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Title: Stein unter Steinen Author: Sudermann, Hermann Language: German As this book started as an ASCII text book there are no pictures available. *** Start of this LibraryBlog Digital Book "Stein unter Steinen" *** produced from images generously made available by The Internet Archive) +------------------------------------------------------------------+ | Anmerkungen zur Transkription | | | | Gesperrter Text ist als _gesperrt_ dargestellt, Fettschrift als | | ·fett·, und Antiquaschrift als ~Antiqua~. | | Eine Liste der Änderungen befindet sich am Ende des Buchs. | +------------------------------------------------------------------+ Stein unter Steinen Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger Stuttgart und Berlin Hermann Sudermann: Geheftet ·Im Zwielicht.· Zwanglose Geschichten. 30. Aufl. M. 2.-- ·Frau Sorge.· Roman. 83. bis 87. Auflage M. 3.50 ·Geschwister.· Zwei Novellen. 27. Auflage M. 3.50 ·Der Katzensteg.· Roman. 61. bis 65. Auflage M. 3.50 ·Jolanthes Hochzeit.· Erzählung. 27. Auflage M. 2.-- ·Es war.· Roman. 38. Auflage M. 5.-- ·Die Ehre.· Schauspiel in 4 Akten. 32. Auflage M. 2.-- ·Sodoms Ende.· Drama in 5 Akten. 23. Auflage M. 2.-- ·Heimat.· Schauspiel in 4 Akten. 34. Auflage M. 3.-- ·Die Schmetterlingsschlacht.· Komödie in 4 Akten 9. Auflage M. 2.-- ·Das Glück im Winkel.· Schauspiel in 3 Akten 15. und 16. Auflage M. 2.-- ·Morituri:· Teja. Drama in 1 Akt. -- Fritzchen. Drama in 1 Akt. -- Das Ewig-Männliche. Spiel in 1 Akt. 17. Auflage M. 2.-- ·Johannes.· Tragödie in 5 Akten und 1 Vorspiel. 28. Auflage M. 3.-- ·Die drei Reiherfedern.· Dramatisches Gedicht in 5 Akten. 14. Auflage M. 3.-- ·Johannisfeuer.· Schauspiel in 4 Akten. 20. Aufl. M. 2.-- ·Es lebe das Leben.· Drama in 5 Akten. 20. Aufl. M. 3.-- ·Der Sturmgeselle Sokrates.· Komödie in 4 Akten. 15. Auflage M. 2.-- Die vorstehend verzeichneten Werke sind auch gebunden zu beziehen Preis für den Einband: in Leinen 1 Mark, in Halbfranz 1 Mark 50 Pf. Stein unter Steinen Schauspiel in vier Akten von Hermann Sudermann Elfte Auflage [Illustration] Stuttgart und Berlin 1905 J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger ~Copyright, 1905, by Hermann Sudermann~ Alle Rechte vorbehalten Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart Personen ·Zarncke·, Steinmetzmeister. ·Marie·, seine Tochter. ·Frau Homeyer·, Wirtschafterin bei Zarncke. ·Jenisch·, Buchhalter. ·Eichholz·, Nachtwächter auf dem Werkplatz. ·Lore·, seine Tochter. ·Lenchen·, deren Kind. ·Willig·, Polier. ·Göttlingk·, Steinmetz. ·Jakob Biegler·. ·Reitmaier·, Kriminalkommissar. ·Lohmann·, } ·Sprengel·, } Arbeiter. ·Struve·, } Bildhauer, Steinmetzen, Arbeiter. Mehrere Frauen und Kinder. _Ort der Handlung_: Berlin. _Zeit der Handlung_: die Gegenwart. Zwischen dem ersten und dem zweiten Akt liegen drei Wochen, zwischen den folgenden Akten liegt je ein Tag. [Illustration] Erster Akt Wohnstube bei Zarncke. In der Mitte des Hintergrundes Tür nach dem Hausflur. Auf der linken Seite Tür nach Wirtschaftsräumen. Auf der rechten Seite ein breites Fenster nach dem Werkplatz führend. Davor, um eine Stufe erhöht, ein Podium mit bequemem Lehnstuhl und Tischchen. Links vorne ein Sofa mit Sofatisch und Sesseln. Im Hintergrunde links von der Tür ein Tischchen mit Wandkonsole darüber, rechts von der Tür ein Bücherschrank. Altväterisch-behagliche Ausstattung. Stahlstiche, Photographien, gestickte Sinnsprüche an den Wänden. Pfeifenständer, Zigarrenschränkchen, Bauer mit Kanarienvogel etc. etc. Erste Szene _Zarncke._ _Marie._ _Jenisch_ ·Zarncke· (Sechziger, mittelgroß, stark ergraut. Bartfunzeln auf den Backen. Gutmütig-vergnügte Äuglein. Sprechweise -- mit Anklängen ans Niederdeutsche -- weich, bisweilen harmlos polternd, voll stillen Grüblersinnes) ·Marie· (Ende der Zwanzig, klein, bucklig. Fahle Krankheitsfarbe. Zwei schöne Augen voll wehmütig-lachender Güte. Gequetschte Sprache, bisweilen durch schweres Atmen unterbrochen. Bewegungen tastend, unsicher) ·Jenisch· (behaglicher, beschränkter Zahlenmensch) ·Zarncke· (mit Jenisch eintretend) Na, Miezelchen? ·Marie· (die im Lehnstuhl sitzt, aufleuchtend) Vaterchen! (Will aufstehen) ·Zarncke· Sitzen bleiben! Sitzen bleiben! (Tritt zu ihr hin und küßt sie auf die Stirn) Läßte dir die Maisonne in 'n Magen scheinen? Das is recht ... Na, Jenisch, was haben Sie da! ·Jenisch· Die neuen Sandsteinproben aus den Knauerschen Brüchen, Herr Zarncke. (Reicht ihm die kleinen Blöcke) ·Zarncke· (kratzt an den Rändern) Schreiben Sie man den Leuten, mein Kontorbedarf an Streusand sei vorläufig noch gedeckt. ·Jenisch· (lacht respektvoll) ·Zarncke· Zweite Post? ·Jenisch· Jawohl. (Reicht ihm ein Paket Geschäftsbriefe) ·Zarncke· (setzt sich an den Tisch und läßt die Kuverts durch die Hand gleiten) Nischt -- nischt -- nischt. (Ein Kuvert öffnend) Machen wir. (Ein zweites) Machen wir desgleichen. »Verein zur Besserung entlassener Strafgefangener«. Möchten sie mir mal wieder einen andeichseln? ... Na, wollen mal sehn ... (Legt das Kuvert beiseite und schiebt Jenisch die anderen Briefe hin) Zurück zur Beantwortung! ... Und wenn die Leute von der Polizei kommen wegen heute nacht -- das sag' ich besser draußen. (Zu Marie) Verzeih mal! (Öffnet das Fenster. Das klingende Geräusch der Meißelschläge, das Klirren der Flaschenzugketten, das Quietschen der Windewagen wird hörbar) Sie da! Willig! Polier! (Lauter) Polier! ·Stimme des Poliers Willig· Jawohl, Herr Zarncke! ·Zarncke· Wenn die Leute vom Kriminal kommen, lassen Sie sie gleich aufs Kontor führen. Ich will nicht, daß sie mir den Platz rabiat machen mit ihrem dummen Gefrage. ·Stimme Willigs· Jawohl, Herr Zarncke. ·Zarncke· (nachahmend) Jawohl, Herr Zarncke. (Schließt das Fenster, das Geräusch hört auf) ·Marie· _Mußtest_ du's denn anzeigen, Vaterchen? ·Zarncke· Ja, das frag' ich mich auch. Aber ich kann mir doch nicht zu nachtschlafender Zeit in meinen Magazinschlössern rumpulen lassen. Womöglich noch »Schön Dank« sagen ... Hören Sie mal, Jenisch, euch auf'm Kontor geht's ja eigentlich nischt an, aber wie denken Sie über den alten Eichholz? ·Jenisch· Ja, Herr Zarncke, wir meinen, er wird sich nich mehr lange halten lassen. Als Wächter. ·Zarncke· Na, als was denn sonst? ·Jenisch· Das weiß ich ja nich. ·Zarncke· Sinekuren gibt's nich bei mir auf'm Platz. Selbst mein Kanarienfritze hat sein Geschäft. Wenn der nich singt, dreh' ich ihm den Hals um. ·Marie· (lächelnd) Na, na. ·Zarncke· Was ist hier zu na-na-en! (Zärtlich) Du -- hä? ·Marie· (lacht) ·Zarncke· Der Alte hat seine dreißig Dienstjahre. Hat 's Geschäft groß werden sehen ... Wird mir schwer! (Pause) Abends, wenn er elfe gepfiffen hat, setzt er sich friedfertig auf einen Block, und dann sägt er los. (Ahmt einen Schnarchton nach) Und derweilen pulen mir die Herren Einbrecher in den Schlössern rum. Mir schwant so was, min Döchting, diese Instituschon is nich das richtige. ·Marie· (lacht) ·Zarncke· Also, Jenisch, ziehn Sie sich tapfer zurück. ·Jenisch· (lachend) Adieu, Fräulein Mariechen. ·Marie· Adieu, Herr Jenisch. Zweite Szene _Zarncke. Marie_ ·Zarncke· Dabei weiß ich genau, wer's gewesen is. ·Marie· Am Ende gar der -- --? ·Zarncke· Na natürlich. ·Marie· (lachend) Du weißt ja noch gar nicht, wen ich meine. ·Zarncke· _Du_ meinst den Struve. Und _ich_ mein' den Struve. Und draußen auf dem Platze meinen sie _auch_ den Struve. Aber weil sie mich nich blamieren wollen, tun sie, als hätten sie keinen Dunst ... Wozu hab' ich nu mal den Besserungspuschel? ... Wenn ich das Luder jetzt nich wieder raushaue, kriegt er zehn Jahre. ·Marie· Um Gottes willen! ·Zarncke· Fünfmal vorbestraft ... Davon zweimal mit Zuchthaus. Billiger tun sie's da nich ... Und so 'ne Seele von Mensch. Als die Steinmetzen neulich für den brustkranken Emil sammelten -- wo er doch als Arbeiter eigentlich gar nischt mit zu tun hat -- Wochenlohn blank auf den Tisch gelegt. Und muß mausen! ... Nämlich die Diamantsplitter in den neuen Zahnsägen haben's ihm angetan. Macht er dem Polizeimann dieselbe wehmutsvolle Gaunerschnauze, die er mir heute gemacht hat, dann sitzt er schon im Kittchen ... Ach, was hat man für'n Kreuz mit diesen Kerls! Immer wieder saust man rin. ·Marie· Na, manchmal auch nicht. ·Zarncke· Hm! Der Auschwitz war gut. Dem Blankmann hab' ich das Leben gerettet. Der Thiele hat sogar Karriere gemacht. Aber -- nee! -- nu Schluß! -- Ich nehm' nu nich _einen_ mehr, den mir der Verein zuschanzt. ·Marie· Na, na! ·Zarncke· Mariechen, ich schwör' es dir. (Das Kuvert aufnehmend) Und wenn dies hier -- ein Lämmlein is, mit Zucker bestreut, ich tu's nicht. (Das Kuvert aufreißend) Wollen mal gleich sehn! ·Marie· Weißt du, Vaterchen, dann lies lieber nicht. Nachher ist es ein interessanter Fall, und dann -- ·Zarncke· Kann's auch ungelesen zurückschicken. (Unschlüssig) Aber -- -- -- du, klingel mal, daß die Homeyer mir das Frühstück bringt. ·Marie· (klingelt) ·Zarncke· (die Papiere musternd, die in dem Kuvert stecken) Da is nu ein ganzes Schicksal drin. ·Marie· (bittend) Vaterchen, mach dir das Herz nicht schwer. Lies lieber nich. ·Zarncke· Man soll zwar keinen von seiner Türe weisen. Na, wie du meinst. (Legt das Kuvert hin) Dritte Szene _Die Vorigen. Frau Homeyer_ (Frau Homeyer, kraftvolle, hübsche Person, zu Anfang der dreißig. Energische Bewegungen. Haare kokett gelockt, mit einem Stich ins Gemeine) ·Frau Homeyer· (die Frühstückstablette mit belegten Brötchen und einer Rotweinflasche hereintragend) Schönen guten Morgen wünsch' ich. ·Zarncke· Wir haben uns ja heut schon gesehn, Homeyerchen. ·Frau Homeyer· Wenn auch. Ich sag' noch mal »Guten Morgen«. Das ziemt sich für mich. (Auf die Tablette weisend) Is alles gut so? ·Zarncke· Hm. Fein. ·Frau Homeyer· Fräulein Mariechen, was möchten Sie? ·Marie· Danke. Danke. ·Frau Homeyer· Is Ihnen heute wieder nich ganz frisch? ·Marie· Doch. Doch. ·Frau Homeyer· Nu sagen Sie doch. Ich will doch sorgen für Sie. Ich kann mir gar nich genug tun für Sie. ·Zarncke· Ja, ja, Sie sind eine Perle. ·Frau Homeyer· Herr Zarncke, ich kümmre mich um keinen Menschen sein Lob. Ich bin eine ehrbare Witwe. Wer so viel Leid durchgemacht hat im Leben, wie ich -- ach ja! ·Zarncke· Ihr vieles Leid is Ihnen aber ganz gut bekommen, hören Sie mal. ·Frau Homeyer· Ach ja. Ich hab' mir ganz gut konserviert. ·Zarncke· Und dann so die ehrbare Lebensweise. ·Frau Homeyer· (seufzend) Ja, ja. ·Zarncke· Hören Sie mal, Kindchen, noch eine Frage: Haben Sie vielleicht irgend was gehört, heute nacht? ·Frau Homeyer· Ja. Gehört hätt' ich wohl so einiges. -- Schritte und so. ·Zarncke· Warum haben Sie denn nichts davon gemeldet? ·Frau Homeyer· Hat mich ja keiner gefragt. Außerdem: ich geb' keinen an. Ich misch' mich nich in fremde Sachen. ·Zarncke· So -- das sind fremde Sachen für Sie? ·Frau Homeyer· Gott! Wo hab' ich denn gedacht, daß es gleich Einbrecher sind? ·Zarncke· Na, was denn sonst? ·Frau Homeyer· Ich hab' gedacht: es is eben Frühling, -- da werden die Mannsleute doll -- ·Zarncke· Und die Weibsleute auch. ·Frau Homeyer· Von mir können Sie so was nich sagen, Herr Zarncke. Von dem Tage an, daß mein armer sel'ger Mann -- ·Zarncke· Scht, scht, scht! _Wenn_, dann würd's auch nichts ausmachen. Na -- und? ·Frau Homeyer· Und der alte Eichholz schläft natürlich. (Mit Betonung) Und die Tochter schläft eben auch. Nu ja. ·Zarncke· Ach so! Das geht gegen die Lore! ·Frau Homeyer· Ich hab' nichts gesagt. Ich misch' mich in gar nichts. Laß das Fräulein Lore tun, was sie will. Es braucht nich jede so'n Wandel zu haben, wie ich. Aber schließlich läuft auf dem Werkplatz 'n kleines Mädchen rum. Vater unbekannt. ·Zarncke· Der Vater ist nicht unbekannt. ·Frau Homeyer· Ach ja, man nennt ja wohl so gewisse Namen. -- Warum heiratet er sie denn nich? ·Zarncke· Das geht mich nichts an. Und Sie auch nicht ... Was hast du, Mariechen? ·Marie· (die mit geschlossenen Augen in den Sessel zurückgesunken ist) Nichts, Vaterchen. Du weißt ja. Mir wird manchmal so grasgrün. ·Frau Homeyer· (die eilig ein Glas Wasser gefüllt hat) Glas Wasser, Fräulein Mariechen? Glas Wasser? ·Marie· (trinkt -- matt) Danke schön. ·Frau Homeyer· Sonst noch Wünsche? ... Nein. (Da niemand antwortet, ab) Vierte Szene _Zarncke. Marie._ Später _Lenchen_ ·Zarncke· Miezelchen! ·Marie· Verzeih schon, Vaterchen. Es ist wohl der Frühling. Der macht einem Kopf und Glieder so schwer. ·Zarncke· Ja, ja, es is der Frühling ... Selbst ich alter Knochen spür' ihn. Willst nich was essen? Wart, ich bring' dir. Der Doktor hat gesagt, du sollst eine sitzende Lebensweise führen, also führe du eine sitzende Lebensweise. (Setzt den Teller vor sie hin und nimmt ein Brötchen) Ganz lecker! Magst du das Frauenzimmer eigentlich? ·Marie· Ach Gott! ·Zarncke· Ich hab' sie so lieb, weil sie mich so hübsch anschwindelt. Bißchen Kuddelmuddel muß sein um einen 'rum, sonst weiß man gar nich, daß man lebt ... Jetzt läuft sie auch hinter dem Göttlingk her. Darum der Haß auf die Lore ... Ja, der Frühling! ... Und mit dem Arbeiten gar da geht's bei allen nich ... Sie pfeifen die Sonne an, und wenn sie Mittags auf den zwei Richtscheiten liegen, dann sind sie nich hochzukriegen. (Seufzend) Junges Volk! ... Übrigens, du! Zu der Amsel auf dem Kantinendach hat sich ein Weibchen gefunden. ·Marie· (freudig) Ach! Gott sei Dank. Dann wird sie sich nich mehr die Seele aus dem Leibe schreien ... ·Zarncke· Andere Leut' schweigen sich die Seele aus dem Leibe. ·Marie· (betroffen) Wie meinst du das? ·Zarncke· Na, is doch so ... Schadt nischt! Sein Geheimfach hat jeder. -- ·Marie· (hinaushorchend, ruft) Lenchen! (Sie öffnet das Fenster, der Lärm des Werkplatzes dringt herein, wie vorhin) Lenchen! ·Die Stimme Lenchens· (jubelnd) Tante Mariechen! ·Marie· Komm ans Fenster! Komm! ·Zarncke· Tante nennt sie dich? ·Marie· Soll sie nicht, Vaterchen? ·Zarncke· Ja, ja. Kommt auf eins 'raus. ·Marie· Na, kletter hoch! ·Lenchens· (Kopf erscheint in der Fensteröffnung) Tag, Tante Mariechen. ·Marie· Klettre, Katz! Klettre! ·Lenchen· Mußt helfen. ·Zarncke· (da Marie eine Bewegung macht, rasch) Nicht du! Ich, ich! (Zieht das Kind durch das Fenster herein und setzt es auf den Boden) ·Lenchen· (die Arme um Mariens Knie schlingend) Tante Mariechen! Tante Mariechen! ·Marie· (sie herzend) Willst 'n Bonbon oder 'ne Butterstulle? ·Lenchen· Butterstulle. ·Marie· (gibt ihr ein zusammengeklapptes Butterbrot) ·Lenchen· (setzt sich ihr zu Füßen auf die Stufe des Podiums und ißt unbekümmert) ·Marie· Und das soll nun 'ne Schande sein -- so ein Engelskind! ·Zarncke· Hättst wohl gern so 'n Stückchen Schande an dir? ·Marie· (inbrünstig) Ach so gerne, Vaterchen, so gerne! ·Zarncke· Tja! Vielleicht gibt sie's dir! ·Marie· So was zu fordern, hätt' ich nicht das Herz. (Streichelt die Kleine und spricht leise zu ihr) ·Zarncke· Tja! (Geht an den Tisch, trinkt ein Glas Rotwein, sieht verstohlen nach Marie, nimmt das Kuvert, reißt die Papiere heraus und beginnt zu lesen) ·Marie· (sieht es, lächelt und macht sich von neuem mit der Kleinen zu schaffen) ·Zarncke· (murmelnd) Zu mir will der Mensch? Warum will der Mensch gerade zu mir? (Steckt die Papiere heimlich ins Kuvert zurück und geht erregt im Zimmer umher) Was kann man da machen? Was -- ·Marie· (bittend) Vater! ·Zarncke· Was denn? ·Marie· Allen hilfst du! Jeder Verbrecher kann zu deiner Türe kommen. Hilf doch auch dem Kinde! ·Zarncke· Ja, leicht gesagt! ... Wie? ·Marie· Rede mit Göttlingk wegen Lore. ·Zarncke· Ich _hab_' mit ihm geredet. Zwingen kann ich ihn nicht. ·Marie· Erst wollt' er noch auf die Wanderschaft. Fünf Jahre ist er weg gewesen. Als Herr ist er wiedergekommen. ·Zarncke· Herr? ... Künstler! Künstler is er geworden. Dieser wüste Kerl kann mehr als ... Seinethalben braucht' ich gar keine Bildhauer mehr. Den schwierigsten Auftrag kann ich annehmen, seit er da ist. ·Marie· Vater, sprich mit ihm. Nun wird sie auch noch den Schmerz erleben mit dem Alten. Ich mag das Elend nicht mehr mit ansehn. ·Zarncke· Er sagt, er kann noch nicht. Er hat noch Höheres vor. ·Marie· Je Höheres er vorhat, desto schlechter wird sie ihm. ·Zarncke· Komm' ich ihm grob, dann wirft er mir den Meißel vor die Füße. Na und dann? ... Weißt du: Sprich du mit ihm. ·Marie· (erschrocken) Ich? ... Nein, nein, nein. ·Zarncke· Warum nicht? ·Marie· Vaterchen -- das -- kann ich nicht. ·Zarncke· Siehst du. Man kann manches nicht. (Es klopft) Herein. Fünfte Szene _Die Vorigen. Eichholz_ (Eichholz: Ende der Sechzig, knickbeinig, würdevoll-finster, mit militärischem Anflug, alter Schwadroneur, fast weißes, buschiges Haar, Rundbart mit ausrasierter Oberlippe, Bratenrock mit Ordensschnalle und eisernem Kreuz) ·Zarncke· Na Eichholz! Ausgeschlafen? ·Lenchen· (ihm entgegen) Großvaterchen! Großvaterchen! ·Eichholz· (will sie nicht sehen) ·Marie· Pscht! Lenchen! Komm her! Großvater hat keine Zeit. (Sie beginnt zu sticken. Das Kind spielt) ·Eichholz· Nja. ·Zarncke· Und so feierlich! Was is denn los? ·Eichholz· Herr Zarncke -- ich möchte -- freundlichst -- um meine Entlassung gebeten haben. ·Zarncke· (mit Marie einen erfreuten Blick wechselnd) Sieh mal an! ·Eichholz· Denn ich habe nämlich in Erfahrung gebracht -- daß die Steinmetzen behaupten -- _wollen_, daß ich gewissermaßen -- meines Amtes nicht mehr gewachsen bin. ·Zarncke· So? ·Eichholz· Denn im Punkte des Ehrgefühls, da laß ich mir nicht drankommen. Und wenn die Steinmetzjungens sich die Schnauze verbrennen, damit, daß sie nicht wissen tun, was ein gewissenhafter Mann ist, und was ein sehr tauglicher Mann ist -- ·Zarncke· Nu kohlt er wieder. ·Eichholz· Und was ein königstreuer Mann ist ... Und wo ich mir habe in Ihrem Dienste lädiert, daß ich mir habe nämlich die Schulterblattmuskeln ausgefallen. ·Zarncke· Ich weiß, ich weiß, ich weiß. ·Eichholz· Und wo ich da immer noch ein wollenes Fellchen, wie man so sagt, ein Puschemauchen, drum herumtrage, wegen den Reimantismus, wo ich mir auch im Dienste geholt habe. ·Zarncke· Ja -- so Nachts auf dem kalten Stein schl-- (sich rasch verbessernd) sitzen -- sitzen, das hält der Kräftigste nicht aus. ·Eichholz· Ich? Sitzen? ... Sitzen? Ich -- Nachts? Nu sagen Sie bloß noch, Herr Zarncke, ich hab' auch die Augen zugemacht, dann kann ich ruhig jehn, mir aufhängen. ·Zarncke· Na, na, na. Sagt ja keiner. (Zu Marie) Was fängste da an? ·Eichholz· Wo ich doch schon Kummer genug hab' -- mit meine Tochter -- und hier mit -- diese -- diese -- Mestize. ·Marie· (hebt erstaunt den Kopf) ·Zarncke· Wieso Mestize? ·Eichholz· Nu, was ein ungebührliches Kind is -- 's is ja schlimm, daß man das selber sagen muß, -- aber das is doch nich anders, das is doch eine Mestize. ·Zarncke· Ach, Sie haben wohl ein Indianerbuch gelesen? ·Eichholz· Ja, so Sonntagnachmittag, wenn ich 'n freien Momang habe, dann les' ich wohl sehr gerne in de Indianerbiecher. ·Zarncke· Nu hören Sie mal, lieber Eichholz, alter Kriegskamerad, wie wär's, wenn Sie sich mal 'n bißchen mehr Ruhe gönnten? ·Eichholz· Ja, ich bin aber ausgeschlafen so gegen zehne. ·Zarncke· (leise zu Marie) Kunststück! ... Nein, nein, ich meine zur Nachtzeit, Eichholz. ·Eichholz· Ja, wenn man das so ginge, Herr Zarncke. Aber was 'n gewissenhafter Wächter is und 'n tauglicher Wächter is, der hat Ohren, sag' ich Ihnen, der hört den Maulwurf graben zur nächtlichen Stunde, sag' ich Ihnen. ·Zarncke· Aber von Einbrechern haben Sie heute nacht nichts gehört -- hä? ·Eichholz· Hähähähä! Da lach' ick äwwer. ·Zarncke· (ernst) Heute nacht ist nämlich eingebrochen worden, Eichholz. ·Eichholz· (gekränkt) Fangen Sie nu auch so an, Herr Zarncke, wie die Steinmetzjungens? ·Zarncke· (ernst) Ich muß wohl, Eichholz. ·Eichholz· (versteht, fassungslos) Ach so! (Sein Gesicht verändert sich) ·Zarncke· (bittend) Nu sehn Se mal, alter Freund. Sie gehn auf die Siebzig. Nu schlafen Sie sich doch mal ordentlich aus. Im Bett. Verstehen Sie. Im ordentlichen Bett. ·Eichholz· (kläglich) Ich kann gar nich im Bett schlafen. ·Zarncke· Dann werd' ich Ihnen einen schönen, harten Granitblock in Ihre Schlafkammer schaffen lassen ... damit Sie Ihre Bequemlichkeit haben ... ·Eichholz· (brütend) Nja. ·Zarncke· Und Not sollen Sie auch nich leiden. Ich setz' Ihnen 'ne Pension aus ... Können auch wohnen bleiben ... Bei Tag schustern Sie 'n bißchen oder läuten die Pausen ab oder helfen Ihrer Tochter in der Kantine. ·Eichholz· Und gewöhn' mir das Saufen an. ·Zarncke· Sie werden doch nich. ·Eichholz· Herr Zarncke, ich bin ein Mann -- hochgeehrt -- ich hab' anno 70 immer mit am Offezierstisch gegessen. ·Zarncke· Na, na. ·Eichholz· Ja ... Ich bin nie 'n Fettschmecker gewesen und 'n Saufjee, ich hab' noch nich mal 'n Stückschen Käse ins Schnapsglas getunkt. ·Zarncke· Schmeckt ja auch gar nich. ·Eichholz· Das is nu Ansichtssache, Herr Zarncke ... Aber wenn man in eine so lausige Beschaffenheit versetzt wird, daß das Ehrgefühl im Menschen so sehr gekränkt wird, wo man doch von seinem redlichen Schustergewerbe nichts mehr übrig hat wie 'n paar Lederabfälle und zehn steifgewordene Finger ... und ehe man so'ne Schandpanksjohn annimmt ... ·Zarncke· Sie sind ja ein ganz beißiges altes Vieh, hören Sie mal ... ·Eichholz· Ich ... ich ... hab'... ich ... (Würgt) ·Zarncke· Na, na, Eichholzchen ... Nu si doch man wedder good, min Sähn. ·Eichholz· (befehlshaberisch) Lenchen! ·Marie· (ängstlich) Nein, nein, das Kind bleibt hier. ·Eichholz· Ich und Lenchen -- wir gehn jetzt aus'm Haus. ·Zarncke· Wenn Sie aus dem Hause gehen wollen, Eichholz, dann kann ich nichts dagegen haben -- das heißt, Sie werden sich ja noch anders besinnen -- ·Eichholz· Na, glauben Sie, geehrter Herr, ich werd's mit ansehn, daß irgend so ein hergelaufener Sch -- Schlump jetzt sagen kann, ich bin dem weggejagten Alten da -- sein Nachfolger. Das -- nee -- nee -- nee! Ich hab' noch 'ne kleine Nachrechnung, Herr Zarncke. Wegen ein paar reparierte Absätze, die schenk' ich Ihnen, Herr Zarncke. Ich arbeit' nich mehr für Sie ... Guten Morgen, Herr Zarncke. (Ab) Sechste Szene _Zarncke. Marie. Lenchen. Später Lore_ ·Zarncke· (verzweifelt) Na -- nu is er rabiat. Nu geht er sausen. -- ·Marie· Du warst milde genug, Vaterchen. ·Zarncke· Ja, wenn's Maschinen wären. Aber jeder is 'n Mensch. Jeder hat sein Schicksal. ·Marie· In sich, Vater. ·Zarncke· Wenn das wahr wäre, dann wär' ich nicht schon so vielen ihr Schicksal gewesen ... In sich! ... Spreu sind wir im Winde. Es kommt nur drauf an, von wo er bläst ... Na -- vielleicht kann man's an einem andern wieder gutmachen. (Nimmt die Papiere) Da wird heute einer kommen. So einen hatten wir noch nicht. ·Marie· Was hat er denn pekziert? ·Zarncke· Frag nicht. Nachher drückt's dich. ·Lores Stimme· (draußen rufend) Lenchen! Lenchen! ·Lenchen· (aufhorchend) Das is Mama. Ich will zu Mama. ·Marie· (das Fenster öffnend, durch das diesmal kein Geräusch hereindringt) Das Kind is bei mir drin, Lore. ·Zarncke· (nach der Uhr sehend) Alles still? Is schon Frühstückspause? ·Lores· (Kopf erscheint in der Fensteröffnung) Dank' schön, Fräulein Mariechen. (Zu Lenchen, die die Arme ausstreckt, sich vorbeugend) Na, hopp! ·Zarncke· Du kannst mal 'reinkommen, Lore. ·Lore· Wenn ich darf, Herr Zarncke. (Verschwindet) ·Marie· (schließt das Fenster und beruhigt Lenchen, die weinen will) ·Zarncke· Und findet sich der Mann hier 'rein -- der Mann von diesem Brief -- Biegler heißt er -- dann schick ihn nicht ins Komptor, dann laß mich lieber rufen. (Es klopft) Herein! ·Lore· (erscheint in der Tür) ·Zarncke· Du, Lore, ich muß dir was sagen: Vater is von heute ab -- ·Lore· (Mitte der Zwanzig. Hübsch, vollkräftig mit Spuren seelischen Leidens. Sprechweise bald ohne Grund erregt, bald scheinbar teilnahmslos. Bewegungen müde, schwerfällig, jäh in Leidenschaftlichkeit umschlagend. Helle, schlichte Sommerkleidung des Mädchens aus dem Volke, ein wenig über dem Habitus der Dienerin stehend) Ich weiß schon, Herr Zarncke. Es ging ja schon lang' nich mehr. ·Zarncke· Na, Gott sei Dank, daß ich mich bei dir nicht zu entschuldigen brauch'. ·Lore· Ach, Sie! (Beugt sich rasch nieder, um ihm die Hand zu küssen) ·Zarncke· Na, na, na! Und wegen Unterhalt, da -- (Beruhigt sie mit einer Handbewegung) Aber stell ihm die Kümmelflasche höher. Das rat' ich dir, Kind! (Klopft sie auf die Schulter. Ab) ·Lenchen· (die Arme hochhebend) Mama! Mama! ·Lore· (ihr mit dem Schürzenzipfel den Mund putzend) Ich hab' immer Angst, daß ihr ein Steinsplitter ins Aug' fliegt. ·Marie· Ach, sie passen schon auf. Sie haben sie ja alle lieb. ·Lore· Ja ... Die andern ja. -- Bloß der der nächste dazu is -- ·Marie· Er wird's nicht zeigen wollen. ·Lore· Gestern hat ihr einer 'ne Wippe zurechtgemacht. Und wie er vorbeikommt, da ruft sie ihn an, er soll sie schaukeln. Da hat er sie weggeschoben -- na wie? 'n jungen Hund schiebt man nich so. ·Marie· Das hängt anders zusammen, Lore. So schlecht ist kein Mensch. Und er sicherlich nicht. Sicherlich nicht. ·Lore· Wenn Sie alles wüßten, Fräulein Mariechen. -- ·Marie· Kannst ruhig »du« sagen. Es hört uns keiner. ·Lore· Ach, ich verdien's ja nich ... Warum rührst du mich an? Warum gibst du dich ab mit mir? (Verbirgt den Kopf an ihrer Stuhllehne) ·Marie· (sie streichelnd) Na, na, Lore. Als du so groß warst wie die, da hab' ich dich schon gestreichelt. Dabei lassen wir's auch. (Da Lenchen weinerlich dazukommt) Du, Lenchen, der weiße Bär ist ein Eisbär. Und den bind mal nu an die Leine. (Reicht dem Kinde eine Porzellanfigur und ein Garnknäuel) ·Lore· Ja, Lenchen, tu das. ·Lenchen· (fängt beruhigt von neuem zu spielen an) ·Marie· Und laß uns mal vernünftig reden. Was versteckst du dich? Warum sagst du nicht ganz offen, daß er der Vater ist? ·Lore· (verängstigt) Gott, wie kann ich denn? Er hat's doch verboten. ·Marie· Warum läßt es dir verbieten? ·Lore· Als er im Herbst von der Wanderschaft kam, da sagt' er zu mir: »Willst du, daß ich wieder eintrete auf dem Platz?« Ich glaub', ich hab' ihm noch die Hände geküßt in meinem Glück ... Aber eine Bedingung hatte er dabei. »Mund halten,« sagt' er, »daß keiner was erfährt.« ... Die's von früher wußten, waren inzwischen weg. Bloß der Polier ... Und das ist sein Freund. Vater hat er auch in der Tasche ... Und nun beiß' ich mir rein die Zunge ab Tag für Tag und denk': Endlich muß das Schweigen doch ein Ende nehmen. Aber es geschieht nichts ... Er kommt in die Kantine. Ganz vergnügt. Bloß nicht allein. Da hütet er sich. ·Marie· Was soll er zu dem allem aber für 'n Grund haben? ·Lore· (achselzuckend) Ich denk' mir, er hat eine andere im Sinn. ·Marie· (erschreckt, beklommen) Wen denn? ·Lore· Vielleicht hat er sich eine aus Mailand mitgebracht, vielleicht -- ach, wer kann wissen? ·Marie· (auf Lenchen weisend) Und du meinst, daß auf'm Platz keiner was ahnt? ·Lore· Die denken sich schon ihr Teil. Aber er tut ja doch mit allen, was er will ... Er ist mehr Herr auf dem Platz als der Polier. Da wagt keiner zu mucksen ... Und wenn er ihnen gar was vorsingt, was er da unten von den Weibern gelernt hat ... Darauf sind sie _rein_ doll ... ·Marie· (träumerisch) Ja, schön singt er! ... Ach, Lore, was bist du dumm! (aufschluchzend) Da spielt dein Kind! Dein Kind spielt da. Und du jammerst. ·Lore· (erschrocken) Mariechen! ·Marie· (sich zusammenraffend) Ach, es ist der Frühling ... Es ist der ... Der macht einen ganz ... Und du jammerst. ·Lore· (mit wehem Lächeln) Ich jammer' ja auch nich. ·Marie· Aber du schleichst 'rum und quälst dich mit deiner Schande. -- Schande! Was ist Schande? ... Unser Leib ist ein Tempel ... Und Gebären ist Gottesdienst ... Nur wenn der Tempel im Bau verpfuscht wurde, dann ist es schlimm ... dann kommt der Frühling, und das Amselweibchen baut, und man selbst ist schon Ruine. ·Lore· Du kannst auch noch glücklich werden, Mariechen. ·Marie· Ich möcht' schon ... Aber wer wird vorliebnehmen mit mir? ... Und ich bin so mutig da drinnen! ... Ich möcht' was verpflanzen von mir in dich. Daß du den Kopf wieder hebst. -- Nicht mehr wie 'n Stein bist in deinem Gram. ·Lore· (lacht bitter) ·Marie· (mit sich kämpfend) Du -- soll ich -- reden mit ihm? ·Lore· Du -- mit ihm? ·Marie· (nickt) ·Lore· (ohne Hoffnung) Ja, wenn du das willst. Aber noch nicht ... Wart lieber noch ... Vielleicht, daß er _doch_ -- ·Marie· (stockend) Es wird mir -- ja nicht -- leicht fallen ... Ich kenn' ihn ja auch kaum mehr -- den großen Herrn ... Aber wenn man was _sehr gerne_ will, dann wird man's doch auch -- können. -- Na, freut's dich gar nicht? ·Lore· (die Hand mutlos vor die Stirne legend) Ach! ... (Es klopft) ·Marie· Herein! Siebente Szene _Die Vorigen. Jakob Biegler_ (Jakob Biegler: Mitte der Dreißig, sehr dürftig, doch nicht schmutzig gekleidet, Hose von grauem Bauernvelvet, vielfach geflickt und zu kurz. Altes, blankgewordenes Jakett, gleichfalls geflickt, darunter braune Strickweste. Defektes Schuhwerk. Wäsche nirgends zu sehn. -- Gelbes, zermürbtes Gesicht mit scheuen Augen und kurzem, wildwachsendem Blondbart. Auftreten gedrückt, verhetzt, bisweilen in verzweifelte Rauheit umschlagend) ·Biegler· Guten Morgen. ·Marie· Sie wünschen meinen Vater zu sprechen? ·Biegler· Herrn Zarncke -- möcht' ich sprechen. ·Marie· Heißen Sie Biegler? ·Biegler· (betroffen) Ach so! -- Sie wissen schon. Na -- dann -- (Macht eine halbe Wendung zur Tür) ·Lenchen· (ist zu ihm gegangen und streckt die Hand empor) Guten Tag! ·Marie· (seinen Seelenzustand erkennend) Mein Vater hat gesagt, wenn jemand mit Namen Biegler kommt, dann möcht' ich ihn rufen. ·Biegler· (erleichtert) Ja, der bin ich. ·Lenchen· Nu sag doch: Guten Tag. ·Biegler· (sieht das Kind, ein leeres Lächeln geht über sein Gesicht. Er weiß nicht, was tun) ·Lore· (sie leise zurückrufend) Lenchen! ·Marie· Nehmen Sie's als gute Vorbedeutung, daß dies Kindchen Sie willkommen heißt. ·Biegler· (sieht sie groß an, versteht nicht) Erst -- muß -- ich -- Herrn Zarncke -- sprechen. ·Marie· (aufstehend) Lore, klopf, bitte, im Vorbeigehn bei Vater an (leiser) und bring dem was zu essen. Er hat's nötig. ·Lore· (nickt) Komm, Lenchen. (Mit dem Kinde ab) ·Marie· Nehmen Sie so lange Platz, bitte. ·Biegler· Ich kann auch stehen. ·Marie· (ab) Achte Szene _Biegler._ Dann _Zarncke_ ·Biegler· (alleingeblieben, wagt sich nicht zu rühren, nur seine Augen wandern umher) ·Zarncke· (mit Bieglers Papieren in der Hand) Guten Tag. ·Biegler· (in straffer Haltung, wie er's im Zuchthause gewohnt war) Melde Jakob Biegler. ·Zarncke· Is gut, is gut. Sie sind hier nicht im Gefängnis. Der Verein zur Besserung entlassener Strafgefangener hat Sie mir zugeschickt. Stehen Sie unter seiner Fürsorge? ·Biegler· Jawohl. ·Zarncke· Wie lange sind Sie 'raus? ·Biegler· Vier Monate zehn Tage. ·Zarncke· Fünf Jahre haben Sie abgemacht? ·Biegler· Jawohl. ·Zarncke· Wegen was? ·Biegler· (schweigt) ·Zarncke· Na -- wegen was? ·Biegler· (auf die Papiere weisend) Steht ja da drin. ·Zarncke· (fixiert ihn, um sein Schamgefühl zu prüfen) Da steht nur der Paragraph. Den kenn' ich nicht auswendig. ·Biegler· (verbissen) Na, ich sprech's nich aus. ·Zarncke· Dann werd' ich im Strafgesetzbuch nachsehn. ·Biegler· Wenn Sie wollen. ·Zarncke· (geht zum Bücherschrank, schlägt ein Buch auf und liest) Hm. Schlimm. Schlimm. ·Biegler· Schlimm. (Pause) ·Zarncke· Na, wie is es denn gekommen? ·Biegler· Wie das so kommt, wenn ein Weib dabei ist. ·Zarncke· Aha ... Haben Sie's gut gehabt in Sonnenburg? ·Biegler· Man war ja mit mir zufrieden. ·Zarncke· Ersparnisse gemacht? ·Biegler· Jawohl. Fünfundsechzig Mark fünfzig Pfennig. ·Zarncke· Noch was da? ·Biegler· Dann säh' ich nich so aus, Herr -- Zarncke. ·Zarncke· Hat der Verein Ihnen keine Arbeit besorgt? ·Biegler· Zweimal haben sie mich aufs Land geschickt. Einmal als Hofgänger, das zweite Mal als Kuhfutterer. ·Zarncke· Na -- und? ·Biegler· (schweigt) ·Zarncke· Ausgerissen? ·Biegler· (in erregter Verteidigung) Ich hielt nicht aus. Ich -- ich -- ich -- ·Zarncke· Dann werden Sie auch bei mir nich aushalten. ·Biegler· Ach, Herr Zarncke. ·Zarncke· Hier steht: auf Ihre besondere Bitte schickt man Sie zu mir. Was wollen Sie gerade bei mir? ·Biegler· (schweigt) ·Zarncke· Ja, wenn Sie nicht antworten ... Was sind Sie? ·Biegler· (zaudernd, nach innerem Kampfe) Steinmetz. ·Zarncke· Ach so! -- _Darum_! Hier steht doch -- Arbeiter. (Sieht nach) ·Biegler· Weil ich als Arbeiter gegangen bin. ·Zarncke· Warum denn? ·Biegler· Wer wird mich nehmen -- als Steinmetz? ·Zarncke· Sie hätten doch probieren können! ·Biegler· Probiert hab' ich genug. ·Zarncke· Und überall abgewiesen? ·Biegler· Einmal wurd' ich eingestellt ... Zwei Tag' später kam's 'raus. Da lag ich schon auf der Straße. ·Zarncke· Warum sind Sie denn nicht schon früher zu mir gekommen? ·Biegler· (schweigt) ·Zarncke· Wußten Sie, daß ich Strafentlassene nehme? ·Biegler· Ja, die Herren haben's mir gesagt. ·Zarncke· Wollten Sie nich? ·Biegler· (zögernd) Nein. ·Zarncke· Warum nicht? ·Biegler· (erregt) Nachher wird's doch nichts -- -- -- ·Zarncke· Und jetzt wollen Sie? ·Biegler· Als Steinmetz will ich auch nicht. Nich als Steinmetz. -- Wenn ich bloß 'ne Arbeitsstelle hätte, als Schleifer oder beim Flaschenzug, wo keiner was fragt. ·Zarncke· Ich werd' mit dem Polier sprechen. Wenn ich drauf besteh' -- Sie können auch als Steinmetz eintreten. ·Biegler· (verängstigt) Nein, nein, nein ... dann kommt's 'raus ... dann is wieder alles ... Bloß auf den Werkplatz will ich ... Bloß w--wenn ich den -- Klippelschlag hören kann. Bloß von weitem. ·Zarncke· Sie waren wohl ein _guter_ Steinmetz? ·Biegler· Ach! (Zuckt die Achseln) ·Zarncke· (voll wärmerer Anteilnahme) Hm. (Es klopft) Herein. Neunte Szene _Die Vorigen._ _Lore_ (mit einem Teller, worauf Butterbrot) ·Lore· Verzeihung, Herr Zarncke, Fräulein Mariechen hat befohlen. ·Zarncke· Essen Sie. ·Biegler· (gierig nach dem Teller sehend) Danke! Ich hab' -- keinen -- Hunger. ·Lore· (leise, mitleidig) Essen Sie nur. ·Biegler· (blickt sich scheu um, will ein Butterbrot nehmen, sieht Zarncke fragend an) ·Zarncke· Ja, ja, Sie dürfen. ·Biegler· (dreht sich der Wand zu und schlingt das Butterbrot herunter) ·Zarncke· Du, Lore, hol mal das Wasserglas. ·Lore· (holt das Wasserglas vom Nähtisch) ·Zarncke· (Rotwein eingießend) Bring ihm das. -- Übrigens: wie trägt's denn der Vater? ·Lore· Gott, Herr Zarncke, er schimpft ... Ja, was ich fragen wollte: darf er den Dienst noch tun, bis ein Nachfolger da ist? ·Zarncke· (mit einem Blick nach Biegler hin) Nachfolger hab' ich schon. ·Lore· (dem Blick folgend) Ach so. ·Zarncke· Gefällt er dir? ·Lore· Ach, is 'n armer Mensch! ·Zarncke· Sag's nicht, wie du ihn hier gefunden hast. ·Lore· Nein, nein. (Stellt das Glas neben Biegler, ab) Zehnte Szene _Biegler._ _Zarncke_ ·Biegler· (würgt eiligst den letzten Bissen hinunter und stellt sich in Positur) ·Zarncke· Sie dürfen auch 'n Schluck von dem Wein trinken. ·Biegler· Ja. (Äugt zweifelnd nach dem Glase) ·Zarncke· Haben Sie keinen Durst? ·Biegler· Erst geben Sie mir -- Wein zu trinken, und dann nehmen Sie mich _doch_ nich. Hä. ·Zarncke· Erst trinken Sie mal. ·Biegler· (dreht sich der Wand zu und trinkt zögernd, verstohlen) ·Zarncke· Auf den Steinmetzplatz _wollen_ Sie. Aber gewissermaßen im verborgenen. So daß keiner was erfährt, daß Sie keinem Rede zu stehen brauchen -- hä? ·Biegler· So was Schönes gibt's ja nich. ·Zarncke· Vielleicht _doch_. Wollen Sie Wächter werden bei mir auf'm Platz? ·Biegler· (in staunendem Nicht-glauben-wollen) Herr Zarncke! ·Zarncke· Na? ·Biegler· Das is doch 'n Vertrauensposten. ·Zarncke· Ja, das is es. ·Biegler· Da müssen manche sogar Kaution stellen. ·Zarncke· (bejahend) Hm ... Und wenn Sie Mittags ausgeschlafen haben, können Sie unter den Arbeitern mithelfen ... da fragt Sie keiner ... Na? ·Biegler· Wird ja nicht lange dauern -- ·Zarncke· Das wird ganz von Ihnen abhängen. ·Biegler· Dann kommen die Schutzleute -- und recherchieren ... Und dann is aus. ·Zarncke· Sie wissen doch, daß solange der Verein die Fürsorge für Sie übernimmt, die Polizei sich mit Ihnen nichts zu schaffen macht. ·Biegler· (fatalistisch) Die Schutzleute -- kommen doch. ·Zarncke· Zu mir nicht ... ·Biegler· Die Schutzleute kommen doch. ·Zarncke· So