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Title: Schumann
Author: Batka, Richard
Language: German
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  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

    Der vorliegende Text wurde anhand der 1891 erschienenen Buchausgabe
    so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische
    Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute
    nicht mehr gebräuchliche Schreibweisen sowie Schreibvarianten
    bleiben gegenüber dem Original unverändert, sofern der Sinn des
    Texts dadurch nicht beeinträchtigt wird.

    Die Fußnoten wurden an das Ende des jeweiligen Kapitels gestellt.

    Die Angabe von Tonarten erfolgt uneinheitlich bezüglich der Groß-
    und Kleinschreibung, sowie der Verwendung von Schriftarten.
    Die vorliegende Bearbeitung folgt in dieser Hinsicht der
    Originalvorlage.

    Besondere Schriftschnitte wurden mit Hilfe der folgenden
    Sonderzeichen gekennzeichnet:

        gesperrt: +Pluszeichen+
        Antiqua:  _Unterstriche_

  ####################################################################



                          Musiker-Biographien

                               13. Band

                               Schumann

                                  von

                             Richard Batka

                            Zweite Auflage

                Verlag von Philipp Reclam jun. Leipzig



            _Copyright 1891 by Philipp Reclam jun. Leipzig_

                    Uebersetzungsrecht vorbehalten


               Druck von Philipp Reclam jun. in Leipzig



Inhalt


                                             Seite

    Vorwort                                      5

    1. Die Jugendzeit (1810-1828)                7

    2. Die Studienjahre (1828-1830)             14

    3. Erste Künstlerzeit (1830-1835)           21

    4. Klara (1835-1840)                        34

    5. Die Lieder (1840)                        45

    6. Wollen und Wagen (1840-1849)             54

    7. Letzte Lebensjahre (1849-1856)           74

    8. Rückblick                                87



Vorwort.


Die deutsche Kulturgeschichte lehrt, daß die Ideale der Musik in
vier aufeinander folgenden Zeiträumen sich nach und nach erweitert
haben, so zwar, daß zu den bereits erkannten Zielen stets neue und
schönere gewonnen werden. Zur Zeit +Händels+ und +Bachs+ gipfelt die
Musik noch vorzugsweise in kunstreichem architektonischen Bau; in
der +Mozart+schen Periode kommt dazu die Forderung des sinnlichen
Wohlklangs; +Beethoven+, der Riese, entdeckt sodann die unermeßliche
Fähigkeit der Tonkunst, ganz individuelle Gefühle und Stimmungen
auszusprechen, und +Wagner+ endlich verschwistert sie auf das Innigste
mit der Poesie. Zwischen den beiden letztgenannten Meistern nimmt
+Robert Schumann+ zeitlich und ideell eine Mittelstellung ein. Noch
ist er in erster Reihe Musiker, aber in oder an seine Tonwerke drängen
sich schon vielfach poetische Elemente; der Gebrauch, Instrumentalsätze
mit sinnigen Überschriften zu versehen, der bereits gelegentlich bei
Beethoven vorkommt, findet sich bei Schumann so allgemein, daß man ihn
fast den Programmusikern zuzählen möchte, wäre es nicht anderseits
bekannt, daß er jene poetischen Titel meist +nach+ der musikalischen
Ausführung der Tonstücke zu verfassen pflegte. Was Schumann vor der
älteren Komponistengeneration, deren Studium einzig im Kontrapunkt
und Harmonielehre aufging, voraus hat, ist +die klassische und
litterarische Bildung+, wie wir sie auch bei anderen Künstlern seiner
Zeit, z. B. Berlioz, Mendelssohn, Meyerbeer, Liszt, Cornelius, Wagner
und anderen antreffen. Diese verleiht ihm nicht nur den feineren
Sprachsinn, vermöge dessen er in Vokalkompositionen Wort und Ton weit
genauer in Übereinstimmung bringen kann, sondern auch die Fähigkeit,
sein Urteil und seine Erfahrung in Sachen der Musik schriftstellerisch
zu verwerten. Durch sein Beispiel wird allmählich -- seit der Mitte
der dreißiger Jahre -- eine gänzliche Umgestaltung der musikalischen
Kritik in Deutschland herbeigeführt und das ästhetische Richtamt gerät
aus den Händen schnellfertiger Dilettanten in die Sachverständiger
und Künstler. Wird schließlich noch erwähnt, daß Schumann die
Mehrzahl seiner gleichstrebenden Zeitgenossen an Tiefe des Gefühls
und wirklicher Begabung weit hinter sich läßt, so ist damit seine
historische Bedeutung, wenn auch nicht erschöpft, so wenigstens in den
wesentlichsten Punkten gekennzeichnet.[1]


  [1] Aus der schon breit angeschwollenen Schumannlitteratur seien
      namentlich folgende Schriften, die auch dem vorliegenden
      Lebensabriß zu Grunde liegen, genannt: Fr. +Liszt+, R. Schumann.
      (Gesammelte Werke IV., 1855.) +Wasiliewski+, R. Schumann. (Bonn
      1857, 3. Aufl. 1880.) +Reißmann+, R. Schumann, sein Leben und
      seine Werke. (Berlin 1865.) R. +Pohl+, Erinnerungen an R.
      Schumann. (Deutsche Revue, 1878.) Ph. +Spitta+, R. Schumann,
      ein Lebensbild. (Leipzig 1882.) G. +Jansen+, Die Davidsbündler.
      (Leipzig 1883.) M. +Kalbeck+, Aus R. Schumanns Jugendzeit.
      (Endlingers österreichische Rundschau, 1883.) +Clara Schumann+,
      R. Schumanns Jugendbriefe (Leipzig 1886.) +Jansen+, R. Schumanns
      Briefe. (Neue Folge, Leipzig 1886.) +Reimann+, R. Schumanns
      Leben und Werke. (Leipzig 1887.) B. +Vogel+, R. Schumanns
      Klaviertonpoesie. (Leipzig 1887.) +Erler+, R. Schumanns Leben aus
      seinen Briefen. (2 Bde., Berlin 1887.) +Jansen+, R. Schumanns
      schriftstellerische Thätigkeit. (Grenzbote, 1891.)

                     *       *       *       *       *

      Ergänzend sei noch auf folgende Werke hingewiesen: Gesammelte
      Schriften, herausgegeben von _Dr._ Heinrich Simon (Univ.-Bibl.)
      1888; von M. Kreisig (1914). Biographien von A. Niggli (1879),
      H. Abert (1903), Ernst Wolff (1906), A. Steiner (1911),
      Walter Dahms (1916). Wasiliewskis Schumanniana (1884); seine
      Schumann-Biographie erschien 1906 in 4. Auflage. Briefwechsel
      mit Henriette Voigt (J. Gensel, 1892); Briefe in Auswahl (K.
      Storck, 1896); Der junge Schumann (Alfred Schumann, 1910);
      Schumann-Brevier (Friedr. Kerst); Aus Schumanns Kreisen (La Mara,
      1911); Sonderheft der „Musik“. Schumanns Faustszenen (S. Bagge,
      1879; Manfred Waldersee, 1880); Lieder in ersten und späteren
      Fassungen (W. E. Wolff, 1914); Formale Eigentümlichkeiten
      in Schumanns Klavierwerken (R. Hohenemser); Schumann als
      Schriftsteller (H. Deiters); Clara Schumann (Berthold Litzmann).
      In französischer Sprache erschienen: A. Marguerite (_„son œuvre
      de piano“_); R. Pugno (_„Leçons écrits sur Schumann“_); die
      Biographien von L. Schneider und M. Maréchal (1905) und Camille
      Mauclair (1906); in holländischer Sprache eine solche von J.
      Hartog.



Robert Alexander Schumann.



1. Die Jugendzeit.

    Es bildet ein Talent sich in der Stille.

                                        +Goethe.+


Romantik, erwachendes Nationalgefühl und frisches, wissenschaftliches
Streben -- das sind die bedeutsamen Zeichen, unter denen +Robert
Alexander Schumann+ am 8. Juni 1810 das Licht der Welt erblickte. In
demselben Jahre nämlich erschien Kleists „Käthchen von Heilbronn“,
Webers „Sylvana“, Jahns „Deutsches Volkstum“ und die neugegründete
Berliner Universität begann ihre umfassende Wirksamkeit. Freilich,
der Wellenschlag der herrschenden Zeitideen sollte ihn vorderhand
nur wenig berühren; lag doch sein Geburtsort, das kleine sächsische
Zwickau abseits von den Mittelpunkten deutschen Geisteslebens. Hier, im
anmutigen Muldethale, dem verbildenden und zerstreuenden Getriebe einer
großen Stadt entzogen, behielt er die Wahrheit und Ursprünglichkeit des
Empfindens und gedieh, bei Mangel äußerer Anregung zu jener Sammlung
Einfalt und Innerlichkeit, welche von jeher die Quelle künstlerischen
Schaffens gewesen ist.

Die musikalischen Anlagen hat Schumann nicht wie andere Meister der
Tonkunst von seinen Eltern überkommen. Mutter Johanna, geborene
Schnabel aus Zeitz, eine vortreffliche, aber in kleinstädtischen
Vorurteilen aufgewachsene Frau, besaß im ganzen nur wenig Sinn
für Musik. Vater August Schumann, ein ernster, tüchtiger, überaus
strebsamer Mann, der nach allerlei Drangsalen eine angesehene
Verlagsbuchhandlung gegründet und sich durch rastlosen Fleiß
zu beträchtlicher Wohlhabenheit emporgearbeitet hatte, war eher
litterarischer Beschäftigung zugethan. Er führte die Taschenausgaben
ausländischer Klassiker ein, gab die zu ihrer Zeit vielgelesenen
„Erinnerungsblätter“ heraus, schrieb selbst mehrere wichtige
kaufmännische Werke und hat sich noch kurz vor seinem Tode durch
eine Übersetzung von Byrons „Beppo“ und „Childe Harold“ bekannt
gemacht. Seine schriftstellerische Ader vererbte sich nebst manchen
Charaktereigenschaften auch auf Robert, der als jüngstes von fünf
Geschwistern natürlicherweise der Liebling des Hauses war, „der
lichte Punkt“, wie ihn die Mutter nannte. Er genoß die sorgfältigste,
liebevollste Erziehung, besuchte mit dem Beginne des sechsten
Lebensjahres die Döhnersche Sammelschule, ja sogar Klavierunterricht
wurde ihm erteilt, so gut, oder vielmehr so mangelhaft es in dem
unbedeutenden Städtchen damals anging. Zwar fehlte es seinem
Musiklehrer, dem biederen, etwas pedantischen Organisten +Kuntsch+,
gewißlich nicht am besten Willen; allein als Autodidakt, ohne sichere
Methode, war er nicht imstande, das ihm anvertraute Talent in die
rechten Bahnen zu weisen und ihm die Handwerksregeln der Kunst als
treue Geleiter beizeiten zu eigen zu geben.

Früh schon erwachte in dem lebhaften, ehrgeizigen Knaben der
Schaffensdrang. Er verfaßte Räuberkomödien und führte sie mit Hilfe
der Brüder auf einer dazu hergerichteten Bühne zu Hause auf. Auch
wird erzählt, er habe seine Kameraden überaus drastisch am Klaviere
zu charakterisieren gewußt. So liefen poetische und musikalische
Liebhabereien eine Zeitlang nebeneinander her, bis ein zufälliges
Erlebnis zu Gunsten der Musik den Ausschlag gab. Auf einem Ausfluge
nach Karlsbad bekam er nämlich (1819) den Virtuosen +Moscheles+ zu
hören und empfing von dessen Spiele den ersten nachhaltigen Eindruck
seines Lebens. Einen Konzertzettel, den Moscheles berührt hatte,
behielt Schumann noch lange Jahre als kostbare Reliquie in Verwahrung
und sein ganzes Sinnen und Trachten war fortan auf das Klavierspiel
gerichtet. Auch der Beginn der Gymnasialstudien änderte daran nichts
weiter. Vielmehr gab sich Robert im Vereine mit einem gleichgesinnten
Freunde, Piltzing, beinahe ausschließlich den Musikfreuden hin.

Eines Tages geriet dem Zwölfjährigen die Partitur einer Righinischen
Ouverture in die Hand und brachte ihn auf den verwegenen Einfall, die
stummen Zeichen, welche geheimnisvoll und vielverheißend aus dem Hefte
starrten, klingen und ertönen zu lassen. Gedacht, gethan. Ein Orchester
von Mitschülern wird gebildet, Schumann dirigiert und ergänzt die
fehlenden Baßstimmen am Klaviere. Nach und nach erweiterte sich das
Repertoir und wies endlich, zu nicht geringer Befriedigung der kleinen
Künstlergesellschaft, sogar ein Werk ihres Kapellmeisters, den 105.
Psalm für Chor und Orchesterbegleitung auf.

Durch solche Erfolge kühn gemacht, wagte es Robert sich auch außerhalb
des väterlichen Hauses zu produzieren, namentlich bei der Familie
Carus, „wo alles Freude, Heiterkeit, Musik war“, wo er zuerst
die Quartette unserer klassischen Meister kennen lernte. In den
Vortragsabenden des Gymnasiums wirkte er gleichfalls eifrig mit, bald
als Deklamator, bald als Klavierspieler, und entwickelte eine solche
Fertigkeit auf dem Instrumente, daß der alte Kuntsch den Unterricht
mit dem Bemerken einstellte: Robert könne sich nun schon allein weiter
forthelfen.

Mittlerweile hatte Vater Schumann, der Treffliche, ohne selbst
musikalisch zu sein, die Begabung des Sohnes mit richtigem Blicke
erkannt und trug sich alles Ernstes mit dem Gedanken, ihn Musiker
werden zu lassen. Praktisch wie er war, wandte er sich sogleich
an die rechte Thüre, indem er den damals in vollem Ruhmesglanze
erstrahlenden Karl Maria von Weber anging, die Ausbildung des Kindes zu
übernehmen. Obschon sich nun Weber bereit erklärt hatte, zerschlugen
sich dennoch in der Folgezeit die Unterhandlungen, man weiß nicht
aus welchem Grunde. Sicherlich mag ein Teil der Schuld auf die Mutter
fallen, welche sich dem Plane ihres Gatten von Anfang an entschieden
widersetzte, da in ihren Augen der Künstlerberuf mit „schwankender
Zukunft und unsicherem Brote“ gleichbedeutend schien. Robert blieb also
am Gymnasium und das Zwickauer Stillleben nahm seinen Fortgang.

Bald nach dem Scheitern dieses Planes wandte sich die Neigung des
Knaben wiederum der Poesie zu. Die Werke unserer Dichter, wie sie das
väterliche Geschäft in reicher Fülle ihm darbieten konnte, wurden
gierig verschlungen; zu einer im Schumannschen Verlage erscheinenden
„Bildergalerie der berühmtesten Männer mit beigefügtem Texte“ lieferte
Robert im Alter von vierzehn Jahren litterarische Beiträge. Nicht lange
darnach finden wir ihn an der Spitze eines Vereins von Studiengenossen,
welcher nach dem Muster des Göttinger Hainbundes sich die Kenntnis und
Pflege der deutschen Litteratur zum Zweck gesetzt hatte. Schillers
Dramen wurden mit verteilten Rollen gelesen; an Goethe wagte man sich
noch nicht heran; doch scheint wenigstens der Faust schon damals
ein Lieblingsbuch Schumanns gewesen zu sein. Auch Schulze, Houwald,
Müllner, Byron haben nebst den griechischen Schriftstellern größeren
oder geringeren Einfluß auf ihn ausgeübt.

Das Jahr 1826 brachte zwiefache Trauer und Sorgen. Zwei geliebte Wesen
wurden Robert entrissen, das eine ihm über alles teure durch den Tod,
das andere in gewisser Hinsicht gleichfalls auf immer. Schwester Emilie
verfiel in eine unheilbare Gemütskrankheit und am 10. August erlag der
Vater, sein liebreicher, verständnisvoller Führer, einem zehrenden
Siechtum. Da vollzog sich, unter dem Eindrucke dieser schmerzlichen
Ereignisse eine bedeutende Wandlung in Schumanns ganzem Charakter: der
einst so muntere, lebhafte Knabe ward zum stillen, in sich gekehrten,
nachdenklichen Jüngling. „Ich habe Ansichten und Ideen über das Leben
gewonnen, mit einem Worte ich bin mir heller geworden,“ verzeichnet
sein Tagebuch.

Um diese Zeit begann auch die Liebe in Schumanns Brust zu erwachen. Er
schwärmte für Nanni, eine reizende Mädchengestalt, und wenige Wochen
später hatte eine stolze Schönheit, Liddy, sein Herz gewonnen. Nicht
auf lange freilich; denn sie vermochte dem Gedankenfluge Jean Pauls,
in dessen Schriften unser Robert eben damals schwelgte, nicht recht zu
folgen und seine Entrüstung über solche Einfalt machte der zarten Liebe
ein frühzeitiges Ende. Noch einmal traf er darnach mit dem Mädchen auf
einem Ausfluge wieder zusammen und begleitete es auf einen Hügel, wo
sie den Sonnenuntergang genießen wollten. Da -- doch hören wir Schumann
selbst, wie er über diese Begebenheit in einem Briefe berichtet: „Der
ganze Tempel der Natur lag weit und breit vor den trunkenen Augen:
wie eine Thetis hätte ich in diese Blumenströme fliegen und versinken
mögen; denke dir, daß ein verblühtes Ideal in der Brust still wieder
aufzukeimen begann, daß dieses verlorene Ideal an meiner Seite stand!
Und endlich, da die Sonne erst untergetaucht war und Frühlinge von
blühenden Rosen aus dem sterbenden Strahle aufdämmerten, als die
Höhen der Berge glühten, die Wälder brannten und die unermeßliche
Schöpfung in sanfte Rosenmassen zerfloß, da ich so hineinschaute in
diesen Purpurocean und alles, alles sich zu +einem+ Gedanken formte
und ich den großen Gedanken der Gottheit dachte und Natur, Geliebte
und Gottheit entzückt vor mir standen -- siehe -- da zog im Osten eine
schwarze Wolke herauf und ich ergriff Liddys Hand und sagte zu ihr:
‚Liddy, so ist das Leben,‘ und ich wies auf den schwärzlichen Purpur
am Horizonte -- und sie sah mich wehmütig an -- und eine Thräne glitt
von ihrer Wange. Da glaubte ich’s wieder gefunden zu haben das Ideal
und schweigend pflückte ich eine Rose. Aber ein Donnerschlag und ein
Blitzstrahl fuhr im Osten herauf, als ich sie ihr geben wollte -- und
ich nahm die Rose und zerzupfte sie -- jener Donnerschlag hatte mich
aus einem schönen Traume aufgeweckt. Ich war wieder auf +der Erde und
das hohe Bild des Ideals verschwunden, wenn ich an die Reden denke, die
sie über Jean Paul führte+.“

Bedarf es darnach etwa weiterer Zeugnisse für seine Verehrung des
großen Humoristen? Schumann stellte ihn damals über alle anderen
Dichter und konnte auch später, als er bereits im vollen Mannesalter
stand, noch bitterböse werden, wenn jemand den Wert seines Lieblings
herabzusetzen wagte. (Vgl. +Hanslick+, Aus dem Konzertsaal, S. 392.)
„Wenn die ganze Welt Jean Paul läse,“ heißt es in einem anderen Briefe,
„so würde sie bestimmt besser, aber unglücklicher; er hat mich oft
dem Wahnsinn nahe gebracht. Aber der Regenbogen des Friedens schwebt
immer sanft über allen Thränen und das Herz wird wunderbar erhoben und
milde verklärt.“ Daß die Gedichte, welche er in jener Zeit verfaßte
und die ein hübsches Verstalent verraten, von Jean Paulschen Wendungen
strotzen, kann man sich nach der obigen Stilprobe leicht vorstellen.
In derselben überschwenglichen Sprache sind auch seine beiden Romane
(Juniusabende und Selene), von denen aber nur der erste fertig geworden
ist, geschrieben. Doch wäre es irrig, den jungen Schumann für einen
fortwährenden Träumer und Sentimentalen zu halten, denn wir vernehmen
auch von lustigen Spritzfahrten mit seinen Genossen Rascher und
Walther, wobei tüchtig gekneipt, geküßt und schließlich „wankend und
schwankend“ nach Heim gezogen wird.

Inzwischen glomm unter der Asche seiner verloschenen Musikerhoffnungen
die Liebe zur Tonkunst still, aber unvertilgbar weiter, so daß es
nur eines Windhauches bedurfte, um sie aufs neue zur hellen Flamme
zu entfachen. Da traf im Sommer 1827 eine Verwandte des Carusschen
Hauses, die junge Gattin des Colditzer Arztes Dr. Ernst Carus, in
Zwickau zu Besuch ein und „Fridolin“ -- so wurde Schumann von der
befreundeten Familie scherzweise genannt -- wandte sich, von ihrem
seelenvollen Gesange begeistert, mit Leidenschaft wieder der Musik zu.
Durch sie machte er die Bekanntschaft mit Schuberts und Mendelssohns
Tonwerken, durch sie wurde er zu neuerlichen Kompositionsversuchen
angeregt. Allein da sein Vormund, der Kaufmann Rudel, mit der Mutter
in der Verurteilung des Künstlerberufes eines Sinnes war, schien jede
Aussicht, der Musik leben zu können, versperrt, und Robert wagte auch
nicht, teils aus Mangel an Thatkraft, teils aus Rücksicht für die
zärtlich geliebte Mutter, dem Wunsche der letzteren zu widerstreben.

Zu Ostern 1828 verließ er das Gymnasium. Wohlbewandert in den
klassischen Sprachen -- sogar an dem von seinem Bruder Karl verlegten
_Thesaurus totius latinitatis_ hat er mitgearbeitet -- bestand er die
Abgangsprüfung mit glänzendem Erfolge. Bevor er sich aber nach Leipzig
begab um Jus zu studieren, geleitete er noch einen jüngst gewonnenen
Freund, den Studenten +Gisbert Rosen+ auf seiner Fahrt nach Heidelberg.
Schwärmerische Verehrung für den Dichter des „Titan“ verband die
beiden, gleichgestimmten Jünglinge, die natürlicherweise Bayreuth als
nächstes Reiseziel erkoren und in der alten Markgrafenstadt ein paar
selige Stunden dem Andenken ihres Abgottes weihten. Am nächsten Tage
gings über Nürnberg und Augsburg nach München, wo sie Heinrich Heine
und den Maler Zimmermann kennen lernten. Hier in München trennten sich
ihre Wege. Rosen eilte über Augsburg dem Neckar zu, indessen Schumann
nach Sachsen zurückkehrte, dem Schicksal grollend, das die Menschen
zusammenführt, vereint und wieder voneinander reißt.



2. Die Studienjahre.

    Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.

                                                   +Goethe.+


„Leipzig ist ein infames Nest, wo man seines Lebens nicht froh
werden kann. Du sitzest vielleicht jetzt auf den Ruinen des alten
Bergschlosses und lächelst vergnügt und heiter die Blüten des Juni
an, während ich auf den Ruinen meiner eingesunkenen Luftschlösser
und meiner Träume stehe, und weinend in den düsteren Himmel meiner
Gegenwart und Zukunft blicke; überhaupt fliehe ich die erbärmlichen
Menschen und bin manchmal so recht zerknirscht über die Winzigkeit und
Erbärmlichkeit dieser egoistischen Welt. Ach, eine Welt ohne Menschen,
was wäre sie? Ein unendlicher Friedhof, ein Totenschlaf ohne Träume,
eine Natur ohne Blumen und Frühling, ein toter Guckkasten ohne Figuren
-- und doch! Diese Welt mit Menschen, was ist sie? Ein ungeheurer
Gottesacker eingesunkener Träume, ein Garten mit Cypressen und
Thränenweiden, ein stummer Guckkasten mit weinenden Figuren.“ Solche
Ergüsse, an Freund Rosen gerichtet, kennzeichnen die Gemütsstimmung,
in welcher der nunmehrige _stud. jur._ Schumann die ersten Tage in
Leipzig verlebte, deutlich genug. „Die Natur -- wo finde ich sie
hier?“ klagt er bald darauf der Mutter, „kein Thal, kein Berg, kein
Wald, wo ich so recht meinen Gedanken nachhängen könnte, kein Ort,
wo ich allein sein kann, als in der verriegelten Stube, wo es unten
ewig lärmt und spektakelt.“ Die Leipziger Burschenschaft, in welcher
damals eine recht neblige Deutschtümelei herrschte, entsprach seinen
idealen Vorstellungen ganz und gar nicht und er trat bald mit anderen
Gleichgesinnten zur Verbindung „Markomannia“ über, ohne darum im
studentischen Leben vollständig aufzugehen. Musik und Poesie trugen
über Kneipe und Fechtboden fast immer den Sieg davon.

Allmählich begannen die Wogen seines Schmerzes gelinder zu schlagen.
Im benachbarten Zweinaundorf fand er einen Ort, der seinen Natursinn
einigermaßen zufrieden stellte; auch fügte sich’s günstig, daß jene
Verwandte der Carusschen Familie, von der oben als trefflicher
Sängerin die Rede war, mit ihrem Gatten nach Leipzig übersiedelte.
Schumanns musikalische Natur empfing in dem musikfreundlichen Hause
mannigfaltige Anregung und Pflege, zumal da die hervorragendsten
Künstler der Stadt daselbst zu verkehren pflegten. Von hoher Bedeutung
wurde für ihn namentlich die Bekanntschaft mit +Friedrich Wieck+, dem
berühmten Klavierlehrer und dessen neunjähriger Tochter +Klara+. An dem
Spiele der kleinen Virtuosin konnte er recht deutlich absehen, welche
Erfolge durch einen planvollen, methodischen Unterricht zu erzielen
sind und war eifrig bemüht, die Mängel der eigenen Technik, wie sie
sich bei einem Autodidakten mit Notwendigkeit herausstellen müssen,
unter Wiecks kundiger Leitung wieder auszugleichen. Seinem Lehrer
erwuchs hier die heikle Aufgabe, die halberblühte Knospe noch einmal
zusammenzufalten, was bis zu einem gewissen Grade in der That auch
gelang; nur von der Unentbehrlichkeit theoretischer Musikkenntnisse
war Schumann einstweilen nicht zu überzeugen. Statt Harmonielehre zu
treiben, versenkte er sich in Gemeinschaft mit einigen musikalischen
Kommilitonen in die Schätze deutscher Kammermusik, studierte Bachs
„Wohltemperiertes Klavier“ und entzückte sich an den Tonwerken des
jüngst verstorbenen Meisters Schubert, welchen er gern mit Jean Paul zu
vergleichen pflegte. „Wenn ich Schubert spiele, so ist mir’s, als läs’
ich einen komponierten Roman Jean Pauls.“ Unter Schubertschem Einflusse
entstanden auch mehrere eigene Kompositionen, Polonaisen, Variationen
und ein Dutzend Lieder, welch letztere er an G. Wiedebein, einen
damals geschätzten Liederkomponisten, zur Beurteilung einschickte.
Die Antwort fiel günstig aus: „Sie haben viel, sehr viel von der Natur
empfangen; nützen Sie es und die Achtung der Welt wird Ihnen nicht
entgehen.“

An dem öffentlichen Musiktreiben Leipzigs, welches seit dem Ende der
zwanziger Jahre immer reicher und reicher erblühte, nahm Schumann
lebhaften Anteil. Der Thomanerchor, die Gewandhauskonzerte, erfreuten
sich schon damals eines ausgezeichneten Rufes, ja selbst die
untergeordneteren Institute, z. B. der Orchesterverein „Euterpe“ oder
die Matthäischen Quartettakademien boten achtbare Leistungen. Minder
Gutes läßt sich von dem etwas verwahrlosten Theater sagen; doch besaß
es wenigstens an seinem Kapellmeister Marschner eine bedeutende Kraft,
so daß man im allgemeinen der Behauptung Schumanns beipflichten kann,
es gebe in Deutschland keinen besseren Ort für einen jungen Musiker als
Leipzig.

