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Title: Waldmüller: Bilder und Erlebnisse
Author: Waldmüller, Ferdinand Georg
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Waldmüller: Bilder und Erlebnisse" ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

    Der vorliegende Text wurde anhand der 1916 erschienenen Buchausgabe
    so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische
    Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute
    nicht mehr gebräuchliche Schreibweisen sowie Schreibvarianten
    bleiben gegenüber dem Original unverändert, sofern der Sinn des
    Texts dadurch nicht beeinträchtigt wird.

    Besondere Schriftschnitte wurden mit Hilfe der folgenden
    Sonderzeichen gekennzeichnet:

        gespperrt:       ~Tilden~
        größere Schrift: _Unterstriche_

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                              Waldmüller

                         Bilder und Erlebnisse

                       Mit einer Einleitung von

                           Georg Jacob Wolf

                            Mit 24 Bildern

                            [Illustration]

                        Delphin-Verlag München



                Umschlag-Zeichnung von Emil Preetorius



[Illustration: Die Veilchenverkäuferin

Phot. J. Löwy, Wien]

[Illustration: Kränze windende Kinder

Phot. F. Bruckmann, München]



Ferdinand Georg Waldmüller


Wo ist das alte Wien? Das Wien Schuberts und seiner Freunde, das Wien
Raimunds und Stifters, das Wien Schwinds und Waldmüllers? Das alte,
große, goldene Wien, das expreß vom Himmel gefallen schien, um eine
Hochburg zu sein der Gemütlichkeit und Empfindungsinnigkeit, der
Lebensfreude und jener schönen Treue zum Alten in Brauch und Sitte, die
ein Beweis hoher völkischer Kultur ist?

Ach, es ist mit all seinen Holdseligkeiten unwiederbringlich dahin! Wie
Kuriositäten stehen seine Überbleibsel, darunter die Fiaker am Graben,
inmitten der Weltstadt, die ohne Physiognomie ist, deren „Wienertum“
sich aufgelöst hat in ein Chaos von Erscheinungen, die keine innere
Beziehung zu einander haben, die keine Einheit werden konnten und wohl
auch nie eine Einheit werden können. Das Völkergewirr Groß-Österreichs
spiegelt sich im Bilde Wiens, und der Tag wird kommen, wo der letzte
„ganz echte“, rassereine alte Wiener von dem schönen Höhenweg am
Kahlenberg, zwischen Grinzing und Heiligenstadt, wehmütig hinübersinnt
zu der Stadt, die nicht mehr die seinige ist...

Freunde Alt-Wiens flüchten von solchen unerfreulichen Aussichten hinweg
in die Kulturmagazine vergangener Zeit. Sie eilen ins Kunsthistorische
Hofmuseum, in die „Moderne Galerie“, ins Museum der Städtischen
Sammlungen, und sie stehen dort mit besonderer Andacht still vor
den Gemälden des teueren lebensfrohen Meisters unserer Großväter:
~Ferdinand Georg Waldmüller~.

Dieser Waldmüller besitzt die Altwiener „Nuance“ in ihrer
unzweideutigsten Erscheinung. Ist er doch selber ein echtes Wiener
Kind, herausgewachsen aus jener bürgerlichen Mittelschicht der
Bevölkerung, die die Lebenshaltung und den Charakter der Stadt zu
ihrer Zeit bestimmte. Und ist er doch gerade zur rechten Zeit zur Welt
gekommen, um die Umwandlung der Stadt aus der Kaiserresidenz in die
gemütliche und dabei so elegante Bürgerstadt des Herrn und der Madame
Biedermeier mitzuerleben.

Waldmüllers Vaterhaus stand in Wien am Tiefen Graben, es war das
Gasthaus „Zur Weintraube“, dessen Bewirtschaftung Waldmüllers
Vater betrieb. Der Geburtstag Ferdinand Georg Waldmüllers ist der
13. Januar 1793, ein bedeutungsvolles Datum, denn es verrät, daß
Waldmüller die welterschütternden Umwälzungen der napoleonischen Zeit,
die insonderheit Wien, das Volk und das Kaiserhaus Österreichs in
Mitleidenschaft zogen, im aufnahmefähigsten Jünglingsalter miterleben
mußte.

Waldmüllers Weg zur Kunst war kein ebener. Er mußte viele Hindernisse
überwinden, bis er sich ganz und sorglos seiner holden Göttin weihen
konnte. Er hat uns darüber und über die verlorenen Jahre seiner ersten
Ehe in einem kurzen Lebensabriß, den er einer seiner Flugschriften
mitgab, selbst berichtet; da diese Autobiographie im Folgenden zum
Abdruck gelangt, braucht hier von seinem Werdegang nichts erzählt zu
werden. Zudem steht die Geschichte seines Lebens in seinen Bildern
geschrieben. In denen erleben wir den Aufstieg mit, und so bedarf
es nur einiger Daten, die den wichtigsten Stationen von Waldmüllers
Laufbahn gelten.

[Illustration: Kirchgang im Frühling]

[Illustration: Bei Ischl]

[Illustration: Badende Frauen]

[Illustration: Aus den Praterauen]

