, meist formalen Nachbesserungen, auch einige erhebliche
Erweiterungen und Ergänzungen zur Folge gehabt, durch welche der Umfang
des Bändchens um zehn Seiten gewachsen ist.

    +Oldenburg+, im Juni 1904.

                                                   ~Dr.~ =H. Stein=.



Inhalt.


                                                                  Seite.

    +Einleitung+        1

    +Rom unter Königsherrschaft.+

         I. Gründung Roms. König Romulus (754-717 v. Chr.)             3

        II. König Numa Pompilius (716-673 v. Chr.)                     9

       III. König Tullus Hostilius (673-641 v. Chr.)                  10

        IV. König Ancus Marcius (641-617 v. Chr.)                     13

         V. König Tarquinius Priscus (617-578 v. Chr.)                15

        VI. König Servius Tullius (578-534 v. Chr.)                   17

       VII. König Tarquinius Superbus (534-510 v. Chr.)               20

    +Rom als Republik.+

      VIII. Brutus, erster Konsul der Römer (506 v. Chr.)             25

        IX. Krieg mit König Porsenna                                  27

         X. Innerer Zwist. Menenius Agrippa und C. Marcius
              Coriolanus                                              29

        XI. Untergang der Fabier (477 v. Chr.)                        32

       XII. Appius Claudius und die Decemvirn (451-449 v. Chr.)       35

      XIII. M. Furius Camillus. Einbruch der Gallier                  38

       XIV. Titus Manlius Torquatus. Marcus Valerius Corvus.
              -- M. Curtius                                           44

        XV. Die Tribunen Licinius und Sextius. Gleichstellung der
              Plebs                                                   45

       XVI. Die zwei ersten Samniterkriege. -- P. Decius. --
              Papirius Cursor. -- Der Samniter Pontius                48

      XVII. Der Krieg mit den Latinern und der dritte Samniterkrieg.
              Titus Manlius. Die beiden Decius Mus                    53

     XVIII. Pyrrhus, König von Epirus                                 55

       XIX. Der erste punische Krieg (264-241). Gajus Duilius.
              M. Atilius Regulus                                      60

        XX. Der zweite punische Krieg (219-201). Hannibal.

                1. Hannibals erstes Auftreten                         63

                2. Hannibals Zug nach Italien                         66

                3. Hannibals Siege am Ticinus und an der Trebia       70

                4. Schlacht am trasimenischen See                     73

                5. Hannibal gegen Fabius Cunctator                    76

                6. Die Schlacht bei Cannä (216)                       78

                7. Hannibal und Marcellus                             81

                8. Hannibal und Scipio. Schlacht bei Zama (202)       84

                9. Hannibals und Scipios Ausgang                      88

       XXI. Kriege gegen Makedonien. -- Ämilius Paulus. --
            Scipio Africanus der Jüngere. -- Karthagos Zerstörung     91

      XXII. Die beiden Gracchen                                      100

     XXIII. Gajus Marius. -- Jugurtha. -- Cimbernkrieg               111

      XXIV. Der erste Bürgerkrieg. Sulla und Marius.

                1. Sulla, Feldherr gegen Mithridates, vertreibt den
                     Marius                                          119

                2. Flucht des Marius                                 122

                3. Sullas Krieg gegen Mithridates                    124

                4. Cinna in Rom. Marius’ Rückkehr und Tod            127

                5. Sullas Rückkehr und Proskriptionen. Sein Tod      128

       XXV. Pompejus Magnus.

                1. Sein erstes Auftreten                             131

                2. Pompejus gegen Sertorius                          133

                3. Pompejus besiegt die Reste des Sklavenaufstandes  136

                4. Pompejus besiegt die Seeräuber                    139

                5. Pompejus in Asien                                 141

      XXVI. Cicero                                                   147

     XXVII. Julius Cäsar. Der zweite Bürgerkrieg.

                1. Cäsar bis zum Kampfe gegen Pompejus               151

                2. Cäsars Kampf gegen Pompejus (49-48)               157

                3. Cäsar in Afrika. Catos Tod                        166

                4. Cäsars fernere Taten und Tod                      170

    XXVIII. Der dritte Bürgerkrieg. Marcus Antonius und Cäsar
              Octavianus                                             177

      XXIX. Cäsar Octavianus als Augustus.

                1. Augustus’ Regierung (30 v. Chr.-14 n. Chr.)    188

                2. Kriege gegen die Deutschen. Arminius,
                     Deutschlands Befreier                           191

       XXX. Kaiser Tiberius (14-37 n. Chr.)                          199

      XXXI. Die Kaiser Gajus Caligula (37-41) und Tiberius
              Claudius Cäsar (41-54)                                 202

     XXXII. Nero (54-68)                                             204

    XXXIII. Flavius Vespasianus (69-79). Seine Söhne Titus
              (79-81) und Domitianus (81-96)                         208

     XXXIV. Die glücklichste Periode der römischen Kaiserherrschaft:
            Nerva, Trajanus, Hadrianus und die beiden Antonine
            (96-180)                                                 213

      XXXV. Bis zum Ausgange des weströmischen Reiches (180-476)     218

[Illustration]



Einleitung.


Das römische Reich (~imperium Romanum~), das zur Zeit der Geburt
Christi alle Länder am Mittelmeer umfaßte und später sich noch weiter
nach Norden und Osten ausdehnte, ist benannt nach der Stadt Rom
(~Roma~), in der es seinen Ursprung und bis zum Beginn des Mittelalters
seine Hauptstadt hatte. Wann und wie diese Stadt entstanden ist, weiß
man nicht mit Gewißheit. Die Römer selber setzten die Zeit ihrer
Gründung in das Jahr 754 vor Christi Geburt, und nannten ihren Gründer
und ersten Beherrscher Rómulus.

Ihre Lage war trefflich gewählt, sowohl zum Verkehr mit dem
Binnenlande als mit dem Meere. Da wo die Tiber (~Tiberis~), der an sich
nicht bedeutende, aber unter allen Flüssen des mittleren und unteren
Italiens bedeutendste Fluß, seinen raschen Lauf zwischen Bergen und
Hügeln beendet und in den flachen Küstenrand hinaustritt, an einer
Stelle, die in alter Zeit auch Seeschiffe erreichen konnten, drei
Meilen vom Meer, lagen die ältesten Teile der Stadt auf den Hügeln
an der linken Flußseite. Ihr Gebiet gehörte zu der fruchtbaren teils
hügeligen, teils ebenen Landschaft +Látium+, der heutigen Campagna,
über welche sie zuerst ihre Herrschaft ausdehnte. Diese Landschaft
bewohnten die Latiner (~Latini~), ein Volksstamm, der nach Abstammung,
Sprache und Sitten verwandt war mit den andern umwohnenden Stämmen des
mittlern Italiens, den Umbrern, Marsern, Sabinern, Volskern, Samniten
oder Sabellern, Oskern. Alle diese Stämme, unter denen neben dem
latinischen der samnitische der angesehenste war, gehörten einem Volke
an, das mit dem hellenischen oder griechischen stammverwandt war und
ein Glied jener alten Völkerfamilie bildete, zu der die Inder, Perser,
Germanen, Kelten und Slaven gezählt werden.

Aber nicht alle Nachbarn Roms waren gleichen Stammes. Nordwestlich
von Latium, zwischen dem Meer und den umbrischen Bergen, im heutigen
Toskana, und jenseits des Apennin bis in die Ebenen des Po (~Padus~)
saß das mächtige, betriebsame Volk der Etrusker oder Etrurier
(~Tusci~), über dessen Sprache und Herkunft man noch nichts sicheres
weiß.

An den Küsten des südlichen Italiens, in den fruchtbaren Landschaften
Campanien, Lucanien, Bruttium und Calabrien, hatten sich seit alter
Zeit zahlreiche griechische Einwanderer angesiedelt, deren Städte zu
solcher Blüte gelangten, daß man diesen Teil Unteritaliens als das
„Große Griechenland“ (~Graecia magna~) bezeichnete.

Der Name Italien (~Italia~) selbst war ursprünglich auf die kleine
Landspitze beschränkt, welche der Insel Sicilien gegenüber liegt, und
wurde erst allmählich auf die nördlichen Landschaften, zuletzt auch auf
das Gebiet zwischen Apennin und Alpen ausgedehnt.

Rom blieb in den ersten Jahrhunderten seiner Geschichte den Griechen
fast unbekannt. Um die Zeit, da Athen die Welt mit dem Glanz
seiner Macht und seiner Bildung erfüllte, wußten die griechischen
Geschichtschreiber noch nichts von der zukünftigen Beherrscherin
der Welt zu berichten. Und da die Römer selber erst verhältnismäßig
spät, seit dem dritten Jahrhunderte vor Christi Geburt, anfingen sich
eine höhere Bildung anzueignen und Schriften über ihre Geschichte zu
verfassen, so sind die Nachrichten über die früheren Zeiten lückenhaft
und unsicher geblieben. Insbesondere ist das meiste von dem, was
spätere römische und griechische Geschichtschreiber über die Gründung
der Stadt und die Jahrhunderte der Königsherrschaft zu erzählen wußten,
teils dunkle und ungewisse Sage, teils willkürliche Erdichtung.

[Illustration]



Rom unter Königsherrschaft.



I.

Die Gründung Roms. König Romulus.

(754-717 v. Chr.)


Bei der Zerstörung Trojas war +Änēas+, der Sohn des Anchīses und der
Göttin Venus, dem allgemeinen Verderben entronnen. Göttersprüchen
vertrauend, durchsegelte er mit seinen Gefährten das weite Meer, um
sich im fernen Westen eine neue Heimat zu suchen. Nach jahrelangen
Irrfahrten, auf denen er wunderbare Abenteuer und Mühseligkeiten aller
Art zu bestehen hatte, landete er endlich an der Westküste Italiens,
südlich von der Tibermündung, in der Landschaft Latium. Hier wohnten
die Aboriginer (d. h. Ureinwohner), über welche König +Latīnus+
herrschte. Die göttliche Abkunft des Äneas, sein mit Heldenmut und
frommer Zuversicht ertragenes Geschick, die wackere Haltung seiner
Genossen, und ihre Bitte im Lande bleiben zu dürfen, bewogen den König
die Fremdlinge freundlich aufzunehmen und nicht lange nachher dem Äneas
seine Tochter +Lavinia+ zur Gattin zu geben. Dieser baute eine Stadt,
die er nach dem Namen seiner Gattin Lavinium nannte. Aber der Bund des
Königs mit den Fremden hatte alsbald eine harte Probe zu bestehen.
+Turnus+, König der benachbarten Rútuler, dem Lavinia früher verlobt
gewesen, ertrug es nicht, daß ihm der heimatlose Äneas vorgezogen
worden, und beschloß Rache zu nehmen. Es kam zum Krieg, auf der einen
Seite stand Turnus mit seinen Rutulern, auf der andern die Aboriginer
und Trojaner unter Latinus und Äneas. Turnus ward geschlagen, aber die
Trojaner und Aboriginer hatten den Verlust des Latinus, der im Treffen
geblieben war, zu beklagen. Nun ward Äneas König und verband Trojaner
und Aboriginer, die einander an Treue und Liebe zu ihrem Herrscher
nichts nachgaben, zu einem einzigen Volke unter dem Namen +Latiner+. Im
Vertrauen auf die Zuneigung seines Volkes konnte Äneas der Erneuerung
des Kampfes ruhig entgegensehen. Denn Turnus, an seiner eigenen
Kraft verzweifelnd, hatte sich mit +Mezentius+, dem König der damals
mächtigen Etrusker, verbunden, und beide drohten dem neuen Staate den
Untergang. Auch in diesem Kriege waren die Latiner siegreich; aber
wiederum hatten sie den Sieg mit dem Verlust ihres Königs erkauft:
Äneas war im Kampfe gefallen.

Sein Volk erwies ihm göttliche Ehren; sein Sohn +Ascánius+ folgte ihm
in der Herrschaft. Unter ihm kam der Friede zwischen Latinern und
Etruskern zustande, und die Tiber bildete fortan die Grenze beider
Völker. Die von Äneas gegründete Stadt Lavinium blühte herrlich auf und
faßte bald die Menge ihrer Bewohner nicht mehr. Da überließ Ascanius
Lavinium seiner Mutter und gründete am Fuße des Albanerberges eine neue
Stadt, die er +Alba Longa+ nannte, wo seine Nachkommen als Könige über
die ganze ringsum sich ausbreitende Landschaft herrschten.

Einer dieser Könige von Alba Longa, Procas, hinterließ zwei Söhne, von
denen der ältere +Númitor+, der jüngere +Amúlius+ hieß. Numitor folgte
anfangs seinem Vater in der Regierung; doch bald verdrängte Amulius
seinen Bruder, ließ dessen Sohn töten, die Tochter Rhea Silvia zur
Priesterin der Göttin Vesta wählen, in deren Dienst sie unvermählt bis
zum Lebensende verbleiben sollte. Denn er besorgte, daß ihre Kinder
einst den Verlust des Thrones an ihm rächen könnten. Doch Rhea Silvia
gebar zwei Knaben, +Rómulus+ und +Remus+, als deren Vater die Sage den
Kriegsgott Mars nannte. Auf diese Kunde befahl Amulius die Priesterin
in den Fluß Anio zu stürzen, in dessen Fluten sie zur Göttin ward, die
Zwillinge aber in die nahe Tiber zu werfen. Allein damals war gerade
die Tiber über ihre Ufer getreten, und die königlichen Diener setzten
die Knaben in einer Wanne in das ausgetretene Wasser am Fuße des Berges
Palatium. Als sich das Wasser verlaufen hatte, blieb die Wanne auf dem
Trockenen stehen. Da kam, durch das Gewimmer der Kinder herbeigelockt,
eine Wölfin, die sich ihrer erbarmte und sie säugte, während ein
Specht, des Mars heiliger Vogel, ihnen Speise zutrug. Dieses seltsame
Schauspiel gewahrte Faústulus, ein Hirt der königlichen Herden, er sah
darin eine göttliche Fügung, nahm die Kleinen und brachte sie seiner
Frau, Acca Larentia, um sie zu ernähren und aufzuziehen. Er forschte
ihrer Herkunft nach, erkannte, daß sie die Enkel des Numitor seien,
schwieg aber aus Furcht vor der Rache des Königs.

So wuchsen Romulus und Remus unter den Hirten am Ufer der Tiber zu
rüstigen Jünglingen heran, und übten gemeinsam mit den Hirtensöhnen
ihre Kraft in der Jagd auf wilde Tiere, bald auch in Angriffen auf die
in der Nachbarschaft hausenden Räuber, denen sie ihre Beute entrissen.
Darüber aufgebracht, stellten die Räuber den Brüder nach, und eines
Tages, als die Hirten sich den Freuden eines Festes hingaben, gelang
es ihnen beide zu überfallen. Romulus schlug sich durch; den Remus
führten sie gefangen zum König, unter der Anklage, daß er mit seinem
Bruder die Herden des Numitor beraubt habe. Der König übergab deshalb
den Gefangenen seinem Bruder, dem Numitor, den er einst vom Thron
gestoßen hatte, zur Bestrafung. Diese Gelegenheit benutzte Faustulus,
um das über der Herkunft der beiden Jünglinge ruhende Geheimnis ihrem
Großvater zu offenbaren.

Als Numitor seine Enkel anerkannt hatte, faßten diese den Entschluß,
an Amulius Rache zu nehmen. Sie drangen auf verschiedenen Wegen in die
Stadt Alba Longa, griffen die Königsburg an, erschlugen den Amulius,
und setzten ihren Großvater wieder als König ein.

Nun beschlossen beide Brüder auf dem Palatium, dem Orte, wo sie
ausgesetzt und erzogen worden waren, eine neue Stadt zu gründen.
Zahlreiche Jünglinge aus Alba Longa und anderen latinischen Städten,
auch ihre Gespielen unter den Hirten sammelten sich unter ihrer
Führung. Aber schon bevor die Stadt erbaut war, erhob sich über ihre
Benennung und Beherrschung zwischen beiden Brüdern ein heftiger Streit,
dessen Entscheidung sie den Göttern anheimstellten. Aus dem Fluge der
Vögel suchten sie, nach landesüblichem Brauche, den Willen der Götter
zu erkennen. Zu diesem Zwecke begab sich Romulus auf den palatinischen,
Remus auf den nahe gelegenen aventinischen Berg. Zuerst erschienen dem
Remus sechs Geier. Allein kaum hatte er dieses Zeichen dem Romulus
gemeldet, als diesem zwölf Geier erschienen und zugleich Blitz und
Donner folgten. Da entstand ein neuer Streit, weil jeder sein Zeichen
für das bessere hielt; Remus, weil er zuerst sechs Geier gesehen hatte,
Romulus, weil ihm die doppelte Anzahl erschienen war. Von Worten kam
es zum Kampf, und Remus fiel im Getümmel. Eine andere Sage berichtet,
Remus sei, um seinen Bruder zu verhöhnen, über die noch niedrigen
Mauern der neuen Stadt gesprungen, und deshalb habe ihn Romulus mit den
Worten erschlagen: „So geschehe jedem, der über meine Mauern springt!“

Als Jahr der Gründung Roms galt bei den späteren Römern das Jahr 754
vor Christi Geburt, und der 21. April, an dem das Hirtenfest der
Palilien gefeiert wurde, als der Stiftungstag.


Um die Bevölkerung der neuen Stadt zu vermehren, eröffnete Romulus
eine Freistätte (Asyl) für heimatlose Leute jeder Art, und nun
strömten zahlreiche Haufen von Verbannten, Verbrecher und Schuldlose,
Freie und Knechte, nach Rom. Aus der ganzen Bevölkerung wählte der
König die hundert Ältesten und Angesehensten und bildete aus ihnen
einen Senat (~senatus~, „Rat der Alten“), um mit ihm die gemeinsamen
Angelegenheiten zu beraten und zu leiten. Auch sorgte er für die
notwendigsten Gesetze und für Einrichtung des Götterdienstes.

Aber noch fehlte es der neuen Stadtgemeinde an Frauen. Um diese zu
erhalten, schickte Romulus an die benachbarten Gemeinden Gesandte und
ließ sie bitten mit seinem Volke eheliche Verbindungen einzugehen.
Allein die Gesandten wurden überall mit Hohn abgewiesen und gefragt,
warum zu Rom nicht auch eine Freistätte für heimatlose Frauen eröffnet
würde. Diese Zurückweisung kränkte den Romulus; er beschloß durch
List und Gewalt zu rauben, was man seinen Bitten abgeschlagen hatte.
Er ließ ein Fest mit Kampfspielen zu Ehren des Meergottes Neptūnus
veranstalten und alle Nachbarn dazu einladen. Und sie kamen, von der
Schaulust getrieben, in großen Haufen mit ihren Weibern und Kindern,
besonders zahlreich die Sabiner aus den benachbarten Tälern und Bergen
des Apennin. Aber mitten unter den Spielen fielen die römischen
Jünglinge mit bloßen Schwertern über die Fremden her, und während diese
überrascht und erschrocken von dannen eilten, griff sich ein jeder der
Römer eines der Mädchen und trug es als sein zukünftiges Weib nach
seinem Hause.

Die verwegene Tat brachte alle Städte, die davon betroffen waren,
unter die Waffen gegen die Räuber. Sie verbanden sich zu gemeinsamer
Rache. Aber noch ehe die Sabiner völlig gerüstet waren, begannen die
übrigen vereinzelt den Krieg, und Romulus schlug sie nach einander mit
überlegener Macht.

Viel schwerer war der Kampf mit +Titus Tatius+, dem König der Sabiner.
Dieser fiel nicht nur mit einem Heere von 25000 Mann zu Fuß und 1000
Mann zu Pferde in das römische Gebiet ein, sondern bemächtigte sich
auch der auf dem Kapitolium gelegenen Burg durch folgende List.
+Tarpeja+, die Tochter des Befehlshabers der Burg, war ausgegangen, um
Wasser zu holen, und den Feinden in die Hände gefallen. Sie versprach
ihnen die Burg zu öffnen, wenn ihr die Sabiner das gäben, was sie am
linken Arm trügen. Sie meinte damit die goldenen Armbänder und Spangen.
Nun trugen aber die Sabiner nicht nur diese, sondern auch ihre Schilde
am linken Arm. Als daher Tarpeja den Feinden die Tore geöffnet hatte,
sollen diese, um Betrug durch Betrug zu bestrafen, ihre Schilde über
die Verräterin geworfen und sie so getötet haben. Von dieser Tarpeja
ward in der Folge der steilste Teil des kapitolinischen Hügels der
tarpejische Fels genannt, und noch heutzutage herrscht zu Rom der
Volksglaube, die schöne Tarpeja hause tief im Berge verzaubert, mit
Gold und Geschmeide bedeckt.

Am Tage nach der Besetzung des Kapitoliums rückten die Römer heran,
die verlorene Burg wieder zu erobern; auch die Sabiner stiegen herab,
und der Kampf begann. Nach heftigem Widerstand wichen endlich die
Römer, und Romulus selbst ward von den Fliehenden fortgerissen. Da
erhob er seine Hände gen Himmel und gelobte dem Jupiter, wenn er die
Flucht der Seinigen hemme (~Jupiter Stator~), einen Tempel. Sofort
standen die Römer und erneuerten das Treffen; der Sieg wandte sich
auf ihre Seite. Da kamen die geraubten Sabinerinnen mit fliegenden
Haaren und zerrissenen Kleidern herbei, stellten sich zwischen ihre
Männer und Väter und machten durch ihre Tränen und Bitten dem Krieg ein
Ende. Es kam zwischen beiden Völkern nicht nur zum Frieden, sondern
auch zu einer festen Verbindung. Fortan sollten Römer und Sabiner zu
+einem+ Volke vereinigt sein, hundert Sabiner in den Senat aufgenommen
werden und beide Könige gemeinschaftlich regieren. Die Bürger der so
vereinigten Gemeinde hießen nun Quiriten (~Quirītes~). Sie bildeten
nach ihrer Abkunft zwei Stämme (~tribus~), die römischen Ramnes und die
sabinischen Tities, zu denen später ein dritter Stamm kam, die Lúceres,
welcher die Bürger anderer Herkunft enthielt. Jeder der drei Stämme
teilte sich in zehn Curien, jede Curie in zehn Decurien, und jede
Decurie enthielt eine Anzahl Familien (~gentes~). Jede der dreihundert
Decurien stellte einen „Vater“ (~pater~) in den Senat und einen Reiter
(~eques~). Väter und Reiter (Ritter) bildeten die beiden vornehmsten
Klassen der Bürgerschaft.


Doch bald war Romulus wieder Alleinherrscher, da Tatius bei einem
Aufstand in Lavinium erschlagen ward. Nach dessen Tode hatte
der kriegerische Romulus noch manchen Kampf mit den Nachbarn zu
bestehen. In allen blieb er siegreich, und seine Stadt nahm stetig
zu an Landbesitz und Kriegsmacht. Sein Ende hat die Sage wunderbar
ausgeschmückt. Als er eines Tages Heerschau über das Volk hielt, da
erhob sich plötzlich ein Sturm mit Donner und Blitz, eine schwarze
Wetterwolke umhüllte den König und entzog dem Volke seinen Anblick,
und fortan war Romulus auf Erden nicht mehr sichtbar. Der Kriegsgott
selber, so hieß es, hatte den ruhmgekrönten Sohn auf feurigem Wagen
gen Himmel gehoben. Dem Volke wußte nachher einer der Senatoren zu
erzählen, wie ihm Romulus in göttlicher Gestalt erschienen sei und zu
ihm, der anbetend dagestanden und nicht gewagt die Augen zu ihm zu
erheben, gesagt habe: „Künde den Römern, daß ich unter die Himmlischen
aufgenommen bin und fortan nicht mehr Romulus, sondern +Quirīnus+
heiße. Die Götter wollen, daß meine Roma dereinst die Hauptstadt der
Welt werde. Darum sollen die Römer den Krieg üben und gewiß sein, daß
keine menschliche Macht ihren Waffen widerstehen kann.“ Mit diesen
Worten habe er sich wieder zum Himmel erhoben.

Eine andere Nachricht erzählt, daß Romulus von den Senatoren, denen
seine Herrschaft verhaßt gewesen, durch heimlichen Mord beiseite
geschafft worden sei.



II.

König Numa Pompilius.

(716-673 v. Chr.)


Nach des Romulus Tode dauerte es ein volles Jahr, bis die Wahl eines
Königs zustande kam. Die Leitung des Staates führte inzwischen in
wechselnder Folge je einer der Senatoren. Die Wahl fiel endlich auf
einen Mann sabinischen Stammes, aus der sabinischen Stadt Cures, den
Eidam des Königs Tatius, +Numa Pompilius+, der in dem Ruf großer
Weisheit und Gerechtigkeit, friedliebenden Sinnes und tiefer Einsicht
in alle göttlichen und menschlichen Dinge stand.

Wie Romulus den jungen Staat mit Waffengewalt gegründet und befestigt
hatte, so gedachte Numa ihn auf der festen Grundlage göttlichen und
menschlichen Rechtes gleichsam neu zu gründen.

Nachdem er zuvörderst mit allen Nachbaren Frieden und Freundschaft
hergestellt, war seine vorzüglichste Sorgfalt darauf gerichtet, die
durch steten Krieg verwilderten Sitten der Römer zu mildern und ihren
kriegerischen Sinn zu besänftigen. Das beste Mittel, um dies zu
erreichen, sah er in einer neuen Ordnung des Götterdienstes. Dabei
bediente er sich geschickt des verbreiteten Gerüchtes, daß er sich
der besonderen Gunst einer vor den Toren der Stadt in einer Grotte
hausenden weisen Nymphe, der +Egéria+, erfreue, die ihm bei allen
seinen Einrichtungen ratend zur Seite stände. Als Aufseher und Leiter
des ganzen Götterdienstes bestellte er das Kollegium der Priester
(~pontífices~), an deren Spitze der König selbst als Oberpriester
(~póntifex máximus~) stand. Den Vogelschauern (~aúgures~) erteilte
er das Amt, aus dem Fluge der Vögel, aus Donner und Blitz und dem
Fressen der heiligen Hühner die Zukunft und den Willen der Götter zu
erforschen. Die Eingeweideschauer (~harúspices~) untersuchten die
Eingeweide der Opfertiere und deuteten daraus auf Glück oder Unglück.
Die Zahl der Vestalinnen, der heiligen Jungfrauen, denen die Sorge für
das Herdfeuer im Tempel der Vesta oblag, vermehrte er auf vier. Dem
Janus, einem Gotte, der mit doppeltem, nach entgegengesetzten Seiten
gewandtem Gesicht und einem Schlüssel in der Hand dargestellt wurde,
baute er einen Tempel, der in Kriegszeiten offen stehen, im Frieden
aber geschlossen sein sollte. Unter Numa selbst, dessen 43jährige
Regierung in ungestörtem Frieden verlief, blieb er stets geschlossen.
Nach Numa ist dies während der ganzen Dauer der römischen Republik
nur zweimal wieder der Fall gewesen, das eine Mal nach Beendigung des
ersten punischen Krieges, und dann wieder im Anfang der Regierung
Augustus, des ersten Kaisers. Auch für das bürgerliche Leben traf Numa
zweckmäßige Einrichtungen, wie er denn das Jahr, das bis dahin nur zehn
Monate hatte, in zwölf Mondmonate einteilte und es durch Einführung von
Schalttagen mit dem Sonnenlaufe in Übereinstimmung brachte.

Hochgeehrt und geliebt nicht nur von seinem eigenen, sondern auch von
den umwohnenden Völkern, starb der fromme König im 84. Lebensjahre.



III.

König Tullus Hostilius.

(673-641 v. Chr.)


Kurze Zeit nach seinem Tode wählte das Volk wieder einen König aus
römischem Stamme, den kriegerischen +Tullus Hostilius+. Unter seiner
Regierung ward Alba Longa, Roms Mutterstadt, zerstört. Die Veranlassung
zu diesem Kriege war folgende.

Albanische Hirten hatten im römischen, römische im albanischen Gebiete
Raub begangen. Von beiden Seiten wurden Gesandte abgeordnet, um
Genugtuung zu fordern. Aber mit dieser Forderung kamen die römischen
Gesandten den albanischen zuvor, sodaß, da die Albaner die Genugtuung
verweigerten, die Schuld des Krieges ihnen zur Last fiel. Beide
Teile rüsteten sich dazu mit aller Macht. Als die Heere einander in
Schlachtordnung gegenüber standen, machte +Mettius Fuffétius+, der
Führer der Albaner, dem römischen König den Vorschlag, den Krieg durch
einen Kampf Weniger entscheiden zu lassen. Beide Teile stimmten zu.
Nun traf es sich, daß in jedem Heere Drillingsbrüder standen, drei
+Horatier+ im römischen, drei +Curiatier+ im albanischen. Diese wurden
für den entscheidenden Kampf bestimmt und waren dazu freudig bereit.
Zuvor aber ward ein feierlicher Vertrag abgeschlossen, daß dasjenige
Volk, dessen Vorkämpfer siegen würden, über das andere herrschen sollte.

Zwischen beiden Heeren wurde eine Ebene zum Kampfplatz bestimmt, und
mit Blumen bekränzt und unter lautem Zuruf der Ihrigen gingen die
jungen Vorkämpfer mit dem Schwerte in der Faust aufeinander los. Nicht
die eigene Gefahr, nur das Schicksal ihres Vaterlandes schwebte ihnen
vor Augen. Bei beiden Heeren herrschte bange Furcht und allgemeine
Stille. Kaum aber waren sie handgemein, kaum hatten die Bewegungen
mit den Schilden und Schwertern und das aus den Wunden strömende Blut
die Augen der Zuschauer auf sich gezogen, als schon zwei Römer, einer
über den andern, tot zur Erde stürzten. Bei ihrem Fall erhob das
albanische Heer ein Freudengeschrei, während die römische Legion, fast
hoffnungslos, das Schicksal ihres einzigen noch übrigen Kämpfers mit
steigender Angst erwartete. Zum Glück war dieser noch unverwundet,
und also zwar den Gegnern, obwohl sie alle drei verwundet waren, wenn
sie vereinigt blieben, nicht gewachsen, aber noch siegesmutig genug,
um es mit jedem besonders aufzunehmen. Um sie also zu trennen, nahm
er die Flucht, indem er voraussah, daß ihm jeder nur so geschwind
folgen würde, als es seine Wunden gestatteten. Schon hatte er sich
etwas aus den Grenzen des Kampfplatzes entfernt, als er sich umwandte
und seine Gegner in weiten Zwischenräumen ihm nacheilen sah. Einen
aber erblickte er nicht weit hinter sich und ging sofort auf ihn los.
Bald hatte er ihn erlegt und drang auf den zweiten ein. Da erhoben
die Römer ein Freudengeschrei, um ihren Vorkämpfer zu ermuntern, der
denn auch den zweiten Curiatier zu Boden streckte, noch ehe ihm der
dritte zu Hilfe kommen konnte. Nun waren die Parteien zwar noch an
Zahl, aber nicht mehr an Hoffnung und Kräften gleich: der eine noch
unverwundet, zwiefach Sieger, eilte voll Mut in den dritten Kampf, der
andere aber, der seinen von Wunden und vom Lauf ermatteten Körper kaum
fortschleppte, sah sich seinem Feinde als ein gewisses Schlachtopfer
preisgegeben. Frohlockend rief der Römer: „Zwei habe ich dem Schatten
meiner Brüder geopfert, den dritten weihe ich dem Preis dieses Kampfes,
auf das Rom über Alba herrsche!“ Sprachs und stieß seinem Feinde, der
kaum noch den Schild halten konnte, das Schwert in die Kehle, streckte
ihn zu Boden und nahm ihm seine Rüstung. So wurde durch diesen Kampf
Alba Longa der Herrschaft der Römer unterworfen.

Horatius kehrte an der Spitze des Heeres, mit den Rüstungen der
erschlagenen Feinde als Beute und Zeichen seines Sieges, nach Rom
zurück. Am Capenischen Tor begegnete ihm seine Schwester, die mit
einem der Curiatier verlobt gewesen war. Als sie unter der Beute ihres
Bruders auch das Gewand erblickte, das sie für ihren Bräutigam gewebt
hatte, brach sie in laute Klagen und Verwünschungen gegen ihren Bruder
aus. Darüber geriet Horatius in solche Wut, daß er die eigne Schwester
niederstach. Wegen dieser blutigen Tat wurde er vor Gericht geladen und
von den Richtern zum Tode verurteilt. Nur die Bitten, mit denen sich
sein Vater an das Volk wandte, retteten den Schuldigen, und der König
bestrafte ihn bloß dadurch, daß er ihn unter dem Schandjoch hergehen
ließ.

Die Albaner aber unter Mettius Fuffetius ertrugen die Abhängigkeit von
Rom mit Unwillen. Um ihre Selbständigkeit wieder zu gewinnen, suchten
sie den König Tullus in einen Krieg zu verwickeln und reizten die
Stadt Fidénä zum Abfall von Rom. Den Fidenaten leistete die etrurische
Stadt Veji offene Hilfe, die Albaner aber versprachen heimlich, sie
würden während der Schlacht zu ihnen übergehen. Als Tullus gegen die
Fidenaten zu Felde zog, entbot er auch die Albaner zum Heerbann. Das
römische Heer stellte er den Vejentern, das albanische den Fidenaten
gegenüber. Aber Mettius Fuffetius zeigte sich im Kampfe untätig und
schwankend, indem er zu denen überzugehen gedachte, auf deren Seite
sich der Sieg neigen würde. So sahen denn die Albaner ruhig zu, wie
die Römer allein, unter unaufhörlichem Gefecht, erst die Fidenaten,
dann die Vejenter schlugen und einen vollständigen Sieg errangen. Als
Fuffetius dem siegreichen Tullus Glück wünschte, empfing ihn der König
scheinbar mit Güte und stellte sich, als habe er dessen treuloses
Spiel nicht bemerkt, bestellte aber beide Heere auf den folgenden Tag
zu einer Versammlung. Zuerst erschienen unbewaffnet die Albaner; das
römische Heer stellte sich bewaffnet ringsum. Darauf enthüllte Tullus
in einer an beide Heere gerichteten Rede den Verrat des Fuffetius und
verkündigte seine und seines Volkes Strafe. Fuffetius selbst ward auf
zwei Wagen festgebunden, deren Gespanne, nach verschiedenen Richtungen
getrieben, seinen Körper in zwei Stücke zerrissen. Die Stadt aber der
Albaner wurde zerstört, ihre Bewohner mußten nach Rom ziehen, wo ihnen
der cölische Hügel (~mons coelius~), nahe dem palatinischen südwärts
gelegen, zu Wohnstätten angewiesen wurde.

Auch in einem Kriege gegen die Sabiner focht Tullus glücklich; aber
das Ende seiner Regierung ward durch manche unheilverkündende Zeichen
und Unfälle getrübt. Auf dem Albanerberge regnete es Steine, und aus
dem dortigen Hain erscholl eine Stimme, die über die Vernachlässigung
des Gottesdienstes klagte. Eine Seuche brach aus, an der Tullus selbst
erkrankte. Voll Mißmut ergab er sich allen Arten von Aberglauben. Einst
fand er in den Büchern des Numa einen Zauberspruch, mit dem man den
Jupiter vom Himmel herabzubannen glaubte. Aber der König beging in der
Anwendung des Spruches einen Fehler; der empörte Gott fuhr in einem
Wetterstrahl herab, der den König samt seinem Hause verbrannte.



IV.

König Ancus Marcius.

(641-617 v. Chr.)


Der vierte König der Römer war +Ancus Marcius+, ein Tochtersohn
des Numa Pompilius. Wie sein Großvater im Innern, so war er darauf
bedacht nach außen, in den Verhältnissen zu den meist feindlichen
Nachbarvölkern, eine feste, auf Recht und Gerechtigkeit gegründete
Ordnung herzustellen. Kein Krieg wurde erklärt und begonnen, ohne zuvor
dem Feinde Gelegenheit und Frist zu friedlichem Austrage des Streites
zu geben, kein Friede geschlossen ohne Beobachtung bestimmter heiliger
Gebräuche. Für beides hatten die sogenannten Fetialen zu sorgen,
angesehene Männer, welche mit dem Rechte des Krieges und Friedens
wohl vertraut waren. Auch auf die innere Wohlfahrt verwandte dieser
König eifrige Sorge. Er legte die Hafenstadt +Ostia+ an der Mündung
der Tiber an, baute eine Pfahlbrücke über diesen Fluß zum Janiculum
hinüber, und siedelte auf dem Aventinus die +Plebejer+ (die Plebs) an,
die aus der Menge der zugewanderten oder aus den besiegten Ortschaften
verpflanzten Bewohner bestanden und den altbürgerlichen Geschlechtern,
den +Patriziern+, gegenübertraten, aber keinen Anteil an der Verwaltung
des Staates besaßen. Somit waren schon fünf Hügel bebaut, der
+palatinische+ von den ersten Ansiedlern, der +quirinalische+ von
den Sabinern, der +coelische+ von den Albanern, der +aventinische+
von den Plebejern, während das Capitolium, zwischen dem Palatinus
und Quirinalis, als Burg der Stadt und Stätte der Haupttempel, nicht
bewohnt werden durfte.

Unter der Regierung des Ancus Marcius kam ein gewisser Lúcumo nach Rom.
Er war der Sohn des Korinthiers Damarātus, der, aus seiner Vaterstadt
vertrieben, sich nach Tarquinii, einer Stadt in Etrurien, begeben und
daselbst durch seine Reichtümer Ansehen erlangt hatte. Von Jugend
auf durch das Glück begünstigt, hatte Lúcumo, der einzige Erbe aller
Reichtümer seines Vaters, die Tochter eines vornehmen Bürgers seiner
neuen Heimat, die Tanaquil geheiratet, die, wie viele ihres Volkes,
der Weissagung kundig war. Indessen konnte er doch als Ausländer
in Tarquinii zu keinen hohen Ehrenstellen gelangen. Dies schmerzte
die stolze Tanaquil so sehr, daß sie ihren Gemahl bat die Stadt zu
verlassen und nach Rom zu ziehen. Lucumo, selbst von Ehrgeiz und
Ruhmsucht gespornt, willfahrte ihr, und so machten sich beide auf die
Reise nach Rom.

Als sie nicht mehr weit von dieser Stadt entfernt waren, fuhr ein Adler
herab, nahm dem Lucumo den Hut vom Haupte, erhob sich in die Lüfte
und setzte ihn ihm bald nachher wieder auf. Tanaquil sah in diesem
Ereignis eine glückliche Vorbedeutung und erfüllte ihren Gemahl mit
der Hoffnung, daß ihm in Rom die Herrschaft zufallen würde. Und diese
Hoffnung täuschte sie nicht. Denn Lucumo, der in Rom den Namen +Lucius
Tarquinius+ angenommen hatte, erwarb sich bald durch Leutseligkeit und
Freigebigkeit die Liebe und Achtung seiner neuen Mitbürger. Die Kunde
von ihm gelangte auch an den Hof. Der König Ancus Marcius gewann den
reichen Etrusker lieb und bediente sich seines Rates und Beistandes
in allen Angelegenheiten; ja er bestellte ihn sogar vor seinem Tode
zum Vormund seiner Kinder. Als aber Ancus starb, sandte Tarquinius
dessen beide Söhne zur Zeit, als die Wahl des neuen Königs vollzogen
werden sollte, auf die Jagd; er selbst bat in der Versammlung das Volk,
das er an die vielen von ihm erhaltenen Wohltaten erinnerte, um die
Königswürde. Das Volk willfahrte seiner Bitte, und Tarquinius ward
König. Er erhielt später, zum Unterschied von seinem gleichnamigen
Nachfolger, den Beinamen +Priscus+ (der Alte).



V.

Tarquinius Priscus.

(617-578 v. Chr.)


Um sich zum Kriege gegen die Sabiner zu rüsten, wollte Tarquinius den
bisherigen drei Abteilungen (Centurien) der Reiter noch drei neue
Centurien mit neuen Namen hinzufügen. Aber einer der Augurn, +Attus
Navius+, erklärte, dies könne nicht eher geschehen, als bis die
Augurn mit ihrer Kunst den Willen der Götter erforscht hätten, denn
jede Einrichtung des Staates, welche unter Befragung der Vogelzeichen
(Auspicien) getroffen sei, dürfte nicht ohne neue Befragung geändert
werden. Dieser Ausspruch des Augurn verdroß den eigenmächtigen
Sinn des Königs, und er beschloß seine Sehergabe auf eine Probe zu
stellen. Spöttisch fragte er ihn: „Kann das geschehen, was ich in
diesem Augenblicke denke?“ „Gewiß“, antwortete der Augur, nachdem er
darüber die Auspicien befragt hatte. „Wohlan“, rief der König, „so
zerschneide mir diesen Kiesel mit einem Schermesser.“ Und ohne Zögern
-- so berichtet die Sage -- vollbrachte der Augur das Wunder, und
der König sah sich genötigt von seinem Vorhaben abzustehen. Indessen
verdoppelte er doch die Anzahl der vorhandenen Reiter, obgleich er
keine neuen Centurien bildete, sondern die alten Namen beibehielt.
Dieser Vorfall erhob das Ansehen der Augurn außerordentlich, und noch
in späteren Zeiten sah man zu Rom die Bildsäule des Attus, unter
welcher der zerschnittene Stein vergraben liegen sollte. -- Auch den
Senat vermehrte der König auf 300 Mitglieder.

Die reiche Beute aus seinen glücklichen Kriegen gegen die Sabiner und
Latiner, sowie die Einnahmen aus dem ihnen entrissenen Landbesitz
verwandte der König auf großartige Bauten. Durch mächtige unterirdische
Kanäle (Kloaken), von denen der größte noch heute benutzt wird, ließ er
die sumpfigen Niederungen zwischen den Hügeln trocken legen und eine
derselben, zwischen Palatin und Capitol, zum Markt- und Gerichtsplatz
(~forum~) einrichten. In einer anderen, auf der westlichen Seite des
Palatin bis zum Aventin, legte er den +Circus Maximus+ an, einen
weiten, ovalen, rings von Bühnen für die Zuschauer umgebenen Platz für
Wagen- und Pferderennen und Gladiatorenkämpfe. Die Stadt schloß er mit
einer Mauer von Backsteinen ein und begann den Bau des Tempels des
capitolinischen Jupiter.

Aber ein blutiges Ende beschloß seine Regierung. Die Söhne des
früheren Königs konnten es nicht vergessen, daß er sie durch List um
ihr väterliches Erbe gebracht hatte. Ja, sie mußten sogar fürchten,
daß der Schwiegersohn des Königs, +Servius Tullius+, nach ihm zur
Regierung gelangen würde. Sie machten deshalb den Anschlag, den König
zu töten und sich des Thrones zu bemächtigen. Sie stifteten zwei
Hirten zum Meuchelmorde an. Diese gingen mit Äxten, die sie zu tragen
gewohnt waren, in den königlichen Palast, fingen daselbst Streit an und
verlangten, daß der König ihn schlichten sollte. Tarquinius ließ sie
vor sich kommen, um ihre Sache zu hören. Anfangs suchten beide durch
ihr Geschrei den König zu verwirren, doch Tarquinius befahl, daß einer
nach dem anderen reden sollte. Als sich nun der König, ohne etwas Arges
zu ahnen, aufmerksam zu dem einen hinwandte, versetzte ihm der andere
mit der Axt einen tödlichen Schlag, daß er entseelt zu Boden sank.

Allein die Söhne des Ancus erreichten ihre Absicht nur halb. Sobald
nämlich der König getötet worden war, ließ Tanaquil, die Königin, die
königliche Burg verschließen und forderte den Servius Tullius auf
sich der Herrschaft zu versichern. Darauf öffnete sie das Fenster
und kündete selber dem Volke, das sich auf die Nachricht von dem
Mordanfall vor dem Palaste versammelt hatte, Tarquinius lebe noch und
befehle dem Volke, inzwischen seinem Eidam zu gehorchen. Darauf trat
dieser in königlicher Kleidung und von Amtsdienern (Lictoren) umgeben
hervor, um, wie er vorgab, die Stelle des noch lebenden Königs zu
vertreten. Als nach einigen Tagen der Tod des Königs bekannt wurde,
fiel es dem Servius nicht schwer den Thron zu behaupten, den er zwar
mit Bewilligung des Senats, aber nicht mit Beistimmung des Volkes in
Besitz nahm. Die Söhne aber des Ancus waren bereits von den ergriffenen
Mördern als Anstifter der Tat verraten und, mutlos geworden, aus der
Stadt entflohen und fanden in der Fremde ein ruhmloses Ende.



VI.

König Servius Tullius.

(578-534 v. Chr.)


Der neue König war von unfreier Herkunft. Unter der Regierung des
Tarquinius Priscus, so wird erzählt, eroberten die Römer die sabinische
Stadt Corniculum. Hierbei ward Tullus, einer der angesehensten Bürger
der Stadt, getötet, und seine Frau als Gefangene nach Rom abgeführt. Im
Hause des Königs gebar sie einen Knaben, der wegen der Knechtschaft,
in welche seine Mutter geraten war, +Servius+ (von ~servus~ „Knecht“),
nach seinem Vater aber +Tullius+ genannt wurde und unter dem Gesinde
der Königin aufwuchs. Da geschah es, daß in einer Nacht, während das
Kind schlief, plötzlich ein heller Flammenschein sein Haupt umloderte.
Tanaquil, die solche Dinge zu deuten verstand, verbot den Dienern das
Feuer zu löschen, und es verschwand von selbst, als der Knabe erwachte.
Von dieser Zeit an glaubten der König und die Königin, der junge
Servius sei zu hohen Dingen berufen, und nahmen ihn an Kindes Statt an.
Er ward in allen edlen Künsten unterrichtet, und da sich seine Gaben
vortrefflich entwickelten, gab ihm der König seine eigene Tochter zur
Ehe. Wie er nach dem Tode des Tarquinius Priscus selbst König wurde,
ist bereits erzählt worden.

Unter seiner Regierung erhielt die Stadt ihre letzte Erweiterung und
einen neuen Mauerring. Er zog die zwei letzten der sieben Hügel, von
denen Rom die „Siebenhügelstadt“ genannt wird, den Esquilinus und den
Viminalis, die auf der Ostseite der Stadt lagen, in ihren Umkreis, und
umgab das Ganze mit einer Mauer aus mächtigen Quadersteinen, wovon noch
heute einzelne Reste das Staunen der Beschauer erregen.

Nach außen wußte er durch kluge und friedliche Verhandlungen mit den
anderen noch selbständigen latinischen Städten für Rom die erste Stelle
in ihrem Bunde zu gewinnen, und sie zu bewegen auf dem Aventin einen
gemeinsamen Tempel der Göttin Diana zu erbauen. Ja, durch eine List
des Priesters dieses Tempels gelang es, wie eine Sage ging, auch den
Anspruch auf die Oberherrschaft über ganz Latium für Rom zu gewinnen.
Ein Sabiner nämlich trieb einst ein Rind von ungewöhnlicher Größe und
Schönheit nach Rom, um es daselbst im Tempel der Diana zu opfern,
in der festen Überzeugung, daß er dadurch, nach dem Ausspruch der
Seher, seiner Vaterstadt die Obergewalt verschaffen würde. Denn die
Augurn hatten gesagt, daß dasjenige Volk die Oberherrschaft erhalten
sollte, dessen Bürger jenes Rind der Diana opfern würden. Allein dieser
Ausspruch war auch zu den Ohren jenes römischen Priesters gekommen, und
dieser suchte sich des Opfers zu bemächtigen. Er befahl dem Sabiner
sich vor dem Opfer in fließendem Wasser zu baden, aber während der
Sabiner dies tat, opferte der Priester selber das Rind.

Die größte Tätigkeit wandte Servius den inneren Angelegenheiten zu.
Er ordnete eine allgemeine Schatzung (~Census~) und Musterung des
Volkes an, welche fortan alle fünf Jahre vollzogen werden sollte. An
dem dazu bestimmten Tage erschienen alle wehrfähigen Bürger auf der
vor dem Capitol sich nordwärts erstreckenden Ebene vor der Stadt, dem
später sogenannten Marsfelde (~campus Martius~). Da mußte jeder seinen
und seines Vaters Namen, Alter, Wohnort und Vermögen eidlich angeben.
Nach der Verschiedenheit des Vermögens wurde die gesamte Bevölkerung
Roms, Patrizier und Plebejer, in fünf Klassen, diese wieder in eine
Anzahl Centurien eingeteilt, so daß auch die Plebejer das Recht
erhielten die Waffen zu führen und in der nach Centurien geordneten
und stimmenden Volksversammlung (~comitia centuriata~) mitzustimmen.
Mit dem 17. Jahre wurde der Bürger in die Bürgerlisten eingetragen.
Nach geendigter Schatzung stellte sich die ganze Bürgerschaft bewaffnet
auf dem Marsfeld zur großen Heerschau; dann wurden unter Gebeten drei
Tiere, ein Schwein, ein Schaf und ein Rind, um das ganze Volk dreimal
herumgeführt und darauf geopfert, zur Sühne aller Sünden, die das Volk
in den letzten fünf Jahren begangen hatte.

Nach der Schatzung richtete sich die Steuer, die jeder Bürger
zu entrichten hatte, und der Kriegsdienst. Alle Bürger waren
kriegspflichtig; vom 17. bis 46. Jahre dienten sie im Felde, vom 46.
bis 60. Jahre als Besatzung der Stadt. Die Bürger der ersten Klasse
waren mit einem Helme, Panzer, großem Schilde und Beinschienen von Erz
gerüstet, und führten als Waffen Speer und Schwert. In der Schlacht
standen sie, als die am schwersten Bewaffneten, in der ersten Linie.
Die Bürger der zweiten Klasse hatten keinen Panzer und einen kleinen
Schild, sonst alles wie jene; sie standen in der zweiten Linie. Die
in der dritten Klasse, welche in der dritten Linie standen, waren
gerüstet wie die in der zweiten, nur fehlten die Beinschienen. Die
Bürger der vierten Klasse hatten außer einem kleinen Schilde gar
keine Schutzwaffen, sie führten Speer und Wurfspieß und standen in
der letzten Linie. Die der fünften endlich dienten als Schleuderer
und standen außerhalb der Linie. Alle mußten sich Rüstung, Waffen und
Unterhalt aus eigenen Mitteln beschaffen; nur den Rittern gab der Staat
Geld zum Ankauf eines Streitrosses, sowie zum Unterhalt desselben und
eines Reitknechts nebst dessen Pferde.


Durch alle diese Einrichtungen, die neue Ordnung und Einigung des
Volkes, die Erweiterung und Befestigung der Stadt, die Stellung, welche
Rom an der Spitze der latinischen Städte einnahm, erwarb sich der König
die Liebe und Dankbarkeit der Römer und machte den unberechtigten
Ursprung seiner Herrschaft vergessen. Gleichwohl traf ihn, nach
44jähriger glücklicher Regierung, ein schreckliches Ende.

Seine beiden Töchter hatte er mit den beiden Söhnen seines Vorgängers
und Schwiegervaters, des Tarquinius Priscus, vermählt. Diese waren
an Denkungsart und Sitten ebenso verschieden als des Königs Töchter.
Lucius Tarquinius war wild, ungestüm und herrschsüchtig, und ebenso die
jüngere Tullia. Aruns Tarquinius hingegen und die ältere Tullia waren
sanft und gutherzig. Darum hielt es Servius für das Beste, wenn er die
entgegengesetzten Charaktere mit einander verbände, damit die Sanftmut
des einen die Heftigkeit des anderen mäßigen könnte. Er gab daher die
ältere Tullia dem Lucius Tarquinius, die jüngere Tullia aber dem Aruns
Tarquinius zur Ehe. Aber der Erfolg fiel ganz gegen seine Hoffnung aus.

Die Ähnlichkeit der Gemüts- und Denkungsart, die zwischen dem Lucius
Tarquinius und der jüngeren Tullia stattfand, brachte zwischen beiden
bald eine Vertraulichkeit zuwege, die sie zu den schändlichsten
Handlungen verführte. Beide töteten, er seine Gattin, sie ihren Gatten.
Dies konnte Servius nicht nur nicht verhindern, sondern mußte sogar
erlauben, daß sie sich einander heirateten. Aber damit nicht zufrieden,
suchten sie den Servius der Regierung zu berauben. Tarquinius warb
sich eine Partei unter den Bürgern und gewann besonders die Vornehmen,
die sich durch die neuen Einrichtungen des Königs in ihren alten
Vorrechten gekränkt fühlten. Eines Tages erkühnte er sich, angetan mit
den Abzeichen der Königswürde, in königlichem Schmuck in das Rathaus
zu gehen, sich auf den Königsstuhl zu setzen und, als wäre er bereits
König, den Senat zu berufen. Sie kamen in großer Anzahl, und er hielt
eine Rede an sie, worin er ihnen seine Absicht, sich auf den Thron zu
setzen, entdeckte. Inzwischen kam auch Servius Tullius voll Zorn herbei
und wollte sogleich seinen Eidam vom Throne herabziehen. Allein dieser,
an Kräften dem alten König überlegen, ergriff und stürzte ihn von der
obersten Stufe des Rathauses auf den Markt hinab. Verwundet wollte
Servius sich nach Hause begeben, allein die Boten des Tarquinius holten
ihn unterwegs ein und töteten ihn auf der Stelle.

Indessen war Tullia herbeigekommen und hatte den Vorgang gehört.
Frohlockend ließ sie ihren Mann aus dem Rathause rufen und begrüßte
ihn zuerst als König. Als sie wieder nach Hause fuhr, führte der Weg
durch eine enge Straße, wo der Leichnam des ermordeten Königs lag.
Bei diesem Anblick hielt der Wagenführer an und wollte ausweichen,
aber die gottlose Tullia befahl ihm über den Leichnam ihres Vaters
hinwegzufahren. So kam sie, mit dem Blute ihres Vaters bespritzt, nach
Hause.



VII.

König Tarquinius Superbus.

(534-510 v. Chr.)


+Tarquinius+ hat sich durch seine eigenmächtige und gewalttätige
Herrschaft den Beinamen +Superbus+ (Tyrann) zugezogen. Er hatte sich
des Königsamtes bemächtigt, ohne vom Volke gewählt und durch die
Auspicien bestätigt zu sein. Die Reichen drückte er durch willkürliche
Auflagen, die Armen durch Frohndienste. Viele Vornehme, die treu zum
vorigen Könige gehalten hatten oder die ihm verdächtig schienen,
bestrafte er mit Hinrichtung, Verbannung oder Verlust des Vermögens.
Er berief den Senat nicht mehr, und entschied allein über Krieg und
Frieden und über Bündnisse mit anderen Völkern. Nach außen aber nahm
der Staat unter seinem klugen und unternehmenden Regiment an Größe,
Macht und Ansehen stetig zu. Er entriß den latinischen Städten ihre
Selbständigkeit und machte Rom zum herrschenden Haupte des latinischen
Bundes.

Eine derselben, die große und feste Stadt Gabii, belagerte Tarquinius
sieben Jahre lang vergebens, bis er sie endlich durch List eroberte.
Sein jüngster Sohn, +Sextus+ Tarquinius, flüchtete, scheinbar in Zwist
mit seinem Vater, nach Gabii, wo er über dessen unerträgliche Härte
klagte, und dadurch das Mitleid der Gabinier erregte. Sie nahmen ihn
gern auf, und bald wußte er ihr volles Vertrauen zu erwerben. Mit
einem gabinischen Heerhaufen trieb er die Kriegsmannen seines Vaters
zurück; die sich der Verabredung gemäß schlagen lassen mußten. Durch
diese Arglist betrogen, übertrugen ihm die Gabinier bald den Oberbefehl
über Stadt und Heer. Nun schickte er einen vertrauten Boten an seinen
Vater, mit der Frage, was er nun, da die Götter ihn zum Herrn von Gabii
gemacht hätten, dort tun sollte. Der König führte schweigend den Boten
in den Garten, schlug mit einem Stabe die höchsten Mohnköpfe ab, und
hieß ihn dann dem Sohne sagen was er gesehen hätte. Sextus verstand
seines Vaters Wink und schaffte die vornehmsten Gabinier teils durch
heimlichen Mord, teils durch falsche Anklagen und Verbannung beiseite.
Nachdem er auf diese Weise die Stadt ihrer Häupter beraubt, und das
gemeine Volk durch Verteilung der Güter der Verurteilten gewonnen
hatte, lieferte er sie ohne jeden Widerstand in die Hand seines Vaters.

Der kriegerische König war zugleich prachtliebend und verschönerte
Rom durch großartige Bauten, die er durch kunstgeübte etrurische
Werkmeister ausführen ließ. Die Kosten bestritt er aus den Gütern der
verbannten Reichen und der angesammelten Kriegsbeute, während das
ärmere Volk zu harten Frondiensten herangezogen wurde. Von diesen
Bauten waren am berühmtesten die „große Kloake“ und das Capitolium mit
dem dreifachen Tempel des Jupiter, der Juno und der Minerva, der mit
ehernen Götter- und Königsbildern geschmückt war. Als man bei dem Bau
dieses großen capitolinischen Tempels die vielen älteren Altäre und
kleinen Tempel, welche den Ort bedeckten, wegräumte, ließen sich die
des „Grenzgottes“ (~Terminus~) und der Göttin der „Jugend“ (~Juventus~)
nicht wegrücken. Diese Wunderzeichen deutete man dahin, daß die Jugend
des römischen Staates nie verblühen seine Grenzen nie zurückweichen
würden. Man schloß daher diese Götter mit in die Mauer des Tempels ein.
In einem unterirdischen Gewölbe des Tempels wurden in bleiernem Kasten
die drei sibyllinischen Bücher verwahrt, in deren Besitz Tarquinius auf
folgende Weise gelangt war.

Einst kam eine unbekannte Alte von seltsamem Ansehen zum König und bot
ihm neun Bücherrollen zum Kauf an. Aber der Preis, den sie forderte,
war dem König zu hoch, und die Frau wurde abgewiesen. Alsbald ging
sie fort und verbrannte drei von ihren Büchern, kam dann wieder und
bot die übrigen sechs dem Könige zu demselben Preise an. Wiederum
zurückgewiesen, verbrannte sie abermals drei Bücher. Als sie dann zum
dritten Male erschien und die drei letzten Bücher zu verbrennen drohte,
wenn sie jenen Preis nicht erhielte, wurde der König aufmerksam und
ließ die Bücher von den Augurn untersuchen. Auf ihren Rat kaufte er
die Bücher, und sofort verschwand die Fremde. Die Abfassung dieser mit
dunklen, rätselhaften Sprüchen und Weissagungen in griechischer Sprache
angefüllten Bücher schrieb man einer Sibylle zu, mit welchem Namen man
in alten Zeiten geheimnisvolle, mit Sehergabe ausgestattete Frauen
bezeichnete, und davon hießen fortan diese wundersamen Schriftrollen
die +sibyllinischen Bücher+. Der besondern Obhut zweier Priester
anvertraut, wurden sie fortan zu Rate gezogen, so oft auffällige
Naturerscheinungen die Gemüter erschreckten, oder der Staat, durch
innere oder äußere Not bedrängt, eines göttlichen Rates zu bedürfen
schien.


Nicht lange, so ängstigten böse Zeichen und Träume das Gemüt des
Königs. Eine Schlange schlüpfte aus dem Altar des königlichen Hauses
und raubte das dargebrachte Opferfleisch. Der König beschloß das
delphische Orakel, welches damals im größten Ansehen stand, über
dieses Wunder zu befragen und sandte seine beiden Söhne +Titus+ und
+Aruns+, denen er den Junius +Brutus+ als Begleiter gab, mit kostbaren
Weihgeschenken dahin ab. Dieser, obgleich ein naher Verwandter des
Königs, war der Grausamkeit des Tyrannen, der schon seinen Vater und
Bruder getötet hatte, nur dadurch entgangen, daß er sich blödsinnig
stellte. Tarquinius hatte ihn wirklich für dumm gehalten, ihm den
Namen Brutus (der Dumme) gegeben und ihn der Kurzweil wegen an seinen
Hof genommen. Doch äußerte Brutus bisweilen Spuren der in ihm
versteckten Klugheit. In Delphi machte er dem Orakel einen Stab von
Kornelkirschholz zum Geschenk, aber der hölzerne Stab war hohl und mit
Gold gefüllt, und so ward er das Sinnbild des Brutus selbst.

Als die Jünglinge den Auftrag des Vaters vollzogen hatten, trieb sie
die Neugier das Orakel zu befragen, wer nach dem Vater in Rom herrschen
würde, und es geschah die Antwort: „Der, welcher zuerst von euch seine
Mutter küssen wird.“ Die Königssöhne, welche meinten, das Orakel weise
auf ihre Mutter, die Königin, die Gattin des Tarquinius, machten
unter sich aus ihre Mutter zu gleicher Zeit zu küssen, um später
gemeinschaftlich zu regieren. Brutus aber verstand unter der Mutter
die Erde, die gemeinsame Mutter aller Menschen. Darum tat er, als sie
heimkehrten und aus dem Schiff ans Land stiegen, mit Absicht einen
Fehltritt, fiel nieder zur Erde und berührte sie mit seinen Lippen, und
erfüllte so das Geheiß des Orakels.


Bald darauf geschah es, daß bei einer Belagerung von Ardĕa, der
Hauptstadt der Rútuler, sich die Söhne des Königs die Langeweile im
Lager durch Gastmähler und Trinkgelage zu vertreiben suchten. Als sie
so einst bei ihrem Bruder Sextus, dem Eroberer von Gabii, schmausten,
fiel die Rede auch auf ihre Frauen, und sie stritten, wer von ihnen
die preiswürdigste hätte. Da jeder seine eigene dafür hielt, rief
Collatinus Tarquinius, ihr Vetter: „Wozu all dies Streiten? Laßt uns
unsere Rosse besteigen und unsere Frauen besuchen! Womit wir eine jede
beschäftigt finden, darnach mag der Preis zuerkannt werden.“ Alle waren
mit dem Vorschlage zufrieden. Beim Anbruch der Dunkelheit gelangten sie
nach Rom, wo die Frauen der Königssöhne die Zeit in Lust und Wohlleben
verbrachten; von da ging ihr Ritt nach Collatia, zum Landgute des
Collatinus. Hier fanden sie die ebenso schöne wie züchtige +Lucretia+,
die Gattin desselben, noch in später Nacht unter ihren Mägden sitzen
und mit Wollarbeit beschäftigt. Ihr wurde der Preis zuerkannt.
Freundlich bewirtete sie den Mann und die mitgebrachten Gäste, bis sie
ins Lager zurückkehrten.

Einige Tage nachher erschien Sextus Tarquinius diesmal allein und ohne
Wissen des Collatinus, wieder in Collatia. Er ward von der arglosen
Lucretia gastlich aufgenommen, vergalt aber diese Aufnahme damit, daß
er der tugendhaften Frau eine rohe und entehrende Gewalt antat. Als der
Verräter sie verlassen, ließ sie ihren Vater Lucretius und ihren Gemahl
zu sich nach Collatia entbieten. Sie kamen, der Gatte begleitet von
jenem Junius Brutus, der Vater von seinem Freunde Valerius. Jammernd
erzählte sie ihnen den erlittenen Schimpf, und nachdem sie ihnen
den Schwur abgefordert, den Sextus Tarquinius, ihren Beleidiger, zu
bestrafen, stieß sie sich vor ihren Augen einen Dolch in die Brust.
Während die anderen vor Schreck wie gelähmt dastanden, trat Brutus
hervor, zog den Dolch aus der Leiche und schwur bei dem Blute des
unschuldigen Opfers, daß er nicht ruhen und rasten wolle, bis er dies
gottlose Königsgeschlecht aus Rom verjagt und der Königsherrschaft ein
Ende gemacht hätte. Und den gleichen Schwur ließ er den beleidigten
Gatten und den Vater nebst Valerius auf den blutigen Dolch leisten.
Darauf hoben sie die Tote und trugen sie auf den Markt, wo sie dem
herzueilenden Volke die Schandtat des Tarquiniers erzählten. Die
Bürger von Collatia bewaffneten sich, besetzten die Tore ihrer Stadt
und zogen, von Brutus und den anderen geführt, nach Rom. Hier berief
Brutus das Volk zusammen und zählte ihm alle Freveltaten auf, die
der König, sein Weib und seine Söhne vom Morde des Servius Tullius
an bis zu dieser letzten Schandtat verübt hätten. Das Volk erklärte
den Tarquinius der Königswürde verlustig und beschloß seine und
seines Geschlechtes Verbannung. Darauf zog Brutus mit einer Schar von
Jünglingen in das Lager von Ardea, jedoch auf einem Umwege, sodaß er
dem Könige, der auf die erste Nachricht von dem Aufruhr nach Rom geeilt
war, nicht begegnete. Freudig nahm das Heer den Brutus auf und verjagte
die Königssöhne. In Rom aber ließ man den König nicht herein, sondern
verschloß ihm die Tore und kündigte ihm seine Verbannung an. So von
Volk und Heer verlassen, floh er mit seiner Familie nach der Stadt
Cäre in Etrurien. Sextus ging zu den Gabiniern, die ihn, eingedenk des
früheren Verrates, erschlugen.



Rom als Republik.



VIII.

Brutus, erster Konsul der Römer.

(509 v. Chr.)


An Stelle des einen Königs traten von jetzt an +zwei+ oberste
Beamte, die +Konsuln+, die, vom Volke gewählt, beide zwar dieselbe
Machtbefugnis als oberste Heerführer und Richter übten, wie bisher
die Könige, aber ihr Amt nur +ein+ Jahr lang bekleideten und sich
gegenseitig an Ausschreitungen hindern konnten. Die ersten Konsuln
waren +Brutus+ und +Collatinus+.

Obschon die Vertreibung der Könige von den alten Geschlechtern, den
Patriziern, ausgegangen war, so waren doch nicht alle Patrizier damit
zufrieden. Zumal die jüngeren unter ihnen, welche den Glanz und die
Freuden eines königlichen Hofes vermißten, fanden sich nicht leicht
in den neuen Zustand, und warteten nur auf eine Gelegenheit, um den
König zurückzuführen. Als der König von dieser Stimmung Kunde erhielt,
schickte er alsbald Gesandte nach Rom, unter dem Vorwande, daß sie
die Herausgabe seiner Güter fordern sollten, in der Tat aber, um
eine Empörung zum Sturz der Konsuln zuwege zu bringen. Mehrere junge
Patrizier, unter ihnen sogar die Söhne des Konsuls Brutus, ließen sich
dafür gewinnen und warben unter ihren Freunden zahlreiche Genossen. Man
verabredete an einem bestimmten Tage die Konsuln zu töten und zugleich
dem König die Tore der Stadt zu öffnen, und schrieb einen Brief an ihn,
um ihn zu eiliger Rückkehr aufzufordern. Allein, ehe noch die Gesandten
mit dem Briefe Rom verlassen konnten, wurde die Verschwörung entdeckt.
Ein Sklave hatte eine Zusammenkunft der Verschworenen belauscht und
ihren Plan den Konsuln angezeigt. Diese ließen sofort die Gesandten
und die Verschworenen ergreifen, und der vorgefundene Brief bezeugte
unwidersprechlich ihre Schuld. Die Gesandten wurden, dem Völkerrechte
gemäß, unverletzt entlassen, die ganze Habe des Königs aber dem Volke
preisgegeben, sein großer Landbesitz nordwärts der Stadt bis zur Tiber
dem Kriegsgott geweiht und seit der Zeit Marsfeld (~campus Martius~)
genannt.

Die Verschworenen wurden in Fesseln vor die Konsuln geführt, welche
auf ihren Amtsstühlen zu Gerichte saßen. Da sie nichts zu ihrer
Verteidigung vorbringen konnten, so verurteilte sie Brutus, der Vater
die eigenen Söhne, zum Tode. Diese Strenge machte auch dem Collatinus,
dessen Neffe unter den Verschworenen war, ein milderes Urteil
unmöglich. Mit fester Miene und unverwandtem Blick sah Brutus seine
Söhne mit Ruten geißeln und dann mit dem Beil hinrichten. Darauf bewog
er das Volk zu dem Beschluß, daß auch alle Verwandten des Königshauses
verbannt sein sollten. Da zu diesen auch der Konsul Collatinus gehörte,
so legte er sein Amt nieder und ging in die Verbannung. An seine Stelle
trat der oben erwähnte Publius Valerius.

Tarquinius suchte von nun an mit Waffengewalt die verlorene Herrschaft
wiederzugewinnen. Er rückte mit einem Heere, das ihm die etruskischen
Städte Veji und Tarquinii gestellt hatten, gegen Rom. Die Bürger
zogen ihm entgegen. Am Walde Arsia kam es zum Treffen. Als Brutus
und Arnus, beide an der Spitze ihrer Reiterei, einander ansichtig
wurden, sprengten sie, von gleichem Haß und Kampflust getrieben,
gegen einander an. Beide fielen, jeder vom andern zu Tode getroffen.
Darauf entbrannte die Schlacht allgemein und dauerte ununterbrochen
bis gegen Mitternacht. Plötzlich erscholl aus dem Forste die Stimme
des Waldgottes: „Bei den Etruskern ist ein Mann mehr gefallen, der
Sieg gehört den Römern!“ Da gaben die Etrusker die Sache verloren und
wandten sich zur Flucht, und die Römer kehrten als Sieger nach Hause.
Den Brutus bestatteten sie auf das ehrenvollste, und die römischen
Frauen betrauerten ihn ein ganzes Jahr wie einen Vater.



IX.

Krieg mit König Porsenna.


Tarquinius ließ die Hoffnung, die Königswürde wieder zu erlangen, noch
nicht fahren. Er begab sich in den Schutz +Porsennas+, des mächtigen
Fürsten der Stadt Clusium in Etrurien. Der Krieg, den dieser deshalb
mit Rom begann, erreichte zwar nicht das eigentliche Ziel, die
Herstellung des Tarquinius als römischen Königs, aber die Römer mußten,
trotz heldenhafter Gegenwehr, einen Teil ihres Gebietes an Porsenna
abtreten. Von diesen Heldentaten berichtet die Sage folgendes.

Da die kleine Festung auf dem Berge Janiculum, auf der rechten Seite
der Tiber, der Stadt gegenüber, beim ersten Angriff vom Feinde erobert
ward, so zog sich die Besatzung vor der Übermacht in die Mauern der
Stadt zurück. Nun wäre Porsenna unaufhaltsam über die schmale hölzerne
Tiberbrücke nachgedrungen, wenn nicht +Horatius Cocles+ durch seine
Unerschrockenheit und Tapferkeit es verhindert hätte. Als er sah, daß
seine Genossen nicht mehr standhielten, riet er ihnen selbst über die
Brücke zu eilen und sie so schnell als möglich abzutragen. Während dies
geschah, wehrte Horatius mit zweien seiner Gefährten das feindliche
Heer von dem Zugang zur Brücke ab. Als dieselbe beinahe abgetragen
war, entließ er auch seine Gefährten, um sich über die Reste in die
Stadt zu retten. Hierauf stellte er sich allein dem Feinde entgegen,
und erst, als die letzten Balken krachten, sprang er, den Stromgott um
Schutz anflehend, mit Schild und Wehr in die Fluten. Unter einem Hagel
feindlicher Pfeile schwamm er unversehrt an das andere Ufer.

Die festen und hohen Mauern der Stadt schützten sie zwar gegen einen
stürmischen Angriff; aber der Feind begann ihr von allen Seiten die
Zufuhr abzuschneiden und ihr Gebiet zu verwüsten, sodaß bald Mangel an
Nahrung entstand. Um Rom von dieser Bedrängnis zu befreien, beschloß
+Mucius Scävŏla+, ein mutiger Jüngling, den feindlichen König zu töten.
In etruskischer Kleidung, einen Dolch unter dem Gewande, schlich er
ins feindliche Lager, wo eben ein Schreiber neben dem König saß, der
mit den Kriegern verhandelte, die ihren Sold erhalten sollten. Weil
sich dieser in seiner Tracht gar nicht vom König unterschied, so hielt
ihn Mucius für den König selbst und stieß ihn mit dem Dolche nieder.
Ergriffen und vor den König geführt, bekannte er unerschrocken sein
Vorhaben. Als ihn Porsenna mit dem Feuertode bedrohte, streckte er, um
zu zeigen, daß er alle Drohungen verachte, seine Rechte in die Flamme
des nahestehenden Opferherdes, ohne das geringste Zeichen von Schmerz
zu verraten. Da verwandelte sich des Königs Zorn in Bewunderung, er
schenkte dem Mucius das Leben, und dieser erklärte nun, gleichsam um
den König für seine Milde zu belohnen, daß nicht er allein, sondern
dreihundert römische Jünglinge sich zu gleichem Zwecke verschworen
hätten, um durch den Tod des Königs ihre Vaterstadt zu befreien.
Der junge Held, der später von dem Verluste seiner rechten Hand den
Beinamen Scävola (Linkhand) erhielt, ward entlassen; der König aber,
der sich jetzt von steten Gefahren bedroht glaubte und für sein Leben
fürchtete, ward zum Frieden geneigt, der auch bald zustande kam. Er
hob die Belagerung auf und verzichtete auf die Wiedereinsetzung des
Tarquinius; dagegen traten die Römer das rechte Tiberufer an ihn ab und
stellten zehn Jünglinge und ebenso viele Jungfrauen als Geiseln.

Unter diesen Jungfrauen befand sich die edle +Clölia+. Sie täuschte
die Wächter und schwamm mit den übrigen Jungfrauen über die Tiber.
Vergebens schossen die Feinde ihre Pfeile auf sie ab; sie kam mit ihren
Gefährtinnen glücklich nach Rom. Aber der römische Konsul schickte sie
auf die drohende Forderung Porsennas in das etruskische Lager zurück.
Doch hatte der Heldenmut der Jungfrau des Königs Bewunderung erregt; er
vergab ihr nicht nur und schenkte ihr die Freiheit, sondern er erlaubte
ihr sogar einige von den römischen Jünglingen, die als Geiseln im Lager
waren, mit nach Hause zu nehmen. Sie wählte die jüngeren, deren zartes
Alter ihr im Feindeslande am meisten der Kränkung ausgesetzt schien.
In Rom aber errichtete man, zu dauerndem Andenken an den Heldenmut der
Clölia, ein ehernes Denkmal, eine Jungfrau zu Roß.

So war denn auch dieser Versuch des Tarquinius, die Herrschaft
wiederzugewinnen, mißlungen. Er nahm hierauf seine Zuflucht zu den
Latinern, die er zu einem Kriege gegen die Römer aufreizte, der im
Jahre 496 v. Chr. zum Ausbruch kam. Am See +Regillus+ trafen beide
Heere aufeinander; es war ein Heldenkampf, in dem die Führer selber
sich im Zweikampf begegneten, während die Menge ohne Entscheidung
focht, und der Sieg bald hierin, bald dorthin sich wandte. Selbst der
hochbejahrte Tarquinius nahm an der Schlacht Anteil und ward verwundet.
Endlich siegten die Römer und nahmen das feindliche Lager; Tarquinius
ging hoffnungslos zu Aristodémus, dem Fürsten der griechischen Stadt
Cumä, nahe dem heutigen Neapel, wo er im folgenden Jahre starb.