hören Sie doch. Hierher kommt kein Schutzmann recherchieren. Das hab' ich mir ein für allemal verbeten. Und daß die Herren vom Verein, wenn _die_ kommen, Sie nicht verraten werden, das können Sie sich doch denken. ... Na? ·Biegler· Das wär' ja ein solches Glück, wie man sich gar nich -- (Es klopft) ·Zarncke· (geht zur Tür und öffnet sie) Elfte Szene _Die Vorigen._ _Jenisch_ ·Zarncke· (ihm den Eintritt versperrend) Was gibt's? ·Jenisch· (vom Hausflur her) Verzeihung, Herr Zarncke -- die Polizei is da -- wegen -- ·Biegler· (zuckt heftig in die Höhe und macht eine unwillkürliche Bewegung, als wolle er sich verstecken) ·Zarncke· Is gut. Soll 'n Augenblick warten. Komme gleich. (Schlägt die Türe zu) Zwölfte Szene _Biegler._ _Zarncke_ ·Zarncke· Na ruhig, ruhig, ruhig! ·Biegler· (sich wild umschauend) Die Schutzleute kommen überall -- die -- ·Zarncke· Unsinn! Diese Nacht is eingebrochen worden bei mir. Deshalb kommen sie. Und eben deshalb sollen Sie auch Nachtwächter werden. Verstanden? ·Biegler· (würgend) Herr Zarncke -- ich muß -- ich -- dank' Ihnen auch schön fürs Glas Wein ... ich ... kann nich in Dienst ... ich muß -- wieder weg. ·Zarncke· (schüttelt den Kopf) Ja, zwingen kann ich Sie nich ... (Nach einem Schweigen) Haben Sie denn andere Arbeit in Aussicht? ·Biegler· (verneint) ·Zarncke· Wer nicht Arbeit hat von euch, wird abgeschoben von der Polizei ... Unbarmherzig ... Wissen Sie das? ·Biegler· (bejaht) ·Zarncke· Na und dann? ·Biegler· (zuckt die Achseln) ·Zarncke· Schließlich zieht der Verein auch noch seine Hand von Ihnen -- und was dann? ·Biegler· (zuckt die Achseln) ·Zarncke· (plötzlich seinen Ton ändernd) Nu komm mal her, min Sähn. Komm, komm, komm, komm. (Zieht ihn nach vorne) Bienchen hast du doch keine? ·Biegler· (schüttelt den Kopf) ·Zarncke· Na dann setz dir mal. (Zieht ihn in einen Stuhl) Du bist nu man büschen verbiestert, min Sähn ... Wat dir da im Kopp spukt, das will ich gar nich wissen ... Is auch ganz egal. Nu laß man schon büschen sorgen für dich. (Strenge) Und jetzt geschieht folgendes: Du kriegst mal zuerst 'n Anzug von mir ... ·Biegler· (an sich niedersehend, freudig) Ja, ja, ja, ja. ·Zarncke· Du, du hast ja gar nich mal 'n Hemde an! ·Biegler· (eifrig, voll Ehrgefühl) Jawohl -- hab' ich. (Reißt, um das Hemde zu zeigen, die Strickweste auf) Da! (Beschämt) Bloß -- Kragen hab' ich nich. ·Zarncke· Also das kriegste alles auch. Und 'n warmen Mantel. Denn Nachts is noch kalt ... Und dann kriegst du 'ne Pfeife und 'ne Schnarre. Und die Kontrolluhren, die bis zum Abend ankommen, die erklär' ich dir. Wohnen tust du drüben im Sägewerk. Und essen tust du in der Kantine bei der Lore, die dir das Butterbrot gebracht hat. Verstehste? ·Biegler· (wie vorhin) Ja, ja, ja, ja. ·Zarncke· Und nun kümmerst du dich um Dodt und Deiwel nich mehr. Und so wollen wir langsam wieder 'n Menschen aus dir machen. Hä? ·Biegler· (nickt willenlos) ·Zarncke· Na also. (_Der Vorhang fällt_) Zweiter Akt Der Werkplatz. Links das _Wohnhaus_ mit vorspringender _Veranda_ und einem Balkon darüber, zu dem aus dem oberen Stockwerk eine Glastür führt. Zu ebener Erde ein Fenster. Rechts die _Kantine_ mit einer Tür in der Seitenwand und einem nach der Rampe zu gerichteten Fenster, vor dem eine Bank steht. Hinter der Kantine, ein wenig vorspringend, das _Magazin_, mit einer Tür und einer daneben angebrachten Glocke. -- Im Hintergrunde rechtwinklig zum Magazin ein offener, von Holzpfeilern getragener _Schuppen_, der sich mit seiner Hinterwand an die senkrechte Erhöhung lehnt, welche den hinteren Teil des Werkplatzes bildet und zu der in der Mitte des Hintergrundes eine schmale Treppe emporführt. Links von der Treppe mehrere hochaufgestapelte Steinblöcke, welche die Höhe des hinteren Teiles übersteigen. Über einem der Stapel ein _Kran_. Eine schmale _Feldbahn_ zum Transport der Blöcke führt an den Stapeln, der Treppe und dem Schuppen vorüber quer über die Bühne. Blöcke liegen überall verstreut. An den Wänden des Schuppens und der Häuser stehen und hängen, wo nur ein Platz sich findet, Gipsmodelle: Figuren, Reliefs, Ornamentstücke. Die Veranda ist mit Schlingpflanzen bewachsen, ein Baum neigt sich über ihr Dach. Das Kantinenfenster schmücken Blumentöpfe. Den _Prospekt_ bildet eine großstädtische Häuserreihe, die jenseits der am Werkplatz entlangführenden Straße gedacht ist. Ein Kirchturm ragt aus der Ferne herüber Erste Szene (Beim Aufgehen des Vorhangs zeigt der Platz ein überaus reiches Arbeitsleben. Vor den Blöcken arbeiten _Steinmetzen_ oder _Bildhauer_, die ersteren mit blauer Schürze, die letzteren mit langem, weißgrauem Kittel und Papier- oder sog. Raffaelmütze bekleidet. Der Kran ist im Gange. Niedrige Wagen transportieren Blöcke vorüber. Hilfeleistende _Arbeiter_ in beliebigem Werktagsanzug. Mittagsstimmung) Vorne rechts _Göttlingk_ in Steinmetzentracht vor einem Blocke -- ein Gipsmodell daneben. Der Polier _Willig_ an einem anderen Blocke, messend. Unter den Arbeitern, die sich hinten zu schaffen machen, _Lohmann_, _Sprengel_, _Struve_ ·Göttlingk· (stämmig, mittelgroß, Stiernacken, blonder, schön geringelter Schnauzbart, Haar in geschniegeltem Bogen in die Stirn heruntergestrichen. Spielt den Kraftmenschen, großsprecherisch, übermütig, brutaler Charmeur. Er arbeitet mit Meißel und Klippel und singt dazu) Na -- nun kommt auch noch die Sonne angekrochen. He, ihr Zitronenschleifer da hinten, hab' ich euch nich gesagt, ihr sollt mir den Block in den Schuppen schaffen? -- Lohmann, Sprengel, ihr andern, immer 'ran! ·Willig· Du, Göttlingk, schnauz hier nicht so viel. Sag's lieber mir. ·Göttlingk· Du hast mir gar nischt zu befehlen, mein Sohn. ·Willig· Und du hast denen nischt zu befehlen. ·Göttlingk· Wenn sie so dumm sind und gehorchen. (Lohmann, Sprengel und ein dritter Arbeiter sind nach vorn gekommen) Da, wie sie anhampeln! Hab du sie man so an der Strippe wie ich. (Befehlshaberisch) Also nu los! ·Lohmann· Warten Sie man bißchen, hochgeborner Herr. Zehn Finger hat jeder zu verlieren. (Stemmt ein Brecheisen ein) ·Göttlingk· Brecheisen weg! Ihr werd't mir die Kanten abstoßen. ·Sprengel· Ohne Brecheisen geht's nich. ·Göttlingk· So? Hä! Wenn ihr man stramme Kerls wärt, ihr Volk ... (Faßt mit an) ~Uno~ -- ~due~ -- ~tre~! (Der Block rückt weiter) Na, geht's oder nich? ·Lohmann· Ja, wenn Sie so scheen ausländsch kommandieren! Sagst du zum Hund »kusch«, dann kuscht er. Bloß weil er's Franzesch so gern hat. ·Göttlingk· Noch mal: ~uno~ -- ~due~ -- ~tre~! (Der Block rückt wieder) Ja, ja, Kerlchens. Grips im Kopp und Marks in de Knochen. Das ist die Hauptsache. ·Lohmann· Und 's Messer im Sack nich zu vergessen. ·Göttlingk· Lassen Sie man mein Messer in Ruh, mein alter Sohn. (Zieht ein Dolchmesser aus einer Lederhülse, die er am Leibgurt unter dem Kittel befestigt hat) Das is dreikantig geschliffen. Das schlupft (schnalzt, das Messer vorstoßend, mit den Lippen) wie 'n Küßchen ... Tut gar nich weh. Will einer probieren? ·Willig· (der mißbilligend zugehört hat) Du -- Göttlingk! ·Göttlingk· (zu ihm herübertretend) Hä? ·Lohmann· (hinter ihm her, ingrimmig) So 'n Paradehengst! (Die andern lachen) ·Willig· Mach dich nich immer mit den Kerls gemein. Laß sie ihre Arbeit verrichten. Und damit gut! ·Göttlingk· (großspurig) Pöh! Ich bin nu mal so 'ne leutselige Natur. ·Willig· Mußte immer Bewunderer haben? ·Göttlingk· (wendet sich lachend zum Stein zurück und kommandiert weiter) Zweite Szene _Die Vorigen._ _Zarncke_ (ist aus der Veranda getreten) ·Zarncke· Polier! ·Willig· (respektvoll) Herr Zarncke. ·Zarncke· Is was zu melden? ·Willig· Nein, Herr Zarncke. ·Zarncke· Was tut der Kran da? ·Willig· Er holt die Quadern fürs Sägewerk. ·Zarncke· Bis morgen abend muß auch der Oberkirchner Block dort an der Treppe 'runtergeschafft werden, damit er Montag in Arbeit genommen werden kann. ·Willig· Sehr wohl, Herr Zarncke. ·Zarncke· Wie is die Verteilung heute? ·Willig· Elf Steinmetzen auf'm Platz, fünfzehn draußen auf'm Bau, vier Bildhauer auf'm Platz, sechs auf'm Bau. ·Zarncke· Wo is der Göttlingk heute? ·Willig· Da is er ja. ·Göttlingk· (den Stein betrachtend, dessen senkrechte mit Ornamenten bedeckte Seite jetzt oben liegt) Donnerschock! ~Per Bacco!~ Den ganzen Dreckplatz soll der Deiwel holen! Du, Polier, komm mal her. ·Zarncke· Was schimpfen Sie denn heute so wild um sich, Göttlingk? ·Göttlingk· (lüftet einigermaßen verlegen die Mütze) Verzeihung, Herr Zarncke, aber das soll wirklich der Deibel holen. Wie ich den Block drehen lass', da seh' ich, daß von gestern auf heute eine fremde Hand daran 'rumgemurkst hat. ·Zarncke· (stutzt, ein Verdacht steigt in ihm auf) Ach, Sie werden sich täuschen. (Tritt hinzu) ·Göttlingk· Weil mir das schon einmal passiert war, hab' ich mir zu Feierabend immer 'n Zeichen gemacht ... Da, bitte! ·Zarncke· (den Stein betrachtend) Von dem Blaustrich an? ·Göttlingk· Jawohl. ·Zarncke· (nachdenklich, lächelnd) Hm. So! -- Das is aber nich schlecht gemacht. Da ist Schwung drin. Wenn sich die Heinzelmännchen extra für Sie bemühen, Göttlingk! ·Göttlingk· Wenn ich das Heinzelmännchen treff', dann gibt's eins zwischen de Rippen ... Was is das für'n Nachtwächter, der Kerl, der jetzt Nachmittags hier 'rumschleicht, wenn er so was zulassen kann? ... Das ist schlimmer wie Einbruch. ·Zarncke· (der abzulenken sucht) Was hat denn der Nachtwächter damit zu tun? Wenn's finster is, kann man nich arbeiten. ·Willig· Verzeihung, Herr Zarncke. Um fünfe, da is es schon lang hell. ·Zarncke· (beruhigend) Ich werd' den Mann hernach mal fragen. ·Göttlingk· (murmelnd) Das besorg' ich schon selber. ·Zarncke· (mit Willig nach vorne kommend) Sagen Sie mal, Polier, wie macht sich der Nachtwächter im übrigen auf'm Platz? ·Willig· Der Mann ist fügsam und ordentlich und kann sich an Fleiß nicht genug tun. Aber -- schwach, Herr Zarncke. ·Zarncke· Tja! ·Willig· Und dann -- 'n bißchen sonderbar. ·Zarncke· Inwiefern? (Ringsum ertönen Mittagssignale) ·Willig· Er hält sich immer abseits. Gibt kaum Antwort. Manche fangen ihn schon zu verulken an. ·Zarncke· Dulden Sie das nich, Willig! ·Willig· Ja, da kann ich nich viel machen, Herr Zarncke. ·Zarncke· Warum läutet denn der Eichholz nich Mittag? Eichholz! ·Willig· (zur Kantinentür laufend) Eichholz! Dritte Szene _Die Vorigen_. _Eichholz_ ·Eichholz· (angeheitert) Haben bloß zu befehlen, Herr Zarncke! Wie der Blitz bin ich da -- ja! (Läutet die Glocke, die am Magazin hängt) ·Zarncke· (sieht kopfschüttelnd zu) ·Willig· Er is jetzt immer im halben Dusel. ·Eichholz· (sich umschauend) Na -- schläft der -- faule Hund -- noch? ·Zarncke· Möchten Sie nu mal den Frauen das Tor aufschließen? ·Eichholz· (brummend nach links) ·Willig· Nu geht er noch in die Destille! ·Zarncke· Is das ein Elend! Vierte Szene _Die Vorigen._ _Mehrere Frauen._ Später _Lore_ (Sämtliche Arbeiter haben ihre Werkzeuge niedergelegt, einzelne gehen zu den Wasserleitungshähnen, die im Schuppen angebracht sind und waschen sich. Andere holen dicke Butterstullen und Blechkannen hervor und beginnen zu essen. Frauen kommen von links mit Eßkörben und begrüßen ihre Männer. Einzelne haben auch ihre Kinder mitgebracht, die sich mit den Eltern um den Eßkorb gruppieren) ·Zarncke· (begrüßt eines und das andere, teilt Bonbons aus, wünscht den Frauen »Guten Tag« und spricht einige Worte zu den Männern) ·Lore· (erscheint in der Tür der Kantine und geht zu verschiedenen der Bildhauer und Steinmetzen) Bitte zu Mittag. -- Bitte zu Tisch. -- Zu Tisch möcht' ich bitten. (Lauter) Wem kann ich Bier 'rausschicken? ·Einzelne Stimmen· Hier. Ich. -- Mir eins. ·Lore· (zählt die Stimmen) ·Göttlingk· (betrachtet murrend seinen Block) ·Lore· (an ihn herantretend, leise zaghaft) Kommst nich auch, Eduard? ·Göttlingk· (sich umschauend, unwirsch) Hab' ich dir nicht gesagt, du sollst mich nich »du« nennen auf'm Platz? ·Lore· Verzeih! Ich hab' vergessen. (Zur Kantine ab) (Verschiedene Bildhauer und Steinmetzen gehn zur Kantine, darunter Göttlingk) ·Zarncke· Gehn Sie auch zu Tisch, Willig. Übrigens hören Sie mal: Mit dem Struve steht's schlecht. Den wird uns das Kriminal bald abholen. ·Willig· (achselzuckend) Ja. ·Zarncke· Ach, schicken Sie ihn mir mal, -- ja? ·Willig· (rufend) Struve! (Struve steht von einem hinteren Steine auf, wo er unbemerkt gesessen hat. Willig spricht im Vorbeigehn zu ihm und weist nach vorne, dann geht er in die Kantine ab) Fünfte Szene _Die Vorigen_ ohne _Willig_. _Struve_ (nach vorne kommend) ·Struve· (Mann in den Vierzigern. Ergrauendes Haar, blank und gelockt. Bartstoppeln. Verschmitzte Äuglein. Ein Zug drolliger Heuchelei um die Mundwinkel. Arbeitskleidung mit wollenem Halstuch und Holzpantinen. Trägt einen Deckelnapf in der einen, eine faustdicke Butterstulle mit Taschenmesser in der andern Hand. Bei dem Versuch, die Mütze abzunehmen, fällt ihm das Butterbrot auf die Erde) ·Zarncke· Sachte, sachte! Nu is die janze Pastete in den Sand gefallen. ·Struve· (das Butterbrot an den Hosen abwischend) Das macht nichts, Herr Zarncke. »Mit ne Ladung Sand -- schmeckt selbst 'n alter Strohsack pikant,« sagten wir immer uf de hohe Schule. ·Zarncke· Na, nu werden Sie ja bald wieder drinsitzen in Ihre hohe Schule. ·Struve· Ja, Herr Zarncke, was kann man machen? ·Zarncke· Mensch, wenn's mir nich so leid täte um Sie -- ·Struve· Nu haben Se man guten Mut, Herr Zarncke ... Mir hat's auch mal leid getan. Aber nu is schon egal. ·Zarncke· (leise) Na, sind Sie's nu gewesen oder nich? ·Struve· Herr Zarncke, wenn ich gleich hier meinen Totenschein in die Hand nehm' -- ·Zarncke· (lachend) So 'n Halunke wie Sie! ... Sie wissen doch, die Untersuchung geht weiter? ·Struve· Ja, die Polente schnüffelt ja alle Tage hier 'rum. ·Zarncke· Sagen Sie mal, können Sie nu wirklich keinen Zeugen dafür beibringen, wo Sie in den Stunden des Einbruchs gewesen sind? ·Struve· Was man so nennt: einen Aal-ibi, Herr Zarncke? ·Zarncke· Jawohl. ·Struve· Ja, sehn Sie mal, was 'n wirklich reeller Aal-ibi is -- der kost't nich unter fünfzig Mark. Wo soll ich fünfzig Mark hernehmen, Herr Zarncke? ·Zarncke· (lachend) So? ·Struve· So 'ne Brieder, die schon wegen Meineid verschütt jejangen sind, die tun's auch billiger ... Meechens auch. Aber die kriegen's vor Gerichte hernach mit die Heulerei ... Nee, das sind alles keine reelle Sachen. ·Zarncke· Na, und wenn sie Sie nu gleich mitnehmen? ·Struve· »Der Gerechte muß viel leiden,« so steht in de Psalmen geschrieben. ·Zarncke· Hören Se auf mit Ihre dämliche Muckerei. Glaubt Ihnen ja doch keiner ... Mensch, Mensch, wie hau' ich Sie nu 'raus? ·Struve· Hätten gar nicht anzeigen müssen. Sehn Se, nu sitzen Se drin, Herr Zarncke. ·Zarncke· (lacht) ·Marie· (das Fenster öffnend) Vaterchen, kommst nich zu Tisch? ·Zarncke· Gleich, Miezelchen ... Also ich werd' mal nachdenken. Vielleicht fällt mir noch was ein. ·Struve· Ganz wie Sie meinen, Herr Zarncke. ·Zarncke· Ulkiges Huhn! ... Hier haben Sie 'ne Zigarre. (Ab) ·Struve· Danke, Herr Zarncke. (Die Zigarre einsteckend) Ja, ja. Sie rüsten sich wider die Seele des Gerechten und -- (sieht, daß Zarncke inzwischen weggegangen ist) Ach so! (Setzt sich auf den vordersten Block, kratzt an seinem Butterbrot und fängt an zu essen) Sechste Szene _Struve. Lohmann._ _Sprengel_, _ein dritter Arbeiter_, die essend auf dem Block hinter ihm sitzen ·Lohmann· Na, wie lange werden sie dich deinen Knast Brot noch 'runterfuttern lassen, Struve, ehe sie dich inlochen? ·Struve· (achselzuckend) Ja. ·Lohmann· Nachher gibt's zu Mittag wieder »Rumfutsch« und »blauen Heinerich«. Ei weh. ·Struve· Kindersch, babbelt nich von so hohe Sachen. Das versteht ihr nich. ·Sprengel· Der tut sich noch dicke auf sein Zuchthaus. ·Struve· Nu ob. Da kommt ihr noch lange nich rin. Da sind bloß _feine_ Leute drin. Ja. ·Die Anderen· (lachen) ·Lohmann· Drum heißt es auch die hohe Schule. ·Struve· Jawoll. Da lernt man was. Hast du überhaupt 'ne Kleiderbürschte? Die hat mir der Staat immer franko geliefert. Aus lauter persönlicher Hochachtung ... Oder gar 'ne Zahnbürschte? Aber ich -- siehste! ... Kiek dir mal an, wie der Dreck an dir 'rumklebt ... Aber _wir_ machen dort zu Mittag immer Toi--lette. Und Handtuch tragen wir immer auf'n Arm, da laufen wir den janzen Tag mit 'rum. Vor lauter Feinheit. Ja. ·Die Anderen· (lachen) ·Struve· Überhaupt, was bist du hier? Und was bin ich hier? Und was sind wir alle hier? ... Dreck sind wir. Hoch über dir kommen erst die Steinmetzen ... und da hoch drüber die Bildhauer. Und denn _noch_ höher der Polier ... Und _denn_ gar erst ... ach! Dort hab' ich immer in de erschte Klasse gearbeit't ... Weiße Binde hab' ich tragen dürfen. Tischältster bin ich gewesen. Das is mehr wie der Polier. Das is wie 'n Jeneral ... Das kannste alles werden, wenn de ins Zuchthaus kommst ... Karri--ere kannste machen. Ja. ·Lohmann· (singt spottend) Liebes Kind, nu weine nich, Mittags jibt's den blauen Heinerich; Stehst du mit dem Schien auf du und du, Kriegste auch 'n halben Hering zu. ·Struve· Nu ja. Verdient euch mal erst 'n halben Schwimmling. Ihr geht hier zur Lore und schnauzt: Hering -- aber 'n milchernen -- mit Zwiebel -- viel Zwiebel ... janzen Berg Zwiebel, und dann schmeckt er noch nich mal ... Ich sag' euch: ... wollt ihr 'n wirklichen duften, leckern Schwimmling, da müßt ihr in de Anstaltsküche kommen. Die verstehn det Jeheimnis ... Da kitzelt euch die Schnauze von -- noch Abends beis Einschlafen. So viel scheener ist da alles. Ja. ·Lohmann· Wenn da alles so viel scheener is, wat machste denn nich wieder hin? ·Sprengel· Da hast _du_ doch freien Angtree. ·Struve· Kindersch, ick werd' euch mal was erzählen: Dicht an de große Außenmauer in Waldheim -- da steht nämlich 'ne alte Linde ... Und von de Fisintation aus, was nämlich der Arbeitssaal is, da siehste 'n janzes kleines Stückschen von ... Und von'n Spazierhof aus, wo du immer sechs Schritt hintern Vordermann herzoddelst, (stolz) bloß nicht wir von de erste Klasse, wir jingen natierlich immer zu zweie -- wenn du da -- und du huppst in die Höh', dann siehst wieder 'n andern