Im Jahre 1822 öffneten sich ihm die Pforten der Akademie-Ausstellung.
Fünf Bilder von ihm standen aus und gefielen. 1826 reiste er zum
erstenmal nach dem Süden. In Rom fesselten ihn die alten Italiener
der Galerien: gewaltsam mußte er sich von ihnen losreißen -- noch
neunzehnmal kehrte er im Laufe seines Lebens zu ihnen zurück. Jedesmal
waren sie ihm von neuem ein Jungbrunnen, ein Bad künstlerischer
Erneuerung und Wiedergeburt. 1830 wurde er als Professor an die
Wiener Akademie berufen, im gleichen Jahr besuchte er zum erstenmal
Paris. In der Folge wurde er kaiserlicher akademischer Rat, Kustos
der Lambergschen Galerie, und in dem Maße wie es diese Ehren auf ihn
niederhagelte, gewannen seine Beziehungen an Bedeutung, hob sich seine
gesellschaftliche Stellung. Er aber blieb der echte alte Wiener. Ein
Wiener auch in der amoureusen Untermalung seines Charakters. Von den
Frauen kam er nicht los. Davon spricht sein Werk. Ach Gott, welch zarte
Holdchen hat er gemalt! Frühlingsgesichterl -- noch ganz naiv,
und doch lacht schon aus dem Augenwinkel, aus einem Fältchen des
kokett geschürzten, süßen Mäulchens das Weib! Und wieder andere, voll
Glut und Rasse, sinnbetörend, liebeheischend und liebeverheißend!
Die rassigste von allen, Anna Bayer, Tochter eines Buchdruckers,
ist seine zweite Gattin geworden. Als dies geschah, war Waldmüller
kein junger Mann mehr. Es trug sich nach dem Sturmjahre 1848 zu. Er
zählte 56 Jahre. Aber Selbstbildnisse bezeugen es, daß dieser Mann,
vor dem das Leben nur noch als Spätsommernachmittag lag, noch ein
lebenslustiger Kavalier gewesen sein muß, der selbst einer Anna Bayer
gar wohl gefallen konnte... Waldmüllers Ruhm stieg. Zumal im Ausland;
in London z. B. hatte er aufsehenerregende Erfolge. Er zeigte dort
einmal einunddreißig Gemälde; alle einunddreißig wurden verkauft;
keines kehrte in die Heimat zurück. Glücklicherweise, möchte man
sagen, denn in Wien zahlte man für einen „Waldmüller“ Spottpreise. Das
mochte seinen Grund nicht zuletzt darin haben, daß Waldmüller immer
Geld brauchte und seine Bilder sozusagen um jeden Preis verkaufte.
Denn auch darin ein echter Wiener, hatte er den Stich ins Großartige.
Und ins Leichtsinnige und Verschwenderische. Einmal veranstaltete er
eine Auktion, bei der etwa hundert Werke ausgeboten wurden. Einige
davon erzielten Preise bis zu dreihundert Gulden. Aber für andere
gab es tatsächlich nicht mehr als zehn Gulden. Und das fanden die
lieben guten Wiener ganz in der Ordnung. Darin erblickten sie beileibe
nichts, das ihren Meister kränken konnte. Das war nun einmal so. Man
gab zehn Gulden für eine Studie und hing sie voll Stolz und Vergnügen
an die Wand und rühmte sich des Besitzes. Ich glaube übrigens, auch
Waldmüller selbst nahm das nicht tragisch. Er produzierte ja leicht,
mehr als dreihundert durchgearbeitete Werke seiner Hand sind bekannt,
und enorm ist die Zahl seiner Studien, Skizzen, Zeichnungen. Ärgerte er
sich aber einmal recht aus Herzensgrund über seine Landsleute und sein
Wien, so schrieb er eine gallige Epistel, oder reiste ein bißchen nach
Sizilien. Und zurückgekehrt malte er ein desto schöneres Bild. Das ist
es, was -- trotz äußerer Hemmungen -- Waldmüllers dauernden Aufstieg
darstellt. Er ist einer der ganz Seltenen, deren Kunst im Alter nicht
zurückgeht, sondern immer reifer, feiner, differenzierter wird. Im
Jahre 1857 wurde Waldmüller mit halbem Gehalt (vierhundert Gulden!)
pensioniert, weil er sich mit seinen Flugschriften wider die Auswüchse
des akademischen Kunstunterrichts mißliebig gemacht hatte. In Briefen
und Eingaben kämpfte er gegen diese Unbill, lange vergeblich und
aussichtslos, so daß er sich zuletzt sogar darauf beschränkte, nur mehr
um die ihm vorenthaltenen vierhundert Gulden zu ringen! Man schrieb
schon 1864, als man Waldmüller endlich Gehör gab und ihn wieder in
seine Rechte einsetzte: es war höchste Zeit, denn er hatte nicht mehr
lange zu leben. Am 23. August 1665 starb er ganz unerwartet. Er stand
an der Staffelei, auf der ein Gemälde mit dem bedeutungsvollen Titel
„Wiedererstehung zu neuem Leben“ seiner Vollendung entgegenharrte. Da
streckte ihn ein Schlaganfall nieder: wie eine blitzgetroffene Eiche
brach er zusammen...

Was Waldmüller malte? Alles. Er gleicht darin Wilhelm Leibl, der einmal
seiner Mutter schrieb, man müsse es in sich haben und ein bestimmtes
Verhältnis zur Natur (womit er die Umwelt überhaupt meinte), dann sei
es gleich, was man male: Landschaften, Figuren oder Stilleben, es
müsse einem alles gelingen. So auch Waldmüller. In seinen Porträten
ist bezaubernde Charakteristik. Wenn er seine Frau Anna malt, so
spritzt Sinnenfreude aus jedem Pinselstrich. Wenn er die alte Frau
Bayer ins Porträt setzt, so wird es die Verkörperung der tüchtigen
Wiener Bürgersfrau. Das Porträt des Fürsten Rasumoffski ist ein
psychologischer Essai über Adel und Diplomatie. Kaiser Franz I. wird
unter seinem Pinsel zum Prototyp des Habsburgers. Adalbert Stifter
aber ist -- wirklich Adalbert Stifter. Und die Familienporträts des
Persenbeuger Schiffmeisters Mathias Feldmüller, des „Donau-Admirals“,
und der Seinigen, namentlich seiner schönen und bizarren Tochter
Rosalia, zeigen uns Charaktere auf, die in einem Roman von Bartsch
vorzügliche Figur machen müßten.

[Illustration: Familienbild

Phot. F. Bruckmann, A.-G., München]

[Illustration: Der „Donau-Admiral“

Schiffmeister Feldmüller von Persenbeug

Phot. F. Bruckmann, A.-G., München]

Wie er hier die Psyche allemal mit verblüffender Sicherheit packte,
so hat er bei seinen Genrebildern, die indessen keine „Genrebilder“
im anekdotischen Sinn, keine gemalten Moralitäten sind, jedesmal die
richtige Situation zu erfassen und zu bannen gewußt.

Das Höchste aber hat er als Landschafter, als Freilichtmaler geleistet.
Wenn schon ein Vergleich mit einer ähnlichen künstlerischen Erscheinung
sein muß, so möge man Waldmüller den „österreichischen Constable“
nennen. Wie Constable steht Waldmüller innerhalb seiner nationalen
Schule als Landschafter an der Spitze einer Entwicklungsreihe. Wie
Constable, jedoch unabhängig von ihm, predigt er das Evangelium der
Luftmalerei. Das heißt: Landschaft und Hintergrund sind bei ihm nicht
mehr Fläche und Gobelin, nicht mehr buntstaffierte Teppiche, sondern
Selbstzweck; eine ganz merkwürdige Plastik ist in ihnen.