Jawohl, für einen Musiker! Aber war er denn ein solcher? Gehörte er
nicht ins Kollegium, vor das _Corpus juris_, statt in den Konzertsaal
und vors Klavier? Das ist die bedenkliche Seite seines Leipziger
Universitätslebens. Zwar wird in den nach Zwickau gerichteten Briefen
von fleißigem Kollegienbesuche gesprochen und über die Eiskälte der
Rechtswissenschaften gejammert; allein aus den Briefen an vertraute
Freunde geht mit Sicherheit hervor, daß Schumann fast nie ein
juristisches Kollegium besucht, geschweige denn ein juristisches
Buch zur Hand genommen hat. Wohl aber hörte er die Vorlesungen des
Philosophen Krug und las Fichtes, Kants und Schellings Schriften.

Im folgenden Jahre vertauschte Robert die Leipziger Hochschule mit
der in Heidelberg. Wenn er indessen der Mutter, um ihre Einwilligung
zu erhalten, als Grund dieses Wechsels angiebt, daß dort die
berühmtesten Professoren lehrten, so ist das bei einem Studenten, der
die Überzeugung hegt, „daß alle Kollegien überhaupt nur Eseln nützen
können,“ bloß eitel Vorwand. In Wahrheit wollte er aus dem von der
Natur recht stiefmütterlich bedachten Leipzig heraus -- zumal da Wieck
den Klavierunterricht kurz zuvor wegen Zeitmangels eingestellt hatte --
wollte andere Menschen kennen lernen und vor allem wieder einmal Freund
Rosen in die Arme schließen. Die gute Mutter war bald überredet und
Schumann wandte seelenvergnügt dem „erbärmlichen Leipzig“ den Rücken.

Das war eine Fahrt, unter blauem Himmel über lachende Frühlingsau’n!
Dazu hatte ihm der Zufall in +Willibald Alexis+ einen geistvollen
Gefährten beigesellt, dem er sogar noch eine Strecke rheinabwärts
bis Koblenz das Geleite gab. In einem reizenden Briefe an die Mutter
schildert er ausführlich all seine Reiseerlebnisse, beschreibt die
lieblichen Mainlande, das interessante Frankfurt, die herrlichen Abende
am Rhein und vergißt auch nicht einige Bemerkungen über die Kost und
-- die Mädchen einzuflechten. Nur eine Stelle aus dem merkwürdigen
Berichte sei herausgehoben: „Um neun Uhr fuhren wir von Wiesbaden
ab. Ich drückte die Augen zu, um den ersten Anblick des alten,
majestätischen Vater Rhein mit ganzer Seele genießen zu können; und wie
ich sie aufschlug, lag er vor mir, ruhig, still, ernst und stolz wie
ein alter, deutscher Gott und mit ihm der ganze blühende, grüne Gau
mit seinen Bergen, Thälern und Rebenparadiesen.“ Es liegt ein Stück
Kulturgeschichte in diesen Worten; noch wenige Jahrzehnte zuvor konnte
der Deutsche mit dem Namen „Rhein“ nur die Vorstellung seiner Reben
verbinden; jetzt haftet an ihm eine Reihe mythischer Anschauungen,
jetzt ist er eine Art Heiligtum unseres Volkes geworden, und das
Weinlaub, das sein ehrwürdiges Haupt umkränzt, wird vom Epheu der Sage
beinahe überwuchert. Die Poesie dieses Stromes musikalisch zu erfassen,
wie es später Liszt in der „Lorelei“ oder Wagner in den „Nibelungen“
gethan hat, mußte Schumann allerdings versagt bleiben: sie war damals
beinahe noch ein ausschließliches Eigentum der Dichtkunst.

In Heidelberg, „der Vaterlandsstädte schönster“, führte Schumann mit
Rosen ein wahres Götterleben. Freilich, wenn er nach Hause schreibt,
daß ihm bei +Thibaut+ selbst das Jus besser schmecke, daß er jetzt
die Würde der Jurisprudenz begreifen lerne, so ist das gar nicht
buchstäblich zu nehmen. Der große Gelehrte betrieb, wie er offen zur
Schau trug, seine Wissenschaft nur mit Unlust und es war ein Ausspruch
von ihm bekannt, er würde, wenn er nochmals zu leben hätte, lieber
Musiker werden, als Pandektist. Solche Denkungsweise eroberte ihm
Schumanns Herz im Sturme, so wenig sich der Verehrer Schuberts sonst
mit dem musikalischen Glaubensbekenntnisse des greisen Professors auch
befreunden konnte. Thibaut hatte nämlich in seinem 1825 erschienenen
Buche „Über die Reinheit in der Tonkunst“ eine archaische Richtung
eingeschlagen und pflegte die Werke der alten Meister in seinem Hause
aufführen zu lassen. Auch Schumann wurde diesen Abendunterhaltungen
beigezogen. „Sie glauben kaum,“ schreibt er an Wieck, „was ich bei ihm
für herrliche, reine, edle Stunden verlebt habe und wie sehr seine
Einseitigkeit und pedantische Ansicht über Musik bei dieser unendlichen
Vielseitigkeit und bei diesem belebenden, entzündenden und zermalmenden
Geiste schmerzt.“

Der trefflichen Lehrer ungeachtet wurden die Kollegien aber nach
wie vor arg vernachlässigt. In dieser Hinsicht war Schumann einmal
unverbesserlich. Viel lieber durchstreifte er die reizende Umgebung
Heidelbergs oder stürzte sich, als der Winter seinen Ausflügen ein
Ziel setzte, in den Strudel des lustigen Studentenlebens. „Fast
alle Abende,“ heißt es in einem Briefe an die Mutter, „bin ich
in Gesellschaften oder auf Bällen.“ Bald treffen wir ihn bei den
Schlittenfahrten, welche die Studentenvereine -- er gehörte der
Saxoborussia an -- in großem Stile veranstalteten, bald und zwar am
häufigsten huldigt er dem Tanzvergnügen. Zugleich bereitet er sich
zu einer „italienischen Reise“ vor, welche in den zwischen Winter-
und Sommersemester eingeschalteten Ferien angetreten werden sollte
und treibt zu diesem Behufe das Studium der italienischen Sprache.
Einen Teil der Sonette Petrarkas hat er zu dieser Zeit mit wunderbarer
Treue und Gewandtheit, wie erzählt wird, metrisch ins Deutsche
übertragen. Mutter und Vormund wollten anfangs von dem kostspieligen
Plane begreiflicherweise nichts wissen, aber Robert legte ihnen so
eindringlich dar, daß die Ferien ja nicht zum Studium der Bücher,
als vielmehr der Welt, d. h. zum Reisen angeordnet seien, drohte
schließlich gar das erforderliche Geld wo anders auszuleihen, bis er
zuletzt doch die Bewilligung erhielt und im August, das Ränzel am
Rücken, den Stab in der Hand, gleich Eichendorffs lustigem Taugenichts
sein liebes Heidelberg verlassen konnte.

Nachdem er die majestätische Alpenwelt durchzogen, stieg er nieder ins
wälsche Gefilde. Sechs Tage wurden unter allerhand kleinen Abenteuern
in Mailand zugebracht, wo er auch zum erstenmale (im Scalatheater)
italienische Musik und Gesangeskunst zu hören Gelegenheit hatte. Eine
bedenkliche Abnahme des Reisegeldes zwang ihn endlich in Venedig zur
Umkehr. Mit geringer Barschaft, aber reich an Erfahrungen traf er im
Oktober 1829 wieder in der Neckarstadt ein.

Während des folgenden Winterhalbjahres bildete wieder die Musik
Schumanns eigentliches Studium. Als Klavierspieler war er in
ganz Heidelberg berühmt, namentlich seit er in einem Konzerte
des Musikvereins die Alexandervariationen von Moscheles glänzend
vorgetragen hatte. Am liebsten jedoch musizierte er in engem
Freundeskreise und riß namentlich durch seine freien Phantasien auf
dem Piano alle Hörer unwiderstehlich hin. Sein Studiengenosse +Töpken+
erzählt, daß ihm diese unmittelbaren Ergüsse Schumanns immer einen
Genuß gewährt hätten, wie er ihn später, so große Künstler er auch
gehört, in der Art nie wieder gehabt habe.

Wie im verflossenen Winter gab sich Schumann auch diesmal den
Karnevalsfreuden rückhaltlos hin. Auf den öffentlichen und privaten
Bällen Heidelbergs und Mannheims -- die beiden Städte standen in
Bezug auf gesellige Unterhaltungen in regem Wechselverkehr -- durfte
der wohlgebildete, stattliche Jüngling als vorzüglicher Tänzer nicht
fehlen. Daß dabei viel, sehr viel Geld aufging, kann man sich denken,
und es brauchte langer Bitten, ehe der Vormund überredet war, sein
flottes Mündel in dem teuren Heidelberg zu belassen.

Da sein väterliches Erbteil nicht hinreichte, um von den Zinsen zu
leben, gar für einen Menschen, der an solche Ansprüche gewöhnt war
wie Robert, hätte er sich nunmehr ernstlich auf das Studium werfen
sollen. Allein im Grunde seines Herzens stand bereits der Entschluß
fest, die Künstlerlaufbahn trotz aller Hindernisse zu betreten, und
das wunderbare Spiel Paganinis, den zu hören er zu Ostern 1830 nach
Frankfurt geeilt war, scheint diesen Entschluß zu völliger Reife
gebracht zu haben. Am 30. Juli endlich eröffnete er der Mutter
sein Vorhaben in einem langen Briefe: „Mein ganzes Leben war ein
zwanzigjähriger Kampf zwischen Musik und Jus. Jetzt stehe ich am
Kreuzwege und erschrecke bei der Frage: Wohin? Folg’ ich meinem Genius,
so weist er mich zur Kunst und ich glaube den rechten Weg. Schreibe du
selbst an Wieck in Leipzig und frage ihn, was er von mir und meinem
Lebensplane hält. Fällt er ein günstiges Urteil, nun, so fehlt es an
Fortkommen und Ruhm sicherlich nicht.“ Die Bestürzung der Mutter, als
sie vernahm, daß ihr Robert, den sie bald am Ziele seines Studiums
wähnte, einen ganz neuen Beruf ergreifen wolle, war ungeheuer. Zitternd
und ängstlich schrieb sie an Wieck: „Auf Ihrem Ausspruche beruht
+alles+, die Ruhe einer liebenden Mutter, das ganze Lebensglück eines
jungen unerfahrenen Menschen, der bloß in höheren Sphären lebt und
nicht ins praktische Leben eingehen will. Ich bitte und beschwöre
Sie als Gatte und Vater, als Freund meines Sohnes, handeln Sie als
redlicher Mann und sagen Sie unumwunden Ihre Ansichten, was er zu
fürchten oder zu hoffen hat.“

Wieck antwortete mit einem glänzenden Zeugnisse, das die sorgende Frau
einigermaßen beruhigen konnte. Sie versagte darnach ihre Einwilligung
nicht, und Schumann, überglücklich über den günstigen Ausgang dieser
folgenschweren Angelegenheit, reiste zum zweitenmale, aber froheren
Mutes als Schüler nach Leipzig. „Ich vertraue Ihnen ganz, ich gebe mich
Ihnen ganz, nehmen Sie mich wie ich bin und haben Sie vor allen Dingen
Geduld mit mir. Kein Tadel soll mich niederdrücken und kein Lob wird
mich faul machen. Ich wollte, Sie könnten jetzt in mich sehen; es ist
still darinnen, nur um das ganze Welthaupt geht ein leiser, leichter
Morgenduft.“ Mit diesen Worten führte er sich bei dem verehrten Lehrer
ein.



3. Erste Künstlerzeit.

    Ich hasse alles, was nicht vom innersten Drange kommt.

                            +Schumann+, Jugendbriefe, S. 159.


Überblicken wir Schumanns bisherigen Entwickelungsgang, so
fällt sogleich auf, daß er sich erst unverhältnismäßig spät dem
Künstlerberufe widmete, daß seine Erziehung auf ganz andere Ziele
gerichtet gewesen war, als auf die, welche ihm fernerhin einzig und
allein vorschweben sollten und daß ihm theoretische Kenntnisse in
der Musik beinahe noch gänzlich fehlten. Dagegen besaß er eine nicht
gewöhnliche Fertigkeit am Klaviere, feinen musikalischen Sinn und ein
hervorragendes Interpretationsvermögen. Unvergeßlich ist es seinen
Heidelberger Freunden geblieben, wie er z. B. Webers „Aufforderung zum
Tanze“ vorzutragen und während des Spieles zu erläutern wußte. „Jetzt
spricht sie,“ sagte er, „das ist der Liebe Kosen; jetzt spricht er, das
ist des Mannes ernste Stimme. Jetzt sprechen sie beide zugleich und
deutlich höre ich auch, was beide Liebende einander sagen.“

Solche Eigenschaften, der mächtige Zug der Zeit und die Hoffnung auf
baldigen Erwerb wiesen Schumann gebieterisch in die Virtuosenlaufbahn,
zu welcher er sich denn auch mit wahrem Feuereifer vorbereitete. In
drei bis vier Jahren hoffte er den hochverehrten Moscheles erreichen
zu können. Allein während der beseligende Gedanke, nun völlig der
Kunst anzugehören, und die Voraussicht künftiger Meisterschaft ihm die
Brust mit stiller Heiterkeit erfüllte, stand es nicht eben günstig um
seine äußeren Verhältnisse. Die Brüder, über den plötzlichen Wechsel
des Berufes ein wenig verstimmt, unterstützten ihn nur sehr spärlich
mit Geld, so daß er in allerlei lästige Verlegenheiten geraten mußte.
Erst nach einem Besuche Schumanns in Zwickau zu Ostern 1831 erscheint,
wahrscheinlich durch Vermittelung der Mutter, welche jetzt immer tapfer
auf seiner Seite stand, das frühere herzliche Einvernehmen mit der
Familie wieder hergestellt.

„Nun ist der Himmel so schön blau,“ schreibt er bald darauf nach Hause,
„daß ich jemand haben möchte, dem ich’s so recht sagen könnte, wie
glücklich und sommerlich es in mir aussieht, wie mein inneres ruhiges
Kunstleben alle Leidenschaften zurückdrängt, wie ich manchmal recht
den Augenblick der Gegenwart fühle. Es ist nämlich eine schöne Sache
um einen jungen Dichter und vollends um einen jungen Komponisten.
Du kannst gar nicht glauben, was das für ein Gefühl ist, wenn er
sich sagen kann: dies Werk ist ganz dein, kein Mensch nimmt dir dies
Eigentum und kann dir’s nicht nehmen, denn es ist ganz dein; o fühltest
du dieses +Ganz+! Da der Grund zu diesem Gefühle nur selten kommt,
da der Genius nur ein Augenblick ist, so bricht es dann auch in
seiner ganzen Schönheit hervor und erzeugt eine Art von beruhigendem
Selbstvertrauen, das keinen Tadler zu fürchten braucht.“

Was diese Briefstelle erst andeuten, aber noch nicht offen verraten
wollte, kommt schon in den nächsten Monaten zu Tage. Schumann hatte
nämlich den Sommer benützt, um einige noch in Heidelberg entworfene
Kompositionen auszuführen und konnte schon am 21. September der Mutter
das Erscheinen seines ersten Werkes: _Thème sur le nom Abegg, varié
pour le pianoforte_ ankündigen. „Wüßtest du, was das für Freuden sind,
die ersten Schriftstellerfreuden! Stolz wie der Doge von Venedig mit
dem Meere, vermähle ich mich zum erstenmale mit der großen Welt.“

Gewidmet ist die im Walzerrhythmus gehaltene Gelegenheitsarbeit einer
fingierten Comtesse Pauline d’Abegg, hinter welcher eigentlich eine
Mannheimer Ballbekanntschaft, Meta Abegg, die Verehrte eines Freundes,
steckt. Auch in Opus 2, den +Papillons+, zwölf kleinen, flatternden und
schäkernden Stücken, das letzte Kapitel der „Flegeljahre“ Jean Pauls
in Töne umgesetzt, bedient er sich noch der Tanzform. Außerdem sollte
damals eine Toccata (_op._ 7) vollendet werden, doch hielt ihn von
der Ausarbeitung die während der Komposition der obengenannten Werke
gewonnene Einsicht von der Notwendigkeit theoretischer Musikkenntnisse
zurück. Er nahm gegen Ende des Jahres, als Wieck mit seiner Tochter
auf einer Kunstreise nach Paris begriffen war, bei +Heinrich Dorn+,
Kapellmeister am Leipziger Theater, Unterricht. Freilich wollte das
trockene Studium einem Phantasiemenschen seines Schlages gar nicht
behagen. „Mit Dorn werde ich mich nie amalgamieren können,“ klagt
er an Wieck; „er will mich dahin bringen unter der Musik eine Fuge
zu verstehen.“ Allein später, nachdem die Vergangenheit bereits ihr
verklärendes Licht über jene Lehrzeit gebreitet hatte, gab er dem
Lehrer seine Dankbarkeit mit bewegenden Worten kund. Ihre Berechtigung
soll hier nicht näher untersucht werden; genug, daß der Schüler, als
Dorn im Frühling 1832 nach Hamburg abberufen wurde, schon so weit
vorgeschritten war, um sich mit Nutzen weiter bilden zu können und
hinreichende Sicherheit zu besitzen glaubte, um eine so „herkulische“
Arbeit, wie es die +Übertragung der Violinkaprizen Paganinis+ für
das Pianoforte war, zu unternehmen. Der kühne Versuch gelang und
fand auch gebührende Anerkennung. Namentlich freute sich Schumann
über eine sehr wohlwollende Recension seines Werkes in Haslingers
„Musikalischem Anzeiger“, die dem Dichter Grillparzer zugeschrieben
wird, wahrscheinlich aber von dessen Bruder Camillo herrühren
dürfte. In geistreicher Weise sind die leicht schwebenden, auf die
raffinierteste Violintechnik berechneten Etüden harmonisch ausgebaut,
ohne dadurch beschwert oder herabgezogen zu werden.[2] Aus derselben
Zeit stammt auch Opus 4, die +Intermezzi+, liedförmig entwickelte
Tonsätze verschiedenen Charakters. Ihr Titel erklärt sich aus dem
ähnlichen Gebrauche dieses Wortes in Eichendorffs, Heines und anderen
Gedichtsammlungen.

Trotz dieser schöpferischen Thätigkeit und der emsig fortgesetzten
theoretischen Studien brauchten die Vorbereitungen zur
Virtuosenlaufbahn keineswegs lässiger betrieben zu werden. Schumann
widmete sich eben vom frühen Morgen bis tief in die Nacht der Musik
und verkehrte im allgemeinen nur wenig mit der Außenwelt. Aber gerade
das Streben nach raschester Vervollkommnung sollte ihm verhängnisvoll
werden, denn er zog sich durch ein unglückliches Experiment, welches
die Unabhängigkeit der Finger voneinander beschleunigen sollte, eine
Lähmung des rechten Mittelfingers zu, die später, infolge verkehrter
Behandlung, eine Zeit lang sogar die Hand ergriff und alle seine
Virtuosenträume für immer zu nichte machte. Soviel aus Schumanns
gelegentlichen Äußerungen zu entnehmen war, hatte er den bezeichneten
Finger vermittelst einer selbst erfundenen Vorrichtung, während die
übrigen Finger übten, emporgezogen und durch die übergroße Anspannung
ein Erschlaffen der Sehne verursacht. Glücklicherweise schien anfangs
Aussicht auf Genesung vorhanden zu sein, so daß der Arme nicht gleich
verzweifeln mußte, sondern nach dem ersten nicht geringen Schrecken den
guten Mut bald wiedergewann. Einstweilen, bis der Finger geheilt wäre,
beschloß er, sich mit doppelter Kraft auf die Komposition zu werfen
und schrieb, um das Brett zu bohren, wo es am dicksten war, „ganz nach
eigenem Sinne und ohne Anleitung“ einen symphonischen Satz, der später
auch wirklich in einem Konzerte der Klara Wieck (18. November 1832) zur
Aufführung gelangte, obendrein in seiner Vaterstadt. Schumann war zu
diesem für ihn hochwichtigen Ereignisse natürlicherweise nach Zwickau
geeilt und blieb daselbst den Winter über, mit der Umarbeitung seines
Werkes, auf welches er große Hoffnungen setzte, eifrig beschäftigt. In
der neuen Gestalt wurde es dann am 12. Februar 1833 im benachbarten
Schneeberg gespielt. Schon einige Wochen später kehrte der junge Autor
nicht ohne Stolz und Selbstbewußtsein nach Leipzig zurück.

Er bezog eine reizende Wohnung in Riedels Gärten, wie sie ein stilles
Dichtergemüt nur wünschen konnte, voll Sonnenschein, Blütenduft und
Vogelgesang. Das zweite Heft der Kaprizen und die phantasiereichen
„_Impromptus sur une Romance de Clara Wieck, dedié à Monsieur Fr.
Wieck_“ (_op._ 5), eine Huldigung an das befreundete Künstlerpaar,
sind hier im Laufe des Frühlings entstanden. Schumann wandte sich
also, offenbar mißtrauisch gegen seine symphonische Begabung wieder
der Klaviermusik zu. Zwar trat seine Symphonie noch ein drittes Mal
in einem Wieckschen Konzerte im Gewandhause an die Öffentlichkeit,
ist aber nie im Druck erschienen. Immerhin diente sie dazu, ihm die
Freundschaft namhafter Musiker, Hauser, Pohlenz und Stegmeyer, mit
denen er fortan häufig verkehrte, zu erwerben. Schumann war gerade
damals viel geselliger als je in späteren Jahren. Er pflegte des
Abends, nach beendigter Tagesarbeit das Restaurant zum „+Kaffeebaum+“
aufzusuchen, wo er im Kreise von Bekannten einige Stunden zubrachte.
Es waren fast ausschließlich Künstler und Altersgenossen, die dort
zusammenkamen: Wenzel, Knorr, Stegmayer, Ortlepp, Dr. Reuter, Lühe
und Lyser. Auf Schumanns Vermittlung hin stellte sich auch Wieck
ein, der gelegentlich sogar Klara mitbrachte und -- als Ältester --
den geistigen Mittelpunkt der Gesellschaft abgab. Robert aber saß
seitwärts in einer versteckten Ecke, den Kopf auf den Arm gestützt,
die unentbehrliche Cigarre im Munde, mit halbgeschlossenen Augen, wie
in Traum verloren. Dann wieder auflebend bis zur Gesprächigkeit und
Lebhaftigkeit, wenn ein interessanter Ideenaustausch angeregt wurde,
so daß man das Erwachen aus seiner Versunkenheit, das Heraustreten an
die Außenwelt beobachten konnte. (Brendel.) Das Gespräch bewegte sich
gewöhnlich um die musikalischen Zustände Deutschlands, welche eben in
jener Zeit nichts weniger als erfreulich zu nennen waren; insbesondere
in Bezug auf die Klaviermusik. Hier dominierten Herz, Hünten, Czerny
mit ihrem brillanten Floskelwesen und leeren Klingklang, während
die kürzlich verstorbenen Meister Beethoven, Weber, Schubert schier
vergessen schienen und jungen, bedeutenderen Talenten, wie Chopin,
Mendelssohn und andern keine Beachtung zu teil wurde. Sie begegneten
einer Kritik, die, allen neuen und außergewöhnlichen Erscheinungen
abhold, dieselben entweder schonungslos herunterriß oder vollständig
totschwieg, jedes oberflächliche Machwerk dagegen, sofern es nur in
althergebrachter Manier verfertigt war, ungebührlich lobte. So geschah
es z. B. in der Leipziger „Allgemeinen musikalischen Zeitung“, seitdem
die Redaktion aus den Händen des alten, trefflichen +Rochlitz+ in
jene G. W. +Finks+ übergegangen. In Berlin führte +Rellstab+, der
Herausgeber der „Iris“ sein gefürchtetes Richtschwert gegen Schumann,
Chopin, Mendelssohn und Schubert. Neben diesen zwei kritischen
Zeitschriften kommt der Wiener „Musikalische Anzeiger“ (redigiert von
Castelli) gar nicht in Betracht; er pries das Beste und Schlechteste,
all einerlei.

Da fuhr eines Junitages der Gedanke durch die jungen Brauseköpfe: laßt
uns nicht müßig zusehen, greift an, daß es besser werde, daß die Poesie
in der Kunst wieder zu Ehren komme, daß der musikalische Zopf und die
kritische Honigpinselei ein Ende habe! So entstand der Plan einer neuen
Zeitschrift für Musik, in deren Leitung sich Wieck, Knorr, Ortlepp,
Schumann und Stegmayer teilen sollten. Freilich bis zur Verwirklichung
hatte es noch gute Wege. Hoffmeister, der zur Übernahme des Verlages
ausersehen war, zauderte trotz endloser Unterhandlungen. Auch fehlte
es nicht an Differenzen zwischen den Herausgebern selbst. Wieck
zum Beispiel, der eigentlich bloß seinen Namen hergab, fühlte sich
zurückgesetzt, wenn einer der jungen Leute die Betreibung der Sache
energisch in die Hand nahm. Ohne Schumanns hingebungsvolle Thätigkeit
wäre das Unternehmen sicherlich noch gescheitert. Wie wohl er sich in
dem neuen Wirkungskreise befand, läßt sich aus den tollen Streichen
ermessen, die er den Sommer über mit seinen Genossen inscenierte.
Es kam vor, daß er sie auf der Heimkehr aus dem „Kaffeebaum“ noch
um Mitternacht in den Riedelschen Garten lud; das Gitter ward mit
Lebensgefahr überklettert, der Kellner des Weinschanks, der sich im
Hause befand, herausgetrommelt und unter den rauschenden Bäumen begann
ein übermütiges Gelage.

War nun die Überanstrengung durch die Vorarbeiten zur Zeitschrift
oder eine Verkühlung schuld oder beides zugleich -- er verfiel nach
solch einer nächtlichen Schwärmerei in eine schwere Nervenkrankheit.
Unglücklicherweise mußte den Genesenden noch die erschütternde
Nachricht von dem Tode seiner Schwägerin Rosalie und seines Bruders
Julius treffen, wodurch die Erholung neuerdings hinausgeschoben wurde.
Erst im Dezember durfte er die Arbeit an der Zeitschrift wieder
aufnehmen.

Um dieselbe Zeit, zu Ende des Jahres 1833, hatte ein junger
schwäbischer Musikus Leipzig zum dauernden Aufenthalt erkoren und
wurde bald nach seiner Ankunft mit dem Schumannschen Freundeskreise
bekannt. „In Krauses Keller trat ein junger Mensch an uns heran, alle
Augen waren auf ihn gerichtet. Einige wollten eine Johannesgestalt
an ihm finden, andere meinten, grübe man in Pompeji einen ähnlichen
Statuenkopf aus, man würde ihn für den eines römischen Imperators
erklären. Alle jedoch stimmten darin überein, daß es ein Künstler
sein müsse, so sicher war sein Stand von der Natur schon in der
äußerlichen Gestalt gezeichnet -- nun, ihr habt ihn ja alle gekannt;
die schwärmerischen Augen, die Adlernase, den feinironischen Mund,
das reiche, herabfallende Lockenhaar und darunter einen leichten,
schmächtigen Torso, der mehr getragen schien als zu tragen. Bevor er an
jenem Tage des ersten Sehens uns leise seinen Namen „+Ludwig Schunke+
aus Stuttgart“ genannt hatte, hörte ich innen eine Stimme: ‚das ist
der, den wir suchen‘ -- und in seinen Augen stand etwas Ähnliches.“
Schumann gewann an dem edlen, liebenswürdigen Künstler einen teuren
Herzensfreund, die Zeitschrift einen ihrer wärmsten Verfechter. Dank
seines werkthätigen Beistandes konnte die erste Nummer schon im April
erscheinen.