Stückschen -- so sechzig bis achtzig Blätter, wodran du immer jenau wissen kannst, was für Jahreszeit is ... Und nun hat uns immer und ewig der Deibel geplagt, daß wir auch mal den _janzen_ Lindenbaum sehen wollten, denn der soll nämlich der scheenste Lindenbaum sein, wo's auf de Welt überhaupt jibt. Das soll schon in de Geschichtsbicher stehn ... Na, und wo nu endlich der Tag da is von de Entlassung, und wo einem das Herz bis in'n Kopp 'raufbummert -- und wo nu das innere Tor aufjeschlossen wird -- na, da is er nu -- und da is er 'n janz jemeiner oller, ekliger Lindenbaum. Na -- und so war denn hernach alles -- janze Freiheit. ·Lohmann· Nu -- wenn du das nu schon weißt? -- ·Struve· Was hilft da viel -- wissen. Der Mensch is 'n dämliches Vieh. Wie ich 's zweite Mal drinsaß, da war der olle, dämliche Lindenbaum noch viel scheener geworden. ·Die Anderen· (lachen) ·Sprengel· Ja, wenn's so is. ·Struve· Überhaupt -- ihr Schafsköppe mit eure sogenannte Freiheit! -- Geschunden! hin und her geschmissen! Liegste im Sonnenschein uf ne scheene Planke, kriegste den Holzbock in de Waden; haste keene Arbeit, kannste jehn den Chausseegraben austapezieren. Willste mal geradaus -- jeder Mensch will mal geradaus -- und als dir kommt nu 'ne verschlossene Tür in de Quere -- und du willst _doch_ geradaus, dann stecken sie dir ins Kittchen. Das heißt nu Freiheit. Kindersch, ick hust' auf eure Freiheit. Seine Ordnung muß der Mensch haben. Seine Ordnung hat der Mensch bloß allein im Zuchthaus. ·Die Anderen· (lachen) ·Struve· Mir hat überhaupt bloß _eins_ gefehlt. Dann wär' ich auch janz komplett jlücklich gewesen. ·Sprengel· Das war wohl eene Braut? ·Struve· Ne. ·Lohmann· _Zwei_ Brauten? ·Struve· Ne. ·Lohmann· Na was denn sonst? ·Struve· (träumerisch) Das war 'n Rasierspiegel ... Wenn ich _den_ noch hätt' gehabt -- -- Siebente Szene _Die Vorigen._ _Biegler_ (von rechts) ·Biegler· (in anständiger Arbeitskleidung. Sein Bart ist gestutzt, sein Aussehen gebessert, aber sein Benehmen noch scheu und unumgänglich, voll immer neu aufflackernden Mißtrauens. Er setzt sich auf die Bank vor das Kantinenfenster) ·Lohmann· Kiekt mal den da! ... Was _is_ das eigentlich für 'ne Sorte? Reden _tut_ er nich, »guten Tag« _sagt_ er nich. ·Biegler· (gewahrend, daß man sich mit ihm beschäftigt, unfreundlich, dumpf) Guten Tag. ·Struve· Na sagt ja. ·Lohmann· War auch danach. Guten Tag, hochwohlgeborener Herr Nachtrat! ... Kommen der Herr Dunkelmann 'n bißchen de Sonne revindieren? ·Sprengel· Mensch, nu red doch was! ·Biegler· Was soll ich reden? ·Sprengel· Mach doch 'n Witz. ·Biegler· Ich weiß keinen Witz. ·Lohmann· Der Kerl is trocken wie Galgenholz. ·Struve· Nu sag bloß, Mensch, wie amesierste dir nu so die lange Nacht über? Putzte de Sterne blank? Ziepste dir an de Barthaare? Wirfste de Meechens, wo auf de Straße vorbeigehn, Klamotten auf'n Kopp? ... Irgend was muß der Mensch doch zu tun haben de lange Nacht über! ·Biegler· Ach, ich hab' immer zu tun. ·Lohmann· Tranig is das Luder. ·Sprengel· Wat huckste da uf de Banke? Warum jehste nich ze Mittag? ·Biegler· Jetzt essen doch die -- Steinmetzen. Da kann ich doch nich auch essen. ·Lohmann· Nu dann komm doch mal her so lang ... Na -- los! ·Biegler· (erhebt sich zögernd) Was soll ich bei euch? ·Sprengel· Trink mal aus meine Buddel. Prost. ·Biegler· Danke. Ich trinke keinen Schnaps. ·Lohmann· Ach, du bist wohl auch so 'n Pinkelinker? So 'n Pumpengenie? ·Biegler· Sonst habt ihr nichts zu wollen von mir? ·Sprengel· Nu huck dir doch mal erst dal. (Zieht ihn auf den Block nieder) ·Lohmann· (weiterrückend) Setzen Sie sich ruhig in die Sonne, verehrte Schattenpflanze. (Lachen) ·Biegler· Ich tu' dir doch nichts, warum uzt du mir? ·Lohmann· Ich uz' dir doch gar nich. Ich schmeichel' mir bloß so an dir ran. ·Struve· Sag mal, Mensch, was biste vorher gewesen? Eh' du hier Nachtwächter wurdst? ·Biegler· (erschreckend) Ich? -- Ich bin Arbeiter. ·Lohmann· Kirschenpflücker vor de Wintermonate -- hä? ·Struve· Du kommst mir nämlich so bekannt vor, weißte. ·Biegler· (angstvoll) Ich -- dir? Nee -- daß ich nich -- ·Struve· Nich, als ob ich dir kennen tu'. Aber du hast so 'ne Art ... Bei uns in Waldheim da hatten wir so 'n paar. Wir nennten se immer »de blamierten Förschten«. -- Du, wo liegt denn dein Förschtentum? ·Lohmann· Markgraf von Brandenburg, Fürstbischof von Moabit, Edler Herr von und zu Sonnenburg. ·Biegler· (zuckt zusammen) ·Lohmann· Du plinkst ja immer so mit 'n rechten Vorderarm. ·Sprengel· Laß ihm man in Ruh. Das is 'n guter Kerl ... der is bloß verschüchtert. ·Lohmann· (gutmütig) Ich mach' ja auch bloß 'n Witz. ·Struve· Da -- willste 'ne Zijarre? ·Biegler· (verblüfft) Wieso -- gibst -- du mir --? ·Struve· Kannst nehmen ... die is jut ... die hat mir der Alte vorher geschonken. ·Biegler· (noch immer verwundert, sein Gesicht erhellt sich) Na, denn dank' schön ... Ich werd' mir denn auch später -- revanschieren. ·Lohmann· (ihn auf die Schulter klopfend) Na, meinen wir's denn nu so beese? ·Biegler· (mit glücklichem Gesicht) Nee! Wahrhaftigen Gott nich! ·Lohmann· Na siehste! (Nach links weisend, wo Eichholz sichtbar wird) Aber vor dem Alten nimm dir in acht. Der is dir nich jrien. Achte Szene _Die Vorigen._ _Eichholz_ ·Eichholz· (vollends angetrunken) Ich bin ein Mann -- hochgeehrt, -- ich brauch' nich -- Kartoffelsuppe aus'n Steinguttopp -- fressen! Morjen, die Gesellschaft! Morjen, die hochgeehrte Gesellschaft! (Biegler bemerkend) Was? -- Was will der Hund? Der schmalbauchige Hund? M -- M -- Mantel hat er ihm geschenkt -- mit blanke Knöppe -- wie 'n Offezier! Was is der Kerl überhaupt? Wo kommt der verhungerte Kerl her? ·Lohmann· Das geht dir jar nischt an. Wenn er man seine Pflicht tut. ·Eichholz· Pflicht tut? Hähähä! Der is bloß zum Rausfuttern hier. Der is hier auf Eichelmast wie de Nuck-Nuck-Schweinchen. Wann hab' ich mal blanke Knöppe gekriegt? Kerl, durch was für Pfiffe und Kniffe bist du auf den Posten gekommen? Zieh mal vom Leder, du Hund! ·Biegler· Lassen Sie mich in Ruh. Ich habe mit Ihnen nichts zu tun. ·Eichholz· Was krauchste immer bei meine Tochter 'rum? Dir jibt se 'n Porzellanteller. Du wirst noch mal -- platzen -- wie 'n Bovist. Und dann wird man an dem Gestanke erkennen, wer du bist. Mensch, ich hab' 'ne Faust wie 'ne Ramme! (Dringt auf ihn ein) ·Biegler· (stößt ihn fort) ·Eichholz· (zurücktaumelnd) Was -- hauen -- tust du mir alten Mann? Neunte Szene _Die Vorigen._ _Göttlingk_ und _andere Bildhauer_ und _Steinmetzen_ ·Göttlingk· Was is hier los? ·Eichholz· (keuchend) H--h--hauen -- m--m--ir--! ·Göttlingk· Wer hat den alten Mann gehauen? ·Struve· Is ja alles Blech! ·Göttlingk· Werd' ich nu bald Antwort kriegen? ·Lohmann· (kleinlaut) Hier hat überhaupt keiner gehauen. ·Eichholz· (mit erhobener Faust) Der Hund! -- der verhungerte -- (Einige der Umstehenden führen ihn nach hinten) ·Göttlingk· Sieh mal an! ... Kommen Sie mal ran, Sie! ... Na? ·Biegler· Ich tu' hier, was ich zu tun habe. Sie gehn mich nischt an. ·Göttlingk· Das werd' ich Ihnen mal gleich beweisen. Eins -- zwei -- (pfeift) ·Struve· (leise) Da geh man schon. -- Jegen den Großschnauz kommste nich auf. ·Lohmann· (leise) Der sticht mit's dreikant'ge Messer. ·Göttlingk· Wenn ich »drei« sag' -- ·Biegler· (blaß, schwer atmend) Sie können -- ja auch zu mir kommen. ·Göttlingk· (pfeifend) Ich warte. ·Biegler· (in Erregung, zitternd) Da lassen -- sich man -- die Zeit -- nich lang werden. ·Die Anderen· (lachen) ·Göttlingk· (in Wut) Wer riskiert hier zu lachen? ... Soll ich meine Pfeife mit euch stoppen, Kerls? (Das Lederfutteral nach vorne ziehend) Soll ich euch mal die Hühneraugen barbieren? (Da Lohmann, Sprengel, Struve sich vor Biegler gestellt haben) Aus dem Weg hier! ·Lohmann· (sich umschauend) Wo is denn der Polier? ·Göttlingk· Jetzt bin ich hier der Polier. (Wild) Aus dem Weg hier -- oder -- ·Biegler· (vortretend) Laßt man. Wegen mir soll hier keiner Ungelegenheiten haben. -- ·Göttlingk· (befriedigt) Na, da hätten wir ja das Gewächse. (Setzt sich, raucht) Immer parieren, Kinderchen. ·Biegler· Also ich wär' ja nu da. ·Göttlingk· Das seh' ich. Was den alten Knackstiebel betrifft, den wollen wir mal auf sich beruhen lassen. Aber wir haben noch 'n Hühnchen zu pflücken, wir beide. Sie sind doch der neue, krumme Kerl von Nachtwächter? ·Biegler· Neu bin ich hier ... Krumm bin ich wohl auch. ·Göttlingk· (auflachend) Und Nachtwächter auch? ·Biegler· Ja. ·Göttlingk· Dann kieken sich mal hier diesen Block an. Na -- soll ich Sie bei den Ohren nehmen? ·Biegler· (stammelnd) Was -- is -- denn -- mit dem Block? ·Göttlingk· Sie sind verantwortlich für das, was hier über Nacht geschieht. Ich frag' Sie: Wer hat da an meinem Block rumgemurkst? ·Biegler· (sehr bestürzt) Das -- ·Göttlingk· Na? ·Biegler· Das -- weiß ich -- doch -- nich. ·Göttlingk· Seht euch mal das böse Gewissen an. ·Struve· (leise) Nu sei doch frech! Schmeiß ihm doch Staub ins Gesichte. Zehnte Szene _Die Vorigen. Frau Homeyer. Marie_ ·Frau Homeyer· (geht quer über den Platz zu der Gruppe hin) ·Göttlingk· (sich rasch vom Wüterich in den Schwerenöter verwandelnd) Oi, da kommt ja hoher Besuch, feiner Besuch, pikefeiner Besuch. Nu, mein süßes, strammes Frau Homeyerchen, mein -- ·Frau Homeyer· (ihn abwehrend) Man wird schließlich nich mal mehr unbelästigt auf den Platz kommen können. ·Göttlingk· Aber Kindchen, Puppechen! Sie waren doch sonst nich so. Ich hab' Ihnen doch manches liebe Mal in Ihren warmen, sanften Oberarm gekniffen. ·Frau Homeyer· Und haben immer noch von mir auf die Finger gekriegt. ·Göttlingk· Aber gelächelt haben Sie dazu -- so sieß! (Schmachtend) Ach, wie so sieß! ·Frau Homeyer· Ach, Sie sollten sich was schämen. Dort vor der Tür steht das Fräulein. Das will Sie sprechen. ·Göttlingk· Das Fräulein -- mich? -- Mich -- das --? So! Na! Sie, Nachtwächter, Sie können abrutschen. Aber Sie werden mir noch Rede stehn. Verstanden? -- ·Lohmann· (leise) Hab man keine Bange vor dem! ·Struve· (leise) Und wenn du für irgend was 'n Zeugen brauchst, ick beschwör' alles ... Unbesehn. ·Biegler· Ich dank' euch schön. ·Göttlingk· (dreht eitel seinen Schnurrbart) Na, bin ich nu nobel genug fürs Fräulein? (Geht nach vorne links) ·Frau Homeyer· (schaut verliebt hinter ihm her, einer der Steinmetzen umfaßt sie von hinten, sie schlägt nach ihm, die andern lachen, sie geht nach links) ·Biegler· (nach der Kantine ab) Elfte Szene _Marie. Göttlingk._ Die anderen im Hintergrund ·Marie· (ist bebend die Stufen heruntergestiegen und streicht sich, wie um sich Mut zu machen, mit der Hand übers Gesicht) ·Göttlingk· (linkisch, mit durchbrechender Frechheit) Mahlzeit, Fräulein. ·Marie· (tonlos) Gesegnete Mahlzeit! ·Göttlingk· Möchte mir die ergebenste Frage erlauben, womit ich dem Fräulein dienen kann? ·Marie· Herr Göttlingk, Sie sind lange weg gewesen. ·Göttlingk· Jawohl, bißchen de Welt besehen. Aber nu bin ich schon lange wieder da. ·Marie· Das freut mich, daß Sie wieder da sind, Herr Göttlingk. ·Göttlingk· Nu, das is ja höchst schmeichelhaft für mich. Danke schön. ·Marie· (rasch, ängstlich) Nein, nein, der Lore wegen. ·Göttlingk· Der Lore wegen. Ach so ... Na, das geht so seinen Weg. ·Marie· Was für 'n Weg, Herr Göttlingk? ·Göttlingk· Wissen Sie was, Fräulein Mariechen? Beunruhigen Sie sich darüber nicht. Da sind Sie viel zu fein zu. -- Das sind solche Geschichten. ·Marie· Sie wissen wohl gar nicht, Herr Göttlingk, wie lieb Sie die Lore hat? ·Göttlingk· Mädchen mit 'n Kind hat einen immer lieb. Dafür sorgt schon der liebe Gott. ·Marie· (ihn bestürzt anstarrend) Herr Göttlingk, so schlecht können Sie doch gar nicht sein. Wenn die andern auch sagen, Sie seien gewalttätig und -- Ich habe Sie immer für einen guten und edeln Menschen gehalten. ·Göttlingk· Na, macht sich! ·Marie· Und ich weiß, aus Ihrem Singen spricht ein weiches Herz. Ich habe Ihnen immer mit Freuden zugehört. ·Göttlingk· So? Na, ich hab' auch sozusagen immer extra für Sie gesungen, Fräulein Mariechen. ·Marie· (tödlich erschrocken) Wieso -- für -- mich? ·Göttlingk· Nu, weil ich schon weiß, daß Sie dann immer 's Fenster aufmachen. Also müssen Sie's doch gerne haben. Ich tu' immer, was Sie gerne haben. Jawohl. Mach' ich. ·Marie· (außer Fassung) Es handelt -- sich hier -- aber gar nicht -- um mich. ·Göttlingk· (in trumpfender Männlichkeit) Warum eigentlich nich, Fräulein Mariechen? Warum soll es sich nich auch 'n mal um Sie handeln? ·Marie· (sprachlos, ratlos, schließt für einen Augenblick die Augen, dann -- da sie Zarnckes Stimme in der Veranda hört, eilt sie hilfesuchend auf ihn zu) Vaterchen! Vaterchen! ·Göttlingk· (seinen Schnurrbart drehend) Sieh mal an! Sieh mal an! (Geht nach hinten) Zwölfte Szene _Die Vorigen. Zarncke. Kriminalkommissar Reitmaier_ ·Zarncke· Na, was denn, Miezelchen? (Ruft) Frau Homeyer! (Sie hängt in seinem Arm, er streichelt ihre Wange und übergibt sie dann Frau Homeyer, die für einen Augenblick in der Tür erscheint) Sie werden entschuldigen, Herr Kommissar! Sie is 'n bißchen kränklich ... ·Reitmaier· (Mann Mitte der Vierzig, rund, breitschultrig, strohblonder Schnauzbart, Pincenez. Gemachte Jovialität, die gelegentlich in brutale Schärfe umschlägt. Ein wenig Bierbruder mit Ausblick zum Offiziertypus) Ach, es ist mir ja immer höchst fatal, wenn ich so das Privatleben der Herrschaften stören muß. Ich werd' Sie auch nicht lange aufhalten. Ich bin nur beauftragt worden, mal 'n bißchen nachzuhören, was mein Kollege vom Revier da -- -- Haben Sie man keine Bange. Ich bin 'ne menschenfreundliche Natur. Ich mach' das alles gemütlich. Die Herren Spitzbuben -- die sind mir so wie 'ne große Familie. ·Zarncke· (erfreut, bewundernd) Ach -- ne -- wirklich? ·Reitmaier· (bieder) Ja, darf ich wohl sagen: Wie meine Familie! Na, kann man den Onkel mal 'n bißchen sehn? ·Zarncke· (rufend) Struve! ·Struve· (sich von einer Gruppe im Hintergrunde lösend) Jawohl, Herr Zarncke. (Leise) Ei weh, Kindersch. Da is der Reitmaier vom Präsidium. Das is 'n fauler Junge. (Kommt nach vorn) ·Reitmaier· (die Arme ausbreitend) Herr Gott, das is ja mein guter, alter Struve.... Na, lieber Freund! ·Struve· (gerührt) Ach, der Herr Kommissar! Ne, is das 'ne Freude! ·Reitmaier· Na, Menschenskind, wir haben uns ja so lange nich gesehn. ·Struve· Ja, Herr Kommissar. Es hat mir auch immer was gefehlt. ·Reitmaier· Nu sagen Sie mal, alter Sohn, was _haben_ Se denn nu wieder ausgefressen? ·Struve· Herr Kommissar, es tut mir ja leid. Aber ich bin eben scharf in de Besserung. Diesmal kann ich wirklich nich -- nich -- dienen. ·Reitmaier· (überzeugt) Ja, ja, ja. Also, Sie sind's nich gewesen? ·Struve· Herr Kommissar, und wenn ich hier gleich meinen Totenschein in die Hand nehm' -- ·Reitmaier· Nich schon Totenschein! Pfui! -- Mann wie Sie muß leben! ·Struve· Aber wenn sich's machen läßt, Herr Kommissar, im Zuchthaus. Ja. ·Reitmaier· (zu Zarncke) Er is bitter gestimmt. (Beruhigend) Na, na, na, es is da bloß noch 'ne kleine Formensache. Nichts von Bedeutung! Ne! (Zieht sein Notizbuch) Sagen Sie mal, wo waren Sie denn nu in der Nacht? ·Struve· Ja, Gott, Herr Kommissar. Wo man so is. Uf 'ne Banke. Oder so. ·Reitmaier· (bedauernd) Warum _waren_ Se nu nich in Ihre Schlafstelle? ·Struve· Ja, warum _war_ ich nich in meine Schlafstelle? Hätt' ich gewußt, daß schlechte Menschen hier bei Herrn Zarncke einbrechen würden, hätt' ich mir gleich um halb zehne in de Klappe gelegt. Wegen den Aal--ibi. ·Reitmaier· Natürlich! (Leise) Das is 'n abgefeimtes Luder! -- Da Sie das aber selbstredend nicht wissen konnten, so gingen Sie zu -- in den bekannten Lehmannschen Keller, wo wir ja auch schon zusammen gesessen haben. Is da 's Bier immer noch so gut? ·Struve· Danke. Ja. Es jeht. ·Reitmaier· Da waren Sie bis -- zehn Minuten nach zwölfe. Und dann waren Sie mit Ihrem Freund Kuntze -- ja, wo waren Sie da? ·Struve· Ja, wo war ich da? Ich bin -- spazieren jewesen. ·Reitmaier· (klagend) Nämlich, denken sich mal, Ihr armer Freund Kuntze sitzt schon wieder feste! ·Struve· Das is dem Kerl recht. Der is zu dumm. ·Reitmaier· Aber es is doch schade. Na -- und als Sie sich dann getrennt hatten, was taten Sie dann? ·Struve· Ach, Herr Kommissar, ich bin so 'n weiches Jemiete. Ick hab' mir so, wie ick schon sagte, in'n Humboldthain bisken uf die Banke jesetzt. ·Reitmaier· Und gesprochen haben Sie mit niemandem? ·Struve· I wo wer' ick doch. Dabei kann man so leicht in schlechte Jesellschaft kommen. Ne. ·Zarncke· (triumphierend, leise) Den kriegen Sie nich! ·Reitmaier· Und dann sind Sie nach Hause gegangen. ·Struve· Ja, ick wollte eijentlich noch 'n bisken die Vögelchens singen hören. Aber ~pee à pee~ bin ick denn zu Hause jejangen. ·Reitmaier· (leise) Der Kerl hat ein Schwein. Weder die Stunde des Einbruchs noch die Zeit seines Heimkommens sind festzustellen. Aber -- -- (laut) Struve! ·Struve· Herr Kommissar! ·Reitmaier· Ja, noch eins. (Wieder leise) In dem Magazin -- haben Sie da Sachen von Wert? ·Zarncke· O ja. Da bewahr' ich unter anderm die Zahnsägen auf. ·Reitmaier· Und die sind wertvoll? ·Zarncke· Einige davon sind mit Diamantsplittern besetzt. ·Reitmaier· Ah! Wußte der Struve davon? ·Zarncke· (mit reserviertem Lächeln) Ja, das weiß ich nicht, Herr Kommissar. ·Reitmaier· Struve, wo ist hier das Magazin? ·Struve· Das Magazin? (Nach rechts weisend) Na da is es ja. ·Reitmaier· Was is denn da so drin? ·Struve· Was wird denn da so drin sein? Vielleicht überführen Sie sich mal, Herr Kommissar. ·Reitmaier· (schärfer) Wissen Sie, was Zahnsägen sind? ·Struve· Zahnsägen? Ja. Das sind Zahnsägen. ·Reitmaier· Wo werden die über Nacht aufbewahrt? ·Struve· (rufend) Du, Lohmann, wo werden doch die Zahnsägen aufbewahrt? ·Reitmaier· (ärgerlich) Sie haben hier zu antworten und keine Fragen zu stellen. ·Zarncke· (auf die Umstehenden weisend, von denen sich einige allgemach näher herangedrängt haben) Stören Sie die Leute, Herr Kommissar? ·Reitmaier· Durchaus nicht. Durchaus nicht. (Leiser) Sie sehn übrigens -- (zu Struve streng) treten Sie mal zurück! -- (leiser) daß an das Subjekt nicht 'ranzukommen ist. ·Zarncke· (zaghaft, bittend) Ach, dann lassen Sie ihn doch laufen. ·Reitmaier· Nu ja, _Sie_ sind ja bekannt dafür, daß es Ihnen Vergnügen macht, dergleichen Volk bei sich unterkriechen zu lassen. ·Zarncke· Vergnügen? Es is wohl mehr eine Abbitte an den lieben Gott. ·Reitmaier· (immer noch leise) Weitere Verdachtsmomente als seine Bescholtenheit liegen nicht vor. Ich könnte jetzt noch die Leute hier vernehmen. Vorher aber möcht' ich mal an _Sie_ die Frage richten, ob Sie nach Ihren Beobachtungen den Kerl für verdächtig halten oder nicht? ·Zarncke· (verlegen) Ja, da is schwer -- ·Reitmaier· Trotzdem möcht' ich sehr bitten, der Wahrheit gemäß -- ·Zarncke· (in die Enge getrieben) Ja, ja, ja. Einen Augenblick. Polier! Geben Sie doch mal -- (spricht leise weiter) ·Willig· (der sich inzwischen unter den Umstehenden eingefunden hat, holt eine Anzahl Schlüssel aus der Hosentasche und reicht ihm einen davon) ·Zarncke· Struve! ... Sehen Sie mal hier diesen Schlüssel. Kennen Sie den? ·Struve· Ne. ·Zarncke· Das ist der Magazinschlüssel. Den übergeb' ich Ihnen hiermit. Verstehn Sie? ·Struve· Ne. ·Zarncke· Falls der Herr Kommissar Sie hier läßt, werden _Sie_ mir von jetzt ab für die Sicherheit der Sachen -- einstehn. Verstanden? ·Struve· Ne. ·Reitmaier· Erlauben Sie mal, Herr Zarncke! Was bedeutet denn das? ·Zarncke· Das ist meine Antwort, Herr Kommissar. Entnehmen Sie daraus, was Sie wollen. ·Reitmaier· Sie -- vertrauen -- _dem_ den --? Hähähä! Erlauben Sie mal. -- Hähähä. Pardon, das ist zu spaßhaft. (Immer lachend) Na dann will ich auch nicht weiter stören. Das kann dann mein Kollege vom Revier zu Ende führen! ... Aber wenn Ihnen man die Passion für solche schweren Jungens nich noch mal sauer aufstoßen wird ... denn außerdem haben Sie ja auch noch 'n Mörder bei sich. Und weiß Gott, was -- ·Zarncke· (sehr erschrocken) _Mörder?