Gerne malte er den Frühling und den jungen Sommer. Das zarte, fast
noch gelbliche Grün hatte es ihm angetan. Schüchtern belaubte Äste
und Zweige heben sich wie Silhouetten von dem wahrhaft himmlisch
blauen Himmel ab. Wie sind seine Praterlandschaften voll seliger
Frühlingspracht! Man glaubt irgendwo eine Lerche tirillieren zu hören.
Ein Übermaß brünstigen Naturgefühls ist über diese Landschaften
ausgeschüttet. So kann diese Praterauen nur empfunden und gemalt haben,
wer sie an einem Maitag mit einem blitzsauberen, lieben, braunäugigen
Wienermädel am Arm durchwandert hat. Aber auch nachempfinden kann
das dem teuerwerten Meister nur einer, der gleich ihm, im Prater
einmal unter Palmen gewandelt. Eine rechtschaffene Frühlingsstaffage
belebt seine Frühlingsbilder: Kinder oder junge Liebesleut! In aller
Augen blitzt Heiterkeit, sie sind entfernt von Sorge und freuen sich
am wärmenden Sonnenlicht. Das ist die frohe, junge Zeit, weiter
hinauszuschweifen in die Umgebung Wiens, in den Wienerwald und zum
Kahlenberg, dorthin, wo aus dem smaragdenen Moos die ersten Veilchen
brechen und Schneeglöckchen sprießen, mit lautem Jubel begrüßt von den
jugendlichen Pflückerinnen. Und wo -- nun es schon völlig Frühling
geworden -- die Maiglöckchen ihren rassigen Blütenduft verströmen. Wie
ein frisches Naturparfüm aus Frühlingsblumen weht einem die Stimmung
entgegen aus Waldmüllers Frühlingsbildern, die in seinem reichen Werk
die schönsten sind. Diese Frühlingsstimmung wird zuweilen auch lebendig
auf seinen Figurenbildern, z. B. wenn er das prachtvoll gruppierte
Familienbild des Herrn von Eltz malt und dabei die ganze Schar der ihm
lieben Menschen in die ihm kaum minder liebe Salzkammergut-Landschaft
stellt. Wie vertraut sind ihm diese Herrlichkeiten: St. Wolfgang
mit seinen malerischen Straßen und Winkeln, von dem ferngrüßenden
Schafberg überragt, Ischl und sein See und die Hütteneckalm, zu der
wie ein Schwarm bunter Schmetterlinge eine Schar draller und ranker
Mädel emporgestiegen ist, um in seliger Rast hinabzusehen auf das
weite Frühlingsland. Der majestätische Dachstein, der Leopoldsberg
und Klosterneuburg und all die Herrlichkeiten, die sie zur guten
Frühlingszeit darbieten, mitsamt den Menschen, lustigen, bunten
Weiblein zumal, das alles ruhte -- wie Goethe seinen Werther sagen
läßt -- „in seiner Seele wie die Gestalt einer Geliebten.“ Werther!
-- das ists: unwillkürlich greift man, da man den Zusammenklang
verwandter Naturen mit „innerem Ohr“ vernahm, zu Goethes brünstigem
Bekenntnisbuch, schlägt auf und liest dies: „Eine wunderbare Heiterkeit
hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süßen Frühlingsmorgen,
die ich mit ganzem Herzen genieße. Ich bin allein und freue mich meines
Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist, wie
die meine....“ und was weiter geschrieben steht, heißen Naturgefühls
voll, unter dem fingierten Tagebucheintrag vom 10. Mai. Aus der
gleichen Liebe heraus, aus der Werther tatenlos phantasiert, schafft
Waldmüller. Die Liebe, weitausgreifend, allumschlingend, ist in beiden.
Bei Waldmüller die höchste Spezies dieser Liebe: die wirkende, über
sich selber hinauswachsende, in Werken sich bekundende. Das ist die
Bedeutung von Waldmüllers Werk: weil es aus einer heißen Liebe heraus
entstanden ist, darum ist es heute noch fähig, heiße Liebe zu erwecken.

    Georg Jacob Wolf.

[Illustration: Rast im Walde

Phot. J. Löwy, Wien]

[Illustration: Jugendliches Selbstbildnis Waldmüllers]



Aus Waldmüllers Schriften und Briefen



Waldmüller erzählt von seinem künstlerischen Werdegang und seinen
erzieherischen Plänen


[Illustration: Heimkehr der Schnitter

Phot. J. Löwy, Wien]

[Illustration: Hügellandschaft

Phot. J. Löwy, Wien]