X.

Innerer Zwist. Menenius Agrippa und Marcius Coriolanus.


Die Bürgerschaft Roms zerfiel in zwei an Herkunft, Recht und Ansehen
verschiedene Klassen, unter denen nicht einmal ein gemeinschaftliches
Verkehrsrecht (~commercium~) und Eherecht (~conubium~) bestand. Die
eigentliche Gemeinde bildeten nur die +Patrizier+, die Nachkommen
der alten Geschlechter, aus denen die ursprüngliche Bevölkerung Roms
bestanden hatte. Sie besaßen alle Vorrechte; aus ihrer Mitte wurden
die Beamten und Senatoren gewählt, sie allein bildeten das „Römische
Volk“ (~populus Romanus~) und beschlossen in ihrer Versammlung
(~comítia curiāta~) über die Angelegenheiten des Staates. Die
+Plebejer+ dagegen, die Nachkommen derjenigen Zuwanderer, welche sich,
freiwillig oder gezwungen, nach und nach in Rom niedergelassen hatten,
an Zahl weit überlegen und zu allen Diensten für das Gemeinwesen, zu
Kriegsdienst und Steuern verpflichtet, entbehrten alles Anteils an der
Regierung, welche die patrizischen Beamten mit stolzer Härte gegen
die rechtlose Menge ausübten. Die plebejischen Bauern konnten oft
wegen der häufigen Kriege, zu denen sie eingerufen wurden, ihr Land
nicht rechtzeitig bestellen, gerieten in Schulden, und wenn sie die
hohen Zinsen nicht bezahlen konnten, so verfielen sie, nach dem harten
römischen Schuldrecht, mit ihrer Person der Gewalt der Gläubiger, die
sie als Knechte fronden lassen oder sogar in die Fremde verkaufen
durften. So waren schon viele in Armut und Knechtschaft geraten, und
die Unzufriedenheit über die ungerechte Bedrückung stieg unter den
Plebejern immer höher.

Schon hatten sie einige Male den Kriegsdienst verweigert; aber den
Patriziern war es noch immer gelungen, bald durch Drohungen, bald
durch leere Versprechungen, den Ausbruch der Unzufriedenheit zu
unterdrücken. Einst geschah es, daß das Volk, von einem beutereichen
Feldzuge zurückkehrend, zum Lohn eine Erleichterung seiner drückenden
Lage erwartete. Allein die Patrizier suchten es aufs neue zu täuschen,
indem sie es sogleich zu einem neuen Kriege führen wollten. Da aber kam
die lang verhaltene Wut der Plebejer zu offenem Ausbruch. Bewaffnet,
wie sie waren, rotteten sie sich zusammen, verließen die Stadt und
zogen, unter einem selbstgewählten Anführer, auf eine nicht weit von
Rom gelegene Anhöhe, die man den „heiligen Berg“ nannte, wo sie ein
festes Lager aufschlugen und sich dauernd niederzulassen drohten. (494
v. Chr.)

Darüber entstand zu Rom eine allgemeine Bestürzung. Das
zurückgebliebene Volk fürchtete die Härte der Patrizier, diese die
völlige Auswanderung des Volks. Endlich beschloß der Senat eine
Gesandtschaft abzuschicken, um das Volk zur Rückkehr zu bewegen. An
der Spitze derselben stand ein kluger und beredter, als Volksfreund
bekannter und beliebter Mann, +Menénius Agrippa+. Auf dem heiligen
Berge angekommen, begann er seine Rede damit, daß er dem Volke folgende
Fabel erzählte.

„Die Glieder des Leibes empörten sich einst wider den Magen, weil er
allein untätig sei, während sie alle für ihn arbeiten mußten. Sie
versagten ihm daher den Dienst. Die Hände wollten keine Speise mehr
in den Mund bringen, der Mund sie nicht aufnehmen und die Zähne sie
nicht zerreiben. Eine Zeitlang führten die Glieder diesen Vorsatz aus.
Bald aber fühlten sie, daß sie sich selbst dadurch schadeten. Sie
erkannten, daß es der Magen sei, der die empfangene Speise verdaue,
das damit genährte Blut durch alle Glieder verbreite und ihnen allen
Leben und Kraft verleihe. Sie gaben daher ihr Vorhaben auf und söhnten
sich wieder mit dem Magen aus. So ist es auch, fuhr Agrippa fort, mit
den Gliedern eines Staates. Keiner von ihnen vermag für sich allein zu
bestehen; nur auf ihrer Eintracht beruht das Wohl des Ganzen.“

Durch solche Rede soll Agrippa das Volk zur Rückkehr geneigt gemacht
haben. Sie erfolgte jedoch nicht eher, als bis die Patrizier das
feierliche Versprechen gaben, die Schuldgefangenen in Freiheit zu
setzen und den Plebejern die Wahl einer eigenen unverletzlichen
Obrigkeit zu gestatten. Von dieser Zeit an wählte das Volk aus seiner
Mitte jährlich zwei Beamte, +Tribunen+ genannt, deren Zahl später bis
auf zehn vermehrt ward. Sie hatten das Recht die Gemeinde der Plebejer
zu berufen und mit ihr zu beraten, und die Pflicht jeden einzelnen
derselben gegen eine Härte oder Ungerechtigkeit der Konsuln und
anderen Beamten zu schützen. Auch durften sie gegen jeden Beschluß des
Senats, vor dessen Tür sie ihren Sitz hatten, Einsprache (~veto~ „ich
verbiete“) tun und ihn dadurch ungültig machen.


Doch schon in den ersten Jahren liefen die Plebejer Gefahr diese
Rechte, welche sie durch die Auswanderung (~secessio~) auf den heiligen
Berg errungen hatten, wieder zu verlieren. Damals nämlich wurde Rom
durch eine furchtbare Hungersnot heimgesucht. Der Senat hatte auswärts
Vorräte an Getreide aufkaufen lassen, und fast alle Senatoren waren
der Meinung, man solle dieses Getreide den Plebejern entweder umsonst
oder um einen sehr geringen Preis überlassen. Nur +C. Marcius+ stimmte
ihnen nicht bei. Dieser Marcius hatte durch seine Tapferkeit Corioli,
eine Stadt der den Römern benachbarten, aber immer feindlichen Volsker,
eingenommen und sich dadurch den Beinamen +Coriolanus+ erworben. Er war
ein erbitterter Gegner der Plebejer, denen er ihre neue Obrigkeit zu
entreißen suchte. Daher machte er jetzt im Senate den Vorschlag, man
solle dem Volke das Getreide nur unter +der+ Bedingung geben, daß es
seine Tribunen wieder abschaffe.

Kaum hatte das Volk von diesem Vorschlage Kunde, als es in die größte
Wut geriet und den Coriolanus zerrissen hätte, wenn es die Tribunen
nicht gehindert hätten. Diese bestimmten darauf dem Coriolanus einen
Tag, wo er vor dem Gerichte des Volkes erscheinen und sich verantworten
sollte. Die Patrizier flehten um Gnade für ihn, er selbst aber zeigte
Trotz und Hohn und verachtete die Anklage. Als er jedoch sah, daß er
verurteilt werden würde, wartete er den Gerichtstag nicht ab, sondern
entfernte sich aus Rom. Das Volk verurteilte ihn, da er sich nicht zu
Gericht gestellt hatte, zu lebenslänglicher Verbannung.

Coriolanus war nach Antium, einer Stadt der Volsker, gegangen, wo ihn
sein Gastfreund Attius Tullius bereitwillig aufnahm. Hier brachte er
es dahin, daß die Volsker gegen die ihnen verhaßten Römer aufs neue
zu den Waffen griffen. An der Spitze eines volskischen Heeres drang
Coriolanus bis in die Nähe von Rom und lagerte sich eine Meile weit
von der Stadt. Weit und breit verwüstete er die Güter der Plebejer,
verschonte aber die der Patrizier, entweder um seinen Haß gegen jene an
den Tag zu legen, oder um beide Parteien gegen einander aufzureizen.

Rom befand sich in der größten Gefahr. Von außen wütete der Feind,
im Innern der Streit zwischen Volk und Senat. Endlich ward eine
Gesandtschaft der vornehmsten Patrizier an ihn abgeordnet, kehrte
aber unverrichteter Sache zurück. Dann wurden Priester mit allen
Zeichen ihrer Würde abgeschickt. Coriolanus empfing sie mit großer
Ehrerbietung, doch auch sie richteten nichts aus. Endlich gingen
+Vetúria+, die Mutter des Coriolanus, und dessen Gemahlin +Volúmnia+
mit seinen Kindern nebst anderen römischen Matronen ins volskische
Lager. Als Coriolanus von ihrer Ankunft hörte, eilte er auf seine
Mutter zu, um sie zu umarmen. Allein Veturia wies seine Umarmung ab,
voll Zorn und Schmerz brach sie in laute und bittere Klagen aus über
des Sohnes frevelhaften Krieg, über des Vaterlandes Not und das eigene
Unglück die Mutter eines solchen Sohnes zu sein. Tief erschüttert gab
Coriolanus nach. „Mutter,“ rief er, „das Vaterland hast du gerettet,
aber deinen Sohn verloren!“ Er verließ mit dem Heer der Volsker das
römische Gebiet und kehrte nach Antium zurück. Dort soll er bald darauf
von dem erzürnten Volk erschlagen worden sein, nach einer anderen Sage
aber als Verbannter ein hohes Alter in der freudelosen Fremde erreicht
haben.



XI.

Untergang der Fabier.

(477 v. Chr.)


Auch nach dem Abzuge des Coriolanus hörten die inneren Kämpfe zwischen
Patriziern und Plebejern in Rom nicht auf; jene suchten ihre Vorrechte
unverkürzt zu behaupten, diese forderten, unter der Führung ihrer
Tribunen, immer lebhafter eine rechtliche Gleichstellung. Insbesondere
erbitterte es die Plebejer, daß alles Land, welches den besiegten
Feinden entrissen und Eigentum des römischen Volkes ward (~ager
publicus~ „Gemeinland“), ausschließlich den Patriziern gegen eine
geringe Abgabe in Erbpacht gegeben wurde. Gegen ihre billige Forderung,
daß der Vorteil aus solcher Kriegsbeute allen Bürgern gleichmäßig
zufallen sollte, sträubte sich besonders das adelstolze zahlreiche
Geschlecht der +Fabier+, und gegen sie war der Unwille des Volkes
vorzugsweise gerichtet. Sieben Jahre nach einander, von 485-479 v. Chr.,
bekleidete jedesmal ein Fabier das Konsulat. Nun brach im Jahre 483
ein Krieg mit +Veji+, einer benachbarten Stadt Etruriens, aus. In
den beiden ersten Jahren geschah nichts Erhebliches, aber im dritten
ereignete sich Schmachvolles. Das größtenteils aus Plebejern bestehende
Heer folgte seinem Feldherrn, dem +Käso Fabius+, mit Ingrimm; ihm zum
Trotze wich es im Kampfe, gab das Lager dem Feinde preis und floh in
größter Unordnung nach Rom. Da beschlossen die Fabier, ohnmächtig
gegen des Volkes Haß und Starrsinn, sich mit ihm auszusöhnen. So
gelobten die Soldaten dem +Marcus Fabius+ Gehorsam und Sieg; sein
Bruder +Quintus+ fiel in einer Schlacht gegen die Etrusker, und ebenso
der andere Konsul, aber Marcus trug einen glänzenden Sieg davon. Der
Senat bewilligte ihm einen Triumph, den er jedoch wegen des Todes
seines Bruders und seines Kollegen ablehnte. Die verwundeten Plebejer
verteilte er in die patrizischen Häuser, viele nahm sein eigenes
Geschlecht auf und verpflegte sie aufs beste. Seitdem waren die Fabier
des Volkes Lieblinge, und Käso Fabius wurde zum dritten Male Konsul.

Dieser Mann forderte die Patrizier auf, einen Teil des jüngst
gewonnenen Gemeinlandes unter die armen Bürger zu verteilen, aber
vergeblich; er zog sich dadurch nur den Haß seiner Stammesgenossen
zu. Um so mehr vertrauten ihm die Plebejer. Noch immer dauerte der
Kampf mit den Vejentern fort, die, wenn ihnen gerade kein Heer
gegenüberstand, Streifzüge in das römische Gebiet unternahmen. Da
faßten Käso Fabius und sein ganzes Geschlecht den Entschluß mit ihren
Schützlingen und Anhängern (Klienten) die Vaterstadt zu verlassen und
für das Wohl des Staates auf eigene Hand den Grenzkrieg gegen Veji zu
übernehmen. Als sich die Kunde von diesem Entschlusse durch die Stadt
verbreitete, entstand ein allgemeiner Jubel, und das Volk erhob die
Fabier bis in den Himmel. Unter Gebeten und Segenswünschen zogen nun
die Fabier, 306 Helden, alle Patrizier, alle aus +einem+ Geschlecht,
jeder des Feldherrnamtes würdig, mit ihrem Gefolge von etwa 4000
Männern, durch das carmentalische Tor bis an das Flüßchen +Crémera+, wo
sie sich niederließen und verschanzten (479 v. Chr.).

Drei Jahre lang führten sie dort den Grenzkrieg gegen die Etrusker mit
Glück; die ganze vejentische Landschaft bis in die fernsten Winkel
wurde von ihren Streifzügen heimgesucht, und manches Treffen im offenen
Felde von ihnen gewonnen. Das Glück machte sie kühn und sicher, zuletzt
sorglos. Einst wurden Rinderherden unter schwacher Bedeckung an ihnen
vorbeigetrieben. Durch diese ließen sie sich auf eine Bergweide locken,
wo aus den Waldhöhen umher viele Tausende bewaffneter Feinde sich
verborgen hatten. Die Hüter des Viehes entflohen zum Schein; die Römer,
den Rindern nachjagend, zerstreuten sich und gerieten immer tiefer in
die verderbliche Talenge, als plötzlich von allen Seiten Schlachtruf
erscholl, und ein Hagel von Wurfgeschossen auf sie niederfiel. Die
Übermacht der Feinde umdrängte sie und immer enger ward der Kreis, in
den sie sich zusammenziehen mußten. Nachdem sie lange gegen den von
allen Seiten andringenden Feind gefochten hatten, wandten sie sich
endlich insgesamt in keilförmiger Aufstellung nach einer Richtung
hin und bahnten sich, durch die Macht ihrer Leiber und Waffen, den
Weg nach einer nahen Anhöhe. Hier bestanden sie den Kampf gegen die
nachstürmenden Feinde, bis diese auf einem Umweg den Gipfel des Berges
im Rücken der Römer erstiegen, von wo sie, Steinblöcke und Geschosse
hinabschleudernd, die Helden alle bis auf den letzten erschlugen. Der
Tag, an dem dies geschah, war der 18. Juli des Jahres 477 v. Chr. und
blieb im Andenken der Römer auf immer ein Unglückstag, der in stiller
Trauer begangen ward. Auch das carmentalische Tor, durch welches die
Fabier aus Rom gezogen waren, galt fortan für unheilbringend. Nur ein
Sprößling des Geschlechts, ein noch unmündiger Knabe, soll in Rom
zurückgeblieben sein, von dem das spätere fabische Geschlecht abstammte.



XII.

Appius Claudius und die Decemvirn.

(451-449 v. Chr.)


Die Römer hatten bis zu dieser Zeit noch keine geschriebenen Gesetze.
Die patrizischen Richter sprachen Recht nach altem Herkommen oder nach
Gutdünken, wobei sie sich oft Begünstigung ihrer Standesgenossen zum
Nachteile der Plebejer zuschulden kommen ließen. Um sich gegen solche
ungerechte Urteilssprüche zu sichern, setzten es die Plebejer unter
ihrem Tribunen +Terentilius Harsa+ durch, daß zu ihrem Schutze gegen
die Willkür der Patrizier +geschriebene Gesetze+ aufgestellt werden
sollten (453 v. Chr.). Nun wurden Gesandte in die griechischen Städte
Unteritaliens und nach Athen geschickt, um dort die weisesten Gesetze
zu sammeln. Nach ihrer Rückkehr wurde ein Ausschuß von zehn Männern
(~decemvirn~) ernannt, der aus diesen Gesetzen diejenigen auswählen
sollte, welche dem römischen Staate angemessen wären und zu gleicher
Zeit auf ein Jahr mit der unumschränkten Regierungsgewalt betraut,
sodaß alle anderen Obrigkeiten inzwischen aufhörten. Unter diesen
Zehnmännern oder +Decemvirn+ war +Appius Claudius+ der angesehenste und
einflußreichste.

Die Decemvirn regierten anfangs zu völliger Zufriedenheit des
Volkes. Am Ende ihres Amtsjahres stellten sie auf zehn Tafeln eine
Reihe von Gesetzen auf, bezeigten aber keine Lust, nun auch ihr Amt
niederzulegen. Besonders wünschte der stolze Appius Claudius seine
Herrschaft noch fortzusetzen. Durch erheuchelte Milde und Leutseligkeit
hatte er das Volk für sich gewonnen und bewirkte ohne Mühe, daß die
Decemvirn auch für das folgende Jahr im Amte blieben. Am Schluß des
zweiten Jahres stellten sie noch zwei Gesetztafeln auf. Aber auch jetzt
legten die Decemvirn ihr Amt nicht nieder, sondern mißbrauchten es zu
Gewalttätigkeiten gegen das Volk, besonders gegen diejenigen Plebejer,
die ihrer Herrschaft gefährlich schienen. Nun geschah es, daß die
benachbarten Äquer und Sabiner in die römische Landschaft einbrachen
und die Decemvirn gegen sie zwei Heere ins Feld führen mußten. Beide
Heere wurden durch die Schuld der Krieger, welche absichtlich ihre
Pflicht versäumten aus Unwillen gegen die Decemvirn, geschlagen. Als
der erste Schreck vorüber war und von Rom Verstärkung anlangte, rückte
das eine Heer in das Gebiet der Sabiner vor. In diesem Heere befand
sich ein alter Hauptmann, +Siccius Dentatus+, der in vielen Schlachten
gefochten, acht Feinde im Zweikampfe erlegt und vierzehn Bürgern
im Kampf das Leben gerettet hatte, dessen Brust zahlreiche Narben
schmückten und dem eine Menge von Bürgerkränzen, goldenen Ketten,
Armbändern und anderen Ehrenzeichen als Lohn seiner Heldentaten zuteil
geworden waren. Dieser Mann, über die Gewaltherrschaft der Decemvirn
empört, forderte seine im Felde stehenden Mitbürger zu einer zweiten
Auswanderung nach dem heiligen Berg auf, um die verlorenen Rechte
wiederzugewinnen. Als die Decemvirn davon Kunde erhielten, beschlossen
sie seinen Tod. Sie sandten ihn, begleitet von einer Schar gedungener
Meuchelmörder, in die Umgegend, um den Platz für ein neues Lager zu
suchen. Diese überfielen in einem einsamen Hohlwege den ahnungslosen
Helden. Aber es ward ihnen schwer den gewaltigen Mann zu fällen, und
um seine Leiche lagen viele der Verräter, die er in seiner Notwehr
hingestreckt hatte. Die übrigen berichteten im Lager Siccius sei mit
einigen seiner Leute in einen Hinterhalt der Feinde geraten und tapfer
kämpfend gefallen. Man eilte hin, seine Leiche zu holen: da wurde
der Verrat offenbar, denn es lagen keine Feinde, sondern nur Römer
um ihn her. Das Heer drohte Aufstand und wollte die Leiche nach Rom
tragen, ließ sich aber für diesmal noch dadurch beschwichtigen, daß
die Decemvirn dem Gefallenen ein prächtiges Leichenbegängnis mit allen
kriegerischen Ehren anordneten.

So nachteilig auch diese Tat für den Ruf der Decemvirn war, so
gelang es diesen doch sich in der Gewalt zu behaupten, bis endlich
der Frevelmut des Appius Claudius eine allgemeine Empörung gegen sie
veranlaßte. Appius hatte die schöne +Virginia+, die Tochter eines
Plebejers, des +Virginius+, und Braut des Icilius gesehen und strebte
nach ihrem Besitze. Anfangs suchte er sie durch lockende Versprechungen
zu gewinnen. Da ihm dies nicht gelang, so bewog er einen seiner
Klienten die Virginia für die Tochter seiner Sklavin auszugeben und als
sein Eigentum zurückzufordern.

Ihr Vater Virginius stand im Lager, als der Klient die Virginia auf
offener Straße ergriff und vor den Richterstuhl des Appius Claudius
führte, von dem er sie sich nun als Eigentum zusprechen ließ. Auf das
Geschrei des um Hilfe stehenden Mädchens strömte eine Menge Volkes
herbei. Auch Icilius war herbeigeeilt, und nur mit Mühe vermochte er
den Appius zu bewegen, bis zur Ankunft des Vaters die Sache anstehen
und die Jungfrau in den Händen derer zu lassen, welche sich für sie
verbürgten. Alsbald schickte Appius heimlich einige Diener ins Lager
an die Decemvirn, die dort den Oberbefehl hatten, mit dem Auftrage,
sie sollten dem Virginius keinen Urlaub gewähren. Doch die Boten des
Icilius waren früher gekommen. Virginius hatte bereits Urlaub und war
auf dem Wege nach Rom.

Am folgenden Tage erschien er vor dem Richterstuhle des Decemvirn
mit seiner Tochter, beide in Trauergewand, von vielen Matronen und
Freunden begleitet. Der ganze Marktplatz war von Menschen angefüllt,
die das traurige Schauspiel herbeigelockt hatte. Appius bestieg die
Richterbühne; sein Klient wiederholte seine Klage, und abermals wurde
die Jungfrau ihm als Eigentum zugesprochen. Als er sie ergreifen
wollte und der Vater ihn drohend abwies, die Umstehenden aber in ihrer
Entrüstung einen schützenden Kreis um Vater und Tochter schlossen, da
befahl Appius seinen mit Beilen bewehrten Amtsdienern, den Liktoren,
den Haufen zu sprengen und das Mädchen zu ergreifen, und bedrohte mit
schwerer Strafe alle diejenigen, die sich gestern und heute gegen
seine Richtergewalt gesträubt hätten. Dadurch eingeschüchtert wich die
Menge auseinander. Virginius aber, der keine Rettung mehr sah, bat
nur noch um die Gunst von seiner Tochter Abschied nehmen zu dürfen.
Dies ward ihm gewährt. Da führte er sie zu einer nahen Fleischerbude,
ergriff ein Messer und stieß es ihr in die Brust, indem er ausrief:
„Hiermit allein, mein Kind, kann ich deine Ehre retten!“ Darauf
wandte er sich gegen Appius und schrie: „Bei diesem Blute weihe ich
dein Haupt den Göttern der Unterwelt!“, bahnte sich mit dem Messer in
der Hand einen Weg durch das Gedränge und gelangte bis ans Tor, um
zurück ins Lager zu eilen. Icilius aber zeigte dem Volke den blutenden
Leichnam seiner Verlobten und forderte zum Sturz der Decemvirn auf; die
Liktoren des Appius wurden übermannt und er selbst floh mit verhülltem
Haupte in sein Haus. Auch im Lager brach der Aufruhr los. Das Volk
zog zum zweiten Male auf den heiligen Berg und kehrte erst dann nach
Rom zurück, als der Senat verordnete, daß die Decemvirn ihr Amt
niederlegen und wieder Konsuln an ihre Stelle treten sollten.

Appius Claudius aber, der ruchloseste der Decemvirn, ward in den Kerker
geworfen und nahm sich dort selbst das Leben.



XIII.

M. Furius Camillus. Einbruch der Gallier.


Nicht weit von Rom, auf etrurischem Gebiet, lag die mächtige Stadt
+Veji+, die mit den Römern seit lange in Fehde lag und schon oft
blutige Kämpfe geführt hatte. Nun geschah es, daß die Vejenter römische
Gesandte ermordeten, wofür die Römer Genugtuung verlangten und mit
neuem Kriege drohten. Im Vertrauen auf ihre Macht und die Festigkeit
ihrer Stadt nahmen ihn die Vejenter an, und es begann ein zehnjähriger
Kampf (405-396 v. Chr.), der mit der völligen Zerstörung der Stadt Veji
endete. Der Ruhm dieses Sieges gebührte dem Marcus +Furius Camillus+.

Zehn Jahre lang ward die Stadt von den Römern belagert, aber nicht
ohne Unterbrechung. Ihr Heer zog gewöhnlich nur im Sommer und lagerte
einige Monate um die Stadt, die übrige Zeit begnügte es sich ihr durch
Streifzüge die Zufuhr abzuschneiden. Erst im zehnten Jahre schritt man
zu einer förmlichen Belagerung, wobei das römische Heer zum ersten Male
den Winter über im Felde blieb und die Mannschaften für ihren Unterhalt
einen Sold aus der Staatskasse erhielten.

In diesem letzten Jahre aber erlitten die Römer eine so schwere
Niederlage, daß banges Zagen das Heer und auch die Bevölkerung Roms
ergriff, und man schon den Feind vor den Mauern erwartete. In dieser
Not ward +M. Furius Camillus+ zum Diktator gewählt. So hieß bei den
Römern der Beamte, den sie in Zeiten großer Bedrängnis ernannten,
und mit unumschränkter höchster Gewalt ausstatteten, um den Staat
zu retten, und mit dessen Ernennung die Amtsgewalt aller anderen
Obrigkeiten aufhörte.

Camillus sammelte eine bedeutende Streitmacht und rückte, nach einem
glücklichen Treffen gegen die Falisker, welche auf Seite der Vejenter
standen, vor Veji, schloß die Stadt ein und erbaute rings umher
eine Reihe fester Schanzen. Auch ließ er einen unterirdischen Gang
graben, welcher in das Innere der Burg von Veji hineinführen sollte.
Tag und Nacht wurde ohne Unterlaß an diesen Werken gearbeitet; man
hoffte zuversichtlich, daß Vejis Untergang nahe sei. Unter vielen
anderen Wunderzeichen hatte es sich im Jahre vorher ereignet, daß der
Albanersee, südlich von Rom, im trockenen Hochsommer ungewöhnlich
anschwoll und die umliegende Landschaft überschwemmte. Man schickte
nach Delphi, um über die Bedeutung der seltsamen Erscheinung den
Gott zu befragen. Um Veji war um diese Zeit Waffenruhe, und die
Vorposten auf beiden Seiten führten Gespräche mit einander. So hörten
die Belagerten von dem Wunder des Sees, und ein etruskischer Seher
verkündigte, Veji sei nicht einzunehmen, so lange das Wasser nicht
abgeleitet sei. Bald nachher lud ein römischer Hauptmann den Wahrsager
zu sich, unter dem Vorwande, er wolle sich einige Zeichen, die ihn
allein beträfen, von ihm deuten lassen. Er kam, aber der starke
Hauptmann ergriff den schwachen Alten und schleppte ihn mit Gewalt
zu dem Feldherrn, der ihn nach Rom abführen ließ. Hier vor dem Senat
bekannte der Seher: „Die Schicksalsbücher von Veji verkünden, solange
der See überströme, könne Veji nicht eingenommen werden, und wenn sein
Wasser das Meer erreiche, werde Rom untergehen.“ Damit stimmte die
Antwort des delphischen Orakels überein.

Nun wurde ein Kanal gegraben und das Wasser des Sees auf die Felder
geleitet. Vejis Untergang hielt man jetzt für so gewiß, daß Camillus,
ehe er die Stadt bestürmen ließ, den Senat befragte, wie er mit der
Beute verfahren solle. Der Senat beschloß, daß jeder, der daran
teilhaben wollte, ins Lager ziehen möge, und jung und alt strömte hin.
Als nun der unterirdische Gang in die Burg bis unter dem Boden des
Junotempels vollendet war, gelobte Camillus den Zehnten der Beute den
Göttern zu weihen, zur Göttin Juno aber betete er, sie möge den Siegern
nach Rom in ein prächtigeres Wohnhaus folgen. Zur bestimmten Stunde
wurde der Gang mit Kriegern gefüllt, die Camillus selbst anführte,
während das übrige Heer ringsum den Sturm auf die Mauern begann, wo
allein die Belagerten ihren Angriff erwarteten. Im Junotempel opferte
inzwischen der König der Vejenter, und der Seher erklärte, +der+ werde
siegen, welcher der Göttin das Opferfleisch zerlege. Kaum hörten dies
die Römer in dem Gange, so brachen sie aus demselben hervor, raubten
das Opferfleisch und trugen es zu dem Diktator. Zugleich verbreiteten
sich von der Burg aus die aus dem Gange Eingedrungenen in die Stadt,
um den Stürmenden die Tore zu öffnen. In allen Straßen wurde gekämpft
und unter den Einwohnern ein furchtbares Gemetzel angerichtet, bis der
Diktator verkünden ließ die Wehrlosen zu verschonen. Die dem Blutbade
entronnen waren, wurden als Sklaven verkauft, und so überschwänglich
war die übrige Beute, daß der Diktator, als er sie überschaute, mit gen
Himmel gehobenen Händen zu den Göttern gebetet haben soll, daß, wenn
ihnen dies Glück übergroß erschiene, das römische Volk nur mit einem
kleinen Unfall büßen möge. Bei der Rückkehr nach Rom feierte der Sieger
einen prächtigen Triumph, wobei er auf einem mit vier weißen Rossen
bespannten Wagen das Kapitol hinauffuhr.

Auch die Stadt +Falerii+, die es mit den Vejentern gehalten hatte,
unterwarf Camillus der Botmäßigkeit der Römer. Zwar trotzten anfangs
die Einwohner, die Falisker, auf die Festigkeit ihrer auf steilen
Felsen gelegenen Stadt vertrauend, und die Belagerung zog sich in
die Länge; bis der hochherzige Sinn, den Camillus hier zu zeigen
Gelegenheit hatte, die Falisker zur Unterwerfung geneigt machte.
Eines Tages nämlich führte ein Schulmeister eine Schar Kinder aus
den vornehmsten Familien der Stadt, wie zur Friedenszeit, zu einem
Spaziergange aus der Stadt und zog mit ihnen weit vor die Mauern, bis
er zu den Vorposten der Feinde und an das Zelt des Camillus kam. „Diese
Knaben sind die Söhne der vornehmsten Bewohner der Stadt. Behalte sie
als Geiseln, so bringst du ihre Stadt ohne weitern Kampf in deine
Gewalt.“ So sprach der Arglistige, in Hoffnung auf einen großen Lohn.
Aber der hochgesinnte Römer ließ dem verräterischen Lehrer die Hände
auf den Rücken binden und übergab ihn den Kindern, die ihn unter
Rutenschlägen in die Stadt zurücktrieben. Diese Ehrlichkeit des Feindes
verwandelte den Haß der Falisker in Bewunderung; sie suchten und fanden
in Rom einen billigen Frieden.

In den folgenden Jahren verlor indes der um Rom so hochverdiente Mann
die Gunst des Volkes. Ja, ein Volkstribun klagte ihn an einen Teil der
vejentischen Beute unterschlagen zu haben. Verlassen von Freunden und
Klienten, ging er in die Verbannung, mit dem Gebete an die Götter,
daß, wenn man ihm Unrecht tue, bald eine Zeit kommen möge, wo das
Vaterland seiner bedürfe. Sein Wunsch ging bald in Erfüllung, wie die
folgende Geschichte lehrt.


Aus den Ländern jenseits der Alpen hatten sich nicht lange vor dieser
Zeit zahlreiche Schwärme des großen +keltischen+ oder +gallischen+
Volkes in Bewegung gesetzt, um in den fruchtbaren Gefilden der
apenninischen Halbinsel neue Wohnsitze zu erobern. Sie besetzten die
vom Padus (Po) durchströmte reiche Landschaft zwischen den Alpen
und dem Apennin, welche dann nach ihnen ~Gallia cisalpina~ (Gallien
diesseits der Alpen) genannt und damals noch nicht als zu Italien
gehörig betrachtet wurde. Aber mit dieser Eroberung nicht zufrieden,
drangen sie bald in neuen Scharen unter König +Brennus+ über das
Gebirge südwärts in das Land der Etrurier ein, und belagerten dort
die Stadt Clusium, wo einst Porsenna geherrscht hatte. Die Clusinier
baten in ihrer Bedrängnis die Römer um Hilfe, und diese ordneten drei
Gesandte ab, welche den Galliern mit Krieg drohten, wofern sie nicht
das von ihnen ohne alles Recht besetzte Gebiet räumten. Aber die
Gallier antworteten: „Zum ersten Male hören wir den Namen der Römer
und halten sie für tapfere Männer; unser Recht jedoch beruht auf
unsern Waffen, alles gehört den Tapfern!“ Die Gesandten nahmen darauf
sogar an dem Kampfe gegen die Gallier teil und töteten dabei einen
ihrer Heerführer. Für diese Verletzung des Völkerrechts forderten
die Gallier Genugtuung und drangen, da sie ihnen verweigert ward,
gegen Rom vor. Am Flüßchen +Allia+ stießen sie auf das römische Heer,
das sie in ihrer großen Überzahl und ihrer ungewohnten stürmischen
Angriffsweise in jähe Flucht warfen und mit solchem Schreck erfüllten,
daß ein großer Teil der Flüchtlinge nicht nach Rom, sondern nach dem
näheren Veji und anderen Orten sich rettete. In Rom selbst geriet alles
in die größte Bestürzung und Verwirrung. Man fand es unmöglich die
Stadt gegen den vorrückenden Feind zu verteidigen und beschloß sie zu
verlassen. Nur das Kapitol blieb besetzt; der Senat und etwa tausend
Krieger waren entschlossen diese heilige Tempelburg gegen die Barbaren
zu verteidigen. Das übrige Volk, darunter auch die Vestalinnen und
Priester mit den Heiligtümern, die sie mit sich nehmen konnten, flohen
nach dem seit seiner Eroberung verlassenen und leeren Veji und in
andre benachbarte Städte. In der Angst und Verwirrung schloß man nicht
einmal die Tore. Nur die ältesten Senatoren blieben unten in der Stadt
zurück; geschmückt mit den Zeichen ihrer Würde, saßen sie auf ihren
Amtssesseln auf dem Markte, des Todes durch Feindeshand gewärtig.

Nicht lange, so erschienen die ersten Gallier vor den Mauern. Da sie
die Tore der Stadt offen und unverteidigt fanden, fürchteten sie
anfangs einen Hinterhalt. Endlich aber wagten sie sich mit aller
Vorsicht hinein. Da fanden sie niemanden als jene alten ehrwürdigen
Senatoren, die still und unbeweglich auf ihren Stühlen saßen. Ihr
Anblick flößte zugleich Furcht und Verwunderung ein, sodaß sie
anfänglich von den Galliern für die Bildsäulen der Schutzgötter Roms
gehalten wurden. Erst nach einiger Zeit trat ein kühner Gallier an
einen der ältesten, Marcus Papirius, heran und zupfte ihn am Barte, um
zu sehen, ob er lebte. Erzürnt hob Papirius sein elfenbeinernes Szepter
und schlug damit den Gallier aufs Haupt. Da fielen die Gallier über die
Greise her und töteten sie alle. Hiernach verbreiteten sie sich über
die ganze Stadt, schleppten alle Beute heraus und steckten die Häuser
in Brand. Das ganze Rom, mit Ausnahme des Kapitols, ging in Flammen auf
(389 v. Chr.).

Während nun Brennus mit seinen Galliern das Kapitol belagerte, um
die Besatzung auszuhungern, unternahm ein anderer Teil seines Heeres
einen Streifzug, um Lebensmittel zu holen. Diese Schar kam in die
Nähe von Ardea, wo Camillus in der Verbannung lebte. Eilig sammelte
er die Ardeaten und überfiel mit ihnen die Gallier, von denen viele
niedergemacht wurden, die übrigen sich in wilder Flucht zerstreuten.
Durch diesen Erfolg ermutigt, beschloß das nach Veji geflüchtete
Volk den Camillus aus der Verbannung zu rufen und zum Diktator zu
ernennen. Dazu war die Zustimmung des Senats nötig, der sich auf dem
Kapitol befand. Um die Genehmigung einzuholen, erbot sich ein kühner
Jüngling, +Pontius Cominius+. Nachts schwamm er die Tiber hinab, betrat
nahe am Kapitol das Ufer, erkletterte die steile Burghöhe und kam,
nachdem er seinen Auftrag ausgerichtet, unbemerkt wieder durch die
Posten der Feinde hindurch. Am andern Morgen entdeckten die Gallier
aus den Fußspuren den Weg, wo jener hinauf- und herabgekommen war,
und beschlossen, auf demselben einen Versuch auf die Burg zu machen.
In einer mondhellen Nacht, als alles auf dem Kapitole schlief, kamen
sie in tiefster Stille, da selbst die Hunde oben sich nicht regten,
bis an den Rand der Höhe, als plötzlich das Schnattern der Gänse,
die im Heiligtum der Juno gehalten wurden, den +M. Manlius+ aus dem
Schlafe weckte. Eiligst lief er der unbewachten Stelle zu und stieß den
vordersten Gallier, der eben den äußersten Felsenrand erklommen hatte,
in die Tiefe. Sein Sturz riß auch alle ihm Nachfolgenden hinab. So
wurde die Burg gerettet. Manlius ward von allen gepriesen und belohnt,
die achtlosen Wächter aber zur Strafe über die Felsen in die Tiefe
gestürzt.

Schon währte die Belagerung bis in den sechsten Monat, und der Mangel
an Nahrung nahm auf der Burg mit jedem Tage zu; schon zwang der Hunger
selbst das Leder von den Schuhen und Schilden zu verzehren, und noch
immer erschien Camillus nicht zum Ersatz. Aber auch von den Galliern
wurden viele durch Seuchen weggerafft. Unter solchen Umständen wurden
beide Teile zum Frieden geneigt. Brennus versprach die Stadt und ihr
Gebiet zu verlassen, wenn man ihm tausend Pfund Goldes zahle. Als es
hierzu gewogen werden sollte, ließ Brennus falsches Gewicht anwenden,
und auf die Beschwerde der Römer warf er sein Schwert und Wehrgehäng
auf die Wagschale und rief: „Wehe den Besiegten!“ In diesem Augenblicke
kam die Nachricht, daß Camillus mit dem Heere von Veji heranziehe,
und als er zur Stelle war, erklärte er den ohne seine, des Diktators,
Genehmigung geschlossenen Vertrag für ungültig, hieß die Römer das Gold
wegtragen, die Gallier aber sich zur Schlacht bereiten: mit Eisen,
nicht mit Golde wolle er seine Vaterstadt befreien. In zwei Schlachten
schlug er die Gallier und vernichtete sie bis auf den letzten Mann.
Brennus wurde gefangen und hingerichtet, wobei man ihm die Worte:
„Wehe den Besiegten!“ höhnend wiedergab. Camillus zog triumphierend in
die Stadt zurück; das Volk nannte ihn Romulus und pries ihn als Roms
zweiten Gründer.

Aber die wiedergewonnene Stadt war, mit Ausnahme des Kapitols, eine
öde Brandstätte. Viele der Bürger wünschten nach Veji zu ziehen und
sich in den leerstehenden Häusern anzusiedeln; Camillus und der Rat
widerrieten. Eines Tages war der Senat versammelt, als gerade ein
Hauptmann eine Rotte Krieger über das Forum führte und ihnen zurief:
„Halt, hier bleiben wir am besten!“ Dies Wort nahmen die Senatoren
für eine glückliche Vorbedeutung; das Volk gab seinen Beifall, und
der Wiederaufbau der Stadt wurde beschlossen. Aber noch lange nachher
ließen die engen und unregelmäßigen Straßen erkennen, mit welcher Eile
der Neubau geschehen war.

Camillus führte noch mehrere glückliche Kriege gegen benachbarte
Völker. Bei einem neuen Einfall der Gallier übernahm er in einem Alter
von achtzig Jahren noch immer die Diktatur und schlug die Feinde
abermals. Kurz darauf raffte ihn die Pest hinweg. Er hatte im ganzen
vier Triumphzüge gefeiert und fünfmal die Diktatur bekleidet.



XIV.

Titus Manlius Torquatus. Marcus Valerius Corvus. -- M. Curtius.


Nach der Vertreibung der Gallier gerieten die Römer noch öfters mit
ihnen in Krieg, weil immer neue Schwärme ihre Einfälle in das römische
Gebiet wiederholten. In diesen Kämpfen zeichneten sich unter allen
+Titus Manlius+ und +Marcus Valerius+ durch Heldenmut und Heldentaten
aus.

Einst trat aus den Reihen der Gallier ein riesiger Streiter in
prunkender Rüstung hervor und forderte den tapfersten Römer zum
Zweikampf heraus. Da kein anderer Römer die Herausforderung anzunehmen
wagte, erklärte sich Titus Manlius dazu bereit. Mit Genehmigung des
Diktators trat er dem prahlenden Gallier entgegen, und der Kampf begann
im Angesicht beider Heere. Mit wuchtigen Hieben seines gewaltigen
Schwertes fiel der Riese auf den viel kleineren Römer, aber dieser wich
gewandt zur Seite, drang dann dicht an den Leib und hinter den großen
Schild des Gegners und durchbohrte ihm mit seinem kleinen Schwerte die
Weichen, daß er totwund niederfiel. Weil er dem so erlegten Feinde den
aus Draht gewundenen Halsring (~torques~), den jener nach gallischer
Sitte trug, abnahm und selber als Siegeszeichen anlegte, bekam er den
Beinamen +Torquatus+. Die Gallier aber wurden durch diesen Ausgang
des Zweikampfes so mutlos, daß sie in der folgenden Nacht ihr Lager
verließen und nach Campanien abzogen.

Ein ganz ähnlicher Vorfall ereignete sich bei einem späteren Einbruche
der Gallier in das römische Gebiet. Beide Heere hatten sich in einer
sehr sumpfigen Gegend gelagert, und keines wollte das andere zuerst
angreifen. Auch hier trat ein gallischer Krieger hervor und forderte
den tapfersten Römer zum Kampfe. Diesmal nahm ihn +Marcus Valerius+ an
und bestand ihn, wie es heißt, unter dem besonderen Schutze der Götter.
Denn gleich beim Anfang des Kampfes setzte sich ein Rabe auf den Helm
des Valerius, der dies für eine gute Vorbedeutung ansah. Während des
Kampfes blendete der Rabe den Gallier durch seinen Flügelschlag und
hackte nach ihm mit seinen Krallen. Dadurch wurde dieser so außer
Fassung gebracht, daß ihn der Römer mit leichter Mühe erlegte. Um den
Leib des getöteten Galliers entstand ein allgemeiner Kampf der beiden
Heere, in welchem die Gallier geschlagen wurden. Valerius aber erhielt
von diesem Vorfall den Beinamen Corvus (Rabe).

Im Jahre 362 v. Chr. soll mitten auf dem Forum, wahrscheinlich durch
ein Erdbeben, ein tiefer und breiter Spalt im Boden entstanden sein,
den man vergeblich auszufüllen versuchte; denn alle Erdmassen, die man
hineinschüttete, verschwanden spurlos in der Tiefe. Da erklärten die
Weissager, er werde sich nur schließen, wenn Rom das Kostbarste, was
es habe, hineinwerfe. Alsbald trat, wie die Sage berichtet, +Marcus
Curtius+, ein junger berühmter Krieger, in vollem Waffenschmuck hervor,
mahnte die Römer, daß Waffen und tapferer Mut Roms beste Kleinode
seien, und weihte sich selbst den Göttern der Unterwelt als Opfer.
Darauf schwang er sich auf sein Schlachtroß und sprang in den Abgrund,
während das Volk, Männer und Frauen, Früchte und andere Gaben ihm
nachwarfen. Und sofort schloß sich der Abgrund über ihm.



XV.

Die Tribunen Licinius und Sextius. Gleichstellung der Plebs.


Obschon sich die Plebejer durch die Auswanderung auf den heiligen
Berg das Recht, Tribunen als ihre Schützer und Vertreter zu wählen,
erzwungen hatten, so blieben doch die Patrizier noch immer im Besitze
bedeutender Vorrechte. Namentlich konnten zu den höheren Ämtern nur
Patrizier gewählt werden, obgleich doch schon viele plebejische
Familien an Reichtum und Ansehen hinter keiner patrizischen mehr
zurückstanden, und in den häufigen Kriegen zahlreiche plebejische
Führer sich durch Tapferkeit und Einsicht hervorgetan hatten. Um den
immer dringenderen Forderungen der Plebs auf Anteil an der Regierung
auszuweichen, hatte man schon Jahre hindurch an Stelle der Konsuln
sogenannte Kriegstribunen gewählt, aber selbst dieses den Plebejern
zugängliche Amt war meist den patrizischen Bewerbern zugefallen. Dieser
lange erbitterte Streit endete damit, daß immer der eine von den beiden
Konsuln aus den Plebejern gewählt werden sollte. Die beiden Tribunen
+Licinius Stolo+ und +Lucius Sextius+ waren es, welche den Plebejern
dieses Recht erwarben. Der Hergang wird in folgender Weise erzählt.

Der vornehme Patrizier Fabius Ambustus hatte zwei Töchter, von denen
die eine mit einem Patrizier, die jüngere mit dem Plebejer Licinius
Stolo vermählt war. Einst besuchte die Frau des Licinius, als dieser
Volkstribun war, ihre Schwester, deren patrizischer Gatte damals einer
der Kriegstribunen war, als sie plötzlich erschrocken zusammenfuhr: die
Trabanten des Kriegstribunen, die sogenannten Liktoren, hatten durch
Schläge auf das Tor seine Heimkehr verkündigt. Sie verriet dadurch, daß
ihr dieser Gebrauch nicht bekannt war, und mußte den Spott der älteren,
vornehmeren Schwester über diese Unkenntnis ertragen. Aber sie konnte
es nicht verwinden, daß sie der Schwester an Stand und Ehre soweit
nachstehen sollte, und ruhte fortan nicht, bis ihr Gatte und selbst der
Vater ihr versprachen, sie würden alles aufbieten, daß ihrem Hause und
Stande die gleiche Ehre zuteil werde.

Nun brachte Licinius zusammen mit Sextius den Antrag vor das Volk, daß
der eine der beiden Konsuln immer aus den Plebejern gewählt werden
solle. Diesen Vorschlag bekämpften die Patrizier aus allen Kräften, und
bestachen von den zehn Tribunen die acht übrigen, damit diese durch
ihren Einspruch den ganzen Antrag vereiteln sollten. Aber Licinius
und Sextius hielten fest zusammen und hinderten ihrerseits durch ihre
Einsprache die Wahl aller höheren Obrigkeiten fünf Jahre hindurch,
während sie selbst vom Volk immer wieder von neuem zu Tribunen gewählt
wurden. Mit der Zeit wurde der Widerstand der Patrizier schwächer, da
es ihnen nicht mehr gelang die übrigen Tribunen durch Bestechungen für
sich zu gewinnen. Endlich, nach einem zehnjährigen Kampfe (376 bis 367
v. Chr.), wurde der Antrag zum Gesetz erhoben. Von da an waren auch die
Plebejer zum Konsulat berechtigt, und Lucius Sextius, der mit Licinius
so beharrlich um das Recht gestritten hatte, ging aus der Wahl als der
erste plebejische Konsul hervor (366).

Doch nicht bloß dieses, sondern noch ein anderes Recht setzten die
beiden Tribunen für die Plebejer durch. Bis dahin hatten sich nämlich
die Patrizier allein das Recht angemaßt, das Gemeinland des Staates,
das durch die fortdauernde Unterwerfung italischer Gemeinden immer
größer geworden war, in billiger Erbpacht zu erhalten. Zugleich mit
seinem Antrage über das Konsulat brachte deshalb Licinius auch das
Gesetz durch, daß kein Patrizier mehr als 500 Morgen des Gemeinlandes
besitzen, das übrige aber in Teilen von je sieben Morgen an arme
Plebejer verteilt werden sollte.

Durch diese Gesetze, welche die Gleichstellung der Plebejer mit den
Patriziern sehr beförderten, erwarben sich die beiden Tribunen ein
großes Verdienst um den römischen Staat, der nur durch vollkommene
Einheit und Eintracht der beiden Stände zu jener Größe und Macht sich
entwickeln konnte, die ihm in der Folgezeit zur Weltherrschaft verhalf.
Denn auch zu den drei übrigen höheren Ämtern, welche zum Eintritt in
den Senat befähigten, wurden die Plebejer nach und nach zugelassen. Das
waren 1. die +Prätur+, die im Jahre 366 von dem Konsulat abgetrennt
wurde. Die Prätoren, anfangs nur einer, später bis acht, leiteten die
Gerichte und vertraten die abwesenden Konsuln. 2. Die +Ädilen+ übten
die Aufsicht über Handel, Verkehr, Straßen- und Staatsbauten. 3.
Die +Quästoren+ verwalteten, als Gehilfen der Konsuln und Prätoren,
die Einnahmen und Ausgaben des Staates. Alle diese Beamten wurden
nur auf je ein Jahr gewählt. Außerdem wurden alle fünf Jahre aus
den angesehensten früheren Konsuln, den Konsularen, zwei +Zensoren+
gewählt, denen es oblag die Listen der drei Bürgerklassen (Senatoren,
Ritter, Bürger) zu prüfen und festzustellen, das Einkommen der Bürger
einzuschätzen, und damit zugleich eine Oberaufsicht über das sittliche
Verhalten jedes einzelnen zu üben und Unwürdige durch Ausstoßung aus
ihrer Klasse zu bestrafen. Hatten sie diese Schätzung und Musterung
der Bürger (~census~, daher ihr Name ~censōres~) beendigt, so legten
sie ihr Amt nieder. Aus den Familien aber, deren Angehörige eines der
hohen Ämter bekleidet hatten, bildete sich mit der Zeit, an Stelle des
Patriziats, das ein Geschlechts- oder Geburtsadel gewesen, eine neue
Adelsklasse, die einen Dienst- oder Amtsadel darstellte.



XVI.

Die zwei ersten Samniterkriege. -- P. Decius. -- Papirius Cursor. --
Der Samniter Pontius.


Nachdem sich die Römer ganz Latium und die Nachbarstädte im sabinischen
und etrurischen Lande untertänig gemacht und die Kämpfe mit den
Schwärmen der Gallier siegreich bestanden hatten, gerieten sie in
einen langen und wechselvollen Krieg mit dem stammverwandten, großen
und streitbaren Bergvolk der Samniter. Diese waren aus ihren rauhen
Bergtälern in die fruchtbaren Gefilde Campaniens vorgedrungen, um sich
dort festzusetzen. Die Stadt der Sidiciner, Teānum, von ihnen hart
bedrängt, wandte sich an die mächtigste Stadt Campaniens, Capua, um
Hilfe, und diese hinwieder rief den Beistand der Römer an. So kam es
zwischen den Samnitern und Römern zu einem Kampf, der, mit mehrjährigen
Unterbrechungen, über fünfzig Jahre, von 343-290 v. Chr. dauerte.

In dem ersten Kriege gegen die Samniter (343-340) zogen zwei Heere
unter den beiden Konsuln +M. Valerius Corvus+ und +A. Cornelius Cossus+
ins Feld, von denen das eine den Marsch nach Campanien nahm, das andere
bestimmt war in Samnium selbst einzurücken. Valerius schlug sein
Lager in der Nähe der griechischen Seestadt Cumä, am Berge +Gaurus+,
auf, und kampflustig rückte ihm der Feind entgegen. In der Schlacht
standen seine Reihen unerschüttert und wiesen alle Stürme der Römer
zurück. Schon war der Tag weit vorgerückt, als der Konsul selbst an der
Spitze seines Heeres mit einem letzten ungestümen Angriff die Samniter
endlich zum Weichen brachte. Auf der Flucht wurden viele erschlagen und
gefangen, bis die Nacht der Verfolgung ein Ende machte.

Inzwischen war das Heer des andern Konsuls in große Not geraten. Von
der Grenze Samniums führte Cornelius Cossus sein Heer über die Gebirge
auf einem Wege, der nach der Stadt Beneventum lief. Nirgends zeigten
sich Feinde, und die Römer wurden sorglos. So kamen sie durch einen Paß
in eine tiefe Talschlucht, wo die Samniter die Höhen ringsum besetzt
hatten. Doch nicht eher gewahrte man sie, als bis schon der Rückweg
abgeschnitten war. In dieser Gefahr erbot sich der Kriegstribun P.
Decius mit den beiden ersten Schlachtreihen einer Legion, 1600 Mann,
einen Gipfel zu besetzen, der den Weg, aus dem die Samniter vordrangen,
beherrschte. Es gelang ihm denselben vor dem Feinde zu erreichen. Von
hieraus griff er diese an und zog ihren Angriff auf sich, sodaß das
übrige Heer den Bergpaß wieder erreichen und in einiger Entfernung von
da eine bessere Stellung nehmen konnte. Decius behauptete sich indessen
mit den Seinen in unaufhörlichem Gefecht bis in die Nacht. Während sich
nun die Samniter um die Höhe lagerten und sich dem Schlafe überließen,
machte sich der kleine Haufe der Römer nach der zweiten Nachtwache
in aller Stille auf, um sich einen Weg zu ihrem Heere zu bahnen. Sie
waren schon in der Samniter Mitte, als einer von ihnen an einen Schild
stieß und dieses Geräusch die zunächst liegenden Samniter aufweckte.
Allein ehe die schlaftrunkenen und verwirrten Feinde sich zu gehörigem
Widerstande geordnet hatten, gelang es den Römern zu entrinnen. In der
Nähe des römischen Lagers ließ Decius sie Halt machen, bis es tage;
denn es gezieme sich nicht, daß so tapfere Männer unter dem Dunkel der
Nacht ins Lager einrückten. Auf die Kunde, daß die, welche sich für
die Rettung aller dem Tode dargeboten, wohlerhalten und in der Nähe
wären, zog ihnen fast das ganze Heer aus dem Lager entgegen. Unter
allgemeinem Jubel rückte die tapfere Schar ins Lager. Als dort der
Konsul anhub ihm eine Lobrede zu halten, unterbrach ihn Decius mit der
Mahnung lieber sofort den Feind zu überraschen, bevor er sich von dem
nächtlichen Schrecken erholt und in sein festes Lager zurückgezogen
hätte. Und so geschah es. Ungesäumt wurden die Legionen über die Berge
geführt, die Feinde zerstreut, verfolgt und alle, die sich in ihr
Lager gerettet, niedergehauen und das Lager geplündert. Decius erhielt
als Belohnung von dem Konsul einen goldenen Kranz, hundert Rinder und
einen weißen Stier mit vergoldeten Hörnern; seine Leute empfingen
auf immer doppelte Portionen, jeder zwei Mäntel und einen Ochsen.
Das Heer überreichte dem Decius einen aus Gras gewundenen Kranz, den
gewöhnlichen Ehrenlohn dessen, der eine Schar aus Feindes Gewalt und
Belagerung befreit hatte.

Ein nochmaliger Sieg des Valerius bei +Suéssula+ führte den Frieden
herbei, in dem die Römer Campanien behielten. Aber nach Beendigung
eines Kampfes mit den Latinern (s. XVII) veranlaßte die Anlage
einer römischen Kolonie in der Grenzstadt +Fregellä+ den zweiten
Samniterkrieg (326-304).

Im vierten Jahre dieses Krieges hatten die Römer, da die Zahl der
Feinde sich durch den Beitritt mehrerer Stämme im Süden Italiens
vermehrt hatte, den +Papirius Cursor+ zum Diktator gewählt. Allein
abergläubische Furcht hielt den Fortgang seiner Unternehmungen auf.
Da man glaubte, daß bei der feierlichen Wahl des Diktators ein Fehler
vorgekommen sei, so eilte Papirius nach Rom, um sie von neuem anstellen
zu lassen, befahl aber seinem Unterfeldherrn, dem Reiterobersten
(~magister equitum~) +Fabius Rullianus+ während seiner Abwesenheit
ruhig im Lager zu bleiben. Allein durch Ehrgeiz und Kampflust
angetrieben, lieferte dieser dennoch den Samnitern ein Treffen, und das
Glück war ihm so günstig, daß er den Feinden eine schwere Niederlage
beibrachte. Alle freuten sich dieses Sieges. Als aber der Diktator ins
Lager zurückkehrte, ließ er sogleich die Legionen zusammenberufen und
den Fabius vor sich fordern. Vergebens suchte sich dieser wegen seines
Ungehorsams zu verteidigen. Der Diktator befahl ihn zu entkleiden und
hinzurichten. Aber Fabius entfloh den Händen des Liktors, der ihn
ergriffen hatte, und barg sich unter die Haufen der umherstehenden
Krieger. Es entstand ein lautes Murren; die Befehle des Diktators
wurden nicht mehr gehört, und der Tumult dauerte, bis die anbrechende
Nacht die Versammlung zu entlassen nötigte. In der Nacht floh Fabius
aus Furcht vor der unerbittlichen Strenge des Diktators nach Rom. Auf
Betreiben seines Vaters, eines sehr angesehenen Mannes, wurde sogleich
der Senat berufen. Hier klagte er über die Härte des Diktators und
beschwor den Senat das Leben seines Sohnes zu retten. Dieser war dazu
geneigt, aber er vermochte es nicht. Denn plötzlich erschien der
Diktator selbst in seiner Mitte, fest entschlossen den Ungehorsam
seines Untergebenen kraft seines Amtes nach Kriegsrecht zu bestrafen.
Umsonst baten ihn alle Senatoren um Milde. Papirius befahl den Fabius
zu ergreifen. Nun blieb dem alten Fabius nur noch ein Ausweg übrig: er
wandte sich an die Versammlung der Volksgemeinde. Dies war zwar eine
gesetzwidrige Handlung, denn gegen die Entscheidung des Diktators gab
es keine Berufung (~provocatio~) an das Volk. Gleichwohl gestattete sie
Papirius. Er ging in die Versammlung und zeigte dem Volke, wie nötig es
sei die Strenge der Kriegszucht aufrecht zu halten und die Amtsgewalt
des Diktators unverletzt zu wahren. Obschon nun das Volk geneigt
war, den Fabius zu retten, konnte es doch das Recht des Diktators
nicht mißachten. Es wagte daher keine Entscheidung, sondern legte nur
seine Fürbitte für das Leben des Reiterobersten ein. Eben dies taten
auch seine Verwandten, indem sie sich zu den Füßen des Diktators
niederwarfen. Da erst ließ Papirius Milde walten. Nachdem er das
Ansehen des Oberbefehls vor Senat und Volk behauptet hatte, konnte er
den Ungehorsam verzeihen, nicht weil er mußte, sondern weil er wollte.
Und er tat es zur Freude des ganzen Volkes.


In demselben Kriege erlitten die Römer unter der Anführung des
+Veturius Calvinus+ und +Spurius Postumius+ in den caudinischen
Engpässen eine bittere Schmach (321). Beide Konsuln lagerten bei
Calatia in Campanien. Darauf gründete +Gavius Pontius+, der Feldherr
der Samniter, einen Kriegsplan. Er ließ das Gerücht verbreiten, daß er
jenseits des Gebirges die Stadt Lucéria, eine von den Römern in Apulien
angelegte Festung, belagere. Um dieser wichtigen Stadt schleunige Hilfe
zu leisten, schlugen die Konsuln den kürzesten Weg ein, der durch
die caudinischen Pässe führte. So nannte man ein tiefes Wiesental,
nicht weit von Caudium, einer Stadt der Samniter, das rings von hohen
bewaldeten Bergzügen eingeschlossen war und nur einen schmalen Eingang
und Ausgang hatte. Um dieses Tal herum hatte Pontius sein Heer in den
Wäldern versteckt, und ohne Arges zu ahnen, gingen die unvorsichtigen
Konsuln in die ihnen gelegte Falle.

In langem Zuge rückten die Legionen mit allem Troß durch das Tal
hin zum jenseitigen Ausgang, fanden ihn aber mit gefällten Bäumen
und vorgewälzten mächtigen Felsblöcken verschlossen. In demselben
Augenblick bemerkten sie, daß die Höhen ringsum von bewaffneten
Samnitern wimmelten, welche die Anrückenden hohnlachend erwarteten.
Sie kehrten daher eilig zurück, aber nun war auch schon der Eingang
von den Samnitern besetzt. In dieser verzweiflungsvollen Lage schlugen
die Römer, 20000 Mann stark, ein enges dürftiges Lager auf. Ein
Versuch sich durchzuschlagen mißlang; ihre Not ward von Tag zu Tag
größer; endlich zwang sie der Hunger Gesandte an den samnitischen
Heerführer Pontius zu schicken und um Frieden zu bitten. Pontius ließ
seinen Vater, einen wegen seiner Einsicht und Erfahrung hochgeachteten
Greis, um Rat fragen. Dieser antwortete: „Laßt alle Römer frei und
ungekränkt abziehen.“ Pontius, verwundert über diese Antwort, glaubte,
daß der Bote falsch gehört hätte. Er schickte daher zum zweiten Male
an seinen Vater. Jetzt gab der Alte die Antwort: „Tötet alle Römer
ohne Unterschied.“ Niemand verstand den Sinn dieser so verschiedenen
Bescheide. Pontius ließ daher seinen Vater selbst herbeiholen. Nun
gab der Greis die Gründe seiner Ratschläge an: „Ihr müßt“, sagte er,
„entweder alle Römer töten, um ihre Kraft auf lange Zeit zu schwächen,
oder ihr müßt sie alle schonen, um durch solche Großmut ihren Dank und
Freundschaft zu gewinnen.“ Aber Pontius verwarf beides und wählte einen
Mittelweg. Er ließ den Römern durch ihre Gesandten erwidern: Rom solle
Frieden schließen, ganz Samnium räumen, die dort angelegten Kolonien
aufgeben, das Heer aber Mann für Mann waffenlos durchs Joch gehen und
sechshundert aus dem Ritterstande als Geiseln stellen.

Über diese schimpflichen Vorschläge gerieten die Römer in die größte
Bestürzung. Keiner wagte zur Annahme zu raten, und doch konnten sie in
ihrer äußerst bedrängten Lage nicht länger ausharren. Sie mußten sich
darein fügen; die Konsuln und die Führer der Kohorten bestätigten den
Friedensvertrag mit ihrem Eide. Entwaffnet und halb entkleidet gingen
erst sechshundert Ritter, die als Geiseln ausgeliefert werden mußten,
dann die Konsuln und Hauptleute, endlich die übrigen Mannschaften
unter dem Joch, das durch einen quer über zwei Ständer gelegten Speer
gebildet wurde, hindurch. Es war der größte Schimpf, der einem freien
Kriegsmann angetan werden konnte; denn er erniedrigte die Freien zum
Knecht. Mit Hohn und Spott schauten die ringsum aufgestellten Samniter
diesem Vorgange zu. Waffen, Pferde, Knechte, alle Habe außer dem
Kleide, das jeder trug, blieben dem Sieger. Voll Scham und stiller Wut
zogen die Römer über Capua, wo sie liebreich aufgenommen wurden, nach
Rom, das sie erst im Dunkel der Nacht zu betreten wagten. Der römische
Senat aber bestätigte den geschlossenen Vertrag nicht; er beschloß, daß
alle, die den Frieden beschworen hatten, den Samnitern ausgeliefert
werden sollten. Damit glaubte er aller Verbindlichkeit, den Frieden zu
halten, überhoben zu sein. Es wurden also die beiden Konsuln und die
anderen, welche den Vertrag geschlossen hatten, gefesselt nach Caudium
vor den Amtsstuhl des Pontius geführt. Dieser jedoch lehnte ihre
Annahme ab, indem er sagte: „Entweder muß das römische Heer, das sich
in der Gewalt der Samniter befunden hat, in seine vorige Lage zwischen
den Bergpässen zurückkehren, oder das römische Volk muß den Frieden
halten.“ Zugleich ließ er den Überlieferten die Fesseln lösen und
schickte sie unverletzt nach Rom zurück. Hier rüstete man in Eile ein
neues Heer, das im zweitfolgenden Jahre (319), unter der Führung des
bewährten Papirius Cursor, nach dem von den Samnitern eroberten Luceria
vordrang, dem samnitischen Heere eine schwere Niederlage beibrachte,
Luceria und die dort verwahrten römischen Geiseln zurückgewann, und die
samnitische Besatzung nun ebenfalls durchs Joch gehen ließ. So löschten
die Römer ihre Schande in blutiger Wiedervergeltung aus.



XVII.

Der Krieg mit den Latinern und der dritte Samniterkrieg. Titus Manlius.
Die beiden Decius Mus.


Gleich nach Beendigung des ersten Samniterkrieges, im Jahre 340, brach
ein Kampf zwischen den Römern und den ihnen seit alters verbündeten
Latinern aus. Die Latiner hatten Gesandte nach Rom geschickt und
verlangten, daß fortan die Hälfte des Senats und der eine Konsul aus
ihnen gewählt und alle latinischen Städte in die volle Gemeinschaft
des römischen Staates aufgenommen werden sollten. Solche Forderung
erschien dem römischen Senate als freche Anmaßung, und der Konsul T.
Manlius rief den Jupiter, in dessen Tempel die Sitzung stattfand, zum
Zeugen der schmachvollen Zumutung an. Da soll der latinische Gesandte
Annius dem römischen Jupiter Trotz und Hohn geboten, aber sofort auch
des Gottes Zorn erfahren haben. Denn als er die Stufen des Tempels
hinabeilte, strauchelte er, fiel hinab und lag in Ohnmacht. Kaum
entgingen die Gesandten der Wut des Volkes. Der Senat aber beschloß den
Krieg gegen die Latiner.

Die Konsuln +Titus Manlius+ und +Decius Mūs+ zogen mit zwei Heeren
ins Feld. Am Fuß des Vesuvius kam er zur entscheidenden Schlacht. Als
die Heere einander gegenüber standen, verkündeten die Konsuln, bei
Todesstrafe sollte sich kein Römer bei den Vorposten in ein Gefecht
einlassen. Doch der eigene Sohn des Manlius handelte dem Befehle
zuwider. Abgeschickt mit einem Geschwader Reiter, um die Feinde zu
beobachten, begegnete er einem tusculanischen Befehlshaber, der ihn
zum Zweikampf forderte. Um dem Vorwurf der Feigheit zu entgehen, nahm
Manlius den Kampf an und hatte das Glück den Gegner zu erlegen und ihn
seiner Waffen zu berauben. Frohlockend kehrte er als Sieger ins Lager
zurück. Allein sein Vater ließ diese Verletzung der Kriegszucht nicht
ungeahndet: er ließ den eigenen Sohn im Angesichte des ganzen Heeres
durch den Liktor enthaupten.

Vor der Schlacht am Vesuv sahen beide Konsuln zu gleicher Zeit im
Traume eine übermenschliche Gestalt, welche ihnen verkündete, daß
von dem einen der kämpfenden Heere einer der Führer, das andere Heer
aber ganz den Todesgöttern und der Mutter Erde verfallen sei. Sie
kamen deshalb überein, daß derjenige von ihnen, dessen Flügel zuerst
weichen würde, sich selber und damit zugleich das feindliche Heer den
unterirdischen Göttern weihen sollte. Bald nach dem Anfang der Schlacht
ward der linke Flügel, den Decius Mus befehligte, zurückgedrängt.
Da rief dieser einen Priester herbei, der ihm den Spruch vorsagte,
mit dem er, über einem Schwerte stehend und das Haupt verhüllt, sein
Leben den Göttern der Unterwelt weihte. Dann bestieg er von neuem sein
Schlachtroß und stürzte sich mitten in die Feinde, Tod und Verderben
um sich her verbreitend, bis er von Geschossen durchbohrt niedersank.
Diese heldenmütige Aufopferung belebte seine Truppen mit neuem Mut; sie
stellten sich aufs neue dem Feinde entgegen und erfochten endlich durch
die geschickte Führung des Manlius einen vollständigen Sieg. Noch
zwei Jahre widerstanden die Latiner; dann mußten sie sich den harten
Friedensbedingungen Roms unterwerfen (338).

Wie damals Decius Mus, der Vater, so weihte sich sein Sohn +Publius
Decius+, im dritten samnitischen Kriege (298-290), den Todesgöttern.
In der Schlacht bei +Sentinum+ (295) hatte er schon zweimal die
Reitergeschwader der Gallier, die mit den Samnitern verbunden waren,
zurückgeworfen, als diese einen dritten Angriff mit ihren Streitwagen
machten, und durch das Ungewöhnliche der Kampfart die Römer in
Schrecken und Verwirrung brachten. Da ließ Publius Decius durch den
Priester sich und die Feinde den Todesgöttern weihen. Nachdem er
die Weihung in derselben Weise, wie sein Vater in der Schlacht am
Vesuv, erhalten hatte, fügte er noch die Fluchformel hinzu: „Vor
mir her treibe ich Angst und Flucht, Mord und Blutvergießen, der
himmlischen und der unteren Götter Zorn. Todesgrausen bringe ich auf
die Feldzeichen, auf Wehr und Waffen der Feinde. Ein und derselbe Ort
soll mein und der Feinde Grab sein!“ Darauf spornte er sein Roß in
die dichtesten Scharen der Feinde und fiel unter ihren Geschossen.
Ihm nach die Römer mit neuem Mute, und die Schlacht endigte mit der
vollständigen Niederlage des Feindes.



XVIII.

Pyrrhus, König von Epirus.


Schon hatten die Römer die mächtigsten Völker Italiens unterjocht;
Etrusker, Latiner, Campaner, Samniter und viele andere Völkerschaften
standen unter ihrer Herrschaft, als sie in Kampf gerieten mit der
griechischen Stadt Tarent, in Unteritalien, die sich durch Schiffahrt,
Handel und Kunstfleiß zu Reichtum und Macht emporgeschwungen hatte.

Zwischen Römern und Tarentinern bestand ein alter Vertrag, der den
Römern nicht gestattete über das lacinische Vorgebirge in Unteritalien
hinauszusegeln. Als nun einst eine römische Flotte durch einen Sturm
über dieses Vorgebirge hinaus in den Hafen von Tarent getrieben wurde,
erklärten dies die Tarentiner für einen Friedensbruch. Sie saßen gerade
im Theater, von dem man die Aussicht auf das Meer hatte, und bemerkten
die heraufsegelnden Schiffe. Von einem Redner aufgehetzt, eilte eine
Menge bewaffnet auf ihre Schiffe und machte auf die unvorbereiteten
römischen Fahrzeuge einen Angriff. Vier Schiffe wurden versenkt, der
Anführer und die Mannschaft ermordet. Für diesen blutigen Friedensbruch
forderte der römische Senat Genugtuung; aber seine Gesandten, in
das Theater vor das versammelte Volk geführt, wurden mit Spott und
Hohn empfangen. Ihr Führer Postumius redete in griechischer Sprache
zur Menge, ohne daß diese auf den Inhalt seiner Worte achtete, aber
so oft er einen Fehler gegen die Aussprache beging, lachte das Volk
laut auf und schalt ihn einen Barbaren. Ein gemeiner Possenreißer
drängte sich an ihn und besudelte sein Gewand. Postumius zeigte dem
Volke das beschmutzte Gewand, und neues Hohngelächter erhob sich. Da
sprach der Gesandte: „Lacht, so lange ihr mögt, ihr werdet auch lange
genug weinen!“ Als das Volk heftig dagegen schrie, rief Postumius:
„Damit ihr euch noch mehr erzürnt, so sage ich euch, dies Gewand wird
in Strömen eures Blutes rein gewaschen werden.“ Kurze Zeit darauf
begannen die Römer den Krieg. Da aber die Tarentiner ein weichliches,
unkriegerisches Volk waren, so riefen sie +Pyrrhus+, den König von
Epirus, zu Hilfe. Dieser kriegskundige und kampfliebende Fürst, der
sein Geschlecht von dem vielgefeierten Helden Achilleus ableitete,
wurde von seinem unruhigen Geiste immer zu neuen Kriegsfahrten und
Abenteuern getrieben und strebte ein zweiter Alexander der Große zu
werden. Er ging daher gern auf den Antrag der Tarentiner ein.


Im Frühling des Jahres 281 setzte Pyrrhus mit einem kriegsgeübten
Söldnerheere von 22000 Mann zu Fuß, 3000 Reitern und 20 zum Kriege
abgerichteten Elefanten nach Italien über. Zwar verlor er bei der
Überfahrt durch einen Sturm einen Teil seiner Schiffe und Mannschaft;
aber in Tarent angelangt, begann er alsbald mit großer Umsicht den
Kampf gegen das mächtige Rom zu rüsten. Er hoffte alle unterworfenen
Stämme Italiens unter seiner Fahne zu vereinigen. Zunächst führte er
in dem an üppiges Leben gewöhnten Tarent ein strenges kriegerisches
Regiment ein, was ihn bei den Bürgern keineswegs beliebt machte. Er hob
die tüchtigsten von ihnen für den Kriegsdienst aus und untersagte ihnen
Gelage und sonstige Lustbarkeiten.

Die erste Schlacht mit den Römern erfolgte bei +Heraklea+ in Lucanien
(280). Als Pyrrhus vorher das Lager der Römer betrachtete, soll er
ausgerufen haben: „Die Lagerordnung dieser Barbaren ist durchaus nicht
barbarisch; bald werden wir auch ihre Taten kennen lernen.“ Die heiße
Schlacht, welche nun entbrannte, in der dem König selbst ein Roß unter
dem Leibe getötet ward, wurde endlich durch den Ungestüm der auf die
Römer eindringenden Elefanten zum Vorteil des Pyrrhus entschieden.
Als er das Schlachtfeld in Augenschein nahm und die Leichen der Römer
betrachtete, die alle mit Wunden auf der Brust dalagen, soll er gesagt
haben: „Mit solchen Kriegern wäre die Welt mein, und sie gehörte den
Römern, wenn ich ihr Feldherr wäre!“ Auch ließ er ihre Toten zusammen
mit den seinigen bestatten; den Gefangenen bot er an unter ihm zu
dienen, und als sie sich weigerten, behandelte er sie dennoch mit
großer Milde.