_ (Große Bewegung unter den Zuhörern, die sich während der Folgezeit über den ganzen Platz fortpflanzt) ·Reitmaier· Nu ja -- den -- ·Zarncke· (rasch, mit Nachdruck) Das ist ein Irrtum, Herr Kommissar. ·Reitmaier· Erlauben Sie mal -- ·Zarncke· (ihn bei Seite nehmend, erregt) Erstens ist der Mann nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags verurteilt worden -- ·Reitmaier· Menschenblut is Menschenblut. ·Zarncke· Menschenblut hat auch so einer in den Adern. Und das braucht ihm nicht unnütz vergiftet zu werden. Wissen Sie, daß Sie dem Manne, der sich zu mir gerettet hat, wie 'n Stück Vieh von der Schlachtbank, daß Sie _dem_ das Weiterexistieren auf dem Platze wahrscheinlich unmöglich gemacht haben? ·Reitmaier· Ich? Wieso? Bitte! ·Zarncke· (auf die erregten Gruppen weisend) Da sehn Sie! Die werden's bald 'raushaben, wer der »Mörder« ist. Anstatt hier rücksichtsvoll -- ·Reitmaier· (brutal) Ach was! Da müßt' ich viel Zeit haben, auf solchen -- Auswurf -- Rücksicht zu nehmen. ·Zarncke· Na, sehr verwandtschaftlich reden Sie nu gerade _nicht_ von Ihrer werten Familie. ·Reitmaier· Was für Familie? ... Ach so! (Scharf) Ich empfehle mich Ihnen, Herr Zarncke. (Ab nach links) Dreizehnte Szene _Die Vorigen_ ohne _Reitmaier_ ·Zarncke· (der einen Augenblick kopfschüttelnd dagestanden hat, laut) Hört mal, Kinder! Das -- mit dem -- Mörder -- das muß 'ne Verwechslung sein. Das -- ja --! ·Willig· (vor sich hin) Na na! ·Andere· (geben ebenfalls durch Mienen und Gebärden ihrem Zweifel Ausdruck) ·Zarncke· Struve! ·Struve· (der seinen Schlüssel kopfschüttelnd besehen hat) Herr Zarncke. ·Zarncke· Diesmal hab' ich Sie noch 'rausgehauen. Nu benehmen Sie sich auch darnach. ·Struve· Ja w-- w-- w-- ·Zarncke· Na was denn? ·Struve· Wenn nu gesetzten Falls -- und es is _doch_ nu ein anderer gewesen -- ·Zarncke· Sie, bilden Sie sich keine Schwachheiten ein .... Und? ·Struve· Und -- nu ja -- und der andere der kommt nu mal wieder -- -- ·Zarncke· Dann werden _Sie_ eingesteckt. Verlassen sich drauf. (Ab) ·Lohmann· (nach der Kantine weisend) Nu selbstverständlich is er's. Wer denn sonst? ·Sprengel· (nach Struve hin) An _den_ hat man sich schließlich gewöhnt, -- aber _Mörder_! Ne. ·Lohmann· Du, Struve, komm mal her. (Struve geht zu ihnen) ·Sprengel· Scht. Da is er. Vierzehnte Szene _Die Vorigen._ _Biegler._ Gleich darauf _Lore_ ·Biegler· (hat drei Zigarren in der Hand, die er besieht) ·Lore· (mit einem kleinen Teller, worauf noch eine Zigarre) Herr Biegler. ·Biegler· (sich umwendend) Ja? ·Lore· Sie haben doch _vier_ Zigarren bezahlt und bloß dreie genommen. ·Biegler· Ach so. Ja. Danke. (Nimmt die Zigarre) Es war ja auch noch 'n vierter dabei. (Mit glücklichem Lächeln) Ich hab' nämlich -- jetzt -- auch -- _Freunde_ hier. ·Lore· (erfreut) Ach, sehn Sie! ·Biegler· Ja. Freunde -- hab' ich. Drei Stück. Ja ... Und da will ich mich doch mit Zigarren revanschieren. Ja. ·Lore· Na sehn Sie. Hab' ich Ihnen nich immer gesagt: Es is nich so schlimm, -- sie tun Ihnen nichts? ·Biegler· Ja, ja, Fräulein! Wenn Sie mir nicht hätten immer Mut gemacht. ·Göttlingk· (herüberrufend) Sie, Lore, was machen Sie sich da mit dem Kerl zu schaffen? Das ist kein Umgang für Sie. -- Lassen Sie den mal hübsch laufen. ·Lore· (zusammenschreckend) Ja ... ja, ja. (Steht unschlüssig) ·Biegler· (die Zähne zusammenbeißend) Der kann mich nich leiden. Gehn Sie man schon ... Ich hab' ja auch noch -- _Freunde_. (Lore ab) (Er breitet seine Zigarren fächerförmig in der Linken aus und tritt zu Lohmann, der zuerst mit Struve gesprochen und dessen Gruppe sich dann aufgelöst hat) Du -- willste nich -- eine Zigarre von mir -- rauchen? ·Lohmann· (verächtlich) Nee. (Tritt von ihm fort) ·Biegler· (steht einen Augenblick wie erstarrt, dann geht er zu Sprengel, sehr zaghaft) Ach -- bitte -- ich hätt' -- ne Zigarre -- für -- ·Sprengel· Du kannst deine Zigarren für dich behalten. (Tritt gleichfalls von ihm fort) ·Biegler· (reibt sich fassungslos die Stirn; eine verzweifelte Wildheit kommt über ihn; er geht zu Struve -- voll Angst und Ingrimm) Du hast mir vorhin ne Zigarre gegeben -- ·Struve· (gutherzig abwehrend) Laß man! Laß man! ... Es is nich, weil ich stolz bin, weil ich nu den -- Magazinschlüssel hab' ... aber -- ich kann mir nich -- ausschließen, -- ich muß machen wie die andern. ·Biegler· Wa -- was hab' ich -- euch denn -- ...? ·Struve· Sag mal, wie alt bist du? ·Biegler· Vierunddreißig. ·Struve· Und da haben sie dich schon 'rausgelassen? So früh lassen sie einen wie du -- sonst doch nich los ... ·Biegler· (sieht ihn entsetzt an, wirft einen wilden, verängstigten Blick auf die ihn rings Beobachtenden und versteht) Ach so ... Ach so. ·Struve· (ist zu Lohmann zurückgetreten) Ich sag' euch bloß: det stimmt _nich_. ·Lohmann· Wer soll's denn sonsten sein? ·Biegler· (auf die Bank der Kantine sinkend) Ach so! (_Der Vorhang fällt_) Dritter Akt Die Kantine. Deren Wände sind aus Fachwerk gebildet. Die Decke ist niedrig und verräuchert. Auf der rechten Seite die Tür zum Werkplatz. Im Hintergrunde rechts das Fenster, im Hintergrunde links das Büfett mit einem Schanktisch davor. -- Auf der linken Seite eine Tür zu Schlafräumen. -- In der Mitte unter der Hängelampe ein Tisch mit Stühlen, links vorne ein Sofa mit Tisch und Stühlen, rechts vorne Tisch mit Stühlen. Vor dem Fenster Schustergerät. In der Ecke rechts hinten ein eiserner Ofen. Das Ganze trotz des ärmlichen oder vielmehr provisorischen Charakters sauber und beinahe freundlich. Blumentöpfe auf den Tischen und vor dem Fenster. Blitzblankes Gerät auf dem Schanktisch, darunter ein verzinkter Wasserwärmer. Plakate und Bilder ohne Rahmen sind als zufälliger Schmuck an die Wände geheftet. Die »Platzordnung« unter Glas und Rahmen hängt neben der Eingangstür. Über dem Büfett eine Uhr; neben ihm eine Mandoline Erste Szene _Lore_ hinter dem Schanktisch mit einer Handarbeit beschäftigt. Der alte _Eichholz_ auf dem Sofa schlafend. _Lenchen_ an dem Schusterschemel ·Eichholz· (schnarcht) ·Lore· Was machst du da, Lenchen? ·Lenchen· Ich spiel' mit Großvatern seine Schuhmacherspielsachen. ·Lore· Zerbrich ihm man nich seine Glasglocke. ·Lenchen· Nein, nein. ·Lore· (sieht nach der Uhr und geht dann zum Sofa) Vater -- Vater! ·Eichholz· (brummt aus dem Schlafe, ohne sich zu rühren) ·Lore· Vater, du mußt aufstehn. ·Eichholz· (im Halbschlaf) Wieso denn? ·Lore· Es is Sonnabend heute. Nach der Lohnzahlung -- du weißt ja -- dann wird's noch einmal voll hier. ·Eichholz· Ja, ja ... Na ja ... (Richtet sich auf und reckt die Glieder) Ich muß ja auch noch gehn, mir neues Verschmierpech besorgen. ·Lore· Laß doch, Vater, das eilt ja nicht. ·Eichholz· Nu ja. Ich arbeit' ja _doch_ nich. Ich bin 'n altes Faultier, sagt meine Tochter. (Rülpst) Dein Kümmel is das reine Rattengift. -- Meine Leber kriegt schon harte Stellen von. Ich muß mal baldigst gehn, mich an einen Mäßigkeitsvereine zu beteiligen. ·Lore· Ach ja, das wär' ganz gut, Vater. ·Eichholz· Wär' ganz gut. Wär' ganz gut. Was weißt du, was mir gut is? Ich freß nich mehr aus'n Steinguttopp. Das laß dir gesagt sein. ·Lore· Ach, das is ja alles Einbildung, Vater. ·Eichholz· Denn was bin ich? ... Stück Vieh auf'm Schindanger bin ich ... Wenn sie mich schon wegjagen tun um -- um -- um 'n Mörder. ·Lore· (abwehrend) Ach! ·Eichholz· Auf meinem Platz sitzt 'n Mörder. Das halt' ich nich aus. Da jeh' ich ins Wasser. Da nehm' ich eine Jiftpille zu mir. Und dann verkauf' ich mir an die Annetomie ... Damit du nichts zu erben kriegst, du Biest. Nich mal meinen Leichnam. ·Lore· (lächelnd) Ich will ja auch nichts, Vaterchen. ·Eichholz· Wenn du hättest Ehre in deinem Herzen, dann schmißt du den Kerl 'raus und scheuerst mit Karbol die Stelle, wo er gestanden hat. Statt dessen frißt er sich hier rund an deine Karbonade. ·Lore· Gönn ihm doch sein bißchen Essen, Vater. Und ob er wirklich _der_ is, von dem der Kommissär gestern gesprochen hat, das weiß ja keiner. ·Eichholz· Ich hab's immer gesagt: der Kerl hat Mörderaugen im Kopp. Heute is nu jeder so klug. ·Lore· Was sind denn Mörderaugen, Vater? ·Eichholz· Die sind wie beim Fisch. Da sitzt ein Stein drin. Und das is der Tod. Und wegen so einen -- haben sie -- mir -- (Weint) ·Lore· (mitleidig) Vaterchen! ·Eichholz· (weinend) Das halt' ich nich aus. Da werde ich verrückt von. Einer muß hin. Er oder ich. Tot oder lebendig. Der muß verrecken, der Hund, der Bluthund, der -- der -- (Kläglich) Ich hab' so 'n Leberstechen. ·Lore· Geh, leg dich aufs Bett, Vater. ·Eichholz· Das hat er mir schon mit seinen bösen Blick anjetan, daß ich nicht werde jenesen meines Leidens ... Ich hab' so 'n Leberstechen. (Ab) ·Lore· (sieht ihm seufzend nach) Lenchen, du bist ein kluges Kind. Geh mit Großvater. Und wenn er weint, dann ruf. ·Lenchen· Ja, Mamachen. (Von Lore zur Tür geleitet, ab. Es klopft) ·Lore· Herein! Zweite Szene _Lore._ _Marie_ ·Marie· 'n Tag, Lore. Du hast wohl schon sehr auf mich gewartet? ·Lore· (gedrückt) Ach! Jetzt hatt' ich schon aufgehört. ·Marie· Wußtest du's, daß ich gestern mit ihm gesprochen hatte? ·Lore· Die anderen erzählten sich's. ·Marie· Und du fragst gar nicht? Dachtst dir wohl schon, daß ich keine guten Nachrichten bringe? ·Lore· (mutlos) Gott, als Sie gestern abend nicht kamen. Und heute vormittag nicht. Wollen sich nich setzen, Mariechen? ·Marie· Danke. (Setzt sich) Hast du gehört, wie schön die Amsel singt auf deinem Dach? Mitten in all dem Lärm. Täusch' ich mich, oder pfeift sie fröhlicher, seit sie ihr Nest hat? Es is wirklich so, als ob das Glück pfeift ... Auf deinem Dach, Lore. ·Lore· Für mich pfeift kein Glück. ·Marie· Wer weiß? ... (Zögernd) Lore, ich will dir was gestehn: Ich hab' Vater gebeten, daß er ihm am nächsten Termin kündigt. ·Lore· Warum haben Sie das getan? Wenn er gehen will, dann soll er gehn. Aber nicht fortjagen. Nicht um meinetwillen. ·Marie· Lore. Ich hab' auch Vater gebeten, daß er ihm dann sagt, daß er dir 'ne Aussteuer geben wird. ·Lore· Ich will keine Aussteuer. Die heilt nichts und macht nichts gut. Ich will nichts. ·Marie· Denn sieh mal: Er ist ehrgeizig. Er will eine Frau, die wohlhabend ist. Darauf geht er aus. ·Lore· Woher wissen Sie das? ·Marie· (stockend, mit abgewandtem Gesicht) Nun, das -- merkt -- man doch. ·Lore· Zuzutrauen ist es ihm schon. Aber so himmlisch gut Herr Zarncke is, wohlhabend, wie _er_ meint, kann ich ja doch nie werden. ·Marie· (mit geheimnisvollem Lächeln) Nun -- wer weiß? ·Lore· Denn erspart hab' ich nichts. Ich verdien' hier gerade das tägliche Brot. ·Marie· (mit unterdrückter Erregung) Sieh mal, Lore, was ich dir schon immer mal hab' sagen wollen: Lange leben werd' ich nicht, (langsam, mit Betonung) und -- dein Lenchen -- hab' ich _sehr lieb_. ·Lore· (nach langem Schweigen) Mein Kind hast du -- so lieb? ·Marie· (nickt) ·Lore· Mein Lenchen hast du so lieb? ·Marie· (tonlos) Ja. ·Lore· (aufschreiend) Dann geb' ich's dir. Dann nimm's als dein eigen. Wozu soll sie sich durchschleppen mit mir durch all den Jammer, wenn sie _das_ haben kann? (schluchzt) ·Marie· Lore, hör mal! ... Vor zwei Tagen -- da hätt' ich noch ja und »Schön dank« gesagt. Aber jetzt -- seh' ich die Dinge -- anders an. Denn, sieh mal! So ein -- Kindchen -- muß doch zuerst mal -- seinen Vater haben ... Nicht wahr? ·Lore· (in neuem Erstaunen) Marie, Marie! Wenn ich das recht versteh'! ... Das glaub' ich nicht! Das ist zu viel! Das ist zu viel! Und das kann auch nicht zum Guten sein. Nie im Leben. Nie. ·Marie· Warum nicht? ·Lore· Weil -- weil ... Der -- der _will_ mich nicht mehr. Dem bin ich _doch_ bloß 'ne Kette am Bein. Weiter nichts. ·Marie· Auch wenn er weiß, was Lenchen mal zu erwarten hat? Und wovon er doch der Verwalter sein wird? ·Lore· Mein Gott, mein Gott, mein Gott! ·Marie· Nur wie das wird, wenn ich früher sterbe als Vater, das weiß ich nicht. Denn wollen _wird_ er ja nicht. ·Lore· Nein, nein, nein! Es wird nichts. Es kann auch nicht. Und es schadet auch gar nichts, wenn's -- nichts -- wird. -- Man is ja längst schon viel zu mürbe. Und vielleicht ist einem ganz, ganz was anders bestimmt, wo _nicht_ so viel Tränen drauf liegen. Aber 'ne Viertelstunde lang mal froh gewesen sein und ein Mensch, nicht bloß ein Stein, den man hin und her stößt, ach, das tut so gut, so gut, so gut! (Sinkt lachend und weinend vor ihr nieder und küßt ihr die Hände) ·Marie· Laß doch! Steh auf! Mir scheint, es kommt wer. (Lore steht auf) Dritte Szene _Die Vorigen. Biegler_ ·Biegler· (dumpf, scheu) Guten Tag. ·Marie.· Guten Tag, Herr Biegler. Ist denn schon Feierabend? ·Biegler· Ja. ·Marie· Geht's Ihnen gut? ·Biegler· Danke. ·Marie· Adieu, Herr Biegler. Adieu, Lore! (ab) Vierte Szene _Lore. Biegler_ ·Biegler· (setzt sich an den Mitteltisch) ·Lore· (geht zum Büfett, schenkt aus dem Wärmekessel einen Topf mit Kaffee ein, bricht eine Fünfpfennigsemmel ab und bringt sie nach dem Tisch links) Setzen sich lieber hierher, Herr Biegler. Das da is ja der Steinmetzentisch, und die Bildhauer kommen nich nach der Auszahlung. Die sind zu große Herren. ·Biegler· Ich geh' so wie so gleich fort. (Setzt sich links) ·Lore· Warum sind Sie eigentlich nich bei der Wochenauszahlung? ·Biegler· Ich -- krieg' -- monatlich. (Schweigen) ·Lore· (immer in freudiger Erregung) Ich weiß nicht; Sie kommen mir heut so anders vor, Herr Biegler. Sie reden gar nich. ·Biegler· Ich red' ja -- auch sonst nich -- viel. ·Lore· Wissen Sie, mir is nämlich heute ganz was -- ganz was -- Besonderes -- passiert. ·Biegler· Was Gut's? ·Lore· (nickt) ·Biegler· Da gratulier' ich. ·Lore· Ach, es is nichts zu gratulieren. Es wird sich nichts ändern. Aber es is doch wie 'n heller Schein. -- Und da möcht' ich, daß es auch andern so geht. Ihnen auch. ·Biegler· (schwer atmend) Danke! ·Lore· Herr Biegler -- ach, Herr Biegler, wozu sollen wir erst viel Versteck spielen. Ich weiß ja, was Sie quält -- seit gestern. ·Biegler· (sich in Erstaunen jäh umwendend) Und da reden Sie noch mit mir? ·Lore· Ja -- is es denn wahr? ·Biegler· (nach einer Pause, schwer) Die Herren Geschworenen haben die Frage -- ob's Notwehr gewesen is oder nich -- verneint ... Und nu lassen Sie mich meinen Kaffee austrinken. (Schweigen) ·Lore· (nach innerem Kampfe) Herr Biegler! ... Sündig sind wir alle ... Ich auch. ·Biegler· (bitter lachend) Sie? ·Lore· (zaghaft) Sie wissen doch! ·Biegler· Ja, Ohren hab' ich auch ... (in Wut auffahrend) Und wenn ich erst wieder Fleisch hätt' auf den Armen, dann würd' ich den Kerl -- -- ·Lore· Ruhig, Herr Biegler, ruhig, ruhig! Sie wollen doch nich, daß ich Angst hab' vor Ihnen? ·Biegler· (hastig seinen Kaffee trinkend) Ich geh' schon. Ich geh' schon. ·Lore· Herr Biegler, wollen Sie nich mal Ihr Herz erleichtern? ·Biegler· (unschlüssig, mit dankbarem Aufblick) Ach! ... (hart) Ne. ·Lore· Gott, Herr Biegler, gut tät's Ihnen schon! Man wird ja so wie so wie'n Stein! Die Steinmetzen erzählen nämlich: Der Stein wird durch Druck. Wissen Sie? ·Biegler· Das sollt' ich wohl wissen. ·Lore· Ja, Hunderttausende und Millionen Jahre müssen die drüberliegenden Schichten drücken, dann wird die lebendige Erde zu Stein ... Beim Menschen dauert's nich so lang. Das hab' ich ausprobiert. 'n paar Jährchen Druck -- immer derselbe Druck. Das genügt. ·Biegler· (bitter) Ob's genügt. ·Lore· Man lacht und man weint und man schläft und man arbeitet -- ach, lustig sein kann man sogar -- man is überhaupt ein Mensch wie andere und is doch lang keiner mehr ... Drin im Innersten lebt man gar nich mehr ... Man is willenlos wie 'n Stein ... Man läßt sich mit dem Fuß stoßen wie 'n Stein. Man wird gegen alles gleichgültig wie 'n Stein. ·Biegler· (eifrig) Ja, ja, ja, -- so is es, -- ja, ja. ·Lore· Aber heut is wieder Leben in mich gekommen. So sehr hat mich was gefreut ... Gestern war ich wie Sie. Aber heut kann ich Ihnen was helfen. Bloß Vertrauen müssen Sie haben, daß ich's auch wirklich will. ·Biegler· Das hätt' ich schon -- aber -- (vor sich hinbrütend) ich muß ja wohl wieder weg. ·Lore· Ich denk', Sie waren zufrieden. ·Biegler· Wenn sie mich in Ruh' gelassen hätten -- _alle_ -- im Himmel wär' ich gewesen. Morgens -- so gegen zweie -- da is mir leicht geworden ... dann kann keiner kommen und was von mir wollen. -- _Doch!