Ich erblickte das Licht der Welt in Wien im Jahre 1793. Mein Vater
war früher Militär und zuletzt Bestandwirt. Meine Erziehung wurde den
damaligen Zeiten und dieser bürgerlichen Stellung gemäß geleitet.
Meiner Mutter Lieblingswunsch ging dahin, daß ich mich dem geistlichen
Stande widmen sollte, mit welchem Wunsche indessen meine eigene Neigung
durchaus nicht übereinstimmte. Als ich noch Knabe war, äußerte sich
in mir schon die Liebe zur Kunst, und obschon verworren und unklar,
wie die Begriffe sich in so zartem Alter gestalten, schwebte mir als
Ideal meiner Bestimmung eine Wirksamkeit in diesen Kreisen in den
glänzendsten Farbenspielen einer jugendlichen Einbildungskraft vor. In
meinem elterlichen Hause ward diese Richtung nicht beachtet, doch wußte
ich jede freie Stunde während des Studiums der drei Grammatikalklassen
zum Zeichnen zu benützen. Donnerstag und Sonntag, als den
Schulferientagen, nahm ich in einer Privat-Zeichenschule Unterricht im
Blumenzeichnen. Binnen kurzem ward ich daselbst durch meinen rastlosen
Fleiß, durch den Eifer, der mich beseelte, als der ausgezeichnetste
unter den Schülern bemerkbar. Der Lehrer selbst, der sich an meinen
raschen Fortschritten erfreute und deshalb besonderen Anteil an mir
nahm, gab mir den Rat, mich im Figurenzeichnen zu versuchen, wozu
ich eine besondere Neigung und ungewöhnliches Geschick zeigte. Der
Rat war allerdings gut gemeint, aber in jener Privat-Zeichenschule
konnte niemand in dieser Beziehung entsprechenden Unterricht erteilen.
Der Funke, der in meinem Innern glühte, war durch den guten Lehrer
neuerdings angefacht worden. Immer weniger vermochte ich dem Drange zu
widerstehen, der Kunst mein Dasein zu weihen. Ich beschloß, die k. k.
Akademie der bildenden Künste zu besuchen und dort jenen Unterricht
zu empfangen, durch welchen ich an das Ziel zu gelangen hoffte.
Unter solchen Umständen mußte ich natürlich meine Mutter in Kenntnis
von meinem Vorhaben und der Bestimmung, welche ich mir zu geben
entschlossen war, setzen. Es war mir indessen durchaus unmöglich,
ihre Zustimmung zur Wahl eines, ihren Wünschen so entgegengesetzten
Standes zu erhalten. Als sie sah, daß alle ihre Gegenvorstellungen
vergebens waren, griff sie sogar zu dem äußersten Mittel, mir mit
unerbittlicher Strenge alle Subsistenzmittel zu entziehen, um mich
hierdurch zu nötigen, den betretenen Weg zu verlassen. -- Vergebens!
Wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt, so ward auch hier durch die
Hindernisse, welche meiner Neigung entgegentraten, diese Neigung nur
heftiger entflammt. Entschlossen, mit jeder Entbehrung, mit jedem
Opfer auf dem Pfade der Kunst vorwärts zu schreiten, vertauschte
ich das Gymnasium mit der Akademie. Es fand sich auch bald ein,
freilich höchst bedürftiger, Erwerb für mich. Einer meiner Mitschüler
beschäftigte sich mit Kolorieren der Bonbons für Zuckerbäcker und
ließ mich an dieser Arbeit Teil nehmen. Da wir indessen beide am Tage
die Akademie frequentierten und sehr fleißig waren, so konnten wir
diesem spärlichen Broterwerb nur die Nacht widmen. Wir schliefen und
arbeiteten abwechselnd die Nacht hindurch. Schon im zweiten und dritten
Jahre hatte ich an der Akademie solche Fortschritte gemacht, daß mir
erste Preise im Zeichnen des Kopfes und der Figur zuerkannt wurden. Ich
begann sodann mich im Miniaturmalen und im Porträt zu versuchen. Auch
mit diesen Leistungen gelang es mir einige Aufmerksamkeit zu erregen
und Aufmunterung und Freunde zu gewinnen. Mehrere derselben forderten
mich auf, zu dem damals begonnenen Landtage nach Preßburg zu gehen,
wo es mir nicht leicht an Beschäftigung fehlen würde. Wirklich war
dies auch der Fall. Ich malte mehrere Miniaturporträts, welche Beifall
fanden, ward mit dem Ban von Kroatien, Grafen Gyulai, bekannt und
erhielt von demselben den Antrag, als Zeichenmeister seiner Kinder bei
ihm einzutreten. Mit der innigsten Freude ergriff ich diesen Antrag
und folgte dem Grafen nach beendetem Landtage zu dieser meiner neuen
Bestimmung nach Agram. Ich verlebte daselbst drei Jahre und in diese
Zeit fallen auch meine ersten Versuche in der Ölmalerei. Natürlich
konnten dieselben nicht anders als höchst mangelhaft sein, da ich
ohne die geringste Anleitung, ohne die mindeste Kenntnis von den
Geheimnissen der Palette zu diesen Versuchen schritt. Ja nicht einmal
die nötigsten Requisiten konnte ich mir anschaffen, da zu jener Zeit in
Agram nichts dergleichen zu bekommen war. Obschon ich also jahrelang
akademischer Schüler gewesen war, obschon mehr als sechs Jahre
verstrichen waren, seit ich mit dem glühendsten Eifer mich der Kunst
gewidmet hatte, so hatte ich es doch nicht weiter gebracht, als daß
ich jetzt ratlos, als vollkommener Anfänger in der wichtigsten Technik
die ersten Versuche wagen mußte. In Agram ward ich auch veranlaßt,
Dekorationsmalerei zu betreiben. Der dortige Theaterunternehmer hatte
sich deshalb an mich wenden müssen, weil kein zweiter Maler damals in
Agram zu finden war. Zu jener Zeit vermählte ich mich auch mit einer
Sängerin, welche ich in Agram kennen gelernt hatte; eine Verbindung,
welche, da sie durchaus nicht harmonisch war, auch nicht dauernd
beglückend werden konnte und deren ich auch nur deshalb hier erwähne,
weil sie insoferne in Verbindung mit meiner Kunststellung steht, daß
sie nicht ohne störende Einwirkung auf dieselbe blieb, indem sie mich
nötigte, meinem sehnsüchtigen Wunsche nach Wien zu gehen und mich
dort ausschließlich den Fortschritten in der Kunst zu widmen, zu
entsagen und mich fortwährend in Provinzstädten, wie Prag, Brünn usw.
herumzutreiben. Auf diesen Kreuz- und Querzügen beschäftigte ich mich
wohl mit Dekorationsmalerei, aber es war nicht daran zu denken, an eine
höhere Ausbildung Hand zu legen, deren Bedürfnis ich je länger, je mehr
fühlte. Da endlich meine Gattin ein Engagement nach Wien erhielt, so
wurde mir denn auch das ersehnte Glück zu Teil, die Residenz, meine
teure Vaterstadt, wieder zu betreten. An den Aufenthalt in derselben
knüpften sich meine schönsten Hoffnungen. Mächtig regte sich in mir
der Trieb zu künstlerischer Entwicklung, ein dunkles Sehnen und Ahnen
schwellte meine Brust, ich wollte das Bessere, ich strebte nach dem
Höheren, aber noch war meinem Auge die Binde nicht entnommen, noch
wußte ich nicht, auf welchem Wege das Ziel zu erreichen sei, noch war
mir die höhere Weihe der Kunst das verschleierte Bild von Sais. Ich
glaubte das Heil zu finden, wenn ich in der kaiserlichen Galerie zu
kopieren begänne. Wie es bisher noch bei allen Kunstzweigen gegangen
war, in denen ich mich versucht hatte, so gelang es mir, auch mit
diesen Kopien Beifall zu finden. Ein Privatmann mit nicht ungeübtem
Blick glaubte in diesen Bestrebungen einen Geist zu erkennen,
welcher der Aufmunterung nicht unwürdig sei, und gab mir Aufträge zu
ferneren Arbeiten dieser Art. Ich kopierte mehrere der besten Werke
sowohl der kaiserlichen Galerie, als anderer Gemäldesammlungen,
sowie einige aus der Dresdner Galerie. Auf diese Weise beschäftigte
ich mich abermals fünf Jahre, dann hörten die Aufträge auf und ich
stand wieder auf dem alten Punkte. Allerdings durfte ich mir selbst
gestehen, ich sei ein ziemlich gewandter Techniker geworden, aber der
Geist, der schöpferische Geist, der eigentlich das Kunstwerk zu einem
solchen stempelt, hatte mir noch nicht gelächelt. Ich fühlte seine
Mahnung, aber es fehlte die Kraft des freien Flügelschlages, mich
emporzuschwingen. Was ich bis jetzt geübt -- ich konnte mir es nicht
verhehlen -- war nur ein Versuch des Ikarus gewesen. Die wächsernen
Flügel zerschmolzen vor dem Strahle der Sonne.

