Home
  By Author [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Title [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Language
all Classics books content using ISYS

Download this book: [ ASCII ]

Look for this book on Amazon


We have new books nearly every day.
If you would like a news letter once a week or once a month
fill out this form and we will give you a summary of the books for that week or month by email.

Title: Die Brüder Wright
 - Eine Studie ueber die Entwicklung der Flugmaschine von Lilienthal bis Wright
Author: Hildebrandt, A. (Alfred)
Language: German
As this book started as an ASCII text book there are no pictures available.


*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Die Brüder Wright
 - Eine Studie ueber die Entwicklung der Flugmaschine von Lilienthal bis Wright" ***


Illustration: Titelblatt des Buches 'Die Brüder Wright


Die Brüder Wright



Eine Studie über die Entwicklung der Flugmaschine von
Lilienthal bis Wright


Von Hauptmann a.D. A.

Hildebrandt



Vormals Lehrer im Königlich Preussischen
Luftschiffer-Bataillon


Mit 44 Abbildungen


BERLIN 1909



Inhalt.

 Vorrede.
 Die Familie Wright.
 Die Entwickelung des Gleitfluges.
 Nachfolger Lilienthals in England und Amerika.
 Die Gleitflugversuche der Brüder Wright.
 Der Motorflieger der Wrights.
 Das Ringen der Wrights um Anerkennung.
 Die Beschreibung der Wrightschen Flugmaschine.
 Rückkehr der Wrights nach Amerika und Besuch Berlins.
 Anhang: Korrespondenz von A. Hildebrandt.


Abbildungen.

 John G. Körner
 Frau Susan C. Wright
 Bischof Milton Wright
 Wilbur Wright
 Orville Wright
 Otto Lilienthal
 Der Lilienthalsche Gleitflieger
 Schematische Zeichnung Des Lilienthalschen Abflughügels
 Octave Chanute
 Chanute-Leiter-Drachen 1895
 Mehrdecker-Gleitflieger von Chanute (Sechste Konstruktion) 1896
 Chanute-Doppeldecker im Fluge zu Dune-Park 1896
 Chanute-Doppeldecker zu Dune-Park 1896
 Chanute-Gleitflieger
 Wright-Gleitflieger 1901
 Wright Gleitflieger im Segelfluge 1902
 Wright-Gleitflieger
 Wrights Gleitflieger 10. Oktober 1902
 Wilbur Wright
 Die Maschine mit der Startvorrichtung, von oben gesehen
 Vorbereitungen zum Start
 Der Flieger beim Start am Ende seiner Ablaufschiene
 Der Drachenflieger 6 m über dem Felde
 Die erste Flugschule der Welt
 Wilbur Wright macht eine Fahrt mit Frau Hart O’Berg
 Hölzerne Startschiene
 Messen der Windgeschwindigkeit
 Flieger-Werkstätte
 Wilbur Wright
 Wilbur Wright erklärt dem neben ihm sitzenden König von Spanien seine Flugmaschine.
 Das hinten befindliche Horizontalsteuer
 Wright erteilt seinem Schüler Tissandier Unterricht
 König Eduard von England begibt sich auf dem Felde Pont Long bei Pau zum Startplatz des Fliegers
 Minister Barthou im Aeroplan
 Die mit 2 Personen bemannte Flugmaschine
 Der Flieger im Fluge, von vorn gesehen
 Orville, Katherine, Wilbur Wright
 Katherine und Orville Wright
 Flug Um Den Michelin-Preis
 Blick zwischen die Tragflächen mit ihren Holzstreben
 Hart O’Berg
 Schematische Zeichnung der betätigung der Verwindungsvorrichtung
 Startpylon für die Flugmaschine
 Schematische Ansicht Der Trageflächen Nach der Verwindung


Briefe.

 Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 21. April 1909
 Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 22. Mai 1909
 Brief von Bischof Wright an A. Hildebrandt; 5. Juni 1909
 Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 28. Juni 1909
 Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 9. Juli 1909
 Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 18. Juli 1909



Vorrede.


Der Prophet gilt nichts im Vaterlande! Dieses alte Sprichwort will
andeuten, dass infolge der Unvollkommenheit der menschlichen Natur das
Verdienst hervorragender Männer oft nicht so gewürdigt wird, wie es
seiner Bedeutung nach sein müsste. Die meisten Menschen können sich
eben nicht über das Alltägliche erheben und dem Gedankenfluge
weitausschauender Zeitgenossen folgen. Neid und Missgunst stellen sich
den Grossen dieser Erde entgegen, und die Rivalität der Konkurrenten,
die alles verkleinern und herabziehen. Im Kampfe um die Eroberung der
Luft haben wir zwei hervorragende Fälle dafür gehabt, wie sich die
Bahnbrecher nur mühselig zu Anerkennung durchzuringen vermögen. Wir
haben aber hier gleichzeitig ein seltenes Beispiel, wie zwei Männer
noch bei Lebzeiten die grösste Anerkennung ihrer Zeitgenossen gefunden
haben. Der Gedanke an die Eroberung der Luft ist so bestechend, dass er
in den weitesten Schichten der Völker ganz aussergewöhnlichen Anteil
findet. Bislang beherrschte der Mensch nur zwei Dimensionen. Jetzt hat
er auch begonnen, sich die dritte Dimension, die Luft, zu erobern.
Zeppelin und Wright sind die Könige der Luft. Ihnen beiden ist es zu
danken, dass wir anfangen, die Luft sowohl mit Fahrzeugen, „leichter
als die Luft“, als auch mit solchen, die „schwerer als die Luft“ sind,
zu beherrschen. Beide haben lange arbeiten müssen, bis sie der Welt die
Richtigkeit ihres Gedankenfluges beweisen konnten. Beide sind sie viel
geschmäht und mit Schmutz beworfen worden. Der Name Zeppelin ist heute
nicht nur dem deutschen Volke bekannt, er hat überall ausgezeichneten
Klang. Ueberall widmet man dem greisen Forscher eine Verehrung, wie man
sie den grössten Helden aller Zeiten kaum entgegengebracht hat. Auch an
Wright haben wir Europäer viel gesündigt. Man ging sogar soweit, die
beiden Brüder, die bereits im Jahre 1905 die grössten Erfolge erzielt
hatten, in Umprägung des Wortes „die fliegenden Brüder“—„die lügenden
Brüder“ zu nennen. Erst im Jahre 1908 konnten sie, die auch bei ihren
Landsleuten in Amerika wenig Glauben gefunden hatten, beweisen, welch
gewaltigen Fortschritt sie in ernster Arbeit gemacht hatten. Verfasser
folgt der Anregung, eine allgemein verständliche Abhandlung über die
Gebrüder Wright zu schreiben, mit um so grösserer Freude, als er
ziemlich der einzige war, der unentwegt die beiden genialen Erfinder in
Wort und Schrift verteidigt und niemals an dem Wert ihrer Mitteilungen
gezweifelt hat. Bei der Abfassung der kleinen Schrift kommt es dem
Verfasser sehr zu statten, dass er bei einem Besuch in Amerika sowohl
den Lehrer der Brüder Wright, den jetzt 77 Jahre alten hervorragenden
Ingenieur Chanute, und dessen Assistenten Herring, wie die Stätten, an
denen die Flugmaschine geboren wurde, kennen lernte. Besonders zu Dank
verpflichtet ist er dem in Gross-Lichterfelde lebenden Baumeister
Gustav Lilienthal, der ihm in früheren Jahren authentisches Material
über seinen Bruder Otto Lilienthal, den Altmeister der Fliegekunst
übermittelt hat, ferner dem in New York lebenden Ingenieur Herring,
sowie auch Ingenieur Chanute in Chicago, der umfangreiches Material der
ersten Flugversuche in Amerika zur Verfügung gestellt hat; endlich dem
Bischof Milton Wright zu Dayton in Ohio, der sowohl beim Besuch des
Verfassers eingehende mündliche Angaben gemacht hat, als auch jetzt in
bereitwilligster Weise altes Material über seine Familie und seine
Söhne zur Verfügung stellte. Orville Wright ist nun nach Berlin
gekommen, wo er auf Veranlassung des „Lokal-Anzeigers“ sein bis jetzt
unübertroffenes Können vorführen will. Noch sind wir erst im
Anfangsstadium des Kampfes um die Eroberung der Luft, und viel Arbeit
ist nötig, ehe wir einigermassen sicher die Luft beherrschen. Mögen die
Vorführungen von Wright für unsere deutschen Erfinder und namentlich
für diejenigen, die sie finanziell unterstützen wollen und müssen, ein
Ansporn zur weiteren Förderung sein.

_Berlin_, August 1909.

A. Hildebrandt.



Die Familie Wright.


Die Wrights führen ihren Stammbaum bis in das 14. Jahrhundert zurück.
Viele hervorragende Leute, deren Namen auch in der Geschichte verewigt
sind, haben der Familie angehört. Von grossmütterlicher Seite stammen
sie aus Holland, wo die ersten Aufzeichnungen bei Lord Afferden Ende
des 14. Jahrhunderts beginnen und bis in die heutige Zeit vollständig
fortgeführt sind. Die Nachkommen des Lords wanderten später nach
Amerika aus und siedelten sich um das Jahr 1650 in Long Island an. Die
Grossmutter Katherine Reeder war verwandt mit dem Gouverneur Andrew H.
Reeder, der in Kansas im Jahre 1854 die Zügel der Regierung inne hatte.
Väterlicherseits können die Vorfahren zurückgeführt werden bis zu John
Wright, der im Jahre 1538 das Gut Kelvedon Hall im Kreise Essex in
England erwarb. Sein und seiner Frau Olive Nachkomme im vierten Grade,
Samuel Wright, wanderte im Jahre 1630 nach Amerika aus und siedelte
sich 6 Jahre später als Farmer in Springfield in Massachusetts an. Hier
wurde er bald zum Diakon der ersten puritanischen Kirche und später zum
Pfarrer der Gemeinde erwählt. Nach segensreichem Wirken entschlief er
sanft im Jahre 1665 zu Northampton. Seine Nachkommen blieben in
Neu-England und manche berühmten Leute sind aus ihnen hervorgegangen.
Zu nennen sind Edmond Freeman, Reverend Joshua Moody, Reverend John
Russell, John Otis und John Porter in Windsor. Durch den letzten sind
die Wrights verwandt geworden mit dem berühmten amerikanischen General
Ulysses S. Grant und mit dem Präsidenten Grover Cleveland; ferner mit
dem bekannten General Joseph Warren in Bunkerhill. Der Grossvater
Wrights, Silas Wright, war Senator der Stadt New York und später
Gouverneur des Staates New York. Er besass umfangreiche Güter, um deren
Bewirtschaftung er sich selbst kümmerte. Seine Kinder wurden
gleichfalls zu Landleuten erzogen. Er starb in New York im Jahre 1847.

[Illustration: John G. Körner: Der aus Deutschland stammende Grossvater
Wrights im 80. Lebensjahr]

[Illustration: Frau Susan C. Wright: Die Mutter der Wrights Im 40.
Lebensjahr]

[Illustration: Bischof Milton Wright: Vater der Wrights, Geboren Am 17.
November 1828]

Wir Deutschen haben den Ruhm, den ersten fliegenden Menschen, der mit
einer Flugmaschine ohne Motor die Luft durchsegelte, unsern Landsmann
nennen zu dürfen. Uns verbindet aber auch ferner Verwandtschaft mit den
Königen der Fliegekunst, mit Wrights. Der Grossvater mütterlicherseits,
John G. Koerner, war geboren in einer kleinen Ortschaft in der Nähe von
Schleiz im Fürstentum Reuss jüngerer Linie. Die Frau dieses im 86.
Lebensjahre verstorbenen Koerner, eine geborene Fry, war Amerikanerin,
aus Landen deutschen Sprachgebiets, wahrscheinlich der Schweiz,
stammend; nähere Angaben fehlen. Ihre Tochter wurde am 30. April 1831
in Hillsborough in Virginia geboren. Im Jahre 1859 vermählte sie sich,
die inzwischen mit ihrer Familie auf eine Farm zu Union County in
Indiana verzogen war, als jüngstes von 5 Kindern mit Milton Wright, dem
Vater der beiden Luftschiffer. Dieser ist am 17. November 1828 in Rush
County in Indiana geboren. Er folgte dem Berufe seiner ältesten
Vorfahren und hielt mit 22 Jahren seine erste Predigt am 17. November
1850. Infolge einer ausgezeichneten Erziehung, die ihm sein Vater hatte
zuteil werden lassen, brachte er es bald im geistlichen Stande zu hohen
Würden. Er wurde reisender Minister der lutherischen Brüdergemeinde,
Präsident des Kirchenrats, und amtiert bereits seit 24 Jahren als
Bischof. Die Erfüllung seines Berufes brachte es mit sich, dass er
viele und grosse Reisen zur Inspektion der verschiedenen ihm
unterstellten Kirchengemeinden ausführte; hat er doch nicht weniger als
200 000 Meilen in amtlicher Eigenschaft auf der Eisenbahn durchmessen.
Auf seinen Reisen erwarb er sich einen praktischen Blick und grosses
Verständnis für die verschiedensten Lebensstellungen; seinen Kindern
liess er eine ausgezeichnete Erziehung und Schulbildung zuteil werden.
Leider starb seine Frau bereits am 4. Juli 1889 zu Dayton in Ohio. Der
Tod hatte sie von einem langen und schweren Leiden erlöst. Besonders
Wilbur Wright hatte sich bemüht, seiner Mutter die letzten Lebensjahre
zu erleichtern, so dass ihm deswegen auch eine besondere Anerkennung
seines Vaters zuteil geworden ist.

[Illustration: Wilbur Wright: Geboren am 16. April 1867]

[Illustration: Orville Wright: Geboren 19. August 1871]

Milton Wright hatte sieben Kinder, von denen gegenwärtig noch fünf am
Leben sind. Wilbur, am 16. April 1867 in Henry County geboren, ist der
dritte Sohn. Ihm folgten am 19. August 1871 Orville und am 19. August
1874 Katherine, die beide in Dayton geboren wurden.

Eigenartig ist die Angabe des alten Bischofs, dass gerade die Erfinder
keine so gute Erziehung genossen haben wie seine anderen Kinder. Keiner
von beiden besuchte eine Hochschule, beide haben sich durch ihre eigene
Intelligenz in der Technik zu bedeutender Stellung emporgearbeitet.
Wilbur berechtigte anscheinend in seiner Jugend zunächst nicht zu
grossen Hoffnungen, obgleich er sehr intelligent war und eine rasche
Auffassungsgabe besass.

Das erste Interesse für die Flugtechnik wurde bei den Brüdern im Sommer
1878 geweckt, als ihr Vater eines Tages nach Hause kam und plötzlich
aus seinen Händen ein Spielzeug in die Luft fliegen liess, das auch
heute noch unter dem Namen Helicoptere—Schraubeflieger—bekannt ist.
Dieses kleine Ding war aus einem Rahmenwerk von Kork und leichtem
Bambus gefertigt und mit Papier überklebt. Die Schrauben wurden durch
ein starkes Band von Kautschukschnüren in Bewegung gesetzt, das eng
zusammengedreht wurde. Nur kurze Zeit blieb das zerbrechliche Spielzeug
in den Händen der Knaben erhalten; aber die Erinnerung an diese ersten
Flugversuche haftete fest im Gedächtnis beider. Einige Jahre später
begannen sie selbst ihr altes Spielzeug nachzubilden, wobei sie das
eine immer grösser als das andere fertigten. Aber sie machten die
eigentümliche Erfahrung, dass die grösseren Maschinen immer schlechter
flogen. Schliesslich wurden sie in ihren weiteren Experimenten
entmutigt und wandten ihr Interesse dem Drachensteigen zu, ein Sport,
der in Amerika durch die Franklinschen Drachenaufstiege zum Studium
elektrischer Erscheinungen besonders weite Verbreitung gefunden hat.
Als sie älter wurden, gaben sie auch diesen Sport auf, der, wie sie
selbst sagten, nicht mehr für Jungen in ihrem Alter passte.

Erst die Versuche Lilienthals und besonders das Nachdenken über seinen
tragischen Tod weckten in ihnen die alte Passion zur Flugtechnik
wieder. Sie studierten mit grossem Interesse die Werke von Chanute,
Marcy, Langley, Mouillard und anderen über die Fortschritte und
Untersuchungen des flugtechnischen Problems, und bald gingen sie zu
praktischen Versuchen über.

Die Mitbürger von Dayton, die irgendwie in nähere Berührung mit Wilbur
und Orville Wright gekommen sind, haben seinerzeit dem Verfasser
gegenüber das äusserst bescheidene Wesen der beiden gerühmt. Besonders
auch hoben sie hervor, wie sich die Erfinder aus einfachen
Verhältnissen emporgearbeitet hätten und mit grossem Fleiss ihrer
Fahrradfabrik einen Ruf weit über ihre Heimatstadt hinaus gesichert
hätten. Ihre vielseitige Bildung wurde ebenfalls anerkannt, und man
konnte sich in ihrer Gesellschaft davon überzeugen, wie gut sie
beschlagen waren in der Literatur, in der Musik, Kunst und selbst in
der Malerei. Sie sind nicht einseitige fanatische Flugtechniker,
sondern verfolgen alle Fortschritte der Luftschiffahrt und brechen
keineswegs etwa den Stab über die Konkurrenten, die auf dem Gebiete der
aerostatischen Luftschiffahrt tätig sind.