_ -- Einer _kann_ kommen ... Die kann _immer_ kommen. Sie _is_ noch nich -- aber sie kann. ·Lore· (mit beruhigendem Lächeln) Na wer denn, wer denn? ·Biegler· Ach so -- ich soll ja mein Herz erleichtern. ·Lore· Nicht -- wenn Sie nich wollen. ·Biegler· Wissen Sie, wie's nu werden wird? ... Vors erste schieben sie sich so langsam von einem weg ... Man will _mit_ anfassen, und dann is man allein. Und dann geht's Gerede los um einen rum. Da heißt es: »Na, habt ihr auch schon euer Leben versichert?« Und da heißt es: »Wenn sich gewisse Brieder nich bald dinne machen, dann werden wir den Platz schwarz stellen.« Und dann fliegt 'n Stück Holz. Und dann fliegt 'n Stein. Und dann kommen _Sie_ eines Tags und sagen: »Es tut mir leid, Herr Biegler, aber Sie müssen wo anders essen, es is wegen der Leute.« ·Lore· (schüttelt heftig den Kopf) ·Biegler· Na warten Sie man. Und schließlich kommt der Prinzipal und sagt: »Hier is Ihr Buch. Sie können gehen.« Und man weiß, daß man nu wieder ins Hungerland zieht, wo kein warmes Mittag is und kein Bett, und man sagt noch: »Gott sei Dank.« ·Lore· Ach, es is schrecklich. ·Biegler· Unser Pastor in der Anstalt hat immer gesagt: »Seid froh, daß ihr sühnen könnt« ... »Sühnen« heißt das schöne Wort ... Das haben die Herren extra für uns erfunden ... Ja, was soll ich nu alles sühnen? ... Daß der Weg mich in _die_ Schlafstelle geführt hat -- und gerade in _die_? ... Daß die Frau jung war -- mit Flunkeraugen -- und daß sie immer _so_ machte (haucht mit spitzem Munde), wenn sie hinten an mir vorbeiging. Und wenn ich gesagt hab': »Was machen Sie da?« dann hat sie mich mit den blanken Zähnen angelacht und gesagt: »Ich kann's in den Tod nich leiden, wenn auf dem Rockkragen 'ne Feder sitzt« ... Und der Mann hat noch mitgelacht, wenn's mir schon heiß und kalt das Genick 'runterlief ... Ja, so kommt so was ... Er war Schuster. Wie Ihr Vater ... Mit den Schustern hab' ich kein Glück ... Nu, da wissen Sie ja auch, was 'n Klopfstein is ... (Zum Gerätschemel gehend) Da liegt er ja! (Bringt den Stein.) Sehn Sie sich den an! Bißchen kleiner war er -- aber groß genug. Dann wie der Mann mich eines Tages abgefaßt hat -- mit ihr -- -- und auf mich zugekommen is, Messer in der Hand, da hab' ich gedacht: was machen? Was hab' ich gemacht? _So!_ (Hebt den Stein hoch) ... Und mit eins hat er langgelegen. Das Ganze hat gedauert, wie wenn einer bis drei zählt ... Weil der nu da lang lag, darum war mein Leben verdorben. Nu sagt der Pastor: »sühnen!« Ja, nun sühne mal, wenn der Wahnsinn schon hinter dir sitzt ... Was kann ein zu Schanden geprügelter Hund viel sühnen? Seine Wunden kann er sich lecken ... Mehr kann er nich. ·Lore· (mitleidig) Mein lieber Gott. ·Biegler· _Ihr_ lieber Gott is nich _mein_ lieber Gott. Sonst ließ' er _das_ nich zu ... Ja, nu werd' ich gehn ... die ersten müssen gleich kommen. ·Lore· (fest) Sie sollen _nicht_ gehn, Herr Biegler. ·Biegler· (in flackernder Angst) Ich hab' mein Vesper getrunken. Ich hab' hier nichts mehr zu tun. ·Lore· Sie sollen dableiben. Was auch geschehen mag, Sie sollen dableiben. Ich setz' Ihnen ein Glas Bier hin wie den andern. Das trinken Sie aus und kümmern sich um nichts. ·Biegler· Um Gottes willen. Hier? Hier? Wieso denn? ·Lore· Sehn Sie denn das nicht? Je mehr Sie sich verkriechen, desto mehr sind _die_ von Ihrer Schuld überzeugt. Und das darf nicht sein. ·Biegler· Wenn's nu aber doch wahr is? ·Lore· Das geht keinen was an. Außer Herrn Zarncke und mir weiß keiner was. Und wir halten reinen Mund. Wenn _die_ sehn, daß Sie keinem aus dem Wege gehn, dann wird das Getratsche langsam wieder einschlafen ... Aber nichts gestehn! Sich nich verschnappen! Sonst ist alles aus ... Wissen Sie noch, wie Sie waren, als ich Ihnen das erste Butterbrot brachte? ·Biegler· (nickt voll Grauen) ·Lore· So sehn Sie in vier Wochen wieder aus, wenn Sie sich jetzt wegjagen lassen. Es geht um Ihr Leben, Herr Biegler. (Hinaushorchend) Ich glaube, Sie kommen schon. Da setzen Sie sich hin. Und wer Sie anlappt, dem zeigen Sie die Zähne. ·Biegler· (stammelnd) Ach ich -- m -- mir bl -- eibt ja jedes Wort in der Kehle. ·Lore· Soll nicht. Darf nicht. Sie müssen. Müssen, Herr Biegler, müssen! ·Biegler· Und 's kann sein, wer's will? Ja? ·Lore· (stutzend, dann stark) Ja. ·Biegler· (dumpf, zagend) Na, is gut. (Setzt sich auf seinen Platz zurück) Fünfte Szene _Die Vorigen._ _Lohmann._ _Sprengel._ _Struve._ _Drei andere Arbeiter_ (Die Eintretenden begrüßen Lore, die rasch hinter den Schanktisch getreten ist, mit einem brummigen »Guten Tag« und setzen sich an den Tisch rechts) ·Lohmann· Glas Bier! ·Sprengel· Mir auch. ·Struve· Jedem eins. ·Sprengel· Kiekt mal, wer da huckt! ·Lohmann· Mir wundert, daß er sich nich aufs Ehrensofa geschmissen hat. Das ist doch extra für ihm hingebaut. ·Struve· Der Mensch sitzt, wo er kann. -- Laß ihm sitzen. ·Lore· (Bier bringend) Wohl bekomm's! ·Lohmann· Danke. (Nach Biegler hinüber) Jemütlich is anders. Prost! (Sie stoßen an) ·Lore· (bringt auch Biegler ein Glas Bier) ·Sprengel· Wird der hier nu auch den Stammgast spielen? ·Lohmann· Struve, du verstehst dir ja auf so 'ne Brieder. Graul ihm mal 'raus. ·Struve· Kindersch, laßt mir in Ruh. Ick bin jetzt so beschäftigt mit meine eigenen Sorgen. ·Lohmann· Wat vor Sorgen? ·Struve· Wat vor Sorgen? Des fragste noch? Glaubste, es macht Verjniegen, mit so 'ne Verantwortung in de Welt rumzuloofen? Wenn du jehst bloß Steine schleppen, denn haste jar keene Verantwortung, dafür biste aber auch 'n Lump. Wenn du aber wirst jeehrt sein durch das Vertrauen deiner Mitbürger, wenn du wirst 'n Magazinschlüssel an dir tragen, oder so -- dann wirst mal sehen, wie so 'n Mann zu Mute ist. ·Sprengel· Dir is des wohl zu Koppe gestiegen? Was? ·Struve· Denn wer eine jewisse Erfahrung hat von's menschliche Leben, der muß sich doch sagen: det is 'n janz jewehnliches Schnappschloß. -- Da brauchste bloß 'n paar gesunde Zähne zu, um 'n vierzölligen Drahtnagel krumm zu biegen, und denn biste schon drinne. Immer so mitten mang de Diamanten. Kindersch, um Gottes willen, regt eich das jar nich uf? ·Lohmann· (lachend) Ne. ·Struve· Und jesetztenfalls und du hast se nu ausgebrochen -- ·Lohmann· Was? ·Struve· Na -- de Diamanten, denn kannste se jehn ruhig verschärfen bei jeden freindlichen Mann, wo mit blanke Knöppe handelt. Da kann dir kein Teckel an de Beene ... Des is 'ne aufjelegte Sache. Des reinste Beersenjeschäft ... Kindersch und da soll ick die Verantwortung vor haben? -- Ne, des halt' ich nich aus. Da zieh' ick über Land. ·Sprengel· Jlickliche Reise. Prost. ·Struve· Und was der Nachtwächter da is, der schlappohrige Kerl, ick wette 'n Hering jegen 'n Löffel Jritze, dessentwegen könnte man 'rin und 'raus -- wie de Schwalben. ·Lohmann· Der blieht da nu so 'rum. Wie so 'n Maibliemchen. ·Sprengel· Abjebrieht is er wohl. Sonst säß' er nich hier. ·Struve· Kindersch, ick sag' eich immerzu. Wenn er und er wär's, dann wär' er noch nich 'raus. ·Lohmann· Jedenfalls wollen wir da mal ein jelinde blasenziehendes Mittel anwenden. (Sehr laut) Fräulein! Wissen Sie vielleicht die Adresse von 'ne leistungsfähige Lebensversicherungsgesellschaft? ·Biegler· (der solange scheinbar teilnahmslos, doch in gespannter Erwartung dagesessen hat, wendet sich jäh um) ·Lore· (abweisend) Was soll ich mit 'ne Lebensversicherung? ·Lohmann· Nu, 's is doch jetzt nich janz jeheier auf'n Platz. Da kann mal leicht so 'n kleiner Kuhhandel kommen, wo man plötzlich mit Tode abjeht, man weiß nich, wie? ·Lore· (abweisend) Ich versteh' gar nich, was Sie meinen. ·Lohmann· Diejenigen, wo's anjeht, die werden mir schon verstehn. ·Biegler· (steht auf, will reden, bringt aber nur ein unartikuliertes Stammeln hervor und setzt sich wieder) ·Lohmann· Hat jesessen. ·Sprengel· Wo bleiben übrigens heite die Steinmetzen? ·Struve· Nu -- die müssen sich doch erst ausputzen. Mit ihre blaue Kalikoschirzen trauen die sich nich uf de Straße. Es könnt' se ja einer fir Hausknechte halten. (Lachen) ·Lohmann· Jedenfalls müßt' man sich mit denen zusammentun und was unternehmen beim Alten, -- damit er auf'm Platz 'n bißchen ausräuchern läßt. Es wird nötig. ·Sprengel· Fang nich schon wieder an, Mensch ... hab doch Erbarmen mit so 'n plundrigen Kerl. ·Lohmann· Wenn ich in 'n Modder trete, dann wisch' ich mir die Stiebeln ab; -- da hab' ich auch kein Erbarmen. ·Biegler· (zittert und atmet schwer. Er ringt mit sich, unschlüssig, ob er sprechen solle, wagt es aber nicht mehr) ·Sprengel· Kein Mensch weiß, ob er's wirklich is. ·Lohmann· Warum steht er denn nich auf und -- Sechste Szene _Die Vorigen. Willig. Göttlingk und andere Steinmetzen_ (in Feierabendkleidung) ·Göttlingk· (auf den Tisch der Arbeiter weisend) Da _sitzt_ se ja, die janze feine Familie ... Ihr kriegt's wohl nich eilig genug mit eurem Feierabend -- was? ·Lohmann· Wieso denn? ·Willig· Den großen Oberkirchner Block, links von der Treppe, habt ihr auf Hochkant stehn lassen. Wißt ihr das nich? ·Sprengel· Nu, der hängt doch im Flaschenzug. ·Willig· Aber locker hängt er. ·Lohmann· Bis wir den 'runterkriegen, dauert's zwanzig Minuten. Wenn der Alte Überstunden zahlen will, gehn wir gleich noch mal 'ran. ·Göttlingk· Husten wird er euch was. ·Willig· Jedenfalls steift ihn noch ab. Wenn was passiert, seid ihr verantwortlich. (Setzt sich zu den Steinmetzen an den Mitteltisch) ·Göttlingk· Na, Lore, Sie könnten ruhig 'n bißchen fixer sein, wenn die Steinmetzen kommen. ·Lore· (die Bier bringt, eilig, ängstlich) Hier is, bitte, hier is schon alles. ·Göttlingk· Aber freilich, wenn man sich mit solchem Volk abgibt, wie der Kerl -- der -- (Biegler erkennend) Herrgott, wer sitzt denn da? ·Willig· (rasch) Ach, kümmer dich nicht um den. ·Göttlingk· Hast recht. So 'n Geschmeiß existiert nich. Prost, die Herren! ~Per Bacco~, is mir mollig. Ganz fingrig is mir zu Mute. Wollt ihr was hören? Natürlich, ihr wollt immer was hören. Lore, bring mal -- bringen Sie mal die Seufzerkiste. ·Lore· Jawohl. (Holt die Mandoline von der Wand und bringt sie ihm) ·Ein Steinmetz· Du, der Alte war doch heute so extra süß mit dir. Ahnste weswegen? ·Göttlingk· (während er die Mandoline stimmt) Tja, lieber Sohn, wer kann das wissen? Manchmal können sich Ereignisse vorbereiten -- die Welt is eben 'n Affenkäfig. Siebente Szene _Die Vorigen._ _Der alte Eichholz_ ·Eichholz· (angezogen wie im ersten Akt) Einen guten Feierabend wünsch' ich der hochgeehrten Gesellschaft. ·Göttlingk· So in Jala, Papa Eichholz? ·Eichholz· Jawohl. Mein Manschettenhemde hab' ich mir angezogen und habe mir angetan im Schmucke sämtlicher Orden und Ehrenzeichen. Nu wollen wir mal sehn, ob ein alter Krieger noch was gilt in seinem Vaterlande. ·Lore· (ängstlich) Was hast du vor, Vater? ·Eichholz· Zuerst bejeb' ich mir zum Alten und frag' ihn auf Ehr' und Jewissen: Wer is der Kerl? Was is der Kerl? ... Und wenn er in meinen unjewissen Zustande mir sollte -- (bemerkt Biegler) was -- was -- was -- was is denn das? Is das --? ·Lore· Vater, hier darf jeder sein Bier trinken, der zum Platz gehört. Weißt du das nich? ·Göttlingk· (halblaut zu Lore) Was mischst du dich da eigentlich immer 'rein? ·Eichholz· Was man so sagt, der Wiedehopf, der läßt in sein eigenes Nest 'reinschmutzen, aber wenn du willst mein Fleisch und Blut sein -- (in ausbrechender Wut) Kerl, dir werd' ich platt schmeißen! Dir bind' ich 'n Mühlstein um'n Hals, dir, dir ... Blut muß fließen, du Hund, du blutiger Hund! ·Biegler· (gequält) Fräulein, soll ich nu immer noch länger hier bleiben? Ich denk', nu is genug. ·Göttlingk· (halblaut zu Lore) Nanu? Was geht dich dem Kerl sein Hierbleiben an? ·Lore· Vater, tu, was du willst, aber hier in der Kantine fang keinen Zank an. Sonst mußt du 'raus. ·Lohmann· (leise) Sieh mal, wie sie sich auf dem seine Seite schmeißt. ·Sprengel· Hat sie ganz recht. ·Eichholz· Jawohl. Ich geh' schon. -- Ich werde schon in geeignete Erfahrung bringen, wer, wer (mit geballter Faust) und wer Blut vergießt, deß -- Blut -- muß -- -- ich geh' schon, ich geh' schon. Guten Abend, die hochgeehrte Gesellschaft. (Ab) Achte Szene _Die Vorigen_ ohne _Eichholz_ ·Göttlingk· (leise zu Lore) Hast du etwa Durchsteckereien mit dem? ·Lore· (wendet sich ab) ·Göttlingk· (verbissen) Sieh mal an! (Kehrt auf seinen Platz zurück) Na, lassen wir uns nich die Laune verderben. (Ergreift die Mandoline, in neuem Argwohn) Freilich, wissen möchte man doch. ·Willig· Halt bloß Ruhe, Eduard. ·Die Anderen· (die am Steinmetztische sitzen, stimmen ihm bei) ·Göttlingk· (an der Mandoline zupfend) Na also, was soll ich euch singen? Ich weiß 'ne Menge schöne Lieder, die mir die schönen Weiber dort unten in schönen Stunden beigebracht haben ... denn die Weibsleut' da unten! Überhaupt die Weibsleut', Kinder! Wenn man da nich feste 'ranjeht! (Beiläufig, herablassend) Ach, bringen Sie mir doch noch 'n Glas Bier, Fräulein Lore. ·Lore· (bebend vor Erregung, holt sein leeres Glas) ·Göttlingk· Du fragtest vorhin, warum der Alte heute so süß mit mir war. Ja, mein geliebter Sohn, Glück bei den Weibsleuten muß der Mensch haben. Das is der Ausschlag beim Rosinenhandel ... Danke, mein Fräulein, danke, danke, danke! (Singt und spielt) »~Vè quà una giardiniera, si chiama Luisella, da sovra all'Arenella~« -- (Abbrechend) Sagt mal, Herrschaften, wie wär's, wenn ich zur Abwechslung mal so euer Chef würde hier auf diesem Steinmetzplatz? ·Willig· Was is das wieder für 'n fauler Witz? ·Göttlingk· Ja, das Leben macht manchmal so 'ne faulen Witze. Wenn ich da Jimm drauf hätte. Die Puckligen sind zwar nich gerade mein Jeschmack, aber wenn so 'n schönes Jeschäft dran hängt, kann man ja auch mal beide Augen zumachen. ·Lore· (stößt einen unartikulierten Laut des Abscheus und des Entsetzens aus) ·Sprengel· (halblaut) Is 'n Mensch wie 'n Vieh. ·Willig· (leise) Läßte nu nich mal mehr die Krüppel in Ruh? ·Göttlingk· (der das allgemeine Murren bemerkt hat, zum Arbeitstisch hinüber) Riskiert da etwa einer zu mucken? Was? ·Lohmann· Wir sind ja ganz still. ·Göttlingk· Möcht' ich mir auch ausgebeten haben. (Da Lore, den Kopf in den Händen, noch einmal aufstöhnt) Was ist denn hier los? Was? Was? Was? ·Biegler· (ist in zitternder Erregung langsam aufgestanden, leise, zaghaft, als traue er seinen erwachenden Kräften nicht) Du Schuft! Du Schuft! -- Du Schuft! ·Göttlingk· (fassungslos vor Erstaunen) Was will das Gewächse da? ·Biegler· Du ganz erbärmlicher Schuft! ·Göttlingk· (Humor heuchelnd) Kinder, der is übergeschnappt. Soll ich den zu Mus quetschen? Nehmt mir das nicht übel, aber die Handvoll, das lohnt mir nich. Außerdem bin ich's als Steinmetz mir und euch schuldig, mich nich mit erst wem -- Prost! ·Biegler· (heiser) Was du bist, bin ich noch alle Tage. ·Göttlingk· Dem Kerl muß man doch 'ne Zwangsjacke anlegen. ·Biegler· Ich hab' zum Spaß deine Arbeit getan. Wenn's hell is, kann ich's besser. ·Göttlingk· (aufspringend) Du warst das selber, du verfluchter --? ·Die Anderen· (halten ihn fest) Ruhig, ruhig, ruhig. ·Biegler· Aber das is Nebensache. (Auf Lore weisend) Da -- da -- wer steht da? -- Der sagst du _das_ ins Gesicht? -- Jeder weiß, daß sie 'n Kind von dir hat. Zum Dank verhunzen tust du sie -- schuriegeln tust du sie ... Wirst sie -- wirst sie ehrlich machen? Wirst sie ehrlich machen? Du nichtswürdiger Schuft! Du! ·Göttlingk· (der sich zu befreien sucht) Nu laßt doch los. -- Is bloß 'n Floh, der ganze Kerl, aber das kost't ihm das Leben. (Reißt sich los und zieht den Dolch heraus) Los sag' ich, oder -- ·Die Anderen· (weichen erschrocken zurück) ·Biegler· Du meinst, ich hab' Angst vor deiner einzinkigen Gabel, weil alle anderen Angst haben? -- Kraft hab' ich keine, Haut und Knochen bin ich vom langen Hungern, aber -- (er hat den Klopfstein ergriffen, der auf dem Schanktisch liegen geblieben ist, und hebt ihn hoch) -- _mit so 'nem Schusterstein hab' ich schon einen erschlagen! Mit so 'nem Schusterstein hab' ich schon_ -- -- (große Bewegung) Nu komm mal 'ran, wenn du willst. Komm mal 'ran -- komm mal 'ran! (Dringt auf Göttlingk ein) ·Göttlingk· (erschrocken zurückweichend) Na, na, na, na. ·Biegler· Komm 'ran -- oder 'raus da -- 'raus da. -- ·Göttlingk· (weicht, unverständliche Worte stammelnd, bis zur Tür zurück) ·Biegler· (der ihm gefolgt ist) 'raus da! 