Obschon der König den Sieg errungen hatte, sandte er doch den +Kineas+,
einen Mann von großer Klugheit und Beredsamkeit, nach Rom, um die Römer
zum Frieden zu stimmen. Dieser bot alle Kraft seiner Rede auf; der
Senat war schwankend und verbrachte mehrere Tage mit Beratungen. Da
ließ sich der alte blinde +Appius Claudius+, der seit Jahren den Senat
nicht mehr besucht hatte, auf einer Sänfte in den Senat tragen, wo er
die Ratsherren wegen ihrer Unschlüssigkeit und Neigung zum Frieden
heftig anließ. „Bis heute,“ sagte er, „habe ich immer den Verlust
meiner Augen beklagt, jetzt aber wünsche ich auch noch taub zu sein,
um so Unwürdiges nicht hören zu müssen.“ Da schlug die Strömung um.
Dem Kineas wurde befohlen, die Stadt zu verlassen und seinem König
zu sagen, daß an Frieden und Freundschaft mit ihm nicht zu denken
sei, bevor er nicht Italien verlassen hätte. Erstaunt über so stolze
Antwort der Besiegten, soll der König den Kineas gefragt haben, welchen
Eindruck die Stadt Rom und der Senat auf ihn gemacht hätten. „Mir
erschien“, antwortete jener, „die Stadt gleichwie ein Tempel, der Senat
aber gleich einer Versammlung von Königen.“

Nach der Schlacht bei Heraklea war Pyrrhus bis in die Nähe von Rom
vorgedrungen, zog sich dann aber, ohne einen Angriff auf die Stadt zu
wagen, wieder nach Tarent zurück. Um diese Zeit schickten die Römer
drei Gesandte zu ihm, um über eine Auswechselung der Gefangenen zu
unterhandeln, unter ihnen den +Gajus Fabricius Luscínus+, einen zwar
armen, aber stolzen und unbeugsamen Senator. Der König empfing die
Gesandten sehr freundlich und hoffte, daß sie ihn um Frieden bitten
würden; doch sie sprachen nur von der Auslösung der Gefangenen. Dieses
Begehren schlug er ihnen zwar ab, unterredete sich aber insgeheim
mit Fabricius, den er seiner Armut wegen zu bestechen hoffte. Allein
der Römer wies des Königs Versprechungen und Geschenke mit stolzer
Verachtung zurück. Am folgenden Tage gedachte Pyrrhus seinen Mut auf
eine Probe zu stellen. Er verbarg seinen größten Elefanten hinter einem
Vorhang des Zeltes, worin er den Römer empfing. Auf ein gegebenes
Zeichen mußte das ungeheure Tier ein Gebrüll erheben und seinen
Rüssel über den Kopf des Fabricius ausstrecken. Aber Fabricius blieb
unerschüttert. Lächelnd sagte er zum König: „So wenig mich gestern dein
Gold verlockt hat, so wenig schreckt mich heute dein Tier.“ Erfüllt
von Bewunderung eines so reinen und so unerschrockenen Charakters, und
um ihm einen Beweis seiner Hochachtung zu geben, gewährte der König
allen Gefangenen einen Urlaub, um nach Rom zu gehen und dort das Fest
der Saturnalien zu feiern. Wenn der Senat seine Friedensbedingungen
annehme, sollten sie frei sein, wo nicht, so sollten sie geloben, in
die Gefangenschaft zurückzukehren. Und keiner von ihnen blieb aus, als
der Senat die Bedingungen verworfen hatte.

Auch die zweite Schlacht bei +Askulum+ in Apulien (279) gewann Pyrrhus,
erlitt aber so starke Verluste, daß er denen, welche ihm zu seinem
Siege Glück wünschten, erwiderte: „Noch einen solchen Sieg, und ich bin
verloren!“ Abermals sandte er den Kineas nach Rom, um über den Frieden
zu unterhandeln, und mit ihm alle Gefangenen reichlich beschenkt und
bekleidet. Aber vergeblich machte dieser bei angesehenen Männern und
Frauen die Runde und bot Geschenke von Gold und kostbarem Schmuck, um
die Gemüter für den Frieden zu stimmen. Der Senat beharrte bei dem
Entschlusse nicht eher mit Pyrrhus zu unterhandeln, als bis er Italien
verlassen hätte.

Im folgenden Jahre (278) gab Gajus Fabricius als Konsul abermals einen
Beweis seines edlen Sinnes. Er erhielt eines Tages einen Brief vom
Leibarzte des Königs, worin sich dieser erbot gegen eine ansehnliche
Belohnung seinen Herrn zu vergiften. Aber Fabricius, voll Abscheu über
solchen Verrat, entdeckte die Sache dem König. Über diese Redlichkeit
erstaunt, rief Pyrrhus aus: „Es ist schwerer den Fabricius von seiner
Rechtschaffenheit abzubringen, als die Sonne von ihrem Laufe!“ Sogleich
gab er alle römischen Gefangenen, die er noch hatte, ohne Lösegeld
frei, und die Römer, um sich nicht an Großmut übertreffen zu lassen,
schickten ihm ebenso viele Gefangene zurück.

Da Pyrrhus keine Hoffnung mehr hatte den Krieg auf eine für ihn
rühmliche Weise zu beendigen, so war ihm eine Einladung der
Syrakusaner, die ihn gegen die Karthager zu Hilfe riefen, sehr
willkommen. Auch in Sizilien war er anfangs glücklich; zuletzt aber
nahm der Krieg eine für ihn so ungünstige Wendung, daß er auf den Ruf
der Tarentiner gern nach Italien zurückkehrte (276).

Damals führte +Curius Dentatus+ den Oberbefehl über das römische Heer.
Dieser Mann war ein vollkommenes Muster von Mäßigkeit und freiwilliger
Armut. Einst kamen Gesandte der Samniter zu ihm, um ihn durch eine
große Geldsumme für ihre Sache günstig zu stimmen. Sie fanden ihn, als
er gerade am Herde saß und sich selbst sein Rübengericht bereitete.
Trotz seiner Armut wies er das Angebot zurück, indem er sagte, es sei
angenehmer über solche, welche Gold besäßen, zu herrschen, als es
selbst zu besitzen. Nur zwei Reitknechte begleiteten ihn ins Feld,
und seine Töchter mußten auf Staatskosten ausgestattet werden. Diesem
Feldherrn gelang es endlich den Pyrrhus zu schlagen und aus Italien zu
vertreiben. Er hatte bei +Beneventum+ eine feste Stellung eingenommen,
als ihn Pyrrhus angriff (275). Diesmal ließen sich die Römer durch die
Elefanten nicht schrecken. Sie empfingen die anrennenden Ungetüme mit
Brandpfeilen, wodurch diese gereizt und verwirrt sich rückwärts auf die
Reihen der Feinde warfen und in völlige Unordnung brachten. Damit war
der Sieg der Römer entschieden. Das Lager des Königs mit vieler Beute,
darunter vier Elefanten, fiel in ihre Hände. Jetzt mußte sich Pyrrhus
entschließen Italien zu verlassen; er kehrte mit wenigen Reitern nach
Tarent zurück und schiffte bald nachher nach Epirus über.

Sein unruhiger, kampflustiger Sinn trieb ihn bald in neue Kriege. Einst
drang er bei dunkler Nacht in die Stadt Argos im Peloponnes ein; da
ward er im Straßenkampf von einem Stein, den eine alte Frau auf ihn
schleuderte, tödlich getroffen (272). In dem Jahre seines Todes mußte
sich Tarent an die Römer ergeben. Nachdem diese in den nächsten Jahren
auch das übrige Süditalien sich unterworfen hatten, waren sie die
Herren der ganzen Halbinsel bis nordwärts zum Gebiet der Gallier.



XIX.

=Der erste punische Krieg= (264-241).

Gajus Duilius. M. Atilius Regulus.


Kaum war ganz Italien der Herrschaft der Römer untertan, so kamen sie
mit den Karthagern auf Sizilien in feindliche Berührung. Auf dieser
Insel hatten sich seit zwanzig Jahren campanische Söldner, die sogen.
Mamertiner (Marsmänner), die vorher dem Fürsten von Syrakus gedient
hatten, der Stadt Messāna bemächtigt und sich dort sowohl gegen die
Syrakusaner, wie gegen die Karthager, die beiden Herren der Insel,
behauptet. Diese baten nun, von den Karthagern hart bedrängt, in Rom um
Hilfe, und der Senat beschloß sie zu gewähren. So wurde denn das erste
römische Heer auf schlechten Fahrzeugen nach Sizilien übergesetzt, und
es entbrannte der langwierige und blutige Krieg, der, weil er gegen die
Karthager oder Punier geführt ward, der +erste punische Krieg+ genannt
wird.

Im Fortgange dieses Kampfes, den die Römer zunächst auf Sizilien mit
großem Erfolge begonnen hatten, erkannten sie doch bald das Bedürfnis
einer Seemacht, und mit bewundernswürdiger Raschheit erbauten sie
in sechzig Tagen eine Flotte von 100 größeren und 20 kleineren
Schiffen, wobei ihnen ein gestrandetes karthagisches Kriegsschiff zum
Muster diente. Den Oberbefehl über die Flotte erhielten die Konsuln
+Gajus Duilius+ und +Cornelius Scipio+. Da diese einsahen, daß ihre
Schiffe mit der noch ungeübten Mannschaft von den feindlichen an
Geschwindigkeit der Bewegungen übertroffen wurden, so versuchten sie
diesen Nachteil dadurch auszugleichen, daß sie Enterbrücken an ihren
Schiffen anbrachten. Auf jedem Schiff nämlich ward vorn ein 24 Fuß
hoher Mast aufgerichtet und an dessen Fuß eine drehbare, 36 Fuß lange
und 4 Fuß breite Leiter befestigt, die man mittels eines Taues am Mast
emporzog und, sobald man einem feindlichen Schiffe nahe genug gekommen
war, niederfallen ließ, wobei sie mit ihrer hakenförmigen eisernen
Spitze in das feindliche Verdeck einschlug, und so eine Brücke bildete,
auf der die Besatzung hinüber gelangen und dort wie zu Lande kämpfen
konnte.

Nachdem die römische Flotte mit dieser Vorrichtung versehen und,
nach einem glücklichen Treffen mit einem feindlichen Geschwader, in
Messana eingelaufen war, ging sie, unter dem Konsul +Duilius+ -- der
andere war mit den ersten Schiffen, die er in See geführt, von den
Puniern überrascht und gefangen worden -- der karthagischen Flotte,
die von Pánormos (heute Palermo) heranfuhr, kühnlich entgegen. Bei
Mylä, nordwestlich von Messana, trafen sich die beiden Flotten. Sobald
die Punier ihrer Gegner ansichtig wurden, gingen sie ihnen in solcher
Siegeszuversicht entgegen, daß sie nicht einmal eine Schlachtordnung
bildeten. Fünfzig ihrer Schiffe, darunter das des Admirals, wurden von
den Enterhaken ergriffen und gewonnen oder versenkt, die übrigen zur
Flucht genötigt (260). Der siegreiche Konsul feierte unter großem Jubel
des Volkes seinen Triumph wegen der ersten gewonnenen Seeschlacht.
Auch wurde ihm für sein ganzes Leben die Auszeichnung bewilligt, daß
er sich abends, wenn er von Gastmählern heimkehrte, mit einer Fackel
vorleuchten und von einem Flötenspieler begleiten lassen durfte,
was damals noch keinem Römer gestattet war. Auf dem Forum ward eine
marmorne, mit den Schnäbeln der eroberten Schiffe verzierte Denksäule
aufgestellt, deren Reste noch jetzt erhalten sind.

Im weiteren Verlaufe des Krieges zeichnete sich der Konsul +Marcus
Atilius Régulus+ durch Kühnheit und seltene Charakterstärke in Glück
und Unglück aus. Nachdem er beim Berge Eknŏmos an der Südküste von
Sizilien die Karthager geschlagen hatte (256), setzte er nach Afrika
über, um die Feinde in ihrem eigenen Lande zu bekriegen. Er landete
glücklich und drang siegreich vor. Er eroberte viele feindliche Städte
und bedrängte die Karthager so sehr, daß sie Frieden geschlossen
haben würden, wenn nicht die Bedingungen des Regulus zu hart gewesen
wären. Als die Gesandten um mildere Bedingungen flehten, antwortete
er ihnen, sie sollten siegen oder den Siegern gehorchen, und an den
römischen Senat schrieb er: „Ich habe die Tore Karthagos mit Schrecken
versiegelt.“

Aber plötzlich änderte sich die Lage der Dinge. +Xánthippus+, ein
erfahrener griechischer Heerführer, war den Karthagern von Sparta aus
zu Hilfe gekommen, und diesem gelang es, das Kriegsglück Karthagos
einigermaßen wieder herzustellen. In einem hartnäckigen Treffen bei
Tunes (255) überwand er den Regulus, nahm ihn gefangen und führte ihn
nach Karthago, wo er fünf Jahre lang im Kerker schmachten mußte.

Mittlerweile wurde der Krieg zwischen Rom und Karthago mit
abwechselndem Glücke fortgesetzt, bis endlich die erschöpften
Karthager den Frieden wünschten. In der Person des Regulus glaubten
sie einen passenden Vermittler zu besitzen. Sie schickten ihn daher
nach Rom, um über den Frieden zu verhandeln, vorher aber ließen sie
ihn schwören, daß er zurückkehren werde, wenn er nicht imstande wäre,
den Frieden herbeizuführen. Regulus kam nach Rom und trug dem Senat
seinen Auftrag vor. Aber weit entfernt davon, dem Senat zum Frieden zu
raten, riet er vielmehr das Gegenteil. Er verwarf den Frieden, weil
Karthago jetzt schon so geschwächt wäre, daß es bald gänzlich zugrunde
gerichtet werden könnte. Der Senat billigte diese Meinung, wünschte
aber zugleich den hochgesinnten Mann zu retten. Allein dieser gedachte
seines Eidschwures. Vergebens baten ihn seine Freunde zu bleiben,
vergebens sprachen ihn die Priester von seinem Eide los. Ja, er vermied
sogar seine Frau und seine Kinder zu sehen, um nicht von ihren Tränen
erweicht zu werden. Er kehrte, getreu seiner Eidpflicht, nach Karthago
zurück.

Als die Karthager hörten, daß Regulus selbst gegen ihre Aufträge
gesprochen hatte, wurden sie äußerst aufgebracht und töteten ihn,
wie später in Rom erzählt wurde, durch die schrecklichsten Martern.
Sie schnitten ihm zuerst die Augenlider ab, warfen ihn so in einen
finsteren Kerker und führten ihn dann in die Sonne. Hierauf legten
sie ihn in einen hölzernen Kasten, der mit scharfen Nägeln inwendig
ausgeschlagen war, und ließen ihn darin langsam sterben. Es ist
jedoch wahrscheinlich, daß dies alles eine Erdichtung der Römer war,
die dadurch ihre eigenen Grausamkeiten zu beschönigen, oder ihren
unversöhnlichen Haß gegen Karthago zu rechtfertigen suchten.

Der Krieg zwischen Rom und Karthago dauerte hiernach noch neun Jahre.
In dieser Zeit hatten die Karthager einen ausgezeichneten Feldherrn an
+Hámilkar+ mit dem Beinamen +Barkas+ („Blitz“), der sich im Nordwesten
Siziliens sieben Jahre lang gegen alle Anstrengungen der Römer
siegreich behauptete, bis der Seesieg des +Lutatius Cátulus+ bei den
+ägatischen+ Inseln die erschöpften Karthager zum Frieden zwang (241).
Sie traten Sizilien ab, welches die erste römische Provinz ward, und
zahlten 3200 Talente Silber (13½ Millionen Mark).



XX.

=Der zweite punische Krieg= (219-201).

Hannibal.


1. Hannibals erstes Auftreten.

Während bald darauf die Römer mitten im Frieden das erschöpfte
Karthago zur Abtretung von Sardinien und Corsica nötigten, dann
die seeräuberischen Illyrier und die Gallier im Gebiete des Po zu
unterwerfen begannen, hatte Hamilkar Barkas in Karthago die Empörung
der unbezahlten Söldnerhaufen zu dämpfen, die den karthagischen
Staat dem Untergange nahe brachte. Nach Beendigung dieses Kampfes
ging Hamilkar, ein unversöhnlicher Feind der Römer, nach Hispanien
(Spanien), um durch die großen Hilfsmittel dieser damals noch freien
und von den kriegerischen Stämmen der Ibēren bevölkerten Halbinsel
seiner Vaterstadt wieder aufzuhelfen und neue Kräfte gegen Rom zu
gewinnen. Als er im Begriff war abzureisen, bat ihn Hannibal, sein
Sohn, ein Knabe von neun Jahren, ihn auf diesem Zuge begleiten zu
dürfen. Der Vater versprach es und suchte zugleich das Herz seines
Sohnes mit unaustilgbarem Hasse gegen Rom zu erfüllen. Er führte
ihn vor den Altar, auf welchem er eben opferte. Alle Zeugen wurden
entfernt, dann hieß er seinen Sohn den Altar umfassen und schwören, daß
er zeitlebens ein Feind der Römer sein wolle. Das tat Hannibal, und nie
ist ein Schwur treuer gehalten worden.

Neun Jahre focht Hamilkar in Spanien mit glücklichem Erfolg, unterwarf
sich einen großen Teil der Einwohner mit Gewalt oder Klugheit, und
gründete dort eine Herrschaft, welche den Verlust der Inseln reichlich
ersetzte. Nachdem er in einer Schlacht gefallen war, übernahm sein
Eidam +Hásdrubal+ den Oberbefehl. Dieser setzte die kriegerischen
Unternehmungen mit großem Glücke fort und gab dem neuerworbenen Lande
in der von ihm gegründeten Stadt Neukarthago (heute Cartagena) eine
trefflich gelegene Hauptstadt. Die Römer wurden über diese Fortschritte
so besorgt, daß sie in einem Vertrage mit Hasdrubal den Fluß Ibērus
(Ebro) als Grenze der karthagischen Eroberungen feststellten und die
griechischen Handelsplätze, darunter die Stadt Saguntum (nördlich von
Valencia), in ihren Schutz nahmen.

Hannibal war nach des Vaters Tode nach Karthago zurückgekehrt;
Hasdrubal ließ ihn wieder zu sich kommen und vollendete seine
kriegerische Erziehung. Acht Jahre hatte Hasdrubal den Oberbefehl in
Spanien geführt, als er von einem Eingeborenen ermordet wurde. Jetzt
rief das Heer den jungen Hannibal als Feldherrn aus, und Senat und Volk
zu Karthago bestätigten die Wahl.

Im Lager aufgezogen, war Hannibal der Liebling des Heeres; die alten
Krieger sahen in ihm des Vaters Ebenbild. Wenn eine Unternehmung Mut
und Ausdauer erforderte, stellte schon Hasdrubal ihn am liebsten an
die Spitze, und unter keinem Führer hatten die Krieger mehr Vertrauen
und Siegeszuversicht. Mit der größten Kühnheit ging er in Gefahren,
mit der größten Besonnenheit benahm er sich mitten in denselben, durch
keine Beschwerde konnte sein Körper ermüdet, sein Geist gebeugt werden,
Hitze und Kälte ertrug er mit gleicher Ausdauer, in Speise und Trank
war er mäßig, und zum Schlafe gönnte er sich nur die Zeit, die ihm
die Geschäfte übrig ließen. Dazu bedurfte er keines weichen Lagers,
noch der Stille der Nacht, oft sahen ihn seine Krieger, nur mit einem
kurzen Feldmantel bedeckt, zwischen den Wachen und Posten auf dem Boden
liegen. Seine Kleidung war von der seiner Waffengenossen in nichts
unterschieden, nur Waffen und Rosse kündigten den Feldherrn an. Er war
bei weitem der beste Reiter, wie der beste Fußgänger. Als vorderster
ging er ins Treffen, als letzter kehrte er zurück. Unerschöpflich in
klugen Anschlägen, stets wohl unterrichtet von den Plänen der Feinde,
fand er in jeder Not und Gefahr einen rettenden Ausweg. Einer der
größten Feldherren aller Zeiten, ein weitschauender Staatsmann, ein
tapferer Krieger, ließ er sich im Glück nicht zum Übermut verleiten,
und trug er das Unglück mit zäher Geduld und festem Sinn. Milde lag
nicht in seiner Art; hart und grausam gegen die Feinde, scheute er
keine Arglist und Untreue, wenn sein Vorteil dazu riet.

Er war erst 28 Jahre alt, als er an die Spitze des hispanischen Heeres
trat (221 v. Chr.). Sofort entschloß er sich mit Rom zu brechen.

Hasdrubal hatte den Vertrag mit den Römern, die Stadt +Saguntum+ nicht
anzugreifen, treulich gehalten. Hannibal kümmerte sich nicht darum,
sondern schritt alsbald zu ihrer Belagerung. Als die Römer von der
Bedrängnis der mit ihnen verbündeten Stadt hörten, ordneten sie eine
Gesandtschaft an Hannibal ab, um ihn an den Vertrag zu erinnern. Der
aber ließ sie gar nicht ins Lager, sondern befahl sie zu bescheiden,
daß er mitten im Kampfe keine Zeit habe Gesandtschaften anzuhören.
Ebenso erfolglos war die Gesandtschaft in Karthago. Inzwischen
erfuhren die Saguntiner alle Schrecken einer Belagerung. Unter
dem heldenmütigsten Widerstand der Einwohner und erst nach einer
achtmonatlichen Einschließung und Bestürmung konnte Hannibal sich der
Stadt bemächtigen (219). Als den Saguntinern alle Hoffnung geschwunden
war, hatten die Vornehmsten alles Silber und Gold aus ihren Häusern auf
dem Markt auf einen brennenden Scheiterhaufen geworfen und sich dann
selber hinein gestürzt. Alle Wehrhaften wurden getötet, viele hatten
sich mit Weib und Kind in ihre Häuser verschlossen und diese in Brand
gesteckt. Alle übrigen wurden in die Knechtschaft verkauft (219).

Als die Kunde von dem schrecklichen Untergang der ihrem Schutze
anvertrauten Stadt nach Rom kam, war die Entrüstung über solchen
Friedensbruch unbeschreiblich. Sofort ging eine Gesandtschaft nach
Karthago, an deren Spitze +Quintus Fabius+ stand. Sie sollte die
Auslieferung des vertragsbrüchigen Feldherrn fordern, oder, wenn diese
verweigert würde, den Krieg ankündigen. Der karthagische Senat, in
zwei Parteien geteilt, konnte zu keinem Entschluß kommen. Er suchte
Ausflüchte zu machen und die Sache hinzuziehen, allein Qu. Fabius
forderte eine bestimmte Erklärung. Indem er seine Toga zu einem Bausche
faltete und dem Senate hinhielt, sagte er: „Hier liegt Krieg und
Frieden: nehmt was ihr wollt!“ -- „Wir nehmen,“ rief man ihm entgegen,
„was ihr uns gebt.“ -- „So nehmt den Krieg!“ erwiderte Fabius und
entfaltete seine Toga mit einer drohenden Geberde, als ob er Waffen und
Krieger herausschüttete.

So begann der +zweite punische Krieg+, der achtzehn Jahre (219-201)
hindurch Italien, Spanien und Afrika verwüstete, Rom an den Rand des
Verderbens brachte, und zuletzt mit der völligen Niederlage Karthagos
endete.


2. Hannibals Zug nach Italien.

Hannibal hatte sich nach der Eroberung von Sagunt in die
Winterquartiere begeben. Hier entbot er die Hauptleute der auf der
Halbinsel geworbenen Krieger zu sich und machte sie mit seinem Plan,
in fernes Land zu ziehen, bekannt. Um ihnen aber Zeit zu geben, sich
von den Beschwerden des letzten Krieges zu erholen und ihre Familien
wiederzusehen, erteilte er allem Kriegsvolk einen Urlaub, mit dem
Befehl, beim Anbruch des Frühlings sich wieder einzustellen. Nachdem
er dann im Frühjahr die Truppen gemustert hatte, ließ er, um Spanien
zu behaupten, ein Heer von 15000 Mann und eine Flotte von 50 Schiffen
unter dem Befehl seines Bruders Hasdrubal zurück. Ein anderes,
größtenteils aus Ibérern bestehendes Heer von nahe an 20000 Mann
schickte er nach Afrika, um teils als Besatzung von Karthago zu dienen,
teils im karthagischen Gebiet verteilt zu werden. Er selbst brach im
Frühjahr 218 mit 90000 Mann Fußvolk, 12000 Reitern und 37 Elefanten
nordwärts nach dem Ibérus (Ebro) auf (218).

Auf diesem Zuge erschien ihm einst, wie die Sage erzählt, im Schlaf ein
Jüngling von göttlicher Gestalt, welcher sagte: „Ich bin von Jupiter
als dein Wegweiser nach Italien gesandt; mache dich auf und folge mir
unverwandten Auges.“ Hannibal folgte anfangs schüchtern, nirgends
um oder hinter sich blickend; dann aber konnte er aus menschlicher
Ängstlichkeit, was das wohl sein möge, wonach er sich nicht umsehen
solle, seine Augen nicht mehr beherrschen. Er blickte hinter sich und
gewahrte eine Schlange von wundersamer Größe, die hinter ihm herschoß,
Bäume und Sträucher weithin niederschlagend, und hinter der Schlange
einen Platzregen mit Donnerschlägen. Auf seine Frage, was das für ein
Ungetüm sei, und was das Zeichen bedeute, erhielt er die Antwort, daß
es die Verwüstung Italiens sei; er solle aber nur vorwärts gehen, nicht
weiter fragen und das fernere Schicksal in seinem Dunkel ruhen lassen.

Froh über dieses Gesicht setzte er über den Ebro und bezwang die noch
unabhängigen Völkerschaften zwischen diesem Fluß und den Pyrenäen. Um
die Pässe des Gebirges und die neu eroberten Landschaften zu hüten,
ließ er eine Truppe von 11000 Mann zurück, während er noch andere
11000 Mann, welche die Furcht vor einem Kriege mit Rom entmutigt hatte,
nach Hause entließ. Ihm selbst blieben damals 50000 Mann zu Fuß und
9000 Reiter, alle bewährte Krieger, zum größeren Teil Libyer aus dem
Gebiete Karthagos, zum kleineren Teil Hispanier (Ibérer). Die Völker
des südlichen Galliens gewann er durch List und Geschenke, und als man
in Rom vernahm, er habe den Ebro überschritten, stand er bereits am
rechten Ufer der unteren Rhódanus (Rhone), an der Stelle des heutigen
Avignon.

Die dort seßhaften Gallier standen auf seiten der Römer, fühlten sich
aber zu schwach, um den Anmarsch des punischen Heeres in offenem Felde
aufzuhalten. In der Hoffnung auf die Hilfe des römischen Heeres, das
bereits bei Massilia (Marseille) an der Rhonemündung eingetroffen
war, nahmen sie auf dem linken Flußufer eine feste Stellung ein. Aber
Hannibal ließ sich nicht aufhalten. Er ließ alle Schiffe und Kähne
aufwärts und abwärts des Flusses zusammenholen, Bäume fällen und
Flöße bauen, und traf alle Anstalten zu raschem Übergang. Aber auf
der anderen Seite standen die Feinde, die zu Pferd und zu Fuß das
ganze Ufer innehatten. Um sie von dort zu vertreiben, befahl Hannibal
dem Hanno mit einem Teil des Heeres zwei Tagereisen weit am Flusse
hinaufzuziehen und dort an einer geeigneten Stelle überzusetzen.
Pünktlich führte Hanno den Befehl aus. Auf Flößen und verkoppelten
Baumstämmen brachte er Roß und Mann und alles übrige hinüber. Die
Hispanier steckten ihre Kleider in Schläuche, legten sich darauf und
schwammen ohne weitere Vorkehrung über den Fluß. Von dort zog er
eilends stromabwärts in den Rücken der Feinde, und bereits am dritten
Tage seit seinem Aufbruch meldete er durch Rauchsignale dem Feldherrn
seine Ankunft. Sofort gab Hannibal den Befehl zum Übergang. Die Gallier
anderseits stürzten gegen das Ufer mit vielstimmigem Geheul, ihrem
gewohnten Schlachtgesange, die Schilde zusammenschlagend und in der
Rechten den Speer schwingend. Da plötzlich loderte in ihrem Rücken
das eigene Lager in hellen Flammen auf. Hanno hatte es überfallen
und bedrohte ihre Rückseite. Zwar suchten die Gallier anfangs nach
beiden Seiten das Feld zu halten, gaben aber bald den hoffnungslosen
Widerstand auf und zerstreuten sich in ihre Dörfer. So konnte Hannibal
sein ganzes Heer mit allem Troß ungefährdet über den reißenden Strom
führen und jenseits ein Lager schlagen.

Ganz eigentümlich war die Art, wie Hannibal die Elefanten hinübersetzen
ließ. Er ließ ein 200 Fuß langes und 50 Fuß breites Floß vom Lande aus
in den Fluß hineinbauen und damit es nicht vom Strome fortgerissen
würde, durch starke Taue am Ufer festbinden. Dann ließ er es mit Erde
beschütten, damit es die Tiere ohne Scheu gleich wie festes Land
betreten könnten. Ein zweites Floß, ebenso breit, 100 Fuß lang und
zur Überfahrt eingerichtet, wurde an jenes angebunden. Wenn nun die
Elefanten über das feststehende Floß, wie auf einer Straße, auf das
zweite kleinere Floß hinübergegangen waren, so wurden sogleich die
Bindetaue gelöst und dies Floß an das andere Ufer gezogen. So lange sie
auf dem ersten Floß wie auf einer breiten Brücke gingen, blieben sie
ruhig; dann erst zeigten sie Angst, wenn das zweite Floß abgelöst war
und mit ihnen in die Mitte des Flusses trieb. Da drängten sie sich vom
Wasser weg zusammen und verursachten ziemliche Störung, bis endlich die
Furcht selbst sie ruhig machte.

Um die Zeit, da Hannibal über die Rhone ging, stand der römische Konsul
P. Cornelius Scipio an der Mündung dieses Stromes. Er hatte mit seinem
Heere nach Spanien übersetzen sollen, um dort den Krieg zu beginnen,
während der andere Konsul, Titus Sempronius Longus, von Sicilien aus
Karthago selbst angreifen sollte. Als er aber auf dieser Fahrt nach
Massilia kam, mußte er zu seiner großen Überraschung erfahren, daß der
Feind bereits in der Nähe stände und sich anschickte über die Rhone zu
gehen. Statt nun sofort dem Hilferufe der Gallier zu folgen, zauderte
er, bis es zu spät war. Ein Reitergeschwader, das er darauf den Fluß
hinaufsandte, um Erkundigungen über den Standort und die Stärke des
feindlichen Heeres einzuziehen, traf auf eine zu gleichem Zwecke
abgeschickte Abteilung Numider (aus Nordafrika). Es kam zu einem sehr
hitzigen Gefecht, in dem sich der Sieg endlich auf die Seite der Römer
neigte. Doch als Scipio in eiligem Marsche nach der Übergangsstelle
hinaufzog, war das feindliche Heer schon in weiter Ferne, und es blieb
ihm nichts übrig als nach Italien zurückzukehren und dort den Feind zu
bestehen.

Für Hannibal aber begann jetzt erst der schwierigste Teil seiner kühnen
Unternehmung. Es galt den Marsch zu wagen mitten durch zahlreiche
Feinde, über die schnee- und eisbedeckten Alpen, auf ungebahnten,
vielleicht noch nie betretenen Wegen, die selbst für Fußgänger
kaum gangbar waren, viel weniger noch für Elefanten, Rosse und
schwerbeladene Karren und Saumtiere. Kein Wunder, daß beim Anblick der
steilen Gebirge selbst die abgehärtesten Krieger zu zagen begannen. Nur
ihr Feldherr blieb festen Mutes und verstand es auch seinen Truppen
neue Zuversicht einzuflößen. Er schilderte ihnen die reichen Gebiete,
die sie jenseits des Gebirges erreichen, die große Beute, die sie dort
gewinnen, und die Hilfe, die sie im Tale des Po bei den kriegstüchtigen
und von Römerhaß erfüllten gallischen Stämmen finden würden. Er führte
ihnen sogar einen eben von dort eingetroffenen gallischen Fürsten vor,
Magilus mit Namen, der dies alles bestätigte.

Man kannte damals nur zwei Pässe zum Übergang von Gallien nach dem
oberen Italien. Der eine kürzere aber rauhere führte durch das Tal der
Dürance über die cottischen Alpen (Mont Genèvre) in das Gebiet der
Tauriner (Turin), der längere aber weniger schwierige im Tal der Isère
aufwärts zu den graischen Alpen und über den kleinen St. Bernhard ins
Tal der Doria (Baltéa). Diesen zweiten wählte Hannibal auch deshalb,
weil die an seinem jenseitigen Ausgange wohnenden Gallier nur auf seine
Ankunft warteten, um sich mit ihm gegen die Römer zu verbinden.

Der Marsch ging zuerst sechzehn Tage lang durch das fruchtbare Gebiet
der Allóbroger zwischen Isère und Rhone, bis zum Fuße des Hochgebirges.
Der von den Bewohnern gesperrte nächste Paß wurde genommen; aber auf
dem steilen und glatten Abstieg von der Höhe geriet das Heer in harte
Not: feindliche Haufen brachen in die Reihen, ein wildes Getümmel
entstand, Menschen und Tiere stürzten in die Tiefe. Erst als man ins
Tal der Isère gelangte, ward der Marsch gefahrlos, bis man in das
Gebiet der Centronen hinaufstieg, welche das Heer mit allen Zeichen
der Freude gastlich empfingen und aus dem Tale zum Fuß der Paßhöhe des
kleinen St. Bernhard geleiteten. Da plötzlich griffen sie die nächste
durch eine Schlucht emporklimmende Abteilung von allen Seiten an. Unter
blutigen und verlustvollen Kämpfen gelangte man am folgenden Tage auf
die Hochfläche des Passes.

Den erschöpften und durch die schweren Verluste an Menschen und Tieren
entmutigten Truppen gewährte hier der Feldherr eine kurze Rast, die
er benutzte, um alle Nachzügler und Versprengte zu sammeln und durch
den Hinweis auf die Nähe des ersehnten Zieles, durch den Ausblick auf
die in der Ferne sich breitende Ebene Italiens die gesunkene Stimmung
wieder zu heben. Man näherte sich zwar den befreundeten Galliern, aber
die vorgerückte Jahreszeit -- es war schon Anfang September -- brachte
neues Ungemach. An den engen und steilen Talrändern der Dora, auf denen
der Abstieg geschah, lag frischer Schnee, der die Pfade verdeckte;
haufenweise stürzten Menschen und Tiere in die Abgründe. An einer
Strecke von nur 200 Schritt Länge mußte vier Tage lang mit Aufgebot
aller Kräfte gearbeitet werden, um die Elefanten und das Gepäck
über die glatten Eismassen hinüber bringen zu können. Nach weiterem
dreitägigen Marsch bergab gelangte man endlich in die Talebene, wo die
Dörfer der Gallier, in der Gegend des heutigen Ivréa, Rast und Pflege
boten.

So war das Ziel endlich erreicht, aber mit welchen Opfern! Mehr als
die Hälfte des Heeres, die meisten Pferde und Elefanten waren auf den
Märschen und in den Kämpfen zugrunde gegangen, und was hinübergelangt
war, bedurfte längerer Erholung, um sich zu den bevorstehenden harten
Kämpfen zu stärken und neu auszurüsten. Hätte Hannibal beim Austritt
aus dem Gebirge ein römisches Heer kampfbereit sich gegenüber gefunden,
so wäre er dem Untergang schwerlich entronnen.


3. =Hannibals Siege am Ticinus und an der Trebia= (218).

Anfangs hatten die Römer, wie oben berichtet ist, die Absicht den Krieg
gegen Karthago in Spanien und Afrika zu führen. Sie hatten daher den
Konsul T. Sempronius Longus mit der größeren Heeresmacht, 24000 Mann zu
Fuß, 1800 Reitern und 160 Kriegsschiffen, nach Sicilien gesandt; der
andere Konsul, P. Cornelius Scipio, sollte mit 22000 Mann zu Fuß, 1600
Reitern und 60 Schiffen einen Angriff auf Spanien unternehmen. Aber
Hannibal war den Römern zuvorgekommen. Schon stand er an der Rhone,
als Scipio auf seiner Fahrt erst an der Mündung derselben angekommen
war, wo er dann die Nähe des Feindes erfuhr und das bereits erwähnte
Reitergefecht vorfiel. Nun änderte Scipio seinen Plan, er sandte
seinen Bruder Gnaeus mit dem größeren Teile des Heeres nach Spanien,
während er selbst mit dem übrigen zurück in die Ebene des Po eilte,
um sich dort an die Spitze des römischen Heeres zu stellen, welches
dort die aufrührerischen Gallier niederzuhalten bestimmt war, und dem
anrückenden Feinde die Stirn zu bieten. Hannibal hatte inzwischen
seinem Heere die nötige Rast gegönnt, hatte den Widerstand der Tauriner
durch Erstürmung ihrer Hauptstadt gebrochen, und war dann rasch bis
an den +Ticīnus+ (Tessin), einen Nebenfluß des Po, vorgedrungen.
Scipio ließ eine Brücke über den Po schlagen und rückte ihm entgegen.
Nicht lange, so kam es dort in der Ebene am Ticinus zu einem ersten
Zusammenstoß. Beide Feldherren zogen eines Tages an der Spitze ihrer
Reiterei, Scipio auch von leichtem Fußvolk begleitet, aus, um die
Stellung der Feinde auszukundschaften. So stießen sie aufeinander.
Gleich nach Beginn des Kampfes floh das leichte römische Fußvolk,
das Scipio in die vorderste Reihe gestellt hatte, vor dem Anprall
der schweren punischen Reiter, warf sich unter die eigene Reiterei
und brachte sie in Verwirrung. Gleichwohl nahm diese den Kampf auf
und bestand ihn eine Zeitlang, unerschüttert durch die feindlichen
Angriffe. Als dann aber die leichten numidischen Geschwader sie auf den
Flanken und im Rücken anfielen war die Niederlage und Flucht der Römer
nicht mehr aufzuhalten. Der Konsul selbst ward im Getümmel verwundet
und nur durch die Entschlossenheit seines siebzehnjährigen Sohnes, des
später als Besieger Hannibals berühmt gewordenen Scipio Africanus, aus
dem feindlichen Gedränge herausgehauen und gerettet.

In der folgenden Nacht führte Scipio sein Heer ungestört über den
Po zurück und nahm an dem rechten Ufer des +Trébia+, eines kleinen
Nebenflusses des Po, eine feste Stellung, wo sein rechter Flügel sich
an den Po bei der Koloniestadt Placentia (Piacenza), sein linker an
die Vorberge des Apennin lehnte, in einem hügeligen Gelände, das die
Bewegung der überlegenen feindlichen Reiterei hinderte. Hier stieß
auch der andere Konsul, Sempronius, der auf die erste Nachricht von
dem Erscheinen Hannibals aus Sicilien zurückberufen worden war, mit
seinem Heere zu ihm. Aber zwischen den beiden Konsuln herrschte keine
Eintracht: Sempronius drang auf eine entscheidende Schlacht, während
Scipio, durch seine Wunden an der Führung behindert, sich von einer
bloß abwehrenden Haltung mehr Vorteil versprach. Ihre Uneinigkeit
blieb Hannibal nicht unbekannt. Er war den über den Po zurückweichenden
Römern alsbald nachgezogen und hatte ihnen gegenüber auf der linken
Seite der Trebia sein Lager genommen. Als er durch seine Kundschafter
erfahren, daß die Römer zum Kampf bereit wären, wählte er einen
Ort zum Hinterhalt. In der Nähe seines Lagers war ein Bach, auf
beiden Seiten von einem sehr hohen Ufer eingeschlossen und rings mit
Gesträuch und Dorngebüsch dicht besetzt, wo ein Reitertrupp eine ganz
verdeckte Aufstellung nehmen konnte. Darin versteckte Hannibal tausend
auserlesene Reiter und ebenso viel Fußvolk unter Führung seines Bruders
Mago.

Früh am folgenden Tage ließ er seine numidischen Reiter über die
Trebia setzen, sich vor den Toren des feindlichen Lagers tummeln, um
den Feind zum Kampfe herauszulocken und, wenn ihnen dies gelungen war,
langsam über den Fluß zurückzuweichen. Kaum hatten sie sich gezeigt,
so führte Sempronius, der an diesem Tage den Oberbefehl auch über
Scipios Legionen führte, erst seine ganze Reiterei, darauf 6000 Mann
Fußvolk, endlich sein ganzes Heer zum Kampfe heraus. Es war ein kalter
schneeiger Dezembertag; Roß und Mann wurden, ohne vorher durch Speise
gestärkt zu sein, ungeschützt gegen die Kälte, ins Treffen geführt. Als
sie aber auf der Verfolgung der fliehenden Numider sogar ins Wasser
gingen, das ihnen bis an die Brust reichte, erstarrten ihnen vollends
die Glieder, daß sie kaum die Waffen zu halten vermochten und bald der
Ermattung und dem Hunger erlagen.

Dagegen hatten Hannibals Truppen vor ihren Zelten Feuer angezündet,
ihre Glieder mit Öl geschmeidig gemacht und in Ruhe gegessen. Rüstig
an Leib und Seele ergriffen sie die Waffen und standen zur Schlacht
gerüstet, als der Feind über den Fluß gegangen war. Ins Vordertreffen
stellte der karthagische Feldherr als Plänkler 8000 leicht bewaffnete
balearische Schleuderer und Speerwerfer; hinter diesen das schwere
Fußvolk, den Kern seines Heeres; die Flügel umgab er mit seinen
zahlreichen Reitern und an die beiden Flügelspitzen stellte er zu
gleichen Teilen die wenigen Elefanten, welche ihm geblieben waren.
Vergebens ließ jetzt Sempronius seinen hitzig verfolgenden Reitern zum
Rückzug blasen; er mußte die Schlacht annehmen und ordnete die Seinen.
Die ermüdeten leichten Truppen wichen gleich anfangs zurück; dann
kam die römische Reiterei ins Gedränge und wurde von einer Wolke von
Schleuderkugeln und Speeren, welche die Balearen warfen, überschüttet.
Der Anblick und der ungewohnte Geruch der Elefanten brachte die Pferde
in Verwirrung und verursachte allgemeine Flucht. Das Fußvolk hielt
länger stand; aber die Punier waren, zuvor durch Speise gestärkt, in
das Treffen gezogen; den ermüdeten, hungrigen, vor Kälte starrenden
Römern versagte der Körper den Dienst. Da brach endlich Mago mit
seinen Numidern aus dem Hinterhalt hervor und fiel den Römern zu ihrem
großen Schrecken in den Rücken, so daß diese nach allen Seiten hin zu
kämpfen hatten. Eine Abteilung von 10000 Römern durchbrach in fester
Haltung die Mitte der feindlichen Linie und wandte sich nach Placentia;
die übrigen suchten sich an verschiedenen Stellen und unter blutigem
Gemetzel einen Ausweg. Die nach dem Lager ihren Rückzug nahmen, deren
ertranken viele in dem Fluß oder wurden von den verfolgenden Feinden
erschlagen; die meisten entrannen ohne Ordnung nach Placentia. Eben
dorthin führte der verwundete und im Lager zurückgebliebene Konsul
Scipio den Rest des Heeres. Sempronius, der sich mit wenigen Reitern
gerettet hatte, begab sich bald darauf nach Rom, wohin er berufen war,
um die Wahl der neuen Konsuln zu leiten.

Aber auch die Punier hatten starke Verluste erlitten, und die rauhe
Jahreszeit nötigte sie in Winterquartieren Ruhe und Erholung zu suchen.
Inzwischen bedrängten ihre Reiter und leichten Truppen fortwährend die
Römer in den festen Städten Placentia und Cremona, und die gallischen
Stämme folgten großenteils dem Rufe des siegreichen Puniers und
kündigten den verhaßten Römern den Gehorsam.


=4. Schlacht am trasimenischen See= (217).

Kaum begann der Frühling, so brach Hannibal gegen Italien auf.
Ansehnliche gallische Hilfsvölker begleiteten ihn, teils aus Kampf- und
Beutelust, teils um den Krieg aus ihren Gebieten entfernen zu helfen,
alle aber, um mit den Puniern die ihrer Unabhängigkeit gefährliche
römische Übermacht zu vernichten. Von den beiden Straßen, von denen
die eine von Rom über den Apennin bei Ariminium das Meer erreichte,
die andere bei Arretium, diesseits des Gebirges, endete, waren von
den beiden neuen Konsuln Gaius Flaminius und Gnaeus Servilius mit
vier während des Winters vom Po fortgeführten und ergänzten Legionen
besetzt. Hannibal wählte den Weg deshalb mehr westlich in das Tal
des Arno, der nicht besonders schwierig, damals aber durch die
Schneeschmelze und die Frühlingsregen auf weite Strecken überschwemmt
war. Vier Tage und drei Nächte marschierte das Heer fortwährend durch
Wasser und Morast, aller Erquickung entbehrend. Die, welche ausruhen
wollten, warfen Haufen von Gepäck ins Wasser, um sich damit ein Lager
zu bereiten, oder legten sich auf die Leiber der gefallenen Lasttiere.
Hannibal, der auf dem einzigen noch übrigen Elefanten ritt, erlitt eine
Augenentzündung, in deren Folge er ein Auge verlor. Als er endlich nach
Verlust vieler Tiere und Menschen auf das Trockene gekommen war und das
erste Lager auf etruskischem Boden bei Fäsulä (Fiésole) bezogen hatte,
meldeten Kundschafter, das römische Heer unter dem Konsul Flaminius
stehe ostwärts in der Gegend von Arretium (Arezzo). Um diesen Mann,
dessen Unbesonnenheit ihm bekannt geworden, zum Angriff zu reizen,
verwüstete Hannibal die schönen Gefilde zwischen Fäsulä und Arretium
durch Raub und Brand. Umsonst mahnte man den Flaminius erst die Ankunft
des andern Konsuls, der noch jenseits des Gebirges am adriatischen
Meere stand, abzuwarten. Er gab das Zeichen zum Aufbruch, weil er die
Verheerungen des Feindes nicht länger dulden mochte.

Hannibal war auf seinem Marsche zu dem schmalen Landstrich gekommen,
wo der +trasimenische See+ (~lago di Perugia~) nahe an die Berge
von Cortona herantritt. Ein ganz enger Weg führt zwischen dem See
und den Hügeln in eine breitere Fläche, an deren Ende, dem Eingange
der Landenge gegenüber, eine Anhöhe emporragt. Auf dieser Anhöhe
lagerte sich Hannibal mit dem Kern seines Heeres, dem spanischen und
afrikanischen Fußvolk. Die Balearen und die übrigen leichten Truppen
stellte er in langer Reihe hinter den Hügeln auf, welche jene Fläche
auf einer Seite begrenzten; die Reiterei und die Gallier verbarg er
neben den Waldhöhen, die dem engen Eingang am See gegenüberlagen. Bei
diesem Eingange langte am Abend des folgenden Tages Flaminius an.
Gleich am nächsten Morgen, als ein dicker Nebel auf den Wassern des
Sees lag und Berg und Tal verhüllte, zog er, ohne vorher die Gegend
ausgekundschaftet zu haben, durch die enge Straße in die mittlere
Fläche, indem er nur die ihm gegenüber liegende Anhöhe von den Puniern
besetzt glaubte. So wie er sich derselben näherte und die letzten
seines Zuges an dem äußersten Hinterhalt der Feinde vorüber waren,
erfolgte der Angriff der Punier von allen Seiten und mit solchem
Ungestüm, daß sich die Römer nicht einmal in Schlachtordnung aufstellen
konnten. Kaum drei Stunden währte die Schlacht, und so hitzig ward auf
beiden Seiten gekämpft, daß man das furchtbare Erdbeben nicht gewahr
wurde, das um diese Zeit die Landschaft heimsuchte. Der Konsul selbst
fiel unter den ersten und 15000 der Seinen mit ihm. Viele wurden
in den See gejagt und ertranken, oder wurden von den verfolgenden
Reitern erschlagen. Nur einer Abteilung von 6000 Mann gelang es sich
durchzuschlagen; sie retteten sich auf eine nahe Anhöhe, von wo
sie, als der Nebel sich zerstreut hatte, das Schicksal der Ihrigen
erkannten. Ihre eilige Flucht setzten sie auch noch den nächsten Tag
fort, bis sie der Hunger zwang, sich dem Maharbal, der sie mit seiner
Reiterei verfolgte, zu ergeben. Viertausend Reiter, die der andere
Konsul zu Hilfe geschickt, wurden ebenfalls teils vernichtet, teils
gefangen. Die Zahl der Gefangenen belief sich auf 15000. Hannibal
ließ von ihnen die römischen in Fesseln legen, die italischen Bündner
(~socii~) aber frei in ihre Heimat ziehen. Ebenso hatte er schon nach
der Schlacht an der Trebia getan; denn er gedachte als der Befreier
Italiens von der Römerherrschaft aufzutreten, und hoffte dabei auf den
Beistand der bündnerischen Städte Mittel- und Unteritaliens.

Auf die erste unbestimmte Nachricht von der unglücklichen Schlacht und
der Vernichtung der zwei Legionen geriet das Volk in unbeschreibliche
Aufregung. Keiner wußte Genaues, selbst die obersten Beamten nicht;
Männer und Weiber bestürmten sie mit Fragen. Erst gegen Abend erhielt
der Senat sichere Kunde, und der Prätor teilte sie auf dem Markte mit:
„Wir haben eine große Schlacht verloren, das Heer ist vernichtet, der
Konsul tot, die Stadt in Gefahr.“

Man war darauf gefaßt den Sieger alsbald vor den Toren der Stadt
erscheinen zu sehen, und traf in höchster Eile alle Vorkehrungen zur
Abwehr. Vor allem galt es die Verteidigung des Vaterlandes, da der
eine Konsul tot, der andere fern war, in +eines+ Mannes Hand mit
unbeschränkter Machtbefugnis zu legen, das heißt einen Diktator zu
ernennen. Die Wahl fiel auf +Fabius Maximus+, der sich den Minucius
Rufus als Reiterobersten zugesellte.


5. Hannibal gegen Fabius Cunctator.

Aber Hannibal zog nicht gegen Rom, sondern wandte sich von Etrurien
ostwärts nach Umbrien und drang bis zur Stadt Spoletium, die er
vergebens bestürmte, da sie von einer tapferen Besatzung verteidigt
ward. Von da ging er in die fruchtbare picenische Landschaft
hinüber, ließ die Truppen einige Tage ausruhen und drang dann, unter
schrecklichen Verwüstungen, südwärts die Küste entlang bis nach
Apulien. Aber seine Hoffnung, daß sich die Bundesgenossen Roms, der
römischen Herrschaft überdrüssig, auf seine Seite schlagen würden,
blieb unerfüllt. Alle Städte schlossen ihre Tore und behandelten ihn
als Feind.

Inzwischen hatte der alte bedächtige Diktator Fabius zwei neue Legionen
gebildet und die beiden des Konsuls Servilius sowie den versprengten
Rest des geschlagenen Heeres an sich gezogen. Er folgte dem Feinde auf
seinem Marsche, nicht um im offenen Felde eine neue und vielleicht
letzte Schlacht zu schlagen, sondern um seine neuen Truppen zu üben
und zu ermutigen, die Bündner in Treue zu halten und dem Gegner keine
Rast zu lassen. Bei Arpi in Apulien bekam er ihn zuerst zu Gesicht.
Hannibal bot ihm gleich die Schlacht an; aber Fabius wich vorsichtig
aus und hielt sein Heer im festen Lager, das er immer auf den Höhen der
Berge und in ziemlicher Entfernung vom Feinde aufschlug. Da Hannibal
den vorsichtigen Gegner zu keiner Schlacht bewegen konnte, so brach er
endlich auf und zog unter steten Verwüstungen durch Samnium, um wieder
auf die Westseite des Gebirges nach Campanien zu gelangen.

Auf dem Wege dorthin kam er in eine von Bergen und Flüssen
eingeschlossene Talebene. Fabius war ihm auf dem Fuße gefolgt, hielt
die Höhen ringsum besetzt und hatte auch den Rückweg nach Samnium
verlegt. Schon schienen die Karthager verloren zu sein, als Hannibal
sich der Umschließung durch folgende List zu entziehen wußte. Er befahl
gegen zweitausend Ochsen aus den erbeuteten Herden zusammenzutreiben,
ließ ihnen dürre Reisbündel an die Hörner binden und, nachdem diese
angezündet waren, den ganzen Haufen mit Anbruch der Nacht gegen die
Anhöhen jagen, die der Feind besetzt hielt. Die römischen Truppen, die
unten am Ausgange des Tales standen, sahen mit Staunen die eilenden
Feuerlinien über sich auf den Bergen, und da sie glaubten, die
Karthager hätten sie umgangen und zögen bei Fackelschein ab, so wichen
sie seitwärts auf die Anhöhen, während die, welche oben standen, vor
dem Ansturm der wütenden Tiere flohen. Selbst Fabius wagte es nicht
seine Stellung auf der andern Seite des Tales zu verlassen. Indessen
zog Hannibal durch die geöffneten und unbewachten Pässe und entkam so
der Falle, die ihm Fabius gelegt hatte.

In Rom aber war man über die Weise, wie Fabius den Krieg führte,
unwillig, und auch im Lager erhob sich lautes Murren über den
Feldherrn, den sie wegen der Art seiner Kriegsführung spöttisch den
Zauderer (~cunctator~) nannten. Am meisten suchte sein Reiteroberst
+Minucius+ den Diktator in ein ungünstiges Licht zu stellen, und als er
nun gar eines Tages, während der Diktator in Rom beschäftigt war, ein
glückliches Gefecht geliefert hatte, brachte er es wirklich dahin, daß
die Diktatur und der Heerbefehl zwischen ihm und Fabius geteilt ward.
Sie bezogen, jeder mit zwei Legionen, getrennte Lager. Eines Tages
reizte Hannibal, der die Zwietracht seiner Gegner kannte, das Heer des
Minucius in einem engen Tale zum Gefecht. Eine plötzlich aus einem
Hinterhalte hervorbrechende Schar von 5000 Puniern faßte es in Seite
und Rücken; schon schien seine Vernichtung unvermeidlich, als Fabius,
der den ganzen Hergang von seinem nahe gelegenen Lager aus beobachtet
hatte, mit seinen Legionen ausrückte und die bereits siegreichen Feinde
so bedrängte, daß nicht nur das Heer des Minucius entsetzt wurde,
sondern auch Hannibal den Rückzug antrat und sich für besiegt erklärte.
„So habe ich doch einmal,“ sagte er zu den Seinen, „diese Wetterwolke,
die immer um den höchsten Berggipfel schwebt, in die Tiefe herab
und zur Entladung gebracht.“ Den Fabius aber begrüßte der beschämte
Minucius als Vater, und seine Legionen die des Diktators als ihre
Patrone (Beschützer). Die beiden Lager wurden wieder vereinigt, und
Minucius verzichtete gern auf den ihm eingeräumten Mitbefehl.

Von da an wurde das Verfahren des Fabius, der den Krieg in die Länge
zu ziehen und den Feind zu ermüden suchte, als weise anerkannt, der
Spottname Cunctator ward ihm jetzt zu einem Ehrennamen und der größte
Dichter jener Zeit, +Quintus Ennius+, pries ihn mit dem Verse:

    +Ein+ Mann brachte dem Staat durch klügliches Zaudern Errettung.


=6. Die Schlacht bei Cannä= (216).

Die hinhaltende Kriegführung des Diktators hatte auch ihre Nachteile;
sie erschöpfte die Hilfsmittel des Landes und drohte die Treue der
darunter leidenden Bundesgenossen ins Wanken zu bringen. Deshalb
beschloß der Senat, nach Ablauf der Amtszeit des Diktators, wieder
Konsuln an die Spitze des Heeres zu stellen und dieses in solcher
Stärke ins Feld zu schicken, daß man hoffen konnte den Krieg mit einem
Schlage zu beendigen. Statt der bisherigen vier wurden acht überstarke
Legionen aufgestellt und eine gleiche Anzahl bündnerischer Truppen
einberufen. Außerdem wurde eine neunte Legion ins Po-Tal geschickt, um
die bei Hannibal stehenden Gallier zum Abzuge in ihre bedrohte Heimat
zu bewegen. Niemals hatte Rom eine solche Kriegsmacht aufgestellt. Aber
die Wahl der neuen Konsuln war nicht glücklich. Neben dem besonnenen
und kriegserfahrenen +L. Ämilius Paullus+ stand der beim Volk beliebte,
aber ebenso anmaßende wie unfähige +G. Terentius Varro+.

Hannibal, der im ganzen über 10000 Reiter und etwas mehr als 40000
Mann Fußvolk verfügte, hatte im Frühjahr 216 eine starke Stellung in
der kornreichen apulischen Ebene eingenommen, bei +Cannä+ (zwischen
den heutigen Städten Canōsa und Barletta), südlich des Flusses
Aufĭdus (Ofanto). Nordwärts standen die beiden Konsuln in gesonderten
Lagern zu beiden Seiten des Flusses. Hannibal wünschte nichts mehr
als eine entscheidende Schlacht; denn die Ebene gestattete ihm den
unbehinderten Gebrauch seiner überlegenen Reiterei, und die Nähe des
feindlichen Heeres erschwerte ihm die Verpflegung des eigenen. Eben
deshalb wollte Paullus, der die Lage des Gegners richtig beurteilte,
den entscheidenden Kampf noch hinausschieben und auf ein den Römern
günstigeres Schlachtfeld verlegen. Aber der hitzige Varro achtete nicht
auf seine Vorstellungen, und da sie im Heerbefehl einen Tag um den
andern wechselten, so führte er an seinem Tage das Heer, gegen 80000
Mann, zur Schlacht hinaus auf das rechte Flußufer, während ein kleiner
Teil, 10000 Mann, auf dem linken im Lager zurückblieb.

Beide Schlachtlinien lehnten sich mit einem Flügel an das rechte
Flußufer, so daß der römische nach Süden stand, der punische nach
Norden gewandt war. Varro hatte die römischen Reiter am Flusse,
die der Bundesgenossen auf dem andern Flügel, in der Mitte das
Fußvolk in tiefen Massen aufgestellt; vor der ganzen Linie standen
in mäßigen Zwischenräumen die Leichtbewaffneten. Auf dem rechten
Flügel befehligte Ämilius Paullus, auf dem linken Varro, in der Mitte
Servilius, der Konsul des vorigen Jahres. Auch Hannibal stellte
seine Leichtbewaffneten vor die Front, links zunächst am Flusse die
schwere gallische und spanische Reiterei, auf der andern die leichte
numidische. Dazwischen bildete das schwerbewaffnete Fußvolk eine
weite halbmondförmige Linie, in deren Mitte die Gallier und Spanier
am meisten nach vorn, die Afrikaner nach beiden Seiten mehr zurück
standen. Diese mittleren Truppen befehligte Hannibal selbst mit seinem
Bruder Mago, den linken Flügel Hasdrubal, den rechten Hanno.

Es war ein heißer Junitag; glühend blies der Südwestwind den Römern
ins Gesicht und wirbelte ihnen große Staubwolken entgegen. Die
Leichtbewaffneten begannen die Schlacht, jedoch auf beiden Seiten ohne
Entscheidung. Dann aber erfolgte ein blutiger Kampf zwischen den am
Flusse stehenden Reitern, die in dem engen Raum zum Teil absprangen und
zu Fuß Mann gegen Mann stritten. Die Römer, völlig geworfen, wurden
teils niedergemacht, teils in den Fluß getrieben und zersprengt.
Paullus, schwer verwundet, rettete sich zu dem Fußvolk. Dieses hatte
inzwischen den Angriff auf die feindliche Mitte siegreich begonnen. Die
Gallier und Spanier, überwältigt von dem ersten Stoße der Legionen,
wichen zurück und öffneten die Linie, während die Afrikaner etwas
weiter seitwärts unbewegt feststanden. Die römische Schlachtlinie,
die Weichenden verfolgend, drang immer tiefer in den offen gelassenen
Raum hinein und sah sich auf einmal von den Afrikanern in ihren
Flanken angegriffen. Indes währte das Gefecht auf dem andern Flügel
unentschieden fort, bis Hasdrubal von der linken Seite den Puniern zu
Hilfe kam und auch hier die römische Reiterei zum Weichen brachte.
Das Verfolgen der Geschlagenen überließ er den Numidern; er selbst
schwenkte mit seinen Reitern nach der Mitte hin und griff das römische
Fußvolk im Rücken an. Dieses, nunmehr von allen Seiten eingeschlossen,
wurde fast bis auf den letzten Mann niedergemacht. Von den 76000
Mann, die in der Schlachtlinie gestanden hatten, lagen 70000 auf der
Walstatt, darunter ein Konsul des vorigen Jahres, über dreißig, die
andere hohe Staatsämter bekleidet hatten, achtzig Senatoren und auch
der Konsul Ämilius Paullus selbst. Auch die Besatzung des Lagers, 10000
Mann, mußte sich großenteils ergeben. Viel geringer war der Verlust auf
punischer Seite, kaum 6000 Mann.

Als Paullus sich ins Lager zu retten suchte, hatte er sich, von seiner
Wunde ermattet, auf einen Stein gesetzt und hier den Tod erwartet.
So traf ihn Lentulus, ein Kriegsoberster, der selbst verwundet aus
der Schlacht floh, und bot ihm sein eigenes Pferd zur Flucht. Aber
Paullus schlug es aus und sagte: „Rette dich, edler Freund, sage den
Vätern, sie sollten Rom verrammeln und stark besetzen, und dem Fabius,
ich hätte seine Lehren im Leben befolgt und im Tode noch gebilligt.
Mich laß unter diesen Leichenhaufen meiner Krieger den Tod finden,
damit ich nicht als Ankläger meines Amtsgenossen aufzutreten brauche.“
Kaum hatte er dies gesagt, so naheten die Feinde. Lentulus entkam
durch die Schnelle seines Rosses, der Konsul wurde niedergemacht. Und
gleichsam als wollte das Schicksal Roms sich in diesem Unglücksjahre
ganz vollenden, geriet auch jene neunte Legion in einen Hinterhalt der
Gallier und wurde völlig vernichtet.

Varro entkam mit wenigen Reitern nach Venusia, wohin sich auch eine
Anzahl der Versprengten und ein kleiner Teil der im Lager Gebliebenen
rettete. Als er von dort, tief gedemütigt, auf Einladung des Senats
nach Rom kam, zog ihm dieser vor das Tor entgegen und dankte ihm, daß
er am Vaterlande nicht verzweifelte.

Die Folge dieser furchtbaren Schlacht war, daß nunmehr viele Städte und
Landschaften Unteritaliens, sowie alle cisalpinischen Gallier von Rom
abfielen. Rom war am Rande des Untergangs; stündlich erwartete man den
Sieger vor den Toren. Aber die Römer zeigten wiederum, daß sie niemals
größer waren, als im Unglück, und bewiesen eine Stärke der Seele,
welche die höchste Bewunderung verdient. Niemand sprach von Frieden,
und die Abgeordneten Hannibals, welche Friedensanträge brachten, ließ
man nicht einmal in die Stadt, ja sogar den Loskauf der Gefangenen
lehnte man ab. Hannibal aber marschierte nicht sofort gegen Rom, wie
ihm Maharbal riet, und mußte deshalb von diesem den Vorwurf hören: „Zu
siegen verstehst du, aber den Sieg auszunutzen verstehst du nicht.“


7. Hannibal und Marcellus.

Mit dem Siege bei Cannä hatte Hannibal den Gipfel seines Glückes
erstiegen; von nun an sehen wir ihn, obgleich den Römern noch immer
furchtbar, keine so glänzenden Taten mehr verrichten. Sein Heer
legte er zum Winterquartier in die große und reiche Stadt Capua,
deren Bewohner ihn als einen Befreier vom römischen Joche zu sich
eingeladen hatten. Unter dem milden Himmel Campaniens und durch die
üppigen Genüsse, die dieses ihm bot, soll das Heer verweichlicht worden
sein und die alte Kriegszucht und Manneskraft eingebüßt haben. Dazu
kam, daß Hannibal von Karthago aus ohne Unterstützung blieb, weil
ihm eine feindliche Partei entgegenarbeitete, obschon zwei Scheffel
goldener Ringe, die in der Schlacht bei Cannä von den Händen römischer
Ritter gezogen und nach Karthago geschickt worden waren, eine große
Begeisterung für den Sieger erweckt hatten.

Dagegen zeigten die Römer bei den härtesten Schlägen des Schicksals
eine große, unerschütterliche Standhaftigkeit. Neue Legionen wurden
ausgehoben, und der Prätor +Claudius Marcellus+ war der Erste, unter
dem die Römer wieder siegen lernten. Der alte Mut kehrte allmählich
zurück, und wie sie Fabius ihren Schild nannten, so den Marcellus ihr
Schwert. Er stand mit einem Teil des neuen Heeres bei Nola in Campanien
und hinderte Hannibal an der Eroberung dieser Stadt. Anfangs hielt
er seine noch ungeübten Truppen innerhalb der Mauern, dann machte er
Ausfälle und übte es in kleinen Gefechten; zuletzt überfiel er die
Feinde in ihrem Lager und erschlug ihrer mehrere Tausende. Im folgenden
Jahre (215) kam es vor +Nola+ zu einer förmlichen Schlacht, in welcher
Marcellus den ersten vollständigen Sieg über die Punier erfocht.


Nach diesem Siege ward Marcellus von Italien nach einem andern
Schauplatz des Krieges abgesandt. In Sicilien war die mächtige und
blühende Stadt +Syrakus+ nach dem Tode ihres Königs Hiero, des treuen
Bundesgenossen der Römer, von ihnen abgefallen, und Marcellus hatte
den Auftrag sie wieder zu unterwerfen. Allein die Belagerung zog sich
bis ins dritte Jahr hin (214-212). Von zwei Seiten, vom Lande und vom
Hafen aus, versuchte er sie zu erstürmen; aber ein Bürger der Stadt,
der große Mathematiker +Archimēdes+, erfand Maschinen, durch die er die
Schiffe und Sturmwerke der Römer vernichtete und alle ihre Versuche
vereitelte. Die Mauern versah er mit jeder Art von Geschützen, welche
die feindlichen Schiffe mit Steinkugeln bewarfen; in die Mauer brach er
von unten bis oben breite Schießscharten, durch welche die Verteidiger
mit Pfeilen und Handgeschossen den Feind ungesehen überschütteten. Wenn
römische Schiffe in die Nähe kamen, so ließ er eiserne Ketten mit Haken
herab, zog durch Hebelkräfte die Schiffe in die Höhe und stürzte sie
dann wieder ins Meer hinab. Auch soll er Brennspiegel erfunden haben,
um die feindlichen Schiffe anzuzünden. Durch diese Maschinen fügte
er den Römern furchtbare Verluste zu und setzte sie so in Angst, daß
zuletzt alle, wenn nur ein Seil oder Holz sich auf der Mauer zeigte,
eiligst die Flucht ergriffen. Aber endlich wurde Marcellus doch auf
folgende Weise Herr der Stadt.

Einst unterhandelten die Syrakusaner von einem Turme herab mit den
Römern. Einer von diesen zählte dabei die Quadersteine der Mauer und
merkte sich ihre Größe. Daraus berechnete man ihre Höhe an dieser
Stelle und verfertigte Leitern zum Ersteigen. Als nun das dreitägige
Fest der Göttin Artĕmis (Diána) in der Stadt gefeiert wurde, und die
Bürger nach den Festmahlen des Tages sich zur Ruhe gelegt hatten,
erstiegen tausend der kühnsten Krieger die bezeichnete Mauerstelle,
töteten die hier aufgestellten Wachen und erbrachen das nächste Tor,
durch welches Marcellus mit dem Heere eindrang. Den Bürgern ward Leben,
Freiheit und Wohnung gesichert und nur das bewegliche Gut geplündert.
Eine Menge von Kunstwerken und Schätzen ward nach Rom geschleppt.
Der große Archimedes soll im Getümmel seinen Tod gefunden haben. Ein
Krieger, der ihn nicht kannte, stürmte in sein Haus und fand ihn in das
Zeichnen von Sandfiguren vertieft. „Zertritt mir meine Kreise nicht!“
rief er ärgerlich dem Manne zu, worauf dieser ihn erschlug. Gern hätte
ihm Marcellus das Leben erhalten; den Toten ehrte er durch ein Denkmal.


Inzwischen hatte der Krieg auch in Italien nicht geruht. Zwar hatte
Hannibal die wichtige Seestadt Tarent durch Verrat genommen (212),
dagegen mußte er sehen, wie Capua von einem römischen Heere aufs
härteste bedrängt wurde. Um diese Stadt von dem Belagerungsheere zu
befreien, unternahm er einen Zug gegen Rom, und schlug eine Meile vor
der Ostseite der Stadt sein Lager auf (211). Von einer Anhöhe herab
betrachtete er die Lage und die Mauern der Stadt, und eine Sage ging,
er habe eine Lanze in eine der nächsten Straßen geschleudert. Zweimal
stand er dem römischen Heere kampfbereit gegenüber, und zweimal nötigte
ein Ungewitter mit furchtbarem Hagel- und Regenguß die Heere in ihre
Lager zurückzukehren, während das heiterste Wetter eintrat, sobald
sie sich getrennt hatten. Darin erkannten selbst die Punier einen
Götterwink, und Hannibal trat den Rückweg an. Aber noch lange nachher
erhielt sich im Volke der Eindruck des Schreckensrufs: „Hannibal vor
den Toren!“

Nun gab Hannibal die Stadt Capua ihrem Schicksal preis. Die Belagerten
erkannten ihren hoffnungslosen Zustand und beschlossen die Übergabe; da
trat ein Mann, namens Vibius Virrius, der am meisten zum Abfall von Rom
geraten hatte, hervor und sagte: „Von dem erbitterten Feinde ist keine
Gnade zu hoffen; retten kann uns nur der Tod. Wer von euch den Mut hat
dies Ende auf sich zu nehmen, der komme heute zu mir als Gast. Habt
ihr euch da an Speise und Trank gelabt, so will ich euch einen Becher
bieten, der von aller Schmach erretten soll.“ Siebenundzwanzig folgten
ihm zu diesem Totenmahle, bei dem sie sich erst mit Wein berauschten,
dann das Gift, das er ihnen reichte, tranken, sodaß sie vor dem Einzuge
der Feinde den Geist aufgaben. Die Stadt aber erfuhr eine furchtbare
Züchtigung. Siebzig Ratsherren wurden hingerichtet, dreihundert der
edelsten Campaner starben im Kerker, eine Menge Bürger wurde verkauft,
und Capua fortan als ein untertäniger, des Stadtrechts entkleideter Ort
behandelt. Gleiche Strenge erfuhren mehrere kleinere Städte Campaniens
als Strafe für ihren Abfall, und die treu gebliebenen fühlten sich in
ihrem Widerstand gegen den Feind eines glücklichen Ausgangs sicher.

Dieser Kampf dauerte in den südlichen Teilen Italiens mit wechselndem
Glück noch Jahre lang fort, ohne eine Entscheidung herbeizuführen.
Marcellus, der Eroberer von Syrakus, wiederholt zum Konsul gewählt,
führte ihn mit der ihm eigenen Umsicht und Zähigkeit, bis er in einem
ihm gelegten Hinterhalt den Tod fand (208). Zwei Jahre nach Capuas
Fall ward auch Tarent von dem Konsul Q. Fabius -- es war das fünfte
Konsulat des 80jährigen Helden -- erstürmt und mit furchtbarer Härte
für den Abfall gestraft. Hannibals Versuch, die unglückliche Stadt zu
schützen, kam zu spät.


=8. Hannibal und Scipio. Schlacht bei Zama.= (202).

Da Hannibal ohne Unterstützung von Karthago blieb, so setzte er seine
Hoffnung auf das an Hilfsmitteln unerschöpfliche Spanien, von wo ihm
seine Brüder Hasdrubal und Mago zu verschiedenen Malen neue Truppen
zuzuführen suchten. Aber auch diese Hoffnung täuschte ihn. Hasdrubal
war schon mit einem starken Heere, dem letzten, das er in Spanien hatte
sammeln können, über die Alpen nach Italien und am östlichen Apennin
entlang bis in die Landschaft Picenum gelangt, wo ihm der Konsul Livius
Salinator entgegentrat. Auf die Kunde hiervon eilte auch der andere
Konsul Claudius Nero, der in Unteritalien Hannibal gegenüber im Lager
stand, bevor dieser von der Ankunft seines Bruders Nachricht erhalten,
in raschem Zuge seinem Amtsgenossen zu Hilfe. Vereinigt schlugen und
vernichteten sie bei Sena Gallica am Flusse Metaurus, im Jahre 207,
das feindliche Heer. Als Hasdrubal die Niederlage der Seinen erkannte,
stürzte er sich unter die Feinde und kämpfte, bis er den Tod fand.
Darauf kehrte Nero in sein altes Lager zurück und ließ, wie erzählt
wird, das blutige Haupt Hadrubals unter die feindlichen Vorposten
schleudern. Als Hannibal seines Bruders Kopf erkannte und seine letzte
Hoffnung geschwunden sah, soll er in bitterem Schmerze ausgerufen
haben: „Daran erkenne ich Karthagos Schicksal!“

In den letzten Jahren behauptete sich Hannibal nur noch im Gebiete der
ihm treuen Bruttier und verfuhr nur verteidigungsweise. Endlich ward er
vom Rate zu Karthago zum Schutze der Vaterstadt zurückgerufen, da die
Römer in Afrika gelandet waren und Karthago selbst bedrängten. Hannibal
zögerte nicht dem Ruf zu folgen; denn seine Rolle in Italien war
ohnehin zu Ende. In Kroton (Cortona) bestieg er mit dem Reste seines
Heeres die Schiffe und verließ den Schauplatz seines sechzehnjährigen
Kampfes (203). Ebenso wurde sein jüngster Bruder Mago, der seit
drei Jahren in Norditalien sich festgesetzt und behauptet hatte,
heimgerufen, starb aber auf der Fahrt an einer Verwundung.

In Rom atmete man auf, als der gewaltige „libysche Löwe“ endlich den
italischen Boden freiwillig verließ. Bei diesem Anlaß ward dem einzig
überlebenden der Feldherren, die gegen ihn gefochten hatten, dem bald
90jährigen Quintus Fabius von Senat und Bürgerschaft die höchste Ehre
erwiesen, die ein Bürger erreichen konnte. Er empfing den Graskranz,
den nach alter Sitte das Heer seinem Feldherrn darbrachte, dem es seine
Rettung zu verdanken hatte. Noch in demselben Jahre starb der alte Held.

Der Feldherr aber, der den Krieg nach Afrika verlegt hatte, war
+Publius Cornelius Scipio+, der Sohn jenes Scipio, der im Treffen
am Ticinus verwundet worden war. Sein Vater und sein Oheim hatten,
nachdem sie fast ganz Spanien erobert hatten, zuletzt im Kampfe gegen
Hannibals Bruder Hamilkar schwere Niederlagen erlitten und selber den
Tod gefunden (211), und so hoffnungslos schien damals die Lage der
Römer auf dieser Halbinsel, daß in Rom jeder den Oberbefehl in diesem
gefahrvollen Kriege ablehnte. Nur der erst siebenundzwanzigjährige
Publius Scipio bot dem Vaterlande seine Dienste an. Er hatte noch nicht
das zu Staatsämtern erforderliche Alter erreicht, aber der aus schönem
Körper hervorleuchtende hohe und stolze Geist, seine Begierde den Tod
des Vaters zu rächen und seine schon bewährte Tapferkeit bestimmten
den Senat dem edlen Jüngling den Heerbefehl zu übertragen. Im Jahre
211 ging er, den die Römer mit dem Kriegsgott selber verglichen, nach
Spanien, um dieses wichtige Gebiet dem Feinde zu entreißen.