Sie haben in ihrer eigenen Fabrik auch wie gewöhnliche Arbeiter
gelernt, und die Franzosen waren überrascht, als sie sahen, wie Wilbur
Wright in Le Mans eigenhändig und ohne jede fremde Hilfe im
Arbeiterkittel seine Maschine zusammensetzte. Allerdings besass er ein
gewisses Misstrauen, das sich auf mancherlei schlechte Erfahrungen
stützte. So zum Beispiel wollte er als Klaviersaitendraht nur das
Material verwenden, das er sich aus Amerika mitgebracht hatte. Er war
sich eben auch bewusst, dass es bei einer so heiklen Maschine, wie es
ein Drachenflieger ist, auch auf das Unwesentlichste ankommt, wenn man
Erfolg erzielen will.

Die Pünktlichkeit der Brüder ist ebenfalls ganz hervorragend. Allen
Verabredungen folgen sie zur Minute, und nie braucht ein bestellter
Arbeiter auch nur eine Sekunde auf ihr Erscheinen zu warten.

In den Einöden bei Kill Devil hatten sie gelernt, ein äusserst
einfaches Feldleben zu führen. In Le Mans schlief Wilbur Wright in
einem einfachen Bett, eigentlich nur in einer grossen Kiste, die bei
Tage mittels einer Leine an die Decke gezogen wurde und bei Nacht auf
dem Fussboden neben seinem Flieger Platz fand. Dabei bestand der
Fliegerschuppen nur aus roh zusammengezimmerten Brettern, und der Raum
war keineswegs behaglich, da der Wind über die Ebene des Schiessplatzes
zu Auvours mit ungeschwächter Kraft dahinbrausen kann. In Pau bewohnten
sie allerdings schon ein komfortableres Quartier, jedoch immer noch
gegen das einfachste Zimmer eines einfachen Hotels bescheiden zu
nennen.

Beide Brüder sind von grosser Zurückhaltung; sobald sie jedoch jemand
bei näherer Bekanntschaft schätzen gelernt haben, so tauen sie etwas
mehr auf. Man hat das Gefühl, dass man Leute vor sich hat, auf die man
sich in jeder Beziehung und in allen Lagen des Lebens verlassen kann.
Ihre Schweigsamkeit ist ja genügend bekannt geworden. Ihre Physiognomie
ist meistens sehr ernst; aber bei näherem Verkehr hellt sich das
freundliche Auge Wilbur Wrights lebhaft auf. Ihre Ruhe verlieren sie
nie. Ob auf den Feldern Tausende von Zuschauern auf einen Flug
warteten, ob Prinzen oder Geschäftsleute, die ihre Patente zu erwerben
gedachten, sich unter ihnen befanden, nie liessen sie sich zu etwas
drängen, das sie nicht wollten; nie liessen sie sich verleiten, einen
Flug-Versuch zu wagen in einem Wetter, das ihnen ungünstig war. Die
Statur der beiden ist mittelgross. Wilbur ist mit 1,80 Meter etwas
grösser als sein Bruder Orville. Beide sind sehr schlank und zeigen nur
Muskeln und Sehnen. Man sieht ihnen an, dass sie sich ihr ganzes Leben
lang mit einem Sport beschäftigt haben, bei dem es hauptsächlich auf
ein sicheres Auge und grosse Geistesgegenwart ankommt. In ihrer
Lebensweise sind sie stets überaus nüchtern und enthaltsam gewesen.
Auch bei den feierlichsten Anlässen waren sie nicht zu bewegen, Alkohol
zu sich zu nehmen. Sie sind fromm, nicht äusserlich vor den Augen der
Leute, sondern aus innerem Gefühl. Dies ist leicht verständlich, wenn
man an den alten Bischof Wright, der als Priester höchstes Ansehen
geniesst, denkt. So haben sie, die heute doch nicht mehr jung sind, in
ihrem Leben noch nie eine Andachtsstunde versäumt und es als
selbstverständlich erachtet, die Sonntage von jeder Art Arbeit
freizuhalten.



Die Entwickelung des Gleitfluges.


Zum näheren Verständnis der ersten praktischen Arbeiten der Brüder
Wright ist es erforderlich, die Entwickelung der Flugtechnik in
Deutschland ins Auge zu fassen. Hier war es dem Ingenieur Otto
Lilienthal gelungen, als erster Mensch die Luft mehrere 100 Meter weit
zu durchfliegen. Weiteren technischen Kreisen ist er auch bekannt
geworden als Erfinder eines ausgezeichneten Kleinmotors, der seinerzeit
für Luftschiffahrtszwecke besonders geeignet erschien, leider jedoch
nicht in der richtigen Weise gewürdigt wurde. Auf die Arbeiten dieses
hervorragenden Mannes müssen wir deshalb im folgenden etwas näher
eingehen.

Otto Lilienthal wurde am 24. Mai 1848 zu Anklam in Pommern geboren.
Schon als Junge von 13 Jahren hat er im Verein mit seinem noch jetzt in
Gross-Lichterfelde bei Berlin lebenden Bruder Gustav das Fliegen mit
den primitivsten Mitteln versucht. Die ersten Flügel, die sich die
Brüder bauten, bestanden aus Klappen, welche an die Arme gebunden
wurden. Die Versuche wurden meist bei Nacht ausgeführt, weil die Knaben
den Spott ihrer Schulgenossen fürchteten. Sie versuchten, schwebend in
die Luft zu gelangen, indem sie mit ihren Klappen einen Hügel
herabliefen. Lange Jahre wurden dann die Fliegeversuche aufgegeben.
Während des Studiums an der Berliner Gewerbe-Akademie fertigte sich
Otto Lilienthal in den Jahren 1867/68 seinen komplizierten Apparat an,
der vier kleine und zwei grosse Flügel besass, die abwechselnd auf- und
niederschlugen. Es gelang ihm bei den Experimenten durch seine
Beinbewegung ein Gewicht von 40 Kilogramm zu heben.

[Illustration: Otto Lilienthal: Der Altmeister der Fliegekunst, tödlich
verunglückt am 6. August 1896 bei Berlin]

Durch einige Studiengenossen hatte der Mathematik-Professor von den
Arbeiten Lilienthals gehört und unterliess nicht, ihm sagen zu lassen,
es könne ja nicht schaden, wenn er sich mit flugtechnischen
Berechnungen die Zeit vertriebe, er möge aber um himmelswillen nicht
Geld für solche Sachen ausgeben! Damals war von Staats wegen durch eine
besondere Gelehrten-Kommission gerade festgestellt worden, dass der
Mensch ein für allemal nicht fliegen könne; es war daher sehr
begreiflich, dass man diejenigen, welche sich mit dem Flugproblem
beschäftigten, direkt für Narren hielt.

Nach dem Kriege 1870/71, in dem Otto Lilienthal als
Einjährig-Freiwilliger des Garde-Füsilier-Regiments—Maikäfer
genannt—die Belagerung von Paris mitmachte, wurden die Flugversuche mit
besseren technischen Hilfsmitteln nach den eingehendsten Experimenten
und Studien wieder aufgenommen, wobei sein Bruder Gustav ihn
tatkräftigst unterstützte. Die Maschinen bestanden aus ganz einfachen
gewölbten Segelapparaten, die den ausgebreiteten Fittichen eines
schwebenden Vogels glichen. Als Gestell diente Weidenholz, als Bezug
mit Wachs getränkter Schirting. Festgehalten und gehandhabt wurde der
Apparat dadurch, dass man beide Unterarme in entsprechende Polsterungen
des Gestelles legte und zwei Handgriffe anfasste. Die Flügelflächen
waren anfangs 10, später 8 Quadratmeter gross bei einer Klafterung von
7 Metern und 2 Metern grösster Tiefe. Auch 14 Quadratmeter grosse
Flügel kamen gelegentlich zur Verwendung; ihr Gewicht betrug 20
Kilogramm, dazu kam das Gewicht von Lilienthal mit 80 Kilogramm, so
dass also insgesamt 100 Kilogramm zum Schweben gebracht werden mussten.

[Illustration: Der Lilienthalsche Gleitflieger: Im Fluge von hinten
gesehen]

Den einfachen Segelflächen fügte Lilienthal später Steuerflächen hinzu,
um eine bessere Einstellung gegen den Wind zu erreichen. Die ganze
Bauart der Flugsegel glich in allen Teilen einem Sprengwerk, dessen
einzelne Glieder nur auf Zug und Druck beansprucht wurden. Grösste
Festigkeit wurde hierdurch mit grösster Leichtigkeit verbunden. Oft
stürzte er sich mit diesen Segeln von beliebigen Höhen in die Luft und
erreichte stets sicher wieder den Boden.

Um den Transport des Apparates zu erleichtern und ihn vor einem
eventuell eintretenden Unwetter zu sichern, wurde die Maschine so
eingerichtet, dass sie in einer halben Minute zusammengeklappt werden
konnte. Das Auseinanderlegen dauerte ebenfalls nur zwei Minuten. Unter
den ausgebreiteten Flügeln konnte man sogar Schutz vor dem Regen
finden; 20 Personen hatten unter der schützenden Hülle Platz.

Eingeleitet wurde das Fliegen durch Abschweben gegen den Wind von einem
erhöhten Standpunkt. Bei den ersten Sprüngen betrug die Höhe des
Sprungbrettes einen, später zwei Meter. Sechs bis sieben Meter weite
Sprünge von fünf Metern Höhe wurden mit Anlauf erzielt. Das Landen
vollzog sich schon ausserordentlich leicht. Der Gleit- und Segelflug,
der auch in neuester Zeit in den Mitgliedern des Schlesischen
Flugsportklubs wieder eifrige Anhänger gefunden hat, muss nach den
Angaben Lilienthals, wie folgt, ausgeführt werden:

„Man läuft mit gesenkten Flügeln dem Winde bergab entgegen, richtet im
geeigneten Augenblick die Tragefläche um Weniges auf, so dass sie
annähernd horizontal zu liegen kommt, und sucht, nun in der Luft
dahinschwebend, durch die Schwerpunktslage dem Apparat eine solche
Stellung zu geben, dass er schnell dahin schiesst und sich möglichst
wenig senkt. Anfänger werden gut tun, eine Berglehne zu wählen, über
welcher sie in geringer Höhe dahingleiten. Die erste Regel ist, die
Beine nach vorn ausgestreckt zu halten und sich beim Landen mit dem
Oberkörper hintenüber zu werfen, so dass der Apparat sich aufrichtet
und die Bewegung verlangsamt. Das Auffliegen und das Niedersteigen muss
stets genau gegen den Wind gerichtet sein. Das vertikale feststehende
Steuer sorgt schon dafür, dass in der Ruhe sich der Apparat genau gegen
den Wind einstellt. Die liegende Steuerfläche verhindert, wie man
dieses an jeder sich setzenden Krähe sehen kann, dass der Apparat nach
vorn sich überschlägt, was gewölbte Flächen sonst gern tun. Beim Landen
aber darf das liegende Steuer das schnelle Aufrichten des Apparates
nicht hindern, es muss sich durch den von unten kommenden Luftdruck um
seine Vorderkante drehend aufrichten können, darf also nur eine
Hubbegrenzung nach unten haben.

„Besonders zu warnen ist vor folgendem Fehler: Der Uebende schwebt in
der Luft und fühlt sich plötzlich vom Winde angehoben, wie gewöhnlich
ungleichmässig; beispielsweise der linke Flügel mehr als der rechte.
Die schiefe Lage treibt ihn nach rechts hinüber. Unwillkürlich streckt
der Neuling nach rechts auch seine Beine aus, weil er den Anprall zur
Erde nach rechts voraussieht. Die Folge ist, dass der schon tiefer
liegende rechte Flügel noch mehr belastet wird, und der Flug schnell
nach rechts sich senkt, bis die rechten Flügelspitzen im Erdreich
sitzen und zerknicken. Für Leib und Leben ist weniger Gefahr vorhanden,
denn der Apparat bildet nach allen Seiten ein wirkungsvolles Prellwerk,
welches die Wucht des Stosses abfängt.“

Abweichungen von der geraden Richtung werden durch Verlegen des
Schwerpunktes nach der einen oder andern Seite durch Ausstrecken der
Beine bewirkt, wodurch die Flugrichtung abgelenkt wird.

Mehrfach gelang es Lilienthal auf diese Weise sogar, eine vollkommene
Drehung auszuführen, so dass er wieder auf seinen Abflugspunkt zuflog.
Der Einfluss des Windes zeigte sich bei den Fliegeversuchen frappant.
Sobald ein etwas lebhafterer Wind kam, schwebte er hoch über den Köpfen
einer staunenden Menge fort, unter Umständen sogar momentan in der Luft
auf einer Stelle schweben bleibend.

Sehr unangenehm empfand Lilienthal bei seinen Flügen stärkere,
plötzlich auftretende Windstösse, weil bei ihnen die Gefahr vorlag,
dass sie—wenn auch nur einen Augenblick—den Apparat von oben treffen
könnten, wodurch er unfehlbar in die Tiefe gestürzt und zerschellt
worden wäre.

Bei den grössten Flächen—14 Quadratmeter—büsste Lilienthal die
Stabilität ein. Gleichzeitig wurde ihm auch die Landung bei stärkeren
Winden und grösseren Flächen sehr bedenklich. Wie er selbst sagt, hat
er oft in der Luft einen förmlichen Tanz aufführen müssen, um, vom
Winde hin und her geworfen, das Gleichgewicht zu behaupten; aber stets
gelang es ihm, glücklich zu landen. Er wurde hierdurch jedoch
notgedrungen zu den Versuchen geführt, die Lenkbarkeit und leichte
Handhabung zu verbessern.

Anfangs hatte er die Lenkung durch einfache Verlegung des Schwerpunktes
mit seinem Körper bewirkt, die um so günstiger vonstatten ging, je
kleiner die Flügelflächen wären. Da nun bei stärkerem Winde die
Anwendung kleinerer Flächen keinen besonderen Nutzen gewährte, vielmehr
sich die Notwendigkeit herausstellte, eine grössere Fläche zum Heben zu
gewinnen, so versuchte er zwei parallele Flächen übereinander
anzubringen. Es gelang dies überraschend gut. Der Doppelapparat hatte
nur 5-1/2 Meter Spannweite bei zwei Trageflächen von je 9
Quadratmetern, deren obere etwas über der unteren lag.

Die erreichte Höhe wurde ganz bedeutend grösser, oft wurde der
Abfliegepunkt um ein erhebliches Stück überflogen, sobald die Winde bis
über 10 Meter in der Sekunde stark waren.

Beim Landen bei geringem Winde musste der Apparat vorn durch
Zurücklegen des Körpers gehoben und dann unmittelbar über dem Boden die
Beine wie beim Sprunge, schnell vorgeworfen werden, da sonst der Körper
einen sehr unangenehmen Stoss erhalten hätte. Bei etwas stärkerem Winde
dagegen senkte der Apparat sich sehr sanft zur Erde.

Bei den aufgeführten Uebungen hat Lilienthal stets die hebende Kraft
des Windes deutlich gespürt, und er sagt ausdrücklich, dass der Wind
auch eine Bewegung ähnlich dem Kreisen der Vögel hätte einleiten und
den Apparat nach links oder rechts drehen wollen; aber infolge der Nähe
des Berges, von dem er abgeflogen sei, hätte er sich nicht darauf
einlassen dürfen.

Als Uebungsplatz hatte sich Lilienthal 1891 einen günstigen Platz
zwischen Werder und Gross-Kreuz ausgesucht, wo sich auf grossen
freiliegenden Höhen ein Absprung von 5 bis 6 Metern erzielen liess.
Hier machte er seine Versuche gemeinschaftlich mit einem Techniker
seiner Maschinenfabrik, Hugo Eulitz. Der jetzige Professor im
Meteorologischen Institut zu Berlin, Dr. Kassner, hat seinerzeit
zahlreiche vortreffliche Aufnahmen Lilienthals und seines Assistenten
angefertigt, die auf der Frankfurter Luftschiffahrts-Ausstellung
ausgestellt sind. Die Flugweite wuchs hier auf 20-25 Meter. 1892 suchte
er sodann die 10 Meter hohen Abhänge bei Steglitz und Südende auf. Im
Anfang des folgenden Jahres baute er auf der Maihöhe bei Steglitz einen
Schuppen, so dass er eine Absprunghöhe von 10 Metern erzielte. Ende
desselben Jahres zog er dann fort nach den Rhinower Bergen zwischen
Rathenow und der Dosse, wo sich Hügelketten bis zu 60 Meter Höhe
befinden. Auf dem Stöller Berge fand er sogar eine Absprunghöhe von 80
Metern. Die Senkung der Hügel betrug etwa 10 bis zu 20 Grad.