'raus da! ·Göttlingk· Das werd' ich dir -- gedenken. -- (Rettet sich durch die rasch geöffnete Tür) ·Biegler· (sieht sich wirr um und wankt zu seinem Tische zurück. Er sieht verständnislos noch einmal um sich, sieht Lore, die schluchzend, mit verhülltem Gesicht, abgewandt dasteht, sieht die blassen, entsetzten Gesichter und murmelt, wie wenn er langsam zu sich käme) Was is denn? Was war denn? Was --? (Sein Gesicht verändert sich, er kämpft mit dem Schluchzen und will auf seinem Stuhl zusammensinken, rafft sich aber mit letzter Kraft empor, trinkt sein Bier aus, setzt seine Mütze auf und schreitet mit geballten Fäusten zur Tür zurück; -- sich umwendend wirft er einen fragenden, trotzigen Blick auf die ihn regungslos Anstarrenden -- und geht hinaus) (_Der Vorhang fällt_) Vierter Akt Szenerie des zweiten. Spätabendbeleuchtung. Über den Häusern des Hintergrundes ein glühender Streif Abendrot, der sich allmählich verliert. Vor der Veranda unter dem Fenster der Zarnckeschen Wohnung ein gedeckter Tisch nach vollendeter Abendmahlzeit. Das Fenster der Kantine ist erleuchtet. Beim Aufgehen des Vorhangs ertönt von irgendwoher Biergartenmusik Erste Szene _Marie._ _Zarncke_ ·Zarncke· (in einem Korbstuhl behaglich ausgestreckt, eine Zigarre rauchend) Siehste, nu is unsre Amsel auch schon schlafen gegangen. ·Marie· Eben sang sie doch noch. ·Zarncke· Bald werden sie nu auch im »Gambrinus« Ruhe geben mit ihrem Bumbum. ·Marie· Ach, ich hör's gerne. ·Zarncke· Ich auch ... Und weißt du, warum? Weil es so schön weitab is vom eigenen Leben ... Da sitzen nu die Menschen in Haufen, stoßen sich, ärgern sich, beneiden sich, begehren sich, und fünf aufgequollene Trompeter machen Musike zu ... Man is doch wahrhaftig wie der liebe Herrgott in seiner Stille ... Sechs Tage hat er an der verfluchten Welt 'rumgebastelt, am siebenten hat er aber auch _gar nichts_ von ihr wissen wollen. ... Was guckste denn immer nach der Lore ihrem Fenster 'rüber? ·Marie· Ja, Vaterchen, merkwürdig is es doch. ·Zarncke· Was denn? ... Daß der Göttlingk da is? ·Marie· Den ganzen Winter ist er Sonntags nicht einmal bei ihr gewesen. Seit seiner Rückkehr nicht. Und plötzlich kommt er -- Abends um neune -- von da oben -- die Treppe 'runter. ·Zarncke· Der Deibel mag wissen, was er da oben zu suchen gehabt hat. Aber so käseweiß brauchst du darum doch auch nich zu werden, wenn er nu wirklich mal hinter dir auftaucht. ·Marie· (schweratmend) Denk doch, was das für die Lore bedeutet. ·Zarncke· Hör mal, Kindchen, hab die Lore lieb! Aber du mußt dich nich so 'reinbegeben in das, was rings um uns geschieht. Nich mitmachen wollen. Das zehrt dann am eigenen Leben. Es bleibe jeder in seiner Haut -- und jeder hüte den Schlüssel zu seinem Geheimfach ... ·Marie· O, das freilich. Aber -- gestern muß was passiert sein bei der Lore drin. ·Zarncke· So? Was denn? ·Marie· Zwischen dem Nachtwächter und -- und -- Göttlingk. ·Zarncke· So? Hm. Das war ja nu leider vorauszusehn. ·Marie· (ängstlich) Wieso? ·Zarncke· Sie haben 'rausgekriegt, daß der arme Kerl was pekziert hat. Deshalb hab' ich gestern schon den Eichholz 'rausgeschmissen. Das alte Vieh war ganz rabiat. Irgendwas bereitet sich vor gegen den Biegler. Und schließlich werd' ich noch klein beigeben müssen. Schad um den -- (Schnalzt) ·Marie· Nein, nein, es scheint was anderes. Was Schlimmeres. Viel was Schlimmeres. ·Zarncke· 'n Menschen ins Verderben zu jagen is schlimm genug ... Von wem weißt du's denn? Von der Lore? ·Marie· Nein. Das ist es eben, was mich ängstigt. Die geht mir heut aus dem Wege, wo sie kann ... Und die Homeyer macht immerzu Andeutungen. Aber was Rechtes kriegt man auch aus _der_ nich 'raus. ·Zarncke· Na, wenn das Schwatzweib schon sein Maul hält. Da wollen wir doch mal gleich -- (Klingelt) Zweite Szene _Die Vorigen._ _Frau Homeyer_ ·Frau Homeyer· (eine Windlampe in der Hand) Gotte, Gotte, ich wart' schon immer mit der Lampe ... Nein, so im Dunkeln ...! Wie können Sie bloß? ·Zarncke· Sie haben wohl noch nie zu zweien im Dunkeln gesessen? ·Frau Homeyer· Ach nein doch! Mit 'n jungen Mann -- der nimmt sich dann so leicht was 'raus -- ·Zarncke· Und mit 'n alten Mann -- das lohnt nich. ·Frau Homeyer· Aber, Herr -- ·Zarncke· Sagen Sie mal, Sie, was is denn gestern bei der Lore gewesen? ·Frau Homeyer· Bei der Lore? I, daß ich nicht wüßte. ·Zarncke· Sie haben doch meiner Tochter erzählt -- ·Frau Homeyer· Ich? Ach nein, das muß ein Irrtum sein. Ich, dem Fräulein? Und gerade dem Fräulein? I, da müßt' ich -- (Nimmt das Tischzeug zusammen) ·Marie· Aber Frau Homeyer -- ·Zarncke· (gleichzeitig) Was heißt das: _Gerade_ dem Fräulein? ·Frau Homeyer· Nu ja. Da müßt' ich doch sozusagen eine Schwätzerin sein. Und ich bin im Gegenteil immer höchst zurückhaltend ... Da bin ich bekannt für. Da können Sie alle Mannsleute fragen. Da können Sie meine Zeugnisse lesen ... Und da soll ich mir gerade _hier_ die Zunge bei verbrennen? ... Das kann Ihnen wer anders erzählen, Fräulein. Und dann müssen sich auch nichts draus machen. ... Die Männer sind immer mit dem Maul vorneweg ... Ehrbar sein und sein Myrtenbäumchen pflegen, das is immer noch das Beste für 'n ältliches Mädchen. ·Marie· Ja, was hab' _ich_ aber mit dem allen zu tun, Frau Homeyer? ·Frau Homeyer· Ja, Fräulein Mariechen, der Mensch hat _manchmal_ mit was nich zu tun, und kommt _doch_ ins Gerede ... Von dem Herrn Göttlingk hätt' ich das freilich nicht gedacht. Der is sonst immer 'n Kavelier gewesen (verschämt) immer so zutraulich -- und, wie gesagt, Kavelier. Aber da könnte ja jeder kommen und -- ach, bitte das Sahnentöpfchen -- und behaupten, er braucht' bloß die Hand auszustrecken, da könnt' er Herr sein auf diesem Steinmetzplatz. Ja. ·Zarncke· Was? Was? Was is das? ·Frau Homeyer· Und es glaubt ihm auch keiner. Da können Sie ganz unbesorgt sein, Fräulein, das -- ·Zarncke· Halt! Stopp! 'raus! Weg! ·Frau Homeyer· Aber Herr -- ·Zarncke· Weg, weg, weg, weg! ·Frau Homeyer· Ja, ja, Herrgott! ·Zarncke· Weg! ·Frau Homeyer· (mit dem Tablette ins Innere ab) Dritte Szene _Marie._ _Zarncke_ ·Zarncke· Das haste wahrhaftig um den Lumpen nich verdient, Mariechen. Bittst mich noch, ich soll helfen, ihm sein Nest austapezieren ... Und da traut sich der Kerl überhaupt noch hierher? -- Da wollen wir mal gleich -- -- (steht auf) ·Marie· (die, ins Leere starrend, regungslos dagesessen hat, fährt auf) Nein, Vater, nein! ·Zarncke· Was -- nein? Und wie siehste denn aus? -- Ganz überird'sch! ·Marie· (in hilflosem Bekennen) Vaterchen! ·Zarncke· (nach einem Schweigen hinter sie tretend) Miezelchen! (Die Hand auf ihren Scheitel legend, leise) Haben sie dir 's Geheimfach aufgebrochen? ·Marie· (aufschluchzend) Nicht ansehn! Nicht ansehn! (Verbirgt das Gesicht in seinem Rock) ·Zarncke· (sie streichelnd) Also _das_ war's? Und was du da drinnen verschlossen hieltst, das wird dir nu da -- (weist zur Kantine) Ja, wie geht denn das zu? ·Marie· (von Schluchzen geschüttelt) Weiß nicht! Weiß nicht! ·Zarncke· Na, nu laß doch mal meinen Rock los! ·Marie· (verbirgt das Gesicht um so fester) ·Zarncke· Willst nich? ... Schämst dich so sehr? ... Kannst mich gar nich ansehn? Möchtst das Tageslicht nich mehr sehn? Möchtst dir womöglich das Leben nehmen noch diese Nacht? ·Marie· (nickt heftig) ·Zarncke· (lacht und streichelt sie) Und machst doch nur durch, was jeder durchmachen muß, dem 'n Stern vom Himmel 'runterfällt. (Zum Himmel weisend) Kiek mal hoch! ... Kannst noch nich? Da sind schon 'n paar. Und dahinter noch Milliarden. Sie stehn da wie für die Ewigkeit. _Und sie fallen alle._ Aber darum werden wir Menschen nich ärmer ... Höchstens die, denen sie als Zwanzigmarkstücke in die Tasche fallen ... Die Jugend verliert sich zuerst, aber unser Blick wird um so heller ... Die Freunde zerkrümeln sich, aber unsere Freundschaft wird alles, was mit uns reden kann, jeder Gedanke -- jeder Hund -- jeder Stein ... Na -- und die Liebe? -- Dem einen fällt sie in den Schmutz -- wie dir, dem anderen zerreibt sie der Alltag; -- rasch oder langsam, es is immer dasselbe, -- aber vor der Tür lauern schon wieder viele, die wollen sehr liebgehabt sein, und die brauchen's den Deiwel wie nötig ... Selbst der Herrgott wird uns aus unseren Herzen gerissen, aber unsere Herzen schlagen kräftiger ... Kindchen, 's wird noch 'n büschen weh tun 'ne Zeit lang ... Scham brennt ... Aber seines guten Rechts soll sich der Mensch nicht schämen. Und dein Recht war's ... Ja war's ... Wie's mein Recht war und ist, dich liebzuhaben und dir zu sagen: Halt still ... Die Stillen sind die Klugen ... Und nur wer von der Welt _weit, weit_ ab is, der hat sie ganz. ·Marie· (sich aufrichtend) Vaterchen, hast du das immer gedacht? ·Zarncke· Ich geb' zu, Kindchen, es is 'ne Weisheit für die Kranken und die Alten. Aber die, welche die Jungen und die Gesunden sich zurechtmachen, is auch nischt wert ... Na -- nu schmunzelst du ja wieder --. ·Marie· (schluchzt kurz auf) ·Zarncke· Nich, nich, nich ... Und komm 'rauf ... Mir is, die Tür hat schon 'n paarmal geklappt. (Weist nach der Kantine) Da traut sich einer nich an die frische Luft, eh' wir nich verduftet sind. ·Marie· Die arme Lore! ·Zarncke· Nja. Na, komm. (Beide ins Haus ab) Vierte Szene _Eichholz._ _Göttlingk._ _Lore_ ·Eichholz· Scht! Du, Göttlingk! -- Sie sind weg! ·Göttlingk· (heraustretend) Es war auch hohe Zeit! ... Denn wenn mir jetzt -- gewisse Leute in den Weg gerannt wären -- -- na! Also übers Aufgebot reden wir noch, Lore! ·Lore· (die in der Tür geblieben ist, matt, freudlos) Wie du willst, Eduard. ·Göttlingk· Dann wollen wir also Schluß machen mit dieser elenden Quetsche. Mein Handwerkszeug bringt mir morgen der Vater und -- ja, richtig! Die Mandoline gib mir doch noch mit. ·Lore· (verschwindet) (Die halboffene Glastür über der Veranda hat sich erhellt. Die Gestalt Zarnckes wird dahinter sichtbar) ·Göttlingk· (leise) Is das nich der Alte da oben? ·Eichholz· Ja, der schläft da. ·Göttlingk· Scht! Na, endlich macht er die Türe zu. (Das Rouleau wird herabgelassen) ·Lore· (bringt die Mandoline) ·Göttlingk· So ... Vater begleitet mich noch ein Stückschen. ·Lore· (ängstlich) Vater, es wäre wohl besser, du -- -- ·Eichholz· (scheltend) Was heißt das? Was hast du --? ·Göttlingk· (gleichzeitig) Nu laß doch Vater! ... (Reicht ihr die Hand) Gute Nacht! -- (Da sie in der Türe stehen bleibt) Nu geh nur! Geh nur! ·Lore· (tonlos) Gute Nacht. (Ab, die Türe hinter sich schließend) Fünfte Szene _Eichholz._ _Göttlingk_ ·Göttlingk· Na -- und nu? ... Wir haben drin nich ausreden können, weil uns die Lore ewig auf den Hacken saß. Wie denkst du nu über 'ne gute Streckschicht für den Kerl? ·Eichholz· Ich bin immer ein ehrenwerter Mann jewesen, ich bin ein zuverlässiger Mann jewesen und ein -- ·Göttlingk· Ja, ja, ja, ja! ·Eichholz· Aber sie haben mir die Seele aus dem Leibe gezogen, sie haben mir den höllischen Geier, welcher heißt Hadramoth, den haben sie mir -- ·Göttlingk· Nu quatsche nich. Komm mal mit 'rüber in die Destillation. ·Eichholz· Hier steh' ich, hier jeh' ich nich weg. Sobald der Hund kommt, dann stürz' ich mir los auf ihm. Brust gegen Brust. ·Göttlingk· Na und dann? ·Eichholz· Dann? Ich hab' dem Alten gesagt: Herr Zarncke, hab' ich gesagt, es gibt -- ein Unglück. ·Göttlingk· Ja, mit's Maulwerk. ·Eichholz· So? ... (Zögernd) Du, und was is denn mit dem -- Block? ·Göttlingk· (lauernd) Was für 'n Block? ·Eichholz· Wo du vorhin von sprachst. ·Göttlingk· Ach so ... Siehst du den da oben im Flaschenzug? ·Eichholz· Ja. ·Göttlingk· Wenn da einer die Ketten aushängt, dann steht er bloß auf der Kippe. Verstehste? Eine Holzsteife -- die kann 'n Kind wegschlagen. -- Und geht dann einer die Treppe 'rauf -- _muß_ er die Treppe 'rauf? ·Eichholz· Nu jewiß. Der Alte hat doch dahinter 'ne Kontrolluhr aufgestellt. -- ·Göttlingk· Daß da man kein Malheur passiert! ·Eichholz· (argwöhnisch, will nicht verstehn) Warum soll -- da gleich -- 'n Malheur passieren? ·Göttlingk· Ach so! ... Scht! Is er das nich? (Man hört rechts das Schließen einer Tür) ·Eichholz· Ja. ·Göttlingk· (leiser) Nu komm ... Drüben trinken wir noch eins ... Kann man da oben irgendwo 'raus? ·Eichholz· Durch die kleine Tür. Immerzu. ·Göttlingk· (ihn nach dem Hintergrunde ziehend) Na denn komm! ·Eichholz· Warum nich hier durchs Tor? ·Göttlingk· Komm, komm, komm ... Da scheint auch wer zu stehn. -- Komm! (Auf einer mittleren Treppenstufe hält er inne) Scht! ·Eichholz· Er schließt noch das Sägewerk. (Beide verschwinden links oben. -- Während rechts eine schwere Tür zugeschlossen wird, hört man oben das leise Klirren der Flaschenzugketten. Dann Stille. Während der folgenden Szene geht der Mond auf) Sechste Szene _Biegler._ Dann _Struve_ ·Biegler· (mit Schlüsselbund und schwerem Stock, eine Schnarre umgehängt, erscheint rechts vorne und geht an dem erleuchteten Kantinenfenster vorbei, dann revidiert er das Schloß des Magazins und will zur Tür des Wohnhauses hinüber) ·Struves Stimme· (vom Haustor her) He! Scht! Nachtwächter! Biegler! ·Biegler· Wer is da? ·Struves Stimme· 'n guter Freund! ·Biegler· Ich hab' keine guten Freunde. ·Struves Stimme· Struve is da. ·Biegler· Struve kann bei Tage kommen. ·Struves Stimme· Mach auf, sonst reiß' ich an de Klingel. ·Biegler· Was is denn? (Er geht aufmachen. Man hört den Schlüssel sich drehen. Dann erscheint er zusammen mit Struve) Na? ·Struve· Fsch! Drinne wär' mer ja nu. ·Biegler· Also was willst du? ·Struve· Sachte, sachte, sachte! ... Ick jeheer' hier zu's Haus. Ick hab' 'n Amt hier ... 'n Vertrauensposten! Jawoll! ... Da muß ick mir iberfihren können bei Tag und bei Nachte ... Ick kann schon jar nich mehr schlafen vor lauter Ehrjefihl. Ja. ·Biegler· Na, schlaf man. Ich geh' ja hier als Wächter. ·Struve· Det sagste so in deinen Jemiete. -- Aber wenn du eines Morjens nicht mehr dabist -- ·Biegler· Wieso? ·Struve· Na, Mensch, Kohlege, wir beid' kennen uns doch. Uns haben se doch aus denselben Suppentopp jeangelt. ·Biegler· (bitter) Ach so! ·Struve· Und diesentwegen biste dir doch klar: Weg mußte hier _nu doch_! ·Biegler· Ja. Das bin ich mir klar. ·Struve· Als du jestern 'raus warst, da haben die Steinmetzen noch ne jroße Beratung jehabt. Da haben wer nich zuheeren derfen. Bloß, daß se morjen früh zum Alten jehn werden, das hab' ich noch -- ·Biegler· (in bitterer Erregung) Und meinen Austritt fordern? ·Struve· Wer zufällig fünf Finger hat, kann sich das ja dran abzählen. ·Biegler· (verbissen, verzweifelt) Ich wart's gar nich ab. Ich geh' alleine. ·Struve· Da wärste ja auch scheen dumm, wenn du dir -- nich vorher schon dinne machen wolltst. -- Und darum bin ick eben auch 'n bisken dahinter jewesen. Deiwel auch! Wenn man so die Verantwortung hat. ·Biegler· Wofür? Für mich? ·Struve· Ne -- aber -- (macht Zeichen nach dem Magazin hin) vor -- -- Ick kenn' doch 's menschliche Leben. So 'ne Sachen die loofen doch jewissermaßen hinter einen her. Janz von selber. Wie wenn se Beene hätten. Da kann man jar nischt vor. ·Biegler· Was denn? Was denn? ·Struve· Na, du weißt schon. Aber in so 'ne menschliche Versuchungen da muß man eben 'n Freind haben. Mann mit Ehrjefihl. Und so. Wo einem 'n bisken ins Jewissen redt ... Denn der Fallstricke des Teufels sind viele, und -- -- was? Wie sagste? ·Biegler· (mit einem kurzen Lachen) Ich sag' jar nischt. ·Struve· Na, nu mal unter uns! -- Wenn du -- und du jehst hier weg, wo wirschte denn nu hinmachen? ·Biegler· Wer kann das wissen? ·Struve· Nu, setz dir mal bisken hier dal! (Zieht ihn auf den vordersten Block) Sieh mal, mir jeht hier ja so weit janz jut. Ick bin Verdrauensperson. Und so. -- Aber _zu_ viel Ehre kann der Mensch auch nich verdragen. Des drickt aufs Jemiet, weißte ... Und weil ich dir nu mal so liebhabe -- jewissermaßen, und weil de iberhaupt noch im janzen 'n bisken klietrig bist -- weißte! -- -- na? -- Wollen wir zusammen uf de Fahrt steigen? ·Biegler· Was? Du und ich? ·Struve· Nu ja. Mit _die_ Ansichten, wo wir beide vons menschliche Leben haben -- die _haben_ wir nu mal! Die kann uns keiner nehmen. Die einen wälzen sich in'n Jolde, wir wälzen uns in'n jrienen Chausseejraben. Tagsüber sehn wir mal bisken nach, wo wat los is, Abends saufen wir uns 'n verjnichten Teng ins Jesichte. Hier mußte ewig 'n krummen Puckel machen und dir sauer anhauchen lassen und wirscht doch nie mehr im Leben, wat die andern sind! ·Biegler· Mensch! Da haste recht! ·Struve· Draußen veracht' dir keiner ... Und da biste bloß _einem_ Jehorsam schuldig, -- das is der Meilenzeiger ... Na? ·Biegler· (schaut abschiednehmend um sich, mit hartem Entschluß) Gut! Wann willst du -- losjehn? ·Struve· Losjehn? ... Jleich. Uf'n Momang. ·Biegler· (in Erregung) Ich muß doch erst -- mit ihm -- reden ... Muß doch kündigen. ·Struve· Ach! Sei doch kein Milchkalb! Wird er dir viel kündigen? Und noch eins sag' ich dir: Der Jöttlingk is 'n tück'sches Luder. Der verjeßt dir die Blamasche nich. Da kannste morjen drei Zoll Stahl ins Leib kriegen, jleich, noch auf'n nichternen Magen. ·Biegler· (dumpf, entschlossen) Mir is alles egal. ·Struve· Ne, ne, ne, ne. Komm jleich. Nimm dir in acht. ·Biegler· Zeugnisbuch muß ich haben. Dann komm' ich mit. ·Struve· Zeichnisbuch? Ick weeß 'ne Penne hier in de Jegend, da stempelt dir 'n jewesener Oberjeheimrat de piksten Flebben noch heite nacht. Und denn -- wat willste mit 'n Zeichnisbuch? -- Et steht ja woll jeschrieben: »Ehrlich währt am längsten« -- aber 'n tichtiger Spitzbube fährt mit vier Hengsten. Und iberhaupt mit die olle Tugend! Die schabt sich ab wie 'ne dreck'ge Scheierbürschte. Da droppt dir ewig de Nese von wie bei'n kleinen Swienegel ... Bloß natirlich -- 'n jewisses Anlagekapital -- det missen wir haben. ·Biegler· Wozu? Woher? ·Struve· Det brauchste überall. -- Ohne 'n Parchentlappen kannste nich uf de Flohjagd. -- Willste lernen Jold machen? Kleinigkeit! Aber natirlich -- wenn de keinen Dukaten _hast_, kannste auch keinen Dukaten beschneiden. Siehste! Das is der Witz ... Na, Jott sei Dank, bei uns is ja nich wie bei arme Leit' ... Kleines Vermeegen zum Anfangen -- und so -- is ja alles da. ·Biegler· Ich krieg' noch nich mal 's volle Monatsjehalt. ·Struve· Aber Mensch! -- Bejreifst de denn noch immer nich? ·Biegler· Was denn? Na was denn? ·Struve· Herrgott! Schon doch 'n bisken mein Ehrjefihl und frag nich immer so glup'sch. Aber se sind doch nu mal da. Da kann man doch nischt machen. ·Biegler· Was? Was? Was? ·Struve· (zaudernd, verlegen) Na -- de -- de -- Diamanten. ·Biegler· Die willst du am Ende --? ·Struve· Die brechen wir doch jetzt jleich aus. Det is doch 'n janz reelles Jeschäftsprinzip. Anzeigen kann uns der Olle nich mehr. Sonst blamiert er sich. Na? ·Biegler· Ach so einer bist du! Na, dann jeh man wieder zu Hause. ·Struve· Du bist wohl 'n Schlamassel? ·Biegler· Ich muß jetzt elfe abpfeifen. (Wild) Jeh, oder ich pack' dir ins Jenick. ·Struve· Na -- denn mach's gut! ... Ick hab' mir aber sehr in dir entteischt. Den Vorwurf kann ick dir nich ersparen! ... Äh! Is nischt mehr los mit's menschliche Leben, nich vor und nich hinter de Mauer. (Ab, von Biegler gefolgt. Man hört das Tor auf- und zuschließen) Siebente Szene _Lore._ _Biegler_ ·Lore· (tritt aus der Kantinentür und lauscht nach links hin) Vater, bist du's? ·Biegler· Ich bin's, Fräulein. ·Lore· (freudig aufschreckend) Ach Sie sind's ... Haben Sie Vater nich gesehn mit -- mit -- noch einem? ·Biegler· Nein. ·Lore· Ach -- 'n paar Augenblicke könnt' ich Sie sprechen -- ja? ·Biegler· Ich möcht' Sie ja auch noch sprechen, bevor ich ... das heißt wenn Sie mir danken wollen etwa -- ·Lore· Danken darf ich Ihnen wohl noch nich mal! Weiß Gott, Herr Biegler, ich wollt' Ihnen so gerne helfen. Das war meine einzigste Absicht. Statt dessen haben Sie mir geholfen. Nu helfen Sie mir auch weiter. Ich weiß nicht aus, nicht ein. ·Biegler· Was is denn