Hier fand er ein niedergeschlagenes und zerrüttetes Heer, dem er erst
Mut und Vertrauen einflößen mußte. Schon 210 eroberte er Neukarthago
und gewann unermeßliche Beute. Die Geiseln, welche die Karthager für
die Treue der Spanier hier aufbewahrten, behandelte er mit großer
Freundlichkeit und Schonung. Unter ihnen befand sich eine Jungfrau
von ausgezeichneter Schönheit. Er fragte sie nach ihren Eltern und
ihrer Heimat. Sie sagte ihm, sie sei die Tochter eines keltiberischen
Häuptlings und die Braut des Allucius, eines keltiberischen Fürsten.
Sogleich ließ Scipio ihre Eltern und ihren Bräutigam herbeikommen. Sie
naheten sich in banger Ungewißheit, aber Scipio beruhigte sie: „Hier
ist deine Braut“, sprach er zu Allucius, „nimm sie unverletzt und ohne
Lösegeld zurück, und werde ein Freund der Römer!“ Da ergriff Allucius,
von Dankgefühl und Freude hingerissen, die Rechte des Scipio und bat
die Götter solchen Edelmut würdig zu belohnen. Auch die Eltern des
Mädchens waren tief gerührt. Sie hatten ein großes Lösegeld mitgebracht
und baten ihn dies als ein Zeichen ihrer Dankbarkeit anzunehmen. Scipio
nahm das Geld, wandte sich noch einmal an Allucius und sagte: „Zu der
Mitgift, die du von deinem Schwiegervater erhalten wirst, nimm von mir
dieses Hochzeitsgeschenk.“ Freudig kehrte der glückliche Bräutigam
mit den Seinigen zurück, und indem er überall das Lob des Scipio
verbreitete, brachte er seine Mitbürger auf die Seite der Römer. „Ein
Jüngling,“ sagte er zu den Keltiberern, „ist nach Spanien gekommen,
ganz den Göttern ähnlich, der nicht bloß durch Waffen, sondern auch
durch Milde und Wohltun alles besiegt.“

Nachdem Scipio in sechsjährigem Kriege die karthagische Macht in
Spanien völlig vernichtet und die Einwohner teils mit Waffengewalt,
teils durch kluge Großmut und Milde unter römische Botmäßigkeit
gebracht hatte, kehrte er sieggekrönt nach Rom zurück (205), wo
ihm das Konsulat für das folgende Jahr übertragen wurde. Er ging
nach Sizilien und traf hier gewaltige Zurüstungen zu einem Zuge
nach Afrika, an dessen Küste er im Jahre 204 landete. Die Karthager
hatten ein bedeutendes Heer unter Hasdrubal und Syphax, dem König
von Westnumidien. Aber Scipio wußte durch eine List ihr Lager
auszukundschaften, steckte es bei einem nächtlichen Überfall in Brand
und rieb fast das ganze Heer auf. Auch in einer zweiten Schlacht schlug
er die Feinde. Da riefen die Karthager, im eigenen Lande gefährdet,
ihren Feldherrn Hannibal zurück.

Der gefürchtete Held erschien in Afrika und bezog bei +Zama+, fünf
Tagereisen von Karthago, ein Lager (202). Vor der Schlacht wünschte
er, da er wohl einen unglücklichen Ausgang voraussah, eine Unterredung
mit Scipio, um über den Frieden zu verhandeln. Sie ward ihm gewährt.
Auf einer Ebene unweit von Zama kamen beide Feldherrn zusammen. Sie
gerieten beim ersten Anblick in solches Erstaunen, daß sie sich
eine Zeit lang schweigend betrachteten. Beide hatten sich noch
niemals gesehen und doch schon so viel von einander gehört. Beide
waren die größten Feldherrn ihrer Zeit, aber in ihrem Äußeren weit
verschieden. Hannibal, damals fünfundvierzig Jahre alt, zeigte ein
finsteres, schwermütiges Antlitz; die Mühseligkeiten seiner langen und
wechselvollen Feldzüge hatten ihre tiefen Spuren darin zurückgelassen.
Scipio hingegen, damals in einem Alter von fünfunddreißig Jahren, war
ein Muster männlicher Schönheit. Nach langem Schweigen fing endlich
Hannibal die Unterredung an. Er sprach zuerst von der Veränderlichkeit
des Glücks und seinen eigenen Schicksalen; dann riet er Scipio, er möge
dem Glücke, das ihm jetzt lächele, nicht zu sehr vertrauen, und einen
sicheren Frieden einem ungewissen Kampfe vorziehen. Hierauf legte er
ihm seine Friedensbedingungen vor; er versprach im Namen der Karthager
Spanien, Sardinien und alle anderen Inseln zwischen Afrika und Italien
den Römern abzutreten. Scipio aber verwarf diese Bedingungen und
forderte vollständige Unterwerfung der Karthager. Da Hannibal diese
nicht versprechen wollte noch konnte, so schied man ohne Ergebnis von
einander, um sich zum Entscheidungskampfe zu bereiten.

Am folgenden Tage stellte Scipio die drei Linien seines Fußvolkes
in die Mitte, und zwar in durchbrochenen Gliedern, um den achtzig
Elefanten, welche Hannibal vor seiner Schlachtlinie aufstellte, Raum
zum Durchbrechen zu lassen. Auf dem linken Flügel stand die italische
Reiterei, auf dem rechten +Massinissa+, der mit den Römern verbündete
König von Ostnumidien, an der Spitze seiner numidischen Reiter. Auch
Hannibal ordnete sein Fußvolk in drei Linien. Vorn, gedeckt durch die
Reihe der Elefanten, die karthagischen Soldtruppen, hinter diesen
die libyschen Truppen, und darauf die Veteranen, die er aus Italien
hergeführt hatte. Auf den beiden Flügeln standen wie üblich die
Reitergeschwader.

Gleich beim Beginn des Treffens wurden die Elefanten durch das
Kampfgeschrei und die Feldmusik der Römer, dann durch einen Hagel von
Geschossen scheu, brachen durch die Lücken der römischen Aufstellung
und warfen sich auf die Reiterei des eigenen Heeres. Diese geriet in
Unordnung und ergriff, als jetzt die römische zum Angriff vordrang,
die Flucht. So wurden gleich anfangs die Flügel des punischen Heeres
entblößt. Aber auch die Leichtbewaffneten in der ersten und zweiten
Linie der Karthager wurden nach kurzem Gefecht auf die Hauptkolonne
zurückgeworfen. Ganze Haufen von Erschlagenen lagen der vordringenden
ersten Linie der Römer im Wege und hinderten sie im weiteren
Vorrücken. Da ließ Scipio die zweite und dritte Linie eine Schwenkung
machen und in die Flanken des Feindes vordringen. Gleichwohl hielt das
punische Heer, von Hannibal rasch wieder gesammelt und geordnet, und
zumal seine italischen Kerntruppen noch tapfer stand, bis die römische
Reiterei von der Verfolgung der punischen zurückkam und dem Fußvolk in
den Rücken fiel. Dies entschied die Niederlage der Punier; 20000 lagen
tot auf dem Schlachtfelde, etwa ebenso viele wurden gefangen. Hannibal
selbst entkam mit wenigen Reitern. Er erkannte, daß fortan jeder
Widerstand vergeblich sei, und riet in Karthago dringend zum Frieden.

Der Friede kam auf folgende Bedingungen zustande (201): die Karthager
behalten nur ihr Gebiet in Afrika, bezahlen 10000 Talente (über 47
Mill. Mark) in 50 Jahren, liefern ihre 500 Kriegsschiffe bis auf 10
aus, ebenso die Elefanten, und dürfen ohne Roms Genehmigung keinen
Krieg anfangen. Damit war die Macht und die Vorherrschaft Karthagos im
westlichen Mittelmeer gebrochen. Sicilien und die iberische Halbinsel
standen fortan als die ersten Provinzen des erstehenden römischen
Reiches (~imperium~) unter der Verwaltung römischer Statthalter. Nicht
lange, so gerieten auch die Küstenländer des östlichen Mittelmeeres
unter die Hoheit dieses Reiches.

Nach seiner Rückkehr feierte Scipio in Rom einen Triumph, der alle
früheren an Bedeutung und Glanz übertraf, und erhielt den Ehrennamen
+Africanus+.


9. Hannibals und Scipios Ausgänge.

Nach Abschluß des Friedens war Hannibal rastlos bemüht die durch den
langen Krieg erschöpften Kräfte seiner Vaterstadt wieder herzustellen
und einer besseren Zeit, auf die er immer noch hoffte, vorzusorgen. Vor
allem verwaltete er die Einkünfte und Ausgaben des Staates so weise und
sparsam, daß nicht nur die außerordentliche Kriegssteuer regelmäßig
an die Römer bezahlt wurde, sondern sogar noch ein Überschuß blieb.
Aber unter den Bürgern fehlte es ihm nicht an mächtigen Feinden, die,
von den Römern heimlich ermuntert, auf sein Verderben sannen. Um ihren
Nachstellungen zu entgehen, verließ er nach vier Jahren sein Vaterland
und ging zu +Antiochus+, dem König von Syrien, mit dessen Hilfe er
aufs neue einen Kampf gegen Rom zu beginnen hoffte. Dieser mächtige
König geriet einige Jahre später in Krieg mit Rom, den er auf Hannibals
Rat in Griechenland und Italien zu führen beschloß. Aber statt mit
aller Macht nach Italien zu gehen, zögerte er in Griechenland, bis ein
römisches Heer dort erschien und ihn bei +Thermopylä+ besiegte, worauf
er eiligst nach Asien zurückkehrte (191). Hier trat ihm im folgenden
Jahre der römische Konsul +Lucius Cornelius Scipio+ entgegen, dem sein
Bruder Publius, der Sieger von Zama, als Berater und eigentlicher
Leiter des Feldzugs beigegeben war. Die entscheidende Schlacht erfolgte
in Lydien bei +Magnesia+ am Berge Sípylos (190).

Den Angriff machten die Syrer mit ihren furchtbaren Sichelwagen.
Aber die römischen Schleuderer und Bogenschützen scheuchten die
Pferde derselben durch ihre Geschosse und ihr Geschrei, sodaß sich
diese mit den Wagen wendeten und auf den einen syrischen Flügel
einstürmten, und als hier durch die Fliehenden eine Lücke entstand,
drangen die römischen Reiter ein und brachten denselben samt dem
ganzen Mitteltreffen in Verwirrung. Auf dem rechten Flügel dagegen war
Antiochus schon nahe daran das römische Lager zu erobern, als er von
der dort aufgestellten Besatzung so empfangen wurde, daß er sein Pferd
zur Flucht wandte und den Römern das Schlachtfeld überließ. Von den
Syrern waren 50000, von den Römern nur einige hundert Mann gefallen.

Antiochus, gänzlich geschlagen, mußte in einem schimpflichen Frieden
Kleinasien bis an das Gebirge Taurus abtreten und 15000 Talente (über
70 Millionen Mark) zahlen. Auch gehörte zu den Friedensbedingungen
Hannibals Auslieferung. Dieser floh aber zu +Prúsias+, dem König
von Bithynien, der ihn sehr freundlich aufnahm und mit einer Burg
beschenkte. Hier lebte er eine Zeitlang in Frieden, richtete aber seine
Wohnung so ein, daß sie nach jeder Seite einen Ausgang hatte; denn er
zweifelte ebenso sehr an der beharrlichen Treue des Königs, als er von
dem Hasse der Römer gegen sich alles fürchtete. Und er irrte sich nicht.

Als die Römer von dem Aufenthalte ihres größten Feindes Nachricht
erhalten hatten, schickten sie eine Gesandtschaft zu Prusias, an deren
Spitze Flaminius stand. Dieser bat den König um die Auslieferung
Hannibals. Der König scheute sich das Gastrecht zu verletzen, er
fürchtete aber nicht minder das Gesuch abzuschlagen. Er ließ daher
die Römer selbst hingehen, um sich Hannibals zu bemächtigen. Eines
Tages sah dieser sein Haus auf allen Seiten von Bewaffneten umringt
und keinen Ausweg zur Flucht mehr übrig. Eingedenk seiner großen
Vergangenheit wollte er sich nicht lebendig gefangen geben. „So will
ich denn endlich die Römer“, rief er aus, „von ihrer Angst befreien, da
sie den Tod eines alten Mannes doch nicht erwarten können!“ Darauf nahm
er das Gift, das er schon längst bei sich zu führen gewohnt war, und
starb, wie er gelebt hatte, voll Haß gegen die Römer (183), einer der
größten Feldherrn der alten wie der neuen Zeit, der furchtbarste Feind,
den Rom je zu bestehen hatte.

In demselben Jahre endete auch das Leben seines großen Gegners Publius
Scipio, des Siegers von Zama. Auch dieser war dem Neide und der
Mißgunst seiner Mitbürger nicht entgangen. Er war als Unterfeldherr
seinem schwächlichen und wenig begabten Bruder Lucius im Krieg gegen
Antiochus nach Asien gefolgt, nach dessen siegreichem Ausgang jener
den Ehrennamen Asiaticus erhielt. Nach seiner Rückkehr wurde er nebst
seinem Bruder, auf Anstiften des +Cato+, angeklagt, sie wären von
Antiochus bestochen worden, um ihm einen milden Frieden zu gewähren,
und hätten einen Teil der Beute unterschlagen. Viele ehrliche, aber
allzu argwöhnische Bürger mißbilligten zwar eine solche Anklage gegen
einen so verdienstvollen Mann; dennoch ward Scipio von den Tribunen
vor das Volksgericht geladen. Und er erschien am bestimmten Tage, aber
wie ein Triumphator, das Haupt bekränzt, von zahlreichen Freunden
und Anhängern begleitet. Mitten durch die Versammlung schritt er zur
Rednerbühne. Aber anstatt sich gegen den schmählichen Vorwurf der
Bestechlichkeit und der Unterschlagung zu verteidigen, zerriß er
vor den Augen des Volkes die Rechnungen über seine und des Bruders
Amtsführung, und rief: „An diesem Tage habe ich einst Hannibal bei
Zama geschlagen und Karthago euch zinsbar gemacht. Laßt uns nicht
undankbar gegen die Götter sein! Auf! gehen wir aufs Kapitol, um ihnen
zu danken!“ Mit diesen Worten verließ er die Bühne und stieg zum nahen
Kapitol hinan. Alles Volk brach in Beifall aus und folgte ihm, nur die
Tribunen blieben, beschämt und verhöhnt, allein auf dem Platz zurück.
Scipio wurde von dem Volke zuerst auf das Kapitolium, dort zum Tempel
des Jupiter und endlich in seine eigene Wohnung zurückbegleitet. So
ward dieser Tag der Anklage für ihn fast noch ehrenvoller als der Tag
seines Triumphes.

Da aber die Anfeindungen seiner Neider und Gegner gleichwohl nicht
nachließen, so erfüllte sich das Gemüt des stolzen Mannes mit solcher
Bitterkeit, daß er nicht mehr inmitten so vieler Undankbarkeit weilen
mochte: er verließ Rom und zog sich auf sein Landgut Liternum in
Campanien zurück. Aber der Haß der Tribunen verfolgte ihn auch hier.
Sie erneuerten ihre Anklage; vergebens entschuldigte ihn sein Bruder
durch eine Krankheit. Erst als Tiberius Gracchus, sonst ein Feind der
Scipionen, eine solche Anklage für eine des römischen Staates unwürdige
Handlung erklärte, ließen die Tribunen davon ab. Scipio aber verlebte
den Rest seiner Tage in Liternum, ohne je nach Rom zurückzukehren. Ja
der Groll gegen seine Vaterstadt war so groß, daß er seiner Gattin
befahl seinen Leichnam nicht in dem Grabmal der Scipionen an der
appischen Straße, nahe vor Rom, sondern in Liternum beizusetzen und
dort auf sein Grab die Worte zu schreiben: „Undankbare Vaterstadt, auch
meine Gebeine sollst du nicht haben!“



XXI.

Kriege gegen Makedonien. Ämilius Paulus. -- Der jüngere Scipio
Africanus. Karthagos Zerstörung.


Nachdem die Römer aus dem zweiten punischen Kriege, der anfangs ihren
Staat mit dem Untergang bedroht hatte, siegreich hervorgegangen waren,
dehnten sie ihre Eroberungen auch nach Osten aus, wo sie den Kampf
mit den aus Alexanders des Großen Weltmonarchie entstandenen Reichen
begannen. Schon ehe Lucius Scipio, wie bereits erwähnt, Antiochus,
den König von Syrien, bei Magnesia besiegte, war Philippus III. von
Makedonien, der im punischen Kriege auf Hannibals Seite getreten war,
in der Schlacht bei +Kynosképhalä+ in Thessalien, wo die berühmte
makedonische Phalanx den römischen Legionen gegenübertrat, von
+Quinctius Flamininus+ geschlagen worden (197). Im Frieden mußte
Philippus alle seine Eroberungen in Griechenland herausgeben, worauf
Flamininus, für griechische Bildung begeistert, bei den isthmischen
Spielen Griechenlands Freiheit verkündigte. Die Griechen sollten fortan
nach eigenen Gesetzen leben, keine fremde Besatzung im Lande haben und
keinen Tribut bezahlen.

König Philipp suchte zwar den Frieden mit dem stetig vordringenden
Rom solange als möglich zu erhalten, erkannte aber die seinem Reiche
von dort dräuende Gefahr und traf alle Vorbereitungen zu einem neuen
Kriege, der auch bald nach seinem Tode unter seinem Sohne +Perseus+ zum
Ausbruch kam. Die Römer führten diesen Krieg in den ersten Jahren sehr
lässig, und erst +Ämilius Paullus+ erzwang durch den entscheidenden
Sieg bei +Pydna+ die Unterwerfung Makedoniens (168).

Kurz vor dieser Schlacht trat eine Mondfinsternis ein, die ein
römischer, der Astronomie kundiger Oberst, Sulpicius Gallus, dem Heere
vorhergesagt und erklärt hatte, damit sie dieselbe nicht für ein
böses Vorzeichen halten möchten, während die Makedoner sie für ein
Unglückszeichen hielten und vor Angst laut schrieen. Als die Schlacht
begann, bot der starre Lanzenwald der dichtgeschlossenen makedonischen
Phalanx den Römern einen so furchtbaren Anblick dar, daß es lange Zeit
nicht gelingen wollte die Legionen zum Angriff heranzubringen. Erst
als Ämilius hier und da Lücken bemerkte, befahl er in Keilstellung
sich in die Lücken einzudrängen, und während die Elefanten den einen
seiner Flügel zum Weichen brachten, sprengte er selbst mit einer Legion
die Mittelstellung des Feindes. So ward der Sieg in +einer+ Stunde
entschieden; 20000 Makedoner bedeckten das Schlachtfeld, 11000 wurden
gefangen. Bald darauf war Perseus genötigt sich mit den Seinigen den
Römern zu ergeben.

Ämilius Paulus feierte zu Rom einen dreitägigen Triumph und brachte
eine unermeßliche Beute heim. In allen Straßen und auf allen freien
Plätzen waren Schaugerüste für das Volk errichtet; alle Tempel
waren geöffnet und strömten, mit Kränzen geschmückt, den Duft des
köstlichsten Weihrauchs aus. Am ersten Tage wurden die erbeuteten
Gemälde, Bildsäulen, Vasen und sonstiges Kunstgerät auf 250 Wagen
aufgeführt. Am zweiten Tage wurden die eroberten Waffen und Rüstungen
im hellsten Glanze und in kunstreicher Anordnung umhergefahren,
darauf 750 Gefäße mit gemünztem Silber, zuletzt die kunstvollsten
Silbergeräte der verschiedensten Art, von zahlreichen Trägern
vorübergetragen. Am dritten Tage eröffneten 120 bekränzte Opferstiere
den Zug; ihnen folgten festlich geschmückte Knaben und Jünglinge mit
Opfergefäßen; dann kam des Perseus Schatz und sein Wagen mit dem Diadem
und Waffenschmuck, endlich seine Kinder, Perseus selbst mit verstörtem
Gesicht, samt seiner Gemahlin und Verwandtschaft. Alsdann wurden
400 goldene Ehrenkronen, welche die griechischen Städte dem Sieger
gewidmet hatten, vorbeigetragen. Den Schluß machte Ämilius selbst auf
einem mit vier weißen Rossen bespannten Triumphwagen in goldgesticktem
Purpurgewand, einen Lorbeerzweig in der Hand, und hinter ihm das
siegreiche Heer.

Perseus endete in römischer Gefangenschaft. Makedonien wurde in vier
gänzlich von einander getrennte Gemeinwesen geteilt. Mit dem Siege bei
Pydna war Roms Oberherrschaft auf der Balkanhalbinsel entschieden.


Bei all diesen Erfolgen aber blieb die Aufmerksamkeit der Römer auch
auf Karthago gerichtet, das, an günstigster Stelle der afrikanischen
Nordküste gelegen, durch seinen Handel, durch die Fruchtbarkeit und den
Reichtum des Landes sich von neuem zu einem Wohlstand erhoben hatte,
welcher den Neid und das Mißtrauen der Römer erregte. Sie ruhten nicht
eher, als bis die alte Nebenbuhlerin gänzlich vernichtet war. Der Ruhm,
Rom von dieser noch immer nicht ungefährlichen Stadt befreit zu haben,
fiel dem Publius +Cornelius Scipio Ämilianus+ zu.

Dieser Mann war der Sohn jenes Ämilius Paullus, der den makedonischen
König Perseus überwunden hatte. Er war ein tapferer und einsichtiger
Soldat, wenn auch kein großer Feldherr, von reiner edler Sinnesweise,
von einer Bildung, die ihn über alle seine Standesgenossen erhob, ein
Kenner und Freund hellenischer Kunst, Literatur und Wissenschaft.
Er war von dem kinderlosen Sohne des großen Scipio an Sohnes statt
angenommen, führte deshalb nach römischer Sitte dessen Namen und
außerdem, zur Erinnerung an sein väterliches Geschlecht den Beinamen
Ämilianus. Nachdem er während der Belagerung Karthagos sich als der
tüchtigste Offizier des Heeres bewährt hatte, wurde ihm der Oberbefehl
übertragen. Dieser Krieg aber hatte folgende Veranlassung.

+Massinissa+, König von Numidien, den die Römer den Karthagern zum
Nachbar und Aufseher hingestellt hatten, beunruhigte diese unaufhörlich
und nahm ihnen Provinzen und Städte weg. Die wiederholten Klagen der
Karthager fanden in Rom kein Gehör. Als sie endlich gegen ihn zu den
Waffen griffen, sah der römische Senat darin eine Verletzung des
Friedens. Der Mann, der fortwährend im Senate zur Zerstörung Karthagos
aufreizte, war der schon oben (S. 90) erwähnte +Marcus Porcius Cato+.

Dieser Mann übte in Rom einen großen Einfluß auf den Senat wie auf das
Volk. Als Bauer im Sabinerlande geboren, war er Zeit seines Lebens von
derben bäuerischen Sitten geblieben, und ein erbitterter Feind der
feineren griechischen Bildung und der damit verbundenen Sittenänderung.
Wie er im punischen und makedonischen Kriege sich in vielen Schlachten
hervorgetan, so war er auch im Frieden unermüdlich im Dienste des
Staates und erreichte die höchsten Ämter. Als Zensor übte er gegen alle
Bürger, selbst die vornehmsten, welche sich ihres Standes unwürdig
benommen hatten, eine unnachsichtige Strenge. Man nennt ihn deshalb,
zum Unterschiede von dem gleichnamigen Gegner Cäsars, Censorius. Zur
Prüfung einer Streitsache zwischen Karthago und Massinissa war er nach
Afrika geschickt worden, und sah mit Erstaunen und Sorge, wie sehr sich
die Stadt in dem halben Jahrhundert des Friedens wieder gehoben hatte.
Handel und Verkehr blühten, die Volkszahl war so groß wie ehemals, der
Kriegshafen voll von Schiffen und die Zeughäuser angefüllt mit Waffen
und aller Art von Kriegsgerät. Seit dieser Zeit stimmte Cato für die
Zerstörung Karthagos und fügte jedem Vortrage, den er im Senat hielt,
die Worte hinzu: „Übrigens bin ich der Meinung, daß Karthago zerstört
werden muß.“ Einst brachte er einige Feigen in die Senatsversammlung.
Als die Senatoren deren Größe und Schönheit bewunderten, sagte er:
„Diese Feigen sind erst vor drei Tagen in Karthago gepflückt worden; so
schöne Frucht trägt dies feindliche Land, und so nahe sind wir ihm.“
Durch solche und ähnliche Künste suchte Cato den Senat für seinen
Vorschlag zu gewinnen.

Vergeblich erhob sich im Senat ein lebhafter Widerspruch gegen ein so
ungerechtes und zugleich unkluges Verfahren. Man besorgte mit Recht,
daß die Kräfte der Römer erschlaffen oder sich gegen den Staat selbst
richten würden, wenn sie nicht mehr durch Furcht vor der Nebenbuhlerin
angespannt oder nach außen geleitet würden. Endlich drang jedoch
Cato mit seiner Meinung durch. Als bald darauf Karthago, durch die
unablässigen Übergriffe Massinissas gereizt, sich mit Waffengewalt
gegen ihn erhob, benutzte der römische Senat diesen Anlaß, um die Stadt
des Friedensbruches anzuklagen, und die Konsuln erhielten den Befehl,
von Sicilien aus nach Afrika zu gehen und den Krieg gegen Karthago zu
beginnen (149).

Als die Karthager davon hörten, gerieten sie in die größte Bestürzung.
Im Gefühl ihrer Schwäche schickten sie zu wiederholten Malen Gesandte
nach Rom und unterwarfen sich gänzlich dem Willen der Römer. Der
Senat nahm ihre Unterwerfung an und befahl ihnen dreihundert Geiseln,
Söhne ihrer vornehmsten Bürger, nach Sicilien zu bringen und den
Konsuln Folge zu leisten. Die Geiseln wurden gestellt, aber die
Konsuln segelten gleichwohl mit ihrem Heere nach Afrika. Bei der
Ankunft eines so großen Heeres schickten die Karthager von neuem eine
Gesandtschaft an die Konsuln, um sie zu fragen, was sie tun sollten,
und mit dem Versprechen, daß sie alles zu tun bereit wären. Die Konsuln
verlangten, die Karthager sollten ihre vorrätigen Schiffe, Waffen und
Kriegsmaschinen ausliefern. Die Karthager stellten ihnen vor, daß sie
von inneren und äußeren Feinden umgeben wären und also ihrer Waffen
bedürften. Allein die Konsuln antworteten in stolzem Tone: „Rom wird
für eure Sicherheit sorgen.“ Und Karthago gehorchte noch einmal. Die
Schiffe wurden verbrannt, die Kriegsgeräte ausgeliefert. Ihre Zahl soll
sich auf 200000 schwere Rüstungen und 3000 Katapulten (Wurfmaschinen)
belaufen haben. Hierauf riefen die Konsuln die vornehmsten Senatoren
der Karthager zu sich, um ihnen die letzten Befehle des römischen
Senats zu eröffnen. Sie erschienen, ein ehrwürdiger Zug von dreißig
Greisen, denen eine nicht minder ehrwürdige Anzahl von Priestern und
vornehmen Männern folgte. Jetzt verlangten die Konsuln im Namen des
Senats: die Karthager sollten ihre Stadt verlassen und eine andere
bauen, die über 10000 Schritte weit vom Meer entfernt wäre Und keine
Mauern hätte; denn das jetzige Karthago müsse dem Erdboden gleich
gemacht werden.

Mit Entsetzen hörten die Abgeordneten diese furchtbaren Befehle,
und brachen in so herzergreifendes Wehklagen aus, daß selbst das
umstehende Kriegsvolk dadurch gerührt wurde. Aber die Konsuln blieben
erbarmungslos, sie bestanden auf ihrer Forderung, und die Gesandten
kehrten ganz entmutigt nach Karthago zurück. Hier aber, als sich die
Schreckenskunde verbreitete, bemächtigte sich des Volkes eine rasende
Wut und Verzweiflung. Die Wut wendete sich zuerst gegen diejenigen der
Senatoren, die zur Auslieferung der Geiseln und Waffen geraten hatten.
Andere ergriffen die Abgeordneten, steinigten sie und schleiften
ihre Körper durch die Straßen der Stadt. Noch andere ermordeten alle
anwesenden Italiker oder zogen mit Hohngelächter in die Tempel der
Götter, die, wie sie sagten, nicht einmal Kraft genug zu ihrer eigenen
Verteidigung hätten. Nur wenige behielten bei der allgemeinen Aufregung
einige Besonnenheit. Diese verschlossen die Tore der Stadt und trugen
eine große Menge Steine auf die Mauern, um damit wenigstens den ersten
Angriff zurückzutreiben.

Als die Heftigkeit des ersten Schmerzes vorüber war, versammelten
sich die Senatoren von neuem. Alle waren entschlossen ihre Stadt aufs
äußerste zu verteidigen und entweder zu siegen oder zu sterben. Eine
rastlose Tätigkeit begann und setzte alles in Bewegung. Die Verbrecher
wurden aus den Gefängnissen erlöst, die Sklaven freigelassen,
die Verbannten zurückgerufen und alle Einwohner zum Waffendienst
verpflichtet. Aber nun fühlte man den Mangel an Waffen. Da wandelten
sich alle Tempel und öffentlichen Gebäude in Werkstätten. Alle, ohne
Unterschied des Standes und Alters, Männer und Weiber, arbeiteten Tag
und Nacht an der Verfertigung von Waffen. Überall suchte man Eisen
und Erz zusammen und nahm sogar den Gold- und Silberschmuck von den
Bildnissen der Götter. Die Weiber schnitten ihre Haare ab, um daraus
Stricke zu drehen. Bei einem solchen Eifer wurden täglich 140 Schilde,
300 Schwerter, 500 Lanzen und 1000 Wurfspeere verfertigt. Sogar fünfzig
neue Kriegsschiffe wurden gebaut.

Die Konsuln hatten indessen mit ihrem Angriff gezögert. Als sie
endlich heranrückten, um die Stadt mit Sturm zu nehmen, wurden sie
zurückgeschlagen. Außerdem war Hasdrubal, ein verbannter Karthager,
mit 20000 Vertriebenen zurückgekehrt. So verteidigten sich die
Karthager zwei Jahre lang (149-147) mit verzweifeltem Mute, und alle
Anstrengungen der römischen Feldherren blieben ohne Erfolg.

Da wählten die Römer, des langen Zauderns müde, den +P. Cornelius
Scipio+ zum Konsul und übertrugen ihm den Oberbefehl gegen Karthago.
Scipio fand ein zuchtloses und träges Heer; die Herstellung der
Kriegszucht war daher seine erste Sorge. Dann legte er große Wälle und
Dämme an, um den Karthagern die Zufuhr vom Lande und von der Seeseite
her abzuschneiden. Aber die Karthager gruben auf der inneren Seite des
Hafens eine neue Mündung ins Meer hinaus. Da sie die Arbeit ganz geheim
betrieben hatten, so erstaunten die Belagerer nicht wenig, als sie
eines Tages die Feinde mit 50 Kriegsschiffen heranfahren sahen. Scipio
schlug sie jedoch in einem Seegefechte, und machte nun Anstalt zur
Bestürmung der Stadt und rückte an die Mauer. Im Frühling des Jahres
146 erstürmte er zuerst den unteren Teil der Stadt, der an die Häfen
stieß, während die Burg Byrsa und die zunächst anstoßenden Straßen
noch von Feinden besetzt blieben. Hier waren die Häuser am höchsten
und ein jedes mußte von den Römern, während die Punier Geschosse jeder
Art schleuderten, mit stürmender Hand genommen werden. In den Straßen,
in den Häusern, sogar auf den Dächern wurde gekämpft. Und als nun die
äußerste Häuserreihe genommen war, befahl Scipio das ganze Quartier
anzuzünden, um einen freien Raum für die Bestürmung der Burg selbst
zu gewinnen. Sechs Tage vergingen, ehe die entsetzliche Verwüstung
vollendet und die Trümmer- und Leichenhaufen weggeräumt waren. Am
siebenten Tage kamen 25000 Frauen aus der Burg herab und baten um
Schonung ihres Lebens. Scipio bewilligte ihre Bitte. Darauf kamen
30000 Männer und verlangten dieselbe Gnade. Noch wollte Hasdrubal,
der Befehlshaber der Burg, nichts von Übergabe wissen. Mit Weib und
Kind und mit 900 römischen Überläufern zog er sich zuletzt in das
hohe Tempelgebäude des Äsculapius (des Gottes der Heilkunst) zurück.
Als aber die Römer auch bis zu dieser äußersten Höhe herangerückt
waren, verließ ihn der Mut. Ohne Mitwissen der anderen kam er mit
einem Ölzweige in der Hand und bat zu Scipios Füßen um Frieden. Seine
Gattin und die übrigen zündeten den Tempel an und stürzten sich in die
Flammen. Die noch nicht zerstörten Teile der Stadt wurden darauf zur
Plünderung den Truppen preisgegeben; nur die Beute der Tempel an Gold,
Silber und Kunstwerken behielt Scipio für den öffentlichen Schatz. Die
meisten Einwohner wurden als Sklaven verkauft; viele, unter ihnen auch
Hasdrubal, wurden als Gefangene an einzelne italische Städte verteilt
und von diesen bis zu ihrem Tode in Haft gehalten. Der Senat beschloß,
daß Karthago dem Erdboden gleich gemacht und jeder verflucht sein
sollte, der je die Stätte desselben wieder bebauen würde. Nach diesem
Beschluß wurden auch die noch stehenden Reste der Stadt angezündet.
Siebzehn Tage brannte die vorher von 700000 Menschen bevölkerte, über
700 Jahre alte gewaltige Stadt. Eines Tages beschaute Scipio an der
Seite seines Freundes, des griechischen Geschichtschreibers Polybios,
von einer Anhöhe aus die rauchenden Trümmer der Stadt, deren Flotten
einst die Meere beherrscht hatten. Eine tiefe Wehmut ergriff ihn, da er
der Hinfälligkeit aller Menschenmacht und Menschenglückes gedachte, und
er erinnerte sich und die Freunde jener Worte, die der Dichter Homer
dem Priamos in den Mund legt:

    Einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinsinkt,
    Priamos selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs.

Scipio erhielt von der Zerstörung Karthagos den Ehrennamen Africanus,
und wird, um ihn von dem älteren Scipio, dem Sieger bei Zama, zu
unterscheiden, der jüngere Afrikaner (~Africanus minor~) genannt. Das
Gebiet Karthagos ward unter dem Namen Afrika eine römische Provinz.

In demselben Jahre, als Karthago fiel, wurde auch Makedonien in eine
römische Provinz verwandelt, und auch das freie Griechenland infolge
einer Empörung unter den Statthalter von Makedonien gestellt, nachdem
die große und reiche Stadt Korinth durch den Konsul +Mummius+ erobert
und zerstört worden war (146).


Nachdem Scipio zwölf Jahre in Ruhe und Muße, mit den Wissenschaften
beschäftigt, gelebt hatte, wurde ihm eine neue Gelegenheit zu
kriegerischer Auszeichnung zuteil. Die Veranlassung zu diesem neuen
siegreichen Feldzug bot der Kampf gegen die Stadt +Numántia+ in Spanien.

In dieser Provinz hatte die Habsucht, die Willkür und rohe Grausamkeit
der römischen Statthalter, von denen einer sogar wehrlos versammelte
Einwohner, die sich unterwarfen, niederhauen ließ, eine allgemeine
Empörung erregt. An die Spitze stellte sich +Viriáthus+, ein kühner
Lusitanier. Gewöhnt an ein freies Leben im Gebirge, abgehärtet,
gewandt, kräftig von Körper, keine Gefahr scheuend, geliebt von seinen
Landsleuten, vertraut mit dem Boden seines bergigen Vaterlandes,
verstand er sein Volk zum Kampf für die Freiheit zu begeistern. So
verteidigte er sich acht Jahre lang (148-140) gegen die römischen
Feldherren, bis er endlich durch Meuchelmord fiel.

Aber auch nach seinem Tode dauerte der Freiheitskampf der Spanier
fort. Den heftigsten Widerstand leistete zuletzt die Stadt +Numántia+.
Sie lag auf der altkastilischen Hochebene, am Flusse Durius (Dūero),
auf steiler Höhe, von Talschluchten und Wäldern umgeben; Wälle und
Gräben schützten den einzigen Zugang aus der Ebene. Die keltiberischen
Einwohner, unter ihnen gegen 8000 wehrhafte Männer, waren wegen ihrer
kriegerischen Tüchtigkeit bekannt. Schon sieben Jahre lang hatten sie
sich gegen die römischen Angriffe behauptet, und in Rom begann man
unruhig und besorgt zu werden. Man zieh die bisherigen Führer der
Unfähigkeit oder des Verrats und meinte, nur Scipio, der Zerstörer
Karthagos, könne hier helfen. So übertrug ihm das Volk den Heerbefehl
in Spanien (134).

Bei seiner Ankunft im Lager fand er die Kriegszucht im Heere gänzlich
erschlafft; im Lager wimmelte es von Krämern, Schenkwirten und
Gesindel; die Soldaten lebten nur in Lust und Spiel. Die Herstellung
der alten Mannszucht beschäftigte ihn daher ein ganzes Jahr. Er übte
die der Arbeit entwöhnten Soldaten unaufhörlich und mit unerbittlicher
Strenge im Lagerbau, Lasttragen, Marschieren, in Manövern und
Streifzügen. Da er die Stadt auszuhungern gedachte, so vermied er einen
Sturm, rückte aber immer näher an sie heran, schloß sie mit Wall und
Graben ein und schnitt ihr so von allen Seiten die Zufuhr ab. Da der
reißende Strom des Duero die Linie der Einschließung unterbrach und den
Bau einer Brücke nicht zuließ, so baute er an beiden Ufern Kastelle,
von denen aus schwere, mit Seilen aneinander hangende Balken, die
rundum von Sicheln und eisernen Spitzen starrten, über das Wasser von
einer Seite zur andern gespannt wurden, so daß man weder schwimmend
noch fahrend den Fluß hinabkommen konnte. Das Heer hatte Scipio bis auf
60000 Mann gebracht und die Belagerten bei mehrmaligen Ausfällen mit
großem Verlust zurückgeschlagen. Schon währte die Belagerung fünfzehn
Monate; die Hungersnot wütete unter den Numantinern; Gras und das
Lederwerk von den Waffen dienten zur Nahrung; man verzehrte Leichname,
und die Mütter schlachteten zuletzt ihre Kinder. Endlich baten die
Belagerten um Frieden. Aber Scipio verlangte Übergabe auf Gnade oder
Ungnade. Die Gesandten, welche diesen Bescheid brachten, wurden von den
verzweifelten Einwohnern erschlagen; dennoch blieb ihnen nichts anderes
übrig. Sie öffneten die Tore, baten aber die Römer erst am dritten
Tage einzuziehen. Diese Frist benutzte ein Teil der Einwohner sich
durch freiwilligen Tod der Knechtschaft zu entziehen. Der kleine Rest,
von Elend und Krankheit furchtbar entstellt, ergab sich dem Sieger.
Sie wurden als Sklaven verkauft; nur fünfzig sparte Scipio für seinen
Triumph auf. Die Stadt wurde gänzlich zerstört. Scipio erhielt von
dieser Eroberung einen zweiten Beinamen, +Numantīnus+.

Als er nach Rom zurückgekehrt war, stand er in den dort ausgebrochenen
blutigen Parteikämpfen auf der Seite des Adels gegen die von den
Gracchen geführte Demokratie, bis er, wahrscheinlich ein Opfer des
Parteihasses, starb. Nachdem er in einer Volksversammlung eine dem
Volkswillen abgünstige Rede gehalten, fand man ihn am folgenden Tage
tot im Bette; der Dolch eines Meuchelmörders hatte ihn getroffen (129).
Wer die Tat verübt und auf wessen Anstiften, ist niemals aufgehellt
worden.



XXII.

Die beiden Gracchen.


Jener Tiberius Sempronius Gracchus, der sich des älteren Scipio gegen
seine Ankläger angenommen hatte (S. 91), vermählte sich in der Folge
mit dessen Tochter +Cornelia+. Einst, erzählt man, ergriff er auf
seinem Lager ein Paar Schlangen. Die Wahrsager, über dies schreckhafte
Zeichen befragt, erklärten, daß, wenn das männliche Tier getötet würde,
dies dem Tiberius, der Tod des weiblichen aber der Cornelia den Tod
bringen werde. Da ließ Tiberius, in edler Gattenliebe, das männliche
töten, das andere aber verschonen, und nicht lange hernach starb er.
Cornelia aber gab ihren beiden Söhnen +Tiberius+ und +Gajus+, und ihrer
Tochter Sempronia, die sich später mit dem jüngeren Scipio Africanus
vermählte, die sorgfältigste Erziehung. Einst erhielt sie den Besuch
einer vornehmen Campanerin, welche ihren reichen Schmuck von Gold und
kostbaren Steinen vor ihr ausbreitete. Als sie dann Cornelia bat, sie
möchte ihr nun auch den ihrigen zeigen, da ließ die stolze Römerin
ihre beiden Söhne kommen und sagte, auf sie hinweisend: „Diese sind
mein Schmuck, meine Kleinodien.“

Zum Jüngling herangewachsen, machte der ältere, +Tiberius Sempronius
Gracchus+, mit seinem Schwager Scipio als dessen Zeltgenosse den
Kriegszug gegen Karthago mit. Er zeichnete sich hier durch Pflichttreue
und Tapferkeit aus und erstieg zuerst von den Römern die Mauer der
Stadt. Später ging er als Quästor (Schatzmeister) mit dem Konsul
Mancīnus nach Spanien in den Krieg gegen die Numantiner. Als dieser
ungeschickte Feldherr einst, nach vielen großen Verlusten, aufbrechen
und das Lager verlassen wollte, wurde er mit seinem ganzen Heere
von den Numantinern eingeschlossen und in Gegenden gedrängt, die
keine Flucht zuließen. Mancinus, an aller Rettung verzweifelnd,
schickte Gesandte an die Numantiner um Waffenstillstand und
Friedensunterhandlungen. Die Numantiner erklärten, daß sie allein
zu Tiberius Vertrauen hätten und nur mit ihm unterhandeln wollten.
So ward denn Tiberius gesandt, und er schloß mit den Feinden einen
Friedensvertrag, der dem römischen Staate 20000 Bürger rettete. Als
er aber nach Rom zurückkehrte, ward der ganze Vertrag vom Senate
verworfen, und der Beschluß gefaßt, daß alle Befehlshaber, die sich an
dem Abschluß des schmachvollen Vertrages beteiligt hätten, dem Feinde
ausgeliefert werden sollten. Doch des Tiberius menschenfreundliche
Denkungsart, sein leutseliges Wesen und seine Rechtlichkeit hatten
ihm bereits die Volksgunst in solchem Grade gewonnen, daß seine
Auslieferung abgelehnt wurde. So wurde nur der Konsul Mancinus
ausgeliefert, aber die Numantiner waren edelmütig genug dieses
Sühnopfer des Vertragsbruchs nicht anzunehmen und den unglücklichen
Mann unverletzt zu entlassen.

Doch nicht seine Taten im Felde, sondern seine Wirksamkeit im Staate
war es, die den Tiberius berühmt gemacht hat. Schon früh hatte Cornelia
den Ehrgeiz ihrer Söhne geweckt und genährt. „Warum rühmt man mich“,
sagte sie zu ihnen, „immer nur als die Schwiegermutter des Scipio und
nicht auch als die Mutter der Gracchen? Den Kriegsruhm eures Schwagers
werdet ihr einst übertreffen oder erreichen; aber eine andere nicht
minder ehrenvolle Laufbahn steht euch offen, durch weise Gesetze für
das gemeine Wohl des Volkes zu sorgen.“

Diesen von der Mutter angedeuteten Weg schlug jetzt Tiberius ein.
Erbittert durch den ihm in der numantinischen Sache angetanen Schimpf,
wandte er sich von seinen adligen Standesgenossen ab, um fortan die
Sache des Volkes zu vertreten und die Vorherrschaft des Adels im Staate
und in der Ausnutzung des Staatsgutes zu bekämpfen. Zu diesem Zwecke
bewarb er sich um das Volkstribunat für das Jahr 133, und ward unter
großem Beifall des Volkes gewählt, das seit langer Zeit von gärender
Unzufriedenheit erfüllt war.

Der Grund bestand darin, daß bei weitem der größte Teil alles Landes
in Italien in den Besitz der reichen herrschenden Familien, der
Optimaten, gekommen war, während die große Masse der eigentlichen
Bauern mehr und mehr verarmt war und ihre kleinen Höfe verkaufen oder
ihren harten Gläubigern überlassen mußten. Und doch waren sie es, die
in den unaufhörlichen Kriegen Roms den Kern des Heeres bildeten und
ihr Blut für die Eroberungen des Staates vergossen. Um nun dieser
für den Bestand des Staates so wichtigen Klasse von Bürgern einen
neuen Grundbesitz zu verschaffen, erneuerte Tiberius als Volkstribun
jenes alte licinische Gesetz (S. 47), daß kein Bürger mehr als 500
Morgen des ursprünglich dem Staate gehörigen Landes (~ager publicus~)
besitzen sollte. Dies Land war nämlich den unterworfenen Städten und
Gemeinden Italiens abgenommen und als Eigentum des römischen Staates
gegen geringen Pachtzins an vornehme römische Bürger vergeben worden
und bildete einen großen Teil alles anbaufähigen Landes der Halbinsel.
Der Staat hatte demnach das Recht diesen Besitz zurückzunehmen oder
einzuschränken, zumal er nur den großen Familien zugute kam. Jedoch
erlaubte das neue Gesetz, daß ein Familienvater für jeden Sohn, der
noch unter seiner Aufsicht lebte, 250 Morgen mehr besitzen dürfe.
Alles übrige Land sollte eingezogen und, zu kleinen Gütern vermessen,
unter die besitzlosen Bürger verteilt werden. Um dieses Gesetz
durchzuführen, verband sich Tiberius mit einer Anzahl der angesehensten
und wohlmeinendsten Männer, welche seine politischen Ansichten teilten;
unter ihnen war sein Schwiegervater Appius Claudius, der Oberpriester
Crassus und der große Rechtsgelehrte Mucius Scävola.

Es war natürlich, daß Tiberius durch seinen Vorschlag die Gunst
des Volkes in vollstem Maße gewann, dagegen aber auch den Haß und
den Widerstand der herrschenden Partei aufs heftigste reizte. Mit
hinreißender Beredsamkeit schilderte er die traurige Lage des armen
Volkes: „Die Tiere des Feldes und Waldes haben ihre Gruben und Nester,
und jedes findet eine Stätte zum Ruhen. Aber die Männer, die für
Italien bluten und sterben, haben nur Anteil an Luft und Licht; ohne
Häuser, ohne feste Wohnsitze irren sie umher mit Weib und Kind. Was
will es noch bedeuten, daß der Heerführer seine Krieger, wenn es in die
Schlacht geht, ermahnt, für Haus und Herd und die Gräber ihrer Väter zu
fechten? Keiner von all den Tausenden besitzt mehr die Stelle, da einst
die Hausgötter seiner Vorfahren standen, oder wo ihre Väter begraben
liegen. Für anderer Wohlleben und Reichtum kämpfen und fallen sie, und
werden Herren der Welt genannt, die doch selbst keine Scholle mehr zu
eigen besitzen.“

Gegen den Vorschlag des Tiberius erhob sich, wie zu erwarten gewesen,
der heftigste Widerstand, und die Erbitterung der Gemüter stieg auf
beiden Seiten, bis endlich der Tag herannahte, an welchem in der
Volksversammlung über das Gesetz abgestimmt werden sollte. Als Tiberius
an diesem Tage seinen Vorschlag noch einmal dem Volke vortrug, trat
plötzlich ein anderer Tribun, +Octavius+, auf und hinderte durch seine
Einsprache die Verlesung des Vorschlags und die Abstimmung darüber.
Diesen Tribunen hatten die Optimaten für sich gewonnen, da sie sonst
kein Mittel hatten, das Gesetz, das ihrer schrankenlosen Habsucht
Grenzen setzte, zu hintertreiben. Denn nach dem geltenden Rechte konnte
kein Vorschlag Gesetzkraft erhalten, wenn auch nur einer der zehn
Tribunen dagegen Einspruch tat.

Vergebens suchte Tiberius den Gegner umzustimmen. In der Meinung,
jener befürchte selbst bei der Verteilung des Landes Verlust an seinem
Eigentum, bot er ihm Ersatz aus seinem eigenen Vermögen an. Als auch
dies nichts fruchtete, verließ ihn seine bisherige Geduld. Die milden
Bestimmungen seines Vorschlages zugunsten der Söhne nahm er weg; von
jetzt an sollte jeder Reiche nur 500 Morgen und ohne alle Entschädigung
für das, was er verlor, behalten. Die Reichen legten Trauerkleider an
und suchten Mitleid bei der Bürgerschaft zu erregen; aber heimlich
sollen sie Meuchelmörder gedungen haben, um den tödlich gehaßten Mann
aus dem Wege zu räumen. Dieser trug fortan einen Dolch, sprach vor
dem Volke von seiner Gefahr, und ging nicht mehr ohne Geleit seiner
Anhänger aus dem Hause. Oft war eine Schar von 3-4000 Menschen um ihn.

In der nächsten Volksversammlung befahl Tiberius von neuem die
Verlesung seines Vorschlags, und Octavius wiederholte seine
Einsprache. Die Volksmenge geriet in Aufruhr. Als Tiberius dennoch
zur Abstimmung schreiten wollte, bemerkte man, daß die Urnen, worein
die Stimmtäfelchen geworfen wurden, weggenommen waren. Wie nun die
Volksmenge immer heftiger tobte und Octavius nicht nachgeben wollte,
rief Tiberius: „Ich weiß kein anderes Mittel als dies, daß einer von
uns sein Amt niederlege. Laß du das Volk über mich zuerst abstimmen;
wenn es mich meiner Würde entsetzt, so gehe ich als Privatmann nach
Hause.“ Da Octavius auch dies versagte, so beschied Tiberius das Volk
auf den anderen Tag wieder, um über die Absetzung zu entscheiden.

Am anderen Tage wiederholte Octavius abermals seinen Widerspruch. Da
ließ Tiberius über seine Absetzung stimmen. Als nahezu der größere
Teil des Volkes sich gegen Octavius ausgesprochen hatte und seine
Absetzung schon fast gewiß war, trat Tiberius vor aller Augen auf
Octavius zu, umarmte ihn und bat ihn flehentlich, er möge nachgeben.
Octavius, zu Tränen gerührt, war einige Augenblicke unschlüssig.
Als er aber seine Augen auf die nahe Schar der Optimaten warf, da
befiel ihn Scham, und er hieß den Gracchus tun was er wolle. So ward
Octavius seines Amtes entsetzt, und kaum entging er den Händen des
erbitterten Volkes. Das Gesetz des Tiberius ward nun genehmigt, und
drei Männer zu seiner Ausführung gewählt: er selbst, sein Bruder Gajus
und sein Schwiegervater Appius Claudius. Aber Tiberius hatte durch
die Amtsentsetzung des Octavius, dessen Person als Tribun heilig und
unverletzlich war, eine gesetzwidrige Handlung begangen, durch welche
die Verfassung verletzt ward, und damit zuerst den Weg betreten, der
endlich zum Untergang der Republik führen mußte.

Es war bereits um die Mitte des Sommers, und es nahte die Zeit, wo
die neuen Volkstribunen gewählt wurden. Die Reichen gedachten sich
an Tiberius zu rächen, sobald er seine Würde niedergelegt hätte, und
machten vorher alle seine Schritte gehässig. Und in der Tat, die
gesetzwidrige Absetzung des Octavius war beispiellos und befremdete
sogar manchen aus dem Volke. Um sich nun in der Gunst des Volkes
zu erhalten, machte er den Vorschlag, daß die Schätze des letzten
Königs von Pérgamon, des Attălus, der das römische Volk zum Erben
seines Reiches eingesetzt hatte, unter das Volk verteilt werden,
und daß dieses über jenes Reich verfügen sollte. Durch diesen
Vorschlag verletzte er den Senat, der bisher allein über solche
Angelegenheiten zu beschließen gewohnt war auf das tiefste, und seine
Feinde verbreiteten mit Arglist das Gerücht, daß er selber nach der
königlichen Würde strebe und ein Mann aus Pergamon ihm bereits Diadem
und Purpurmantel überbracht habe.

Unter solchen Umständen bewarb sich Tiberius um das Tribunat für das
folgende Jahr. Die Wahl fiel in die Erntezeit, wo nur der besitzlose
städtische Pöbel in Rom anwesend, die Landbewohner aber auf dem Felde
beschäftigt waren. An dem Wahltage aber kam es zu Streit und Einspruch
und Tiberius, der die Wahl leitete, verlegte die Versammlung auf den
folgenden Tag, den übrigen Teil des Tages ging er in Trauerkleidern,
seinen Knaben an der Hand, auf dem Forum umher und bat die Bürger
für die Sicherheit seines Lebens zu sorgen. Eine große Schar armen
Volkes begleitete ihn und bewachte während der Nacht sein Haus. Am
folgenden Morgen besetzten große Haufen Volks das Kapitolium; in der
Nähe versammelte sich der Senat in einem Tempel. Schlimme Vorzeichen,
erzählte man, schreckten den Tiberius, als er sein Haus verließ.
Aber die Freunde machten ihm Mut, und als er die Stufen des Kapitols
hinanstieg, begrüßte ihn das Volk mit lautem Freudengeschrei. Allein
die Versammlung blieb auch diesmal ohne Ergebnis. Inzwischen brachte
ihm ein Freund die Nachricht, daß die Gegner beschlossen hatten ihre
Sklaven und Klienten zu bewaffnen. Als dies ruchbar wurde, erhob sich
unter seinen Anhängern ein wilder Lärm. Tiberius wollte reden; da
er aber bei diesem Getümmel sich nicht hörbar machen konnte, zeigte
er mit der Hand nach seinem Kopfe, um dem Volke seine Lebensgefahr
anzudeuten. Von dieser Bewegung des Tiberius erhielten die Senatoren
sogleich Nachricht und legten sie boshafter Weise so aus, als habe
Tiberius die Krone gefordert. Da sprang +Scipio Nasīca+, ein harter
und leidenschaftlicher Aristokrat, auf und verlangte von dem Konsul,
er solle Gewalt gegen den Hochverräter gebrauchen. Der Konsul +Mucius
Scävola+ aber, ein Mann von strengem Rechtsgefühl und der Reform
geneigt, weigerte sich die geheiligte Person des Tribunen zu verletzen.
Darauf rief Scipio: „Weil denn der Konsul die gemeine Sache verläßt,
so folge mir jeder, der sie retten will!“ So stürmte er, von seinen
Anhängern begleitet, aus dem Tempel und viele schlossen sich ihm auf
dem Wege an. Das Volk erstaunte bei der Ankunft der Senatoren und
machte ehrerbietig Platz. Diese aber ergriffen was sie von Beinen und
Stücken zerbrochener Bänke und Gerätschaften vorfanden, und schlugen
auf das Volk los, das nach allen Seiten hin die schleunigste Flucht
ergriff. Auch Tiberius floh, stürzte aber über einige vor ihm liegende
Leichen. Da erschlug ihn einer der Wütenden -- der Tribun Publius
Saturnejus und Lucius Rufus stritten sich später um diese Heldentat
-- durch einen Knüttelschlag auf die Schläfe, vor den Bildsäulen der
sieben Könige beim Tempel der Fides (Treue). Seine Leiche und die der
übrigen Erschlagenen, deren über dreihundert waren, wurden am Abend
durch die Gassen geschleift und in die Tiber geworfen. Vergebens bat
sein Bruder Gajus sie bestatten zu dürfen.

Das Ackergesetz des Tiberius und der Ausschuß von drei Männern
(~triumviri~), die mit der Ausführung betraut waren, blieben auch
nach dem Tode ihres Urhebers bestehen, obgleich die Optimaten alles
aufboten, um die Verteilung des Gemeinlandes zu hintertreiben. Zu
diesen gehörte selbst der Schwager des Ermordeten, Scipio Africanus,
der, als er vor Numantia die Nachricht von dem Tode des Gracchus
erhielt, des homerischen Verses gedachte:

    „So mags jedem ergehn, der solcherlei Taten verübt hat!“

Wie dieser dann einige Jahre nachher selber als ein Opfer des
Parteihasses fiel, ist bereits oben erzählt worden. Die an Tiberius
und seinen Anhängern verübte Freveltat, die in der ganzen bisherigen
Geschichte Roms nicht ihres gleichen hatte, ward zwar von den
Gemäßigten auch unter den Optimaten verurteilt, aber der Senat
suchte sie als die Strafe eines nach der Krone strebenden Verräters
zu rechtfertigen, und ließ sogar gegen seine Anhänger im Volke mit
blutigen Richtersprüchen vorgehen, während der Hauptschuldige, Scipio
Nasica, um ihn der Rache der Menge zu entziehen, mit einem Auftrage
nach Asien gesendet wurde. Seine Bluttat aber wirkte wie eine böse Saat
in den folgenden Parteikämpfen.

+Gajus Sempronius Gracchus+, neun Jahre jünger als sein Bruder Tiberius
-- er war im Jahre 153 geboren -- lebte nach dessen Untergang in
stiller Zurückgezogenheit. Er glich dem älteren Bruder an strenger
Sitte und hochstrebender vornehmer Gesinnung, übertraf ihn aber an
Geist und Beredsamkeit, und war viel feuriger und leidenschaftlicher,
dabei trotz seiner Jugend bereits im Felde bewährt und in allen
Staatsgeschäften sicher und gewandt, unermüdlich, unbeugsam in seinem
ererbten Kampfe gegen die volksfeindliche Optimatenpartei. Einst,
da er einen Freund vor Gericht verteidigte, erregte er durch seine
hinreißende stürmische Rede eine solche Bewunderung, daß der Adel in
Sorge geriet, es möchte in ihm ein Rächer seines Bruders erstehen, und
deshalb einen Vorwand suchte, um ihn von Rom zu entfernen. Er wurde
als Quästor nach Sardinien geschickt und dort über die gesetzliche
Frist festgehalten. Aber Gajus merkte die Absicht des Senats. Plötzlich
verließ er seine Stelle, eilte nach Rom zurück und bewarb sich um das
Tribunat (124). Man sagte, er sei dazu durch einen Traum aufgefordert
worden. Sein ermordeter Bruder sei ihm nämlich im Traum erschienen und
hätte gesagt: „Umsonst sträubst du dich, Gajus, dir bleibt doch ein Tod
wie der meinige beschieden.“

Als seine Mutter Cornelia von seiner Bewerbung um das Tribunat hörte,
suchte sie ihn davon abzubringen. Zwar hatte sie selbst vordem ihre
Söhne angetrieben nach Ehren und Ruhm zu streben, aber das traurige
Ende ihres älteren Sohnes hatte ihren stolzen Sinn gebeugt. Sie kannte
die Feuerseele des hochbegabten und früh zum Manne gereiften Sohnes,
seinen unauslöschlichen Haß gegen die herrschende Aristokratie, die ihm
den geliebten Bruder gemordet und seinen unbändigen Drang die Schäden
der öffentlichen Zustände zu heilen. In ihren Briefen bat sie ihn mit
den rührendsten Ausdrücken von einem Unternehmen abzulassen, das für
ihn höchst gefährlich werden könnte. Aber Gajus beharrte auf seinem
Vorhaben und erreichte seine Wahl für das folgende Jahr.

Zwei Jahre hintereinander, 123 und 122, bekleidete er das Tribunat. Er
erneuerte nicht nur das Ackergesetz seines Bruders, sondern schwächte,
um sich die Gunst der großen Volksmenge zu verschaffen, durch eine
ganze Reihe von Vorschlägen und Gesetzen die Macht des Senates. Sein
Getreidegesetz, wonach regelmäßig Getreide unter die ärmeren Bürger zu
sehr billigen Preisen abgegeben werden sollte, legte der Staatskasse
bedeutende Kosten auf, und konnte nur dazu dienen die ohnehin schon
bestehende Trägheit und Genußsucht des großstädtischen Pöbels zu
nähren. Besonders einschneidend war das Gesetz, durch welches er den
Senatoren die Gerichtsbarkeit entzog, indem es bestimmte, daß die
Gerichte fortan nicht mehr mit Männern aus dem Senatoren-, sondern
aus dem Ritterstande besetzt werden sollten, der zwischen dem Senats-
und dem Bürgerstande die Mitte bildete. Die Absicht war dem Unfug zu
steuern, daß die dem ersten Stande angehörigen Angeklagten von ihren
Standesgenossen, aller Schuld ungeachtet, häufig freigesprochen wurden.
Nun gehörten aber dem Ritterstande die zahlreichen Steuerpächter
(~publicani~) an, welche in großen Gesellschaften vereinigt, in den
Provinzen die Steuern erhoben, wobei sie durch Erpressungen aller
Art die Provinzialen auszubeuten gewohnt waren. Wenn sich nun die
ausgesogenen Provinzen gezwungen sahen die Steuerpächter in Rom vor
Gericht zu ziehen, so fanden sie bei den neuen Richtern, die eben aus
Rittern, den Standesgenossen der Angeklagten, bestanden, noch weniger
Schutz als früher, als die Richterstellen mit Senatoren besetzt wurden.
Außerdem gewann Gajus das Volk durch den Bau von Landstraßen, durch
Herabsetzung der Kriegsdienstzeit, durch Ausrüstung der Soldaten auf
Staatskosten, und stellte den Antrag eine römische Kolonie auf der
Stätte des zerstörten Karthago zu gründen.

Aber seine Gegner fanden ein Mittel, um dem unermüdlichen Tribunen
die Volksgunst zu entziehen. Sie gewannen einen seiner Kollegen,
+Livius Drusus+, der durch Vorschläge, welche den Wünschen des Volkes
entsprachen, namentlich durch Beantragung von Kolonien in +Italien
selbst+ statt der +überseeischen+ in Afrika, jenen noch bei weitem
überbieten, und für diese Vorschläge schon im voraus die Genehmigung
des Senats versprechen sollte. Durch dieses Verfahren suchte der
Senat im Volke die Meinung zu erwecken, daß er nur aus Abneigung und
Mißtrauen gegen den persönlichen Ehrgeiz des Gracchus den Wünschen
des Volkes widerstrebe, und daß er diese befriedigen werde, sobald
jener vom Tribunate entfernt sei. So verlor Gracchus allmählich die
schwankende Gunst des Volkes; er erlangte das Tribunat nicht zum
dritten Mal, während sein erbittertster Gegner +Opimius+ Konsul ward.

Eines Tages, als seine Unverletzlichkeit bereits aufgehört hatte,
erschien er mit einem Haufen der Seinigen auf dem Kapitol, als eben
Opimius die gewöhnlichen Opfer verrichtete. Gerade trug der Liktor
Antyllius die Eingeweide des Opfertieres heraus, ein stolzer und
trotziger Mensch. Als dieser zu den Anhängern des Gracchus kam, rief er
ihnen zu: „Hinweg, ihr schlechten Bürger, macht braven Leuten Platz!“
Diese Worte brachten einen Begleiter des Gracchus in so heftigen
Zorn, daß er den Beleidiger auf der Stelle niederstieß. Das war ein
schweres Vergehen gegen die Heiligkeit des Ortes und der Opferhandlung,
das man in dem entstehenden Auflauf dem Gracchus selber zu Lasten
legte und vom Konsul benutzt wurde, um gegen ihn und seinen Anhang
mit Gewalt einzuschreiten. Als Gracchus heimkehrte, führte ihn sein
Weg über das Forum an der Bildsäule seines Vaters vorbei. Er blieb
stehen, betrachtete sie eine Zeitlang in düsterem Schweigen, dann brach
ein Strom von Tränen aus seinen Augen. Seine Freunde, tief gerührt,
schwuren ihn niemals zu verlassen, und wachten die ganze Nacht vor
seiner Wohnung.

Inzwischen hatte der Senat, der früher den Mord des Tiberius
ungeahndet gelassen hatte, nicht nur die strengste Ahndung des an
dem Liktor begangenen Frevels beschlossen, sondern wie bei einem
hochverräterischen Aufstande den Konsuln den Auftrag erteilt,
„vorzusorgen, daß das Gemeinwesen keinen Schaden nähme“ (~videant
consules ne quid respublica detrimenti capiat~): was die Befugnis
bedeutete, nach eigenem Ermessen und ohne auf Gesetz und Herkommen zu
achten, gegen die Feinde des Staates zu verfahren.

Darauf bewaffnete der Konsul Opimius die Senatoren und Ritter und
ließ sie das Kapitol besetzen, während die Anhänger des Gracchus,
unter Führung seines Freundes Fulvius Flaccus, sich auf dem Aventin
versammelten. Als er selbst am nächsten Morgen, nur mit einem kleinen
Dolch versehen, eben im Begriff war, mit einigen Freunden das Haus zu
verlassen, trat ihm seine Gattin Licinia entgegen. Mit der einen Hand
führte sie ihren kleinen Sohn, mit der andern ergriff sie die Toga
ihres Gatten und rief: „Wohin eilst du, mein Gajus? Willst du dich
unbewaffnet deinen Feinden preisgeben? Erinnerst du dich nicht an das
Schicksal deines Bruders? Ach, ich Unglückliche, wer weiß, ob ich
nicht bald das Meer oder die Tiber bitten muß, mir deinen Leichnam
wiederzugeben, um ihn bestatten zu können.“ Gajus, tief erschüttert,
zögerte, aber er sollte seinem Verhängnis nicht entgehen. Seine Freunde
winkten, und er riß sich aus den Umarmungen seiner Gattin und entfernte
sich, ohne ihr zu antworten. Licinia folgte ihrem Mann und suchte ihn
zu halten; aber vergebens. Ohnmächtig sank sie auf der Straße nieder;
ein Diener trug sie ins Haus zurück.

Gajus kam indessen zum Fulvius auf den aventinischen Berg. Von hier
aus suchten beide mit dem Konsul zu unterhandeln. Fulvius schickte
einen seiner Söhne mit dem Friedensstab in der Hand an ihn ab; der
schöne Knabe trat mit bescheidenem Anstand vor den Konsul und meldete
tränenden Auges seines Vaters Anerbieten. Opimius aber gab ihm harten
Bescheid: nicht durch Boten sollten sie den Senat angehen, sondern
sich selber als schuldbeladene Bürger zum Gericht stellen und den Zorn
der Senatoren zu besänftigen suchen. Dem Boten aber befahl er auf
diese Bedingung oder gar nicht wieder zu kommen. Gleichwohl schickte
Fulvius seinen Sohn zum zweiten Mal; Opimius aber, der den Kampf zu
beginnen eilte, ließ diesen ergreifen und ins Gefängnis werfen. Darauf
zog er gegen den Aventin mit Schwerbewaffneten und mit Bogenschützen,
durch deren Pfeile viele verwundet wurden und die Menge in Verwirrung
geriet. Bei der allgemeinen Flucht verbarg sich anfangs Fulvius, ward
aber entdeckt und niedergehauen. Gajus floh über die Tiber in einen
der Furina geheiligten Hain. Als er keinen Ausweg mehr sah, ließ er
sich von einem treuen Sklaven töten. Sein Leichnam fiel in die Hand
eines vornehmen Mannes, des Septumulejus; dieser schnitt ihm den Kopf
ab, füllte ihn mit Blei und brachte ihn zum Konsul; denn Opimius hatte
versprochen, demjenigen, der den Kopf des Gracchus brächte, so viel
Gold zu geben, als der Kopf wiegen würde (121).

Nach dem Tode des Gracchus wurden fast alle seine Gesetze aufgehoben
und die Herrschaft der Senatspartei mit blutiger Strenge wieder
hergestellt. Aber auf die von den Gracchen versuchte Revolution folgten
bald neue Unruhen und zerrüttende Bürgerkriege, die Rom an den Rand des
Untergangs brachten, und mit dem Verlust der republikanischen Freiheit
enden sollten.



XXIII.

Gajus Marius. -- Jugurtha. -- Cimbernkrieg.


+Marius+ war der Sohn eines Landmanns aus Arpinum im Lande der Volsker.
Aus niederem Stande entsprossen, wuchs er ohne allen Unterricht auf
und war von rohen, derben Sitten. Frühzeitig entwickelte er eine
ungewöhnliche Begabung für das Kriegswesen, sodaß er in der Folge einer
der tüchtigsten Feldherren wurde. War er auch ohne gelehrte Bildung,
so besaß er doch viel Verstand, rasche Fassung, große Rednergabe und
eine glühende Begierde nach Ruhm. Seine ersten Kriegsdienste tat er
vor Numantia unter dem Oberbefehl des Scipio, und schon damals erregte
er durch seine militärische Begabung dessen Aufmerksamkeit. Als einst
einige Freunde des Scipio fragten: „Wer wird dich uns ersetzen, wenn
das Schicksal dich uns entreißen sollte?“ antwortete er, indem er
Marius auf die Schulter klopfte: „Dieser hier!“ Nach Rom zurückgekehrt,
erhielt Marius das Amt eines Volkstribunen und verteidigte als solcher
die Rechte seiner Standesgenossen gegen die Partei der Optimaten, die
er tödlich haßte, und die schon damals in ihm einen furchtbaren Gegner
erkannten. Die erste Gelegenheit, selbständig als Feldherr aufzutreten
und sich um sein Vaterland hochverdient zu machen, gab ihm der Krieg,
den die Römer gegen Jugurtha, König von Numidien, führten. Zugleich
zeigte dieser Krieg die Entartung der damaligen Römer, besonders die
Habsucht und Bestechlichkeit der Optimaten.

Des Königs Massinissa Sohn Micipsa hatte vor seinem Tode das numidische
Reich, das sich westlich von der römischen Provinz Afrika, die Küste
entlang und südwärts bis zur Wüste erstreckte, unter seine beiden
Söhne Adherbal und Hiémpsal und seinen Bruderssohn Jugurtha geteilt.
Aber der herrschsüchtige Jugurtha, der nach dem Besitz des Ganzen
trachtete, tötete bald darauf den Hiempsal und nötigte den Adherbal
zur Flucht nach Rom. Hier aber hatte Jugurtha durch sein Gold schon
viele Senatoren bestochen, sodaß an seine Bestrafung nicht gedacht,
vielmehr das Reich in zwei Hälften geteilt ward, von denen Jugurtha
die bessere erhielt. Auch damit noch nicht zufrieden, bekriegte er
ohne alle Veranlassung den Adherbal und ließ ihn, nach Übergabe seiner
Hauptstadt, ermorden. Da erst, nachdem bei dem Blutbad auch eine
Anzahl römischer Bürger umgekommen waren, entschloß sich der Senat,
durch die wachsende Erbitterung des Volkes geängstigt, den frechen
Missetäter zu bestrafen (111).

Aber der Konsul Calpurnius Piso Bestia, der mit einem Heere nach Afrika
übersetzte, und sein Legat, der vornehmste aller Senatoren, Ämilius
Scaurus, ließen sich durch Jugurthas Gold gewinnen und bewilligten ihm
einen Frieden, der den Besiegten nur zur Auslieferung seiner Elefanten
und zur Zahlung einer Geldbuße verpflichtete. Solchem Beispiel des
Konsuls folgten die unteren Führer der Truppen: einige lieferten dem
Jugurtha die abgenommenen Elefanten wieder aus, andere verkauften ihm
die Überläufer, und noch andere plünderten die Bewohner der Provinz
Afrika. Als die Nachricht von diesem Vertrage nach Rom kam, erkannte
man ohne Mühe den schmählichen Betrug, und ein Sturm des Unwillens
erhob sich. Mit flammender Rede erwirkte der Tribun Gajus +Memmius+
bei dem Volke den Beschluß, daß die Sache untersucht, die Schuldigen
bestraft und Jugurtha selber in Rom erscheinen sollte, um sich vor
dem Volke zu rechtfertigen. Unter der Zusage persönlicher Sicherheit
kam Jugurtha nach Rom, ohne königlichen Schmuck, im Trauergewand,
wie ein demütiger Angeklagter. Aber im geheimen begann er sofort
seine Bestechungen von neuem. Da er wußte, daß jedes Unternehmen
eines Tribunen vereitelt werden konnte, wenn sich ein anderer Tribun
widersetzte, so brachte er den Tribunen Bäbius durch große Geldsummen
auf seine Seite. In der Volksversammlung hielt ihm Memmius alle seine
Verbrechen vor. Als er ihn aber aufforderte, seine Mitschuldigen zu
nennen, fuhr Bäbius dazwischen und verbot dem König auf diese Frage zu
antworten. So wurde das Volksgericht vereitelt.

Durch diesen Erfolg ermuntert, und im Vertrauen auf die Macht seines
Goldes, trieb Jugurtha seine Frechheit noch weiter. In Rom hielt sich
damals ein Enkel des Massinissa, Massiva, auf, der nach dem Sturze
Jugurthas selber König von Numidien zu werden hoffte. Diesen ließ er
durch einen seiner Vertrauten meuchlings beseitigen, und als der Mörder
bestraft werden sollte, verhalf er ihm zur Flucht. Nun war auch die
Geduld des Senates zu Ende. Der geschlossene Friede ward für ungültig
erklärt, dem König aufs neue der Krieg angekündigt und befohlen sofort
Rom und Italien zu verlassen. Als er die Stadt verließ, soll er sich
wiederholt nach ihr umgewendet und zuletzt gesagt haben, die ganze
Stadt wäre käuflich und dem Untergang verfallen, wenn sich nur ein
Käufer fände, reich genug den Preis zu zahlen.

Aber der Wiederbeginn des Krieges brachte den Römern eine bittere
Enttäuschung. Der neue Konsul Postumius Albinus war unfähig oder
bestochen, das Heer zuchtlos und entartet. Und als während einer
Abwesenheit des Konsuls sein Bruder den Oberbefehl führte, ließ er sich
von dem schlauen Gegner in einen Hinterhalt locken, und wurde gezwungen
mit dem Heere unter dem Joche abzuziehen und sogar die Räumung
Numidiens zu versprechen (109).