Ihr von Schumann entworfenes Programm war im wesentlichen eine
Paraphrase des Goetheschen Lehrspruches:

  „Ältestes bewahrt mit Treue,
  Freundlich aufgefaßt das Neue.“

Es lautet: „An die alte Zeit und ihre Werke mit allem Nachdruck
erinnern, darauf aufmerksam zu machen, wie nur an so reinem Quelle
neue Kunstschönheiten gekräftigt werden können -- sodann die letzte
Vergangenheit, die nur auf Steigerung äußerlicher Virtuosität ausging,
als eine unkünstlerische zu bekämpfen -- endlich eine neue poetische
Zeit vorzubereiten, beschleunigen zu helfen. -- Unerschütterlich
steht in uns die Ansicht, daß wir noch keineswegs am Ende unserer
Kunst sind, daß noch viel zu thun übrig bleibt, daß Talente unter uns
leben, die uns in unseren Hoffnungen auf eine neue reiche Blütenzeit
der Musik bestärken und daß noch größere erscheinen werden. -- Die
+Erhebung deutschen Sinnes durch deutsche Kunst+, geschieht sie nun
durch Hinweisung auf ältere Muster oder durch Bevorzugung jüngerer
Talente; mag als das letzte Ziel unserer Bestrebungen angesehen werden.
-- Wir wüßten nicht, was wir vor anderen Künsten und Wissenschaften
voraus haben sollen, wo sich die Parteien offen gegenüberstehen und
befehden, noch überhaupt, wie es sich mit der Ehre der Kunst und der
Wahrheit der Kritik vereinbaren ließe, den drei Erzfeinden unserer und
aller Kunst, den Talentlosen, dann den Dutzendtalenten, endlich den
talentvollen Vielschreibern ruhig zuzusehen. Wir schreiben ja nicht, um
die Kaufleute reich zu machen, wir schreiben den Künstler zu ehren.“

In kurzer Zeit gebot die Zeitschrift über eine stattliche Anzahl
tüchtiger Mitarbeiter; wir nennen unter anderen: Bank, Berger, Dorn,
Griepenkerl, Stephen Heller, Kahlert, Keferstein, Kistner, Koßmaly,
Krägen, Lorenz, Löwe, Lyser, Mangold, Marx, Nauenburg, Riefstahl,
Schüler, Töpken, Truhn, Weißmann, Wenzel, Zuccalmaglio. Für die
Redaktion zeichneten Schunke, Schumann, Wieck und Knorr. Man blättere
in den ersten Bänden der Zeitschrift nach: das fröhliche, kräftige
Leben darin wird noch jetzt Anteil erwecken; auch Versehen kamen vor,
wie sie ja im Gefolge aller jugendlichen Unternehmungen sind. Jeder
steuerte eben bei, was er hatte. Der Stoff schien damals endlos;
man war sich eines edlen Strebens bewußt; neue Götterbilder sollten
aufgestellt, ausländische Götzen niedergerissen werden; man arbeitete
Tag und Nacht. Es war das Ideal einer großen Künstlerbrüderschaft zur
Verherrlichung deutscher, tiefsinniger Kunst, das wohl jedem als das
herrlichste Ziel seines Strebens vorleuchten mochte. Und wie denn die
Zeitschrift zu günstiger Stunde, unter günstigen Umständen unternommen
wurde, einmal weil man des Schneckenganges der alten musikalischen
Kritik überdrüssig war und weil wirklich neue Erscheinungen am
Kunsthimmel aufstiegen, dann weil die Zeitschrift im Schoß von
Deutschland, in einer von jeher berühmten Musikstadt entsprang und
der Zufall gerade mehrere junge, gleichgesinnte Künstler vereinigt
hatte, so griff das Blatt auch rasch um sich und verbreitete sich nach
allen Gegenden hin. Fast alle bedeutenden Tonsetzer dieser Periode:
Mendelssohn, Chopin, Hiller, Taubert, Stephen-Heller, Gade, Berlioz,
Franz, Verhulst und Sterndale Benett wurden teils durch dieselbe
zuerst verständnisvoll gewürdigt, teils geradezu in die musikalische
Welt eingeführt -- nur gegen Meyerbeer nahm die Zeitschrift eine
ablehnende Haltung ein; mit Recht darf man heute behaupten. Im übrigen
liegen ihre Verdienste vornehmlich auf dem Felde der Klaviermusik.
Hier erzielte sie einen vollständigen Umschwung des Geschmackes; indem
fortan gedankenvollere, polyphone Gebilde an Stelle der alten virtuosen
Passagenwerke traten. Für die gleichfalls in Aussicht genommene
Opernreform in ähnlicher, gedeihlicher Weise zu wirken, blieb ihr
dagegen versagt, schon darum, weil es in „Klein-Paris“ kein rechtes
Theaterleben gab und den Herausgebern, abgesehen von der unerläßlichen
Begabung, auch die Erfahrung im dramatischen Genre abging.

Die Herausgeber! Ist’s denn erlaubt, von ihnen in der Mehrzahl
zu sprechen? Wieck war immerfort auf Reisen, Knorr erkrankte, so
daß eigentlich nur Schumann und Schunke als Häupter der Leipziger
romantischen Schule in Betracht kamen. Schunke wiederum, dem die Feder
nicht parieren wollte, war bloß eine moralische Macht, so daß die
Redaktionsgeschäfte fast einzig und allein auf Schumanns Schultern
lasteten. Jetzt mußten dem Musiker, der bereits 1831 in der Finkschen
Zeitung einen schönen Aufsatz über Chopin und 1833 einen über Klara
Wieck im „Kometen“ veröffentlicht hatte, seine schriftstellerischen
Gaben frommen. Er lieferte nicht allein zahlreiche Beiträge,
bearbeitete die eingelaufenen, manchmal recht elend stilisierten
Artikel, sondern besorgte auch Korrespondenzen, Verrechnungen,
Korrekturen, Anweisung der Honorare u. s. w. -- alles ohne irgend einen
pekuniären Vorteil. Zum Komponieren blieb ihm unter solchen Umständen
allerdings nur spärliche Muße.

Es war ungefähr zur Zeit des ersten Erscheinens der Zeitschrift,
als Schumann, nicht ohne längeres Sträuben seinerseits, bei dem
kunstsinnigen Kaufmanne +Carl Voigt+ und dessen Gattin +Henriette+
eingeführt wurde. Aber „nur einen Schritt in ihr Haus gethan, und
der Künstler fühlte sich heimisch darin. Aufgehängt waren über dem
Flügel die Bildnisse der besten Meister; eine ausgewählte musikalische
Bibliothek stand zur Verfügung; der Musiker, schien es, war Herr im
Hause, die Musik die oberste Göttin.“ Ein beredter Zeuge des regen
Künstlerverkehres ist das Album der Frau Voigt, durch die Autographe
berühmter Musiker -- Mendelssohn, Löwe, Chopin und anderer -- mit
denen sie teilweise auch Briefwechsel unterhielt, sehr kostbar.
(Jansen.) Poetisch und musikalisch begabt -- sie war L. Bergers
Schülerin im Klavierspiel -- hat Henriette (die „Beethovenerin“) auf
den ihr freundschaftlich zugethanen Schumann bildend und belebend
eingewirkt. Sie wurde auch seine Vertraute in dem etwa gleichzeitig
sich entspinnenden Liebesverhältnisse zu +Ernestine von Fricken+.

Dieselbe, die Tochter eines reichen böhmischen Barons aus Asch, kam im
Frühjahr 1834 nach Leipzig, um sich bei Wieck im Pianofortespiel zu
vervollkommnen, „ein herrliches, reines, kindliches Gemüt,“ wie Robert
sie schildert, „zart und sinnig, mit der innigsten Liebe an mir und
allem Künstlerischen hängend, außerordentlich musikalisch -- kurz ganz
so, wie ich mir meine Frau wünsche.“ Am 5. September verlobte sich
Schumann mit ihr, erhielt auch die Einwilligung des Vaters -- allein
der Brautstand war nicht von langer Dauer. Schon im August des nächsten
Jahres wurde das Verlöbnis, aus Gründen, die sich unserer Kenntnis noch
entziehen, in aller Freundschaft wieder gelöst.

Inzwischen hatte sich ein tief schmerzliches, aber nicht unerwartetes
Ereignis zugetragen. Ludwig Schunke war (7. Dezember 1834) an einer
zehrenden Brustkrankeit, Novalis vergleichbar, sanft aus dem Leben
geschwunden. Schumann war trostlos. Zu seiner Trauer um den Geliebten
gesellten sich noch allerlei, durch die Liederlichkeit des Verlegers
der Zeitschrift, E. +Hartmann+, hervorgerufene Zerwürfnisse, welche
endlich dadurch beigelegt wurden, daß Schumann, der nach Schunkes
Tode und Knorrs und Wiecks Rücktritt von den Leitern des Unternehmens
allein übrig geblieben, die Zeitschrift ankaufte und dem Buchhändler
+Johann Ambrosius Barth+ zum Verlag übergab. Herausgeber und Besitzer
in einer Person (vom 1. Januar 1835 ab), benützte er das erworbene
Eigentumsrecht, um wichtige Verbesserungen im kritischen Teile des
Blattes eintreten zu lassen. Musikalische Schöpfungen sind, wie schon
bemerkt, in diesem Zeitraume nur wenige zu verzeichnen. Ehe wir uns
aber mit ihnen befassen, ist es notwendig, bei dem „+Davidsbunde+“ zu
verweilen, der in den Spalten der „Neuen Zeitschrift“ eine große Rolle
spielt. Schumann dachte sich dabei einen idealen, natürlicherweise bloß
im Kopfe seines Stifters existierenden Geheimbund fortschrittlicher
Künstler, welcher König David, den mannhaften Besieger der Philister,
als Schutzpatron verehrte. Unter den Mitgliedern ragen namentlich dreie
hervor: Florestan, Eusebius und Meister Raro. +Florestan+ ist der
Wortführer der neuen Richtung in der Musik. Rücksichtslos und ungestüm
zieht er gegen jedes pedantische Festhalten am alten Zopf zu Felde.
„Warum denn rückwärts komponieren? Wem die Perücke gut steht, der mag
sich eine aufsetzen; aber streicht mir die fliegende Jugendlocke nicht
weg, wenn sie auch etwas wild über die Stirn hereinfällt. Also Locken,
Sonatenschreiber und keine falschen...! Wie kommen wir dazu, uns von
vorigen Jahrhunderten Vorschriften geben zu lassen?“ Im Gegensatze
zu ihm ist +Eusebius+ weich und schwärmerisch, ein mädchenhaft
schüchterner Jüngling. Meister +Raro+ endlich vermittelt zwischen
beiden; er vertritt die Besonnenheit und Einsicht des gereiften Mannes.
Wie diese merkwürdigen Gestalten im Verhältnis zu Schumann aufzufassen
sind, erklärt er selbst in einem Briefe an Dorn: „Florestan und Euseb
ist meine Doppelnatur, die ich wie Raro gern zum Mann verschmelzen
möchte.“ Auch hinter den übrigen Bündlern hat man wirkliche Personen
zu suchen; es sind +Walt+ (Rakemann), +Julius+ (Knorr), +Jonathan+
(Schunke?), +Serpentinus+ (Bank), +Fritz Friederich+ (Lyser) und
+Giara+ oder +Zilia+ (Klara Wieck). Zur Gestalt Meister Raros soll
Friedrich Wieck einige Züge geliehen haben.

Aber nicht allein in der Zeitschrift liebt es Schumann, sich
hinter den Namen Florestan und Eusebius zu verbergen. Sie prangen
auch als Verfasser auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe seiner
leidenschaftlichen +Fis-Moll-Sonate+ (_op._ 11), deren Wert zum
erstenmale +Franz Liszt+ erkannt und in seiner geistreichen Weise
dargelegt hat. (_Gazette musicale_, 1837, Nr. 46.) Freilich will
die Bezeichnung „Sonate“ nicht durchwegs passen: die Triebkraft der
Phantasie sprengt eben da und dort die überlieferten klassischen
Formen. Einen ähnlich stürmischen Charakter trägt das sonst minder
bedeutende _op._ 8 +Allegro+ (seiner Braut gewidmet), welches Schumann
an Frau Voigt mit dem Bedeuten sandte, „daß der Verfasser mehr tauge
als das Werk und weniger als die, der es zugeeignet ist.“ Bei weitem
höher steht dagegen _op._ 9 der +Karneval+, ein anmutig belebtes, an
pikanten Rhythmen und bunten Modulationen reiches Faschingsbild. Das
beständig wiederkehrende Motiv _ASCH_ weist uns auf die persönlichen
Beziehungen dieser Schöpfung; es drückt den Namen der Vaterstadt
Ernestines in Noten aus. Schumann fand es „sehr schmerzlich“, wie denn
das ganze Werk in ernster Stimmung komponiert worden ist. Der Musik
wird das aber niemand anmerken; sie charakterisiert das fröhliche
Gewimmel im hellerleuchteten Ballsaal ganz meisterlich. Der bedächtige
Pierrot schreitet vorüber, Pantalon und Colombine kommen leichten Fußes
einhergetrippelt, der Harlekin schlägt seine Capriolen und eine Kokette
läßt verführerisch ihre Augen spielen. Die Davidbündlerschaft fehlt
auch nicht beim Feste. Wir sehen den wild dreinfahrenden Florestan, den
träumerischen Eusebius, Chiara, Estrella (Ernestine), ferner Paganini
und Chopin. Die Krone des Ganzen aber bildet der kecke „Marsch der
Davidsbündler gegen die Philister“, welch letztere sehr ergötzlich
durch die Melodie des Großvatertanzes („Und als der Großvater die
Großmutter nahm“) charakterisiert sind. Natürlich werden die Armen zu
guterletzt jämmerlich geschlagen und Davids siegreiche Jünger erheben
frohlockend ihr übermütiges Jubellied.


  [2] Noch freier verfährt Schumann in einem zweiten Hefte, das der
      Verleger des besseren Absatzes wegen als _op._ 10 erscheinen
      ließ; er streift diesmal der Komposition alles Geigenmäßige
      ab und ersetzt die Klangeffekte des Streichinstrumentes sehr
      geschickt durch solche, die dem Klaviere eigentümlich sind.



4. Klara.

  Wem nie von Liebe Leid geschah,
  Geschah auch Lieb von Liebe nie.

           +Gottfried v. Straßburg.+


Nicht lange nach der Lösung des Verhältnisses zu Ernestine von Fricken
hielt eine neue Liebe Einzug in Schumanns Herzen, eine Liebe, deren
Keime wohl schon manches Jahr in seiner Brust geruht haben mochten,
ehe sie trieben, sproßten und breit sich entfalteten, eine Liebe, die
ihn harte Kämpfe und bittere Schmerzen gekostet, eine Liebe, der die
deutsche Kunst einige ihrer schönsten und edelsten Blüten zu verdanken
hat. Es war Klara Wieck, die langjährige Freundin, welche Ernestines
Stelle dauernd einnehmen sollte. Geboren am 13. September 1819, fand
sie schon als Kind ihres Klavierspieles halber allgemeine Bewunderung.
Neun Jahre alt ließ sie sich zum erstenmale öffentlich hören, zwei
Jahre später begann sie mit dem Vater, dessen vorzügliche Lehrmethode
in ihrem Spiele die größten Triumphe feierte, weite Konzertreisen, die
über Dresden, Weimar, Kassel, Frankfurt bis Paris führten. Die Aufnahme
war überall enthusiastisch. In Weimar trug der greise Goethe das
Stuhlkissen eigenhändig für sie herbei und schenkte ihr beim Abschied
sein Brustbildmedaillon mit der Widmung: „Der geistreichen Klara
Wieck.“ Auch andere berühmte Männer: Spohr, Mendelssohn, Alexander von
Humboldt, Chopin, Herz und andere nahmen an ihr lebhaftes Interesse;
Schumann verehrte sie „wie der Pilgrim das ferne Altarbild“ und
stellte sie in eine Reihe mit Paganini. Über ihre äußere Erscheinung
giebt Heinrich Dorn folgende Nachricht: „Meine Klara (denn sowohl
von ihrem Vater, als von allen, die sie kannten, wurde sie nicht
anders genannt), war 1831 ein reizender Backfisch; zierliche Gestalt,
blühende Gesichtsfarbe, zarte, weiße Händchen, üppiges, schwarzes Haar,
kluge, glutvolle Augen; alles war an ihr appetitlich.“ Mit Robert,
„dem herrlichen, prächtigen Menschen,“ stand sie in geschwisterlichem
Verhältnis. „Klara,“ schreibt er seiner Mutter 1833, „die wie immer
innig an mir hängt, ist die alte -- wild und schwärmerisch -- rennt
und springt und spielt wie ein Kind und spricht wieder einmal die
tiefinnigsten Dinge. Es macht Freude, wie sich ihre Herzens- und
Geistesanlagen jetzt immer schneller, aber gleichsam Blatt für Blatt
entwickeln. Als wir neulich zusammen von Connewitz heimgingen (wir
machen fast täglich zwei- bis dreistündige Märsche), hörte ich, wie
sie für sich sagte: „O, wie glücklich bin ich, wie glücklich!“ Wer hört
das nicht gern! Auf demselben Wege stehen sehr unnütze Steine mitten im
Fußsteg. Wie es nun trifft, daß ich oft im Gespräche mit anderen mehr
auf- als niedersehe, geht sie immer hinter mir und zupft an jedem Stein
leise am Rock, daß ich ja nicht falle. Einstweilen fällt sie selbst
darüber.“ Bald darauf spricht Schumann dem Mädchen mit der Dedikation
der Impromptus die Hoffnung aus, „daß die Vereinigung unserer Namen
auf dem Titel eine unserer Ansichten und Ideen für spätere Zeiten sein
möchte. +Mehr bieten kann ich Armer nichts.+“ Während des Brautstandes
mit Ernestine verblaßte begreiflicherweise das Bild Klaras, die sich
obendrein meist auswärts auf Kunstreisen befand. Doch schon im Sommer
1835 schwebt ihm überall ihr „Engelskopf“ mitten unter Festen und
Freudenhimmeln vor. Täglich, ja stündlich fühlte er sich mehr zu
ihr hingezogen und während des folgenden Winters vollzog sich die
Umwandlung des bisher bloß freundschaftlichen Bundes in ein offenes
Liebesverhältnis. Klaras rege Beteiligung am Leipziger Musikleben,
welches damals durch die Ankunft Mendelssohns einen neuen, mächtigen
Aufschwung nahm, brachte sie fortwährend mit Robert in Berührung. Im
Februar 1836 endlich, kurz nach dem Tode seiner Mutter (gestorben
4. Februar) erscheint das förmliche „Sie“ im Briefwechsel durch das
vertraute „Du“ ersetzt, denn Schumann schreibt: „Vielleicht daß der
Vater die Hand nicht zurückzieht, wenn ich ihn um seinen Segen bitte.
Freilich giebt es da noch viel zu denken, auszugleichen. Indes vertraue
ich auf unseren guten Geist. Wir sind vom Schicksal schon füreinander
bestimmt: schon lange wußte ich das, aber mein Hoffen war nicht so
kühn, +dir+ es früher zu sagen und von dir verstanden zu werden.“

Nun war Vater Wieck unserem Künstler zwar aufrichtig gewogen und
hatte gern zur Verbreitung seiner Werke beigetragen, allein _in
puncto_ seiner Tochter verstand der alte, etwas fahrige Herr keinen
Spaß. Klara, sein Stolz, die sichtbare Verkörperung seiner illustren
Klaviermethode, schien ihm wahrlich zu Höherem bestimmt als die
Frau eines noch ziemlich unbekannten und unbemittelten Komponisten
abzugeben! Er wies die kühne Werbung rundweg ab und reiste, um eine
weitere Annäherung zu vereiteln, mit Klara auf der Stelle nach Breslau.
Doch gelang es Schumann, der als Redakteur der Musikzeitung überall
Verbindungen hatte, wenigstens geheimen Briefwechsel mit der Geliebten
zu pflegen.

Sein nächstes Streben war jetzt auf die Gründung einer sicheren
Existenz gerichtet, denn die fünfhundert Thaler Rente, die er von
seinem väterlichen Erbteil bezog, reichten wohl hin ihn vor Not
und Sorge ums tägliche Brot, den treuen Gefährtinnen des deutschen
Musikers, zu schützen, aber nicht zum Unterhalt einer Familie. Durch
Verpflanzung der Zeitschrift nach Wien hoffte er ihre Einträglichkeit
um ein Bedeutendes zu steigern und betrieb deshalb in aller Stille aber
eifrig diese Angelegenheit. So schwand das Jahr unter viel Bekümmernis,
für die ihn nur der häufige Umgang mit Felix Mendelssohn einigermaßen
entschädigen konnte. Mendelssohn besaß, was Schumann am meisten
fehlte: musikalische Durchbildung, Weltgewandtheit, außerordentlichen
Formensinn und imponierte damit dem jüngeren Meister bis zu heller
Begeisterung. „Er ist der beste Musiker der Zeit, zu dem ich aufschaue
wie zu einem hohen Gebirge,“ ruft er aus, während der Schöpfer des
„Paulus“, dem Schumanns kostbares Gut, der Gehalt im Busen eigentlich
abging, mit der schönen Form im Geiste die künstlerische Bedeutung
des Freundes, so sehr er ihn als Menschen hochschätzte, nie begriffen
hat. Wehe aber, wenn sich jemand in Schumanns Gegenwart ein abfälliges
Urteil über Mendelssohns Musik erlaubte! Das konnte den sonst so
stillen, fast apathisch Scheinenden in die größte Erregung versetzen.
Übrigens bemerkt er selbst einmal ganz richtig: „In ähnlichen
Verhältnissen wie er (Mendelssohn) aufgewachsen, von Kindheit an zur
Musik bestimmt, würde ich euch samt und sonders überflügeln.“

Fast täglich trafen die beiden Meister am Mittagstische des Hotels de
Baviere zusammen. Außerdem gehörten noch Walther von Goethe, Frank,
David und Sterndale Benett zur Tafelrunde. Dem letzteren, der sich
damals längere Zeit in Leipzig aufhielt, sind die _Etudes symphoniques_
(_op._ 13) gewidmet, höchst originelle Variationen, deren prächtiges
Finale mit dem beabsichtigten Anklang an ein englisches Volkslied
(„Wer ist der Ritter hochgeehrt?“) direkt an das Nationalgefühl
Benetts appelliert. Daneben vollendete Schumann noch ein _Concert sans
orchestre_ (_op._ 14, später Sonate III genannt) und die herrliche
+C-Durphantasie+ (_op._ 17) „eine tiefe Klage um Klara.“ Anfangs wollte
er sie, da ihr eventueller Ertrag für das in Bonn zu errichtende
Beethovendenkmal bestimmt war, „Obolus“ oder „Ruinen, Siegesbogen und
Sternenkranz“ betiteln, bis er sich später für „Große Sonate“ und
schließlich für das weit angemessenere „Phantasie“ entschied. Als Motto
trug das Werk den Schlegelschen Vers: „Durch alle Töne tönet im bunten
Erdenraum ein leiser Ton gezogen für den, der heimlich lauschet.“

Mit dem leisen Tone ist, wie aus einem Schumannschen Briefe hervorgeht,
Klara gemeint. Auf sie weisen uns denn auch die Kompositionen
des folgenden Jahres, die +Phantasiestücke+ (_op._ 12) und die
+Davidsbündlertänze+ (_op._ 6) hin, von welchen namentlich die erste
in der Kunstwelt Anerkennung und Liebe gefunden hat. In diesen
wunderbaren Stimmungsbildern entfaltet sich Schumanns Talent in seiner
ganzen Fülle und Eigentümlichkeit, mag er nun „des Abends“ schwärmen
oder seltsame „Traumeswirren“ schildern oder „Grillen“ nachjagen oder
die bedeutungsvolle Frage „Warum?“ an das Schicksal richten. Für das
gelungenste Stück hielt er selbst das fünfte „In der Nacht“, worin
er, als es bereits fertig war, die Geschichte von Hero und Leander zu
finden glaubte: „wie er sich ins Meer stürzt, sie ruft, er antwortet,
er durch die Wellen glücklich ans Land -- dann die Kantilene, wo sie
sich in den Armen haben -- dann, wie er wieder fort muß, sich nicht
trennen kann, bis die Nacht wieder alles in Dunkel hüllt.“ Mit Bezug
auf das Schlußstück: „Das Ende vom Lied“, schreibt Schumann an Klara:
„Ich dachte dabei, nun am Ende löst sich alles in eine lustige Hochzeit
auf, aber am Schluß kam wieder der Schmerz um dich dazu und da klingt
es wie Hochzeit- und Sterbegeläute untereinander.“ Ganz ähnlich lautet
eine Briefstelle über die Davidsbündlertänze, welchen als Motto der
alte Spruch: „In all und jeder Zeit verknüpft sich Lust und Leid;
bleibt fromm in Lust und seid dem Leid mit Mut bereit“ vorangesetzt
ist. „In den Tänzen,“ heißt es dort, „sind viele Hochzeitsgedanken --
sie sind in der schönsten Erregung entstanden, wie ich mich nur je
besinnen kann; ein ganzer Polterabend nämlich ist die Geschichte und du
kannst dir Anfang und Schluß ausmalen. War ich je glücklich am Klavier,
so war es, als ich sie komponierte.“

Vergleicht man die angeführten Stellen miteinander, so ergeben
sich aus ihnen wertvolle Aufschlüsse über den Verlauf seines
Liebesromanes. Während zur Zeit der Komposition der Phantasiestücke
ihn noch bange Zweifel an dem guten Ausgang heimsuchen, sehen wir ihn
jetzt in ungetrübter Heiterkeit der Zukunft entgegenschauen. Klaras
unerschütterliche Treue war’s, die ihn vor gänzlicher Resignation
bewahrte, ja schließlich sogar mit solcher Zuversicht erfüllte, daß
er am 13. September 1837, ermutigt durch das freundliche Benehmen des
Vaters, um ihre Hand nochmals anzuhalten wagte. Wieck hatte schon
vermeint, daß die Leidenschaft der beiden Liebenden, die sich auf
stillschweigendes Übereinkommen hin über ein Jahr nicht gesehen, durch
die Trennung erkalten werde und mußte nun zu seinem Ärger gewahren,
daß die Flamme heller brenne wie zuvor. Überrascht und außer Stande
begründeten Einwand zu erheben, gab er bloß unklare, ausweichende
Antwort. Er spielte auf Schumanns ungeregelte Verhältnisse an: dieser
schränkte sich auf das Äußerste ein. Er ließ verlauten, daß Schumann
noch mehr verdienen müsse. Dieser nahm, obgleich die Zeitschrift auch
so prosperierte, seinen alten Plan, die Übersiedelung nach Wien,
energisch wieder auf, besonders als Klara dortselbst im Dezember große
Triumphe gefeiert hatte. Die Unterhandlungen mit Wiener Freunden des
Blattes (Vesque von Püttlingen und Joseph Fischhof) zogen sich hin
bis zum Herbst des folgenden Jahres, und Schumann schrieb in dieser
Zeit drei seiner vorzüglichsten Werke: +Die Novelletten+ (_op._ 21),
die man als Nachklang der Phantasiestücke betrachten kann, ferner die
+Kreisleriana+ (_op._ 16) und +Kinderscenen+ (_op._ 15).

Jene geben sich, wie ja die Überschrift sagt, als Schöpfungen
des berühmten romantischen Musikus Kreisler, mit welchem sich
Schumann hier identifiziert. Man kennt diese originelle Gestalt
T. A. Hoffmanns, deren excentrisches Wesen und Gebaren durch
atemversetzende Synkopenketten sehr zutreffend charakterisiert wird,
aus „Kater Murr“ (Universal-Bibliothek Nr. 153-156). Von einer neuen,
überaus liebenswürdigen Seite zeigt sich Schumanns Genius in den
„Kinderscenen“. Mit welcher Feinheit, bemerkt Liszt, läßt er die
verschiedensten Jugendeindrücke aufeinander folgen! Wie harmonisch
verteilt er Licht und Schatten im Fortschreiten von Begebenheiten im
äußeren Leben des Kindes zur Schilderung seiner Innerlichkeit! Und --
um nur bei einem allgemein bekannten Werk einen Augenblick zu verweilen
-- wie glücklich ist die Aufeinanderfolge der Stücke! Glaubt man doch
bei der Erzählung „von fremden Ländern und Menschen“ die aufhorchenden
blonden Kinderköpfchen starr nach dem Munde des Erzählers gerichtet
zu sehen, bis die „kuriose Geschichte“ ihre erregte Phantasie wieder
in das umgebende Leben zurückführt, wo dann mit dem „Haschemann“ der
Übergang zum Tummeln und Spielen gemacht wird. Da ist aber ein Kind,
dessen Gedanken schon in die Ferne, nach dem Unmöglichen schweifen,
das Freude auf Freude, Spiel auf Spiel häufen möchte. Dem bittenden
Kinde antwortet man mit weisem, sanftem Vorwurf: „Glückes genug.“ So
müssen die kaum sich entfaltenden Seelen schon das schwere Wort von
der irdischen Unzulänglichkeit begreifen lernen. Doch dem innigen
Sittenspruch folgt eine „wichtige Begebenheit“. Da wenden sich die
jungen Gemüter von dem Betrübtsein, das selbst der leiseste Vorwurf
ihnen bringt, zu den wechselnden Vorfällen der Wirklichkeit, in denen
wieder für einige der Hauptreiz darin liegt, daß sie zu schwärmerischem
Nachsinnen, zu „Träumereien“ führen, denen man nirgends besser als „am
Kamin“ nachhängen kann. Dort beginnen wieder wunderbare Geschichten
voll merkwürdiger Ereignisse, wie der „Ritter vom Steckenpferd“
oder voll Grausens, wenn sie „fast zu ernst“ werden oder „fürchten
machen“. Nun aber senkt sich das friedlichste und liebenswürdigste
der Gespenster, der Sandmann, über die von wirren Bildern des Tages
ermüdeten Augen des „einschlummernden Kindes“ und „der Dichter
spricht.“ Er spricht zu den Ruhenden und giebt seinen Segen all
den kleinen Ereignissen des Tages, deren Bedeutung sein denkender
Geist erhöht; denn im symbolischen Spiegel zeigen sie die großen
Begebenheiten des reiferen Lebens, wie sie oft in derselben Folge von
denselben Eindrücken angeregt erscheinen.