[Illustration: Am St. Johannis-Abend

Phot. L. Löwy, Wien]

[Illustration: Hochzeit auf dem Lande

Phot. J. Löwy, Wien]

Ich hatte mich nun wieder dem Porträt zugewendet, allein befangen
in der damals herrschenden Manier, umschlungen von den Fesseln
altherkömmlicher, auf meinem Bildungswege eingesogener Vorurteile,
schwangen sich meine Leistungen durchaus nicht über das Gewöhnliche
empor. Ich fühlte den Druck dieser Fesseln, aber ich fand die Kraft
nicht, sie abzuwerfen. Ich hatte mich nie getraut, bei meinem Kopieren
älterer Meisterwerke die Hintergründe selbst zu malen. Da ich dieses
Fach nicht auf akademischem Wege studiert hatte, so hielt ich es für
einen Frevel, Hand daran zu legen. Ich ließ also diese Hintergründe
durch einen meiner Freunde, einen Landschaftsmaler, ausführen. Dieser
gestaltete sie natürlich auf seine Manier, und so kam es, daß sie
weder mit den Figuren, noch überhaupt mit dem Geiste des Originals
in künstlerischem Einklange standen, -- ein Mißstand, der natürlich
höchst störend vortreten mußte. Ich erkannte dies selbst, und durch
diese Erkenntnis angeregt, ging ich daran, Studien nach der Natur
zu machen, welche, da ich in diesem Fache durch Kopieren noch nicht
irre geleitet und verdorben war, sehr gut gelangen. Jetzt war der
Moment erschienen, in welchem der erste Strahl jenes Lichtes vor mir
aufdämmerte, in dessen Glanz ich -- leider erst so spät -- die Wahrheit
erkennen lernen sollte. Durch einen solchen Zufall mußte ich die Bahn
der Erkenntnis betreten. Infolge der eben erwähnten Arbeiten und des
so überraschenden Gelingens derselben, ward ich zuerst und zufällig
auf die Notwendigkeit und den Nutzen der Naturstudien aufmerksam
gemacht. -- Naturstudien! -- Ein Begriff, welcher mir bis dahin völlig
fremd geblieben war! Bald erfolgte eine zweite Anregung dieser Art,
und zwar eine entscheidende. Herr Hauptmann von Stierle-Holzmeister
beauftragte mich, das Porträt seiner Mutter zu malen. Aber -- so
sprach er zu mir -- malen Sie mir sie genau, so wie sie ist. Diesem
Auftrage gemäß versuchte ich es nun, bei diesem Porträt die Natur mit
der größten Treue wieder zu geben -- und es gelang! Jetzt war auch mit
einem Male die Binde vor meinem Auge gefallen. Der einzig rechte Weg,
der ewig unerschöpfliche Born aller Kunst: Anschauung, Auffassung und
Verständnis der Natur hatte sich mir aufgetan; was so lang als Ahnung
in meiner Seele erklang, war zum Bewußtsein erwacht, und obschon ich
gerade nach dieser Erkenntnis mir um so weniger verhehlen konnte, wie
weit ich bisher vom rechten Weg abgeirrt war, so stand mein Vorsatz
doch fest, ihn von nun an nie mehr zu verlassen und mit aller mir zu
Gebote stehenden Kraft zu streben, das Versäumte nachzuholen. Ich
hatte eine doppelte Aufgabe zu lösen, eine positive und eine negative;
die eine war, Neues zu erlernen, die andere, Erlerntes zu vergessen.
Bekanntlich ist das letztere weit schwieriger als das erstere, und
doch war es unerläßliche Bedingung, mich von der Imitation und Manier
loszusagen, in welchen ich früher das Wesen der Kunst begründet
glaubte. Im vorgerückten Mannesalter geschieht das Losreißen von
solange genährten Vorurteilen nicht ohne die größten Anstrengungen.
Ich überwachte mich indes auf das strengste und strebte rastlos, mich
immer mehr auf dem Wege des Studiums der Natur zu vervollkommnen. Auch
war ich fleißig daran, durch das Studium kunstliterarischer Werke
meine Erkenntnis zu erheben und zu klären. Das meisterhafte Buch des
trefflichen, leider uns nun schon durch den Tod entrissenen Kanonikus
Speth „Die Kunst in Italien“ gab mir die lebhafteste Anregung, dieses
Land auch selbst zu bereisen und seine Kunstschätze zu studieren.
Ich tat es, wiederholte diese Reisen mehrere Male und sie waren von
großem, wichtigen Einfluß auf meine künstlerische Wirksamkeit. Das
Anschauen der zahllosen in dem schönen Italien gehäuften Werke der
größten Meister erschloß meinem Sinne die ganze Größe, Herrlichkeit
und Bedeutung der Kunst. Im regsten Kampfe meines Innern fühlte ich
mich bei dieser Erkenntnis entmutigt und begeistert zu gleicher Zeit.
Entmutigt, weil ich eben im Anschauen solcher Werke die gänzliche
Mangelhaftigkeit alles bisher von mir Geleisteten erkannte, und es
mir sehr problematisch erscheinen mußte, ob ich in einem Alter von 35
Jahren noch hoffen durfte, einen Standpunkt zu erreichen, wo ich den
Anforderungen, wie ich sie im Sinne der jetzigen Entwicklung meiner
Ansichten und Begriffe an künstlerische Leistungen stellen mußte,
entsprechen könne. Begeistert hingegen fühlte ich mich eben zu dem
Vorsatz, mit aller Kraft nach dem Höchsten zu ringen und nur der
Wahrheit und Natur zu huldigen, wie jene großen Meister taten, deren
unsterbliche Werke vor meinen Blicken glänzten. So war mir endlich
die Wahrheit klar geworden. Ein ferneres Irren war unmöglich. Alle
meine Studien und Bestrebungen geschahen in diesem Geiste, in dieser
Richtung. Im Jahre 1830 besuchte ich Paris, um die Arbeiten der neuen
französischen Schule zu studieren, deren treffliche Leistungen ein
neuer Sporn für mich waren, in dem seit Jahren schon von mir versuchten
Genrefach tätig zu bleiben. In diesem Jahre erhielt ich auch die
Anstellung als Professor an der k. k. Akademie der bildenden Künste
in Wien, dann als erster Kustos der dieser Akademie eigentümlich
angehörigen, weiland gräflich Lambergschen Gemäldesammlung, endlich als
akademischer Rat. Jene Zeit, welche die Ausübung der Berufsgeschäfte,
welche mit dieser meiner Stellung verbunden waren, mir übrig ließ,
benutzte ich rastlos zu steter Ausbildung, zu emsigem Fortschritt
auf der betretenen Bahn. Ich wiederholte, um meine Erfahrungen zu
vermehren, die Reisen nach Italien und dehnte sie auch nach Sizilien
aus, wo ich ein paar Jahre hintereinander meine Ferienzeit in eifrigen
Studien verlebte. Ein eigener, mein Nachdenken seit Jahren auf das
lebhafteste beschäftigender Gegenstand war der Kunstunterricht. Der
hier von mir geschilderte Gang meines eigenen Lebens bot mir nur
allzureichen Stoff zu diesem Nachdenken. Ich hatte es an mir selbst
erfahren müssen, an welchen Gebrechen die bisherige Lehrmethode
kränkle, welch ein tief gefühltes Bedürfnis es sei, zu Reformen in
dieser Beziehung zu schreiten, und ich glaubte überzeugt sein zu
dürfen, auf dem Wege, auf welchem ich zur Erkenntnis der Wahrheit
gelangt war, die Fingerzeige gefunden zu haben, wie diese Reformen
auf das zweckmäßigste und fruchtbringendste zu bewerkstelligen wären.
Nach mannigfachen Studien, Prüfungen und Erwägungen hatte ich mir eine
Theorie über eine neue Lehrmethode gebildet, welche meiner Ansicht nach
alles in sich vereint, was diesem Bedürfnis entspricht. Es kam nur
darauf an, diese Theorie in der praktischen Ausführung zu bewähren.
Die Resultate übertrafen selbst meine kühnsten Erwartungen. Fräulein
Rosalia Amon war die erste von mir nach dieser Theorie unterrichtete
Schülerin; ihre Arbeiten erregten in den Ausstellungen allgemeine
Aufmerksamkeit. Auch bei den folgenden Schülern, welche ich nach dieser
Methode unterrichtete, bewährte sich dieselbe in einem Maße, welches
wahrhaft staunenerregend genannt werden darf. Ein vergleichender Blick
auf die Vergangenheit meiner eigenen Laufbahn mit der Gegenwart und
Zukunft jener nach dieser Lehrmethode unterrichteten Schüler mußte
meine Überzeugungen unerschütterlich machen. Die öffentliche Meinung
und das Urteil achtbarer und unparteiischer Kunstgenossen legt auf
dem Standpunkte, zu welchem ich gelangte, meinen künstlerischen
Leistungen einiges Verdienst bei. Von welcher Art dieses Verdienst
immer sein mag, ich erwarb es nur infolge der Erkenntnis, daß die
Natur die einzige Quelle und Summe unseres Studiums sein müsse, daß
in ihr allein jene ewige Wahrheit und Schönheit zu finden sei, deren
Ausdruck in jedem Zweige der bildenden Kunst das höchste Ziel des
Künstlers sein müsse. Diese Erkenntnis in dem Schüler zu wecken, ihn
zu der Befähigung, dieselbe kunstgemäß zu benützen, auf dem kürzesten,
einfachsten, durch keinerlei Zwischenmittel beengten Wege zu leiten,
dies allein kann das Ziel des Unterrichts sein. Daß die bisher in Übung
gewesene Methode diesen Prinzipien nicht entspricht, dürfte wohl kaum
geleugnet werden. Einen Beweis dafür (und es dürfte leicht werden,
hundert ähnliche aufzufinden) glaube ich eben in der Darlegung meiner
eigenen Laufbahn gegeben zu haben. Wie spät gelangte ich zur Erkenntnis
der Wahrheit, wie lange, nachdem die Zeit der Jugend, der Kraftperiode
des Schaffens und Bildens, in einer langen Reihe von Irrtümern,
fruchtlosen Versuchen und verwerflichen Bestrebungen verstrichen war,
und selbst da mußte nur ein Zufall mich die Wahrheit erkennen lassen!
Wie manches Talent, wie viel schöner Beruf dürfte nicht vielleicht
ungekannt und ungewürdigt untergehen, vergebens auf den Zufall harrend,
der das Rechte zeigt? Betrachte ich dagegen die künstlerische,
freudige, kräftige Entwicklung jener jungen Leute, welche auf dem
Wege meiner Lehrmethode den Elementar-Unterricht empfingen, sehe ich,
wie sie schon nach wenigen Monaten auf einer Stufe der Erkenntnis und
der technischen Befähigung stehen, auf welche ich und so viele meiner
Kunst- und Studiengenossen erst nach jahrelangem Irren in dunklen
Labyrinthen gelangten, dann fühle ich in Erwägung dieses Kontrastes,
es sei mir eine heilige Pflicht, in dieser Richtung den Weg zu bahnen,
den Strahl des Lichtes zu verbreiten, unbekümmert, ob auch manches Auge
dadurch geblendet werden möge.