Diese Schmach ertrug das römische Volk nicht. Der frühere und der
damalige Führer des Heeres und viele mitschuldige Senatoren wurden
wegen Landesverrat vor Gericht gestellt und in die Verbannung
geschickt. Gegen Jugurtha aber sandte man den Konsul +Q. Cäcilius
Metellus+, und +G. Marius+ begleitete ihn als Legat (Unterfeldherr).
Der unbestechliche Metellus stellte die Zucht des Heeres wieder her,
führte den Krieg zwei Jahre lang mit allem Nachdruck, trieb den
Jugurtha in die Enge und eroberte eine Stadt nach der andern, aber
den Ruhm, den Krieg zu beendigen, wußte ihm der ehrgeizige Marius zu
entziehen. Marius wollte sich um das Konsulat bewerben, und da er zu
diesem Zwecke in Rom anwesend sein mußte, suchte er beim Oberfeldherrn
um Urlaub nach. Der adelsstolze Metellus, über diese Absicht des
Emporkömmlings erstaunt und entrüstet, riet ihm, nicht über seinen
Stand hinauszustreben. Als aber jener nicht abließ um Urlaub zu bitten,
sagte Metellus mit bitterem Spotte: „Du wirst noch früh genug nach Rom
kommen, wenn du dich zugleich mit meinem Sohne zum Konsulate meldest.“
Der junge Metellus war aber erst zwanzig Jahre alt, und da zum Konsulat
ein Alter von dreiundvierzig Jahren erforderlich war, hätte Marius nach
den höhnischen Worten des Konsuls noch dreiundzwanzig Jahre warten
können. Marius, durch diesen Hohn schwer gekränkt, erzwang den Urlaub
und zeigte sich von jetzt an bei jeder Gelegenheit als Gegner des
stolzen Aristokraten. In Rom gab er zu verstehen, daß jener den Krieg
absichtlich in die Länge ziehe; und zum Konsul gewählt, erhielt er auch
den Oberbefehl gegen Jugurtha (108). Bis dahin war es noch keinem Manne
von niederer Herkunft gelungen diese höchste Würde zu erlangen.

Als Marius im nächsten Jahre (107) als Konsul die Leitung des Krieges
übernahm, änderte er die Kampfweise gegen Jugurtha, der sich inzwischen
mit seinem Schwiegervater +Bocchus+, dem König von Mauretanien
(Marokko), verbunden hatte. Statt die flüchtigen Reiterscharen des
Feindes zu verfolgen, suchte er ihm alle festen Orte und Hilfsquellen
zu entreißen. Er eroberte Burgen und Städte und machte große Beute.
Dann griff er die im Südosten Numidiens gelegene Stadt Capsa an.
Dorthin führte er sein Heer mit solcher Eile, daß seine Reiter schon
die nächsten Tore der Stadt besetzten, ehe die Einwohner seine Ankunft
erfuhren. Sie ergaben sich ohne Widerstand; dennoch ließ Marius alle
Waffenfähigen umbringen und die Stadt anzünden. Im folgenden Jahre
(106) erschien er auf der Westseite Numidiens vor der Stadt Mulucha, in
der Jugurtha seine meisten Schätze verwahrte. Sie lag am gleichnamigen
Flusse auf einem steilen Bergkegel, der nur einen einzigen Zugang bot,
und wurde von einer zahlreichen, mit allem Nötigen versehenen Besatzung
geschützt. Alle Versuche die Burg zu erstürmen mißlangen. Und schon
dachte Marius sein Vorhaben aufzugeben, als eines Tages ein Soldat
ihm anzeigte, wie er an der entgegengesetzten Seite des Berges beim
Schneckensammeln einen Weg entdeckt habe und auf die Höhe des Felsens
gekommen sei, wo die Burg unbesetzt wäre. Schon am nächsten Tage mußten
vier Centurien mit fünf Trompetern unter Leitung jenes Soldaten den
Fels erklettern. Sie fanden keine Gegenwehr, zumal da um dieselbe Zeit
die ganze Besatzung auf der andern Seite beschäftigt war, den heftiger
als je anstürmenden Feind zurückzudrängen. Plötzlich ertönten die
Trompeten der Römer und das Angstgeschrei der Weiber und Kinder, die
zuerst den eindringenden Feind erblickten. Bestürzt wich die Besatzung
in die Stadt zurück; Marius verdoppelte seine Anstrengung und drang
zugleich mit den Gegnern in die Festung ein.

Im Laufe des Jahres 106 geriet beinahe das ganze numidische Land in
die Hände der Römer. Noch in zwei Treffen besiegte Marius den Jugurtha
und den Bocchus. Letzterer zeigte sich endlich zum Frieden geneigt.
Die Unterhandlungen mit ihm betrieb +L. Cornelius Sulla+, der im Heere
des Marius Quästor war und bei Freund und Feind durch seine Tapferkeit
und kluge Führung zu großem Ansehen gekommen war. Er bewog den König
Bocchus seinen Schwiegersohn auszuliefern. Jugurtha wurde zu einer
Unterhandlung eingeladen, und als er am bestimmten Orte und Tage
erschien, von den Leuten des Königs ergriffen, gefesselt und dem Sulla
überliefert. Aber Marius kränkte es tief, daß es nicht ihm, sondern dem
Sulla gelungen war die Person des Jugurtha in seine Gewalt zu bekommen;
vor allem aber erweckte es seinen unversöhnlichen Groll, daß sich Sulla
einen Siegelring verfertigen ließ, auf dem die Auslieferung Jugurthas
dargestellt war. Die Feindschaft, die von jetzt an zwischen beiden
Männern bestand, sollte in der Folge dem römischen Staate großes Unheil
bringen.

Am ersten Tage des Jahres 104 ward Jugurtha in Rom beim Triumph des
Marius einhergeführt. Dabei riß ihm der rohe raubsüchtige Pöbel
die Kleider und Ohrringe samt den Ohrläppchen ab. Dann ward er
nackt in eine unterirdische Felskammer am Kapitol, ein ehemaliges
Brunnengewölbe, das als Gefängnis diente, hinabgestoßen. „Hu, wie kalt
ist euer Bad!“ rief der Unglückliche beim Hinabfallen. Dort ließ man
ihn sechs Tage ohne Nahrung, worauf man ihn aus Gnaden erdrosselte
(104). Sein Königreich ward geteilt: den westlichen Teil erhielt
König Bocchus als Lohn seines Verrates, den östlichen ein Enkel des
Massinissa und Halbbruder des Jugurtha.


Marius war inzwischen, während er noch als Prokonsul in Afrika an der
Spitze des Heeres stand, und ohne daß er sich darum beworben hatte,
gegen alles Herkommen abermals zum Konsul für 104 erwählt worden. Das
römische Reich nämlich und Rom selbst war an anderer Stelle in Gefahr
des Untergangs geraten, und Marius sollte es retten. Ein furchtbarer
Feind stand plötzlich an der Grenze Italiens.

Schon vor Beginn des jugurthinischen Krieges vernahm man in Rom, daß
unter den Völkern nördlich der Alpen eine große Bewegung entstanden
sei; in großen Haufen zögen sie gegen die Alpen, um im Süden neue
Wohnsitze zu erobern. In der Tat erschienen im Jahre 113 v. Chr. an
den Ostalpen, im heutigen Krain, die +Cimbern+, ein germanischer
Volksstamm, der wahrscheinlich bis da im Norden Germaniens gesessen
hatte. Zu ihnen gesellten sich später die +Teutonen+, +Ambronen+ und
andere Stämme. Sie zogen mit Weibern und Kindern und aller fahrenden
Habe, ein ungeheurer Schwarm von mehr als 300000 Kriegern. Bei
Aquileja stellte sich ihnen der Konsul Papirius Carbo entgegen, erlitt
aber eine völlige Niederlage. Doch wandte sich der feindliche Zug für
diesmal von Italien ab nach Westen, wo er Gallien und Spanien raubend
und verwüstend heimsuchte. Dort begegneten sie den Römern abermals im
südöstlichen Gallien, in der römischen Provinz (~Gallia transalpina~,
der heutigen Provence), und brachten ihnen in den Jahren 109-105
mehrere vernichtende Niederlagen bei.

Italien zitterte vor den gewaltigen Scharen des Nordens, wie in den
Tagen Hannibals: der Schrecken war zu Rom so groß, daß sich niemand um
das Konsulat des Jahres 104 zu melden wagte. Da hoffte das Volk von
Marius, dem Bezwinger Jugurthas, Rettung. Es wählte ihn zum Konsul
und übertrug ihm die Leitung des Krieges in Gallien. Nachdem er im
Beginn des Jahres, wie oben erzählt, seinen Triumph über Jugurtha
gefeiert hatte, begab er sich in die Provinz jenseits der Alpen, zum
Kampf gegen die Germanen, fand sie aber dort nicht mehr: sie waren
durch Südgallien über die Pyrenäen nach Spanien gezogen, und kehrten
von dort erst nach zwei Jahren zurück. Diese durch die Torheit der
Gegner gewährte Frist benutzte Marius, um ein neues Heer zu bilden und
die erschlaffte Kriegszucht durch unerbittliche Strenge und harten
Dienst herzustellen, und in Gallien alles vorzubereiten, was für den
neuen Kampf erforderlich schien. So groß war die Furcht in Rom und die
Zuversicht auf Marius, daß ihm, bis zur Beendigung des Krieges, das
Konsulat noch vier Mal erneuert wurde; eine Auszeichnung, die noch nie
einem Römer widerfahren war.

Im Jahre 102 kehrten die Feinde aus Spanien, wo sie hartnäckigen
Widerstand gefunden hatten, nach Gallien zurück, um nunmehr mit aller
Macht in Italien einzudringen. Sie teilten sich in zwei Haufen; die
Cimbern gingen über den Rhein, um von Rhätien (Tirol) aus in Italien
einzufallen; die Teutonen und Ambronen gedachten an der Küste entlang
durch Ligurien einzudringen.

Marius hatte am Zusammenfluß der Rhone und Isère ein Lager errichtet
und erwartete hier die Teutonen und Ambronen. Er vermied die offene
Schlacht, obschon die Feinde drei Tage lang sein Lager bestürmten, und
seine eigenen Leute ungeduldig den Kampf forderten. An der Festigkeit
der Schanzen scheiterte alle Tapferkeit, aller Ungestüm der Germanen.
Da beschlossen sie nicht länger zu zaudern, sondern geradeswegs am
römischen Lager vorüber nach Italien zu ziehen. Höhnisch riefen sie
den römischen Soldaten zu, sie zögen nach Italien; ob sie Aufträge an
ihre Frauen und Kinder zu bestellen hätten? Kaum bändigte Marius den
Zorn seiner Krieger. So groß war die Menge der Barbaren, so gewaltig
ihr Troß an Wagen und Lasttieren, daß sie sechs Tage lang an dem Lager
vorbeimarschierten. Kaum waren sie vorüber, so folgte ihnen Marius
auf dem Fuße nach und gelangte auf kürzerem Wege zugleich mit ihnen
an einen kleinen Fluß, an dem +Aquä Sextiä+ (~Aix en Provence~) lag.
Hier wählte Marius einen Hügel zum Lagerplatz, von welchem herab er die
Gegend ringsum zu übersehen vermochte. Die Germanen lagerten sich an
beiden Seiten des Flusses. Durch diese Lagerung wurden die Römer vom
Wasser abgeschnitten. Diese, von Durst gequält, klagten und murrten.
Marius aber wies auf den Fluß hin: „Ihr seid Männer“, sprach er, „dort
ist Wasser für Blut feil, und ihr klagt, daß es fehle?“ Da gingen
römische Troßknechte mit ihren Tieren zum Fluß hinab und vertrieben
einige Feinde; als aber mehr Barbaren erschienen, eilten auch römische
Soldaten hinzu. Die Teutonen aber und ihre Bundesgenossen fühlten sich
in voller Sicherheit; sie aßen, badeten und freuten sich des schönen
fruchtreichen Landes. Wie nun von beiden Seiten Hilfe erschien, wurden
zuletzt die Hauptheere selbst in den Kampf hineingezogen. Der Ambronen
waren 30000 Mann. In dem Augenblick, wo sie über den Fluß setzten, ließ
sie Marius von allen Seiten angreifen und zwar mit solchem Erfolg, daß
die meisten auf dem Platze erschlagen wurden. Die Flüchtlinge drangen
gleich den Römern bis an die Zelte und Wagen der Teutonen, die am Kampf
noch nicht teilgenommen hatten; hier wurden sie auch von den Weibern
mit Beilen und Schwertern empfangen, und erst die Dunkelheit brachte
die Kämpfenden auseinander.

Nun folgte eine grauenhafte Nacht. Die Totenklagen der Teutonen um die
gefallenen Brüder, dazwischen die Wehrufe der Verwundeten, und ihr
wilder Schlachtgesang wiederhallten in den Wäldern und klangen in das
römische Lager hinüber, daß es den Römern durch Mark und Bein ging.
Marius, der 3000 Mann unter Claudius Marcellus in einen Hinterhalt
gelegt hatte, stellte mit Anbruch des Tages sein Heer vor dem Lager in
Schlachtordnung und reizte die Teutonen durch abgesandte Reiterscharen
zur Schlacht. In dicht geschlossenen Massen stürmten diese die
beschwerlichen Höhen hinan und die Römer ihnen entgegen. Noch vor Mitte
des Tages waren die Angreifer in die Ebene zurückgedrängt, und schon
begannen ihre Reihen sich zu lösen, als auch Marcellus aus seinem
Hinterhalt hervorbrach und ihre Verwirrung vermehrte. Ordnungslose
Flucht kam über ihr ganzes Heer und nun erst begann ein entsetzliches
Morden unter den fliehenden Scharen. Der Erschlagenen und Gefangenen
waren an 100000. Der ganze Stamm war vernichtet bis auf einen geringen
Rest, der sich nach dem nördlichen Gallien rettete. Von den gefangenen
Frauen und Mädchen hatten viele nach verzweifelter Abwehr, um der
Schmach der Knechtschaft zu entgehen, sich selber den Tod gegeben.
+Teutobod+ selber, der König, geriet in Gefangenschaft (102).

Inzwischen waren die noch unbesiegten Cimbern über den Brennerpaß
vorgedrungen, hatten das Heer des +Lutatius Catulus+ an der unteren
Etsch geschlagen und südwärts über den Po zurückgedrängt. Ihr Plan
war, sich mit den Teutonen, deren Schicksal ihnen noch unbekannt
war, zu vereinigen und dann gegen Rom zu ziehen. Darüber versäumten
sie die günstige Gelegenheit, sofort nach ihrem Siege über den Po
vorzurücken und das wehrlose Italien zu erobern. Im Frühlinge des
folgenden Jahres (101) verband sich Marius mit Catulus. So rückten sie,
50000 Mann stark, wieder über den Po und stießen bei Vercellä auf den
Feind, nahe der Mündung der Sesia in den Po, wo einst Hannibal seine
erste italische Schlacht geschlagen hatte. Die Cimbern aber schickten
Abgeordnete an die römischen Feldherren und ließen um Land für sich
und ihre Brüder, die Teutonen, bitten. Sie erhielten die Antwort: für
ihre Brüder sei bereits gesorgt; sie hätten ein Land bekommen, wo
sie ewig bleiben würden. Dabei ließ Marius, um ihnen die Vernichtung
der Teutonen glaublich zu machen, den gefangenen Teutobod in Ketten
vorführen. Jetzt rückten die Cimbern vor das Lager der Römer, und
+Bojorix+, ihr König, forderte, nach dem Brauche seines Volkes, den
Gegner auf Ort und Zeit zur Schlacht zu bestimmen. Marius bezeichnete
den folgenden Tag und das raudische Feld, das der überlegenen römischen
Reiterei einen günstigen Kampfplatz bot.

Die Cimbern erwarteten den Angriff in einer viereckigen
Schlachtstellung, die sich dreiviertel Meilen in Breite und Tiefe
erstreckte. In den äußeren Gliedern hatten sich die Kämpfer mit
eisernen Ketten aneinander gebunden, um das Eindringen der Feinde zu
verhindern. Bei den Römern stand das Heer des Catulus im Mitteltreffen,
das des Marius bildete die Flügel. Im Morgennebel ward die
cimbrische Reiterei von der römischen überrascht und auf ihr Fußvolk
zurückgetrieben, das sich eben erst ordnete. Schon aber rückte das
römische Fußvolk, Sonne und Wind im Rücken, aus der staubigen Ebene
heran. Der Tag war schwül; die Cimbern hatten Sonne und Wind gegen
sich und ertrugen nicht lange die ungewohnte Hitze. So errangen die
Legionen mit geringen Verlusten einen völligen, mit der Vernichtung
des cimbrischen Volkes endigenden Sieg. Nachdem ein Teil der Feinde
dem römischen Schwerte erlegen war, floh der Rest der Wagenburg zu, wo
auch die Frauen sich zur Wehr stellten. Hier begann ein neues Gemetzel,
dem nur wenige Haufen durch die Flucht entgingen. Auch hier geschah
es, daß viele der Frauen, um nicht in Gefangenschaft zu geraten, erst
ihre Kinder, dann sich selbst töteten. Dennoch betrug die Zahl der
Gefangenen 60000; die der Gefallenen 120000.

Die Römer aber erwiesen dem Marius als dem Retter Italiens die höchste
Ehre. Sie nannten ihn den dritten Gründer der Stadt und erteilten
ihm zum sechsten Male das Konsulat. Am Triumphe aber ließ Marius den
Catulus teilnehmen. Vor dem Triumphwagen mußte der gefangene Teutobod
einherschreiten, ein Mann von so riesigem Wuchse, daß er noch über die
Siegeszeichen emporragte.



XXIV.

Bürgerkrieg. Sulla und Marius.


1. Sulla, Feldherr gegen Mithridates, vertreibt den Marius.

+Lucius Cornelius Sulla+ stammte aus einem patricischen Geschlechte.
Ein stattlicher Mann, von vornehmer stolzer Haltung, hochbegabt, mit
griechischer Sprache, Kunst und Wissenschaft gründlich vertraut, dabei
ein tapferer Soldat und geschickter Heerführer, im Verkehr gesprächig,
witzig, liebenswürdig und einnehmend, war er in Tugenden und Fehlern
das Muster der damaligen römischen Aristokratie. Ausschweifend im
Genuß, sittenlos und verschwenderisch, bewies er doch in Amt und
Dienst, in den Kämpfen des Krieges und der Politik eine unermüdliche
Kraft des Geistes und Leibes, und wo es den Sieg seiner Partei, der
Optimaten, galt, schreckte er vor keiner blutigen Gewalttat zurück. So
war er fast in allen Stücken das Gegenteil des Marius; nur in maßloser
Ruhmbegier und in der Kunst der Heerführung waren beide Männer einander
gleich. Schon seit dem Ende des jugurthinischen Krieges, wo Sulla dem
Marius die Ehre, sich der Person des Jugurtha zu bemächtigen, entrissen
hatte, lebten beide in bitterer Feindschaft, die dadurch unversöhnlich
wurde, daß Marius, nach seinen glorreichen Siegen, in Rom bald offen an
die Spitze der allmählich wieder erstarkten Volkspartei trat. Aber zu
offenem Kampfe steigerte sich dieser Gegensatz erst, als Rom in einen
neuen großen Krieg verwickelt wurde.

+Mithridátes+, der König von Pontus, an der Südküste des schwarzen
Meeres, war ein Mann von ungewöhnlichen Eigenschaften. Körperlich
ungemein stark und abgehärtet gegen alle Beschwerden, kühn und
rastlos in Gefahren und Wagnissen, enthaltsam im Sinnengenuß, wilden,
unbeugsamen Sinnes, doch nicht ohne alle Großmut, dabei von großem
Verstand und außerordentlichem Gedächtnis, herrschsüchtig, mißtrauisch
und grausam, war er ein unversöhnlicher, erbitterter Feind der Römer.
Nicht zufrieden mit seinem Reiche Pontus, erweiterte er seine Macht
durch Eroberung anderer Staaten Kleinasiens, wobei ihm der Umstand
zu großem Vorteil gereichte, daß er, der zweiundzwanzig asiatische
Sprachen redete, mit jedem Volke in seiner eigenen Sprache unterhandeln
konnte. Er hatte die Absicht sich zum Herrn von ganz Asien zu machen.
Schon hatte er einen römischen Feldherrn, den Manius Aquillius,
geschlagen, und als er ihn in seine Gewalt bekommen, gefesselt auf
einem Esel durch die Städte Kleinasiens führen und ihm zuletzt
geschmolzenes Gold in den Hals gießen lassen, um in ihm die römische
Habgier zu verhöhnen und zu strafen. Mit Freuden öffneten ihm die
griechischen Städte, als dem Erretter vom römischen Druck, ihre Tore.
Daran erließ er an alle Städte Kleinasiens den greulichen Befehl,
an einem bestimmten Tage alle römischen Bürger, ohne Unterschied
des Standes, Alters und Geschlechts zu töten. Mit schrecklicher
Pünktlichkeit erfüllten die Obrigkeiten aller Orte den Befehl, und
80000 Italiker erlagen an einem Tage der Wut des Volkes. Nachdem
Mithridates den Römern in Asien ihre Provinz entrissen hatte, streckte
er seine Hände auch nach Griechenland aus, und es war hohe Zeit für die
Römer gegen diesen Eroberer entscheidende Maßregeln zu ergreifen.

Kurz vorher hatte sich Sulla in dem gefährlichen Kriege der Römer
mit ihren aufständischen italischen Bundesgenossen (90-88), die
sich die völlige politische Gleichstellung erkämpfen wollten und
auch größtenteils erlangten, ausgezeichnet und wegen seiner überall
siegreichen Erfolge den Ehrennamen des Glücklichen erhalten. Während
seines Konsulats (88) wurde der Krieg gegen Mithridates beschlossen,
und da ihm für das folgende Jahr, bei der üblichen Verlosung der
Provinzen, die Verwaltung der Provinz Asia (des westlichen Kleinasiens)
zufiel, so übertrug ihm der Senat auch den Oberbefehl gegen
Mithridates. Dadurch fühlte sich der alternde Marius, dessen Ehrgeiz
trotz seiner 68 Jahre noch nicht gesättigt war, zurückgesetzt und
gekränkt. Wenn auch kränklich, besuchte er täglich das Marsfeld und
machte dort unter den jungen Männern alle körperlichen Übungen mit,
um den Verdacht der Hinfälligkeit zu entfernen. Er verband sich mit
dem verwegenen Volkstribunen +Sulpicius Rufus+, der ein ihm ergebenes
Gefolge von 600 Rittern hatte, die er ihrer dem Adel feindlichen
Gesinnung wegen seinen Gegensenat nannte, und außerdem noch eine Schar
von 3000 Bewaffneten in seinem Sold hatte.

Mit Hilfe dieses Sulpicius und seines Anhanges wußte Marius einen
Volksbeschluß zu erzwingen, durch den der Oberbefehl gegen Mithridates
dem Sulla genommen und ihm, dem Marius, übertragen wurde. Unter solchen
Umständen verließ der Konsul Sulla nicht ohne persönliche Gefahren die
Stadt und begab sich nach Nola in Campanien, wo die ihm angewiesenen
Legionen standen. Diesen stellte er die ihm widerfahrene Unbill und
Gewalt vor, worauf sie ihn mit stürmischem Eifer aufforderten sie
ungesäumt nach Rom zu führen, um sich sein Recht zu holen. Als daher
die von Marius abgeschickten Kriegstribunen kamen, um das Heer für ihn
zu übernehmen, wurden sie von Sullas erbitterten Soldaten gesteinigt.
Bald rückte dieser an der Spitze von sechs Legionen gegen Rom vor. Als
seine Soldaten anfangs von der Partei des Marius zurückgeschlagen
wurden, befahl Sulla den Bogenschützen Brandpfeile auf die Dächer zu
schießen, und ergriff selbst eine brennende Fackel. Darauf drangen
seine Legionen aufs neue vor, und umsonst riefen die Anhänger des
Marius Bürger und Sklaven zu den Waffen. Sulla zog siegreich in Rom
ein, vertrieb den Marius, Sulpicius und zwölf ihrer Genossen aus der
Stadt und brachte es dahin, daß sie als Feinde des Vaterlandes in die
Acht erklärt wurden. Hierauf schickte er Reiter aus, um die Flüchtigen
aufzusuchen und zu töten. Sulpicius wurde gefunden und ermordet, aber
Marius entging mit seinem Sohne und einigen Freunden den Verfolgern.


2. Flucht des Marius.

Er hatte sich an der Tibermündung nach Ostia begeben, wo er ein Boot
fand, das ihn aufnahm, aber durch einen Sturm genötigt wurde, bei
Circeji zu landen. Von den Anstrengungen der Fahrt erschöpft, von
Hunger gequält und auf allen Seiten von Gefahren umgeben, irrte Marius
mit seinen Begleitern in der Gegend umher. Gegen Abend stieß er auf
einige Kuhhirten, die er um Lebensmittel ansprach; allein sie waren
selbst arm und konnten ihm nichts geben. Indessen rieten sie ihm doch
sich eilig zu entfernen, denn eben wären Reiter dagewesen, die nach
ihm geforscht hätten. Marius verließ daher die Landstraße und floh mit
den Seinigen tief in den Wald. Am folgenden Morgen ging er, von Hunger
genötigt, wieder an die Küste, um Unterhalt und Mittel zur ferneren
Flucht zu suchen. Er war sehr ermattet, dennoch aber bestrebte er
sich seine Begleiter zu erheitern. Er bat sie nicht zu verzweifeln,
und erzählte ihnen folgendes Geschichtchen. Einst wäre er als Knabe
auf dem Felde gewesen, da wäre ihm ein Adlernest mit sieben Jungen
in den Schoß gefallen. Seine Eltern hätten die Wahrsager darüber
befragt und von diesen die Antwort erhalten, er werde einst unter den
Sterblichen sehr berühmt werden und siebenmal die höchsten Würden
bekleiden. Durch solche und ähnliche Unterhaltungen stärkte Marius den
Mut seiner Gefährten und zeigte ihnen, daß er selbst mitten im Unglück
die Hoffnung hegte, noch einmal Konsul zu werden; denn schon hatte er
sechsmal diese Würde bekleidet.

Marius war mit seinen Gefährten nicht mehr weit von der Küstenstadt
Minturnä entfernt, als er auf der einen Seite einen Haufen Reiter
erblickte, die auf ihn zueilten, und zugleich auf der andern Seite zwei
Fahrzeuge gewahr wurde, die nicht weit von der Küste hinsegelten. Ohne
sich lange zu bedenken, warf er sich mit den Seinen ins Meer und kam,
durch zwei seiner Diener unterstützt, in eines jener Schiffe; seine
übrigen Gefährten gelangten zu dem andern. Inzwischen kamen die Reiter
heran und schrieen den Schiffern zu, sie sollten landen und den Marius
entweder ausliefern oder über Bord werfen. Lange Zeit schwankten die
Schiffer, endlich ließen sie sich durch die Bitten des alten Mannes
rühren und riefen zurück, sie würden den Flüchtling schützen. Aber
kaum hatten die Reiter sich entfernt, so änderten die Schiffer ihre
Gesinnung. Sie fuhren zur Mündung des Liris zurück. Hier rieten sie dem
Marius ans Land zu gehen, einige Nahrung zu sich zu nehmen und ruhig
zu schlafen, so lange sie hier am Ufer verweilten. Er folgte ihnen,
schlief ein, und sogleich entfernten sich die Schiffer. Als Marius
erwachte und sich allein, von allen verlassen sah, blieb er lange Zeit
entmutigt am Ufer liegen. Traurige Betrachtungen mochten sein Herz
erfüllen und seinen Mut beugen. Erst nach einiger Zeit faßte er sich
wieder. Er schleppte sich durch unwegsame und sumpfige Gegenden fort
und kam zur einsamen Hütte eines Greises, den er um Schutz und Beistand
bat. Der Greis wurde durch den Anblick des Unglücklichen gerührt und
verbarg ihn unter dem gehöhlten Ufer des Liris. Aber nicht lange darauf
kamen die Reiter des Sulla und verlangten die Auslieferung des Marius.
Das hörte dieser; er verließ das Ufer und eilte zu den Morästen bei
Minturnä. Hier zog er seine Kleider aus, tauchte sich bis ans Kinn ins
Wasser und verhüllte den Kopf mit Rohr. Dennoch ward er von einigen
Reitern entdeckt. Diese warfen ihm einen Strick um den Hals, zogen ihn
aus dem Wasser und führten ihn nach Minturnä ins Gefängnis.

Die Obrigkeit von Minturnä war entschlossen den Befehlen des Senats zu
folgen und den Marius zu töten. Sie schickte deshalb einen cimbrischen
Sklaven von riesigem Wuchs ab, um durch diesen das Todesurteil
vollziehen zu lassen. Als der Sklave in das Gefängnis des Marius trat,
sah ihn dieser mit grimmem Blick und feuersprühenden Augen an und
rief ihm mit donnernder Stimme zu: „Sklave, du unterstehst dich den
Gajus Marius zu töten?“ Voll Schrecken und Entsetzen warf der Riese
sein Schwert weg, lief hinaus auf die Straße und rief: „Ich kann den
Marius nicht töten!“ Da wurden auch die Minturnenser unsicher in ihrem
Vorhaben; sie glaubten in der Furcht des Sklaven vor dem hilflosen
Greise einen Wink der Götter zu erkennen, ließen den Marius frei,
versahen ihn mit Geld und Kleidung und halfen ihm zur Flucht nach
Afrika.

Unterwegs hörte Marius, daß sich sein Sohn und einige seiner Anhänger
in Numidien befanden und segelte daher nach dem alten Hafen von
Karthago. Aber kaum war er daselbst angekommen, als ihm der Statthalter
Sextius durch einen Liktor befehlen ließ Afrika zu verlassen. Marius
war eben in düstere Betrachtungen versunken. Der Platz, auf welchem
sonst Karthago gestanden hatte, erinnerte ihn lebhaft an den Wechsel
seines eigenen Glückes. So blieb er eine Zeitlang stumm, bis ihn der
Liktor fragte, ob er ihm keine Antwort an den Prätor erteilen wollte.
Da sprach er die bedeutsamen Worte: „Melde dem Sextius, du habest den
alten Marius auf den Trümmern von Karthago sitzen sehen.“ Bald darauf
fand er seinen Sohn und dessen Gefährten. Mit diesem begab er sich auf
eine Insel unweit der Küste von Afrika, wo er den Winter hindurch lebte
und auf Rache sann.


3. Sullas Krieg gegen Mithridates.

Mittlerweile hatte Sulla in Rom die Wahl des ihm treu ergebenen
Octavius zum Konsul durchgesetzt, neben welchem das Volk den eifrigen
Marianer +Cornelius Cinna+ wählte. Diesen ließ Sulla schwören, daß er
an der Ordnung und Verfassung des Staates nichts ändern würde, und zog
im folgenden Jahre (87) mit seinem Heere gegen Mithridates, dessen
Feldherr Archelaos sich inzwischen Makedoniens und des größten Teils
von Griechenland bemächtigt und besonders in der Stadt Athen einen
festen Stützpunkt für sein Heer und seine Flotte gefunden hatte.

Sulla landete in Epirus und drang durch Thessalien und Böotien
gegen Athen vor, dessen Bewohner es mit Mithridates hielten. Da
seine Versuche, die von Archelaos verteidigte Stadt zu erstürmen,
mißlangen, so mußte er sich zu einer langen und mühseligen Belagerung
entschließen. Um sich Geld zu verschaffen, nahm er die Tempelschätze
zu Delphi, und um Holz für die Belagerungswerke zu bekommen, ließ er
die Bäume im Haine der Akademie fällen, wo einst der große Philosoph
Platon gelebt und gelehrt hatte. Unter diesen und anderen Zurüstungen,
wie sie die Belagerung erforderte, verging der Winter. Mit Beginn des
Frühlings (86) wurden Stadt und Hafen enger eingeschlossen und die
Versuche sie zu erstürmen mehrmals, obgleich vergeblich, erneuert.
In der Stadt aber erreichte die Hungersnot einen so hohen Grad, daß
die Einwohner sich entschließen mußten, mit Sulla des Friedens wegen
zu unterhandeln. Ihre Gesandten hielten vor Sulla eine abgeschmackte
Rede, in der sie alle Herrlichkeiten des alten Athens aufzählten und
in stolzem Tone Schonung ihrer Stadt verlangten. Sulla aber schickte
sie mit den Worten zurück, solche Dinge sollten sie die Schüler in
den Redeschulen vortragen lassen. Endlich wurde die Stadt durch einen
Zufall verraten. Spione meldeten, daß einige alte Männer in einer
Barbierstube sich unwillig darüber geäußert hätten, daß eine Stelle der
Stadt nicht gehörig bewacht wäre. Diese Stelle wurde in der nächsten
Nacht erstiegen und die Stadt eingenommen. Raubend und mordend drangen
die sullanischen Soldaten ein und richteten ein furchtbares Blutbad
an. Erst am andern Tage tat Sulla der zerstörenden Wut seiner Truppen
Einhalt. Er gedachte der ruhmvollen Vergangenheit der Stadt, ihrer
vielen großen Männer, welche als Staatsmänner, Dichter, Künstler und
Schriftsteller die Welt mit dem Glanze ihrer Namen erfüllt hatten, und
rief: „Ich will vielen um weniger willen, und den Lebenden der Toten
wegen verzeihen.“

Nach der Eroberung Athens zog Sulla nach Böotien, wo der Sohn des
pontischen Königs und der aus Athen entkommene Archelaus mit 120000
Mann standen, denen er kaum 40000 Mann entgegenzustellen hatte. In
der Nähe von +Chäroneia+, wo einst die Freiheit Griechenlands den
Makedonern unter König Philipp und seinem Sohne Alexandros erlegen
war, trafen beide Heere zusammen. Sullas Soldaten, der anstrengenden
Arbeiten müde, forderten laut eine Schlacht. Ihr Wunsch ward erfüllt,
und so vollständig war ihr Sieg, daß Archelaus nur mit 10000 Mann
entkommen sein soll. Noch blutiger und entscheidender war die Schlacht
bei +Orchomenos+, wo Archelaus, durch ein neues von seinem König
geschicktes und besonders an Reiterei überlegenes Heer verstärkt, eine
feste Stellung genommen hatte (85). Schon neigte sich der Sieg auf die
Seite des Gegners, als Sulla vom Pferde sprang, einem Fahnenträger den
Adler aus der Hand riß und mit den Worten: „Hier will ich sterben, und
wenn man euch fragt, wo ihr euren Feldherrn verlassen habt, so sagt:
bei Orchomenos!“ sich auf die Feinde stürzte. Da warfen sich seine
Truppen von neuem in den Kampf und schlugen den Feind mit einem Verlust
von 15000 Mann zurück. Am folgenden Tage sollen noch 30000 Mann in den
nahen Sümpfen umgekommen sein. Archelaus selbst hielt sich zwei Tage
lang in einem Sumpfe versteckt und entkam am dritten Tage nach der
Insel Euböa hinüber.

In demselben Jahre unterhandelte Archelaus persönlich mit Sulla über
den Frieden. Zu Delion in Böotien kamen beide Feldherren zusammen.
Als Archelaus die Bedingungen Sullas zu hart fand, rief dieser:
„Mithridates sollte es mir auf den Knieen danken, daß ich ihm die
rechte Hand lasse, mit der er so viele Römer getötet hat.“ So wurden
die Unterhandlungen abgebrochen. Mithridates knüpfte sie aber von neuem
wieder an, als Sulla in Asien erschien. Hier hatte er mit dem König
selbst eine Unterredung zu Dardanos (in der Nähe des alten Troja) wo
jener in alle Forderungen Sullas einwilligte. Bei dieser Zusammenkunft
schwieg Mithridates anfänglich und schien Sulla die Eröffnung der
Unterredung überlassen zu wollen, doch dieser sagte: „Sprich du
zuerst, da du den Frieden nötig hast; der Sieger hat das Recht zu
schweigen und zu hören.“ Mithridates begann nun seine früheren Taten zu
rechtfertigen, aber Sulla versetzte: „Wohl hatten diejenigen recht, die
mir deine Beredsamkeit rühmten; denn es gehört in der Tat ein großer
Redner dazu, solche Schandtaten zu beschönigen.“ -- Der König mußte
alle seine Eroberungen herausgeben, 2000 Talente (gegen 10 Millionen
Mark) bezahlen und 80 Schiffe ausliefern. Die kleinasiatischen Städte,
die jetzt wieder unter römische Gewalt kamen, mußten ungeheure
Kriegssteuern zahlen, zusammen 20000 Talente (fast 100 Millionen
Mark) und außerdem die römischen Truppen lange Zeit auf ihre Kosten
unterhalten. Nie hat die Provinz Asia sich von dem Druck dieser Lasten
ganz erholt. Denn um die großen Summen aufzubringen, wurden sie die
Schuldner römischer Kapitalisten, denen sie hohe Wucherzinsen zahlen
mußten. Sulla selbst kehrte alsbald nach dem Friedensschluß nach Rom
zurück, wo seine Gegenwart dringend notwendig war, wenn nicht seine
Partei den Marianern völlig erliegen sollte.


4. Cinna in Rom. Marius’ Rückkehr und Tod.

Kaum hatte nämlich Sulla im Jahre 87 Italien verlassen, als der
eine der neuen Konsuln, +L. Cornelius Cinna+, eine Volksversammlung
berief, um die Zurückberufung des Marius und der übrigen Geächteten
zu bewirken. Hierbei kam es zu blutigen Kämpfen. Der andere Konsul
Octavius eilte mit seinen Scharen herbei und drängte Cinna bis an die
Tore der Stadt zurück; 10000 Anhänger Cinnas sollen bei dem Gemetzel
das Leben verloren haben. Hilflos floh dieser, seiner Konsulwürde
verlustig erklärt, nach Campanien. In Nola gewann er die Kriegstribunen
der dortigen Legionen und trat dann vor den versammelten Truppen auf.
Von Liktoren umgeben, mit allen Zeichen seiner konsularischen Würde
angetan, begann er seine Anrede, ließ dann aber plötzlich die Liktoren
abtreten und erzählte weinend, wie ihn der Senat seiner Würde entsetzt
habe; er zerriß seine Kleidung, sprang von der Rednerbühne und warf
sich auf die Erde. Die Soldaten ließen sich durch dieses Schauspiel
zu Mitleid hinreißen, sie führten ihn zur Rednertribüne zurück, gaben
ihm alle Zeichen seiner Würde zurück und versprachen den dem Konsul
gebührenden Gehorsam. Nach diesem Erfolge rief er alle Anhänger der
senatsfeindlichen Partei zu seinen Fahnen, lud den geächteten Marius
zur Rückkehr ein, und erschien mit einem gewaltigen Heere vor Rom.

Die Zeit der Rache war für Marius gekommen. Er landete in Etrurien und
brachte dort 1000 Reiter und außerdem eine Bande von mehreren Tausend
Sklaven zusammen, und an der Spitze dieser wilden Rotte stieß er zum
Heere Cinnas. Der Senat war außerstande, die Stadt zu verteidigen, und
da zudem noch Hungersnot ausbrach, so suchte er die erbitterten Gegner
durch Unterhandlungen zu gewinnen. Als die Gesandten zum Cinna kamen,
fragte er sie, ob sie zu ihm als ihrem Konsul kämen. Darauf konnten sie
nicht antworten und gingen unverrichteter Sache zurück. Nun erkannte
ihn der Senat als Konsul an und schickte von neuem Abgeordnete an ihn.
Sie fanden ihn auf seinem Amtssessel sitzend und mit allen Zeichen der
konsularischen Würde angetan. Marius stand schweigend neben ihm, aber
sein finsterer Blick verriet die grimmige Rachgier seines Herzens.

Die beiden Verbündeten kamen hierauf zum Stadttor. Cinna zog ein;
Marius aber blieb am Tore stehen und sagte mit bitterem Lächeln:
„Verbannte dürfen ja die Stadt nicht betreten.“ Cinna ließ daher
sogleich das Volk zusammenkommen, um die Aufhebung des Beschlusses
zu bewirken, durch welchen Marius geächtet worden war. Allein kaum
hatten drei Abteilungen des Volkes für seine Rückkehr gestimmt, so
konnte sich dieser nicht länger halten. Er brach in die Stadt, ließ
mit wütender Grausamkeit alles, was ihm in den Weg kam, niederstoßen,
befahl Sullas Haus dem Erdboden gleich zu machen, und erlaubte seinen
wilden Horden die schrecklichsten Ausschweifungen. Als das Morden
fünf Tage und fünf Nächte lang gedauert hatte, ward Cinna dessen
überdrüssig; aber der alte Marius hatte seinen Blutdurst noch nicht
gesättigt; wem er den Gruß weigerte, der wurde getötet, darunter die
vornehmsten und verdienstvollsten Männer des Staates, unter anderen
der Konsul Octavius, die Konsulare M. Antonius, der größte römische
Redner seinerzeit, Q. Catulus, der Mitsieger bei Vercellä (S. 118). Da
überfiel endlich Cinna mit einer Schar Bewaffneter diese Mordsklaven in
ihrem nächtlichen Lager und ließ sie niedermetzeln.

Als die erste Wut vorüber war, ernannten sich Cinna und Marius
eigenmächtig zu Konsuln. Marius bekleidete dieses Amt nun zum siebenten
Male, aber nur auf wenige Tage. Sulla hatte den Senat von seinen Siegen
über Mithridates benachrichtigt und zugleich versichert, er werde bald
kommen, um an seinen Feinden Rache zu nehmen. Diese Nachricht erfüllte
den alten Wüterich, der selbst seinen Parteigenossen ein Greuel und
Schrecken geworden war, mit Unruhe und Angst, und vergebens suchte er
den fliehenden Schlaf in maßlosem Weingenuß. In solchem Taumel befiel
ihn ein hitziges Fieber, dem er nach sieben Tagen erlag. Er starb im
Januar 86, am siebenzehnten Tage seines Konsulats.


5. Sullas Rückkehr und Proskriptionen. Sein Tod.

Drei Jahre hindurch behauptete sich Cinna im Konsulat, als er aber
dem zurückkehrenden Sulla entgegen ziehen wollte, ward er in einem
Aufstand von seinen eigenen Leuten, die nicht gegen Sulla fechten
wollten, getötet. Sulla erschien an der Spitze eines siegreichen Heeres
von 40000 Mann, das er überschwenglich belohnt hatte, in Italien (84),
wo ihm die Marianer eine Macht von 200000 Mann entgegenstellen konnten.
Aber von den sie führenden Konsuln ward der eine geschlagen, der
andere von seinen Truppen, die zu Sulla übergingen, verlassen. Sulla
wußte sogar das Heer des jungen Marius durch geschickte Überredung auf
seine Seite zu bringen, sodaß Papirius Carbo, einer der marianischen
Parteihäupter, sagte: „In Sulla steckt ein Löwe und ein Fuchs, und
dieser ist noch mehr zu fürchten als jener.“ Der junge Marius warf
sich in die hochgelegene feste Stadt Präneste, nicht weit von Rom, wo
er sich heldenmütig verteidigte. Als aber Sulla vor den Toren Roms ein
großes Heer der Samniter, den letzten Rest der aufständischen Italiker,
geschlagen und vernichtet hatte, ließ sich Marius, am glücklichen
Erfolge verzweifelnd, durch einen Sklaven töten. Seinen Kopf stellte
Sulla auf der Rednerbühne aus und sagte spottend: „Das Bürschchen hätte
erst Ruderer werden sollen, zum Steuermann war es noch zu jung.“

Nach einer Reihe von Siegen zog Sulla in Rom ein, und jetzt verwandelte
er sich in den blutgierigsten Wüterich, den Rom jemals gehabt hat. Er
hatte in der letzten Schlacht 6000 Gefangene gemacht. Diese ließ er
in der großen Rennbahn, dem Zirkus Maximus, auf einmal niederhauen.
Während dies geschah, versammelte er den Senat nicht weit vom Zirkus
im Tempel der Bellōna. Hier hielt er eine drohende Rede, worin er
die Senatoren nicht als Häupter eines freien Staates, sondern als
pflichtvergessene Untertanen eines stolzen Gebieters behandelte.
Während dieser Rede hörten die Senatoren das klägliche Geschrei jener
Gefangenen, die eben im Zirkus ermordet wurden. Alle erschraken und
sprangen bestürzt von ihren Sitzen auf. Nur Sulla blieb unbewegt.
Ohne eine Miene zu verändern, sagte er bloß: „Laßt euch nicht stören,
versammelte Väter! Was ihr hört, ist das Geschrei einiger Aufrührer,
die auf meinen Befehl gestraft werden.“ Dann setzte er seine Rede fort,
bis das Geschrei verstummte. Nicht lange nachher hielt er eine Rede
vor dem Volk, worin er deutlich sagte, daß er keines Menschen schonen
würde, der gegen ihn die Waffen getragen hätte. Der Grausame hielt
Wort. Denn nun erfolgte das fürchterlichste Blutbad in Rom und ganz
Italien. Vierzig Senatoren, sechzehnhundert Ritter und viele tausend
Bürger wurden getötet, viele italische Städte zerstört, und jeder
konnte ungestraft den ermorden, den er haßte oder dessen Vermögen er zu
besitzen wünschte.

Als das Morden schon einige Tage gedauert hatte, sprach Metellus, ein
Haupt der Optimaten und Parteigenosse Sullas, in der Senatssitzung zu
ihm: „Wir bitten dich nicht diejenigen leben zu lassen, die du zu töten
beschlossen hast, sondern nur diejenigen nicht durch Angst zu töten,
die du erhalten willst.“ Sulla ward durch diese Freimütigkeit nicht
beleidigt. Er erwiderte bloß, daß er selbst noch nicht wisse, wen er
verschonen wolle. Hierauf sagte Metellus weiter: „Nun, so nenne uns
diejenigen, die du zu töten entschlossen bist.“

Dies geschah. Sulla ließ die Namen derjenigen in Listen verzeichnen,
die ihre Güter und ihr Leben verlieren sollten. Mit solchen
Verzeichnissen, den sogenannten Proskriptionen, gab Sulla das erste
und schrecklichste Beispiel politischen Massenmordes. Die Listen der
zum Tode Bestimmten wurden öffentlich auf dem Forum ausgestellt und
zugleich durch ein Gesetz bekannt gegeben, daß mit der Ächtung auch
der Verlust des Vermögens verbunden sei. Sulla schickte ganze Scharen
gallischer Reiter aus, um die Verurteilten aufzusuchen und umzubringen.
Wer den Kopf eines Geächteten brachte, erhielt zwei Talente (fast 10000
Mark) zur Belohnung; wer einen Verurteilten aufnahm, verbarg oder ihm
zur Flucht verhalf, ward mit dem Tode bestraft. Diese Achtserklärungen
erzeugten die greulichsten Schandtaten. Sklaven verrieten ihre
Herren, Kinder gaben ihre Eltern preis, Brüder und Gatten gerieten in
Streit und tödlichen Haß. Tempel und Altäre wurden mit dem Blute der
Verfolgten befleckt. Nicht nur Rom, sondern fast alle Städte Italiens
waren der Schauplatz solcher unerhörten Greuel. Verrat, Undank,
Meuchelmord, Bosheit, Raub und Habsucht wüteten allenthalben. Die Zahl
der Getöteten ließ sich nicht genau bestimmen; in Rom sollen nahe an
5000 gefallen sein. Sulla hörte nicht eher auf durch Achtserklärungen
seine wirklichen oder angeblichen Gegner zu verfolgen, als bis die
Rache und die Habsucht aller seiner Anhänger gesättigt war. Ein
gewisser Furfidius mahnte ihn doch einige seiner Feinde leben zu
lassen, damit Menschen übrig blieben, über die er herrschen könnte.

Als Sulla seine Rache endlich gesättigt hatte, ließ er sich zum
Diktator auf Lebenszeit ernennen und begann durch eine Reihe von
Gesetzen die Verfassung und Verwaltung des Staates umzugestalten,
wobei sein Absehen vor allem darauf gerichtet war, die Macht und das
Ansehen der Optimaten und des Senates zu verstärken, die Geltung und
den Einfluß der Tribunen zu schwächen, und überhaupt der verhaßten
Volksherrschaft enge Schranken zu setzen. Wegen seiner Siege über
Mithridates hielt er einen glänzenden Triumph, und belohnte alle
Soldaten und seine Anhänger mit Geld und Landgütern.

Aber schon im zweiten Jahre legte er die Diktatur nieder (79), nachdem
er noch einmal in einer Rede vor dem Volke seine Taten und sein
Glück gepriesen hatte. Er lebte dann noch ein Jahr als Privatmann,
dem Vergnügen und der Jagd ergeben. Seine letzten Tage wurden ihm
durch eine sehr schmerzhafte und Ekel erregende Krankheit verbittert.
Er starb im Jahre 78. In seiner Zurückgezogenheit hatte er die
Denkwürdigkeiten seines Lebens in griechischer Sprache geschrieben.
Sein Leichnam ward auf dem Marsfeld verbrannt. In der Grabschrift,
die er selber verfaßt hatte, rühmte er sich, daß er alles gute oder
schlimme, daß er von Menschen erfahren hätte, ihnen reichlich vergolten
habe.



XXV.

Gnaeus Pompejus Magnus.


1. Sein erstes Auftreten.

Gnaeus Pompejus, geboren 106, war der Sohn des Pompejus Strabo, der im
Kriege der Römer gegen ihre aufständischen italischen Bundesgenossen
(91-88 v. Chr.) mit Auszeichnung gefochten und einen Triumph gefeiert
hatte. Während aber der Vater wegen seiner Geldgier und seines
zweideutigen politischen Verhaltens beim Volk und beim Heer mißliebig
war, wußte der junge Pompejus durch Vorzüge des Geistes und Charakters,
durch persönliche Anmut und leutseliges Benehmen die Liebe und Gunst
des Volkes zu gewinnen. Schon als Jüngling gab er Beweise von Mut und
Unerschrockenheit. Während des Bürgerkrieges hatte Cinna einen Mörder
gegen den älteren Pompejus gedungen, allein der Anschlag ward verraten
und durch die wachsame Umsicht des Sohnes vereitelt. Ein andermal,
als die Truppen dem verhaßten Feldherrn den Gehorsam weigerten und
dieser aus Furcht nicht hervortrat, stellte sich der Sohn mitten unter
die Soldaten, die bereits das Lager verlassen wollten, und suchte
sie durch geschickte Rede zu ihrer Pflicht zurückzuführen. Als seine
Vorstellungen nichts fruchteten, warf er sich vor dem Tor des Lagers
zur Erde und hieß diejenigen, die abziehen wollten, zuvor seinen Körper
zertreten. Bei diesem Anblick kehrten die beschämten Soldaten zurück
und versöhnten sich mit ihrem Feldherrn.

Im Bürgerkriege nahm er entschiedene Partei für Sulla und die Sache der
Optimaten. Solange die Herrschaft der Marianer dauerte, lebte er auf
seinen Gütern, trat aber, als Sulla nach Italien zurückgekehrt war,
offen für diesen auf. Siegreich kämpfte er mit seiner Truppe, die er
selbst geworben, gegen die Marianer, sodaß Sulla dem erst 23jährigen
jungen Krieger den Ehrennamen Imperator beilegte. Als Sulla seinen
Einzug in Rom gehalten hatte, sandte er den Pompejus nach Sizilien
und Afrika, um auch dort die Marianer zu vernichten. In Sizilien
schlug er Papirius Carbo, nahm ihn gefangen und ließ ihn hinrichten.
Nach Afrika übergesetzt, gelang es ihm in nur vierzig Tagen diese
Provinz zu beruhigen. Als dann seine Legionen, nach Beendigung des
Krieges, auf Sullas Befehl sich auflösen sollten, wollten diese die
Waffen nicht eher niederlegen, als bis man sie auf gleiche Weise wie
die Sullanischen belohnt hätte; ja sie forderten sogar den Pompejus
auf sie gegen Sulla zu führen, und nur durch die Drohung, er werde
lieber sich selbst töten, wußte dieser die Meuterer zu ihrer Pflicht
zurückzuführen. Diese selbstlose Hingebung setzte ihn bei dem Diktator
in die höchste Gunst. Dieser gab ihm den ehrenden Beinamen des Großen
(Magnus) und zeichnete ihn noch besonders dadurch aus, daß er sich bei
seinem Eintritt vom Amtssessel erhob. Als aber Pompejus auch die Ehre
des Triumphes verlangte, eine Ehre, die nur siegreichen Prätoren und
Konsuln zuteil zu werden pflegte, schlug ihm Sulla seine Bitte ab und
verwies ihm seinen allzu großen Ehrgeiz. Da hatte der junge Sieger die
Kühnheit zu erwidern: „Die aufgehende Sonne hat mehr Anbeter als die
untergehende!“ Sulla, durch diese kecke Äußerung betroffen, gewährte
ihm zwar die Bitte und rief zweimal: „So triumphiere denn!“ Aber von
der Zeit an waren beide Männer keine Freunde mehr.

Dennoch blieb Pompejus der Partei des Sulla getreu. Die eigentliche
Zeit seines Ruhmes brach aber erst nach Sullas Tode an, als er
Gelegenheit fand eine Reihe glücklicher Kriege zu führen. Freilich
waren es seine glänzenden Eigenschaften nicht allein, die ihn solche
Erfolge erringen ließen; nicht selten war es die besondere Gunst der
Umstände, die ihn dabei unterstützten, und die Kunst sich die Siege
anderer und ihre Früchte anzueignen.


2. Pompejus gegen Sertorius.

+Quintus Sertorius+ stammte aus dem Sabinerlande, aus einer bislang
namenlosen Familie. In seiner Vaterstadt erlangte er einigen Ruf durch
seine Beredsamkeit; bald aber widmete er sich einzig und allein dem
Waffendienste. Er machte die Feldzüge gegen die Cimbern und Teutonen
mit und kämpfte später im Bundesgenossenkrieg. Er verrichtete so
bewunderungswürdige Taten, daß das Volk ihn mit lautem Freudengeschrei
begrüßte, so oft er zu Rom im Theater erschien. Bei dem Ausbruche
des Bürgerkrieges zwischen Marius und Sulla schloß er sich jenem
an, und als die Sache der Marianer in Italien verloren war, ging er
nach Spanien, wo er sich acht Jahre lang, 80-72, als Haupt der in
Italien unterlegenen Volkspartei gegen die Übermacht der gegen ihn
vom Staat geschickten Heerführer siegreich behauptete. Unermüdlich in
allen Anstrengungen des Krieges, abgehärtet und bedürfnislos wie ein
einfacher Kriegsmann, dabei mit List und Gewandtheit allen Gefahren
sich entziehend, mit immer neuen Anschlägen die Gegner überraschend,
ward er ein Abgott seiner Anhänger und des spanischen Volkes, das ihn
den zweiten Hannibal nannte.

Anfangs, als sein Heer noch klein und ungeregelt war, wurde er von dem
ersten Heere, das Sulla gegen ihn geschickt hatte, genötigt, Spanien
zu verlassen. Da fuhr er denn mit seinen 3000 Mann eine Zeitlang
abenteuernd an den spanischen Küsten umher, und schon kam ihm der trübe
Gedanke, aus der zerrütteten römischen Welt auszuscheiden und sich
auf den „glücklichen Inseln“ (den kanarischen), deren paradiesische
Schönheit die überlieferten Erzählungen griechischer Seefahrer nicht
genug rühmen konnten, eine neue Heimat zu suchen. Aber seine Truppen
hatten dazu keine Lust, und so führte er sie nach Afrika hinüber zu den
Mauretaniern, denen er in einem Aufstande gegen ihren König half. Hier
erwarben ihm seine Taten einen solchen Ruf, daß eine Einladung der noch
immer freiheitsstolzen Lusitaner (im heutigen Portugal) an ihn erging,
sie gegen die Heere der römischen Statthalter anzuführen. Nun ging er
wieder nach Spanien. Hier wußte er durch Mut und Tapferkeit, durch
Klugheit und erfindsamen Geist, sowie durch milde und rücksichtsvolle
Behandlung der Eingeborenen die Hälfte aller spanischen Völkerschaften
auf seine Seite zu ziehen. Sie räumten ihm volle Feldherrngewalt
ein und ließen sich sogar die Strenge des römischen Kriegsdienstes
gefallen. Um die Eingeborenen im Gehorsam zu erhalten, kam ihm ein
Aberglaube zustatten. Die Spanier standen nämlich in der Meinung, eine
Gottheit tue ihm ihren Willen durch die weiße Hindin kund, die er
sich gezähmt hatte, und die ihn überall begleitete, selbst mitten im
Kriegslärm.

So bildete er aus Lusitanern und Celtiberern waffengeübte Heerhaufen,
mit denen er, verstärkt durch die aus Italien ihm zuströmenden
marianischen Flüchtlinge, lange Zeit im kleinen Gebirgskrieg den
römischen Legionen widerstand. Zwei Prokonsuln waren schon im Kampf
gegen ihn gefallen. Die ganze Provinz schien bereits dem römischen
Reiche verloren und Italien selber und die Herrschaft der Optimaten in
Rom bedroht, zumal auch der Prokonsul Metellus Pius wenig gegen ihn
ausrichtete. +Perpenna+, ein aus Italien vertriebener Marianer, der im
Jahre 77 mit dem Rest der marianischen Truppen in Spanien erschienen
war, ward von seinen Soldaten genötigt sich mit Sertorius zu vereinigen
und ihm unterzuordnen. Dieser bildete nun einen eigenen Senat von 300
Mitgliedern, den er für den eigentlichen römischen Senat erklärte,
während der Senat zu Rom nur aus Sullas Sklaven bestände. Auch
errichtete er zu Oska auf seine Kosten eine Schule, wo die vornehmsten
Hispanier ihre Söhne nach Art der jungen Römer erziehen und in der
lateinischen und griechischen Sprache unterrichten ließen.

Sertorius vermied auch nach seiner Verstärkung durch Perpenna
fortwährend offene Feldschlachten, sondern beschränkte sich auf den
kleinen Krieg, den er in dem bergigen Lande mit Glück führte. Einst
verlangten seine eigenen Soldaten, kühn geworden durch die immer
zunehmende Zahl ihres Heeres, mit Ungestüm eine förmliche Schlacht.
Sertorius gab nach. Bald aber wurden sie von den Feinden so bedrängt,
daß ihr Untergang unvermeidlich gewesen wäre, wenn nicht Sertorius im
rechten Augenblick zu ihrem Schutz herbeigeeilt wäre und sie sicher ins
Lager zurückgeführt hätte. Als sie durch diesen Unfall mutlos geworden
waren, ließ er einige Tage später zwei Pferde vorführen. Das eine war
alt und schwach, das andere stark und jung mit einem dicken Schweif.
Hinter jenes stellte er einen starken, hinter das andere einen kleinen
schwächeren Soldaten. Auf ein gegebenes Zeichen mußten beide versuchen,
den Pferden die Schweife auszuziehen. Der starke Soldat ergriff mit
einem Mal den ganzen Schweif des schwachen Pferdes, um ihn mit einem
Zuge auszureißen; aber er zog und zog, immer vergeblich. Indeß riß der
kleine Soldat dem starken Pferde ein Haar nach dem andern aus, bis
er zuletzt den ganzen Schweif in Händen hielt. So lehrte er sie, wie
sie durch Ausdauer und kleine Gefechte auch einen überlegenen Feind
schwächen könnten.

Die Fortschritte des Sertorius erregten endlich in Rom solche
Besorgnisse, daß man den Pompejus mit einem neuen Heere nach Spanien
schickte. Pompejus führte sein Heer von 30000 Mann zu Fuß und 1000
Reitern durch Gallien über die Pyrenäen (76). Jahrelang focht er, aber
ohne Glück und Entscheidung gegen den unbesiegbaren Marianer, der sich
sogar mit König Mithridates von Pontus in ein Bündnis einließ, bis
endlich schnöder Verrat und Meuchelmord den Helden zu Fall brachte.

Als nämlich die Römer einen Preis von 100 Talenten und 20000 Morgen
Landes auf den Kopf des Sertorius setzten, da ließen sich viele
zum Abfall bewegen. Gefährlicher noch ward daher im eigenen Heer
der ehrgeizige Perpenna, der, weil er dem Sertorius den Oberbefehl
mißgönnte, die Gemüter vieler Untergebenen von ihm abwendig machte.
Er stiftete Zwietracht im Senat des Sertorius und machte auch die
Treue der Eingeborenen wankend. Da wurde Sertorius mißtrauisch und
grausam und ließ sich zu einer furchtbaren Tat hinreißen: er ließ die
Söhne der vornehmsten Spanier, welche er des Abfalles bezichtigte, in
der Schule zu Oska töten. Die tiefe Mißstimmung und Erbitterung, die
solches Verfahren auch bei den bisher treuesten Anhängern hervorrief,
benutzte sein Legat Perpenna als Gelegenheit zu seinem Untergang. Er
stiftete eine Verschwörung an und lud seinen arglosen Feldherrn zu
einem Gastmahl ein, zu dem dieser mit zweien seiner Geheimschreiber
erschien. Auf ein gegebenes Zeichen erhoben sich die Mitverschworenen
des Gastgebers und töteten Sertorius mit den beiden Schreibern (72).

Perpenna stellte sich nun selbst an die Spitze des Heeres und hoffte
die Sache der Marianer weiter zu führen. Bald aber ward er von
Pompejus geschlagen und gefangen genommen. Vergebens erbot er sich die
in seinen Händen befindlichen Briefe auszuliefern, durch die viele
römische Senatoren in Gefahr gekommen wären. Pompejus ließ die Briefe
ungelesen verbrennen und den Verräter hinrichten. Die überlebenden
Marianer flüchteten übers Meer nach Mauretanien oder warfen sich auf
den Seeraub. Die beiden spanischen Provinzen kehrten unter die römische
Herrschaft zurück.

Da Metellus inzwischen schon nach Italien zurückgekehrt war, konnte
sich Pompejus rühmen dem langjährigen und gefährlichen Kriege ein Ende
gemacht zu haben, und mit jenem zusammen im folgenden Jahre einen
glänzenden Triumph feiern. Sein Glück sollte ihm bald Gelegenheit
bieten, neue kriegerische Lorbeern zu ernten.


3. Pompejus besiegt die Reste des Sklavenaufstandes.

Während des letzten Jahres, in welchem Pompejus in Spanien focht,
wurde Italien durch einen schrecklichen Sklavenaufstand überrascht,
der in der grausamen Behandlung der Sklaven seine Ursache hatte. Schon
längst hatte bei den Römern das blutgierige Vergnügen Eingang gefunden,
Menschen bei öffentlichen Festlichkeiten auf Leben und Tod mit einander
fechten zu sehen. Solche Fechter nannte man Gladiatoren (vom lat.
~gladius~ „Schwert“). Anfangs nahm man dazu Gefangene und Verbrecher;
allein die Sucht des römischen Volkes, sich an solchen Fechterspielen
zu ergötzen, nahm so zu, daß ganze Sklavenhorden von gewinnsüchtigen
Unternehmern gekauft, in eigenen Fechterschulen abgerichtet und an
die hohen Beamten, welche dem Volke solche Spiele auf ihre Kosten zu
geben pflegten, vermietet wurden. So fochten oft viele Hunderte von
Fechterpaaren vor dem Volke und gaben zur Belustigung desselben ihr
Leben hin.

Um diesem unmenschlichen Zustand zu entgehen, entfloh aus einer solchen
Fechterschule zu Capua der Thraker +Spartacus+ mit einer Anzahl seiner
thrakischen und gallischen Unglücksgenossen. In diesem Manne fand sich
bei einer ungemeinen Körperstärke eine unbändige Freiheitsliebe, kühner
Wagemut und eine seltene kriegerische Begabung. Anfangs der Hauptmann
einer Räuberbande, erwies er sich bald als ein wirklicher Feldherr und
erneuerte in Italien den „hannibalischen Schrecken“. Der Zulauf zu
seiner kleinen Schar war so gewaltig, daß er nicht nur ein römisches
Heer nach dem andern schlug, sondern auch Rom selbst zittern machte.

Anfangs setzte er sich mit seinen Gefährten in der Umgegend des Vesuvs
fest. Bald sammelten sich mehr und mehr Fechter und Sklaven aus
Süditalien um ihn, die er militärisch ordnete; Raub und Kriegsbeute
verschafften Unterhalt und Waffen, und seine Erfolge begeisterten die
wilden Haufen bald zu unbedingtem Gehorsam gegen den kühnen Führer. In
Rom verkannte man anfangs die Größe der Gefahr. Die schwachen Kohorten,
die man gegen den Aufstand sandte, wurden geschlagen. Erst als der
Übermut und die Grausamkeit des täglich anwachsenden Heerhaufens die
Städte Unteritaliens in Not und Schrecken setzte, rückten größere
Truppen gegen ihn aus, die einen regelrechten Feldzug eröffneten.

Einst hatte Spartacus mit seinen Truppen eine Höhe besetzt; der
römische Befehlshaber konnte sie hier nicht angreifen und lagerte sich
vor der Höhe, da, wo ein einziger schmaler Weg zu ihr hinaufführte,
um die Feinde auszuhungern. Allein diese verfertigten aus wilden
Weinranken, mit denen die Höhe besetzt war, möglichst starke Ketten, an
denen sie sich nachts an der steilsten Stelle herabließen, ohne daß die
Römer auf der andern Seite das Mindeste merkten. Ja, sie wurden sogar
von den um den Berg herumgekommenen Fechtern so plötzlich überfallen,
daß sie die Flucht ergriffen und das Lager preisgaben. Dieser Sieg
verschaffte dem Spartacus einen solchen Ruf, daß ihm weitere Tausende
von Sklaven zuliefen.

Ein andermal hatte ihn der römische Prätor schon eingeschlossen, sodaß
er entweder sich ergeben oder durch Hunger umkommen mußte. Da ließ
er nachts vor dem Lager Leichname, die an Pfähle gebunden waren und
Waffen in den Händen hielten, in gehörigen Zwischenräumen aufstellen;
alle Wachtfeuer brannten, ein Trompeter blies dann und wann; dies
alles, damit die Römer ihr Lager fortwährend besetzt halten sollten.
Inzwischen entwischte Spartacus mit seinem ganzen Heere an einer wenig
bewachten Stelle.

So schlug er nach einander drei Prätoren und zwei Konsuln. Da er
jedoch fühlte, daß er seine aus 70000 Mann angeschwollene Masse wilder
Thraker, Gallier und Germanen nicht lange werde zusammenhalten können,
so suchte er nach Oberitalien zu dringen, um sie von da über die Alpen
in ihre Heimat zu führen. Allein das Raubleben in Italien gefiel den
meisten, und ein Unterbefehlshaber des Spartacus, namens Crixus,
trennte sich mit 30000 Galliern von ihm, erlitt aber bald eine völlige
Niederlage. Spartacus selbst ward von seinen Leuten gedrängt sie gegen
Rom zu führen.

Hier wurde der durch seinen Reichtum bekannte +Licinius Crassus+ zum
Feldherrn gegen Spartacus ernannt. Er stellte zuerst die verfallene
Kriegszucht wieder her, ließ in zwei Legionen seines Unterfeldherrn
den zehnten Mann zur Strafe für ihre schimpfliche Flucht hinrichten,
und schloß dann den Feind durch einen meilenlangen Wallgraben ein.
Spartacus aber durchbrach den Wall und ward dann von Crassus zur
Schlacht am Flusse Silārus in Lucanien (71) genötigt. Er kämpfte mit
dem Mute eines Löwen; er hatte sein Pferd selbst erstochen, denn er
wollte siegen oder sterben. Er stürzte sich in den Feind und suchte
den Crassus zu treffen, jedoch vergebens; dagegen sanken viele andere
unter seinen Streichen. Als er, schwer an der Hüfte verwundet, nicht
mehr stehen konnte, schlug er knieend um sich, bis er aus der Ferne
mit Wurfspießen getötet wurde. In der Schlacht kamen 60000 Sklaven
um, 6000 wurden gefangen und an der Landstraße von Capua nach Rom ans
Kreuz geschlagen, und nur einem Reste von 5000 Mann gelang es sich nach
Oberitalien durchzuschlagen.

Aber hier stießen sie auf die Legionen, mit denen Pompejus aus
Spanien heimkehrte. Er vernichtete den Haufen mit leichter Mühe bis
auf den letzten Mann, und schrieb großprahlend an den Senat, Crassus
habe zwar die Sklaven in geordnetem Treffen geschlagen, er aber habe
diesem Sklavenkrieg erst die Wurzel ausgerissen! Gepriesen von seinen
Schmeichlern, erhielt er nach seinem Triumph über Spanien das Konsulat,
in dem er eben jenen Licinius Crassus, der ihm natürlich nicht hold
war, zum Amtsgenossen hatte. Diese beiden Männer strebten jetzt nach
der Gunst des Volkes und dadurch nach der Herrschaft. Crassus bewirtete
das Volk an 10000 Tafeln und spendete ihm Getreide auf drei Monate;
Pompejus stellte die Macht der Volkstribunen, die Sulla beschränkt
hatte, wieder her, um mit ihrer Hilfe seine ehrgeizigen Pläne zu
fördern (70).

Am Schluß dieses Jahres vermittelten Freunde zwischen beiden Konsuln
eine Versöhnung, wobei sich der gutmütigere Crassus zuerst von seinem
Sitze erhob und dem Pompejus die Hand reichte. Dieser liebte es mit
erkünstelter Bescheidenheit aufzutreten. Als in dem Jahre seines
Konsulats die Censoren die übliche Musterung über die Ritter hielten,
erschien auch Pompejus, als ob er dem Ritterstande angehörte, sein
Pferd am Zügel führend. Alles staunte; und als er auf die Frage, ob
er auch die den Angehörigen des Ritterstandes obliegenden Feldzüge
mitgemacht habe, mit lauter Stimme antwortete: „Ja, alle, und zwar
immer als Oberbefehlshaber!“ da brach die Menge in lauten Beifall aus
und gab ihm jubelnd das Ehrengeleit nach seinem Hause.


4. Pompejus besiegt die Seeräuber.

Schon seit vielen Jahren befanden sich die östlichen Provinzen
des römischen Reiches in fortgesetzter Bedrängnis durch das
überhandnehmende Unwesen der Seeräuber, die namentlich seit dem Kriege
mit Mithridates durch die Söldnerscharen, welche in seinen Diensten
gestanden, außerordentlichen Zuwachs erhalten hatten. Sie hatten ihren
Sitz hauptsächlich an den rauhen Küsten Ciliciens in Kleinasien und
auf Kreta, und betrieben ihre Raubzüge in planmäßiger Ordnung. Alle
Küstenländer und Küstenstädte, sowie die Inseln von der Küste Asiens
bis zur spanischen Meerenge wurden durch Plünderungen, Menschenraub und
Erpressungen in Not und Schrecken gesetzt. Sie befuhren mit weit über
tausend trefflich bemannten und schnell segelnden Schiffen das Meer,
erschienen in ganzen kriegsmäßig geleiteten Geschwadern, geboten über
400 eroberte Städte und hatten allenthalben ihre festen Plätze, wo
sie ihren Raub verbargen und verpraßten. Sie liefen in die Mündungen
der Flüsse ein und überall, wo sie landeten, wagte man es nicht mehr
das Feld zu bestellen. Dabei hatten sie immer ihre Hehler und Helfer
in den Provinzen wie in Italien selbst. Vorzüglich gingen sie darauf
aus, angesehene Personen aufzufangen, um hohe Lösegelder für sie zu
bekommen; wer sich nicht löste, verlor Freiheit oder Leben. Besonders
suchten sie die Küsten Italiens heim, wo sie bald da, bald dort
landeten und einmal sogar die Tochter eines Senators, ja selbst zwei
Prätoren samt ihren Liktoren fortschleppten. So waren die Herren der
Welt nicht mehr Herren an ihrem eigenen Herde.

Schon seit dem Jahre 78 v. Chr. führten die Römer Krieg gegen die
Seeräuber; aber wenn diese auch einmal geschlagen und ihre Raubnester
zerstört wurden, so war doch das Unwesen nicht ausgerottet, ja es
trat nach einiger Zeit noch stärker hervor, sodaß Handel und Verkehr
allgemein stockte, die Getreideschiffe aus Sizilien und Afrika
ausblieben, in Rom die Teuerung immer höher stieg, und Hungersnot und
Aufruhr des Stadtvolkes drohte. Als nun endlich sogar vor Ostia, wenige
Meilen von der Hauptstadt, eine römische Flotte von den Seeräubern
geschlagen und versenkt wurde, da erkannte man die Notwendigkeit
entscheidende Maßregeln zu ergreifen (67). Der Volkstribun +Aulus
Gabinius+, ein Anhänger des Pompejus, trat mit dem Vorschlage auf, man
solle einen der gewesenen Konsuln mit der Führung des Krieges gegen die
Seeräuber betrauen und ihm auf drei Jahre mit den nötigen Truppen und
Geldmitteln die unumschränkte Gewalt, Verfügung über die ganze Seemacht
und über alle Küstenländer des römischen Reiches bis auf zehn Meilen
landeinwärts übertragen.

Da jedermann einsah, daß unter dem Einen, dem man auf diese Weise den
Befehl über fast das halbe römische Reich in die Hände legen sollte,
kein anderer als Pompejus gemeint sein konnte, so setzte der Senat den
ernstesten Widerstand entgegen. Bei den Beratungen über den Antrag des
Gabinius ging es so stürmisch und gewalttätig zu, daß dieser selbst
in Lebensgefahr geriet; aber auch die Senatoren würden vom Volke, das
dem Tribunen zu Hilfe in den Sitzungssaal eingedrungen war, erschlagen
worden sein, wenn sie nicht geflohen wären. Pompejus selbst gab sich
zwar in einer Rede vor der Volksversammlung den Anschein, als wünsche
er dieser großen Aufgabe, die so vielen Neid und Widerspruch errege,
überhoben zu sein; er habe schon so viel im Kriege ausgestanden, daß er
(der kaum 40 Jahre alt war) sich selbst als ein abgebrauchter alter
Mann vorkäme; man sollte daher einen Tüchtigeren wählen. Das Volk ward
dadurch nur noch bestärkt in dem Entschlusse den Vorschlag des Tribunen
durchzusetzen, und es erhob sich ein solcher Lärm, daß ein oben
vorbeifliegender Rabe, von dem Geschrei betäubt, zur Erde fiel.

Der Antrag ging durch, und Pompejus erhielt 500 Schiffe, 120000
Legionssoldaten mit 7000 Reitern und 25 Unterfeldherren (Legaten), dazu
144 Millionen Sesterze (33 Millionen Mark) aus dem Staatsschatz, nebst
der Vollmacht über alle Mittel der Provinzen zu verfügen. Eine solche
Macht hatte gesetzmäßig vor ihm noch kein römischer Feldherr besessen.