Als Lilienthal zuerst hier übte, war er sehr ängstlich. Er sagte
selbst: „Als ich in diesem Jahre zum erstenmal an diesem Bergabhange
mein Flugzeug entfaltete, überkam mich freilich ein etwas ängstliches
Gefühl, als ich mir sagte: Von hier ab sollst du nun in das tief da
unten liegende, weit ausgedehnte Land hinaussegeln! Allein die ersten
vorsichtigen Sprünge gaben mir bald das Bewusstsein der Sicherheit
zurück, denn der Segelflug ging hier ungleich günstiger vonstatten, als
von meinem Fliegeturme. Der Wind bäumte hier nicht so auf wie vor dem
letzteren, wo ich jedesmal beim Passieren der Absprungkante einen
ungleichmässigen Windstoss von unten empfing, der mir oft
verhängnisvoll zu werden drohte.“

Hier hat sich der einzige, allerdings glücklich verlaufene Unfall
ereignet, der bei den zahlreichen Flügen vorgekommen ist, sowie auch
der spätere Todessturz. Die erste Havarie fand auf dem Stöllen-Berge
1895 statt. Der dabei benutzte Apparat hatte ein genaues, mit der
Kreislinie fast zusammenfallendes Parabelprofil, bei dem der Pilot sich
mit dem Hinterkörper bedeutend hintenüber legen musste, um in der Luft
mit dem Apparat nicht vornüber zu schiessen. Lilienthal schildert
seinen Unfall in der „Zeitschrift für Luftschiffahrt“ vom Jahre 1895,
wie folgt: „Bei einem von grosser Höhe ausgeführten Segelfluge gab
dies—Hintenüberlegen des Körpers—die Veranlassung, dass ich bei
gestreckten Armen in eine Körperlage geriet, bei welcher der
Schwerpunkt zu weit nach hinten lag, während es mir bei der bereits
eingetretenen Ermüdung nicht möglich war, die Oberarme wieder
vorzuziehen. Als ich so in 20 Metern Höhe mit etwa 15 Metern
Geschwindigkeit dahinsegelte, richtete sich der hinten zu sehr
belastete Apparat immer mehr auf und schoss schliesslich durch seine
lebendige Kraft senkrecht in die Höhe. Ich hielt mich krampfhaft fest,
sah nichts als den blauen Himmel mit weissen Wölkchen über mir und
erwartete den Moment, wo der Apparat hintenüberschlagen würde, um meine
Segelversuche vielleicht für immer zu beenden. Plötzlich jedoch hielt
der Apparat im Ansteigen inne und ging rückwärts aus der Höhe wieder
herab, lenkte in kurzem Kreisbogen durch den schräg aufwärts
gerichteten Horizontalschweif mit dem Hinterteil wieder nach oben,
stellte sich hierbei auf den Kopf und sauste nun mit mir aus etwa 20
Meter Höhe senkrecht zur Erde hinunter. Mit klarem Bewusstsein, die
Arme und den Kopf voran, den Apparat immer noch an den Handhaben
festhaltend, stürzte ich dem grünen Rasen zu.—Ein Stoss, ein Krach, und
ich lag mit dem Apparat auf der Erde. Eine Fleischwunde an der linken
Seite des Kopfes, mit dem ich auf das Apparatgestell geschlagen war,
und das verstauchte linke Handgelenk waren die einzigen schlimmen
Folgen dieses Unfalles. Der Apparat war, so wunderbar es klingt, ganz
unversehrt. Ich selbst sowohl wie mein Segelzeug waren gerettet worden,
durch den elastischen Prellbügel, den ich wie durch eine höhere Fügung
gerade zum ersten Male vorn am Apparat angebracht hatte. Der aus
Weidenholz hergestellte Prellbügel selbst war vollkommen zersplittert,
seine einzelnen Teile hatten sich fuss-tief in die Erde eingebohrt, so
dass sie nur mit Anstrengung herausgezogen werden konnten.“

Dieser Unfall gab zu einigen Veränderungen Veranlassung: Der
Angriffspunkt der Hände wurde mehr nach hinten gerückt, und es wurde
dafür gesorgt, dass der Oberkörper nicht mehr ganz hintenüberfallen
konnte. Lilienthal schloss aus seinen früheren und späteren Versuchen,
dass man die Profilfläche, trotz ihrer vorzüglichen Tragewirkung bei
freien Segelflügen, nicht bis zu ein Zwölftel der Flügelbreite
ausdehnen dürfe, sondern nur bis zu ein Fünfzehntel oder ein
Achtzehntel.

Um nicht mehr von der Windrichtung abhängig zu sein, errichtete er sich
schliesslich im Jahre 1894 in Gross-Lichterfelde eigens einen
kegelförmigen Hügeln von 15 Metern Höhe und 70 Metern Grundlinie, der
oben zur Aufnahme der Flugapparate ausgebaut war. Die Höhe dieses
Hügels wurde später auf 30 Meter vergrössert. Hier vermochte er nach
allen Himmelsrichtungen abzufliegen. Viele Hunderte von Flügen hat
Lilienthal mit grosser Sicherheit ausgeführt, so dass er schliesslich
seine Versuche über den Gleitflug als abgeschlossen betrachten konnte.
Er wollte nunmehr einen grossen Schritt weiter gehen und zum Bau einer
Motor-Flugmaschine schreiten, die ein Gewicht von 40 Kilogramm erhielt
bei einer Leistung von 2 1/2 Pferdestärke. Auf dem Stöllenberge bei
Rhinow hatte er am 9. August wieder einen Gleitflug ausgeführt und
dabei die Steuerung eines horizontalen Schweifes, der durch
Kopfbewegungen betätigt wurde, versucht. Bei einem zweiten Fluge, der
zunächst bis zur halben Länge in gerader Richtung vorwärts ging, neigte
sich nach den Angaben eines Augenzeugen der Apparat plötzlich nach vorn
und schoss pfeilschnell aus der Höhe von 15 Metern zur Erde, sich dabei
überschlagend. Mit gebrochenem Genick wurde Lilienthal aus den Trümmern
hervorgezogen, und am 10. August erlag er seinen schweren Verletzungen.

[Illustration: Schematische Zeichnung Des Lilienthalschen Abflughügels:
Der Abflug erfolgt oben von dem zur Aufbewahrung der Maschinen in den
Hügel eingebauten Schuppen. Die obere Linie zeigt einen Gleitflug, bei
dem durch aufsteigende Luftströmungen der Flieger gelegentlich wieder
gehoben wird.]

Dieser tragische Unglücksfall schreckte in Deutschland für die kommende
Zeit ab, weitere Flugversuche zu unternehmen. Auch der Bruder
Lilienthals befasste sich, von anderen Arbeiten in Anspruch genommen,
nicht mehr mit der Flugfrage. Erst jetzt hat er das Studium wieder
aufgenommen und ist im Begriff, einen Flugapparat zu erbauen.

Man vergass über den Todessturz vollkommen die begeisterte Schilderung,
die Lilienthal selbst 1894 von seinen Flugversuchen gegeben hat:

„Man braucht bei diesem Segeln keine Kraftleistung und hat nur durch
die Schwerpunktslage den Apparat zu steuern. Nebenbei ist es ein
grossartiges Vergnügen, von den Bergen und Hügeln weit in das Land
hinauszuschweben, so dass für die Laien wie für die Fachleute ein
solcher Fliegesport ebenso unterhaltend wie lehrreich als auch
kräftigend sich zeigt. Es ist keine einzige Belustigung im Freien
denkbar, welche mit soviel Uebung in der Gewandtheit des Körpers, mit
so viel Schärfung der Sinne und Förderung der Geistesgegenwart
verbunden wäre, als dieses schwungvolle Dahingleiten durch die Luft.
Wir können uns minutenlang in der Luft aufhalten, auf Strecken von
mehreren hundert Metern mit Kurierzuggeschwindigkeit die Luft
durchschneiden und dennoch sanft und gefahrlos uns wieder zur Erde
niederlassen.“



Nachfolger Lilienthals in England und Amerika.


In England und Amerika hatte man sich inzwischen eifrigst mit der
Verfolgung der Lilienthalschen Gedanken beschäftigt. In England war es
besonders der Marine-Ingenieur Percy Sinclair Pilcher, der bereits im
Jahre 1894 sich von Lilienthal einen Flugapparat kaufte, mit dem er
zahlreiche Versuche anstellte. Naturgemäss kam er hierbei auch zur
Entwickelung selbständiger Ideen, und er konstruierte sich, nachdem er
verschiedene Versuche mit dem amerikanischen Kastendrachen von Hargrave
angestellt hatte, mehrere eigene Apparate, die sich namentlich durch
grössere Stabilität auszeichnen sollten als ihr deutsches Vorbild. Die
Versuche mit Drachen führten Pilcher dazu, seine Apparate an einer
Schnur auszuprobieren. Er liess eine 300 Meter lange Leine an dem
Drachenflieger befestigen und durch galoppierende Pferde unter
Benutzung einer Flaschenzug-Uebertragung gegen den Wind anziehen.
Sobald nun der Flieger unter der Drachenwirkung hoch in der Luft
schwebte, legte der Luftschiffer seinen Körper langsam vor, schnitt die
Halteleine durch, um alsbald, in sanft absteigender Bahn gleitend,
wieder zur Erde niederzukommen. Auch eine mit einem 4 PS.
Petroleummotor versehene Flugmaschine hatte er gebaut. Am 30. September
1899 wurden zu Stanfordpark bei Market Harborough verschiedene
Angehörige des englischen Aeroklubs, dessen Mitglied er 1907 geworden
war, auch der bekannte Flugtechniker Major Baden-Powell, zu Versuchen
eingeladen. In der geschilderten Weise liess er seinen Flugapparat
durch die Pferde in Bewegung setzen, die Leine wurde zerschnitten, und
der Luftschiffer glitt wie ein grosser Vogel in sanftem Gleitfluge zur
Erde. Nachdem die Startvorrichtung schnell wieder in Ordnung gebracht
war, begann der zweite Versuch. Der Flieger kam, durch Regen beschwert,
erst langsam in die erforderliche Geschwindigkeit und stieg dann bis
auf eine Höhe von 10 Metern. Plötzlich brach das Schwanzruder mit
lautem Krachen zusammen, der Apparat kippte, ähnlich wie bei
Lilienthal, nach vorn über und fiel, sich überschlagend, zur Erde.
Unter den Trümmern lag Pilcher bewusstlos und wimmernd. Mit Mühe
konnten ihn zufällig anwesende Aerzte aus dem Trümmerhaufen
herausziehen und nach Hause transportieren. Zwei Tage darauf starb er
jedoch, ohne vorher das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Man
vermutet, dass durch den Regen sich die Stricke verkürzten und das
Gerüst des Hintersteuers durch gleichzeitige starke Beanspruchung
brach. In England hat dann hauptsächlich Baden-Powell weitere Versuche
in der Flugtechnik angestellt, die namentlich dazu führten, dass er für
Kriegszwecke Drachen erbaute, mit Hilfe deren man Menschen in die Luft
zu heben vermochte.

[Illustration: Octave Chanute: Der erste Amerikanische Flugtechniker,
Berühmter ingenieur und früherer Präsident des Vereins amerikanischer
Ingenieure, 18. Februar 1838 in Paris geboren]

In Amerika haben die Lilienthalschen Versuche besonders bei dem
Ingenieur Octave Chanute Verständnis geweckt. Am 18. Februar 1832 in
Paris geboren, kam er bereits als 6jähriges Kind nach Amerika. Chanute
hat sich in seiner neuen Heimat einen bedeutenden Namen als Ingenieur
im Eisenbahnwesen gemacht, wo er beim Bau von Bahnen eine sehr
fruchtbare Tätigkeit entwickelt hat; manche gute Erfindung verdankt ihm
ihre Existenz. Durch das Vertrauen seiner Landsleute wurde er
seinerzeit zum Präsidenten des Vereins amerikanischer Ingenieure
erwählt. Sein Interesse für die Luftschiffahrt ist auf die Jahre 1876
und 1878 zurückzuführen. Zu jener Zeit sammelte er alle Projekte über
Luftschiffahrt, deren er habhaft werden konnte. Da er aber durch seine
Berufstätigkeit ausserordentlich in Anspruch genommen war, steckte er
das neue Studium eines Tages wieder auf, band alle Schriftstücke zu
einem Bündel zusammen und legte sie beiseite.

[Illustration: Chanute-Leiter-Drachen 1895: Diese erste Konstruktion
ist aus mehreren Kastendrachen zusammengesetzt]

Erst 11 Jahre später gewann er wieder Zeit, sich mit seiner alten
Lieblingsidee zu beschäftigen. Er machte eine Studienreise nach Europa,
deren Ergebnis er nach seiner Rückkehr in verschiedenen Vorträgen und
Artikeln niederlegte. Damals schrieb Chanute das in Luftschifferkreisen
weltberühmte Buch: „Progress in Flying Machines“—Fortschritte auf dem
Gebiete der Flugmaschinen—, in dem er eine kritische Uebersicht aller
bis dahin gemachten Experimente gab. Er war zu der Ansicht gekommen,
dass namentlich der Gleichgewichtsmangel ein Haupthindernis aller
Fortschritte sei. Sein Streben ging deshalb dahin, diesen Mangel zu
beseitigen. Er machte unzählige Versuche mit den verschiedensten Formen
von Flächen und kam zu dem Resultat, dass sein Leiter-Drachen, bei dem
die Tragezellen durch ein Diagonal-Rahmenwerk in jeden beliebigen
Winkel zur Luftströmung eingestellt werden konnten, die besten
Resultate ergab. Der einer Trittleiter sehr ähnlich sehende, aus drei
kastenförmigen Hargrave-Drachen zusammengesetzte Flieger erwies sich
als ausserordentlich stabil. Chanute erbaute alsdann einen Gleitflieger
in einer solchen Grösse, dass ein Mann durch die Fläche getragen werden
konnte.

[Illustration: Mehrdecker-Gleitflieger von Chanute (Sechste
Konstruktion) 1896]

In seinen Veröffentlichungen gab er damals der Ansicht Ausdruck, es sei
nötig, bei den Versuchen sehr vorsichtig zu Werke zu gehen, was dazu
führte, dass man mit leichtem Hohne ihm vorwarf, dieser Rat sei wohl
leicht zu geben, aber schwer zu befolgen. Nunmehr wollte er seine
Ratschläge in die Tat umsetzen und baute einen Vieldecker nach dem
Prinzip seines Leiter-Drachens, der am Mittelgestell mehrere Paar sich
um ihre Achse drehende Flügel besass, die durch Federkraft in Spannung
gehalten wurden. Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied seiner
Konstruktion vor derjenigen Lilienthals. Während dieser das
Gleichgewicht durch die Bewegung seiner Beine halten musste, wurde bei
dem Chanuteschen Apparat das Gleichgewicht automatisch durch den Wind
gehalten, der die Flügel selbsttätig je nach seiner Kraft in eine
geringere oder grössere Neigung einstellte. Die neue Maschine erwies
sich als sehr stabil, als sie im freien Segelfluge nach Lilienthalscher
Art in Sanddünen am Michigansee, zirka 50 Kilometer von Chicago
entfernt, versucht wurde. Jedoch war der Neigungswinkel zu steil. Als
Uebelstand zeigte sich, dass die vorderen Flügel die Luft nach abwärts
führten und dadurch die Tragkraft der übrigen verminderten. Chanute
brachte nacheinander bis zu fünf Paar Flächen am vorderen Teile an, und
der Neigungswinkel wurde dadurch verringert, bis er etwa dieselbe
Neigung erhielt, wie bei den Lilienthalschen Gleitfliegern.

[Illustration: Chanute-Doppeldecker im Fluge zu Dune-Park 1896]

Im Dezember 1895 gewann sich Chanute die Hilfe des Ingenieurs Herring,
der sich schon mehrere Jahre mit aviatischen Versuchen beschäftigte und
einen seiner Lilienthalschen Flieger, die er schon in New York erprobt
hatte, für weitere Versuche umbaute.

Beim weiteren Ausbau seiner Apparate stellte Chanute zur Verminderung
des Luftwiderstandes einen Dreiflächenflieger her, aus dem sich
schliesslich der Doppeldecker entwickelt hat, der jetzt bei grosser
Haltbarkeit durch eine sinnreiche
Brücken-Diagonal-Tragband-Konstruktion nur ein Minimum von Material
erfordert. An diesen Apparaten war ein sehr praktischer
selbstregulierender Mechanismus angebracht, den Herrings erfunden
hatte. Die praktischen Segelflugversuche wurden im Dune-Park im Jahre
1896 ausgeführt. Im ganzen machten Chanute selbst sowie seine
Assistenten, Herring, Avery und Butusoff, etwa 2000 Gleitflüge ohne den
geringsten Unfall, wenn auch die Flugmaschine in einigen Fällen leicht
beschädigt wurde.

[Illustration: Chanute-Doppeldecker zu Dune-Park 1896]

Im Jahre 1902 baute Chanute einen dritten Typ, bei dem das
Gleichgewicht durch Vor- und Zurückschwingen der Flügel um ihre Achse
gehalten wurde. Dieser Dreidecker hatte ausgezeichnete Resultate und
wurde den Brüdern Wright zu Versuchen übergeben. 1904 stellte Chanute
zu St. Louis einen Apparat zum Vorwärtsziehen eines Gleitfliegers aus;
er hatte dabei die Experimente Pilchers vor Augen, der, wie schon
erwähnt, seine Flugmaschine durch Pferde in die Luft fierte. Chanute
benutzte zum Hochfieren seiner Apparate einen auf einen Wagen gesetzten
Dynamo.

 In der Folge gab er aber, als die Brüder Wright immer mehr
 hervortraten, seine Experimente auf. Einerseits veranlasste ihn hierzu
 sein hohes Alter—er ist gegenwärtig 77 Jahre alt—und anderseits war er
 zu den Wrights in nähere Beziehungen getreten und hatte in ihnen Leute
 schätzen gelernt, die mit grosser Energie und Sachkenntnis sich dem
 Flugproblem widmeten. Ihre mechanischen Vorkenntnisse, ihre grosse
 Praxis in der Kleinmechanik und ihre körperliche Behendigkeit
 befähigten die beiden seiner Ansicht nach, das Werk zu einem
 durchschlagenden Erfolge zu führen. Er hat ihnen deshalb nach Aufgabe
 seiner Versuche soviel wie möglich geholfen; er ist ihnen mit dem
 reichen Schatz seiner Erfahrungen beigesprungen und bei ihren
 Berechnungen behilflich geworden. Später, als man den Mitteilungen
 über die Erfolge Wrights nirgends Glauben schenken wollte, hat er sich
 durch Wort und Schrift bemüht, ihnen die verdiente Anerkennung zu
 verschaffen. Wenn in der Geschichte der Luftschiffahrt das Wirken der
 Wrights gewürdigt wird, so darf man keinesfalls den Namen Chanute
 dabei vergessen, der in selbstloser Weise im Interesse der Flugtechnik
 gewirkt hat.

[Illustration: Chanute-Gleitflieger: Beim Beginn des Starts von vorn
gesehen. 1904]



Die Gleitflugversuche der Brüder Wright.