    (Aus der Vorrede zur 2. Aufl. von Waldmüllers Broschüre „Das
    Bedürfnis eines zweckmäßigen Unterrichts in der Malerei und plast.
    Kunst. 1847“.)

[Illustration: Die glücklichen Nachbarn

Phot. F. Bruckmann, A.-G., München]

[Illustration: Mutterglück

Phot. J. Löwy, Wien]



Waldmüller an die k. k. Steuerbehörde. (1855.)


    Hochlöbliche k. k. Steuer-Administration!

Ich habe zwar am 13. März d. Js. mich zu Entrichtung einer
Erwerbssteuer von 5 fl. C.-M. und in Raten zahlbar bereit erklärt. Ich
hatte damals noch Aussichten, einige meiner in das Ausland versendeten
Gemälde verkauft zu sehen, allein diese Hoffnung ist leider vereitelt
worden. Zwar haben meine Bilder in Erfurt, Hannover, Dresden und Pest
die vollste Anerkennung als gute Kunstleistungen gefunden, allein man
hat dennoch den Ankauf abgelehnt, und zwar aus dem Grunde, weil man
es vorzog, selbst schwächere Werke von einheimischen Künstlern zu
aquirieren. So unangenehm nun diese vereitelte Hoffnung mich berührt,
so muß ich doch gestehen, daß ich eine solche patriotische Rücksicht
nur als gerecht und billig anerkennen muß. Es wäre wohl zu wünschen,
daß wir österreichischen Künstler uns einer gleichen aufmunternden
Berücksichtigung im Vaterlande erfreuen könnten, und ein gleichmäßiges
Verfahren wie dort gegen fremdländische Kunst einträte.

Ich sehe mich daher infolge dieser vereitelten Hoffnung außer Stand
gesetzt, die oben erwähnte Steuer zu entrichten.

Ich erlaube mir indessen zu bemerken, daß der vaterländischen Kunst
ein schöner Hoffnungsstrahl durch eine neuerliche Verfügung Sr. k. k.
apost. Majestät leuchtend geworden ist. Der Monarch hat Allergnädigst
für den Dombau in Speyer die namhafte Summe von 50000 fl. C.-M. zu
spenden geruht. Dieser Beweis der Geneigtheit Seiner Majestät, die
Kunst zu unterstützen, ist wohl geeignet, in uns die Hoffnung zu
wecken, daß auch die vaterländische Kunst sich einer gleich huldvollen
Berücksichtigung zu erfreuen haben werde. Sie bedarf deren nur allzu
sehr, da es gewiß ist, daß sie nur in dem Sonnenscheine solcher Huld
zur Blüte und Reife und zur Ehre des Vaterlandes selbst herangedeihen
könne.