Nun teilte Pompejus das ganze Mittelmeer in dreizehn Bezirke, über
deren jeden er einen Legaten mit den nötigen Streitmitteln setzte, und
befahl sodann die Piraten zunächst aus dem westlichen Meere, also aus
allen Schlupfwinkeln an den Küsten Italiens, Spaniens, Afrikas und der
dazwischen liegenden Inseln aufzuscheuchen und nach dem östlichen Meere
zu treiben. Als dies geschehen war, wendete er sich mit der Hauptmacht
nach Osten. Schon auf dem Wege dorthin ergaben sich ihm viele auf Gnade
und Ungnade, und er behandelte sie mit schonender Milde, um durch
diese Mäßigung den andern die Rückkehr zur Ordnung zu erleichtern.
Die meisten aber suchten ihre Zuflucht in den cilicischen Buchten und
Bergfesten. Pompejus schlug dort ihre Flotte in einer regelmäßigen
Schlacht gänzlich, zerstörte ihre Burgen, nahm ihnen alle ihre Städte,
Schiffe, Vorräte, Waffen, und verpflanzte die Gefangenen, über 20000,
tief in das Land hinein, um sich dort anzubauen und des Piratenlebens
zu entwöhnen.

Auf diese Weise hatte er in drei Monaten das Seeräuberwesen vertilgt
und Rom die Herrschaft zur See wiedergegeben.

Die rasche und glückliche Beendigung dieses Krieges versetzte das
römische Volk in solche Freude, daß es den Freunden des Pompejus leicht
wurde, dem Gefeierten ein noch größeres Feld des Ruhmes zu verschaffen,
auf dem er abermals die Frucht der Arbeit anderer ernten sollte.


5. Pompejus in Asien.

Während Pompejus diese schnellen Siege erfocht, hatte sich
+Mithridates+, der den Römern so furchtbare König von Pontus, zu einem
neuen Kampfe gerüstet. Er hatte seine Land- und Seemacht verstärkt
und durch römische Hauptleute, die ihm nach der Unterdrückung der
Marianer in Menge zuströmten, in römischer Weise einüben lassen. Mit
seinem Eidam, dem König +Tigránes+ von Armenien, und mit Sertorius
in Spanien schloß er ein Bündnis und suchte die kriegerischen Völker
im Norden des schwarzen Meeres und an der Donau zum Kampfe gegen die
Römer aufzureizen. Nach dem Tode des Königs Nikomédes von Bithynien,
der die Römer zu Erben seines Reiches ernannt hatte, fiel Mithridates
in Bithynien ein mit einem Heer von 120000 Mann zu Fuß, 16000 Reitern
und 100 Sichelwagen (74 v. Chr.). Allenthalben ward er als Befreier
vom römischen Druck gern aufgenommen. Die Römer aber beauftragten die
beiden Konsuln dieses Jahres, L. Licinius +Lucullus+ und M. Aurelius
+Cotta+, mit der Führung des Krieges, von denen dieser hauptsächlich
die Leitung der Flotte, ersterer die des Hauptheeres zu Lande erhielt.

Nachdem Cotta in der Propontis unglücklich gegen Mithridates gekämpft
und dabei seine ganze Flotte eingebüßt hatte, gelang es Lucullus, der
von Cilicien her eben dorthin vorgerückt war, das weit zahlreichere
Heer, womit der König die große Seestadt Kyzikos hart bedrängte, völlig
zu schlagen, die Stadt zu entsetzen, und bald darauf auch die Flotte
des Königs zu vernichten (73). Noch sieben Jahre, bis 67, dauerte
der Krieg, der sich allmählich ostwärts bis in die Gebirge Armeniens
und Mediens zog und den Gegner immer härter bedrängte. Schon gab
Mithridates sein Reich verloren und ließ in seiner Hauptstadt seine
Schwestern und Frauen töten, um sie vor römischer Gefangenschaft zu
bewahren; er selbst floh zu seinem Schwiegersohn Tigranes von Armenien,
der eben im Begriff stand, das Königreich Syrien mit dem seinigen zu
vereinigen. Lucullus ließ ihn auffordern, den Flüchtling auszuliefern.
Da er aber sein Schreiben an den „König“ Tigranes richtete, statt an
den „König der Könige“, wie sich jener hochmütig nannte, so fühlte sich
Tigranes gekränkt und gab eine abschlägige Antwort. Da zog Lucullus
auch gegen ihn und schlug das zwanzigmal stärkere armenische Heer bei
seiner Hauptstadt Tigranokerta in die Flucht (69). Dieser Sieg gewährte
unermeßliche Beute. Lucullus gedachte noch weiter vorzudringen,
allein der Ungehorsam seiner meuterischen Soldaten, deren Genuß- und
Beutegier er nicht genug frönte, hemmte ihn in seinen Unternehmungen,
und mitten im glücklichsten Lauf seiner Siege riefen ihn Neid und
Mißgunst und boshafte Verleumdungen seiner Gegner vom Schauplatze des
Krieges ab.

Diese Feinde hatte sich Lucullus durch seine rücksichtsvolle und
menschliche Behandlung der kleinasiatischen Städte zugezogen. Die ihnen
von Sulla auferlegten 20000 Talente waren durch die Schulden, die sie
bei den römischen Wucherern hatten machen müssen, zu der entsetzlichen
Höhe von 120000 Talenten angewachsen, und die unvermögenden Schuldner
wurden durch Kerkerstrafen und Martern aufs schrecklichste gepreßt.
Lucullus setzte die Schuld auf 40000 Talente herab und gewährte
den Städten noch andere Erleichterungen. Dafür ward er denn von
den römischen Wucherern daheim auf das heftigste angegriffen und
verleumdet. Diese und die Anhänger des Pompejus brachten es dahin,
daß ihm der Oberbefehl genommen und auf den Antrag des Volkstribunen
Manilius, den Cicero in einer Rede verteidigte, dem Pompejus übertragen
wurde (67). Nun ging Pompejus nach Kleinasien, wo er in Galatien mit
Lucullus eine Unterredung hatte. Anfangs spendeten sich beide die
größten Lobsprüche; zuletzt überhäuften sie sich gegenseitig mit
Vorwürfen, indem Lucullus dem Pompejus seinen unersättlichen Ehrgeiz,
dieser dem Lucullus seine unersättliche Habgier vorhielt.

Lucullus ging nach Rom, wo er nach langem Warten einen Triumph
erhielt, und dann sein weiteres Leben in der Beschäftigung mit Kunst
und Literatur und im Genuß seiner ungeheuren Reichtümer hinbrachte.
Seine reichen Sammlungen von kostbaren Gemälden, Bildsäulen, Büchern,
seine prächtigen Paläste, Landhäuser, Lustgärten, seine Fischteiche
und künstlichen Seen, seine Prachtgeräte und Kleinodien, seine
üppigen Gastmähler, wozu er die seltensten Speisen und Weine aus
allen Weltgegenden herbeischaffen ließ, machten lucullischen Luxus
zum Sprichwort. Kostete ihm doch ein einziges Prunkmahl im Apollo
(so hieß einer seiner Speisesäle) an 30000 Mark nach unserem Gelde!
Durch ihn wurden die Kirschen und andere aus Asien eingeführte
edle Obstarten in Europa einheimisch Sein Beispiel blieb natürlich
nicht ohne verderbliche Nachahmung; fast alle reichen und vornehmen
Männer Roms wetteiferten seitdem in der Pracht ihres Haushalts und
ihrer Lebensführung, und je größer ihre Verschwendung ward, um so
gieriger suchten sie sich in den Provinzen durch Erpressungen und
Bestechlichkeit zu bereichern.

Pompejus, dem sein Vorgänger schon durch große Erfolge vorgearbeitet
hatte, setzte nun den Krieg gegen Mithridates fort. Dieser hatte sich
inzwischen wieder erholt und mit rastloser Tätigkeit ein neues Heer
von 33000 Mann aufgestellt. Vor dem andringenden Pompejus zog er sich
in das Innere seines Landes zurück und suchte den Euphrat zu gewinnen.
Hier holte ihn Pompejus ein, umging ihn unbemerkt und besetzte die
umgebenden Höhen eines Engtals, durch welches die Gegner ihren Marsch
nehmen mußten. Mithridates schlug, ohne Ahnung von der Nähe der Feinde,
in diesem Tal sein Lager auf. Die Nacht kam und alles lag in tiefer
Ruhe. Plötzlich schmetterten auf allen Seiten die römischen Trompeten;
die römischen Legionen erhoben ihren gefürchteten Schlachtruf
und schlugen mit den Waffen an die Schilde, daß die Schluchten
widerhallten. Hierauf ergoß sich ein Pfeil- und Speerregen von den
Anhöhen herab über die Aufgeschreckten, die in wildestem Gedränge den
Ausweg im Dunkeln suchten. Dann verließen die Römer die Berge; der
Feind sah sie nicht, aber er fühlte ihr Schwert; alles flüchtete und
drängte nach der Mitte, wo man sich erdrückte und zertrat. Endlich ging
der Mond auf und beleuchtete das gräßliche Nachtstück. Mithridates
selber entkam mit zwei Begleitern und einer seiner Frauen, die ihn
in persischer Reitertracht zu begleiten und alle Gefahren zu teilen
pflegte. Sein ganzes Heer war vernichtet.

Pompejus wandte sich darauf gegen Tigranes nach Armenien, das er
ohne Schwertstreich einnahm. Der alte Tigranes, von dem eigenen
Sohne verraten und an seinem Glücke verzweifelnd, kam in das Lager
des Pompejus, legte ihm sein Diadem zu Füßen und bat um Schonung. Er
behielt sein Erbreich und zahlte 6000 Talente.

Während Mithridates in die fernsten Teile seines Reiches am Kaukasus
und auf die taurische Halbinsel (Krim) geflohen war, um sich zu neuem
Widerstande zu rüsten, drang Pompejus durch die Kaukasusländer bis
nach Kolchis am schwarzen Meere vor. Bald aber begab er sich wieder
in das Reich Pontus, wo zwölf Fürsten der benachbarten Länder demütig
vor ihm als ihrem Gebieter erschienen, um seine Befehle zu empfangen.
Dann brach er auf, um südwärts nach Syrien zu ziehen, das, seit dem
Erlöschen der Dynastie der Seleukiden (312-64), in völlige Zerrüttung
geraten war, und machte auch dies große Reich mühelos zur römischen
Provinz. Von da wandte er sich westwärts nach Palästina (63).

In Palästina stritten damals zwei Brüder aus dem Heldengeschlechte
der Makkabäer um die Herrschaft, und beide hatten den Pompejus zu
Hilfe gerufen. Dieser entschied zu Gunsten des älteren Bruders,
+Hyrkānos+, dem er die Regierung und das Hohepriestertum, aber nicht
den Königstitel bewilligte. Der zurückgesetzte +Aristobūlos+ zog sich
darauf mit seinen Anhängern auf den Tempelberg in Jerusalem zurück und
verteidigte sich dort mit der äußersten Tapferkeit. Erst im dritten
Monat eroberten die Römer an einem Sabbat, als die Juden die Waffen
ruhen ließen, den Tempel; 12000 Juden, darunter die Priester, die
sich im Opferdienst nicht irre machen ließen, verloren hierbei das
Leben. Nichts schmerzte aber die Juden mehr, als daß Pompejus sich
nicht scheute, mit seinem Gefolge in das Allerheiligste des Tempels
einzudringen, das doch bei ihnen niemand als der Hohepriester und
auch dieser nur einmal im Jahre betreten durfte. Pompejus tat dies in
der neugierigen Erwartung, daß er hier den einzigen Gott der Juden
sehen werde. Allein, wie erstaunte er über das Volk der Juden, als er
darin kein Götterbild wahrnahm, sondern nur den goldenen Leuchter, den
goldenen Tisch mit den Schaubroten und die heiligen Schriften. Dem
heidnischen Römer mußte dies alles ein verschlossenes Geheimnis sein.
Pompejus legte den Juden eine schwere Kriegssteuer auf und machte
das Land zinspflichtig; Aristobulus aber und seine Kinder führte er
gefangen fort, um sie in Rom beim Triumphe aufzuführen.

In Palästina erfuhr Pompejus auch den Tod des Mithridates. Dieser
hatte zuletzt in seiner eigenen Familie Verrat erfahren müssen.
Auch sein liebster Sohn Phárnakes empörte sich wider ihn und gewann
sein Heer. Der alte, sogar von seinen Leibwachen verlassene König
flüchtete sich in eine Burg, wo ihn sein Sohn belagerte, um ihn den
Römern auszuliefern. Aber Mithridates, als er das seiner harrende Los
erkannte, nahm er das Gift, das er stets im Knaufe seines Schwertes
trug, und mischte für sich, seine Frauen und Töchter, unter diesen die
beiden Bräute der Könige von Ägypten und Cypern, den Giftbecher, den
er selber als der letzte trank. Da er aber seinen Körper, um sich gegen
Vergiftung zu schützen, seit lange an alle Arten von Gift gewöhnt und
dagegen abgehärtet hatte, so wirkte der Trank nur schwach und langsam.
Da bot der König einem seiner keltischen Söldner den Nacken zum
Todesstreich. So endete dieser große Feind der Römer sein Leben im 68.
Lebensjahre, nach 56jähriger Regierung und 26jährigem Kampf gegen die
römische Weltherrschaft (63).

Jetzt eilte Pompejus in das Reich Pontus und traf hier umfassende
Anordnungen über die eroberten asiatischen Länder. Er setzte Könige
und Fürsten ab und ein, löste Königreiche und Fürstentümer auf und
schuf neue, ordnete die neuerworbenen Provinzen nach seinem Gutdünken,
und kehrte dann, überreich an Erfolgen, Ruhm und Beute, nach Italien
zurück. In Brundisium, wo er landete, entließ er sein Heer und begab
sich, wie ein einfacher Bürger, nach Rom. Auf dem ganzen Wege begrüßte
ihn das Volk unter stetem Beifallrufen bis zu den Toren Roms, wo ihn
der ganze Senat erwartete. In Rom feierte er +als Sieger über den
dritten Weltteil+ und +zweiter Alexander+ seinen dritten Triumph,
der zwei Tage dauerte und alles, was man bisher in dieser Art in Rom
gesehen hatte, an Pracht und Glanz weit hinter sich ließ. Voran trug
man Tafeln mit den Namen von sechzehn besiegten Ländern und Völkern,
mit der Angabe von 1000 Burgen, 900 Städten, 800 Schiffen, die er
genommen, und von 39 Städten, die er gegründet oder bevölkert hatte.
Unter den Siegeszeichen und erbeuteten Schätzen und Kostbarkeiten, die
er zur Schau stellte, befanden sich 33 Kronen mit Perlen, 3 goldene
Götterbildnisse, 9 Schenktische voll goldener Trinkgeschirre, die
unermeßlichen Schätze des Mithridates, darunter eine kostbare Sammlung
geschnittener Steine, sein goldenes, 8 Ellen hohes Brustbild, sein
Thron, sein 4 Fuß breites und 3 Fuß langes Brettspiel von 30 Pfund
Gold an Gewicht, mit Würfeln von Edelsteinen, ein Musentempel mit
einer Sonnenuhr im Giebel u. s. w. Die Menge der Kostbarkeiten war
so groß, daß sie nicht alle in diesen beiden Tagen aufgeführt werden
konnten. Unter den 324 vornehmen Gefangenen aus den verschiedensten
Völkerschaften, die ungefesselt vor dem Triumphwagen einhergingen,
befanden sich fünf Söhne und zwei Töchter des Mithridates. Endlich
folgte auf einem von Edelsteinen schimmernden Triumphwagen Pompejus
selbst, angetan mit einer Rüstung Alexanders des Großen, die er in
der königlichen Schatzkammer des Mithridates gefunden hatte. In den
römischen Staatsschatz lieferte er 20000 Talente (fast 10 Millionen
Mark).



XXVI.

Cicero.


+Marcus Tullius Cicero+ wurde im Jahre 106 v. Chr. im südlichen Latium,
nahe bei Arpinum, der Vaterstadt des Marius, geboren. Er stammte aus
einem wohlhabenden Rittergeschlechte und empfing von seinem Vater
seine erste Bildung. Früh zeigte er den Ehrgeiz „immer der Beste zu
sein und emporzustreben vor allen.“ Seine weitere Vorbildung erhielt
er zu Rom, wo er schon in der Schule durch Wißbegierde, schnelle
Auffassung und rasche Fortschritte allgemeine Bewunderung erregte. Dann
machte er sich mit den Werken der besten griechischen Dichter, Redner
und Philosophen vertraut, und ließ sich in die römische Rechtskunde
einführen. Durch fleißiges Übersetzen griechischer Dichtungen und Reden
erlangte er eine große Gewandtheit auch im Gebrauch der lateinischen
Sprache. Nachdem er im marsischen oder Bundesgenossenkriege (S. 121)
einen Feldzug mitgemacht hatte, lebte er drei Jahre in Rom als Anwalt,
indem er die Verteidigung von Angeklagten übernahm. Dann ging er, um
seine Gesundheit herzustellen und sich weiter auszubilden, nach Athen,
Kleinasien und Rhodus, wo er die berühmtesten Lehrer der Beredsamkeit
hörte. In Rhodus, erzählt man, forderte ihn eines Tages sein Lehrer,
der berühmte Apollonios Molon, auf, einen griechischen Vortrag zu
halten. Cicero tat es und wußte seine Zuhörer so hinzureißen, daß
sie in Lobsprüchen über ihn wetteiferten; nur Molon saß lange Zeit
nachdenkend da und sprach endlich: „Dich, o Cicero, preise und
bewundere ich, aber Griechenlands Geschick bedauere ich, da ich sehe,
daß auch der einzige Vorzug, der uns Griechen noch übrig blieb, Bildung
und Beredsamkeit, durch dich den Römern zuteil wird.“ Einige Jahre
nach seiner Rückkehr ward er Quästor in Sicilien, wo er durch seine
menschenfreundliche und gerechte Amtsführung sich allgemeine Achtung
erwarb. Deshalb übertrugen ihm hernach die Städte dieser Provinz die
Anklage gegen +Gajus Verres+, der sie als Prätor drei Jahre lang durch
unersättliche Habgier, schamlose Erpressungen von Geld und Kunstwerken
aller Art, durch ungerechte und grausame Urteilssprüche in Verzweiflung
gebracht hatte. Cicero führte diese Anklage mit solchem Erfolge, daß
Verres noch vor Beendigung des Prozesses seine Sache verloren gab und
in die Verbannung ging. Dieser Erfolg begründete den Ruf Ciceros als
des ersten Redners in Rom und erwarb ihm so allgemeine Anerkennung, daß
er die nächsthöheren Ämter, die Ädilität und Prätur, mühelos erreichte
und endlich auch, obgleich wie sein Landsmann Marius ein „Neuling“
(~homo novus~), das höchste Ziel seines Ehrgeizes, das Konsulat, für
das Jahr 63 erlangte. Als Konsul erwarb er sich um sein Vaterland
dadurch ein großes Verdienst, daß er die Verschwörung des Catilina
entdeckte und vernichtete.

+Lucius Sergius Catilina+ war aus dem altpatrizischen Geschlechte
der Sergier entsprossen. Von Jugend auf von allen Lastern jener Zeit
befleckt, durch Verschwendung verarmt und verschuldet, war er vertraut
mit allen durch Ausschweifung und Leichtsinn zugrunde gerichteten
jungen Adligen, die er zu Meineid und Betrug, zu Gewalttat und Mord
verführte. Schon zur Zeit der sullanischen Proskriptionen hatte er
durch Ermordung des eigenen Bruders seine Verworfenheit gezeigt.
Dennoch wußte er sich so zu verstellen, daß er hohe Ämter erlangte
und sich sogar um das Konsulat bewarb. Da er aber als Proprätor
in Afrika wegen Erpressungen angeklagt wurde, mußte er von dieser
Bewerbung abstehen. Aus Erbitterung über diesen Fehlschlag seiner
Hoffnung und aus Furcht vor weiteren gerichtlichen Verfolgungen faßte
er den Entschluß die neuen Konsuln und die ihm verhaßten Senatoren zu
ermorden, und sich so das Konsulat mit Gewalt zu verschaffen und die
herrschende Aristokratie zu stürzen.

Da sein Versuch, diesen Plan auszuführen, zweimal mißlungen war,
stiftete er eine weit verbreitete Verschwörung zum Umsturz des Staates
an. Er gewann in Rom selbst zehn Senatoren, eine Anzahl Ritter,
außerdem noch viele Unzufriedene in den übrigen Städten, Leute, die,
wie er selbst, durch eine völlige Umwälzung aus Armut, Schuldennot oder
Unehre wieder emporzukommen hofften. Diesen allen verhieß er Ämter,
Tilgung ihrer Schulden und Reichtümer.

Zur Ausführung seines ruchlosen Planes bewarb er sich von neuem um das
Konsulat, diesmal zugleich mit Cicero, für das Jahr 63. Zwar er selbst
fiel durch, aber neben Cicero wurde ein heimlicher Gesinnungsgenosse
Catilinas, Antonius Pätus, gewählt. Durch seinen neuen Mißerfolg nicht
abgeschreckt, sondern zum äußersten gereizt und entschlossen, betrieb
Catilina seinen Verrat mit erhöhter Kraft. Er ließ in aller Stille
in allen Teilen Italiens seine Anhänger sich sammeln und bewaffnen,
und traf in Rom selbst alle Anstalten, um die Stadt auf ein gegebenes
Zeichen in Brand stecken und den neuen Konsul Cicero mit allen
Häuptern der herrschenden Partei ermorden zu lassen. Aber er fand in
Cicero einen wachsamen und unerschrockenen Gegner, der alle seine
Schritte beobachtete und rechtzeitig zu vereiteln wußte. So verging
ein großer Teil des Jahres. Endlich gelang es dem Konsul durch den
Verrat einer Frau und durch die Aussagen eines Teilnehmers einen Beweis
für Catilinas Hochverrat zu erhalten. Da trat er im Senat offen mit
seiner Anklage gegen Catilina hervor. Vergebens suchte dieser sich zu
verteidigen. Als er die ihm feindliche Stimmung erkannte, rief er mit
drohendem Trotz: „Aus zwei Körpern besteht unser Staat: der eine ist
hinfällig und hat ein schwaches Haupt; der andere ist kräftig, jedoch
ohne Haupt. Es soll ihm, wenn ich am Leben bleibe, nicht lange mehr
fehlen!“ Dann stürzte er hinaus.

Inzwischen hatten seine Anhänger unter der Führung eines gewissen
+Manlius+ bei Fäsulä (heute Fiesole, nahe bei Florenz) ein Lager
bezogen. Da Catilina auch bei der Konsulwahl dieses Jahres wieder
durchgefallen war, so versammelte er in der darauf folgenden Nacht
die Verschworenen und wies jedem sein Geschäft zu. Die vornehmsten
Gegner sollten getötet, die Stadt an verschiedenen Stellen zugleich
angezündet, vor allem aber Cicero vor Anbruch des Tages ermordet
werden. Dieser erfuhr den Plan, ließ die beiden Verschworenen, die ihn
ermorden wollten, vor seiner Tür abweisen und berief den Senat. Auch
Catilina erschien. Jetzt enthüllte Cicero das ganze ruchlose Treiben
des Mannes in gewaltiger Rede, richtete dann sein Wort unmittelbar an
diesen selbst und forderte ihn auf mit seiner Rotte Rom zu verlassen,
wo für seine heimlichen Anschläge kein Raum mehr sei, wo der Konsul und
die Staatsgewalt ihn auf Schritt und Tritt bewache und das Volk ihn
verabscheue; draußen möge er den offenen Kampf gegen die Vaterstadt
beginnen. Und Catilina folgte dieser höhnischen Aufforderung: in der
folgenden Nacht eilte er aus der Stadt ins Lager zu Manlius.

Die Mitverschworenen aber, die er in Rom zurückließ, bestimmten die
Feier der Saturnalien (im Dezember) zur Ausführung ihres Planes; die
Stadt sollte an zwölf Ecken angezündet, die Häupter des Senats und die
Konsuln durch bestimmte Verschworene ermordet werden, und Catilina
in der allgemeinen Verwirrung mit seinem Heere einrücken. Auch eine
Gesandtschaft der Allóbroger, einer Völkerschaft in der gallischen
Provinz, welche gekommen war, um über ungerechte Behandlung Beschwerde
zu führen, wurde mit in die Verschwörung gezogen und zum Aufstande
aufgefordert; aber dies beschleunigte nur den Untergang der Frevler.
Da diese Gesandten schwankten, was sie tun sollten, so teilten sie die
Sache einem Senator mit, durch den Cicero alles erfuhr. Sie erhielten
den Rat, sich von den Häuptern der Verschwörung Briefe an ihr Volk
geben zu lassen. Dies geschah; aber Cicero ließ die abreisenden
Gesandten, bei denen sich auch ein Verschworener befand, nahe bei der
Stadt aufheben und bekam durch die Briefe nun auch schriftliche Beweise
gegen die Verschworenen in die Hand.

Die Schuldigen wurden darauf überführt und in Haft gegeben. Cicero
erhielt den Dank des Senats und den Namen Vater des Vaterlandes. Von
den neun Hauptschuldigen waren vier entflohen, die übrigen fünf, an
ihrer Spitze der Stadtprätor Lentulus, wurden vom Senat zum Tode
verurteilt und dieser Beschluß sogleich im Gefängnis vollzogen. Mit
den Worten: „Sie haben gelebt!“ verkündigte Cicero dem Volke die
Vollstreckung der Strafe und ward von ihm, wie im Triumphe, nach seinem
Hause begleitet.

Gegen Catilina selbst aber wurde mit Waffengewalt vorgeschritten.
Der Feldzug gegen ihn fiel ins folgende Jahr (62). Bei +Pistoria+ in
Etrurien kam es zum Treffen. Catilina und seine 3000 Gefährten fochten
mit verzweifelter Tapferkeit; sie fielen bis auf den letzten Mann.

Wiewohl Cicero durch die Entdeckung der Verschwörung den Staat gerettet
hatte, so wurde doch der Umstand, daß er die Verbrecher wider das
herkömmliche Rechtsverfahren, ohne gerichtliche Untersuchung und
Verurteilung, bloß auf einen Senatsbeschluß hin, hatte hinrichten
lassen, die Ursache, daß er später heftig angegriffen wurde, wobei
er von seinen politischen Freunden nur schwach unterstützt wurde. Der
Volkstribun +Clodius+ beantragte einige Jahre nachher ein Gesetz, daß
jeder, der einen römischen Bürger ohne Richterspruch hingerichtet habe,
geächtet sein solle. Dieses Gesetz, das unverkennbar gegen Cicero
gerichtet war, fand die Zustimmung des Volkes, und so mußte dieser,
um seinen Feinden zu entgehen, freiwillig in die Verbannung wandern
(58). Er ging nach Thessalonike in Makedonien. In Rom zog man seine
Güter ein und zerstörte sein Haus. Doch schon im folgenden Jahre (57)
wurde er durch Volksbeschluß zurückgerufen. Seine Rückkehr glich einem
Triumphzuge. Sein Haus und seine Güter wurden ihm wieder hergestellt.



XXVII.

Julius Cäsar. Der zweite Bürgerkrieg.


1. Cäsar bis zum Kampfe gegen Pompejus.

+Gajus Julius Cäsar+ wurde im Jahre 100 v. Chr. zu Rom als Sprößling
eines der vornehmsten alten Adelsgeschlechter, dem der Julier, geboren.
Von seiner Mutter Aurelia mit der größten Sorgfalt erzogen, zeigte er
schon als Knabe eine ganz ungewöhnliche Begabung des Geistes und eine
Willenskraft, die vor keinem Widerstande, vor keiner Schwierigkeit
zurückwich. Von seinem Gedächtnis und seiner Geisteskraft erzählte
man Erstaunliches: er sei imstande und gewohnt, zu gleicher Zeit zu
schreiben, zu lesen und zu hören, und auf einmal vier bis sieben Briefe
zu diktieren. Bei so seltenen Gaben, die mit rastloser Tätigkeit
verbunden waren, erwarb er sich eine reiche Fülle von Kenntnissen aller
Art und erreichte die volle Bildungshöhe seiner Zeit.

Zur Zeit der Diktatur Sullas stand Cäsar auf Seiten des Marius. Schon
durch Verwandtschaft war er mit dieser Partei verbunden, da Marius
mit Cäsars Tante vermählt war und er selbst eine Tochter Cinnas,
Cornelia, zur Gemahlin hatte. Dadurch zog er sich die Feindschaft des
allgewaltigen Diktators zu. Sulla verlangte, Cäsar sollte sich von
seiner Gemahlin scheiden; dieser aber weigerte sich standhaft, während
Pompejus, an den Sulla eine gleiche Forderung gestellt hatte, sich dem
Willen des Diktators nachgiebig fügte. Durch diese Weigerung erbittert,
ließ Sulla Cäsars Namen auf die Liste der Geächteten (Proskribierten)
setzen. Dadurch verlor dieser das Heiratsgut seiner Frau und sein
väterliches Erbe, mußte Rom verlassen und eine Zeitlang unter den
größten Gefahren umherirren. Fast jede Nacht war er genötigt sich an
einem anderen Orte zu verbergen, und hatte unter solchen Umständen
um so schwerer zu leiden, als zugleich ein Fieber seine Kräfte
verzehrte. Als er dennoch zuletzt entdeckt wurde, mußte er sich von
den Häschern mit vielem Gelde loskaufen. Endlich verzieh ihm Sulla und
begnadigte ihn auf Fürbitten einiger vornehmen Freunde und besonders
der Vestalinnen, dabei sprach er aber die merkwürdigen Worte: „So nehmt
ihn denn hin, aber wisset, daß dieser Jüngling uns einst zum Verderben
gereichen wird; denn in dem einen Cäsar stecken viele Marius!“

Aber auch nach seiner Begnadigung mochte sich Cäsar noch nicht für ganz
sicher gehalten haben, denn bald verließ er Rom und begab sich nach
Rhodus, um sich dort in der Beredsamkeit auszubilden. Auf der Fahrt
dorthin geriet er in die Hände von Seeräubern, die damals noch ihr
Unwesen trieben. Während der vierzig Tage, die er bei ihnen bleiben
mußte, bis er das verlangte Lösegeld herbeischaffen konnte, wußte er
sich so in Achtung zu setzen, daß er nicht ihr Gefangener, sondern
ihr Herr zu sein schien. So hatten sie für seine Auslösung zwanzig
Talente verlangt, da rief er: „Wie? für einen Mann, wie ich bin, nur
zwanzig Talente? Ihr sollt fünfzig haben.“ Während der Gefangenschaft
beschäftigte er sich mit der Abfassung von Reden und Gedichten, die er
dann wohl den Piraten vorlas. Kargten sie dabei mit ihrem Beifall, so
schalt er sie und drohte, er werde sie alle ans Kreuz schlagen lassen.
Wenn er schlafen wollte, verbot er ihnen jedes Geräusch, und sie
gehorchten. So mächtig erwies sich seine geistige Überlegenheit selbst
auf die verwilderten Gemüter dieser rohen Gesellen. Kaum war er frei,
so brachte er einige milesische Schiffe zusammen, überfiel damit die
Seeräuber und ließ sie wirklich, wie er ihnen im Scherze gedroht, in
Pergamon ans Kreuz schlagen.

Nach Rom zurückgekehrt, schloß er sich an Pompejus an, den er bei
Herstellung der Gewalt der Tribunen unterstützte, und wußte durch
seine Beredsamkeit und Leutseligkeit die Gunst des Volkes zu gewinnen.
Besonders erwarb er sich den Beifall der noch zahlreichen Anhänger
des Marius dadurch, als er seiner Tante, der Witwe des Marius, bei
ihrer Bestattung eine Grabrede hielt, worin er die Verdienste des den
Optimaten so verhaßten Mannes zu preisen wagte und sein Bildnis, dem
Verbote trotzend, unter den Ahnenbildern seines eigenen Geschlechtes
einhertragen ließ. Auch ließ er auf dem Kapitolium die Bildsäule
desselben und seine Siegeszeichen aus dem jugurthinischen und
cimbrischen Kriege, die von Sulla zerstört waren, wieder herstellen.

Im Jahre 67 wurde er Quästor in der spanischen Provinz Lusitanien. Als
er dort zu Gades im Herkulestempel ein Standbild Alexanders des Großen
sah, rief er unter Tränen aus: „Der hatte in meinem Alter schon die
Welt erobert, und ich habe noch gar nichts getan!“ Als Ädil gewann er
durch ungemein prachtvolle und kostbare Spiele, wobei er unter anderem
320 Fechterpaare in silbernen Rüstungen auftreten ließ, die Gunst der
Volksmenge in hohem Grade, stürzte sich aber auch in große Schulden.
Im Vertrauen auf diese Volksgunst bewarb er sich, obwohl noch sehr
jung, um die erledigte Würde des Oberpriesters, die bislang nur die
ältesten und geehrtesten Konsulare zu bekleiden pflegten. Als ihn am
Tage der Wahl seine Mutter nicht ohne Tränen zur Tür geleitete, sagte
er: „Heute, Mutter, siehst du deinen Sohn entweder als Oberpriester
oder als Verbannten wieder!“ Und in der Tat hatte er das Glück dem an
Alter und Amtswürde weit überlegenen Catulus bei der Wahl vorgezogen zu
werden. Als Prätor bekam er die Verwaltung desselben Spaniens, in dem
er Quästor gewesen war. Doch hätte er Schulden halber nicht abreisen
können, wenn nicht Crassus für ihre ungeheure Summe (18 Millionen
Mark) seine Bürgschaft gewährt hätte. Als er auf dieser Reise durch
ein kleines Städtchen jenseits der Alpen kam, warf einer aus seiner
Begleitung die Frage auf, ob man sich in diesem Örtchen wohl auch um
Rang und Ämter streite. „Gewiß“, antwortete Cäsar, „ich wenigstens will
lieber hier der erste als in Rom der zweite sein!“ In seiner Provinz
Spanien erwarb er übrigens so viel, und machte in glücklichen Kriegen
solche Beute, daß er nicht nur seine Schulden bezahlen, sondern auch
noch eine große Summe in den Staatsschatz legen konnte.

Als Cäsar nach Rom zurückkehrte, stand gerade die Konsulwahl für das
Jahr 59 bevor. Um das Konsulat zu erlangen, verband er sich mit
Pompejus, der durch seine Taten und Erfolge der angesehenste Mann in
Rom war, und mit Crassus, der einen ungeheuren Reichtum besaß. Diesen
Bund der drei Römer nannten ihre Gegner spöttisch ein +Triumvirat+
(Dreimännerschaft). Sie versprachen sich einander, in den Kämpfen mit
ihren politischen Gegnern bei Wahlen und im Senat mit allen Mitteln zu
unterstützen. Denn auch Pompejus war mit dem Senat zerfallen, der die
Einrichtungen, die er aus Eigenmacht in Asien getroffen hatte, nicht
bestätigen wollte. Diese Bestätigung versprach ihm Cäsar beim Volke
durchzusetzen. Cäsar erlangte das Konsulat, erhielt aber als Kollegen
in diesem Amte den Kandidaten seiner Gegner, +M. Calpurnius Bibulus+.

Als Konsul fuhr er fort sich um die Gunst des Volkes zu bewerben und
die Macht der Senatspartei zu schwächen. Dazu diente ihm besonders ein
Gesetz, das armen römischen Bürgern Landbesitz in Campanien anwies.
Als Bibulus sich diesem Gesetze entgegenstellte, entstand eine solche
Bewegung in der Volksversammlung gegen ihn, daß er nur mit Mühe sein
Leben rettete. Seit dieser Zeit wagte der eingeschüchterte Mitkonsul
überhaupt keinen Widerstand mehr; ja, er hielt sich fortan, aus
Furcht vor Cäsars gebieterischem Auftreten, während des Restes seines
Amtsjahres in seinem Hause verschlossen. Daher nannten die Spötter
dieses Konsulat nicht das des Cäsar und Bibulus, sondern das des Julius
und des Cäsar.

Am Schlusse des Jahres ließ sich Cäsar die Provinzen Illyrien und das
diesseitige Gallien (~Gallia cisalpina~) als Statthalterschaft auf
fünf Jahre zuweisen, worauf der Senat noch die Provinz des jenseitigen
Galliens (~Gallia transalpina~) hinzufügte, in der geheimen Hoffnung,
er werde dort in allerlei Verlegenheiten verwickelt und auf diese Weise
am besten von Rom ferngehalten werden. Um seine Verbindung mit Pompejus
zu befestigen, gab Cäsar ihm seine Tochter +Julia+ zur Gemahlin. Sodann
wußte er noch zwei Männer aus Rom zu entfernen, die seine geheimen
Absichten durchschaut hatten und seinen Plänen gefährlich werden
konnten. Diese Männer waren Cato und Cicero; Cato ward nach der Insel
Cypern gesandt, um dieselbe in eine römische Provinz zu verwandeln,
Cicero aber durch den Volkstribunen Clodius genötigt in die Verbannung
zu gehen (S. 151).

Im Frühjahr des Jahres 58 eilte Cäsar hinüber nach Gallien, dem
Lande der Kelten. Von diesem Lande besaßen die Römer damals nur den
südöstlichen Teil (s. S. 116); das übrige Gallien war von den Römern
noch nicht bezwungen. Hier fand Cäsar in achtjährigem Kriege (58-51)
Gelegenheit, das römische Reich um drei große Provinzen zu vergrößern,
sich selber aber den Ruhm eines der größten Feldherrn zu erwerben und
ein ihm treu ergebenes großes Heer zu bilden, mit dessen Hilfe er sich
bald der Reichsherrschaft selber bemächtigen konnte.

Gleich im ersten Jahre seiner Statthalterschaft geriet er in Kampf
mit den gefürchteten Germanen. In einem Zwiste der gallischen Äduer
und Sequaner hatten die letzteren den Sueben +Ariovist+ vom rechten
Rheinufer her zu Hilfe gerufen. Dieser besiegte die Äduer und setzte
sich mit seinen Scharen, die allmählich auf 120000 Mann anwuchsen,
im Lande der Äduer fest. Auch die Sequaner zwang er ein Dritteil
ihres Landes ihm zu überlassen, und ein zweites Dritteil nahm er
gerade für neue Ankömmlinge in Anspruch, als Cäsar von Äduern und
Sequanern zu Hilfe gerufen ward. Ariovist war unter Cäsars Konsulat
mit dem Ehrentitel „Freund und Bundesgenosse des römischen Volkes“
ausgezeichnet worden und stand mit diesem bis dahin in gutem Vernehmen.
Dennoch glaubte Cäsar die fortwährenden Zuzüge der Germanen nach
Gallien, die auch für die römische Provinz gefährlich werden konnten,
hindern zu müssen, und forderte den Ariovist zu einer Unterredung auf.
Dieser aber gab die stolze Antwort: wenn er selbst von Cäsar etwas
begehren sollte, so würde er selbst ihn aufsuchen; so möge Cäsar das
Gleiche tun und zu ihm kommen. Übrigens begreife er nicht, was die
Römer in diesem seinem Gallien zu tun und zu sagen hätten. Hierauf
ließ ihn Cäsar auffordern den Galliern ihre Freiheit wiederzugeben und
keine Germanen mehr über den Rhein kommen zu lassen. Dagegen erklärte
Ariovist: es sei Brauch des Krieges, daß die Sieger über die Besiegten
nach Gutdünken herrschten; auch die Römer herrschten über die Besiegten
nach eigenem und nicht nach fremdem Ermessen. Wie er den Römern nicht
vorschreibe, wie sie ihr Recht gebrauchen sollten, so wollte auch er in
seinem Rechte vom römischen Volke nicht behindert sein. Wenn übrigens
Cäsar Krieg wolle, möge er nur kommen; dann werde er einsehen, was
seine noch nie besiegten Germanen, die in vierzehn Jahren harten
Kriegsdienstes unter kein Dach gekommen wären, auszurichten vermöchten.

Als hierauf Cäsar die Hauptstadt der Sequaner Vesontio (Besançon)
besetzte und eine Schlacht bevorstand, wurde das römische Heer von
gewaltiger Furcht und Mutlosigkeit überfallen. Die Gerüchte von der
Wildheit und Unüberwindlichkeit der Germanen, deren Mienen und feuriger
Blick nicht zu ertragen seien, hatten ein Zagen und Klagen unter den
Legionen erregt. Viele Offiziere, meist junge vornehme und des Krieges
noch ungewohnte Männer, verlangten unter allerlei Vorwänden Urlaub,
um nach Hause zu gehen; andere machten ihr Testament. Aber durch eine
kräftige Rede wußte Cäsar die Verzagten zu beschämen und den Mut seiner
Legionen wieder aufzurichten. In der bald darauf folgenden Schlacht,
in der Gegend zwischen Vesontio und dem Rhein, wahrscheinlich in der
Nähe von Mülhausen im Elsaß, siegte die römische Kriegskunst über die
Germanen, die völlig geschlagen wurden. Ariovist rettete sich auf einem
Kahne über den Rhein.

In den folgenden Jahren zwang Cäsar, unter blutigen Kämpfen und nach
wiederholten Aufständen, fast alle gallischen Stämme sich der römischen
Herrschaft zu unterwerfen. Auch war er der erste Feldherr, der zweimal
nach Germanien (55 und 53) und Britannien (55 und 54) übersetzte,
nicht um auch diese Länder dauernd zu behaupten, sondern um ihre
kriegslustigen Völker von Einfällen in Gallien und Unterstützung der
Gallier abzuschrecken.

Gallien schien endlich beruhigt, als sich im Jahre 52 noch einmal alle
gallischen Völkerschaften zwischen Seine, Loire und Garonne zu einem
Kampfe um ihre Freiheit erhoben. An der Spitze derselben stand der
kräftige und kluge +Vercingétorix+, ein Fürst der Arverner. Allein
die Geistesgegenwart und Feldherrnkunst Cäsars, sowie die Tüchtigkeit
seiner Legionen, insbesondere auch die Tapferkeit germanischer Söldner
trug einen entschiedenen Sieg davon. Der Krieg zog sich endlich um die
Stadt +Alesia+ (heute Alise St. Reine, zwischen Dijon und Chatillon)
zusammen. In diese hochgelegene feste Stadt warf sich Vercingetorix
mit 80000 Mann, worauf Cäsar Stadt und Lager der Feinde mit 60000
Mann einschloß, indem er eine Umwallung von fast zwei Meilen an
Umfang errichtete und dann eine zweite noch ausgedehntere Reihe von
Befestigungen aufwarf, um sich gegen ein Heer von 257000 Mann zu
schützen, welches heranzog, um Alesia zu entsetzen. Aber sowohl gegen
die Ausfälle der Belagerten als gegen die Angriffe der Gallier, die von
außen seine Werke umzingelten, behauptete sich Cäsar mit Beharrlichkeit
und Glück. Die Heerhaufen der Gallier wurden geschlagen und zogen
einzeln wieder davon; Vercingetorix sah keine Hilfe mehr, und in der
Stadt nahm Hunger und Elend immer mehr zu. Da faßte er den Entschluß
durch Aufopferung seiner selbst die Eingeschlossenen zu retten. In
voller Rüstung, auf seinem besten Roß, erschien er vor dem Sieger,
umritt dessen Tribunal, gab dann Roß und Waffen ab und ließ sich
schweigend auf den Stufen zu Cäsars Füßen nieder. Fünf Jahre später
ward er bei Cäsars Triumph durch die Straßen Roms geführt und dann
enthauptet. Nach der Übergabe von Alesia baten die abgefallenen Völker
um Frieden. Der Widerstand der Gallier war gebrochen, und nur wenige
Stämme versuchten noch, aber ohne allen Erfolg, das Glück der Waffen.
Cäsar konnte die Unterwerfung Galliens als vollendet betrachten.
Er hatte in diesen Kriegen 800 Städte erobert, 300 Völkerschaften
unterworfen und im ganzen eine Million Streiter vernichtet, zwei
Millionen aber zu Gefangenen gemacht.


=2. Cäsars Kampf gegen Pompejus= (49-48).

Während Cäsar Gallien unterjochte, blieb Pompejus fortwährend in Rom,
um durch seine Gegenwart seine Macht zu behaupten und zu erhöhen. Im
Jahre 55 bekleidete er mit Crassus zum zweiten Male das Konsulat,
nach dessen Ablauf dem Crassus Syrien, ihm selber Spanien und Afrika
als Provinzen zufielen. Cäsar hingegen erhielt die Erneuerung seiner
Statthalterschaft auf weitere fünf Jahre.

Crassus eilte nach Syrien, um von dort aus einen Feldzug gegen die
+Parther+, die Nachbarn der Meder und Perser, welche mit ihren
zahlreichen Reiterscharen von Osten her die römischen Provinzen in
Vorderasien seit mehreren Jahren heimsuchten, zu unternehmen. Aber in
unersättlicher Habsucht brachte er seine Zeit damit zu allenthalben
Geld zu erpressen und die Tempelschätze zu plündern, wie er denn im
Tempel zu Hierapolis tagelang mit Abwägen des Goldes beschäftigt war.
Inzwischen gewannen die Parther Zeit zu mächtigen Rüstungen, und
als es dann in Mesopotamien bei Karrhä zur Schlacht kam, wurde er
gänzlich geschlagen. Auf dem Rückzug ließ er sich durch den parthischen
Feldherrn in einen Hinterhalt locken, in dem er verräterisch getötet
ward (53).

Durch den Tod des Crassus hatte sich das sogenannte Triumvirat in ein
Duumvirat, d. h. in eine Verbindung zweier Männer verwandelt. Da aber
im Jahre 52 Julia, die Tochter Cäsars und Gemahlin des Pompejus, welche
bis dahin die Eintracht zwischen den beiden Machthabern erhalten hatte,
starb, so wurde die Verbindung zwischen ihnen, die ja nie aufrichtig
gemeint war, noch mehr gelockert. Pompejus war nach Ablauf seines
Konsulates nicht in seine Provinzen gegangen, sondern ließ sie durch
Legaten verwalten, um nur immer in Rom zu sein, wo es ihm gelang für
das Jahr 52 gegen alles Herkommen, zum alleinigen Konsul ernannt zu
werden. Dagegen unterließ aber auch Cäsar nicht durch Bestechungen die
einflußreichsten Männer in Rom zu gewinnen, darunter den talentvollen
und beredten Volkstribunen +Curio+. Als nun der Zeitpunkt herannahte,
wo die feindselige Spannung zwischen beiden Männern in offenen Kampf
ausbrechen sollte, überließ sich Pompejus einer großen Sorglosigkeit,
ohne an Gegenrüstungen zu denken. Als ihn jemand daran erinnerte,
äußerte er in stolzer Zuversicht: „Wo ich nur in Italien mit dem Fuße
auf die Erde stampfe, da werden Legionen hervorkommen.“

Cäsar gedachte sich um das Konsulat für das Jahr 49 zu bewerben,
wollte aber nicht, nach der herkömmlichen Ordnung, ein halbes Jahr
vor dem Antritt des Amtes sich persönlich in Rom bewerben. Denn dann
hätte er seine Stellung als Statthalter der ihm übertragenen Provinzen
zuvor verlassen und seine Legionen abgeben müssen, und wäre als
Privatmann gegen die Angriffe seiner Gegner machtlos geworden. Aber
eben deshalb bestand auch der Senat hartnäckig auf der Forderung,
daß er nur persönlich, nicht aus der Ferne, und als Privatmann, ohne
Amt und Heerbefehl, als Bewerber um das Konsulat auftreten solle. An
dieser Frage entzündete sich der seit lange drohende Kampf. Denn Cäsar
forderte, daß dann auch Pompejus auf seine Provinzen und Legionen
verzichten müsse. So wurde eine Zeit lang über die Frage, hin und her
gestritten. Endlich beschloß der Senat, daß Cäsar seine Kriegsmacht
abgeben sollte, wo nicht, so werde er als Feind des Vaterlandes
betrachtet werden. Die dem Cäsar treu ergebenen Tribunen M. Antonius
und C. Cassius erhoben leidenschaftlichen Einspruch. Da schritt der
Senat zu dem äußersten Mittel: er erteilte den Konsuln unbeschränkte
Vollmacht mit der alten Formel, „die Konsuln sollten darauf achten, daß
das Gemeinwesen (~res publica~) keinen Schaden nehme“, und gegen Cäsars
Unbotmäßigkeit mit Waffengewalt einzuschreiten. Jetzt flohen die beiden
Tribunen, als wären sie ihres Lebens nicht mehr sicher, als Sklaven
verkleidet, nach Ravenna, einer nahe an der Grenze gelegenen Stadt der
gallischen Provinz, wo sich Cäsar damals aufhielt, und meldeten ihm,
daß der Krieg gegen ihn beschlossen sei. Er war seit lange auf diesen
Ausgang seines Streites mit Pompejus und der Senatspartei vorbereitet,
und handelte nun mit seiner gewohnten Raschheit.

Er führte die Tribunen in derselben entwürdigenden Kleidung, in der
sie zu ihm geflohen waren, vor die Reihen der Legion, mit der er nach
Ravenna vorgerückt war, stellte ihnen das ihm widerfahrene Unrecht vor
und schloß seine Rede mit der Frage, ob sie die Ehre ihres Feldherrn
verteidigen wollten, unter dessen Anführung sie so viele glückliche
Schlachten geliefert hätten. Freudig riefen alle, sie wären bereit
ihn zu verteidigen, und gelobten ihn niemals zu verlassen, wohin er
sie auch führen würde. Kaum war er der Treue seiner Legionen gewiß,
so schickte er sie heimlich an den Fluß Rúbico, der seine Provinz von
dem eigentlichen Italien trennte. Er selbst blieb bis zu Ende des
folgenden Tages in Ravenna. Um sein Vorhaben zu verbergen und keinen
Verdacht zu erregen, besuchte er früh ein öffentliches Schauspiel,
besah zur Mittagszeit die Anlage einer Fechterschule, die er zu Ravenna
bauen lassen wollte, und gab gegen Abend seiner Gewohnheit gemäß ein
großes Gastmahl. Erst nach Sonnenuntergang stand er von Tische auf,
unter dem Vorwand, daß er durch ein kleines Geschäft abgerufen werde,
und mit dem Versprechen sobald als möglich wiederkommen zu wollen.
Aber er kam nicht zurück. Er reiste vielmehr mit seinen vertrautesten
Freunden zum Fluß Rubico, den er vor Tagesanbruch erreichte. Und nun
stand er im Begriff den Krieg gegen sein Vaterland zu beginnen, denn
mit dem Übergang über den Grenzfluß überschritt er zugleich seine
amtliche Befugnis und erhob die Fahne der Empörung gegen die bestehende
Staatsordnung. Es war der Beginn des Bürgerkriegs. Ein solches Beginnen
mußte, wenn auch seit lange von Cäsar erwogen und beschlossen, ihm in
letzter Stunde noch einmal alle damit verbundenen Bedenken und Gefahren
vor die Seele führen. Wohl möchten diese Gedanken auch eines Cäsars
Geist erschüttern. „Noch ist es Zeit zurückzukehren“, sagte er zu
seinen Freunden, „sind wir aber einmal über diese Brücke gegangen, dann
muß alles mit den Waffen entschieden werden.“

Lange, so erzählt man, stand er und sann. Endlich rief er: „Wohlan, die
Götter wollen es, die Feinde fordern uns, der Würfel sei geworfen!“ Und
sogleich ließ er seine Truppen hinübergehen, rückte in größter Eile vor
Ariminum (Rimini) und nahm diese Stadt noch am Morgen des Tages ein.

Zu spät erwachte jetzt Pompejus aus dem Schlummer der Sorglosigkeit.
Auf seine Soldaten, die, wenn auch 30000 Mann stark, keine Lust hatten
sich mit Cäsars sieggewohnten Legionen zu schlagen, konnte er sich
nicht verlassen. Jetzt mußte er sogar den Vorwurf hören, er möge doch
nun die verheißenen Legionen aus der Erde hervorstampfen! Dagegen
rückte Cäsar in raschem Siegeslauf die Küste entlang und nahm ohne
Schwertstreich eine Stadt nach der anderen. Da verlor Pompejus den
Mut; er verließ Rom mit den Konsuln, den meisten Senatoren und allen
seinen Anhängern, und ging nach Capua, wo seine Legionen standen. So
übereilt war die Flucht, daß die Konsuln den gefüllten Schatz in Rom
zurückließen und sich begnügten nur die Schlüssel mitzunehmen. Von
Capua eilte Pompejus nach Brundisium (Bríndisi), um von da über das
Meer nach Griechenland zu gehen. Ohne Kampf überließ er Italien seinem
Gegner.

Cäsar, von dessen Siege man die Wiederkehr der Schreckenszeiten unter
Marius und Sulla befürchtete, verfuhr allenthalben mit unerwarteter
Milde und zuvorkommender Großmut. Auch Sardinien und Sizilien kamen
ohne Kampf in seine Gewalt. Den Zugang zum Schatz in Rom ließ er
erbrechen und erklärte dem Tribunen Metellus, der dies verhindern
wollte, daß er ihn bei fortgesetztem Widerstande werde hinrichten
lassen, indem er hinzufügte: „Wisse, junger Mann, daß es mir schwerer
fällt dies zu sagen als zu tun.“ Im Schatze fand er 26000 Barren Goldes
und 40 Millionen Sesterzen. In 60 Tagen ward er Herr von Italien und
hatte alle Gemüter durch Freundlichkeit und Wohlwollen beruhigt. Die
Bewachung der Stadt übergab er dem Lépidus, das Kommando in Italien
dem Marcus Antonius, und zog dann nach Spanien, um dort „das Heer
ohne Feldherrn“ und nach seiner Rückkehr „den Feldherrn ohne Heer“ zu
bekämpfen. Bald nötigte er die Legaten des Pompejus in Spanien sich
zu ergeben, und reiste dann nach Rom zurück, wo er sich zum Diktator
ernennen ließ, aber schon nach elf Tagen diese Würde mit dem Konsulat
vertauschte. Jetzt erst gedachte er den Pompejus selbst zu verfolgen
und zu bekämpfen.

Dieser hatte indessen großartige Rüstungen betrieben. Aus den östlichen
Provinzen des römischen Reiches und von verbündeten Fürsten hatte er
Truppen, Schiffe und Geld zusammengebracht, und stand jetzt an der
Spitze eines Heeres von 63000 Mann zu Fuß und mehr als 10000 Reitern,
wozu eine Flotte von 800 Schiffen kam. Zugleich gab er durch den
Glanz seines Hauptquartiers, wo ein großer Teil des römischen Adels
versammelt war, und durch die Einrichtung eines eigenen Senates zu
erkennen, daß er +sich+ als den eigentlichen Machthaber und +seinen+
Senat als den eigentlichen Sitz der Reichsregierung betrachtete. Cäsar
fuhr mit sieben Legionen von Brundisium ab und landete an der Küste
von Epirus; die leeren Schiffe sandte er zurück, Antonius sollte die
übrigen fünf Legionen auf ihnen hinüberführen. Aber von diesen Schiffen
wurden 30 von einem Legaten des Pompejus abgefangen, die übrigen
durch die Stürme des Winters an der Überfahrt gehindert. Ungeduldig
vor langem Warten bestieg Cäsar selbst in einer stürmischen Nacht
in Sklavenkleidung eine Barke, um nach Brundisium zu segeln und die
Einschiffung seiner Truppen zu beschleunigen. Aber das Meer war so
ungestüm, daß der Steuermann wieder umkehren wollte. Um ihn zu neuer
Anstrengung zu ermuntern, wagte Cäsar sich ihm zu entdecken: „Sei
guten Mutes!“ rief er, „du fährst Cäsar und Cäsars Glück!“ Dennoch
mußte er den allzu mächtig tobenden Elementen weichen und in den Hafen
zurückkehren. Endlich landete Marcus Antonius mit den übrigen Legionen.

Anfangs ließ sich der Krieg in Epirus für Cäsar ungünstig an. Bei
+Dyrrháchion+ (Durazzo) durchbrach Pompejus seine Verschanzungen und
brachte ihm einen großen Verlust bei. Darauf zog Cäsar, dessen Heer den
Mangel an den notwendigsten Bedürfnissen nicht länger tragen konnte,
über das Gebirge nach dem fruchtbaren Thessalien hinüber.

Hier kam es in der Ebene von +Pharsálos+ zur entscheidenden Schlacht
(9. August 48). Das Heer des Pompejus betrug 47000 Mann zu Fuß und 7000
Reiter, und bildete eine zehn Mann tiefe Linie. Von Cäsars Heer waren
nur 22000 Mann zu Fuß und 1000 Reiter zur Stelle und in dreifacher
Schlachtreihe aufgestellt. Da Pompejus mit seiner Reiterei den linken
Flügel hielt, weil sein rechter von einem Fluß gedeckt war, so stellte
sich Cäsar mit seiner treuen, in vielen Schlachten bewährten zehnten
Legion und sechs Kohorten kräftiger Germanen, jenem gegenüber, hinter
seinem rechten Flügel auf.

Pompejus befahl seinen Soldaten den feindlichen Angriff ruhig zu
erwarten. Cäsar dagegen ließ, um den Stoß auf den Feind zu verstärken,
sein Heer anlaufen, dann mitten im Anlauf ein wenig halten und sich
ordnen, und so auf den noch immer ruhigen Feind anstürmen. Zwar warf
des Pompejus Reiterei die des Cäsar, wurde aber mitten im Vorstürmen
plötzlich von der zehnten Legion und den deutschen Kohorten so
empfangen, daß sie die Flucht ergriff, worauf die verfolgenden Kohorten
Cäsars dem linken Flügel des feindlichen Fußvolkes in den Rücken
fielen und durch dessen völlige Versprengung den Sieg herbeiführten.
Am meisten Ruhm erntete im Heere Cäsars der Centurio Crástinus. Dieser
rief seinen Kameraden zu: „Wohlan, ihr Kriegsgefährten! Mir nach und
leistet eurem Feldherrn den Dienst, den ihr ihm verheißen habt; dieser
eine Kampf ist noch übrig, dann wird er seine gebührende Würde und wir
unsere Freiheit erlangen.“ Dann sagte er mit einem Blick auf Cäsar:
„Heute, Feldherr, will ich mir deinen Dank verdienen, ob ich falle oder
am Leben bleibe!“ Nach diesen Worten stürzte er sich an der Spitze
von 120 Auserlesenen auf den Feind, in deren Mitte er aufs tapferste
kämpfend den Tod fand.

Die geschlagenen Truppen des Pompejus flohen ins Lager, wohin sich
dieser schon gleich nach der Flucht seiner Reiter begeben hatte. Noch
saß er wie betäubt und sprachlos in seinem Zelte, als man ihm meldete,
der Feind habe schon die äußeren Schanzen genommen. „Also gar bis
in unser Lager!“ rief er bestürzt und fassungslos, vertauschte sein
purpurnes Feldherrngewand mit einem schlichten Kleide, warf sich auf
ein Roß und floh, von wenigen Getreuen begleitet, in der Nacht durch
das Tal Tempe dem Meere zu.

Indessen eroberte Cäsar das feindliche Lager mit Sturm; 15000 Feinde
lagen tot oder verwundet. Der Rest des feindlichen Heeres, der sich
gerettet hatte, gegen 20000 Mann, ergab sich am folgenden Morgen,
während Cäsar nur 30 Hauptleute und 200 Gemeine verloren hatte. Allen
Gefangenen schenkte der Sieger Leben, Freiheit und Eigentum. Die
Gemeinen nahm er in sein eigenes Heer auf. Die gefangenen Senatoren
dagegen und Ritter wurden fast alle mit dem Tode bestraft, nur wenige
fanden Schonung und Gnade; die übrigen suchten ihr Heil in der Flucht
nach den westlichen Provinzen, denn der ganze Osten fiel alsbald in die
Gewalt des Siegers.

Als Pompejus auf seiner Flucht an das Meer gelangt war, bestieg er ein
Schiff und segelte nach der Stadt Amphípolis in Makedonien, wo er den
Befehl ausgehen ließ, daß alle junge Mannschaft dieser Provinz sich
zur Werbung einstellen sollte. Wahrscheinlich tat er dies, um den Plan
seiner ferneren Flucht zu verbergen; denn nur eine Nacht blieb er bei
Amphipolis vor Anker, dann segelte er weiter nach der Insel Lesbos, um
seine Gattin Cornelia, die sich dort aufhielt, zu sich zu nehmen. Durch
einen Boten ließ er ihr die Nachricht von seiner Niederlage mitteilen.
Die unglückliche Frau, welche in dem süßen Wahn lebte, daß Cäsar
seit dem Verluste bei Dyrrhachion schon völlig besiegt sei, sank bei
dieser Kunde sprachlos zu Boden, und als sie sich wieder aufgerichtet
hatte, stürzte sie, einer Rasenden gleich, aus der Stadt dem Hafen
zu; Pompejus kam ihr hier entgegen; sie fiel kraftlos in seine Arme.
Pompejus, selbst des Trostes bedürftig, suchte sie zu ermutigen und
stellte ihr vor, daß das Glück den, welchen es stürzt, auch wieder
erheben könne.

Nach einigen Tagen segelte er mit seiner Gemahlin von Lesbos ab. Er
hatte nach reiflicher Überlegung beschlossen sich in den Schutz des
Königs +Ptolemäos+ von Ägypten zu begeben. Denn er durfte mit vollem
Recht auf die Dankbarkeit und das Wohlwollen desselben hoffen, weil
er +selbst+ einst dessen Vater wieder auf den Thron gesetzt hatte. Er
segelte also nach Pelusion, einer Stadt an der östlichen Mündung des
Nils. Als er nicht mehr weit vom Ufer entfernt war, ließ er den König
von seiner Ankunft benachrichtigen und um Schutz und Zuflucht bitten.
Ptolemäos, erst dreizehn Jahre alt und noch unfähig selbst zu regieren,
ließ sich von Achillas, dem Obersten seines Heeres, von seinem Vormund
Potheinos und seinem Lehrer, dem Rhetor Theódotos, leiten. Diese drei
Männer berieten über die Bitte des Pompejus. Anfangs waren sie in ihren
Meinungen geteilt, zuletzt sagte Theodotos: „Nehmen wir ihn auf, so
werden wir ihn zum Herrn und den Cäsar zum Feinde haben; weisen wir ihn
zurück, so werden wir ihn beleidigen, weil wir ihm die Aufnahme versagt
haben, und Cäsar nicht gewinnen, weil wir jenen haben entwischen
lassen. Der beste Rat ist daher den Pompejus kommen zu lassen und
sogleich zu töten; so beweisen wir uns dem Cäsar gefällig und brauchen
uns vor Pompejus nicht zu fürchten! denn“ -- setzte er hohnlachend
hinzu -- „die Toten beißen nicht mehr.“

Der Vorschlag des Theodotos wurde genehmigt und Achillas zur
Vollstreckung ausersehen. Dieser, ein Mann von außerordentlicher
Verwegenheit, bestieg mit Septimius, einem geborenen Römer, der einst
unter des Pompejus Fahnen gedient hatte, nebst drei bis vier Ägyptiern
ein kleines Fahrzeug und fuhr auf das Schiff des Pompejus zu. Das
schlechte Aussehen dieses Fahrzeuges und die geringen Anstalten, die
man zum Empfange des Pompejus traf, machten seine Freunde unruhig. Sie
fingen an Verdacht zu schöpfen und waren schon willens sich wieder zu
entfernen, als Achillas an Bord kam und den Pompejus einlud in sein
Fahrzeug zu steigen, dessen dürftiges Aussehen er damit entschuldigte,
daß das Meer an dieser Küste zu flach sei, um es mit größeren und
schwereren Schiffen zu befahren. Pompejus war nicht ohne Argwohn;
denn schon sah er, daß an der Küste einige königliche Schiffe bemannt
wurden. Allein, um die Ägyptier nicht durch Mißtrauen zu reizen, zeigte
er sich sogleich bereit dem Achillas zu folgen. Er nahm daher gefaßten
Mutes von seiner Gemahlin und seinem Sohne Abschied und stieg mit vier
Personen seines Gefolges in das ägyptische Boot.

Schon waren sie eine beträchtliche Strecke weit gefahren, und noch
immer herrschte düsteres Schweigen in dem Boote. Pompejus wurde unruhig
und suchte seine Unruhe durch Sprechen zu unterdrücken. Er wandte sich
daher zu Septimius und sagte: „Mich dünkt, mein Freund, ich kenne dich.
Sind wir nicht einmal Kriegsgefährten gewesen?“ Septimius nickte nur
mit dem Kopfe, ohne ein Wort zu sprechen, und es herrschte abermals
die vorige Stille. Da nahm Pompejus seine Schreibtafel zur Hand, um
die griechische Anrede zu lesen, die er darin aufgezeichnet und die
er an den jungen König richten wollte. Cornelias Blicke begleiteten
indes die Fahrt in angstvoller Spannung bis zum Lande, wo sich eben
viele Hofleute wie zu feierlichem Empfange sammelten. Schon begann
sie zu hoffen. Aber in dem Augenblick, als Pompejus den Arm seines
Freigelassenen Philippus ergriff, um sich vom Sitze zu erheben, stieß
ihm Septimius sein Schwert in den Rücken, und Achillas fiel ihn von
vorn an. Pompejus sah, daß er seinem Tode nicht entrinnen konnte, und
suchte nun wenigstens die würdevolle Haltung, die er im Leben stets
gezeigt hatte, auch noch im Tode zu bewahren. Er zog seine Toga über
das Haupt, sprach kein Wort, sondern stöhnte nur bei jedem weiteren
Stoß, bis er tot am Ufer zusammenbrach. So starb der große Pompejus
im 58sten Jahre seines Alters, am 28. September 48, am Tage vor
seinem Geburtstage. Auf den Schiffen, welche ihn hergebracht hatten,
erscholl lauter Jammerruf beim Anblick dieses schrecklichen Vorgangs,
dann eilten sie ins offene Meer zurück, vergeblich verfolgt von den
ägyptischen Kriegsgaleeren.

Die Mörder des Pompejus wüteten noch gegen den Leichnam. Sie schnitten
ihm den Kopf ab und warfen den Rumpf nackt an das Ufer, wo er von einer
Menge neugieriger Menschen begafft ward. Darauf erwies Philippus, der
Freigelassene des Pompejus, seinem Herrn den letzten Dienst. Er wusch
den verstümmelten Leichnam im Meere ab, wickelte ihn in eins seiner
Gewänder und brachte dann einige Trümmer von einem alten Fischerkahn
zusammen, um einen Scheiterhaufen zu errichten. Während er damit
beschäftigt war, trat ein alter Römer, der einst unter Pompejus gedient
hatte, mit den Worten zu ihm: „Wer bist du, der du den großen Pompejus
zu bestatten suchst?“ -- „Sein Freigelassener“, antwortete Philippus.
-- „Wenn du der bist“, erwiderte der Alte, „so teile die Ehre der
Beerdigung mit mir, damit ich in dem Elend, das mich drückt, doch
wenigstens das eine Glück genieße, den Leichnam des größten römischen
Feldherrn mit meinen Händen zu begraben.“ Philippus willfahrte ihm,
beide verbrannten den Leichnam, vergruben die Asche und setzten auf den
Grabhügel eine Tafel mit der Inschrift: „Hier ruht Pompejus der Große!“


3. Cäsar in Afrika. Catos Tod.

Drei Tage nach des Pompejus Tode erschien Cäsar vor dem Hafen von
Alexandria, der damaligen Hauptstadt Ägyptens. Alsbald kamen die
Mörder in der Hoffnung auf eine Belohnung an Bord seines Schiffes und
überreichten des Pompejus Haupt und Siegelring. Cäsar wandte sich mit
Abscheu von dem Anblick des blutigen Hauptes, aber tränenden Auges
empfing er den Siegelring des Mannes, der einst so groß und mächtig und
durch Freundschaft und Verwandtschaft mit ihm verbunden gewesen.

Weit entfernt die Schandtat zu belohnen, bewies er sich milde und
freundlich gegen die Anhänger des Pompejus, die man in Ägypten
ergriffen hatte und in seine Gewalt lieferte. Denn Großmut und
Nachsicht gegen besiegte Feinde bildeten den schönsten Zug seines
Charakters. Er fand das ägyptische Volk gespalten und aufgeregt
durch einen Zwist zwischen dem unmündigen König Ptolemäos und seiner
älteren Schwester +Kleópatra+, die ihm den Thron streitig machte.
Cäsar befahl beiden Teilen ihre Heere zu entlassen, und entschied dann
zu gunsten der schönen Kleopatra, die ihn durch ihre verführerischen
Reize geblendet hatte. Da brach plötzlich, durch die Ratgeber des
Königs, Potheinos und Achillas, angestiftet, ein gewaltiger Aufstand
in Alexandria aus, gegen den sich Cäsar mit den wenigen Truppen, die
er mitgebracht, kaum zu behaupten vermochte. Er zog sich vor der
Übermacht in das Brucheion, den schönsten und festesten Teil der Stadt,
zurück. Hier bestand er, von jeder Verbindung mit Rom und den Provinzen
abgeschnitten, unter der größten Bedrängnis neun Monate lang den Kampf
gegen die empörte, vielmal überlegene Menge der Feinde. Um sich den
Zugang zum Meere zu öffnen, verbrannte er die ägyptische Flotte im
alexandrinischen Hafen, weil er nicht hoffen konnte sie zu erobern.
Der Brand ergriff aber auch das Brucheion selbst, und die Hälfte jener
berühmten alexandrinischen Bibliothek, die sich hier befand, ward ein
Raub der Flammen. Während dieses traurige Schauspiel die Aufmerksamkeit
der Einwohner beschäftigte, besetzte Cäsar die kleine Insel Pharos,
die vor dem Hafen lag und den berühmten Turm, der als eins der sieben
Wunderwerke der alten Welt galt. Von da an drehte sich der Kampf um
die Behauptung des Hafens. Die Ägyptier schnitten den Römern das
Trinkwasser ab und leiteten Meerwasser in ihre Cisternen. Um der Not
abzuhelfen, ließ Cäsar neue Brunnen graben. Bald aber geriet auch die
Insel Pharos, die durch einen Damm mit dem Brucheion zusammenhing,
in die Hände der Feinde. Vergebens suchte Cäsar sie wiederzunehmen.
Er wurde zurückgeschlagen und kam dabei selbst in Lebensgefahr. Denn
als er vom Damm in ein Schiff sprang, drohte dieses wegen Überfüllung
zu sinken. Da sprang er ins Meer und schwamm unter einem Pfeilregen
einige hundert Schritte weit nach einem andern Schiffe, wobei er mit
der einen Hand wichtige Schriften emporhielt, um sie nicht vom Wasser
verderben zu lassen, und erreichte glücklich das Ufer. Endlich kam
die langersehnte Hilfe, die ihm Mithridates, ein angeblicher Sohn
des Königs dieses Namens, aus Kleinasien und Syrien zuführte. Dieser
eroberte Pelusion; der König Ptolemäos wurde geschlagen und ertrank auf
der Flucht im Nil. Nun ergab sich Alexandria dem Sieger (47); Kleopatra
ward zwar als Königin von Ägypten anerkannt, das Land aber von einem
römischen Heer besetzt gehalten.

Bevor jedoch Cäsar nach Rom zurückkehrte, mußte er noch einen Feldzug
gegen +Phárnakes+, den Sohn des großen Mithridates, unternehmen. Dieser
hatte, unzufrieden mit dem kleinen Königreiche, das ihm Pompejus
gelassen, das väterliche Reich wieder erobert und gegen alle Römer
grausam gewütet. Cäsar brach mit einer Legion gegen ihn auf; durch
Syrien und Cilicien gelangte er nach Pontus, wo er den listigen
Pharnakes überfiel und ihm in der entscheidenden Schlacht bei +Ziéla+
eine vollständige Niederlage beibrachte (47). Er selbst war von seinem
schnellen Sieg so überrascht, daß er an seine Freunde in Rom die
berühmten Worte schrieb: „Ich kam, sah, siegte!“ (~Veni, vidi, vici.~)
Pharnakes verlor alle Besitzungen und bald darauf durch einen treulosen
Diener das Leben.

Jetzt erst kehrte Cäsar nach Rom zurück, wo seine Gegenwart dringend
notwendig war, da ein unruhiger Volkstribun einen Aufstand verursacht
hatte, der vielen Bürgern das Leben kostete. Cäsar stellte sogleich
die Ruhe wieder her und überhäufte seine Anhänger mit Ehrenstellen
und Belohnungen, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Afrika, wo
sich die Anhänger des Pompejus gesammelt und eine bedeutende Macht an
sich gezogen hatten. Noch war er mit den Rüstungen zu diesem Kriege
beschäftigt, als eine Meuterei unter seinen Legionen ausbrach. Diese
standen in Capua und warteten mit Ungeduld auf ihren Abschied, sowie
auf die Belohnungen, die er ihnen versprochen hatte. Als er ihnen noch
größere Belohnungen versprechen ließ, wenn sie ihm nach Afrika folgen
wollten, empörten sie sich und brachen in ihrer Wut nach Rom auf, um
sich ihren Lohn mit Gewalt zu holen. Nachdem sie auf dem Marsfelde
angekommen waren, trat Cäsar unerwartet unter sie und fragte sie mit
fester Stimme, was sie wollten. „Unsere Entlassung“, riefen sie. „Ihr
sollt sie haben“, antwortete er, „und auch die versprochenen Geschenke,
wenn ich an der Spitze anderer Legionen gesiegt habe und sie zum
Triumphe nach Rom führe.“ Hiermit entfernte er sich und überließ die
Bestürzten dem quälenden Gedanken, daß nun andere an ihrer statt Ruhm
und Lohn neuer Siege ernten würden. Doch noch einmal wandte er sich an
sie, aber nun nicht mehr mit der Anrede „Kameraden“ (~commilitones~),
sondern mit der Anrede: „Bürger!“ (~Quirītes~). Da riefen alle, sie
seien keine Bürger sondern Soldaten, und baten ihn sie nach Afrika zu
führen.

In Afrika bestand die Macht der Pompejaner aus zehn Legionen,
20000 afrikanischen Reitern und 120 Elefanten; dazu kamen noch die
Hilfstruppen des mit ihnen verbundenen Königs +Juba+ von Numidien.
Dieser furchtbaren Macht konnte Cäsar nur sechs Legionen und 2000
Reiter entgegenstellen, mit denen er noch in demselben Jahre (47)
von Sicilien aus unter Segel ging, um seine Gegner, die ihn in
der ungünstigen Jahreszeit nicht erwarteten, zu überraschen. Die
Herbststürme jedoch zerstreuten seine Flotte, und er selbst erreichte
nur mit 3000 Mann zu Fuß und 150 Reitern die afrikanische Küste. Als
er in der Nähe von Adrumetum landete, fiel er dabei zur Erde, aber
mit gewohnter Geistesgegenwart rief er aus: „Ich halte dich, Afrika!“
und verwandelte dadurch die schlimme Vorbedeutung, die seine Soldaten
leicht in diesem Falle hätten sehen können, in eine gute. Bald auch
fand sich die ganze Flotte wieder bei ihm ein, sodaß er im Anfang des
Jahres 46 mit 15000 Mann einen Streifzug ins Innere unternehmen konnte.
Da wurde er plötzlich von Labiēnus, der einst in Gallien sein bester
und erfolgreichster Legat gewesen, und von Petrejus, den er vorher
in Spanien besiegt und verschont hatte, mit einer solchen Übermacht
angegriffen, daß er nur durch einen geschickt geleiteten Rückzug einer
völligen Niederlage entging. Nicht lange darauf aber nötigte er seine
Gegner zu der entscheidenden Schlacht bei +Thapsus+, welche mit der
gänzlichen Vernichtung des pompejanischen Heeres endigte (46).