Anfang Oktober 1838 reiste Schumann, nachdem an seiner Statt Oswald
Lorenz die Leitung der Redaktionsgeschäfte übernommen hatte, selbst
nach der Donaustadt, um sowohl mit den Behörden und Verlegern die
nötigen Unterhandlungen zu pflegen, als auch um das Publikum ein wenig
kennen zu lernen. Allein schon nach den ersten Tagen sah er sich in
seinen Hoffnungen gründlich getäuscht; der heilige Boden, auf welchem
die größten deutschen Tondichter einstens gewandelt, war jetzt der
Tummelplatz italienischen Opernklingklangs und ausgelassener Tanzmusik.
Man wird den künstlerischen Niedergang Wiens wohl am treffendsten
seit dem Falle der Euryanthe (Oktober 1823) datieren, da von diesem
Zeitpunkte an die Freunde deutscher Kunst, eingeschüchtert und
uneins den fanatischen Parteigängern Rossinis das Feld ganz und gar
überließen. Bald nach seiner Ankunft schon bekennt Schumann, „ich passe
nicht unter diesen Schlag Menschen; hinge es von mir ab, morgen ging
ich nach Leipzig zurück; die Zeitung verliert offenbar, wenn sie hier
erscheinen muß;“ ja, nicht einmal das Erscheinen des Blattes sollte er
durchsetzen können, da man ihm als Ausländer die Bedingung stellte, daß
ein österreichischer Verleger an die Spitze des Unternehmens trete, die
Wiener Buchhändlerfirmen aber davon nichts wissen wollten, weil sie
für ihren Strauß, Proch u. s. w. von der „revolutionären“ Zeitschrift
fürchteten. In den landesüblichen, lobhudelnden Recensententon mit
einzustimmen und dadurch in den Augen Norddeutschlands feige, matt
und verändert zu gelten, dazu war Schumann natürlicherweise nicht zu
bewegen. Von der Aussichtslosigkeit seines Vorhabens völlig überzeugt,
kehrte er im Frühjahr 1839 schweren Herzens nach Sachsen zurück. So
ganz fruchtlos sollte übrigens der Wiener Aufenthalt für die Kunst
nicht gewesen sein, denn eine Anzahl reizender Klavierwerke ist damals
teils neu entstanden, teils vollends ausgeführt worden und zwar
folgende: +Scherzo, Gigue und Romanze+ (_op._ 32), +Arabeske+ (_op._
18), +Blumenstück+ (_op._ 19), +Humoreske+ (_op._ 20), +Nachtstücke+
(_op._ 23), +Faschingsschwank+ (_op._ 26). Von diesen erfordern nur die
beiden letztgenannten einige Bemerkungen. Im Faschingsschwank, der in
Wien erschienen ist, macht sich nämlich Schumann den Spaß, der hohen
Censur ein Schnippchen zu schlagen, indem er recht unschuldig mitten
unter allerlei Tanzmotiven plötzlich die in Wien streng verbotene
Marseillaise anklingen läßt. Die Nachtstücke hingegen sind darum
merkwürdig, weil sich in ihnen die ersten Spuren einer beginnenden
Gemütsverdüsterung zeigen. „Es kommt darin,“ schreibt er, „eine Stelle
vor, auf die ich immer zurückkomme; da ist, als seufzte jemand recht
aus schwerem Herzen: „Ach Gott.“ Ich sah bei der Komposition immer
Leichenzüge, Särge, unglückliche, verzweifelte Menschen und als ich
lange nach einem Titel suchte, kam ich immer auf den: Leichenphantasie.
Beim Komponieren war ich auch oft so angegriffen, daß mir die Thränen
herankamen und wußte doch nicht warum. Da kam Theresens (seiner
Schwägerin) Brief und nun stand es klar vor mir. Bruder Eduard lag im
Sterben.“

Solche melancholische Stimmungen verflogen indessen rasch in dem
buntfarbigen, regsamen Wiener Leben. Auch an erhebenden Momenten fehlte
es nicht, wozu man den freundschaftlichen Verkehr mit Mozarts Sohne und
den Besuch der Grabstätten der großen Tonmeister zählen muß. Auf dem
Heimwege vom Währinger Kirchhof war’s, da fiel ihm ein, daß Schuberts
Bruder Ferdinand ja noch lebe. Er suchte denselben auf, durchwühlte
den Nachlaß des früh Verblichenen und entdeckte darin zu seiner
Freude die große C-Dursymphonie, welche sogleich an Mendelssohn zur
Aufführung übersendet wurde. Auch gelang es ihm, Breitkopf und Härtel
zur Drucklegung des bedeutenden Werkes zu bewegen. Ausführliches über
die denkwürdige Episode findet man im dritten Band seiner „Gesammelten
Werke“ (Universal-Bibliothek, Nr. 2621 u. 2622).

Nach Leipzig zurückgekehrt, widmete sich Schumann mit allen Kräften
der Zeitung, die ihn nach der langen Abwesenheit „wieder so jugendlich
anlachte“ wie in den Tagen ihrer Gründung. In richtiger Erkenntnis,
daß ihm nur die Vereinigung mit der Geliebten den zu freiem Schaffen
unentbehrlichen Seelenfrieden verleihen könne, hielt er sodann im
Sommer 1839 zum drittenmale bei Wieck um Klara an. Der alte Starrkopf
aber weigerte sich so hartnäckig, daß dem liebenden Paare kein
anderer Ausweg übrig blieb, als den Heiratskonsens gerichtlich zu
erzwingen. Wie peinlich mußte diese Notwendigkeit unseres Künstlers
stille, empfindsame Natur berühren, zumal da Wieck in seiner Wut alle
Haltung verlor und sich nicht scheute, eine Schmähschrift gegen den
Bräutigam seiner Tochter zu veröffentlichen! Komponiert wurde in dieser
aufgeregten Zeit nur wenig: +drei Romanzen für Klavier+ (_op._ 23).
Klara, die in bitterem Kampf zwischen Liebe und Kindespflicht für
Robert entschieden hatte, verließ jetzt den Vater und begab sich zu
ihrer Mutter, Wiecks erster geschiedener Gattin nach Berlin.

Der gerichtliche Entscheid, dessen Ausfall übrigens nicht zweifelhaft
sein konnte, ließ lange auf sich warten. Inzwischen kam das Jahr 1840,
zu dessen Beginne sich Schumann durch seinen Freund Keferstein an
der Universität Jena um den Doktortitel bewarb. Derselbe wurde ihm
auch wirklich in Anbetracht seiner künstlerischen, kritischen und
ästhetischen Thätigkeit _honoris causa_ verliehen. Bald darauf hatte
der neugebackene Doktor die Freude, seinen verständnisvollen Beurteiler
in der _Gazette musicale_ (vergl. S. 33), Liszt, der eben in Leipzig
konzertierte, von Angesicht kennen zu lernen. Der geniale König des
Klaviers machte auf Schumann einen tiefen Eindruck. „Liszt erscheint
mir alle Tage gewaltiger,“ schreibt er, „ich bin mit ihm fast den
ganzen Tag beisammen. Er sagte mir gestern, mir ist’s, als kennte ich
Sie schon zwanzig Jahre -- mir geht’s auch so. Wir sind schon recht
grob gegeneinander... Wie er doch außerordentlich spielt und kühn und
toll und wieder zart und duftig, daß wir alle zitterten und jubelten!“
Das waren ein paar schön verlebte Tage in dieser schmerzlichen Zeit des
Harrens und der Ungeduld.

Endlich, im Sommer, traf der ersehnte Heiratskonsens ein und nun stand
der ehelichen Verbindung der Vielgeprüften kein Hindernis mehr im Wege.
Am 12. September traute sie Pfarrer Wildenhahn, ein Schulkamerad
Roberts, in aller Stille in Schönefeld, einem Dorfe bei Leipzig.

Keine glücklichere, keine harmonischere Vereinigung -- sagt Liszt schön
und treffend -- war in der Kunstwelt denkbar als die des erfindenden
Mannes mit der ausführenden Gattin, des die Idee repräsentierenden
Komponisten mit der ihre Verwirklichung vertretenden Virtuosin. Robert
und Klara Schumann reihen sich in den Sagen der Kunst den glänzenden
Beispielen von dem schönen Walten der Natur ein, welche diese beiden
Künstler und Liebenden, die auf Erden nur in und durch sich glücklich
werden konnten, nicht durch Zeit und Raum trennte, sondern ihnen zu
günstiger Stunde in gemeinsamem Vaterlande das Leben gab, damit sie
sich begegnen, ihre Geschicke in einem Strome vereinigen, ihre Herzen
in ein Meer gemeinsamer, tiefer Anschauungen versenken konnten. Die
Annalen der Kunst werden beider Gedächtnis in keiner Beziehung trennen
und ihre Namen nicht vereinzelt nennen können, die Zukunft wird mit
+einem+ goldenen Schein beide Häupter umweben, über beiden Stirnen
nur +einen+ Stern erglänzen lassen, wie auch ein berühmter Bildner
(Rietschel) die Profile des unsterblichen Paares schon in einem
Medaillon vereinigt hat.



5. Die Lieder.

  Lenzes Gebot, die süße Not,
  Die legten’s ihm in die Brust,
  Nun sang er, wie er mußt.

                           +Wagner.+


„Ich schreibe jetzt nur Gesangssachen, großes und kleines, auch
Männerquartette. Kaum kann ich Ihnen sagen, welcher Genuß es ist, für
die Stimmen zu schreiben, im Verhältnis zur Instrumentalkomposition
und wie das in mir wogt und tobt, wenn ich in der Arbeit sitze. Da
sind mir ganz neue Dinge aufgegangen,“ berichtet ein Brief vom 19.
Februar 1840 an Keferstein. Wirklich hat Schumann in diesem Jahre,
das man darum auch das „Liederjahr“ zu nennen pflegt, ausschließlich
Vokalwerke geschaffen, und zwar so schöne, so vollendete, daß
sie noch gegenwärtig als unübertroffene Muster dastehen und den
Gipfelpunkt der ganzen Kunstform in Deutschland bedeuten. Gleichwie
einst Beethoven im Schlußsatze der neunten Symphonie das Wort zu
Hilfe nehmen mußte, um jene Deutlichkeit des Ausdruckes zu erzielen,
welche der Instrumentalmusik allein versagt ist, so drängte, _si
licet parva componere magnis_, unseren Meister, nachdem er in seinen
scharf charakterisierenden Klavierstücken die äußerste Grenze rein
musikalischen Ausdrucksvermögens berührt hatte, die Kraft des
Empfindens, welche durch das reiche Liebesglück dieses Jahres zu
höchster Gewalt gesteigert worden war, am Ende auch zur menschlichen
Sprache hin. Der äußere Anlaß, der Schumann bewog, von dem bisher
kultivierten Felde der Klavierkomposition auf das vokale Gebiet
überzutreten, ist nicht recht bekannt. Noch im Sommer 1839 schrieb er
an Hirschbach: „Komponieren Sie doch mehr für Gesang, oder sind Sie
vielleicht wie ich, der ich Gesangskompositionen, so lange ich lebe,
unter die Instrumentalmusik gesetzt habe und nie für eine große Kunst
gehalten? Doch sagen Sie niemandem davon.“ Vielleicht hat der rege
Briefwechsel mit dem Liederkomponisten Koßmaly die erste Anregung
gegeben.

Damit wir Schumanns hohe Verdienste um das deutsche Lied nicht
unrichtig bemessen, dürfen wir bei ihrer Würdigung sein künstlerisches
Verhältnis zu Schubert nie aus dem Auge verlieren. Daß der Fortschritt
des Schöpfers der „Winterreise“ seinen Vorgängern gegenüber größer
sei, als der Fortschritt von ihm zu Schumann, wird kein Einsichtiger
bestreiten wollen. Auch entspringen manche Vorzüge des Schumannschen
Liedes nicht etwa einer -- in diesen Punkten wenigstens überlegenen
Begabung, als vielmehr äußeren, zufälligen Umständen. Nirgends
erwachte z. B. der Sinn für Sprachreinheit und Sprachrichtigkeit so
spät wie in Österreich. Nicht lange vor Mozarts Tode gestand der
österreichische Dichter Alxinger, daß er mit eiserner Geduld fast jedes
Wort in einem Lexikon nachschlagen müsse, ehe er es niederzuschreiben
wage und bewunderungswürdig erscheinen unter solchen Verhältnissen
die so häufigen Offenbarungen feineren Sprachgefühls bei ungebildeten
Musikern wie Mozart oder Schubert. Man darf nicht zweifeln, daß diese
Meister, durch irgend einen Zufall in frühester Kindheit aus der
Heimat etwa nach Sachsen verschlagen und daselbst an einem Gymnasium
erzogen, den Neueren an sorgfältiger Beachtung des Sprachaccentes und
an packender Wahrheit des Ausdrucks keineswegs nachstehen würden und
ähnlich verhält es sich mit der Wahl der Gedichte. Schubert mußte
noch komponieren, was ihm gerade zu Händen kam; Schumann hingegen
vermochte, dank seinen ausgebreiteten litterarischen Kenntnissen frei
aus dem unerschöpflichen Born deutscher Lyrik zu wählen, was ihm der
Komposition würdig und fähig schien. „Weshalb nach mittelmäßigen
Gedichten greifen, was sich dann immer an der Musik rächen muß?
Einen Kranz von Musik um ein wahres Dichterhaupt schlingen -- nichts
Schöneres. Aber ihn an ein Alltagsgesicht verschwenden, wozu die
Mühe?“ Am häufigsten hat Schumann Rückert und Heine komponiert, welche
durch mehr als vierzig Stücke vertreten sind; dann folgen Goethe (24),
Eichendorff (22), Burns (19), Justinus Kerner (17), A. v. Chamisso
(14), E. Geibel, Elisabeth Kulmann, Hoffmann von Fallersleben (11),
Uhland, Robert Reinick (10), Nikolaus Lenau, Möricke (9), Lord Byron
(6), Friedrich Hebbel, Andersen (5). Vereinzelt erscheinen Moore,
Mosen, Platen, Zedtlitz, Schiller, Halm, Anastasius Grün, Klopstock,
Shakespeare, Immermann u. a. Das ergiebt, wenn noch einige Texte
altdeutscher oder spanischer Herkunft mit eingerechnet werden, an
dreihundert Gesangsstücke, von welchen die Hälfte allein auf das Jahr
1840 fällt; vier Hefte mehrstimmiger Gesänge (_op._ 29, 33, 34, 43) und
die doppelte Anzahl mit Sololiedern, nämlich: +Liederkreis von Heine+
(_op._ 24), +Myrthen+ (_op._ 25).[3] +Zwölf Gedichte von Justinus
Kerner+ (_op._ 35). +Sechs Gedichte von Robert Reinick+ (_op._ 36).
+Liederkreis von Eichendorff+ (_op._ 39). +Frauenliebe und Leben von
Chamisso+ (_op._ 42). +Zwölf Gedichte aus Rückerts Liebesfrühling+
(_op._ 37). +Fünf Lieder+ (Andersen zugeeignet, _op._ 40) und
+Dichterliebe von Heine+ (_op._ 48). Das ist viel, sehr viel und reicht
doch nicht heran an Schuberts erstaunliche Fruchtbarkeit, zumal, wenn
man die kurze Lebenszeit dieses Meisters mit in Betracht zieht.

Schon die obigen Daten lassen erkennen, daß Schumanns Lied auf der
romantischen Lyrik beruht, während Schubert sich, wie man weiß, von
Goethes Muse angezogen fühlte. Zwar hat Schumann auch und öfter
Goethesche Gedichte in Musik gesetzt, doch bezeichnenderweise meist
solche aus dem Divan (Myrthen) und Wilhelm Meister (_op._ 98), die
eine Neigung zur Romantik zeigen. Übrigens gehören sie nicht zu seinen
vorzüglichsten Leistungen, vielmehr wird uns die ganze Innigkeit seines
Herzens gerade bei der Komposition jüngerer Liederblüten enthüllt.
Ein Übel freilich haftet diesen modernen „Vertonungen“ immer an.
Gedichte, die fast kaum für den laut gesprochenen Vortrag, sondern
bloß für die stumme Lektüre bestimmt sind, werden in einer Weise
in Musik gesetzt, daß sie, gesungen, dem eigenen Dichter als etwas
ihm Wildfremdes vorkommen müssen. Bei einem Gedichte, welches als
Litteraturgedicht bereits vollkommen der Absicht des Poeten genügte und
somit eine musikalische Ausführung gar nicht aus sich bedang, kann die
musikalische Komposition natürlich auch bloß wiederum ein besonderes
Gedicht des Musikers sein, das mit dem Wortgedichte einen oft ganz
willkürlichen oder nur allgemeinen Gefühlszusammenhang hat. (Wagner.)
Die Fälle, in denen es thatsächlich zur vollen Übereinstimmung zwischen
Text und Komposition kommt, sind ziemlich selten, sogar bei den
Meistern dieser Kunstform. Auch Schumann gelang sie nur einigemale, am
schönsten wohl in dem herrlichen Cyklus „Frauenliebe und Leben“; sonst,
z. B. bei den -- im übrigen entzückend gesetzten -- Eichendorffschen
Liedern, kann er bloß einzelnen hervorstechenden Eigentümlichkeiten,
dem Verschwimmenden, in Duft sich Auflösenden gerecht werden, indessen
manch feiner Zug dieser Poesien verloren geht. Wieder anders verhält es
sich mit Fr. Rückert. Seine Verse gewinnen im Schlepptau einer schönen
Melodie („Du meine Seele, du mein Herz“), welche über die häufigen
trivialen Wendungen hinwegtäuscht; bei sorgfältiger Deklamation
aber treten die Mängel seiner bunt schillernden, stimmungsarmen
Lieder deutlich zu Tage. Bei Kerner, Burns, Reinick trifft Schumann
sehr glücklich den Volkston (Wohlauf noch getrunken, Erstes Grün;
-- Das Hochlandsmädchen, Mich zieht es nach dem Dörfchen hin; --
O Sonnenschein, Ständchen), oft aber sucht er, wie insbesondere
bei Reinick, diese anspruchslosen Gedichte tiefer aufzufassen,
wodurch ein fühlbares Mißverhältnis zwischen dem naiven Text und der
reflektierenden musikalischen Wiedergabe entstanden ist.

Mit Heinrich Heine hat’s eine eigene Bewandtnis. Sangen einst die
Romantiker gern von wandernden Musikanten, die mit lustigem Spiel
alles Volk zu Tanz und Freude bewegen, während schneidendes Weh in
ihrem Herzen haust, so macht sich der ungezogene Liebling der Grazien
den Spaß, das ganze Verhältnis einfach umzukehren. Er thut, als sei
er unsagbar traurig, an Leib und Seele elend aus Liebesgram, bis dem
vertrauensseligen Leser die Thränen der Rührung über die Backen laufen,
indessen der Schalk sein heimlich Gaudium hat. Unter der ungeheueren
Schar der Angeführten sieht man neben sehr vielen Ästhetikprofessoren
und Litteraturhistorikern auch unsere harmlosen Liederkomponisten
der Reihe nach figurieren. Sie merkten den Ulk nur stellenweise, da
wo Heine selbst den täuschenden Schleier mit einem plötzlichen Witze
zerschleißt: daß ja die +ganze+ Dichtung ein genial durchgeführter
Witz sei, ist keinem aufgegangen. Damit soll der Wert z. B. der
Schumannschen Heinelieder nicht geschmälert sein, sondern bloß dem
verbreiteten Irrtum begegnet werden, als habe Schumann den Geist der
Heineschen Lyrik mit großer Treue bewahrt. Das ist ganz unmöglich,
denn die Musik, die wahrste von allen Künsten, wäre gar nicht
imstande, ironische Stimmungen auszudrücken. Unser Meister nahm also
diese Lügenpoesie gläubig hin als das, was sie schien, strebte ihren
(absichtlich) übertriebenen Klagen durch Erschöpfung des musikalischen
Ausdrucksvermögens zu entsprechen, so daß sie schließlich gar,
gleichsam wiedergeboren aus dem Schoße der Tonkunst, als echte und edle
Gebilde jedes Herz bezaubern und entzücken.

Mit der Verschiedenheit der Texte hängt es auch zusammen, daß dem
Klavierpart bei Schumann eine viel bedeutendere Rolle zugeteilt
ist, als bei Schubert. Die pointenreiche, komplizierte, moderne
Lyrik läßt sich in all ihren feinen Details durch die Singstimme
gar nicht erschöpfen; hier tritt unterstützend und ergänzend der
Klavierpart hinzu und verschmilzt mit der Gesangsmelodie, welche ohne
ihn oft gar nicht als Melodie verstanden werden könnte, zu +einem+
unauflöslichen Ganzen. Bald weckt er vor dem Eintritt des Gesanges
im Hörer die erwünschte Stimmung, bald spinnt er die, in den letzten
Worten des Gedichtes angeregten Gedanken weiter fort, nicht selten
führt er sogar die Gesangsmelodie, die manchmal gar nicht über dem
Dreiklang der Tonart endigt und gleichsam abgebrochen scheint, erst
zum befriedigenden Abschluß. In diesen Nachspielen liegt nicht zum
mindesten die Schönheit Schumannscher Lieder. Wie sinnig schlägt er,
um nur ein berühmt gewordenes Beispiel anzuführen, am Ende des Cyklus
„Frauenliebe und Leben“, die Töne des ersten Liedes „Seit ich ihn
gesehen“, wieder an, als verliere sich die Witwe in Erinnerung an ihr
zerronnenes Liebesglück!

Daß die reich ausgestattete Klavierbegleitung die Singstimme
beeinträchtigt, ist ein nur teilweise berechtigter Vorwurf. Es ist
wahr, scharfgezeichnete melodische Linien finden sich bei ihm nicht
so häufig wie z. B. bei Schubert. Soll eine traumhaft schwankende
Empfindung dargestellt werden, so kommt der Gesang über einzelne
Melodienknospen, deren volles Erblühen man vergebens erwartet, nicht
hinaus, er bleibt zuweilen bloß musikalische Deklamation, und die
Begleitung wird die eigentliche Trägerin des poetischen Gedankens.
Anderseits aber weiß Schumann, wo die Singstimme den einfachen Gehalt
eines Liedes erschöpfen kann, mit der Begleitung auch zu sparen und
sich mit wenigen charakteristischen Accorden zu begnügen. Wenn er den
Sänger oft in unbequeme Lagen, zu weiten Sprüngen und dergleichen
zwingt, so muß man das seinem Streben nach möglichst prägnantem
Ausdruck schon zu gute halten. Ein Kunstwerk ist eben keine Schuletüde,
es fordert vom Ausführenden gesteigerte, nicht bloß gewohnhafte
Bethätigung des erworbenen Könnens. Sehr richtig bemerkt da Ehlert,[4]
daß es sich nicht darum handle, „für die Stimme möglichst bequem
zu schreiben, sondern darum, eine poetische Empfindung musikalisch
auszudrücken, natürlich nur so weit, als dies ohne offene Verletzung
der gesanglichen Rücksichten möglich ist...“ Wer beim Komponieren
eines Liedes ans Atemholen denkt, der kann alles sein, nur kein Poet.
Das Schumannsche Lied nimmt eine ganz besondere Stellung ein. Die
Vertiefung in den poetischen Lokalton des Gedichtes durch Schubert
schon in hohem Maße ausgebildet, wird von ihm bis zur erstaunlichen
Gewißheit des Selbsterlebten geführt. Wie wenig Mittel oft dazu
gehören, ersehe man aus „In der Fremde“ (_op._ 39, Nr. 1), wo die
scheinbar einfachste, accordliche Bewegung die „schöne Waldeinsamkeit,“
in der den Sänger „keiner mehr kennt,“ mit bebender Handgreiflichkeit
zeichnet, oder aus der „Mondnacht“ (ebenda Nr. 5), wo wenige Stimmen
der Begleitung das „es war als hätte der Himmel die Erde still
geküßt“, so -- ich kann nur wiederholen -- erlebt malen, daß jeder es
fühlt, hier spannt ein Dichter im Mondlicht und Blütenschimmer „weit
seine Flügel aus.“ Namentlich alles Träumerische, Weiche, Verschämte
hat niemals durch einen anderen Musiker einen treffenderen Ausdruck
erfahren. Nie vielleicht wohnte in einem Manne so viel dichterisches
Erröten über die Rätsel seiner Bestimmung wie in ihm. Sein eigentlicher
Ausdruck in dieser Liederzeit war das Jünglingshafte mit seinem
dunkelscheuen Kraftgefühl, seinem morgenrötlichen Schimmer und seiner
Frühlingsschwermut.

Es erübrigt nur noch zu erwähnen, daß sich Schumann 1840 auch in der
Ballade versuchte und darin mit ihrem unübertrefflichen Meister,
Carl Löwe,[5] nicht unrühmlich um den Preis rang. +Belsazar+ von
Heine (_op._ 57), je drei balladenmäßige +Gesänge+ von +Geibel+ und
+Chamisso+ (_op._ 30 der Hidalgo, _op._ 31 die Löwenbraut, _op._ 32
die Kartenlegerin) und drei Hefte +Balladen+ und +Romanzen+ (_op._
45, 49 die beiden Grenadiere), die feindlichen Brüder; (_op._ 53
der arme Peter), denen später noch ein viertes (_op._ 64 Tragödie)
folgte, stammen noch aus dem Liederjahr; _op._ 87, der +Handschuh+
von Schiller, aus 1849. Doch liegt die Bedeutung Schumanns als
Vokalkomponist nicht gerade in diesen, wenn auch wertvollen Werken,
sondern vor allem in seinen Liedern, welche bei ihrem Erscheinen
freilich mißachtet und verkannt worden sind. Um so mehr freute
Schumann das Dankgedicht Friedrich Rückerts für die Komposition des
„Liebesfrühlings“, an welcher auch Klara mit drei Liedern (2, 4, 11)
beteiligt war. Es lautet:


An Robert und Klara Schumann.

  Lang ist’s, lang
  Seit ich meinen Liebesfrühling sang;
  Aus Herzensdrang,
  Wie er entsprang,
  Verklang in Einsamkeit der Klang.

  Zwanzig Jahr
  Wurden’s, da hört ich hier und dar
  Der Vogelschar
  Einen, der klar
  Pfiff einen Ton, der dorther war.

  Und nun gar
  Kommt im einundzwanzigsten Jahr
  Ein Vogelpaar,
  Macht erst mir klar,
  Daß nicht ein Ton verloren war.

  Meine Lieder
  Singt ihr wieder,
  Mein Empfinden
  Klingt ihr wieder,
  Mein Gefühl
  Beschwingt ihr wieder,
  Meinen Frühling
  Bringt ihr wieder;
  Mich, wie schön
  Verjüngt ihr wieder;
  Nehmt meinen Dank, wenn auch die Welt
  Wie mir einst, ihren vorenthält.