Wilbur Wright schildert seinen und seines Bruders aeronautischen
Werdegang eingehend in der Zeitschrift des Vereins der
westamerikanischen Ingenieure vom Dezember 1901 unter dem Titel: Einige
aeronautische Versuche (Some Aeronautical Experiments). Das in der
Jugend schon bezeigte Interesse an Flugversuchen wurde bei Wilbur
Wright zuerst wieder im Jahre 1896 neu geweckt, als der Telegraph die
Nachricht nach Amerika brachte, dass der deutsche Flugtechniker
Lilienthal bei seinen aufsehenerregenden Experimenten abgestürzt und
umgekommen sei. Er begann darüber nachzudenken, wodurch wohl der Sturz
dieses Mannes hervorgerufen worden sei, der doch schon eine grosse
Anzahl von Flügen glücklich ausgeführt hatte. Zunächst studierte er die
modernen Bücher, die sich namentlich mit dem Vogelflug beschäftigten,
so besonders das Werk von Professor Marey. Als bald darauf auch sein
Bruder Orville sich für das Flugproblem zu interessieren begann,
beschlossen beide, praktische Versuche zu unternehmen. Die meisten
Misserfolge hatten nach ihrer Ueberzeugung ihren Hauptgrund in
ungenügender praktischer Uebung der Fliegekunst. Sie rechneten sich
aus, dass Lilienthal während 5 Jahren im ganzen nur ungefähr 5 Stunden
im freien Fluge zugebracht habe. Als Fachleute in der Fahrradtechnik
verglichen sie diese Studienzeit mit den Vorübungen eines Radfahrers,
der doch auf keinen Fall in lebhaften Strassen fahren könne, wenn er
nur 5 Stunden lang Fahrversuche angestellt hätte. Freilich, Lilienthal
hatte—das mussten sie anerkennen—bei seiner geringen Uebungszeit
ausserordentlich viel gelernt und eine Steigerung der Dauer eines
ununterbrochenen Fluges auf 10 Sekunden musste man schon als gewaltigen
Fortschritt betrachten.

[Illustration: Wright-Gleitflieger 1901: Der Lenker schmiegt sich nach
dem durch anlaufen gegen den Wind erfolgten Start aus der Hängenden
Stellung in die Wagerechte Lage]

Sie beschlossen, eine Maschine zu erbauen und sie bei einer Windstärke
von etwa 28 Kilometer Geschwindigkeit pro Stunde zu erproben. Von
vornherein sollten die Proben zunächst an einer Schnur wie bei einem
Drachen, vorgenommen werden. Der anfänglich grösser geplante
Gleitflieger wurde etwa 18 Quadratmeter gross gemacht. Die Maschine war
ein Doppeldecker mit zwei grossen Trageflächen nach dem System
Chanutes. Doch hatten die Brüder schon ganz wesentliche Aenderungen an
ihrer Maschine vorgenommen. Der sonst übliche „Schwanz“ war
fortgelassen und durch eine kleinere Tragfläche ersetzt, die sich vor
den Hauptflächen befand. Hierdurch gedachten sie ein Kippen des
Apparates zu verhindern, indem der Winddruck durch die Wirkung auf die
kleine Fläche als Gegenlast zu den grossen diente. Eine weitere
grundsätzliche Aenderung bestand darin, dass der Pilot nicht, wie es
bisher immer geschehen war, sich in aufrechter, sondern in liegender
Stellung befand.

Ueber die Vorteile der horizontalen Lage des Luftschiffers im
Gleitflieger hat sich Wilbur Wright wiederholt geäussert. Hauptsächlich
betont er, dass der Widerstand eines Körpers gegen die Luft in
aufrechter Stellung fast dreimal so gross ist als in waagerechter
Haltung. Während Lilienthal und seine Nachfolger Chanute, Herrings und
Pilcher annahmen, dass pendelnde Bewegungen der Beine nach vorn,
rückwärts und nach den Seiten wesentlich zur Sicherheit des Fluges und
zur Erhaltung des Gleichgewichts beitrügen, sind die Wrights durch ihre
jahrelangen Versuche zur Erkenntnis gekommen, dass gerade ihre Lage
beim Fliegen bedeutende Vorzüge biete. Vor allen Dingen finden wir bei
ihnen das Bestreben, sich möglichst eins mit der Maschine zu fühlen.
Sie gehen dabei von der ganz richtigen Annahme aus, dass sie dadurch
die kleinsten Gleichgewichtsstörungen leichter bemerken und ihnen durch
geringe Verschiebungen in der Lage ihres Körpers entgegenwirken können.
Auch die Lenkbarkeit ist in dieser Stellung grösser. Wenn der Wind
plötzlich einen grösseren Druck auf die Tragflächen ausübt, wird die
Schrägstellung viel leichter bewirkt, wenn der Aviatiker nur mit den
Armen in der Maschine hängt, als wenn er darin liegt, denn der
pendelnde Körperteil des Menschen wird bei solchen Veränderungen der
Tragflächenlage nicht mitbetroffen, weswegen der Widerstand gegen
derartige Gleichgewichtsstörungen in diesem Falle viel geringer ist.
Nur bei der Abfahrt und beim Landen bietet die hängende Lage Vorteile,
weil der Pilot keiner fremden Hilfe bedarf und allein gegen den Wind
anlaufen kann. Die Wrights nun mussten entweder, wie sie zuerst taten,
mit ihrem Apparat gegen den Wind anlaufen und sich, sobald der Flieger
ins Schweben kam, turnend in liegende Stellung bringen, oder aber, wie
sie es zuletzt taten, durch zwei Leute in die Luft fieren lassen.
Ebenso konnten sie bei der Landung durch ihre Beine leichter den Stoss
federnd auffangen. Für längere Gleitflüge nun ist die hängende Lage
ausserordentlich ermüdend. Auch die ausgleichenden Bewegungen gegen die
Gleichgewichtsstörungen erfordern einen unverhältnismässig grossen
Kraftaufwand, der lange Flüge überhaupt ausschliessen würde. In
horizontaler Lage fallen diese Kraftanstrengungen überhaupt fort, da
die Maschine schon infolge grösserer Trägheit schwerer die Tendenz der
Stabilität verlieren wird. Dass die Art dieser Gleitflüge nur auf
weichem Boden ausführbar wäre, sei allerdings der Nachteil, immerhin
aber sei die Gefahr, sich beim Landen zu verletzen, weit geringer, als
man annähme. Die Brüder haben Landungen nach beiden Methoden versucht
und sich bei keiner verletzt. Das seitliche Gleichgewicht und die
Steuerung, die bei Lilienthal und Chanute durch die Bewegung des
Luftschiffers hervorgerufen wurde, sollte schon bei dem ersten
Wrightschen Apparat durch eine Krümmung der Haupttragefläche bewirkt
werden, auf deren nähere Beschreibung wir weiter unten zurückkommen
wollen.

[Illustration: Wright Gleitflieger im Segelfluge 1902]

Ein hervorragend geeignetes Flugfeld wurde in Kitty Hawk in
Nordkarolina gefunden, einem kleinen Orte auf der Landzunge, die
Albe-Marle-Sund vom Atlantischen Ozean scheidet. Zunächst liessen die
Brüder Wright den Gleitflieger wie einen Drachen bei einer
Luftströmungsgeschwindigkeit von 40-50 km in der Stunde steigen, wobei
die Flächen sich unter einem Winkel von etwa 3 Grad einstellten. Sobald
aber der Flieger mit einer Person belastet wurde und bei einem Wind von
40 km aufstieg, stellten sie sich auf 20 Grad. Es ergab sich nun aber
bald, dass an schönen Tagen Winde von 50 km in der Stunde, die eine
bedeutend grössere Hubkraft zeigten, seltener waren, und dass es
deshalb unmöglich war, Tag für Tag und Stunde für Stunde zu üben. Durch
die Versuche erkannte man auch schon, dass die seitliche Stabilität
weit besser gehalten werden konnte, wenn man die Trageflächen durch
Hebel drehte, als wenn der Luftschiffer durch Körperbewegungen
Gleichgewichtsstörungen entgegen wirken wollte. Bei den Versuchen an
einer Schnur wurden die Steuerhebel von unten aus durch Leinen bewegt.

[Illustration: Wright-Gleitflieger: in den Sanddünen zu Kill Devil Hill
am atlantischen Ozean 1902]

Die Zeit, in der praktische Uebungen mit dem bemannten Flieger nicht
angestellt werden konnten, wurde dazu benutzt, Messungen von Hub und
Zug bei verschiedenen Belastungen und mit verschiedenen
Krümmungsgrössen der Flächen zu unternehmen. Hierbei stellte es sich
heraus, dass das Krümmungsverhältnis von 1:22—Krümmung zur Tiefe der
Tragfläche—das sie bei ihrer ersten Konstruktion angewandt hatten,
einen nicht so guten Hub ergab, als das Verhältnis 1:12.

Die Gleitflugversuche wurden 6 km südlich von Kitty Hawk von dem
Kill-Devil-Sandhügel unternommen, der bei einer Neigung von 9,5 Grad
eine Höhe von 35 m hat. Die Brüder wagten jedoch erst dann vom Boden in
die Luft zu springen, wenn der Wind etwa eine Stundengeschwindigkeit
von über 20 km besass. Zunächst rannte der Experimentator von einer
Stelle etwas unterhalb des Gipfels gegen den Wind vorwärts, schwang
sich in die Luft und turnte dann schnell in die liegende Stellung. Da
dies immer die Stabilität sehr störte, wurden die Gleitflüge bald mit
Hilfe zweier an den Seiten der Flächen stehenden Leute eingeleitet,
welche die Maschine führten und mit ihr eine Strecke vorwärts liefen.
Die Landung erfolgte wider Erwarten ausserordentlich leicht. Wenn auch
die Geschwindigkeit des Fluges 35 km in der Stunde betrug, so nahm doch
weder der Flieger noch der Fahrer irgendwelchen Schaden. Die Maschine
gehorchte ausserordentlich leicht auch den leisesten Bewegungen der
vorn angebrachten Steuerflächen.

Nachdem die Gleitflugversuche des Jahres 1900 beendet waren, fassten
die Wrights die gewonnenen Resultate zusammen und stellten folgende
Sätze auf:

1. Praxis ist der Schlüssel des Fluggeheimnisses.
2. Der Luftschiffer soll sich in horizontaler Lage befinden.
3. Eine schmale Tragfläche, die eine umgekehrte Neigung hat als die
Haupttrageflächen, ist zur Steuerung erforderlich.
4. Die Steuerung muss bewirkt werden können, ohne dass der Pilot seine
Stellung verändert, und endlich
5. die seitliche Stabilität wird weit besser durch Verwinden der
Trageflächen gewährleistet, als durch Körperbewegungen.


Im Jahre 1901 vergrösserten die Wrights ihre Maschine auf 35
Quadratmeter und gaben den Trageflächen eine Wölbung von 1:12. Somit
waren sie, was Grösse der Trageflächen und ihre Wölbung anbelangt, auf
dieselben Grössen gekommen, wie sie von Lilienthal anfänglich
konstruiert waren. Dieser hatte zwar eine geringere Wölbung 1:15 bzw.
1:18 zuletzt angewendet, aber er hatte festgestellt, dass die grösste
Hubkraft bei einer Krümmungsflache von 1:12 vorhanden war, jedoch
gleichzeitig auch erfahren, dass das Gleichgewicht hierbei schwerer zu
halten war. Am 27. Juli begannen im Beisein Chanutes die neuen
Versuche, die bald zu einer Verringerung der Krümmung führten. Nach
kurzer Zeit schon gelang es ihnen wieder die alte Praxis zu erwerben
und 100 Meter weit zu gleiten; nach mehreren Tagen bereits konnten sie
schon in einem kräftigeren Winde von 25 bis zu 45 km Geschwindigkeit
durch die Luft segeln. Die Erfolge bewirkten, dass die Wrights, die
ursprünglich das Fliegen nur als Sport betrachteten, nunmehr
wissenschaftlich die einschlägigen Fragen zu lösen versuchten. Sie
bauten sich mehrere Modellmaschinen für Winddruckmessungen und machten
eine grosse Reihe von Versuchen mit den verschiedensten Oberflächen,
die unter einem Winkel von 0-45° in Intervallen von 2-1/2 Grad
eingestellt waren.

So theoretisch wohl vorbereitet nahmen sie im August 1902 auf dem alten
Felde bei Kitty Hawk ihre Versuche wieder auf. Im Jahre 1900 hatte die
Breite ihres Fliegers 5,64 Meter betragen, die Tiefe 1,52 Meter, die
gesamte Oberfläche mit Steuer 15,6 Quadratmeter und das Gewicht 21,8
Kilogramm. 1901 wurden die Grössenverhältnisse auf folgende Zahlen
gebracht: Breite 6,7 Meter, Tiefe 2,13 Meter, Oberfläche 21,0
Quadratmeter, Gewicht 45,5 Kilogramm; 1902 auf 9,75 Meter, 1,52 Meter,
28,4 Quadratmeter und 53,0 Kilogramm.

Der Abstand der in Etagen angeordneten Haupttrageflächen betrug etwa
1,40 Meter. Das vertikale Horizontalsteuer wurde verdoppelt und mit
seiner 1,3 Quadratmeter grossen Fläche wie ein zweiteiliger Schwanz an
der hinteren Seite angebracht. Das Gestell, bestand aus Fichtenholz,
das mit Stahldrähten in Brückenkonstruktion zusammengehalten wurde. Das
Verspannen der Drähte war auf geniale Weise durchgeführt in der Weise,
dass man beliebig später die Drähte anziehen oder lösen konnte. Als
Material war Klaviersaitendraht benutzt worden. Die Bespannung der
Flächen war mit Ballonstoff erfolgt, der eine geringe oder fast gar
keine Durchlässigkeit für die Luft besitzt. Die erste Konstruktion aus
durchlässigem Stoff hatte sich als ungeeignet erwiesen.

[Illustration: Wrights Gleitflieger 10. Oktober 1902: Der Start erfolgt
mit Hilfe zweier Personen, die mit dem Flieger gegen den Wind einen
Sandhügel hinab laufen. Der Lenker befindet sich hierbei in wagerechter
Lage.]

Wieder wurden die Versuche zunächst an einer Fesselleine ohne Bemannung
begonnen, und erst, als die Stabilität der neuen Maschinen
unzweifelhaft feststand, begannen die Brüder mit den Gleitversuohen.
Beide erlangten alsbald eine ausserordentliche grosse Uebung und
lernten vor allen Dingen den Einfluss des mit wechselnder Richtung und
Kraft blasenden Windes kennen. Natürlich blieben den beiden auch
Unfälle nicht erspart, und gelegentlich erlitt auch ihre Maschine
einige Havarien. Doch im allgemeinen sind diese Zwischenfälle nur
gering zu nennen gegen die grosse Anzahl der Flüge. Insbesondere ist es
bemerkenswert, dass die Landungen normalerweise immer sehr sanft vor
sich gingen. Der Flugmaschine hat man bekanntlich gerade vorgeworfen,
dass die Landungen meist mit sehr heftigem Stosse von statten gehen
müssten, weil die Hilfe des Gasauftriebes fehle. Der Vergleich, den man
hierbei mit der Landung eines Freiballons gezogen hat, hat sich als
genau so unzutreffend erwiesen, wie bei den Landungen mit schweren
Motorballons, deren Niedergehen auf die Erde man sich ohne heftigen
Stoss gar nicht vorstellen konnte. Vorzüglich bewährte sich gerade bei
den Landungen das vordere Höhensteuer, das, im letzten Moment etwas
gehoben, die Landung besonders sanft gestaltete.

[Illustration: Wilbur Wright: in wagerechter Lage in seinem
Gleitflieger von unten gesehen (1902)]

Die Gleitversuche gelangen schliesslich in diesem Jahre auch bei
Windgeschwindigkeiten bis zu 16,7 Metern in der Sekunde. Die Flugdauer
betrug im allgemeinen bis zu 15 Sekunden, doch wurde sie schliesslich
schon bis zu 26 Sekunden gesteigert. Im ganzen wurden im Jahre 1902
etwa 1000 Flüge unternommen, deren längster bei einer Flugdauer von 26
Sekunden eine Strecke von 622,5 Metern betrug.

[Illustration: Die Maschine mit der Startvorrichtung, von oben gesehen:
Rechts der Turm mit dem auf der Erde liegenden Fallgewicht, vom Turm
aus führt die Leine zur Startschiene]

Nunmehr fassten die Brüder den Plan, einen Motor in ihre Maschine
einzubauen; sie nahmen deswegen zunächst eingehende Messungen vor über
die Hubkraft ihres Apparates und stellten fest, welche Motorkraft zum
Heben ihrer Maschinen bei den verschiedenen Windgeschwindigkeiten
erforderlich war. Das Gewicht der Maschine von 1902 betrug 53,0
Kilogramm, dazu kamen die Gewichte der beiden Piloten: Wilbur Wright
61,4 Kilogramm und Orville Wright 65,2 Kilogramm, so dass also im
ganzen entweder 114,4 Kilogramm oder 118,2 Kilogramm zu heben waren. Es
stellte sich heraus, dass bei 25 km Windgeschwindigkeit die Hubkraft
etwa 1-1/2 PS betrug, bei 40 km Geschwindigkeit 2 PS. Die Landung ging
meist in einem Winkel vor sich, der zwischen 6 Grad 10 Min. und 7 Grad
20 Min. schwankte. Durch diesen geringen Winkel wurde die Landung
ebenfalls sehr erleichtert. Anfangs des Jahres 1903 wurden diese
Versuche noch weiter fortgesetzt, und gelegentlich, bei starkem Winde
vermochte Wilbur Wright 72 Sekunden in der Luft zu bleiben, wobei er
durch den Wind zeitweise über derselben Stelle am Boden in der Luft
gehalten oder zurückgetrieben wurde. Die zurückgelegte Strecke betrug
bei diesem Rekordflug nicht mehr als 30 Meter. Der geplante
Motorflieger war für ein Gewicht von 300 kg berechnet und sollte 8 PS
besitzen. Die Schrauben waren sehr einfach konstruiert und den in der
Schiffahrt angewandten nachgeahmt. Bei den Motorproben veränderten sie
jedoch die Form ihrer Schrauben und gelangten zu der Form, die noch
heute ihre Maschine besitzt. Der Nutzeffekt betrug ursprünglich 66
Proz., demnach ein Drittel mehr als bei den Schrauben, welche die
Flugtechniker Maxim und Langley angewandt hatten; heute soll er über 70
Proz. betragen. Ende 1903 begannen sodann die Flugversuche mit dem
Motorflieger.