Unter den Häuptern der pompejanischen Partei, die bei Thapsus besiegt
wurde, nahm der edle +M. Porcius Cato+, ein Urenkel jenes Cato, der
die Zerstörung Karthagos zu fordern pflegte, den ersten Rang ein. Nach
der Schlacht bei Pharsalos war er nach der Provinz Afrika gegangen und
hatte dort die Verteidigung der Hauptstadt Utĭca übernommen. Als Cäsar
heranzog, um durch die Eroberung dieser Stadt den Krieg zu beendigen,
suchte er anfangs die Einwohner zum Widerstande zu bewegen. Da er aber
sah, daß sie in ihren Meinungen geteilt waren, so änderte er seinen
Plan. Zunächst war er vielen Senatoren mit Geld und Schiffen zur Flucht
behilflich; ja, er riet sogar seinem eignen Sohn Marcus zur Flucht;
dieser aber weigerte sich standhaft den Vater zu verlassen. Für ihn
selbst hatte das Leben ohne den Bestand einer freien Republik keinen
Wert mehr, und darum hielt er sich, nach den Grundsätzen der stoischen
Lehre, deren eifriger Anhänger er war, für berechtigt sich selbst den
Tod zu geben.

Gegen Abend ging er ins Bad und nahm dann mit seinen Freunden ein Mahl
ein. Nach dem Essen trank er mit seinen Gästen und unterredete sich
mit ihnen über den Satz, daß nur der Weise wahrhaft frei sei. Diese
Behauptung verteidigte er mit solcher Wärme, daß allen seine Absicht
klar wurde. Es folgte eine ängstliche Stille. Kaum merkte dies Cato, so
lenkte er das Gespräch auf einen anderen Gegenstand. Dann nahm er mit
besonderer Herzlichkeit Abschied und begab sich in sein Schlafgemach.
Hier las er den Phädon, eine Schrift des griechischen Weisen Plato,
welche von der Unsterblichkeit der Seele handelt und zugleich den Tod
des edlen und weisen Sokrates schildert, zweimal durch, und wollte dann
nach seinem Schwerte greifen. Er fand es aber nicht, denn sein Sohn
hatte es heimlich entfernt. Er forderte es mit Ungestüm und ließ nicht
eher ab, bis man es ihm brachte. Ohne sich an die Bitten und Tränen der
Seinigen zu kehren, rief er: „Nun bin ich Herr über mich!“ entließ die
Weinenden, las noch und schlief dann bis Mitternacht. Dann erkundigte
er sich, ob seinen Freunden die Flucht gelungen sei. Auf die Nachricht,
daß sie alle entkommen seien, verschloß er die Tür, stürzte sich in
sein Schwert und fiel zu Boden, wobei er einen Tisch mit umriß. Auf das
Geräusch eilten die Seinen herbei und verbanden seine Wunde; er aber,
wieder zu sich gekommen, riß sie wieder auf und starb an Verblutung.

Als Cäsar bei seinem Einzug in Utica, welches ihm die Tore öffnete,
Catos Tod vernahm, sagte er mit aufrichtigem Schmerz: „Cato, ich
mißgönne dir deinen Tod, weil du mir deine Erhaltung nicht gegönnt
hast!“ Auch verzieh er dem jungen Cato und ließ ihm das väterliche
Vermögen. Catos Beispiel folgend gaben sich auch Metellus, Scipio, Juba
und Petrejus den Tod. Labienus aber und Sextus Pompejus verzweifelten
noch nicht, sondern flohen nach Spanien, um dort den Krieg zu erneuern.


4. Cäsars fernere Taten und Tod.

Als Cäsar nach Rom zurückgekehrt war, wetteiferten der Senat und das
ihm ergebene Volk, ihn mit den höchsten Ehren und Würden zu überhäufen.
Die Diktatur, mit welcher die unumschränkte Macht über den ganzen
Staat verbunden war, wurde ihm auf zehn Jahre übertragen; auf goldenem
Sessel saß er neben den Konsuln, und 72 Liktoren, sechsmal mehr als
den Konsuln, schritten ihm voran, so oft er sein Haus verließ. Für
seinen Sieg bei Thapsus ordnete der Senat ein vierzigtägiges Dankfest
an, und seine Siege über Gallien, Ägypten, Pontus und Afrika feierte
Cäsar durch einen vierfachen Triumph. Neben dem Tempel der Fortuna,
der Göttin des Glücks, brach, ein schlimmes Vorzeichen, die Achse
seines Triumphwagens, und er mußte einen andern besteigen, dann stieg
er die Stufen des Jupitertempels auf den Knieen hinauf. Bei dieser
Gelegenheit legte er die Kriegsbeute über 200 Millionen Mark an Gold
und 2822 goldene Kränze im Werte von mehr als 15 Millionen Mark in den
öffentlichen Schatz. Seinen Feinden verzieh er großmütig und bewies
überall die größte Milde. Bei dem öffentlichen Festmahle, das er gab,
wurde das Volk an 22000 Tischen aufs köstlichste bewirtet, wobei sogar
die bei den Römern so beliebte Fischart der Muränen und die berühmten
Falerner- und Chierweine nicht fehlten. Außer dieser allgemeinen
Speisung beschenkte er noch 50000 arme Bürger mit Getreide und Öl und
je 60 Mark an Geld. Von seinen Kriegern bekam jeder gemeine Soldat 3000
Mark, ein Hauptmann das Doppelte, ein Oberst das Dreifache.

Während Cäsar noch damit beschäftigt war durch eine Reihe von Gesetzen
und Anordnungen die Ruhe und Ordnung des tief erschütterten Staates
herzustellen, rief ihn die Besorgnis vor der drohenden Macht der
Pompejaner in +Spanien+ zu neuem Kampfe ab. Dort hatten Gnaeus und
Sextus, die Söhne des großen Pompejus, wieder ein Heer von dreizehn
Legionen gesammelt. Cäsar zog mit acht Legionen gegen diese letzten
Verteidiger der Republik, und bei der Stadt +Munda+ kam es zu dem
erbittertsten und blutigsten Kampf dieses ganzen Bürgerkrieges (45).
Schon schwankten seine Legionen und das Glück schien ihn zu verlassen;
schon focht er, wie er später gestand, mehr um sein Leben als um den
Sieg. Da sprang er vom Pferde und warf sich, entblößten Hauptes um von
den Seinigen erkannt zu werden, und mit den Worten: „Wollt ihr mich
diesen Knaben überliefern?“ in die vordersten Reihen. So hitzig focht
er, daß viele unter seinen Streichen sanken und sein Schild von mehr
als hundert Geschossen durchbohrt wurde, bis er mit seiner zehnten
Legion und seiner Reiterei das Gleichgewicht wieder herstellte. Schon
neigte sich der Tag, und die Schlacht war noch unentschieden, als Cäsar
bemerkte, wie der pompejanische Anführer Labiēnus fünf Kohorten zum
Schutze seines Lagers absandte, und im Augenblick rief er: „Seht, die
Feinde fliehen!“ Dies glückliche Wort, das schnell durch die Reihen
lief, erhöhte den Mut der Seinen so sehr, daß sie mit hellem Siegesrufe
vordrangen und die Pompejaner, bestürzt durch die plötzliche Wendung,
nun wirklich die Flucht ergriffen. Nun erst begann, wie gewöhnlich in
jenen Zeiten, das eigentliche Gemetzel unter den aufgelösten Scharen
der Besiegten. Über 33000 Erschlagene bedeckten das Schlachtfeld.
Gnaeus Pompejus fiel auf der Flucht, als er eben die Küste erreicht
hatte und Spanien verlassen wollte. Nur sein Bruder Sextus, der der
Schlacht nicht beigewohnt hatte, blieb allein von den Häuptern der
pompejanischen Partei am Leben.

Dieser Sieg machte dem Bürgerkrieg, der 170000 Menschen hingerafft
hatte, ein Ende. Als Cäsar nach Rom zurückkehrte, überhäufte ihn der
Senat mit neuen Ehren, wie sie noch nie einem Römer zuteil geworden
waren. Er erhielt den Titel Imperator oder Oberbefehlshaber der
gesamten Kriegsmacht, und dieser Titel wurde ihm auf Lebenszeit
beigelegt und sollte auch auf seine Nachkommen forterben können;
ebenso ward er auf zehn Jahre Konsul, auf Lebensdauer Diktator,
„Vater des Vaterlandes“, „Befreier“ ward er genannt, und unter einem
der zahlreichen Standbilder, die man ihm errichtete, war geschrieben:
„Dem unbesiegten Gotte“. So war er denn in Wahrheit Alleinherrscher
des römischen Reiches, wenn ihm auch dieser Name fehlte, und als
solcher suchte er die Erinnerung an die Zeit der freien Republik im
Volke allmählich auszulöschen, und die Amtswürden des herrschenden
Adels sanken zu bloßen Titeln herab. Er vermehrte den Senat auf 900
Mitglieder, von denen er die Hälfte selbst ernannte; bei der Wahl der
andern Hälfte nahm das Volk auf seine Vorschläge Rücksicht. Auch ein
neues Forum legte er an, und errichtete daselbst der Venus Victrix, der
„siegreichen Venus“, die er als Stammmutter seines Geschlechts ausgab,
einen herrlichen Tempel. Auf die Einweihung dieses Tempels folgten
glänzende Volksspiele: in einem künstlichen See wurden Schiffsgefechte
geliefert, im Circus wurden 400 Löwen gejagt, wilde Stiere erlegt und
endlich eine förmliche Landschlacht dargestellt.

Um die Verwaltung des Staates und der Provinzen, die von Grund auf
neu zu ordnen war, erwarb Cäsar sich große Verdienste. Neben vielen
anderen Gesetzen dieser Art ist besonders zu nennen die gründliche
Verbesserung des römischen +Kalenders+, die er mit Hilfe des
alexandrinischen Mathematikers Sosígenes durchführte. Es war darin eine
solche Verwirrung eingerissen, daß damals die Abweichung der Monats-
und Tagesrechnung von der wahren Zeit bereits 67 Tage betrug und sich
die Feste um ebensoviel Tage aus ihrer ursprünglichen Lage verschoben.
Die Ursache lag darin, daß man sich dabei nicht nach dem Laufe der
Sonne und der Dauer des Sonnenjahres, sondern nach den Mondumläufen
richtete, deren zwölf ein Jahr von 354 anstatt von 365 Tagen ergaben.
Und doch hatten schon längst die Ägyptier das Jahr nach dem Sonnenlaufe
auf 365 Tage 6 Stunden festgesetzt, während die Griechen und Römer
noch immer ihre Jahresrechnung auf den Mondlauf gründeten und dadurch
zu ungleichen Einschaltungen genötigt waren. Der neue, dem ägyptischen
nachgebildete Kalender, der nach seinem Urheber der +julianische+
genannt wird, machte allen diesen Ungleichheiten und Schwankungen ein
heilsames Ende. Zwar war auch er noch nicht ganz der wirklichen Zeit
entsprechend. Denn indem er dem Jahre 365 Tage und jedem vierten Jahre
mit einem Schalttage 366 gab, wich er von der wahren Jahreslänge des
Sonnenumlaufs um ein Zuviel von mehreren Minuten ab, ein Fehler, der
im Laufe der folgenden Jahrhunderte auf etwa 10 Tage anwuchs und erst
durch den gregorianischen Kalender (1582 n. Chr.) ausgeglichen wurde.
Auch verlegte Cäsar den Anfang des Kalenderjahres vom 1. März auf den
1. Januar. Die Namen der römischen Monate behielt er bei, nur daß durch
Senatsbeschluß der bisherige Quinctīlis dem Cäsar zu Ehren fortan
Julius genannt wurde.

Doch so sehr auch Cäsar seine Feinde durch Milde und Gnade gewonnen
zu haben glaubte, so große Verdienste er sich um die Vergrößerung und
den Ruhm des Staates erworben hatte, so vermochte er doch nicht den
tiefen Haß aller derjenigen zu versöhnen, welche bisher gewohnt waren
den Staat zu regieren und zu ihren Vorteilen auszubeuten. Auch schonte
er nicht in allem seinem Tun die ehrwürdigen alten Überlieferungen
der Republik, an denen das Volk mit zäher Beharrlichkeit hing. Nicht
zufrieden mit königlicher Macht, strebte er auch nach dem königlichen
Titel und beleidigte das Volk durch die Äußerung, daß die Republik
nur ein leerer Name sei. Seine Freunde beeiferten sich ihm den Titel
„König“ zu verschaffen, der den Römern seit der Vertreibung der Könige
ein Gegenstand des Abscheus war. Einst bekränzten sie heimlich seine
Bildsäule mit dem Diadem, aber die Tribunen rissen es ab und schickten
die Täter unter dem Beifall des Volkes ins Gefängnis. Ein anderes Mal
mischten einige in den Zuruf des Volkes den Königsgruß, aber die Menge
stimmte nicht ein, und Cäsar mußte erklären, er heiße Cäsar, nicht
König. An einem Fest trat einst sein Mitkonsul +Antonius+ mit einer
Rede auf und wollte ihm dann eine Krone mit den Worten überreichen:
„Dies sendet dir das römische Volk durch mich!“ aber das Volk brach in
lautes Wehklagen aus, Cäsar wies das Geschenk zurück, und als Antonius
fortfuhr ihm knieend das Diadem darzubieten, sagte er: „Nur Jupiter ist
König!“ und schickte es auf das Kapitol.

Wenn nun auch diese Versuche, den königlichen Titel zu erhalten,
mißlangen, so war doch sein Streben nach der Königswürde unverkennbar.
Die Furcht vor der Gewaltherrschaft eines Königs, Cäsars beleidigender
Stolz gegen vornehme Römer, der Haß einzelner Großen, die seine
unumschränkte Macht nur mit tiefem Ingrimm ertrugen, brachten endlich
eine Verschwörung zuwege, deren Zweck war den großen Diktator zu
ermorden und die alte Ordnung wieder herzustellen.

Der Plan zu diesem Morde entsprang aus dem finsteren Gemüte des +Gajus
Cassius+, der Cäsars Gnade das Leben verdankte. Er merkte aber bald,
daß kein angesehener Mann seinem Anschlage beitreten werde, wenn nicht
der damalige erste Prätor +Marcus Brutus+, Cäsars Liebling, ein wegen
seiner reichen Bildung und strenger Sinnesweise hochangesehener Mann,
sich seinem Plane anschlösse. Diesen suchte er daher vor allem dafür
zu gewinnen. Bald legte er Zettel auf seinen Prätorstuhl mit den
Worten: „Brutus, du schläfst!“ -- oder „Du bist wahrlich kein Brutus!“
Bald schrieb er an die Bildsäule des alten Brutus, der vorzeiten das
Königtum gestürzt und die Freiheit begründet hatte (S. 24): „O daß du
noch lebtest, oder daß von deinen Nachkommen einer dir gleich wäre!“
Lange blieb Brutus unentschlossen. Als er endlich der Verschwörung
beitrat, wirkte sein Beispiel so mächtig, daß bald sechzig andere,
teils begünstigte Freunde Cäsars, teils begnadigte Feinde, sich
anschlossen. Es fehlte ihnen nur noch die Gelegenheit zur Ausführung
ihres Planes, und diese bot ihnen Cäsar selbst.

Damals, im Jahre 44, trug er sich mit dem großen Gedanken eines
Kriegszugs gegen die Parther, um die noch nicht gesühnte Niederlage
bei Karrhä (S. 157) an ihnen zu rächen und die Ostgrenzen des Reiches
gegen diese mächtigen Feinde zu sichern. Sobald ihm dieses gelungen
wäre, gedachte er längs den Küsten des kaspischen Meeres um den
Kaukasus herum zu ziehen, in Skythien einzudringen und von da wieder
westwärts durch die weiten Gebiete der Sarmaten, Daken, Germanen nach
Italien zurückzukehren. Während er zu diesem Zuge die nötigen Anstalten
traf, verbreiteten seine Freunde das Gerücht, daß nach einem Spruch
der sibyllinischen Bücher (S. 22) die Parther nur von einem König
besiegt werden könnten. Darum verlangten sie, daß Cäsar bloß in Italien
Diktator heißen, in den Provinzen aber den Königstitel führen sollte.
An den Iden des März (15. März, ~idibus Martiis~, denn ~idus~ hieß nach
römischem Sprachgebrauch der 15. oder 13. Tag eines Monates), sollte
über diese Frage im Senate verhandelt werden, und so beschlossen denn
die Verschworenen ihn an diesem Tage in der von Pompejus gebauten
Kurie (Ratshalle), wohin der Senat berufen war, zu ermorden.

Vergebens warnten ihn drohende Anzeichen. Man fand, wie erzählt
wird, eine alte eherne Tafel mit einer griechischen Inschrift, die
auf seinen gewaltsamen Tod deutete; in der Nacht vor dem Morde gaben
die heiligen Schilde auf dem Kapitol einen klingenden Ton; Cäsars
Pferde wollten nicht fressen, und in den Tieren, die er opferte, fand
sich kein Herz. Der Seher Spurinna warnte ihn gerade vor den Iden
des Märzes. Doch Cäsars großes Herz war der Furcht und Sorge um sein
Leben verschlossen. Am Abend des 14. März speiste er bei Lépidus,
der als „Reiteroberst“ (~magister equitum~) dem Diktator als Gehilfe
zur Seite stand. Während er dort einige Briefe unterschrieb, warf
einer von den Gästen die Frage auf, welcher Tod der beste sei. Cäsar
antwortete schnell: „Der unerwartete.“ Die Nacht darauf verbrachte er
in großer Unruhe. Aufgeschreckt durch ein plötzliches Geräusch sah er
bei hellem Mondlicht die Türen seines Gemachs von selbst geöffnet und
hörte seine Gemahlin Calpurnia im Schlafe wehklagen. Ihr träumte, man
hätte ihren Gemahl ermordet, und sie halte den Toten weinend in ihren
Armen. Als der Morgen kam, bat sie, erschreckt durch diesen Traum,
ihren Gemahl inständig zu Hause zu bleiben. Cäsar war bereit ihren
Bitten zu willfahren, und gab schon dem Konsul Antonius den Auftrag den
versammelten Senat wieder zu entlassen.

Inzwischen warteten bereits in der Kurie des Pompejus die
Verschworenen, mit versteckten Dolchen bewaffnet, ungeduldig ihres
Opfers, und besorgten schon, da Cäsar nicht kam, ihr Geheimnis wäre
verraten. Sie schickten daher den +Décimus Brutus+, einen vertrauten
Freund Cäsars, um sich nach der Ursache seines Säumens zu erkundigen.
Cäsar erzählte ihm Calpurnias Traum. Aber Brutus stellte ihm vor, wie
unklug es sei, seine Ernennung zum König verschieben zu wollen, bis ein
Weib bessere Träume habe, und zog ihn an der Hand mit sich fort.

Noch hätte Cäsar dem Tode entgehen können, denn selbst auf dem Wege
nach der Kurie wurde er auf mannigfache Art gewarnt. Kaum hatte er sein
Haus verlassen, so drängte sich Artemidōros, ein gelehrter Grieche,
zu ihm heran und überreichte ihm eine Schrift, in der die ganze
Verschwörung entdeckt war. „Lies diese Schrift“, sprach er eifrig,
„lies sie sogleich, sie enthält wichtige Dinge, die dich betreffen.“
Cäsar versuchte sie zu lesen, aber das Gedränge der Menschen um ihn
her war zu groß; ungelesen nahm er die Schrift mit in die Kurie. Nicht
mehr weit davon sah er den Spurinna und rief ihm lachend zu: „Die Iden
des Märzes sind gekommen!“ -- „Aber sie sind noch nicht vorüber“,
antwortete Spurinna. Ohne sich an das Wort zu kehren, ging Cäsar in
die Kurie. An der Tür wurde er noch durch ein Bittgesuch aufgehalten,
dann schritt er sorglos zu seinem goldenen Sessel, der am Fuße der
Bildsäule des Pompejus stand. Alle Verschworenen standen auf, um ihn
zu empfangen; nur Trebonius stand am Eingang der Kurie, um den Konsul
+Marcus Antonius+, den treuesten und kühnsten Anhänger Cäsars, von
dessen Körperkraft und Geistesgegenwart alles zu befürchten war,
zurückzuhalten.

Kaum hatte sich Cäsar auf seinen Sessel niedergelassen, so drängten
sich die Verschworenen an ihn heran. Voran stand Tullius +Cimber+, um
von Cäsar die Begnadigung seines verbannten Bruders zu erbitten. Die
Verschworenen unterstützten sein Gesuch. Cäsar aber, unwillig über
ihren zudringlichen Eifer, verwies sie auf eine andere Zeit. Da ergriff
Cimber die Toga Cäsars und riß sie ihm von den Schultern. „Das ist ja
Gewalt!“ schrie Cäsar. In demselben Augenblick stieß der hinter seinen
Stuhl getretene +Casca+ mit dem Dolche nach seinem Hals, verwundete
ihn aber nur leicht. „Verruchter Casca, was machst du?“ ruft Cäsar und
durchbohrt mit seinem silbernen Schreibgriffel des Mörders Arm; aber
im Nu stoßen ihm alle Verschworenen ihre Dolche mit solcher Wut in den
Leib, daß mehrere von ihnen sich selbst an der Hand verwundeten. Als
Cäsar auch den Marcus Brutus unter den Mördern sieht, ruft er klagend
aus: „Auch du, mein Sohn!“ und nun sagt er kein Wort mehr, sondern
verhüllt sein Haupt und gibt sich ohne Widerstand allen Stößen preis.
Von 23 Wunden durchbohrt, von denen aber nur eine tödlich war, sank er
an der Bildsäule des Pompejus nieder (44).

Überrascht und entsetzt von dem schaudervollen Auftritt flohen die
Senatoren auseinander. Brutus wollte sie anreden, aber niemand hörte
auf ihn. Auch das Volk, unter das die Mörder mit dem Rufe der Freiheit
traten, floh bestürzt. Eine Zeitlang lag der Ermordete allein in
seinem Blute, bis ihn drei Sklaven in einer Sänfte in die Wohnung der
Calpurnia trugen.

In Cäsar ging der größte Mann unter, den Rom je hervorgebracht hatte.
Er war als Feldherr, Staatsmann und Gesetzgeber ohnegleichen, aber
auch hervorragend als Redner, Geschichtsschreiber, Sprachforscher,
Mathematiker und Architekt. Auch seine Persönlichkeit und Haltung ließ
den geborenen Herrscher erkennen. Seinen von Natur etwas schwächlichen
Körper hatte er so abgehärtet, daß er an Ausdauer keinem seiner
Krieger nachstand. Er ertrug Hitze und Kälte, Hunger und Durst und
alle Beschwerden und Anstrengungen des Krieges. In allen Leibesübungen
zeichnete er sich aus und suchte als Reiter, Schwimmer und Fechter
seinesgleichen. Seine Soldaten, denen er in jeder Hinsicht als Muster
vorleuchtete, verehrten ihn mit abgöttischer Liebe und Treue.



XXVIII.

Der dritte Bürgerkrieg. Marcus Antonius und Cäsar Octavianus.


Nachdem die Verschworenen die blutige Tat vollbracht hatten, waren sie
durchaus ratlos, was sie nun weiter tun sollten. Sie hatten geglaubt,
das Volk würde ihrem Werke der Befreiung zujubeln, begegneten aber fast
überall einer feindlichen oder gleichgültigen Stimmung. Denn Cäsar
hatte die Menge durch den Glanz seiner Taten und seine freigebige
Großmut für sich gewonnen, und die „Freiheit“, welche Brutus und seine
vornehmen Genossen gegen Cäsar zu verteidigen schienen, war in Wahrheit
nur das bisherige Regiment der Großen und Reichen. Bald sollten die
Mörder erfahren, daß sie einen milden Herrscher mit einem furchtbaren
Tyrannen vertauscht hatten.

Der Konsul +Antonius+, ein entschiedener Anhänger Cäsars, der sich in
der ersten Bestürzung versteckt hatte, trat nun hervor und beschloß
die Rolle des Herrschers, die Cäsar gespielt hatte, selber weiter
fortzuführen Er bemächtigte sich heimlich des öffentlichen Schatzes
und erhielt von Calpurnia, der Gemahlin des Gemordeten, dessen
schriftlichen Nachlaß. In einer Senatssitzung, der auch Antonius
beiwohnte, wurde zwar den Mördern Verzeihung bewilligt, aber auch
beschlossen, daß Cäsars Anordnungen fortbestehen sollten. In einer
zweiten Sitzung wurden sogar den Häuptern der Verschwörung nach einer
Anordnung, die Cäsar selbst schon getroffen hatte, die ihnen bestimmten
Provinzen zugewiesen: Marcus Brutus erhielt Makedonien, Decimus Brutus
das cisalpinische Gallien, und Cassius Syrien.

Bisda hatte Antonius seine herrschsüchtigen Absichten mit großer
Schlauheit verborgen; nun aber trat er offener auf, und bei der
Leichenfeier Cäsars offenbarte er, was die Mörder von ihm zu erwarten
hatten. Um das Volk gegen diese aufzubringen, machte er zuerst das
Testament Cäsars bekannt, in dem er dem Volke seine großen parkartigen
Gärten jenseits der Tiber zu allgemeinem Gebrauch und jedem einzelnen
Bürger 45 Mark vermachte. Dann folgte die Leichenfeier, die den Abscheu
des Volkes gegen die Mörder, die ihm seinen Wohltäter entrissen hatten,
auf den höchsten Grad steigern sollte.

Auf einem Gerüste, neben der Rednerbühne auf dem Forum, stand
eine vergoldete Kapelle, eine Nachbildung des von Cäsar erbauten
Venustempels; innerhalb der Kapelle, deren Dach auf Säulen ohne Wände
ruhte, war ein mit Elfenbein ausgelegtes, mit Purpurteppichen bedecktes
Ruhebett sichtbar. Auf dieses wurde nach vollendetem Trauerzuge der
Sarg mit der Leiche, unter dem Wehklagen des Volkes und der Soldaten
Cäsars, niedergesetzt. Sodann hielt Antonius eine Rede, worin er
Cäsars unsterbliche Taten und Verdienste um Reich und Volk mit
überschwenglichen Worten pries, und dann den an ihm verübten greulichen
Mord in grellen Farben schilderte, und zugleich, die Augen voll
Tränen, das blutige, von Dolchstichen zerstoßene Gewand des Ermordeten
emporhob. Dabei stieg ein aus Wachs verfertigtes Bild Cäsars mit den
23 Wunden, unter denen die entstellende Wunde des Gesichts und die
tödliche Brustwunde besonders auffielen, aus dem Sarg in die Höhe.

Bei diesem Anblick verwandelte sich das Wehklagen des Volkes in helle
Wut gegen die Mörder, und man hätte sie zerrissen, wenn sie sich nicht
rechtzeitig entfernt hätten. Als dann das Leichengerüst angezündet
wurde, warf jedermann, was ihm an Geräten, Waffen und Schmuck zur Hand
war, in das Feuer, das dadurch so gewaltig um sich griff, daß ein Haus
in der Nähe in Brand geriet, und eine Feuersbrunst mit Mühe verhütet
ward. Kaum konnte Antonius das wütende Volk zurückhalten, das mit
Fackeln durch die Straßen der Stadt tobte und die Häuser der Mörder
anzünden wollte.

Als Antonius das Volk für sich gewonnen hatte, brachte er es bald
dahin, daß ihm der Senat eine Schutzwache bewilligte, die er selbst auf
6000 Mann vermehrte. Im Vertrauen auf diesen Schutz gab er, angeblich
aus dem Nachlaß Cäsars, eine Verordnung nach der andern heraus, um sich
Anhänger und besonders Geld zu verschaffen. Er verkaufte Ämter und
Würden, verhandelte Königreiche und wußte sich dadurch Geld in solcher
Menge zu verschaffen, daß er und +Fulvia+, seine schändliche Gemahlin,
zuletzt das Geld nicht mehr zählten, sondern in Masse abwogen. Den
Mördern Cäsars nahm er ihre Provinzen, indem er Makedonien, das Marcus
Brutus hatte, für sich nahm und Syrien, das dem Cassius bestimmt war,
dem Dolabella gab.

Doch auch gegen Antonius erhob sich bald ein Nebenbuhler, der
schließlich den Sieg über ihn davontragen sollte.

Dies war der junge +Octavius+, der damals zu Apollonia in Illyrien
sich aufhielt, wo ein Teil der Truppen stand, die Cäsar für den
parthischen Krieg bestimmt hatte, und mit denen er an dem Feldzuge
teilnehmen sollte. Als Enkel von Cäsars jüngerer Schwester Julia war
er im Testamente Cäsars, seines Großoheims, der keinen eigenen Sohn
hinterlassen, an Sohnes Statt angenommen und zum Haupterben eingesetzt.
Er nannte sich deshalb fortan +Gajus Julius Cäsar Octavianus+.

Nach dem Tode Cäsars eilte er nach Italien, um sein Erbe anzutreten.
Vor den Toren Roms strömten ihm die Freunde und Anhänger Cäsars
entgegen. Ein farbiger Ring, der in dieser Stunde die Sonne umgab,
ward als ein Zeichen seiner aufgehenden Größe gedeutet. Aber seine
Lage war schwierig. Auf der einen Seite drohte ihm die Feindschaft
der Mörder, die in ihm den Rächer ihrer Freveltat fürchteten, auf
der anderen sperrte ihm die gewalttätige Herrschaft des Antonius den
Weg zur höchsten Gewalt. Aber der achtzehnjährige Jüngling verfolgte
gleich von Anfang an mit ungewöhnlicher Klugheit und Selbstbeherrschung
das Ziel, das er sich steckte, Rache an den Mördern und Besitznahme
der ersten Stelle im Staate. Er suchte deshalb zunächst eine enge
Verbindung mit Antonius. Er verlangte von ihm die Herausgabe des
Geldes, das Cäsar hinterlassen, um es nach den Bestimmungen des
Testamentes unter die Bürger zu verteilen. Dies verweigerte Antonius
unter allerlei Vorwänden, und behandelte überhaupt den „jungen
Menschen“ mit hochfahrendem Stolze und Geringschätzung. Octavianus,
obgleich tief erbittert, vermied es mit dem Gewaltigen zu brechen. Er
ließ seine väterlichen Güter versteigern und zahlte aus dem Ertrag
die Vermächtnisse aus, mit denen Cäsar das Volk bedacht hatte. Die
Folge davon war, daß, während sich Antonius beim Volke verhaßt machte,
Octavianus in dessen Gunst stieg, zumal da er nun auch der Menge
kostbare Spiele gab. Während dieser Spiele zeigte sich sieben Tage lang
am Himmel ein Komet, den Cäsars Partei als seinen Geist deutete, der
unter die Götter versetzt sei.

Während Antonius den Senat mit steigender Anmaßung und trotzigem
Übermut behandelte, bewies ihm der schlaue Octavianus die größte
Ehrerbietung. Unter den alten Soldaten Cäsars hatte er viele Anhänger,
die zu Tausenden seinen Fahnen zuströmten. An der Spitze dieser Truppen
gelang es ihm den Antonius aus Rom zu verdrängen. Dieser ging, nach dem
Ablauf seines Konsulates, in das diesseitige Gallien, welche Provinz er
dem Decimus Brutus entreißen wollte; aber von den beiden neuen Konsuln
und Octavianus bei Mútina (Módena) geschlagen, mußte er ins jenseitige
Gallien fliehen (43).

Als die nächste Sorge vor Antonius vorüber war, glaubte der Senat den
Octavianus entbehren zu können und begann ihn mit Kälte zu behandeln.
Aber dieser wandte sich an seine treuen Legionen und stellte ihnen vor,
daß ihnen in Rom der Lohn ihrer Taten verweigert würde. Da sandten
die Truppen aus ihrer Mitte Abgeordnete an den Senat und forderten
für Octavianus das Konsulat. Als man dies abschlug, rief einer der
Abgeordneten, an sein Schwert schlagend: „Dieses wirds ihm geben!“
worauf Cicero erwiderte: „Wenn das bitten heißt, so wird man es ihm
gewähren müssen.“ Nach dieser Weigerung des Senats rückte Octavianus
mit acht Legionen gegen Rom vor, wo das Volk ihn mit Jubel aufnahm und
der Senat sich in alle seine Forderungen fügen mußte. Seine Soldaten
belohnte Octavianus aus dem öffentlichen Schatze; dann ließ er sich
zum Konsul wählen und das Verbannungsurteil über Cäsars Mörder
aussprechen. Um aber nachdrücklich an ihnen Rache nehmen zu können,
hielt er es für zweckmäßig sich wieder mit Antonius zu verbinden.

Dieser hatte sich inzwischen in Gallien mit +Lépidus+ vereinigt
und eine Macht von 23 Legionen und 10000 Reitern zusammengebracht.
Octavianus zog beiden entgegen, und Antonius ergriff die dargebotene
Hand zu einer Vereinigung. Sie wählten eine kleine Insel auf dem
Flusse Rhenus, unweit Bononia (Bologna) zum Orte ihrer Zusammenkunft.
Beide Parteien, Antonius und Lepidus einerseits und Octavianus
anderseits, rückten mit fünf Legionen an die Ufer dieses Flusses und
schlugen von beiden Seiten eine Brücke nach der Insel zu. Lepidus,
ein gemeinschaftlicher Freund der beiden andern, ging zuerst hinüber,
um ihre Sicherheit zu prüfen; dann kamen auf ein gegebenes Zeichen
Octavianus und Antonius, jeder mit 300 Mann, herbei. Diese blieben
am Ende der Brücken zurück; sie selbst aber gingen auf eine Anhöhe,
wo sie von ihren beiderseitigen Heeren gesehen werden konnten. Als
sie beisammen waren, durchsuchten sie erst ihre Kleider, aus Furcht,
daß irgend einer einen Dolch bei sich tragen möchte. Dann setzten
sie sich nieder, um den Plan ihres Bündnisses zu entwerfen. Die
Verhandlung dauerte drei Tage. Endlich kam nach manchem heftigen
Streit ein Vergleich zustande. Der erste Punkt desselben betraf die
höchste Gewalt im Staate; diese sollten alle drei gemeinschaftlich
fünf Jahre lang ausüben unter dem Titel „Triumvirn zur Einrichtung des
Gemeinwesens“. Dann verteilten sie die Provinzen unter sich; Italien
als das gemeinsame Mutterland und die morgenländischen Provinzen,
die damals noch Brutus und Cassius innehatten, wurden von dieser
Teilung ausgenommen. Die Abendländer aber wurden auf folgende Art
verteilt: Octavianus bekam Afrika, Sicilien und Sardinien, Antonius das
diesseitige und jenseitige Gallien, Lepidus Spanien und einen Teil des
jenseitigen Galliens. Hierauf verteilten sie die Geschäfte unter sich.
Octavianus und Antonius sollten jeder mit zwanzig Legionen vereinigt
den Krieg gegen Cäsars Mörder, namentlich gegen Brutus und Cassius,
führen, während Lepidus als Konsul des nächsten Jahres (42) mit drei
Legionen Rom und Italien in Gehorsam halten sollte. Der vierte Punkt
ihrer Verabredung betraf die Belohnung der Legionen. Die Triumvirn
machten aus, daß, nach Beendigung des Kampfes im Osten, achtzehn
Städte in den reichsten und blühendsten Gegenden Italiens als Kolonien
unter die Soldaten verteilt werden sollten, denen sie übrigens noch
ansehnliche Geschenke baren Geldes versprachen. Zur Ausführung aller
dieser Pläne brauchten sie unermeßliche Geldsummen, zu denen ihnen die
Achtserklärung (Proskription) ihrer Gegner die Mittel liefern sollte.
300 Senatoren und 2000 Ritter wurden von der Ächtung betroffen, von
denen jeder Triumvir einen Teil vorschlug und dabei selbst seine
eigenen Freunde und Anhänger dem Haß der beiden andern preisgeben
mußte. Endlich verpflichteten sich die Triumvirn zur Erfüllung dieses
Vertrages durch einen feierlichen Eid und kehrten mit ihren Legionen
nach Rom zurück, wo alsbald die Ächtungen ihren Anfang nahmen.

Überall in Italien wüteten Verrat und Mord; nur wenige der Geächteten
retteten sich durch die Flucht, die meisten wurden von den Verfolgern
ereilt, ihre Köpfe auf der Rednerbühne ausgestellt. Jedem Freien wurde
der Kopf eines Verurteilten mit 12000, jedem Sklaven mit beinahe 6000
Mark bezahlt; die Angeber erhielten den gleichen Lohn; der Tod traf
den, der einen Geächteten verbarg. Die Schreckenszeit Sullas kehrte
wieder, aber die Zahl der Opfer war noch größer.

Unter den Opfern dieser Proskriptionen befand sich auch der große
Redner +Cicero+, der einst, zur Zeit der Verschwörung des Catilina,
sein Vaterland gerettet hatte. Er hatte sich den Antonius dadurch zu
einem unerbittlichen Feinde gemacht, daß er gegen dessen eigenmächtiges
und gewalttätiges Auftreten seine berühmten „philippischen Reden“
(~Philippicae~) hielt, und Octavian, von dem er bisher wie ein Vater
verehrt worden war, hatte ihn herzlos dem Hasse des Verbündeten
geopfert. Als die Listen der Geächteten in Rom bekannt wurden, auf
denen auch sein Name stand, befand sich Cicero auf einem seiner
Landgüter. Um sich zu retten, beschloß er nach Makedonien zu Marcus
Brutus zu fliehen, allein körperliche Schwäche, Ängstlichkeit und
Unentschlossenheit hinderten ihn an der Ausführung seines Entschlusses;
zweimal ging er zu Schiffe und zweimal landete er wieder. Endlich
drängten ihn seine Diener, die schon einen Haufen Soldaten gesehen
hatten, welche nach ihrem Herrn spähten, die Flucht fortzusetzen.
In einer Sänfte trugen sie ihn zur Küste. Aber mitten auf dem Wege
begegneten sie den Häschern. Da Cicero sah, daß er nicht entrinnen
konnte, ließ er die Sänfte niedersetzen und steckte den Kopf hinaus.
An der Spitze der Soldaten stand Popilius Länas, ein Kriegstribun,
dem Ciceros Beredsamkeit einst vor Gericht das Leben gerettet hatte.
Eben dieser Mann eilte seinen Leuten zuvor, um selber den Blutlohn zu
verdienen, und schlug seinem greisen Wohltäter, nach dem besonderen
Auftrage des Antonius, des Todfeindes Ciceros, nicht nur das Haupt
ab, sondern auch die Hände, mit denen er den Vortrag seiner Reden
eindrucksvoll zu begleiten pflegte. Dies geschah am 7. Dezember des
Jahres 43. Das abgehauene Haupt wurde dem Antonius überbracht, und
nachdem Fulvia in ihrer Rachsucht die Zunge mit ihren Haarnadeln
durchstochen hatte, nebst den Händen auf derselben Rednerbühne am
Forum ausgestellt, wo Cicero so oft das Volk zu stürmischem Beifall
hingerissen hatte. Er stand erst im 64. Lebensjahre.

                   *       *       *       *       *

Nachdem sich die Triumvirn auf so blutige und habgierige Weise eines
großen Teiles ihrer Gegner im Senat und in der Ritterschaft entledigt
hatten, beschlossen Octavianus und Antonius gegen Brutus und Cassius
zu Felde zu ziehen, die inzwischen in Makedonien und Asien eine große
Streitmacht und alle noch übrigen Anhänger der Republik um sich
gesammelt hatten. Als diese von dem nahen Anzuge der beiden Triumvirn
hörten, eilte Brutus nach Asien, um gemeinschaftlich mit Cassius über
die Führung des Krieges zu beraten. Bei dieser Gelegenheit war es, wo,
wie man sagt, dem Brutus ein Gespenst erschien. Einst saß er nämlich,
wie er gewohnt war, bis tief in die Nacht in seinem Zelte, beschäftigt
mit den Gedanken an den ungewissen Ausgang des bevorstehenden Krieges.
Seine Diener schliefen, das Licht brannte düster, nichts regte sich,
er war allein. Da hörte er plötzlich ein Geräusch; die Zelttür öffnet
sich, und eine gespenstische Gestalt tritt auf ihn zu, ohne zu reden.
Brutus richtet sich erschrocken auf und fragt: „Wer bist du, ein
Gott oder ein Mensch, und was begehrst du?“ -- „Ich bin dein böser
Geist,“ antwortet die Gestalt, „bei Philippi sehen wir uns wieder.“
Furchtlos erwiderte Brutus: „Wohl, ich werde dich dort wiedersehen!“
Da verschwand die Gestalt. Gleich darauf rief Brutus seine Diener und
fragte sie, ob sie etwas gesehen oder gehört hätten. Sie verneinten
beides. Sobald der Morgen graute, ging Brutus zum Cassius und
erzählte ihm den Vorfall der vergangenen Nacht. Cassius, der nicht
an die Wirklichkeit eines Gespenstes glauben mochte, suchte sich die
Erscheinung aus der erregten Gemütsstimmung seines Freundes zu erklären.

Von Sardis aus, wo sie ihre Legionen vereinigt hatten, brachen Brutus
und Cassius nach dem Hellespont auf und setzten nach Thrakien über,
wo bereits acht Legionen der Triumvirn standen. Bald kamen diese
mit ihrer gesamten Macht hinzu und nötigten die Gegner, welche bei
+Philippi+ ein festes Lager bezogen hatten, zur Schlacht. Es kam dort
zu einer Doppelschlacht, die aber den ganzen Krieg entscheiden sollte;
sie endete mit der Niederlage der Mörder Cäsars (42). Die Triumvirn
befehligten ein Heer von 100000 Mann zu Fuß und 13000 Reiter, ihre
Gegner 80000 Mann zu Fuß und 20000 Reiter. Auf beiden Seiten siegten
die rechten Flügel; Brutus drang siegreich vor und eroberte das Lager
des Octavianus, der sich damals wegen Krankheit aus dem Lager entfernt
hatte; dagegen schlug Antonius den Cassius vollständig zurück. Der
geschlagene Cassius wußte noch nichts von des Brutus Sieg, als dieser
eine Abteilung Reiter mit der Siegesbotschaft absandte. Cassius hielt
sie in der Dunkelheit für Feinde und glaubte schon die Seinigen
gefangen; da ließ er, um der Gefangenschaft zu entgehen, sich durch
einen Sklaven töten. Als Brutus von seinem Tode hörte, rief er unter
Tränen aus: „So ist der letzte Römer gefallen!“

Nach dieser Schlacht beschloß Brutus ein zweites Treffen zu vermeiden
und sich in seiner vorteilhaften Stellung zu behaupten. Allein der
Ungestüm seiner Soldaten, der weder durch Bitten noch durch Geschenke
und Versprechungen zu bändigen war, forderte eine Schlacht, und so kam
es denn ungefähr zwanzig Tage nach dem ersten zu einem zweiten Treffen
bei Philippi. In der Nacht vor dieser Schlacht soll dem Brutus dieselbe
Gestalt erschienen sein, die sich ihm vor seinem Übergange über den
Hellespont gezeigt hatte; stumm ging sie diesmal vor ihm vorüber und
verschwand.

Auch dieses zweite Treffen entschied gegen Brutus. Von beiden Seiten
ward mit der größten Erbitterung gestritten; abermals drang Brutus
in das Lager des Octavianus, da sprengte Antonius die Mitte des ihm
gegenüberstehenden Flügels und trieb die Feinde in ihr Lager zurück.
Dadurch bekam Octavianus Luft, drang auch wieder vor und half den Sieg
vollenden.

Brutus wandte sich mit vier Legionen nach dem Gebirge und hoffte in der
einbrechenden Dunkelheit zu entkommen, aber alle Ausgänge waren schon
besetzt. Da seine Legionen keine Lust zeigten sich durchzuschlagen, gab
er alle Hoffnung auf und stürzte sich in sein Schwert. Seine Truppen
streckten die Waffen. Seine Gemahlin +Porcia+ folgte ihm in den Tod,
indem sie durch den Dunst glühender Kohlen ihr Leben endete.


Nach diesen Siegen nahmen die beiden Triumvirn eine neue Teilung des
Reiches unter sich vor, wobei Octavianus den Westen, Antonius den Osten
erhielt. Lepidus, der wegen seiner Unbedeutendheit von den beiden
andern verachtet wurde, mußte sich mit der Provinz Afrika abfinden
lassen.

In Kleinasien überließ Antonius sich ganz und gar seinem maßlosen
Hange zur Schwelgerei, mit der er ungeheure Reichtümer in kurzer Zeit
verschwendete. Einst schenkte er einem Zitherspieler die Steuern von
vier Städten, und Köchen gab er für ein gutes Gericht reiche Häuser
und Güter. Seine Lust an ausschweifenden Genüssen erreichte aber den
höchsten Grad, als es der ägyptischen Königin +Kleópatra+ gelungen war
ihn, wie einst den Cäsar, in ihre Netze zu ziehen.

Diese Königin hatte es mit Brutus und Cassius gehalten und wurde
deshalb von Antonius zur Rechenschaft gezogen. Sie kam, aber nicht als
Angeklagte, sondern, um Antonius durch ihre Reize zu gewinnen, in dem
Aufzuge der Göttin Venus. Auf einem vergoldeten Schiffe mit silbernen
Rudern und purpurnen Segeln fuhr sie an der Küste Ciliciens, bei der
Stadt Tarsos, den Kydnosfluß herauf. Als Venus gekleidet, saß sie in
der Blüte der Schönheit unter einem goldgewirkten Zelte; zierliche
Knaben als Liebesgötter fächelten ihr Kühlung zu, schöne Jungfrauen
bedienten sie, während andere als Meergöttinnen die Ruder unter dem
Klange von Flöten und Harfen bewegten, und angezündetes Räucherwerk den
lieblichsten Duft verbreitete. Anstatt vor Antonius zu erscheinen, lud
sie ihn zu sich zum Mahle. Er kam, und von dieser Zeit an lebte er mit
Kleopatra in einem steten Taumel von Lüsten und ließ sogar die Parther
ungestraft in Syrien einbrechen.

Durch solche Aufführung gab Antonius gegründeten Anlaß zu Klagen und
Beschwerden, und sein Verhältnis zu Octavianus, das nie aufrichtig
gewesen war, da jeder nur den andern zu verdrängen und sich zum
Alleinherrscher zu machen suchte, wurde immer gespannter und
feindseliger. Nur die Vermählung des Antonius mit des Octavianus
tugendhafter Schwester Octavia vermochte die Eintracht auf kurze Zeit
wieder herzustellen.

Während Antonius die Zeit am üppigen Hofe Kleopatras vergeudete, war
Octavianus in rastloser Tätigkeit. Sextus Pompejus, der Sohn des großen
Pompejus, Octavians tüchtigster Helfer in Krieg und Frieden, der an der
Spitze einer Piratenflotte Italien und das westliche Meer jahrelang
beunruhigte, ward endlich von +Agrippa+ in der Seeschlacht bei Messāna
völlig besiegt und zur Flucht nach Asien gezwungen, wo er gefangen und
hingerichtet wurde. Auch den unbedeutenden Lepidus wußte Octavianus auf
die Seite zu schieben, als dieser an der Spitze von zwanzig Legionen
Sicilien verlangte. Er ging nach Messana und begab sich in das Lager
des Lepidus, wo es ihm bald gelang dessen Heer abwendig zu machen. Als
nun Lepidus sah, wie sein ganzes Heer zu Octavianus überging, warf er
sich diesem zu Füßen und flehte um Gnade. Octavianus verachtete ihn zu
sehr; er schenkte ihm Leben und Freiheit und ließ ihm die Würde des
Oberpriesters bis an sein Lebensende.

Nun war das Triumvirat zu einem Duumvirat geworden; aber auch die
Verbindung zwischen Octavianus und Antonius eilte ihrer Auflösung
entgegen und verwandelte sich bald in offenen Bürgerkrieg. Die
Veranlassung dazu war, daß Antonius, der mit Kleopatra fortwährend ein
schwelgerisches Leben führte, seine edle Gemahlin Octavia verstieß. Da
erklärte der Senat den Krieg gegen Kleopatra, der Antonius natürlich
Beistand leistete. Dieser Krieg wurde durch die Schlacht bei +Aktium+
(am Eingange des Meerbusens von Arta) entschieden (31 v. Chr., am 2.
September), und dadurch der Untergang der Republik in eine Monarchie
eingeleitet, an deren Spitze der Sieger, Cäsar, trat.

Die Kriegsmacht des Antonius bestand aus 100000 Mann zu Fuß nebst
12000 Reitern, sowie aus einer Flotte von 500 Schiffen, die von
ungewöhnlicher Größe und deshalb für den Kampf in engen Gewässern zu
schwerfällig waren. Octavians Landheer betrug 80000 Mann zu Fuß mit
12000 Reiter, und seine Flotte bestand aus 250 kleinen Schiffen, die
aber leicht beweglich und trefflich bemannt waren. Vor allem kam es
ihm sehr zustatten, daß der bewährte Seeheld +Agrippa+ sie befehligte.
Des Antonius Schiffe bildeten einen dichten Wall, den die Feinde lange
Zeit vergeblich zu durchbrechen suchten. Endlich gelang es doch und es
entstand eine Öffnung in die Octavians Schiffe eindrangen. Bei diesem
Anblick fuhr Kleopatra, die mit ihren Schiffen hinter der Schlachtreihe
gehalten hatte, davon, und Antonius, der ihr Schiff an dem Purpursegel
erkannte, segelte ihr eiligst nach. Die Flotte kämpfte noch fort;
zuletzt aber mußten sich die Schiffe, ihres Führers beraubt, ergeben.
Das dem Antonius treu ergebene Landheer wartete noch sieben Tage auf
seine Rückkehr, dann streckte es auch die Waffen und ergab sich dem
Sieger. Dieser gründete später an der Stelle, wo sein Lager gestanden
hatte, zu dauernder Erinnerung an den entscheidenden Sieg, die Stadt
Nikópolis (Siegstadt) und stiftete in Rom zu jährlicher Feier die
Aktischen Kampfspiele.

Im folgenden Jahre zog Octavianus gegen Ägypten, wo Antonius und
Kleopatra ihr üppiges Leben fortgeführt hatten. Von allen seinen
Truppen verlassen, empfing jetzt Antonius von der Königin, die sich
seiner zu entledigen wünschte, die Nachricht, sie habe sich getötet.
Da wollte auch er nicht länger leben und durchbohrte sich mit seinem
Schwert. Als er aber, in seinem Blute liegend, hörte, daß sie noch
lebte, verlangte er zu ihr gebracht zu werden. An Stricken wurde er in
das obere Stock des Grabgebäudes hinaufgezogen, in das sie sich begeben
hatte, und starb in ihren Armen. Nun versuchte die listige Kleopatra
auch den siegreichen Cäsar durch ihre Reize zu berücken. Als ihr dies
nicht gelang und er merken ließ, daß er sie zu seinem Triumph aufspare,
beschloß sie zu sterben. Man fand sie entseelt auf einem Ruhebette
liegend, im königlichen Schmuck; an ihrem Arme wollte man feine Stiche
bemerken, die entweder von Nadeln oder von giftigen Nattern herrührten.
Octavianus ließ sie mit königlichen Ehren bestatten.

Der Sieger machte Ägypten zu einer römischen Provinz und feierte nach
seiner Rückkehr in Rom einen dreifachen Triumph (29). Er bezahlte seine
Schulden, belohnte seine Krieger mit Land und Geld, und suchte auch das
Volk durch reiche Gaben für seine neue Herrschaft zu gewinnen.



XXIX.

Cäsar Octavianus als Augustus.


=1. Augustus’ Regierung= (30 v. Chr. bis 14 n. Chr.).

Wenngleich nun Octavianus durch die Siege über alle seine Gegner
und an der Spitze eines erprobten und unbedingt ergebenen Heeres
der wirkliche Beherrscher des römischen Reiches war, so war er klug
genug die bisherigen Rechte des Senates und des Volkes wenigstens
der Form nach bestehen zu lassen, und mit dem Senat eine Verfassung
zu vereinbaren, die ihm selbst zwar nicht den Namen, aber die Gewalt
eines wirklichen Monarchen verlieh. Anfangs zwar hatte er im Senate
erklärt die Obergewalt niederlegen zu wollen, aber nur zum Schein. Der
Senat, den er von allen unwürdigen oder feindlich gesinnten Mitgliedern
gereinigt und auf die Zahl von 600 Senatoren beschränkt hatte, war
auf dieses Gaukelspiel vorbereitet; er drang mit Bitten in ihn die
Regierung doch länger zu behalten und Oberhaupt des Reiches zu bleiben.
Lange sträubte sich Octavianus, endlich versprach er, auf inständiges
Bitten der Senatoren, die Regierung über den Staat auf zehn Jahre
weiter zu übernehmen. Dieses Spiel, wobei er sich seine Macht alle zehn
oder fünf Jahre erneuern ließ und sie mit scheinbarem Widerstreben
annahm, wiederholte Augustus in der Folge noch mehrmals. So schien
es, als habe er die Alleinherrschaft nicht in gewaltsamer Weise an
sich gerissen, sondern auf gesetzmäßigem Wege erlangt. Die Würden und
Ämter der Republik ließ er zwar bestehen, wußte aber alle mit ihnen
verbundene Gewalt auf sich zu übertragen. Als +Imperator+ führte er
allein den Oberbefehl über die bewaffnete Macht; als dauernder Inhaber
der +tribunicischen+ Amtsbefugnis (~tribunicia potestas~) hatte er
allein das Recht das Volk zu versammeln und ihm Gesetze vorzuschlagen
und wurde persönlich unverletzlich; als erstes und vornehmstes Mitglied
des Senates (~princeps senatus~) hatte er die erste und maßgebende
Stimme bei allen Beschlüssen dieses höchsten Staatsrates. Als diese
neue Ordnung nach längeren Verhandlungen am 1. Januar 27 in Kraft
trat, erhielt er vom Senat und Volk den Beinamen +Augustus+ (der
Erhabene) und wurde damit als erhaben über alle Bürger und göttlicher
Verehrung würdig feierlich anerkannt. Er besaß überdies die Würde des
Oberpriesters (~póntifex maximus~) und übernahm wiederholt das Amt des
Konsuls. Der Monat Sextīlis erhielt ihm zu Ehren den Namen Augustus.
So kam er in den Besitz einer unumschränkten Macht, seine Person war
heilig und unverletzlich und den jährlichen Konsuln blieb wenig mehr
als die damit verbundene äußere Würde und Ehre. Auch das Volk behielt
noch seine Versammlungen, lernte aber unter Festen, Spielen und
Getreidespenden seine Freiheit vergessen.

Unter Augustus war das römische Reich zu einer ungeheuren Ausdehnung
gelangt, die fast alle Länder des damals bekannten Erdkreises umfaßte.
Außer Italien gehörten dazu Gallien, Spanien, Griechenland, Makedonien,
Thrakien, Kleinasien, Syrien, Ägypten und die ganze Nordküste
Afrikas bis zur Grenze Mauretaniens. Alle diese Völker erkannten
Roms Oberherrschaft an, nur die Parther im Osten und die Stämme der
Germanen hatten sich noch nicht unter das römische Joch gebeugt. Die
Statthalter dieser Provinzen, Prokonsuln oder Proprätoren, wurden teils
von Augustus, teils vom Senat ernannt. An Stelle der alten Bürgerheere
waren allmählich Söldnertruppen getreten, die von nun an zu stehenden
Heeren wurden und an den von Feinden gefährdeten Grenzen, besonders
am Rhein, an der Donau und am Euphrat ihre dauernden Lager hatten.
Im ganzen unterhielt das Reich etwa 25 Legionen von je 6-7000 Mann.
Außerdem standen in und bei Rom 9000 Mann als Leibgarde des Herrschers,
die sog. prätorischen Kohorten, die zum Teil aus Germanen bestanden.
Zwei mächtige Flotten sicherten das Meer, von denen die eine bei
Ravenna im adriatischen, die andere bei Misēnum, nahe bei Neapel, ihren
Standort hatte.

Nachdem sich Augustus in seiner Macht befestigt hatte, war sein
Streben darauf gerichtet, durch die Wohltaten eines ungestörten
Friedens die Greuel der Bürgerkriege und seine eigenen Grausamkeiten
in Vergessenheit zu bringen. Die Bevölkerung des weiten Reiches
begann sich, dank einer umsichtigen und gerechten Verwaltung, von den
Leiden der langen verwüstenden Kriege zu erholen; Ackerbau, Gewerbe,
Handel blühten auf, und mit dem steigenden Wohlstand gediehen auch
wieder die Künste und Wissenschaften. Die Stadt Rom verschönerte er
durch Aufführung der prachtvollsten Bauten so sehr, daß er sich mit
Recht rühmen konnte, er habe das aus Backsteinen gebaute Rom in ein
marmornes verwandelt. In den Werken der Baukunst wetteiferte mit ihm
der edle +Agrippa+, sein Feldherr, Berater und Schwiegersohn; er
erbaute unter andern prachtvolle Bäder und inmitten derselben einen
riesigen Kuppeltempel, das Pantheon, so genannt, weil er dem Dienste
aller Götter zusammen geweiht wurde. Außer Agrippa war es besonders
der kunstliebende +Mäcēnas+, der Berater und Freund des Kaisers, der
Gelehrte, Geschichtsschreiber und Dichter unterstützte und ihre Werke
belohnte. Dieser Kreis von hochgebildeten Männern, der den Hof des
Kaisers umgab, hat besonders dazu beigetragen, dem augustinischen
Zeitalter den Charakter einer Hochblüte der römischen Literatur und
Kunst zu verleihen.


Obschon sich Italien unter Augustus des tiefsten Friedens erfreute,
der nach den zerrüttenden Bürgerkriegen dem erschöpften Lande die
größte Wohltat gewährte, so gemahnten doch einige Verschwörungen, die
gegen des Augustus Leben gerichtet waren, diesen an das Schicksal
seines Großoheims Cäsar. Um so mehr war er darauf bedacht allen Schein
des Machthabers von sich zu entfernen und in allen seinen Handlungen
Mäßigung und Leutseligkeit zu beweisen. Den Senat behandelte er mit
der größten Achtung; in der Stadt sah man ihn nur in der Tracht eines
Senators, ohne daß irgend eine Auszeichnung an den weltgebietenden
Imperator erinnerte. Bei der Rückkehr von einer Reise vermied er
alles Aufsehen und hielt seinen Einzug gewöhnlich zur Nachtzeit. Er
bewohnte ein einfaches Haus auf dem palatinischen Hügel; erst als
dieses abgebrannt war, erbaute er das sogenannte +Palatium+, wovon
das Wort Palast zur Bezeichnung fürstlicher Wohnungen abstammt. Es
bleibt freilich zweifelhaft, ob die Tugenden, die Augustus als Kaiser
entfaltete, in seinem Charakter begründet, oder eine Folge kluger
Berechnung und des heilsamen Rates seiner Freunde waren. Soviel aber
ist gewiß, daß ihn das Volk als seinen Wohltäter liebte, weshalb seine
Zeitgenossen von ihm sagten: „Augustus hätte entweder nie sterben oder
nie geboren werden sollen!“

Der viel gepriesene Beherrscher des Reiches mußte, wie um die
Unbeständigkeit alles Menschenglückes zu bestätigen, in seiner Familie
schweren Kummer und Herzeleid erfahren. Seine einzige Tochter +Julia+
aus seiner dritten Ehe führte ein lasterhaftes Leben, und seine
vierte Gemahlin +Livia+, die ihm zwei Stiefsöhne, den +Tiberius+ und
+Drusus+, zubrachte, ward für ihn die Ursache mancher häuslichen
Sorgen. Die Nachfolge in der Regierung hatte er dem +Marcellus+, einem
hoffnungsvollen Jüngling, dem Sohne seiner Schwester Octavia aus ihrer
ersten Ehe und Gemahl der Julia, zugedacht, aber der Tod raffte diesen
in der Blüte seiner Jahre dahin. Auch zwei Enkel aus der zweiten Ehe
der Julia mit Agrippa sah der Kaiser vor sich ins Grab sinken, während
ein dritter, Agrippa Pósthumus, ihn zwar überlebte, aber blödsinnig und
zur Nachfolge unfähig war. So schwand ihm die Hoffnung die Herrschaft
in seinem eigenen Geschlechte zu erhalten. Er nahm deshalb seinen
Stiefsohn +Tiberius+, den älteren Sohn der Livia aus ihrer früheren
Ehe mit Tiberius Claudius Nero, an Sohnes statt an, und erfüllte damit
einen von Livia lange gehegten und eifrig betriebenen Plan. Tiberius
war ein im Krieg und Staatsgeschäften rühmlich bewährter Mann, und da
er zugleich auf Wunsch des Augustus die Julia, nach dem Tode ihres
zweiten Gatten Agrippa, geheiratet hatte, so stand jetzt niemand der
Thronfolge näher.

Inzwischen hatten Alter und häusliches Unglück die Kräfte des Kaisers
aufgerieben. Um seine zerrüttete Gesundheit wieder zu stärken,
unternahm er eine Reise nach Campanien. Anfangs war er ungemein munter,
bald aber nahm die Schwäche seines Körpers zu, und er beschloß nach Rom
zurückzukehren. Doch schon zu Nola in Campanien ereilte ihn der Tod.
Als er sein Ende herannahen fühlte, forderte er einen Spiegel, ließ
seine Haare in Ordnung bringen und seine gerunzelten Wangen glätten.
Dann fragte er seine umstehenden Freunde: „Was dünkt euch, habe ich die
Rolle meines Lebens gut gespielt?“ Als sie dies bejahten, fuhr er fort:
„Nun, so klatscht Beifall, denn sie ist ausgespielt!“ Darauf verschied
er, am 18. August, im 76. Jahre seines Lebens und im 41. seiner
Regierung (14 n. Chr.). Sein Leiche ward nach Rom gebracht und daselbst
feierlichst bestattet.


2. Kriege gegen die Deutschen. Arminius, Deutschlands Befreier.

Das Land der Germanen war zu den Zeiten des Kaisers Augustus im Norden
von der Nord- und Ostsee, im Osten von der Weichsel und den Karpathen,
im Süden von der Donau und im Westen vom Rhein begrenzt. Das Land war
rauh und von undurchdringlichen Waldungen durchzogen. Der magere Boden
trug nur Gerste, Hafer und Hanf. In den Urwäldern hauste zahlreiches
Wild, Auerochsen, Renn- und Elentiere, Bären und Wölfe; auf den Felsen
horsteten Adler und Falken. Die Bewohner dieses Landes, die Germanen
oder Deutschen, waren durch blaue Augen und langes blondes Haar vor
anderen Völkern kenntlich und überragten an Leibesgröße und Gliederbau
die Bewohner der südlichen Völker. Schon von früher Jugend an übten
sie sich Schwert, Lanze und Schild zu führen, und der Krieg war ihre
liebste Beschäftigung, an deren Stelle im Frieden die Jagd trat.
Ackerbau und Hauswesen überließen sie den Frauen und Knechten. Obschon
dem Trunk und Spiel leidenschaftlich ergeben, zeichneten sie sich
doch durch die Tugenden der Tapferkeit, Freiheitsliebe, Keuschheit,
Gastlichkeit und vor allem durch Treue aus. Ihre Götter verehrten sie
nicht in Tempeln, sondern im stillen Dunkel heiliger Eichenhaine;
dorthin wallfahrtete das Volk; dort opferte der Oberpriester im Namen
des gesamten Volks, und großes Gewicht legte man auf die Weissagungen
kluger Frauen.

Da die Germanen beständige Einfälle in das den Römern unterworfene,
an Wohlstand und Gütern aller Art viel höher entwickelte Gallien
machten, so ließ Augustus endlich seinen jüngeren Stiefsohn +Drusus+
sie in ihrem eigenen Lande angreifen. Vier Jahre nach einander, 12-9
v. Chr., machte Drusus Heerzüge in das Land der Germanen, legte
jenseits des Rheines eine Reihe von Kastellen an, und drang von
dort bis zur Elbe vor. Als er schon im Begriff stand diesen Fluß zu
überschreiten, soll ihm eine germanische +Wole+ oder weise Frau von
übermenschlicher Gestalt auf dem jenseitigen Ufer zugerufen haben:
„Wohin, Unersättlicher? Nicht alles zu sehen ist dir vom Schicksal
beschieden. Kehre um, denn schon bist du am Ziele deiner Taten und
Tage.“

Nach Errichtung eines Siegeszeichens an diesem Strom beschleunigte
Drusus seinen Rückweg. Auf diesem aber stürzte er mit dem Pferde, brach
den Schenkel und starb dreißig Tage darauf in den Armen seines Bruders
Tiberius, der auf die Nachricht von seinem Unfall herbeigeeilt war.

Nach seinem Tode übernahm Tiberius den Oberbefehl. Mehr durch Klugheit,
indem er die Zwietracht unter den deutschen Stämmen nährte, als durch
offene Schlachten suchte er die Deutschen allmählich zur Unterwerfung
zu bringen. Und er tat dies mit solchem Erfolg, daß die Römer das
Land zwischen dem Rhein und der Weser schon als eroberte Provinz
betrachteten und alsbald auch römische Gesetze, Sprache und Sitten
einzuführen begannen.

Von seinen Nachfolgern ließ es sich besonders der Statthalter
+Quinctilius Varus+ angelegen sein das römische Gerichtswesen in
Anwendung zu bringen. Und weil er anfangs überall Willfährigkeit zu
bemerken glaubte, so wähnte er die neuen Einrichtungen in aller Ruhe
durchführen zu können. Aber mit tiefer Entrüstung sahen die Germanen,
wie ihnen ihre altheimischen Volksgerichte und ihre freie Gauverfassung
entzogen, wie sie nach fremdem Rechte in fremder Sprache und von
fremden Richtern verurteilt, wie sie mit Rutenstreichen mißhandelt, ja
mit der Todesstrafe belegt wurden.

Am meisten empört über die Herrschaft fremden Rechts und fremder Sitte
waren die Cherusker und unter ihnen vorzüglich +Arminius+ (Hermann?),
der Sohn +Segimers+, eines Cheruskerfürsten. Er hatte in römischen
Kriegsdiensten gestanden, wie viele seiner Volksgenossen, und dort als
Anführer einer cheruskischen Söldnerschar das römische Bürgerrecht
und die römische Ritterwürde erlangt, aber auch die unersättliche
Eroberungssucht und die Unterjochungskünste der Römer kennen gelernt.
Jetzt, da Roms Absicht, die freien Germanen dem Reiche einzuverleiben,
nahezu erfüllt schien, fühlte sich Arminius zum Retter seines Volkes
berufen, und entwarf mit andern cheruskischen Edlen den Plan der
Befreiung.

Sorglos waltete Varus in Germanien; die scheinbare Willfährigkeit der
deutschen Häuptlinge hatte ihn sicher gemacht, und am allerwenigsten
besorgte er von seiten des Arminius eine Gefahr, dem er solches
Vertrauen schenkte, daß nicht einmal die Warnungen des +Segestes+,
eines andern Cheruskerfürsten und Oheims des Arminius, bei ihm Eingang
fanden. Während er an dem linken Ufer der Weser ein vergnügliches
Lagerleben führte, erhielt er plötzlich Kunde von dem Aufstande eines
benachbarten Stammes. Sofort traf er Anstalten zum Aufbruch und
ließ sich bei einem Gastmahl von den cheruskischen Häuptlingen das
Versprechen des Zuzugs wiederholen. Zwar machte ihn Segestes noch am
Tage vor dem Aufbruch mit der ganzen Gefahr bekannt; aber Varus, der
wohl wußte, daß zwischen Segestes und Arminius bittere Feindschaft
bestand, weil dieser jenem seine Tochter +Thusnelda+ entführt und wider
seinen Willen zu seiner Ehefrau gemacht hatte, schenkte ihm keinen
vollen Glauben. Eine höhere, den Germanen günstige Macht schien seinen
Sinn geblendet zu haben, daß er jählings in das bereitete Verderben
fiel.

Unter dem Vorwande, dem Prokonsul ihre Scharen zuführen zu wollen,
trennten sich die germanischen Fürsten von ihm; daheim aber riefen
sie die Ihrigen zur Freiheit. Von Gau zu Gau erscholl der Ruf und
riß alle mit sich fort. Selbst Segestes, der Römerfreund, mußte sich
anschließen, während sein Sohn Segimund, ein Priester, die heilige
Binde zerriß und zu dem Freiheitskampfe eilte.

Nichts schlimmes ahnend, zog das Römerheer unter Varus, ohne strenge
Ordnung, mit großem Troß und Gepäck, in langem Zuge durch Wald und
sumpfiges Gelände, wo erst Wege durch das Dickicht gebahnt und Gewässer
überbrückt werden mußten. Bald lockerten anhaltende Regengüsse den
Boden so sehr, daß Roß und Mann einsank und allgemeine Erschöpfung
eintrat. Plötzlich brachen die Germanen, anfangs einzeln, dann in
Haufen von allen Seiten aus dem Dickicht hervor und griffen die vom
Wege und Wetter erschöpften Römer an. Unter schweren Kämpfen erreichte
das Heer endlich eine lichte Stelle, wo der Angriff nachließ und ein
Lager zur Nachtrast geschlagen werden konnte.

Am folgenden Morgen ging der Zug weiter. Kaum hatten die Legionen den
+Teutoburger Wald+ erreicht, so wurden sie von neuem auf allen Seiten
angefallen, und mit Mühe gelangten sie am Abend wieder an einen Platz,
wo einige Ruhe die Ermüdeten erquickte. Aber auch am dritten Morgen
wiederholte sich der Regensturm und der Angriff der Feinde. Die vom
Regen erschlafften Bogensehnen versagten, und die schwere Bewaffnung
empfand man als verdoppelte Last, während die leichtbewaffneten, mit
ihrem Boden und Klima vertrauten Deutschen weniger gehemmt waren.
Zwischen den Quellen der Lippe und Ems war die germanische Hauptmacht
versammelt; hier kam es zum letzten Kampfe. Vor dem ungestümen
allgemeinen Angriff weichen die erschöpften Legionen; ihre Reiter
werfen sich in Flucht; ihre Adler werden genommen. Varus selbst, als er
alles verloren sah, stürzte sich in sein Schwert, um die Schande nicht
zu überleben; die noch übrigen Römer erlagen dem Schwerte der Germanen,
und nur wenige entkamen.

Die Rache der erbitterten Sieger schonte auch der Gefangenen nicht: die
vornehmsten Kriegshauptleute wurden an den Altären der Götter geopfert.
Vorzüglich aber kehrte sich die Wut der Germanen gegen die römischen
Richter und Sachwalter, die unter grausamen Martern getötet wurden. Der
Leichnam des Varus wurde zerfleischt, sein Kopf von Arminius an Marbod,
dem Könige der Markomannen in Böhmen gesendet, der sich eigensüchtig
von dem Freiheitskampf ferngehalten hatte. Von den Gefangenen, die zu
Leibeigenen gemacht wurden, hat mancher ehemalige Ritter oder Senator
als Hausknecht oder Viehhüter eines deutschen Bauern seine übrige
Lebenszeit zubringen müssen.

Diese +Hermannsschlacht+, im Jahre 9 n. Chr., vernichtete eines der
tapfersten und geübtesten römischen Heere, das mit den Hilfstruppen
auf 40000 Mann geschätzt wird. Als die Schreckensnachricht von der
Niederlage nach Rom gelangte, geriet alles in größte Bestürzung. Schon
glaubte man das linke Rheinufer samt Belgien und Gallien verloren und
Italien bedroht; selbst Augustus verlor anfangs die Fassung so sehr,
daß er, im Schmerz sein Gewand zerreißend, ausrief: „Varus, Varus, gib
mir meine Legionen wieder!“ Mit ängstlicher Hast, als ob der Feind
schon gegen Rom heranzöge, wurden alle Germanen und Gallier aus der
Stadt entfernt und die deutsche Leibwache auf Inseln abgeführt. Allein
die Sieger dachten nicht an Eroberung; sie zerstörten alle Denkmale
römischer Knechtschaft, und kehrten dann wieder an ihren Herd zurück.

Tiberius eilte an den Rhein, um dem erwarteten Einbruch der Germanen
zu wehren, beschränkte sich aber klüglich auf die Befestigung der
römischen Herrschaft an diesem Strom. Jedoch unmittelbar nach Augustus
Tod begann des Drusus Sohn, +Germánicus+, der Nachfolger des Tiberius
im Oberbefehl am Rhein, den Eroberungsversuch zu wiederholen. Viermal
in drei Jahren drang er in Germanien ein (14-16 n. Chr.) Im zweiten
dieser Feldzüge hatte er das Land der Chatten (Hessen) verwüstet und
war schon auf dem Rückzuge begriffen, als ihn der alte Römerfreund
Segestes zur Hilfe gegen Arminius rief.

Segestes nämlich hatte seine Tochter +Thusnelda+, des Arminius
Gemahlin, in dessen Abwesenheit wieder in seine Gewalt gebracht, und
ward deshalb von seinem Eidam hart bedrängt. Sogleich kehrte Germanicus
um und zwang durch einen Überfall den Arminius zur Aufhebung der
Belagerung, worauf sich Segestes samt seiner Tochter in den Schutz der
Römer gab. Bei dieser Übergabe schritt Thusnelda, ihrem Gatten, nicht
ihrem Vater ähnlich, ohne Tränen, ohne Worte, die Hände unter der Brust
gefaltet, mit gesenktem Blicke einher. In der Gefangenschaft gebar sie
den +Thumélicus+, der späterhin zu Ravenna erzogen ward und dessen
weiteres Schicksal unbekannt blieb. Arminius und Thusnelda sahen sich
nie wieder.

Auf die Nachricht von des Segestes Übertritt und Thusneldas
Gefangenschaft durchflog Arminius mit der Wut der Verzweiflung die
cheruskischen Gaue und rief alle seine Bundesgenossen zur Rache auf
gegen die Römer, die, sagte er, sich nicht schämten den Krieg durch
Verrat und gegen schwache Weiber zu führen. So gelang es ihm wieder
einen großen Bund der nordgermanischen Stämme gegen die Römer zustande
zu bringen.