Heutzutage ist ganz Deutschland über den Wert der Schumannschen Lieder,
dieser echten Kinder des Frühlings und des Glückes einig geworden und
schätzt sie als Perlen musikalischer Lyrik, von welchen ihr Schöpfer
mit Recht behaupten durfte: „Ich getraue mir nicht mehr leisten zu
können und bin auch zufrieden damit.“ Jawohl, zufrieden!


  [3] Enthält Gedichte verschiedener Poeten: Byron, Moore, Burns,
      Rückert, Heine, Mosen und Goethe.

  [4] Aus der Tonwelt. (Essays, Berlin 1882, 2. Aufl.) R. Schumann und
      seine Schule, S. 221 ff.

  [5] Von Schumanns Wertschätzung Löwes giebt die folgende Stelle aus
      einem Aufsatz im Leipziger Tageblatt (1835) ein schönes Zeugnis:
      „Sollten wir irgend einen lebenden Komponisten anführen, der
      vom Beginne seiner künstlerischen Laufbahn bis zum jetzigen
      Augenblicke deutschen Geist und deutsches Gemüt beurkundet und es
      im Zartesten wie im Wildesten, in der Sprache der ersten Liebe,
      wie im Ausbruche des tiefsten Zornes ausgesprochen hätte, so
      müßten wir Löwe nennen.“



6. Wollen und Wagen.


Wir sahen, wie der bittere Kampf um Klara die herrlichen Kräfte des
Schumannschen Genius zur Entfaltung brachte; jetzt betrachten wir auch
die Wunden, die er davontrug, Wunden, die nie wieder verharschten, aus
denen langsam sein edelstes Herzblut verrann, bis die Nacht des Todes
den völlig Erschöpften in ihre Arme schloß und von qualvollem Siechtum
erlöste. Zu diesem Behufe muß aber noch einmal auf jene Zeit des
Ringens zurückgegangen werden.

Seit der zweiten Werbung um seine Tochter hatte Vater Wieck einen
tiefen Ingrimm gegen den aufdringlichen Schwiegersohn gefaßt und keine
Gelegenheit versäumt, Robert, insbesondere aber dessen künstlerisches
Schaffen, herabzusetzen und diese Äußerungen kamen dem Betroffenen alle
zu Ohren. Er schalt ihn phlegmatisch („Fismollsonate und phlegmatisch!
Liebe zu einem solchen Mädchen und phlegmatisch!“ bemerkt Schumann
dazu), spottete, daß seine Kompositionen niemand kaufe und fragte
höhnisch, wo denn sein Freischütz und sein Don Juan wären? Solche
Reden stachelten in Robert den vom Vater überkommenen Ehrgeiz auf.
„Mir ist immer,“ schreibt er (1840), „als hätte ich doch, z. B. gegen
Mendelssohn noch nicht genug auf der Welt geleistet und das drängt und
peinigt mich manchmal.“ (Vgl. damit S. 37.) Auch der Einfluß seines
Zeitalters, des jungen Europa, dessen Geistesprodukte insgesamt mehr
dem Streben nach öffentlicher Auszeichnung als wahrem Schaffensdrang
ihr Entstehen verdanken, darf nicht unterschätzt werden. Dazu kam
jetzt gar seine Stellung als Gatte, später auch als Vater, so daß
eine Reihe von Umständen zusammentraf, die Schumann veranlaßten, das
Feld seiner künstlerischen Thätigkeit zu erweitern. „+Sonst+“, lautet
charakteristisch genug sein Bekenntnis, „galt mir gleich, ob man sich
um mich bekümmere oder nicht. Hat man Frau und Kinder, so wird das ganz
anders. Man muß ja an die Zukunft denken, man will auch die Früchte
seiner Arbeit sehen, nicht die künstlerischen, sondern die prosaischen,
die zum Leben gehören und diese bringt und vermehrt nur der +größere
Ruf+.“ „Wenden Sie sich,“ rät er Koßmaly, „ganz zur größeren
Orchestermusik, das macht Namen und flößt den Verlegern Respekt ein.
Schreiben Sie größere Stücke: Symphonien, Opern. Mit Kleinem ist schwer
durchdringen.“

Gerade in diesem „Kleinen“ aber war Schumann groß. Er war Genremaler
in der Musik, wie sein geliebter Jean Paul es in der Poesie gewesen.
In knappen Formen, auf engem Raume Vieles und Bedeutendes zu sagen,
darin bestand seine eigentümliche Meisterschaft. Doch das schien ihm
jetzt allzu gering: der Gatte der ruhmbedeckten Klara mußte „Größeres“
zu Werke bringen! Hatte er einst mit einem Citat aus Wilhelm Meister
die deutschen Künstler gewarnt, das Bette ihres Talentes nicht
zu überschreiten, so verkündete er jetzt mit lauter Stimme: das
unterscheide eben die deutschen Musiker von Italienern und Franzosen,
das habe sie groß gemacht, daß sie in allen Gattungen sich versuchten.
„Wenn wir daher,“ fährt er fort, „einige Pariser Opernkomponisten große
Künstler genannt finden, so möchten wir erst fragen: wo sind denn
eure Symphonien, eure Quartette, eure Psalmen u. s. w.?“ In dieser
Meinung begann er denn auch alle möglichen Gattungen zu kultivieren,
Symphonien, Quartette, Oratorien, Opern u. s. w. -- all einerlei.

Daß ihm der erste Versuch das Feld seiner Künstlerschaft zu verlassen,
die Liederkomposition, so überraschend gelungen war, trug wohl dazu
bei, Schumann über den Umfang seiner Begabung zu täuschen. Allein in
Wirklichkeit hatte er mit diesem ersten Versuche die ihm gesteckten
Grenzen noch gar nicht überschritten. Schumann war eine eminent
+lyrische Natur+, das wird gerade an seinen Liedern klar, in denen er
vor allem die entsprechende Stimmung wiedergiebt, während Schubert
mehr auf dramatischen Aufbau bedacht ist. In früherer Zeit hatte er
das selbst wohl eingesehen; jetzt lenkte er, vom Ehrenwahn geblendet,
ab von dem lauschigen Waldpfad, auf den die Natur ihn gewiesen, zur
sonnigen, breiten, symphonischen Heerstraße.

Nun wär’s von vornherein nicht anzunehmen, daß ein bedeutender Geist,
auch wenn er sich auf einem seiner natürlichen Anlage fern liegenden
Gebiete hervorthun will, bloß Unbedeutendes producieren werde. Allein
bald mehr, bald minder bemerkt man doch die Forcierung des Talentes,
welche da und dort zu schwülstigen Übertreibungen führen muß, während
wieder viele Stellen hinter den Anforderungen der betreffenden
Kunstform zurückbleiben. Die nächste Folge davon ist Ungleichheit des
Werkes; neben Partien von großem Kunstwert stehen dann unmittelbar
solche, die sich aus tändelnden, unebenbürtigen Themen zusammensetzen,
was die richtige Beurteilung des Ganzen überaus erschwert. Wo aber
können wir das deutlicher wahrnehmen als an Schumanns Symphonien, mit
denen er 1841 die zweite Periode seines Schaffens eröffnet hat?

Die große „Frühlingssymphonie“ (_B_-Dur, _op._ 38) entstand unter
dem Eindrucke eines Böttgerschen Gedichtes[6] in wenigen Tagen.
Schumann war damals im Vollbesitze seiner schöpferischen Kraft und,
wie im ersten Anlauf vieles gelingt, so ist gleich der erste Satz gar
herrlich ausgefallen: ein blühendes Tonstück, welches den Gedanken
„Im Thale geht der Frühling auf“ illustriert. „Gleich den ersten
Trompeteneinsatz“, schreibt Schumann darüber, „möcht’ ich, daß er
wie aus der Höhe klänge, wie ein Ruf zum Erwachen -- in das Folgende
könnte ich dann hineinlegen, wie es überall zu grüneln anfängt, wohl
gar ein Schmetterling aufsteigt, wie nach und nach alles zusammenkommt,
was zum Frühling etwa gehört.“ Geringeres Interesse erregt die bald
darauf verfaßte Orchestersuite: Ouvertüre, Scherzo, Finale (_op._ 52)
und auch die zweite +Symphonie+ _D-moll_ (erschienen 1853 als _op._
Nr. IV, _op._ 120) steht trotz mancher Schönheiten im einzelnen nicht
so hoch, ist aber bei weitem einheitlicher gestaltet. Im Vergleich zu
den früheren Kompositionen fällt namentlich die formale Rundung, die
besonnene Zügelung der Phantasie auf, welche wir sicherlich seiner
Rivalität mit Mendelssohn zuzuschreiben haben; denn Mendelssohn übte
auf seinen Freund eine seltsame, magische Anziehung aus, der die
grundverschiedene Individualität desselben nur mühsam widerstand;
wie denn Schumann in Momenten, wo ihn die eigene schöpferische Kraft
verläßt, fast immer in Mendelssohnsche Phrasen zu verfallen pflegt. Die
Schnelligkeit, mit welcher er den ihm fremden Orchestersatz bewältigen
lernte, verdient übrigens rückhaltlose Bewunderung; volle Meisterschaft
darin zu erwerben, blieb ihm freilich versagt, ja, man merkt diesen
Symphonien an, daß sie am Klaviere ersonnen und erst nachträglich
instrumentiert worden sind.

Im folgenden Jahre (1842) warf sich Schumann ganz ausschließlich
auf die Kammermusik, offenbar durch die in seinem Hause häufig
stattfindenden Quartettmatineen veranlaßt. Die Chancen waren für
ihn hier zum Teile minder günstig, insofern als dieses Genre noch
innigere Vertrautheit mit dem Charakter der einzelnen Instrumente
erfordert. Zum Teile freilich wieder besser: denn während die für den
öffentlichen Konzertsaal berechnete, in großen Zügen zu entwerfende
Symphonie seiner nach innen gekehrten Natur nicht entsprach, war
ihm der Kammermusikstil, welcher feinere Ausführung in den Details
und kontemplatives Einspinnen in gewisse Figuren verträgt, weitaus
homogener. Man sehe nur seine +Streichquartette+ (_op._ 41) an,
besonders das dritte in _A_-Dur. Kann er gar auch das Klavier zur
Mitwirkung herbeiziehen, so entstehen so prachtvolle Werke wie das
+Klavierquintett+ (_op._ 44), das wohl das hervorragendste seiner
Gattung seit Beethoven genannt werden darf. Welche kontrapunktistische
Kunst steckt in dem Schlußsatz! Von einer Klavier+begleitung+ kann
eigentlich keine Rede sein, denn das Klavier wird ebenso wie die
Viola von Schumann stets konzertierend behandelt. An Kunstwert kommt
dieser Schöpfung das +Klavierquartett+ (_op._ 47) sehr nahe: ein Trio,
betitelt +Phantasiestücke für Pianoforte, Violine und Violoncell+
(_op._ 88) ist minder bedeutend; seine schönsten Trios (_D-moll_ und
_F-dur_) schrieb Schumann erst vier Jahre später.

Schon im nächsten Winter sehen wir den unermüdlichen Meister auf wieder
anderem Gebiete thätig. Nachdem er mit einem melodiösen +Andante und
Variationen+ für zwei Klaviere (_op._ 46) längst verlassene Bahnen
für ein Weilchen neuerdings betreten, unternimmt er die Komposition
eines groß angelegten Chorwerkes (_op._ 50), welchem Moores Poem
„Das Paradies und die Peri“ zu Grunde liegt. Die deutsche Bearbeitung
rührt von Schumanns Jugendfreund Flechsig her, einzelne Stücke, und
zwar den Chor der Nilgenien, der Houris, das Quartett „Peri, ist’s
wahr“, das Solo „Verstoßen“, „Gesunken war der goldne Ball“ sowie
den Schlußchor dichtete er selbst hinzu. Dann ging es mit heller
Begeisterung an die Komposition des hochpoetischen Werkes, dessen
Inhalt im Folgenden kurz skizziert sei: Eine Peri -- mit diesem Namen
belegt der orientalische Mythus feenartige, eines Vergehens halber
aus der Oberwelt verstoßene Luftgeister -- eine solche Peri sehnt
sich heiß nach ihrer seligen Heimat zurück; und, da sie trauernd am
Eingang des Paradieses steht, wird ihr durch Engelsmund in rätselhaften
Worten Rückkehr verheißen, wenn sie „des Himmels liebste Gabe“ zu den
heiligen Pforten bringe. Jene zu suchen, durchwandert sie Indiens
Blumenhügel und die Wüsten des Nillandes, aber weder die letzten
Blutstropfen eines im heldenmütigen Kampfe gegen den Unterdrücker
gefallenen Jünglings, noch der letzte Seufzer einer Braut, die zu ihrem
von der Pest ergriffenen Geliebten herbeigeeilt, treu an seiner Seite
stirbt, vermögen der Peri Entsühnung zu erwirken. Zum drittenmale
schwebt sie auf neue Suche hernieder, diesmal über Syriens Fluren. Es
ist Abend. Ein Kind spielt harmlos unter Blumen, während unweit davon
ein alter Räuber sein Pferd am Brunnen tränkt. Vom Minaret ertönt der
Vesperruf der Muezzin und andächtig faltet das Kind die Händchen zum
Gebete. Das sieht der wilde Reitersmann. Die Erinnerung an die eigene
unschuldsvolle Kinderzeit übermannt ihn -- er weint. Seine Reuethränen
aber trägt die Peri empor und -- die Pforte des Paradieses springt
auf. Nicht was Menschen für das höchste Opfer halten, die Hingabe des
Lebens, dem Vaterlande oder der Liebe dargebracht, gilt also auch
dem Himmel als die wertvollste Gabe: die Thräne des reuigen Sünders,
die Erneuerung des eigenen Ich ist das Höchste und Größte in den
Augen des Ewigen. Und das Finden dieser Thräne, d. h. die Erkenntnis
jener Wahrheit öffnet der Peri den Himmel. Dies ist die durchaus
christliche Idee der allegorischen Dichtung, die sich, zumal ihr das
farbenprächtige, morgenländische Gewand einen bestrickenden Zauber
giebt, für die musikalische Darstellung, wie kaum eine andere, dankbar
erweist. (Reimann.) Schumanns Kunst feiert denn auch an diesem Stoffe
wahre Triumphe und selbst wer das fatale Genre („Weltliches Oratorium“)
zu verdammen geneigt ist, muß die außerordentlichen lyrischen
Schönheiten, die einander in langer Kette folgen, anerkennen. Schade
nur, daß die einzelnen Stücke, namentlich im letzten Drittel, zu wenig
kontrastieren, wodurch der Hörer bei der Ausführung schließlich ermüdet
wird. Schumann selber schreibt, eine innere Stimme habe ihm während der
Komposition zugerufen: dies ist nicht vergeblich, was du thust.

Sein äußeres Leben verlief inzwischen ziemlich einförmig; nur in die
Zeit der „Peri“ fallen zwei erwähnenswerte Ereignisse. Im April 1843
wurde er nämlich durch Mendelssohn an das neugegründete Leipziger
Konservatorium als Lehrer der Komposition berufen und bald darauf
fand auch eine Versöhnung mit dem Schwiegervater Wieck statt, welche
ihm um Klaras willen lieb sein mußte. Seine Lehrthätigkeit ist ohne
sonderliche Erfolge geblieben, dazu fehlte ihm vor allem die nötige
Beredsamkeit. Gewöhnlich setzte er sich mit der Arbeit eines Schülers
an den Flügel, las sie, und wenn ihm etwas mißfiel, so griff er es
auf dem Klaviere, wobei er jenen nur mit einem mißbilligenden Blicke
ansah. Der positive Gewinn, den man aus seinen spärlichen Bemerkungen
davontrug, war gering. In jenen Kämpfen um Klara hatte nicht nur sein
künstlerisches Streben eine andere Richtung genommen, auch mit seinem
äußeren Wesen war eine große Veränderung vor sich gegangen. Er mied
je länger, je mehr größere Gesellschaft und zeigte sich selbst im
Verkehr mit seinen besten Freunden wortkarg. Henriette Voigt erzählt,
daß sie manchmal mit ihm an schönen Sommerabenden eine Wasserfahrt
gemacht habe. Da wären sie denn eine Stunde schweigend nebeneinander
im Kahn gesessen. Bei der Trennung aber habe ihr Schumann die Hand
gedrückt und nur gesagt: „Heute haben wir uns recht verstanden.“ Etwas
Ähnliches weiß Brendel zu berichten: „Schumann hatte einen vorzüglichen
Markobrunner in Gohlis entdeckt und forderte mich auf, ihn dorthin zu
begleiten. In glühender Hitze pilgerten wir selbander, ohne ein Wort
zu sprechen, durch das Rosenthal, und draußen angekommen, war diesmal
in der That der Markobrunner die Hauptsache. Es war kein Wort aus
ihm herauszubringen und so ging es auch auf dem Rückwege. Nur eine
Bemerkung machte er, die mir zugleich einen Blick in das gestattete,
was ihn erfüllte. Er sprach über die eigentümliche Schönheit eines
solchen Sommermittags, wo alle Stimmen schweigen, vollkommene Ruhe in
der Natur herrscht. Er war versunken in diesen Eindruck und bemerkte
bloß, daß die Alten ihn mit dem Ausdruck „Pan schläft“ treffend
bezeichnet hätten. In solchen Momenten nahm Schumann nur insoweit Notiz
von der Außenwelt, als sie zufällig in seine Träume hineinspielte.
Gesellschaft war für ihn dann nur da, um ihn des Gefühls des
Alleinseins zu entheben.“

Zu Anfang des Jahres 1844 begleitete Robert seine Frau auf einer
Konzertreise nach Rußland, welche er ihr schon vor der Hochzeit hatte
versprechen müssen. Überall, in Mitau, Riga, Petersburg, Moskau, ward
die Künstlerin enthusiastisch aufgenommen und auch ihr Gatte erwarb
seiner Musik zahlreiche Freunde, z. B. die Grafen Wielhorsky, in deren
Palais seine _B_-Dursymphonie und seine Quartette zur Aufführung kamen.
Nach den Anstrengungen der letzten Zeit mußte die Arbeitspause und der
Wechsel der Umgebung höchst wohlthätig auf ihn einwirken; allein kaum
zurückgekehrt, machte er sich schon wieder an einen grandiosen Plan,
die Komposition des Goetheschen +Faust+ und schrieb mit Aufgebot aller
Kraft den größeren Teil der gewaltigen Schlußscene: dann erfolgte --
im Herbste -- naturgemäß der Rückschlag. Ein nervöses Leiden stellte
sich ein, finstere Dämonen beherrschten ihn, so daß der Arzt auf das
dringendste Enthaltung von jeder geistigen Arbeit und Verlassen des
musikalisch allzu bewegten Leipzig anriet. Schumann übersiedelte nach
Dresden, anfangs mit der Absicht, daselbst nur für kurze Zeit zu
verweilen; doch entschloß er sich später, diese Stadt zum dauernden
Aufenthaltsorte zu erwählen. Die Redaktion der Zeitschrift, welche er
seit seiner Verheiratung als drückende Last empfunden, hatte er schon
vom 1. Juli des Jahres an seinen Freund und langjährigen Mitarbeiter
Oswald Lorenz abgegeben; später, im Januar 1845, verkaufte er sie an
Franz Brendel. „Ich habe was in meinen Kräften stand gethan, die besten
Talente meiner Zeit zu fördern,“ sagte er zu ihm bei der Übergabe.
„Fahren Sie darin fort!“ Wirklich ist die „Neue Zeitschrift“ stets
eine eifrige Verfechterin des Kunstfortschrittes geblieben und hat
namentlich zur richtigen Würdigung der „neudeutschen Schule“ sehr viel
beigetragen.

Allmählich besserte sich der leidende Zustand des Meisters. Im nächsten
Frühling war er glücklicherweise so weit hergestellt, daß er wieder
an musikalische Thätigkeit denken durfte, wobei er sich zur Vorsicht
einstweilen auf kontrapunktistische Studien beschränkte, weil dieselben
mehr den Verstand als seine überreizte Phantasie in Anspruch nahmen. So
entstanden damals die +Studien und Skizzen für den Pedalflügel+ (_op._
56, 58). Vier Fugen für das Pianoforte (_op._ 72) und sechs +Orgelfugen
über den Namen Bach+ (_op._ 60), wahre Prunkstücke kontrapunktistischer
Kunst, schöne Früchte seiner täglichen Beschäftigung mit den
Werken des großen Thomaskantors, welcher er seit jenem, so bald
abgebrochenen Unterrichtskursus bei Dorn immer eifriger obgelegen.
„Bachen ist nach meiner Überzeugung überhaupt nicht beizukommen; er
ist inkommensurabel,“ schreibt er einmal einem Freunde und gesteht,
daß ihn die armseligen, musikalischen Erzeugnisse um ihn her förmlich
misanthropisch machen. „Da rette ich mich immer in Bach und das giebt
wieder Lust und Kraft zum Wirken und Leben.“

Darnach wandte sich sein neubelebter Mut wieder den freieren
Kunstformen zu. Das hochbedeutende +Klavierkonzert+ _A-moll_ (_op._
54) wurde vollendet und eine dritte +Symphonie+ _C_-Dur (_op._ 61) in
Angriff genommen. Die Gesellschaft einiger Freunde (Ferdinand Hiller,
Auerbach, Bendemann, Reinick, Rietschel, Hübner), welche sich zweimal
wöchentlich im „alten Postgebäude“ beim Biertisch zu versammeln
pflegte, suchte er jetzt häufiger auf. Daß sich zu dem Komponisten des
Tannhäuser, der dort ebenfalls verkehrte und dessen Ruf ganz Dresden
erfüllte, kein näheres Verhältnis herausgebildet hat, wird man bei der
Verschiedenheit der Charaktere begreiflich finden. „Schumann ist ein
hochbegabter Musiker,“ erzählt Wagner, „aber ein unmöglicher Mensch.
Als ich von Paris kam, besuchte ich ihn, sprach von den französischen
Musikzuständen, dann von den deutschen, sprach von Litteratur und
Politik -- er aber blieb so gut wie stumm, fast eine Stunde lang. Ja,
man kann doch nicht immer +allein+ reden! Ein unmöglicher Mensch!“
Schumanns Urteil hingegen lautete, Wagner sei zwar sehr unterrichtet
und geistreich (-- „ein geistreicher Kerl voll toller Einfälle“ --),
rede aber unaufhörlich und das könne man doch auf die Länge nicht
aushalten.

Über den „Tannhäuser“ selbst äußerte sich Schumann nach der Durchsicht
der ihm von Wagner geschenkten Partitur gegen Mendelssohn ziemlich
wegwerfend: um kein Haar breit besser als Rienzi, eher matter,
forcierter. Allein schon ein paar Wochen später erklärt er, manches
zurücknehmen zu müssen, denn „von der Bühne herab sieht sich alles ganz
anders an. Ich bin von vielem ganz ergriffen gewesen... Tannhäuser
enthält Tiefes, Originelles, überhaupt hundertmal Besseres als seine
früheren Opern. In Summa, er kann der Bühne von großer Bedeutung
werden. Das Technische, die Instrumentierung finde ich ausgezeichnet,
ohne Vergleich meisterhafter gegen früher.“ Solch anerkennende
Beurteilung ist Wagner damals noch selten zu teil geworden.

Im Jahre 1846 weist das Schumannsche Kompositionsverzeichnis bloß
mehrere Chorlieder: _op._ 55 +Fünf Lieder von Burns+, _op._ 59 +Vier
Gesänge+ von Lappe, Platen, Möricke, Rückert und die Vollendung der
_C_-Dursymphonie auf. Die Kritik pflegt diesem Werke, in welchem
er seine musikalische Kraft zum Grandiosen, Beethoven-Gleichen zu
steigern rang, den Preis vor den übrigen Symphonien zuzusprechen,
in theoretischer Hinsicht, was die kunstvolle Durchführung und
Kombination der Themen anbelangt, gewiß mit Recht. Es bedeutet ohne
Zweifel den Höhepunkt seiner Künstlerlaufbahn, aber keineswegs seine
vorzüglichste Leistung. Man fühlt, daß es nicht dem „innersten
Lebensdrange“ entspringt und erst im Adagio kommt der echte Schumann,
der Lyriker voll zur Geltung und erhebt seinen wunderbarsten Gesang.
Allein, ob auch der Meister seine Kraft auf das Äußerste anspannte
und aufrieb -- der ersehnte Ruhm blieb immer noch aus. In Dresden
freilich hatte er sich über Mangel an Anerkennung nicht zu beklagen
und wenn er nach Leipzig zu Besuch kam, was ab und zu geschah, war
ihm die enthusiastischste Aufnahme gewiß. Auch die Verleger machten
keine Schwierigkeiten. Überall sonst aber kannte ihn die große Menge
bloß als den Mann der Klara Wieck, so wenig Schumann das zugeben
wollte. Als einmal ein alter Freund bemerkte, daß Klara sehr viel dazu
beigetragen habe, ihm den Weg als Tonsetzer zu erleichtern, sprang
er höchst beleidigt auf und lief davon. Wie schmerzlich mußte ihn da
der offenbare Mißerfolg mehrerer seiner schönsten Kompositionen auf
der 1847 unternommenen Konzerttour nach Wien berühren. Sie wurden
am 1. Jänner im Musikvereinssaal mit achtungsvollem Stillschweigen
aufgenommen; die Achtung galt seiner -- Frau. Die wenigen Anhänger
zitterten vor einer möglichen Wiederholung des Vorfalls bei einem
auswärtigen Hofkonzert, wo Serenissimus nach vielen Artigkeiten für
Klara unseren Meister huldreichst fragte: „Sind Sie auch musikalisch?“
Im Künstlerverein „Konkordia“ traf Schumann den zufälligerweise
gleichfalls anwesenden Meyerbeer an; aber beide Männer wichen einander
vorsichtig aus. (Hanslick.) Zum Abschied gab das Schumannsche
Ehepaar eine glänzende Soiree, bei welcher alle Wiener Celebritäten:
Bauernfeld, Eichendorff, Stifter, Deinhardstein und _last not least_
-- Grillparzer erschienen waren. Der Letztere, ein warmer Bewunderer
der Künstlerin Klara, hatte diese schon 1838 in einem schönen Gedichte
besungen; von ihrem Gatten als Komponisten Notiz zu nehmen, fiel ihm
damals eingestandenermaßen nicht ein. So stand es um Schumanns Ruhm
am Donaustrande. Besser fielen die beiden Konzerte in Prag aus,[7] wo
Ambros, ein begeisterter Verehrer des Meisters in der „Bohemia“ unter
dem Davidsbündlernamen Flamin wirksame Propaganda gemacht hatte und
auch in Berlin, wo „Paradies und Peri“ unter des Autors Direktion --
recht elend, nebenbei bemerkt -- zur Aufführung kam. Im Juli endlich
besuchte Schumann auch seine Vaterstadt, die ihren größten Sohn auf
jede mögliche Weise, durch Fackelzug, Ständchen u. s. w. ehrte. Die
Reisen und Zerstreuungen dieses Jahres scheinen heilsamen Einfluß auf
seinen Geist ausgeübt zu haben, denn seine Produktion ist gegen 1846
unstreitig reicher. Nebst mehreren Chören, und zwar +Abschiedslied+
(_op._ 84), +Ritornelle+ von Rückert in kanonischen Weisen (_op._
65), +drei Gesänge+ für Männerchor (_op._ 62), schrieb er zwei sehr
schöne Trios (_op._ 63 u. 80); die Ouvertüre sowie den ersten Akt einer
romantischen Oper +Genoveva+ (_op._ 81).