nu? ·Lore· Er -- war -- eben da. ·Biegler· Aha ... Na, wann wird Hochzeit sein? ·Lore· (schweigt) ·Biegler· Oder will er noch immer nich? ·Lore· Ja, ja, er will ... Er sagt wenigstens, er will ... In Arbeit kommt er nich mehr zurück. ·Biegler· So? Ei, ei! ·Lore· Aber sobald er was andres gefunden hat, sagt er -- ·Biegler· Das kann ihm ja nich fehlen. ·Lore· Herr Biegler, sagen Sie mir, is denn das möglich? -- Man hungert, man hungert nach seinem Glück, jahrelang -- und wie man's endlich hat -- _so_, zwischen seinen zwei Händen, da is es mit einem Mal keins mehr, da _will_ man gar nich mehr, da is man satt, satt. Satt is man. Satt. ·Biegler· Wer satt is, soll nich essen. ·Lore· Ich kann doch nicht »nein« sagen zu ihm ... Das is doch Wahnsinn. Da drin schläft doch mein Lenchen. ·Biegler· (erregt, verbissen) Mancher Mann wär' glücklich, Ihr Lenchen auf dem Schoß zu halten. ·Lore· (erschrocken) Herr Biegler, so etwas darf ich nich denken. Das is Sünde. ·Biegler· Sünde is, wenn man sich mit sehenden Augen ins Unglück stürzt. ·Lore· Das sagen Sie heute, und gestern -- haben Sie Stellung und alles -- haben Sie hingegeben -- bloß -- ·Biegler· Gott weiß, wie alles kommt. ·Lore· Ach, wenn ich reden dürfte! Ich glaub' ihm ja nichts mehr. Ich laure bloß immer: Was für 'n Hintergedanken hat er nu? Mit Vater hat er im Winkel gesessen, weit weg, damit ich nichts hören soll ... Es war da die Rede von -- Gott, Sie wissen ja, wie Vater is. Nu hebt mich die Angst, daß er ihm irgend was Schlimmes einredet. ·Biegler· Wem kann der alte Mann denn was tun? ·Lore· Vielleicht irr' ich mich auch. Ach, sagen Sie mir, was soll ich? Ich kann ja nich mehr los von ihm. Ich bin jahrelang wie sein Hund zu ihm gewesen. Ich kann ja nich mehr los von ihm. ·Biegler· Ja, wenn Sie nich _können_. ·Lore· Ach, lieber Herr Biegler, helfen Sie mir. ·Biegler· Helfen! Ich weiß mir alleine nich zu helfen! ·Lore· Ach, Sie sind stark. Das weiß ich seit gestern. Sie können, was Sie wollen! Sie -- ·Biegler· Hähähähä! Weil ich 'n Stein gefunden hab' zur richtgen Zeit. Ich will _nich_ bald wieder auf 'ner dreckigen Pritsche liegen, Pennbruder rechts, Pennbruder links -- wenn nichts Schlimmeres -- und mir die Augen aus dem Kopf brennen vor -- -- _und muß doch_. ·Lore· Sie können doch auch da gehn, wo Sie hingehören. Zu Ihresgleichen. ·Biegler· Das _is_ meinesgleichen, Fräulein Lore. Irren sich nich. -- Da _gehör'_ ich hin ... Aus _der_ Welt, wo Sie sind, da bin ich 'raus. Wo ich lebe, da is Krätze und Fuselgestank, da spuckt man sich auf die wunden Füße, weil man kein Geld zu Salbe hat, da verkauft man seine ewige Seligkeit um ein gefälschtes Stück Attest. ·Lore· Aber noch sind Sie doch hier. ·Biegler· Schon so gut wie nich mehr. Morgen früh geh' ich weg. ·Lore· Aber warum denn? Warten Sie doch ab! ·Biegler· Ich wart' gar nichts mehr ab. Nichts Gutes, nichts Böses. -- Ich geh' auf alle Fälle ... Nu sie aus meinem eigenen Munde wissen, was für einer ich bin, nich einen Tag mehr ... Dies is bloß wie 'n schöner Traum gewesen. Der is nu aus ... Ach, bangen werd' ich mich schon sehr ... Ja, _die Nächte_, wenn der Mondschein überall auf den Blöcken liegt ... Da -- sehn Sie, da ... Bei Tag sind sie man grau ... Aber Nachts wie Carrara ... Manchmal bin ich so 'rumgegangen und hab' _einen_ gestreichelt und den _andern_ gestreichelt und hab' gedacht: »Wer wird dich mal behauen -- der Glückliche!« ... Und wenn dann erst alles ganz still wird -- ringsum auf den Straßen, -- dann sitzt man mitten in der Welt wie in einem schönen, warmen Mantel -- ganz ruhig und ganz -- -- ich sagt's Ihnen schon gestern -- aber das kommt erst viel später gegen Mor -- -- (Hält lauschend in ängstlicher Spannung inne) ·Lore· Was is? ·Biegler· (Man hört links Gelächter von Frauenstimmen und Singsang -- scheinbar sich entfernend) Horchen Sie! Horchen Sie! ·Lore· Nun ja. Da lachen 'n paar auf der Straße. Was is denn dabei? ·Biegler· (leise) Das sind die Mädchen, die unter Aufsicht stehn. Die ziehen hier in die Runde -- von elfe ab -- immer ums Straßenkarree 'rum -- bis gegen Morgen. (In Angst) Solang ich die lachen hör', da -- ·Lore· Was haben Ihnen denn die armen Weiber getan? ·Biegler· (leise, geheimnisvoll) Sie is drunter. Ja, sie, sie ... die geht jetzt auch so 'rum. ·Lore· Woher wissen Sie das? ·Biegler· Ich hab' -- sie -- getroffen. ·Lore· (erschrocken) Hier draußen? ·Biegler· Ne ... Bevor ich herkam. Oben im Norden ... Wenn sie mich gesehn hätt' -- ich hab' mich bloß geschämt, weil ich so abgerissen war, sonst -- weiß Gott, was ich jetzt schon wär' ... (Er schaudert) Ja, der Hunger kann viel ... Na -- werden ja sehn! ·Lore· (erschüttert) Aber Sie haben doch Ihren guten Willen, Sie -- ·Biegler· Was is guter Wille? Mein guter Wille sind Sie gewesen, Sie und der komische alte Mann da drin. Von jetzt ab hält mir keiner mehr die Stange hin. Aber gedenken werd' ich's Ihnen -- bis -- ... Fräulein Lore, es is mein letzter Dienst heute. Ich hab' die Elf-Uhr-Runde noch nich gemacht. ·Lore· (sich ängstlich umschauend) Ach -- noch -- noch -- Wenn ich bloß wüßte, wo er Vater hingeschleppt hat ... Ich kann die Angst nich los werden, daß, daß -- -- ·Biegler· Na, was denn? ·Lore· Ach, nehmen Sie sich vor dem Block in acht -- dort -- ja? ·Biegler· Ja, ja, der hängt locker, ich weiß ... ·Lore· Und bleiben Sie wenigstens im Mondschein. Gehn Sie nich ins Finstre -- nein? ·Biegler· (kurz auflachend) Das wär' 'n richtiger Wächter, der sich vorm Finstern grault. Und heut bin ich noch einer ... Heut bin ich noch Mensch ... Morgen munter -- wieder 'runter -- in den Morast ... (Streckt in tiefer Bewegung die Hand gegen sie aus) Gut soll's Ihnen gehn, Fräulein Lore ... ·Lore· (ohne die Hand zu nehmen) Ja, Herr Biegler, wenn's Ihnen hier so gefällt ... Schließlich, wenn's Ihnen die andern verzeihen, warum _müssen_ Sie denn durchaus weg? ·Biegler· Wer wird _mir_ verzeihen? ... Die Steinmetzen haben ja schon beraten, daß sie morgen zum Alten gehen werden -- und -- ·Lore· Nu ja. ·Biegler· -- und -- ·Lore· Ach, Sie denken wohl ...? Ach, Sie wissen noch gar nich ...? ·Biegler· Was is da viel zu wissen? ·Lore· Herr Biegler, die Steinmetzen _wollen_ morgen zum Alten gehn -- das is richtig, aber nicht darum, was _Sie_ glauben, sondern weil sie ihm sagen wollen, daß sie gerne mit Ihnen zusammenarbeiten werden. ·Biegler· (verständnislos) Die Steinmetzen -- wollen -- dem Al-- ·Lore· Ja. Weil Sie ja bewiesen haben, daß Sie vom Fach sind, und weil Ihr Auftreten gestern ihnen so gut gefallen hat, darum soll Ihr Privatleben keinen mehr was angehn, haben sie gesagt. ·Biegler· Die Steinmetzen wollen -- die Steinmetzen wollen -- die Steinm-- -- -- Gott, Gott, Gott! ... Die Steinmetzen wollen -- ja, warum haben Sie mir das nich schon früher gesagt? ·Lore· Sie sagten doch, Sie warten gar nichts mehr ab ... Sie gehen auf alle Fälle. ·Biegler· Wenn die Steinmetzen _wollen_, warum soll _ich_ denn --? Wenn ich wieder -- ich soll wieder Krönel und Scharriereisen in die Hand nehmen? ... Ich soll wieder die blaue Schürze -- umbinden -- dürfen? Ich soll -- soll -- soll -- wieder die blaue Schürze ... (Heimlich, leise, in Angst) Fräulein Lore, ich will Ihnen was anvertrauen. -- Aber -- (Legt die Hand auf die Lippen) Ich hab' nämlich manchmal solche Anfälle gehabt (wischt sich über die Stirn) in der Anstalt ... Das find't man dort sehr oft ... Sind Sie ganz sicher, daß Sie das eben gesagt haben, daß die Steinmetzen -- morgen -- dem Alten --? ·Lore· Aber Herr Biegler, ja, ja! ·Biegler· Und Sie glauben auch, es kann -- nichts mehr -- dazwischenkommen -- bis morgen? ·Lore· Was sollt' denn das sein? ·Biegler· Nu, daß die Steinmetzen ihren Sinn ändern -- oder daß der Alte sagt: »Nein« -- oder daß mir 'n Stein auf'n Kopf fällt -- oder, was weiß ich? ·Lore· (sieht sich erschrocken nach der Treppe um, leise) Stein auf'n -- ·Biegler· (lachend) Ach, wissen Sie, das wär' wirklich schade. Denn ich bin immer 'n tüchtiger Arbeiter gewesen ... Ich hab' schon zwei Preise gekriegt ... Ich bin mal vor der ganzen Innung -- bin ich öffentlich belobt worden ... Gespart hab' ich auch mal ... Ich hab' mal schon acht Mark fünfzig pro Tag verdient ... Ich versteh' auch gut in Granit zu arbeiten. Profile und Alles ... Granit, das wissen Sie ja, das ist das Härteste ... Dabei scheint es einem manchmal wie Gallert ... weicht einem geradezu aus. Man kann da mit dem Spitzeisen gar nich 'ran ... da muß man -- da muß man -- (vom Glücke überwältigt) Die Steinmetzen -- wollen -- mit mir -- -- (sinkt lachend und schluchzend auf die Bank, das Gesicht gegen die Mauer gelehnt, leise) arbeiten -- mit mir -- arbeiten -- -- ·Lore· (macht mitleidig einen Versuch, seinen Rücken zu streicheln) Ach Gott! (um ihn zu erwecken, ein wenig ängstlich) Herr Biegler! ... Herr Biegler! ·Biegler· (zu sich kommend) Ja, ja, ja, ja! Wo hab' ich meinen Stock -- meine Pfeife? ... Ich bin ganz, ganz ... die Kontrolluhren hab' ich auch noch nich gestochen! -- Heut darf ich nichts versäumen, sonst ... Hahaha -- hahahaha! Adieu, Fräulein Lore. Ich komm' bald wieder. ·Lore· Wo wollen Sie hin, Herr Biegler? ·Biegler· Runde machen -- nach oben -- die Treppe 'rauf ... ·Lore· (leise) Gehn Sie nich, Herr Biegler. Nich die Treppe 'rauf! ·Biegler· Warum denn nich? Haben Sie immer noch Angst vor dem Block? ·Lore· (in wachsender Angst) Gehn Sie nich, Herr Biegler! Wenn Sie sich freuen auf Ihr künftiges Leben -- wenn Sie den Krönel wirklich noch mal führen wollen -- wenn Sie -- ... _Mein Kind_ hat Ihnen das erste Willkommen gesagt, das hat Ihnen Glück gebracht -- darum ... ach, gehn Sie nich! Gehn Sie wo anders, aber da _nicht_! ·Biegler· Fräulein Lore, Sie werden ja wohl Ihre Gründe haben -- ·Lore· J, ja, ja, ja. ·Biegler· Aber sein Sie ganz ruhig! Nu kann geschehn, was will! Mir tut keiner mehr was. Jetzt nich mehr. Nee. ·Lore· (entschlossen) Dann komm' ich mit. ·Biegler· Gut! Kommen Sie mit. Gehn wir alle beide nachtwächtern! ·Lore· (ruft hinauf) Is da einer oben? (Schweigen) ·Biegler· Na sehn Sie! ·Lore· (leise) Herr Biegler, wenn wir die Treppe 'raufgehn, dann fassen Sie mich mal um den Leib. Ganz fest. ·Biegler· Ich soll Sie umfassen? Das is doch nich Ihr Ernst? ·Lore· (umschlingt ihn rasch, mit erhobener Stimme) So werden wir jetzt die Treppe 'raufgehn. Und dann wollen wir doch mal sehen. ·Eichholzens Stimme· (von oben) Wirste weg da, du -- ·Göttlingks Stimme· Scht! ·Biegler· Nanu! Was is denn _das_? (Er reißt sich los und springt blitzschnell die Treppenstufen hinan. -- In demselben Augenblicke stürzt dicht hinter ihm der Block mit Getöse herunter, prallt gegen die Stufen und zerschellt am Boden. Eine Staubwolke wirbelt auf. Man hört oben das ängstliche Granzen des alten Eichholz und ein Stöhnen wie von Ringenden) ·Lore· (ist mit einem Schreckensruf zurückgewichen und schreit, sinnlos vor Angst, in das Dunkel hinauf) Tu ihm nichts, Eduard. Ich zeig' dich an. Ich zeig' dich an. Ich zeig' dich an. ·Göttlingks Stimme· Schrei nich, du Frauenzimmer! (Man sieht seine Gestalt nach links hin flüchten und verschwinden) Achte Szene _Lore._ _Biegler._ _Eichholz._ Später _Zarncke._ _Marie._ _Frau Homeyer._ _Zwei Dienstmädchen_ ·Stimmen von der Straße her· (durcheinander) Was ist da los? Was is da geschehn? Da is Mord und Totschlag ... Macht doch mal auf! ... Aufmachen! -- (Man rüttelt am Tor) ·Biegler· (führt unterdessen den Alten die Treppe herab) Vorsicht! ... Da sind Stufen zerbrochen. -- Vorsicht! -- ·Eichholz· (betrunken weinend) Ich bin unschuldig. Ich hab' nichts getan ... ·Lore· (ihnen entgegen) Um Gottes willen, Vater! ·Biegler· (gibt den Alten, der sich nicht aufrecht halten kann, an Lore und ruft nach links hinübergehend atemlos) Was wollen Sie hier? 'n Stein is 'runtergefallen. Weiter nichts ... Weiter is nichts. -- ·Die Stimmen· (durcheinander) Nu machen Sie doch mal das Tor auf ... Wollen mal nachsehen.. Geschwindelt wird nicht ... Aufmachen! ·Biegler· Hier wird nichts aufgemacht. Gehen Sie Ihrer Wege! (Pfiffe. Gelächter. Abgerissene Rufe. Dann allmählich Stille) ·Eichholz· (der von Lore zu dem vordersten Block geführt wird, wo er sich niedersetzt, derweilen weitergranzend) Ich bin nu auch 'n Mörder. Ich komm' nu aufs Schafott. ·Zarncke· (hat derweilen Licht gemacht, das Rouleau hochgezogen und die Glastür geöffnet, dann tritt er im Schlafrock auf den Balkon hinaus) Was is da unten? Is da ein Unglück geschehn? ·Lore· (mit flehender Gebärde zu Biegler hin) Ach bitte, bitte! ·Zarncke· Bekomm' ich keine Antwort? ·Biegler· (nach Atem ringend, mit zitternder Stimme) Der Oberkirchner Sandsteinblock links an der Treppe is vom Stapel gefallen, Herr Zarncke. ·Zarncke· Wie hat denn das passieren können? ·Biegler· Er stand auf Hochkant im Flaschenzug. Da haben sich wohl die Ketten gelockert. ·Zarncke· Und was klagt der alte Eichholz so? Hat er sich verletzt? ·Lore· (Angst und Erregung niederzwingend, mit geheuchelter Ruhe) Er hat sich wohl 'n bißchen weh getan ... Aber schlimm is es nicht, Herr Zarncke. ·Zarncke· Na wenn's weiter nichts is. ·Eichholz· (wird allmählich still) ·Frau Homeyer· (in Nachtjacke mit einem dunkeln Tuch darüber, ist mit zwei Mägden hinter sich auf die Veranda hinausgetreten) O Gott, o Gott, o Gott, da is gewiß 'n Malheur passiert. ·Zarncke· (herunterrufend) Nichts is passiert. Geht mal alle ins Haus zurück! ·Marie· (die während des Vorigen in dem -- gleichfalls erhellten -- Fenster des Wohnzimmers erschienen ist) Du, Lore, komm mal her zu mir. ·Lore· (geht zu ihr) ·Frau Homeyer· (derweilen) Da is sicher wieder 'n fremder Mann bei der Lore gewesen. Da möcht' ich jeden heiligen Eid drauf schwören. ·Zarncke· Na, wird's bald? ·Frau Homeyer· (mit den Mägden ab) Ja, ja, ja, geh' schon. Herrgott, ja. ·Marie· (leise) Was schriest du da vorhin? Und zu wem? ·Lore· (bebend) Ich? ·Marie· Ich war wach. Mich täuschst du nicht. ·Zarncke· Mariechen. ·Marie· Vaterchen? ·Zarncke· Geh nu man auch zu Bett. Den Schaden können wir uns morgen besehn. Das heißt, dem Willig werd' ich aufs Dach steigen. Haben sich wohl tüchtig erschreckt, Biegler -- was? ·Biegler· (noch immer zitternd in Erregung) Ach -- nich sehr -- Herr Zarncke. ·Zarncke· Na denn: Gute Nacht, Kinder. ·Lore· Gute Nacht, Herr Zarncke. ·Marie· (gleichzeitig) Gute Nacht, Vaterchen. ·Zarncke· (geht ins Zimmer zurück und schließt die Glastür) ·Lore· (leise) Morgen erzähl' ich dir alles. Es is viel geschehn seit gestern. ·Marie· Aber doch nur Gutes? ·Lore· (fest) Ja. Weiß Gott. ·Marie· (in wehmütiger Güte) Na, dann freut's mich auch. Gute Nacht. ·Lore· Gute Nacht, Mariechen. ·Marie· (schließt das Fenster. Ab) Neunte Szene _Lore._ _Biegler._ _Eichholz_ (Fenster und Glastür verdunkeln sich. Die Stimmen der Straße haben sich allmählich verloren. Mitternachtsstille) ·Biegler· (sinkt, von den Folgen der ausgestandenen Erregung überwältigt, auf die Bank und atmet schwer) ·Lore· Was is Ihnen, Herr Biegler? Sind Sie ganz heil geblieben? Is Ihnen auch nichts geschehn? ·Biegler· Ich muß mich bloß -- 'n bißchen verschnaufen ... ich bin ganz ... ·Lore· Aber Sie rangen doch mit ihm? Hat er Ihnen da nichts getan? ·Biegler· Er hat nich mal mehr so viel Courage gehabt, seinen Dreikantigen zu ziehn. -- Na, kommen Sie noch immer nich los von ihm? ·Lore· (mit einer wilden Gebärde des Befreitseins) Ach! ·Biegler· Ja. Dem sein Hund sind Sie _gewesen_, scheint mir. ·Lore· Und meinen alten Vater so zu -- der Schuft! ... Vater! Du mußt zu Bett gehn, Vater! ·Eichholz· (antwortet nicht, atmet tief im Schlafe) ·Lore· Gott! -- Nu sehn Sie bloß! ·Biegler· Schläft er am Ende? ·Lore· _Dem_ werden Sie doch nichts nachtragen? ·Biegler· Wenn er mir nichts nachträgt. Hahaha. ·Lore· Herr Biegler! ·Biegler· Was, Fräulein Lore? ·Lore· Ich kann nichts sagen -- mir ist das Herz so -- ich kann nicht ... ·Biegler· Aber die Hand können Sie mir geben. (Streckt ihr die Hand entgegen) Wenn die nu wieder rein wird, dann sind Sie schuld. ·Lore· (weist kopfschüttelnd nach dem Balkon) Unser Alterchen da oben is schuld. ·Biegler· (seine Hand in der ihren) Ja, wie's auch wird, dem wollen wir danken ... Scht! ... Schlägt's da nich zwölfe? (Man hört die ferne Turmuhr schlagen) Wahrhaftig! Nu muß ich aber wirklich mal Runde machen und abpfeifen ... Sonst bin ich ja gar nich wert, daß ... (Lacht leise und glücklich) Gute Nacht, Fräulein Lore! ·Lore· Gute Nacht, Herr Biegler. ·Biegler· (am Fuß der Stufen) Na, nu kann ich ja wohl ruhig die Treppe 'rauf? ·Lore· _Der_ kommt nie wieder. -- ·Biegler· (von den Stufen her) Gute Nacht! ·Lore· Gute Nacht. ·Biegler· (verschwindet nach rechts) ·Lore· Vater! ... Nu mußte aber wirklich schlafen gehn, Vater. (Der Alte rührt sich nicht. Man hört Biegler dreimal kurz pfeifen) Vater, hörst du, wie er pfeift? (Biegler pfeift -- wieder von weiter her) Vater, das Glück pfeift! Das Glück pfeift! (Sie sinkt schluchzend vor dem Alten nieder, das Gesicht an seinem Knie verbergend. Der Alte schläft fort. -- Das Pfeifen Bieglers tönt leiser, je weiter er sich entfernt) (_Der Vorhang fällt langsam_) [Illustration] +----------------------------------------------------------------+ | Anmerkungen zur Transkription | | | | Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen | | gebräuchlich waren, wie: | | | | anderen -- andern | | besehen -- besehn | | danach -- darnach | | Gehen -- Gehn | | sehen -- sehn | | | | Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert. | | Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: | | | | S. 31 »teilnahmlos« in »teilnahmslos« geändert. | | S. 66 »austapenzieren« in »austapezieren« geändert. | | S. 71 »verschüchert« in »verschüchtert« geändert. | | S. 76 »pike-pikefeiner« in »pikefeiner« geändert. | | S. 130 »umso« in »um so« geändert. | | S. 156 »der Lore von« in »der von Lore« geändert. | | | +----------------------------------------------------------------+ *** End of this LibraryBlog Digital Book "Stein unter Steinen" *** Copyright 2023 LibraryBlog. 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