[Illustration: Vorbereitungen zum Start: Mehrere Personen ziehen an
Seilen das Fallgewicht in die Höhe. Das aus eisernen Ringen bestehende
Gewicht befindet sich in dem Turm gerade in Mannshöhe. Deutlich ist die
Verbindung des Seiles, das vom Gewicht die Erde entlang zum Flieger
führt, zu sehen]



Der Motorflieger der Wrights.


Bei der Arbeit hatte die Flugmaschine verschiedene Veränderungen
erfahren. Der Motor erhielt 16 PS und wog, Vergaser und Schwungrad
eingeschlossen, 62,7 Kilogramm. Es wurden zwei Propeller unmittelbar
hinter den Haupttrageflächen angebracht, die sich in verschieden
gerichtetem Sinne mit 1200 Touren in der Minute drehten. Der Motor,
Viertakt-Benzinmotor mit 4 Zylindern, war in der Fabrik der Wrights
gebaut. In einer Stunde wurden 4,5 Kilogramm Benzin verbraucht.

Die Trageflächen hatten eine Breite von 12,25 Metern, eine Tiefe von
6,12 Metern und eine Oberfläche von 48 Quadratmetern. Am 17. Dezember
1903 wurden an einem kalten und windigen Tage zu Kill Devil bei Kitty
Hawk in Gegenwart von nur 5 Personen die ersten Flugversuche mit dem
Motorflieger unternommen. _Dieser Tag ist demnach als Geburtstag der
ersten freifliegenden mit eigener Kraft vorwärts getriebenen
Flugmaschine anzusehen_. Allerdings hatte bereits im Jahre 1898 der
schon erwähnte Flugtechniker Herring am Michigansee einen 9 Sekunden
langen Flug mit einem Flieger ausgeführt, aber die Wiederholung gelang
nicht; es war eben nur ein Sprung unter günstigen Verhältnissen
gewesen.

[Illustration: Der Flieger beim Start am Ende seiner Ablaufschiene: Von
einem Militärballon bei Rom aufgenommen. In der Mitte des Bildes steht
ein Offizier, rechts sitzen einige Soldaten]

Der Anflug erfolgte von einem 60 m hohen Hügel, die
Windgeschwindigkeit, die mit einem Anemometer gemessen wurde, betrug
9,72 m in der Sekunde zur selben Zeit, als der Windmesser der
meteorologischen Station zu Kitty Hawk etwa 12 m in der Sekunde
registrierte. Die Anfahrt wurde genau gegen den Wind gerichtet. Der auf
Schlittenkufen montierte Apparat glitt mittels eines nur 20 cm hohen
Rades auf einer Holzschiene zunächst etwa 10,25 m vorwärts und erhob
sich bei Einstellung des Steuers in schräger Richtung bis zu einer Höhe
von etwa 3 Metern, in welcher er in gerader Linie weiterflog. Der erste
Flug dauerte 12 Sekunden. Dies ist zwar eine bescheidene Leistung, war
jedoch von allerhöchster Bedeutung, da nunmehr die Konstrukteure sicher
waren, dass ihr Flieger mit Motor genau so stabil in der Luft war, wie
früher ihr Gleitflieger. Ein zweiter und dritter Versuch dauerte schon
etwas länger, und endlich bei dem vierten Versuch wurde eine Strecke
von 260 Metern in 59 Sekunden zurückgelegt. Die letzte Landung ging nur
deshalb so früh vor sich, weil der Führer das Steuer eine Kleinigkeit
zu stark gedreht hatte. Die Maschine folgte sofort diesem leisen Druck
und kam zum Boden herab, ehe der Pilot das Steuer wieder umzustellen
vermochte. Die Geschwindigkeit über dem Erdboden betrug 14,47 Meter in
der Sekunde, in der Luft bis zu 15,65 Meter.

[Illustration: Der Drachenflieger 6 m über dem Felde: Von vorn
seitwärts gesehen. Aufnahme aus einem Militärballon bei Rom. Im
Hintergrunde sieht man aus der Vogelperspektive Fussgänger, Reiter und
Fahrzeuge an der sich hell abhebenden Strasse]

Als jedoch nach der Landung Wrights mit ihren Gästen die Resultate
dieses bedeutsamen Tages besprachen, achteten sie in begreiflicher
Erregung nicht genügend auf ihre Maschine. Ein plötzlicher Windstoss
hob den Apparat empor, und obgleich einer der Zuschauer, ein Mann von
herkulischer Gestalt, hinzusprang und ihn noch an den Trageflächen zu
halten versuchte, wurde er umgerissen, der Flieger vom Winde
emporgehoben und mit solcher Gewalt auf die Erde geworfen, dass er
schwere Beschädigungen erlitt. [Footnote: The Wright Brother’s
Aeroplane of Orville und Wilbur Wright,—The Century Magazine, September
1908.]

[Illustration: Die erste Flugschule der Welt: Wilbur Wright erklärt
seinen Schülern Tissandier, Kapitän Lucas Gerardville und Graf Lambert
die Flugmaschine. Orville Wright steht neben seinem Bruder. Rechts ist
deutlich die gekreuzte Kette sichtbar, welche die Bewegung vom Motor
auf die linke Schraube überträgt.]

Hierdurch erfuhren die Versuche eine Unterbrechung, und da gleichzeitig
der Winter zu weit vorgeschritten war, begaben sich die Brüder mit den
Resten ihrer Maschine in ihre Heimat zurück. Hier machten sie sich
sofort an die Wiederherstellung bzw. an den Neubau ihres Fliegers. Als
wesentliche Aenderung ist hierbei der Einbau eines Motors von 25 PS zu
bemerken. Nunmehr wurden die Versuche auf der Huffmann-Prärie bei
Simms-Station, 17 Kilometer östlich von Dayton in Ohio, fortgesetzt.
Bankdirektor Huffmann, der Besitzer dieses Landes, stellte den Brüdern
ein geeignetes Terrain zur Verfügung. Die Versuche begannen im August
1904. Die Fortschritte waren anfangs nur gering, weil das schlechte
Wetter und heftige Regengüsse die Experimente sehr störten. Ausserdem
machte ihnen die Erhaltung des Gleichgewichtes noch viele
Schwierigkeiten; sie sahen ein, dass sie von der Lösung dieser
wichtigen Frage noch weit entfernt waren. Wir sehen sie deshalb
fleissig weiter üben bis zu Ende des Jahres. Nur im Juli werden die
Flüge zeitweise ausgesetzt. Am 15. September bereits konnten sie 800
Meter mit einer Kurve zurücklegen, und am 26. September wird ein
vollkommener Kreisflug zustande gebracht, bei dem nach den Messungen
eines Richardschen Anemometers 1630 Meter in der Luft und 1400 Meter
über dem Boden zurückgelegt wurden. Die Angaben des Windmessers hatten
bei ruhiger Luft stets mit der gemessenen Distanz übereingestimmt. Die
längsten Flüge fanden am 9. November und am 1. Dezember statt. An
diesem Tage wurden 4-1/2 Kilometer mit einer Geschwindigkeit von 51
Kilometer in der Stunde zurückgelegt. Am 9. November war der mit einem
Passagier bemannte Flieger noch mit fünfzig Pfund, am 1. Dezember sogar
mit 70 Pfund Eisenstangen belastet worden. Die Geschwindigkeit betrug
60 Kilometer in der Luft und 75 Kilometer über dem Boden. Am 9.
November erreichte die Flugdauer 5 Minuten 4 Sekunden, am 1. Dezember 4
Minuten 52 Sekunden. Im ganzen wurden im Jahre 1904 105 Landungen
ausgeführt. Im Frühjahr 1905, bei Beginn der besseren Jahreszeit,
wurden die Versuche fortgesetzt, aber erst am 6. September gelang es,
durch Zurücklegung von 4,5 Kilometer den Rekord des Vorjahres zu
schlagen. Am 26. September legten sie eine Strecke von 17,961
Kilometern—10 englische Meilen—in 18 Minuten 9 Sekunden zurück. Das
Benzinreservoir reichte damals für 20 Minuten, jedoch gingen immer
einige Minuten bei dem Ingangsetzen des Motors verloren. Am 29.
September wurden sogar 19,57 Kilometer in 19 Minuten und 55 Sekunden
durchmessen.

[Illustration: Wilbur Wright macht eine Fahrt mit Frau Hart O’Berg:
Deren Kleider unten durch eine Schnur zusammengehalten werden.]

[Illustration: Hölzerne Startschiene: Im Hintergrunde der Turm mit dem
Fallgewicht]

Bei allen diesen Versuchen führten die Wrights schon Wendungen aus, bei
denen sie häufig über den Köpfen der Zuschauer mehrfach hin und her
flogen und fast immer zu ihrem Landungsort zurückkehrten. Schnell
steigerte sich nun die Flugdauer, nachdem die Erfinder ein grösseres
Benzinreservoir eingefügt hatten. Am 3. Oktober betrug die
zurückgelegte Strecke bereits 24,5 Kilometer, die in 25 Minuten und 5
Sekunden durchflogen wurden, am 4. Oktober 33,45 Kilometer in 33
Minuten und 17 Sekunden, und am 5. Oktober deckten die Piloten eine
Strecke von 38,956 Kilometern in 38 Minuten und 3 Sekunden. Dies war
der Rekord, den sie in der Nähe von Dayton erreichten.

Natürlicherweise erlitten sie auch mehrfach Pannen. Gelegentlich
erhitzte sich ein Lager oder der Motor wurde warm, das Oel ging
vorzeitig aus und was der Kinderkrankheiten noch mehr sind. In der
Folge wohnten viele Einwohner von Dayton ihren Flügen bei, aber man
sprach sich in den Zeitungen sehr wenig anerkennend darüber aus. Es
wurde über die kurze Dauer der Flüge gespottet, was darin seinen Grund
hatte, dass man von den langen Flügen der europäischen Lenkballons
gelesen hatte und einen Unterschied zwischen dem Flug eines
aerostatischen und eines aerodynamischen Luftschiffes nicht zu machen
vermochte. Die Leute hielten beides für dasselbe und würdigten deshalb
die hervorragenden Leistungen ihrer Landsleute absolut nicht. In den
absprechenden Zeitungsnachrichten liegt auch der Grund, dass man in
Europa den Angaben der Wrights keinen Glauben schenkte. Man versteifte
sich darauf, wenn wirklich die beiden Brüder solche langen Flüge
ausgeführt hätten, so würden die Amerikaner in weit höherem Masse
Reklame für sie gemacht haben. Man würde ihnen im Handumdrehen genügend
Geld zur praktischen Verwertung ihrer Maschine gegeben haben.



Das Ringen der Wrights um Anerkennung.


Sobald die Nachricht von den Erfolgen des Jahres 1905 nach Europa
gelangt war, nahm sich der rühmlichst bekannte französische
Flugtechniker Artilleriehauptmann Ferber des Gegenstandes an und
schrieb zunächst an den ihm persönlich bekannten Chanute in Chicago,
der ihm die Angaben der Wrights bestätigte. Im Oktober 1905 richteten
alsdann die beiden Wrights einen Brief an Ferber, der folgenden
Wortlaut hatte:

Dayton, 9. Oktober 1905.
Geehrter Herr!

Als wir Ihren letzten Brief erhielten, fassten wir gerade die
Ergebnisse unserer Versuche zusammen und glaubten, auf Ihre Frage über
den praktischen Wert unseres Fliegers bald antworten zu können. Wir
haben länger mit der Antwort warten müssen, als wir dachten. Wir
wollten erst längere Flüge, als die in der letzten Saison abwarten, die
nur fünf Minuten dauerten; heute können wir kühn behaupten, dass unser
Flieger für künftige praktische Verwendung geeignet ist.
    Unsere Versuche im vergangenen Monat haben uns gezeigt, dass wir
    jetzt Maschinen bauen können, die wirklich für verschiedene Zwecke,
    militärische usw., brauchbar sind. Am 3. Oktober haben wir einen
    Flug von 24,535 Kilometer in 25 Minuten 5 Sekunden gemacht. Dieser
    Flug wurde dadurch beendet, dass sich ein Lager aus Mangel an Oel
    heisslief. Am 4. Oktober haben wir eine Entfernung von 33,456
    Kilometern in 33 Minuten 17 Sekunden erreicht. Wieder lief die
    Transmission warm, aber wir konnten zum Abflugsplatz zurückkehren,
    ohne landen zu müssen. Am 5. Oktober dauerte unser Flug 38 Minuten
    3 Sekunden und bedeckte eine Distanz von 39 Kilometern. Die Landung
    wurde durch Benzinmangel erzwungen. Ein Oeler hatte der Ursache
    abgeholfen, welche die früheren Flüge verkürzt hatte. Die Zuschauer
    dieser Flüge begeisterten sich so, dass sie ihre Zunge nicht mehr
    hüten konnten. Da unsere Versuche bekannt zu werden anfingen,
    entschlossen wir uns, sie einzustellen, bis wir einen einsameren
    Platz gefunden hätten.
    Wir haben die letzten Jahre vollständig damit verbracht, unsern
    Flieger zu vollenden, und wir haben wenig darüber nachgedacht, was
    wir damit machen würden, wenn er fertig wäre. Aber unsere jetzige
    Absicht ist, ihn zuerst den Regierungen zu Kriegszwecken
    anzubieten, und wenn Sie glauben, dass Ihre Regierung dafür
    interessiert werden könnte, so würden wir gern deshalb mit ihr in
    Verbindung treten.
    Wir sind bereit, Maschinen nach Vertrag zu liefern, abnehmbar erst
    nach einem Versuch über 40 Kilometer, wobei die Maschine einen
    Lenker und einen Benzinvorrat für mehr als 100 Kilometer tragen
    soll. Wir könnten auch einen Kontrakt machen, in dem die Strecke
    des Versuchsfluges grösser als 40 Kilometer ist, aber dann wäre der
    Preis der Maschine höher.
    Wir könnten diese Maschinen auch für mehr als eine Person Belastung
    bauen.


Ergebenst
    (gez.) W. und O. Wright.


Um sich von der Richtigkeit dieser Angaben zu überzeugen, richtete
Hauptmann Ferber an den ihm persönlich bekannten Ingenieur Chanute ein
Schreiben, in dem er ihn bat, ihm über die Leistungen der Wrights
Auskunft zu geben. Er erhielt darauf folgenden Bescheid:

Chicago, 9. November 1905.
Lieber Hauptmann Ferber!

    Soeben habe ich Ihren Brief vom 26. Oktober erhalten. Meiner
    Meinung nach können Sie in die Angaben, die Ihnen die Brüder Wright
    über ihre Versuche gemacht haben, vollstes Vertrauen setzen. Ich
    selbst hatte nur Gelegenheit, einem kleinen Fluge über einen halben
    Kilometer beizuwohnen, dagegen haben mir die Brüder wöchentlich
    Nachricht über ihre Versuche zukommen lassen, und Freunde, die
    selbst Zeugen der Experimente waren, haben mir diese Angaben
    bestätigt, als ich, um einem geplanten Fluge von 60 Kilometer in
    der Stunde beizuwohnen, vorige Woche in Dayton war. Leider konnte
    dieser Flug infolge zu grossen Sturmes nicht stattfinden. Die
    Wrights haben sich Frankreich, das die Fortschritte auf dem Gebiete
    der Lenkballons seit dem Jahre 1885 geheimgehalten hat, zum
    Beispiel genommen. Auf ihre Bitte haben die Zeitungen in Dayton
    über die Versuche Schweigen bewahrt. Es ist wohl eine Indiskretion
    begangen worden. Es wurde ein Artikel veröffentlicht, der aber
    bereits zurückgezogen ist. Die Wrights wollten Ihnen übrigens am 4.
    November selbst schreiben.


Mit vorzüglicher Hochachtung
    C. Chanute.


Am 4. November war inzwischen auch von den Wrights selbst nachfolgendes
Schreiben an Hauptmann Ferber eingetroffen:

Dayton, 4. November 1905.
Geehrter Herr!