[Illustration: Die ersten Schritte

Phot. J. Löwy, Wien]

[Illustration: In der Wiege

Phot. J. Löwy, Wien]

Sollten sich diese schönen Hoffnungen verwirklichen und der
vaterländischen Kunst Ermunterung durch Aufträge von Kunstwerken zu
monumentaler Bestimmung in Kirchen oder öffentlichen Gebäuden oder zum
Privatbesitze Allerhöchster Personen oder Behörden zu Teil werden,
so bin ich gern bereit, als Patriot meinem Wunsch zu entsprechen,
von meinem Erwerbe zu den Staatskosten beizutragen und zwar in der
Weise, daß ich mich verpflichte und eidlich gelobe, von dem Ertrage
aller durch die Regierung oder hohe Behörden bei mir bestellten und
angekauften Werke ein Prozent abzulassen; da ich mich, ungeachtet
ich bereits das 62. Lebensjahr erreicht habe, noch in ungeschwächter
geistiger und körperlicher Rüstigkeit fühle, noch sehr produktiv
bin, und eine solche Anerkennung für vaterländische Kunst meine
Begeisterung, Neues und Würdiges zu schaffen, zu höchster Potenz
steigern würde, so dürfte in dem angegebenen Falle meine Steuerabgabe
sich vielleicht jährlich auf 40-60 fl. C.-M. erheben können. Unter den
gegenwärtigen Verhältnissen aber, wo eben die vaterländische Kunst
fast ganz ignoriert wird, sehe natürlich auch ich mich trotz meiner
fortgesetzten Tätigkeit in meinem künstlerischen Erwerbe auf das
äußerste beschränkt. Ich schäme mich nicht, dies offen zu gestehen,
denn diese Verhältnisse wirken bedauerlich nicht auf mich allein,
und ich habe daher ihr Bekanntgeben nicht zu scheuen. So besitze ich
gegenwärtig als Resultat eines unermüdlichen aber unbelohnten Fleißes
34 seit mehreren Jahren von mir vollendete Gemälde, welche ich weder an
Private, noch an den Kunstverein verkaufen konnte. Der Gehalt in meiner
Anstellung als Custos der akademischen Galerie, 800 fl., ist sehr
gering.

Ich habe nie um eine Erhöhung desselben nachgesucht und es stets mit
der Würde eines wahren Künstlers unvereinbar gehalten, in dieser
Beziehung mich um Protektion zu bewerben, und so geschah es denn
auch, daß ich bei der Reorganisierung der Akademie, wo die Stellung
vieler meiner Kollegen, welche sich weder um den Unterricht, noch
um die vaterländische Kunst überhaupt so verdient gemacht haben,
wie dies -- ich darf es ohne Anmaßung und Unbescheidenheit sagen --
bei mir der Fall gewesen, so berücksichtigt wurde, daß sie Gehalte
von 2000 bis 3000 fl. beziehen, völlig ignoriert blieb, so daß die
Akademie-Diener jetzt mit der Hälfte jenes Gehaltes (400 fl.) bedacht
sind, den ich beziehe. Ich weiß mich übrigens zu bescheiden, und nach
diesem beschränkten Einkommen mich einzurichten: Ich verstehe das
Opfer zu bringen, mir Entbehrungen aufzuerlegen und früher gewohnten
Bequemlichkeiten und Genüssen zu entsagen, um mich von Schulden frei zu
halten und meiner Stellung als Staatsdiener keine Unehre zu machen. So
habe ich in meiner Wohnung von drei Zimmern mich und meine Gattin auf
ein einziges Zimmer beschränkt und vermiete die beiden andern. So habe
ich in allen Zweigen meines Hauswesens die äußerste mit dem Anstand
vereinbare Beschränkung eintreten lassen, um mit Ehren zu bestehen.

Mein geringes Ersparnis aus günstigeren Zeiten habe ich zur Etablierung
eines kleinen Modisten-Geschäftes für meine Gattin verwendet, um ihre
Zukunft möglichst zu sichern, um nach meinem Tode dem Staate nicht zur
Last zu fallen. Ich habe mich zu dieser genauen Auseinandersetzung
meiner ökonomischen Verhältnisse, über deren genaue, strenge Wahrheit
jederzeit die vollständige Überzeugung verlangt werden kann,
verpflichtet gehalten, um mein Unvermögen, mich mit einer Erwerbssteuer
zu beteiligen, in das Licht zu setzen. Ich darf noch beifügen, daß
ich aus wahrhaftem Patriotismus das für mich und meine gegenwärtige
Lage wirklich schwere Opfer gebracht, mich mit 100 fl., in monatlichen
Raten zahlbar, bei den National-Anleihen zu beteiligen, daß ich mich
also recht gern bereit finden lassen würde, auch im übrigen als ein
patriotischer Staatsbürger zu steuern, aber leider stellt sich aus dem
oben Angeführten heraus, daß ich in meinen jetzigen Verhältnissen im
allgemeinen, und speziell in bezug auf die Kunst keinen Erwerb besitze,
der mir verstattete, mich auch nur zur geringsten Steuer verstehen zu
können.

    Mit Hochachtung Euer Hochlöblichen Steuer-Administration
    Ergebenster


[Illustration: Im Wiener Wald

Phot. J. Löwy, Wien]

[Illustration: Abschied des Einberufenen

Phot. J. Löwy, Wien]

[Illustration: Die Pfändung

Phot. J. Löwy, Wien]

[Illustration: Landschaft mit Ochsengespann

Phot. F. Bruckmann, München]



Kunst und Staat

(Aus den nachgelassenen Schriften Waldmüllers)


Wenn die schönen Künste die edelsten Genüsse bieten, das Leben
verschönern, dem Staate, wo sie heimisch sind und gepflegt werden,
Wohlstand, Ruhm und Ehre geben, die Sitten veredeln, moralisch tief
wirken, zu allen Großtaten, zum Patriotismus anfeuern, dann sollte
kein Staat säumen, jene nötigen Kapitalien daranzuwenden, die solche
Zinsen tragen. Er wird allen anderen Staaten vorangehen und mächtig
sein. Die Kunst ist reich, sie spendet nach Jahrhunderten noch ihre
Gaben der Nachkommenschaft. Mozart der Unvergleichliche, Originelle,
immer noch Neue (denn wahre, echte Kunst altert nicht, sie ist kein
Flitter, kein Tand) dient uns zu einem eben erlebten Beispiele. Wie
auch nach ihm andere Meister in anderer Kunstrichtung Beifall ernten,
er bleibt unvergessen, er verschafft durch seine ausgezeichneten Werke,
durch die Aufführung derselben, jene Begeisterung für das Wahre in der
Tonkunst, nämlich Wahrheit in der Idee, richtige Charakteristik, ohne
erst durch Effekthascherei zu gefallen. Die Ausführung nur einiger
seiner Werke verschafft Armen, Dürftigen augenblicklich Abhilfe, wenn
ihnen der reiche Ertrag dieser Aufführung zugewendet wird. Er aber, der
große Meister, hat für seine genialen Leistungen nicht im entferntesten
solchen Lohn in seinem sorgenvollen Leben erhalten. ~Ehret die Toten,
aber noch mehr die Lebendigen, erspart euch eine Beschämung für alle
künftigen Zeiten!~ Man sieht ja deutlich, daß der österreichische Staat
wie jeder andere, zu allen Zeiten Talente besessen hat und besitzt; er
ist von der Natur nicht stiefmütterlich bedacht -- aber wie viele, die
nicht zufällig ans Licht gelangten, sind untergegangen, weil man der
Kunst den Rücken gewendet hat.