Schon längst hatte sich Schumann mit dem Gedanken an ein musikalisches
Drama getragen, ja sogar 1838 ein von Becker (nach T. A. Hoffmanns
Novelle: Doge und Dogaressa, Univ.-Bibliothek Nr. 464) verfertigtes
Libretto zu komponieren begonnen. Es wurde indessen bald wieder
beiseite gelegt, weil er darin ein „tiefes, deutsches Element“
vermißte. In den folgenden Jahren steigerte sich, angesichts der
Successe der großen Pariser Opern, sein Wunsch zu verzehrender
Sehnsucht. „Wissen Sie mein morgen- und abendliches Künstlergebet?“
schreibt er 1842, „+deutsche Oper+ heißt es. Da ist zu wirken. --
Die deutschen Komponisten scheitern meistens an der Absicht, dem
Publikum gefallen zu wollen. Gebe aber nur einmal einer etwas Eigenes,
Einfaches, Tiefes, Deutsches, und er soll sehen, ob er nicht mehr
erlangt.“ Eine ganze Reihe nationaler Opernstoffe fand sich in seinem
Projektenbuche aufgezeichnet, unter andern Nibelungen, Wartburgkrieg,
Lohengrin, Till-Eulenspiegel, Meister Martin und seine Gesellen. Allein
vergebens fahndete er nach einem Dichter für sie, vergebens fragte er
bei Zuccamaglio, Griepenkerl, Marbach um geeignete Texte an. Endlich
glaubte er in Robert Reinick, welcher bereits für Freund Hiller ein
Libretto geliefert hatte, den rechten Mann gefunden zu haben und
veranlaßte ihn, die dramatischen Bearbeitungen der Genovevasage von
Tieck und Hebbel zu einem Opernbuche zusammenzuschweißen. Doch war
dessen Arbeit nicht nach Schumanns Sinne, und da Hebbel selbst eine
Umgestaltung seines Stückes freundlich, aber entschieden ablehnte,
sah sich der Meister der Töne dazu gedrängt, den Pegasus nach Wagners
Vorgang selbst zu besteigen. Unter seinen Händen entspann sich
die Handlung der Oper nun also: Pfalzgraf Siegfried zieht in den
Maurenkrieg und läßt seine junge Frau, Genoveva, in der Hut seines
Günstlings Golo zurück. Dieser, in sündiger Liebe für die Gebieterin
entbrannt, aber mit Entrüstung zurückgewiesen, verbündet sich mit
ihrer zauberkundigen Amme Margaretha, um sie zu verderben. Es wird das
Gerücht von einem vertrauten Verhältnis zwischen Golo und Genoveva
ausgestreut, die empörte Dienerschaft dringt in der Herrin Schlafgemach
und findet darin -- den alten Kastellan Drago, welcher sich, um
Genovevas Unschuld erweisen zu können, daselbst heimlich verborgen
hatte. Der Greis wird von den Knechten, ohne Gehör zu finden, erwürgt,
Genoveva als des Ehebruches Schuldige ins Gefängnis geschleppt. Dann
eilen Margaretha und Golo zu Siegfried, das Geschehene zu melden.
Der ergrimmte Gatte will die Ungetreue töten lassen, befragt aber,
um ganz sicher zu gehen, Margarethas Zauberspiegel. Das trügerische
Gerät zeigt ihm Dragos und Genovevas sträflichen Umgang, so daß er
vor Wut den Spiegel zerschlägt und davonstürzt. Aus den Trümmern
aber steigt Dragos Geist auf und befiehlt der Hexe, ohne Verzug dem
Grafen die Wahrheit zu gestehen. Im vierten Akte soll Genoveva, welche
eine zweite Werbung Golos wiederum abgefertigt hat, in der Wildnis
hingerichtet werden. Aber zur rechten Zeit erscheint der über den
Sachverhalt aufgeklärte Gatte und führt sein schuldloses Weib im
Triumphe auf das Schloß zurück. -- Die vielfachen Willkürlichkeiten
und Unklarheiten in der Motivierung treten an diesem knappen Aufriß
noch nicht so grell zu Tage wie an dem Stücke selbst. Zwar machte
der wohlmeinende Wagner Vorstellungen und Einwände, aber Schumann
in dem Wahne, jener wolle ihm seine besten Effekte verderben, wurde
ordentlich böse und unter seinen näheren Bekannten fand sich keiner,
der ihn bewogen hätte abzustehen, nicht nur von der Komposition
dieses Textes, sondern einer Oper überhaupt; vielmehr hetzten sie den
Irrenden, der schon jeden Kompaß verloren, eher noch in die falschen
Bahnen hinein. Die Wahrheit zwingt uns anzuerkennen, daß Schumann
auch auf diesem, seiner lyrischen Natur geradewegs widerstrebenden
Gebiete viel richtiges Wollen bekundet hat. Von italienischen Mustern
wollte er durchaus nichts wissen und „Lassen Sie mich in Ruhe mit der
Kanarienvogelmusik und den Haarbeutelmelodien“ rief er, als man ihm
von Cimarosas _Matrimonio segreto_ sprach. Sein Vorbild war Webers
Euryanthe. An Stelle des alten Recitativs, das er für eine überlebte
Kunstform hielt, strebte er eine musikalische Deklamation zu gewinnen
-- freilich ohne Glück. Der Mangel an scharfen Kontrasten, an diesen
Kennzeichen eines echten Dramas, ist’s, der die Genovevamusik auf der
Bühne so wirkungslos macht; das konnten sogar eifrige Parteigänger
Schumanns gleich bei der ersten Aufführung in Leipzig, welche sich zu
seinem Leidwesen bis zum 25. Juni 1850 hinauszog, sich nicht verhehlen.
Die Spannung auf dieses Werk war nach Lobes Mitteilungen groß und
viele Umstände vereinigten sich zu Gunsten des Komponisten. In Leipzig
hatte er viele Freunde und Verehrer. Mehrere berühmte Künstler waren
zugegen: Liszt, Spohr, Meyerbeer, Hiller u. s. w. Schumann dirigierte
die Oper selbst. Das Leipziger Publikum ist für Musik leicht entzündbar
und mit Beifallsbezeugungen nicht karg. So konnte man einen jener
glänzenden Kunstabende erwarten, welche Leipzig beliebten Künstlern
für gelungene Leistungen gern bereitet. Die Erwartung wurde jedoch
teilweise getäuscht. Außer der Ouvertüre applaudierte man nur noch die
Aktschlüsse und in den Journalen entwickelte sich eine unerquickliche
Polemik für und wider. Schumann aber, fest überzeugt, daß jeder Takt
seiner Oper völlig dramatisch sei, nahm ungünstige Kritiken, entgegen
seiner einstigen Gepflogenheit, gewaltig krumm, ja, zögerte nicht,
ein langjähriges, freundliches Verhältnis zu Krüger, welcher das Werk
etwas scharf recensiert hatte, sogleich zu lösen. So verlief die ganze
Opernaffaire in jeder Hinsicht übel und bis auf den heutigen Tag ist
es den deutschen Theatern trotz mannigfacher Versuche nicht gelungen,
Schumanns Schmerzenskind dem Repertoire zu erhalten.

Nebst der Genoveva fällt in das Revolutionsjahr 1848 noch das
kantatenartige +Adventlied+ von Rückert (_op._ 71) und zwei
Klavierwerke: die phantasievollen, farbenprächtigen, durch Rückerts
Makamen des Hariri angeregten +Bilder aus dem Osten+ (_op._ 66) und
das +Album für die Jugend+ (_op._ 68), das uns auf seine eigene,
reichbesetzte Kinderstube zurückweist. „Ich wüßte nicht, wann ich
mich je in so guter musikalischer Laune befunden hätte, als da ich
die Stücke (_op._ 68) schrieb,“ berichtet er an Reinecke. „Es strömte
mir ordentlich zu. Sie sind mir besonders ans Herz gewachsen -- und
recht eigentlich aus dem Familienleben heraus. Die ersten Stücke im
Album schrieb ich nämlich für unser ältestes Kind zu ihrem Geburtstag
und so kam eines nach dem andern hinzu. Es war mir, als finge ich
noch einmal von vorn an zu komponieren; und auch vom alten Humor
werden Sie hier und da spüren. (Vergl. Nr. 12.) Von den Kinderscenen
unterscheiden sie sich durchaus. Diese sind Rückspiegelungen eines
Älteren und für Ältere, während das Album mehr Vorspiegelungen,
zukünftige Zustände für Jüngere enthält.“ Ein Pendant zu diesen
reizenden Genrestücken, von welchen Nr. 16 Erster Verlust, Nr. 13 Mai,
lieber Mai, Nr. 28 Erinnerung (an den 1847 gestorbenen Mendelssohn) und
Nr. 30 Adagio namentlich hervorgehoben seien, bildet das im folgenden
Jahr komponierte +Liederalbum für die Jugend+ (_op._ 79), mit welchem
Schumann die später von Taubert, Reinecke und anderen weitergeführte
Gattung der Kinderlieder aufnahm. In der Anordnung bemühte er sich
die Stufenfolge vom Leichten zum Schwierigeren einzuhalten, Mignon
(Nr. 29) schließt endlich ab „ahnungsvoll den Blick in ein bewegteres
Seelenleben richtend.“

Von diesen lieblichen, wenn auch manchmal leidvollen, lyrischen Perlen
sticht die ungefähr gleichzeitige „Musik zu Lord Byrons +Manfred+“
(_op._ 115) überaus grell ab. Das Gedicht, welches nur uneigentlich
der dramatischen Gattung angehört, war für den Lyriker wie geschaffen
und bot freien Spielraum zu grüblerischem Versenken. Für die innere
Zerrissenheit, die düstere Schwermut des Byronschen Helden, wie sie
der Meister in den wiederkehrenden Anfällen seines Nervenleidens
selbst empfunden haben mag, fand er denn auch tiefergreifende Töne und
besonders die Ansprache an Astarte: „Gerufen hab’ ich dich aus dunkler
Nacht“ ist den bedeutendsten Schöpfungen seines Genius beizuzählen.
Freilich wirkt diese Musik nicht so sehr auf der Bühne, für welche ja
auch das Gedicht nicht berechnet ist; auch nicht im Konzertsaal, trotz
des verbindenden Textes, welchen Richard Pohl dafür geschrieben hat;
sondern beim einsamen Genusse am Flügel daheim.

Das Jahr 1849 ist an Kompositionen in Schumanns Leben unstreitig das
fruchtbarste. „Man muß ja schaffen,“ schreibt er, „so lange es Tag
ist.“ Namentlich fällt die große Zahl der Chorkompositionen (_op._
67, 69, 75, 91, 93, 98 b, 108, 137, 141, 145, 146) auf, was sich aber
aus seiner Stellung als Dirigent eines Gesangvereins leicht erklärt.
Schon 1847 hatte er nach Ferdinand Hiller die Leitung der Dresdener
Liedertafel übernommen, jedoch bald wieder aufgegeben; teils weil er
darin zu wenig musikalisches Streben vorfand, teils weil ihm „die
ewigen Quartsextaccorde des Männergesang-Stiles“ bald langweilig
wurden. Größeres Vergnügen bereitete dem Meister ein von ihm selbst
am 5. Januar 1848 gegründeter Chorverein, welcher in kurzer Zeit an
hundert Mitglieder zählte. „Wir kommen,“ heißt es in einem Briefe,
„oft außerhalb der Stadt zusammen, wandeln dann bei Sternenschein
zurück und dann erklingen Mendelssohnsche und sonstige (das heißt
seine eigenen) Lieder durch die Nacht und alle sind so fröhlich,
daß man es mit werden muß.“ Aus der Zahl dieser, zum Teil ungemein
schwierigen Chöre seien die +Jagdlieder+ (_op._ 137), die Motette:
„+Verzweifle nicht im Schmerzensthal+“ (_op._ 93), das zarte +Requiem
für Mignon+ aus Wilhelm Meister (_op._ 98) und das von Schumann
besonders geliebte +Nachtlied+ von Hebbel (_op._ 108) namhaft gemacht.
Außerdem komponierte er nebst +drei Liederheften+ (_op._ 79, 95, 98
_a_) und +vier Duetten+ für Sopran und Tenor (_op._ 78), noch einige
Liederkreise für eine und mehrere Stimmen: +Minnespiel+ von Rückert
(_op._ 101), +Spanische Liebeslieder+ (_op._ 138) und das köstliche,
gleichsam aus Jasminduft gewobene +Spanische Liederspiel+ (_op._ 74).
Eine melodramatische Begleitung zu Hebbels Ballade „+Schön Hedwig+“
(_op._ 106) leitet uns zu den reinen Instrumentalwerken hinüber. „Es
ist eine Art der Komposition, die wohl noch nicht existiert und so sind
wir immer vor allem dem Dichter zu Dank verbunden, die, neue Wege der
Kunst zu versuchen, uns so oft anregen.“ Dem heutigen Geschmacke sagt
diese anorganische Verbindung zwischen Wort und Tönen nicht mehr zu;
Schumann dagegen that sich auf seine Errungenschaft viel zu Gute und
schrieb noch 1853 eine ähnliche Musik zu Hebbels „+Haideknaben+“ und
Schelleys „+Flüchtlingen+“ (_op._ 122). Auch die absolute Musik ist
durch eine erkleckliche Anzahl von Kompositionen vertreten; zunächst
durch mehrere Klavierwerke: die interessanten +Waldscenen+ (_op._ 82).
+Vier Märsche+ (_op._ 76). +Zwölf vierhändige Stücke+ (_op._ 85) sowie
+Introduktion und Allegro+ für Pianoforte und Orchester (_op._ 92);
dann durch Phantasien, Konzertstücke und dergleichen für Violoncello,
Horn, Klarinette und Oboe. (_op._ 70, 73, 86, 94, 102).

Die Folgen solch übermäßiger Anstrengung, zu welcher sich noch die
mannigfachen Aufregungen durch die politischen Wirren dieses Jahres
gesellten, blieben nicht aus. Ein unerträglicher Kopfschmerz peinigte
den Meister, so daß die in Angriff genommene Vollendung des „Faust“
nur langsam fortschreiten konnte. Seit den ersten Arbeiten daran
(1844) hatte er nach zweijähriger Pause nur ab und zu ein Stück
hinzukomponiert, den „Schlußchor“, „Gerettet ist das edle Glied“, die
„Gretchenscenen“ und „Fausts Erwachen“. Im Sommer 1848 wurde sogar
eine Privataufführung im Schumannschen Hause veranstaltet und zur
Goethefeier (29. August 1849) gab man das Werk an mehreren Orten,
in Weimar, Dresden und Leipzig. Freilich, wenn die Behauptung laut
wurde, daß der zweite Teil des Faust erst durch Schumanns Musik
verständlicht worden sei, so ist das nur insofern richtig, als dieser
von der Gedankenlosigkeit stets arg verlästerte Teil der Mitwirkung
der Tonkunst bedarf, um den gehörigen Eindruck hervorzubringen und
insofern, als viele Musiker, durch diese Komposition aufmerksam
gemacht, sich den „zweiten Teil“ besser angesehen und darum vielleicht
besser verstanden haben. Übrigens lag es gar nicht in Schumanns
Vermögen, den ungeheuren Vorgang des Weltgedichtes mit ebenbürtiger
Musik auszustatten, sondern er komponierte ihn auf seine Weise, das
heißt in den lyrischen Partien, z. B. dem wahrhaft himmlischen Hymnus
an die Gottesmutter wunderschön. Anderes, z. B. der Schlußchor, muß
als unpassend bezeichnet werden, denn wir hören zwar ein Chorstück
von erlesener Pracht, dessen Melodik aber dem durchaus mythischen
Sinn der Verse, in welchen die letzten Dinge aller menschlichen
Weisheit ausgesprochen sind, nicht entspricht. Der Autor selber
fühlte das wohl und geriet darüber einigemale in Desperation. Er
komponierte die Nummer um -- ohne auch mit dieser zweiten Fassung
den rechten Ton getroffen zu haben. Der Palestrinastil, in dessen
Herrlichkeiten sich Schumann ebendamals versenkte, wäre hier vielleicht
am Platze gewesen. 1850 schrieb er dann noch die Scene mit den grauen
Weibern, sowie Fausts Tod hinzu; die Ouvertüre, wohl der schwächste
Teil des Werkes, ist erst 1853 entstanden, aus dem Bedürfnis, das
Ganze abzurunden und auf die verschiedenen Stimmungen wenigstens
einigermaßen vorzubereiten. Mittlerweile hatte Ferdinand Hiller seine
Konzertdirektorstelle in Düsseldorf aufgegeben und sollte die Leitung
des Kölnischen Konservatoriums übernehmen. Bei seinem Abgange schlug
er zu seinem Nachfolger Schumann vor, von dem er wußte, daß er sich,
erfolglos freilich, in Wien, Berlin und Leipzig um ein ähnliches Amt
beworben habe. Der Meister zögerte lange, sich von der lieben Heimat
zu trennen; denn erstens standen daselbst mehrere, für ihn sehr
wichtige Aufführungen seiner Peri und Genoveva bevor, dann gab Klara
mit Konzertmeister Schubert in Dresden stark besuchte Soireen und
schließlich schien Aussicht vorhanden, durch Vermittlung einflußreicher
Freunde zum Kapellmeister an des flüchtigen Wagner statt ernannt zu
werden. Während nun die ganze Angelegenheit in der Schwebe hing,
begab sich Schumann mit seiner Frau auf Kunstreisen über Leipzig nach
Hamburg, wo er mit Jenny Lind bekannt wurde und an ihr eine begeisterte
Interpretin seiner Lieder fand. Der berühmten Sängerin ist -- zum Dank
für ihre Mitwirkung bei zwei Konzerten Klaras -- das Liederheft _op._
89 gewidmet.

Nach Dresden zurückgekehrt, vernahm er, daß die Stelle am Hoftheater
schon durch einen anderen, C. Krebs, besetzt sei; man mochte in
maßgebenden Kreisen an der „revolutionären“ Gesinnung des großen
Künstlers Anstoß genommen haben. Denn in politischer Hinsicht stimmte
er mit Wagner so ziemlich überein und machte kein Hehl aus dieser
seiner Denkungsweise. Bei einem Spaziergange mit dem bekannten
Litteraten Graf Baudissin suchte ihm der letztere zu beweisen, daß die
konstitutionelle Monarchie allen übrigen Regierungssystemen vorzuziehen
sei. Schumann hörte scheinbar aufmerksam zu, die Auseinandersetzungen
zeitweise mit einem billigenden Kopfnicken begleitend. Doch mußte
er wohl in die Fortspinnung irgend eines musikalischen Gedankens
verloren gewesen sein, denn als ihn Baudissin frug, ob er ihn nun
zu seiner Ansicht bekehrt habe, antwortete Schumann: „Die Republik
bleibt doch die beste Staatsform!“ Seine Märsche (_op._ 76) wurden von
Vertrauten sogar „Barrikadenmärsche“ genannt, obwohl ihm, bei seinem
zurückgezogenen Wesen, nichts ferner lag, als etwa persönlich auf
den Barrikaden eine Rolle zu spielen. Genug, er sah sich in seinen
Hoffnungen getäuscht und entschloß sich nunmehr rasch zur Übersiedelung
ins niederrheinische Land. Komponiert hat er im Laufe des Jahres 1850
bis zu diesem Zeitpunkte (Anfang Oktober) bloß ein Chorwerk (_op._
144) und mehrere Lieder (_op._ 83, 89, 90 sowie einige aus _op._ 77,
96, 127). Ein seltsamer Zufall fügte es, daß Schumann den Lenauschen
Gedichten in _op._ 90 ein altes Requiemslied angehängt, als die
Nachricht vom Ende des unglücklichen Dichters eintraf. Er hatte ihm,
ohne es zu wissen, das Totenlied gesungen; und wenige Jahre später
sollte er selbst der furchtbaren Krankheit erliegen, welche jenen, ihm
nahverwandten Geist so früh zerrüttete und zerstörte.


  [6] Du Geist der Wolke, trüb und schwer,
      Fliegst drohend über Land und Meer.
      Dein grauer Schleier deckt im Nu
      Des Himmels klares Auge zu.
      Dein Nebel wallt herauf von fern
      Und Nacht verhüllt der Liebe Stern:
      Du Geist der Wolke, trüb und feucht,
      Was hast du all mein Glück verscheucht,
      Was rufst du Thränen ins Gesicht
      Und Schatten in der Seele Licht?
      O wende, wende deinen Lauf
      Im Thale blüht der Frühling auf!

  [7] Das Programm enthielt u. a.: 29. Jänner. Klavierstücke von Bach,
      Skarlatti, Mendelssohn, Chopin; sechs Lieder und das
      Klavierquintett von Schumann. 2. Februar. Leonorenouvertüre
      (Nr. 3, C-Dur); Lieder von Speyer, Klavierstücke von Klara, von
      Henselt und Liszt. -- Kanon und Klavierkonzert von Schumann.



7. Letzte Lebensjahre.

  Und der letzte Schritt auf Erden
    Macht den letzten Fehler gut.

                       +Grillparzer.+


„Ich suchte in einer alten Geographie nach Notizen über Düsseldorf und
fand da unter den Merkwürdigkeiten angeführt: drei Nonnenklöster und
eine Irrenanstalt. Die ersteren lasse ich mir gefallen allenfalls,
aber das letztere war mir unangenehm zu lesen. Ich will dir sagen,
wie das zusammenhängt. Vor einigen Jahren wohnten wir in Maxen, da
entdeckte ich denn, daß die Hauptansicht aus meinem Fenster nach dem
Sonnenstein[8] zuging. Dieser Anblick wurde mir zuletzt ganz fatal; ja,
er verleidete mir den Aufenthalt. So, dachte ich denn, könne es auch in
Düsseldorf sein. Ich muß mich sehr vor allen melancholischen Eindrücken
der Art in acht nehmen.“

Ahnte der arme Meister, als er diese Zeilen an Hiller schrieb, das ihm
drohende Verhängnis? Stieg das düstere Bild der Zukunft schreckhaft vor
seiner Seele auf? Fast scheint es so. Denn er mußte doch zuweilen die
allmähliche Ermattung seines Geistes fühlen, fühlen, wie die Phantasie,
ja zuletzt die klare Denkkraft ihn verließ; o furchtbare Erkenntnis!
Aber immer wieder, als sei er einem Fluche verfallen, trieb ihn der
unselige Ehrgeiz und alte Gewohnheit zu neuem Schaffen an, zermarterte
er sein müdes, brennendes Hirn und beschleunigte so seinen Untergang.
Als er im besten Mannesalter, im sechsundvierzigsten Lebensjahre starb,
da hatte die deutsche Kunst keinen wertvollen Entgang mehr zu beklagen,
es war ein völlig Erschöpfter, den sie zur ewigen, wohlverdienten Ruhe
in die Grube senkten.

Zu Anfang der Düsseldorfer Periode hätte das allerdings niemand
vermuten können. Der neue Wirkungskreis, die Ortsveränderung, die
reizvolle Gegend und der ehrenvolle Empfang -- alles das übte zunächst
einen belebenden Einfluß auf Schumann aus. Man merkt es an den sogleich
nach der Ankunft begonnenen Kompositionen, dem +Cellokonzert+ (_op._
129) und besonders an der fünften, der „rheinischen“ Symphonie Es-Dur
(_op._ 97), welche den symphonischen Stil in mancher Hinsicht besser
trifft als ihre älteren Schwestern, wohl darum, weil sich Schumann
diesmal sein Ziel nicht so hoch gesteckt hatte. Frische musikalische
„Bilder des Lebens am Rheine“ ziehen an uns vorüber und der vierte
Satz, der „im Charakter einer feierlichen Ceremonie“ gehalten werden
soll, weist sogar auf eine bestimmte Begebenheit, die Erhebung
des Erzbischofs von Köln (Geissel) zum Kardinal, welcher Schumann
beigewohnt hatte.

Mit der neuen Stellung war er sehr zufrieden, obwohl ihm zum Dirigenten
viele wichtige Eigenschaften fehlten: die körperliche Geübtheit, die
Geistesgegenwart und vor allem die so notwendige Mitteilungsgabe.
Belehrungen über die Vortragsweise erwartete man von ihm vergebens,
sondern er ließ das Stück durchspielen und wenn es noch nicht ging,
wiederholen. Oft sagte er seinen Musikern, er habe sich dies oder
jenes ganz anders gedacht, ohne sie über die eigentümliche Art seiner
Auffassung weiter aufklären zu können. Zum Glück war das Düsseldorfer
Orchester durch Hiller, Rietz und Mendelssohn so weit geschult, daß
die Unzulänglichkeit Schumanns, den man auf den Händen trug, dem
Publikum nicht weiter bekannt wurde. Nebst den Abonnementskonzerten
hatte er nur noch die wöchentlichen Übungen des Singvereines und die an
gewissen Festtagen stattfindenden Musikaufführungen in der katholischen
Kirche zu leiten, so daß ihm genug freie Zeit übrig blieb, um seinen
eigenen Studien nachzugehen. Im Sommer war er gar nicht beschäftigt.
Er benützte die Konzertferien zu kleineren oder größeren Ausflügen,
reiste zum Beispiel im Juli 1851 in die Schweiz und im August dieses
Jahres zum Musikfeste nach Antwerpen, wo er zum Schiedsrichter beim
Wettsingen gewählt worden war. Sonst verfloß sein Leben in Düsseldorf
zumeist recht einförmig. Um zwölf Uhr mittags ging er mit Klara und
irgend einem Bekannten spazieren, von sechs bis acht besuchte er ein
Gasthaus, um Zeitungen zu lesen und ein Glas Bier zu trinken -- die
übrigen Stunden des Tages waren der Arbeit gewidmet. Da saß er in
seinem traulichen, langgestreckten, mit Bücher- und Musikalienschränken
verstellten Zimmer am Flügel und komponierte.

Über die Werke dieser Periode sei zusammenfassend bemerkt, daß sie dem
Hörer im allgemeinen nur wenig Genuß gewähren. Nicht als ob, wie in
den letzten Gaben der Beethovenschen Muse der allzu hohe Ideenflug das
unmittelbare Verständnis erschwerte -- im Gegenteil, die Unkraft der
schaffenden Phantasie ist es, die es zu keiner künstlerischen Wirkung
kommen läßt und bloß Mitgefühl für den armen Meister hervorrufen kann.
Er hat, wie Dräsecke sagt, als Genie begonnen und als Talent aufgehört;
schon seit jener Erkrankung um die Mitte der vierziger Jahre ist das
allmähliche Herabsinken seines Geistesfluges, die Atrophie seines
Genius zu beobachten. Mit fiebrischer Hast, zu welcher die äußere,
fast apathische Ruhe unheimlich kontrastiert, springt er von einem
musikalischen Gebiet auf das andere, schreibt bald +Lieder+ (_op._ 107,
117, 119, 125, 135) und begeistert sich für die +Gedichte der Elisabeth
Kulmann+ (_op._ 103, 104), „einer wahren, seligen Insel, die im Chaos
der Gegenwart emporgetaucht;“ bald +Violinsonaten+ (_op._ 105, _op._
121 _D-moll_); bald wieder kleinere +Klavierstücke+ (_op._ 109, 111),
bald ein +Trio+ (_G-moll_, _op._ 110), bald +Märchenbilder+ für Viola
(_op._ 113), bald eine +Messe+ (_op._ 147) oder ein +Requiem+ (_op._
148). Richard Pohl, der nachmals berühmte Kritiker, und Moritz Horn
müssen ihm Opern- und Oratorientexte herstellen; Projekte, wie die
+Braut von Messina+ und +Hermann und Dorothea+ giebt er gleich wieder
auf, komponiert aber wenigstens Ouvertüren dazu (_op._ 100 und 136).
Auch Shakespeares +Julius Cäsar+ erhält eine Ouvertüre (_op._ 128).
Sehr lange beschäftigt ihn dann der Gedanke an ein Oratorium „Luther“,
über das sich ein reger Briefwechsel mit Pohl entspinnt. Einige
Stellen daraus seien hier angeführt, als Beispiel, bis zu welchem
Grade Schumann seine „Dichter“ beeinflußte und wie er sich das Ideal
eines Oratoriums ersonnen hatte: „Das Oratorium müßte ein durchaus
volkstümliches werden, das Bürger und Bauer verstände -- dem Helden
gleich, der ein so großer Volksmann war. Und in diesem Sinne würde ich
mich auch bestreben, meine Musik zu halten, also am allerwenigsten
künstlich, kompliziert, kontrapunktisch, sondern einfach, eindringlich,
durch Rhythmus und Melodie vorzugsweise wirkend. Im übrigen stimme ich
mit allem, was Sie wegen Behandlung des Textes in metrischer Hinsicht
sagen, wie über die volkstümlich altdeutsche Haltung, die dem Gedichte
zu geben wäre, durchaus überein. -- Das Oratorium müßte für Kirche und
Konzertsaal passen. Es dürfte mit Einschluß der Pausen zwischen den
verschiedenen Abteilungen nicht über zweieinhalb Stunden dauern. --
Alles bloß Erzählende und Reflektierende wäre möglichst zu vermeiden,
überall die dramatische Form vorzuziehen. -- Möglichst historische
Treue, namentlich die Wiedergabe der bekannten Kraftsprüche Luthers.
Sein Verhältnis zur Musik überhaupt, seine Liebe für sie, in hundert
schönen Sprüchen von ihm ausgesprochen, dürfte gleichfalls nicht
unerwähnt bleiben. -- Hutten, Sickingen, Hans Sachs, Lucas Kranach, die
Kurfürsten Friedrich und Johann von Hessen müssen wir wohl aufgeben --
leider! Erzählungsweise mögen sie aber alle vorkommen. Ich glaube, wir
müssen den Stoff auf die einfachsten Züge zurückführen, oder nur wenige
der großen Begebenheiten aus Luthers Leben herausnehmen. Auch glaube
ich, dürfen wir dem Eingreifen übersinnlicher Wesen nicht zu großen
Platz einräumen, es will mir nicht zu des Reformators ganzem Charakter
passen, wie wir ihn nun einmal recht als einen geraden, männlichen und
auf sich selbst gegründeten kennen. -- Gelegenheit zu Chören geben Sie
mir, wo Sie können. Händels ‚Israel in Egypten‘ gilt mir als das Ideal
eines Chorwerks und eine so bedeutende Rolle wünschte ich dem Chor auch
im ‚Luther‘ zugeteilt. Der Choral ‚Ein’ feste Burg‘ dürfte als höchste
Steigerung nicht eher als zum Schluß erscheinen, als Schlußchor. --
Lassen Sie uns das große Werk mit aller Kraft ergreifen und daran
festhalten.“ Doch kam es trotz der in den letzten Worten gegebenen
Versicherung zur Ausführung des so wohl bedachten Planes nicht.
Andere, wichtiger dünkende Projekte drängten sich in den Vordergrund.
Denn im verzweifelten Streben ja nur Originelles, Bahnbrechendes
zu produzieren, sann Schumann endlich gar auf die Einführung neuer
Kunstgattungen, nahm das „weltliche Oratorium“ wieder auf und erfand
das unerfreuliche, zwitterhafte Genre der „Chorballade“.