    Wir haben Ihren Brief vom 20. Oktober erhalten und machen Ihnen
    unser Kompliment. Niemand in der Welt kann mehr als wir Ihre
    Leistung anerkennen. Es ist aber ein grosser Sprung vom Aeroplan
    ohne Motor, mit seiner leichten Kontrolle, zur Entdeckung
    ausreichender und wirksamer Methoden, um Herr des so ungelehrigen
    Aeroplans mit Motor zu werden. Nach den Experimenten so fähiger
    Leute wie Langley, Maxim und Ader, die Millionen ausgegeben und
    Jahre ohne Resultat daran gewandt haben, hätten wir es nicht für
    möglich gehalten, vor fünf oder zehn Jahren eingeholt zu werden.
    Frankreich ist eben günstig gestellt. Aber wir glauben nicht, dass
    das den Wert unserer Erfindung vermindern könnte. Denn, wenn es
    bekannt wird, dass man in Frankreich Experimente mit Motorfliegern
    gemacht hat, werden die anderen Nationen gezwungen sein, Zuflucht
    zu unserm Wissen und unserer Praxis zu nehmen. Russland und
    Oesterreich von Unruhen heimgesucht, ein Weltbrand kann jeden
    Augenblick ausbrechen. Keine Regierung wird mit einer Flugmaschine
    im Hintertreffen stehen wollen. Um ein Jahr früher als die andern
    fertig zu sein, wird man den Betrag, den wir für unsere Erfindung
    fordern, gering finden.
    Obwohl Sie in Frankreich voran sein mögen, werden Sie wünschen,
    unsere Erfindung zu kaufen, zum Teil, um die Kosten eigener
    Versuche zu vermeiden, zum Teil, um sich über den Stand unserer
    Kunst bei den Nationen zu unterrichten, die dabei sind, uns die
    Geheimnisse unserer Maschine abzukaufen.
    Aus diesen Gründen würden wir darein willigen, unsern Preis für die
    französische Regierung auf eine Million Francs herabzusetzen,
    zahlbar, nachdem der Wert unserer Erfindung in Gegenwart
    offizieller Persönlichkeiten durch einen Flug von 50 Kilometer in
    weniger als einer Stunde festgestellt ist. Der Preis schliesst eine
    vollständige Maschine ein, Instruktion über die Grundlagen unserer
    Kunst, Formeln für den Bau unserer Maschine, Schnelligkeit,
    Oberfläche usw., Instruktion von Personal für den Gebrauch der
    Maschine. Diese Instruktion würde natürlich in der gewünschten Form
    gegeben werden.


Ihre ergebenen
    (gez.) W. und O. Wright.


Hauptmann Ferber antwortete den beiden Brüdern, dass es unmöglich wäre,
auch nur die geringste Unterstützung von der französischen Regierung zu
erhalten, wenn nicht zuvor eine aus französischen und amerikanischen
Gelehrten bestehende Kommission die Maschine geprüft hätte. Die Wrights
wollten aber das Geheimnis ihrer Erfindung sicher gewahrt wissen, und
hatten anderseits eine heilige Scheu vor dem Gutachten der am grünen
Tisch arbeitenden Gelehrten, die ja schon häufiger ein grosser
Hemmschuh für die Entwickelung der Luftschiffahrt gewesen waren; sie
erklärten deshalb, von ihren Bedingungen nicht abgehen zu können. Eine
ganze Reihe von Veröffentlichungen finden in der Folge noch statt, und
selbst der Aeroklub von Amerika, der eine Reihe Zeugnisse angesehener
Mitbürger von Wright veröffentlicht, vermochte niemand von der Wahrheit
der Angaben über die geheimnisvollen Flieger zu überzeugen, und überall
belegte man in Europa die Wrights mit dem wenig schönen Ausdruck „die
lügenden Brüder“. Verfasser, der die flugtechnischen Arbeiten seit
langen Jahren aufs genaueste verfolgt hatte, beschloss der Bedeutung
der Sache wegen keine Aufwendungen zu scheuen und selbst an Ort und
Stelle in Dayton in Ohio Nachforschungen anzustellen. Er reiste deshalb
im Oktober 1907 dahin und besuchte dort am 4. Oktober den alten Bischof
Wright. Ausserdem wurden eine Anzahl der angesehensten Bürger der Stadt
Dayton, die etwa 85000 Einwohner zählt, eingehend befragt. Ein dem
„Berliner Lokalanzeiger“ zur Verfügung gestellter Bericht hierüber sei
im folgenden unter Weglassung der hier schon angegebenen
Konstruktionseinzelheiten wiedergegeben.

[Illustration: Messen der Windgeschwindigkeit: Wilbur Wright misst mit
einem kleinen Anemometer—Windmesser, der durch die sich im Winde
drehenden Flügel angibt, wieviel Meter in der Sekunde die Luft
vorwärtsströmt—Die Geschwindigkeit des Windes]

[Illustration: Flieger-Werkstätte: Im Hangar bei Pau. Eine gewölbte
Tragefläche ist rechts in ihrer ganzen Ausdehnung zu sehen.]

Lokalanzeiger Nr. 588 vom 18. November 1907.

Die Flugmaschine der Gebrüder Wright.

Dayton (Ohio), Ende Oktober.

„'Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild
in der Geschichte', so kann man auch von dem Drachenflieger der
Gebrüder Wright sagen! Dass die beiden eine Flugmaschine gebaut haben,
weiss jeder Fachmann; auch glaubt man es meist, dass sie mit dieser
frei in der Luft geflogen sind; dass sie aber längere Strecken mit
grosser Geschwindigkeit zurückgelegt haben und dabei wieder an die
Abfahrtsstelle zurückgekehrt sind, das wird heute noch von den meisten
Luftschiffern bestritten! Um die Sache zu klären, habe ich hier an Ort
und Stelle bei zehn Augenzeugen eingehende Nachforschungen angestellt,
auf Grund deren ich zu der Ueberzeugung gelangt bin, dass alle Angaben
über diese Flugmaschine auf voller Wahrheit beruhen.“


Es folgen nun einige Angaben über die ersten Versuche, alsdann fährt
der Artikel wie folgt fort:

„Grosses Aufsehen erregten nun die am 12. März 1906 von den Erfindern
veröffentlichten Daten über die mit dem Motorluftschiff erzielten
Erfolge. Danach sollte schliesslich als beste Leistung am 5. Oktober
1905 ein Flug von 38,956 Kilometern in 38 Minuten 3 Sekunden vollendet
worden sein. Wenn diese Angaben den Tatsachen entsprachen, so war damit
das Zeitalter des ballonlosen lenkbaren Luftschiffes angebrochen! Die
Fachwelt verhielt sich zunächst abwartend und dann ablehnend. Hierzu
war auch aller Grund vorhanden. Erst hiess es, die amerikanische
Regierung habe die Flugmaschine für eine Million Dollars angekauft;
dann plötzlich wurde dies dementiert und man hörte, Wrights versuchten
in Frankreich ihre Erfindung los zu werden. Die Verhandlungen
zerschlugen sich aber, weil die Konstrukteure die Forderung stellten,
man solle ihnen ihr Luftschiff unbesehen für eine Million Dollars
abnehmen; allerdings verpflichteten sie sich, nach Inkrafttreten des
Vertrages den Flieger in einem 50 Kilometer langen Fluge vorzuführen.
Auf solche Abmachungen wollte aber niemand eingehen. Demnächst hörte
man nichts mehr von den Wrights, bis der Aeroklub von Amerika erklärte,
auf Grund seiner Untersuchungen sei er zu der Ueberzeugung gekommen,
dass die Angaben der Brüder auf Wahrheit beruhten. Aus Interesse zur
Sache beschloss ich, an Ort und Stelle selbst Nachforschungen
anzustellen und die Angelegenheit zu klären. Zunächst nahm ich Fühlung
mit den beiden Konkurrenten der Wrights, Herring in New York und
Chanute in Chicago. Jener erklärte mir, dass er nach Rücksprache mit
Augenzeugen die gemachten Angaben nicht mehr bezweifeln könne; die
Sache sei so einfach, dass er hoffe, mit Hilfe eines von ihm erprobten
leichten Motors, der nur 1 Pfund (etwa 3/4 deutsche Pfund) pro
Pferdekraft wöge, die Leistungen bei weitem zu übertreffen. Chanute
dagegen hatte selbst einen Flug von 3/4 Meile (1,2 Kilometer) gesehen
und erkannte rückhaltlos an, dass Wrights das Flugproblem in tadelloser
Weise gelöst hätten. Die Maschine sei äusserst einfach, und der Flug
habe sich in überraschend sicherer Weise vollzogen. Er, Chanute, sei zu
der Einsicht gekommen, dass die Brüder auf dem richtigen Wege seien,
und er habe deshalb schweren Herzens seine langjährigen Versuche
eingestellt, weil er mit ihnen nicht mehr konkurrieren könne.
[Footnote: Siehe auch Seite 24 unten und Seite 25.] Auf meinen Wunsch
machte er mir einige Zeugen der Flüge namhaft.

[Illustration: Wilbur Wright: Zeigt dem König von Spanien, wie er bei
Beginn des Starts mit der rechten Hand den Sperrhebel löst, der die
durch das Fallgewicht im Zug befindliche Flugmaschine frei gibt.]

„Demnächst begab ich mich mit einem berufenen Aeronauten, dem seit 15
Jahren in New York lebenden deutschen Ingenieur Karl Dienstbach, nach
Dayton in Ohio und besuchte hier den Vater den Brüder, den alten
anglo-amerikanischen Bischof Milton Wright. Der etwa 70jährige Greis
bestätigte mir mit einfachen Worten, dass er dem längsten Fluge
beigewohnt hätte. Er sei zufällig dazu gekommen; von ständiger Sorge um
das Schicksal seiner Söhne gequält, die sich so wagehalsigen
Flugübungen hingegeben hätten, sei er häufig auf das Versuchsfeld
gegangen und so Zeuge verschiedener Aufstiege geworden. Ueber nähere
Einzelheiten wollte er sich nicht äussern. Hätte ich nach den
Unterredungen mit den beiden Konkurrenten der Wrights noch irgend
welche Zweifel gehabt, sie wären nach dem Besuche des Vaters zerstreut
worden. Ich meine, es kann nur wenige misstrauische Leute geben, die
diesem alten, ehrwürdigen Priester nicht Glauben schenken. Doch das
persönliche Gefühl sollte bei dieser wichtigen Sache kein bestimmendes
Wort mitsprechen; es galt daher, auch gänzlich unparteiische Leute
aufzusuchen.
    „Wir 'verhörten' des weiteren Mister C.S. Billmann, Sekretär eines
    Bankinstituts. In lebhafter Weise rief er aus: 'Well, sie fliegt!'
    Dann schilderte er, wie überwältigend es ausgesehen habe, als die
    Flugmaschine vom Boden emporgestiegen und in leicht wellenförmiger
    Bahn etwa in Baumhöhe über die Felder dahingeflogen sei; wie leicht
    sie dem Steuer gehorcht hätte und zur Landung gekommen sei; 'wie
    eine Ente' habe sie sich auf den Boden niedergelassen. Auf nähere
    Einzelheiten über die Konstruktion liess er sich jedoch auch nicht
    ein. Er schloss mit den Worten, den Brüdern sei auch bester
    pekuniärer Erfolg zu wünschen, sie seien feingebildete Leute, die
    in harter Arbeit gross geworden wären.
    „Weit mitteilsamer war ein junger Apotheker, namens Reubens
    Schindler, der als ungebetener Gast seinerzeit einem längeren Fluge
    beigewohnt hatte. Er sei an einem Tage, an dem er einen Probeflug
    vermutet habe, dem Vater Wright von weitem gefolgt und so Zeuge
    einer tadellosen Fahrt geworden. Zufällig kam in die Apotheke auch
    ein Arbeiter, der ebenfalls als Zaungast bei einem Flugversuch
    zugegen gewesen war und uns unter breiter Darstellung auch der
    nebensächlichsten Umstände die Angaben des Herrn Schindler
    bestätigte.
    „Von hier aus lenkten wir unsere Schritte zu einem alten
    Spenglermeister, Henry Webbert, der die Flugmaschine häufig in der
    Werkstatt seines Sohnes gesehen hatte. Dieser biedere
    Handwerksmeister behandelte uns mit grosser Zurückhaltung, machte
    uns aber doch höchst interessante Angaben über den Flug selbst und
    über die Landung. Das Luftschiff sei so sanft auf den Boden
    heruntergekommen, 'wie ein Truthahn, der vom Baume herabfliegt'. In
    bezug auf die Geschwindigkeit übertrieb der alte Herr allerdings
    etwas mit der Behauptung, 50 Meilen (80 Kilometer) seien in einer
    Stunde zurückgelegt.
    „Sehr viele Einzelheiten über die Konstruktion des Flugapparates
    erfuhren wir sodann von einem deutschen Eisenwarenhändler, namens
    Frank Hamburger, der sehr scharf beobachtet hatte und seine
    Schilderungen durch einige Skizzen anschaulicher zu machen suchte.
    Auch der Apotheker William Foots zeigte für Technik grösseres
    Verständnis und gab uns einzelne wertvolle Aufschlüsse, während der
    Ingenieur Laurenz Wright zwar die Tatsache der Flüge bestätigte, im
    übrigen aber jegliche Auskunft über Aussehen der Maschine
    verweigerte.

[Illustration: Wilbur Wright erklärt dem neben ihm sitzenden König von
Spanien seine Flugmaschine.]

„Zum Schluss gelang es uns, noch zwei höchst wichtige Leute zu
sprechen: C.V. Ellis, höheren Justizbeamten, und Torrence Huffmann,
Präsident der grössten Bank der Stadt. Die Unterredung mit diesen
angesehenen Leuten war uns ganz besonders deshalb wertvoll, weil wir
von ihnen Aufschluss erhielten über die Gründe dafür, dass in Amerika
nicht mehr Wesens von den bedeutenden Erfolgen der Wrights gemacht
worden ist. Nach den ersten wohlgelungenen Flügen hätten die Brüder
eine grosse Anzahl Bürger zur Besichtigung eingeladen; beim
Herausbringen aus dem Schuppen sei aber das Luftschiff beschädigt
worden, und deshalb wären die Versuche aufgegeben worden. Das
enttäuschte Publikum habe von da an der Sache ein grosses Misstrauen
entgegengebracht; die Wrights dagegen hätten seitdem niemand mehr
eingeladen und den Zeitpunkt weiterer praktischer Versuche
geheimgehalten. Der Bankpräsident meinte ausserdem, er sehe den
praktischen Wert der Maschine nicht ein; vor allem erscheine es ihm als
ein grosser Fehler, dass sie nur von einem langen Schienengleise
auffliegen könne.“


Es folgen sodann wieder einige Konstruktionseinzelheiten, und dann
schliesst der Bericht:

„Die Versuche haben auf einer rechteckigen, von Bäumen und einem
Schuppen umgebenen Wiese stattgefunden, die einen Umfang von etwa einer
Meile (1,6 Kilometer) hat. Beim längsten Flug ist dieses Feld etwa 30
Mal umflogen worden. Die Flüge sind sowohl bei ruhigem Wetter als auch
bei starkem Winde ausgeführt worden.

[Illustration: Das hinten befindliche Horizontalsteuer: ist bei der
Landung beschädigt. Man sieht oben rechts eine gebrochene Holzstrebe
herausragen.]

„Ich glaube, die Tatsache des Vorhandenseins der ersten praktisch
erprobten Flugmaschine kann wohl niemand mehr ernstlich bestreiten; es
ist unmöglich, dass sich so viele angesehene Leute der verschiedensten
Berufsklassen und des verschiedensten Alters verabredet haben sollten,
einem Erfinder zuliebe das Blaue vorn Himmel herunterzulügen. Bei einem
so langen 'Verhör', das nach vorher genau festgesetztem Programm
angestellt worden ist, hätten sie sich in einzelne Widersprüche
verwickeln müssen. Es sei im übrigen bemerkt, dass ich aus Zeitmangel
nur 10 Leute aufgesucht habe; fast jeder einzelne hatte mir noch
weitere Zeugen namhaft gemacht. Warum nun aber weigern sich die
Gebrüder Wright, ihren Flieger eventuellen Käufern vor Abschluss des
Vertrages in freiem Fluge vorzuführen? Wenn sie wirklich so grosse
Erfolge erzielt haben, hätten sie doch das Tageslicht nicht zu scheuen
gehabt!
    „Auch hierfür glaube ich eine plausible Antwort gefunden zu haben.
    Der Flieger ist eben so einfach, dass sie fürchten, der Käufer
    wendet nach Besichtigung keine so hohe Summe, wie eine Million
    Dollars, an. Ausserdem glaube ich, dass eine sehr grosse Uebung
    dazu gehört, die Flugmaschine zu führen.
    „Es wird nicht jeder Luftschiffer imstande sein, sofort damit
    loszufahren, sondern es gehört grosse Geschicklichkeit dazu, die
    sich die Brüder Wright durch ihre zahlreichen Gleitflüge vorher
    erworben hatten.
    „Ich bin nun der Ansicht, dass wir jetzt, nachdem es erwiesen ist,
    dass man auch mit Luftschiffen, deren Gewicht nicht durch Gasballon
    getragen wird, fliegen kann, uns ernstlich der Konstruktion von
    Flugapparaten zuwenden müssen. Dagegen bin ich der festen
    Ueberzeugung, dass es nicht der hohen Summe von vier Millionen Mark
    bedarf, wenn wir deutsche Ingenieure und Flugtechniker—ich nenne z.
    B. Regierungsrat Hofmann in Berlin—mit dieser Aufgabe betrauen. Wir
    werden dann sicher nicht den amerikanischen Erfindern nachstehen.
    „Hauptmann a.D. Hildebrandt.“

[Illustration: Wright erteilt seinem Schüler Tissandier Unterricht: Der
Flieger steht mit seinen Schlittenkufen etwas über dem Erdboden. Die
linke Schraube mit Welle und gekreuzter Kettenübertragung ist deutlich
sichtbar.]