Um einem Angriffskriege der Germanen zuvorzukommen, eröffnete
Germanicus den dritten Feldzug, in dem er bis zum Teutoburger Walde
vordrang. Mit seinem ganzen Heere langte er bei der Walstatt der
Varusschlacht an, wo seit sechs Jahren die römischen Krieger noch
unbegraben lagen. Mit Grauen sahen die Römer die bleichenden Gebeine
der Gefallenen, dazwischen zerbrochene Waffen, Pferdegerippe, an den
Baumstämmen angenagelte Schädel, auf Altären die Reste der Geopferten.
Einige, die damals der Schlacht entkommen und jetzt zugegen waren,
zeigten die Stellen, wo die Legaten gefallen, wo die Adler genommen,
wo Varus verwundet, wo die Gefangenen geschlachtet worden waren.
Germanicus ließ alle Gebeine in ein gemeinsames Grab sammeln und legte
selbst den ersten Rasen zu dem Erdhügel, der es decken sollte.

Während er auf einen sicheren Sieg seiner von Rachedurst entflammten
Legionen hoffte, zogen sich die Germanen in die Wälder zurück, aus
denen sie dann hervorbrachen und den Rückzug der Feinde beunruhigten.

Auf seinem vierten Feldzuge rückte Germanicus bis an die Weser, auf
deren rechtem Ufer die Cherusker standen. Hier forderte Arminius
seinen Bruder +Flavius+, der im römischen Heere diente, zu einer
Unterredung auf, die von beiden Ufern aus gehalten wurde. Zunächst
suchte Flavius, der im Dienste der Römer reichen Lohn und Ehre
erhalten, aber ein Auge verloren hatte, den Bruder durch Aufzählung
aller Vorteile auf die Seite der Römer zu ziehen. Aber Arminius
erinnerte den Entarteten an die uralte Freiheit, an die heimischen
Götter, an den Schmerz der Mutter, an die Pflicht gegen sein Vaterland,
und beschwor ihn nicht der Verräter, sondern der Führer seines Volkes
sein zu wollen. So leidenschaftlich und vorwurfsvoll ward schließlich
die hin- und herschallende Rede, daß Flavius nach Roß und Waffen rief
und es zwischen den Brüdern, ungeachtet sie der Fluß trennte, zum
Zweikampf gekommen wäre, wenn nicht ein römischer Befehlshaber ihn
diesseits des Stromes zurückgehalten hätte.

Nachdem Germanicus den Übergang über die Weser bewerkstelligt hatte,
traf er auf die vereinigte Macht der Germanen und brachte ihnen in
einer Ebene, +Idistavisus+ (Feenwiese?) genannt, oberhalb der heutigen
Stadt Minden, unter eigenem schweren Verlust, eine Niederlage bei.
Allein der Mut und die Kraft der Germanen war dadurch nicht gebrochen.
Empört über den Anblick der römischen Siegeszeichen, stand alles Volk
ringsum auf; hoch und niedrig, jung und alt griff zu den Waffen, und
so kam es zu einer zweiten Schlacht am Steinhudermeer. Furchtbar
wütete hier das Schwert der Römer; aber auch die Germanen fochten mit
dem Mut der Verzweiflung; Arminius selber ward verwundet. Daß sie
gewichen wären, wird nicht berichtet, obschon die Römer sich den Sieg
zuschrieben.

Schon gedachte Germanicus im folgenden Jahre doch noch die stolzen
Cherusker zu demütigen, als ihn Tiberius, nicht etwa aus Neid auf
seinen Kriegsruhm, wie die Gegner des Kaisers raunten, sondern aus
der Überzeugung von der Erfolglosigkeit dieser Unternehmungen, vom
Oberbefehl abrief, mit der Bemerkung, es sei genug getan und gelitten,
mit Klugheit richte man gegen diese Feinde mehr aus als mit Gewalt, man
werde sie fortan besser ihrer eigenen Zwietracht überlassen.

Und in der Tat brach die Uneinigkeit derselben bald in einen offenen
Krieg zwischen Arminius und Marbod aus.

Der Markomannenkönig +Marbod+ hatte sein Volk in das heutige Böhmen
geführt und von hier aus einen Bund mit den anwohnenden Stämmen
gebildet, den er noch immer weiter auszudehnen suchte. Zwischen ihm,
der sich stets von der gemeinsamen Sache der germanischen Freiheit
ferngehalten hatte, und Arminius, der an der Spitze der nordwestlichen
Völker stand, entstand Feindschaft. Es kam zu einer Schlacht, die
unentschieden blieb; aber dennoch bat Marbod den römischen Kaiser
Tiberius um Hilfe, der dann einen Frieden zwischen Cheruskern und
Markomannen zustande bringen ließ. Aber nicht lange, so wußte der
schlaue Tiberius einen gotischen Fürsten zu einem Einfall in das Land
der Markomannen aufzumuntern, der für Marbod so unglücklich endete,
daß er, von allen verlassen, über die Donau fliehen und den Kaiser um
eine Zuflucht bitten mußte. Die Stadt Ravenna wurde ihm als Aufenthalt
angewiesen; dort lebte er noch achtzehn Jahre vom römischen Gnadenbrot
und beschloß sein Leben als ein vergessener Mann.

Nicht lange nachher wurde auch Arminius ein Opfer der inneren
Zwietracht. Er fiel durch den Verrat seiner Verwandten, die,
eifersüchtig auf seinen Ruhm, ihm Streben nach Alleinherrschaft
vorwarfen.

Von ihm urteilt der römische Geschichtsschreiber Tacitus: „Ohne Zweifel
ist er der Befreier Germaniens gewesen. Er hat nicht, wie andere Könige
und Feldherren, das römische Volk in seinen Anfängen, sondern in
seiner ganzen Machtherrlichkeit bekämpft, und ist zwar in Schlachten
nicht immer sieghaft, im Kriege aber unbesiegt gewesen. Er starb im
37. Jahre seines Lebens, im zwölften seiner Feldherrnmacht. Noch
heute wird er bei seinem Volke in Liedern gefeiert.“ Ein kolossales
ehernes Standbild, auf der Höhe der „Grotenburg“, südlich der Stadt
Detmold, im Jahre 1875 in Gegenwart Kaiser Wilhelms I. eingeweiht, ist
ein Zeichen, daß sein Andenken und sein Verdienst um die Erhaltung
deutscher Freiheit und deutscher Stammesart noch heute vom deutschen
Volke dankbar verehrt wird.



XXX.

Kaiser Tiberius.

(14-37 n. Chr.)


Augustus hatte dem Tiberius die Nachfolge gesichert. Als sich der Senat
beeilte ihm die Herrschaft zu übertragen, weigerte er sich anfangs
sie zu übernehmen, und lehnte mit anscheinender Bescheidenheit und
Höflichkeit die dargebotenen Würden ab. Aber die Senatoren, welche die
heuchlerische und versteckte Art seines Wesens und Redens kannten,
ließen mit Bitten und Schmeicheleien nicht ab, bis er die Herrschaft
übernahm. Nachdem die Vergötterung des Augustus, kraft welcher dieser
den Beinamen „der Göttliche“ (~Divus~) erhielt, den oberen Göttern
zugezählt und in eigenen Tempeln und durch eigene Priester verehrt
ward, stattgefunden hatte, ward die Fülle aller Würden und Ehren, die
jener besessen, auf den Tiberius übertragen. Unter ihm fielen die
Volksversammlungen, die unter Augustus nur selten und bloß zum Schein
berufen worden waren, völlig weg; ihre Befugnisse wurden dem Senate
zugewiesen.

Tiberius führte die Regierung mit Kraft und Umsicht, und die ersten
neun Jahre derselben verdienen volle Anerkennung; nur seiner
Familie und dem Senate gegenüber zeigte er ein argwöhnisches und
zurückhaltendes Wesen. Darin mochte ihn, außer früheren verbitternden
Erfahrungen -- er hatte sich auf Augustus’ Verlangen von seiner
geliebten Vipsania, Agrippas Tochter, scheiden und die lasterhafte
Julia, des Kaisers Tochter und Agrippas Witwe heiraten müssen -- die
heimliche Anfeindung bestärken, die er von den Anhängern des Germanicus
und dessen stolzen und ehrgeizigen Gemahlin Agrippina erfuhr. Diese
war als Tochter der Julia eine Enkelin, Germanicus, durch seine Mutter
Antonia und Großmutter Octavia ein Großneffe des Augustus. Beide sahen
den Tiberius als Eindringling in die ihnen gebührenden Thronrechte
an. Zwar hatte dieser seinen Neffen Germanicus auf Wunsch des alten
Kaisers als Sohn adoptiert und ihm dadurch die Nachfolge gesichert.
Auch behandelte er ihn mit großer Nachsicht und Schonung. So hatte er
ihn zwar aus Germanien abberufen, weil seine eigenmächtigen Feldzüge
gegen die Deutschen ohne alle bleibenden Folgen waren, hatte ihm aber
doch einen glänzenden Triumph bewahrt, bei welchem des Arminius Gattin
Thusnelda mit ihrem dreijährigen Söhnlein mit aufgeführt ward. Da sich
aber die Vorliebe des Volkes für den Germanicus zu deutlich kundgab,
so suchte ihn der argwöhnische Tiberius aus den Augen des Volkes zu
entfernen. Zu diesem Zweck übergab er ihm den Oberbefehl in Asien, um
dort die gestörte Ruhe wieder herzustellen. Daneben beauftragte er
den Calpurnius Piso mit der Statthalterschaft von Syrien, der dort,
angeblich den geheimen Weisungen des Kaisers gemäß, den Befehlen des
Germanicus stets zuwiderhandelte. Dieser reiste daher nach Syrien
und bestrafte den ungehorsamen Piso mit Verweis und Entfernung. Als
er gleich darauf in schweres Siechtum fiel, entstand der Verdacht,
daß er durch Pisos und vielleicht sogar auf des Kaisers Anstiften
ein zehrendes Gift getrunken habe. Seine Gattin Agrippina teilte und
verbreitete diesen Verdacht. In ihren Armen starb Germanicus, fern
von Rom, im Jahre 19 v. Chr. Ganz Italien wurde bei dieser Nachricht
mit Trauer erfüllt, und die mit der Asche ihres Gatten zurückkehrende
Agrippina zu Rom vom Volke mit der größten Teilnahme empfangen. Piso
wurde zur Verantwortung gezogen, aber noch vor der Entscheidung seiner
Sache ward er eines Morgens, von einem Schwert durchbohrt, auf dem
Boden seines Gemachs gefunden. So blieb das Dunkel, das auf dem Tode
des Germanicus ruhte, unaufgeklärt. Agrippina aber und die Freunde
ihres Gatten ließen nicht ab in geheimen Umtrieben die Schuld seines
Todes auf den Kaiser zu wenden.

Diese gehässige Feindschaft und Verleumdung trug dazu bei, des Kaisers
angeborene Neigung zu Argwohn und Menschenverachtung zu steigern. Die
Anklagen wegen Majestätsbeleidigung, die schon unter Augustus nicht
selten gewesen waren, wurden seit dieser Zeit immer häufiger. Jede
unvorsichtige Äußerung des Unwillens oder Tadels gegen die Person des
Kaisers, jeder zweideutige Ausdruck wurde von dem immer gefügigeren
Senat mit Verbannung oder Tod bestraft, und da die Angeber belohnt
wurden, so warfen sich viele verworfene Menschen mit Eifer auf dies
abscheuliche Gewerbe.

So mißtrauisch Tiberius war, so wußte ihn doch sein Günstling +Älius
Sejanus+, der Befehlshaber der Prätorianer, mit listiger Schmeichelei
und dem Schein unbedingter Treue zu umstricken. Auf seinen Vorschlag
wurden sämtliche Abteilungen dieser Garden in einem festen Standlager,
dicht unter den Mauern Roms, vereinigt. Von dieser Zeit an konnte sich
der Kaiser dieser Truppen zur Durchführung jeder gewaltsamen Maßregel
bedienen, und der Befehlshaber dieser Prätorianer ward nach dem Kaiser
die wichtigste und mächtigste Person des Staates.

Acht Jahre lang (23-31) stand der sonst gegen jedermann argwöhnische
Kaiser unter dem Einfluß dieses Günstlings, dem er auch die
Leitung der Regierung vertrauensvoll überließ. Er selber, in
stolzer Menschenverachtung, müde der niedrigen und eigensüchtigen
Unterwürfigkeit des Senates und des Volkes, hatte sich auf der einsamen
Felseninsel Capreä (Capri), am Eingang des herrlichen Busens von
Neapel, prächtige Schlösser gebaut, und lebte dort, fern vom Gewühl
der Hauptstadt, seinen Neigungen. Aber auch dorthin verfolgte ihn die
hämische Verleumdung und erzählte von unerhörten Ausschweifungen, denen
sich der alternde Kaiser auf seiner Insel ergäbe.

Inzwischen schaltete Sejanus in Rom mit unumschränkter Gewalt.
Seine Bildsäulen standen allenthalben neben denen der kaiserlichen
Familienglieder. Bereits hatte er des Kaisers Sohn und Nachfolger
+Drusus+ durch Gift aus der Welt geschafft, und gegen die Familie des
verstorbenen Germanicus wütete er mit Verbannung und Einkerkerung.
Agrippina ward mit einem ihrer drei Söhne auf eine öde Insel verbannt,
ein anderer wurde in einem Kerker eingeschlossen. Als er aber endlich
seine Hand auch nach dem Throne ausstreckte, da wurden dem Tiberius
die Augen über seinen Günstling geöffnet. Er ernannte in der Stille
einen neuen Befehlshaber der Garden, und dieser legte eines Tages dem
Senat den kaiserlichen Befehl zur Verhaftung des ahnungslosen Sejanus
vor. Nicht nur der gefallene Günstling ward hingerichtet, sondern
Tiberius ließ auch seine Kinder, Verwandten und Anhänger in großer Zahl
umbringen.

Denn nach dieser neuen bitteren Erfahrung verdüsterte sich der Sinn
des Kaisers immer mehr. Jetzt erst ward er wirklich grausam und
blutdürstig. Fast täglich fielen vornehme Männer und Frauen als Opfer
schändlicher Angeberei; mancher nahm, um einer martervollen Hinrichtung
zu entgehen, sich lieber selbst das Leben. Agrippina und zwei ihrer
Söhne mußten im Kerker den Hungertod sterben. Von der Familie des
Germanicus blieben, außer den Frauen, nur +Claudius+, sein Bruder,
und sein jüngster Sohn, +Gajus Caligŭla+, übrig. Endlich erkrankte
der 78jährige Tyrann auf seiner Insel und fiel in eine todähnliche
Ohnmacht, worauf sogleich die ganze Umgebung den jungen +Gajus+ den
Tiberius an Sohnes Statt angenommen hatte, als neuen Kaiser begrüßte.
Aber Tiberius kam wieder zu sich, und nun schien Gajus verloren. Da
faßte Macro, wie erzählt wurde, der Befehlshaber der Prätorianer, einen
raschen Entschluß; er ließ Polster und Decken auf den Kranken werfen
und ihn darunter ersticken.



XXXI.

=Die Kaiser Gajus Caligula= (37-41) =und Tiberius Claudius= (41-54).


Gajus, der jüngste Sohn des Germanicus und der Agrippina, hatte, da
er mit seiner Mutter als Kind im Feldlager seines Vaters am Rhein
lebte, von den Soldatenstiefelchen (~caligae~), die er trug, von den
Soldaten den Beinamen +Caligula+ erhalten. Ihm allein war es gelungen
durch den Schein kindlicher Demut und Liebe das Herz des Tiberius
zu gewinnen, und als er nach dem Tode des alten Despoten als junger
Kaiser in Rom erschien, jauchzte ihm alles Volk wie einem Erlöser aus
harter Knechtschaft entgegen. In der Tat schien er anfangs die auf ihn
gesetzte Hoffnung erfüllen zu wollen. Er stellte die Untersuchungen
gegen die Verfolgten ein, wies die Angeber zurück, und machte sich
durch Freigebigkeit beliebt. Aber schon nach wenigen Monaten zeigte er
seine wahre Natur. Er erwies sich in Wirklichkeit als der schreckliche
Tyrann und ausschweifende Lüstling, für den Tiberius so lange gegolten
hatte. So sehr ging sein Tun und Denken gegen alle Vernunft, daß man
ihn für wahnsinnig halten mußte. In solchem Wahnsinn verfiel er auf
die grausamsten Handlungen. Den ungeheuren Schatz von 420 Millionen
Mark, den sein sparsamer Vorgänger gesammelt hatte, verschwendete er
gleich im ersten Jahre seiner Regierung. Über die Meeresbucht zwischen
Bajä und Putéoli, unweit des heutigen Neapels, eine Stunde weit, baute
er eine Schiffbrücke und legte auf derselben eine Kunststraße an mit
Häusern auf beiden Seiten, bloß um einmal in einem Prachtzuge darüber
fahren und sagen zu können, er habe das Meer in Land verwandelt.
Seinem Leibpferde Incitatus, dem er die Würde eines Konsuls zugedacht
hatte, ließ er einen Palast mit Hofhaltung einrichten, es mit
vergoldetem Hafer füttern, ja sogar an seiner eigenen Tafel fressen.
Als er durch solche wahnsinnige Streiche, durch Volksspeisungen und
öffentliche Spiele den Schatz vergeudet hatte, zwang er, um wieder Geld
aufzubringen, die Reichen die Kosten der öffentlichen Spiele zu tragen
und ihm große Geschenke und Vermächtnisse zu machen. Viele ließ er
hinrichten, um ihr Vermögen einzuziehen; er drückte die Reichen durch
eine Menge von Steuern und errichtete endlich eine Spielbank, wobei er
selbst den falschen Spieler machte. Seiner Grausamkeit wurden viele
Menschen geopfert; manche ließ er lebendig zersägen, andere den wilden
Tieren vorwerfen, ja bei den Tierhetzen, wenn gerade keine Verbrecher
mehr da waren, Zuschauer ergreifen und den Tieren preisgeben. In seinem
Blutdurste wünschte er, daß das ganze römische Volk nur +einen+ Kopf
haben möchte, um ihn mit einem Streich abschlagen zu können. Sein
Wahlspruch war: „Mag man mich hassen, wenn man mich nur fürchtet!“
(~Odĕrint, dum métuant!~)

In seiner Eitelkeit wollte er auch als siegreicher Eroberer glänzen. Er
unternahm deshalb sogenannte Feldzüge nach Germanien und Britannien.
Er ließ nämlich von Gallien aus einige germanische Söldner über den
Rhein setzen und sich dort verstecken; dann zog er mit einem Teil
der Reiterei hinüber und brachte sie als Gefangene zurück: das war
sein Sieg über die Germanen! Ebenso stellte er ein ungeheures Heer an
Galliens Nordküste auf, angeblich zum Zuge gegen Britannien, fuhr dann
auf einem Prachtschiff ein wenig ins Meer hinaus, und ließ nach seiner
Rückkehr die Soldaten am Strande Muscheln sammeln, die er nachher als
eine dem Ozean abgenommene Beute samt einer Anzahl Gefangener, die aus
Galliern in germanischer Tracht bestanden, bei seinem Triumph in Rom
aufführte.

Nachdem er so fast vier Jahre lang gewütet hatte, bildete sich unter
seiner Umgebung, die zuletzt ihres eigenen Lebens nicht mehr sicher
war, eine Verschwörung, und zwei Hauptleute seiner Leibwache ermordeten
den Kaiser samt seiner Gemahlin und seiner Tochter (41).

Während der Ermordung Caligulas hatte sich sein Oheim +Tiberius
Claudius+ hinter einem Türvorhang versteckt. Ihn zogen jetzt die
Soldaten der Leibgarde hervor und huldigten ihm als Kaiser, wofür
er ihnen eine große Summe Geldes versprechen mußte. Der Senat ward
genötigt ihn anzuerkennen. Wenn auch Claudius in Geschichte und
Sprachen wohl unterrichtet war, so fehlten ihm doch alle Eigenschaften
zur Regierung des Reichs. Er überließ sie Günstlingen und Frauen.
Unter diesen hatten besonders die durch ihren sittenlosen Wandel
berüchtigte +Messalina+, und nach ihrer Hinrichtung die, zwar nicht
sittenlose, aber weit herrschsüchtigere +Agrippina+, eine Tochter des
Germanicus und Schwester des Caligula, großen Einfluß. Da Agrippina den
Sohn des Kaisers von der Messalina, den +Britannicus+, vom Throne zu
verdrängen suchte, um ihrem eigenen Sohn aus erster Ehe, dem Domitius
+Nero+, Platz zu machen, so bewog sie den alten willensschwachen Kaiser
diesen als Sohn anzunehmen. Sobald ihr dies gelungen war, ließ sie
den alten Kaiser durch vergiftete Pilze töten, welche die berüchtigte
Giftmischerin Lacusta bereitet hatte. Daran ward Nero, als der ältere
der beiden Söhne, auf den Thron gehoben.



XXXII.

=Nero= (54-68).


Nero gelangte im Alter von siebzehn Jahren zur Regierung. Solange
er sich der weisen Leitung des +Burrus+, des Obersten der Garde,
und seines Erziehers, des beredten und geistvollen +Séneca+ hingab,
regierte er ohne Tadel und zeichnete sich durch Bescheidenheit und
Milde, durch Wohltätigkeit und Enthaltsamkeit so sehr aus, daß man die
ersten fünf Jahre (~quinquennium~) seiner Herrschaft das glückliche
Quinquennium des Nero genannt hat. Doch alle diese Tugenden waren nur
die Wirkung des Zwanges und der Verstellung. Länger vermochte der
junge Monarch die Maske der Tugend nicht zu tragen, er warf sie ab und
offenbarte alsbald einen solchen Hang zu Grausamkeit, Eitelkeit und
Heuchelei, daß er ein wahres Ungeheuer von einem Tyrannen wurde.

Da ihm seine Mutter Agrippina Vorwürfe über seine Ausschweifungen
machte und ihm drohte den jüngeren Stiefbruder Britannicus, an dem
sich treffliche Eigenschaften entwickelten, auf den Thron zu erheben,
so beschloß Nero sofort dessen Tod. Eines Tages ward bei einem
Festmahle ein warmes Getränk umhergereicht, dieses aber dem Britannicus
so heiß gegeben, daß er es nicht trinken konnte. Eiligst wurde kaltes
Wasser zugegossen, das die oben erwähnte Locusta vergiftet hatte.
Kaum hatte Britannicus davon getrunken, als er vor Neros und aller
Gäste Augen leblos niederfiel. „Es ist nichts als die Fallsucht, die
er schon öfters gehabt!“ rief der heuchlerische Nero und ließ die
Leiche wegschaffen, aber gleich in der Nacht auf einem Scheiterhaufen
verbrennen, Agrippina mußte den kaiserlichen Palast räumen und verlor
allen Einfluß. Bald ließ sich Nero durch die schöne, aber lasterhafte
+Poppäa Sabina+ bewegen seine tugendhafte Gemahlin Octavia, die
Schwester des Britannicus, zu verstoßen und seine eigene Mutter zu
ermorden. Burrus und Seneca bebten vor diesem Entschluß zurück, hatten
aber nicht den Mut sich zu widersetzen. Auf den Vorschlag eines
Günstlings wurde in der Nähe von Bajä eine Lustfahrt auf dem Meere
veranstaltet. Bei dieser Gelegenheit sollte Agrippina mit dem Schiffe
versenkt werden. Doch der Anschlag mißlang, Agrippina rettete sich ans
Land, ward aber gleich darauf von gedungenen Mördern in ihrer Wohnung
umgebracht.

Seitdem von Gewissensangst verfolgt, suchte sich Nero durch den
Taumel wilder Vergnügungen zu zerstreuen. Er scheute sich nicht, um
seiner krankhaften Eitelkeit zu frönen, öffentlich als Wagenrenner,
Zitherspieler, Sänger und Schauspieler aufzutreten, ohne auf die
Mahnungen des Burrus und Seneca Rücksicht zu nehmen. Als Burrus starb
und Seneca sich ganz vom Hofe zurückzog, konnte sich nun Nero ganz
den Einflüsterungen elender Günstlinge hingeben. Seine Verschwendung
war schrankenlos; oft warf er am Schlusse der Feste, die er dem Volke
gab, kleine Kugeln unter dasselbe, auf denen Anweisungen auf Geld,
Edelsteine, Gemälde, Pferde, Äcker und Landgüter standen, die dann dem
glücklichen Erhascher ausgehändigt wurden. Darum mochte ihn sowohl das
Volk, das er durch Spiele und Kornspenden befriedigte, als auch das
Heer, das er reich besoldete, wohl leiden.

Die größte Greueltat in seiner Regierung war der Brand von Rom. Um sich
eine schönere Hauptstadt bauen zu können, ließ er Rom an verschiedenen
Stellen anzünden; seine Mordbrenner durchzogen die Stadt, drangen mit
Fackeln und Brandstoffen in die Häuser und hinderten die Leute mit
Gewalt am Löschen. Während der Feuersbrunst stand er auf einem Turme
und sah mit grausamer Lust dem furchtbaren Schauspiel zu, indem er
dabei ein Gedicht von Trojas Untergang deklamierte. Durch diesen Brand
ward ein großer Teil der Stadt in Asche gelegt und unsägliches Elend
über die Bevölkerung gebracht, die damals bereits gegen eine Million
betrug. Es war also natürlich, daß sich eine wütende Entrüstung gegen
die Anstifter zu verbreiten begann. Darum suchte er mit teuflischer
Arglist die Schuld auf die Christen zu schieben, die, weil sie sich
von allen öffentlichen, mit heidnischen Gebräuchen verbundenen
Festlichkeiten zurückhielten, dem Volke schon lange verdächtig und
verhaßt waren. Viele derselben wurden als Mordbrenner angeklagt und
verurteilt, ein Teil enthauptet oder gekreuzigt, ein anderer in Felle
wilder Tiere genäht und den Hunden zum Zerfleischen vorgeworfen, andere
mit Pech übergossen und angezündet, um wie Fackeln in langen Reihen
bei nächtlichen Rennspielen zu leuchten. So ward Nero der Urheber der
ersten +Christenverfolgung+.

Darauf ließ Nero die Stadt neu aufbauen, wobei er ein ganzes Quartier
für sich nahm und daselbst mit verschwenderischer Pracht einen Palast,
das sogenannte +goldene Haus+, bauen ließ, das mit Gärten, Bädern,
Lusthäusern, sogar mit Seen und Wildbahnen umgeben ward. Um die
ungeheuren Kosten zu decken und das Innere auszuschmücken, mußten
alle Provinzen, besonders die Tempel Griechenlands und Asiens, einen
Teil ihrer Geld- und Kunstschätze dazu steuern, und selbst die Heere
ihren Sold entbehren. Dadurch machte er sich allgemein verhaßt, und es
bildete sich eine Verschwörung von Senatoren und Rittern, um ihn zu
stürzen und den edeln +Gajus Piso+ auf den Thron zu setzen. Aber die
Verschwörung wurde entdeckt, Piso gab sich selbst den Tod, und viele
andere wurden hingerichtet Auch Neros Lehrer Seneca wurde, obschon
unschuldig, zum Tode verurteilt. Da man ihm die Gunst gewährte sich
selbst töten zu dürfen, so öffnete er sich die Adern; da aber bei dem
Greise das Blut zu langsam floß, ließ er sich durch die Dämpfe eines
Bades ersticken. Seine treue Gattin teilte freiwillig sein Schicksal.

Um die Angst seines Gewissens zu betäuben, stürzte sich Nero in
immer neue Zerstreuungen. Er reiste nach Griechenland, wo er in den
Spielen als Sänger und Wagenlenker auftrat. Als die Griechen seine
Kunst bewunderten und ihm den Preis zuerkannten, verkündete er selber
als Herold Griechenlands Freiheit, was ihn jedoch nicht hinderte die
griechischen Tempel zu plündern. Mit 1800 Siegeskränzen geehrt, kehrte
er nach Rom zurück und feierte wegen seiner Kunstsiege einen Triumph.

Vierzehn Jahre lang hatte Nero auf diese Weise regiert, als sich einige
Statthalter gegen ihn empörten. Noch hätte der Aufstand unterdrückt
werden können, wenn er sich zu entschlossenem Widerstande hätte
aufraffen können. Als es zu spät war, als in Rom selbst der Aufstand
siegte, machte er sich, von allen verlassen, auf die Flucht, um sich
auf einem Landgut bei Rom zu verstecken. Dahin ritt er mit vier
Begleitern in einer sturmvollen Nacht; der Beherrscher der Erde hatte
sich in einen schlechten Mantel vermummt und hielt sich ein Tuch vor
das Gesicht. Zuckende Blitze erleuchteten den Weg. Neros Pferd ward
scheu. Reisende, die ihnen begegneten, fragten: „Was neues von Nero?“
Einen andern hörten sie sagen: „Die setzen gewiß auch dem Nero nach.“
So geängstigt erreichte er halbtot das Landgut. Er wagte es nicht durch
den gewöhnlichen Eingang in das Haus zu kommen, und bis man ihm eine
Öffnung durch die Mauer gebrochen hatte, versteckte er sich im Schilf
und schöpfte sich, von Durst gequält, mit der Hand Wasser aus einer
Pfütze. Am folgenden Tage erhielt er die Nachricht, der Senat habe ihn
als einen Feind des Vaterlandes geächtet, der, wenn man ihn fände, nach
der Sitte der Vorfahren hingerichtet werden sollte. Seine Begleiter
forderten ihn dringend auf dieser Schande zuvorzukommen; er versuchte
auch, unter unsäglichem Wehklagen, sich selbst zu töten, aber er fand
nicht den Mut dazu. „Welch ein Künstler geht in mir unter!“ rief er
einmal über das andere aus. Da sprengten Reiter heran. Nun ergriff
er den Dolch und ein Freigelassener half beim Stoß in die Kehle. Die
Reiter, die ihn gern lebendig fangen wollten, traten ein, als er sich
fast verblutet hatte. Er stand im 32. Jahre, als er starb (68). Mit ihm
war Cäsars Geschlecht gänzlich erloschen.



XXXIII.

=Flavius Vespasianus= (69-79).

Seine Söhne =Titus= (79-81) und =Domitianus= (81-96).


Nach Neros Tode ward der spanische Statthalter +Galba+, der an der
Spitze der Empörung stand, zum Kaiser ausgerufen, ward aber in Kürze
durch +Otho+ gestürzt, wider den wieder der Befehlshaber der am
Rhein stehenden Legionen, +Vitellius+, sich erhob und in blutigem
Bürgerkriege obsiegte. Gegen Vitellius ward im Osten des Reiches der
Statthalter Syriens, +Flavius Vespasianus+, aufgestellt, und erst
diesem gelang es wieder eine dauernde Regierung herzustellen.

Vespasianus stand eben mit seinen Legionen in Palästina, wo er einen
furchtbaren Aufstand der Juden gegen den Druck der römischen Herrschaft
zu bekämpfen hatte. Die Juden wehrten sich als Verzweifelnde. So lag
sechs Wochen lang ein römisches Heer von 60000 Mann vor der Stadt
Jotápata in Galiläa, ehe es sie erobern konnte. Vierzigtausend Juden
verloren dabei ihr Leben. Neben dem Krieg gegen den äußeren Feind
wüteten furchtbare innere Zwistigkeiten unter den Juden selbst. In
Jerusalem hatte sich eine wütende Rotte, Zeloten (Eiferer) genannt,
vor welcher die Gemäßigten, die den Frieden wünschten, zitterten, der
Tempelburg bemächtigt und führte eine furchtbare Schreckensregierung.
Bald zerfielen auch die Zeloten in zwei Parteien, welche einander mit
der größten Heftigkeit bekämpften, weshalb Vespasianus den Angriff auf
Jerusalem verschob, weil er darauf rechnete, daß diese Wütenden selbst
einander aufreiben würden.

Als die Nachricht von Neros Tode und von den neuen Machthabern Roms
sich verbreitete, trugen die Statthalter der östlichen Provinzen
dem Vespasianus die Kaiserwürde an. Er nahm sie an und überließ die
Fortsetzung des Krieges seinem Sohne +Titus+.

Dieser rückte im Jahre 70 vor Jerusalem, wo die Zerrüttung und das
Elend den höchsten Grad erreicht hatten. Die drei Parteien machten
einander den Besitz der Stadt und des Tempels streitig, und taten
alles, um sich gegenseitig zu verderben. Indes war Jerusalem so
stark befestigt, daß es kaum mit Waffengewalt einnehmbar schien.
Titus bot den Eingeschlossenen Verzeihung an, aber sie wollten sich
durchaus nicht ergeben. Die Hungersnot stieg in der von Flüchtlingen
vollgedrängten Stadt so hoch, daß eine Mutter ihr Kind schlachtete und
aß. Als Titus das hörte, rief er mit Entsetzen über die Empörer aus:
„Sie allein tragen die Schuld dieses Frevels! Ich will den Greuel des
Kindesfraßes mit den Trümmern der Stadt bedecken; die Sonne soll nicht
mehr eine Stadt bescheinen, in der Mütter also sich nähren!“

Neben dem Hunger wüteten Seuchen in der unglücklichen Stadt. Die
Leichen wurden zu Tausenden über die Mauern geworfen. Nachdem die Römer
den äußeren Mauerring erstürmt hatten, richtete sich ihre ganze Macht
gegen den Tempel, der von einem Haufen todesmutiger Männer auf das
tapferste verteidigt wurde. Aber dem unaufhaltsam vordringenden Angriff
erlagen alle Widerstände. Mauer auf Mauer warfen die Sturmwidder der
Römer nieder und erreichten endlich die den Tempel umgebenden Hallen.
Titus wünschte dies Prachtgebäude zu erhalten, aber umsonst. Die Juden
glaubten, ihr Tempel könne gar nicht erobert werden, Gott selber müsse
ihn beschützen. Aber die römischen Soldaten warfen Feuer hinein,
und bald bedeckte ein Flammenmeer den gewaltigen Bau. Es folgte ein
allgemeines Blutbad, wobei weder Alter noch Geschlecht noch Stand
geschont ward. Tausende fanden ihren Tod in den Flammen oder durch
Absturz von den Mauern. Die obere Stadt ward erst mehrere Wochen später
eingenommen, worauf Titus alles, was von Gebäuden noch stand, vollends
der Erde gleichmachen ließ. Mehr als eine Million Juden sollen in
diesem Vernichtungskriege ums Leben gekommen sein. Als Titus seinen
Einzug in die rauchenden Trümmer der Stadt hielt, brach er in die Worte
aus: „Wahrhaftig, mit Gott haben wir gesiegt! Gott hat die Juden aus
diesen Bollwerken vertrieben, denn was vermöchten Menschenhände und
Brechwerkzeuge gegen solche Steinmassen?“

Also ward das Wort Christi über Jerusalem erfüllt (Luk. 19, 44): „Sie
werden dich schleifen und keinen Stein auf dem andern lassen.“

Noch zwei Jahre währten die Todeszuckungen des zertretenen Volkes, und
erst im Jahre 72 war die völlige Bezwingung Judäas erreicht. Damit
verloren die Juden ihren nationalen Mittelpunkt und den letzten Rest
einer politischen Vereinigung, und es vollendete sich ihre Zerstreuung
in alle Welt und unter alle Völker.

                   *       *       *       *       *

Unterdessen war Vespasianus in Rom mit der kaiserlichen Macht bekleidet
worden und feierte im folgenden Jahre mit seinem Sohne Titus, den er
zum Mitregenten erhoben hatte, einen glänzenden Triumph wegen der
Beendigung des jüdischen Krieges. Noch steht im ganzen wohlerhalten
der prachtvolle, innen und außen mit reichem Bildwerk geschmückte
Triumphbogen, der nach dem Tode des Kaisers an der sogenannten
„heiligen Straße“ (~via sacra~), nahe dem Forum, errichtet wurde.

Mit Vespasianus kehrte wieder Ordnung und Gesetz in das zerrüttete
römische Reich zurück. Er stellte die verfallene Kriegszucht bei den
Heeren wieder her; er reinigte den Senat von unwürdigen Mitgliedern
und ersetzte sie durch würdige Männer aus den Provinzen des Reiches.
Er beschränkte die Anklagen wegen beleidigter Majestät, die unter
seinen Vorgängern so vielen das Leben gekostet hatten, und füllte durch
Sparsamkeit und weise Verwaltung die gänzlich erschöpfte Staatskasse.
Unter den neuen Steuern, die er einführte, befand sich auch eine, die
er auf die Urinfässer legte, welche die Tuchwalker bei ihrem Gewerbe
gebrauchten. Als sich sein Sohn Titus darüber abfällig äußerte, hielt
er ihm ein aus dieser Steuer herrührendes Geldstück unter die Nase
und fragte ihn, ob es übel rieche. An seinem Hofe herrschte eine
soldatische Einfachheit, was nicht ohne einen günstigen Einfluß auf die
durch Luxus und Schwelgerei entartete römische Gesellschaft blieb.

Auch verschönerte er Rom durch den Wiederaufbau des im Bürgerkriege
niedergebrannten Capitoliums und der noch seit dem Neronischen
Brande in Asche liegenden Stadtviertel. Außerdem ließ er an Stelle
des Neronischen Goldenen Hauses einen Tempel der Friedensgöttin, den
größten und prächtigsten Roms, bauen, und ein ungeheures Amphitheater,
in dem 87000 Menschen Raum fanden. Hier wurden jährlich die blutigen
Gladiatorengefechte und Tierhetzen vorgeführt, an deren Anblick sich
das Volk nicht ersättigen konnte. Durch unterirdische Kanäle konnte
Wasser eingelassen werden, das den ganzen Bodenraum in einen See
verwandelte, worin Schiffsgefechte aufgeführt wurden. Noch jetzt
machen die hochragenden Überreste dieses Riesenbaues, das den Namen
Kolosséum führt, auf den Beschauer einen gewaltigen Eindruck. Bei den
Einweihungsspielen wurden 5000 wilde Tiere erlegt. Es war dies der Ort,
in welchem später Tausende von christlichen Märtyrern unter den Zähnen
der wilden Tiere verbluten mußten.

Dieser für das Reich so wohltätige Fürst starb als ein siebzigjähriger
Greis (79). Als er zum ersten Male in seinem Leben erkrankte und den
Tod herannahen fühlte, sprang er mit den Worten: „Ein Imperator muß
stehend sterben!“ vom Lager auf und sank tot um.

                   *       *       *       *       *

Er hinterließ die Herrschaft seinem Sohne Flavius Vespasianus +Titus+,
den er schon längst zum Mitregenten angenommen hatte. Wegen seiner
unordentlichen Lebensart und Neigung zur Grausamkeit hegte man von
ihm keine günstigen Hoffnungen, aber als Kaiser erschien er wie
umgewandelt und offenbarte das edelste und wohlwollendste Gemüt. Als
er sich einst bei der Mahlzeit erinnerte, daß er an dem ganzen Tage
niemanden eine Wohltat erwiesen hatte, rief er aus: „Freunde, ich
habe einen Tag verloren!“ Oft sagte er, von seinem Fürsten dürfte
niemand traurig weggehen. Den Regierungsgeschäften widmete er sich
mit der größten Gewissenhaftigkeit, behandelte jeden mit Milde und
Güte, selbst seine Feinde mit Großmut, und suchte die Leiden der
Menschheit durch Wohltätigkeit zu lindern, sodaß ihn das Volk die
Liebe und Wonne des Menschengeschlechts nannte. Seine kurze Regierung
gab ihm Gelegenheit genug, seine Freude am Wohltun in reichem Maße zu
offenbaren. Eine schreckliche Feuersbrunst wütete drei Tage lang in
Rom; eine verheerende Pest raffte Tausende hin. Furchtbarer noch war
der ganz unerwartete +Ausbruch des Vesuvs+. Bis fast zum Gipfel reich
angebaut, begann dieser Berg damals zum ersten Male und ganz plötzlich
die in ihm schlummernden vulkanischen Kräfte zu offenbaren. Am Mittag
des 24. August 79, unter gleichzeitigem Erdbeben und heftiger Bewegung
des nahen Meeres, erhob sich eine himmelhohe pinienförmige Rauch- und
Feuersäule, welche alles Land meilenweit mit einer mehrere Meter hohen
Schicht von kleinen Bimssteinen und dann mit einer noch höheren von
nasser Asche bedeckte. Mehrere Tage dauerte dieser Aschenregen, der
die Luft mit erstickendem Qualm erfüllte und den Tag in tiefe Nacht
verwandelte. Feurige Lavaströme brachen aus den Seiten des Berges und
erhöhten das Entsetzen des Volkes. Drei blühende Städte am Meerbusen,
Herculanum, Pompeji und Stabiä, wurden gänzlich verschüttet.
Viele tausend Menschen verloren Gut und Leben. Unter den Toten war
der Befehlshaber der Flotte im Hafen von Misēnum, der gelehrte
Naturforscher +Plinius+, der das unerhörte Ereignis in der Nähe schauen
wollte. Sein Neffe, Plinius der Jüngere, hat in Briefen an seinen
Freund, den Geschichtschreiber Tacitus, den ganzen Vorgang geschildert.

Am 24. August, erzählt er, erhob sich plötzlich ein Geschrei, es
steige aus dem Berge Vesuv eine ganz ungewöhnliche, fürchterliche
Wolke auf. Der unerschrockene Oheim wollte ein so merkwürdiges
Ereignis in größerer Nähe beobachten, bestieg ein Schiff und eilte
der Gefahr entgegen. Schon auf dem Meere erreichte ihn fallende Asche
und Bimsstein; der Steuermann bat ihn umzukehren. Vergebens. „Mit dem
Tapfern ist das Glück!“ rief er und ließ sich nach Stabiä bringen,
wo er die Nacht hindurch ruhig schlief, während die Flammen aus dem
Vesuv hervorbrachen und alles, was fliehen konnte, floh. Am Morgen
aber entstand die Besorgnis, daß der stärker strömende Aschenregen
zuletzt den Ausgang aus der Stadt versperren, oder die von dem heftigen
Erdbeben schwankenden Mauern einstürzen möchten. So zog man denn
hinaus, auf das Meer zu, welches fürchterlich tobte. Eine stockfinstere
Nacht überall, nur von den Fackeln, welche die Sklaven trugen, und
den Flammen des Berges erhellt. Da sank Plinius plötzlich tot nieder.
Er war von den bösen Dämpfen erstickt; seinen Leichnam fand man erst
am dritten Tage, denn so lange dauerte die Finsternis. Sein Neffe war
indes in Misenum geblieben, bis auch dort das entsetzliche Erdbeben
die Gebäude zu verlassen zwang. Eine Menge Volks zog aus; da wandelte
sich auch hier in so weiter Entfernung der Tag in Nacht, und die Asche
begann zu stäuben. Das Rufen, das Geschrei und Gejammer der auf dem
Felde umhertappenden, die Ihrigen suchenden Menschen war schrecklich.
Endlich, als der lange und schwere Aschenregen nachließ, und die Sonne,
wiewohl mit fahlem Scheine, wieder hervortrat, boten die Gegenstände
umher den traurigsten Anblick dar; der Boden war hoch mit Asche wie
mit Schnee bedeckt. -- Aus dem, was bei Misenum geschah, kann man
sich ungefähr vorstellen, wie die dem schrecklichen Ausbruch so viel
näheren Städte Pompeji und Stabiä unter der Asche, Herculanum unter
den Lavaströmen verschüttet wurden und gänzlich verschwanden. Erst
seit der Mitte des 18. Jahrhunderts sind ihre Reste teilweise wieder
aufgedeckt und zugänglich gemacht worden.

Titus, der Rom auch durch ein herrliches Werk der Baukunst, die nach
ihm genannten Thermen (allem Volk zugänglichen Bäder), zierte, regierte
zum Unglück für das Reich nur zwei Jahre und drei Monate. Er starb
kinderlos nach kurzer Krankheit (81).

Sein Bruder +Domitianus+, der ihm in der Herrschaft folgte, schien
anfangs die Regierungsweise seiner beiden Vorgänger fortsetzen
zu wollen, bis allmählich die übermäßige Vorstellung von seiner
persönlichen Bedeutung, mit der er schon dem Vater lästig und dem
Bruder feindselig gewesen war, in eine Art Herrscherwahnsinn ausartete,
und seine Regierung für alle gefährlich machte, welche seine Eifersucht
oder seinen Argwohn weckten. Die Zeiten Caligulas und Neros schienen
sich zu erneuern. Endlich bildete sich unter den Freigelassenen, seinen
Günstlingen, welchen er die Verwaltung der Staatsgeschäfte anvertraut
hatte, und Mitgliedern des Senates, die alle in steter Furcht für ihr
Leben standen, eine Verschwörung, die ihm ein blutiges Ende bereitete
(96). Selbst seine Gemahlin Domitia half den Wüterich zu beseitigen.
Mit ihm erlosch die Dynastie der Flavier. Das Reich aber hatte unter
ihm, wenn auch ohne sein Verdienst, eine ansehnliche Erweiterung
erfahren. Die +Eroberung Britanniens+, die schon von Cäsar eingeleitet,
aber erst unter Kaiser Claudius ernstlich begonnen war, wurde im Jahre
85, trotz des langen und heldenmütigen Widerstandes der Britanner,
durch Julius Agricola, den Schwiegervater des Geschichtschreibers
Tacitus, vollendet.



XXXIV.

=Die glücklichste Periode der römischen Kaiserherrschaft: Nerva,
Trajanus, Hadrianus und die beiden Antonine= (96-180).


Auf die Flavier folgte, während einer fast hundertjährigen Zeitdauer,
eine stetige Reihe trefflicher Fürsten, unter denen die Bewohner des
Reiches sich einer einsichtigen und gerechten Verwaltung, ungestörten
inneren Friedens und zunehmenden Wohlstandes erfreuten, sodaß man
diesen Zeitraum das goldene Zeitalter des römischen Reiches genannt hat.

Zunächst wurde der alte würdige Senator Coccejus +Nerva+ auf den Thron
erhoben (96-98). Er gab dem Senat den ihm gebührenden Anteil an der
Regierung zurück, bemühte sich durch Milde und Gerechtigkeit, den
Leiden und Klagen der armen Bevölkerung abzuhelfen, den zerrütteten
Staatshaushalt zu ordnen, erleichterte die Abgaben und ließ arme Kinder
auf öffentliche Kosten erziehen. Da er aber fühlte, daß ihm, dem
Übermut und den Ansprüchen der Leibgarden gegenüber, die nötige Kraft
fehlte, so adoptierte er den kriegserprobten Statthalter des oberen
Germaniens, +Ulpius Trajanus+, einen in Spanien geborenen römischen
Bürger, und ernannte ihn zu seinem Mitregenten. Er starb einige Monate
nach dieser Wahl, worauf ihm Trajanus als Alleinherrscher folgte
(98-117).

Durch seine Kraft und Milde, Güte und Bescheidenheit, Einsicht und
Gerechtigkeit erwarb er sich die Liebe und Bewunderung der römischen
Welt in dem Grade, daß ihm der Senat den Beinamen der „Beste“ erteilte,
und noch nach zweihundert Jahren die neugewählten Kaiser den Thron
unter dem Glückwunsch bestiegen: „Sei glücklicher als Augustus und
besser als Trajanus!“ Alle Tugenden, die den Herrscher, Feldherrn und
Menschen zieren, übte er in gleichem Maße. Die Majestätsprozesse hörten
auf; der Senat erhielt Freiheit der Beratungen. Der Kaiser selbst
unterwarf sich den Gesetzen und förderte dadurch auch in allen Bürgern
die Achtung vor Gesetz und Recht. Jedem Bürger gestattete er freien
Zutritt; die Provinzen beschützte er vor Bedrückung der Beamten; die
Armen unterstützte er, indem er in allen Teilen Italiens arme Kinder
auf Kosten des Staates erziehen ließ. Das Christentum aber, in dem der
heidnische Römer nichts anderes als einen jüdischen Aberglauben sah und
verachtete, suchte dieser beste der Kaiser planmäßig zu unterdrücken.
Wenn er auch geheime Anklagen und Verfolgungen der Christen nicht
gestattete, so befahl er doch die gesetzmäßig angeklagten und
überführten, wenn sie nicht widerrufen wollten, hinzurichten.

Auch glänzende Kriegstaten und eine erhebliche Ausdehnung des Reichs
sind mit dem Namen dieses Kaisers verknüpft. Zur Sicherung der Provinz
Moesia an der unteren Donau unternahm er einen Kriegszug gegen das
unruhige Volk der +Daken+ am jenseitigen linken Ufer des Stromes (im
heutigen Rumänien und Siebenbürgen), deren König +Decébalus+ dem
römischen Reiche unter Domitianus gegen die jährliche Zahlung eines
Tributes Frieden gewährt hatte. Trajanus befreite Rom von dieser
schmählichen Abgabe; Decebalus mußte seine Hauptstadt erobert, seine
Festungen geschleift und einen Teil seines Landes von den Römern
besetzt sehen (103). Als er sich dann, dem Friedensvertrage zuwider,
heimlich mit Nachbarvölkern gegen die Römer verband, zog Trajanus zum
zweiten Mal gegen die Daken. Zu diesem Zwecke baute er, in der Nähe der
heutigen Stadt Czernetz in der Walachei, über die Donau eine steinerne
Brücke, die aus 20 steinernen Pfeilern ruhte und 2500 Fuß lang war.
Dann drang er tief in das Land der Feinde und bedrängte den Decebalus
so, daß dieser sich selbst das Leben nahm (106). Sein Land ward
römische Provinz (~Dacia~) und nahm bald römische Sprache und Art so
gründlich an, daß noch der Name und die Sprache der heutigen Rumänier
davon zeugen.

Seine Siege über die Daken feierte Trajanus durch glänzende Triumphe
und Festspiele, bei denen an 123 Tagen 11000 wilde Tiere getötet
wurden. Das Andenken daran erhält noch heute die Trajanssäule in Rom.
Sie erhebt sich auf dem vormals mit Säulenhallen umgebenen Platze des
Trajanischen Forums, ist 117 Fuß hoch und aus hohlen Zylindern von
weißem Marmor zusammengesetzt, welche einen unten 11, oben 10 Fuß
starken Schaft bilden, an dessen Außenfläche Trajans Kriegstaten mit
etwa 2500 menschlichen Figuren dargestellt sind. Die Säule, unter
der sich des Kaisers Grabkammer befand, ist innen hohl, und 184
Stufen führen auf ihre Spitze, auf welcher eine 22 Fuß hohe eherne
Bildsäule Trajans stand, die aber im Laufe der Zeit zerstört und im 16.
Jahrhundert durch die Bildsäule des Apostels Petrus ersetzt worden ist.

Da die +Parther+ die Grenze des römischen Reiches im Osten
beunruhigten, so unternahm Trajanus auch einen Feldzug in die
Morgenländer. Er unterwarf Armenien, Mesopotamien und Assyrien und
machte diese Länder zu römischen Provinzen, deren Besitz jedoch von
nur kurzer Dauer war. Mit einer Flotte fuhr er den Tigris hinab in den
persischen Meerbusen und war schon nahe seinem Ziele, der Herstellung
des Reiches Alexanders des Großen. Das Reich der Parther machte er,
unter einem einheimischen, von ihm eingesetzten Fürsten, abhängig
von Rom. Aber diese Eroberungen waren nicht von Bestand. Die Parther
setzten ihren vertriebenen König wieder ein, und bevor er den Aufstand
bezwingen konnte, starb Trajanus zu Selinus in Cilicien, das ihm
zu Ehren Trajanopolis genannt ward. Seine Gebeine wurden nach Rom
geschafft und unter der Trajanssäule beigesetzt.

Nach seinem Tode ließ sich T. Aelius +Hadrianus+, der vom sterbenden
Trajan als Sohn angenommene Befehlshaber des Heeres und Statthalter
von Syrien, sogleich von dem Heere zum Kaiser ausrufen, und der Senat
bestätigte ihn in dieser Würde. Er war ein sehr gebildeter Mann und
mit einem so außerordentlichen Gedächtnis begabt, daß er schon in
seinem fünfzehnten Jahre die griechische Sprache so vollkommen wie ein
Grieche sprach und jedes einmal gelesene Buch fast auswendig wußte.
Als Kaiser wandte er den inneren Angelegenheiten seines Reiches die
größte Sorgfalt zu. Er bereiste selbst fast alle Provinzen seines
weiten Reiches, und zwar meistenteils zu Fuß, „denn ein Kaiser,“ sagte
er, „muß wie die Sonne alle Teile seines Reiches beleuchten“. Auch die
Literatur und die bildenden Künste gediehen unter ihm zu einer Art von
Nachblüte. Von den zahlreichen Bauwerken, die er in allen Provinzen
errichten ließ, verdient das sogenannte Mausoléum oder Grabmal des
Hadrianus Erwähnung, das jetzt die Engelsburg heißt. Außer seinen
glänzenden Eigenschaften besaß er aber auch grobe Fehler, und besonders
waren Neid und Argwohn hervorstechende Züge seines Charakters, die ihn
zuweilen zu grausamen Handlungen verleiteten. Er regierte von 117 bis
138.

Es folgte ihm sein Adoptivsohn +T. Aelius Hadrianus Antoninus+
(138-161). Die kindliche Ehrfurcht, mit der er das Andenken seines
Vorgängers in Ehren hielt, erwarb ihm den Beinamen +Pius+. Er regierte
wie ein zweiter Numa, den er sich auch zum Muster genommen haben soll.
Von ihm, den seine Zeit mit Recht den Vater der Menschen genannt, hat
die Geschichte keine Kriegstaten, sondern nur wohltätige Einrichtungen
zu melden. Selbst die unter früheren Kaisern verfolgten Christen
konnten unter ihm ein ruhiges Leben führen. Er pflegte zu sagen: „Ich
will lieber das Leben eines einzigen Bürgers erhalten, als tausend
Feinde töten!“

+Marcus Aurelius+ Antoninus, in Spanien geboren, war von Antonius
Pius zusammen mit dessen zweitem Adoptivsohn zum Nachfolger ernannt
worden. Mit edlen Anlagen des Geistes und Herzens begabt, hatten
ihn ausgezeichnete Lehrer schon früh in die Lehren der griechischen
Weisheit eingeführt, die auf seine Regierung von großem Einfluß
wurden. Mit der ganzen sittlichen Kraft, die er aus der Beschäftigung
mit dieser Weisheit schöpfen konnte, bestand er die mannigfachen
Stürme, die während seiner neunzehnjährigen Regierung (161-180)
über ihn und sein Reich kamen. Er sorgte für Recht und Gesetze und
beobachtete eine weise Sparsamkeit in der Verwaltung. Besonders lag
ihm die Besserung der Sitten am Herzen. In den Christen aber sah er
eine staatsgefährliche Partei und ließ sie besonders in Kleinasien
und Gallien grausam verfolgen. Seine Milde und Wohltätigkeit zeigte
er, als Rom von einer Überschwemmung und Hungersnot heimgesucht ward.
Zu derselben Zeit wurde das Reich durch die Einfälle der Germanen
und Parther im Norden und Osten beunruhigt. Am furchtbarsten war der
schwere und langwierige Krieg gegen die germanischen +Markomannen+
(166-190), der das römische Reich an den Rand des Untergangs brachte
und die Römerwelt in eine solche Angst versetzte, daß einer auf dem
Markte zu Rom den Untergang des Erdballes verkündete. Alle Donauvölker
erhoben sich wie in einem Bunde vereinigt, darunter besonders die
Markomannen (in Böhmen) und Quaden (in Mähren und Ungarn), stürmten
über die Donau in die römischen Provinzen und schleppten unter
furchtbaren Verheerungen ganze Bevölkerungen hinweg. Zu diesem Unglück
kam noch die Pest, welche die Legionen aus Asien mitbrachten und die
nun auch Italien und andere westliche Provinzen verheerte. Zwar zog
Marcus Aurelius gegen die Quaden und schlug sie mehrmals, feierte
auch zu Rom einen Triumph, aber die Markomannen und ihre Verbündeten
brachen immer wieder los und nötigten den Kaiser zu neuen Feldzügen.
Um die Mittel dazu aufzubringen, verkaufte er seine Kostbarkeiten und
Kunstschätze, bewaffnete Sklaven und Sträflinge, und nahm sogar zur
Wahrsagerei seine Zuflucht. Auf den Rat eines ägyptischen Wahrsagers
ließ er zwei Löwen über die Donau treiben, um die Barbaren durch diesen
Anblick zu erschrecken. Allein die Germanen hielten die Löwen für große
Hunde und schlugen sie mit Prügeln tot. In einer bald darauf folgenden
Schlacht töteten sie 20000 Römer.

Auf einem seiner Feldzüge stand der Kaiser mit seinem Heere diesseits
der Gran, eines Nebenflusses der Donau in Ungarn, in einer wasserlosen
Gegend, rings von Feinden eingeschlossen. Er und alle die Seinen waren
dem Verschmachten nahe, als plötzlich ein Gewitter mit Regengüssen
erfolgte und die Erschöpften, die den Regen in ihren Schildern
auffingen, erfrischte. Nach einer christlichen Legende war der
Gewitterregen eine Folge des Gebets der zwölften Legion, die meist aus
Christen bestand, während römische Berichte ihn dem Gebete des Kaisers
zuschrieben. Es war dem Kaiser nicht vergönnt, den Krieg gegen die
Markomannen und Quaden zu beendigen. Er starb zu Vindóbona (Wien).
Sein unwürdiger Sohn +Commodus+ (180-192) erkaufte von ihnen einen
schimpflichen Frieden.



XXXV.

Bis zum Ausgange des weströmischen Reiches (180-476).


Mit Marcus Aurelius schließt die Reihe der guten Kaiser. Zwar folgte
noch eine große Anzahl von Imperatoren nach ihm, von denen aber nur
sehr wenige verdienen hier erwähnt zu werden. Die innere Zerrüttung des
Reiches, der Verfall der Sitten, die Schwäche nach außen nahmen immer
mehr zu, und es zeigte sich in jeder Beziehung, daß die +römische Welt
sich ausgelebt hatte+. Ein anderes Volk war berufen an ihre Stelle zu
treten, das morsche Gebäude des römischen Reiches zu zertrümmern und
Träger des Christentums zu werden. Dieses Volk waren die +Germanen+.

Aber noch ehe die Germanen das alte Reich in den Staub traten,
feierte das Christentum einen vollständigen Sieg über das Heidentum.
+Konstantinus der Große+[1] (306-337) gewährte dem Christentum die
staatliche Anerkennung. Damit hörten die Verfolgungen der Christen
auf, und der Glaube an den Erlöser, zu dem sich Konstantinus selbst
bekannte, verbreitete sich immer weiter. Auch ward die Regierung dieses
Kaisers noch dadurch von großer Bedeutung, daß er die Residenz von Rom
nach Byzantion verlegte, das ihm zu Ehren den Namen Konstantinopolis
erhielt.

Nach seinem Tode waren noch nicht vierzig Jahre verstrichen, als durch
die Ankunft der Hunnen, die aus Asien in Europa einfielen, der Anstoß
zur sogenannten +Völkerwanderung+ gegeben wurde (375). Seitdem hörten
die Angriffe der Germanen gegen das römische Reich nicht mehr auf,
und nur mit Mühe vermochte der römische Kaiser +Theodosius der Große+
(378-395) die in das oströmische Reich eingedrungenen Westgoten zu
beruhigen. Dieser Kaiser vereinigte noch einmal das ganze römische
Reich unter seinem Szepter. Vor seinem Tode (395) teilte er das Ganze
unter seine Söhne +Honorius+ und +Arkadius+, von denen jener das
weströmische oder lateinische Reich mit der Hauptstadt Rom, dieser das
oströmische oder griechische Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel
erhielt. Die Feindschaft beider Brüder machte die Teilung zu einer
dauernden. Gegen das weströmische Reich richteten sich jetzt die
stürmischen Angriffe der Germanen, die nach und nach eine Provinz nach
der andern, Spanien, Gallien, Afrika und Britannien, davon losrissen,
bis endlich im Jahre 476 +Odoáker+, ein Anführer deutscher Soldtruppen,
den letzten römischen Kaiser +Romulus+ Augústulus absetzte und sich zum
Könige von Italien machte. Dadurch ward dem weströmischen Reiche ein
Ende gemacht, während das oströmische oder byzantinische Kaisertum im
Laufe des Mittelalters zwar immer mehr an Umfang und Macht verlor, aber
sich doch in der Hauptstadt erhielt, bis auch diese im Jahre 1453 von
den Türken erobert wurde.


  [1] Als Konstantin gegen +Maxentius+ in den Streit zog, betete er
      eines Nachmittags voll Andacht zu dem Gott der Christen. Da
      erschien ihm ein Zeichen am Himmel in Gestalt eines glänzenden
      Kreuzes mit der Inschrift: ~In hoc vinces!~ (In diesem Zeichen
      sollst du siegen!) Nachts erschien ihm Christus im Traum und
      befahl ihm dieses Sinnbild zum Kreuzespanier zu machen. Er
      ließ nun eine Kriegsfahne anfertigen, die seine christlichen
      Streiter mit begeistertem Mute erfüllte und ihm in der Schlacht
      an den „roten Steinen“ (~saxa rubra~) in der Nähe Roms den Sieg
      über Maxentius verschaffte (312). So erzählt ein christlicher
      Schriftsteller.


[Illustration]



Verlag von +Gerhard Stalling+, Oldenburg i. Gr.

Professor ~Dr.~ Ludwig Stacke’s Schriften.


Erzählungen aus der

    =Griechischen Geschichte=. =30.= Auflage. Gebd. 1 ℳ 90 ₰.

    =Römischen Geschichte=. =27.= Auflage. Gebd. 1 ℳ 90 ₰.

    =Mittelalter=. =17.= Auflage. Gebd. 1 ℳ 90 ₰.

    =Neuen Geschichte=. =14.= Auflage 2 ℳ 75 ₰, gebd. 3 ℳ 25
    ₰.

    =Neuesten Geschichte= (1815 bis zur Abberufung Bismarcks).
    =6.= Auflage. 5 ℳ 50 ₰, eleg. gebd. 6 ℳ 25 ₰.

Über Stackes „+Erzählungen aus der Geschichte+“ schreiben in ihrem
letzten Bande die in Berlin im Auftrage der historischen Gesellschaft
erscheinenden „Jahresberichte der Geschichtswissenschaft“ gelegentlich
der Besprechung von Volks- und Jugendschriften: „Hier sind in erster
Linie die Stackeschen Schriften zu erwähnen, die sich auch, wie ihre
hohen Auflagen zeigen, einer großen Beliebtheit erfreuen. An Rankes
und Beckers Weltgeschichte angelehnt, verstehen sie es, durch korrekte
Sprache und fesselnde Erzählungsform den Leser zu gewinnen und ihn in
jene gehobene Stimmung zu versetzen, welche die schönste Frucht der
Geschichtsbeschäftigung genannt worden ist.“

„Die fortgesetzten vielfachen Auflagen dieser vom echten Forschergeiste
und warmer Empfindung getragenen Geschichten beweisen mehr als alle
Anpreisungen den hohen Rang, welchen sie unter den zahlreichen
literarischen Erscheinungen ähnlicher Art einnehmen. Die Darstellung
ist in allen Richtungen anregend und frisch, die Form, meist
klassischen Mustern angepaßt, tadellos. Die Gunst der Lehrer wird
sicher diesen Büchern stets in steigendem Maße zu teil werden.“

    (Schlesische Presse.)

„Die Verlagshandlung und der als Oberlehrer am Gymnasium zu Rinteln
wirkende Verfasser sind zu diesem erfreulichen, +wohlverdienten+
Erfolge, den diese „+Erzählungen+“ erzielt haben, zu beglückwünschen.“

    (Wissenschaftl. Beilage d. Leipziger Zeitung.)

„Eine herrliche Lektüre, eingehend, belehrend und angenehm
unterhaltend. Die Schilderungen fesseln nicht bloß 12-15jährige Knaben
und Mädchen, sondern auch reifere Jünglinge und Jungfrauen, gebildete
Männer und Frauen. Auswahl und Darstellung ist vortrefflich. Die
zahlreichen Auflagen sind verdiente.“

    (Repertorium der Pädagogik.)


Hülfsbücher fürs die erste Unterrichtsstufe in der Geschichte.

      I. Teil. =Altertum.= =3.= Auflage Geh. 1 ℳ, geb. 1 ℳ 50 ₰.
     II. Teil. =Mittelalter.= =2.= Auflage. Geh. 1 ℳ, geb. 1 ℳ 50 ₰.
    III. Teil. =Neue Zeit.= =2.= Auflage. Geh. 1 ℳ 75 ₰, geb. 2 ℳ 25 ₰.

„Der Herr Verfasser hat aus seinen „Erzählungen“ einen Auszug
zusammengestellt, der sich zur Einführung in die Schulen, in deren
Unterklassen alte Geschichte behandelt wird, im hohen Maße eignet.
Die Vorzüge dieses Buches vor allen andern der Art bestehen darin,
daß nicht einzelne, für sich behandelte Erzählungen aus der alten
Geschichte gegeben werden, sondern der Verfasser gibt uns stets ein
Gesamtbild der alten Geschichte. Dabei ist der Einzelgeschichte und
dem geographischen Elemente überall die nötige Berücksichtigung zu
teil geworden. Wer längere Zeit in diesem Unterricht sich mit recht
schwachen Hülfsbüchern hat behelfen müssen, wird das Buch mit großer
Freude begrüßen; denn er findet in demselben alles das, was er als
wissenswert dem Gedächtnis des Kindes eingeprägt sehen möchte. Möge das
Buch den Schulen bestens empfohlen sein!“

    (Magazin für Lehr- und Lernmittel.)



Verlag von +Gerhard Stalling+, Oldenburg i. Gr.

Das beste Buch für die deutsche Jugend und das deutsche Volk!


Nordisch-Germanische

Götter- und Heldensagen.

Für die deutsche Jugend und das deutsche Volk

von

Gustav Schalk

3. Auflage

(mit Illustrationen).

Preis gebd. ℳ. 2.80.

„Mit Freuden begrüße ich jedes Werk, welches deutsche Mythologie und
Heldensage behandelt. -- Seit den dornenvollen Arbeiten von Jak. Grimm,
K. Simrock, W. Wägner u. a. hat sich das Interesse für die Religion
unserer Altvordern, für ihre Sitten, Anschauungen und Gebräuche
gesteigert. -- Eine edlere Begeisterung für die längst entschwundene
Welt unserer Altvordern ist es auch, der dieses Werk seine Entstehung
verdankt, welches wir als ein wohlgelungenes bezeichnen können. Es wird
sicher die Kenntnis der alten Vorzeit verbreiten und Begeisterung für
die Helden erwecken und so wieder Heldenmut und Edelsinn erzeugen. Die
Darstellung ist eine recht gewandte und die Gruppierung des Stoffes
ebenso geschickt. Den Glanzpunkt des Ganzen bildet die bezaubernd
schöne Frithjofsage, die nach Tegner erzählt ist. -- Wer kennt nicht
Ingeborg, die schönste Rose des Nordens, und Frithjof, die königliche
Eiche auf Nordlands Bergen? Schon diese +eine+ Sage macht das Buch
jedem Leser lieb und wert. Die Sprache des Verfassers perlt hier
gleichsam im Morgentau und Frühlingssonnenschein. -- Möge das Buch
zahlreiche Leser finden.“

    +Mainz.+

    +~Dr.~ Heinrich Haskamp.+
    (Rhein.-Westf. Schulzeitung.)

„Was dieses Buch vor manchen seinesgleichen ganz besonders auszeichnet,
das ist die durchweg knappe, klare und doch so poesievolle Darstellung,
der einfache, naive, meisterhafte Märchenton. Aus diesem Grunde sei das
vortreffliche, übersichtlich gehaltene Buch, welches sich für Schüler
aller Schulen als Nachlesebuch ganz vorzüglich eignet, aufs Wärmste
empfohlen.“

    (Westfälische Lehrer-Zeitung.)

+Se. Excellenz der General der Infanterie von Keßler+,
General-Inspekteur des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens, schreibt
der Verlagsbuchhandlung unterm 4. Dezember 1897 über das Buch: „Das
Kommando des Kadettenkorps, welchem ich das Buch mitgeteilt habe,
hat mit +Anerkennung+ in Aussicht genommen, das Buch mit benutzen zu
lassen.“



Verlag von Gerhard Stalling, Oldenburg i. Gr.


    =Harms, Prof. Chr., Rechenbuch für die Vorschule.= Heft I. 12.
    Aufl. kart. 50 ₰. Heft II, =13.= Aufl., kart. 80 ₰.


    =Harms, Prof. Chr., Kopfrechenbuch. Eine Anleitung zur Lösung=
    vieler angewandter Kopfrechenaufgaben. 1 ℳ. 50 ₰.


    =Harms, Zwei Abhandlungen über den Rechenunterricht.= 80 ₰.


    =Kallius, Prof. ~Dr.~, Die vier Species in ganzen Zahlen=, und =Das
    Münz-, Maß- und Gewichtssystem im Rechenunterricht=. =4.= Aufl. 1 ℳ
    20 ₰.


    =Lefèbre, Abriß der griechischen und römischen Geschichte für
    Quarta.= Preis 35 ₰.


    =Rechenbuch für Unterklassen von H. Friedrichs, A. Klusmann, F.
    Logemann.= =23.= Aufl. Bearbeitet von H. Friedrichs und C. Krüder.
    65 ₰.

    „Das angezeigte Rechenbuch ist eine methodisch geordnete
    Aufgabensammlung für die vier Species im Zahlenraume von 1-10000.
    Der betreffende Stoff ist reichhaltig und wohlgegliedert. -- --
    Somit wird in den Unterklassen ein guter Grund gelegt, auf welchem
    der Lehrer der Oberklasse mit Erfolg weiter zu bauen vermag.“

    (Schulblatt f. d. Provinz Brandenburg.)


    =Stacke, Prof. ~Dr.~ Ludwig, Abriß der Geschichte der Preußischen
    Monarchie= von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. =2.=
    Aufl. 1 ℳ.

    „Außerordentlich reich an Stoff, klar und lichtvoll in der
    Anordnung, anziehend und lebendig in der Sprache, anschaulich
    und malerisch in der Schilderung, kräftig und kernig in der
    Charakterisierung, durchdrungen von patriotischem Sinn und
    sittlichem Ernst, ist dieser „+Abriß+“ Lehrenden und Lernenden
    angelegentlichst zu empfehlen.“

    (Deutsche Schulzeitung, herausg. v. F. E. Keller, Berlin.)

    „Gleich den übrigen Geschichtsdarstellungen des Verfassers eine der
    ansprechendsten und gediegensten Arbeiten auf diesem Gebiete der
    Literatur.“

    (Pädag. Jahresbericht.)

    „Das Buch zeichnet sich durch allseitige Berücksichtigung der
    wichtigsten historischen Momente, durch volle Beherrschung des
    Stoffes, treffende und präzise Darstellung und durch warme
    Hingebung an die Sache des Vaterlandes ganz besonders aus, und wird
    für Schule und Haus, für Volksbibliotheken und als Prämie gleich
    gut empfohlen werden können.“

    (National-Zeitung.)



Verlag von Gerhard Stalling, Oldenburg i. Gr.


    =Stacke, Prof. ~Dr.~ Ludwig, Die französische Revolution und das
    Kaisertum= Napoleons I. Geschichtliche Übersicht der Zeit von 1789
    bis 1815. 660 Seiten. Geh. 4 ℳ 50 ₰.

    „Wir haben bereits eine große Menge Schriften aus den für Europa
    ewig denkwürdigen 26 Jahren gelesen, aber kaum eine unter ihnen
    gefunden, welche wie diese auf eine so weise und zweckmäßige Weise
    die gebotenen Quellen benutzt und den gegebenen reichhaltigen
    Stoff in so gründlicher Weise ausgearbeitet und mit einer
    so ruhigen Würde dem Publikum zur Beurteilung und Belehrung
    dargeboten hätte. Dabei ist der Stil prägnant und entschieden
    und die Darstellungsweise edel und männlich, würdig den großen,
    welterschütternden Begebenheiten der damaligen Zeit. Wir empfehlen
    darum auch das Buch, nicht als ob es etwas Neues, Unbekanntes
    enthielte, sondern vielmehr darum, weil wir das Bekannte und
    teilweise Miterlebte hier auf meisterhafte Weise wiedergegeben
    finden.“

    (Münchener Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik.)


    =Müller, Prof. E. R., Leitfaden der unorganischen Chemie für
    Gymnasien=, Realgymnasien, höhere Bürgerschulen, Seminare etc.
    Preis 60 ₰

    „Das Buch zerfällt in drei Abschnitte: ~A.~ Das Wichtigste aus den
    Hülfswissenschaften der Chemie, §§ 1-10, ~B.~ Methodischer Kursus
    der Chemie, §§ 11-23, ~C.~ Systematischer Kursus der Chemie, §§
    24-57. Diese Einteilung und die ihr entsprechende Durchführung
    machen das Buch zu einer vollkommen neuen Erscheinung in der
    chemischen Schulliteratur. Ganz besonders aber ist an ihm zu loben,
    daß die wichtigsten Lehren der Chemie in streng synthetischer Weise
    entwickelt sind. Die Darstellung ist präzis und klar.“

    (Zeitung f. d. höhere Unterrichtswesen Deutschlands.)


    =Müller, Prof. E. R., Planimetrische Konstruktionsaufgaben nebst
    Anleitung= zu deren Lösung für höhere Schulen. =5.= Aufl., kart. 1 ℳ

    „Diese Sammlung ist trotz ihres geringen Umfanges recht reichhaltig
    und durchaus methodisch angelegt. -- -- Sie empfiehlt sich durch
    zweckmäßige methodische Behandlung, durch Gedrängtheit und Schärfe
    des Ausdrucks und durch Korrektheit, auch des Druckes. Wir zweifeln
    nicht, daß sich das kleine Buch neben einem Lehrbuche, welches, wie
    das Kamblysche, den Aufgaben nur geringe Beachtung schenkt, recht
    geeignet erweisen wird.“

    (Zeitschrift f. d. Gymn.-Wesen.)

    „Wir haben es hier mit einem Büchlein zu tun, das ebenso durch
    seine Kompendiosität, als durch die äußerst übersichtliche
    Gruppierung des behandelten Stoffes unstreitig die Sympathieen
    des Lesers wachruft. -- -- Der Referent kam bei der Durchsicht
    des Büchleins zu der Überzeugung, daß die Benutzung desselben in
    wirksamer Weise den planimetrischen Unterricht beleben und fördern
    dürfte.“

    (Zeitschrift f. d. Realschulwesen.)


    =Müller, Prof. E. R., Lehr- und Übungsbuch der
    Elementar-Geometrie.= I. Teil (Quinta-Kursus). Geh. 40 ₰.



                            Verlagsanträge

                          aus dem Gebiete der

                         Schulbücher-Literatur

                                 sind

                         mir stets willkommen

                              und finden

                       +gewissenhafte Prüfung+.

              Oldenburg i. Gr.             Gerhard Stalling,
                                          Verlagsbuchhandlung.
                                            Gegründet 1789.





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