+Der Rose Pilgerfahrt+ (_op._ 112) heißt das bis zur Abgeschmacktheit
sentimentale Carmen Horns, welches jetzt ein -- sehr untergeordnetes
-- Seitenstück zu der sinnigen „Peri“ abgeben sollte, ein Carmen,
dessen Heldin eine menschgewordene Blume ist, welche liebt, heiratet
und endlich, man weiß nicht recht warum, von der +Elfen+königin unter
die +Engel+ aufgenommen wird. Kaum begreifen wir, wie Schumann dies
fade Produkt gezierter Goldschnittlitteratur anziehen konnte, ihn, der
einige Jahre vorher sich geäußert: „Schwache Worte zu komponieren ist
mir ein Greuel; ich verlange keinen großen Dichter, aber eine gesunde
Sprache und Gesinnung.“ Horn war thöricht und eingebildet zu glauben,
an dem geringen Erfolg, den das Werk bei den ersten Aufführungen
davontrug, sei die „in der Auffassung verfehlte“ Musik des Meisters
schuld. Diese gehört nun freilich nicht zu seinen besten Leistungen,
enthält aber immerhin gar manche reizvolle Nummer. Derselbe Dichter
richtete ihm auch die Uhlandsche Ballade: +Der Königssohn+ (_op._
116) für seine Experimente her, Pohl im folgenden Jahre +Des Sängers
Fluch+ (_op._ 139). Darnach kommt der Geibelsche Romanzenkranz +Vom
Pagen und der Königstochter+ (_op._ 140) an die Reihe und schließlich
1853 +das Glück von Edenhall+ (_op._ 143) von seinem Hausarzte Dr.
Hasenclever bearbeitet. Das Prinzip dieser zwischen Epos und Drama
schwankenden Gattung, wie es in _op._ 139 am deutlichsten ausgeprägt
erscheint, besteht darin, daß der erzählende Teil des Gedichtes einer
gewissen Stimme übertragen, alles Übrige jedoch, nötigenfalls mit Hilfe
von beträchtlichen Texterweiterungen, zu Sologesang, Duett, Terzett
oder Chor umgestaltet wird, je nachdem es die Situation erfordert. So
entwarf Schumann zu „des Sängers Fluch“ folgendes Schema:

                       Nr. 1. +Chor mit Solis.+
             Es stand in alten Zeiten -- blühender Genoß.

                Nr. 2. +Duettform+ (etwa zehn Zeilen).
                         +Alter und Jüngling.+
                   Nun sei bereit -- steinern Herz.

                     Nr. 3. +Recitativ+ (Sopran).
                   Schon stehen -- zum Ohre schwoll.

                              +Ensemble.+
                Alter, Jüngling, König, Königin, Chor.
                         (Breit auszuführen).

                          Nr. 4. +Recitativ.+
             Und wie vom Sturm zerstoben -- Gärten gellt.

                           Nr. 5. +Harfner.+
                               Weh euch!

                            Nr. 6. +Chor.+
         Der Alte hat’s gerufen -- Das ist des Sängers Fluch.

Pohl legt nun den beiden Sängern ganze Uhlandsche Lieder in den Mund
und der Chor drückt seine Ergriffenheit mit dem, zu diesem Zwecke
veränderten Verse: „Wie schlägt der Greis die Saiten, so wundervoll
und mild“ aus. Ferner wird der Königin ein früheres, zärtliches
Verhältnis zum Jünglinge insinuiert. Die beiden sind so unvorsichtig,
im Angesichte des ganzen Hofes ein langes Liebesduett anzustimmen,
worauf der König in begreiflicher Entrüstung den kecken Troubadour mit
den Worten: „Stirb feiger Sklavensohn!“ niedersticht. Daß Schumann die
poetischen Sünden eines unerfahrenen Kunstnovizen für gut befinden, ja
sogar veranlassen konnte, zeugt gewiß von einer bedeutenden Trübung
seines einst so klaren, richtigen Blickes.

Im März 1852 gab das Schumannsche Ehepaar unter großem Zulauf
auswärtiger Musiker (Liszt, Robert Franz, Joachim, Meinardus u. a.)
eine Anzahl von Konzerten in Leipzig, doch vermochten selbst vor diesem
wohlgesinnten Publikum gerade die letzten Werke keinen rechten Erfolg
zu erringen. Denn selten nur erhellt in ihnen ein Blitz, manchmal
wohl ein fernes Wetterleuchten des Genies das lastende Dunkel. Müde
und abgespannt kehrte der Meister nach Düsseldorf zurück, an dem
Männergesangsfest (im August) beteiligte er sich nur wenig und eine
Kur in Scheveningen, wo er mit seinem alten Freunde Verhulst das
Wiedersehen feierte, brachte nur vorübergehende Besserung. Von seinem
sonderbaren Zustand giebt eine Erinnerung des Malers Bendemann an eine
Abendgesellschaft, bei welcher auch Schumann zugegen war, interessanten
Bericht: „Nach dem Essen trug Klara einige Klavierstücke vor. Schumann
hatte sich unterdes seiner Gewohnheit nach in ein Nebenzimmer
zurückgezogen. Seine Frau, die immer sehr besorgt um ihn war, ging
nach Beendigung ihrer Vorträge zu ihm hin. Ich begleitete sie. Als wir
eintraten, schrak er aus seinem träumerischen Versunkensein empor und
fragte: Wer hat da gespielt? Ich merkte, wie die Frage Frau Schumann
ins Herz schnitt. Aber Robert, ich habe ja gespielt, erwiderte sie mit
bebender Stimme. So warst du das!? gab Schumann gleichgültig zurück
und versank wieder in seine Meditationen. Die sonderbaren Worte hatten
die liebe Frau so angegriffen, daß sie förmlich unwohl wurde und den
Wunsch aussprach, nach Hause zu gehen. Schumann hatte darnach nur ein
kurzes: Warum denn? Es ist ja ganz nett hier! -- Aber bester Schumann,
wenn Ihre Frau unwohl ist, müssen Sie sie doch nicht zurückhalten,
sagte ich, mich ins Mittel legend. Da brach er denn auf. Am andern
Morgen aber empfing ich einen Brief von ihm, worin er sich ziemlich
beleidigt über meine Einmischung aussprach.“ (Schrattenholz, E.
Bendemann). Über seinen damaligen Geisterglauben erzählt ein anderer
Freund, Wasiliewski, Folgendes: „Als ich im Mai 1853 eines Tages in
Schumanns Zimmer eintrat, lag er auf dem Sofa und las in einem Buche.
Auf mein Befragen, was der Inhalt des letzteren sei, erwiderte er mit
gehobener Stimme: ‚O! Wissen Sie noch nichts vom Tischrücken?‘ ‚Wohl!‘
sagte ich in scherzendem Tone. Hierauf öffneten sich weit seine für
gewöhnlich halbgeschlossenen Augen. Die Pupille dehnte sich krampfhaft
auseinander und mit eigentümlich geisterhaftem Ausdrucke sagte er
langsam: ‚+die Tische wissen alles+.‘ Als ich diesen drohenden Ernst
sah, ging ich, um ihn nicht zu reizen, auf seine Meinung ein, infolge
dessen er sich beruhigte. Dann rief er seine zweite Tochter herbei und
fing an mit ihr und einem kleinen Tische zu experimentieren, wobei
er ihn auch den Anfang der _C_-mollsymphonie von Beethoven markieren
ließ.“ Doch konnte Schumann zu gewissen Zeiten auch recht umgänglich,
ja wohl aufgeräumt sein. Beim großen niederrheinischen Musikfest
(Pfingsten 1853) that er sich als Dirigent sogar wieder hervor und
brachte nebst der umgearbeiteten _D_-mollsymphonie auch eine neu
komponierte +Festouvertüre über das Rheinweinlied+ mit Gesang (Soli
und Chor) unter vielem Beifall zur Aufführung. Denkwürdig ist sodann
sein Verhältnis zu Johannes Brahms, der an ihn durch Joachim empfohlen
war. Schumann, die außergewöhnliche Begabung des zwanzigjährigen
Künstlers erkennend, griff anerkennungsfreudig wie immer, noch einmal
zur Feder und proklamierte ihn in der Brendelschen Zeitschrift --
nicht als vielverheißenden Jünger, sondern als „starken Streiter“
und Meister, der berufen sei, „den höchsten Ausdruck unserer Zeit in
idealer Weise auszusprechen.“ Brieflich bezeichnet er ihn als den, „der
kommen mußte“, als „einen jungen Aar“, welcher „die größte Bewegung
in der musikalischen Welt hervorrufen werde“. Selbst wer diesem
enthusiastischen Preise nicht in ganzem Umfange beipflichten kann,
muß zugeben, daß Brahms unter den absoluten Musikern der letzten Zeit
entschieden und verdientermaßen den ersten Platz sich erobert hat.
Kurz, der „blonde Johannes“ war Schumanns erklärter Liebling von Stund
an. Oft gedachten die beiden Künstler bei ihrem Beisammensein auch des
fern weilenden, aber zum Konzerte erwarteten Freundes Joachim, ja, der
stille, schweigsame Robert schwang sich gar einmal zu folgendem Toast
in Charadenform auf: „Drei Silben; die erste liebte ein Gott, die zwei
anderen lieben viele Leser, das Ganze lieben wir alle; das Ganze und
der Ganze sollen leben!“ (Jo-achim). Auch existiert eine Violinsonate,
welche er, Brahms und der junge Musiker Albert Dietrich dem berühmten
Geigenvirtuosen zu Ehren geschrieben haben. Sie wurde ihm nach seiner
Ankunft in Düsseldorf vorgespielt und richtig erkannte er den Verfasser
jedes einzelnen Satzes. Später ersetzte Schumann die zwei fremden Sätze
durch eigene Musik und gab die Komposition als (_op._ 131) heraus.

Leider zählten solche Perioden geistiger Frische nur nach Tagen. In
demselben Monate (Oktober), in welchen der Verkehr mit Brahms fällt,
nahmen auch die Abonnementskonzerte ihren Anfang und schon beim ersten
zeigte es sich deutlich, daß Schumann seiner Aufgabe als Dirigent
nicht mehr gewachsen sei. Man bat ihn, das Dirigieren zur Schonung
seiner Gesundheit wenigstens vorläufig dem zweiten Kapellmeister
zu überlassen, beleidigte aber durch dieses vielleicht nicht genug
schonend vorgebrachte Ansinnen den reizbaren Meister derart, daß er
seine Stelle ohne Verzug niederlegte.

Er wandte Düsseldorf den Rücken und begab sich mit Klara auf eine
Konzerttour nach Holland. Da durfte er denn, mit Ehren überhäuft, die
ihm vermeintlich zugefügten Kränkungen vergessen. „Das holländische
Publikum,“ schreibt er frohbewegt, „ist das enthusiastischste, die
Bildung im ganzen dem Besten zugewendet. Überall hört man neben den
alten Meistern auch die neuen. So fand ich in Hauptstädten Aufführungen
meiner Kompositionen vorbereitet (der dritten Symphonie in Rotterdam
und Utrecht, der zweiten in Haag und Amsterdam, auch der Rose in Haag),
daß ich mich nur hinzustellen brauchte, um sie zu dirigieren. Ich habe
zu meiner Verwunderung gesehen, daß meine Musik hier beinahe heimischer
ist als im Vaterlande.“

Am 22. Dezember traf das Künstlerpaar wieder zu Hause ein, mit dem
Vorsatz, die leidige Stadt im Laufe des kommenden Frühlings für
immer zu verlassen. Zwei litterarische Pläne beschäftigten den
Meister fortan: Zuerst die Herausgabe seiner gesammelten Aufsätze in
Buchform,[9] wobei es ihm eine Freude war zu bemerken, daß er in der
langen Zeit, seit über zwanzig Jahren, von den damals ausgesprochenen
Ansichten fast gar nicht abgewichen sei; dann eine Zusammenstellung
aller Dichtersprüche über Musik von den ältesten Zeiten an, unter dem
Titel „Dichtergarten“. An der Vollendung dieser Arbeit verhinderte ihn
jedoch sein neuerdings ausbrechendes Leiden.

Becker erzählt, daß Schumann einmal im Gasthause plötzlich die Zeitung
weggelegt habe mit den Worten: „Ich kann nicht mehr lesen; ich höre
fortwährend _A_.“ Solche Sinnestäuschungen kehrten jetzt mit
doppelter Stärke wieder. Des Nachts erscheinen ihm Schubert und sein
lieber Mendelssohn und singen ihm eine rührende Melodie vor, bis er
vom Lager springt und sie aufzeichnet.[10] Geisterstimmen tönen ihm
entgegen, bald mild und freundlich, bald drohend und vorwurfsvoll.
Eine furchtbare Angst ergreift den Beunruhigten, während Klara durch
vierzehn bange Nächte und Tage alles aufbietet, um die quälenden
Gedanken des Gatten zu zerstreuen. Umsonst! Am Fastnachtsmontag, am 17.
Februar 1854, entfernt er sich heimlich aus dem Hause, eilt auf die
Rheinbrücke und springt, seinen peinlichen Zustand zu enden, in den
eisigen Strom. Aber anwesende Schifferknechte fischen ihn noch lebendig
wieder heraus: einen Wahnsinnigen. Man brachte ihn am 4. März in die
Privatheilanstalt des Dr. Richarz zu Endenich bei Bonn.

Ererbte Disposition und übermäßige Anstrengung des Geistes -- das gaben
die Ärzte als Ursache der Krankheit an. Allein sie erklären damit nicht
alles. Schumann war ein großer, kräftiger, gesund aussehender Mann,
dessen Leben im ganzen glücklich genannt werden darf. Alles, was er
wünschte, hatte er errungen, Freundschaft, Liebe, Künstlerschaft; nie
hatte ihm die Sorge ums tägliche Brot ihr bleiches Antlitz gewiesen.
Bedenkt man, wie andere Künstler schwach an Körper, bettelarm, mit
wundem Herzen durch die Welt gewandelt sind, ebenso produktiv,
vielleicht noch produktiver als unser Meister, ohne dabei dem Wahnsinn
verfallen zu sein, so muß man einräumen, daß es hier eine besondere
Bewandtnis gehabt habe. Fragen wir darum nicht weiter die Medizin,
sondern lieber einen mitfühlend verstehenden Genius -- Grillparzer.
Und dieser sagt uns mit ausdrücklichem Bezug auf Schumann: „Ich meine
immer, ein Künstler, der wahnsinnig wird, sei im +Kampfe gegen
seine Natur+ gelegen.“ Herrlicher Tiefblick des Dichters! Wie
beschämt er die Instrumente des secierenden Gelehrten, welche nur über
Gehirnentartung, Gefäßerweiterung und dergleichen Aufschluß zu geben
wußten. Grillparzer, der Schumann bloß einmal flüchtig gesehen, löst
uns durch einen scharfen Hieb seines Intellekts den gordischen Knoten
der Schumannfrage und führt uns zur Erkenntnis, daß nicht das Übermaß
des Schaffens, sondern das Schaffen gegen seine Natur und Eigenart
diesen Geist erschöpft und zerrüttet habe. Im Verlaufe unserer
Darstellung wurde dieses Moment schon mehrmals hervorgehoben.

Zu Endenich lebte Schumann meist in einem Zustande tiefster
melancholischer Depression. Manchmal trat wieder eine so bedeutende
Besserung ein, daß man sogar auf völlige Genesung hoffen zu können
glaubte: dann verschwand der irre Blick aus seinen Augen, er
musizierte und schrieb an Familie und Verleger. Doch am Beginn des
Sommers 1856 ging es mit ihm merklich zu Ende. Seine Freunde, die in
treuer Anhänglichkeit oft zum Krankenhaus wanderten, um Nachrichten
einzuholen, kamen mit immer traurigerer Botschaft heim. Die einzige
Beschäftigung dieses einst so bedeutenden Geistes bestände darin,
sich in einem, von Brahms geschenkten Atlas eingebildete Reisen
zusammenzusuchen. Am 29. Juli um vier Uhr nachmittags verschied er
sanft in den Armen seiner Gattin. Sie und alle, die Schumann liebten,
fühlten sich erleichtert: er war ja befreit von schwerem Leiden.

Die Nachricht von Schumanns Tode durcheilte Bonn und die anderen
rheinischen Städte in wenigen Stunden. Auf Straßen und Plätzen wurde
man darauf angeredet, ob man die Trauerkunde schon vernommen. Von fern
und nah eilten die Verehrer des Meisters zu seinem Begräbnis, Brahms,
Joachim, Dietrich gingen barhaupt hinter dem Sarge, Hiller sprach die
Grabrede und die Bevölkerung Bonns war in Scharen herbeigeströmt, um
den Leichenzug zu sehen, als würde ein König beerdigt. Auf dem Bonner
Kirchhof vor dem Sternenthor, nicht weit von Vater Arndt, ruht jetzt
der müde Sänger. Dort hat ihm im Mai 1880 die Liebe seiner Freunde ein
würdiges Denkmal errichtet.


  [8]  Bekannte Irrenanstalt.

  [9]  Erschienen bei Wigand, 1854. Später ging das Verlagsrecht an
       Breitkopf und Härtel über. Neue Ausgabe: Universal-Bibliothek
       Nr. 2472/73. 2561/62. 2621/22.

  [10] Johannes Brahms hat über dieses im Nachlasse des Meisters
       vorgefundene Thema sehr schöne Variationen geschrieben (_op._
       23).



8. Rückblick.

    Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da.

                                     +Antigone.+


Wenn unser Auge bei der Betrachtung des Schumannschen Lebensganges an
manchen Schwächen und Irrtümern haften mußte, so darf der folgende
Abschnitt nun ganz dem Preise seiner bedeutenden Leistungen gewidmet
sein. Mag der eine dieser, der andere jener den Vorzug zuerkennen --
über ihren hohen Wert ist heutzutage alle Welt einig und zählt ihn,
wenn auch nicht zu jenen Gewaltigen, welche die gesamten idealen
Bestrebungen des verfließenden Zeitalters kraftvoll zusammenfassend,
einem künftigen den Stempel ihres Geistes aufdrücken, so doch zu
den Musikern ersten Ranges. Er war ein musikalischer Kernmensch und
vermag darum sogar in Kunstgattungen, für welche ihm die spezielle
Befähigung abging, in Ehren zu bestehen und die volle Teilnahme des
Hörers zu erwecken. Sollen wir aber diese seine spezielle Befähigung
genauer umschreiben, was könnten wir Treffenderes vorbringen, als das
Urteil, welches er selbst, über einen anderen Künstler (L. Berger)
freilich, gefällt hat: „Überhaupt war er in kleinen Formen glücklicher
als in größeren, wie dies oft bei Naturen der Fall, die stets ihr
Bestes, Tiefstes, Innigstes geben möchten. Schlage man solche Stücke
nicht zu gering an. Eine gewisse breite Unterlage, ein bequemes
Aufbauen und Abschließen mag mancher Leistung zum Lobe gereichen. Es
giebt aber Tondichter, die, wozu andere Stunden brauchen, in Minuten
auszusprechen wissen: zur Darstellung, wie zum Genießen solcher geistig
konzentrierter Kompositionen gehört aber freilich auch eine gesteigerte
Kraft des Darstellenden wie des Aufnehmenden und dann auch die rechte
Stunde und Zeit; denn schöne, bequeme Form läßt sich immer genießen
und auslegen; tiefer Gehalt wird aber nicht zu jeder Zeit verstanden.
Daß Berger auch größerer Formen Meister war, hat er in seinen Sonaten
und Konzerten bewiesen. Keineswegs aber geben wir für diese eben jene
kleineren, genialeren Arbeiten hin, wie jene Charakterstücke, einige
seiner Variationen und vor allem seine Lieder.“

So Schumann. Um die Schönheiten seiner Musik zu empfinden, bedarf
es natürlich, wie bei allen tiefer gedachten Kunstwerken einer
eingehenden Bekanntschaft. „Als ich Schumann zu spielen anfing,“
erzählt Robert Hamerling,[11] „glaubte ich in seiner Tonsprache dem
hellen Klangreize anderer Meister gegenüber etwas Herbes, Dumpfes
zu finden, welches jedoch, sobald es nur vom rechten Geschick und
Verständnis bewältigt war, in den süßesten Wohllaut sich auflöste.
Vor allem will das Individuelle, Charakteristische des Tonstückes
bei ihm erfaßt und festgehalten sein und aus diesem Grunde ist die
Kenntnisnahme der Überschriften, die er über seine Werke setzt, für
den vollen Genuß des Hörers so unentbehrlich, wie für den Vortrag. Was
soll der Hörer von den Sprüngen des Harlekins denken, wenn er nicht
weiß, daß es eben Harlekinssprünge sind.“ Als Gegensatz zu Mendelssohns
ohrenfälligem Formenspiel wurde diese Musik vom Publikum anfangs
mit der -- gleichfalls unverständlich dünkenden -- „Zukunftsmusik“
zusammengeworfen, wozu noch der Umstand beitrug, daß Brendel in seiner
Zeitschrift die beiden Richtungen mit demselben Enthusiasmus verfocht.
Schumanns Parteigänger protestierten entschieden, aber nicht ganz mit
Recht gegen solche Beiordnung, denn thatsächlich finden sich zwischen
ihm und der „Weimarer Schule“ gar viele und wichtige Berührungspunkte.

Beiden ist vor allem die geschichtliche Basis: Bach und (der letzte)
Beethoven gemeinsam. „Das Tiefkombinatorische, Poetische und
Humoristische der neueren Musik,“ bemerkt Schumann, „hat seinen
Ursprung zumeist in Bach. Die sogenannten Romantiker stehen Bach
weit näher als Mozart, wie ich selbst tagtäglich vor diesem Hohen
beichte, mich durch ihn zu reinigen und zu stärken suche,“ und ein
andermal gesteht er, daß ihn nur mehr „das Äußerste“ reize; „Bach fast
durchweg, Beethoven zumeist in seinen späteren Werken.“ „Es ist wahr,
zum Verständnis der Beethovenschen letzten Quartette gehört mehr als
bloße Lust zum Hören. Der empfänglichste, offenste Musikmensch wird
ungerührt von ihnen gehen, wenn er nicht tiefe Kenntnis des Charakters
Beethovens und dessen späterer Aussprache mitbringt. Dann aber, ist
er auf dem Wege dahin, so kann auch dem menschlichen Geiste kaum
etwas Wunderwürdigeres geboten werden, als jene Schöpfungen, denen
in ihrer tiefsinnigen Gestaltung, ihrem alle menschlichen Satzungen
überschwebenden Ideenfluge von anderer neuerer Musik gar nichts und
im übrigen nur einiges etwa von Lord Byron oder von Jean Pauls und
Goethes späteren Werken verglichen werden kann.“ Die Tonkunst ist
ihm „die veredelte Sprache der Seele; andere finden in ihr einen
Ohrenrausch, andere ein Rechenexempel und üben sie in dieser Weise
aus. Aber das wäre eine kleine Kunst, die nur klänge und keine Sprache
noch Zeichen für Seelenzustände hätte!“ Auch die Lehre von der Einheit
des Kunstgefühls, von der Urverwandtschaft der Künste läßt sich in
Schumanns Schriften und Briefen nachweisen. „Die Ästhetik der einen
Kunst ist die der anderen; nur das Material ist verschieden. Der
gebildete Musiker wird an einer Rafaelschen Madonna mit gleichem
Nutzen studieren können, wie der Maler an einer Mozartschen Symphonie.
Noch mehr: dem Bildhauer wird jeder Schauspieler zur ruhigen Statue,
diesem die Werke jenes zu lebendigen Gestalten; dem Maler wird das
Gedicht zum Bild, der Musiker setzt die Gemälde in Töne um.“ Gleich den
„Neudeutschen“ möchte sich Schumann vom partikularistischen Standpunkt
des Musikers zum höheren, allgemeineren des „Künstlers“ schlechthin
erheben. „Sieh dich tüchtig im Leben um, wie auch in anderen Künsten
und Wissenschaften,“ ruft er dem Musiker zu und bekennt: „Es affiziert
mich alles, was in der Welt vorgeht, Politik, Litteratur, Menschen;
über alles denke ich nach meiner Weise nach, was sich dann durch
die Musik Luft machen, einen Ausweg suchen will. Deshalb sind viele
meiner Kompositionen so schwer zu verstehen, weil sie an entfernte
Interessen anknüpfen, oft auch bedeutend, weil mich alles Merkwürdige
der Zeit ergreift und ich es dann musikalisch aussprechen muß.“ Sogar
was die Programmmusik anbelangt, stimmt er mit den Neudeutschen in der
Kardinalfrage: nach ihrer Berechtigung überein. Er meint zwar einmal,
es sei kein gutes Zeichen für ein Tonstück, wenn es der Überschrift
bedarf; es wäre dann gewiß nicht der inneren Tiefe entquollen, sondern
erst durch irgend eine äußere Vermittlung angeregt; und vom Programm
einer Berliozschen Symphonie: „Ganz Deutschland schenkt es ihm; solche
Wegweiser haben immer etwas Unwürdiges, Charlatanmäßiges.“ Doch stehen
damit zahlreiche andere Aussprüche Schumanns in offenbarem Widerspruch,
so daß es den Anschein hat, als sei er in dieser Frage nicht ganz
schlüssig geworden. Man höre: Warum könnte nicht einen Beethoven
inmitten seiner Phantasien der Gedanke an Unsterblichkeit überfallen?
Warum nicht das Andenken eines großen gefallenen Helden ihn zu einem
großen Werke begeistern? Warum nicht einen anderen die Erinnerung an
eine selig verlebte Zeit? Italien, die Alpen, das Bild des Meeres, eine
Frühlingsdämmerung -- hätte uns die Musik noch nichts von diesem allen
erzählt? Ja, selbst kleinere, speziellere Bilder können der Musik einen
so reizend festen Charakter verleihen, daß man überrascht wird, wie sie
solche Züge auszudrücken vermag. So erzählte mir ein Komponist, daß
sich ihm während des Niederschreibens das Bild eines Schmetterlings,
der auf einem Blatte im Bache mitfortschwimmt, aufgedrungen: dies
hätte dem kleinen Stücke die Zartheit und Naivetät gegeben, wie es nur
irgend das Bild in der Wirklichkeit besitzen mag.... Man irrt sich
gewiß, wenn man glaubt, die Komponisten legen sich Feder und Papier
in der elenden Absicht zurecht, dies oder jenes auszudrücken. Doch
schlage man zufällige Einflüsse und Eindrücke von außen nicht zu gering
an. Unbewußt neben der musikalischen Phantasie wirkt oft eine Idee
fort, neben dem Ohr das Auge, und dieses, das immer thätige Organ,
hält dann mitten unter den Klängen und Tönen gewisse Umrisse fest, die
sich mit der vorrückenden Musik zu deutlichen Gestalten verdichten und
ausbilden können. Je mehr nun mit der Musik verwandte Elemente die
mit den Tönen erzeugten Gedanken oder Gebilde in sich tragen, von je
poetischerem oder plastischerem Ausdrucke wird die Komposition sein
und, je phantastischer oder schärfer der Musiker aufpaßt, um so mehr
wird sein Werk erheben oder ergreifen. Daß sich Schumann zu seinen
Symphonien durch äußere Momente anregen ließ, wurde bereits erwähnt,
aber selbst in seine Kammermusikwerke spielen, wie es scheint, allerlei
poetische Ideen hinein. Umgekehrt, und das ist das Entscheidende,
genießt Schumann absolute Musik nicht rein musikalisch, sondern als
Poet, als Künstler: „Ich kann nicht unterlassen anzuführen, wie mir
einstens während eines Schubertschen Marsches der Freund, mit dem ich
spielte, auf meine Frage, ob er nicht ganz eigene Gestalten vor sich
sehe, zur Antwort gab: Wahrhaftig, ich befand mich in Sevilla, aber vor
mehr als hundert Jahren, mitten unter auf- und abspazierenden Dons und
Donnas mit Schleppkleid, Schnabelschuhen u. s. w. Merkwürdigerweise
waren wir in unseren Visionen bis auf die Stadt einig.“ Verwahrte
sich Schumann nicht ausdrücklich dagegen, so dürfte man ihn (mit
Liszt) nach den Überschriften, die er seinen Tonstücken giebt, als
Programmatiker betrachten; doch erklärt er zu wiederholten Malen, sie
seien erst später entstanden und nur „feinere Fingerzeige für Vortrag
und Auffassung.“ Mag dies nun für all seine Werke zutreffen oder nicht
-- jedenfalls ist Schumann, zwar kein Partner, wohl aber ein Vorläufer
der „neudeutschen Schule“, das notwendige Mittelglied zwischen ihr und
Beethoven.