Diese Veröffentlichung fand auch auszugsweise Platz in verschiedenen
deutschen, amerikanischen, englischen und französischen Zeitungen. Aber
nur wenige Leute waren auch durch diese Darstellung überzeugt, im
Gegenteil, mancher hervorragende deutsche Fachmann warf Verfasser noch
bis zum Juni 1908 vor, er habe sich arg düpieren lassen. Nunmehr kam
aber am 10. Februar 1908 aus New York die Nachricht, dass die
amerikanische Regierung 3 Aeroplane bestellt habe, einen bei den
Gebrüdern Wright für 25000 Dollar, den zweiten bei dem hier schon
genannten Herring für 20000 Dollar und den dritten bei einem
Flugtechniker Skott in Chicago für 1000 Dollar. Die Bedingungen, unter
denen die Regierung die Abnahme der Flieger vollziehen wollte, waren
folgende: „Die Abnahmeversuche finden statt unter Aufsicht des
Signalkorps in Fort Myers in Virginia. Die verlangten Leistungen sind
folgende: 1. eine Schnelligkeitsprüfung über eine Strecke von 16
Kilometer 900 Meter auf einer Fahrt hin und zurück; 2. ein Flug von
einstündiger Dauer über eine Strecke von 64,30 Kilometer—40 Meilen—ohne
Zwischenlandung. Der Aeroplan muss mit zwei Personen bemannt sein. Jede
Maschine kann drei Abnahmefahrten unternehmen.“ Wenn ein Apparat
weniger als 40 Meilen in der Stunde zurücklegt, so wird der Kaufpreis
vermindert. Bei einer geringeren Geschwindigkeit als 36 Meilen in der
Stunde wird die Maschine nicht abgenommen; wird dagegen eine grössere
Geschwindigkeit erreicht, so wird der Kaufpreis erhöht. Bei einer
Geschwindigkeit von 60 Meilen in der Stunde wird er sogar fast
verdoppelt. Sobald irgend ein Punkt des Programms nicht genau
eingehalten werden sollte, wird 10 Proz. der gestellten Kaution
zurückbehalten. Die Wrights hatten 2500 Dollar Kaution zu stellen. Im
Mai 1908 begaben sich nun die beiden Brüder in ihre alte Einöde zu Kill
Devil bei Kitty Hawk, wo sie, weit entfernt von den wenig Anerkennung
zeigenden Mitbürgern ihrer Heimatstadt, ungestört arbeiten konnten.

[Illustration: König Eduard von England begibt sich auf dem Felde Pont
Long bei Pau zum Startplatz des Fliegers: Rechts neben dem König Lord
Cunraven, hinter diesem Ingenieur Rozendaal.]

[Illustration: Minister Barthou im Aeroplan: Rechts beginnt ein Gehilfe
die Schraube anzuwerfen. Wright gibt Zündung. Der lange Zylinder
enthält Benzin. Zwischen Wright und Barthou ist der Wasserbehälter
sichtbar.]

Ihre Versuche hatten den Zweck, die während der fast dreijährigen Pause
verlorene Uebung wieder zu erreichen. Es wurden eine Anzahl von Flügen
in der Zeit vom 14. bis 16. Mai ausgeführt, die zunächst in gerader
Linie gegen den Wind gingen und alsdann mit dem Ausfahren von Kreisen
endeten. Der längste Flug dauerte 7 Minuten 29 Sekunden, und führte bei
einer Windgeschwindigkeit von 8 Metern in der Sekunde über eine Strecke
von 8,03 Kilometern. Rekordflüge waren nicht beabsichtigt; die Flüge
wurden meistenteils nur von einem ausgeführt.

Schon am 10. April hatte sich in Frankreich infolge der Bemühungen des
erst kürzlich von der französischen Regierung für seine Verdienste um
die Flugtechnik mit dem Kreuze der Ehrenlegion ausgezeichneten Herrn
Hart O’Berg unter Leitung von Lazare Weiller eine Gesellschaft
gebildet, die für die Summe von 500000 Francs die französischen Patente
der Wrights ankaufen wollte. Am 1. Juni traf Wilbur Wright in Paris
ein, um dort mit Hilfe seines Bevollmächtigten Hart O’Berg die
Bedingungen zu erfüllen.

[Illustration: Die mit 2 Personen bemannte Flugmaschine: schwebt auf
dem Felde bei Pau über ihrem Hangar. In der Mitte sieht man vor dem
Zaune eine der kleinen, einrädigen Plattformen, auf denen der Flieger
vor dem Start mit den Seiten ruht]

Orville Wright blieb einstweilen in Amerika, wo er in Fort Myers am 3.
September mit den Abnahmefahrten begann. Als erster Passagier wurde in
dem Aeroplan der Leutnant Frank P. Lahm mitgenommen, der seinerzeit im
ersten Gordon-Bennett-Wettfliegen von Paris aus Sieger geblieben war.
Als zweiter Passagier wurde Major Squir vom Signalkorps mitgenommen,
und als dritter nahm am 17. September der Leutnant Selfridge an der
Seite Orvilles Platz. An jenem Tage war der Durchmesser der Schrauben
um 3 Zentimeter vergrössert. In 30 Meter Höhe riss plötzlich einer der
Steuerdrähte; dadurch geriet der korrespondierende Draht, nunmehr
schlaff geworden, in die Schraube, der Flieger geriet ins Schwanken und
senkte sich aus 30 Meter etwas herab, überschlug sich sodann und
stürzte mit einem heftigen Stoss auf den Boden. Orville Wright hatte
einen komplizierten Schenkelbruch, eine Stirnwunde und verschiedene
Kontusionen erlitten. Leutnant Selfridge stöhnte noch etwas und hauchte
bald sein Leben aus. Die Versuche in Amerika wurden nunmehr ausgesetzt,
da Orville Wright längere Zeit zu seiner Wiederherstellung bedurfte. Er
hatte bereits sehr schöne Resultate erzielt und einen Weltrekord
geschaffen. Am 12. September 1908 hatte er einen Flug von einer Stunde
15 Minuten und 20 Sekunden in einer Höhe von etwa 60 Metern
zurückgelegt.

[Illustration: Der Flieger im Fluge, von vorn gesehen: Aufnahme aus
einem Militärballon bei Rom.]

Wilbur Wright hatte sich inzwischen mit Hart O’Berg nach Le Mans
begeben, wo er auf dem Rennplatze von Hunaudiere am 8. August seine
Versuche begann. Anfangs gelangen die Versuche nicht so gut, namentlich
deshalb nicht, weil Wright in der Betätigung der Steuerhebel unsicher
geworden war. Die Maschine war für zwei Personen eingerichtet. Seine
ersten Versuche unternahm er allein; er musste sich also wieder an die
Steuerung allein gewöhnen. Da der Rennplatz zu klein war, siedelte er
bald nach dem Schiessplatz Auvours über, wo er sich einen kleinen
Schuppen bauen liess, in dem er seinen Aeroplan unterbrachte und auch
sich selbst einquartierte. Auf dem Rennplatz war der längste Flug am
13. August mit 8 Minuten 13 Sekunden ausgeführt worden. Die Versuche
wurden am 21. August auf dem Schiessplatze Auvours fortgesetzt. Den
Dauerrekord mit einem Passagier stellte er am 3. Oktober mit einem
Fluge von 55 Minuten 37,2 Sekunden mit Franz Reichel vom „Figaro“ auf.
Am 18. November schuf er mit 110 Metern Höhe seinen Weltrekord, und am
21. September schlug dann Wilbur Wright auch den Rekord seines Bruders,
indem er 1 Stunde 31 Minuten und 25 Sekunden in der Luft blieb und 66,6
Kilometer zurücklegte. Am 16. September hatte er zum ersten Male einen
Passagier, den französischen Luftschiffer Ernest Zens, mitgenommen.

Am 7. Oktober bestieg als erste Dame den Führersitz Frau Hart O’Berg.
In der Folge sind dann eine grosse Anzahl von Flügen mit den
verschiedensten Passagieren an Bord durchgeführt worden, und am 31.
Dezember stellte Wilbur Wright mit einem Fluge von 2 Stunden 20 Minuten
und 23 Sekunden den Dauerweltrekord auf. 124,7 Kilometer betrug die
hierbei zurückgelegte Strecke. Er gewann damit den grossen Preis, der
von Michelin gestiftet war und 20000 Francs betrug.

[Illustration: Orville, Katherine, Wilbur Wright]

Die französischen Patente wurden nunmehr von der Weiller-Gesellschaft
unter der Bedingung übernommen, dass Wilbur Wright drei Schüler, die
ihm von der Gesellschaft bezeichnet würden, im Lenken seines Aeroplans
ausbilde. Er verlegte sein Versuchsfeld am 3. Januar nach Pau in
Südfrankreich, wo ihm die Stadt bei Pontlong ein grosses Aerodrom
erbaut hatte. Seine ersten Schüler waren Paul Tissandier, Graf Lambert
und der Hauptmann der französischen Genietruppen Lucas Gerardville.
Bereits am 6. Januar führte er hier seine ersten Flüge aus und errang
sich am 8. durch einen Flug von 112 Kilometern den Preis von Triaca. Am
15. Februar fuhr Wilburs Schwester Katherine zum erstenmal im Aeroplan
mit dem Bruder. Am 17. Februar liess sich König Eduard in Pau den
Apparat vorführen und wohnte einem Aufstiege bei, der eine halbe Stunde
dauerte. Fünf Tage später besichtigte König Alfons von Spanien, der
eigens von San Sebastian gekommen war, die Flugmaschine. Am 6. März
wurden die Brüder durch den Titel eines „Doktor-Ingenieurs“, den ihnen
die Technische Hochschule in München verliehen, ausgezeichnet. Am 8.
April machte Wright mit seinen Schülern den letzten Aufstieg in Pau,
erklärte ihre Ausbildung für beendet und begab sich nach Rom, um seinen
Aeroplan dort der italienischen Regierung vorzuführen und einen Schüler
auszubilden. Unmittelbar nach seiner Abreise von Pau wurde der dort
benutzte, ziemlich stark mitgenommene Apparat im Auftrage der
französischen Regierung nach Paris geschafft, um dort im Konservatorium
der Künste und des Handwerks Aufstellung zu finden. Auch in Rom gelang
es Wilbur, ganz Italien durch seine hervorragenden Leistungen von
seinem grossen Können zu überzeugen. Am 24. April führte er seinen
Apparat dem Könige von Italien vor, und bereits am 28. April konnte
sein Schüler, der Genieleutnant Calderara, trotz starken Regens
selbständig einen Flug von 35 Minuten Dauer vollführen. Durch Aussetzen
des Motors stürzte der Apparat damals aus einer Höhe von drei Metern
zur Erde herab, der Lenker blieb unverletzt, während das Steuer brach
und die Schraubenachse verbogen wurde. In kurzer Zeit konnten die
Schäden an der Maschine aber beseitigt werden, und am 6. Mai sehen wir
Calderara einen neuerlichen Flug unternehmen, der aber infolge eines
Ohnmachtsanfalles des Aviatikers ein tragisches Ende nehmen sollte. In
einer Höhe von 40 Metern kippte der Aeroplan um, die Maschine stürzte
zu Boden und begrub den Lenker unter ihren Trümmern. Die beiden Steuer
waren gebrochen, die Tragflächen und die Spanndrähte verbogen und
zerrissen. Calderara hatte mehrere Brüche und eine Gehirnerschütterung
erlitten und wurde nach Rom ins Spital gebracht. Bereits nach
Monatsfrist war er geheilt. Auch die Maschine war wiederhergestellt
worden, so dass der Offizier am 19. Juli abermals einen kurzen Flug
unternahm. Später wurde von seinem behandelnden Arzte festgestellt,
dass er zu Ohnmachtsanfällen neige, weshalb er das Lenken von
Aeroplanen endgültig aufgeben musste.

[Illustration: Katherine und Orville Wright: machen in Pau unter der
Führung des Franzosen Ernest Zens (links im Korbe) ihre erste
Freiballonfahrt]



Die Beschreibung der Wrightschen Flugmaschine.


Der Wrightsche Flieger ist ein Doppeldecker, der seinen Ursprung in den
Konstruktionen von Chanute hat. Zwei parallele, auf 1/20 ihrer Tiefe
gekrümmte, 12,5 Meter klafternde Flächen haben 1,8 Meter Abstand
voneinander. Die Tiefe der Trageflächen beträgt 2 Meter. Das aus Holz
bestehende Gerippe der Flächen ist mit Baumwollstoff bespannt; ihre
Oberfläche beträgt 50 Quadratmeter. Die konkave Seite ist nach unten
gerichtet. Die Krümmung nimmt nach vorne hin zu, wo die vorderen Kanten
einige Zentimeter dick sind. Die Verspannung erfolgt in
Gitterkonstruktion durch Holz und Klaviersaitendraht. Das Material ist
amerikanisches Tannenholz, dass sich sowohl im Luftschiffbau, als auch
früher schon im Bootsbau infolge grosser Festigkeit und geringen
Gewichts bewährt hat. Drei Meter vor den Hauptflächen befindet sich das
Höhensteuer, das aus zwei spindelförmigen Flächen besteht von 5,25
Zentimeter Breite und 0,80 Meter Tiefe. Zwischen den Höhensteuern
befinden sich noch zwei halbmondförmige vertikal angeordnete Flächen.
Das Steuer für die Horizontale befindet sich 2,7 Meter entfernt hinter
den Trageflächen. Es besteht aus zwei langen vertikalen Flächen, die
1/2 Meter auseinanderstehen. Das Steuer kann auch in vertikaler
Richtung bewegt werden, um Beschädigungen durch Aufstossen bei der
Landung zu vermeiden. Der Sitz für den Führer und einen Begleiter
befindet sich auf der vorderen unteren Tragefläche, wo sich hinter ihm
der Motor und rechts von ihm der Kühler befindet. Der Motor ist ein
Viertaktmotor mit 4 Zylindern, er entwickelt 25 PS und wiegt in
betriebsfähigem Zustande 90 Kilogramm, so dass also 3,6 Kilogramm auf
eine Pferdestärke kommt. Er ist nach den ureigensten Ideen der Wrights
gebaut, und macht etwa 1400 Touren. Der Motor treibt zwei aus Holz
gefertigte, mit Tuch überklebte Schrauben von 2,80 Meter Durchmesser.
Der Antrieb erfolgt durch Ketten, die in Röhren geschützt laufen. Die
Schrauben drehen sich mit 450 Touren.

[Illustration: Flug Um Den Michelin-Preis: Bei Sonnenuntergang am 31.
Dezember 1908 auf dem Schiessplatz Auvours bei Le Mans.]

[Illustration: Blick zwischen die Tragflächen mit ihren Holzstreben.
Wilbur auf dem Führersitz, links steht der König von Spanien.]

Die Tourenzahl des Motors kann weder durch Gasdrosselung, noch durch
Verstellen des Zündpunktes verändert werden. Die Verminderung der
Fluggeschwindigkeit wird lediglich durch Aufrichten des Fliegers
mittels des Höhensteuers bewirkt. Die Maschine ist auf Schlittenkufen
montiert. Die Steuerung erfolgt durch Betätigung zweier rechts und
links vom Führersitz befindlichen Hebel; die Vorwärts- oder
Rückwärtsbewegung des linken Hebels hat Fallen oder Steigen des
Fliegers zur Folge. Mit dem rechten Hebel wird das Horizontalsteuer und
gleichzeitig auch die Verwindung der Tragflächen bewirkt. Gerade das
letzte bedeutet eine Haupteigenschaft des Wrightschen Fliegers.

[Illustration: Hart O’Berg: Der Bevollmächtigte von Wilbur und Orville
Wright in seinem Arbeitszimmer]

Durch die Verwindung wird die Stabilität des Fliegers in unsteten
Luftströmen gehalten. Wenn beispielsweise ein Windstoss von links den
Apparat nach rechts kippen will, so vermehrt man auf der rechten Seite
den Luftwiderstand durch Vergrösserung der Wölbung, also durch
Verwinden der Fläche nach unten. Gleichzeitig wird der Luftwiderstand
links, wo der seitliche plötzliche Luftstrom auftrifft, vermindert
durch Verminderung der Wölbung, das heisst durch Verwinden der hinteren
Fläche nach oben. In gleicher Weise, wie eben geschildert, muss
verfahren werden, wenn der Apparat eine Wendung nach rechts fahren
soll. Alsdann beschreibt die rechte Kante des Fliegers, die sich auf
der inneren Seite der Kurve befindet, einen kleineren Weg, als die
linke Kante, die sich auf der äusseren Seite der Kurve befindet.
Demnach legt die rechte Kante einen kleineren Weg zurück, als die
linke, und man muss die Geschwindigkeit rechts etwas einschränken.
Durch Verwinden der rechten Fläche nach unten erhöht man den
Luftwiderstand, vermindert also die Schnelligkeit; durch Verwinden der
linken Fläche nach oben vermindert man den Luftwiderstand und erhöht
demnach die Geschwindigkeit. Nach den Mitteilungen Wrights kommt es
dabei darauf an, anfangs zwar bei einer Wendung das Steuer für die
betreffende Richtung einzustellen, aber möglichst bald wieder
umzulegen, um ein Kippen zu vermeiden. Beim Balancehalten ist es
erforderlich, genau das Gegenteil von dem zu tun, was ein Radfahrer
tut. Dieser legt sich nach innen in die Kurve und bringt den
Schwerpunkt nach innen. Bei der Flugmaschine muss man den Schwerpunkt
nach aussen halten, weil sonst der Apparat ins Kippen kommt.

Das Ausführen von Wendungen und das hierbei zur Erhaltung der
seitlichen Stabilität erforderliche Verwinden geschieht in der Weise,
dass beispielsweise der rechte Hebel nach vorwärts gezogen wird,
wodurch die Steuerdrehung nach rechts erfolgt. Gleichzeitig drückt man
aber diesen Hebel auch nach links, wodurch die Verwindung in der Weise
eintritt, dass die Kanten der rechten Trageflächen nach unten und die
der linken nach oben gerichtet werden.