[Illustration: Mütterliche Ermahnung

Phot. J. Löwy, Wien]

[Illustration: Die Wiedergenesene

Phot. F. Bruckmann, München]



In gleicher Ausstattung und zum gleichen Preise wie dieses Bändchen
sind im Delphin-Verlag München erschienen:


Spitzweg, Reime und Bilder

Mit 24 Bildern 60 Pfennig. 37. bis 56. Tausend

~Münchener Neueste Nachrichten~: „Ein gelbes Büchlein hält man in den
Händen, auf dessen Einband Emil Preetorius Spitzwegs liebvertrautes
Bild gezeichnet, zu dessen Eingang Hermann Uhde-Bernays des Malers
Leben geschildert. Wie viel doch so ein Büchlein von einem großen
Meister erzählen kann.“


Schwind, Briefe und Bilder

Herausgegeben von Georg Jakob Wolf

Mit 26 Bildern 60 Pfennig. 20. Tausend

Wie im malerischen Werk Schwinds Romantik und Realismus sich zu
einem schönen Bündnis vereinen und das treuherzig deutsche Wesen
des großen Fabulierers bewirken, so stehen diese beiden Elemente
auch in den Briefen des Künstlers nebeneinander; Phantasie und
Gegenständlichkeit, Schwärmerei und Alltag vertragen sich auch hier,
weil eine starke eigenartige und ursprüngliche Persönlichkeit hinter
ihnen steht. In den Bildern wie in den Briefen blinken die funkelnden
Tautropfen der Märchenseeligkeit und des erdenfrohen Humors; eine feine
Minnesängerstimmung tritt hinzu und bekundet sich in einem graziösen
Pagentum gelegentlich Schwinds Briefen an Frauen.



Im gleichen Verlag sind noch folgende Spitzweg-Ausgaben erschienen:


Spitzweg

Der Altmeister Münchener Kunst

von Hermann Uhde-Bernays

Billige Ausgabe mit 155 Bildern

Ein stattlicher Quartband von 168 Seiten

11. bis 20. Tausend

In biegsamem Pappband M. 4.--, in hübschem Geschenkband M. 5.50

„Es war ein guter Einfall, das große Spitzwegwerk in einer wohlfeilen
Ausgabe breiteren Massen zugänglich zu machen. Es gibt kein
reizvolleres Bilderbuch für erwachsene Deutsche als diese Sammlung
Spitzwegscher Idyllen. In über hundert Abbildungen erhält der Leser
hier eine Vorstellung des Poeten Spitzweg, der mit Pinsel und Blei
dichtete. Auch der Zeichner Spitzweg ist repräsentativ vertreten.
Dies alles gibt, mit Uhde-Bernays’ bescheiden zurücktretendem Text,
das liebenswürdigste Buch dieses Jahres. Es ist ein Buch voll tiefem,
ungestörtem Frieden -- eben deshalb ist es uns jetzt besonders wert.“
(Vossische Zeitung.)


Carl Spitzweg

Des Meisters Leben und Werk

Seine Bedeutung in der Geschichte der Münchener Kunst von ~Hermann
Uhde-Bernays~

Zweite vermehrte Auflage

Mit 200 meist ganzseitigen Abbildungen

In Biedermaierpappband 14 Mark, in Halblederband (nach Entwurf von
Prof. Tiemann) 18 Mark, in biegsamem Ganzlederband 18 Mark.

Die große Ausgabe des Spitzwegbuches bietet gegenüber der kleinen
Ausgabe nicht nur eine wesentliche Erweiterung des biographischen
Teils, sondern sie enthält außerdem die köstlichen Briefe Spitzwegs,
die in ihrer humoristischen Diktion wie Wiederholungen seiner Gemälde
anmuten, ferner seine Gedichte und endlich ein von Spitzweg selbst
angefertigtes Verzeichnis seiner Werke. Statt 155, wie die kleine,
enthält die große Ausgabe ca. 200 meist ganzseitige Abbildungen.
Darunter 8 Gravüren, 4 farbige Tafeln und zahlreiche Zeichnungen aus
Studienmappen und Skizzenbüchern und die besten seiner Beiträge für die
Fliegenden Blätter. Dem Freunde und Verehrer Carl Spitzwegs sei die
große Ausgabe warm empfohlen.


Delphin-Verlag München



Zu Christianens 100. Todestag ist erschienen

Christiane von Goethe

Ein Beitrag zur Psychologie Goethes von Etta Federn

Mit 16 Bildertafeln

In Pappband M. 3.50, hübsch gebunden M. 5.--

Dieses Buch, das von Anfang an so viel Anklang gefunden hat, gehört in
jedes Haus. Als Geschenkwerk ist es infolge seiner hübschen Ausstattung
ganz besonders geeignet.

„.. Es ist ein Gewinn für alle Deutschen, daß endlich eine Frau
nach guter deutscher Art sich der Vielverkannten angenommen und uns
von dieser menschlich hervorragenden Gestalt eine umfassende, Hirn
und Herz befriedigende Lebensschilderung vermittelt hat, darin auch
der Geheimrat von Goethe als Gatte und Vater nicht weniger denn als
Beamter und Dichter seine gottbestimmte Rolle mit allen Ehren spielt
in guten und bösen Tagen.“ (M. G. Conrad in den „Münchener Neuesten
Nachrichten“.)


Eben ist erschienen

Hermann Bahr, Expressionismus

Mit 19 Tafeln

Geheftet M. 3.--, in Halbpergament M. 4.50, Vorzugsausgabe (Nr. 1-60)
auf Bütten in Ganzpergament M. 16.--

„Gestern fiel das neuerschienene Buch Hermann Bahrs mit obigem Titel
in meine Hand. Ich habe das Buch nicht nur gelesen, sondern es ist
mein Genosse an diesem Tage geworden, ein lachender Weggesell, der mir
lichte Blicke zeigte, wo einst Dunkel gewesen. Manchen Umweg führte er
zwar nach meiner Ansicht, dann aber erkannte ich, daß nur über Umwege
der Weg zur Erkenntnis in diesen Dingen genommen werden kann. Nur das
Banale trifft das einfache Wort auf den Kopf. Höhen wollen erklommen
sein im Zickzack, nicht senkrecht hinauf.

Es steht viel von Goethe in diesem Buch und von Johannes Müller, dem
Physiologen, aber nichts, was nicht jeder begreifen könnte, nichts, was
nicht auf das Problem zuführte. Und nebenbei fallen Worte von solcher
Schärfe der Prägung, Worte, die an den Puls unserer Zeit greifen, daß
man wünschte, neben Bahr wandern zu dürfen und seiner täglichen Rede
Zeuge zu sein.“

    (_Dr._ Rob. Corwegh in „Leipziger Tagblatt“.)


Delphin-Verlag München





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