Der Glaube, in welchem er komponierte, war der an die unversiegbare
Kraft des deutschen Kunstgeistes: „Mir ist oft, als ständen wir an den
Anfängen, als könnten wir noch Saiten anschlagen, von denen man früher
noch nicht gehört.“ Auch der Hinweis auf die Zukunft kehrt bei Schumann
häufig wieder, ja einmal sagt er gar: „Eine Zeitschrift für +zukünftige
Musik+ fehlt noch, als Redakteure wären freilich nur Männer, wie der
ehemalige, blind gewordene Kantor an der Thomasschule (Bach) und
der taube, in Wien ruhende Kapellmeister (Beethoven) passend.“ Aber
gleich den Neudeutschen verwirft er bloße Nachahmung dieser verehrten
Meister. Persönlichkeit scheint ihm nicht nur das „höchste Glück der
Erdenkinder“, sondern auch die vornehmste Eigenschaft jedes wirklichen
Künstlers. „Nenne mich beileibe nicht mehr Jean Paul den Zweiten
oder Beethoven den Zweiten,“ schreibt er Klara; „da könnte ich dich
eine Minute lang hassen. Ich will zehnmal weniger sein als andere,
aber nur für mich etwas.“ Noch muß die nationale Tendenz Schumanns
hervorgehoben werden, denn er ist eigentlich der erste Komponist, der
sein Deutschtum stärker betont, der die Anlehnung an ausländische
Muster geflissentlich vermeidet -- ganz wie die Neudeutschen. „Die
höchsten Spitzen italienischer Kunst reichen noch nicht an die Anfänge
wahrhaft Deutscher,“ sagt er, ebenso überzeugungsvoll, als ungerecht,
und die Fremdwörter, welche sich zu seiner Zeit auf Titeln und in den
Vortragsbezeichnungen breit machten, auszumerzen, war sein eifrigstes
Bestreben. Als Brendel bei der Übernahme der Zeitschrift die Absicht
aussprach, sie in Zukunft mit lateinischen Lettern drucken zu lassen,
protestierte Schumann sehr heftig dagegen und erklärte, daß er dann
imstande sei, sie nicht wieder anzusehen. -- Endlich hat Schumann mit
den Neudeutschen die Doppelthätigkeit als Künstler und Schriftsteller
gemeinsam. Bei ihm ist diese Vereinigung zweier Talente, wie Liszt
vortrefflich ausführt, „noch durch das Verdienst erhöht, daß er
nicht unbewußt dem Drange der Verhältnisse nachgab und, nachdem er
diese erkannt, nicht erst die äußerste Notwendigkeit zum Handeln
abwartete. Nicht zufrieden, für seine Idee, die damals ebenso wenig
allgemein begriffen wurde, als sie es kaum in den nächsten Dezennien
sein dürfte, zu eifern, zu predigen, zu arbeiten, zu kämpfen, setzte
er für die erkannte Wahrheit Gut und Leben ein. Ein richtiger Blick
ist zu allen Zeiten sein Vorzug, seine Kritik liefert ein schönes
Beispiel eines prinzipiell strengen, faktisch wohlwollenden Geistes,
der anspruchsvoll für die Kunst, nachsichtig gegen die Künstler ist,
der gern aus seiner Heimat in den Wolkenschichten als freundlicher
Gast in bescheidenen Niederungen einkehrt, dem Vielwollenden vieles
verzeiht, redliche Gesinnung und beharrliches Streben ermuntert, sich
mutig und voll Zorn gegen reiche Geister erhebt, die ihren Reichtum
nicht zum alleinigen Nutzen der Kunst erheben wollen, der selbst im
Tadel sanft gegen Schwache ist und im Lobe selbst gebieterisch gegen
Erfolgreiche -- ehrlich aber gegen alle.“ Schumanns unmittelbaren
Schülern kann freilich der Vorwurf nicht erspart werden, die von ihm
erlernte stilistische Gewandtheit mehr dazu benützt zu haben, ihren
eigenen Witz auf Kosten des Kunstwerkes glänzen zu lassen, als es
verständnisvoll und wohlwollend zu beleuchten; allein wer wird den
Meister für die Verirrungen seiner Jünger zur Verantwortung ziehen? Er
hatte fürwahr eine höhere Meinung von dem ehrwürdigen Amte der Kritik:
„Thörichten, Eingebildeten schlägt sie die Waffen aus der Hand,“ sagt
er, „Willige schont, bildet sie; Mutigen tritt sie rüstig freundlich
entgegen: vor Starken senkt sie die Degenspitze und salutiert.“ Ferner:
„Wir gestehen, daß wir für die höchste Kritik halten, welche durch
sich selbst einen Eindruck hinterläßt, dem gleich, den das anregende
Original hervorbringt. In diesem Sinne könnte Jean Paul zum Verständnis
einer Beethovenschen Symphonie durch ein poetisches Gegenstück mehr
beitragen, als die Dutzend-Kunstrichter, die Leitern an den Koloß
legen, um ihn nach Ellen zu messen.“

Unter den zahlreichen, zum größeren Teile in die „Gesammelten
Schriften“ aufgenommenen, kritischen Artikeln Schumanns haben
namentlich zwei bedeutenden Einfluß auf den musikalischen Geschmack in
Deutschland gehabt; der eine über Berlioz, worin er den Wert dieses
zumeist als Halbverrückten behandelten Künstlers unbefangen aufdeckte,
ist besonders in methodologischer Hinsicht von außerordentlicher
Bedeutung und man hört es noch heute von Musikern, daß sie daraus mehr
wirkliches und nützliches Wissen schöpfen, als aus den umfangreichsten
Lehrbüchern musikalischer Gelehrsamkeit. In späterer Zeit wurde
Schumann allerdings empfindlicher gegen das Bizarre, Extravagante in
Berlioz’ Musik, doch blieb es immer sein Stolz, „mit der kritischen
Weisheit nicht zehn Jahre hinterdrein gefahren zu sein, sondern
im voraus gesagt zu haben, daß Genie in dem Franzosen gesteckt.“
Griepenkerls, von wahrem Fanatismus für Berlioz erfüllte Broschüre:
„Ritter Berlioz in Braunschweig“, besprach er, trotzdem gegen ihn
selbst polemisiert wurde, überaus freundlich und schloß mit den Worten:
„Möge die kleine Schrift gelesen werden; sie enthält manch blitzenden
Gedanken und konnte auf so vieles Unwürdige, Ignorantenhafte, was
neuerdings über Berlioz geschrieben worden ist, gar nicht ausbleiben.“
Dem merkwürdigen Künstler aber schlage, was um ihn vorgeht, alles zum
Besten aus, wie Goethe sagt im Tasso:

                          „Ruhm und Tadel
  Muß er ertragen lernen, sich und andere
  Wird er gezwungen recht zu kennen.“

Ganz anders gestaltete sich hingegen das Verhältnis Schumanns zu
einem anderen, nicht minder berühmten Pariser Musiker: Meyerbeer.
Nicht als hätte er bei diesem das große Talent verkannt, aber sein
unkünstlerisches Streben nach Effekt, die innere Hohlheit seiner Werke
stieß den idealistischen, ehrlichen Deutschen ab. Bedenkt man das
ungeheuere, durch die bezahlte Tagespresse erzeugte Ansehen, welches
Meyerbeer genoß und seinen verderblichen Einfluß auf den öffentlichen
Kunstgeschmack (es gab Leute, die ihn Mozart an die Seite stellten!),
so muß Schumanns Artikel gegen „Die Hugenotten“ als eine nationale und
künstlerische That bezeichnet werden. „Nie unterschrieb ich etwas mit
so fester Überzeugung als heute,“ sagte er am Schlusse des Aufsatzes
und auch späterhin ist er von seiner Meinung nicht abgekommen. Die
erste, nicht günstige Kritik über „Tannhäuser“ scheint, wenigstens
indirekt, Meyerbeer verschuldet zu haben, insofern, als Wagners
offenkundige Beziehungen zu ihm, Schumanns Argwohn erweckten. Mit
welchem Freimut er sein Urteil zurücknahm, sobald er sich von der
Unbilligkeit des Tadels überzeugt hatte, hörten wir schon.

Sowohl durch seinen gewählten, reinen und graziösen Stil, als durch
die treffende, harmonische Anwendung seiner Bilder gehört Schumann
unbedingt zu den hervorragendsten Schriftstellern der dreißiger
Jahre. Bis dahin hatte man in Deutschland selten Wissenschaftliches,
Vernünftiges und Richtiges über Musik in einem blühenderen Stil als
dem bei Lehrbüchern der Arithmetik gebräuchlichen vortragen gehört.
Schumann vermied diese Trockenheit der Fachmenschen, die in so wenig
anziehender Weise und immer nur vom technischen Standpunkt aus über
Musik derartig gesprochen hatten, daß man leicht von ihr selbst hätte
abgeschreckt werden können. Er wußte die Laien zu interessieren, denen
bisher die musikalischen Zeitschriften meistens für zu viel Langeweile
zu wenig Belehrung geboten hatten.

Wie Jean Paul die zwei kontrastierenden Seiten seines Wesens in
„Walt und Wult“ verkörpert hat, so Schumann bekanntlich das Seinige
in „Florestan und Eusebius“. In wie feiner Weise macht er sich nun
diese Fiktion für seine Kritik zu nutze! Er stellt Florestan als
Repräsentanten der abstrakten Kunst hin und Eusebius als das liebevoll
auffassende Künstlergemüt und vermochte, indem er bald diesem, bald
jenem das Wort erteilte, Doppelkritiken nach den bei der Beurteilung
notwendigen zwei Gesichtspunkten zu geben. Noch mehr. Er gewinnt
durch diesen Davidsbund auch eine prächtig sinnige Einkleidung für
seine kritischen Aufsätze. Als er neu erschienene Tanzlitteratur zu
besprechen hat, bedient er sich beispielsweise der Fiktion eines
Maskenballes, welchen die Bündler veranstalten und wobei die zu
besprechenden Stücke aufgespielt werden. Oder er berichtet über die
Gewandhauskonzerte des Oktober 1835 in Form von Briefen, die Eusebius
an Chiara (Klara) nach Italien schreibt. Auch recht lustige Episoden
weiß er gelegentlich zu erfinden, so wenn bei einer von Franzilla Pixis
gesungenen Donizettischen Arie „etwas sehr Nasses“ auf der Backe selbst
des gestrengen Kunstrichters Florestan sichtbar wird. Daheim läuft er
dann wütend auf und ab, vor sich hinsprechend: „O ewige Schande! O
Florestan, bist du bei Sinnen, hast du deshalb den Marpurg studiert,
deshalb das wohltemperierte Klavier seciert, kannst du deshalb den Bach
und Beethoven auswendig, um bei einer miserablen Arie von Donizetti
nach vielen Jahren so etwas wie weinen? Hätte ich die Thränen, zu
nichts wollt’ ich sie zerkratzen mit der Faust!“ Darauf setzt er sich
unter schrecklichem Lamentieren ans Klavier und spielt jene Arie so
wirtshausmäßig, lächerlich und fratzenhaft, daß er endlich beruhigt zu
sich sagen kann: „Wahrhaftig, nur der Ton ihrer Stimme war’s, der mir
so ins Herz ging!“

Die Idee des Davidsbundes wurde von den Freunden Schumanns ehedem viel
bewundert, ja, man dichtete allerhand Tiefsinnigkeiten in sie hinein.
„Vor allem mahne uns dieser Name,“ kommentiert Wedel (Zuccamaglio),
„an den ewigen, heiligen Bund der Dicht- und Tonkunst. Der Name des
gekrönten Sängers, der nur in gottbegeisterten Liedern sich verewigte,
deute uns immer das Verhältnis zwischen Kunst und Religion, erinnere
uns, daß die Sprache einer Geisterwelt nicht herabgewürdigt werden
darf, dem Niedrigen im Menschen zu schmeicheln und das Verwerfliche
zu übergolden und zu verbrämen.“ Solche Gedanken lagen wohl Schumann
ursprünglich fern. Er war, obgleich gut christlich gesinnt, doch
eigentlich keine tief religiöse Natur. Das erklärt sich aus der
Geistesrichtung der Periode, in welcher er lebte. Auch auf Unterschiede
zwischen den christlichen Konfessionen zu halten, fiel ihm nicht ein,
was schon durch den Umstand bewiesen wird, daß er, der doch Protestant
war, 1852 für die katholische Kirche in Düsseldorf eine Messe und ein
Requiem geschrieben hat.

Schließlich soll noch angeführt sein, daß Schumann in den Jahren
1837-39 darauf sann, dem nur in seiner Phantasie existierenden Bunde
wirkliches Leben zu erteilen, einen großen, deutschen Künstlerbund
zu begründen. Auch einen anderen derartigen Plan hegte er damals:
die Errichtung einer Agentur zur Herausgabe von Musikwerken, „welche
den Zweck hätten, alle Vorteile, die bis jetzt den Verlegern in so
reichlichem Maße zufließen, den Komponisten zuzuwenden.“ Man sieht,
auch an praktischen Vorschlägen ließ es dieser merkwürdige Geist nicht
fehlen, so wenig er selbst darnach geschaffen war, sie in Wirklichkeit
durchführen zu können. Immerhin muß man seinem richtigen, idealen
Wollen die gebührende Anerkennung entrichten.

Robert Schumanns Leben und Schaffen, stellt es nicht treu die Eigenart
seiner Zeit, des zweiten Drittels unseres Jahrhunderts dar? Es ist
das Zeitalter erneuter Regsamkeit auf dem Gebiete der Kunst, der
Wissenschaft und des öffentlichen Lebens. Überall zeigen sich Keime und
Ansätze, viel Enthusiasmus und Fleiß, aber geringe Thatkraft. Es ist
das Zeitalter politischer und geistiger Zersplitterung; aber auch der
Vorbereitung auf die später gewonnene Einheit; und Schumann strebte
weiter: nach Erfüllung wenigstens in der Kunst und setzte sein edles
Leben vergebens daran. Erst das künftige Geschlecht sollte ernten, wo
jenes gesäet hatte. Dank darum den emsigen Säeleuten und nicht zum
mindesten fürwahr unserem Meister. Seine Werke aber mögen im deutschen
Volke immer unvergeßlich bleiben!


  [11] R. Hamerling, Prosa. Bd. 1: Meine Lieblinge (Hamb. 1891).



Register der Werke Robert Schumanns.


1. Numerierte Werke.

      1. _Thème sur le nom Abegg._[12]
      2. _Papillons._
      3. Studien für Pianoforte nach Kaprizen von Paganini.
      4. _Intermezzi._
      5. Impromptüs über ein Thema von Klara Wieck.
      6. Davidsbündlertänze. (Gewidmet Walther von Goethe.)
      7. _Toccata._
      8. _Allegro._
      9. _Carnaval. Scènes mignonnes._
     10. _VI Etudes pour le pianoforte d’après des caprices de
           Paganini._
     11. _Grande Sonate (dediée à Mlle. Clara Wieck)._
     12. Phantasiestücke.
     13. _Etudes symphoniques (dediée Sterndale Bennett)._
     14. _Concert sans orchestre (dediée J. Moscheles)._
     15. Kinderscenen.
     16. Kreisleriana (gewidmet Friedrich Chopin).
     17. Phantasie für Pianoforte (Franz Liszt).
     18. Arabeske.
     19. Blumenstück.
     20. Humoreske.
     21. Novelletten (Adolph Henselt).
     22. Sonate Nr. II.
     23. Nachtstücke.
     24. Liederkreis von Heine (Mlle. Pauline Garcia).[13]
     25. Myrthen. Liederkreis. („Seiner geliebten Braut“.)
     26. Faschingsschwank aus Wien.
     27. Lieder und Gesänge (Heft I).
     28. Drei Romanzen für Pianoforte.
     29. Drei Gedichte von Geibel für mehrstimmigen Gesang u.
           Pianoforte.
     30. Drei Gedichte von E. Geibel.
     31. Drei Gesänge von A. Chamisso.
     32. Scherzo, Gigue, Romanze und Fughette für Pianoforte, komponiert
           1838-39.
     33. Sechs Lieder für vierstimmigen Männergesang.
     34. Vier Duette für Sopran und Tenor mit Pianoforte.
     35. Zwölf Gedichte von J. Kerner.
     36. Sechs Gedichte von Reinick.
     37. Zwölf Gedichte aus E. Rückerts Liebesfrühling.
     38. Erste Symphonie (_B-Dur_).
     39. Liederkreis von J. v. Eichendorff.
     40. Fünf Lieder (H. C. Andersen).
     41. Drei Quartette (E. Mendelssohn).
     42. Frauenliebe und Leben.
     43. Drei zweistimmige Lieder mit Pianoforte.
     44. Quintett für Pianoforte, Violinen, Viola, Cello (Klara).
     45. Romanzen und Balladen (Heft I).
     46. Andante und Variationen für zwei Pianoforte.
     47. Quartett für Pianoforte, Violine, Viola und Cello.
     48. Dichterliebe aus dem Buche der Lieder von Heine
           (Schröder-Devrient).
     49. Romanzen und Balladen (Heft II).
     50. Das Paradies und die Peri von Th. Moore für Soli, Chor,
           Orchester.
     51. Lieder und Gesänge (Heft II), komponiert 1842.
     52. Ouvertüre, Scherzo und Finale für Orchester.
     53. Romanzen und Balladen (Heft III).
     54. Konzert für das Pianoforte mit Orchester.
     55. Fünf Lieder von R. Burns für gemischten Chor.
     56. Studien für den Pedalflügel.
     57. Belsazar, Ballade von Heine.
     58. Skizzen für den Pedalflügel.
     59. Vier Gesänge für gemischten Chor.
     60. Sechs Fugen über den Namen Bach für Orgel.
     61. Zweite Symphonie (_C-Dur_).
     62. Drei Gesänge für Männerchor.
     63. Trio für Pianoforte, Violine und Cello (_D-moll_).
     64. Romanzen und Balladen (Heft IV).
     65. Ritornelle von F. Rückert für mehrstimmigen Männergesang.
     66. Bilder aus Osten. Impromptüs für Pianoforte zu vier Händen.
     67. Romanzen und Balladen für Chor (I. Heft).
     68. Album für die Jugend.
     69. Romanzen für Frauenstimmen (Heft I).
     70. Adagio und Allegro für Pianoforte und Horn.
     71. Adventlied von F. Rückert für Sopran, Chor, Orchester.
     72. Vier Fugen für Pianoforte (Carl Reinecke).
     73. Phantasiestücke für Pianoforte und Klarinette.
     74. Spanisches Liederspiel f. eine u. mehrere Stimmen m.
           Pianoforte.
     75. Romanzen und Balladen für Chor (II. Heft).
     76. Vier Märsche für Pianoforte.
     77. Lieder und Gesänge (Heft III).
     78. Vier Duette für Sopran und Tenor mit Pianoforte.
     79. Liederalbum für die Jugend.
     80. Zweites Trio (_F-Dur_).
     81. Genoveva (Oper in vier Akten nach Tieck und F. Hebbel).
     82. Waldscenen (Neun Klavierstücke).
     83. Drei Gesänge.
     84. Beim Abschied zu singen. (Lied f. Chor m.
           Instrumentalbegleitung).
     85. Zwölf vierhändige Klavierstücke für kleine und große Kinder.
     86. Konzertstück für vier Hörner und großes Orchester.
     87. Der Handschuh (Ballade von Schiller).
     88. Phantasiestücke für Pianoforte, Violine, Cello.
     89. Sechs Gesänge von W. von der Neun (Jenny Lind).
     90. Sechs Gedichte von Lenau und Requiem.
     91. Romanzen für Frauenstimmen (Heft II).
     92. Introduktion und Allegro. (Konzertstück für Pianoforte mit
           Orchester).
     93. Motette „Verzweifle nicht“ von Rückert für doppelten Männerchor
           und Orgel.
     94. Drei Romanzen für Hoboe und Pianoforte.
     95. Drei Gesänge von Byron mit Harfe oder Pianoforte.
     96. Lieder und Gesänge (Heft IV).
     97. Dritte Symphonie (_Es-Dur_).
     98. _a_) Lieder aus „Wilhelm Meister“; _b_) Requiem für Mignon für
           Soli, Chor, Orchester.
     99. Bunte Blätter (14 Stücke für Pianoforte). ††[14]
    100. Ouvertüre zur Braut von Messina für Orchester, kompon. 1851.
    101. Minnespiel aus Rückerts Liebesfrühling für eine und mehrere
           Stimmen mit Pianoforte.
    102. Fünf Stücke im Volkston für Cello und Pianoforte.
    103. Mädchenlieder von E. Kulmann f. zwei Soprane m. Pianoforte.
    104. Sieben Lieder von E. Kulmann.
    105. Sonate (_A-moll_) für Pianoforte und Violine.
    106. Schön Hedwig (Ballade von Hebbel f. Deklamation u. Pianoforte).
    107. Sechs Gesänge.
    108. Nachtlied von Hebbel f. Chor u. Orchester. (Dem Dichter
           gewidmet.)
    109. Ballscenen für Pianoforte zu vier Händen.
    110. Drittes Trio (_G-moll_). Niels Gade zugeeignet.
    111. Drei Phantasiestücke für Pianoforte.
    112. Der Rose Pilgerfahrt (Märchen nach Moritz Horn für Soli, Chor,
           Orchester).
    113. Märchenbilder (vier Stücke für Pianoforte und Viola).
    114. Drei Lieder für drei Frauenstimmen m. Pianoforte, kompon. 1853.
    115. Manfred (dramatisches Gedicht von Lord Byron).
    116. Der Königssohn (Ballade von Uhland, für Soli, Chor, Orchester).
    117. Vier Husarenlieder von Lenau.
    118. Drei Klaviersonaten für die Jugend, komponiert 1853.
    119. Drei Gedichte von S. Pfarrius.
    120. Vierte Symphonie (_D-moll_).
    121. Sonate (_D-moll_) für Violine und Pianoforte. (Ferd. David.)
    122. Ballade vom Haideknaben von Hebbel. Die Flüchtlinge von
           Shelley, für Deklamation und Pianoforte.
    123. Festouvertüre mit Gesang über das Rheinweinlied.
    124. Albumblätter (20 Klavierstücke). ††
    125. Fünf heitere Gesänge.
    126. Sieben Klavierstücke in Fughettenform, komponiert 1853.
    127. Lieder und Gesänge.
    128. Ouvertüre zu Shakespeares Julius Cäsar.
    129. Konzert (_A-moll_) für Cello mit Orchester.
    130. Kinderball (sechs leichte Tanzstücke zu vier Händen, für
           Pianoforte, komponiert 1853).
    131. Phantasie für Violine mit Orchester oder Pianoforte (J.
           Joachim).
    132. Märchenerzählungen (vier Stücke für Klarinette, Viola u.
           Pianoforte, komponiert 1853).
    133. Gesänge der Frühe (fünf Stücke für Pianoforte, kompon. 1853).
    134. Konzert-Allegro mit Introduktion für Pianoforte mit Orchester,
           komponiert 1853, (J. Brahms).
    135. Gedichte der Königin Maria Stuart.
    136. Ouvertüre zu Hermann und Dorothea. (Seiner lieben Klara.)[15]
    137. Jagdlieder aus Laubes Jagdbrevier f. vierstimmigen Männerchor.
    138. Spanische Liebeslieder für eine und mehrere Stimmen mit
           Pianoforte zu vier Händen.
    139. Des Sängers Fluch (Ballade nach Uhland, bearbeitet von R. Pohl
           für Soli, Chor, Orchester).
    140. Vom Pagen und der Königstochter (Balladen von Geibel, f. Soli,
           Chor, Orchester).
    141. Vier doppelchörige Gesänge.
    142. Vier Gesänge, komponiert 1842.
    143. Das Glück von Edenhall (Ballade nach Uhland, bearbeitet von
           Hasenclever, für Soli, Chor, Orchester).
    144. Neujahrslied von Rückert, für Chor und Orchester.
    145. Romanzen und Balladen für Chorgesang (III. Heft).
    146. Romanzen und Balladen für Chorgesang (IV. Heft).
    147. Messe für vierstimmigen Chor mit Orchester.
    148. Requiem für Chor und Orchester.


2. Unnumerierte Werke.

      I. Scenen aus Goethes Faust, für Soli, Chor, Orchester.
     II. Der deutsche Rhein von N. Becker, für Soli, Chor, Orchester,
           komponiert 1840.
    III. Soldatenlied von Hoffmann von Fallersleben. †
     IV. Scherzo und Presto für Pianoforte. †
      V. Kanon über „An Alexis“ für Pianoforte. †


  [12] _op._ 1-23, ausschließlich zweihändige Klavierwerke.

  [13] Wo nichts weiteres angegeben ist, sind die Lieder einstimmig mit
       Begleitung des Pianoforte.

  [14] Das Zeichen † bedeutet, daß die Entstehungszeit dieser, im Texte
       nicht weiter berührten Komposition nicht bekannt ist, zwei ††,
       daß das Werk aus mehreren zu verschiedenen Zeiten entstandenen
       Stücken besteht.

  [15] Die Werke von _op._ 136 an sind erst nach Schumanns Tode
       erschienen.


+Ende.+



Musiker-Biographien

aus Reclams Universal-Bibliothek


    Auber. Von Ad. Kohut. Bd. 17. Nr. 3389

    J. S. Bach. Von Rich. Batka. Bd. 15. Nr. 3070

    Beethoven. Von L. Nohl. Bd. 2. Nr. 1181/81 _a_

    Bellini. Von Paul Voß. Bd. 23. Nr. 4238

    Berlioz. Von Br. Schrader. Bd. 28. Nr. 5043

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    Chopin. Von E. Redenbacher. Bd. 30. Nr. 5327

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    Weber. Von Ludwig Nohl. Bd. 6. Nr. 1746

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