Kürzlich haben die Wrights ein neues Patent eingereicht, in dem sie
zwei kleine vertikale Flächen beschreiben, die noch durch einen dritten
ergänzenden Hebel betätigt werden. Diese vertikal stehenden kleinen
Flächen sollen das Gauchissement, wie man die Verwindung im
Französischen nennt, verstärken und das Gegengewicht in der Balance
halten. Der Start der Wrightschen Flugmaschine erfolgt durch eine
besondere Vorrichtung, Pylon genannt. Wie schon erwähnt, ruht die
Maschine in der Mitte mit den dort befindlichen Querverbindungen auf
einer Holzschiene. An den beiden Seiten wird sie durch je eine mit
einem kleinen Rad versehene Plattform im Gleichgewicht erhalten. Die
Schiene wird meist genau gegen den Wind gerichtet. Einige Meter hinter
dem Schienenanfang, genau in der Mitte hinter dem Flugapparat, wird ein
8 Meter hoher pyramidenförmiger Turm aufgestellt, in dessen Mitte ein
700 Kilogramm schweres Gewicht sich befindet, das durch ein Seil, wie
es die Figur auf Seite 62 zeigt, mit dem Aeroplan in Verbindung steht.
Vor Beginn des Anfluges wird das Gewicht in dem Turm hochgezogen und
alsdann der Flugapparat durch eine Sperrklinke an der Schiene
befestigt. Sobald nun die Schrauben angeworfen sind und der Motor seine
volle Geschwindigkeit entwickelt hat, löst der Führer die Sperrklinke
und alsbald zieht das fallende Gewicht den Aeroplan mit allwachsender
Geschwindigkeit nach vorwärts. Das Höhensteuer hat hierbei eine Neigung
nach unten, so dass durch den Winddruck der Apparat fest gegen die
Schiene gedrückt wird. Gegen Ende der Schiene fällt das Ende des Seils
von selbst von dem Haken des Fliegers ab, der Führer stellt eine
Kleinigkeit das Höhensteuer ein und die Flugmaschine beginnt zu
schweben. Es kommt nun darauf an, in der Luft die Balance durch
fortwährende Betätigung des linken Steuerhebels zu halten, wobei die
Bewegungen jedoch äusserst gering sein müssen, weil der Flieger auf die
leiseste Anstellung der Flächen reagiert.

[Illustration: Schematische Zeichnung der betätigung der
Verwindungsvorrichtung]

Beim Seitwärtsschieben des Hebels A gehen die Schnüre in der
Pfeilrichtung von B nach A, von C und D nach B. Hierdurch werden die
Holzstreben CE und DP in der Pfeilrichtung nach unten gedrückt und
damit die Kanten der oberen und unteren Trageflächen ebenfalls nach
unten bewegt. Die Holzstreben nehmen nunmehr die Stellung HG und KI
ein. Die Verwindung der rechten Flächen ist erreicht. Von E und F
führen Schnüre nach L. Diese werden folgegemäss ebenfalls in der
Pfeilrichtung nach unten bewegt und übertragen die Bewegung über L und
M nach N und O. Die Holzstreben NP und OQ werden nach oben gezogen und
nehmen die Stellung RS und TU ein. Damit hat der Führer die Verwindung
der linken Trageflächen bewirkt.]

[Illustration: Startpylon für die Flugmaschine]

Das Gewicht G hängt an einem Tau, das über die Rolle A zu der fast am
Ende der Holzschiene angebrachten Rolle B läuft. Von hier geht das Tau
zur Maschine, wo es bei C an einem Haken befestigt ist. Zwischen B und
C befindet sich noch ein Flaschenzug, welcher der besseren
Uebersichtlichkeit halber auf der Zeichnung fortgelassen ist.]



Rückkehr der Wrights nach Amerika und Besuch Berlins.


Am 5. Mai haben sich Wilbur und Orville Wright mit ihrer Schwester
Katharina zunächst nach England begeben, wo ihnen der dortige
Luftschifferklub eine goldene Medaille in feierlicher Sitzung übergab
und die beiden Brüder zu Ehrenmitgliedern der Gesellschaft ernannte.
Alsdann reisten sie mit einem Schiff des Norddeutschen Lloyds nach New
York und wurden hier mit allen Ehren von den Mitgliedern des
amerikanischen Luftschifferklubs und einer zahlreichen Menschenmenge
mit grossem Jubel empfangen. Sie begaben sich von da in ihre
Heimatstadt. Als sie zur Mittagsstunde in Dayton ankamen, empfingen sie
unter Glockengeläut und Kanonendonner mehr als tausend Menschen. Man
brachte die beiden Brüder in einem Wagen nach Hause, der von vier
Schimmeln gezogen wurde; in diesem Wagen hatte auch ihr Vater mit zwei
Lieblingsenkelkindern Platz genommen. Ein ganzer Zug von Wagen
begleitete sie sodann in feierlichem Zuge nach Hause. Am Abend bewegten
sich in der kleinen Strasse, wo sich das Haus des alten Bischofs
befindet, weit über 10000 Menschen, alte Freunde, Nachbarn und
Mitbürger der Stadt, um sie zu begrüssen. Die Stadtverwaltung hatte
alle öffentlichen Gebäude dekoriert und beflaggt, und die drei
grösseren Plätze von Dayton herrlich illuminiert. Auch die Einwohner
waren in Beflaggung und Illumination nicht sparsam gewesen, so dass
Dayton ein prächtiges Bild gab, wie man es noch nie zuvor gesehen
hatte.

[Illustration: Schematische Ansicht Der Trageflächen Nach der
Verwindung]

Am 17. und 18. Juni hatte die Stadt eine grosse Feierlichkeit
veranstaltet, bei der drei goldene Medaillen den Brüdern überreicht
wurden: eine von der Nation, eine vom Staate Ohio und eine von der
Stadt Dayton. Doch die Mission der beiden Brüder war noch nicht
erfüllt; alsbald begaben sie sich nach Washington, wo Orville Wright
die Abnahmefahrten für die amerikanische Regierung begann. Nach
anfänglich kleinen Havarien, die bei neuen Apparaten fast immer
vorkommen, jedoch in zwei, drei Fahrten bald beseitigt sind, zeigte der
Flieger wieder, was er leisten konnte, und schon am 20. Juli blieb
Wright 80 Minuten in der Luft und legte dabei in der Stunde 45 Meilen
zurück. Damit waren die Bedingungen, welche die amerikanische Regierung
gestellt hatte, erfüllt und nunmehr konnte sich Orville nach Europa
begeben, um Berlin sein Können zu zeigen und Piloten auszubilden für
die deutsche Gesellschaft „Flugmaschine Wright“, die aus der
Motorluftschiff-Studiengesellschaft und der Luftfahrzeug-Gesellschaft
hervorgegangen ist, um Flieger nach der Bauart der Brüder Wright und
anderer Erfinder herzustellen. Damit dürften wir auch in Deutschland
bald so weit sein, dass der Flugsport allgemeine Verbreitung findet.



Anhang: Korrespondenz von A. Hildebrandt.


[Illustration: Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 21. April
1909]

A. Hildebrandt
Hauptmann a.D.
Berlin W. 30
Martin Luther-Straße 10.


Berlin W. 30, den 21. April 1909


Mr.
Bishop Wright, Esqu.


Dayton (Ohio).


Dear Sir,

    Relating to the acquaintance which to make of you I had the Honour
    at the end of October in 1907 during my visit at Dayton I beg to
    adress to you with a demand to day. I am going to write a book
    about your celebrated sons. I should be very thankful to you for
    willing send me some material. I should like to have any dates of
    the youth of your sons, of the first experiences and also of you
    and the lated Madame Wright; perhaps do you write me also of your
    feeling, having had during the bold experiences of your sons. If
    You could let me have portraits of you and the lated Madame Wright,
    of your children and your house at Dayton, I should very obliged to
    you. Please, will you have then the kindness, to get reproduce such
    pictures an my account and to send me the wished materiel as soon
    as possible, as I have to make haste, for being the book ready
    still before the visit of your sonns in Germany.
    Hoping, that you will accomplish my wishes and thanking you
    beforehand, I remain, Dear Sir,


Yours very most obedient
[Signature: Capt. A. Hildebrandt.]

[Illustration: Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 22. Mai 1909;
Seite 1 von 2.]

[Illustration: Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 22. Mai 1909;
Seite 2 von 2.]

A. Hildebrandt
Hauptmann a. D.
Berlin W. 30
Martin Luther-Straße 10.


Berlin W. 30. den 22. Mai 1909.


Bishop Milton Wright, Esquire,

Dayton (Ohio)


Dear Sir,

    With best thanks I confirm you the receipt of your kind letter of
    the 11th inst. Your family-history has interested me very much. I
    shall make use of them soon. But about something I am not clear.
    You write: “This brings us in line with general United States Grant
    and Grover-Cleveland.” I do not know, if you mean two persons, the
    same general Grant and general Grover from Cleveland? Also I thank
    you for your photograph. It is of moment to me, also to have still
    photographs of the late Madame Wright and her father, Mr. John
    Koerner, whom Germany the native has been of. I should like to get
    still other photographs of your children Wilbur and Orville,
    presenting them in young years and also of Miss Katherine and if
    you have still a photograph presenting your whole family joined. At
    last you would oblige me much for sending me pictures also of your
    present house, the flight-square near Dayton and the whole sight of
    Dayton. As being immodest of me, to pronounce so many wishes to
    you, I propose and beg you, to give order to anybody, to procure me
    all the wished photographs and pictures on my account. With great
    interest I am awaiting your further informations, promised me in
    your letter, about the youth of your sons and the matter, how these
    are gotten to the intention to make experiences with a flying
    mashine. [Hand-written note: I cannot found(?) Schleits in Saxony?]
    Thanking you once more for the material, which to send me, you have
    had the kindness, I remain, Dear Sir,


Yours most obedient
[Signature: Hildebrandt]

[Hand-written note: PS. The pictures are not ready, I have to have them
copied. M.W.]

[Illustration: Brief von Bischof Wright an A. Hildebrandt; 5. Juni 1909;
Seite 1 von 3]

[Illustration: Brief von Bischof Wright an A. Hildebrandt; 5. Juni 1909;
Seite 2 von 3]

[Illustration: Brief von Bischof Wright an A. Hildebrandt; 5. Juni 1909;
Seite 3 von 3]

Dayton, Ohio, June 5, 1909.

Capt. A. Hildebrant,
Berlin, Germany.

Dear Sir:

    You did not quite understand my letter. It was General Ulysses S.
    Grant that I wrote of, and President Grover Cleveland, of whom I
    spoke. They were two presidents of our country, decended like
    myself from John Porter of Windsor (16_37) from whom I am also
    descended. Hence they are distant cousins of ours, and of each
    other.
    My wife’s father was a regular German in his looks. He was born six
    miles west of Scleitz in Saxony, the southwest part, as you will
    see on any large map of Saxony. The family, of whom we never had
    any group picture, is as follows:
Milton Wright, born November 17, 1828, in Rush County, Indiana.
Susan Catharine (Koerner) Wright, born near Hillsboro, Virginia, April
30, 1831.
Reuchlin Wright, born in Grant County, Indiana, March 17, 1861.
Lorin Wright, born in Fayette County, Indiana, November 18, 1862.
    (These two older brothers are still living, are married, and have
    lovely children—Reuchlin three, Lorin four, Reuchlin’s oldest
    married).
Wilbur Wright, born, in Henry county, Indiana, April 16, 1867.
Otis Wright and Ida Wright (twins) born April 24, 1870, in Dayton,
Ohio.
    (Without sickness or pain, they died at 13 and 18 days of age).
Orville Wright, born August 19, in Dayton, Ohio, 1871.
Katharine Wright, born in Dayton, Ohio, August 19, 1874.
    They were all good children. And they are all of unimpeachable
    morals yet. Reuchlin is a deacon on the Congregational Church, in
    Tonganoxie, Kan. They are about equal in intellect, the others
    having had better education than the inventors. Katharine graduated
    in the Classical Course in Oberlin College, and teaches in Dayton
    High School. I am a traveling minister in the United Brethren in
    Christ, served several years as pastor, ten as presiding elder,
    eight as editor of our Church paper, and twenty-four as bishop. As
    bishop and editor I was elected by General Conference every four
    years, those offices being filled every four years by a ballot
    election. In filling my duties, I have visited all the states west
    of the River, and territories; and all states east of the
    Mississipi, except the six New England states and five others. In
    all I have traveled by rail, over two hundred thousand miles. My
    change of residence every two years must account for my three older
    children being born in three different counties in Indiana. Mrs.
    Wright, the sweetest spirit earth ever knew, died twenty years ago,
    in Dayton, July 4, 1889. From that on I raised the children, left
    to my care. All the children sprang to help their mother, but
    Wilbur cared for her, prolonged her life, and I gave him five
    hundred dollars for his incomparable care for her. [Hand-written
    note: He had no promise of reward.]
    Their first interest in the art of flying, they date back to about
    the year 1879, when I brought home to them a Heliocoptere, a toy
    which could fly. Later on they began to watch Lilienthal, and
    followed him to his death, in the art of gliding. Their first
    active work began in the year 1900, when as a vacation, they built
    a gliding machine on the coast of North Carolina, and each year in
    the fall of the year, spent a few weeks there till in 1903, they
    attached a gasoline motor to it and flew, December 17th, four short
    flights. They flew against the wind and made at the longest only
    about a half mile, counting the velocity of the wind. In actual
    measurment considerably less than a half mile. The place of flight
    was on the sandy plain near Kill Devil Mills, in Dare County, four
    miles from Kitty Hawk in Cerrituck County. The following two
    summers and falls, they experimented at Simson’s(?) Station (a mere
    stopping place, on the Dayton and Springfield traction railroad, a
    perfectly level meadow ground) where they made a few miles flight,
    but in 1905, September, they flew as much as twenty-four miles, at
    one flight. They flew no more for part of two years, but began
    negotiations for the sale of their invention. In 1908, they engaged
    to a Company in France, to sell their rights, and sold to the
    United states government a single machine at twenty-five thousand
    dollars, they in each case, to perform certain exploits with the
    machine. Time crowding on them to meet engagements, they separated
    in June 1908, Wilbur going to France, and Orville remaining to
    complete at Ft. Myer (near Washington) the United States contract.
    Of Wilbur’s scalding his arm in regulating his machine, and his
    successful trial, before his arm was well, all have read. But
    Orville having his machine ready at Ft. Myer, went far ahead of
    Wilbur, but an easily avoided defect in his machine, having under
    strain caused friction between the propeller of his machine and a
    wire, and—far worst of all broke the management of the _tail_ of
    his machine, a most important part—he was on a machine in the air
    over one hundred feet high, with his control of the machine
    rendered useless, and after sinking to about seventy-five feet, his
    machine descended vertically, to the death of Lieutenant Selfridge,
    two hours later, and a tremendous jolt to himself and the breaking
    of a thigh bone (left leg, one third way down toward the knee)
    which confined him in the hospital for several weeks, and from
    which he will entirely recover. But Wilbur learning of Orvilles
    disaster, and reproached as far behind him, rose to the situation,
    and in a few days, was ahead of anything Orville had done, to the
    great joy of his brother. The rest you know. Wilbur in France and
    Rome earned his conracts, and came home with Orville and their
    Sister Katharine, and they were hailed at the depot of his city,
    with the ringing of bells, the firing of cannon, and by over a
    thousand people, and the same at home, at the noon hour, and at
    night more than ten thousand people came out as old friends and
    neighbors to see them, the most splendid illumination of the
    street, and decoration of the buildings for three squares, being
    the order of the occasion. The city brought them on their arrival,
    home in a train of coaches, thier carriage being drawn with four
    white horses, in which rode with them their father and two favorite
    grandchildren, Leontine and Horace Wright.
    The boys were natural workmen in wood or metal. Their father’s
    family, their mother’s family (and the mother herself) were
    inventive and ingenius. The father at eighteen years invented a
    type-writer, having never heard. It is useless to develop
    inheritance in their invention.
    The city (Dayton) has decreed them two days (Jne 17 and 18), on
    which, besides innumerable ceremonies, they will be given three
    gold medals; One voted by the nation, one by the State, and another
    by the City.

Yours truly,
[Signature: Milton Wright]

[Illustration: Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 28. Juni
1909]

A. Hildebrandt
Hauptmann a.D.
Berlin W. 30
Martin-Luther-Straße 10.

Berlin W. 30, den 28. Huni 1909.

Bishop
Milton Wright, Esquire,

Dayton (Ohio).


Dear Sir,

For the two letters, you had the kindness to send me in last time, be
thanked very much. With great interess I am awaiting the pictures,
which you advised me of. I shall try now, to discover the native place
of Mr. John G. Koerner, the father of the late Madame Wright.
    Now still once more many thanks for the pains, you have had!

I am with great estime
ever Yours very truly
[Signature: A. Hildebrandt.]

[Illustration: Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 9. Juli
1909]

Berliner Lokal-Anzeiger
Redaktion.

Berlin SW 68,1
Zimmerstrasse 37-41.
9. Juli 1909


Dear Sir,


I wired to you: “Bishop Wright, Dayton. Book must be stamped. Please
send photographs.”
    The biography of your sons shall be published of possible as book
    already in 14 days. Therefore I should lik to recives instantly the
    photographs requested from you. If it were not possible to you to
    send me all photographs by retourn of mail, please send later the
    rest, for. I should use the other pictures for german papers.
    I thank you for your endeavaurs and hope, shortly to see in Berlin
    your souns and Mis Katherine.


With best regards
yours
[Signature: gez. Captain Hildebrandt]

[Illustration: Brief von A. Hildebrandt an Bischof Wright; 18. Juli
1909]

A. Hildebrandt
Hauptmann a.D.
Berlin W. 30
Martin-Luther-Straße 10.


Berlin W. 30, den 18. Juli 1909.


Bishop Milton Wright, Esquire,


Dayton (Ohio).


Dear Sir!

    With many thanks I confirm you the receipt of the two pictures and
    your letter of the 3rd inst., by which you have made me great
    pleasure. I shall make use of the pictures as soon as possible.
    Thanking you once more for your kindness and being always at your
    service, I remain, Dear Sir

ever Yours truly
[Signature: A. Hildebrandt.]





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Die Brüder Wright
 - Eine Studie ueber die Entwicklung der Flugmaschine von Lilienthal bis Wright" ***

Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.



Home